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Jpeuf fdje ^iogtapfjie.
Auf $£rcmla|Jtmg
Seiner Jtajeltat ks fiönigs oon Bauern
herausgegeben
bei bet
ßömgl Äkabenrie öer DtffenfdjaftetL
Seidig,
Verlag oon S)uncfex & -^umbtot.
1887.
62356
9lße föecbte, füt bn§ fönnje lote für bie Steile, »orbetjaltcn.
2 tc SetlagS'banblung.
Referenc«
_ O 6 fOt .1
DtJdtg: Sluna £). , f. £ol)er, 5t. ®. S3. XIII, 216.
DöeitS: Jürgen £)., aud) (Seoxg, Suxiaen unb Dan C t>en§ genannt,
ftommt au§ bcr Keinen, erft 1590 gegrünbeten ©tabt Sönning an ber (£iber
in früher rjerzoglid) gottorpifdjen Sanben, Wo fein 33ater Croe SBroberS gtatfc
mann war. ®ie btärjer gebxäud)lid)e fjotlänbifdje fjorm feineä StornamenS et«
fdjeint nux auf einzelnen feiner (Semätbe; er felbft nennt fid) in einer Steige
öon Dutttungen, bie er ber ©ottorper Kammer ausftettt, ftetjenb Jürgen unb
wirb aud) in allen amttidjen Slctenftüden jener Seit nie anber§ genannt. Sie
ftamilienübexliefexung läfet tbn im 3at)xe 1623 geboren werben, bod) ergeben
mancherlei t)iftoxtfd)e Erwägungen, ba£ fein ©ebuxtsjatjx etmaä fxübex, nod) in
ba§ zweite 3at)xzet)nt falten büxite. lieber feine Sugenb* unb Seigre ift_bi§
jefet nidjt§ ©idjexes befannt ; wir wiffen nur mit einiger SBeftimmtljett, bafc er
um 1642 feine ^eimatt) bexliefj, um fid) in Jpoltanb in ber ©dmte 9tembranbt'§
a(3 «Dtaler au§zubilben. Sie feinem SJaterlanb bxotjenben ßrieg§ftfirme jener
3eit werben ebenfofetjr wie bie (SinWanberung unb Üiüdwanberung t)otlänbifd)er
Dtemonfiranten nad) bem benachbarten neugegrünbeten fyriebridjftabt neben ber
Solonifirung «RorbftranbS, moburd) eine enge Serbinbung unb ein reger 23er=
feijr mit £o!ianb tjerborgerufen War, auf feinen @ntfcr)fofe öon SinfluB gewefen
fein. 21m ßnbe be§ breifjigjäfjxigen $xiege§ war er nod) in^otlanb; fuxz nad)
bemfelben fällt anfdjeinenb fein zeitweiliger 2lufenü)att am fönigl. polnifdjen
#of, bann feine £eiratf) mit Ataxie 9Jlaxten§ ban «öleljring. @rft mit bem 3ln»
fange ber pmzigexjaf)ie, a(3 ber Herzog ^rtebrid) III. fein ©c&Iofj ©ottoxp jum
©ammelplafc bon ©eletjxten unb Äünftlern zu ergeben begann, £)leaxiu§ bie
berühmte ©ottoxpex 93ibliot$cf unb ein ettjnograpbifdjes IHufeum grünbete (1651)
unb eine Reifte aftronomifcfjer unb matl)ematifd]ex .ftunftwexfe fd)uf (1652), laffen
fid) bie elften SBezietmngen beö 3?ünfttex§ ju bem ©ottoxpex ipofe nadjweifen.
£). extjielt bamatä ben Auftrag, ba§ Portrait be§ ^erjogü Stjxiftian bon $Rerflen=
bürg au malen, bex mit bei zweiten £od)ter be§ £exzog§ Sriebxid), ^ebrotg
Eleonore, bexlobt wax. (S5aS «Portrait in ganzer ^igur bon Sbeobox 5Jtatr)am
geftoeben.) 2>arau§ ertlärt fid) benn aud) tjinlängttd) fein zeitweiliger Slufentbalt
in 9Jceälenbuxg. S)ie Sluftjebung ber Verlobung unb bie 23erbinbung mit bem
fd)Webifd)en $önigSt)aufe führte £). in befonberem auftrage nad) ©tocffiolm. Ex
begleitete bie «ßtinjejfin <!pebwig Eleonoxe im September 1654 nad) ©djmeben,
natjm an bex 5Bermar)lung bexfelben mit Äarl X. ©ufiat> tt)eit (24. Octobex) unb
malte pm ©ebädjtnifj bex gtänzenben geiexlidjfeiten in bex SBeife Otembxanbt's
ein gxo^e§ ©emälbe mit ^ad)tbeleud)tung unb gtänzenbem Effect (geflogen
üon Soxn. Öifdjex). Untex ben jarjlreicrjen giguxen erfdjeint aud) ba§ Portrait
Stagem. beutjc&e $8iograt>f)te. XXV. !
2 Dtoen§.
beä $ünftter§. lieber eine Slnjal)! anberer SßortraitS unb ©emälbe, bie er nad)
guter Ueberliefcrung bamal§ in ©todtjolm gesoffen, ift un§ nid)t§ ©idjeres
befannt. 2U§ er im 3. 1656 ober erft im Anfang 1657 in feine -gjeimatb, ju=
rüdfetjrte, moditen itjm bie friegerifdjen Unternehmungen $arl ©uftabä gegen
2)änemarf unb bie bamit brotjenbe Ueberfctjmemmung ber (Sottorper ßanbe für
fünftlerifdje Slrbeiten am tjeraoglidjen .£>ofe menig günftig erfdjeinen. O. öerttefe
tool t)auptfäd)lid) au§ biegen ©rünben am 25. Sluguft 1657 fein $atertanb, ging
nad) Slmfterbam ntrüd unb meilte tner fo lange, bi§ in ber -gjeimatb, mieber bolle
ütutje eingefetjrt mar. 3n oie geit feine§ jmeitcn 9Iufentr)alte§ in «gjollanb fällt
u. a. bie SDarfteEung ber „Serfdjmörung be§ Slaubiu§ GibiliS bei einer Mbenb»
maljljeit im SBalbe ju ©djladerbofd)", metd)e§ S3ilb früljer im föatfjljaufe gu 2lmfter=
bam aufbemarjrt mar. kleinere arbeiten finben ftd) nod) im ^arlemer unb
9totterbamer sJftufeum. 6tn§ feiner lejjten SSerfe in £>ottanb fdjeint ba§ Portrait
be§ 9ltd)t)miften 33orro (1676 bon ^eter b. ©djuppen geftodjen) getoefen 3U fein,
ba e§ fidler nid)t bor 1661, roaf)ifd)etntid) erft 1662 entftanben ift. — %n ben=
felben $at)ren begann ber iper^og ßfjriftian 2l£bredjt in bie gufjftapfen feines
funfttiebenben S3ater§ p treten, ber mitten im Kriege am 14. September 1658
in feiner ^eftung Üönning geftorben mar; bie folgenbe grieben^eit bi§ pm
3at)re 1675 machte e§ ü)m möglidj, att feinen fünftterifdjen unb roiffenfd)aftlid)en
Steigungen nad)pgef)en. sRad) feiner .£)eimfcf)r naljm D. (i. 3- 1663) mit feinet
gamitie in ^ebrictjftabt feine SSotmung, tt>oi)in itjn bermanbtfd)aftlidje 33e=
jietjungen feiner $rau unb bie t>ottänbifd)e Umgebung jie^en mochten. 33on jetßt
an beginnt feine reidje fünftlerifdje ü£l)ätigfcit ; eine erftaunlidje SJlenge öon
2Berfen bezeugt ebenfofetjr fein unermüblid)e§ ©djaffen mie bie reiche Unterftüimng
feine§ rjerpgtidjen ©önnerö auf ©ottorp. 5Dod) ift er niemali eigentlicher ^por=
maier gemefen, benn mäljrenb 1664 — 75 nimmt biefe (Stellung ein ^orjantt
sjJtüßer ein; aud) bepg er fein beftimmte§ (Betjatt au§ ber rjerpglidjen Kammer,
nod) erhielt feine äöittme fpäter, toie baä bei Hofmalern immer ber $att mar,
eine 5{knfion. @r nennt fiel) felbft immer ßontrefaiter in 3rriebrid)§ftabt unb roirb
öon ben tjer^oglic^en Beamten aud) nur fo benannt, ©eine «Stellung mar burd)
ein Privilegium exemtionis (1. 9tob. 1652 unb 10. $uli 1653) beftimmt. @r befam
für bie 3lu§füt)rung jebe§ einzelnen 9luftrage§ befonberä beprjlt. 5Da§ erfte bi§ jetjt
befannte ©emätbe au§ biefer ^eriobe be§ Äünftterö ift ber fog. „flehte biliar", 1664
bon bem ^an^ler $ietmann§egge bem S)ome ju ©cl)le§mig gefetjenft; e§ trägt
fein IDconogramm, enthält eine altegorifcr)e S)arftcllung be§ ©ieg§ be§ 6rjrifteu=
tljum§ über bie ©ünbe unb ift ba§ ©emälbe, p bem ber Änabe ^afob Sarften«
betenb tunauiferjaute unb ba% er fpäter im Siebe befang (@act), 2t§mu§ ^afob
Sarften§' ^ugenb= unb ßefjrjarjre, ©. 45). S)a^ er aud) fdjon bamal§ für ben
^erjog gearbeitet, bezeugt eine bon itjm eigenfjänbig am 25. ^oüember 1664
au§gefteEte Quittung über 100 9ttf)lr. Sei ©etegenl)eit ber ©rünbung ber Bieter
Uniberfität (1665) lieferte er ein ^orträt be§ ßanäler§ $ietmann§egge ; aud)
fdjeint er bei ben 3etd)nungen ju ben ^upfertafeln be§ goliomerfe§ betljeiligt,
in bem SorquatuS grangipani 1666 bie SinmeiljungSfeierlidjfeiten betrieb;
jebenfaE§ liegt bem Titelblatt baju, morauf bie Inauguration bargefteEt ift,
eine SHabirung bon feiner ^>anb ju ©runbe. 5Rit bem 3atjre 1664 erljielt £).
burd) ben ^eraog ben Stuftrag, einen ©aal feinet ©d)loffe§ mit SBanbgemälben
aul ber ©efdjicljte be§ ©ottorper ^aufe§ unb ©d)lc§wig=§olftein§ au fctjmüden ;
er begann bamit jene 9 großen eompofitionen, bie feinen 9hu)m im 17. Sa^v=
rjunbert begrünbeten unb als feine jpaubttoerfe betrachtet merben muffen, ©ie
mürben nad) Vertreibung ber (Sottorper in bem Slubienäjimmer ber Königin
auiberoarjrt, mo fic aud) SarftenS fat) (©ad), 6arften§; Sugfnb= unb ßerjrjafjre,
©. 139). Wati) bem ^nbentar be§ ©d)to|e§ bom Qa^re 1827 unb bem S3erid;te
Dben§.
üon Garfteni' SSctter Sürgenfen roaren fie nur trjeilweife mit bem Sonogramm
be% ßünftlerS oerferjen, aber alle mit 3nfd)riften bei Oteariui gegiert. Unter
benfelben wirb bai ätoeite in ber IRet^e, bie 2krmät)lung Gtjriftiani I. mit ber
SBittroe bei ßönigi (Stjrtftoplj (1448), als gana im Stile Oiembranbt'i aui=
geführt, befonberi gerühmt. Sie ^nfcfjriften bei Oleariui ergeben übrigen»,
bajj alle mit bem Seigre 1671 boEenbet gewefen fein muffen. 3Son anberen
Söerfen, bie biefer £eit angehören, ftnb bemerfeniwertt) eine erft 1877 in einem
(Stifte ju SBrcbftebt entbeefte 9Jtabonna mit Sonogramm, aber otme 3arjreiaaf)l,
unb bie „^eilige gamilte" im 2>ome au Schleswig, bie nad) ber ^nfdjrift 1670
gefdjenft roarb; inbefc madjt bai gelten einei ÜJtonogrammS feine Ur^eberfd^ait
ätoeiTel^aft (öergl. Sadi, SarftenS, S. 49). Sie »eitere £t)ätigfeit bei Mnftleri
am ©ottorper &ofe Bejie^t fidj auf bie Stuifdjmücr'ung bei fogenannten ßuft=
Kaufes Slmalienburg, bai ber ^erjog 1670 feiner ©ematjlin ju (Sljren in bem
fogenannten Dleumerf errieten lieg, Sie SOßänbe bei großen öierecEigen £mupt=
faale§ Würben mit ptjantaftifd)en ©emätben, oft laicitier 2lrt, bie ad)t gelber
ber 2)eäe mit mrjtljotogifdjen SarfteEungen in ben Sauren 1672 bii 1674 ge=
atert (ßarfteni' 3ugenb= unb 2er}riat)re, S. 147 ff.), ftaä) bem SBerfalt unb
bem 2Ibbrud) bei ©eöäubei (1822) mürben bie ©ctnälbe, 45 an ber 3a$I, im
Schlöffe jum £t)eil in fer)r üUtm ßuftanbe aufbewahrt. 2)ai ^nbentar Dom
Satire 1827, bai barüber Sluifunft gibt, füt)it aufeerbem nod) in einjelnen
3immern üerfdjiebene SBerfe bon £). auf, 5. SS. eine „Sfuftttia", einen „«Hierfür",
einen „jungen ^rinjen bor einem ©itter mit 2Beinlaub", bon benen le^terei in
Spribatoefifc übergegangen ift. gwei Heinere SarfteEungen maren fdjon früher
nad) Äopentjagen gebraut unb bem bortigen «ötufeum einberleibt (Spengler,
Katalog, p. 506). Uebrigeni erfterjt man aui einer Steige borliegenber 9tcd)-
nungen, bafj D. für feine arbeiten im 3- 1670 unb 71 pnäd)ft 2170 £t)aler.
bann 185 £t)ater unb 1673 nod) 1390 Später aui ber t)eraoglid)en Kammer
auibeaarjlt erhielt, gemifj bebeutenbe Summen, wenn man ben bamati weit
t)ör)eren SBertt) bei ©elbei in 2tnfd)lag bringt.
Sie arbeiten bei ÄünftlerS auf ©ottorp bauerten bii aum 3ar)r 1675, mo
fie burd) ben neu auibredjenben £rieg awifdjen bem $erjog ßbnfiian SHfiredjt
unb bem Könige Gtjriftian V. öon Sänemarf für immer unterbrochen mürben.
£ura bor 23eginn bei Äriegei unb wäb,renb ber rjerrättjcrifct)en (Gefangennahme
bei £eraogi a°8 O- fi<$ WH nad) ftricbrid)ftabt au feiner gamüie 3urüd unb
matte tjier bie fdjöne ©rabtege für bie tutt)erifd)e ßirdje (1675). äöenn ber
Äünftler nun aud) nad) ber ftreitaffung bei £eraogi nad) 1676 nad)trägltd) für
gelieferte „Sdjilbereien unb Porträte" 1180 Spater auibeaa^tt errjielt, fo ift er
bod) nid)t nad) (Sottorü aurüdgetel)rt, um feine arbeiten wieber aufauneljmen.
Sie fttud)t bei ^jeraogS nad) Hamburg (Sluguft 1676) ^at er nod) erlebt. 2tl§
bcifetbe bann 1679 autüdfeb.rte, mar D. fd)on am 9. ©ecemoer 1678 in gfrieb«
rid)ftabt geftorben; „dies fuit V ante idus Decembres anni vergentis MDCLXXIIX.
quum linea illa suprema scripta fuit", roie e§ auf einem langen fdjmülftigeu
(Spigrapt) ^iefe, bai i^m früher im Sd)le§miger S)om errietet mar. (Sad), ©e=
fd)id)te ber Stabt Sd)teimig, S. 188.) @r mürbe in einem gamiüenbegräbniB
in ber tutf)erifd)en Äir^e au Sü^en feiner ©rabtege beigefe^t unb unterlief',
feiner SÖittroe unb feinen 8 $inbem ein aiemlid) bebeutenbei Vermögen in ©runb=
befiti unb baarem (Selbe. Kaü) bem 2obe ber Butter in 2:önning (1690) cx--
rid)teten bie ßtnber ib,ren eitern in ber bortigen Äirdje ein epitapb,, metd)cs
betber Porträte 3eigt. Sie nad) einer auberläffigen Eingabe 1781 nod) in
Stönning im gßrioatbefik borf)anbenen ©emätbe bei ÄünftlerS Werben aui bem
9cadjlafj ber gamitie flammen.
4 Oöerabt.
£). mar ofjnegxage einer ber tjerborragenbften ©djülex föembxanbt'S; mantfje
feiner 2Bexfe gingen trüget felbft unter bem Flamen feines 2et)xex§. SBenn ex
in ber $unftgefd)id)te biSrjex feinen befonbexen tarnen erlangt Tfjat, fo begreift
fid) bieg auS ben ©djidfalen feiner bebeutenbften 2öexfe. 9tux fein gxofjeS ©tod=
rjolmex (Scmälbe unb einige *ßoxtxät3 finb buxd) übxigcnS fe^r fettene ©tidje be=
tannter getooxben; jein ©emätbe int ®om p ©djleSmig foroie feine ©xabtege
in grtebridjftabt rjaben allein in feiner £)eimatt) feinen tarnen bewahrt. $\n°
tänglid) geroüxbigt fann er erft roexben, feitbem feine «gmuptmexfe, bie gxofjen
(Sottoxpex ©emälbe, ber j?unftgefd)id)te roiebex augängiid) gemacht moxben finb.
i8i§ jum ^at}xt 1851 auf ©ottoxp aufberoatjxt, finb fie bamatS mit einer größerer;
3ar)l anberer (Skmälbe nad) .ftopentjagen gefdjafft. Sex größte £t)eit ber ©e=
mälbe au§ ber Slmalienbuxg mürbe bagegen mit ben fonft im ©d)loffe boxtjanbenen
Äunftfdjätsen am 1. 9tobembex 1853 auf öffentlicher 9(uction bexfauft unb ift
feitbem böttig bexfdjotten. %n Äopentjagen toagte man tnot au§ poiitifdjeu
®xünben nicfjt, bie SDaxfteßungen auS ber fcrjte§mig=b,otfteinifd)en (Sefdjictjte öffent=
lief) au^uftetten; fic maren fo böttig bexgeffen, bafj felbft ber neuefte Äunft=
fjiftoxifer SDänemaxfs (SBeilbad)) fie in feinem Sejifon (1878) mit feinem Söexfe
berührt. 9lad)bem ber Skxfaffex biefeS meljxfad), nod) aulctjt in Sarficnö' $ugenb=
unb £et)xjat)xe, p. 138 mit 9cad)bxud auf biefe unexfläxlidje £t)atfad)e tjingemiefen,
finb fie enblid) bor etroa jroei $arjxen roiebex pm 33oxfd)ein gefommen unb,
menn mir redit beridjtet finb, fünf an ber 3^1 in Äopentjagen öffentlid) au§*
geftettt.
SDuxcrj eine 9teif)e uxfunbtidjex Cuelten finb bie furzen biograpfnfdjen
5flotijen in <Bad): teuere ©efd)id)te be£ ©djloffeS (Sottoxp, ©djteSroig 1866,
p. 21, berichtigt. Ueber DbcnS' (giiiftufe auf (£axften§, über bie ©emälbe im
SDom p ©djleäroig, in ©ottoxp unb ber Slmalienburg ift auSfürjxltd) ge=
tjanbelt in (Bad) , 6arften6J 3ugenb= unb Secjxiarjxe, p. 45 ff. unb 138 ff.
SBergl. aud): teuere ©efdjidjte be§ ©djloffeS ©ottorp , p. 17 unb 20. Ur=
funblidje 9Zad)xid)ten in <&a<$), ©efd)id)te ber ©tabt ©djlcSroig. <8d)leSroig,
1875 p. 188 ff., 322 ff. SBcitbad) , SanSf Äonftnerleitton, 1878, p. 527.
Sinige ^cotijen in ^offett, 2)ie fixd)lid)e ßunft in ©d)teSroig=|)olftein. #eit=
fdjxift ber ©efellfdjaft für fd)lesro. = l)otft. = lauenbuxgifcf)e ©efd)id)tc, 33b. 11.
ßiel 1886, p. 301. — Weue goxfcfmngen über $. ObenS bon %. Siexnatjfi in
ber Bieter Rettung b. 3- 1885, ftx. 10 763, 10 775, 11015. — ©ottoxpfd)e
|)ofgerid)t§acten im ©taatSaxdjib ju ©djleSroig. ©adj.
Oöcrabt: ^eter D., Äupferftic^berteger unb 93ud)brucfer au Äöfn, bieüeicb,t
aud) felbft ßupferftedjer, mar in ben elften S)ecennien be§ 17. Sab.rfjunbeitg in
Srjätigteit. Sluf fef)r bieten blättern ber bamatigen Äötner 6ted)er, eine§ 33ern.
öartfelbt, ^et. Sffelburg, 9la^. be 2Retjf Slegib. sJtobet[anu§, «Dtat^. ban ©omev,
©. 6. ©tid) u. a. ift er alg SBerteger genannt. Vlad) ^ar^eim (Bibl. Colon.
p. 48) finb bie Tupfer ju bem 1624 (aud) 1627) in $aberborn erfdjienenen
y3udje „©eiftlicfjer «g)er^en§=©piegel", beffen ungenannter SBcxf affer ber ^efuit
ßafpar 58ranbi§ ift, bon irjm geftoetjen. 5Dag frütjefte mit feinem Flamen ber=
fej^ene SStatt ift ba§ feltene SSilbni^ be§ jungen 3:fjoma§ 3amoi§£i, ©otjne§ be§
©ro^fanaterS bon $olen, bei beffen SDebication er fid) „civis ac typographus
Coloniensis an. 1606" nennt, ginige boxtxefflidje Kopien nad) 3ll6r. 2)ürer,
in§befonbere jmei 5Jtabonnenbilber, tragen feine Stbreffe unb merben beStjatb bie
Oberabt1cb,en genannt, finb aber mol fid)er non anberer «Ipanb ausgeführt.
©einem tarnen gab er eine fefjr abmeidjenbe Orthographie unb bielaxtige 33er=
fürjungen. 9iacf) feinem Sobe tjaben bie (Sxben ba§ ©efdjäft nod) lange fort=
gefegt. (Sin Süctjtein bon 1657 fjat bie 2lbreffe „SBerj ben (Srben «ßittcr Dber=
rabt"; fpäter tritt ein Martin fjti^ als 9ta<i)folger auf. ^erlo.
öberbecf. 5
Dücrbetf: Gtrjriftian SIbolf £)., einer au§ bem ßüneburgifctjen ftammen=
ben gamilie entfproffen, roarb ju ßüBec! am 21. Sluguft 1755 al§ Sotjn be§
Sftedjticoniutenten ©eorg Grjrifiian Dberberf geboren, ©eine Sraietjung erhielt
er auf bem ©rjmnafium feiner Sßaterftabt, beffen Seitung bamal§ feineg 5ßaterl
SSruber, ber 9tector Sofjann Daniel Cberbed (geb. 23. 3uni 1715, f 3. 2Iug.
1802) rjatte unb neben roelcfjem namentlich ber Gonrector (Befjner auf beS
Änaben 23itbung einrohfte. Srotjbem fidj bei £). fdjon frütje eine befonbere
Neigung jur Stjeologie, ßttteratur, 9ftuftf unb «ßoefte bemerfbar macfjte, roäb,lte
er bod), toorjt auf 2Bunfd) be§ $ater§, al§ Serufsftubium bie 9tedjt§ttjiffenfdjaft
unb bejog 1773 bie llniberfität ©öttingen. kleben ben jurtfiifcrjen SSorlefungen
ffiörjmer'ä, *pütter'3, 9Jtetfter'3 u. a. cjörte er auefj ^rjilofoprjie, <Sefd)icf)te, Oiatur*
tniffenf chatten bei fyeber, 6crjlöjer unb 93tumenbad), bor allem aber roirb ber
ßinflufj ^jerjne'i unb feiner epocfjemadjenben Serjanblung ber clafftfdjen ^5£)ito=
togie at§ ein tiergefjenber gefdjitbert. Sßielteicrjt tjtng e§ mit ber Sebor^ugung
biefer Stubien jufammen, bafc €>. nad) feiner Sftüdtefjr bon ber llniberfität ju*
nädjft nad) SSremen ging, um bort bie Seitung einer ©rjierjungganftatt ju über-
nehmen, bod) fetjrte er batb in feine Söaterftabt unb jur Surisprubena jurücf,
übernahm 1779 eine £>bergerid)t§procuratur, erwarb 1788 bie juriftifdje 2)octor=
würbe, warb 1792 jum <§t)nbicu§ be§ ßübeefer 2)omcapitel§ erwärjlt unb 1798
Gonfutent be§ fogenannten <5djütting§, ber ©cr)onenfarjrer=Gompagme. gmei
$ar)re fpäter ift er in ben Senat ber £>anfeftabt berufen Worben. S)en pf)i(an=
tfjvopifdjen ^been ber Qext rjatte fidj D. mit boller (Smpfängticrjfeit Eingegeben,
war 'Fcitbegrünber ber ©efeüfdjaft für gemeinnützige Xtjätigfeit in Sübed unb
mehrere ^a§re fjinburd) ir)r Sßorfitjenber, at§ «Ucitgtieb be§ (Senats narjm er tjer=
borragenben 3lntt)eit an ber Hebung bee ßircrjen= unb Sd)utwefen§ unb an ber
Sfteorganifation ber Slrmenanftalt. 9tament(id) aber mufj fid) in £). ein be=
fonberes ©efdjirf jur güljrung btplomatifcrjer Untertjanbtung funb gettjan rjaben,
benn ba^u ift er feit feinem Eintritt in ben Senat in beinahe anbertljalb 2)e=
cennien faft ununterbrodjen unb unter ben fd)Wterigften llmftänben berwanbt
Worben. ©0 ging er, nadjbem in $olge ber norbiferjen Gonbention bom
16. ^uli 1800 Sübed bon bänifc^en Gruppen befetjt War, in's Hauptquartier
ber ^rinjen Äart unb griebrid) bon -öeffen, 1804 nacr) bem 9teid)3beputation§=
^auptfd)lu^ (23. gebr. 1803) jum ßsaren Slteranber nad§ «Petersburg, ftatf)
ber ©djtadjt bei SübecE (6. 9tob. 1806) unb ber Sapitutation SSIüd&exä bei
üiatefau gehörte D. ber Deputation an bie franjöfifdjen «331arfd)ätle Sernabotte,
93turat unb Soult unb ebenfo ber gleicr) folgenben an Napoleon fetbft nad)
Serlin an, meiere, fretüd) bergebtid), eine (Srmäfjigung ber Sontribution erttirfen
fottte. Siner erften iitiffion nad) ^)ati§ uod) im Sa^e 1807, folgte eine aroeite
ebenba^in 1808 — 9, unb nod) im teueren ^ab,re roieber eine britte ^ur 33cr=
matjtung «Jiapoteon§ mit 9Jtarie Souife. £). roob,nte bem berrjängnifjbotten
gefte bei bem dürften Sdjroar^enberg bei unb fetjrte erft 1810 nad) £>aufe
^urüd, nur um ba% ^ac)r barauf nadj ber Sereinigung 9torbtr>eftbeutfd)(anb§ unb
ber ^»anfeftäbte mit bem franjöfifdjen ^aiferreidj jutn bterten 5Rate nad) SpariS
entfanbt 3U werben. 2ll§ im SJtärä 1813 bie erfte Sejreiung 2ühed% burd)
2cttenbom'§ ^ofafen erfolgt mar, warb er ^ur SSegrüßung ber berbünbeten 9Jto=
nard)en nad) SreSben unb ^Breslau gefdjidt, unb ba injmifdjen bie gran^ofen
ßübed bon neuem befetjt rjatten, gelang bie 9tüd£er)r nur auf llmmegen unb
unter befonberen 6d)Wierigfeiten. dlafa ber jtoeiten ^Befreiung ber ©tabt im
üDecember 1813, warb O. ben 2. 5Rärj 1814 jum SBürgermeifter erhoben unb
^at a(§ folcrjer an ber nad) ber granäofen^eit nottjtoenbigen Umgeftaltung bee
ganjen Sübifdjen ®taatömefen§ einen leitenben Stnt^eit gehabt. Oleben ben
^erui§gefd)äften aber blieben feine Neigungen fortbauernb ber 9Jtufif unb ^oefie
6 Döerktf.
äugeroanbt. ©djon at§ Jüngling ^atte er fid) in ßompofitionen öon Älopftorf'ß
geiftlicrjen Siebern unb bcn Siebein au§ ber $ermannäfd)tad)t üex^urf)!, fpätet
erfdjienen öon ifjm ÄtabierauSjüge öon ^crgolefe'S Salve regina unb Stabat
mater, 1781 aud) eine (Sammlung eigener ßompofitionen. ©eine elften littera»
rifdjen Seiftungen maren lleberfetmngen englifdjer fteifemerfe unb einzelner ©e-
bidjte 33irgil'§ unb £t)eocrit'S, bie Anregung ju eigenen ^robuctionen ertoudjS-
au§ bem (Sinfluffe JHoöftoä'ä, £art gr. Gramer'S, Mitter'ä unb ©öridmann'e,
auj ber llnibeifität ©öttingen aber — ber ^ainbunb mar, als £). fie be^og,
jebod) fdjon jerftreut — öor allem au§ bem öon ©tolberg, 33ürger, £öltl)
unb $ofj. 3ln be§ Settern Mufenalmanad) natjm £>. feit 1776 regen 2lntf)eil
unb ebenfo an anbern periobifcrjen 23lättern ber 3eit, mie am £>eibelberger
Xafdjenbud), bem norbifdjen Sllmanad) Sßinftieb unb bem <£)anfeatifdjen Magazin.
23on ba finb Sieber öon itjm in anbere äfmlidje 3ettfdC)rtften unb (Sammlungen
übergegangen unb gefonbert ift eine foldje gegen fein 2Biffen unb roiber feinen
Söitten „gefammelt öon einem 33eref)rer be§ 33erfaffer§ in ber ©djroei,}", 1786
ju Sinbau herausgegeben. Selber öeröffentlid)te er 1781 eine Sluämab/l feiner
Äinbertieber unter bem 2itet: „ga-ifcdjenS Sieber", he jetjn ^atjre nadj
feinem £obe 1831 nochmals aufgelegt ift. „3n biefeu Vif bem fjab' id) öerfud)en
motten, mie meit icb/S etma im Äinberton treffen fönnte." „$ier förid)t, menn icb/ä
gut gemadjt Ijabe, rohflidj ein Äinb", fagt er in ber Söorrebe. 1794 folgte
eine «Sammlung „2Jermifd)te ©ebidjte" unb 1800 Ueberfetjungen au§ Sluafreon
unb ©abbtjo. tlnüeröffentlidjt geblieben finb Ueberhagungen fraujöfifd^er üDramen,
9tacine'§ 23rittaunicu§ unb SBajajet, GorneiüYS Ginna, bie auf bie 23ütmc ju
bringen er öergeblid) mit ©djiöber in 23riefmed)fel trat.
®a§ ©ebiet öon Oüerbed'ä Srjrif ift ein Heine*, eng umgrenztes. 2Bie fie
bem ©efdjmacf jener geit „ber jungen emöfinbfamen -Sperren" entfprad), entfpridjt
fie bem unfern nidjt mefjr. 2lud) maä fid) nod) im 33olf3gefang unb ben ©djul=
tieberbüdjern errjalten rjat, toie: „SDaS maren mir fetige Sage", „ßomm' lieber
Mai", „231ürje liebeS 5)eild)en", „2öarum finb ber Sfjränen" bürfte merjt burd)
bie Metobie, als ben ütejt lebenbig geblieben fein. £>. lct)nt fid) in feinen Ueber=
fe^ungcn am beutlid)ften an 23ofj an, nimmt in feinen geiftlidjcn unb moralifdjen
©ebidjten fjie unb ba einen 3ug öon (JtaubiuS auf, ift aber in ber Günge feines
bidjterijdjen ©efid)t§freife§, in ber ftreube einer Keinen 9taturbetrad)tung unb
feiner fbielenben Träumerei, mie in ber ©angbarfeit feiner Seife am nädj=
ften mit $öltt) berroanbt. 31 n Mufif gefegt finb einäelne feiner Sieber öon
Jpimmel, ^>urfa, Slnbrö, SReidjarbt unb Mozart, bie meiften öon 93ofs' gl"funb,
9lbrar)am ©djulj unb biefe entföredjen ber Oöerbed'fdjen 9ltt entfd^ieben am
meiften. SllS S)id)ter fd^ä^te £). feinen fo fjo<J) al§ S3ofe, itjtn ift er ein ftetS
bereiter Mitarbeiter unb burd)§ Seben ein treuer ^reunb geblieben, alleibingä
ift ba§ SSerljältnife, mie S3o^ SMograöb, mit 9ted)t Ijeröortjebt, erft nad)bem biefer
ßutin öerlaffen fjatte, ein öertrautereg gtmorben, unb bie 35erfd)iebenl)eit ber
ßliaraftere, in D. bei aller gefdjäftlidjen Slüdjtigtcit eine unöerfennbare 2öeidjl)eit unb
Milbe, bei 33ofj jene IjcrauSforbernbe Unbulbfamfeit unb 9ted)tf)aberei, bie nur
in ber eigenen (Subjectiöität bie «Rotm fudjt unb finbet, tritt tlar ju Sage. 2llS
biefer feine Singriffe gegen Stolberg in bie 2Belt fdjleuberte unb D. jur <5tellung=
naljme brängte, mu|te ber le|tere mit geinljeit unb SCßürbe feinen eigenen ab=
roeid)enben ©tanböunft ^u rualjren unb bocb, ben SStu^i mit bem langjährigen
greunbe ju öermeiben. £). ftarb am 9. Mära 1821. ©ein jüngfter ©oljn mar
ber Maler ftmbrid) £)t>erbed.
©oebefe, ©runbtife jur ©efdjicb.te beutfctjer 2)id)tung, 23b. II, ©. 707.
— 3ur Erinnerung an 6b,riftian Slbolf ööerbed (ö. 6. ©. Cöerbecf bem
©oljn). Sübed 1830. £a§fe.
Düer6ecf. 7
£üerk(f: griebrid) £>., $iftorienmatev, 9eo- 3" Sübecf am 8. 3nlt
1789, f au gtom am 12. 9tor>. 1869. Unter ben Männern, bie e§ 311 Anfang
unfereg 3ar)rr)unberi§ unternahmen, ber in leeren gormaüemuS berfunfenen,
Döttig inrjaltloS geworbenen beutfcrjen ßunfi mieber neue§ Seben einäuflöfjen,
rjat man ficr) gemöfmt, £). junädjft neben Gorneliu§ ju nennen, meit er röte
biefer bon ber romantifcrjen 2lnfd)auung beseelt mar unb bann in lebenslange näfjere
©emeinfdjaft mit itnn geriet!). Snbefj finb bie 33orau§fetmngen, Don benen ber
Stifter ber najarenifcrjen sJticr)tung ausging, mie bie 2lrt ber fcrjöpferifcfjen RxaH,
bie er an bie 2)urd)füt)rung feiner ^kincipien ju menben rjatte, fet)r berfd)ieben
öon benen feine§ großen ©enoffen. ^ft bod) bie j?unft be§ teijteren eine burd)*
au§ bramatifd)e, mär)renb bie Dbexbetf § bon allem Slnfang an Irjrifd) toar, au§
ber üTiefe be§ ©emütf)§ ftammte unb allem heftigen ober 2eibenfd)aftlid)en
3eitleben§ auä bem SBege ging. 9coct) oiet öerf ergebener aber mar beiber
Meifter Gfjaiafter, mie man au§ ber näheren SDarfteüung if)re§ SebenSlaufei
balb ferjen mirb.
£)berbed'§ SSater mar erft Senator, bann 23ürgermeifter ber ©tabt £übec£
unb ein rjodjgebilbeter, bejonbers bie Äunft unb fcfjöne Sitteratur tiebenber
Mann, ber fetjon GarftenS, bei beffen Sübeder 5tufentt)alt, in jeber äöeife geiörbert
unb öiel bei ficr) gefet)en t)atte. So empfing benn fein eigener, burd) frühen
ilambi unb 9cotI) niemals mie Goineliu§ geftäfjlter, fonbern ber beften Grjiefjung
unb be§ liebeoollften gamilienleben§ gentefjenber ©ofjn, ein fdjöner, ftiller Änabe,
fd)on ftür) nur fünfileriferje unb titteraxifcfje Ginbrüde im Glternfjaufe, meldje
burd) bie rjerrtierje alte ©tabt unb itjren 3teid)tr)um an föftlicrjen Saumerfen
nod) mächtig berftärft merben mußten. Gin tief letigiöfeä unb fcr)märmerifd)e§
©emütrj marb baburd) notfjmenbig al§balb auf ba§ beutfdje Mittelalter ^urücf»
gemiefen, mie er benn aud) am liebfteu in ber fatr)olifcr)en $apelit ber ©tabt
öor einem altbeutfdjen Marienbilbe öermeitte. ^xül) bie Neigung <}ur Äunft
für}lenb erhielt er ben elften 3eicfjnung§unterrid)t bon einem alten .Kanonier,
Tiamen§ Mau. ©toäter, bei ber immer entfdjiebener rjeroortretenben Neigung
be§ ©ofme§ pr Malerei, tiefj itjm ber Sßater burd) ben Mengfianer ^ßeroux
Unterridjt geben. Sine fxiir)e 53efanntfd)aft mit Sluguft Äeftner au§ -gmnnoöer,
nachmaligem ©efanbten in 9tom, ber 1805 nadj Sübecf fam unb, felber leiben=
fdmftlidjer Äunftjreunb, biete 3eid)nungen nadj ben alten Italienern befafj, be=
ftärfte ben jungen £). in feiner Neigung pr $unft, mie jur Üiomantif
überrjaubt, unb fo fetjte er e§ benn aud) burd), bafj er im fiebaerjnten
3ar)re bie äBiener Slfabemie , bamal§ ämeifeIlo§ bie befte in Seutfdjtanb, be=
fucfjen burrte.
G§ mar im $. 1806, alfo bem unglüdlidjften, ba§ S)eutfct)lanb je ge=
feb^en, mo ba§ alte 9reid) gan^ aufammenbrad) unb fetbft bie jpanfeftäbte balb
ben fytud) ber gtembljerrfdiait fennen lernen foHten. 3)a§ mu^te freilief) ein
baffibe§ unb äugleid; fdjmärmerifd)e§ ©emütrj nod) mer)r auf ficr) felbft unb ben
eigenen 9teidjtr)um 5'urüdmeifen. £as SBiener hebert aber mit feiner bamat§
befonbers leicrjtfinnigen griüolität unb unfäglidjen f^^iil^eit mufste biefe Neigung
nod) berftärfen, ba e§ einen tjodjgefinnten unb in ftrenger norbbeutfcb)er 3"cr)1
unb Gtjrbarfeit auigemad)fenen Jüngling nur anmibetn tonnte. Sie unter be§
tatentöollen 3Jlengefd)üler§ {yüger ßeitung ftcr)enbe Slfabemie aber mar eine ebenfo
feelenlofe Slbricfjtungeanftalt al§ atte übrigen, mo ber Scfjüler mit ber größten
5|3ebanterie bon einem Gurfuä jum anbern burdjgctrieben mürbe unb man bei
biefer fdjablonenmäfcigen S)reffur auf feine ^nbiüibualität nid)t bie geringfte
9tüdfid)t nab)m. 5lod) biet meniger fümmerte man fid) bei ber burd) 9Jceng§
l)errfd)enb gemorbenen Vergötterung ber Stntife um bie eigene f)od)ad)tunggmert|e
alte nationale ßunft. — Slaburd) fam nun £). balb in ben tiefften ©egenfat;
g DbetBcrf.
3U biefer leblo§ antififirenben 9tid)tung. 3mmerr)in enthielt bie Stnftatt ober
bocf) ein fet)r refpectable§ 9Jcaß tecl)nifd)en (ScfdjicfeS aU foftbare (5rbfd)aft ber
9Jceng§'fd)en ©d>ule, beffen Aneignung für ben jungen ßünftter gana ätr-crfmäßig
fein mußte, unb mo er aud) in ber £f)at meljr lernte, ali er bamalä glauben
mochte, mie er im Sltter felber anerfannte. 2>er Ürieb ^ur Slbfonberung, bie
Neigung 311 ben „StuSertuätjlten" ju gehören, machte fid) inbeß bei it)m fetjr
frülj gettenb, mie bei fo öielen frommen, ©o bitbete er bei feinem rafd) t)er=
öortretenben gtän^enben latent batb mit einigen gteidjgefinnten einen 2htnb
auf ,,©t. 8uca§" ßingefdjroorner, bem außer itjm Sßfotr, SBintergerft, ©utter,
bann bie fdtjtoetjer .gmttiuger unb 6. 33ogel angehörten. SDerfelbe warb neben
ben Slltbeutfdjen befonbcr§ öon bem gerabe in Söien beftnbtidjcn (Sbertjarb
2Bäd)ter beeinflußt, ber eben öotl SSegeifterung für GarftenS unb bie alten
Italiener au§ 9tom jurücfgefornmcn mar. — Sinbeß eignete ftdj £). auf ber
fo tief öeradjteten Slfabemie bod) atte§ ba§ an, mag er an tedjnifdjem können,
an ßenntniß ber menfdjtidjen ©eftalt, iljrer 33erfür3ungen u. f. m. fpäter öor
feinen meiften ©enoffen öorauä rjatte. Süädjter aber madjte fie, bie fid) alä
bie gebilbetften unb taleutöollften ber 9lfabemie orjneljin fdjon fetjr füfjtten,
öottenb§ rebetlifd) gegen ben afabemifdjen 3mang. ©° ^am e§» ^aB fte bei ber
Üteorgamfation ber 3tfabemie nad) bem $af)re 1809 nidjt miebcr aufgenommen,
fonbem au§gefd)loffen mürben. SDiefer lütißgriff ift ein IjalbeS Saljrljunbert fpäter
ber 3öiener Slfabemie genau fo aud) mit £)öerbed'§ Slntipoben -!pan§ sXUafart
begegnet unb mirb bei ben meiften Slnftatten biefer 2lrt immer roieber öorfommen.
3nbeß Ijat £>. bocf) bereits einige feiner beften ü"ompofitionen, mo er fdjon gan,^
felbftänbig erfdjcint unb fid) an bie Slltbeutfdjen ftatt an bie 9lntife anlehnt,
in Söien gemacbt, fo ben „6in3ug ßrjrifii in äerufalem". 3u biefer 9lnlel)nung
trugen „SBadcnrober'ä ^jerjenöergteßungen eine§ funfttiebenben iUofterbruberS",
unb „©ternbalb'S SBanberungen" öon 8. ütietf, bie £>. ftüt) mit 33egeifterung
la§, nidjt menig bei, mie er benn fpäter oft erjätjlt rjat, ba§ fie fo großen @in=
fluß auf feine .ttunftanfdjauung ausgeübt.
9Jtit SBemitligung feinet $ater§ ging O. nun im grüljjatjr 1810, begleitet
öon feinen meiften ©enoffen, nad) 9tom, um feine 2lu§bilbung 3U öeröollftän=
bigen. @r fam ba am 20. $uni an, füllte fid) aber öon ber nod) tjcrrfdjenben
antififirenben Otidjtung ber 2l)ormalbfen, Sd^id, Äodg, beä iCeufelämüllerö unb
ber beiben ütiepentjaufen ebenfo menig angezogen, al§ üortjer in SSien, menn
er aud) entjüdt öon ben AJnnftfdgä^en ber ©tabt mar. S5e§l)alb, unb mol aud)
au§ ©parfamfeit, 30g er nad) einiger ^eit au§ ber SBitta 'JJcalta, mo fie erft
gemorjnt, au§ unb mietete fid) mit feinen ©enoffen in bem öerlaffenen ^flofter
©an Sfiboro ein, mo fie jeber eine ^elle beraol)nten, fid) felber fod)ten unb,
fid) ganj abfdgließenb, eine ©ccte bitbeten, bie nun atSbatb ben ©pitmamen ber
„^lofterbrüber" erhielt unb ifm fpäter mit bem bejeidjnenberen ber „sJta3arener"
öertaufc^en mußte, ber i^nen bi§ t)eute geblieben ift. ©ie mo^nten ba jmei
Mre, tt)eoretifirten ungtaublid) öiel über Äunft, arbeiteten aber umfo
meniger, genau mie bie meiften anberen Slnrümmtinge in 9tom. 5tic^t§befto=
toeniger begrünbete £)., aU ber einige öon tf)nen, ber ein gefunbe§ Talent be»
faß, feinen 9tuf boög atlmäpdj erft burc§ eine Anbetung ber ^t. brei Könige
unb eine 9Jtabonna, bann befonberS burd) ben fcr)on ermähnten ßarton bon
„Sfvrifti (Sinpg in ^erufalem", ben er erft biet fpäter in Del gemalt f)at. 2)a§
SSilb l)ängt je^t in ber Sübeder ^Rarienfirdjc unb gibt un§ bei ber 3^rftreuung
ber meiften übrigen arbeiten ben fidjerften ÜJlaßftab für feine bamalige 9tic§tung,
mie fein können. — 2>ie (Sompofition 3eigt eine eigcnt^ümtidje 9}ermifGgung öon
altbeutfdjen unb altitalienifdjen ©inpffen, unb in ifjren bieten Porträten öon
Sefannten unb SBermanbten fogar meit mef)r gefunbe§ ^laturftubium, at§ bie
Ooetfcedf. 9
füäteren Slrbeiten. dagegen ift fte toetttoett entfernt bon allem, mal bamats
in 2Sien ober 9tom gemalt marb; man fann ftdj in ber £f)at feinen botlftän=
bigeren Sruct) mit ber tjerrfcfjenben ,£unftridj)tung benfen. 2)ie naef) 2lrt ber
^Jcemling'fdjien jer)r figurenreietje ©cene ift bor bem ütfjore be§ im ^intergrunb
befinblictjen 3erufatem§ gebaut, ber einreitenbe 6fjtiftu§ fo ebel, bafj er bie 33e=
geifterung ber fjaufenmeife Unfö am 2Bege aufgehellten nnb nidjt otjne Üteij
erfunbenen fyrauen root begreiftief) maetjt, mie bie ber fjinten an einem 9tain
rechts gelagerten Sotflmaffen. Sludj) bie bem Ferren folgenben Stpoftel fjaben
gute ßöfcfe, ba§ ©an^e aber erinnert auffatlenb an äfjnticfje ©cenen $intur=
rtdjio's, ber ben 9)temling rool auf bem Silbe noef) tnefjr at§ auf bem Garton
»erbrängt fjaben toirb. ®a§ ©anje ift überaus liebensroürbig, fjat aber bei
roeit größerer fünftterifcfjer Sotlenbung bod) biet meniger f^eeififd^ eigen=
tfjtimltdjeS, bem 9Jtater felbft gefjörenbes, al§ bes Cornelius gleichzeitige 2lr=
beiten. ^patte bod} £>. gerabe aus ber 9iadjaf)mung ober Ürabttion, roie er
es nannte, bereits eine förmliche ©octrin gemalt. S)as fjat er inbefj mit
Gornetius burdjjaus gemein, bafj feine, toenn auefj fjarmonifdjete Malerei bodj
in it)rex ^einlictjfeit niemals ber get^nung an Steij etmas tjtnaufügt, biefelbe
im ©egentfjeit umfo öfter fjöljern unb leblos erfdjeinen läft. Sefonbers,
weit er bie Gfjarafteriftif bes ©tofflidjen gän^lid) bernadjläfftgt, f^teifd^, ©e=
toänber, öaare gteidj) befjanbelt, roas immer an bie SBirfung bematter £>ol3=
figuren erinnert.
2lts nun Cornelius, bem Sfofj. Seit unb 2Bintergerft borausgegangen roaren,
im §erbft 1811 audj) nadj 9tom fam, fo fdjloffen fief) bie beiben großen Äünftler
nadj unb nadj aufs ^nnigfte an einanber an, unb ber männlidjere unb t(jat=
tranigere Gornelius übte balb einen fefjr bortfjeilfjaften ginflufj auf ben jüngeren
©enoffen, ber nun enbtidj) umjo et)er fleißig ju arbeiten anfing, als bie Ser=
tjältniffe in 2ü6etf fo traurig mürben, bat) ifjn fein Sater ntdjjt mefjr unter*
ftü^en tonnte. — 3ft es in ber öon 9)cargaretfj |)omitt neutidj fjerausgegebenen,
Taft ganä aus Driginalbriefen bes .ßünftlers unb feiner ^reunbe befterjenben
Siograpfjie rüfjrenb au fefjen, tote D. jtdj für feine gfreunbe bon ber „2ucas=
üruöerfdjaft" aufopfert, fo fann man bodj nidjt umfjtn ju fmben, bafj manche
berfelben offenbar bas latent unb nodj mefjr bas müfjfelige ©tubium ber Statur
unb ber Sedjntf burefj ben ©tauben erfetjen 3U fönnen tjofften, ber tjier bie
3fcoKe be§ ^eiligen ©eifte§ an ^pfingften bei itjnen t)ättc übernehmen fotten. Se=
fonberS at§ ber berrücfte Qafyantö SBerner al§ tjat6er «Harr unb rjatber ^eut^ter
Infant unb bie iungen ^Dlaler bolienbä toll machte. 2luc£) £). toarb immer
fanatifc^er unb ga6 ertblicf), 1813 gar jum ßatrjotici§mu§ übergetjenb, bamit
ba§ ©ignat ju jener miberroärtigen ßonbertirunglmanie, bie bon ber tömiftfjen
ßterifei auf jebe äöeife geförbert, batb ju einem magren ©canbal ausartete.
2tn Dberbecf'S Stufricgtigfeit unb lauterer Ueberjeugungitreue ift babet freiti^
nietjt im minbeften ju jtoeifeln, ba% er aber bamit ben nationalen Soben merjr
unb met^r unter ben ^üfjen oertor, ift fetbftoerftänbtict). 3" foldjer ginfeitigfeit
toar nun Sorneliuö' freie, ed^t beutfct}e Statur nietjt angelegt, unb jo trennten
ftdj) benn batb it)te 3öege, trot} ungetrübter perföntidjer fyreunbfctjaft. S)a £).
aber banf feinem großen Talent unb ber immer reactionärer toerbenben ütict)tung
ber mobifci)en 9tomantif eine überaus grofje 3tadt)fotge fanb, fo erlebte man
bae unermartete ©cfmufüiel, bafe ein fd^öner 3tnfa^ jur Sitbung einer nationalen
ßunftridjtung burdj) bie Soölöfung bom b,eimifd)en Soben unb ben madjfenben
römifd^en Qinftufj gar oft inö birectefte ©egentfjeit berfe!§rt mürbe. 2Benn ba%
einen ©oett)e unb Oliebufjr mit gleidj großem llnmitlen erfüllte, fo mar eg boctj
bei ber ^Jteru-jatjt gut gemeint, mätjrenb e§ bei Stnberen freilief) in bie abge=
feimtefte §euci)elei unb ©peculation ausartete. — ©elbft bei C, bem eljtftdjften
10 Oüerbecf.
unb lautctften üon allen, fann man faum jagen, bafj ifjn bei* (Staube geförbert
tjabe in jeiner Jhinft. 2Bett etjer märe baS ©egentfjeil ridjtig, ba er itjm bie
unbefangene $l*eube an. ber sJtatur üerfümmerte, mit bei; ßiebe jum Satertanb.
2)em entging fetbft GorneliuS nidjt, ber fid) bod) üon biefem fanatifdjen treiben
meljr unb mer)r entfernte. — S)ie fixesten in ber (iafa Söartt)otbt> unb bann
in ber Sitla 9Jtaffimi führten inbef} £). unb (SorneliuS jetjt nod) einmal au=
fammen. 2) er Gsrftere übernahm ba ben „Sertauf ^jofef'ö burdj bie Srüber"
unb bie „fieben mageren %al)xz". SSeibe finb üorhefflid) ausgefallen; bie fieben
mageren Satjre aeigen umfo granbioferen ©ruft, als £>. nod) eben fotctje Scencn
beS @lenbS im römifdjen ©ebirge gefefjen, roo ImngerSnou) t)errfd)te. 9Iud)
ber Serfauf tft !aum meniger gelungen; bcjonberS ber $o]e] felber ift eine
ljöd)[t liebenSraürbig erfunbenc unb aud) öortrefflid) mobettirte Srigur. äöteberum
an 5J3inturrid)io am meiftcn erinnernb, finb bod) aud) nod) öiele 2ln!länge an
bie germanifdje 21rt ba, baS ©anae aber mutljet unftreitig roie baS (Sqeugnifj
einer neuen sJienaiffance an, rjat bie ganje feufdje unb fdjüdjterne ©djöntjeit
einer fotdjen. 2)aS juDiet ber sJiad)af)mung ^eigt fid) nur barin, bafj eS nad)
2lrt ber Slltbeutfdjen fromme (Salbung fogar hä ben ©djuften jeigt, bie ben
eigenen S3ruber üerfaufen. Ratten fid) bod) biefe „ßucaSbrübcr" ober „lUaaa=
rener" fogar im 2tben baSfelbe gehaltene unb getaffene, fromm bie klugen
nieberfdjtagenbe ober einen nur üon unten fjerauf anblirfenbe SBefen, biefetbe
ftolje üDemutf) angemahnt, roie man fie an ^efuitcn unb s$ieti|"ten gana gteid)=
mäfig beobachten fann, ja bei allen benen, bie tjeimlid) 2Bein trinten unb
öffentlid) SBaffer prebigen. — £). unterfd)ieb fid) üon fotdjen inbefj baburd),
bafj eS ifjm tjeiliger (Srnft mar mit ber Verleugnung ber fünbigen SBeltluft, ja
bafj er in feiner arglofen Uneigeunüüigfeit beftäubig ausgebeutet mürbe. 2118
fein roadjfenber 9tuf im Satertanbe if)m allmärjlid) immer meljr Stellungen
üexfdjaffte, gefdjat) baS nur nod) tjäufiger. %n biefer $tit Don 1813—16 ent=
ftanben aud) bie fdjöneu (Sompofitionen ber „©rablegung" unb „Äreu^tragung"
(Efyrtfti, mo er bidjt an Üßerugino unb SRafael Ijinftrtift. (Sbenfo nod) eine
ganae 3lnaar)t fleinerer gejeid)neter (Sompofitionen. — 2118 inbefj Napoleon,
1815, aurüdfet)rte , fo regte fid) bod) bie SaterlanbSliebe mieber fo ftarf
in ifjm, bafj er aurüd nad) ßüfceä unb im rjanfeatifctjen Kontingent ben $ampf
mitmachen rootfte, aud) nur mit 9}cüt}e baüon ah* unb „au d)riftlid)cr Ergebung"
äurürfgebradjt roarb, mäl)renb tyt). Seit, ©djaboro unb öiele anbere rokflidj au
t)en äüaffen griffen ober fdjon früher gegriffen l)atten. — greitid) nafjm bie „ro=
manifirenbe" Xenbena nacrjtjer fetjr balb mieber übertjanb.
SDei roofjtüerbiente Seifall, ben bie ftreSfen ber (Safa 58artl)olbt) fanben,
ermunterte jettf £>., fid) aud) bei ben töeütidjen Aufgaben ju betfjeiligen, bie
ben jungen, 1818 burdj Suüu8 ©djnorr öerftärlten Malern in ben Silbern
ju £affo in ber 33iEa sDiaffimi geftcllt mürben. Ueberbiefj l)aite fid) ber bereits
29 jährige WlaUx jum erften sDtale öerliebt — in bie fd)öne 2Bienertn ^lina
|>artl, bie ju 33efud) nad) 9iom gefommen roar, unb bie er bann im ^erbft
1818 Ijeimfüljrte. 2)ie @f)e mar eine glüdlidje, obmot burdj beftänbige Äran£=
f)eit ber g-rau, mie ber friirj geftorbenen 5Jiäbd)en unb be» einaigen ©öljnleins,
bann buvd) öiclfad)e 9Zotr) nidjt ungetrübte.
2öafjrfd)einlid) öerbanft man e8 biefer 9tüdfel)r öon ber SlScefe aur 3flatur,
bafe biefe öon ifjm je^t in 93illa 53caffimt ausgeführten Silber einen fold) felte=
nen Üteia erhielten, ©o ber $amöf ©ilbippenS mit Ergont, Ui roetdjem gana
roelttidjen Sormurf er aufs überrafd)enbfte aus ber gtoEe beS 21ugennieber=
fd)tagenS fällt unb bie fbrüljenbfte ßebenbigfeit mit einer feufdjen ©raaie öer=
binbet, bie gana unb gar an bie ttalienifdje grüfjr enaiff au ce erinnert. @benfo
reiaenb, mit faft jungfräulicher 3artr)eit finb „©ofronia unb Olintt)" auf bem
Cberbecf. 11
©Weiterlaufen toon Sfjtorinbe gerettet. 3U biefen SSanbbilbern matte D. bann
nocfj an ber Sede bie Saufe ber Sfjtorinbe burdj Sancreb, ba§ befreite 3erufa=
lern, Dxinatbo unb Slrmiba, (Jrminia'3 Stnfunft bei ben Wirten u. %. m., immer
mit bemfelben jugenblicfj feufcfjen 9Jeij, ber jo anjiefjenb roirft. Äein Steifet,
bafj D. auf biefem $fabe romantifcfjer SBett tief) feit fortgefjenb ber ßunft öietleicfjt
nocfj mcfjr geteiftet fjätte, ati Bei feiner späteren 23efdjräniung auf ausfcfjüeBlicfj
retigiöfe (Segen ftänbe. ©cfjon barum, meü er fjier frei ^u f cfjaffen genötfjigt mar,
ftgtt bort beftänbig $afaet nacfjiuafjmen.
Sajroifcfjen fjinein entftanben bann immer nocfj eine 9Jtenge bibtifcfjer 6om=
pofitionen unb 3e^nun9en< tt"3 °^e x*m ibrjtlifdjen immer am beften gerieten.
60 33ooä, ber bie ^Rutt) erblidt, roo teuere bie 3ÜQe ber Sraut jeigt unb aucfj
bie ber Sampagna entnommene Sanbfctjaft fefjr fcfjön ift, mie faft immer bei
•Dberbecf. (Sbenfo eine s;Rufje auf ber fttucfjt nacfj Ggrjpten, bie 3(uferroetfung
beö 2ajaru§, %atoh unb ütafjet u. 51. m. 9cad) bem fcfjon ermähnten Güinjug
(Stjxifti aber entftanb 1826 bie grofje ßompofition bes „ßaffet bie steinen ju
mir fomraen". Sefcfjitfter angeorbnet at£ ber (Jinpg ftefjt fie an ^aturgefütjt
boctj hinter biefem jurüd, bie fromme ©atbung mufj eä bereits 3U oft erfetjen.
ßbenfo bei einem in ber Söüftc prebigenben 2jofjanne§.
©djou 1821 blatte 6ornetiu3 feinen greunb öergeblidj nadj Süffeiborf gu
bringen gefudjt, 1826 berfucfjte er e§ mit lUtündjen, bodj abermals umfonft.
Senn roäfjrenb £)., ber bi§ jetjt öom 5ßapfttfjume nicfjt bie minbefte görberung
erhalten fjatte, geneigt mar, ju gefjen unb fcfjon jugefagt t)atte. fetzte ficfj bie
fränfticrje grau entfcfjieben bagegen unb ifjren SBitlen umfo etjer burcfj, al§ fie
in aÜen nicfjt fünfiterifcfjen Singen tängft ba§ ©cepter füfjrte. (B ift biejj
umfo mefjr jju bebauem, al§ D., bem SSaterlanbe miebeigeroonnen , ofjne
^roeifet eine gefunbere Stiftung genommen rjätte. — Sagegen fammette ficfj
jetjt in 9tom nacfj unb nacfj eine grofje ©cfjule um ifjn, unter ber Steinte be=
fonberS ficfj feine 2lrt üoüftänbig aneignete, öon ber aber aucfj SSictor Drfel,
,§ipolrjt ^flanbrin in gfranfreid), früfjricfj, Seger, ßuppelttriefer in Seutfdjtanb ,
bie Italiener Golombo unb Gafotani, Gorbella, bann öubmig ©eitj unb 9tof)ben
in 9rom, ja faft aüe cfjrifttid) romantifdjen ^Dealer unterer geit mefjr ober
toeniger berürjit ftnb, rote benn fein ©trjt gerabeju ttjüifd) für biefe »Jieufattjotüen
gemorben ift.
©tatt nadj 9Jcündjen 30g er nun in ben nädjfien S<i^en im ©ommer
nad) Perugia, ma§ ju einer feiner tieften Strbeiten fürjrte. @r matte nämlidj
at§ SJotiobitb in ber SBottjalle üon ©anta 3Raria begti Stngeti bei Stffifi baö
ütofenrounber be§ Zeitigen gran,y§fu§. Saöfetbe ift fein gröfjtei öreefobilb
geroorben, unb fierjertidj eine ßompofition fo öolt Dteinrjeit unb Sieben»»
mürbigfeit, bafs fie an bie beften ^rärafaetiten rjinfttciTt, ja felbft giefote ge=
tjören fönnte , toenn auef) ba§ feine 5laturftubium ferjtt , roetdjeä tein ba=
matiger Italiener, fetbft ber fromme 5Jtöncfj bon ©an 'iücarco nidjt, öernadi=
täffigte. ©an(3 djarafteriftifd) für ba§ SBertjatten ber Italiener au bem
beutfcfjen Waln ift , ba§ iljm bie 9Jlöncr}e be§ ßtofterä nacfj ber SSoItenbung
bee gefdjentteu 3BUbe§ nod) eine lange 9led)nung mr gerjabte Slustagen prä=
fentirten.
SOßie fid) D. ju feinem 23orbitb 9lafaet üertjätt, fierjt man am beften an
ber furj öorfjer, 1825 gematten, jefet in ber 9Mncrjener bleuen 5)}inafotb,ef
befinbtidjen fjeüigen gamitie, bie attetbing§ fefjr an beffen ÜJlab. danigiani
erinnert, aber freilief) nicfjt entfernt an bereu geiftreicfje fyrei^eit unb ifjr s3catur=
gefüfjt fjinreicfjt. 33alb barauf roarb bie eben bafetbft 31t fefjenbe „^tatia unb
©ermania" oollenbet, bie inbefj beibe be§ 93eit prädjtiger ßompofition nidjt
gleidjfommen. — Sann warb ifjm 1830 bie grofje ^immetfafjrt 5Jcariä
12 Dbetbetf.
für bcn Kölner SDom BefteUt , tote er benn fein tebentang bon ben 33cftel*
hingen <jet)rte, toel^e itjm bas Vatertanb gab, ba fid) stalten gar nidjt um
iljn flimmerte, fo roenig als bas $abfttf)um, bas bie beutfdjen ©djroärmer lebig*
tief) benütjte. —
SDurd) ßornetius beroogen befugte ber 5)tetfter 1830 jum erftenmal, in
©efettfdjaft bes batnn ^urüdfetjrenben, toieber ®eutfd)tanb. Ueberatt bon ben
Äünftlertt fjodjgefeiert, gefiel es if)tn bod) nidjt fetjr, ja er mochte nidjt einmal
bie eigene Jpeimatf) nad) beut £obe ber ßrltern meljr befudjen. 2)er Äampf ber
Parteien im 3)aterlanb [tiefe ben an füllen ^rieben ©eroörjnten ab. S)enn roenn
berfelbe in Italien aud) biet ärger tobte, fo brauchte er als gfrembling, tuetdjer
er äeitlebens blieb, fid) nid)t baran ju beteiligen. Sagegen erhielt er jetjt in
granffurt für bas ©täbel'fdje Snftitut jenes grofje SBilb beftellt, roeldjes itjn
fortan neun 3at)re befdjäftigen follte: bcn ,,£riumbf) ber Religion in ben fünften".
3n ber \!lnorbnung eine auffallenbe sJtad)nf)tnung ber 2)isbuta sjtafaet% ift es
bod) feine bebetttenbfte ßeiflung in ber Delmalerei unb bei alter ©infeitigfeit
feiner Stuffaffung ein fjodjactjtbares Alunftroerf geworben. 2Bie bie 5)isbuta in
eine obere, ben offenen Jpimmel ^eigenbe, unb eine untere, fjier bie d)riftlid)en
Äünftter unb ifjre Protektoren cntfyattenbe £)älfte serfatlenb, tjat bie letztere
atlerbings aud) bie JMlte fotdjer altegorifirenben (Sompofttionen, roo fein 9Jienfd)
etroas tüirf(id) tfmt, fonbern alte nur fid) unb Rubere frjmbolifdj langweilen.
9-ftufj man fid) bafjcr tjier an einzelnen prächtig erfunbenen ©eftalten erfreuen,
fo ift bod) weit roerttjbotter bie obere £ätfte bes Sßilbes, mit ber £)immets=
fönigin in ber 9Jtttte, bie fetjr befdjäftigt, aufjer bem galten bes $inbes, aud)
nod) ben Ferren unten ben Dtarianifdjen ßobgefang aus einem U3ud)e borjulefen
tjat. — 9tid)tsbeftoweniger ift bod) ber ©eift, ber uns aus bem ©anjen entgegen
wefjt, ein fo ernfter unb ebter, bafj sJlicntanb bies 2Berf ofyne ^podjactjtung be=
tradjten wirb, wie biele 9tätt)fcl es if)tn aud) aufgebe. Söejeidjnenb ift, ba& £).
ein fteines 33udj fdjreiben mufete, um ber SBett ju erflären, was feine 5'9uren
altes ttjun ober beabfidjtigen, unb fomifdjerweife babet bemfelben Diafael, ben
er bod) fo fetjr berebrte unb ftubirte, bittere Vorwürfe über feinen bermeint=
lictjen fbäteren Hbfatt mad)te. — Offenbar, roeit biefer fid) im täglidjen Um=
gang mit ber l)of)en römifdjen Glerifei attmäfjlid) eine greiljeit bes ©eiftes
aneignete, bie alterbtngs fetjr nad) Äetjeret fdjmedt unb bon ber D. fidjer roeit
entfernt blieb, ber bem s}}ab[ttt)um gegenüber bas ©acrificio bett1 3(ntettetto unbe=
bingt bradjte.
s3lod) roätjrenb er au bem grofjen 93ilb be)ct)äftigt roar, matte er aud) eine
$ermät)tung sJftariä für ben ©rafen 9taqr;nsfi unb einen 23efud) ber s3Jtaria
bei dütifabetf). «^aum tjatte er biefe ©emätbe öottenbet, fo öerlor er ben ein=
^igen t) off nungsb ollen <Sofjn, unb nur bie eifrigfte 9lrbeit Dermod)te it)n ju trüften.
©o entftunben jet}t fed)jet)n (Sartons Don ^tpofteln unb ßöangeliften für eine
Gaöette bes dürften 2orlonia, eine grofje ^tn^atjt bon ßotnpofitionen für ®(as=
matereien, bann eine ^affionsgefd)id)te für ben ©tid). (Sbenfo ein grofjes Dctbitb
bei ungläubigen Stjomas. Snblid) befd)äftigte ifjn bon 1843 — 55 jene 9teit)e
bon 40 Zeichnungen ^u ben (Söangelien, bie im 33efi^ bes S5aron So^bed in
Söet^ern, fpäter teiber berbrannt finb. ^ur 9}erbielfättigung burd) ben Äubferftid)
beftimmt unb bon Heller unb feiner ©d)ule bortrefflid) geftodjen, b,aben fie eine
unermeßliche Verbreitung erlangt unb aud) berbient, ba fid) t)ier fein ©tut bott=
fommen abgeftärt t)at unb jroifc^en ^iefote unb 9tafaet etroa bie 3Jlitte t)altenb
jeigt. lleberbiefj ftört einem bei bem fleinen Format bie Seere nid)t, bie bei
feinen grofjen Figuren ber ^langet an 9iaturftubium nottjtbenbig nad) fid) 30g.
— Sagegen ift fo biet Mtjrenbes, tief unb roatjr ©mpfunbenes in biefen mit
betounbrungsroürbigem ©tbtgefütjl unb rt)t)tt)mifd)em ©inn gewidmeten 6ompo=
■Doecbccf. 13
fttionen, bafj fie einem bie rjöcfifte Sichtung einflößen, p ben reinften perlen
beutfctjer #unfi gerechnet roerben muffen, ©elbft roenn man nicf)t Perfennt, baß
ba aucf) ©emadjteS mit nnterläuft, ftcfjerlidj niäjt auS frommer Heudjetei, bte
ber edjten Oieligiofttät £>üerbecf'S üötlig ferne tag, fonbern roeil er, roie bie
gan^e ©djute, bem 9it)rjtf)muS ber fctjönen Sinie bie SBatjrfjeit unb Unmittelbar^
feit beS 2tuSbrucfS häufiger opfert, als bieS feine clafftfctjen Vorbilber jemals
ttjaten. ^nbefj ift ber GpcluS feineStnegS arm an birect bem römifcfjen 2)olfS=
leben abgelaufenen Sügen unb aucf) barum jebenfatlS eines ber fctjönften S)enf=
male biefer Äunfirtcfjtung, roie man benn überhaupt bie grofje 23ebeutung beS
ÄünftterS burdjauS in feinen 3e^nungen, nidjt in feinen ©emälben ju fudjen
tjat. 5DieS jjeigte ftcf) aucf) an bem eitrigen Vitb, baS er für ben 5ßapft jemals
3U malen befam, einem ftcf) feinen Verfolgern entjiefjenben (ifjriftuS, baS eine
£)ecfe im Duirinat fcfimücfenb, jeijt mit einer Sapete überbecft fein fott. S)ann
öotlenbete er auctj enblidj bie grofje Himmelfahrt *Dcariä für ben Gölner üDom,
ein überaus figurenreicfjeS Vilb. 25iefe gren^enlofe £f)ätigfeit ift umfo Per=
btenftltcfjer, als ifm in biefer 3e^t aucf) nocf) ber SSerluft feiner it)m breiig
$af)re fo treu jur «Seite geftanbenen ©attin, bann ein fangroierigeS 2lugen=
übet traf. 93cacf)te er bocf) Pon ba an ben (Sinbrucf eines fjatb ber (Jrbe
entrücften , nur Pom mächtigen ©eift unb äßitlen nocf) aufrectjt erhaltenen
93canneS. ,
6r roäre nun gan<j Perlaffen geroefen, roenn ifjn nidjt ein beutfdjer GonPertit,
ber Vilbfjauer H°fn,ann unb feine grau in tt)re Familie aufgenommen, letztere
ftcf) ifjm ganj geroibmet unb fo bem ©infamen eine anregenbe ^>äu§ücf)feit be=
reitet fjätte, in ber er nact) langen traurigen Safjren förmlicf) roieber auflebte.
Verjüngt baburdj, befudjte er 1855 fogar 2)eutfcf)tanb jum aroeitenmal, um
fein großes 23itb für ben S)om nact) Söln $u bringen, Ueberatl fjocf) gefeiert,
gefiel eS ifjm nunmehr fogar Piet beffer als baS erfte 53cal; er blieb monatelang
an oerfdjiebenen Orten unb fpracfj ftcf), jurücfgefefjrt, fefjr befriebigt über
feinen Vefucf) auS, roie er benn roeit entfernt roar, fictj jemals fo p Pertoälfcfjen,
al§, djarafterloS genug, fo Diele S)eutfcfje eS in $ariS unb Sonbon tfjun. @r
erfjiett im (Segentfyeit ben 3ufaromentjang roit bem Vatertanb immer nact) Gräften
aufrectjt unb füfjlte ficf) burdjauS als SDeutfdjer, rote benn aucf) faft alle feine
Sirbetten nact) SDeutfcf)lanb gingen. 6s roaren beren gerabe in biefer legten
^eriobe fefjr oiele, alterbingS meift 3eidjnungen, btStoeilen leicht unb geiftPotl
cotorirt, bie inbefj mertroürbigertoeife burdjauS feine 2ltterSfdjroädje geigen, ©o
14 Vlätter jur 4>affionSgefcf)tdjte, in benen bie Sluffaffung Gfjtifti an liefe
unb ©djönfjeit atleS Pon ifjm früfjer geleiftete übertrifft, allerbingS aucf) roieberum
9iafaet'S Spafimo entlehnt erfcfjeint. S)ann (SartonS ju ben „fteben <5acra=
menten" bie nact) 2lrt ber 9cafaet'fctjen jur Anfertigung Pon ©obelinS beftimmt,
leiber nicf)t pr Ausführung famen, roie ifjm benn niemals mefjr eine größere
Slrbeit öon ber römifctjen ßterifei befteltt roarb, roäfjrenb ber $apft im Vatican
bie größten 2Banbfläct)en öon Italienern mit unglaublict) leerem 3eu9 öebecfen
tie|. 2)aS ift nun umfomerjr ju bebauem, als gerabe biefe ßartonS, roo aEe=
mal bie .!pauptfcene Pon einer Üieitje fleinerer eingerahmt roirb, bie rei^enbften
ßompoftttonen enthalten, eine toal)re ©ctjatjfammer föftticljer ßrfinbungen finb,
roeld)e jetjt bie ^cationalgalerie unb bte 9c. 5pinafotr)ef fcfjmücfen. Von Oel=
bilbern entftunben in biefer 3eit no<^ e^ SoljanneS, ber ftd) an (Stjrtfti Vruft
geworfen, ferner eine Krönung 5[Rariä für ben ßatfet Tlai Pon '»Dlejico, u. 21. m.
©eine letjte gro^e Arbeit roaren eine Slnjaljt (SartonS für bie $att)cbrale Pon
S)iafoPar, bie fein ©djüter Subroig ©ei^ bann gematt tjat, unb an benen ar=
beitenb er feinen ßebenSabenb äubracl)te. 9Hcf)t ofjne nocr) einen britten Vefucfi
14 Cöetberg.
in 5)eutfdjtanb ju madjen, jebodj aud) biegmal Sübed Permeibenb, bon bem iljn
offenbar bic 2tu§fidjt a6fd£)retfte, bort nur ©räber ,$u treffen.
®renaenlo§ uneigennützig, ift £). arm geblieben unb mußte bi§ juletjt bucf|=
ftäbtidj fein tägtid) Sorot bcrbienen, trotj feiner großartigen ^proöuctitjität, ba
ba§ *ßapfttt)um, 3U beffen Sßefefttgung er merjr al§ irgenb ein anberer beige=
tragen, fid) bamit begnügte, itjm bafür feinen ©egen ju geben. — ©o lebte
er, unaufljörltd) fdjaffenb, bt§ er rutjig unb fampflo§, ein ©ebet auf ben
ßippen, in bcr 9tad)t Pom 12. junt 13. 9tobember 1869 Perfdjieb, nadjbcm er
nod) eben an einem „jüngftcn ©eridjt" gearbeitet. Söenn irgenb ein sDcann,
fo rjätte biefer ebte Sfjarafter ben 9Infprudj, ein ^eiliger $u tjeißen, ob ber
ßauterfeit feine§ 2öefen§, ber Oteinljeit feineä SBittenä, ber iülafellofigleit feines
8eben§! —
9Jcißt mau D. nad) ber Sßirtung, bte er auf bie gläubigen 3eitgcnoffeu
gehabt, fo muß man fie alterbing§ nod) roeit großer nennen, al£ bie be§ (£or=
nelius, roa§ eincrfcit§ mit ber innerlid) abgefdjloffenen, bie reinfte, ebelfte @m=
pftnbung atrjmcnbeu Slrt feiner ©djöpfungen jufammenrjängt, anbererfcitS aber
audj mit ber größeren $ormenfd)önt)eit, bie fie au§<jeid)uet. Unftreitig finb benn
aud) feine SBerfe ber Pollenbetfte fünftlertfdje 2lu§brud ber großen fatfjolifdjen
Üteaction feit Anfang biefe§ 3farjrr)unbert§, l)aben berfelben einen fo unermeß*
lidjen SiJorfdjub geteiftet, roie bie feine§ ^roeiten Äünftlerö, ba bie ganje neu=
fatrjotifdje Äunft auf iljnen fußt. S}ltterbing§ tjaben fie fo wenig rote biefe
Sfteaction fetber roirftid) neue Seiten ju entroidetn Permodjt, fie befitjen, roie
tjodjadjtbar audj immer, burdjauS ben ßfjarafter be§ 6pigonenttjum§. 9lber
nad) bcr Perbuljlten unb feelenlofen, grünblidj berlogenen djrtftltd)en .ftunft beö
Porigen 3?aljrr)unbert§ roaren fie jebenfalt§ ein ungeheurer gfortfdjritt , ben biefe
$unft gans atiein öem beutfdjen ©eiftc berbantt. — Sßedjt.
Cöerberg: Sßeruarb ^jeinricr) £)., fatfjolifdjer ^äbagoge, geb. am
1. (nid)t 5.) ÜJiai 1754 in ber S8auerfd)aft £>ötfel, Äitdjfpiel SBolttage, im
£)§nabrüdifd)en, f am 9. sJlo0ember 1826 ju fünfter. Sie Altern Dtierberg'ö
roaren arm : ber Söater mar -gmufirer (er ftarb roätjrenb fetner ©tubienjatree), bic
«öcutter tpelt einen f (einen ihamlaben ; bafyer t)ieß £). at3 Änabe „Ärämerö
23ernb". ^n feinen $inberjaf)ren mar er fetjr fdjraäd)lidj , Perriett) and) roenig
latent. s)lad)bem er bei einem ©eiftlicfjen in Sßottlage ben erften Unterridjt
im Sateinifdjm ermatten, fam er im «£>erbft 1770, fdjon fed)§(ierjn $at)re alt, in
bie atoeite ßlaffe be§ bon ben 5l'anci§canern ju 9rt)eine geleiteten (Sl)mnafium§.
Sic beiben testen fog. p^Uofopt)ifcb;en Stoffen be§ fötjmnafium» abfotPirte er
1774—76 ju fünfter, too er ,<pau3lerjrer bei bem ^ofratt) b. 9Mnftermanu
roar. 3m ^erbft 1776 begann er bort bie ttjeologifdjen ©tubien. 81 m 20. %t-
cember 1779 mürbe er Pon bem ^cünfter'fdjen 3Beif)bifdb>f bJ2llb;au§ ju 9tb;eine
3um «priefter geroeib,t. 6r blieb nun nod) einige Monate im ^riefterfeminar.
9tu§ Slnlaß ber äßab^l be§ dr^eraogS ^Jcajimitian ^ranä jum Goabjutor
be§ ^urfürften «ülajimilian gfricbttd| für Äötn unb fünfter (16. SHuguft
1780) berfaßte O. unter ber Seitung be§ «profeffor§ ber $ird)engefd)id)te,
be§ erjefuiten 6lcmenS Sßerfer, eine tird)enred)ttid)e SJiffertation über bie
Goabjutorroaf)ien , bte er unter SßcdEer'g ^räftbium oertt)eibigte („Disser-
tatio canonica de electionibus coadjutorum episcopalium . publice pro-
pugnata praeside Cl. Becker et defendente B. Overberg"). ©inen afa=
bemifdjen ©rab bat £). toeber bomatö nod) fpäter erhalten, ©er faiferlid)e
SBatjtcommiffar ©raf 9Jietternid) , bem er ein ßj:emplar ber ©iffertation über--
reidjte, ferjenfte \%m 17 SouiSb'or unb erbot fid}, i^n bem 6oabjutor für eine
geiftlid)e ^frünbe ju empfehlen. D. erttärte aber, er roünfd)e junädjft ^)ilf8=
Ctoetberg. 15
gcifttictjer, fpäter Pfarrer auf bem Sanbe ju roerben. ^m £erbft 1780 tcurbe
er Kaplan ju dmerSroinfel bei fünfter mit freier (Station hei bem -})farrer
unb einem baaren ©etjalte bon 30 Sfjalern. 2er fctjon bejahrte Pfarrer über*
ließ irjm ben ganzen OWigionSunterridjt unb Oberberg'S tjerborragenbe 33e=
fäftigung jum Unterrichten mürbe nun balb in toeiteren Greifen begannt. S5er
©eneratbicar (frühere ÜJliniftcx) ^ranj bon gürftenberg (f. 2t. 3). 33. VIII, 240)
molmte im $uni 1782 au. einem Sonntag ungefetjen ber Äatectjefe Gberberg'S
bei unb bot irjm bann fogteicr) bie Leitung ber bon itjm geplanten Dcormatfctjule
an. £)■ letjnte anfangs ah, mittigte aber, ba gürften&evg feinen 21ntrag brin=
genber miebertjotte, im 9ftai 1783 ein; feinem SBunfcrje entfbrectjenb mürbe ifjm
ein ©etjalt bon 200 üttjatern bei freier (Station im bifdjöfticrjen Seminar ju=
gefiebert. S)ie drnennungSurrunbe mürbe bon bem $urfürften am 2. 2tuguft
unterjeicrjnet unb in bemfetben Monate begann D. feine Stjätigfeit. S)ie
Diormalfctmte mar ein SetjrcurfuS, ber attjärjrticb, im Seminargebäube roätjienb
ber bom 21. 2luguft bis Anfang Cctober bauernben Jperbftferien bon je 20 bis
30 angefjenben ober bereits angefteEten 2et)rern unb Seherinnen , bon ben
meiften mehrere %ah,xe nact) einanber, befuerjt mürbe. 23ormittagS mürbe brei
Stunben in ber Religion unb ^äbagogif, Uladi)mittagS brei «Stunben in bib=
tiferjer ©eftfjicrjte, Sefen, Schreiben, Dtecrmen u. f. m. unterricrjtet. 2lnfangS er=
ttjeitte C ben ganzen Unterrtctjt; fpäter übernahm ein ^>ilf©tet)ter, ber ©eiftlicrje
2Inton SBiggermann, bie sftadjmittagSftunben. 2t m Gmbe beS ßurfuS fanb eine
Prüfung ftatt, bon beren Sluefatt bie 2lnftettung bejm. bie ^pör)e ber ©etjattS=
jutage für bie Serjrer abging. £). rjielt biefen ßurfuS, ber ein an ftdj fer)r un=
.bottfommeneS, aber unter einer Seitung mie bie feinige fetjr roertrjbotleS Surrogat
für ein Setjrerfeminar mar, bis ju feinem ülobe 43 $af)re lang leben £>erbft,
aucrj in ben JhiegSjarjren im anfange beS ^atjrrjunbertS. — 3m 3- 1785
mürbe D. 33eictjtbater ber fog. tottjaringiferjen Älofterjungfern unb 33icar an tljrer
Äircrje. ^n ber bon itmen geleiteten greifetjute unb in ifjrem ^ttäberjenbenftonate
einteilte er 27 Sarjre lang regelmäßig Unterricht , in erfterer namentlich) in ber
biblifdjen ©efcrjictjte unb im Ütectmen. Sonntags rjielt er in irjrer «^iretje
^ateetjefen, bie aueb, bon drroacrjfenen auS allen Stänben fleißig befugt mürben.
1786 mürbe er auf bie bringenbe 6mpfer)lung gürftenbcrgS jum Snnobat=
eyaminator ernannt.
23on 1789 an molmte £). faft äroanjig ^atjre in bem ^paufe ber fyürftin
©atti^n (f. 21. 2). 33. Till, 338), bie ü)n ju ijrem 23ei<$tbater unb ©emiffene=
ratb,e geroärjlt t)atte. 1791 begleitete er fie auf itjrer Steife nacrj Hamburg unb
SßanbSbecf. 5E)urc£) bie gürftin mürbe er mit ben ^arjlreidjen tjerborragenben
Männern befannt, bie mit itjr berfetjrten. @r gemann bie |>ocrjacb,tung alter;
fel6ft SoB bejeic^nete ib,n als ein „23ilb altbeutfä)er gteblic^feit". 21m 1. 3uni
1800 legten ^rtebxict) Seopolb Stolberg unb feine ©emarjtin in ber ^auScapeüe
ber gürftin bor £). baS fatrjolifdje (SlaubenSbefenntnifj ab.
S)ie (Schriften, melcrje £). jur §ebung beS 33otlSfci)ulmefenS bon 1788 an
beröffentticrjte, finb folgenbe: „$eue§ 21=93=6, 33uctjftar;ii-= unb Sefebuä) für bie
Spulen ÜJtünfterlanbS", 1788; „2lnmeifung jum ameef mäßigen <SdmIunterri<f)t
für bie (Scrjullefirer im ^octjftift (in ben fpäteren Auflagen: im gürftentfjum)
fünfter", 1793 (3. 2Iufl. 1798, mit einer „2lbb,anblung bom 23efof)nen unb
©trafen"; 4. 2Iufl. 1804, mit amei Bugaben; 9. 2IufI. 1861); „23iblifd)c
©efcb.ictjte beS 2IIten unb bleuen SeftamentS", jmei Streite 1799; „^atecfjiSmuS
ber d)riftfatl)olifc^en Serjre gum ©ebrauc^e ber Heineren (Schüler", unb „Äated)i§=
muS . . . ber größeren <Scf)üler" , 1804; „GrjriftfatrjoIifctjeS gteligion§b,anbbuc^",
,^mei 2b,eile, 1804 (7. Stuft. 1854). ©efammtauSgaben ber Schriften für
Sdjmten erfd)icnen in fecf)S Reiten 1807 unb 1825. 33on ber „2tnmeifung"
16 Döerbetg.
würben 1793 auf Soften be§ 2anbe§ 500 ©jemplare, öon bem „9tetigions=
tjanbbudj" auf Soften ber preufjifdjen Regierung eine 2ln<jaf)t öon Güjemplaren
an ßeljrer unb Seherinnen öcrttjettt. SDie gibet unb bie SSiblifcEje ©efdjidjte
würben burd) bie gürfienberg'fcfje „©djulüerorbnung" öom $. 1801 (f. 31. SD. 33-
VIII, 241) jum au§fd)lie§lidjen (Sebraud) öorgefd)rieben; aud) bie $atedji§men
würben in ben 9ttünfter'fdjen ©ctjulen eingeführt. 33on biefen unb ber gi&el
ift eine Steitje öon 3luflagen erfdjienen; fpäter Würben üe ftereottjpirt. $n ben
legten ^aljr^eljnten Würben in fünfter Neubearbeitungen ber Äatedjiämen unb
ber 33iblifd)en ©efdjidjte (biefe öon SBilt). (Srbmann, juerft 1873) gebrudt. SDie
©djulbüdjer öon O. würben audj in ben fatl)olifd)en ©dmlen in anberen
(Segenben öon SDeutfd)lanb, in lleberfetmng aud) tri #ottanb gebraucht. 3Jon
ber „Vlnweifnng" erfd)ien in ßütticr) eine franjöfifdje Ueberfetuwg in jwei 3luf=
lagen, ©ie fanb aud) bei pioteftantifdjen ^äbagogen Slncrfcnnuug ; bie Jenaer
tfitteraturjeitung empfahl fie 1793 fogar jur Verbreitung in proteftantifetjen
(Siegenben. SDa§ „föeligionsfjanbbud)" würbe 18<>5 in ben ©öttinger ©elet)rten
3Inieigen fetjr aneifennenb befprodjen, bagegen in 9cicolai;3 SDeutfdjer 33ibliotb,ef
fdiarf angegriffen (93. SRenfing, Slpologie ber ©djriften be§ ^)erm 33. Oöerberg
wiber bie Dtecenftonen berfelben in bem 1. ©tüd be§ 100. 33anbe§ ber bleuen
aUg. beutfdjen 93ibliott)ef, 1808). — 3lujjer ben genannten ©djriften öeröffent=
lid)te £). nur nod) „kleiner £)au§fegen ober gemeinfdjaftlidje |)au§anbad)t",
„lieber bie 5Jloben. ©efprädje einer Seherin mit üjren ^knfionären", beibe
1807, unb einige 3luifäi3e in 3eitfd)riften.
3tn ber erwähnten „93erorbnung für bie beutfdjen unb £riöialfd)ulcn be§
£od)ftiftS «fünfter öom 2. ©eptember 1801" tjatte D. in ben Sauren 1799
bis 1801 mitgearbeitet; er würbe aud) 9Jtitgtteb ber burd) fie errichteten „2anb=
unb £ribiatfd)uten = (Sommiffton". — sJtad) bem £obe ber gürftin ©aüilun
(23. 3Jpril 1806) behielt £). nod) einige ^afjre feine 2Botjnung in itjrcm .gmufe
bei itjrer £odjter Marianne (9Rtmt). Sfau $. 1809 Würbe er jum 9tegen§ be§
$rtefterfeminar§, gleidjjeitig jum SDedjanten in Ueberwaffer, ernannt. 6r wirfte
nun nod) 17 3at)re ebenfo fegen§reid) für bie 33itbung ber Ganbibaten be§
geifttidjen ©tanbe§ wie für ba§ ©d)utwefen. 91I§ im $. 1816 bie ©d)ul=
commiffion ju einer 3lbtt)eitung ber foniglid) preufcifdjen Regierung umgeftaltet
würbe, würbe £). jutn (Sonftftorialratt) unb 9Jcttgtieb ber Üiegieruug für ©djul=
angelegentjeiten ernannt. 3m $. 1818 öerliet) if)m ber ßönig ben rotten
Slbterorben 3. (ülaffe; im $. 1826 einannte er ifm 311m Dberconfiftorialratb,
unb ©tjrenmitglteb be§ $]3roöincial=©d)ukonegium§. 33ci ber @rrid)tung be§
neuen SDomcapitel§ im 3- 1823 würbe ü)tn ba§ jweite (Sanonicat angeboten;
er lehnte e§ ab , weil 9lüer unb fdjwadje ©efunbl)eit itjn t)inberten, bte bamit
öerbunbenen 93erpftid)tungen ju erfüllen; bie gciftlicfje Obrigfeit, fügte er bei,
würbe il)n jWar öon bem (Jljorbefudje biSpenfiren tonnen, er wolle aber nid)t
3lnla^ ba^u geben , ba^ bie neue Orbnung mit Si^penfationen beginne. 6r
würbe barauf jum @t)renbomb,errn ernannt. — 3m 3- 1825 würbe ba§ erfie
fiet)rfeminar für Sjßeftfalen in 33üren errid)tet. C erftärte: fd)on länger at§
ein 33iertetjat)it)unbert b,abe er banad) gefeuf^t, befonber§ am @nbe jebeg 9ior=
malcurfug, Weit il)m bann bie llnäulönglid)feit biefeö 3nterim§beb,ctfe§ am teb=
rjafteften aufgefallen fei. %m ^)erbft 1826 t)ielt er ben legten 9tormalcurfu§;
er fd)to§ itjn am 7. 9cobember, ^wei 2age öor feinem £obe. 3nt 3- 1828
Würbe itjm in einem ^>ofe be§ ^riefterfeminar§ ein befdjeibeneS S)enfmal gefetjt;
in ben 3nfä)riften Wirb mit 9ted)t gefagt: „ßetjrer ber fieljrer wäb^renb 43 ^obyien.
©o Warb il)m öergönnt , ber 3£ob,ltljäter be§ ganzen 5Jtünfterlanbe§ ju Werben,
©ein IjeilbringenbeS SSirten ^emmte be§ 2anbe§ ©renje nid)t. ©in grofjer
Dbetcamp. 17
gljeil öon 2)eutfd)tanb§ $ugenb wirb fort unb fort nad) feinem Setjrblan unter=
Tieftet. @r förberte ba§ fteid) @otte§ burd) SBort unb 2t)at. £roft, 9tat£)
unb -£>ilfe fjat er Unjärjtigen gefbenbet. 9tid)t ©inen fdjlofj er je öon feiner
Siebe au§".
yiaü) £>öerbeig'§ £obe erfctjienen uod): „33oHenbung be§ Saufe§ ber ge=
liebten 9lmatia gürftin öon ©atti^in", in ber äöürjburger Qeitfdjrift 2ltr)anafia.
91. $. X (1839), ©. 216 — 249. ,,©ed)§ Sucher öon bem ^riefterftanbe.
23etrad)tungenf gehalten in bem bifdjöflidjen ©eminar ju fünfter, nad) einer
öon bem fet. Sßerfaffer nadjgelaffenen £anbfd)rift IjerauSgegeben", 1858.
33. ©berberg, in feinem Seben unb SBirfen bargeftetlt öon einem feiner
Slngetjörigen ($. 9teincrmann) , 1830. — S. Jhabbe, Seben 33. DüerbergS,
1831 (3. Sluft. 1864, in§ ftranjöfifctje unb jWeimat in§ (£ngüfd)e überfefet). —
£. ©Hubert, Erinnerungen an 33. Oberberg unb ©. 9tt. Sßtttmann, 1835. —
(5. gtafemann, ftadjridjten öon fünfter!. ©d)riftft., 1866, ©. 248; 91. g.
©. 262. — £. Rödler in ber Üteal=@ncrjf(opäbie für brot. Sl^eol., 2. 3lufL,
XI, 148. — 2)ie ©Triften über gürfienberg unb bie ^fürftin ©atlitjin (f.
31. 2>. 33. VIII, 244. 345), befonber§ 3. ©allanb, £)ie ftürftin 9lmalie öon
©atli|in unb itjre ftreunbe, 1880, unb (beffelben) 2tuffä£e in ben l)ift.--pot.
SBlattern, 83. 33anb (1879), ©. 405. 561. 641.
Teufel).
Döercam}): SEimotJjeuS ßljriftian äöiltjelm £)., aU ^oltjljifior unb
Uniberfität§let)rer ausgezeichnet, roarb ju ©reifiwalb am 25. Januar 1743
geboren unb ftarb ebenbafelbft am 1. 9Jtäi'ä 1828. ©ein 33ater mar ber mit
.gjebwig Utrüa , einer £od)ter beg ©uöerintenbenten Dr. ßütdemann 3U ©reif§=
walb , bermätjlte $rofeffor ber orientalifdjen ©pradjen ju ©reifgwalb, ©eorg
SBilljelm £)., geb. 9. Januar 1707 gu ©tratfunb, f am 27. 3uli 1790 ju
©reifgwalb. ©eibiger war bortjer 2lbjunct ber bcjitofobtjifcrjen gacuttät in 3ena,
at§ foldjer burd) wiffenfdjaftlicl)e 2lbl)anblungen befannt geworben, unb fobann,
nad) (Sreiföwalb berufen, im $. 1739 jum orbentlid)en ^rofeffor ernannt roorben.
©djriftftellerifd) ttjat er fid) burd) 33eröffentlid)ung öon S)iffertationen (f. £)äb,«
nert'S Kataloge £t). II, pag. 248) tjerbor, unb ftiftete nidjt nur ein Uniüerfttät3=
ftipenbium, fonbern öon warmem ^ntereffe für bie ärmeren 3JolfSclaffen befeelt,
aud) eine ©djute, bereu Dotation nod) aEjäfjrtid) bem bezeichneten fttoed <ju
©ute fommt, weätjatb it)tn auf bem griebtjofe jju 9leuen!ird)en bei ©reif§walb,
wofelbft er begraben liegt, ein am 27. $uli 1886 entrjüllteä SDentmat, be=
ftetjenb in einem fd)Warjen ©ranitobettsfen mit entfpreetjenber Sßibmung, gefegt
würbe. 9tad)bem 2imotl)eu§ £). feine 33orbilbung in claffifdien unb morgen»
länbifdjen ©prad)en unb ber barauf begrünbeten tjumaniftifdjen ^enntni^ burd)
feinen 93ater unb ben Slbjuncten ber bt)ilofobr)ifd)eu gacultät, M. 3forban , er=
langt tjatte, ftubirte er feit 1753 in ®reij§watb unb öert^eibigte fdjon 1754
unter feinem 33ater in ©egenwart ber föniglidjen afabemifetjen 23ifitation eine
örjilofopb.ifdj^ejegetifcrje Siffertation ju allgemeinem 93eifaE. ^n ber 5pb,ilofoör)ie
unb Sogmatif waren ^ßeter s)ll)lWarbt, in ber 5)iat^ematif, ber tb,eorettfd)en unb
ßjöerimentatöcjtjfif unb Slftronomie 2lnbrea§ 9Jlarjer unb 9löl)t, in ber ßitterär=
gefd)id)te unb ßitteratur fowie in allen b,tftorif<f)en unb ftatiftifdjen 2ßiffen=
fdjaften S)äl)nert, in ber 9ied)t§gefd)id)te unb in ben ^nftitutionen ber Slbjunct
Dr. 33ranbanu§ @ngetbred)t feine ßetjrer. 2lucl) bie 5laturwiffenfd)aft in allen
it)ren 33er^Weigungen 30g er in ben i?rei§ feiner ©tubien unb trieb unter
M. 3Jßil!en§' Anleitung 9taturgefd)id)te , SSotani! unb Mineralogie, nad)
©djefferg UnterWeifung tljeoretifd) = praf tifd)e 6r)emie, ja er mad)te fogar ben
SlEgent. beutle Siogra^te. XXV. 2
18 Dtiercamp.
normalen mebicinifdjen (SurfuS öraftifd) tote tf)eoretifdj unter ©Reffet, SSödEmann
unb äöeftbtjal burctj, fo bafe er e§ in feinen afabemifctjen ©tubien auf ben
3ßoÜ}t)iftor in ber toeiteften SSebeutung be§ Söorteä angelegt p fjaben fdjeint.
*Rod) toätjrenb fetncS £riennium§ Ijtett er bei feierlichen Gelegenheiten 9tamenö
ber Unioerfität mehrere lateinifdje Sieben, 3. 35. 1758 3ur öffentlidjen 33egec)ung
ber Jubelfeier ber bor 300 3af)ren geftifteten jenatfdjen Unioerfität , toelcrje
«Rebe auf bortigeä Verlangen baf)in gefanbt unb ben gebrutften 3fubetacten ein=
berteibt toarb, ferner 1760 auf ba§ ®eburt§feft Äönig Slbolf griebrid?3, als
bantaligen ßanbe§t)etrn. 3m $. 1758 erhielt er öon ber bt)itofopljifcl)en
gacultät bie ©rlaubnifc, über 5ßt)ilofobt)ie, $ftatt)ematif unb claffifdje -£>umanitätä=
ftubien Vorlefungen ju galten, unb fetjte biefe Sttjätigfeit bi§ 1763 fort. 3fa
bemfelben $at)re bromobirte er unb tjabilitirte fiel) barauf burd) eine £t)tlo=
foprjifcrje 3)rudfd)rift p^fifatifetjen 3mtwlt§, bie auä) au§toärtig mit 23eifall
aufgenommen toarb. Gürft jetjt befugte er frembe Uniüerfttäten unb toanbte fid)
3unäd)ft nadj <£)alle, roofetbft er ju Fleier, einem 3ögtinge 2llej. SaumgartenS,
mit meinem Sedieren er fdjon öon (Sreifätoatb au§ einen miffenfcrjafttidjen , für
ifin feljr betetjrenben lateintfdjen 53rieftoed)fel gefütjrt fjatte, in einen ebenfo
lehrreichen toie freunbfdjaftlictjen Umgang trat; audj tjörte er ©tiebritj unb
graute, in ber tjötjeren 9JtatIjetnatif unb 5lftronomie ©egner, in beffen Jpaufe
er tjeimifdj marb, in ber ^tjtjfit (Sbertjarb , in ber orientalifc^en Sitteratur ben
greunb feine§ 33ater§ 9Jtid)aeli§ unb audj Dr. ©imoni§, in ber s^äbagogi!
5JlüHer, in ber (Etjemie unb Mineralogie 9Jtabai, in ber ©efdjidjte unb beren
^pitfgroiffenfdjaften ^oadjimi, in ber Mebicin Sommer unb 2Bot)lfal)rt , aud)
benufete er Sänget tnftructibeä Mineratiencabinet. ©obann befugte er in
Seidig 3ugleicrj mit feinem greunbe (Jrnft 5ßlatner bie Vortefungcn bou ßrufiuä,
in ber neuteftamentlidjen ©jegefe unb 2lltertr)um3funbe maren (Jrnefti, in ber
clafftfdjen Ätiologie 3Borm§, im (Sriedjifcrjen unb 2lrabifd)en 9tei§Ee, in ber
®efd)id)te 33öf)me, in ber 9taturgefd)id}te ©djreber, ferner Gbert unb ber $ßribat=
bocent ßubolpt) feine £ef)rer. Slucr) tjörtr er ©ellert'ä moralifdje unb äftrjetifdje
Vorlefungen , bi§putirte toie in £atte öffentlich) unb mar Mitarbeiter an ben
„commentarii de rebus in scientia naturali et mediana gestis". S5on Ijier nad)
SÖerlin überfiebelnb, trieb er ^fjrjftologie unter Wertet, Anatomie unter äßalter'S
Einleitung, ijörte audj ©örögel, genof ben lerjrreidjen Umgang ©uljer'S, ßam=
bert'S, ^Jterian'S, ©üfjmildi'g unb beä itjm Oermanbten ©balbing unb lehrte
bann IDttdjaette 1765 nad) ©reifätoalb 3urüä*, too er atä SDocent bei ber öf)i=
lofob^ifc^en gacultät aarjlreid) befugte Sßortefungen über b^ilofob^ifdje , matb>
matifdge unb p^itologifcge SGßiffenf haften Ijiett. ^nt %. 1766 aum S)octor ber
5Jlebicin promoOirt, fünbigte er nacb] Veröffentlichung eine§ lateinifdjen *pto=
gramm§ mebicinifc^e Vorträge an. 6fc>enbolte Berufungen nac^ ©öttingen
burd) b. §aEer, nac^ |)etmftäbt burd) Flügel unb anberen Uniüerfitäten leimte
er ab unb 30g e§ üor, ber rjeimattjtidjen §ocl)fc^ule feine Gräfte bauernb ju
ermatten, marb aud) amei Satire barauf bei ber mebicinifdjen gacultät l)abilitirt,
1771 jebod) aum orbentlidjen Slbjuncten ber bt)itojoöf)ifd)en gacultät berufen,
unb im 3. 1806 orbenttidjer «ßrofeffor ber tljeoretifdjen unb Orattifc^en «ß^ilo-
fobtjie. ©eine ©Triften, bie iljrer 9Jteb>3al)t nac^ jur ©djule ber SBotfffdjen
5pt)ilofo|)b;ie gehören, ftnben fidj M 33ieberftebt aufgeäät)lt.
SSieberftebt , giadjric^ten u. f. to., ©tralfunb 1822, ©. 91—97. —
Äofegarten, 05efd)id)te ber Uniöerfität ©reif§malb , 1857, ©. 304. —
©. SQ5. SöotneltoS, 9tad)rid)t üon ber Obercamb'fdjen greifdjute, @reif8-
malb 1795. .giädermann.
Dbertjage — Düertoeg. 19
Cuerljage: |>einricrj £). , fattjotifctjer SotfSfdjriftftetter , geB. im 3-
1806 au 91fjten in äöeftfalen, 9tegBa. fünfter, t au SBerne im gleiten 9tegBa.
am 23. 9tooemBer 1873. @r mibmete ficfcj bem ^riefterftanbe, erhielt bie SüBeitjen
im 3>- 1831 unb toitfte bann Oon 1833 an otjne Unterbrechung in Söerne au=
erfi als Saplan, feit 1848 als ^farrbectjant, fpäter auct) als tönigt. ©cfjut=
infpector unb Sanbbedjant. 3m 3- 1871 mürbe er burct) bie SSürbe eines
(Jtjrenbomcjerren auSgeaeidjnet. ©eine fd)riftftctlerifcr)e Jtjätigteit Bemegte fid)
nur auf bem ©ebiete ber fatrjotifctjen SöolfStttteratur burct) miebertjotte Umar=
Beitungen Oon Slnneganr'S ©eograpfjie unb großer unb tteiner äBettgefcijicfjte
unb burd) aatjlreiclje (Jraärjtungen , bie ^ixerft in Perfctjiebenen 3eitfd)riften unb
bann gefammelt in 10 23änbcr)en als „Äattjolifdje 6raä()tungen" bei ;£r)eiffing
in fünfter Pon 1853 bis 1868 erfcrjienen, auS benen bie SSertagStjanblung
aud) einen 9tuSaug in 3 SSänbdjen unter bem £itel: „ fünfter tänbifcfcje i?irä)=
fpielS= unb S>orfgefcr)td)ten" üeranftaltete.
.gmnbroeifer aunäd)ft füt baS fatf)otifcf)e 2>eutfct){anb. S^rg. 1874,
ftr. 149, ©. 81. P. 21 nt. SB eis.
£öcrü)eg: Sttbolf D., 2(frifareifenber, geb. am 24. $u(i 1822 au Hamburg,
t am 27. ©eptember 1852 au 9Jtabuari bei $ufa am ifabfee im Sanbe S3ornu.
D. mad)te, nactjbem er baS ^orjanneum in Hamburg befuctjt, feine ©tubien in
Sonn unb Serlin, toibmete fid) fjauptfäcrjticr) ber ©eotogie unb promobirte 1847
au 33onn mit einer ©crjrift über ben geotogifctjen SSau ber llmgegenb bon
©iegen. Sarauf fetjte er unter ^ßrofeffor ($• s)tofe'S Seitung feine ©tubien fort
unb Perbanfte in erfter Sinie ber ßmpferjlung biefeS ©etetjrten feine 2tnfteEung
als ^Begleiter ber %. 9tict)arbfon'fcr)en ©ubanejpebition, meldje im Secember
1849 über 9Jtarfeitte unb SSona nad) üEuniS ging, um Pon t)ier bie Sanbreife
nactj Tripolis au machen, ebenfo mie bie erfte Unterftüfeung feitenS ber berliner
©efetlfctmft für ©rbfunbe in ber £>öt)e Pon 1000 itmlern. 2)ie Spolera, um
berenttoegen bie Snfel 2)fct)erba abgefperrt mar, Pertjinberte bie 2luSfüc)rung
biefeS planes unb D. tarn mit Sartt), ber nur infolge ber 2!ufnaf)me Doerroeg'S
in bie ßjrpebition fid) ebenfalls angefctjtoffen, am 18. Januar au 2ripotis an.
2US 9iid)arbfon tjier einige Sage fpäter eintraf, aeigte eS fiel), bafj bie 33or=
Bereitungen aur Steife in ben ©uban nod) äöocfjen in 2lnfprud) netjmen mürben
unb bie beiben üDeutfdjen ergriffen bie ©etegentjeit, baS ©ariängebirge in einer
22tägigen Steife au erforfdjen. üDiefer IßorbereitungSauSftug mürbe au einer
CmtbedungSreife , ba meber über bie 2opograpf)ie unb (Geologie nod) über Die
tjiftorifcrje ©eograptjie biefeS ©ebieteS aud) nur ©enügenbeS Portjer befannt ge=
mefen. 5Jian mufj bebenfen, bafj in biefer geit bie Sluffaffung ber ©atjara al§
eines großen SieftanbeS, menn nietjt einer auf meiten ©trecten unter bem >]Jleerei=
fpieget tiegenben ©enfe noer) nietjt übermunben mar, um au Perfterjen , ba^ bie
Sßeftimmung biefeS 53ergauge§ al% beS errjobenen 9tanbe§ ber norbafritanifct)en
SOÖüften^octjebene allein fct)on eine Sntbectung Pon ©emietjt unb oon bebeuten=
ben Gonfequenaen für bie ©eograpb^ie mar. 33on C. ftammt ber feitbem übtic6,e
9lame ©ariän=§ocr)fIäctje. D. arbeitete aüerbingS mit unautängüetjen ^nftru=
menten. S)ie ^Ineroibe, meiere 9tictjarbfon mitgebracht, erroiefen ficr) al» un=
Braud)&ar unb bie ©ctjroierigfeiten ber Sfteffung mit bem Äoctjtrjermometer, auf
metcfje D. angemiefen mar, finb befannt. ^mmerrjin gemann er Dtefuttate, bie
meit über ben biSfjerigen ftanben. SBictjtig mar aber üor allem bie geologifctje
SBafiS, meiere er t>tn topograpr)ifcr)en 6rtjebungen au geben öermoctjte. SQJenn
D. felbft nur £h-'a9mente feiner ©tubien beröffentltctjt fjat, fo erfennen mir bodf)
au§ SSarttj'S Briefen, mie O. beffen topograptjifc^e Sluffaffung Beftimmt. „5Jlir
treten nur bie 93erfc£)iebenr)eiten ber ©eftattung unb bie Perfctjiebenen DBer=
20 Dbettoeg.
ffädjen pm SSetoufjtfein", jagt jener in einem SBriefe, ben er nadj ber Steife in
bie (Sariänberge Briefe. Sluf bem bon ber getoö^ntidEjen Stoute abtoeidjenben
Söege über ©arija unb äöabi el ^>ejfi, ben bie gjpebition naljm, nadj 9Jiurfuf
ging £). atoei SDxitttjeile p Sujj, fammette aatjlreidje geologifdje ^anbftücfe nnb
betätigte bie erft nur geahnte $ortfetmng ber ©ariänl)od)fläd)e in ba§ bon
SBabiä an toenigen Stellen tiefer eingefdjnittene unb bon einigen Tafelbergen
überragte SBüftenblateau. 2)er ©ebirggpg beg tüeftticfjen <£mrubfd), ben nod)
Kiepert furj bortjer einge^eidjnet, berfd)wanb bor feiner genauen 93eobad)tung
rbenfo toie bie „23afaltfegel" £bon§', 2)enr)am'$, Stid)arbfon'§, toelctje ftdj alä
gefdjtoäräter Sanbftein erliefen, (Sbenfo toie bie ^Briefe 23artb7§, erfüllt aud)
bie Obertoeg'ä in biefem erften Steile ber Steife ber Sluäbrud forfd)ung§freubiger
tfuberfictjt. 2)er 3Beg nad) 33otnu liegt offen , aber bie Steifenben finb ent=
fcljloffen, „nidjt biefen 2Beg prüdptel)ren, fonbern über üDarfur ober Slbbjfinien
ober aber, bie gan^e Jpötjenfette (Sentralafrifaä burct)fct)neibenb, am inbifdjen
Weere toieber aufptaud^en" (33artry§ SSrief batirt SJiurfuf 20. 9Jtai). £).
jctjrieb an 6. Ritter: „^efet tjabe ictj toieber mit frohem ^Jtut^e ben 2öanber=
ftab unb ben Jammer ergriffen" (batirt ütarjretin 14. $uni 1850). @§ ift
bejeidmenb, bafj, toätjrenb fie itjren 2Beg nad) SBeftcn natjmen, fie borfid)t§b,alber
einen SDarfurncger al3 Wiener mieteten, um auf feine Spractjfenntniffe beim
Stüätoeg über ba§ obere Stilgebiet fid) ftütjen p fönnen. 3n biefer Stimmung,
toeldje förberlidje ??friftf)e borauSfeijt, fd)ieben bie Steifenben öon SJturfuf, too
btSlj« alle eurobäijd)en Steifenben fernere .fhanftjeiten burdjpmadjen Ratten.
SDer SBcg über Wix nad) Sßornu ftettte £). bie toidjtigfte Aufgabe, bie bem
6ntbcdung§reifenben pfatlen fann, Orte unb ©ebiete bon bisher unbefannter
ober bertoonener Sage burd) SBeftimmung itjrer geograbl)ifcb)en Sänge unb breite
äu fijiren. 2>ie harten biefer Legion geigten „unenbltd) fatfdje" fünfte, toie
fSüxtt} fpeciell üon fiebert'? 3e^nun9 bon STir fagt unb erfragte 2Begberäeid)=
niffe, toie fie 3. 23. Stictjarbfon geboten tjatte, mufjten al§ unbrauchbar bei Seite
gelegt toerben. £). lieferte bie erfte aftronomifdje 23efiimmung bon 2l'ir, toätjrenb
33artl) biefe 2anbfd)aft, barin 9tid)arbfon folgenb, aber mit befferen ©rünben,
mit bem fdjon länger befannten 9l§ben ibentificirte. S)ie erft burd) biefe 53aitl)=
•DbertDeg'fcrje Steife pm Stang einer toiffenfci)aftlid)en Srfenntnifj erhobene 2ln=
fdjauung ber 2Beft* unb (Sentralfarjara als eineä bortoiegenb gebirgigen fianbeä
berbanft toefentlidj £). it)re gcologifcb^e unb tobograb^ifd)e Segrünbung. ßeiber
^atte itjm bie 33efcl)(eunigung ber Steife bon 9Jturfu! bi§ ©Ijat, too fie am
17. 2Suli anfamen, toenig 3e^t 3u einget)enberen Stubien gelaffen. 2lucf) bie
erften 14 Sage nad) bem Skrtaffen ©l)at§ toar bie Steife eine rafetje, bod) ge=
langen £). mandje an^ielienbe 23eobad)tungen, borjüglid) naefe bem llebergang
au§ bem ©ebiet be§ Sanbfteine§ in ba§ be§ ©neife§ unb ©raniteö, ber bei
ßgeri gefdjal). Söätjrenb 23artb, immer nur mit tjalbem ^erjen biefen Söeg
nact) SBeften pg, ber irjm eine Slblenfung bon ber ^aubtaufgabe, ber ßnttjüllung
ber Söafferftjfteme 6entralafrifa8, p fein fcljien, fanb £). fic^ in ber „toatjrtjaft
impofanten, burdjauä gebirgigen, bon rjöljeren unb nieberen 5el§--(©ranit=)pgen
burd)fd)nittenen Sanbfdjaft", rafd) Ijeimifcb,. 6r atljmete auf al$ er am
28. Sluguft bon Selufiet, 3 Sagereifen bon Sintelluft, an 6. Stitter fdjrieb:
„So Ratten toir benn bie grofje SOßüfte hinter un§ unb ftänben an bem 2f)ore
Subanä. 3Bir finb in eine neue 3Mt gelangt". 2lm 4. ober 5. September
traf bie $aratoane ber Steifenben nad) gefär)rtid)en Singriffen, bie fie feiten§ ber
$elui erfahren, in Sintelluft, einem biätjer felbft bem sJtamen nad; unbetannten
Dxte, ein, too fie, fd)led)t gefd)ü^t burcr) bie fdjtoac^en Autoritäten, nur pfäUig
einem neuen Ueberfatt entging. Sin ber gtüdlic^ ausgeführten unb ergebni^=
©fcettoeg. 21
teilen tReife nad) 2tgl)äbe3, toetcrje SBartb, in bet 3«t be§ SBartenS in 2tntet=
luft ausführte, beteiligte ficr) Weber D. nod) Slicrjarbfon, fonbern bieje traten
furj bor ber 'Mcffefyr 23artr);£ bic Steife über ©amergu naä) SBornu an, waren
aber fammt biefem, Welcher ferjon nad) wenigen Sagereijen fie einholte, gezwungen,
noct) Söodjen im ©ebiet bon Slir p berweilen unb erft am 12. S)ecember brauen
fie bon Sinteggäna auf, bereinigten ftd) jmet Sage barauf mit ber (Salatarawane
bon Silma, Übertritten gerabe am 1. Januar 1851 ben öbeften Stjeil bes
^tateauS, melcfjeS fie bom tiefer liegenben ©uban trennte, erreichten für,} barau*
bie ©ren^e be§ 23ornuanifcf)en SributftaateS S)amergu unb lagerten bom 7. Januar
an einige Sage an einer ßagune beim 2)orfe Sabfcrjetat. lim einen möglicfjft
Weiten Staunt fovftfjenb ju umfaffen , trennten fic£) l)ier bie üietfenben am
11. Januar, inbem nur 9ticr)arbfon gerabeauS nacr) Jhrfa ging, mäljrenb 53artr)
ßnbe Januar 1851 in $ano auf am unb fidj erft bon ba über ©ummel nacr)
£ufa manbte. £). aber ging bon ginber weftwärti nad) 9Jtariabi unb ©ober,
tarn am 1. Slpril nacr) 3inber ijurücf unb traf erft am 6. ober 7. 5Jiai 1851
in $ufa ein, bon wo 33artb, ifjm entgegenritt, um ir)m ben Scb 9ticfjarbfon'§
(t 3-/4. 9Jiär5 1851) unb gleicr)§eitig aber ben ermutf)igenben Empfang p
metben, ben er felbft bei bem ©cfjeicr) bon SSornu gefunben unb ber nun auefj
£). erwartete. Söätjrenb Sartb, ficr) jur föeife nad) Slbamaua rüftete, plante
£). ein Vorbringen nacr) Bagfjirmi, ba ba§ früher in§ 2luge gefaxte ßanem
Wegen ber f^einbfd^aft ^toiferjen SBornu unb Söabai unb ben gerabe baumle
beginnenben (Unfällen ber Uteb (Sliman als fein günftiger 2lngriffSpunft erfcr)ien.
2US 23artt) am 29. 5Rai 1851 bon Äufa naef) Slbamaua aufgebrochen mar,
begann £>. alSbalb baS mit 5ftüfje fotoeit gebrachte Soot, auf welcfiem ber Sfabfee
unterfucfjt werben follte, mit <£)ülfe arabifd)er 3immevleute in ©tanb ju fetjen,
unb ba ber ©cfjeicr) feinem $lane, bie ^nfetbölfer ju befinden, ficr) günftig 3eigte,
ifjm ju biefem gmeefe ben Häuptling eines mit ben unabhängigen ©eebewormem,
ben SBubbuma, befreunbeten £anembu*£)rteS ^umieS unb ©efcfjenfe jum £aufcf)=
Raubet freigebig jur Serfügung fteHte, tonnte £). am 28. $uni in Begleitung
zweier Subbumaböte feine 5a^'t antreten. SDiefetbe ging bon 33rifj, bem ein*
jtgen Orte am ©ee, wo bamalS Sornuaner unb Subbuma friebttcr) berfefjrten,
nad) ben unfein ber SSubbuma, bon benen er freunbticr) aufgenommen warb
(30. 3uni). (£r lanbete auf mehreren $nfeln, befucrjte bie Dörfer ber 33ubbuma
unb erreichte bie ^täfje ber noer) nie bon einem ßurobäer befucfjten Dftfüfte in
einer boppelt fo furjen Entfernung al§ fie bon S)enf>am angegeben unb ben
bisherigen fartograpljifcljen S)arftellungen be§ ©ee§ $u ©runbe gelegt toorben
toar. @r fanb bie Siefe ju 10 — 15 Reiben unb ba§ SBaffer frifd) unb ftar.
SDurcr) bie f5einbfc£)aft äroifdtjen ben 55emofjnern ber Oftfüfte unb ben Subbuma
an eingeljenber Unterfucljung ber öfttierjen Steile be§ ©ee§ ber^inbert, fefjrte D.
am 8. ober 9. Sluguft naä) 5Itabuari aurücf. lieber ba§ le^te SebenSjaljr
Obermeg'S tjat Sartlj, ber am 22. 3fuli naclj ^ufa äurüdfgefe^rt mar, im
3. SSanbe feine§ großen 9leifemerfe§ au^füfjrltcb, bericfjtet. £). ^atte im Sluguft
1851 (^etermann gab im Athenaeum bom 15. 5tobember 1851 ben 8. Sluguft
an) bie SBefafjrung be§ Sfabfee abgefct^loffen , bie itm nidt)t nur bie bl)t)fitaltfcrje
©eograpfjie biefe§ merfmürbigen feictjten 33edEen§, fonbern auc^ auf aarjlreicijen
^nfeln, bie er befucljte, eine eigenttjümlidje, unabhängige Sebötterung tennen
letjrte, roeldje bie 9lefte eines einft am feften Sanbe biel weiter berbreiteten
S5olfe§ barfteüt. ©ie (h-pebition Ijatte au§ ©ngtanb eigens ju biefer llnter=
neljmung ein 33oot mitgebracljt unb Dbermeg'S Slufnaljmen bermittelft beffelben
fctjienen einen Soljn ber ferneren 2lrbeit ju berljet^en, toelcrje SranSport unb
3ufammenfe|ung beffelben berurfacrjten. ©efünber als er bon $u!a abgereift
22 ©üertoeg.
war, fam er am genannten Sage nad) 9ftabuari jurüd unb fein 3ßlan mar,
gemeinfam mit Sartf) eine Steife nadj bem Storbofien in bie 2anbfd)aft bon
Sorgu unb Söabjanga ju madjen. ^olitifdje Söerljältniffe liefjen benfelben nidjt
jut Oteife fommen, morauf 23artl) am 11. ©eptember feine Steife nad) ßanem
antrat. $ura nad) ber Stüdfeljr S8artf)'§ au8 Äanem berliefjen beibe Steifcnbe
neuerbingi (21. 9tobember 1851) ßufa, um fidj einem ^fclbjuge nad) *Dtänbara
anjufdjliefjen , ber im fpätcren Verlaufe bie bis bat)in bon (Europäern nidjt
Befudjte Sanbfdjaft bon 9Jtufgu erreichte unb an ben Ufern be§ ©etbenel .g>alt
madjte. 2)ie ©trapaaen biefe8 3u9e§ griffen beibe Steif enbe fjart an, liefen
aber £>. nodj $raft, S)inge ju boUbringen, bie ber fonft energifdje unb ^ä^e
Sarttj nidjt metjr leiften fonnte, mie 3. 93. bie SSefteigung ber -Jpötjen bon Sßafa.
dagegen blieb £). jurüd, al8 SSattt) mit einem Slrupp ber Slrmee ben ^ug
nad) bem füblidjften fünfte 28ulta mitmadjte. $n «ÜMa entwarf bann £). ben
s$lan in ©efettfdjaft be8 if)tn befreunbeten Jhifdjelte Äötolo bon 9igornu ben
Sfabfee neuerbing§ ju bereifen, mäfjrenb 33artf) feine Steife nad) SSagljhmi an=
trat (4. «ölära 1852), mobei £). itm bi8 ftgornu begleitete. 9118 SBarty am
20. ?luguft au8 ^Dtafena jurüdfe^rte, ritt if)tn D. bi8 Stgornu entgegen. £).
mar ätuei 9Jtonate früher bon feiner intereffanten Steife in bie fübmefttidjen
(55ebirg3gegenben 3Boinu8 jurütfgefetjrt , meldje bom 24. Slpril bi8 22. sDtai
bauerte, unb tjatte feitbem in Sluta. fränfelnb bermeilen muffen, mo unterbeffen
am 24. $uni bie lange ermattete europäifdje $oft mit neuen ©elbmitteln unb
äBaaren, bie ©nglanb fanbte, angefommen mar. £). Ijatte bie freubige ?tad)rtd)t
bicfer Stjatfadje, bie bie bi8ljer beengte Sage ber Steifenben mcfentlid) berbefferte,
burd) einen Courier an 23artf) gelangen laffen. Sattf) fanb feinen ©efät)rten
„fdjroädjer unb erfdjöpfter auäfefjenb" at§ jemals borfjer, bodj mar ba8 2öieber=
fehlen ber Steifenben, bie beibe in ben testen Monaten 23ebeutenbe3 geleiftet
battcn, nid)t8beftomeniger ein freubig gehobenes. Unb umfomeljr, als fie burd)
biefe enblid) eingetroffenen ©enbungen au8 ©uropa fid) neue Rittet jur 23er=
fügung gefteHt unb au8 ber tjemmenben unb befdjäinenben ^ürftigfeit fid) befreit
fat)en, meldje fie gelungen Ijatte, bon bem äögernb gemährten Grebit bornuanifdjer
^apitaliftcn ©ebraudj ju madjen: „SBÖir fjätten nunmehr, fd)ieibt SSartlj, menn
audj nur mit mäßigen Mitteln, red)t 33ebeutenbe8 leiften tonnen, märe e8 un8
befdjiebm gemefen, beifammen ju bleiben ; aber mätjrenb im Anfang alte unfere
9lnftrengungen burd) bie ©eringfügigfeit unferer Mittel, meldje feine umfaffenberen
Unternehmungen geftatteten , gelätjmt toorben maren , mottte e8 nun unfer ®e=
fd)irf, ba|, al8 enblid) tjinlängtidje Glittet eingetroffen maren, (Siner bon un8
Seiben erliegen füllte". D. feinte fidj nad) Suftberänberung. 6r fam mit
SSartf) überein, feine £fabftubien burd) @rforfd)ung be§ Äomabugu ju berboH=
ftänbigen unb reifte am 29. Sluguft nadj 2lbjiri a^). %n feinem gefdjmädjten
guftanb madjte er nur menige 5Beobadjtungen , ju benen aber bie mertljbolte
Srfenntni^ be8 beriobifd)en <5teigen§ unb 9lu§treten8 biefe§ §luffe8 gehört. 9lm
13. ©eptember nad) $ufa jurüdgefe^rt, erfranfte er ernftlid) nad) einer 5Durdj=
näffung auf ber 3agb, mürbe auf feinen SBunfdj bon 35artt) nad) 5Jtabuari
gebracht, mo er nad) heftigem gieber (35artl) nennt e8 in bem Briefe an $eter=
mann, ber bie 2obe§nadjridjt mittt)eilt: „ein fed)8tägige§ @rfd)laffung§fieber")
am (Sonntag, ben 27. September, 9)lorgen8 4 Utjr berfd)ieb. @r ruljt an fetbft=
gemäljlter ©teöe am Ufer be8 5£fabfee8, too Sßartf) il)m nod) am 9tadjmittage
be§ 2obe§tage§ felbft ba§ ©rab im (Sdjatten einer ,<pabfd)ibifd) bereitete.
O. befa| bie förperlidje unb geiftige ütüftigfeit, metdje ein gotfd)ung§reifenber
in biefen fdf)mierigften feilen 3lfrifa8 in erfter ßinie nötljig t)at. 33i8 ^u feiner
SEobeäfrant^eit l)atte er fieberfrei bie gefäljrlidjften äöege äurücfgelegt. @r fjatte
Cbertoeg. 23
fiel) nur aubiel augemutfjet unb 30g eS 3. 23. bor, aucfj too eS nictjt geboten
mar, ju $uß au gefjen. ©djon in ©f)at fcfjrieb Sticfjarbfon in fein ^agebuctj,
baß £). infolgebeffen an 9Jtattigfeit leibe. 2lber aucfj in ben legten ^Zad^ric^tett
Dbertoeg'S (fein fester 23rief ift bom 14. Sluguft 1852 batirt) fanb ficfj nie
eine ^inbeutung auf förderliches Uebelbefinben. Um fo fcfjmerälicfjer rourbe jein
2ob embfunben, beffen Dtacfjricfjt in bent Slugenblicfe in £onbon eintraf , am
20. gebruar 1853, als (Sbuarb 53oget im 33egriffe ftanb, ftcE> in ©outfjambton
nact) 2tfrifa einäufctjiffen. ©eine 23ericf)te, beren geringe gafjl unb .fiürje bon
ber ^ülle ber 9tact)ricfjten , roelctje 23artfj naefj Europa gelangen ließ, gewaltig
abfiiefjt, jeigen ifjn als fcfjarfen unb bielfeitigen 23eobacfjter. 6r roar gefcfjutt
für feine Aufgabe. Leiermann nennt ifjn ben beften 5lftronomen unb ©eologen,
ber jemals Gentralairifa erreicht fjabe. (Sr fdjeint rafcfj bie .gmuffafpractje gelernt
unb aucfj an ben ©eftaben bee StfabfeeS ficf) balb mit ben ßinfjeimifcfjen bertraut
gemacht 5U fjaben. ©eine SluSflüge na et) ©ober unb ju ben gefürctjteten 93ub=
buma tiefen außerorbentlicfj glatt ab. SBartfj toirft ifjm aber bor, bafj er, an
bie 2Jcöglict)feit eines frühen 2obeS nictjt benf enb , feine Zotigen , für Slnbere
unteferlictj, auf fleine ^apierfctjnitjel unb mit 23teiftift gefcfjrieben fjabe, unb baß
er jubiel Seit mit ben SDienften bergeubet fjabe, roetetje er Slnberen, tt)ie 3. 33.
bem ©cfjeicfj bon 23ornu teiftete. „3Bären alle oon ifjm naefj unb nact) gefam=
melten 9tacfjricfjten unb gewonnenen 2tnfcfjauungen ju ben meinigen t)inju=
gefommen, fo würben biefe £änber jefet biet beffer befannt fein, all eS ber ftall
ift." 6S toiberfprictjt biefer Älage einigermaßen, baß 33artfj, als er in Äufa
ben 9tacfjfaß £>berroeg'S ausgeliefert erfjiett, bie Xagebücfjer „gleicfjfam im 93or=
gefüfjl, baß er bie .§>eimatfj nictjt toieberfefjen follte , mit großer Sorgfalt ge=
fjalten" fanb. 2>ocfj erftärt fictj biefer Sötberfpructj wofjl barauS, baß, nact)
^ßetermann'S eingaben , bem bitter oon 33unfen ben 9tact)laß Oberweg'S 3ur
Drbnung übergeben fjatte, toofjlgeorbnete mit £mte gefctjriebene ütagebücfjer über
große 2lbfcfjnitte ber Steife com Dctober 1849 bis (Jnbe $uni 1852 fictj in
bemfelben borfanben, roäfjrenb über anbere, ebenfalls beträctjtlictje Slbfcfjnitte,
unb befonberS über bie Steifen beS letjten ^afjreS nur SSleiftiftnoti^en borlagen,
bie meiftentfjeitS unlef erlief) roaren. UebrigenS muß man, um gereetjt 3U fein,
ertoägen, baß immer ber SSeobacfjter ber 23ölfer auf Steifen einen leicfjteren
©tanb fjat, als ber £opograpfj ober ©eotog. @r fann fctjäfjbare Slufnatjmen
im ^lug maetjen, er ftnbet fictj in Slufjeicfjnungen unb Srabitionen borgearbeitet
unb enblict) taffen fictj etfjnograbtjifcfje unb öölfergefcfjictjtlicfje 33eobactjtungen
biel leicfjter aucfj als 5tagmente in anneljmbare {yorm bringen. S)afür finb tjäufig
bie ßrgebniffe beS Sedieren , roenn minber gtänjenb , öon um fo bauernberem
äßerttje. Unb eS ift feine grage, baß jur toiffenfctjaftticfjen Säuterung beS
großen unb »irren 33egriffeS ©afjara gerabe £). am meiften beigetragen fjat. S)ie
^enntniß ber ©atjara naefj StictjarbfonS geograptjifct) unbebeutenber ^?ub(ication
bertjalt ficf) roie eine Sebreffion 3U ber buret) £). unb SBartt) erftiegenen ^pöfje.
Sticfjarbfon'S Slngaben tjatten t^aubtfäcfjlictj nur negatiben Söertfj, inbem fie
bobbett fetjarfe Äritif unb bamit ^Beobachtung tjerauSforberten. %n 23riefen auS
3Jhttfuf giebt 33arttj ergöt^lictje 23eifpiele bon ber SJerroirrung , in roelctje bie
berfetjrten Angaben, befonberS Stictjarbf on'S , bie eurobäifcfjen ©eograbtjen unb
^artograbfjen berfe^t tjatten. Söenn er aber bort fagt: „2öir tjoffen, aucfj fjier
ben ©etetjrten ©urobaS eine flare Slnfcfjauung beS SanbeS ju berfebaffen", fo
fjaben otjne 3tte^et oie DrtS= unb ^)öt)enbeftimmungen Gbertoeg'S ^ur Erfüllung
biefeS 33eftrebenS am meiften beigetragen. 93artfj fcfjrieb noefj auS Äufa mit
ben SluSbrücfen ber fjöctjften ©rroartung bon ben arbeiten Cbertoeg'S in 5Rariabi
unb ©ober unb fjat fictj erft buretj ben freilief) nictjt 3U berfcfjmeraenben 3}erluft
24 0e^e-
ber 9lotiaen Onerroeg'ä über feine Sirbetten im ütfabfeegebiet unb burcr) bie
@röfje feiner eigenen Sluigaben unb Seiftungen, abB er einfam auf bem ©chau=
plafee ber gemeinfamen 33eftrebungen jurücf geblieben mar, in ber ©cbätmng ber
Sfjätigfeit feineä ®efät)rten Ijerabftintmen laffen. ®ic urfprünglicfi bcabfichtigte
Teilung ber Arbeit atoifthen beiben gorfthern erftärt e§ auch, bafj £). bie ©orge
für ba§ ^iftorifcb.e unb (Stfmograpbifche feinem ©efäljrten 53artt) überlief , unb
bie§ mag eine gemiffe llnbefümmertheit um bie Ütechtfdjreibung ber Ortsnamen
entfchulbigen , roelcfjer ja gerabe Scfeterer fo grofje Slufmerffamfeit fchenfte. £).
fchrieb, tt)ie er tjörte, unb feine geograplnfcrje Orthographie ift bab,er nicht immer
confequent. ^ebenfaü^ fann au§ bem , toaä £)., „ber fenntnifjreicfte unb öer=
ftänbni^öotte 9teifenbe", mie fein Nachfolger in ber (Srforfchung be§ ütfabfee§,
9tadjtigat, itjn nennt, in gefunben Sagen geleiftet Ijat, ber ©chlufs gebogen
toerben, bafj bie Srgebniffe, bie er ber miffenfcbaftlicrjen 2Belt geboten rjaben
mürbe, roenn e§ itjm vergönnt geroefen märe, ebenfo tjeit mie SBarth nach. @uropa
3urücEjufet)ren , eine nicht diel Heinere Summe Don neuen Gnttbeäungen auf
phtjfifaltfcf) = geograpf)ifcrjem ©ebiete bargeftetlt rjaben toürbe, al§ öartb, im
^iftorifi^ etr)nograpbtfcben $elbe 3U bieten r)atte. €). mar ein ebler Grjarafter,
doÜ ©etbftoertäuguung unb reiner Eingebung an feine 3tt>ecfe. $n allen feinen
SBeridjten tritt fein 3ch in ben «guntergrunb , au8 alten teuftet Weiterer 9Jhttt),
ber überaß, felbft tief im inneren 2lfrifa§, irjm rricle ^eunbe macf)te- @ein
Körper mar burcr) turnen unb gufjrcifen geftätjlt. Gritt Silbnifj Dbertoeg^
brachte bie Sfßuftrhte 3eiiun9 1853.
Ueber Dr. £. Sartt) unb Dr. £)üerroeg'§ ^Begleitung ber $. 9ticr)arb=
fönten 9teifeejpebition junt 3:fdtjabfee unb in ba3 innere Slfrifa. 3^"
©onberabbrücfe ber ^Briefe an bie ©ef. f. (Srbfunbc ju Serltn unb irjte 9JUt=
gtieber. $on G. bitter unb 2. @. ©umprecht. 1850 unb 1852. — £. Sarth'g
(JntbecfungSreifen in «Horb- unb Gentratafrifa. 5 23be. 1857 58. — 51. $eter=
mann, 5£>ie testen Sage Dr. 2lbolf Döerroeg'S. 3- f- a%- ©rbfunbe. I. —
Narrative of a Mission to Central Africa, performed in the years 1850 — 51
by the late James Richardson. 1853. — $. Streng, S)ie 6ntbedung§reifen
in 9torb= unb sJJtittel = Slfrifa Pon Üticbarbfon , £>Permeg, Sartc) unb 3)ogel.
1857. ftriebrict) ftafeel.
Dcr(c: ^obann ©eorgDe., bairifeber (Staatsmann, geb. 1605 al§ <5or)n
be§ $ot)ann Äonrab De., 33ürgermeifter§ 3U (Göppingen, trat 1630 in bairifchen
©taatSbienft unb mürbe 3um ütegierunggratb, in Slmberg ernannt; al§ foldjer
fürjrte er auf bem in 9tegen§burg öerfammelten futfürfttierjen Gollegialtag ba§
^rotofotl. 3fm nädjftcn Sabre roohnte er als 9ftitglieb be§ bairifchen ipofratbg
ber ßonferenj faiferlidjer unb bairifefier ©eneräte unb Diplomaten ju S)onau=
mörtb hei; barauf mürbe er Pon ^urfürft 9ftaj I. „ju münblicber Stelation
obne ©cbriftticbeS" nacb 2öien an ben güvften ©ggenberg gefenbet. 2luf bem
Gottegiattag ju Nürnberg 1640 unb bem 9teicr)§tag ju 9iegen§burg 1641 teufte
er noeb als bairifeber 5Jlanbatar, bann trat er aber, um rafcher ju Slmt unb
SBürben 31t gelangen, in ben SDienft be§ (5rjbifcl)of§ Pon «Salzburg. „5flicbt fo
faft icr)", entfebutbigte er fpäter biefen Uebertritt, „ali serpens, qui deeepit me,
in causa et culpa est." 9lacrj Pierjerjn ^Jlonaten, „postquam mihi aperti sunt
oculi". bemarb er fieb um 2ßieberanftettung in Saiern, unb ba ber Äanjler be§
geheimen 9tatt)§, 33artl)olomäu§ Giebel, it)m ba§ 3eugni^ aufteilte, ba^ er
„arbeitfam, eines gueten iudicii, gar ftütt unb Perfcbmiegen", mürbe er al§ ^of=
ratb, mit einem 3ab,re§folb bon 800 ©ulben angeftettt unb mit ftüfirung be§
geheimen <Secretariat§ betraut. 2118 bairifeber SßePoEmäcbtigter erfebien er auf
bem Kreistag 3U Ulm 1643 unb bem ßorrefponbenstage ber fübbeutfcb.en Greife
Derle.
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3U S)onautoörtf) 1644. ©eine Ctoncepte jeidjnen fidj burd) ftare, bünbige, nid^t
fetten braftifcfje 9tusbruditoeife bot ärmlichen arbeiten ber Gollegen au§; häufig
flicht er, gleidjfam um ber föebe meb,r $raft ju öerleitjen, tateinifdje ©prüd)tein
unb Gitate ein. S§ fehlte itjm aber aucr) nidfjt an ©etbftbctoufitfein. $n einer
SBorficttung öom 27. 3uli 1646, tootin er ftd) über Vernacfjtäffigung gegenüber
anberen Beamten beflagt, fjebt er feine 2eiftung§fäc)igfeit unb Slrbettfamfeit auf
gar rutjmrebige äöeife fjerbot. 6r fei rjintangefc^t „ad 1. foroofjl toae ben
Oculjen anlanget afö 2. bie (Sljt unb bertjoffenbe toeitere 33eiörberung unb 3.
bie @ommobität unb (Gelegenheit, toefdje baZ britte ©tud ift, barnad) bie ^>of*
biener tradjten" ; ba§ ganje 3ab,r, äöerftag unb geiertag, bie 3eit fei jo fjeitig,
a(3 ba xoiü, bon Borgens 7 ober 8 Urjr bi§ toieber 9cad)t§ um 8 llfjr, fei er
continuirlid) in ber $anälei berbtieben unb tjabe in einem tractu unauigefefet
fdjtoere unb mistige ßoncept üerfafjt. Ütotjbem b,abe er, fo lange er in SSaierrt,
im ©anjen er[t 8500 ©ulben Sefolbung belogen, „trofe ber rjotjen Stuegaben,
fotoofjt auf bem atf)icftgen, Fjatfen *pflafter, at§ tempore nostri quasi exilii in ber
grembbe." 2iud) SÖeförberung bürfe er ftd) nid)t berfpred)en , benn er fei toot
jum geheimen ©ecretariat „tamquam ad perpetuos carceres conbamniret". ©ein
College Dr. $reb§ toerbe itjm attertoege borgejogen. „5Den t)at bie fran3öfifd)c ©prad)
abanjiret, fünften rjetl id) feine Gommiffion in einer anbern reblidjen ©prad)
bieUeicrjt fo tool al§ er Dementen ftjünben, man icr) nur aud) einen fotd)en guten
conduiseur, toie ber Jperr bon -gmstang ift, an ber £)anbt gerjabt unb man mir
2ltte§, toa§ 5u nego^im , bergefiatt inmaffen burd) bie tood)entüd)e auSfterüdje
bebetd) unb instruetiones gejdjitft, alfo tootjl firgemarjtt unb g(eid)famb in
^ftunbt gegeben rjette." $toei ^ab^re fpäter befd)toerte er ftdj auf§ 9leue , ba£
man nietjt it)n , fonbern $reb§ unb (jrnft <jum grieben§congrefj nacrj fünfter
gefdjicft fyabe, obtool er bi§f)er auf ben fd)toäbifd)en Kreistagen, „bei toetd)en in
SBatjrrjeit fd)toer ju negoairn ift, bie itjm aufgegebenen Commissiones p %z)xrc
(Stjurfürfttictjen 3)urd)Iaud)t intento unb contento berridjt", obtoot er jüngft bei
bem granffurter SJeputationstag im gürftenratl) bag SBotum au führen tjatte,
obtoot alte nad) granffurt, fünfter unb DSnabrüd gefd)idten 33efet)te,
Instruetiones, Verträge u. f. to. in ber geheimen ©jpebition burd) feine -£anb
p gebjen pflegten. (Snbücf) tourbe feinen klagen unb ^roteften ©etjöt gegeben
unb itjm 1649 unter dntrjebung bom ©ecretariatsbienfte in 2luäfid)t gefteEt, er
toerbe fortan nur „ju allerlei üorfaüenben 9teid)iconöenten unb Scrjidungen"
gebrauerjt toerben. Jpodjerfreut öerfprad) er, fidj ganj in Saiern niebertaffen unb
fein unb feiner Srjefrau Vermögen au§ ©djtoaben unb Söürttemberg in bie neue
Jpeimatf) übertragen ju tooüen, toa§ jebod) nidjt jur 5lu§füb,rung fam. S)ie
nädjften Starre brachten nun üerfd)iebenartige bip(omatifd)e ^tiffionen. 3lli fein
„eigenfteS, fürnembfteä S)erbienft" nabjm er in ^tnfprueb,, bafj er burcrj feine
Vertretung in Nürnberg ba§ punctum religionis in ber oberen Sßfolj gerettet
rjabe. 21I§ ScöoIImädjtigter bei bem jfteierjetag in 9tegen§burg erftattete er am
9. üDecember 1653 an ben Oberftrjofmeifter Örafen ^JlajimiUan öon Äurj
überaus freimütige SBeridjte, toie man in gteid^^tagSfreifen ben ©eij unb bie
b.ocb.gefpannte (Sranbcj.ja ber Dtegentin öon Saiern, ber ^urfürftin - Söitttoe, bie
öerfeb.rte @raieb,ung be§ jungen Äurfürften burd) ^errn ö. ^letternidj u. f. to.
beurteile. @r tourbe ^toar balb barauf jum geheimen ^tatb, ernannt, aber fo
berb offenrjerjige 9Ieufierungen laffen begreiftid) erfdjeinen , ba| er, toie er fid)
rühmte, in 9Mncb,en „fo öiel geinb', at§ 2ag im 3{arjr unb nod) mer)r'' rjatte.
S)ie toictjtigfte biptomatifdje Slufgabe tourbe itjm 1657 ju tcjeit, al§ er an bie
.£)öfe ber rb.einifcb.en Äurfürften unb fpäter pm granffurter Söatjltag abgeorbnet
tourbe, um toegen ber Tteutoarjl, eöentueü toegen llebertragung ber ßrone an
26 Dei'Ie-
baä <£>au§ SBaiern bie Unterljanbtungen ju führen, ^n feinen SBeridjten an
®raf $urä tritt öon Dorne herein Parteinahme für bie Ganbibatur be§ Äönigg
öon Ungarn 3U £age, menn aud) bie in ©rammontä ^Jlemoiren mitgeteilte,
öon Cejte angeblid) „gegen Seben, ber e§ tjören roottte", gemachte Steuerung,
er mürbe, aud) menn alle Äurfürften einmütig feinem -£)errn bie Ärone auf=
festen, benfelben i° lange fdjütteln, bi§ fie itjtn roieber herunterfiele , in ben
SBereid) ber (Srftnbungen $u gehören fdjeint. 3>enn menn roirflid) aud) Äurfürft
^erbinanb 2Karia , mie ©tammont öerfidjert, jene§ brafttfdje SBort feines ©e=
fanbten öernommen rjätte unb barüber in jo tjeftigen gotn geraden märe,
müjjte man boct), mie in .£>eibe'§ Slbljanblung über bie äöatjl 2eopolb§ I. richtig
öemerft roirb, öon einer Abberufung ober bod) öon einer Otüge etroa§ üernetjmen ;
bie äiemtid) combtet öortjanbenen bieten enthalten aber nidjtä berartigeö. $a, ber
Äurfürft natmt jogar feinen Wiener, ber öon ^ur = ßöln bejidjtigt morben mar,
über bie geheime Dieife be§ (Srafen 2Bilf)etm öon ftürftenberg nad) SBerfaitleä
geötaubert ^u f)aben, energifd) in ©ct)ufe (6. 9coöember 1658): „3dj mujj ber
SQßa^r^eit 311 ftetjer ©ie öerfidjern, bafj irjme jo unrecht tjierin befdjidjt, atä er
ju loben, bajj er in occasione ber jüngft öorgegangenen (St)urbfäl3ifct)en Impertinenz
faft allein gettjan, roa§ ein getreuer Wiener feiueä £>crrn fdmlbig." @§ toirb
f)ier angefbielt auf bie befannte ©cene, metetje fid) in ber ©itjung beä f5ranf=
furter 2ßa^colleginm§ am 16. 9flai 1658 abhielte. 2)er ^fät^er Äutfilift
$arl Submtg, öott 3orne§ über bie tjartnädige Döpofition £>erte'3 in ©adjen
be§ 5ßicariat3ftreitä, fdjleuberte ba§ öotte £intenfafj nad) bem Jperrn ©etjeimratl),
ot)ne ifjn jebod) p treffen. ,,©ott t)at mid) fonberbar behütet", berichtete De.
über ben Sßorfatl an ®raf $ur$, „bafj, obmol bie furpjäfäifctje gurie auf midj
allein angefetjen gemefen, anbere benachbarte 33eifaffen faft metjrereS gelitten
tjaben, benn idj, meil bie Färberei blofe übet meine -gmnbböjetn , angetjabten
fc^marjen 9to<f unb Dor mir gelegenen ©djriftereien abgelaufen. §ätt' er mid)
an bie ©djläf' getroffen, mär' id) mat)rltd) be§ ülobe§ gemefen." Obmol
ber Äurfürft aud) an ben SDegen griff unb in brotjenber Haltung auf £)e.
äufdjritt , mar biefer nid^t ju bemegen , im ©ertefen feiner $proteftfdjrift inne=
äu^alten. ,,^d) tjätte öom ßefen nidjt abgelaffen, menn aud) ber ^urfürft auf
mid) genauen unb geftoc^en tjätte." gerbinanb 5Raria belohnte ben ©efanbten
burdj (5rl)ör)ung be§ ®eöutat§ unb Ernennung ^um SSicefanjler beg geheimen
9tatl)§; aufjerbem erhielt £)e. burt^ einen ©nabenbrief be§ Äurfürften
(1. luguft 1659) ein ©efdjenf öon 6000 ©ulben, unb 1664 mürbe i^m „umb
feiner ju unfeim gnebigften contento öerridjten unberfdjieblicljen ßommiffionen
millen" bie Pflege 5tei8bac^ übertragen. 2ro^bem mar ber ebenfo etugei^tge
mie bienfteifiige SSeamte nietjt aufrieben gefteEt ; in feinen ^ßerfonalacten befinben
ficrj überaus ja^lreidie ©upplicationen unb SBefdjmerbebtieie au§ alten 3>al)ren.
®em neugeroätjlten Äaifer mar e§ nidjt unbefannt geblieben, meld)' gute üDienfte
ber Vertreter SSaiern§ ermiefen t)atte ; er berfidjerte burd) ein eigene^ „§anb=
briefel" nod) am £age ber 33ßat)l (18. ^uli 1658), er motte bie Familie beä
patriotifdjen £)e. „megen ber iljm unb bem ßr^auS in mannigfaltigen äöegen,
infonberljeit bei je^igem 2öat)Iroerf öor anbern ermiefenen nu^= unb t)od}erfbriefj=
lid)en ©ienfte" in ben ritterlichen 3lbelftanb ertjeben. S)a bie 2lu§fertigung bc§
2lbet§biötom§ nid)t erfolgte, richtete £)e. mieber^olt 5Jial)nbriefe an ben $aifer
unb erreichte enblidj , ba| ib^m fogar bie @rt)ebung in ben 9teid)§frei^errnftanb
öemiKigt mürbe (6. €ctober 1666). Sn^ifctjen mar aber Oe. bei feinem
eigenen ©ebieter in llngnabe gefallen, meil baä 5)ci^trauen rege gerootben mar,
bafy ber in alle fecreten |>änbel gingemeiljte feine Äenntniffe unb feinen ©influ^
att^u gefügig bem faiferlidjen ^ntereffe bienftbar madje. %n einer „be= unb roet)=
Dejle. 27
müßigen" «Subbtication (jftegcnSburg, 13. 2)ecember 1666) ftagt £)e. über
„toibermertig , ex injusta vindicta. aemulatione et invidia ^ergefloffene, unbe*
grünbte Relationes unbt Delationes" unb bittet ben Äurfürften, er möge feinen
(Setreuen burcrj ungerechte Verfolgung nid)t gar über ben Raufen roerfen laffen.
3Salb barauf tourbe er aber unter bem Vormanb, ber Äurfürft motte öor feiner
9teife nacf) Italien nochmals mit it)m über Dteictjeangetegenfjeiten lÄücffprac^e
nehmen, öon ütegenSburg abberufen, nacr) ber 2lnfunft in 5Jcünct)en feines
ßommifforiumS entfjoben unb „feinem eigenen Slnfucfjen entförectjenb" au§ bem
©taatsbienft enttaffen (13. 2lprit 1667). £itet unb Vefolbung fottten t$m
bleiben, bocf) mufcte er fidt) burct) einen 3fteöer§ öeröftictjten, feinen anfceren SDienft
anjunefjmen unb bis in ben 2ob aHeö p öerfcrjtoeigen, maS er, fo lange er in
batrifctjen SÜenften, gehört unb getefen rjabe. 3fn einem 2lbfcrjiebSbrief an ben
Äurfürfien öerfidtjerte Oe., eS fei nur Verleumbung, roenn man it)n befdt)ulbigt
fjabe , bafj er gegen furfürftlicfje Intention mit gurüdfetmng beS 33ifct)ofS öon
^xeifing für (Srtjebung beS ©rafen 2örring jum 33ifcf)of öon ütegenSburg agitirt
ober bei ben Sranbenburg = ,vMmbacf/fc£)en 5£ractaten ber fatfmtifdtjen Religion
in ber oberen $falä ju öiel öergeben t)abe; übrigens fei irjm nict)t unbefannt,
bafj ber 30tn feiner geinbe bis ^ur legten Äaifermatjl jurüdreidtje , bafj £ur=
Äöln bamalS Dtacrje gefcrjtooren unb jetjt inS SBerf gefegt f)abe, unb ebenfo gut
fenne er feinen fctjlimmften geinb am 2Jtünct)ener §ofe, ben in fran^öfiicrjem
©otb ftetjenben Vicefanjler Äaspar (scrjmib : „Isti inimici mei adhuc vivunt
et confirmati sunt super me." ©ern mödjte man foldtjer Verfictjerung ©tauben
fcrjenfen unb bie Urfadtjen beS ©tui-jeS auf 9leib unb 9Jcifjgunft ber ©egner
jurüdfütjren, aber Derk'S 5um 9Jcinbeften ^roeibeutig ]u nennenbes 23enet)men
in ber nädjften $eit öerbietet folcrje Slnnarjme. ^m Dctober 1667 begab er ficf)
nact) Söien; balb lief in 9Mncfjen eine S)enunciation ein, bafj De. miebertjolt
in fjöcf)ftem ©eljeimnifj jur Slubienj in bie ^»ofburg gerufen morben fei unb mit
£)itfe einc§ uon Saiern mitgebracrjten <5cr)reiberS eifrig bamit beferjäftigt fei,
3lctenau§3üge unb anbere ©laborate ju fertigen. 91un mürbe ber Schreiber bei
£an;jlerS, Sofjann Ototfjfäööl, ju amttidjer (hftärung aufgeforbert, unb mirflid)
beponirte biefer, er fjabe für feinen §errn fcfjon öor längerer 3eit auS bem
Söalbturnifcrjen 2lct unb ben gollreceptirungSacten SluS^üge mad)en muffen; bie
©jtracte, fomie autt) 2öa|tacten feien mit -Ipilfe ber ÜtegenSburger ^efuiten an
ben 33eid)tüater be§ $aifer§ gefenbet toorben. S)e§gteicf)en fei irjm befannt, ba§
Oe. in feiner Slbreife nactj 2Bien eine grofje Srufje öoH SIcten mit ficrj genommen
unb roätjrenb be§ bortigen 2tufentt)att§ inSgetjeim mit bem ßaifer unb mit bem
^Dtinifter dürften Sobfomi^ üert)anbett tjabe. ^Jcun erging öon (Seite ber fur=
fürftlicfjen Regierung an £)e. bie Söeifung 5ur 9tücffer)r, unb at§ er fidt) toeigerte,
rourbe ber gortbejug feine! ©etjalteS intjibirt. ^tn nackten ^al)re begab fid)
aber £)e. nad) (Straubing unb richtete an ben Äurfürften mieber eine „be= unb
toetjmüttjige ©upötifation" (24. 5lpril 1669); er fei nur beSfjatb ungeb^orfam ge*
toefen, »eit ifm ber i?aifer unb ber $arbinal öon 2c)un öor Ütücfferjr nadt) Saiern
warnten, ba irjm feine geinbe nact) bem ßeben trachteten. %u\ 23efet)t be§
■ffurfütften rourbe irjm nun toieber fein Solb angemiefen. S)effen ungeacrjtet
geriete) er aHmäfjlicrj in ^öd§ft bebrängte Sage. SBie e§ fdtjeint, 30g er au§ ben
©ütern in (Sdtjmaben, bie er ntcfjt fjatte öerfaufen fönnen ober motten, nidt)t
blofj feinen ©etoinn, fonbern mu^te um ifjretmiUen noef) gro^e peeuniäre Cpfer
bringen, fo ba^ eine Ueberfctmlbung eintrat, auS metdt)er er fidt) nid)t metjr be=
freien fonnte. 6in furfürftlidjeS beeret öom 1. 2>ecember 1673 mie§ ben banaler
ber 9tegierung ju SanbS^ut an, nicfjt länger ben Sfanbal $u bulben, ba^ ber
getoefene ©efjeimratr) De. nietjt einmal mtf>x ben Slienfiboten itjren Siebtotjn
28 Dijaxt — Ce^ntjoufen.
auSjaljte; De. möge ftd) bei ben SDominifanem in SanbSrjut in $oft unb .§erberg
geben, mibrigenfatlS ber Sauf ber unparteüfdjen 3»uftiä nidjt gehemmt merben
fönnte. üDiefe Söeifung fdjeint mieber ^urücEgenommen morben ju fein, aber ein
23erid)t ber „berorbneten Derüfctjen Curatores" an ben jffurfürften bom
12. 9Jtärj 1674 läfjt erfefjen, meld)' trauriger ßebcnSabenb bem früher fo ange=
fet)enen (Staatsmann belieben mar. ©ie jeigten an, bafj De. in ber berfloffenen
iftactjt bon einer «ScfjtüadEjtjeit bergeftatt überfallen morben fei, bafj er mol in
^ur^em fein ßeben befdjlicfjen merbe, unb fragten, mie e§ benn mit bem S3e=
gräbnifj getjaltm merben foü, ba ja bocr) £)e. „in publicis ein bcriembter unb
ttttC tange Sab.r gebrauchter sIRann gcmefen", unb ba anbererfeitS feine $inber,
auS $urd)t, e£ möchten itjncn bie Segräbnifjfoften aufgetjalft merben , fid) um
ben Söater burdjauS nidit annehmen moHten. ©er .fturfürft mieS baraut bie
Regierung an, bafür ©orge ju tragen, bafj De. et)rlid) ^ur (hbe beftattet merbe.
Slber erft am 27. 5)tai 1675 ftarb De., nad) Sinnige ber Kuratoren, „ber=
mitel§ etneä orjnfürt)ergef ebenen ©d)lag§". üDer ^iadjlafj mürbe fofort berfiegelt
unb genau inbentarifirt , roeit bie 93ermutrjung nidjt auSgefdjtoffen mar, bafj
nod) amtlid)e ©d)riftftüde borfmnben fein möchten; bie furfürftlidjen Beamten
fanben jebodj ju itjrem (Siftaunen nidjtS als „abgefdjabene, jerrtffene unb
^iemblict) alte stöbet, abgefdjmotjte .ftleiber unb unberfauflidje Utenfilien". S)er
SBeridjt ber ßanbStjuter Regierung (31. Sttuguft 1675) conftatirt, bafj ber 3)er=
ftorbene „feinen eigenen Söffel, aud) fonft fo roenig an 9ttobilien bertaffen,
bafj fid) billig ^u bermunbern , ba er bod) irüfjer eine fdjöne ^aarfetjaft,
Strgenteretj unb Malerei) gehabt" ; eS fei ju bermuttjen , er fyahe alles feinen
Äinbern tjinauSgeben muffen. — S5te fyamilie De. mürbe fpäter in ben 9ieid)S=
grajenftanb erhoben unb mit bem erblichen 9teid)Spoftmeifteramt in furbairifdjen
ßanben belehnt, fdjeint aber ]u Anfang unfereS 3Jar)rt)unbertS erlofdjen ^u fein.
$erfonalacten unb anbere 2Ird)ibalien im f. gel). ©taatSard)ib unb im
f. ^rei§aYt^iü ju 9Mncr)cn. geiget.
£l)Qrt: ^otjann D. bon 6 öl In, aud) nur D. bon Göttn genannt, unb
mie mir nad) ben neueften gorfctjuugen tjinjufügen muffen: „ber keltere",
ein *ftieberlänber (nad) @. *PaSque'S 33iograpt)ie in ber 9tieberrf). 9Jiuftfytg. 1865
9tr. 4), ber in Eorgau an ber furfüxftl. ßapette im $. 1526 ben Drganiften=
poften auf SebenSjeit ertjiett. 2IIS im 3f. 1547 ber .fiurfürft ^ob/mn fjriebrid)
gefangen genommen mürbe, mar D. einer ber SBenigeu, bie itjrem Jperru treu
blieben, unb ber ^urfürft berorbnetc, bafj er mit feinem ©otjne nad) SBeimar
äietjen fotle unb bort feine SBefolbung itjm ausgefegt merbe. S)ie bon *JkSque
beröffenttidjten SlctenftücEe eräätjten un§ nun bie alte ©ejd)id)te, ba^ bie S5e=
fotbung auf bem Rapiere fet)r gut au§fatj, aber in äöirtlidjfeit nidjt auSge^atjtt
murbc unb atte Eingaben be§ fd)on alternben sJJleifter§ nidjtS tjalfen, bi§ itjn
1550 ber ütob bon alten ©orgen erlöfte. — ©ein ©ofm,. Sot)ann Dt)art
ber jüngere, erhielt nad) be§ S5ater§ Xobe beffen Soften unb mürbe im $.
1555 bom ^erjog Sodann ^rtebrid) bem 'Dlittleren bon 2öeimar, auf ein ^atyc
in bie SDreäbener ßapelle jur meiteren 3lu§bilbung gefdjidt. ^)lad)bem er bann
bi§ 1566 feinem ^perrn gebient rjatte, erhielt er ben 2lbfd)ieb. ©eine ferneren
©djidfale finb unbefannt. (©ietje obige SSiograptjie unb ^onatät). für ^JJlufifg.
III, 5.) gtob. (gitner.
DeOH^aufCH: fjexb tnanb ßubmig ©raf Ov fjäufig ,,©d)ulenburg=
Dermtjaufen", ober aud) nur ,,©d)ulenburg" genannt, öfterreidjtfcrjer ©enerat=
gelbäeugmeifter, mürbe 1699 als ber ©ot)n be§ tjannoberfdjen DberjägermeifterS
©raf D. geboren. SDurd) feinen mütterlidien Dtjeim, ben ©rafen Sob.ann
Oeönfjaujen. 29
«fltattjias bon ber ©crjutenburg, tarn er ganj jung in benetianifdje 25ienfte; er
naljm unter biefem 1716 an ber Sßertrjeibigung üon Gorm gegen bie dürfen
tfjeil unb mürbe burcf) ifm bem 5hin;}en 6ugen Don ©aborjen empfohlen, roelcfjer
•D. ein Dfficierspatent im Infanterieregimente ©raf Üraun berfctjaffte; in biefem
machte er ben gelb^ug bes Safyt'^ 1719 in ©icilien gegen bie ©panier mit.
©djulenburg jotnot mie £raun liebten unb fdjäkten £)., einen gemanbten unb
unterrichteten jungen 9Jcann, fetjr; elfterer geftattete irjm ben Flamen ©crjulen=
bürg bem eigenen fnn^ujuiügen, ein Vorgang, über meldjen amttict) ntctjts be^
lannt ift, unb bebaute itjn in feinem Seftamente mit einer jätjrlictjen Diente
bon 3500 ©utben (Sonbentiongmünje. Sei fotcrjen ©önnern tonnte rafcfje föe--
förberung nidjt ausbleiben. bereits 1733 commanbirte D. als C&erft bas 9te=
giment £raun. 9Jtit biefem 30g er in ben polnifctjen ßrbiotgefrieg, meldjer jjum
tfjeil auf italienifdjem 23oben auägefodjten mürbe. 3n btr ©cfjfactjt bei 93i=
tonto am 25. $ftai 1734 mürbe er gefangen genommen, mufj aber feljr balb
ausgemecfjiett morben fein, benn fdjon am 29. Sunt beffelben Safjrcs naf)m er an ber
©djtacfyt bei ^arma ST^eit, mürbe 1735 ©eneralroaetjtmeifter unb erhielt ein
eigenes Infanterieregiment. %n bem unglüctttdjen Sürfenfriege ber ^a^re 1737
— 39 fod)t er an ber ©pitje einer 93rigube, mürbe getbmarfcrjall=Sieutenant, ging
bann nacb, SBien unb berrjeiratfjete fidj mit einer geborenen ©räfin Äottulinsft),
Söittme be§ dürften 3ofef Sofjann Slbam bon Siedjtenftein, mifefiel baburctj ben
beiberfeitigen Sßermanbten, namentüct) feinem alten (Bonner ©djulenburg, unb
fefjrte batjer nact) Stauen jurüd 3>m öfierreictjifcrjen ©rbfolgetriege machten es
bie Serrjältniffe 9Jtaria Sfjerefia fetjr münfcfjensmertt), ben $önig bon ©arbinien
als QSunbeSgenoffen 3U geminnen. ©ie betraute £). mit biefer Stufgabe, inbem
fie it)n als" itjren Otepräfentanten nact) £urin fanbte. @r brachte ben fogenannten
$robifionat=£ractat 3U ©taube, metcfjen er mit bem farbinifcfjen IDtinifter, bem
lllarquis b'Drmea, am 1. fyebruar 1742 unterzeichnete; berfelbe fteltte borläufig
bie beiberfeitigen müitäriid)en Seiftungen feft; ©arbinien erklärte infolge beffen
an ©panien ben ßrieg. $n bem batb barauf eröffneten yelb^uge ftanb C-, „ju
beffen £üct)tigfeit man befonberes Vertrauen tjatte", juerft unter Sraun im
lütobenefifdjen, am 8. fjebruar 1743 befestigte er in bem fiegreidjen treffen bei
ßampo ©anto gegen ben 9Jtarquis be ©ages ben redjten fjtügel. ^m ©ct)lacr)t=
berichte mirb fein 9tame mit Stusjeictjnung genannt. 2lts 2raun bann nad)
2)eutfcf)lanb berufen marb, 30g £). mit biefem über bie Sltpen, juerft nact) bem
6tfaB gegen bie granjofen, im -iperbfi aber nact) Sötjmen gegen bie ^reufcen.
S)iefe traten jefct ben Dtücfjug an; tjinter ber @tbe machten fie -palt. £. ertjielt
ben Stuftrag, ben liebergang über biefetbe 3U eröffnen; bie fämmtlidjen Örenabiere
(17 Kompagnien), 2000 güfiliere unb 800 Leiter mürben it)m unterftellt. S)er
erfte SJerfuct), metcfjen er am 15. ^tobember bei ^raetantfcb mactjte, fct)lug fetjt;
am 19. aber getang berfelbe bei £eltfcf)it$ tro| äöebeEä, „be§ preufsifcrjen ßeo=
nibas", tjelbenmüttjigen SBiberftanbes. 2Die ütäumung 33örjmen§ mar bie ft°l8e-
3tm ^. 1745 mar er mieber in Italien unb übernahm l)ier an bes abberufenen
dürften ßobfomi^ ©teEe borläufig bas ßommanbo ber öfterreictjifctjen Gruppen,
melctje, mit ben farbinifctjen unter ßönig ^arl ßmanuel III. bereint, gegen bie
©panier, 5lan3ofen unb balb aucfj ©enuefen im gelbe ftanben. ©eine Ärieg-
füi)rung mar aber nidjt glücflic6,er al§ bie feines Vorgängers. D. unb ber Äönig
mürben ©ctjritt für ©ct)ritt aurüctgebrängt unb auf ben SSefüj bon £t)eilen Sßte=
montl unb ber ßombarbei befc^ränft. %m ©eptember trennte fiel) £). bom
Könige, um bie le^tere gu becten; ber £önig tjatte es itjm unter ber Sebingung
^ugeftanben, bafe er mieber ju i^m fliege, fobalb er feiner bebürfte. S)iefe
Trennung mar es, morauf it)re ©egner gemartet Ratten, ©obalb fie gefctjerjen
30 ntiüii'en.
mar, griffen fte ben ßönig an unb fcblugeu ihn am 27. September bei Baffi»
gnano, C. tan 311 feinem SBetftanbe 311 fpiit. "Utttte Dctooet übernahm ivürft
SEBen^e! vheduenftein baS Oommanbo. D. gelang eB, fid) in SBten ju redbtfer»
tigeu unb im folgcnbcu 3a$te, 1746, erhielt et pon neuem ein Uommanbo in
Italien, £«5 banbelte üdi barum, Senna miebe^ugetriinuen, Don roo bie (Jtn=
l ."": erreich er unter SBotta Pertrieben hatten. Stet 9Ronate üerfirtdjen
unter ben Vorbereitungen. Sil* D. eublid) mit 24,000 Statut Don 'JcoPi auf*
brach, hatte ein .öaubftreich ihn möglicbermeife nod) in ben 8Befl| fefeen Eönnett,
aber eine fold\ . jtung lag nicht im (Reifte ber ofit. D, fdjritt 3u einer
::rung. \n meldier ihm bie lUittel fehlten, jumal ba bie eugüfebe flotte
bie Verbinbung mit bei Stobt Don ber Seefette nicht geuügeub abfperrte. 2afc
■0. auf ben SW i$tn einen gefährlichen Sturi mit ben Sßfetbe that, be»
emträchtigte aufjerbem feine SBirffanEett Tie Sennefeit, burd) be8 §etftog9 Pon
flet* SRtttc 3Rai er'otgte Xntttttft noch mehr ermuthigt, lehnten alle Einträge
auf llnterroerfuug, 3u melcber man öfterreidüfeberfeit* gern bie jpanb geboten
hatte, ab. 0. mufete, roobl ober übel, gut Belagerung fdireiten. Kn 21. ;\uni
mar et eublid) bauet, Stnß \n machen, atfi bie 9ta<$ttt$t tarn, bajj bie t^rattgofen,
nadjbem bie f^riebcneuntcrhanblungett in SBxeba fehlgefchlagen Daten, burd) bie
Stittteta, mo bie «Sarben ftanben, Porbröngen. O. brad) nun eilfertig bie SSe*
lageruug ab. Sin Äriegaratb. ben er überhaupt gern berief, hatte 3ugeftimmt.
S)te ^inteenbungen bei ftötttgfl Peranlafjten ihn funlich gleich, batOttf, ben not*
eiligen Schritt tbeilrreüe nnf gängig 311 machen : als biefer bann aber feine Gruppen
ihn ganj au-5. 5« ber Otadit gun 19. 3nli }eg et nad)
'}copi ah. SBiebetUU irarb er nad) bem Stiftungen biefes Unternehmen* ab-
berufen unb roieberum ging er nad) Sßten, um fiel) 311 rechtfertigen. £r roarb
nun aber nicht mehr im gelbe permenbet, |og üch nach 8taj iurüd unb ftarb
am 16. jvebruar 17ö4 ui SBten infolge jene* Stnqel mit beut Sßferbe. c^in
,v por feinem lobe mar er 3ur römifdVfatbolifchen Kirche übergetreten.
Beben befi Srafen 3- 8R. Pon ber Sdmtenburg, Beiftig 1834. — öuaf
rheim, 75elbmarfd)all ®taj ?lbenoberg=Iraun, Ü'ien 1S77. — p. Slrnetb,,
"ütar jta'fi erfte ftegierungsiahre. 11. 111, 2£ien ISlU, 1865.
8. $oten.
CcDiibaiifcii: Seotg Bubtoig Staf, furütftlidj brauufcb>eig = lüne=
burgifd)er (Snmerallieuteuant, am 10, SDfari 1784 all ber Sohn bei überiäget*
tS Staj f^riebrieb lUriri' cett, trat 17-iS aU Jvähnrid) in bie t)anno=
. ■■: T^uBgarbe, erhielt in ber unglüdlichen Sdjladjt bei ^aftenbeef am 2d. 3uli
17ö7 bie Jveuertau?e , toatb halb uaAher aU t^apitanlieutenant ^ur ^eibgarbe
fa "l^erb oer'et3t unb nahm in betriebenen Stellungen, theil* in ber Thront,
-ibiutantur, am fiebenidhrigen Stiege ttjeil. ^n ber Schlacht bei
iltinben am 1. Oluguft 1759 mar er Crbonnanjofftcier bei Cberbefehl5habers
ng r^erbinanb Pon Stanuj chmeig , fpäter beffen persönlicher Sbjntani 3n
ben v<?rieg gegen f^ranfreich in ben Kiebettanben, 3U roelcijem bafi ^urürftenthum
feit beut -[yrühiahre 1798 ein . Sluriliarcc-.: -.teralmajot
mit bem Ceibgarberegiment :: fpäter eine (laPaüeriebrigabe unb fodjt
bei tvam.v.:- _ unb -i>onbfd)oote (6—8 Septenl Den fvelbjug
pon 1794 ber neue fra^öfifdje £berbe;ebUbaber -^id)egru mit einem
angrifflroeifen 1 atr ber ganzen !3inie; am 26. "Jlpril nahm ©enerat
-.nnoperfd -lung unter (Senerat Pon Üöangenheim
rreflung bf :.rliegenbe roid)tige (Jourtratj
beefte. Xn 27. 01ad)mittagl erhielt C : oefehl, an be# fdjmer erhantten
Detjnfyaufen. 31
2-ßangenfjeim ©tettc baö Gommanbo Pon beffen Gruppen ju übernehmen unb
jene Stellung „e§ fofte ma§ e§ wolle" jurücfyuevobern. @# war eine fctjwierige
Aufgabe. D. bemerke in feinem bem ^felbjeugmetfter ©raf (Jterfait erftatteten
Scricrjte, bajj nur feine 3ufi(i)erungl bie ^tügel ber angreifenben Gruppen becfen
ju motten, „ifyn roegen eine§ fotcfjen gewagten Unternehmend bormurfsTrei madjen
fönne". (5r rjatte nur 3600 9Jtann, wetctje burd) Darangegangene kämpfe arg
mitgenommen waren, 3U jetner Verfügung. 216er fie löftett bie itmeu geftetttc
2Iufgabe glänjenb; in ber ^xül)t be§ 28. aufgebrochen, befanb fidj £). gegen
Mittag im Sefitj ber ©tettung; nidjt lange nacfjrjer traf Sterfait mit 23erftar=
fungen ein, beren e§ beburfte, um biefetbe jju galten; am folgenben £age ging
fie freilief) wieber öertoren. Später warb £). mit einer ©enbung nactj (Jngtanb
beauftragt. Ütact) ber im ©ommer 1803, infolge ber Sefitmafjme be§ SaubeS
buret) bie granjofen erfolgten 2luf{öfuug ber 2lrmee, Welcher er auletjt al£
©enerattieutenant unb ßtjef be§ 7. (£abatterieregiment§, S)ragoner, mit ber ©ar=
nifon ju Nienburg an ber Söefer angehört fjatte, ä°S er H<$ auT fe*n ®ut
Sterbe bei Söalirobe im Süneburgifcfjen jjurücf, wo er am 11. IDtärj 1811 ge=
ftorben ift.
9Jtittrjeitungen ber fjamitic. — 2. P. ©idjart, ©efcrjicfjte ber Äönigiicrj=
•Öannoöerfcfjen 2Irmee, 4. xtjeil , ^annoüer 1870.
33. «Poten.
JDcijnI)flll|cn : $arl b. £)., fönigt. preufjifdjer 23ergr)auptmann, auägejeid}=
neter ^Bergmann unb berühmter ©eologe, war at§ jüngerer 3trritting§bruber öe§
gteid£)falt§ im 33ergfacrje ttjätigen unb burd) eine geotogifdje Slrbeit betannten
griebndj ü. £). auf bem üätertierjen ©ute ©repenburg bei ©teinrjeim im bama=
(igen 33i§tr)um s$aberborn am 4. gebruar 1795 geboren unb erhielt im eüer=
tieften -£)aufe eine fetjr forgfättige (Sxjierjung. ©d)on frütjäeitig erwadjte in
beiben 33rübern auf 2lusftügen ju 25erwanbten naef) (SiSteben, an ben §ar^ unb
in§ 53tangfelbifctje, wo fie burcr) bie bortigen 93ergwerfe mächtig angeregt wur=
ben, bie Steigung, fid) bem 23ergfad)e ^u wibmtn. 'Jlacr) einem fpäterett 33efud)e
be§ SpceumS in 9ftannt)eim , bann be§ ©pmnafiumS in Stuttgart , wo ifjr
früherer JpauStefjrer at§ ^rofeffor tetjrte, gingen bie 23rüber 1811 nad) ßisteben,
um mäfjrenb be§ fog. praftiferjen ^afjreS bie bergmänniferjen arbeiten fennen ju
(erneu, ©ie beftanben bann 1812 itjr (Sjamen at§ 23ergeteben unb bejogen
1813 bie Untüerfität ©öttingen, wo fie namentlid) unter ^>au§mann, 23tumen=
bacr), ©tromeier unb ©aufj fid) ben naturwiffenfcf)aftlid)=matr)ematifcf)en ©tubien
wibmeten. 9cad) furjer Unterbrechung burcr) militärifdje Sienftleiftungen bott=
enbeten fie itjre begonnenen ©tubien in ©öttingen. Äart ö. D. würbe fobann
1816 bem fct)teftfcr)en Dberbergamte ju 93rieg jur weiteren Stusbitbung juge=
wiefen unb 1817 jum 93ergreferenbariu§ ernannt. 6r mactjte fictj rjier in
größtem @tfer mit bem ©teinfofjtenbergbau öon SBatbenburg unb bem 3*n^
bergbau öon Sarnowib fet)r genau be!annt, befudjte bie benachbarten poInifcr)en
©teinfof)tenwerfe unb ba§ berühmte ©al^werf SBtelicjf a , befcfjäftigte fidj aber
überbies auetj ferjr fleißig mit geologifcljen 2Iufnafjmen unb Unterfudjungeu in
Oberfcrjteften. ©eine erfte ^ubücation war eine tectjnifcrje 2lbf)anblung über ben
Effect ber äöagen auf ©crjienenwegen (Äarften'^ 2Xrcr). IV, 1. Sotge). ^iactjbem
£). 1820 ba§ SSergaffefforejamen motjtbeftanben fjatte, erfjiett er eine 2}erWen=
bung in 33oct)um , wo er ftcf) ganj befonber§ eingefjenb mit bem 23ergbau unb
mit ber 2tbminiftration beferjäftigte. ^efjrere 2Xuffä^e bergtecfjnifcfjett ^ufjalti
wie „Ueber i>a*> bei bem 9Mrfifcrjen ©teinfofjtenbergbau gebräucf)ticije ©ejäfjn",
„Ueber bie SBeftimmung be§ 6apitalwertf)e§ üon ©teinfofjlenjecfjeit", „Ueber
gförbermetfjoben auf ben ©teinfofjtengruben im 5Rärfifcr)en" fanben 2lufnar)me
32 Gelaufen.
in Äarjien'S 2Ird)ib für 33erg= unb £üttenroefen (33b. VII). 2tud) Befolgte £>.
bie 2lu3arbeitung ber früher in Sdjlefien gemachten geognoftifdjen 33eobac^=
tungen, metdje er unter bem ütitet: „SBerfud^ einer geognoftifdjen 93efd)reibung
bon ©berfdjlcfien" nebft $arte 1822 eifdjeinen tiefe. 2)ie 93efd)äftigung mit
bem Steinfotjlenbergbau an ber 9tut)r rjatte in £). ben SBunfd) erzeugt, be§
23ergleid)e§ megen aud) bie großartigen 23eranftaltungen ber Steinfoljlen*
bergroerfe bei 2lad)en unb in 33elgicn fennen ^u lernen. 2)iefer Sßunfd) mürbe
1822 burd) bie bienftlidje Ermächtigung ju einer SnftructtonSreife erfüllt. £).
ioar auf biefen Steifen bon bem bamaligen 23evgeteben .£>. b. 2)edien, bem gegen*
toärtigen Steftor bcutfdjer ©eologen, begleitet unb blieb fortan mit biefem burd)
gemeinfdjaftlidje arbeiten unb 2Jetmanbtfdjaftsberl)ättmffe in inuigfter greunbfcrjaft
berbunben. 2luf biefer Steife mürben 3unäd)ft bie (Sifel, bann bie $of)lenberg=
baue ^i 2lad)en, in Belgien unb in Utorbfranfreid) unb aud) ^ari§ befudjt, um
l)ier für ben ^weiten £ljeil ber Steife nad) ben ©alinenbe^irfen öon Öottjvtngen,
Württemberg unb 93abcn fid) öorjubereiten , roobci ber bamat§ in $ari3 fid)
auftjaltenbe 21. b. -£mmbolbt bie Steifenben burd) 6 mbf et) tungen förberlidjft
unterftütjte. ^n Saarbrüden gefeilte fid) ber Steferenbariuä b. Stod)e all dritter
(}u ben Beiben ^orfdjern, metdje nun ber Steige nad) bie Salinen in Sotfjringen
befud)ten unb, um fid) über bie £agerung§bert)ättniffe be3 ©teinfat^borfommenS
,\u orientiren, auggebetjnte geologifdje Unterfudjungen am ^ujje ber 93ogefeu bi§
*8afet aufteilten, Sobann tourben bie Stubien auf ben redjtärtjeinifdjen Salinen,
namentlid) in SDüirtjeim unb Sötmöfen , fortgefefet unb bk geologifdjen Unter=
fudjungen big in ben £t)üringer 2öalb au§gebet)nt. sJlad) Berlin äurüdgefetjrt,
erftattete £>. 1823 einen eingetjenben Steif eberidjt, mit 93orfd)tägen beljufg 93or=
nannte bon S£iefbot)rungen auf Steinfala in Storbbeutfd)lanb. @in £t)eit biefeä
23erid)te§ gelangte in Jlarften'ä 2trd)ib (VIII, 52) pr *publication. 2lujjeibem
erfdjienen nad) unb nad) metjrfadje 9Jtittt)eitungen über bie (Srgebniffe biefer
Steife, toie: „23arometrifd)e§ 9tibeltement mätjrenb meiner geognoftifdjen Steife
burd) Sottjringen, (Slfafj, Saben unb SBürttemberg im i^aljre 1823" («Iperttja
I, 1825) unb gemeinfdjafttidj mit b. 3)ed)en unb b. Stod)e „©eognoftifdje Unt»
rtffe ber Sttjeinlanbe jttnfdjen 23afet unb 9Jtain<5 mit geognoftifdjer $arte ber 3ttjein=
lanbe" (1825), auf meldjer bie auerft bon S. b. 23ud) als $euber bezeichnete
obere 2lbtb/cilung ber ü£rta3 jur S)arfteöung gebracht tourbe. 9Jteift in ^arften'ö
2lrd)ib abgebrudt finben fid) meiter: „23enütmng ber ^pod)ofengid)tflantme pm
^alfbrennen" , „SDer 23teiglan3bergbau bon Sommern", „S5er Steinfoljten&ergbau
in Belgien unb s)torbfranfreidj", „2)ie ©acrjfdjiefeibrüdje bon gumat) unb
Gt)äteau Salm", „Sie ©etoinnung be§ 2llaun§ bei Süttid)", „%\t ©teinbrüdje
bei galfenberg unb Maftridjt", „®ie 9Jtarmorbrüd)e in SSetgien", „Sie ^euer=
fteinbrüdje ju StoubeEe". S)aau tommen in sJtöggeratl)'ä St§eintanb=2ßeftb^alen :
„2lHgem. SBemerfungen über ©almei=, @ifenftein= unb SBleieraformation in ber
©egenb bon 2lad)en" unb in Jpertf)a (23b. II— XIII): „©eognoftifdje 23eobad)=
tungen über ba§ Sd)iefergebtrge in ben Stieberlanben unb am Stiebetrtjein" mit
geognoftifd)er Äarte. Seit 1824 3um Oberbergamtaffeffor beförbert, mürbe £).
nunmeljr beauftragt, um bie für eine SSoljrung nad) Steinfalj günftigfte Stelle
ju ermitteln, erft in ber 2Befergegenb Unterfudjungen anaufteEen , bann 5)3om=
mern (1826) geognoftifdj ju unterfudjen, toorüber eine 93efd)reibung (Äatften'S
2lrd)ib XIV) erfd)ienen ift. 3ur näheren Belehrung befud)te D. 1826 in 23egleitung
feines §reunbe§ b. S)ed)en nunmehr aud) @nglanb unb Sd)otttanb unb madjte b,ier
einge^enbe bergted)nifd)e unb geognoftifdje Stubien. 2Iud) über biefe Steife erftattete
£>. me^rfad)e beröffentlidjte 23erid)te, roie: „Effect ber S)ampfmafd)inen jur
Sßafferljaltung auf ben Tupfer* unb ginngruben SorntoaE", ^SJorfommen unb
Oljta. •-;;;
(Seroinnung Don <Stetn= unb $od)fal3 in Gngtanb", „lieber ©djienenrocge"
(Äarften'S Strcrjiü XIX), „Ser 2atnnel unter ber Sttjemfe in Bonbon" i&errjanbl.
b. ©eroerbeuereinä VII), „Sie Ä'ettenbrütfe Don 9Jienaiftreet", „Sie gufjeiferne
Srerjbrüde öon ÜBanarie" (baf. VII — IX"). Sine befonberä roidjtige 2lbt)anblung,
„S£er Steinfofjtenbergbau in dnglanb" (Äarfien'3 2lrd)iu V, VI neue tfofge) unb
„©eognofttfdje ^Beobachtungen über mehrere englifdjc (Sebiete" (baf. I unb II),
flammen gteid)faE§ au2 biefer $e'ti. 1828 jur Sienftleifiung erft auf fnrje
geit nad) Bonn unb bann nad) £orimunb berufen , tourbe Q. 1827 ,jum
£>berbcrgratfj ernannt unb 1830 nad) <g>aEe beorbert. %n biefer 3"1 &efc|äf=
tigte irjn insbcfonbere ber unter feiner Leitung 1830 begonnene Borjröerfud)
auf ©teinfalj bei Ütetjme, aud) nactjbem er 1831 micber nad) Bonn üerfetjt
roorben mar. Bei biefer Bofjrarbeit führte D. mefjrfadje roefentiierje Ber6efferungen
ber BoljrapUarate ein (Äatften'S Slrdjiü XXI) unb erreichte auf biefe SBeife eine
Borjrlodjttefe üon 2220 gfufj, ofjne aber, roie gehofft würbe, ©teinfatj ,ju finben.
Safür entfdjäbigte aber eine erboljrte warme Salzquelle, rueldje ^ur (midjtung
eines Babes benutjt rourbe. 2iefe§ Bob ertjielt £). <ju (Srjren ben tarnen ^ßab
Derjnrjaufen. Bon Bonn aus begann £). eine genaue geognofiifdje 2urd)=
forfefjung ber Umgegenb bee ßaadjex Seeä unb lieferte fuäter eine geognoftifdje
$arte biefer ©egenb in 8 blättern, nactjbem er bereite feit 1841 at£ geheimer
Bergratt) jur Sienftleifiung in§ 'JJciniftcrium nad) Berlin berufen roorben roar.
<!pter rüdte er 1815 jum getjeimen Oberbergratb, unb 1847 jutn Bergtiauutmann
bor unb rourbe als foldjer jur SDirection bes fdjtcfifdjen Dberbergamteil in Brieg
(feit 1850 nad) Breslau verlegt) berufen, %n biefer Stellung toibmete er feine
Srjätigfeit befonbers ber görberung be» fd)lefifd)en Stetnfot)len= unb ©almei=
bergbauä unb narjm oielfad) an tegislatorifdjen arbeiten Jrjeil. Bereits 1855
lehrte £). als Borftanb be£ Dberbergamts roieber nad) Sortmunb in bie
^tätje feiner £eimat§ prüd, roo er fid) namentlich bes ©teinfofjlenbergbaui
lebhaft annahm. (gd)on feit 1852 fränfelnb , liefe er fid) 1864 in ben 3tur)e=
ftanb üerfetjen unb jog fid) auf bas gamiliengut Üneüenburg jurüd. Bei feiner
Slußerbienftftetlung rourbe er in SInerfennung feiner grofjen Berbienfte mit ber
Berleitjung bes <Stern§ 3um Stottjen Slblerorben II. (5(. mit (Sidjenlaub geehrt.
9tur wenige Neonate roar jebod) bem allgemein geachteten Iftanne gegönnt, fid)
fetner ^Dtufee .}u erfreuen, inbem er am 1. g^ua1" 1865 einem afttjmatifcrjett
Seiben erlag. £>. zeichnete fid) al§ Beamter burd) feine tiefe, atlfeitige gad)=
fenntnifj unb ein felteneS ©efdjidf, fie aud) praftifd) ju öeiroertb,en, burd) un=
ermüblid)e 2;f)ätigfeit unb ftrenge 5]3flid)terfüllung , alz Selektier burd) feine
fdjarfe Beobachtungsgabe unb rafdje Orientirung auf bem ©ebiete ber ©eologie
in gleicher äöeife au§. Seine äatjlreidjen bergted)nifd)en unb geologtfd)en
üßublicationen liefern nur einen fd)mad)en 3?eroeis üon bem umfaffenben SBiffen
unb können biefes Cannes.
3ur Erinnerung an 6. ö. Cerjntjaufen, offen. _, „ . „
D. ©umbel.
£)^ta: ^einrid) ü. £). f. ^cilirid) oon Crjta, St. 2). 8. XI, 641.
2Bir benutjen ben Slnlafe biefer ^erroeifung, um ben älteren 3lrtifet nodj
burd) folgenbe ißemetfungen ju ergänjen.
«Sein im Olbenburgifdjen gelegener ©ebnrteort fjeifet je^t grie§ot)tr)e. —
(5r roar neben feiner fd)on früher (a. a. C) ertoäf)nten (gdjrift „De contractibus",
ber einigen au§ feinen äat)lreid)en fd)riftfteEerifd)en arbeiten, roeld)e jum Srud
gelangte (nur tu ber Äölner Ausgabe ber Söerfe ©erfon's com S- 1-183 f.
33b. IV, S. 224 ff. , aud) auf ben ©ebieten ber Srjeologie unb ber ^>t)tlofopt)ie
ttjätig. 311^ Strjeologe gehörte er ebenjo tute fein Sfteunb |)einrid) ü. Sangenftetn
3ülfiem. beutf^e »iogra^öie. XXV. 3
34 Dl>ta-
(f. 31. ©. 93. XVII, 672) 31t denjenigen, toelc^e eine Reform ber $irdje
burdj ein allgemeine^ (Sonett erwarteten, unb rourbe batjer bon feinen ©egnern
berfetjert. 2>ie „Conclusiones", Wegen beren er auf 93eranlaffung beä Gilbert
bon 93ötmten nadj 9tom citirt mürbe, finb r)anbfcr)rijtlid) in 9Jtüncr)en unb in
äöien toort)anben; botf) führte barau§ ftlaciuS ^ttöricuä (f. 31. ©. 93. VII, 94 f.)
in feinem Catalogus testium veritatis (3Iu§gabe bon 1666 , ©. 775) einige
©teilen an, weldje er in feinem Kampfe gegen bie 5papiften berwertljen tonnte.
2Iuct) bie übrigen ttjeologifdjen ©djriften Dtjta'S, namentlidj ber Kommentar 3U
$etru§ Sombarbug, fomie Contra Judaeos, De quatuor notabilibus (b. t). jur
£ugenblet)re) unb feine biet gerühmten ^rebigten ftnb noct) ungebructt (|>anb=
fünften in 'DJtüncrjen unb äßien). $n ber bljitofop'tiifcrjen ßitteratur gehörte er
ju ben fog. 5ftobernen, b. t). jur nominaliftifdjen 9tid)tung, Wie biefetbe in 9ßien
fürs bor itjm burct) Gilbert öon ©a^fen (f. 31. SD. 93. I, 182) beitreten
roorben war. ©eine Sommentare ju mehreren 9ßerfen be§ 3lriftotele§ finben
ftct) tjanbfdjriftlict) in ber Seipjiger llntberfität§bibliott)ef, @inige§ audj in 9Jtündjen
unb in SSien. $rantl.
%
^aflljOÜJ: ßfjriftian Submig $., iuriftif(i)er <5d£)itftfteüer. 33on Jemen
Seben§berf)ältniffen ift nur menig ^ur allgemeinen $unbe gelangt. 1753 au
Dfterburg in bet 2lttmarf geboren, ftubirte er ju ^>alle bie ütedjtSttnffenfdjaft,
mürbe 1787 ßriminatratf) bei bem furtnärfifdjen ßammergericfjte in 33erlin,
1798 $rieg§= unb Somänenratf), fobann ^roeiter ^uftitiar unb Äammerftgfat ^u
9ftarienroerber unb ftarb (mutl)mafjticr) bortfetbft) am 20. 9Jtai 1824. — *ß. ent=
faltete fd)on frürjjeitig fcfjriftftellerifcrje SJjattgf eit ; feine erfien 93erfudje toaren
feine fetbftänbigen arbeiten, Jonbern Ueberfetumgen ober ^»eiftettung bon Samtnet*
merfen; Später trat er jebocrj fetSftfd^affenb auf, unb berbrcitete fidj über bie
mannigfacrjften Stoffe, roie au§ bem bon 9Jtabai Bei @rfdj unb ©ruber (III. Sect.
8. £1)1. ©. 8) mitgeteilten Scr)riftenber,$eici)niffe tjeröorgecjt, roeldjeä SJerjet^ni^
etroa§ gefurzt fict) aud) in ^ierer§ Uniüerfal^Öerjcon ftnbet. —
5PaaIäom'§ erftc§ fedt)stt)eiltgeä 2Berf erfdjien ju Berlin 1777—81 unter bem
£itel: „SBerütjmte sJtedt)t§I)änbel bei berf ergebenen Parlamenten in granfreictj;
au* bem 5TaT13öf. :c. ic." liefern folgte: „ßinguets' intereffantefte 9tect)t§=
rjänbel" (1778), melctje Ueberfetumg bon ber aügera. beutfcfjen 33ibliotl). (Söanb
38 ®. 431) als eine bem Sinne unb (Seifte be§ Originals angepaßte gelobt
toirb. — ferner finb ju ertoärjnen: „'ipotitifcrje unb gelehrte 9tnefboten unferer
3eit", 4 SSbe. (1780— 83), JJtagajin ber ©efe^gebung", 2 $ö. (1780), „9Jcerf=
roürbige 9tetf)t§fälle" (1789), „Sie 3uben" (1799), ,,©efcf)tcE)te ber religiöfen
©raufamfeit" (1800), „^Dtagasin ber ftedjtggelerjrfamfett", 7 33. (1801), „$anb*
bud) für praftifcrje 9tetf)tägelet)rte'', 2 SSbe. (1802. 2. 2Iuft. 1810), „Gommcntar
über bie Griminal=£)rbnung für bie breufjifcrjen Staaten", 2 Stjeile. (1807),
„ÄtiegS- unb gfriebenSred&te ber granaofen" (1815. 2. Slufl. 1821), „SBe=
ricrjügungen" Ijieju (1816. 2. Slufl. 1821). $. befct)tofj feine reiche litterarifäje
SBirfjamfeit 1822 mit einer Arbeit „lieber teutfdtje ©efe£büd)er unb ben 3fnqui=
fition§brocef$, ingleicfjen über baS öffentliche gerid)tlict)e S3erfal)ten , ^otemi! bc»
16. 3af)rl)unbert§."
(Srfdj unb ©ruber a. a. D. — Dcttinger, Mouiteur des dates, s. v.
«Paataoto. @if entjart.
^OQl^OUJ: Henriette $. mürbe als baä jüngfte bon brci ilinbern be§
$rieg§vatt)5 Sßacf) gegen @nbe be§ bongen 3af)Tf)unbcit3 (1788) 311 Berlin
36 54JoaljohJ.
geboren. 2)er ©ater mar ein tüdjtiger ©efdjäftSmann, bem bie ©Übung feiner
3ett nidjt Teilte, ber aber bennoer) an mandjen ©orurtljeilen eigenfinnig feftljielt
unb ber ©ilbung unb (hjietjung feiner üinber ftrenge ©renjen 30g. ©o tjielt
er für feine beiben £öd)ter bie Untertoeifung im ßefen unb (Schreiben unb in
^en toeiblidjen |>anbarbeiten für bötlig auSreidjenb unb toie§ jebe ©el)nfud)t
berfetben, biefe eng gezogenen ©renken ju burdjbredjen, mit aller ®ntfd)iebent)eit
gurüd. 9tur mit bem ©orjne, bem fpäter berühmt geworbenen 9Jcaler Söilrjetm
2ßad) tourbe batb eine Sluänarjme gemadjt uub befonberS fein aufiaUenbe§ geierjen*
talent frülje fdjon burd) entfprecfjenben llntexrid£)t unterftütjt. S)iefer toar e§ benn
aud) allein, ber burd) ^tttttjeitungen au§ feinem Söcrfetjr mit ber äöelt unb au8
ben eifrig gefammetten ©eifteefetjäken ben ©efid)t§frei§ ber ©djtoeftern erweiterte,
©o toud)§ Henriette, ein mit natürlichen Anlagen unb einer reichen ^tjantafie
begabtes ßinb, eigentlich in ifjr toiberftvebenben ©ertjättniffen auf, obwohl fie
fid) biefe§ 9)Uf}betrjältniffe§ erft fpät, unb orjne baburd) in ber ßiebe ^u iljren
Gritern beirrt ju toerben, inne toarb; unb tebiglidj auö ber eigenen ©djöbferlraft
einer glütfüdjen 9iatur bilbetc fid) im ©egenfatj &u jenen S3ert)ältniffen bie
fdjtoärmerifd) betoegte ©eele eine 2Belt, in toeldjer fie balb tjeimifdjer würbe, al§
in ber itjr äufjertid) gegebenen, unb in biefer üxidjtung toarb fie, ba bie ältere
©djtoefter fid) fiüt) üevrjeirattjet tjatte, bon bem ©ruber unterftütjt. ©eibe gaben
fid) in ber botten Äraft ber ^ugenb einem ibealen ßeben t)in, roeldjeS fie für
immer bon ber guten alten $eit emaneipirte. ©ine befonbere Quelle be§ ©lüd§
entfprang für Henriette au§ bem llmftanbe, bafj ifjr ©ruber burd) immer be=
beutenbere !ünftterifd)e ßeiftungen fid) auSaeidjnenb, fid) bamalä im -gmufe be3
©ater§ ein Sltelier grünbete, ©aburdj ertjielt fie Gelegenheit, itjre ßiebe jur
Äunft ju bitben unb ju befeftigen, fo bafj biefelbe al§ ein nidjt meljr 31t @nt=
beljrenbe§ in iljr ©eroujjtfein überging. $mmer metjr bilbete fid) aud) au§ iljr
fclbft ein entfd)iebene§ llrttjeit rjerau$, unb it)re bon einem auffallenben ©djarf=
blid unterftütjte feine SombinationSgabe lernte balb ba§ ©ute bom 9)cittel=
mäßigen unb ©djtedjten mit großer ©idjertjeit abfonbern- Um biefe ^eit lernte
bie ^rinjeffin Söilljelm (bie ältere) bon ^reufjen unfere Henriette im Sltetter
iljreä ©rubcr§ rennen unb tourbe fo untoiberftet)lid) bon ber (Srfdjeinung beg
jungen 2Jcäbd)en§ angezogen, bafj fie bei jebe§maltgem ©efudj um bie ©egentoart
be§felben bat. 2)ie Sftüdwirfung blieb utefet au§. ©egeiftert für alles ©djjöne
unb <!pot)e, nährte Henrietten^ ©eele eine glütjenbe ßiebe ^u biefer eblen ^au —
«nb nad) unb nadj befeftigte fid) in beiber. eine Zuneigung unb roa^re $reunb=
fdiaft, bie fürl ßeben bauerte, unb bie auf Henriette einen nadjjumeifenben (§in=
flu§ bi§ ju ifjrem %obt übte. ®a§ 3at)r 1813 fprengte ben greunbe§frei§ unfe=
rer S)id)terin. ?iid)t bem ©ruber allein brüdte fie mit ©egeifterung bie Söaffen
in bie |)anb, ber i^rieg roarf aud) bie erften frifdjen ^eime äufünftigen ©lüdt§
bem jungen 5)Mbd)en jerfnidt in ben <Sd)ofj unb begrub bie Hoffnungen unb
Sträume einer fetigen ^ugcnbjeit. 2)amalö griff «Henriette oft jur 3feber, um
i^ren (Bebauten Sorm unb 5lu§brud p geben. Slber nid)t§ genügte it)r barin,
unb mag entftanb, tourbe toieber bertoorfen. 5Jlit toa^rer ßeibenfd)aft bagegen
erfaßte fie bie 5Rufif unb, toeil ib,r ba ein guter ßetjrer ju ^)ilfe tarn, nament=
lid) ba§ ©tubium be§ ©eneralbaffei. ©ie madjte gortfdjritte, componirte itjre
ßieblinggtteber gan^ meifter^aft unb bitbete iljre fd)öne, umfangreiche ©timme
3U größter ©olltommenljeit au§. Sfn itjrem 28. %at)xt tjeiratlete Henriette auf
SBunfd) it)rer Familie ben $ftajor ^aaljoto. Jpatte fie e§ aufgegeben, felbft
glüdlid) 3u fein, fo tjielt fie e§ in ber ©elbfttäufdmng it)reö eblen .^er^enS tool
für möglid), anbere nod) glüdlid) ^u madjen. 3?nbe| ertoieg fid) biefer ©djritt
nur ju balb als beifet)tt, unb nacljbem fie mit itjrem ©atten fünf Satjre ber=
bunben getoefen toar unb toäljrenb biefer 3e^ in Söeftfaten unb am ^b^ein
^aaljohj. 37
gelebt tjatte, löfte fie bas 33anb ber (Jfje unb fehlte ju itjrer 9)lutter nact) Scrltn
äurücf. ftact) bem £obe ber te^teren bejog fie mit ifjrem, bamals aus Italien
3urücfgefet)rtm 23ruber 2Bilt)elm ein |mus, unb ben (Sefct)tt>iftern mürbe jo ein
Straum it)rer erften Sfaflenb erfüllt: fie fonnten ein gemeinfames ßeben beginnen
unb genießen. Sie berroanbte 9ftict)tung itjres ©eiftes unb ©efctjmacfs gab bem=
felben balb einen jfteictjttjum, über meldten bie 2Öünfct)e biefer beiben $ünftler=
feelen nicf)t tjinausgtngen. ©elbftänbig unb frei, mürbe auct) iljr äußeres Seben
immer met)r ein Slbbrucf itjres ©eiftes. Sorjugsmeife mit ernfteren Stubien
befctjaftigt, fuctjte Henriette auct) in itjren gefetligen 33erfet)r bie Vertreter bon
$un|t unb Söiffenfdjaft tjineinjujie^en, unb befonbers ber freunbfct)aftltctje Umgang
mit äßürjelm b. ^umbotbt unb feiner ^amiüe tourbe bon beiben ©efctjunftern
mit großer Siebe cultibirt. 9tidjt alfo in ^arnpf unb @ntbetjrung fonbern in
tjarmonifctjer 9tut)e mürbe öenriettens 2)ict)tertalent geboren; benn um biefe ^eit
begann fie, einem inneren orange folgenb, <ju fctjreiben, unb ber ©enuß biefes
getjeimen ©ctjaffens bilbete met)r unb met)r ben i?ern il)re§ bamaligen Sebens.
@s entftanb, bon niemanb gemußt unb geahnt, iljr erfter Dtoman „(Sobmie Saftle.
2lus ben papieren ber ^erjogin bon ftottingtjam", mit bem fie äugleict) it)re
fct)riftftetlrafct)e Stjätigfeit abjuf&jließen gebactjte. Sine bebenflictje Äranftjeit,
bie im fyrütjjatjr 1835 eine fctjtnerjtjafte Operation nöttjig mactjte, berfcrjob bie
Veröffentlichung bei Romans bis ins Satjr 1836. 3ur Sluftjilfe itjrer ©efunb*
t)eit ging bie SB er f. im $erbft 1836 nact) ßöln am Ifttjetn, mo fie faft ein 3at)r
roeüte. £)ier berfuctjte fie fict) auct) in einem 3)rama „9Jtaria 9tabafti", bas fie
nur als eine 5probe anfatj, bie fie itjren gätjigfeiten ftellte unb batjer auct) nie
für bie Oeffentlicrjfeit beftimmte. Sßiber itjren SBiUen erfctjien es 1845 in Robert
Retters Safctjenbuct) „perlen" abgebrucft. 9tact) it)rer ^eimfefjr geftaltete fiel)
iljr äußeres ßeben auf bas glücflictjfte. Sie Salons ber bornetjmen ©efellfctjaft
toaren itjr geöffnet, unb autoeilen fatj fie auct) größere gefeitige Greife bei fiel),
bie fictj aus ben t)erborragenbften ^ünftlern, S)ict)tern unb ©eletjrten SBerlins
äufammenfetjten. 2)ies ganje, unenblictj anregenbe Seben eröffnete iljr toieber
eine neue äöett, unb fie fütjlte, baß iljr Talent mit ifjrem erften äöerfe boct)
nietjt begraben fei. SBalb tjatte fie neuen ©toffen neue! Seben gegeben, unb fo
erfdjienen 1839 iljr Vornan ,,©ainte=9fioct)e" unb @nbe 1842 ber Vornan
„Sfjomas Jfjrjrnau". 9cactj SÖeenbigung bes letzteren bergingen ^fa^re, in benen
bie SSerf. fo franf toar, baß jeber ©ommer einen langen SSabeaurenttjalt notfj--
toenbig mactjte, unb fie nur toenig ober gar nietjt jum ©cfjreiben tarn. 2)octj
erfctjien ätoifctjeuburct) (Jnbe 1844 ber Sftoman „$afob ban ber ftees". 5Der
plö^lictje 2ob trjres ^rubers 9Bilt)elm im tg)erbfte 1845 beugte fie auf bas tieffte,
unb fie fütjlte baburd) itjr Seben berartig jerriffen, ba^ fte meinte, ber <5ct)merä
muffe fie bernidjten. S)ennoct) fämbfte i|r ©eift nocl) ätoei ^a^xe gegen bie
äunetjmenbe Äränftictjleit bes Scibes, bis fie enbtictj am 30. Dctober 1847 im 60.
ßebenljatjre bon biefer (Srbe fctjieb. — «Henriette ^3aaljoto's sJtomane t)aben eine
fet)r berfc^iebene, oft einanber gerabe toiberfprectjenbe 33eurtt)eilung erfat)ren, rooraus
|)einricl) Äurj fetjr rictjtig ben (Sctjtu^ jictjt, ba^ bie ©ctjriftftetterin roeber über=
mäßiges Sob, noct) übermäßigen £abet berbiene. ©ie mar meber fo genial, mie
fie ben ©inen erfctjien, noct) fo talenttos, mie bie Slnbern behaupteten, diejenigen,
roetetje itjre üromane für tjiftorifctje t)atten, tjaben ja reetjt mit itjrem 3)orrourf,
baß bie SicDterin ba§ gefct)ict)tlict)e Material, bas ben Romanen 3u ©runbe
liegt, auct) nietjt annä^ernb bemättigt t)abe; aber bie ütomane ber ?$. ftnb eben feine
tjiftorifdjcn, fonbern nur gamilienromane, ba bie in it)nen eine ^olte fpietenben
tjiftorifctjen 3ßerfönlictjfeiten nur in SBe^ietjung ju ^3ribatbertjättniffen etfct)einen.
ferner t)at bie Stjatfactje, baß bie Romane ber ty. eine befonbers beborjugte
Seetüre am preußifct)en Äönigsfjofe bilbeten, manetjen ^ritifer ju bem llrtljetle
q r i»
38 $aa* — ?obfi.
33erantaffung gegeben, bafj bie SDidjterin nur für ^oc£)atiftofratifc^e Greife
gefdjrieben labe, bafc fie in biefen Greifen allein eine freie unb tebenbige ©nt=
toictelung be§ rein 9Jtenfct)licrjen finbe, unb bafj fie nur auf ber £)örje ber ©efett=
fctjaft eine fjfreitjeit b°n Q^er 3ftot)eit unb altem nieberen treiben erblicte. 9116er
nicrjb tag ber SHctjterin ferner. SBenn fie aU bürgerliche ftrau auS bürgcrticrjer
^familie in itjren 9tomanen bie dtifette unb (Sonbenienä bi§ in§ fleinfie beachtete,
fo tag bie§ in irjrer ganzen Güräierjuug unb Grjarafterbitbung; fie fjatte eben bon
^ugenb auf nictjti» anbereä gefeb/n a(§ bie ftrengfte ^Beobachtung ber ebetften
formen, unb fie tjat fictj, toie fie fetbft befennt, in ben teueren betoegt, „otme
je ;ju glauben, bafj eine gefettfcrjaftlid) tjörjer ftecjenbe klaffe bie§ atte§ für fict>
attein beanfprudje". Uebrigenä täfjt fie ja fetbft in manchen bornetjmen ^cr=
fönen itjrer Romane bie gerneinfte ©efinnung in (h-fcrjeinung treten, toie 3. 35.
im Stoman ,,©ainte=9tocf)e", ber gan^ befonber§ ben $ambf jroifctien bem rein
menfdjtictjen ßeben unb feiner Korruption in ben tjörjeren Greifen jum ®egen=
ftanbe rjat. 2>er ©rfotg ber Spaaljotofcrjen Romane tag in erfter Siinie in ber
toürbigen Gattung unb ber fittlictjen ©röfje unb Steife, toelctje bie ©crjriftfteltertn
in ieber 3e^e offenbart. 3tufjerbem befitjt fie bie ©abe bfr;ct)ologifct)er @nt=
toictelung, befonberä toeibticrjer ©emüttjer; itjre ©djilberung ber (Stjarattere ift
faft immer eine gelungene; ba§ ariftofvatifcrje fieben in ßngtanb jur $eit oe1-*
©tuart§ (in „©obtoie ßaftte"), bie franjöftfi^e bornetmte (Sefeflfctjaft in f5franf=
reiä) pr geit ßubtoigä XIV. (im „©ainte=9toct)e"), bie guftänbe in 23öt)men
feit bem 30järjrigen Kriege (im „£t)oma§ ütt)t)rnau") finb mit großer Söat)rt)eit
aufgefaßt unb bargeftettt; bie 33erfct)tingung ber ^Begebenheiten ift fpannenb,
fo bafj ba§ Sntereffe bon einer Situation sur anbern fteigt; bie 33efctjreibung
ber Steufjertidjteiten, toie ber ßoftüme, ber Toiletten, ber ßanbfdjaften unb be=
fonberä aucfj ber Strcrjitecturen ift forgfältig, toenngleidj tjier oft eine <ju grofje
SSreite ben (Sfinbrucf fcrjmätert: alle biefe 23or<}üge berbeäen manctje fteinen
^Ränget unb erklären ba§ lange anbauernbe ^ntereffe, ba§ bom publicum ben
^Paaljjotofcrjen Romanen gefctjenft tourbe.
©in ©djriftftetlerleben. 33riefe ber 33erfafferin bon „©obtoie Saftte" an
itjren Verleger. 33reslau 1855. 33 rü mm er.
S-Paar: $or)annGrjriftobb, 3freitjerrb.Sp.toar ber brüte @ob,n be§ grei=
tjerrn ^ofjann 33abtift b. $aar unb beffen ©ematjlin 3Ifra ©ibonie, 'Qxdxn b. ^>aim.
infolge ber bieten treuen S)ienfte, toelcfje er Äaifer <$etbinanb IL geteiftet rjatte,
tourbe er beffen geheimer Statt). Slacrjbcm er im $. 1622 bon $orjanu 3gC0&
ÜJtagno ba§ oberfte 9ieicf)§boftamt getauft t)atte, erhielt er 1623 bie 33eftätigung
aöer mit bemfetben berbunbenen S)3ribilegien. S)a§ 3at)r barauf tourbe er mit
bem oberften ^ofpoftmeifieramte für Ungarn, für 33öfjmen unb Rubren, fotoie
für ba§ ßrjtjer^ogtrjum Defterreicr), aber nicrjt auc^ für (&ct}lefien belehnt. SDie
33eftätigung biefe§ Öetjeni erfolgte 1630 mit ber 33eftimmung, bafe immer ber
ättefte be§ ©efcf)Iect)te§ fict) obrifter ©rbboftmeifter, bie jüngeren hingegen nur
(Srbboftmeifter nennen fottten. 3m $. 1629 t)attc Sp. auct) ba§ inneröfter=
letcfjifctje S|3oftamt, toelcrjes fcb,on burct) fecrjS S)ecennien bei feiner Familie
getoefen toar, ba^u befommen. 1636 erhielt er auf bem 9teict)§tage ju 9tegen§=
bürg bie ©rafentoürbe; ba§ ©iptom fetbft aber tourbe erft am 21. October 1652
au§gefteltt, fo bafj er fict) itjrer, ba er fctjon 1636 ftarb, nid)t met)r bebiente.
Qrx mar mit Gattjarina fjreiin b. ^erbersborf bermätjlt unb tjintertiefj au§ biefer
(Sb.e einen ©otm, SJlameng Äart. ©et) litt er.
s£auft: ^ einriß Söit^etm $., I. f. «minifteriatratb,, geb. 1798 ju 9)kar
bei ßauterbadj im ©ro^b,er3ogtb,um Reffen, f am 10. ^uti 1868 ^u Jpüttetborf
bei 2Bien. ^n frütjer ^ugenb tarn er auf bie ®üter beS greitfeun b. 9iiebefet,
Sßabft. 39
unter beffen Seitung et fictj jutn Sanbmirtrj auäbilbete. ©föter berroaltete er
mehrere ©üter beffelben. 1821 fcemog itjn ber S)rang nact) roeiterer 2lu§bitbung,
feinen eiterigen 28irfung§frei§ au bertaffen; er machte Reifen burd) £)eutfcfjtanb
unb Belgien, gurücfgei'erjrt, befud£|te er ba§ bamal§ erft fur^e gut beftetjenbe
tanbmirtfjfä)aftlicf)e ^nftttut ,!pot)ent)etm. ©Camera lernte iljn balb fcfjäijen unb
gab irjm ©elegenrjeit, ficr) als Sedier ^u berfudjen. 1823 narjm er bie ©teile
al§ SBucrjrjalter unb ßerjrer an ber gebadjten Slnftatt unb balb audj bie ßeitung
ber jtDciten (Staffe ber rjorjenrjeimer Stclerbaufcfjute an. 1824 mürbe er bon bem
Äönig bon SBürtemberg jum ©efonomieratrj ernannt. 9tacf) ©djmera'ä Abgang
bon ^)0^ent)eim 1829 fiel $p. ber größte £t)eit ber SanbtDixt^jrfjaftgterjie ju, ba
ber nacrjfolgenbe SHrector b. (Htrtdjärjaufen nidjt felbft bocirte. (£ine unange=
nerjme ©tellung ^u ßetjterem beftiminte 5p. 1831 ben 9tuj at§ Defonomieratt) in
grofjt). rjeffifetje SDienfte anjuneljmen unb ba§ beftänbige ©ecretariat be§ tanbro.
Söerein§ ju übernehmen. 9toctj in bemfelben $ar)re eröffnete er in 2)armftabt
eine lanbm. ßerjranftalt. 1839 ertjielt er bon ber preu^ifdjen Regierung einen
9tuf al§ *ftadjfolger ©djuläe'S <jur S)irection ber lanbro. Stfabemie (Slbena. 2lu8
biejer ©tellung trat er al§ gel), gfinanäratt) unb Referent für 2anbe§cuttuv=
angelegenrjeiten in ba§ preufjifctje ^ftinifterium, gab aber biefe ©tellung 1846
roieber auf, um bem 9tuf at§ ©irector ber rjorjenrjeimer Slfabemie <m folgen.
1850 ging er nadj Ungarifct)=2tltenburg, um bie Seitung ber bortigen tanbro.
ßerjranftalt au übernehmen. 2lu§ biefer ©tellung fctjieb er 1860 roieber, um
al§ 9Jtinifterialratrj unb Referent für tanbro. Slngelegenrjeiten in ba% 9JHniftetium
für 2anbe§cutturangelegenrjeiten in 3Bien einzutreten. 1867 tiefe er ftcrj pen=
fioniren. ty. mar einer ber ©rünber ber SSerfammtung beutfdtjer 2anb= unb
fjforftroirtrje. @r madjte mancherlei ©rfinbungen unb Sßerbefferungen in lanbro.
©erättjen, ma§ namentlich ben flanbrifcrjcn ^flug unb ben (jjftirpator anlangt.
9tädjfibem tjatte er roefentlicrje Söerbienfte um bie Hebung ber ütinbbierjjutfjt.
S)er 1868 in Söien tagenben Sßerfammlung beutfetjer 2anb= unb Qforfimirtfje
füllte er alg erfter ^räfibent borftetjen, boerj ereilte itm ber £ob für,} bor $u=
fammentritt biefer 53erfammlung. 2ll§ ©crjriftftelter roar ty. fetjr fructjtbar.
©djon 1823 trat er mit ber ©ctjrift „lieber bk SSetbefferung ber 8anbroirt£)fcrjaft
im ©rofjtjeraogtrjum Reffen" tjerbor. gerner fdjrieb er „Seiträge jux rjöljeren
©crjafaudjt", 1826; „allgemeine ©runbfäfce be§ 2icterbau$", 1832; „2anbroirtt)=
fäaftlid&e 33etrieb§tet)re" , 1834, 2. Sluft. 1842; „Anleitung äur JHtnbbic^u^t",
1829, 3. 2lufl. 1859; „Anleitung jur ^artoffelcultur", 1846; „Se^rbud§ ber
Sanbroirttjfcrjait'', bon bem fedt)§ Sluf lagen erfctjienen finb ; „2anbroirt^ict)aftlicr)e
©rfaljrungen bon -gjotjenrjeim", 1849; „Anleitung jur ärocclmäfeigften dultur unb
23enu£ung be§ StadcjfeS", 1848; „ßanbroirt^aftlic^e £ajation§letrre", 1853;
„8anbmirtt)fcl)aftlic^e gortbilbungsfc^uten unb SBanberletjrer", 1867; gab l)erau§
„3eitfc£)riit für bie tanbro. Vereine im ©rojjrjerjogttntm Reffen", 1831 — 39;
„allgemeine aBo^enfd^rift für 2anb= unb ^auSroirt^fc^aft", 1831 u. f.; „Seric^t
über bie 93errjanbtungen be§ baltifctjen lanbm. 33erein§", 1841; „5lmtlic§er 93e=
rtdjt über bie S5erfammlung beutfdtjer ßanbroirttje in Sregben", 1838.
Söbe.
^Qbft: ^ermann ty. mürbe am 4. Januar 1842 in SSurg (^robtnj
©ac^fen) geboren, mo fein 35atet 9tector ber Sürgerfctjute mar, feiner Familie
aber burd) frütjjeitigen £ob entriffen mürbe. Üladtj erfter SJorbilbung auf ber
©cf)ule feiner S5aterftabt empfing er feine meitere 3luebitbung in ©ctjulpforte,
bon melctjer 3lnftalt er im ^)erbfte 1859 mit bem 3eugnifj ber Steife enttaffen
mürbe, ^unäcrjft mibmete er fiel) in 33onn pb,itotogifct)en ©tubien, namentlich
jog ib,n 9titfcf)l an, boct) tjat er auet) S)arjtmann nod) gehört, fomie ancr) bie
liebungen be§ p^ilologifc^en ©eminarä mitgemacht. 3m -£>erbft 1860 fiebette er
40 5ßobft.
nad) ©öttingen über, mo SBaife ibn ganz für baS ©efdjicrjtSftubium gemann,
iijm aud) roätjrenb biet ^abren bie £tjeitnabme an feinen biftorifcrjen Uebungen
geftattete. 3>n btefen legte er fdjon im erften ©emefter eine Slbbanblung über
bie principes ber ©ermanen öor, bie mandje cigentbümlidje, öon ber tjerrfctjenben
Setjre abroetdjenbe 2lnfid)t enthielt, aber ungebrudt geblieben ift. $. manbte fid),
bon Sßaitj öeranlafjt, fofott einer größeren Aufgabe ju, bie er in berr)ältnijj=
mäfjtg furzer ^eit beenbete, ber „©efcrjidjte beS langobarbijd)en <£)erzogtrjumS",
bie im jroeiten 33anbe ber ^orfdjungen ä^r beutfcben ©efd)id)te (1862) gebrudt
mürbe, unb ein glänzenbeS ,$eugnif} für bie fritifdje Begabung beS jungen
$orfd)erS ablegte. 25urd) 2Bai^ mürbe $. meiter beranlafjt, nadjbem Ufinger
bon ber Herausgabe ber bon ©iegfrieb Hirfctj unbottenbet tjinterlaffenen „^aljr*
büdjer beS bmtfd)en föeidjS unter Rehmer) II." zurücf getreten mar, ben ^meiten
33anb biefeS SöerfS (Berlin 1864 erfebtenen) herauszugeben. @S mar babei noer)
biel eigene Slrbeit ju leiften. 9tid)t blofj bafj ber uteri rebibirt merben mufjtc,
gan^e Partien febtten nodj in ir)m unb mürben erft bon *p. hinzugefügt (£>ber= unb
9Jtittetitalien bon 1004—1012 unb HcinridjS Sftömerzug), bie Stnmerfungen
mußten richtig geftetlt unb bermet)rt, (Jjcurfe rjinzugettjan merben. 9Jtit bem
Sfatjre 1864 mar *ß. als Hilfsarbeiter bei ben Monumenta Germaniae eingetreten.
Sn 23erlin promobirte $. am 6. ftebruar 1864 mit feiner 9Ibt)anblung „De Ari-
berto II. Mediolanensi primisque medii aevi motibus popularibus". 33eacf)ten§=
werft) in biefer Arbeit ift namentlicrj baS erftc Gapitct, baS bie Quellen bet)anbelt,
unb ben 33eroeiS bon ber etjemaligen ©riftenz größerer tjitbeSbcimer Slnnalen
erbrachte. $erfe, ber Seiter ber Monumenta Germaniae, beitraute ty. balb bie
Ausgabe be§ Liber pontificalis an. (Sine 9tett)e ber miebtigften Hanbfdjriften
lonnten bon ty. in Berlin felbft, mobin fie gefanbt mürben, bergticfjen merben.
Swifdjenarbeiten maren bie SluSgabe ber Diurnali di Messer Mattheo di Giovenazzo,
bie bereits im 9tobember 1864 beenbet mürbe (Mon. Germaniae, Scriptores,
33b. 19), unb ber Fundatio Monasterii Gratiae Dei (ebenba S5b. 20). 5p. fjatte
bie unangenebme ©rfabiung zu madjen, bafj ba§ erftgenannte, bon it)m für edjt
gehaltene 2Berf, im $. 1868 bon SBerntjarbi als eine mobeine gätfdjung nacfj=
gemiefen mürbe, aber feinen Slugcnblid fd)manfte er, nadjbem er fid) öon ber
9tictjtigfeit biefer Darlegung überzeugt Ijatte, auet) öffentltct) in ben ©öttinger
©elebrten anzeigen feinen ^rrtl)um einzugeftetjen.
33om 1. 2lprit 1865 an genügte »4$. feiner 9Mitärpflid)t als @injäbrig=
greimiHiger im ©arbe=gfüfelier=3ftegiment. @r batte anfänglich gebofft, nidjt für
tauglidj zum sJJHlitärbtenft befunben zu merben, mar bod) feiner ©röfje nur ein
menig mebr als baS 9Jlititärmafj öorfdjrieb, unb mar er bod) im fjöcrjften ©rabe
Jurzfidjtig. Sinmal aber eingefteüt, mürbe er mit ßeib unb Seele ©olbat. S)en
gelbzug bon 1866 machte er, anfänglich) als Unterofficier, bann als Sßicefelbmebel
im 12. ©renabierregiment mit, unberfetjrt blieb er in aEen ©efedjten unb
©tfjlacfjten, an roelctjen biefeS tapfere Regiment bettjeitigt mar. 3luf bem ^eimmarfd),
nocl) auf bfteireictjifcfjem 23oben, erfolgte feine SBeförbetung zum 9ieferbeoffkier.
5tacf) feiner Ütürffetjr mürben bie für ben Liber pontificalis begonnenen
SIrbeiten rüftig meiter geförbert- Slber aud) bie «Habilitation an ber berliner
Uniöerfität nabm $. in Angriff, unb berfertigte zu biefem 33etjuf bie längere
2lbbanblung über bie SSrauroeiler ©efctjicrjtSquetlen, bie im 12. 33anbe beS 9Xrd)iö§
für ältere beutfebe ©efcb.icrjtStunbe gebrurft morben ift, unb bie fiel) baburd) auS=
Zeictjnet, tafe bie zätjlreidjen Urfunbenfälfdjungen für biefeS Jtlofter in baS redjte
ßiebt gefegt, auS itjuen bann 3Iufflärungen in 93ezug auf bie d)ronicaIifd)e
2;bätigfeit ber SSraumeiter Wönfyt gemonnen mürben. (Sd)on tjatte ?ß. biefe
Slrbeit ber übitofoprjifdjen gacultät eingereidjt, als er bon $ertj im beginn beS
SabreS 1869 ben Auftrag erhielt, bie itatienifeben 33ibliott)e!en für ben Liber
«Pabft. 41
pontificalis auSjunütjen, jugteicf) in ben berfdjiebenen 2lrdjiben Staüens Tür bte
(Sammlung Don Äaiferurfunben 3U arbeiten. ©in lang genährter ^erjenerounfd)
ging bamit für >ß. in Erfüllung, ^n Dtom, roo er junadjft längeren 2Iufent(ja(t
naljm, füljtte er fid) balb fjeimifdj, bot! unb gauj tiefj er bie f^iitCe ber neuen
Slnfdjauungen auf fid) roirfen. Sllte feine Briefe an bie Butter, an ^ertj unb
bie $l'eunbe fpradjen bon bem ©lud, ba§ irjm befdjieben. Söätvrenb ber Som--
mermonate 1869 bereifte ^3. bie yirdjibe ^talienä, unb t)at er namentlich, in
©iena reiche ausbeute gefunben. 3fm hinter 1869 feierte er roieber nad) iftom
äuvücf, ganj mit ber 23erg(cidmng ber -gmnbfdjriften für bie $apftteben befdjäftigt.
33t£ jum ©ommer betjnte fid) bie 2Irbeit au§, faft mar fie bollenbet, al§ ber
ausbredjenbe ,ttrieg it)n eitigft in bie £)eimatf) unb p feinem Regiment jurüdrief.
9Jcit biefem rüdte er au§, um nierjt roieber tjeimäuferjren ! Sei bem Sturm auf
bie ©pic^erer £>öf)en mar er unbertetjt babongefommen, freubig fdjrieb er ben
2ag barauf an ^ßerfc, bafj er jum Sataiiton§=2lbjutant ernannt fei. 2lm 16. 2Iu=
guft, bei bem rjeifjen Dringen ber branbenburgifdjen Dregimenter in ber mörberifdjen
©cfjladjt bon ^Dcare la Xour§, traf ir)n eine $uget in ben Äopf. ®r toar fofort
tobt. 2Bot burfte fein Sedier 3£ai| (gorfdjungen 3. beutfdjen ©efdj. 10, 668)
bezeugen: „3n iljm berliert bie SBiffenfdjaft einen ber talentbollften, b/offnung§=
reichten unter ben jüngeren |)iftorifern!" 2öilf). 5lrnbt.
^abft: Sot). £)einrid) $., geb. am 25. Januar 1785 3U Sinbau bei
Jpilbe§§eim, f am 28. 3fuli 1838 in SJöbling bei Söien, ©ob,n eineä Sanb=
mannet, befugte bie ©djulen in S)uberftabt unb ^eiligen fiabt, tooraui er bie
Unioerfität ©öttingen bejog, roo er 9Jlebicin ftubirte unb an bem ^tjitotogen
^ebne einen fjelfenben ©önner fanb. 9cad)bem er bort 1807 promobirt tjatte,
begab er fid) im -gjerbft 1808 nad) SBien, roo er junädjft bie ©teile eine»
6r5ief)er§ bei bem ^reitjerrn b. 5Jlofer übernahm; im grütjjarjr 1809 fam er al£
33ataitton§ar3t nad) ^inj, bann nad) ^eft unb 6rlau, toofelbft er burd) £rant=
Ijett genötfjigt roar, feinen 2lbfd)ieb 3U nehmen, roorauf er (1810) roieber nad)
SOßien in ba§ 5)cofet'fd)c £>au§ jurüdfet)rte. IJtadjbem er burd) eine £$fted)ten=
franft)eit ein 2Iuge berloren Ijatte unb Ijieburdj (1815) fein $tan, ©eifttidjer
3u roerben, gefdjeiiert roar, lebte er in ftitter 3ni'ücfgejogenr)eit; entfd)eibenb aber
für feine fd)riftfteüerifd)e xfjätigfeit mar, bafj er im 3Binter 1824/25 3lnt. ©untrer
fennen (ernte, beffen eigenttvümtidje Sluffaffung ber *pt)i£ofopt)te it)n mädjtig
anregte, fomie er feinerfeit§ roieber auf ©ünttjer 3'urüdroirfte. Setjterer nämtid)
r)atte bereits feit 1818 in ben äöiener ^abjbüdjem ber ßitteratur einige ©prüf)=
f unten bon fid) ausgeben laffen, foroie $■ fd)on früher in ©artori'ä „föatezl&a*
bifdjen Stottern" (1809 — 14) in fatrjotifd)er ©djulptjttofoprjie mit einer ipiu=
neigung ju ©djeüing fid) al% SJitettant tjatte bernerjmen laffen. 9tun aber ergab
fid) eine 5]3erfonaIunion ber beiben Genfer, roobei ®üntr)er burd) feine eigenartige
fbecutatibe S^eotogie mitroirtte, roäl)renb ty. cinigermaBen ßenntniffe in ben
^ftaturroiffenfdjaiten beifteuerte, foroie ber S5eterinärar3t ^of). ^mman. 3}eitt) at§
britter im 33unbe beitrat. @§ rjanbette fid) um ben $(an, im ©egenfatje gegen ben
v4>ant()fi§mu§ jeber 5lrt, befonbere gegen ben Jpeget'fdjen, ber ^itofobljie böttig
neue SBege ju bahnen, auf toeld)en ba§ SBiffen unb ber ©taube, b. t). aber nur
ber fatb,otifd)e ©taube, ju einer tjö^eren (£int)eit berein;gt roerben fottten. ©0
tauen in 'bit nämlidjen ^ar)re, in toeldjen ©üntb)er'§ ^aupttoerfe erfd)ienen
(f. 9t. S. 33. X, 153), aud) bie ©d)riften «PaBft'S, unb toärjrenb burd) ©untrer'«
bajaj^oartige ©d)reibroeife ^tandje (jurüdgefdjredt rourben, toirfte % in ber irjat
förbemb für Verbreitung ber ©üntb,er'fd)en 5pb,itofobr)ie. ^n ber ©djrift „S)er
5)cenfd) unb feine ©efdjidjte, ein Seitrag jur ^tjitofopljie bcS ß^riftentb.umä"
(1830, 2. Slufl. 1847) öerftet)t $. unter ®cfd)id)te grunbfä^tid) nur ben tt)eo=
togifdjen Segriff ber Srtöfung unb entmidett tb,eofobr)ifd)e Erörterungen über
42 s4tocaffi.
SLrinität unb äßettfcböpfung, beten ©cbtufj bet 5Jienf(^ at§ bollenbete Db|ecti=
üirung ©otteä fei, woran ficb entfpred^enbe £ebtmeinungen tnüpfen über ein
immertt>äbtenbe§ 9Jtenfcbenfein be£ ^>eitanbc§, fotoie übet bie jtoei Statuten in
6t)tiftu§ unb übet einen sJ>arattelifmu£ annfcfien ©ünbenfall unb 33crfucbung $efu.
«hierauf folgte „(Sibt e§ eine *ßbitofopbie be§ pofitiüen SbriftentfmmS?" (1832
in bet Sonnet geitfctjr. jf. fyfyl. u. tatf). Sfjeol.), morin untet f)eftiget 5ßolemif
gegen Äant unb gegen einen fantianifcben Stecenfenteu bet botgenannten ©djtift
bet gleiche ©tanbpunft nneberfoolt unb eine auf ®e§carte§ bcrufjenbe 9luffaffung
bet mcnfcblicben dürfenntnifj entroicfctt toitb. 3Sm $. 1833 erfdj)ienen bie öon ty.
gemeinfcrjaftticb mit ©üntfiet üetfafften „^anuäföpjc für $l)itofop&ie u. üH)eo=
logie". giätjer an fatbolifcbe ^tjftif ftreift „(£tn SBott übet bie @fftafe" (1834);
ein toiel gelefene§ 93udj abet mar feinet 3e^ „5lbam unb @brifiu§. 3ut
Sbeorie bet @be" (1835), mofelbft 5p. abermals feine tfjeofopbifcbe ßbrifto*
logie barlcgt, betfelben abet bie Söenbung gibt, bajj @t)rifiu§ „ba§ ©actament
im ©efcfilecbte" fei, rootauf et eine (Erörterung über bie einzelnen ©acramente
unb fcrjliefjlicb über bie 6fte fotgen läfct, beren monogamifdjc gorm al§
(Etfcbeinung bet ^mmanenj unb ^bentität ben ©cgenfatj bilbe gegen 9Jtan=
nigfattigfeit unb 2Bed)fel beö natürlicbeu ©efd)tecbtäleben3; am ©djtuffe aber
roirb bot Goclibat alö „Affirmation be§ jtDctten geiftigen 2lbam§, b. Jj. (Sijtifti",
confttuirt. S)a§ tetjte, ma§ $ß. fcbrieb, roaren jmei Sluffäfje im 3at)rg. 1838
ber genannten 3citfdjtift, beten einet toicber ^bilofopbte bet ©efcfiidjte betrifft,
toäbrcnb ber anbete über ©oetbe tjanbctt. $m felben ^fa^re fiebelte et bon
2Bien nacrj 35öbling übet, roofelbft et einem mehrjährigen Diierenleiben erlag.
Weuer Weftolog b. Seutfctjen, 3af)tg. 1838, 33b. II, ©. 250 ff.
$tantl.
sJtocafft: ^obann Saptift b. $., 2Itcbiteft unb Slfttonom, geb. 1758
in @5xa, t am 8. ^uni 1818 in 2Bien. 9118 ©ofm jene§ «!pofard§tteften o. $.,
roeldjer ficE) burcb bie Gnnfübtung bet ©teinforjlen in bie öfterreicbifcben ©taaten
um biefe ein grofje§ Serbienft ctmotben batte, ttmtbe bet junge b. 5ß. einet fetjt
fotgfaltigen (Sraiet)ung tbeilbaftig. 6r befugte ^uetft ba% Sömcnbutgfcbe ^nftitut
in äöien, fobann bie bottige „faüotyifcbe" Stfabemie unb bettieb auf biefet eifrig
baä matbematifcbe ©tubium unter ber ßeitung beä bamal§ febr geachteten s$ro=
fcfforS ©cbetffet. 3u"äcbft menbete et ficr) bet jutiftifd)=btplomatifcf)en £aufbabn
ju, arbeitete Ui öetfcfjiebenen "©efanbtfdjaften unb bet'tjättgtc fiel) aucJ) fct)tift=
fteßetifd) — feine be^üglictjen Slbtjanblungcn etftijienen ju äßien in ben $at)ten
1775, 1777, 1780, 1786 — bei bet 53et)anblung bon fragen beg öffentlichen
9lectjte§. Ütadjbem et ieboctj 1797 jum aBaffetbauinfpectot etnannt mat, menbete
er fict) böüig biefem feinem neuen Berufe ju; 1811 marb et SDirector be§
t t. äöafferbauamtg in äßien unb leitete at£ fotdjer bie |)erfteEung ber 5ranaen§=
brücfe unb ber S)onaucanat=Duai§. (Sr ftarb nad) furzet ^ranf^eit in bem
tjotjen Stange eine§ ^ofbaubirectorä. — ©eine IDcufjeftunben mibmete b. $. bet
Malerei, in melier er e§ ju großer S3oüfommen^eit btadjte, metjr abet noeb^ ben
matrjematifdjen unb afttonomifdjen ©tubien. sMt @utet, Ääftncr unb ßambett
trat et in SBrieftüedEjfei, aueb^ routbe et TOglieb ber berliner Slfabemie. «Biedrere
2öer!e be§ (Stftgenannten übetfefete et in§ ®eutfct)e, fo namenttief) bie berühmte
„Theoria motuum planetarum et cometarum" (1782). ©eine felbftänbigen
Sltbeiten erfctjienen gtöfetentbeil§ in ben Nova Acta bet ©t.=5petet§butget 5l!abemie,
in 35obe§ aftronomifebem ^ab^rbud) unb in ben äöiener 5ßbbfif. 2lrb. einträchtiger
greunbe; ßrtoäbnung üetbienen batuntet bet füt bie Sßotgefdjicrjte bet etliptifcben
Functionen niebt unmiefetige 3Iuffa^ „liebet bie 9tectification ettiptifebet Sogen
unb übet bie Quabratur fpbätoibifcber S)teietfe", eine 85 jung be§ ^epletfcben
iproblcmS, ein an ba§ Olbet§'}c&e etinnetnbe§, baffelbe an ©ctjätfe unb Äürje
«Pad&el - <Pacf)e[bU®ef)ag. 43
jebocb, ni<f)t erreidjenbes Verfahren jur SBeftimmung einer Äometenbarjn unb
enbtid) bet Vorfdjlag, aus bier gegebenen Dppofitionen bie Vatjn eines Planeten
3U berechnen, b. s£. narjm aucfj tljeU an ber Verausgabe ber ^eüfc^en „ßpfje*
meciben", eines in jener S^ °ie* tierbreiteten aftronomifetjen ßalenbers.
Defterreidjifdjes «panttjeon, 4. SBanb. — De Cadelli, Scriptores Friulani-
Austriaci, ©. 173 ff. — b. 2Bur $aä), 23iograpt)ifcrjes ßejifon bes £aifertb,ums
Oefterreict), 21. S3b. — 9Mbler, ©efcf)itf)te ber #tmmelifunbe, 2. 2Bb. ©. 535.
©ünttjer.
$adjel: ßeonrjarb *p., einer ber jatjlreicrjen beutfcfjen Vucrjbrucfer, toelcEje
balb nadj Srfmbung ber Siutfetfunft in Italien fief) nieberliefjen unb über beren
Bebens» unb ©efcfjäTtsbertjältniffe mir bertjältnifsmäüig roenig erTarjren. ©erfelbe
ftammte aus ^ngotftabt unb trat um 1478 ju 5Jtnitanb in Verbinbung mit Utricf)
ScingenseEer auf. ©egen ßnbe bes 3at)rf)unberts oerfc&minbet ©cinaenjeller,
unb mir finben ^. mit einem SRagifter Joannes be Öignano berbunben, mit
bem er eine Tita St. Nicolai Tolentinatis in italienifdjer Spraye brueft. %m
^nfjre 1511 gibt er allein eine Rhetorica bes ßicero tjeraus, bann t)ört man
nichts mefjr bon itjm. 2lus berfcfjiebenen ©cfjtufefcfjriften feiner ©ruefe fönnen
mir ferjüe^en, bafj er nietjt bermögenb gemefen ift unb oft nur mit -Ipitfe ebel=
benfenber »Utänner, meiere bie Soften bes ©ruefes beftritten, feine Verlagsmerfe
herausgeben tonnte. $. manbte meiftens gotfjifdje Settern an, ein Umftanb, ber
trotj fetner aaljireicrjen Verlagsmerfe, itjm nur ©traben bringen mufjte, bn p
jener $eit fiefc) bie Italiener fdjon metjt ber Slntiquajdjtiit äugemanbt Ratten,
©em geteerten ©tanbe angerjörenb, er nannte ftdj 'iDcagifter, rotrb er fiel) fdjmer
bon ben geroorjnten rjeimifcfjen ©djriTtjeidjen tjaben trennen tonnen, ©ein ©ignet,
bas fiel) nur auf menigen feiner SDrucfe finbet, ift ein Äreu.j mit ©oppelbalfen,
bon melden ber obere gröfjer als ber untere ift, ber tarnen trägt unten jtoei
juriiefgebogene Verlängerungen, ju beiben ©eiten befinben fictj bie Vucfjftaben L. P.
Argelatus. Philippus, bibliotheca scriptorum Mediolanensium etc., 2 voll.
Mediolani 1745. $ altmann.
^ad)ClbI=Ü5eÖ08 :#eintidj(Lcjriftiangfviebrtd)b. [P-*©. roarb als ©orjn
bes. piatj^meibrücfener ©efanbten unb beboltmäcfjtigten «KiniftcrS 3U «Paris, ©eorg
äöitrjelm b. $.=©., am 27. 3uni 1763 in ^roeibrücfm geboren unb ftnrb am
19. Februar 1838 in Verlin. Sie gamitie ^adjetbl flammt aus Vöfjmen unb
ift ein altes egerfetjes «patriciergefcfjledjt, meines in ben £mffiteniriegen nad)
SBunftebel ausmanberte ; einem TOgliebe berfelben, SBoligang $p. öertier) ßatl V.
1528 ben Slbel unb als 2tneriennung feiner ©ienfttreue einen golbenen «pelifan
im blauen gelbe pm äöappen, berfelbe roarb 1530 Vürgermeifter ju SBunfiebel,
besgleic^en fein ©ol)n SÖolf Sllejanber öon 1561 an. 33on feinen äarjlrcictjen
fiinbern 50g 2öolfgang nac^ langen Reifen als ©efanbter bes ftaijetS 1584 nadj
6ger, ber alten |)eimatl) bes ©efd)lecrjts jurütf unb ertearb aufjer länblic^en
iBefi^ungen ein |)aus auf bem Üting. ©ein Sruber 9t(eranber, geb. 1548, ^atte
bereits bas ©ut ©e^ag ertoorben unb beibe SBrüber, bie eifrige Sutljcraner maren,
erhielten bom ^aifer 9iubolf IL, batirt «präg am 19. 3uni 1610, ein ©iplom,
morii4 bas bortge confirmirt unb fie unb itjre @rben mit ber greirjeit, jic^
b. ©erjag nennen ju bürfen, begnabigt würben. 3fn einem ätoeiten, 1619 erfnuften
|>nufe am fting marb 3Baüenftein fpnter ermorbet. äBolfgang ftnrb 1620 mit
^interlaffung eines ©orjnes 3Bolf 5lbnm, ber 1620 feinem Vater als S3ürger=
metfter in (Sger folgte, aber, ba er bie errungene Vefeljrung ßgers jum ^a=
tljolicismui als eifriger »4>tote[tant nidtjt bulben toottte, bom Änifer ^erbinanb
1629 abgefegt unb mit ©equeftruung bei Vermögens berbannt mürbe, fortan
lebte er 5U ©eljag unb Söunfiebct, toofelbft er 1649 als branbenburgifc^er tRatl)
44 s4$adjelbcl.
unb 23ice=£)aubtmann ftarb. ©ein borgenannter Dnfel Sttejanber rourbe 23ürger=
meifter p SBunficbet unb ftarb bafelbft 1629 finberloS. (Hner feiner ©ötme,
SBolf ©abriet, war ©etjeimer ütatf) am marfgräflid)en |)ofe ju Slnfbad) unb
ift als fdjarf finniger (Selefjrter befannt. tiefer gmeig fiai;& *n oer männlichen
fimie 1747 auS. gortgepftanat mürbe baS ©efcfjledjt burd) ßfuiftobf), ben
ätteften ©otm beS oben genannten 2Bolf 9ltejanber. Unter jeinen s)tad)fommen,
bie ftdj meift bem geiftticfjen ©tanbe mibmeten, tritt 3fof)ann $., 1653 in
«Nürnberg geboren, als berühmter Orgelfbielcr unb (Sombonift auf. Sin anberer
mar ©eorg SBilrjelm, bfat^meibrüdener ©efanbter unb beboümädjtigter «fltinifter
in «(JartS; ifjm mürbe auf SJeranlaffung beS «Pfaljgrafen Cnjriftian IV. 1759 ber
urftorünglidje s#bct reftituirt. Neffen ©otm mar ber im Eingang erwähnte
^peinrid) ßrjrifiian griebridj. 6r befudjte üom 9. bis 15. 3af)r baS ©bmnaftum
in groeibrütfen, fobann jWei 3faljre baS afabemifcfje ßrjieljungSinftitut ju (Solmar
im Dber=®lfafe unb ftubirte bou Oftern 1781 bis 1784 auf ben Uniberfitäten
ßnefcen unb ©öttingen. 2tm 23. 2lbrit 1785 mürbe er ^Iffeffor bei ber ljcraog«
lictjen Regierung $u ^fatä=3tt>eibrüdfen, augteid) aud) Äammerjunfer unb 2lttactje
beim ^Departement ber auswärtigen ©efetjäfte. %m ©ebtember 1788 folgte er
einem Stufe ber föniglid) fcfjmebifctjen $rone, trat als «Jtefcrenbar ju ©tralfunb
ein unb mürbe am 21. «ftobember 1789 gtegierungSratr). ^m $. 1810 marb
er jum Äanjler ernannt unb für feine ausgezeichneten SDienfte in ber Verwaltung
beS {jobben «JJoftenS am 26. «JZobember 1810 mit bem sJtorbftern=£)rben unb im
sDcär,$ 1813 mit bem ©rojjfreua beffelben belotjnt. jtacrj bem Uebergang beS
SanbeS an Üßreu^cn machte if)n ^riebrid) 2öiu)elm III. am 17. Januar 1816
3um Ütitter beS sJtotb>n 2Iblcr--£)rbenS jmeiter (Stoffe unb ernannte ifjn am
23. Dctober 1817 jutn (Sfjefbräfibenten ber neu ovganifirten Regierung in
©tralfunb. 9lm 3. «IJtai 1825 trat er in ben «Jtufjeftanb unb lebte fortan mit
litterarifcb/n arbeiten befdjäftigt in 23etlin. ©eine frütjeften fd)riftftet(erifd)en
Stiftungen, meiere 23teberftebt aufjäf)lt, betreffen 2)ermaltung unb 23erfaffung
©d)mebifd)=«pommernS, baS Verfahren beS «Ucarfdjatt ©Qöoujt gegen ifm Imt er
felber in $üf)S unb ©biederS 3eitfdjrift für bie neuefte <5tefd)id)te, 23b. 4, ©tue!
4, ©. 32—38 bargeftettt; foftter überfefete er b. ßunbbtab'S ®efd)id)te ßarl X
bon ©djweben.
23ieberftebt, «Rad)rid)ten u. f. m. 1822 ©. 98/99. — ^ribatmittfieitungen
beS 6nfetS, £>errn $ammerb,erm unb «major a. 5D. b. «ß.=®.
^>äcf ermann.
WjcIM: ^orjann $., geb. am 1. September 1653, f am 3. «Mära
1706 in Nürnberg. SDie «JteidjSftäbte 5Deutfd)lanbS maren eS, meldje neben ben
fürfttidjen .£>öfen borjugSweife bie fünfte, inSbefonbere bie £ontunft förberten
unb unterftü^ten unb fo begegnen mir benn in ber beutfcfyen 9Jtufifgefct)icr)te
bieten tarnen, bereu Präger itjnen entflammten ober bod) einen fegenSreictjen
SBirfungSfreiS in Urnen fanben. 2Bie in früherer 3e^ Augsburg unb Nürnberg
burdj itjren Äunftfinn b^erborragten, fo bis in unfere Sage granffurt a. 5Jt.,
Hamburg, 23remen. 9tun maren eS jmar nietjt immer bie gtänjenbften 6rfd;ein=
ungen ib^rer $tit, bie Ijier eine befd>eibene, ttjätige, im Verfeb^r mit -gjanbmerfern
einfad) bürgerlictje @i-iften3 frifteten, mol aber maren eS ferjr tjäufig fotdjj;, bie
rafttoS lehrten, fammelten, fidjteten unb baburd} nid)t feiten ju ben nadjtjaltigften
unb frud}tbringenbften ütefultaten unb ju einem meittjinauS beften .fi'lang beb^aub=
tenben Flamen gelangten. SDer größte biefer in ftäbüfdjen S)ienften fteb.enben
^Jtufifer mar ©eb. 23ad); il)m aber reirjen fid) biele an, bie burd§ tt)re 2öer!e
unb ib^re ^unftübung Imd>berüf)mt unb feb^r einflußreich mürben. Unter ben
letzteren nimmt ty., ber angefetjene unb „beftberbiente" Drganift bei ©t. ©ebalb
in Nürnberg, ein ftreunb 3). Sujtel)ubeS in ßübeef (f. 31. ©. 23. III, 667) unb mit
5ßarf)eibel. 45
it)m einer ber T6earf)ten§ioevtt)cften Vorgänger beS unerreichten leipziger £f)oma3=
cantorS, eine erjrenöolle unb tjerporragcnbe ©teile ein. Gr ertjielt eine grünblidje
roiffenfdjaftticrje Ghzierjung, machte ba§ ßaurenzer ©rjmnafium burd), unb rourbe,
ba er grofje Suft zur 9!Jtuftf Perfpüren liejj, toon bem bamaligen ©t. ©ebatbex
©djulcollegen, $. ©djroemmex (1621—96), einem ©djüter %. SraSmuS $inber=
mannS, Drganift au ©t. Siegibt (f. 31. ©. SS. XV, 762), auf »ergebenen 3nftru=
menten, namentlich) bem Glaüier unterrichtet, ©djroemmer zählte zu ben geachteten
SEonfetjern beS 17. ^atvrfmnbertS unb mar befonberS als Serjxex ausgezeichnet,
benu auftex «p. roaren N. ©eint, %. Krieger, 3. ©abr. ©ctjürj, War. 3eibler
u. a., atte bebeutenbe Nürnberger Iftufifbirectoren, Organiften, Gomponiften unb
^nftrumentiften [eine ©djolaren. 3lud) baS ift bezeidjnenb füt bieS reidjSftäbtifdie
9Nufifleben, bafj man bei ben Slnftellungen jaft immer bie ©tabtünber beborzugte,
fo bafj in geroiffen Familien bie 9Jtuftfübung fid) fortpflanzen unb man roirflid)
bon Sonfctmlen mit beftimmt ausgeprägtem Gtjaxaftex fpredjen fonnte. Nament=
lidj tagen nact) btefer Nidjtung in Nürnberg bie SSertjältniffe günftiger als irgenb
fonft reo. 5Die altberüfjmte, roeitauSgebetjnte NeidjSftabt zäfjtte biete Äirdjen unb
ta in allen proteftantifdjer ©otteSbienft ftattfanb, fo mar für jebe berfelben ein
befouberer Drganift unb ein ßantor, für bie gröfjem aud) ein ^Jcufifbirectox
nöttjig. 2)ie Karriere für bie beftqualtficixten ^Dlufifer begann in ber Neget in
ber SöalbuxgS*, ©pitatS=, % ©eiftS=, Jacobs*, ^ftouenfirerje; angefetjenere' ©tel=
lungen boten bie 2legibien= unb Sorenzerfirdje ; bie einftufjreicrjfte bie ©ebalber=
firdje. Nun roaren ^roar bie meiften biefer Seamtungen nur fet)r gering bejatjtt,
ja oft roaren eS erjrfame |)anbrDerfer, roeldje fie berfatjen, roaS übrigens in einer
©tabt, in ber bie «Uteifierfingex fo lange fid) in 9lnfer)en erhielten, nidjt über=
xafdjen barf. SIber eine geroiffe ©idjerung ber (Sxjftenj unb bie mit allen biefen
Stellungen berbunbenen freien SlmtSroorjnungen feffelten immer tüdjtige Gräfte,
benen jubem mit ben Saljren ein 23orrüden in SluSfidjt ftanb, an bie Jpeimat.
23iS ju ben üEagen ^ßadjelbelS fönnen mir eine ftattlici)e Neitje tjodjangeferjener
Namen, allen boran bie bxet ©ötme beS auS 23öt)men eingeroanberten $nftru=
mentiften 3faac £aSler, £an8 fieo (1564 — 1612), ^acob unb GaSpar (t 1618)
anführen. Nur ber letztere berfelben blieb in Nürnberg unb pflanzte ba fein
©efd)led)t fort. — Nad) ber Qnnfütjrung ber Neformation tritt unS junädjft
©eb. £>et)ben (1493 — 1561), Nectox bei ©t. ©ebalb, entgegen. SDann ber als
Gapellmeifiex in granffutt a. 2Jt. beworbene 3. 21. #erbft (1588—1660).
©ein 3enÖenoile toar 3- ©taben (1579 — 1634), anfangs fürfttid) branbenbur=
gifd)er £)oforganift in 23ab,reutt), feit 1620 Organift bei ©t. ©ebalb. ©ein ©ofjn
©iegm. ©ottl. (£l)eopt)iluS) ©taben (1607—55), ber Gomponift beS erften
beutfetjen ©ingfpielS „©eeleroig", rourbe fein 9lmt§nad)fotger. ©effen Soüegen
an ben übrigen ^ird)en roaren S5at. S)re^el, 6a§p. Neumeier, Nie. SDeinl, 5Daöib
©djäblidi unb 3- 93en. <^a§ler. @§ folgen nun $. 6ra§. ßinbermann, Jp. ©d)roem=
mex, «p. ' ^cinlein (1620—86), ®. 6a§p. SBeber (1632—95), 91 Ib. 3Jtatt.
ßun^enbörfer, ^. Söhnet (1645—1705), % «Dlart. Nubert (geb. 1615, ftarb
als Organift in ©tralfunb 1676) u. a.
Nac^bem $., beöox ex Nüxnbexg füx lange 3«U pexlie^, noct) bie 33orlefungen
im Auditorio Aegidiano fleißig befudjt Ijatte, be^og ex bie Uniüerfität 3U 2llt=
borf, al§ angeljenber ©tubio bereits zugteid) ben Drganiftenbienft bafetbft öer=
fetjenb. ©eine finanziellen Mittel fdjeinen jebodt) nicfjt auSreidjenb geroefen zu
fein, it)m längeren 9lufentt)alt tjiex zu ermöglichen, roeStjalb er fd)on nad) neun
Monaten nad) NegeuSburg überfiebelte, roo man itm in 2lnfel)ung feiner t)er=
Porragenben dapacitäten, als überzähligen 3llumnuS gerne in baS bortige
Gymnasium poeticum aufnahm. SDxei ^at)re toeilte ex l)ier, neben toiffenfct)aft=
liefen ©tubien eifrigft bie Unterroeifung beS angefetjenen, fid§ momentan t)ier
46 üßacfjelbel.
aufrjaltenben Gontrapunctifien *Prentj benutjenb. 3fn jeber Jg>infi(^t Wot)l borbe=
rettet ergriff er etne§ S£ageS eine fiel) itjm btetenbc ©etegencjeit, auf ber üDonau
nacr) SBten rjinabjufarjreii. Salb warb it)m tjier bie IJluSjeicrjnung, als beS
berühmten §oforganiften $. ßeopolbS L, 3. ßaSpar ÄerH (21. ©. SS. XV, 628,
Scrjüter 23atentim'S in SBien unb ßariffimi'S unb greScobalbi'S in 9tom) ©etjilfe
unb ©teilt) ertreter bei St. Steptjan angefteltt ju werben. S£)er Umgang mit
biefem größten beutfdjen 9ftufifer bot it)m aufs neue befte ©elegentjeit, fiel) als
Drgetfpieter wie als Xonfe^er ju berbotltommnen. ^m $. 1675 ertjielt er
unter fefjr annehmbaren Sebingungcn einen 9tuf als Drganift beS ^erjogS
3or). (Seorg bon Sadjfen naä) (Jifenaät). 5Doä) ferjeinen fiel) im Verlaufe ber
näctjften 3faf)", inSbefonbere nacr) bem -gunferjeiben beS ^>erj. Serntjarb bon
$ena, bie mufitatifetjen 33ert}ältniffe nid)t wünfctjenSWertt) geftaltet ^u fabelt,
weStjalb $. nact) brei Satjren biefe Stellung mit einer ärjnlidjett an ber ^ßrebiger=
firerje in (Sirfurt, in welcher Stabt er nun jWölf Satire „ju jebermannS Vergnügen
töbtict) Wattete", bertaufdjte. ^ier berrjeirattjete er fid) mit ber Zodjttx beS
StabtmajorS ©abier; bann als er feine ^a'ciu unb feinen einzigen Sotm burd)
ben ü£ob berloren tjatte, mit ber SLocijter beS ÄupferfctjmiebS £rummert, bie it)m
fieben Äinber (fünf Sötme unb jmei ütödjter) gebar, wclcfje alle ben SSater
überlebten. Sößie in Sifenad) entließ man tt)n auet) in Gsrfurt nur fetjr ungern,
als er 1690 einem $ufe ber berwitweten ^er^ogin 9Jcagbalena Srjbitta bon
Söürtemberg, in beren 1)ienften einft auä) ber beiürjmte groberger geftanben
t)atte, als ^ofmufifer unb Drganift nacr) Stuttgart folgte. 5)can rühmte bon
(Srfurt auS nicfjt nur fein mufifalifcrjeS (Sefdjicf, fonbern aud) fein „treu=auf=
ricrjtigeS ©emüte unb feine burcr) Seben unb SBanbet betätigte ©otteSfurcrjt,
Qfyx= unb 9teblid)feit". Seibct mar feines SBtcibenS in Stuttgart nicfjt lange.
Sct)on einmal, im $• 1688, Waren bie $ranjofen unter bem 'üJtorbbrenner
^Jtelac in Söürtemberg eingefallen unb rjatten unter ^erjffonnet Stuttgart geftürmt
unb brei ütage lang geplünbert. 1692 fetjrten fie jurücf. 2öaS fliegen tonnte,
flot). SBicle ber aurüctgebliebenen Semotjner mürben bon ben übermütigen
Siegern beqagt, unter itjnen aud) ^3., ber nun mit grau unb Äinbern unb ofme
^ilfe unb llnterftüiuing in bem bom Kriege fcrjWertjeimgefucrjten Sanbe Wodjen*
lang umherirrte. ,,S)ocr) tjalf it)m (Bott balb toieber." S)ie ^eqogin, feine
guten Qualitäten taut anerfennenb, cjatte it)n auf feine Sitten am 1. Dctcber
1692 aus itjrem SDienfte enttaffen. sHim 8. 5cobember fetjon mürbe er jum
Drganiften in ©ottja ernannt. Unmittelbar barauf, am 2. 2)ecember erhielt er
auet) einen 9luf nacr) Djforb, bec fpäter mieberljolt mürbe; aber ^J. lehnte
beibemate, fetner jatjtreicfjen Familie megen, ab, il)m ^u folgen. (Jbenforoenig
war er 31t bewegen, wieber nacr) Stuttgart, bon wo bringenbe ©inlabungen ^ur
3rüclfel)r eintrafen, jurücljufeljren. 311S in Nürnberg 1695 ber Drganift bei
St. Sebalb, ©. ©afp. Söecfer, ftarb unb man itjm, ber fict) einen etjrenbotten
Äünftterruf in feinen bisherigen Sebienftungen gegrünbet rjatte, biefe Stelle anbot,
übernahm er fie freubig, nur um in feiner lieben Saterftabt wieber leben unb Wirten
3U fönnen. „W\t weterjem 9Utt)mc er biefem 9lmte borftanb, ift faft Wettfunbig.
dr äuerft fjat in S)eutfd)tanb bie Duberturenart auf bem Gttabier eingeführt unb
bie Äircrjenmufif: boUlominener gemaetjt."
Sdjon im 16. ^at)rt)unbert begegnen wir einer grofjen Qctfjl tüchtiger
Drganiften, nicfjt nur in 5Deutfcr)lanb, aucl) in Italien, ben sJtteberlanben unb in
granfreief). ®ie Drget War baS ßoncertinftrument biefer 3eit; boer) t)at man
fid) bie Drganiften, bie im ©egenfatj 3U anbern Smftrumentiften, ben Spielern
bon Saiten= unb 23la§inftrumenten, fo genannt würben, attet) immer als trefflicfje
Stabierfpieler jju benlen. 6iner ber auSgejeicljnetften Drganiften, ein Sctjüler
ber Senetianer ®iof. 3artino unb 5lnbr. ©abrieli, 3. $. Sweelind (1560—1621)
tnirfte in Slmfterbam; in 9tom genofj ber Dvganift an ber ^eteräfirche, ©irot.
gre§cobalbi (1587—1640), ein ©chüter gr. 9Jtttteöitte8, eines meitberbreiteten
Ütufe§. ©ein bebeutenbfter ©chüter mar ber berühmte $• 3. groberger (ftarb
1667). 9lu§ ©meelincfä ©chule ftammte, aufjer bieten anbern angelesenen
Mnfttern, ber Sßatet be§ beutfcrjen broteftantifdjen DrgelfbielS, ©am. ©cheibt
in .gmüe (1587 — 1654). auf beffen ©chuttern lieber SBujtebube unb % unb
bie meiften ber aa^treictjen Drganiften be§ 17. $at)rl)unbrrt§ fielen. 5]3. mar
einer ber erfien Gomboniften, toelc^e bie ©ctjranfen ber alten 2onlet)re, bie fo
lange baä ©chaffen Trüberer 9Jteifier beengt Ratten, burctjbracfjen. 6r bebiente
fidj faft au*nabm§lo§ ber mobemen 2)ur= nnb 93tollgefdjtecbte. ©eine SrjätigEett
unb fein 33orgeben eifdjeinen ferner be§megen fo roicbttg, toeil er bie muftfaltfdjen
formen erweiterte, bebeutfamere, burch innere ©efcbtoffentjeit unb dmrafterifiifctje
Färbung fich au§jeicl)nenbe £r)emen erfanb, beren £>urd)fürjrung er berftänbig unb
blanmäfjig ju grupbiren, ju gltebern unb ,ju entroicfetn ttmfjte unb meit er nament=
lief) feinen (Eboralborfbieten eine ibeettere 23ebeutung, al§ man biäber gemobnt mar,
3u geben bermocrjte. ©eine (Stjorcombofittonen finb bei aller grifetje unb £ieb=
licbjeit boeb, roürbtg unb nicht feiten bon großer unb glänjenber SBirfung, babei
immer metobifdj unb fangbar. 1Da§ ©rtjabene unb kräftige gelingt tbm ebenfo,
toie ba§ Qaxk unb «^eitere. 2)urcb alle feine ©efänge roetjt ein (Seift be§ Söotil«
tooHen§, ein Stebreiche§; jubem erfüllt fie bie anmutfjenbfie ^annigfaltigfeit. £)a§
©efangmäfjige offenbart ftch felbft in feinen Orgelftücfen, bie nicht mie bei anbern
Sonfefeern, bamalä bom Örgetmäfjigen , beute bom Glabiermä&igen beeinflußt
mürben unb finb. 5ß. berfctjieb 11 $ab,re nacb feinem testen 2lmt§antritte
unter bem leifen ©ingen feines SiebtingStiebeS : „<£)err 3efu ßrjrift, mein§ £eben§
ßidjt". Unter feinen $inbem tt)at fiel) feine ättefte Socfjter „eine fonberbar=
fünftlidje Jungfer, auf meldje er ein 9lnfebnlicf)c§ mit aller ßuft gewanbt unb
bie ibn mit iljren fettenen äßiffenfcfjaften felrc ergötjte", tjerbor; ebenfo ^eidmete
fich fein ältefter ©obn, bon bem nadjber noct) bie 9tebe fein mirb, aU tüchtiger
©rgetfbieler auS. — ^n neuefter $eit mürben biete bon ^aerjetbetä bisher uu=
gebrueft unb unbefannt gebliebenen £)rgel= unb ©efangeombofitionen in berfcbje*
benen ©ammelmerfen (fiebe £b. 33u§bö, 2lEg. ©efebiebte ber Wtufif, S. 1821;
gr. Sommer, Musica sacra, 33b. I unb III, 23erl.; $. gifchboj, Gtaff. ©tubien
für *ßianoforte, Sßien; ©. 20. Körner, ber OtgetbirtuoS, (Srfurt; g- Siegel,
Praxis Organoedi in Ecclesia, 23rijen ; ©chtefinger, Anthologie classique ; £raut=
mein, Collection de morceaux classiques et modernes; (L bon SöinterfelD, ber
ebangetifebe Ätrchengefang, 23b. II, 8. 1845 u. f. m.) beröffentüctjt. 3« feinen
ßebjeiten erfebienen : 1) in ben Sagen, ba in (Erfurt eine anftedenbe ©euebe
biele 3Jtenfcben binraffte (barunter auch üßachelbels grau unb ©ot)n): ,,^ufi=
fatifebe ©terben§=©ebanfen" au§ 4 bariirten 6borälen beftebenb, für Glabier,
Erfurt 1683; 2) „^Jiufifalifche ©rgefeung", au§ 6 berftimmten Partien bon
2 33iolinen unb ©.=33. (©eneralbafi), 9atürnb. 1691; 3) „ßboräle jum $räambu=
liren", acht an ber 3a^- s^ürnb. 1693; 4) Hexachordum Apollinis sex arias
exhihens organo pneumatico, vel clavato cymbalo, modulandas, quarum singulis
suae sunt subjeetae variationes, philomusorum in gratiam adornatum. Studio
ac industria: Ioannis Pachelbel Xurembergensis, in aede patriae Sebaldina
organoedi. 1699 (ba§ Titelblatt ift bon 6orn. 9tic. ©ebur^ geftoeben. S)a3
44 ©. umfaffenbe SBerfchen ift „benen 3Bol ßblen, unb b ortreff lieben Ferren,
^>r. gerb. £ob. Siebter, ^brer Ä. ^. 5Rajeft. beft=meritirtem ^of= unb 6ammer=
Organiften. Unb |). S)ietr. SSui'tebube, ber ,g)aubt=$irche ju ©t. lilarien, in
Sübecl, beft=meritirtem Drganiften unb Directori Musices. 33eiben 2Beltberübm=
ten Musicis, feinen <£oc£ge(5:brteften ^erren unb ^ochmertbeften ©önnern" bebicht).
günf 4 ober Stactige Strien merben bier je 6 mal bariirt. 91ur bie lebte Aria
48 $ad)ctbel.
Sebaldina tjat 12 ladt unb 8 33artationen. 2Iuö bem für geübte ©pieler
beftimmten, im galanten ©tue gefdjriebenen unb mit üppigem ^tguvenroeif,
roie er eS liebte, auSgeftatteten <£efte fann man ben ©tanb ber gteidjjeitigen
(Slabiertedmif über^eugenb erfennen. $rgenbtoelcrjen mufitalifdjen SSertrj ober
tieferen ©efjatt tjaben bie tjter gebotenen ütonfätje jebod) nierjt. — @in beacrjtcus*
mertfjeS l)anbfd)rifttid)eS 2öerf *pad)etbelS befi^t bie grofjrj. 33ibliotf)ef in
Sßeimar : „^abntatuibud) geiftlidjer ©efänge D. Martini Lutheri, unb anberer
gottfeliger s}Mnner, fambt beigefügten ßfjoralfugeu, burdjS gan|e 3iarjr. bitten
Siebrjabern beS (SlabiereS componiert." 1704. 33on ben 274 ^Jlelobien biefeS
9ttanufcripteS finb jebod) nur 160 bon ty. felbft bearbeitet. (Sine 2luSgabe
feiner fämmtlicrjen Drgelcompofitionen rjat f. 3- ©• 20- Äörner in ©rfurt be-
gonnen. (5S mujj tjier nod) bemerft werben, bafj $. ber muttjmafjlidjc ©änger
ber beliebten (vrjoralmetobien : „2öaS ©ott trjut, baS ift tnolgettjan", unb „2Bo
foll id) flietjen tjin" fein bürfte. — 2Bitr)e(m £ieront)muS ty., ältefter
©otjn beS ^oljann $., geb. um 1685 in Erfurt, f als SlmtSnacrjfoIger feines
s-8aterS (?) in Nürnberg, mar aud) beffen Gompo[itionS= unb ßtabierfdjüler.
@r erhielt perft bie Drganiftenftette in ber Diürnbergfdjen 33orftabt 2öörjrb unb,
jur großen 3h-'eu°c oc§ [terbenben SJaterS, einen £ag bor beffen £obe, bie bei
6t. $acob in Nürnberg. 93on feinen Sompofitionen ecfdjienen: „lühififatifdjeS
iöerguügen" befterjenb in einem Praeludio, Fuga unb Fantasia (in C) forool auf
bie Orgel als aud) auf baS (Stabter, ben ßiebtjabem ber 9Jtufif borgefteüt unb
componirt." sJlürnb. 1725. Unb „Fuga in F dur fürS ßlabter." ©benba.
9llte feine übrigen Stonfätje fd)einen 9ftanufcript geblieben ju fein, bis auf einige
£)rgelftüde, 3. 33. eine $uge in h, roeld)e in ben legten ^aljr^etjnten ©. 20.
Körner in (Erfurt beröffentlicfjt t)at. ©d)letterer.
^Odjdbel: Söolf 3lbam $. b. ©erjag, geb. 1599, f 1649. — ©er
©otm eineä ber reidjften unb angefet)enftcn s43atriciergefdjled)ter ber bormalS
beutfdjen 9teid)Sftabt @ger, erfdjien SBolf Slbam $. fd)ou bon ©eburt berufen,
in ber bebeutfamften @pod)e ber fo roedjfeltootten ©efd)id)te feiner SJaterftabt unb
ÜjreS au§gebetjnten ©tabtgebieteS eine tjerborragenbe Stolle 31t fpielen. ©ie beften
Slaturanlagen, gemedt unb geförbert bon einer trefflidjen (Sraietjung ; eine glür)cnbe,
merfttjätige Üieloe jur Heimat unb ^ur ftrcirjeit, roie pm ebangelifctjen ©tauben:
bie fd)önften 33ürgertugenben einer angeblid) „guten alten" ^eit üermodjteu
gtcidjroob.l nid)t bie ©turmftutt) aufhalten , unter beren melterfd)ütternber
93ranbung bie potitifcr)e, nationale unb confeffionette ©elbftänbigfeit einer großen
beutferjen ©emeinbe ju ©runbe ging unb itjre ^ütjrer aEe nadj tjartem, ber=
3tt)eifeltem Söiberftanbe mit fieft begrub.
9113 ©tammbater be§ ©efdjlcd)te§ 5]3. (eigentlicr) „53ad)elbel") gilt ein
freier beutfdjer Sauer biefeS 'iJlamenS im 2)orfe Ofd^roiü bei 3Xr3berg=©d)irnbing im
©gerer 2Beid)bilb. ®r wirb urfunbtid) jum erften W.aU im ^atjre 1390 ge=
nannt. S)er 33ad), an bem baS @cr)öftc beS jungen „ßlbel" (munbartlid) für
„9llbred)t") gelegen toar, gab ot)ne gtoeifel bem 93efi^er unb feiner Familie bie
tegeUedtjte 2aufe, bie freilid) nid^t üerfjüten tonnte, ba^ bie urfprünglidje unb
aud) fpäter nod) fer)r tjäufige gorm „^öactjelbel" nad) unb nad) bleibenb in
„^adjetbel" umgcmanbelt tourbe. (Sic formen „$actjf)ätbel u. bergt, finb nad)=
roeiSbar uncorrect.) 6in ^>an§ ty. lebte bor 1440 bereits in (Sger unb erroarb
liegenben ©runb bafelbft. Ulrid), fein ©oljn, rourbe in ben^a^'en 1473—1516
roteberrjolt in ben „äußeren 9tatt)" ber ©tabt geroätjlt, jebodj mttllntcrbredjungen,
ba er roärjrenb biefer ^cit öfter im benachbarten SBunfiebel üerroeitte, mofclbft
er ftdj aud) mit gattjarina grie^ner bermätjlte. ©er ältefte ©ol)n biefer (iürje,
äßolfgang, blieb in SBunftebel unb mürbe bort 23ürgermeifter. SDrei jüngere
©öt)ne, ^JliflaS, ©eorg unb ^ofjann, berroatteten baS bäterlicrje ©ut in @ger;
^adjclbcl. 49
bereit 23rüber Stnbreas unb Stomas wanbteu ficf) bem geiftlicf)en ©tanbe 311
unb gingen nadj dtom, mäfvrenb (£rasmu§ als „9Jlagifter" in Seip^ig lebte.
33on Ulridjs aafjlreidjer sJ{ad)fommenfcr)ait rjintextiefe nux äöolfgang einen männ=
lidjen färben, 2llej:anber, ber aber feinen äöofmfiij nicfjt in Gger nat)m, wie benn
nacfj (Seorg's £obe im %at)xe 1530 bie gamilie $. für einen Zeitraum Don
fünfzig $afjren gän^lid) aus (£ger üerfcrjmunben 31t fein fdjien. 35is baljin fjatte
aud) fdjon ein faifertidjies 5Diplom, d. d. ©perjer, 23. %uü 1528, ber gamilie
5ß. einen SBappcnbrief berlierjen, at§ beffen „JHeinob" in blauem ober la^ur=
farbenem ©ctjtlbe „ein gelb= ober golbfaibener ^}cLifan mit aufgetfjanen ö^ügen"
figurirte, „metcrjer mit bem ©djnabel bie 23ruft eröffnet; auf bem ©d)ilb ein
©tecrjrjelm, beiberfeit§ mit gelber ober blauer £)elmbetfen, barauf abermals ein
gelber 5petifan, toie im ©djilb."
Sxft $Ile;canber's ältefter ©otm, Sßolf gang IL, fe'fjrte nad) Dielen großen
Steifen unb manigfactjen (Srlebniffen in SEienften Gürarjerjog Äarl's Don ©tetei«
mar! unb ber Äaifer 9Jtarjmilian unb Dtubolf IL nadj @ger aurüd. 6r felbft
bertdjtet, bafj er feine ^ugenb „in ^ifpania, ^tatia, ©aHia, dngetanb, 9iteber=
lanb unb anberen metjr fremben Nationen um Erlernung ber Sprachen, freien
fünfte unb ehrbaren löblichen 2ugenben jugebradjt" unb alebann an ©rä^er^og
StaxVZ £>of gebogen, ber itjn „in bero ©efdjäften nadj granheidj berfdjidt", too=
felbft er bie itjm aufgetragenen SBeferjte „^u ^tjrer ^ürftt.. 5Durdjlaudjt gnä=
bigftem Gontento üerudjtet." hierauf, erjärjlt Söolfgang meiter, fei er mit
i?aifer 33lajimilian'§ IL ©efanbten, £>ane Äotoenal, Otitter bes 5Deutfdjen Drbens
unb (Sr^eräog $arl's (5>ef)etmem dtatt)e, nadj tyoUn unb enblitt) mit bem faifer=
lidjen Örator griebrid) Don 33reuner nadj JYonftantinopel gegangen , wo er
„üor einen etlidjer ©pradjen funbigen Agenten im ©^reiben, ßoneipiren unb
SEransferiren Dieter geheimen ©adjen gebraucht" mürbe. „2lls aber gemelbier
^perr Drator SSreuner ju $onftantinopet üEobes berfcrjieben, ljabe id} midj gen
$erufalem begeben unb nad) foldjer meiner gtüdlicfjen SBieberfunft in 2)eutfdj=
lanb in $tjrer faiferl. 9-ftajefiät ©tabt @ger niebergetaffen." 6s mar im
Sfafjw 1584.
©tabt unb Jheis (Jger ober „ba§ ©geilanb" , Dormats im S3efi^e ber
33abenberger=2lmerbater, bann ber SJorjburger, feit 1149 ein <£ausgut beripo§en=
ftaufen, mar unter ben legten ßaifern biefes Kaufes unmittelbares Oteidjslanb
gemorben. 9loct) bei Sebjeiten Äonrabin's im Safjre 1266 burdj Ottofar IL üon
23öfjmen in SBefitj genommen, feboerj im Kriege mit 9iubolf üon ^abeburg an
bas Üteid) jurüdgegeben, mar es üon 1279—1291 unb üon 1301 — 1315 mieber
unmittelbares üieicfjslanb, bi§ e§ im ^a^re 1315 ßubmig Don Saiem an ben
j?önig Don 5Bö^men üerpfänbete. ©eitbem mar bas Gügerlanb mit 23öb,men, „je=
bod) nid)t mit bem ©taate , fonbern mit ber Ärone Don 23öl)men", Derbunben
gemefen , „mit aEen ^erritorialredjten unb bem Sßorbetjalt ber Üteicrjs^o^eit",
gleidjmie bie ©raffdjaft ©la^ unb anbere ßänbergebiete. W\t ängftlidjer ©org=
falt tjatten bie SBürger üon @ger irjre ^rei^eiten feberjeit gema^rt unb fo aud)
„alle Könige unb Äaifer bas gefd^toffene Territorium bes ©gerlanbes, feine
ftaatsied)tlid)e ©teüung, foroie bie befonberen 9ved)te ber ©tabt unb bes Sanbes
üon Sger in s]ftajeftät§briefen anertannt." Dtidjtsbeftomeniger mar bie 2tusfidjt
auf eine Sßiebereinlöfung @ger'3 jum 9teid)e immer meljr gefdjmunben , jumat
feitbem bie beutfdjen Äaifer jugleid) Könige üon 33öt)men waren. @§ fehlte
barum nidjt an mand)erlei SSerfucrjen, ©ger in ein engere§ 33er^ältni| ^u Sötjmen
ju bringen unb Don ben böfjmifdjen Sanbtagsfdjlüffen abhängig ^u maerjen als
ein ber ^rone ^ßötjmen „auf emig Derfe^tes ^jinb." 2) er ©emeinbe ben alten
reidjsftäbtifdjen (Srjarafter ju matjren, galt bemgemä^ al§ bie üoräügtid)e 2luf=
SUtgem. beutfd&e Sötograttiie. XXV. 4
50 Sßadjelbel.
gäbe ber (Sgerer ©tabtbertretung, in roelctje Söolfgang ty. atSbatb berufen tourbe,
um fd)on im 3a£)te 1600 junt Sürgermeifter getoäfjtt 3U roerben, nad)bem er
jujei ^atjre 3Ubor burd) bie -gieiratf) mit Urfula, ber ü£od)ter be§ SSürgermeifter§
%xan] Runder bon Oberfuureut, 3U ben bornerjmften Familien ber ©tabt unb
be§ £anbe§ (Sger in bie engfien SBeaierjungen getreten mar.
■Kod) mar bie gemiffentjafte SSatjrung be§ ftäbtifd)en ^ntereffeg atterbingS
botlfommen bereinbar mit bem fd)utbigen ©etjorfam gegen hm 8anbe§f)errn,
roenn btefer, mie $aifer gtubotf II., bie berbrieften Sfcedjte ber ©tabt unb Sanb*
f c^af t unangetaftet lief}. @§ tonnte unb burfte barjer Söotfgang $. in einer
Eingabe bom $at)re 1610 an biefen sDtonard)en mit ©enugrtjuung betonen:
„2ttiba (ju (£ger) bin icfj in ben 9tatt)§ftut)I gebogen unb bor aetjn ^afjren jum
SBürgermeifteramt beförbert toorben, barin id) bi§ bato berfjarre unb mid) in ge=
meiner ©tabt unb Äreifeä (Sger fürgefaltenen angelegenen ©adjen ftet§ unber-
broffen, müfjfamltd) in biet äöege gebrauchen laffen, fürnerjmlid) aber (Surer
93tajeftät primati ^ntereffe unb bie attetgnäbigft begehrte Kontribution treutid)
unb fleifjig beförbert unb atfo (Surer ^Jtajeftät unb bem I)od)löbtid)en £>aufe
öefterreid) über bierjig ^fatjre alle treue, emfige unb unberbroffene SDienfte ge=
leiftet." (Sr fjätte mit gutem ©runb nod) cjinjufügen tonnen, bajj, at§ bor
lutjjer 3eit (im ^rütjiafrc 1608) bie börjmifdjen ©tänbe jum ©cfjutje icjteä
^önig§ gegen (Stjrjerjog s3Jlattt)ia§ rüfteten, aud) bie (Sgerer fofort babei maren,
bem bebrängten SanbeSrjerm Ärieg§t)itfe ju teiften, nic|t otjne eifriges 3utfjun
ttjreä 23ürgermeifter§ 2öolfgang *ß. (Sin faiferlidjer ©nabenbrief d. d. -präg,
19. Sfuni 1610, ertfjeüte ifjm unb bem ©orjnc feinet bereits beworbenen 23ru=
ber§ <£>an§, namens SUcjanber, baä 9led)t, fid) „bon ©erjag" (einem 2)orf unb
gtttterfitj bei (Sger, al§ (Sigentrjum ber gamitie $.) 3U nennen unb 3U fdjreiben,
unb „berbefferte" 3ugleid) bereu ©efd)led)t§mappen in ber SBeife, bafj ber ©ted)=
tjetm über bem Söappenfdjitbe „in einen freien abetigen gefrönten 2mtnitrjelm
beränbert, gejiett" u. f. to. mürbe.
2)iefe§ SDiptom empfing SBolfgang $. perfönlid) in ^rag, toofetbft er at§
3lbgefanbter be§ Greifes (Sget in einer für bie bamalS ftteng lutrjettfdje 9titter=
fdjaft unb ©tabtgemeinbe biefe§ Greifes rjocfjroidjtigen 9Jtiffion betmeitte. (S§
galt, bei bem $aifet unb ben bö^mifctjen ©tänben, benen ber betannte 9Jtaieftät§=
brief bom 9. ^uti 1609 botte 9Migion§freirjeit getoätjrt t)atte , aucr) für ba§
©gertanb bie gteiclje SBürgfctmft ju erlangen. S)ie böljmifcrjen ©tänbe aber
backten, bie ©elegenljeit 3U nü^en, um @ger jum böttigen ?lnfct)lu| an S55t)rnen
ju nöttjtgen. Saju berftanb fiel) ber beutfetje SSürger unter feiner Sebingung.
Unb fo blieb feine ©efanbtfcfjaft ofjne ben getoünfe^ten Srfolg, obmotjl er im
näcrjften ^aljre mieber nact) ^rag fam unb ba§ Stilliegen ber ©einen ben 2öort=
füfjrern ber ©täube einbringlictj au§einanberfe|te unb einer berfelben, ber greife
äBubotoefe bon SSuboma, gegen ben (SJrafen ^einrict) Wl. Xljurn erflärte : „mir
müßten ©ct)elme unb tofe S3öfemictjter fein , menn mir itjnen folctje crjriftlicrje
SSitte berfagen foulten." — ©ie mürbe berfagt; bie ©gerer betjarrten auf ifjrer
potitiferjen ©teüung, ber feften Ueber^eugung: ein§ mit bem „9teict)e" jebtoeber
©efaljr, aud) für ben ebangetifdjen ©tauben, gemact)fen 3u fein. 3)arum begnügte
man fidj nid)t, al§ s)Jtattljia§ ^önig bon Söfjmen gemorben mar, mit ber 33e=
ftätigung ber alten (Sgerlänber ^ribttegien feitenS ber bötjmtfcfien ^»offan^lei,
fonbern fucrjte unb ermirfte benn aud) bie gleidje Konfirmation bei ber 9teid)§=
rjoffauälei, benn 5)3ribilegien beö „9teid)e§" fonnte ein böt)mifd)er .^önig füglidj
nid)t red)t§fräftig beftätigen. S)ie ©efafjren aber mud)fen bon 3arjr 3U Saljr
für ©tabt unb ßanb. ' S)er ^rager ^enfterftura gab ba§ 3e^en 3U attgemeiner
Gürrjebung in 33öb^men. @ger mar flug genug, lange 3eit eine ref erbitte Haltung
ehiäunefjmen, moäu gemi^ bet alternbe, bebäcljtige äBolfgang 5ß. mefentlid) T6ci=
^aüjelbä. 51
trug. Sßerfjeifjungen unb Störungen, mit roetdjien bie fraget ©tänbe nidjt
fparten, betmodjten irjn nicfjt 3U einem übereilten Scfjritt au btängen. 2>od)
fonnte et nicfjt fjiubern, bajj, aU ?}riebricfj öon ber %^al], ber ©cgenfönig, am
feinem Grinjuge in SBöfjtnen bm Söeg nadj Gger nafjm, eine ftäbtifcrje £epu=
tation benfetben ieietlid) einholte. Gin falbes %afyx fpäter teiftete Crger ju 5ßrag
bie begehrte ^ulbigung — otjne 3ul^mTnun9 SöotTgang'g, ber für} 3Uöor, am
3. 2Ipril 1620, im Sitter öon 75 ^afjrcn geftorben mar. ©einer glürftidjen
@f)e mit llrfuta bon Runder entftammten bie Söfme SBoIf 2Ibam unb 9tteranber,
benen er aufeer einem motjnticfjen ^atricierrjaujc (9hc. 3), neben bem Stamnt=
fjaufe ber Runder am obeien „Ring" ber ©tabt gelegen, bie Rittergüter ©erjag
unb |)arlef$, bor Slflem aber ben fjodjgeefjrten Ramen eine§ ötetberbienten
Patrioten fjinterüefj.
Sßolf Slbam ^., ber am 28. Iftai 1599 bie Saufe erhalten fjatte, mar,
mie bemetft, im öäterlidjen -gmufe unb in ber grembe einer au§ge3eidjneten Gr*
äiefmng tcjeittjait gemorben. Sdjon 1619, am 5. 9)iai, nafjm er — nodj
..legum studiosus" — bie erjrbare unb tugenbfame Sungrrau Barbara , einjige
Jocfjter roeitanb be§ „efjrenfeften unb Türnefjtnen öerrn" #ran3 üieni}, 3um
SBeibe, bie ir)m al§ |>eirattj§gut ha* bamats einem öottftänbtgcn Neubau unter*
3cgene ftattticfje Jpau§ Rr. 192 am unteren „Ring" jubradjte: ba3 nadjmal»
befanntefie, benfroürbigfte ©ebäube Grger'i — SBattenftein'S SobestjauS. @§ tag
fein 8egen auf ben flauem, bie 5ß. nur futje 3e^ beroofjnte, beim fcfjon im
3at)re 1620, balb nadj be§ 35ater§ ßeimgang, öerlor 2Botf 2tbam audj bie
jugenbtidje ©attin burdj ben 2ob, roa§ itjn beftimmte, beren (Srbe feinem Setter,
(bem im Siptom Dom %al)xt 1610 genannten) SIteranber fäufücfj 3u übertaffen
unb bas öäterüdje §au§ ju bejieljen. Safjin führte er 1621, im gebruar, be§
älteften Sürgetmeiftetä Sebaftian RöBter in 2Bunfiebel Sodjter, Slnna, at§ ©e=
mafjlin fjeim, töäfjrenb ber Setter SUeranber pr felben ^eit fidj mit feiner Safe
^Ragbatene , ber iodjter bc§ (Sgerer Sürgermeifter§ 3tbam ^uncfer öon £)ber=
funreut, öermäfjtte. äBolf SIbam jeugte in jtoeiter @fje, fo öiel befannt, bicr
,ftinber, beren itjn aber feine§ überleben follte.
2öie im fjäu§ticfjen Greife tjatten inbcffeu audj in ber Ceff entlief eit bie
2)errjältniffe bie benfbar größten Söectjfelfälle erlitten , unb äöolf SIbam , fctjon
1620, faum einunbattanäigjäfjrig , in bie ©emeinbeüertretung feiner SJaterftabt
berufen, fonnte fidj ifjnen nicfjt entjietjen, aud) toenn er bie» getooEt fjätte, ma§
feine§meg§ ber galt mar. 5Die (Sdjtactjt auf bem Söeifjen Serge t^atte ju
©unften ^e^infli^'^ H-. unb ber fatfjotifcrjen Söaffen entfctjieben , unb toie an
bie böfjmifcfjen Stänbe trat an bie (Jgerer bie #xa§e ber Ümfefjr mit bitterem
ßrnft tjeran. ©in Refcript be§ mit faiferlicfjer Gommiffion betrauten ^uriürften
öon ©adjfen forberte 6ger jur llntertoerfung unb SInerfennung be§ ßaifer§ ali
„be§ einjig recf)tmä^ig fuccebirenben , gefrönten unb gefalbten «ffönig» öon
23öfjmen" auf. (Sine Söerfammlung ber Ritterfdjaft unb ber ©emeinbe am
22. Secembcr 1620 foüte bie Stntroort geben. Sei ber Stbftimmung aber mürbe
eine abfotute gjcetjifjeit nidjt erhielt, ©eorg G^rtftopf) öon 2rauttenberg auf
SBitbftein, bas £aupt ber Ritterfdjaft, unb 2BoIf Stbam $. aus ber „gefct)mo--
renen ©emeinbe" öotirten bafür, „at§ efjrbave aufrichtige 2eutfc£)e bei Wönig
griebrict), bem 5ßfat3grafen, bem man einmal bie ^ftidjt geteiftet, ftanbfjaft 311
öerfjatren", mit ber Srftärung, roie immer, fo auetj fjier „ben fdjiidjtefien 2öeg
gefjen" 3U rooHen. Sie Sotanten fjatten bamit ifjr Soos gemorfen. — 51ur
aÜ3u balb mürbe aud) bem 5ßertrauen§fetigften öotlfommen ffar, ba^ bie (Sadje
be§ „3Binterfönig§" unrettbar öertoren mar. £a§ 5lcu|erfte ab3umenben, mu^te
fidj @ger bequemen. A}nr=5adifen um Sdnitj anauntTen , bem fiegieictjen ^aifer
4-
52 Sßadjelbel.
ober bie Unterwerfung anlöteten. 2Md); günfiige (Gelegenheit füt bie böf)tnifd)e
£>off:analei, iljren langgehegten $tan au berroirflidjen unb @ger cnblid) in ein
engeS ^brjängigfeitäberfjältnifj ju aBötjmen au bringen! SDie ©efatjr flieg
auf's £)öd)fte. s))tit Eingebung unb 9luSbauer fanb fid) SBolf Slbam ty. immer
unter ben Gsrften in ber SBefämpfung beS brotjenben UnrjetlS. 3a^toje (5jc=
fanbtfdjaften mürben abgeorbnet, bei metdjen er niemals fetjlte. ©o finben mir
iljn im 3ar)re 1623 mieberrjolt in 5ßrag unb SflegenSburg, immer unb überall
bie auS ber (Stellung (Sger'S „als einer SPfanbfdjaft ber ihone äSöcjmen bom
^eiligen römifdjen 9teid)" nottjtoenbig refultirenben Oiedjte gegen jeben 2öiber=
jadjer fd)tagfertig unb rebegemanbt bertretenb. 9lm 23. Wai 1623 erflofj ein
JaiferlidjeS 3nbulgena=$atent, mit meldjem ben ^Bürgern unb ber Sanbfdjaft
(jger in 5lufet)ung beffen , bajj fie „an bem böfjmifdjen fürgangenen Untnefen
feinen ©efatlen getragen", baSjenige, „roorin fie in Seit gemät)rter Ütebettion ber
©adjen ju biet gettjan ober ju meit gegangen fein mödjten", bergen unb „au
©nabcn gemenbet" rourbe. s3lm 17. Sult 1625 erfolgte bie fatferlidje 93eftäti=
gung ber ©tabtpribilegien. ©djon im SBoriatjve t)atte SSolf 91bam als einer ber
Sürgermeifter bie unmittelbare ßeitung ber ftäbtifdjen ?lngetegenf)eiten über-
nommen, um biefe äßürbe fünf Satjre au betreiben. 2lttjäf)rlid) roärjtte bamalS
unb in ber ftolgeaeit bie ©tabt bier Sürgermeifter, bereit jeber burd) ein „Quartal"
als ,,s«!lmtS"r ober £)ber=23ürgermeifter fungirte.
®ie Sage ber Prüfung maren für 6ger nad) ßonfirmation ber ©tabtpribi=
legten burd) ben Äaifer nid)t borüber — im ©egenttjeil. 9Jtod)te man bod) in
ber nädjften 3utunft bermeinen , eS märe @ger einer ber auSermäfjlten fünfte,
um bie fid) bon 3eit ju 3eit bie 2öeltgefd)id)te au beroegen fdjeint. Der Präger
biefer ©efd)id)te ber 3al)re 1625—34 mar SSaltenftein. fünfmal in bem
bertjättnifjmä&ig furaen 3ettraum faunt eines 2)ecenniumS bot (Sger bem gc=
toaltigen grteblanb, aud) au längerem Slufentfjalt, ein gafttidjeS ßbbad). @S
fat) bett Aufgang, roie ben 3enitl) unb ben ftiebergang ber fo rätfjfelrjaften 2)oppeI=
laufbaljn feinet blenbenben ©eftirneS.
3um erften 9Jtale am 31. $uli 1625 begrüßten ben ©eneraliffimuS bor
ben Sljoren bon (Sger bie 33üigermcifter 9lbam Runder bon Oberfunreut, 3ln=
breaS ßramer, ©eorg grie^el unb 2Botf 3lbam $p., meld)' ße^terer eben fura
aubor bem Grftgenannten baS ,,2lmt" übergeben tjatte, ,,fold)eS fünftig Quartal
Trinitatis au berfetjen." ©eine Verberge nafjnt ber gelbtjerr aunädjft im £aufe
^adjelbel'S (»Jtx. 3 beS oberen 9hngeS), um jebod) atsbalb ^oftager unb |muüt=
quartier im nal)en ©d)loffe ©rof^ßelinftein, einer 33efi|ung be§ ßgerer 33ürgeiä
©eorg 6rl)arb SBernbl bon 2)öti£, aufaufd)lagen. Jpier blieb er bis aum
3. ©eptentber. 2)em fl©d)öbfer !üt)ner ^eere" f)atte ein 9Jtonat genügt, bem
^aifer eine 2lrmee auf bie Seine au fteÜen. (5S braud)t ntdjt au§brücflid) ge=
fagt au roerben, ba^ ©tabt unb Öanb @ger aU allgemeiner 'lütufterplaü biefer
silrmee, hob aller '»JJlannöaudjt, bie geübt mürbe , gana auBerorbentlidje ßaften
getragen Ratten. SBieber unb mteber roar 2öolf 3lbam % genötfjigt gemefen,
ber bebrängten ©emeinbe namhafte ©elbobfer au bringen. — S)a§ ungleid)
größere Uebel aber, ja ba§ Sßerberben felbft, fam erft nad) bem 2l&aug ber gfrieb«
länber Slrmaba in ©eftalt einer fReitje faifertidjer 9ieformation§patente. S3er=
gebend roeigerte ber ©tabtratf) bie ^ublicirung biefer an bie föniglid) böfjtnifdjen
©täbte abrejfirten, bafjer für (£ger nidjt redjtSberbinblidjen patente; ebenjo ber=
geblid) miberftrebte er ber lu§folgung beS in ftäbtifd)4utt)ertfd)e .gmnbe über-
gegangenen beutfdjen OvbentjaufeS in @ger: ein fat|erlid)er gommiffär erlegte
ben Kaufpreis, ben bie ©tabt bor Seiten bafür beaaprjatte; anftatt eines neuen
töeformationSpatenteS aber erfd)ien im9Jiatl628 eine eigene gteformation§=(Eom*
mijfion, bie int Slugttft iljre Sttjätigfeit begann unb inftructionSgemä^ fofort bie
s4>adjelbel. 53
2lbfdjaffung ber etiangelifc^en 9ßräbicanten berfügte. 2lbermat§ gingen 3)eputa=
tionen an ben .ßaifer, würben jebodj nicrjt borgelaffen. 2öof)l aber fam itjnen
ber Söefd^ctb, bafj e§ „wirrer 9Jtajeftät enblidjer SBiU unb Meinung, alte itrrc
getreuen Untertanen ^u ber Oleligton, in meldjer Sie gebähten feiig ju roerben,
ju bringen, unb roeil nun bie fatrjolifctje bie atteinfeligmadjenbe märe, tjätte
3>r)re 9Jcajeftät fidj refolbirt, einen (Stjrbaren 9tatt) fammt ber ©tabt @ger aucrj
ba^u flu leiten." (Sin bertraulidje ©timme fügte bei, bafj fein 2lusroeg bleibe,
al§ fatrjolifdj <}u roerben, ,,benn biefer Äaifer unb beffen Sftätrje biefe 9Jcarimam
tjätten, mer nid)t fattjolifdj roäre, fönnte auetj nidjt getreu fein." ÜZid^t genug
bamit. 9lud) in potitifdjen Singen follte eine grünbtierje 2lenberung borgenommen
roerben. SBet alter formellen 5lnerfennung ber priüilegirten Stellung ber ©tabt
mürbe biefetbe bon ber faifertidjen Regierung ttjatfäcrjlid) roie eine ber föniglidj
börjtnifdjcn ©täbte befjanbelt unb junädjft insbefonbere ju alten ©teuer=
leiftungen biefer ©table rjerangejogen. Site Aufregung mar eine ungeheure.
9iacrj bieten münblid)en unb fdjriftlidjen ^roteften ging 2Bolf Ibam $. roieber
nadj Söien — aber aucrj er fonnte niäjt bi§ jum .fiaijer gelangen, trotj größter
9lnftrengung; im SBorjimmer roarb er öon einem ber 'Ulinifier mit ben Sßorten
abgefpeift: ,,$rjr rootlt eine Steicfjeftabt fein, ba 3>r)r bod) eine $ßfanbfdjaft feib.
3f)i- müfjt ^tjrer ^ftajeftät folgen unb, roaS fie begerjret, leiften; ©ie fein roaf)r=
licr) mit 6ud) nit jufrieben." — Sern Slbgeorbneten rourbe roie jum -!pot)n
ein (Sremplar ber eben botlenbeten „ fernem erten £anbe§=Drbnung be§ $önig=
reict)e§ SSötjmcn" ^ur ^ßublicirung übergeben, roelcrje gumuttjung jeboef) mit ber
bünbigeu ßrtlärung erroibert rourbe: Gger unb (Sgertanb tiermögen eine bötjmifdje
£anbe§=£)rbnung nid)t anjuerfennen, ,,bieroeit fie an ben bötjmifcfjen ütcdjten nierjt
partieipiren, roeber in privatis nodj publicis." S)arauf gab roieber ein faifex=
lidjei ütefeript an bie börjmifcfje (Statthaltern bie un^roeibeutige Antwort
(1629), e§ fei befcrjtoffene ©aeije, „ba§ ßgerlanb mit 33öf)tnen bauernb ju ber=
einigen, jjutior aber bie fatrjolifctje Serjre als bie allein rjerrfdjenbe bafelbft ein*
fürjren."
9Jlan mar nidjt roätjterifdj in 2lnroenbung ber 9Jtittet, um ben nädjften
^toeef 5u erreichen: bie rotjefte ©eroalt mar 2ltte£, roa§ man nötfvtg rjatte. ©e*
brauste man aber iljre ganje sparte gegen bie proteftantifdjen <£>äupter, fo mar
bamit augteidj in politifdjer 9tidjtung ba% ©piel fo biel mie geroonnen. S)ie
iRecfjnung fonnte taum einfaetjer tauten. 33eroeglicr)e ^nterceffionen be§ .ßut=
fürften bon ©ad)fen für feine ,,9tetigion§Derroanbten" in dger fanben leine 23e=
acrjtung. ^n bem Seiter ber (Sgerer 9ieformation§=6ommiffion, 33artl)et iörunner
bon äBilbenau, einem gebürtigen ßgerer, mar ba§ richtige Söerf^eug jur £>urcf)=
fütjrung ber gehegten 2lbfic^t gefunben; er lie^ an ütücfficrjtelofigfeit nicljt ba§
©eringfte p münfcljen übrig. ©ein grimmigfter ^>a^ manbte ficr) gegen bie
,,miberfpänftigen" Sürgermeifter 2lbam Runder, 2Bolf Slbam ty. unb 9Jcattl)eä
S)ietl. @r ermirtte ein faiferücrje§ ©biet öom 3. Slprit 1629, mit metdjem
befohlen mürbe, bie (benannten, ba fie ,,im 9teformationsmerf attertjanb ^>inber=
niffe ttjun unb itjrer ©djulbigfeit nic^t nadjfommen molten", orjne Serjug ifjrer
SUenftc nicfcjt nur äu entfe^en, fonbern aud) irjre 9taitung ju legen anjurjalten,
nad) 3uiü^taffung be§ Quotienten au§ ber ©tabt ju roeifen, bagegen aber bie
Erneuerung be§ 9tatr)e§ öor^unerjmen." S)er Ouotient, ju beffen Erlegung bie
(Sjilirten üertjalten mürben, beftanb in bem fünften Steile ir)re3 S3ermögen§; er
betrug, fomeit ei fidj um ftäbtifdjen Örunb unb 23oben Ijanbelte, bei ty. 8600,
bei 3lbam Runder fogar 20 000 ©utben. ©djon am 4. 9ftai 1629 üottjog
23artf)el Srunner bie angeorbnete ,,5ßeränberung be§ Otatfjei" ; ty. mar feiner
23ürgermeifiertoürbe entfleibet. S5a er fidj meigerte, ba§ ,,2lbjug§gelb" gutmiüig
ju entrichten, mu^te er in ben Werfer manbern. ©ein ftäbtifdjeg |>au§ mürbe
54 ^adjelbet.
fequeftrirt unb ber Quotient auf folctje SBeife fictjergeftellt ; bann burfte et bic
©tabt bertaffen. 6r ging nactj ©erjag. 2)octj follte er auctj bort nictjt bleiben.
S)ie 9JeformationS=(5ommiffion beftanb auf ber Sßeräufjerung feiner ©üter inner*
unb aufjertjalb ber ©tabt, fctjon wegen be§ günftelabjugS, unb gebot mit beeret
bom 5. ftobembei 1629, „bafj er tjieborigen 2>ecrett8 fctjutbtge $olge leifte unb
aroifetjen bato unb bem Slctjten biefeä" — alfo längftenS innerhalb breier Sage
— ,,fictj aus ber ©tabt unb bem greife Eger begeben, borget aber, feines fer=
neren nichtigen GsinroanbernS ungeachtet, roegen beä fünften StjeitS in ber ßofung
gebütjrenbe Ütidjtigfeit maetjen fotte, mit ber 23ermarnung, ba er fotdjem roie
biStjero nictjt nactjfäme unb itjm ein SBibrigeS, als er fid) einbilbet, begegnete,
bajj er 9ttemanbem als fid^ felbften merbe bie ©ctjutb äujumeffen tjaben." —
Unb fo mufjte benn ty. abermals jum ©tabe greifen; man meifj nidjt, motjin er
fictj roanbte. ©emifj ift nur bic traurige Stjatfactje, bafj itjm balb nactjtjcr bie
ganje ^familie tjinroegftarb : bie alte 9Jtutter, ber 33ruber, bie ©atttn unb fammt=
lid)e Äinber. — 2luctj Slbam Runder unb Sllejanber ^actjetbel unb biete an=
bere bornetjme unb angefetjene SSürger roanberten auä. Unter ben menigeu
tjötjergeftellten ^erfönltctjfeiten, bie fid) „befetjrten", befanb fictj auctj ©eorg @r=
f)arb SBernbl auf Mit; unb ®rofj= unb $tein=ßetjnftein , ber fictj balb barauf
äum 23ürgermeifter unb gar jum sJJUtglieb ber 9teformationS=(Eommiffion ernennen
tiefe, ©elbftberftänblictj tag bon nun an baS ©tabtregiment auSfctjliefjlictj in
fattjolifctjen Rauben; bie ipfarrfiretje mürbe ben ^efuiteu übergeben.
3n biefe 3eit fallen rafdj nactj einanber Sßaltcnftein'S ^weiter unb britter
9lufenttjalt in Güger. Er fam bon ÄartS&ab l)er, um über 9tegenSburg fid) jur
Slrmee nactj 9Jtemmingen ju begeben. ©edjS dürften unb tjunbertfünfäig (5bel=
leute mit fiebentjunbert $ferben, feetj^ig ^ßadroagen unb metjr als üier^ig $ut=
fetjen unb ©taatSfaroffen roaren aufjer einer ftatfen berittenen ßeibgarbe fein
glänjenbeS ©eleite, mit bem er am 28. SSlai 1630 ben Einzug in 6ger tjielt.
Söieber toar *Pactjelbet'S £>auS am oberen Üting, baS nun teer ftanb, fein Quar=
tier, bon bem er fctjon am näctjften Sage roieber auSjog. ^Rad) SiegenSburg aber
mar ein großer gfürftentag berufen; unb 9liemanb mufjte beffer als äöaüenftein,
maS bort berattjen unb befctjtoffen merben follte. S)ie Goncentrirung feiner
|)eere in nictjt gar ju großer Entfernung bon 9tegen§burg mar feine zufällige.
2öol nur ein Söinl Ijätte genügt, ben bortigen ^ürftentag bem ^aifer gefügig
3u madjen — borau§gefe^t , bajj biefer Äaifer überljau^t toottte. @r 30g e§
bor, fidj bem äöilten ber ßurfürften ju beugen. SBaüenftein mürbe geftürjt,
unb miberftanb§lo§ 30g fieb^ ber ?lbgeban!te in baS $ribatteben jurüd. Ueber
©uljbad), mo er wodjenlang Iran! barniebergelegen tjatte, traf er am 30. £)c=
tober 1630 mieber in (Sger ein, aud) bie§mal nidjt orjne grofeeS unb reid)e§ ©e=
folge, ba§ fic§, 3lHe§ in sMem mit metjt als ad)tt)unbert s$ferben, in ber ganzen
©tabt berttjeilte, roärjrenb er ttieberum in bem itjm toob^tbefannten §aufe tyaü)=
elber§, be§ ejilirten 33ürgermeifters — nun fetbft eine gefallene ©röfee — bie
Dladjtrjerberge natjm. Ort unb 3eit waren geeignet, 9teftcj;ionen an^uftellen.
SDem ©eneralifftmuS mürbe eine ©enugtljuung <}u 5Lt)etl, mie er faum gc=
tjofft b^aben mocrjte. S)oc^ aucr) für $. , ben armen Emigranten, fottten noer)
Sage fommen, bie eine gewiffe Vergeltung brachten, ©eit äöattenfteinS Abgang
mar bon ben ligifiifcrj=raiferlidjen Waffen aEe§ ©lud geroietjen; bei Sreitenfelb
erlitten fte eine entfcrjeibenbe ^Hieberlage. ßurfactjfen, ba§ mit ©djmeben ge=
meinfame ©adje gemaetjt, marfdjirte in 33örjmen ein. ^rag mürbe genommen,
unb iljtn folgte eine ©tabt nactj ber anberen im 5lorbmeften beS ßanbeS. 2lm
13. S)ecember 1631 fiel auet) 6ger buretj Ueberrumbelung unb ertjiett eine fäd)=
fifetje SBefa^ung. 9Jlan fagt, ber Jpanbftreid) märe bon ©gerer (Mutanten gc=
plant gemefen, unb nennt babei in erfter Sleitje Söolf 2lbam 5p. 53emeife finb
s4k$elbel. 55
für biefe Setjauptung nidjt ju erbringen. 2öor)l aber feierte 5ß. mit bieten an»
beren emigritten 'üUtbürgern nodj im 2)ecember 1631 nadj @ger ^urücf unb ge=
roifj in ber Hoffnung, 5U bleiben. @r fam jur redeten Sät, bie ©tabt Dor
fdjmeren SSerlufien ju bematjren. SDie allgemeine ^ßlünberung, bie itjr breite,
nmrbe nur buret) feine 33emÜtjung abgemenbet. Üebrigen§ fiel faft bie ganje
©tabt mieber bem 5ßroteftanti§mu§ ju. 9Jtan enttiefe bie $efuiten unb gemährte
ben Äattjotifen nur eine Äanjel unb einen 2Ittar in ber ^farrfiretje. 3ur @rl)at=
tung ber ©arnifon mufjte eine ©teuer auggefdjrieben merben, ju beren 3tuf=
bringung ber (Sommanbant eine Gommiffion für ©tabt unb Äreiä einfetjte.
2öolf Slbam 5ß., tjie^u berufen, meigerte fid), bie ©teile anauneljmen, bi£ ber
©tabtxatt) feine gufünimung gegeben t)abe. „Söcil man aber gefetjen", berict)=
teten fpäter entfdjulbigenb bie fattjolifdjen SSürgermeifter ber Regierung, „bafj
e§ bamatS nit anber§ t)at fein tonnen, tjaben mir lieber einen Patrioten, beffeti
ü£reue un§ befannt, al§ einen fremben hungrigen SSruber annehmen motten, mie
iljm benn bie ganje ©tabt ba§ 3euSni£ gi&t, *>af> er bie ©renken ber 6om=
miffion getreulich obfeiDirt unb bie ©tabt Dor einer ©eneralplünberung abge=
tjalten l)at. lieber fein 23ert)atten", fügten fie rjinäu, „tjaben mir un§ nit ju
betlagen; tjätten Dielmetjr gemünfct)t, bafj er bie fattjolifcrje Religion angenommen;
märe gemeiner ©tabt nit übel geftanben, inbem er ein gelehrter unb glimpflicher
5ftann gemefen." — SBa^rtict) ein etjrenöolter sJtacrjruf.
£)ie §errfct)aft ber ©act)fen in aSötjmen unb bamit bie neue Orbnung ber
S)inge in (Sger mährte nidjt lange. Üülit neuen, faft unbefdjränften 33otlmact)ten
übernahm Söatlenftein abermals ba% (Eommanbo über bie faiferticr)en Gruppen.
$n menigen Söodjen mar SBötjmen Dom O^inbe gefäubert. 2lm Slbenb be£
16. 3imi 1632 erfdjien ©encralttadjtmeifter &einrid) &otf (31. ©. 23. XII,
735 ff.) mit bebeutenben ©treitfräften unb tnäbefonbere mit einer großen 2tn=
,}at)t fernerer ©efetjütje Dor ben SBätten Don Grger, beren Sefatmng er, natfjbem
bie Slufforberung jur Uebergabe abfctjlägig bef djieben morben mar, ,,burdj ©pie=
tung ber ©tücfe unb SBerfung (Sranaten unb ^euerfugetn" bermafjen in Slngft
unb ©djreden fefete, bafs Dberft SDietrid) Don ©tarfctjebel, ber 33efct)l§t)aber, fdjon
am 2lbenb be§ 19. $uni fiel) mit 3tccorb ergab unb £ag§ barauf bie ©tabt
ben ßaiferlidjen räumte. ©edj§ Sage fpäter — am 26. Sinti 1632 — mar»
Jdjirte SBaltenftein an ber ©pitje einer Slrmee Don 40 000 SJcann mieber in
@ger ein, um Don tner au§ bem Äurfürften Don S3aiern unb beffen gefdjlagenem
£eere bie £)anb ju reichen, bem fiegreidjen ©djmebenfönig aber Dor Nürnberg
ein bonnernbeS $ali ju gebieten. äBaltenftein ftanb auf ber §öt)e feineS 9tutjme§
unb ©lücfe§. ©ein tjeftigfter unb gefät)rtid)fter ©egner, 3Dcaj;imilian Don SSaiern,
bie ©eele be§ 9tegen§burger gürftentage§, ber il)n geftür^t Ijatte, fam itjm ge=
bemüt!§igt, ein $üict)tling, ^ilfefudjenb entgegen, ^n 6ger fanb bie Begegnung
ftatt. Seibe durften fliegen Don ben $f erben, fidj 3U umarmen; 53eibe ,,Der=
tetjrten il)re passiones in ^reunblidjfeit." 2)ennoct) motlten etliche ,,curiosi' babei
Dermerfen, ,,bafe ^t)ro furfürfttierje 2)urcr}taucl)t bie j?unft ju biffimutiren beffer
al§ ber <&eräog gelernet." 2lm 29. ^uni ging ber 3UÖ oer toteber Dereinigten
ligiftifdj=taiferlicrjen ^eereSmadjt über ^Jtittcrteicr), Üteuftabt unb ^Ü'eimbt gegen
Nürnberg.
^n 6ger tjielt neuerbing§ bie fattjotifclje Gegenreformation triumptjirenb
itjren Sinjug. Söer Don s$roteftanten nidjt bereits geflotjen mar, beeilte fidj,
t>en faiferlictjen unb firdjtidjen (Strafgerichten ,ju entrinnen. S^m ^meiten Malt
mufete SBolf Ibam $. tn'S (Sjil; fein ^aB unb ©ut in @ger mürbe conftdeirt.
3fünft)unbert ©lauben§genoffen au§ ©tabt unb ßanb ttjeitten fein ©cfjidfal. @r
ging nadj Söunfiebel, mo aud) fein fetter 9llei-anber lebte unb eben bamal§ 93ür=
germeifter mürbe, ,811m ©DnbicuS ber ©tabt ernannt, entfdjlofj fid) SGßolf 3lbam
56 5ßndjelbel.
nodjmal§ <$ur @t)e unb narjm bie Söttme 2lnna Iftarta Rotj bon ^ttetjentjofen
^um SGßetbe. triebe unb 9tut)e fanb er beSljalb nidjt. 2lud) nad) bem füllen
SOÖunfiebet brang ber fortbancrnbe Rriegslärm. ©djroeben unb Ratierliche fud)ten
e§ mit fdjmeren plagen Ijeim. Slteranber $., ber Sürgermetfter, rourbe bei
einem llebeifatt feitenS ber Raiferlidjen im %at)xt 1633 mit nod) anberen 33ür=
gern aU ©eifet fortgeführt unb nad) ©ger gefdjlepbt , mo er aroötf Söodjen ge=
fangen gehalten rourbe, bi§ ein ßöfegelb bon 4000 SLIjatern ge^afjlt mar. (5r
ftarb nod) in bemfelben ^at)re. ©eine äöitroe 9Jtagbalene, geb. Runder, blieb
im 33efit$ be§ .grnufeS 9tr. 492 am unteren Ring ju @ger, ba§ jebotf) nad)
roie bor roegen ber (JmigrationSgebüljr burdj bie ©tabtberroaltung fequeftrirt
rourbe.
$n biefem «gmufe mar e$, roo SBattenftein am 24. gebruar 1634 fein —
letjteä — 9tad)ttager auffdjlug. ©orbon unb £e§Iie, bie 9Jteudjetmörber, t)atten
e§ fo beftimmt, unb 2Baltt)er 23utler, ber iljn geleitete, mar ei pfrieben; alle
©etegcnrjeit bei Otaumes mar ben Sßerfdjroorenen günftig. ©djroer Iran! an
Seib unb ©eele, bod) nid)t gebrochen, mot)l aber geljafjt unb gefürchtet mie nur
Sßenige, fetjrte ber nun ,,gemefte" faiferlictje oberfte gelbrjaubtmann mit meuigen
©etreuen baljin <jurüd , mo er jum anbern ^ale bor nidjt jmei 3at)ren —
„nädjft ©ott unb feiner gebenebeiten Butter 9Jtaria" bie gan^e Hoffnung feineg
RaiferS — mit bieten Saufenben ausgesogen mar. 2)er itjn jetjt als 23ürger=
meifter bei ©tabt empfing, mar nidjt (mie ©dn'ller bietet) ber erjlirte Sttolf
3lbam ty. $n ber testen ,,$8erneuerunq beS 9tatt)eS" maren bie gut fatfiolifdjen
9Mnner 2lbam ©d)miebct, tyaul Runder, grnnS ©eorg 9Jteinbt unb ©eorg dr=
fjarb SBernbl als Sürgermeifter beftettt morben. S)er ßetjtgenannte tjatte am
16. S)ecember 1633 bon feinem Vorgänger bie ©efdjäfte eines 9lmt§= ober
£)ber=99ürgermeifterS übernommen unb führte biefelben bis jur nädjften ,,33er=
neuerung" am folgcnben 8. *ütdrj, hei ber er abermals beftätigt mürbe.
Söallenftein'S äöirttj im tarnen ber ©tabt mar alfo bieSmal berfelbe ©eorg (£r=
tjarb SBernbl auf SDölitj, ber iljn im ©ommer 1625 auf ©ctjlofj Setjnftein bc«
toirtt)et tjatte. 2)er ©aft lag in ber ^Jcadjt beS 25. ftebruarS 1634 ermorbet
bon ben Offizieren , benen er am meiftcn bertraut tjatte. S)rei ^ai)xe fpäter
enbete ©eorg (Srtjarb SBernbl, ber Sonbertit, burd) ©elbftmorb. SBattenftein'S
SobeSfjauS fam 1642 burcr) Rauf in bie .'pänbe ber $efuiten, um nad) bem
S5au eine§ neuen SefuitencoHegiumS in @ger an bie ©tabtgemeinbe über=
Wljen.
2Bolf sÄbam 5ß. fanb c§ geratt)en, im ^ab,re 1635 feine ©üter ©et)ag unb
^>arle^ im ßgertanb ju beräu^ern , unb taufte bafür ba§ ©ut Semftein bei
Söunfiebel, mot)in er fidj ^urücfäujieitjen bactjte, gab aber biefen ©ebanfen mieber
auf, al§ 'DJtarfgraf g^riftian bon Saireutt) il)n (1640) in feine 3)ienfte natjm
unb mit bem £itel eineä „rjodjfürfttidjen gtatrjeä unb 50litbeamten ber fedjä
2lemter ©lüffting" jum 23ice=,^)auptmann in SBunfiebel ernannte. 3luccj auf biefem
Soften ermarb er fid) buret) feine aufeerorbenttietjen Renntniffe unb Erfahrungen,
fomie burd) feltenen ßifer unb g^ifj ba% größte Sob unb mürbe ganj befonberS
bon itjm gerütjmt, „er tjabe gegen alte SBectjfeljätte ieberjeit trefflidje 9tatl)fd)täge
3ur <£>anb" (ut in manu semper prompta adversus quoslibet casus haberet con-
silia. Pertsch, origg. Voitlandiae [1677], p. 173). 2ll§ im 3l|)rit be§ Sa^veS
1641 3fot)ann 93ancr nad) einem bergeb ticken guge in bie Dberbfalj unb an
bie SJonau unter bielen Sermüftungen fiel) gegen ü£f)üringen manbte unb in
£)berfranfen ben ©eneral Slbam $fuel mit ettidjen Regimentern prüdlie^, be=
gab fid) SBolf 2lbam ty. ju biefem nad) ^>of unö beftimmte itm, nidjt, mie er
badjte, in SBunftebel, fonbern füblid) babon in 9tebmi§ eine fefte ©teUung ju ne^
men. ©eit bem S3erfauf feines bäterlidjen @rbe§ im ©gerlanb blatte er aber
5kd)e(be[. 57
feineStoegS auct) fct)on jeben (SJebanfen an bie 3£ücfEef)r in bie alte •pamat auf=
gegeben. @r ftanb erroiefenermafien ununterbrochen in brieflichem 35etfetjr mit
fetjr bieten Sgerc-r ßrutanten , bie fict) alle unabtäffig mit biejem ©ebanfen
trugen unb nictjtS berfäumten, itjn 3U üertoirfltctjen. %m 'IRonat sDtai 1636
betoogen fie noct) einmal ben Äurfürften öon Sacrjfen, fict) Tür fie beim ^atfer
5U öerroenben unb benfetben nactjbrücflict) ju bitten, „fict) gefallen ju laffen, bafj
bie Gügerifctjen Emigranten baS bertorene exercitium Stugsburgtjctjer donfeifion . .
toieberum überfommen, ber Dtegreft ju itjren ©ütem itjnen toieberum üergonnet
unb fie babei faifertict) get)anbt)abt roerben mögen." 3)erg*ebenS. 25ie feit bem
3>at)re 1643 eröffneten ftriebenSöertjanMungen p fünfter unb Dsnabrüct roecften
neue Grtoartungen unb tieften fogar tjoffen, bie feit £urct)füt)rung ber ®egen=
reformation in @ger fiillfctjtoeigenb faffirte 9teid)Sunmittelbarfeit ber Stabt
bennoer) roieberjugeroinnen. %m 3. 'Dtobember 1645 tourbe ber 9teict)Sbeputation
ju ©snabrücf eine 33efct)toerbefct)rift überreicht, bie nact) präeifer, ftarer Sar=
legung beS iraglictjen 9tect)t6ftanbpunfte§ ber ber .#rone 23öl)men „cum jure relui-
tionis et aliis reservatis pfanbtoeife eingeräumten" Stabt @ger, „öon beren ber
©geriferje, auf beS ^eiligen 9tömifct)en 9teict)eS ofjnmittetbarem @runb unb 53oben,
auTjer beS Königreiches 33öt)men S5e,jirte gelegene ÄreiS ben 9camen t)at", mit
bem Petitum fctjlofj, „biefe ber betrübten (Sgerifcfjen Emigranten Sactje gnäbig
in foterje Gonjiberation ju faffen, bamit fie toieber ju itjrem 2Bürger=, @rjren=
uub ^nroorjnerftanb neben SBeib unb ßinbem gelangen, it)r -öab unb ®ut in
Ongenttjum unb ©enieß, roie borbeffen, annehmen, beS itjnen otjne fjfug &ei bem
gelungenen Exilio abgebrungenen fünften Xr)ei(S itjreS Vermögens otjne ^Xö^ug
ober Sntgelt toieber tjabfjaft gemacejt unb fo fürberS in bem ungehemmten ©e=
Brauet) bei Exercitii ber eöangelifdjen ^Religion 2lugSburgifct)er ßonfeffion, roie
fie fotetjen bort)ero getjabt unb ber it)nen in Äraft faiferlictjer (Xommijfion in
annis 1620 unb 1621 ttjeuer unb mit tjot)er 3ufage berfproefjen roorben, refti=
tuirt unb babei für unb für unbeeinträchtigt gelaffen toerben mögen." — $er=
f affer biefer unb aller fpäteren Eingaben, bie noct) öon ben ,,Ggerifct)en @mi=
granten" ausgingen, mar tjöct)ftroat)rfct)etnlict) 2Botf 2lbam ^>. ; getoif} ftanb er
itjnen, roie ben furfürfttietjen ^nterceffionen, fetjr nat)e. Sie gefteüte Bitte ?anb
auf Seite ber proteftantifetjen 9teict)Sftänbe unb ber Sctjtoeben bie gebüt)renbe
5Rüctfict)t ; fie bitbete im Saufe ber griebenSöerrjanblungen eine immer roieber be=
rattjene ftänbige firage. 9toct) im ftoöember 1645 erfudjten jene ©tänbe in
einem „Sutactjten" ben Äaifer, bie Srulanten jurücffetjren „unb fonberlictj bie
©tabt Sger in ecclesiasticis et politicis in Dorigen Stanb ööltig roieberum
reftituiren ^u laffen." @S folgte ein überaus um ftänb lieber, langwieriger
Sctjriftentoectjfet.
Sin wictjtigeS KriegSereignifj fdjien ptötjlict) eine günftige SBenbung t)erbei=
äufütjren. 21m 17. ^uti 1647 fiel 6ger nact) längerer, tjartcr Belagerung buret) J?arl
©uftaö Sörangct in fd)roebifct)e öänbe. ,,^ct) mu| betonen", berichtet ber Gr=
oberer an ben OteidjSmarfdjatt Drenftjerna, „baft ber betreffenbe Gommanbant
mir einen fotct)en 2Biber|"tanb gemacht tjat, roie ict) it)n lange <$nt öort)er üor
mir nict)t gefunben t)a6e." 2Jtan fctjrieb fatt)olifct)erfeitS biefeS Ungtücf bem 9las
fluten ber Sgerer Gjutanten ju, üorjügtict) roieber bem rütjrigcn 2öolf 2tbam *>#.
2luct) biefe 3}erbäct)tigung tonnte niemals erroiefen roerben. SSeftimmt üerfpractjen
fict) jene ßrutanten non bem eben eingetretenen Umftanb einen erfreulichen ntüct=
fctjtag auf bie ju CSnabrücf in Sertjanblung ftetjenbe fjfrage, beren 23eantroor=
tung über itjr unb itjrer gamilien 33ot)l unb 2öct)e für aüe 3"1 entfcfjeiben
foltte. @r bract)te auet) ben S3ortt)eil, ba| fict) bie ©rulanten toieber batjeim ju=
fammenfanben, um bie toeiter einjuleitenben ©ctjritte gemeinsam ju berattjen.
Stilen boran, ertoieS fiel) noct) einmal 3Bolf 2Ibam ty. als ttjätiger, getoanbter
58 SßadbelM.
unb unerfcfirocfener SSerfecrjter be§ guten alten 9tecfjte§ feiner geliebten 2)ater=
ftabt; bcreitmitlig erfannte bie neue, ob aud) Etetne , bod) nicfit bebeutungStofe
eöangelifcije ©emeinbe feine güf)retjcf)aft. 6ine§ laut ben faiferlitfjen 6om=
miffären in DSnabrütf febr ju ftatten, bafj fie mit ©runb fidj auf bie Sbatfacfje
berufen burften, bafj bie (Stobt 6ger felbft , bie tängft fatbotifirte , gar nicht
barnadj ©erlangen trage, mofür fid) bie menigen ^roteftanten bafelbft unb itjre
greunbe unter ben proteftantifcrjen 9leid)§ftänben unb ben Schweben fo eifrig
oermenbcten. ©o tarn c§, bafj nact) Oielfältigen Stipulationen unb ©Treibereien
hei bem griebenSfchtuffe bie 6gerer 2lngetegent)eit nebft anberen offen gebliebenen
fragen ben grieben§e2;ecutionä=23ert)anblungen überliefen mürbe, roeld^e „bem=
näd)ft" 3U Nürnberg jju eröffnen mären; „bis batjin aber fotte ©tabt unb JhetS
6ger fomotjt in ecclesiasticis als politicis in ben ©tanb beS 3ab,reS 1624 ge*
fefet merben." — SBolf Slbam ty. fab, barin, tt)ie auch, bie Öo^ lehrte, einen
gän^lictjen SJtifjerfotg ; er fjatte ben ©tauben an bie 3uftntft beffen, roofür er
äeitlebenS geftritten unb gelitten, für immer öerloren; fein ©eift mar umnadjtet.
yiad) 2Bunfiebel jurücfgefebrt, tjatte er nur ben einen äöunfdj, ju fterben. 6r
führte fiel) auS bem genfter fetneS .gmufeS, fanb aber nidjt ben 5Eob; bie ge=
brodjenen ©lieber mürben geseilt. 2lm 17. ^funi 1649 fanb man ben 6ntfeelten
im SBalbe oon äBunfiebet. SDie einfüge sJteid)Sftabt 6ger mar ju politifdjer,
nationaler unb religiöfer Unfreiheit ücrurtt)eilt. — SBotf Slbam *p. tjinterliefj
brei ©ötme: Julius ^einrieb, geb. 1639; $ot)ann 6t)riftopf), geb. 1642, unb
3ßolf ©abriet, geb. 1649, laut ber 9ftatrit: nact) bem „(eibigen" ütobeSfatt feinet
SB aterS. %\)x ©efctjledjt blütjt nodj in mehreren fiinien.
sJtad) Urfunben ber faiferl. Slrdjiöe j)U SBien, beS ©tabtarctjibS in 6g er
unb im *jkibatbefife (3. 21). toon #errn ©tabtpfarrer gfr. ^achelbet 0. ©etjag
in £inbau unb <£>ei-rn 2lrd)ibar #• ©rabl in 6ger gef. jur Verfügung gefteEt).
— 25ergl. 3?. ©. 0. Meiern, Acta pacis Westphalicae publ. (1734—36). —
SS. «ßrött, 6ger unb baS 6gerlanb (1845; 2. Stuft. 1877). — ftr. Äürfd&ner,
6gcr unb Söbmen (1870). — 5lbam 2Bolf, ©efchichtt. Silber auS £)efter=
reich, (1878). — &. ©rabl, bie gftronifen ber ©tabt 6ger (1884).
|>altmidj.
^adjclbl: Söolfgang ©abriet $. 0. ©ehag, geb. am 10. ^uni 1649
äu SBunfiebet, f am 26. ftoüember 1728 ju Dnotjbad), ©obn äßolfgang
2lbamS (f. 0.), erhielt bie SBorbilbung in 23aircutt), legte bie juriftifdien ©tubien
in 3cna unb Seip^ig jurüd, ermarb an legerer Uniberfität 1678 bie jimftifdje
SDoctormürbe, trat im folgenben ^ahre als 3tnleiter (3lböocat) beim ßanbgeridjt
in 3ln§bad) ein, mürbe äugleicl) marfgräftid)er 9tat^ in Dnot^badj, nad) fur^er
Seit Seifiger, im %. 1703 erfter, 1705 branbenburgifd)=culmbad)ifd)er ©eb,eim=
ratl). 6r mar ein angefefyener 9Jlann unb ftanb mit tierfdn'ebenen bebeutenben
^eitgenoffen, barunter Scibniij unb -gjert, im SSriefmedjfel. ©eine litterarifdje
3:b,ätigfeit umfaßt üoraugämeife ba§ ©taat§red)t unb bie ©taatäbermaltnng,
baneben befonbere branbenburgifdje 5lngetegent)eiten, audj einzelne f»tftorifd£je
S)inge, barunter alä abfonberlidj bie „diss. historico-juridica de originibus
electorum, deque etiam Christi nativitate non junioribus cet." Hai. Magd.
1705. 4°, morin bie Äurfürftcn in bie öltefte ^eit üerfe^t merben unb ba§
23urggraientbum Nürnberg bereits im 9. ^abrbunbert als Äurfürftentbum
erfdjeint. ^ugter aäljlt 41 ©cfiriften auf, mäbrenb Rulofer unb Mütter in i^ren
ftaat§rec&tticf)=litterarifcben ©Triften feine angeben, ©eine S)octorbiffertation „de
prohibitione nuptiarum in gradu seeundo lineae inaequalis", Lips. 1728 ift bie
einzige au§ bem ^irdjenreebte.
Sugter, Seiträge, V, 295. — ftifenfeber, ©el. SSaireut, VII, 4.
ö. ©d)utte.
s.ßad)mann. 59
^adjnumtl: Sfjeobor fRitter b. $., geb. am 9. ftobember 1801 als
©otjn bei gräfticr) Äototorat'fdjen Stmtmanni Sodann 2lnton % ^u ^>orati^ in
Söötjmen, t P Söten am 11. fyebruar 1881. Waä) erlangter Sßorbilbung in
bem ©eburtiorte öefudjte er bai ©tjmnafium ju Äomotau in SBötjmen, bon
-£>erbft 1821 an bie Uniberfität ju $rag, auf ber er fotool bie pfiitofopfjifdjen, als
juriftifdjen ©tubien bii jum «g>erBft 1825 ^urücffegte. hierauf arbeitete er in
einer 9Ibbocatenfan<jlei unb befestigte ficr) mit ^rtbatunterridjt. Dtactjbem er
in $rag am 16. ^uli 1828 pm Dr. jur. utr. promobirt toorben toar, erhielt
er infolge ber 23etoerbung bie ©teile als „fupptirenber" 3ßrofeffor bei römifcfjen
unb fanonifdjen ütecrjti in SBien, nadj fur^er geit bei orbentlictjen in Dtmütj,
im 3>. l850 in SGßien. ^n biefer Stellung blieb er bis ju feiner auf ©runb be§ ®e=
feijei, bai nadj Sßoltenbung bei fiebjigften SebenijatjreS bie gefetjtidje ^enfionirung
ber 5ßrofefforen auifpridjt, biefe aber fdjon mit 65 geftattet, im 3- 1870 au§ge=
fproctjenen ^nfionirung. 33om gürfteräbifdjof bon Olmü^ tjatte er ben Xitd
Gonfiftorialratf) erhalten, in Söien ben eines 9tegierung§ratt)i; er gehörte ju ben
5ßerfonen, toetcfjen ber «Saifer SJtaiimilian bon sHcerico fofort feinen neuen Drben
bertiet) (Sommanbeurfveuj bei ®uabe(upe=£).) ; hti feiner ^ßenfionirung tourbe er
in ben eiblidjen 9tttterftanb erhoben, ©eine litterarifcfje itrjätigfett mar anfängt
licfc) bem öfterretd)ifd)en Gibitredjte jugetoanbt, fpäter audj bem fanonifdjen unb
römifdjen. SJafnn getjören 2lbtjanblungen „über bie 33erjätjrung in Oefterr.",
über öftere. (Stjeredjt, SDienftbarfeiten, 5)3fficf)ttf)eil, SSermädjtniffe, ^nterufurium
u. f. W-, bie in ber öfterr. jurift.=potit. 3eitfd6>riyt bon Söagner unb ©ofliner, fpäter
aud) in bem lütagajin unb Slrcfjib bon ^aimerl gebrudt finb. S)em römifdjen
9ted)te ift eine „93orfd)ule bei röm. 9t." getoibmet. Sern $irdjenred)te gehören
aufjer bem £)anbbudje an einzelne Sluffätje in ber ttjeol. 3eitf$r- fon ^le^,
eine SBrofdjüre über bie bogmatifdje grage bon ber päpftl. Unietjlbarfeit unb
insbefonbere über bie ©rünbe bagegen. ©er ©djtoerpunft feiner litterarifctjen
£rjätigfeit liegt im „ßeljrbud) bei ßirdjenredjti mit 33erücffid)tigung ber auf bie
firdjtidjen üßettjältniffe be<uigner)menben öfterreidjifdjen ©efetje unb SJerorbnungen."
1849—1853, 3 33be. 3. Stuft. 1863-1866. äßäfjrenb in ber erften Slmtage
faft nur bie ftaatlidjen 33erorbnungen, ober bod) fo toefentlidj ben ©toff fjergaben,
bafj bai fanonifdje SRecfjt feine Ototle fpielte, aeigen bie folgenben, namentlich, bie
letzte, mit ber feit 1851 unb befonberi bem Soncorbate eingetretenen Slenberung
eine eigentrjümticrje ÜZBanbetung. 5ß. mar feiner Einlage unb 33ilbung nadj $ofe=
finer, freilief) nidjt fo ausgebilbet toie 9ted)berger, baneben ©toeföfterreierjer, bem
eigentlich jeber nierjt öfterreicf)ifcf)e ßinflu^ ein SDorn im 3luge ift unb roenn er
auef) bom Sßabfte fommt. S)er ßinfluB 'öelfert'i, fircfjlidje Sefcf)äftigung unb
bie ßntmiefetung feit 1848 madjten it)n ju einem teifen Slnfjänger ber ^ircfjen=
freit)eit. 5Diefer 3bJtefbalt jeigt fict) in feinem SBuctje, bai bümeilen rein jofefU
nifei), biitteiten curialtftifcf) atfunet. %n feiner 9Kett)obe unb im ©toffe ift er
bai 5ftufter bei bormär^licrjen öfteireicf)ifcf)en ©elel)rten, ber biete pofitibe ßennt=
niffe Ijat, bor allem im öfterreid)ifcf)en 9ftecf)te, aber ber fbftematifcfjen, bor allem
Ijifiorifcrjen Sluibilbung entbehrt. Sie 9lrt toie bie Quellen unb ©efducfjte
berjanbelt toirb, ift l)ieraui erflärtict}. ©aju gefeiten fiel) eine ©pradje, bie oft
merjr ati barof ift, btelTacf) eine sÄrt ber SBegrünbung, toetcfje faum faßbar ift,
enblict) ber ^Hanget aüfeitig quellenmäßiger ©tubien. Söiffenfcrjaftttcf) ift ha^>
fietjrbucf) unbebeutenb unb Ijat mit bem gortfatt t)^ alten ©toffei ber ©iaati=
gefe^e aud) feine praftifdje 58raud)barfeit bertoren. 3luf bie (jnttoicfelung in
Cefterreid) ift aber ty. feit 1850 nid)t otjne allen ©inftuf; getoefen. Stti Setjrer
toar er toegen feiner berben ©pracfje unb ber nidjt fparfamen Singriffe auf (Sol=
legen bei ben ©tubenten fef)r beliebt; ber feine ifm in jeber ^>infid)t riefig über=
xagenbe ^fjittipi tjatte alimä^lid) im £ird)enred)te biet toeniger 3ut)örer. SSirfte
60 s4Jad)niai)t — $ncf'.
er al§ Set;rer nidjt gcrabeju ultramontan, fo Bereitete er aber bod) ben Boben
für bie Aufnahme fircrjltdjer 2Infprüd>e, bor allem mar er ein <£>erolb bafür,
bafj ba§, ma§ ba§ ©taatSgefet; tt)ut, im ganjen morjtgetljan ift, befähigte atfo
bie Sugenb in bem galten ju bem tjerrfctjenben ©rjfiem mit einer fteinen Neigung
nad) ber ^ird)e. <£)ierfür roirfte er nod) mein: in geitfdiriften, befonber§ bem
„BolfSfreunb" in 2Öien. 9ll§ löinfter fei ber ©eparatabbrud „^reimüt^ige
2öorte gegen bie Soncorbat§=Be*läfierung" SSien 1867 angeführt. 2ll§ llftenfd)
mar $. nad) jeber 9tid)tung t)od£jad)tbar. — SDie biograptjifcrjen 9Jtittt)eitungen
rurjen auf eigeuljänbiger Stufaeidjuung ^acrjmann'S. b. Schulte.
$ad)Iltal)r: Marianus ^., Benebictiner, geb. am 22. Dctober 1728 ju
ßematen in Oberöfterreidj, f 17. 3uni 1805 ^u äöfifcfirdjen beiäßelg. 9flaria=
nu§ ift fein ©rben§name, fein ü£aufname mar 3fof)ann ©eorg. (Jr ftubirte am
©tjmnafium unb Stjceum ju $rem§münfter, trat bort in ben Drben ein, legte
13. 9tobember 17 48 bie ©elübbe ab, *\etyte feine ©tubien in $rem§münfter unb
in ©atjburg fort unb mürbe 1. sDiai 1754 jum ^rieftet geroeirjt. (Sr letjrte
1754—61 in feiner 2l6tci $f)ilofopl)ie, Mattjematif unb $fmfif, feit 1757 aud)
©efctjidjte unb mirfte bann an öetf ergebenen Orten, jute^t in SBei&fircrjen als
©eelforger. ©ebrudt ift bon itjm „Historico-chronologica series abbatum et
religiosorum monasterii Cremifanensis", ©terjr 1777 — 82, toier Srjeile in $olio,
nidjt gebtudt ein Chronicon celebris asceterii Cremifanensis. Gür Ijat aud) ©ta =
tuten einer projeetirten „Slfabemie ber gleifjigen" tjintertaffen.
Scriptores ordinis S. Bened. qui 1750 — 1880 fnerunt in Imp. Austr.-
Ung., 1881, p. 329. — SBurjbad) 21, 168. fteufd).
tyüd: Otto b. $. mutbe als ©profi cincS alten Meifinifdjen 9lbelSgefc£)led)tS
um 1480 geboren unb be^og 1499 bie.Uniberfität £cip,jig, um, unterftükt bon
einem (mot)t älteren) Bruber, bie 9ted)te ju ftubiten. Gr ermarb ben furiftiferjen
£)octortitet unb trat — mir miffen nid)t mann — in ben üDienft beS .Sper^ogS
(Seorg bon ©ad)fen ein, beffen befonbereS Vertrauen er ermarb; feit 1519 finben
mir ifjn bon ©eorg ju ben roidjtigften ©cfdjäften betmanbt. 9luf toter 9ieid)§=
tagen mätjrenb ber $aljre 1522 — 1526 bertrat er feinen £)erm, in beffen 9luf=
trag er aufjerbem in ben firdjlidjen unb bolitifdjcn ^>änbeln ber 3ett 3ab,treicr)e
9Jlifftonen übernahm. Slfletn ^ad täufdjte baS Bertrauen beS .fterjogS , inbem
er, um fid) (Selb ju berfdj äffen, mannigfache Betrügereien unb fetmöbe ^ätfdmngen
ausführte. II. a. gab er bor, bem .^erjog ad)ttaufenb ©ulben jur ßinlöfung
beS an baS ©tift 5Jierfeburg berpfänbeten 5lmtS äöeifeenfee borftreden 3u foüen,
mofür ib,m bann (Seorg ba% 9lmt al§ Unterbfanb eingeben merbe; ba§ mufete er
buretj gefälfc^te^ ^Briefe mit be§ ^er^ogg 9iamen unb unter beffen ©iegel (ju mel=
d>em er al§ ^anäteibermefer in 3lbmefenl)eit be§ eigentlid)en ^anäler§ 3'u^tt
r)atte) um fo glaublicher ju madjen unb erfdjminbette auf biefem Söege bon
5|3ribaten mie bon ©tabtgemeinben größere unb fleinere ©ummen. ^aft nod)
ärger mar, bafj er im $ar)re 1527 ben Beitrag be§ SSifcrjof^ bon ^Jlerfeburg
3U ben 9teid)§auflagen , ber ib,m jut Ablieferung übergeben mar, unterfc^lug.
3lugenfdjeinlid) mar ber äußere 3lnla^ ju allen biefen Manipulationen bie ©elb=
berlegentjeit ^>ad'§, ber morjl bon .gmufe au§ mittellos mar unb mit feinem 35e=
amteneinlommen nidjt ^>au§ ju Ijalten berfianb; ba^u fam aber aud) eine 9tei=
gung jur ^ntrigue, meiere beinahe etma§ ^ranft)afte§ b,at (aud) förpertidj fdjeint
5^ad öfter leibenb gemefen 3U fein, mie bei ber Seip^iger S)igputation 1519 unb
auf bem ©peirer 9ieid)Stage 1526); offenbar Ijatte er feine ^reube baran, auf
frummen, für ir)n leben§gefär)rlid)en 2Begen au manbeln; aueb, mufjte er mit
unglaubtid)er ©emanbtb^eit ^atjrelang ber ßntbedung feiner Betrügereien boräu=
beugen. 2lber mie foHte bie ©acb,e fd)tie|lid) auslaufen? 3Jlu^te nidjt bodj
$arf. 61
eine! Sage! alle! an! Sid)t fommen? £ie! mar bie Sage Otto'! 0. *$., al!
er jene £)änbel anbettelte, bie feinen ^tarnen auf bie 9cacfjroelt gebracht unb
SDeutfcrjlanb i. %. 1528 bidjt an ben Sürgerfrieg tjerangefürjrt tjaben. 5ß. näm=
lidj fudjte Anfang 1528 mit bem jungen, tjeißblütigen Sanbgrafen 5pfjilipp öon
Reffen, bem Sorfämpfer ber ßoangelifdjen, Serbinbung unb mußte bemfelbeu
einjureben , baß $önig 5etoinanb , J?urfütft 3oad)im öon Sranbenburg unb
.perjog ©eorg Don Saufen, roeldje im 9Jcai 1527 in Stellau bei cinanber ge=
mefen maren, bort mit anbeten fatrjolifcrjen ©tänben ein Sünbniß 3ur 33efiie =
gung unb Au!tottung bet (Söangelifdjen gefcrjtoffen tjätten. <&tet)t e! bleute mot)l
bei allen gotfcfjetn — au! äußeren unb inneten ©tünben — fefi, baß ein fot»
d)e! Sünbniß nid^t eriftirt r)at, fo mar bod) bie ©acfjlage im JReidje banadj an=
getrau, bem frecfjen Settüger, ber übrigen! audj bie bett. Sünbnißurfunbe für
10,000 (Bulben im Original p liefern öerfpracf), ©lauben p fdjenfen. ^Jfjitipp
fam felbft nacf) Sre!ben, mo ifjn 5ß. jtoar nidjt ba! Original, aber eine an=
geblidj beglaubigte Abfdjtirt feljen ließ, bie ben Sanbgrafen pnädjft ööllig öon
ber Grrjftettjj be! Sünbniffe! überzeugte. 6r eilte nacrj Söeimar, mo er ftdj mit
bem Äurfürften öon Saufen öerfiänbigie; bann rüftete er, um bem brotjenben
Singriff juborjufommen, unb fiel, faum baß feine Lüftungen ooUenbet maren,
ben Sifcrjöfen öon SBürjburg unb Bamberg, melcfje ebenfalls Xfjeilnerjmer be!
Sünbniffe! fein foEten, in! Sanb, inbem er jugletdj bie angebliche Sünbniß*
urfunbe nad) ber öon 5J}.' gelieferten Abfdjriit öeröffenttidjte (sJJlai 1528). ^n=
5toif ctjeti blatte er 5ß., ber fidj mieber 3U ifjm begeben , auf beffen Sitte nad)
Ungarn ju Sodann 3aMöa> oem ©egner £önig gerbinanb'!, entfanbt; ^>.
blatte berfprodjen, bei biefer (Gelegenheit aucr) ©adjfen ju berühren, um bau
Original ju tjolen. Allein er magte e! nidjt, ftd) bort bilden p laffen; öer =
muttjlicb, fjoffte er, junäcrjft öon bem Sanbgrafen bie it)m öorläufig öerfprodjenen
4000 ©utben entgegen .junetjmen unb öerließ fictj für ba! weitere auf feinen er=
finberifdjen ©eift, ber irjn bisher nie im Stiel) gelaffen tjatte. Allein ^t)ilipp"5
fdmelle! Sosfdjlagen machte einen ©trieb, burd) feine Otedjnung. 3)ie ber £beil=
nafjme am Sünbniß berichtigten dürften, befonbet! aud) -£>et3og ©eorg, öer=
fieberten unter entrüftetem ^toteft itjte Unfcbulb unb bie gälfcfmng ber Urfunbe;
ber Sanbgraf mußte feinen ©emärjt-Smann nennen , 3ur größten Ueberrafdjung
be! 2>re!bner £ofe8. %e%t Treilid) tarnen allbalb aud) bie früfjeren Settüge*
reien unb gäljdjungen 5pad'! an bau £age!tid)t. ®ringenb ötrlangte $ergog
©eorg bie Auslieferung be! ungetreuen Beamten; aber ^Ijilibö öermeigerte bie=
felbe; er fürcfjtete mob.1, ftdj übereilt ju rjaben, aber er mar bodj nod) feineö=
megß überzeugt, baß $acf§ Angaben ööllig erbidjtet feien. 2lud) blatte er
biefen früher feine! (adju^e! öerftdjert. ©o ließ er nur 3u, bci% mit 5p., ben er
alletbing! feftäunerjmen ©otge getragen t)atte, in ©egenmart fädjfifdjer 23eöott=
mäd)tigter in Raffet ein Setfjör angeftellt mutbe (^uli 1528), bei roeldjem ber
Angefdmlbigte feine Angaben über ba! SSünbniß aufrectjterrjielt. ©djtießtid)
mutbe 5p. öom Sanbgrafen feine! ©eroatjrfam! entlaffen (3uni 1529), freilid)
nur, um öon nun an ba! elenbe Seben eine! öogelfteien gerje^ten glüdjtling!
ju fügten, i>a ©eorg aEe! aufroanbte, um iljn in feine ^pänbe ju befommen.
2Bir finben 5j}. in äöittenberg, «DtagbcBurg, Sübed; nirgenb! mochte er raften;
überatlrjin folgten if)m bie 33rieie be! fcfjmer bcleibigten ©ebieter!; enbtid), 1536,
mürbe ty. in ben Dciebertanben in Segleitung engliferjer ©efanbten aufgegriffen.
Auf Setreiben .perjog ©eorg"! mac|te man iljm megen be! Setruge! öon 1528
ben 5ßroceß; auf bie ftolter gefpannt, befannte 5p. je^t, jene Sünbnißurfunbe
gefälfdjt p bjaben; er fud)te ^mar bie <&ad)t fo barpftellen, al! fyaht ber Sanb=
graf iljn b.albmeg! ju ber gälfdjung gelungen, aber ba! fonnte fein ©erjidfat
nid)t roenben. $. mürbe burd) Uttf)eit ber nieberlänbifd)en Ütegierung öom
62 5ßabel — ^agcnftedtjer.
8. gebruar 1537 megen 23erratt)S unb Slnftiftung bon Empörung bem £obe
burdj baS Seil beftimmt unb nod) an bem nämlichen Sage Eingerichtet.
Materialien jur ©efdjidjte $acf'S unb ber „5$ad'fd)en |)änbet" in ben
SIrdjiben bon ©rcSben , SGßeimar , Harburg (Ergänzungen aud) im t)eff.
©ammtard)ib ju Harburg). SDie $affeler üßertjörSaften gebr. 3. 30. £>off=
mann, (Samml. rarer unb ungebr. . . . Wactjridjten I. 1736, ©. 69 ff. —
©ie golterauSfagen ©ubenuS, Cod. dipl. Mogunt. IV, ©. 636 ff. —
Sitteratur: 20. ©djomburgf, SDie ^ad'fdjen ^änbel. ©in Beitrag juv
©efd). ^erj. ©eorg'S bon Saufen. (fciftor. £afd)enbud) 1881, ©. 175 ff.) —
,£>. ©djroarj, Sanbgraf s$t)ilipp öon Reffen unb bie s$aä'fdj)en £)änbet (£)iftor.
©tubien XIII, 1884); baS SBerf rietet ftd) gegen ben mit 9ted)t einfttmmig
berurtfjeilten unb abgeroiefenen Serfud) bon ©t. Et)feS, ©efctj. ber ^acTfd^en
<£)änbet, 1881, ben ßanbgrajen $l)ilipp als Seranlaffer ber g-ä'lfdjung ju er=
toeifen ; nod) flägtidjer bie neuefte Seiftung bon Et)feS: Sanbgraf *J)r)ilipp bon
Reffen unb Otto bon *ßad. Eine Entgegnung. 1886.
griebenSburg.
^abd: Surgen $., geb. am 23. 2lpril 1505 ju Üliga, t am 5. Dctober 1571
eben bort. $. mar ber ©oljn eines morjlrjabenben 9tigaer Kaufmanns, ftubirte feit
1526 in aSittenberg, ferjrte barauf in feine Söaterfiabt jurüd, too er 1536 jum
9tatf)Sl)errn, 1547 jum Bürgerin eifter unb 1551 juin mortfüfprenben SBürger*
meifter geroäl)lt mürbe, ein 9lmt, baS er bis ju feinem üLobe befleibete. 3Ibge=
fefjen bon feiner SBerroattungStrjätigfeit fommt ir)m SBebeutung &u als SSerfaffer
eines SLagebudjeS, baS im 5luSjuge erhalten ift unb bon EaSpar -ip. (ber bielleidjt
fein ©orjn roar) fortgefeijt roorben ift. ^urgen'S Sagebud) reicht in ber unS err)al=
tenen ©eftalt bon 1539 bis in baS Enbe ber 60er Sfaljre unb ge^t bann unmerflidj
in baS Stagebud) Eafpar ü}3abef S über, mit meldjem eS in ber Slbfdjrtft, ebentuelt
im SluS^uge ober in ber Verarbeitung beS föigaer SBürgermeifterS EaSpar bom £)offe
berbunben ift. ©ie letzte Eintragung ift bom 4. ©ecember 1593. ©er äfiertl)
biefer SUifjetcrjnuttgen, auf melcrje ber um bie übt. ©efdjidjte t)od)bcrbiente ber=
ftorbene ©tabtbibliotfjefar ©. SBetl^otj (y 1886) als erfter bie 2lufmerffamfeit
lenfte, liegt in ber crjronologifcfjen ©enauigfeit unb fadjlidjen ^ubertäfftgfeit ber=
felben. Sie finb eine unentbehrliche Quelle für bie ©efcrjictjte ber jroei Menfd)en=
alter, bie fie belmnbeln. ©ine forgfättige SluSgabe beS üLejteS nebft Einleitung
finbet man in ben Mitteilungen auS ber libl. ©efdjidjte, 23b. XIII, ©. 291
bis 434 auS ber fjfeber £>. 3. 33ött)fürjr'S. ©djiemann.
s$agamt3: $eter $. , mit feinem eigentlidjen gamitiennamen ©orfljeilge,
geb. au SBanfrieb in Reffen am 30. Mära 1532. ©tubierte in Marburg, mo er
1550 Magifter rourbe; ging bann nad) £)otlanb unb über Italien nac| 2öien,
roo er -mm poeta laureatus gefrönt mürbe; 1561 würbe er ^rofeffor ber £)id)t=
fünft unb ©efd)icf)te in Marburg, l)ier nameutlidj fein latent ju ©elegenrjeitS=
gebtct)tenentfaltenbunb latetnifcrjeEarminabibaftifdj^pljitofopljifclien unb Ijiftortfdjen
El)arafteiS fdjmiebenb. ©ein bebeutcnbfteS SBerf bürfte fein bie erft lange nadj
feinem Sobe (f am 29. Mai 1576 ju äöaufrieb) Veröffentlichte „Praxis metrica
h. e. phrases, elegantiae et vocabulorum authoritates et inventiones poeticae, ex
praecipuis Poetarum coripbaeis congestae". granff. 1609.
g. 20. ©trieber, ©runbt. ^u einer |>eff. (gelehrten» unb ©cr)riftfteEer=
gefdj. S3b. IX. ^oadjim.
$agcnfted)er: 5lrnolb Sllcjanber s^. Sie Sßagenfted&er finb ein an=
gelegenes ©efd)ted)t aus bem Münfterlanbe ; ber früfjefte urfunblid) nadjmeisbare
Slljnljerr mar ^oacrjim (^ocfjem), ber um 1360 als ^atricier unb S3ürger=
meifter ju äBarenborf, einem ©täbtdjen SBeftfatenS lebte, mo fidj mehrere feiner
91ad)fommen nieberlie^en. ©er Sater Slrnolb SllejanberS mar Sllejanber ©iSbert %
^ßagenftedjer. 63
D. U. J., meldjer fürs nad) feine§ SJaterS, Sodann % 2ob 1651 beffen 2Imt
al§ $anjler 3U SBentljeim erhielt, bafjetbe jebocf) naci) bem Uebertritte be§
©rafen b. SBentrjeim 3um $atrjolici§mu§ (1668) nieberlegte, unb furbranben=
burgifdjer Oreftbent am bfa^rteuburgifdjen |)ofe $u üDüffelborf, bann Kurator ber
Uniüerfität ®ui§bnrg mürbe, mo er am 28. Sunt 1688 im 73. Sebengjafjre ba§
geittictje fegnete. SDeffen mit 33arbara (naci) Dan ber 91a 2lnna 9Jtaria) b.
9tobenoerg ämeitetjelicr) erzeugter ©oljn Slrnolb Sllejanber erblicfte am
27. Februar 1659 ju 39entt)eim btö ßicrjt ber SGßelt ; begann feine ©tubien in
Köln, fe^te fie in ©röningen unb Serjben unter SBöcfelmann fort, befudjte tjierauf
bie llmberfitäten bon -£>elmftäbt, Sena, ßeiöjig unb ^ßrag, öromoöirte 1680 -ju
Utrecijt mit ber £)iffertation „de jure virginum" al§ ®octor beiber 9ted)te, practi=
cirte äu Siebe al§ Slnroalt, mürbe 1681 am Slrnolbinum ju ©teinfurt ^rofcfjor
ber ütedjte unb griedjifcrjen ©btadje unb fam nacfj fed)§iärjriger auSgejetdmeter
Sienftteiftung al§ 5ßrofeffor ber (Sttjif unb ^otitir (1686 ober 1687) nad)
Duisburg, mo er fpäter aU aufjerorbenttictjer ^rofeffor aud) iuriftifdje 2}or=
tefungen Ijielt. SSon bort mürbe er ^temticrj gleichseitig nad) granefer, 9ftar=
bürg, .Ipeibelberg, f5töntfurt a. £>. unb ©röningen gerufen; er entfcrjieb ftdj für
©röningen, mo er am 26. ^uni 1696 (nad) 9totermunb 1694) mie in S)ui3=
bürg mit einem feierlichen fRebeacte bon feinem 2er)rftut)te 33efii3 natjm. — 3n
©röningen führte er fünfmal (1697, 1705, 1709, 1712, 1715) bas Otectorat,
unb ging nad) langjähriger, fructjtbarer Serjrtrjätigfeit am 27. Dctobcr 1716
mit %ob ab. S5on ben 3e^r9enofjen al§ Qkxbz ber Uniberfität gebriefen, mar
Slrnolb Sltejanber ein 9ftann bon Ijerborragenber Begabung unb bielfeitigem
Söiffen, ber fid) mit ©efcrjidE in beutfctjen, rjollänbifdjen, italienifctjen, lateintfdjen,
aud) griecrjifdjen ©ebidjten berfudjte, unb bermöge feines gefeierten 9iamen§ audj
aufjertmlb be§ ^eimatljgaue§ tjot)e§ 3lnfet)en genofj. 58on feinen sarjtreidjen bei
9totermunb 33b. V. ©. 1389, ©trieber X. 230 unb ban ber %a, £rj. 15,
©. 25 aufgeführten ©djriften t)aben einige mehrerer Auflagen erlebt; fo: „Aplio-
rismi ad Instit." (Duisb. 1690 12°. ed. 5 Franeker 1705 12°, ed. 6 Harderov.
1748, 8). — „Sicilimenta ad Comp. jur. Schützio-Lauterb. " (Colon. 1694 ed. 3
ib. 1699). — „Admonit. ad Pand." (Colon. 1706 ed. 4 Grön. 1715. — ed. 5
Harderov. 174). „Manualium ad instit. etc. repetita praelectio" (Grön. 1710
12° Frankf. 1724, 12°). — Qu feinen erften arbeiten äätjlt ber „Irnerius in-
juria vapulans s. Comment. ad Autbent." etc. (Duisb. 1691 4° ; 3. f. berat.
3lufl. ©rön. 1702 4°). SDem ©treite, in ben er t)ieburcr) mit bem ^ollänber
(Sornel S5rjn!er§tjoeI über ben 33erfaffer ber Authentica geriete), t)at er ju banfen,
bafj er frütjseitig ber gelehrten SBelt genannt unb befannt mürbe; bod) tjaben
in biefem ©treite beibe Steile bie ©renjen ber sJJlä§igung unb be§ 9lnftanbe§
böüig au§ bem 2luge berloren. S5ie Stje 2llei-anber§ mit ber 9ticr)ter§toct)ter
ßattjarina ©ct)lüter au§ ©ronau mar mit ^mötf ßinbern gefegnet, öon benen
brei ©öb^ne beg ^Bater§ ßaufbat)n betraten (fielje unten). S>ie (im Srudfe er=
fd)ienene) Seictjenrebe auf leiteten Ijiett 1716 ber ©röninger ^rofeffor Sfing!;
in biefer fo mie in ber bon Strnolb Sllejanber $. 1694 öerfafjten 9ftebe „Memoria
Böckelmani" finben fid) mandjertei 2tuffd)lüffe über 5)}agenftecr)er^ 8eben§umftänbe;
beffen Sruftbitb fd)mü(ft al§ 2itelfubfer ben 30. %% ber ©eleljrten gama.
9ceben ?lrnolb 3ltej;anber i[t aud) beffen jüngfter Svuber 2Berner Suftin $.
gn ermäljnen. Um 1670 geboren unb auf mehreren ^od)fd)ulen gebilbet, mürbe
er nad) größeren Reifen 1695 ^ßrofeffor ber 9red)te gu 5Duiiburg. bann ©et)eim=
xatt), aud) ßecjenprobfl bafelbft unb cjäufig gu biblomatifd)en ©enbungen ber=
menbet. 1727 gum Sßicefanäler in Harburg ernannt, refignirte er 1736 unb
ftarb 1742. 91ad) bem ©djriftenüeräeidjnit bei 3totermunb (III 1397) fdjrieb
64 ^agenftectjer.
er: „Principia Justin, nova juxta seriem Instit." 1698 12° unb einige römifdj=
redjttidje 9lbr)anblungen. —
23on ben brei ©öfjneu 2lrnolb 2Ilq:anber§, roelctje ben juriftiferjen 2ef)rftuf)t
Betraten, ift ber bebeutenbfte ber ältefie berfetben, 3ot)ann $ rieb rief) 3B 1 1 =
Jjelm 5ß. 3U «Steinfurt am 25. i^uli (nadj öan ber 9la am 23. ^uli in 2>ui£=
bürg) 1686 geboren, begann er feine ©tuöicn in Bremen, fjörte als Jüngling
oon 15 ^arjren (1701) ju ©röningen ttjeotogtfdje, bann unter Anleitung feines
SSaterS unb 3finfS, juriftifdje Sorlefungen, erroarb bafelbft 1705 bic äßürbe
etneS 2)octor§ beiber Otedjte, rourbe fd)on 1707 im 9llter bon 20 Salden aufjer=
otbentlid)er ^rofeffor ber 9tecf)te in Harburg, unb ging im näcfjften 3fatjre alä
orbenttidjer Sßrofeffor unb ©et)eimficretär nad) ©teinfurt, roo er aud) bie ^3ro=
feffur für (Sefcfjictjte unb 2lttertl)ümer ertjielt, unb 1720 jum 9tegierung§ratf)
unb (nad) üDunfcl, tjiftor. 9cncf)r.) ^um ©ogiafen beförbert rourbe. 2lm 13. Sunt
1721 betrat er in Solge eines 1720 an it)n ergangenen 9tufe§ ben Setvrfiutjl
<ju £mrberror)tf mit einer Slnfpradje, metdje roie bie meiften feiner 3ftebeu, an feine
früheren ttjeulogifdjen ©tubien erinnerte. $n ^arberrotjcE tjiett ty. nad) bem
Süeggange bon DhmgiuS unb Sieben neben juriftifdjen SJorlefungen folcfje über
Sitteratur unb ferjöne äBiffenfcfjaften, befteibete biermal baS Utectorat (1723,
1728, 1735, 1741) unb fd)lofe bort jeine aroeite <Jb> mit ber $rofeffor§tod)ter
Slmalie 3ßafor. $p. ftarb am 3. 9tobember 1746 (nact) ban ber 8t a 2. sJ£o=
üember 1744) unb rourbe at§ einer ber bebeutenbften ßetjrer ber ,g>od)fcf)ule öon
feinen 3ut)örern aufrictjtig betrauert, beren ^Jce^rjatjt it)n zeitlebens al§ itjren
ahmten 3}ater nererjrt tjatte. ©einen $inbern t)interlief$ er jroar einen gefeierten
Diamen, aber feine irbifetjen ©üter. SDie übtidje ßeidjenrebe tjiett am 19. 9to=
bember 5profeffor ©erfjarb ©djröber.
Sorjann g-rtebrid) SöiltjetmS fdjriftlid)e Slrbettcn umfaßten aud) bie fcfjönen
3öiffenfd)aften ; fo fdyrieb er: „de Mercurio Trysmegisto" (1708 4°) „Oratio de
pyxide Pandorae" (1708) unb fein 1703 12° ju Duisburg DertegteS „Libellus
de barba" rourbe ^u Vertigo 1715 unb 1746 aufs neue IjerauSgegeben. ,£)aupt=
fäcf)tid) aber befetjäftigte er fidj mit juriftifdjen 2)iffertationen, unb beröffentticfjte
eine ©ammtung berfetben in tiier Sßänben unter ben Sitein: „Jurisprudentia
polemica" (1724 4°, 1730 4U) unb „Selectae juris quaestiones" (III Partes
1730, 1736 unb 1743). gerner „Enchiridion politices" (1743) unb „Tabula
juridica exhibens differentias in spinosa materia" (1741, 4°). SDie in 2)unfel§
t)ift.=crit. ytad)x. II 829 über biefen ©etetjrten enthaltenen Angaben bebürfen
mancher 93erid)tigung.
2)er jroeite ©ofjn 3lrnolb SllejanberS, £) ein rief) Scjeobor 5p. , geb. ju
©röningen am 7. December 169(5, ftarb ju Duisburg am 8. ^uni 1752;
ftubierte tjauptfäcrjltd) bei feinem i^ater bie 9ted)te, erroarb 1715 ben 3)octort)ut,
rourbe nad) beS Setjteren £ob (1716) Lector Juris, 1719 orbentlicfjer Sßrofeffot ber
©efd)id)te unb öerebtfamfeit, aud) au£erorbentlid)er ^rofeffor ber sJted)te am
afabemifd)cn ©rjmnafium ju Singen, 1721 orbenttid)er ^rofeffor ber 9ted)te unb
^olitit in ^)amm, unb überfiebelte 1728 in gleicljer @igenfd)aft nad) Duisburg,
©inem nad) bem Höbe feines SSruberS ^ol)ann giiebrid) 2Bitt)elm 1747 er=
gangenen 9tufe ber t)of)en ©d)ute ju ^arberrorjt leiftete er feine {falge, mutt)=
mafjtid) weil it)m bie erbetene (üntlaffung nerroeigert rourbe. (5r entfaltete eine
rege titterarifcfje 2l)ätigfeit unb befafjte fiel) eingetjenb mit ben ©ctjriften be§
römifd)en ^uriften Sextus Pomponius. ^)ierf)er getjören: „Comnient. in Sexti
Pomponii ICti, quae in Paudectis Justiniani reliqua sunt P. I", 1723, auetior
1725, P. IL 1725 — P. III. 1723. P. IV. 1733 unb 1735. gerner gab er
unter bem Xitel: „Jus Pegasianum" etc. (1741 4°) bie in ben *JJanbecten ent=
Ijialtenen ©entenjen beS ^ßegafuS t)erau§; enblid) beranftattete er eine ©ammlung
s.ßagenfted)er. 65
Derfdjiebenartiger SDiffertattonen , bie et: „Dissertationum varii argumenti
E^NEstZu (1746) beäeidmete.
2ludj bie Betben ©ötme ,g)einridj Xfyeobor'S — 3°fJann Süejanber
äöinanb unb 2lnbrea§ 2Bitfjetm, — Weldje au§ beffen 1721 mit einer
Jodetet be§ preufjifctjen 9tefibenten r>. ©djerpenseet in 2lmfterbam gefdjtoffenen
©{je tjeröorgingen , wählten bie afabemifdje ßaufbaljn. SDer ältere (^otjann
2llejanber2öinanb), 1722 in |)atnm geboren, ftnbierte in Duisburg, .promo*
üirte 1748 in ben sÄed)ten unb war bortfelbft al§ orbentlidjer s#rofeffor längere
£eit 2lmt§genoffe feines 33ater§. äöärjrenb be§ fiebenjäljrigen Jhiegeä ging er
nadj SBageningen a. 3rt)ein, bon bort Würbe er im Dctober 1757 al§ 9te<Jt3=
leerer nadj ■gmrberwrjcf gerufen unb tjielt bajetbft am 14. Januar 1758 feine
2tnhitt8rebe übet bie 9terf)tSgelel)rtrjeit be§ Xertullian (Harderov. 1768). 2118
ein bebeutenber ßefjrer ber <£)od}fd)ule empfing er burd) bereu Kuratoren bon
£eit au 3eit SSeweife ber Slnerfennung ; f o rourbe irjm ber Xitel eineS professor
Primarius öerlierjen, unb 1765 erhielt er ben Auftrag über ßerjenredjt unb
9ted)t8pfjilofopl)ie Vorträge ju galten, ^n golge i)or)en 2llter8 legte er am
11. 3uni 1794 mit bem Xitel eineS prof. honorarius fein 2lmt nieber unb ftarb
im 74. 2eben8jat)re am 23. (nad) öan ber 3t a am 25.) Stuguft 1796. «p. be=
nütjte bisweilen Promotionen fjerüorragenber ©tubierenber ober ätjntidje Slntäffe,
um über wichtige 2lngetegenf)eiten öffentlich ju fpredjen, unb finb bei ban ber 2la
(©. 31) bie Xitel fed)8 berartiger üteben unfer8 ©eletjtten aufgeführt; ber fdjrift=
lid)e 9tad)lafj befteljt auS mehreren £)iffertattonen.
SDeffen älteften ©ofjn au8 ber @t)e mit «JJtatia Gslifabet Dan ©roin,
Xtjeobor Sodann, alfo einen Ur=Urenfel beS eingangSbefprocfjenen Sltejanber
©iSbert $. , treffen mir ebenfalls in ben 9teirjen ber gelehrten ^uriften. <£r
ftubierte 1768 ju ©röningen, promotiirte bafelbft am 17. 9Jtai 1776 als SDoctor
beiber SHed)te, unb roar wiebertjolt für ben juriftifd)en Set)rftut)t in Siebenter in
2luSfid)t genommen, ©päter rourbe er mit einem tjörjeren 9lid)teramte betraut,
bem er, wegen feiner ^enntniffe unb Urtpatteilid)!ett attgemein öerefjrt, bis ju
feinem Xobe öorftanb.
XrjeoborS jüngerer Onfel, ber üorgenannte 2lnbreaS äötlljetm $., ift
um 1724 au ^pamm geboren; narjm 1745 in Duisburg ben ©octorgrab, ging
1748 als aufjerorbenttidjer ^rofeffor nad) Harburg, rourbe 1750 9tegietungS= unb
ßonfiftoriatratrj, wo er laum 28 ^arjr alt, 1752 unöerrjeirattjet baS 3eitlid)e
fegnete. 6r fd)rieb, wie alle Socenten jener 3eit, einige £>iffertationen unb
Programme, beren Sßeraeidmifj bei ©trieber 31t finben, 33b. 8, ©. 246—247.
Um bie gtänsenbe Steige tjeröorragenber 9ted)t8gelef)rter auS ber Familie 5ß.
3U erfdjöpfen, übrigt nod) ben brüten unb jüngften ©oljn beS obenerwähnten
SUejanber taolb, (Stnft Sllejanber Otto SomeliuS (auf ben Xiteln
feiner ©d&rtften meift nur (Stnft 9lle$anber genannt) 3u befpredjen. 2lm
7. £)ecember 1697 in ©röningen geboren, befudjte er al8 ©djüler feine§ StotetS
bie bortige llnitietfität, würbe' 1716 bafelbft ®octor beiber 9ted)te, bann Doctor
juris, unb 1721 Ütad)foIger feineä Sßruber§ ^einrictj X^eobor auf bem ©rjmnafium
ju Singen, ©ort lehrte er al8 orb entließ er ^rofeffor @efd)id)te unb Serebt=
fam!eit, al8 aufjerorbenttierjer bie 9decl)t§wif]enfd)aft. ^ad) wenigen Sarjren berief
i^n Surft Söil^elm öon 9iaffau in gleicher @igenfd)aft nad) ^erborn, Wo er
aud) bie <Sünbirat§gefd)äfte befolgte; 1733 würbe er öom dürften 6b;riftian 3"^
Üiatfj ernannt, in welker Stellung er feine beiben öorgenannten SBrüber über=
lebte. @rnft 2llejanber ftarb am 3. Sluguft 1753. — ®a§ unter bem
Xitel: „Juris traetatuum sparsim hueusque editorum, nonnulli sequentes" 1734
unb 1735 erfctjienene ©ammetWerf enthält im erften Sanbe ad)t, im sweiten
fecl)S Slb^anblungen, — Wot)t bie meiften unb gebiegenften be§ 35erfaffer8.
'Jtngem. bcuHt^e SMografe^te. XXV. 5
66 ^agenftedjer.
(lieber bie ftamiUe ^agenftetfjer:) ©trieber, fjeff. @el.=@efd). 33b. 10,
©. 221—25. (lieber 31rnolb (Stöbert, — äöerner Suftin — 31nbreaä äöilb/lm)
©trieber a. a. £). 228. 221. 245. — (Ueber 3ltejanber Slrnotb — Sodann $rie=
brid) 2Bitb,elm — |)einrid) SLtjeobor — Soljann 3IIej:anber 3Binanb) ©trieber
a. a. £). ©. 230. 232. 233. 245, namentlid) aber $• 31. öan ber 31a, biogr.
Woordenboek 15. 23b., ©. 24. 29. 27. 31 unb bie bort fet)r erfd)öpfenb
mitgeteilte biograpt)ifdje Sitteratur. — (lieber £ljeobor Sofyann unb Srnft
31tejanber) »an ber 3la a. a. C. ©. 31 u. 28. lieber tetjtern unb anbere
©lieber ber gamilie aud) «Dleujel, Sej. X, 266—271. <5ifen§art.
^agcilftcdjcr : 3ialob griebrid) sJJtori§ ty. , gfotftmann, geboren am
3. Wärj 1793 ju Menburg (bamalä naffauifd)) , f am 8. «ötftrj 1864 au
äBieibaben. 6r erhielt feine ©djutbilbung im elterlichen Jpaufe (fein 33ater mar
Äammeraffeffor, fpäter (Sei). Regierungäratf)) unb ftubirte toom 17. %aX)x ab
5orfttt>iffenfd)aft aunädjft auf ber 3lfabemie |>erborn — fpäter mit einigen Unter=
bred)ungen btö jum grübjaljr 1813 auf ber Uniberfität ©iefjen. Rocb, in bem*
felben Saläre mürbe er jum $orftget)ülfen bei bem gorftinfpectionSbureau ®itten=
bürg unb äugleidj Repierförfter be§ bafigen ReüicrS ernannt. S5ie friegerifdjen
Gsreigniffe beä üertjängniftbotlen 3EaIjre§ öereitelten jebodj bie mirflidje lieber*
ualjme biefer ©teEung unb beraulafeten ty. aU greiroitliger unter ba§ 3fägercorp§
einzutreten, bei welchem er ben gelb§ug 1813/14 at§ Oberjäger mitmadjte. 33iS
1818 öerbtieb er — feit 27. 3luguft 1814 jum ©econbelieutenant beförbert —
im 9Jtititävbienfte. 3U 3lnfang 1818 mürbe er jum gorftaffiftenten in £>ad)en
bürg ernannt, 1826 in gleicher ©igenfdjaft nad) 3Bie3baben üerfe^t unb toenige
Monate fpäter jum 33ermalter beä Sangenljainer Rebierä beförbert. 1835 fam
er al§ Oberförfter nad) ©pringen mit bem SBofjnfiije in ©djmalbad); 1840 erhielt
er, at§ erfter ^otftabfdjä^ungöcommiffär für ben Dberforft S)iüenburg, bie 2Balb=
fteuerregutirung§arbeiten übertragen; 1844 mürbe er burd) ba§ ftorftmeifterpatent
auägejeidjnet unb 1845 jum Dberfoiftbeamten für ben ^nfpectionäbejirf $bftein
ernannt, ©en ©d)luf$ftein feiner forftlidjen Saufbatjn bilbet enblid) feine 6r=
nennung ^um Referenten be§ naffauijdjen f5rorftrDefen§ bei ber ^erjogl. 2anbe§=
regierung mit bem £itel: £)berforftratf) (burd) beeret öom 30. October 1859),
in meld)er Güigenfd)aft er jugteid) SJorfitjenbcr ber forftltdjen ^rüfung§commtffton
mürbe, metdjer er fd)on feit 1846 angehörte.
3ß. nimmt unter ben naffauifdjen gorftroirtt)en eine fjerborragenbe ©teile
ein. 3113 2SiTtIjfd)aft3beamter führte er in Raffau juerft bie 33aumrobung ein
(in Sangentjain) unb forftete (im ©pringer Rebier) au§gebelmte ^läctjen mittelft
2Balbfelbbaubetrieb§ erfolgreich auf. 3113 Sajator üerfiel er auf bie Ijödjft glüd=
tidje 3bee, burd) 3er^Qung be§ ©efammtetatg in einen «g>o!ä= unb ßaubetat,
ber innigen Söedjfelmirfung ^tuifcljen ©treunuüung unb -gml^umadjä einen praf>
tifdjen 3lu§brud ju berfdjaffen. @rl)öljte X?aubftreuanfprüd)e ber 33ebölferung
mürben nämlid) burd) eine £>erabminberung be§ ^oljetatS au§geglid)en. #öäf)renb
feiner 3Bir!famfeit at§ Oberforftbeamter grünbete er einen ft-orftlefe= unb f5orfi=
öerein, meldjer nod) bleute befielt. 31l§ Dirigent ber gorftPermaltung natjm er
ben b^auptfäd^lidiften 31nt^eil an einer 9teif)e fegen§reid)er 9ieformen ber f?rorft=
tierraaltung, 3. 33. an ber Gümanirung eines neuen gorftftrafgefefeeä, bem (5rla|
pon ^nftruetionen für ©emeinbebeljörben unb f^örftex, ber Regelung ber S)ienft=
Seit be§ ^frp^fortatS uno bergl. me^r- SDie Rotfjmenbigfeit ber ftänbigen iVür=
forge be§ gorftmannS für ben 3Balb nad) allen Richtungen b,in unb ben ßrfolg
eines berartigen intenftPen 33emirtt)fd)aftung§ft)ftemS pflegte $. bureb, ben ©prudj
auSjubrüden: „3Sol)in ein gorftmann fiefjt, ba mäd)ft ein33aum!" Sfm ©anjen
^at ^J. bem ©taate über 50 ^aljre lang treue 2)ienfte geleiftet, aHevmärt§ an=
regenb, mit ber glüdtidjen ©abe au§geftattet, fid) rafd) in bie gegebenen 23erl)ätt=
ipagenftedjer. 67
niffe ju finben , getjter ber 3Birtf)fc^a|t leicht ju entbeden unb bie geeigneten
(Segenmittel auäfinbig au madjen.
^allgemeine gfoift- unb ^agbaeitung, 1860, ©. 97 unb 1864, ©. 317. -
ftorftlidje ^Beilage bei 2Bod)enblatt§ beä Vereins naffauifd^er 2anb= unb Sfotft*
wirtfje 9lr. 19 öon 1864 (ad äöodjenblatt 9ir. 29 öom 16. 3uti beffetben
3af)reä). — ftr. b. Söffelrjola-Golberg, Sfjreftomatrjie. II. ©. 402, 9tr. 714a,
33emerfung 325 (ütobegjatjr unnötig). — Spriüatmittrjeilungen. 91. «g> c fe-
'ipagenftcdjer: fjfriebxidj Hermann Sllejanber $p. tourbe am 21. Slprit
1828 auäöallau geboren, toofelbft fein Sater ftriebrid) $. (f. o.) bamate als 06er*
förfier angeftcttt mar. % erhielt feinen erften Unterridjt in bem 2et)enbecfer'fd)en
Snftitute ju SBieäbaben, befudjte fpäter ba§ ©pmnafium au äöeilbuxg, too er
1846 ba§ IDtaturitäteexamen abfolöirte. (£r toibmete fidj barauf bem ©tubium
ber SUtebicin auf ben llniberfitäten ©ießen, ^eibelberg unb SBiirjBurg unb tourbe
1849 aum ffioctor promoöirt. 3m äöinter 1849 50 beftanb *ß. fein erfteä
©taateejamen in SÖieäbaben; 1851 ging er nacr) sparte, um fidj bort mit be=
fonberem Sifer bem ©tubium ber 2lugent)eilfunbe unter ben bamaligen Äort)=
ptjäen SemarreS unb ©idjel ju toibmen. 1852 tourbe er als 2lccefftft im ßiötl*
Ijogpital ju 2Bie§baben angefteltt unb ertoarb fidj fealb eine auigebe^nte 5Ptajt3,
befonberä in ber Slugenrjeitfunbe. 1853 grünbetc er bie 9lugent)eitanftalt au
äöiegbaben, ein äöot)tttjätigfeitginftitut, ba§ öorauggraeife burd) freitoittigc ^Beiträge
unterhalten toirb. Slnfänglid) nur in befdjeibenex äöeife unb mit geringen
SDtitteln gegrünbet, toudjs e§ unter Spagenftedjer'ä Seitung au einem großartigen
.gtofpitale tjeran, ba§ bei feinem Stöbe über 75 Seiten für 2Iugenfranfe üer=
fügte. 4?ier betoieä fidj Sp. nidjt nur ate ein eminent Ijerborragenber Opera*
teur unb öoxaüglidjex üDjerapeut, fonbern er üerfianb e§ audj, feine reidjen @r=
fatjrungen unb Seobadjtungen in aatjtreidjen toiffenfdjaftlidjen $Rittt)eilungen
nieber^ulegen. $m herein mit mehreren SKffiftenten gab er feine „Älinifdjen
^Beobachtungen auö ber Slugentjeilanftalt au Söieäbaben" t)erau§. SDie öon iijm
angegebene unb mit großem ©lud ausgeführte Operation be§ grauen ©taar§ in
gefdjloffener Zapfet wirb nodj tjcute al§ bie ibealfie aller SDMrjoben anerfannt.
©eine in bie 9lugenljeitfunbe eingeführte unb nadj if)m benannte gelbe ipräci*
pitatfalbe ift jux 3eit in allen 2lugenflinifen bex äßelt im ©ebraud). ©ein ^paupt=
öerbienft gipfelt jebodj in feiner praftifdjen £t)ätigteit, burd) bie er fiel) fdjon
nad) furjer 3eit einen äöeltruf ertoarb, fobaß 2lugenfranfe au§ alten Sänbern
bei il)m Teilung fudjten unb fanben. $. ftarb am 31. S)ecember 1879 im beften
Sölanne§alter. ©uxdj einen unglüdlid^en 3ufatt auf ber ^agb traf i^n bie $uget
be§ eignen ©etoet)re§ unb betoirfte eine töbtlidje ^opfüerlefeung , ber er am
3toeiten 2age unterlag. ^ermann Spagenftedjer.
^ogcnftcd)Cr : |)einridj Äarl Sltejanber Sp., «ttrjt, Slbgeoibneter jum
beutfdjen Parlament unb jur jtoeiten babifdjen Kammer, geb. 11. ^uli 1799
au |)erborn, f au &eibelberg am 20. 3Jlära 1869, einjigeg Äinb öon 6rnft
©erwarb $. (©trieber, ©xunbl. 3. e. b,effifd)en ©clc^rtcn* unb ©d)riftfteaer»
©efdjidjte X, p. 235), toetdjer, ate legier, eine Sprofeffur an ber 2lfabemie |>er=
born ertjalten, fidj mit Henriette S)orot^ea, iüngfter lodjter be§ ©uperintenbenten
Otterbein in SSurbadj öermäf)lt t)atte unb am 2 3uni 1818 at§ Sibtiottjefar in
äöieäbaben ftarb. — S3ei UnboUfommenb.eit ber ©cfjute öerbanfte Sp., toai an
aSitbung er fpöter Ijerborragenb befaß, im Meinte bem Söater, in bex 2tu§füf)rung
feinem eignen regen ©inne, ber Pietät gegen Silbung jeber 2lvt, bem, baß in
feinem 5llter er üerfäumte, au§ Arbeit unb öenuß aurüdaufeb.ren au emfiger
gorfdjung. — 9Jlit 16 Mrcn in ^eibelberg ©tubent ber Sfltebicin, erhielt er für
bie ©djrift „de metastasi" bie golbene «Dtebaitie unb promooirte am 2. Dctober
1819. 3ufättigfeiten führten i^n unter bie Teutonen ober ©djtoarjen. ßrfjabene
68 5ßagenfied)er.
$been, lautere Sitten feffelten ihn, mecjr einzelne überlegene Männer, befonberä
$. Rotten; altei praftifdj bemagogifdje ftiefe ifjn ab. 2)ajj er ©anb'ä
SBvtcf an feine Butter einer S^ung in ©peper übergab, unb Briefe an 23urfd)en=
fctjaftler in ftreiburg brachten itjn in Unterfudjungsrjaft. $u feinen bieten fagte
©oet^e : „biefe jungen ßeute finb einzeln ganj braö unb gut; itjr 3ufammen=
tjang, itjre ftreunbfctjaft ift e3 hie fte ruinirt." — S)em jungen Soctor förberte
s^ari§ bie mebicinifdje GHnfidjt burdj Setter, meldje it)r ftad) or)ne geteerte S3er=
tiefung energifdj tjanbrjabten ; statten ertjob itjm über ba§ ®eroöt)nlidje bie
äftb,etifd)e 2lu§bilbung. @r beftanb 1820 ba§ naffauifdje ©taat§ej;amen, in ber
alten ©eletjrtenfamitie ber erfte Slrjt, fam 1821 als 9Jtebicinataffiftent nadj bem
©täbtdjen sJtaffau unb Permärjlte ftdj am 27. Februar 1823 mit $ulie
3ung au§ (Stberfetb. S)a§ anerbieten eine§ Ser)rftutjli in SDorpat, ätoar ab=
gelernt, entfdjieb ;jur Ueberfiebelung in einen größeren SöiriungSfreiS, nad)
(Jtberfetb, mo^u ty. 1824 baä preufeifdje ©taatäeramen ablegte. — @r mufete
feine Sjiften^ neu aufbauen. Viele Sarjre nährte, trotj Ueberanftrengung unb
ber ©attin entfagenber ©orge, bie Arbeit nicf)t bie gamilie. $Hjer 0ie J^ätigfeit
in alten ©d)idi)ten be§ Volte tiefe itjn mit ßtberfelb üermadjfen, bie 9Jtufee ge=
ftattete itjm Vertiefung ber ©tubten unb fdjriftftetterifdje arbeiten. @r warb
enblid) ber angefetjenfte Str^t be§ SöuppertrjalS. 1842 grünbete er ben äratlidjen
Verein be§ ^Regierungsbezirk 2)üffetborf, 1847 bie äöittmenfaffe. 2)iefe Güpodje
frönten ba§ 2)octorjubi(äum, bie (Sinfürjrung ber alleren ©örjne in bie s$rari§,
bie füberne .£)od)<jeit, meldje ein fyeft ber ©tabt mar. — 91 m felben £age brachte
bie sJtad)ricf)t Pon ber 9tet)o(ution in *ßari§ neue, politifdje Aufgaben, benen fein
patriotifd)e§ ^perj fid) nidjt entjierjen mottle. @r leitete einige Verfammlungen
unb al§ ber jum Vorparlament abgeorbnete 21. b. b. .'pepbt »erlangte, bafe ty.
ü)m mitgegeben merbe, natjm er ba§ an. 3?m ^ünfäigerauSfctjufe, ber 2lbtt)eitung
für ba§ 2lu£märtige präfibirenb, Perlebte er r)offnung§reid)e 2Bod)en. $um
Parlamente mürbe er für Slberfelb unb Carmen einftimmig gemätjlt auf baä
Programm ber (5int)eit 2)eutfd)lanb§ unter $reufeen§ ^ütjrung. @r gehörte in
granffurt jur ßafinopartei unb fafe im öolf§mirtt)fd)aftlictjen Sluöfd^u^. Un=
fdjöpferifdje Unflartjeit einerfeitS, SonPenttünfte im Vunbe mit morbluftigem
työhel ber ©alterte unb ber ©äffe anbrerfeitS lähmten bie Arbeit tjingebenber
VatertanbSfreunbe. 93ei ber Unmöglicrjfeit, bie preufeifdje ©ptfee ju erreichen,
braute $. mit Sette ben Eintrag auf eine probiforifd)e £ria3 ein, melclje ebenfo
Pom Sluäfdjufee buref) jDarjtmann empfotjlen mürbe. ©agernS lürjner ©riff, bafe
ba§ Parlament bie Sjecutiöe fetbft fetjaffen muffe, ein nidjt gut ju maetjenber
^etiler, 3toang, fid£) aur 2öal)l beä @r^eräog§ ^ol)ann ju bequemen, mit roeldjer
eigentticl) niemanb aufrieben mar, nirfjt einmal bie Defterreidjer, roeil fie nur
ein ^roöiforium mar. 3umal bei ber Sßerfjanblung über ben äßaffenftiEftanb
Don ^Jtalmoe fab, $., bafe e§ fid) nid^t mel)r um 23erfaffung unb (Sinrjeit, fonbem
barum b^anble, ob ftürftengemalt ober Umftur^ fiegen meibe. Um nidjt ber
©efab^r p meinen, öerliefe er ^'antfurt erft am 2. ^oüember. (Slberielb empfing
itjn feftlicb,; feine 9iebe 3är)mte auet) bie ^»eräen ber Arbeiter. üDoct) mar feine
3eit oorbei. 5Jlit ben politifd)en greunben blieb er Perbunben, letjnle aber aht
nad) ©ottja au geb^en. — diejenigen, metcl)e bie 9teid)8Perfaffung auf§ Sleufeerfte
befämpft Ratten, fdjrieben fie nad) ber 35ermerfung in Sertin auf bie ga^ne.
S)ie§ Permorrene Skrlmttnifj fdjuf, ungefc^idte ^Jlaferegetn entmidelten ben @lber=
fetber Slufftanb Dom SÖlax 1849. Q}or Saufenben Pon 3uaüglern flüchteten bie
(Sinmoliner. 2luf Sitten ftd) ermannenber Sürgermeb.rleute unb ber reuigen
Sanbmerjr ermirfte $. in Berlin, bafe man ber ©tabt 3eit liefe. @r ftedte
einigen gfürjrern ^eifegetb äu, bie ©djaaren Perliefen fic^. — ?loc^ einmal flieg
^. in ber Grjoleraepibemie öon 1849—50 in bie Bütten ber 2lrmutb„ oline
W- 69
Sagen unb drrmüben, bi8 ibn felbft unb bie ©einen bie (geuctje ergriff. 23e=
beutenbe Glittet brachte er 1850 für ©d)le8tDig»#olftein äufammen. — 2118 burcb
ben 2:ob beS ausgejeicrjneten Sctjmiegernaters 1852 iljm jufallenbeS Vermögen es
geftattete, fcijuf er fid) einen ibrjUifcben Ütubefitj in |jeibetberg, roo er, trotj
fdjmerfter ©djidfalSfcfiläge, in anfprud)8tofem 23erfef)re mit ausgezeichneten O^eunben
jcböne Jabre tierlebte. Sßiberftrebenb, mürbe er noctj einmal }u politifcrjer
Stjätigfett berangejogen, ^uerft als 33orfit$enber ber 3)urlad)er Gonferenjen, im
erfolgreichen Kampfe gegen bie befcbloffene $ircbenorbnung unb baS Goncorbat,
bann 1863 als 2lbgeorbneter jur ^meiten Kammer für 2jßeinbeim=2abenburg.
S)ie Ütegierung mar ibm ftympatbifd), bie Kammern gaben ibm ^freunbe unb
Anregung. 2lber einen Srfaij Tür bie ^poffnungslofigfeit ber beutfcben
Suftänbe gab ibm biefe £bätigfeit ebenfo tnenig als 2lemter in ©emeinbe
unb ÄreiS, roelcbe man bem beliebten sIftanne übertrug. — SDer 2lbgeorbneten=
tag unb ber ^roteftantentag in granffurt, unter feiner £b,eilnabme, bie
Jubelfeier ber Scbtadjt bei Seidig, bei metcfjer it)m bie ^feftrebe übertragen
mar, bie neuen ©cbleSmig=.£)olfteincomiteS nacb bem 2obe beS Königs bon 2)äne=
mar! be^eictineten ein (Srmacben beS 23olfSgeifteS , auS melcbem $. ben erften
JmputS jur 9Zeugeftaltung ®eutfcblanbS ju boffen nidjt aufhörte. 2118 ^reufjen
fid) jur 2lbi'ecbnung mit Defterreid) bereit ftellte, nad) forgfättiger Vorbereitung
ber -JDlittet, al8 5ß. einfaf), mie nun nidjt miberfptucbiPolle Stimmungen, fonbern
bie Jbaten entfdjeiben mürben, nidjt einen 2lugenbticf smeifelnb, mobin SSerftanb
unb i>er^ riefen, ba mar in anberen baS nocb nidjt gereift unb er fab, mie
SBIuntjdjli unb Jottt) in ber erften, fo fiel) in ber jmeiten Kammer mit ,!poffnugen
unb Srjmpatbie öereinfamt. 3>r furzen 9tad)t folgte ber £ag ber ßntf Reibung.
2)ie ^ammerfituing, meldje bem 5Jcinifterium 5Jcatbt)=3oIlrj bie ©runblagen ber
neuen ^flititäröerfaffung gemährte, mar bie letzte, an melier 5ß. Xbeil naljm.
6r meinte, bat} man bie 23otlenbung be8 norbbeutfdjen 23unbeS jur beutfdjen
(Sinbeit mit ©ebulb ermarten muffe, fat) mit 23efümmernif3 ben Liberalismus auf
abfetjüffige 23abnen geratben , erlebte nicljt met)r, bafj neue, größere, größte
$riegStbaten *ßreujjenS unb 2)eutfcbtanbS aud) biefe potittfdje (Jpocrje ju böd)fter
23efriebigung unb bödjftem 3tubme febtoffen. »ßagenftedjer'S miebtigfte mebicinifebe
2lrbeiten finb : „23eiträge jur näheren Ghforfdmng be8 Asthma thymicum (23e^
banblung mit Zincum hydrocyanicum).u ^eibelberger 2lnnalen 7. 23b. 2. £>.
<S. 256—294. 1831. *„2)ie 'aftatifebe ßbolera in glberfelb Pom $erbft 1849
bis 3um ftrüb,ling 1850." glberfelb 1851.
-Ipeinr. 2lteranber $ agenftedjer.
$atyl: Johann ©ottfrieb ö. % mürbe geboren am 12. Juni 1768
in 2laten, einer ber fteinften fcbroäbifctjen Dteicbsftäbte, a!8 <&obn eine§ Sebfücbnere
unb Kaufmanns. 2lm ©eburtSort fetbft nur notljbürftig für bie ^odjfdjule
vorbereitet ging er nach 2lltborf, um bort proteftantifct)e Geologie ju ftubiren,
allein baS 23erpegeu feiner 23Iittel jmang ibn bor ber 3^it bie ^)örfäte ju öer»
laffen unb auf ^farröicariaten ein fbärlictjeS 2lusfommen ju fudjen, bie Lüden
feiner Äenntniffe aber bureb ^rioatfIeit3 auszufüllen. S)ie retigiöfen Stnfrfjauungen
ber 2lufftärung83eit unb bie potitifeben Jbeen, mit melcben bie franjöfifcfee 9le=
üotution bie 2Jßelt erfüllte, fagten feinem bellen $oüfe ju unb gaben ben (Srunbton
ah für feine erften litterarifcl)en ^erborbringungen. 2lngeregt burclj feinen Jugenb=
freunb, ben ^ßtjitofobben %atob (Salat unb ben 9teftor ©röter in Jpall entfcfjtoti
er fid) nämlict) früt; 3U fcbriftftellerifcber 2bätigfeit. 23on feiner abgelegenen
S)orfpfarrei ^Jceubronn ($4& öon 2lalen) au8 fdjleuberte er bie Pfeile feiner
©attjre einerfeit8 gegen bie unnatürtiefien 23orrect)te be8 2lbels unb bie beillofe
^aitreffenmirtl)fcl)aft im benaebbarten Jper^ogtbum 2Jßürttemberg , anbererfeitS
griff er bureb ba8 23uä) „Leben unb Ib^aten be§ ^ater§ <5impertu8" (1799) bie
70 W.
Dbfcuranten an, roie fie bamalS in ben <!poct)ftiften Ellmangcn unb StugSburg
ficf) breit madjten; benn aud) im fatf)olifcrjen ßager Ijatte ty. petfönlit^e 93er=
binbungen mit freier benfenben Männern mie ©aiter, 2öeber, 3irowcr in üDitltngen
angefnüpft unb itjre SSebrüder maren audj bie 3'elftf)eibe feinet ©efcrjoffe. 2)aS
hereinbrechen ber fransöfifcrjen Speere unter 9Jtoreau (1796), melcrjeS über feinen
Sffiotmfit} unb über beffen Umgegenb ferneres Ungemactj brachte, gab itjm 35er=
anlaffung, in ben „Materialien ^ur ©efdjicfjte beS Kriegs in ©cfjroaben" SllleS
^u fammeln, roaS er in feinem Greife erlebte unb in Erfahrung bringen tonnte.
SDieje als Vorarbeit für einen ©efcfjic^tfcijreiber ber föebolutionSfriege fctjätjbare
©tofffammtung fetjte *ß. fpäter, als roieber $vanaofen mit ben Oeftetretcfjern
fämpfenb ben fdjroäbifcrjen 33oben betraten, in feinen „Senfmürbigfeiten 3ur ©e=
fcfjidt)te bon ©djroaben mätjrenb ber beiben f^etb^üge bon 1799 unb 1800" fort.
®a er aber bie Kriege biefer i^arjre überhaupt in itjrem ganzen Verlauf aud)
aufjerrjalb ©djroabenS mit Stufmerffamfeit berfotgte, ftellte er fict) aufeerbem bie
Aufgabe, ein größeres ©efcfjidjtSbitb bon benfelben nad) 2lrt ber ^offelt'fdjen
Slnnalen ju entroerfen („©efctjidjte beS franjöfifctjen 9iebolutionStriegS", 3 33be.,
1799—1801). ©o tourbe immer mefjr bie 3«tgefcf)i($te baS ftetb feiner fd)rift=
ftetterifetjen 2t)ätigfeit. 9lebent)er gingen jeboef) publiciftifetje arbeiten, roie ber
„s$atriotifct)e 2lppel", ju roeldjem üß. burdj ben gfriebenScongrefj bon Sunebitte
unb bie it)tn folgenben 9tegenSburger Söertjanblungen angeregt mürbe. 3§m,
bem Pfarrer unb 2imtmann eines ritterfdjaftticfjen 2)orfeS, eingeteilt aroiferjen
anbeten reidjSunmittetbaren «^errfdjaf ten , teidt)Sftäbtifct)en ©ebieten, geifttidtjen
gürftenttjümern mufjte bie gmiffenfjeit beS beutfdjen OteidjS in irjrer ganzen
£ragifomif tägtid) borS 2luge treten, ©o galt benn jener Slufruf ber 9teuorgani=
fation beS 9fteid)S, um ju retten, roaS nodj ju retten mar, bie ©lieber beS
$eid)StörperS fefter an einanber ju fdjtiefeen unb feine Gräfte ju concentriren.
$n bemfetben äarjr (1801), in roelcfjem biefer bietbcacfjtete üieidjSberfaffungS*
entmurf eifcfjien, grünbete $. eine SOßocfjenaeitung, in roeldjer er bie Gegebenheiten
ber geit in fifierfidjtlidjer S)arftettung aufammenaufaffen unb buret) potitifdje unb
ftaatSredjtlicfje Erörterungen, fiatiftiferje 3ufammenftetlungen unb t)iftorifct)e
9türfblicle ju erläutern fuä)te, — bie „ttationaldjronif (fbäter bloS (£t)ronif) ber
2eutfct)en". SDa abgeferjen bon bem belerjrenben Sntjalt ein aufgegärter ©eift,
ein gemäfjigMiberaler ©tanbpunlt unb beutfctVnationale ©efinnung in bem
Statte matteten, fammette fict) um baffelbe balb ein ÄreiS gebilbetcr Sefer bor»
äüglidj im füblidjen 2)eutfct)tanb, auf bem linfen föfyeinufer unb in ber ©djroeij.
2)aS Statt tjattc roät)renb ber menigen ^arjre feines 93eftet)enS ßreigniffe äu be=
fbrec^en mie ben ^nfammenbruet) be§ beutfien 9ieict)§, bie ©rünbung be§ 3ft^ein=
bunbeS, bie ^licbertagen $reufjen§ — lauter ©toffe bon rjöcfjftem pubticiftifcfjem
^ntereffe; ba§ moralifct)e llrttjeit über bie ©emattrjaber burfte freilief) nur mit
äufeerfter S5orfidt)t gefafjt, ba§ geft^alten an ber gtnf>eit ber Nation nur fct)üdt)tern
als 3beal ^ingeftettt merben, menn ber Herausgeber fein Statt nidt)t ber fetjätfften
6enfur, ja fiel) fetbft perfönlidjer Verfolgung anlieimfallen laffen mottte. ^. lannte
baS aus @tfat)rung. ^atte ib^n frütjer fein (Sifer gegen bie „Obfcuranten unb
©tabititätSritter" auf bie ^rofcriptionSlifte ber öfterreict)ifct)en ^oliaei gebraut,
fo geriet^ er je^t bei ber naboteonifct)en burcr) böStoiltige Denunciation in ben
Sßerbadjt, SSerfaffer beS SSuctjS „2eutfd)tanb in feiner tiefen grniebrigung" ju
fein unb ertjielt bie Einquartierung eineS franjöfifcljen DfftäierS, ber fein treiben
beobacfjtete unb bie ^ationatctironif eifrig burcrjforfcrjte, aber fct)tteBlict) nict)tS
bon einem Slufrürjrer an $. entbeefen fonnte. 2)ie Sage berfcglimmerte fieg nodj
baburc^), ba^ ber SerlagSort ber g^roni! ©münb unb ber 2öofmft| ^ßa^t'S
fetbft aum mürtembergifc|en (Sebiet gefcbOlagen mürbe, beffen £errfd)er ebenfo
bienftbefliffen gegen Napoleon als beSpotifct) gegen feine Untertt)anen mar. 3u=
3Ms. 71
fe^enbö mehrten fidj nun bie Genfurftridje in bei- Gfjionif unb als ty. e'ne^
XageS 2lngefid)tS eines Kriegs aroifdjen Napoleon unb Cefterreid) te^teteS als
eine feineSroegS gering au fdjäfcenbe JhiegSmacfjt fctjüberte, oerfdjlofj ftönig
griebrid) bem „im gad) ber *ßoliti£ fjerumirrenben SSorfpfarter" ben 'ifltunb,
inbem er baS roeitere (Srfdjeinen ber ßfjronif berbot (^an. 1809). ©o roieber
auf baS 93üd)erfd)reiben Perroiefen fanb ty. für gut ein Sßerf über ben „ftrieg
in S)eutfd)tanb im 3al)re 1809" unter beut ^feubonöm SttetrjtnoS in 9Jtündjen
erfdjeinen p taffen, roanbte aber bann mehrere ^arjre rjinburcb, ber 3eitgefd)id)te
ben Rüden, um in ber „£>erba" (4 33be. 1811—1815) Silber auS ber beutfdjen
SSergangenijeit $a entwerfen. 2ltS Napoleon gefctjlagen mar unb bie äbredjnung
mit £$franfreid) tjeranfam, ert)ob audj $. feine Stimme für bie 3ut'üdforberung
beS (JlfafjeS (in Rotteds beutfdjen blättern). Söie biefe fo mürben aud) anbere
Hoffnungen ber Patrioten nacrj ben ^Befreiungskriegen nic^t erfüllt, üß. besagte
bieg, aber er fab, toenigftenS bie roefentlidjften SSotfSrecrjte geroär)rleiftet (Seitens
ber fübbeutfdjen (Staaten, beren Regierungen RcpräfentatiöPerfaffungen eingeführt
tjatten unb auf bem conftitutioneÜen Söeg erjrtid) fortjumanbetn fd)ienen. lim
für feinen gemäßigten SiberaliSmuS ein Crgan ju fdjaffen, gab $. in ben
^arjren 1820 — 24 bie „Reue Rationaldjronif ber £eutfd)en" b,erauS, meldte
übrigen^ ber alten toeber in ber Sebeutung beS ©toffS nocb, in ber Äraft ber
Sprache gleidjtam. drft im tjötjeren 3llter erhielt $. ©etegentjeit feinen ©tanb*
punft aucr) in partamentarifd)er Stjätigfeit 3U erproben, inbem bie Ernennung
jum ©enetalfuperintenbenten beS ^ajtfreifeS ifjm im $. 1832 ©i^ unb ©timme
in ber ätöeiten Kammer beS roürtembergifdjen SanbtagS Perfcrjaffte, in melctjer
er als Slltliberaler eine 9Jtittelftettung annfdjen ben Parteien einnahm, ©einer
ttjeologifcrjen Richtung nadj mar er Rationalift, jebod) bulbfam gegen 2lnberS=
benfenbe unb nur benen, meiere bie SßolfSaufflärung gefliffentlictj rjtnbern mottten,
mutrjig entgegentretenb (öergt. fein 23udj „über ben ObfcurantiSmuS, melier baS
teutfdje $atertanb bebvof)t" 1826). 3Jom xationatiftifdjen ©eficfttSpunfte auS
betjanbelte ty. aueb, baS Äirrrjenredjt, als baS Slufrüden au tjöfjeren Äircfjenämtem
in itjtn baS 33ebürfnifj meefte, fiel} auf biefem ©ebiet tjeimifdj ju madjen unb
im 3ufammentjang bamit in einem SBudie „baS öffenttid)e Redjt ber e0angetifdj=
lutrjerifdjen ^ircfje in £eutfd)(anb" fritifd) barauftellen. ty. ftarb au Stuttgart
ben 18. SIprif 1839. @S mar itjm nodj öergönnt gemefen, bor Eintritt beS
©reifenalterS bie leiste £>anb an feine „©efdjicfyte Pon SBürttembevg" (6 SSbe.
1827 — 31) 3U legen, meldje burdj ib,re lidjtöotte unb gemanbte S)arfteHung in
Pielen Familien fictj einbürgerte, oljne jebodj auf tieferem Quettenftubium ^u rutjen.
dagegen l)intertie| er als unfertiges TOanufcript bie „S)entroürbigfeiten auS
meinem geben unb meiner 3eit", meldje üon feinem ©ob,n äöiltjelm, 9fcector beS
StjeeumS in Tübingen, herausgegeben mürben (1840). ©ie fetjitberten immerhin
bie an Srlebniffen unb JBejiefmngen reichere ^älfte feines ßebenS (bis 1814)
unb mürben als mcrtrjoou'er guraacrjS ^u ^ex beutfdjen ^Dtemoirenliteratur miH=
fommen geheißen, ©ein 33ilb ftad) 3}oderobt nad) einer 3e^nunS Don 5if<^er-
3luBer ben foeben ermähnten S)enfmürbigfeiten bergt, bie SebenSabriffe
im ©cb,mäb. hierfür öom 3—5. 3uni 1839 unb im fteuen 9tefrolog ber
Seutfcb.en. Mrg. 17., (1839) £f)t. 1, ©. 383—391. — @uft. «aperer,
©aton beutfdjer ^ettgenoffen, Zty. 1, 1838 ©. 93—314. — SeSfelben
©teEungen unb 33ert)ältniffe, S3b. 1, ©. XL VIII— LXIV (mo fieb, «riefe
sMt'S an ©alat finben). ^et)b.
$at|: Safob % , geb. um 1550 in StugSburg, t als Organicus et
Symphonetes beS ^fatagrafen ^ilipp Submig in Sauingen, auS ber bamatS
tuttjerifdien Sinie $fala=3meibrütfen. 2ltte 3eitgenoffen f preisen mit 2luSbrüden
b,o|er Sichtung Pon *$., ben fie als einen üoraüglic^en iltufifer unb großen
72 $«£.
Äünftter auf ber Orgel rüfjmen. 6ot)u be§ 2lugäburger Organiften bei St. s#nna,
«Peter $ai|, ber 22. gebr. 1557 „in (Sott feligtlict) entfälaffen" ift, alfo au
einer 3eit, oa oei' Änabe ben treuen Unterricht beSfelbcn fo nötijig gehabt jjätte,
mag tb,m, einem «Utuftfantenfutbe, ungeroölmtictje mufifalifdje 33eanlagung bon
,<pau§ au§ befcfjieben geroefen fein. 3Sir roiffen bon feinen näcjern Seben§=
umftänben fo biet tt)ie nid)t§. 3n nodj jugenblidjem 2llter ftanb er bereits in
pfalagräflidjen 2)ienften. Slber au§ feinen «publicationen dermögen mir ebenfo
feine Äunft unb perfönlicrje Seiftungifätjigfeit, mie ben ©tanb bamatiger «Uiufi!=
Übung überhaupt ju beurttjeilen. ^ebenfalls jätjlt er ^u ben bebeutenbften unb
angefetjenfien £>rganiften (b. t). ju ben Äünfttem auf üEafteninftrumenten) be§
16. 3ar)rt). @r tt)eilt biefen 9tuc)m mit einigen anbern bead)ten§roertt)en jeit=
genöffifct)en «Iftufifern , mit 6tia§ «JticolauS, genannt Slmmerbad) , Organift
an ber ütcjomaäfndje in Scip^ig, ber 1571 eine „Orgel* ober $nftrument=£abulatur",
brucfen liefj, unb mit $3ernt). Sdjmibt, 23ürger unb Organift in Strasburg, ber
1577 „3tt>ei Sücrjcrn @iner «Jteuen $unfttict)en £abulatur auf Orgel unb ^n=
ftrument" rjerau§gegeben l)at. Sam. ©djmibt, ber gröfjte Orgelmeifter 5Deutfcb,=
lanb§, mar noct) nidjt geboren; bie beutfdje «Dtufit* ftanb uocf) borroiegenb unter
bem ginflufje ber „Staloä" (wie «ER. «Prätortuä jidj auäbrütft): (HaubiuS «JJcerlotti,
gen. «üteruto unb $. ©abrieft. (Srfterer, ber al§ ^oforganift be§ <£>erjog<s
«Jtanuccio garnefe in «Parma (1604) ftarb, rjatte einen granjofen, «JJienon, jutn
Sefjrer, lekterer feinen Otjeim 3lnbrea, ber rcieberum einen s)lieberlänber, ben
berütjmten ©rünber ber benetianifctjen ©ctjute, «2lbrian 2BiEaert , al§ «Ifteifter
öererjrte. So bereinen ficb, frieblict) im SluStaufdje be§ SßiffenS unb $önnen§
unb im Streben nactj einem eintjeitlictjen unb t)öd)ften '$\tle audj auf bem ©ebiete
ber $unft alte «.Rationalitäten. 21. ©abrieliS Sdjüfer waren u. a. $. 8. Raster
au§ Nürnberg unb 3- «p. Smeelincf au8 Siebenter (ber Seljrer S. SdfjeibtS);
$. ©abrieliä berütjmtefter Sctjüler mar ber nochmalige furfttifttidje ,£)ofcapeu%
meifter .$. Schüfe (SagittariuS) au§ üöftrifc, ber bebeutenbfte Vorgänger 3. S-
«J3acf)g. «Iftcrulo unb ©abrieli fctjrieben bereite felbftänbige Orgetroerle; ber
erfte, ein gemanbter „ßolorift", cultiüirte metjr bie Xoccatenform, ber anbere,
bem ©efangartigen ficrj juneigenb , met)r bie ßanjonenform. SDie Orgelftücfe
ber beutfcljen «Dteifter beftetjen nacb, biefen 35orbitbern bortäufig faft nur au§
2lrrangement§. @itierfeit§ toerben metjrftimmige !irct)lict)e 2onfä§e, anbererfeit§
Sän^e unb 5Bolf§Iieber für bie Orgel bearbeitet unb otme einen ftrengen llnter=
fcljieb 3roifcrjen bem ßtjarafter unb ber .g)erfunft ber einzelnen «Jlummern ju
mactjen, in ber $irct)e unb ber Kammer rjarmloä al§ 5ßortrag§ftücfe benu^t.
«Ulan mufj babei bebenten, ba^ bie Orgel unb aüe bamalä gebräucrjlicljen
Safteninftrumentc: Slabicljmbel , ©pinet, ©t)mp^onie, Söirginal u. f. m., nocb,
fetjr unboEfommene ^nftrumente toaren. — 3ßair/ä «Publicationen beftetjen au8
folgenben ttnctjtigen, mit 9lu§nac)me ber fectjften, alle in ßauingen bei Seoncj.
©teinmidjel gebrucften unb bei ©eorg 2Mler§ bertegten ©ammlungen: 1) „@in
fdjön nü| bnb gebrendjlict) Orgel=jlabulaturbuct), barinnen etlidj) ber berümbten
domponiften befte «ötotetten mit 12, 8, 7, 6, 5 unb 4 Stimmen aufjerlefen,
biefelben auf ade fürneme fjfefta be§ ganzen Saljv§, bnb ju bem 6l)orma§ ge=
fefjt. gute^t auct) attertjanb ber fdjönften ßieber, Pass'e mezzo unb £äntj, aüe
mit großem glei^ ßoloriert. 3u tremen S)ienft ben ßiebt)abern biefer ^unft,
felbft Sorrigiert bnb in £rucf bermillgt bon Jacobo Paix Augustano, bifer 3eit
Organift ju Saugingen." 3lm @nbe ber SSorrebe: 22. gebr. 1583. (58 Sog.
Sfol. — S)ie§ bem D. %. ßobbetiu§ bebicirte Oöeri enthält gegen 70 ©efänge,
Sieber unb Sänje : 18 bon O. SaffuS, 12 bon «paleftrina, je 2 bon S. ©enfl,
ßrequiEon unb lltental, je 1 bon «Jticciuä, girier, Striggio, (Siprian be «Jlore,
Mannequin, ^bo be SSento, ßlern. be 33ourge§ unb ©ile§ «Paij (?) unb 5 bon
$a(cfo — 5ßatbamu*. 73
$. 5ßatj.) „Sie angehängten itatieniicrjen, beutfcfjen unb nieberlanbifctjen 2änje,
3. 35. „ber Äerjferin ianfe, Schirazula Maraznla, Padoane Yenetiana. Saltarelli.
Ungareschi" u. f. ro. unb felbft bie üerfchiebenen 33o(fätieber, 3. 23. „@S mar eine
33auern 3)öchtertem", bie man hier in ©efeEfdjaft geiftticher fteftgefänge finbet,
betoeifen , baß unfere guten eilten roenig eftich bei 2lu§raaf)t i^ret Drgelftücfe
ober üietmehx bafj alle 'JDtufifarten üor 200 ^atrren über einen Seiften gemacht
roaren." (©erber.) — 2) „Selectae artiticiosae et elegantes Fugae dvarum,
trivm. qvatuor, et plvrivm vocvm, partim ex veteribus & recentibus Musicis
summa diligentia & accurato iudicio collectae, partim Compositae ä J. P."
(fl. rjod) 4°. — Grrfchien in brei Stuflagen, bie jmeite 1587, bie britte 1594. —
38 ftugen ju 2, 3, 4 bi§ 7 (Stimmen Don 8- 2)afer, ^ac. ^obredjt, ©reg
«ülaier, 9Int. 33rumet, £). SaffuS, Dfeghem, ©ile§ $air, $. 5jßlatenfi§ (be la 9tue),
Sobocus $latenft§ (3o§quin) , ©enfl unb 12 üom £>erau§geber. SluBerbem
finben fich. Srios, geiftliche beutfche Siebet u. a., tefetere meift nur einftimmig;
bei ben mehrftimmigen flehen ftdj bie Stimmen gegenüber. ü&as 2öerf ift bem
5ßatricier 9Jiarcu§ üthenn geroibmet, beffen ^famitie bleute noch, in Augsburg
blütjt. 3) Missa ad imitationem Motettae : in illo tempore Joh. Montanis
quatuor vocum. 1584 (4° obl.). 4) ..Missa parodia (ad imitationem moduli)
Mutetae: Domine da nobis, Thomae Crequillonis , senis vocibus" 1587 (4U obl.).
— 5) „Missae Helveta artiticiosae et elegantes fugae 2.3,4 et plurium
vocum." 1590. — 6) ..Thesaurus motettarum . neuerlefener jroeiunbjtoanjig
herrlicher Motetten." 1589. (gfol. ©trapurg bei 23ernh. 3obin.). — 7) (Sin
jractat: „ftuvger 33evicht au§ ©ottei SBort unb beroä&rter $itc&en=|)iftorien üon
ber 9Jlufif, bafj biefetbe fleißig in ben Kirchen, ©dmlen unb Käufern getrieben,
unb eroig foll erhalten merben." 1589 (4°). — 8) „Gnn gugenbuch. mit 9toten
unb 23uct)ftaben nach ber Orbnung ber 12 Tonarten." 1588 (8°). ($ie öoü=
ftänbigen Xitel üon 9fat. 3—8, refp. bie betreffenben Originalausgaben, liegen
nict)t üor.) ©djletterer.
s^alcf0: 5l'an3 Xaüer $arl ty., 9Jlaler unb ütabirer, mar ber ©ofjn
be£ 23re§lauer Dealers Slnton ^ßatcfo ober eigentlich $olfe. fixan^ $art rjat
nach, -öeinefen erft biefen letjtern tarnen in ^atcfo umgeroanbelt , bamit er
ttalienifcfjer ftinge. 2ß. rourbe 1724 ju 23re3tau geboren, fam nach ^refjburg
3U feinem älteren 23ruber 5ran5 Chiton , ber aucf) $ftaler mar , in bie Sehre,
bann befugte er bie 3lfabemie ju Söien befonberS unter SBtöiena'i Leitung,
fpäter Italien. $u äßien, reo er ftdj 3unächjt auffielt, malte er 2lttarbtätter
unb SabinetSftücfe , bie irjm einen Sftuf nact) Bresben eintrugen, too er 1752
ben Xitel eines f. polnifch = fächftfdjen Hofmalers erhielt. Später begab er ftcb
nach Ifltünchen unb rourbe bafelbft 1764 furfürfttidj bairifcb>r Hofmaler. (h
ftarb ju 3ßrag 1767. *p. rabtrte ein ^aar unbebeutenbe 23lätter, auch feine
conüentionellen Jpiftorien genießen rjeutjutage feinen 9tuf mehr. 2)on feinem
©ohne Xaüer ^., ber ^Jlitglieb ber t. Slfabemie ju 2Bien mar, finb 310«
Ütabirungen befannt. SB. ©ctjmibt.
v^albamitö: •'per mann $., geiftreierjer $t)ilotog unb ^äbagog, roarb als
©oljn eines roo^lljabenben Slr^tes am 20. $uti 1805 3U 33emburg in s3lnt)att
geboren unb ftarb aU ©rjmnafialprofeffor unb ^rorector am 16. October 1854
ju ©reifematb. ^rüfje be§ 53ateri beraubt, erhielt er feine 93orbilbung für
bie gelehrten ©tubien auf bem ftäbtifetjen ©tjmnafium, t^at ftd) burch Anlagen
roie Serneifer heroor unb bejog 9Jiicl)aetiä 1822 mit e!t)renüollem Abgänge»
^eugnifj bie Unioerfität. ©ein afabemifche§ Sricnnium abfoltiiite er üon 1822
bi§ 1825 auSfchlieBtich auf ber Unioerfität öalle unb toanbte ftch mit üollem
gifer bem ©tubium ber claffifchen ^bilologie ju. ßinen aUbehertfchenben 6in=
flu^ getoann au? feine ®eiftes= unb ßbarafterbilbung ber berübmte ^roieffor ber
74 Sßalbamu?.
Attertrjumiroiffenfcrjaften $arl Seifig , beffen SSortefungen er fämmtlid) befudjte ;
bie lebeu§Trifci)e, au§ ber 2lnfd)auung be§ claffifd^en Alterttjumä tjerborgegangene
Sitbung be£ Cef)rer§ gab aud) bem geiftig fitttid^en Sßefen be§ ©djüter§ für
alle golge bie SRidjtung. Unter bem Decanat SruBexS am 8, Dctober 1825
auf ©runb ber 2)iffertation : „De Propertii aliorumque multorum scriptorum
quibusdam locis critica et exegetica" jum 2)octor ber $f)ilofobrjie promobtrt,
übernahm er im folgenben 2Binterrjalbjar)r freiwillig einige ßeljrftunben an ber
^muptfctjule ber grandVfdjen (Stiftungen unb begab ftdj fobann nad) Sßettin.
•Ipier toarb er 9Jtitglicb be§ päbagogtfcrjen ©eminarä für gelehrte ©deuten unb
unterrichtete bon 1826—28 am ^riebricf) = SGßit^e(m§ = ©t)mnafium, Don ba big
1830 al§ ©crjutamtScanbibat am ©rauen iHofter. SOÖätjrenb feinet Aufenthaltes
in Berlin begann er jugteid), bon Seifig angeregt, feine fdjjriftftetleiifcrje £t)ätig=
teit unb beröff entlidjte : „Sext. Aurel. Propertii carmina cum potiore scripturae
discrepantia, praestantiss. V. V. D. D. conjecturis suisque observationib. criticis",
1827, fotoie „Caj. Tranq. Suetonii Vitae selectae in usum scholarum" 1829.
©iefe <£rftUng3jdjriften mögen ju feiner ^Berufung an baS ftäbtifcrje ©bmnaftum
in ©teifätoalb mitgeroirft r)a6en. Oftem 1830 trat er ba§ ßonrectorat bafelbft
an, rücfte 1835 in§ ^rcrectorat auf unb toarb jugteid) jum fönigl. ®t)mnaftal=
profeffor ernannt. 23i§ an fein ßeben§enbe tjat er in folcfjer Stellung eifrig
unb anregenb geroirft, inbem er äugletdj bon 1832—42 an ber Uniberfität al§
s$rit>atbocent SBorlef ungen jumcift über römifd)e ©djriftftelter rjielt ; neben foldjer
ätoiefadjen 2eb,ttf)ätigfeit mar er in metjr ober minber engem Anfdjlujj an feine
amttidje äöirffamfeit unau3gefe|t al§ ©djriftftelter ttjätig. 35on äarjtreidjen
9tecenftonen in ptn'totogifctien geitfdjrifteii abgefetjen, »erfaßte er eine 9ieir)e
roiffenfdjafttidjer 2lbt)anb(ungen ju järjrticrjen Programmen ber Anftalt; tjiertjer
gehören: „De pervigilio Veneris", 1830; „De repetitione vocum in sermone
graeco et latino", 1836; „De Cornelio Celso", 1842; „Horatiana", 1847 unb
„De imitatione Horatii", 1851. Chrouctjfen eine „föömifdje ßrotif" (1833)
unb eine Abtjanblung „lieber Urfprung unb begriff ber (Satire nebft *ßrobe
^orajifdier ©ctjolien" (1834) au§ unb mit feiner afabemifdjcn ©teltung, fo
toarb bie in anmutrjigem unb elegantem Latein berfa^te „Narratio de Carolo
Reisigio Thuringo", toelcrje nad) bem Sßorbilbe alt^oüänbifdjer $r)itotogen bem
untiergefjlidjen Setjrer ein biograpt)ifd)e§ S)enfmal fetjt, at3 geftfcrjrift be§ ©tjm«
naftumS jum 2lmt§jubiläum be§ ©d)ut= unb ßonfiftoriatratljeä Dr. griebrict)
$od) 1839 Veröffentlicht unb um bie lateinifcrjen ©ebidjte 9teifig'6 üermerjrt
in bemfelben Sat)re monograprjifd) t)erau§gegeben. 2113 letjte unb lange bor=
bereitete g uc^t feiner ©tubiett erfd)ienen im Verlage bon Xaudjnik, : „Vergilii
Maronis opera", in tt)pograprjifcrjer 2lu§ftattung eine editio nitidissima. SDte
SßoEenbung einer 9lu§gabe beä ^apiniu§ ©tatiuä Ijinberte ber £ob. — SDer
©crjtoerpuntt feine§ fünfunbjroanjigjäbrigen päbagogifdjen 20ßirfen§ liegt in ber
Sßielfeitigfeit ber geiftigen Anregung unb in ber innigen Skrfdjmeljung antiter
unb mobemer SSilbung unb Auffaffung, toelcrje in alten öon itjm berroalteten
Unterrid)t§gegenftänben ben ©ctjülern pgefüljrt toarb. (Sin geiftboller @picuräi§=
mu§ djarafterifirte fein Seben unb SCßefen unb er äätjtte ju ben Pflegern be§
claffifd)en Altertb,um§, me(d)e fid) bemfelben boll unb ganj Ijingegeben.
©. Seljmann, ©ef^te be§ ©t)mnafium§ W ©reifStoatb, 1861, ©. 133;
forttaufenbe (Sfrronif be§ ©reif§to. ©bmnafium§ in ben Programmen bon 1833
big 1855; ©djutacten be§ 23emburger unb be§ ^iebric^^äßil^elm^bwnafiumS
fotoie beä ©rauen ÄtofterS ju Berlin; ^ribatmittfjeitung. — Dr. ^ermann
^atbamuS. Güin bäbagogifd)e§ 3eitbitb (bom Unteräeidjneten). ©eparatabbrucf
au§ bem ©reifiroatber ©onntagSblatt 1884, 9tr. 7—17.
$&d ermann.
$4tffe. 75
$ä(fftj: Olifolaui IL, aucf) bet 2(e(tete, Ö5raf 5ß. b. (Jtböb, ^te^ei-'r
0. SBtberiburg unb Stampfen, faiferlidjer ©eneratfetbmarftfiatt unb ©ene=
ratcapitän bei .ßreifei biesfeiti bet £onau, bitter bei golbenen ©porrii, routbe
ali ©orjn *Peter Sßälffo'S b. Pelina unb beffcn ©atiin ©opfjie, {yreiin b. Serifft)
<ü)eroiffrj) ju 3exbid^ett) im 5December 1552 geboren unb nadj feinem auf bem
Sdjtoffe ju SBiberiburg am 23. 9lpril 1600 erfolgten £obe in bei* ©t. 5ftartini=
firctje ju 5pref$6urg beftattet. Spälffr/i ©efdjtedjt bejeictjnet all 5)orfab,ren bie
sperren unb ©rafen bon Slltenburg unb feocfybna,, °on roetctjen Äonrab b. 2Xtten=
bürg 1028 ati 9lbgefanbter bei ÄaiferS Ifonrab II. nacf) Ungarn gefommen
fein fott, roo beffen 9tadjfommen anfänglich ben Flamen itjrer «gjcrrfd^aft Leiber»
öart audj ati Familiennamen gebrausten. @rft mit bem ©otjne bei ipaul
Gontb, b. |>erberbari, roetcrjet ebenfatli 0aut rjiefj unb $auti ©otjn — ^älffrj —
gerufen tourbe, feftigte ftcb, lefetere Seäeidjnung ati bleibenber ©efcfytecrjtiname.
S)ai 5präbicat 6rböb unb bai oieibeäüglidje Söappen tourbe jebocrj bon $aut III.
*p. nad) beffen 53ereb,elicrmng mit (Stara, geborenen Srböb bon Siorna angenom=
men. ^ebenfatti toar fcfjon bamati baß ©efdjledjt ber $. ein angefetjenei unb
erhielt baffetbe mit "Jlifolaui II. 5p., eines feiner ritterlidjften, bom $aifer unb
ben 3eitgenoffen rjodjgefcfjätsteften «Dtttgtieber unb in beffen 1600 jum 9teid)igrafen
erhobenen ©otjne ©teprjan II. ben bauernben Segrünber bei ©efdj)leci)tei ber
©rafen 5p. Söie met)riact) berietet toirb, erfreute fidj ftifolaui IL $. einer
rjöcrjft forgfättigen (Sraieljung unb bann ber balbigen 2tufnab,me in bai ©efotge
bei £aiferi, in roetdjem 23ert)ättniffe er fict) auf roiebert)otten Reifen in 2)eutfd)=
taub, ben 'Piieberlanben, f$rantreicf), ©panien, Italien, ©riecb^entanb eine tjerbor=
ragenbe ©etbftänbigfeit, metjrfadje ©btacrjenfenntniffe unb frütjjeitige, letjrreicrje
@rfab,rungen erwarb, ©einer oft bettjätigten, tjingebungiboHen xreue jum ßaifer,
fotoie feinem Jpeibenmutt)c unb feinet Söirffamfeit bei öefämpiung ber dürfen
banfte er aber eine fetten grofje 9teit)e rafctj aufeinanber folgenber ©nabenbe=
Neigungen unb Sertrauenifiettungen, unb ^roat: 1580 bie Ernennung aum
Dbergefpan bei ^repurger ßomitati unb 3um ©ctjlo^cjaubtmann bei f&niglidjen
©crjtoffei 3u ^prefjburg; 1581 bie nad)trägtict)e 3»"fennung ber fcf)on bon feinen
ißorfarjren genoffenen freifjerrtictjen SBürbe, fotoie bie 33er(eit)ung bei üteicf)iba=
ronatei ali Srjfämmerer bei Äönigretdji Ungarn; 1582 bie ©r^ebung ^uni
roitf ticken geheimen 9tatb,; 1584 bie Ernennung jum Dbergefpan bei Äomorner
ßomitati unb jum dommanbanten ber Sfeftung Äomorn; 1587 bie SSeftaHung
mit ben ^repurger ©ütem nebft ben ©Stöffern ju ^repurg unb ben ©ütern
^u ©t. (Seorgen unb ^öfing nebft bem Üitet einei ungarifctjen ©tbgrafen; 1589
bie 3utt»eifung bei ßommanboi ber gefiung 5leub,äufel unb hti ©eneratcapitanati
te§> Äreifei bieifeiti ber Sonau; 1592 bie 3lufnaf)me in ben bötjmifcrjen 2anb=
ftanb; 1594 bie 35eftimmung jum Oberften ber bergjiäbttjdjen ^Jliütärgrenäen
unb jum Sommanbanten ber geftung ©ran; 1595 bie fjfürjrung bei ©eneraU
capitanati ber betgftäbtifc^en ©renjen; 1598 bie Berufung jum nieberöfier=
reic^ifdien Sanbftanbe unb bie (hrjebung jum ©eneralfeLbmarfc^att; 1599 bie
gefctienfroeife Uebertaffung ber Cbergefpaniroütbe unb bet ©djlofjljauptmannfdjaft
ju ^teputg. Unb läp fic^ nun aucf) einftroeiten nid)t bottfommen beftimmt
nacrjtoeifen, toai ty. in feber ber genannten 5pofitionen geleiftet, fo ift ei bocrj
3toeifeItoi, bafe er namentlich bon 1593 an bii 1598 bie irjm übevroiefenen
Sanbftricr)e unb Orte gegen bie attfeiti berroüftenb borbrangenben 2ürfenf)orben
tobeimutb^ig , auibauernb unb erfotgteicr) bertb.eibigte unb fcfjütjte. 2Bät)renb
biefer Qtit fott 5p. in 27 toidjtigeten kämpfen uegteicb, gemefen fein unb ftefi.t b>bon
in befonberi anerfannter Erinnerung botetft bie 1593 am 3. Olooember ftatt=
gehabte 93crmcr)tung ber ^auitfctjaren in ber ©c^tacb,t bei ©tur)te>eij$enburg,_ in
roeldtjer er feinen ©treitern mit b^inreifsenbem SSeifpiele boranging unb toobei fein
76 $älffo.
^Pfexb öerwunbet unb feine ©turmtjaube burd) bielfadje $olbenfdj(äge ftarf ge=
fdjäbigt würbe. Ebenfo ancifernb War $atfft)'g SBerrjalten bei ber ^Belagerung unb
Erftttrmung öon ftülef am 11 — 26. 9toöember, benn bort tjatte er orme ütücf ftdjt auf
bai mächtige geuer bei geinbeS bit 23elagerungiarbeitcn fotuie bie Xrjätigfeit ber
23üd)feumeifter forgfamft geleitet unb bie entfdieibenben Singriffe perfönlid) ber=
anlafjt unb übermadjt. 9tad)bem nun 5p. im $. 1593 nod) einige ffeinere Orte
genommen, beantragte er 1594 im Jhiegiratlje einen EroberungSäug gegen 9teo=
grab, weld)er itjm aud) anbertraut würbe, ©djon am 12. Wäx& löfte 5p. fein
bieöfallS gegebene^ SBort burd) Eroberung ber ^efte ein, worauf er hei ©ran in
ben Monaten 9Jtai unb $uni mit bewährtem 5Dhitr)e fämpfte, einen glüdlidjen
Singriff auf bai Sager bei $e'nbei fl«n Ütaabfluffe madjte unb ungeachtet ber
Riebet erlittenen Sßerwunbung am ^ufje nod) Spärfcint) erftürmte, Söaitjen befe^te
unb fiel) an bem fdjarfen treffen bei Äerei^teS beteiligte. 9tütjmlid) War
weiterhin fein unerfdjrocfenei Eingreifen 1595 bei ber Einfdjliefjung öon ©ran
am 21. Sunt, fpäter bei ber 9tiebermetjelung bei türfifd£)en Erfatjljeerei, foroie
bei ber Eroberung öon 23iiegrab am 25. Sluguft; bann im $. 1596 bei Erlau
am 18. September, Äereijtei am 23. unb 24. October unb gelegentlich bei
gelungenen, jur Befreiung öon ©efangenen unternommenen „©treiffi" gegen
SBai^en; ferner im 3. 1597 bei 2>otii am 23. 5Dtai unb bei 9iaab ©eptember
bü Dctober. 2)en lebt)afteften £)anf ber gefammten Erjriftenfjeit bradjte it)m
aber öorner)mlicr) bie im Vereine mit Slbolf ©djwaräenberg öottfütjrte SBewättü
gung ber ütürfenfdjaaren bei 9ftaab unb bie 2Bieberbefet$ung biefer als SBormaucr
in ©eltung geftanbenen »Jfefte am 29. 9Jiärj 1598. 2)iefetbe fiel, inbem beibe
gfürjrer bie Worjtbebadjten 5piäne jur Ueberrumpelung in treuer Uebereinftimmung
getjeim hielten, im näd)tlid)en blutigen Otingen fclbft= unb neibloi bai fid) ge=
fteHte $id anftrebten, unb weil 5p., ali feine Leiter öor bem ungewohnten
Kampfe 31t $ufe jurücffdjredten, ber Erfte öom 5pferbe fptang unb öoranftürmenb
burd) bai gefprengte ©turjlweifjenburger SLtjor alles jum legten entfd)eibenben
Kampfe begeifterte. £)teburd) befreit bon fcfyweren ©orgen erbaten unb erroirftett
Ungarns, 5Jtieberöfterreid)S unb 33örjmeni ©tänbe beim Äaifcr reichen ßotjn für
ip. ; $ur maljnenben Erinnerung an ben ütag felbft tiefe Äaifer 9tubolf an allen
iheujungen SDenffäulen mit ber Snfdjrift: „©ag' ©ott bem £)errn 2ob unb
5Danf, bafj fjtaab ift fommen in Et)rtftent)anb" erridjten. $ür bie Slbmenbung
Weiterer Einbrüche ber Dimanen mürbe aber 5p. neuerlid) auierferjen, er folXte
mit Statt) unb £t)at bem $aifer jur ©eite ftet)en unb mar biei aud) fein fefter
3BtHe, ben iebod) roiber Erwarten fein im 48. ßebengjaljre erfolgter 2ob jur
53etrübniB Mer bracb^. Sief erfcljüttert, gebadjten bei biefer Äunbe fowob.1 ber
Äaifer al§ 5papft E(emen§ VIII. mit grofjer SInerfennung bei tapfern 23ertt)ei*
bigeri ber dl)nftenr)eit; tl}eilnal)mitioll wenbete fict) bas allgemeine ^itgefü^l
^Pälffrj'ei äBittme, geborenen 5Raria 5üiagbalena ftugger au§ Slugiburg unb iljren
fieben Äinbern ju unb et)renöott befagt ^pälffö'i ©rabftein in ber ©t. 9flartin§=
fird)e ju ^Pre^burg unter anberm : „cujus, par generi et titulis, virtus rem
Hungaricam difficillimis temporibus, cum omnium admiratione et gratulatione
■conservavit et amplifieavit".
Söur^bad), 93iogr. 2ej. b. Äaifert§. Defterreid), 21. 3:1). Söien 1870. —
J?epner, ^b^aten berühmter öfterr. ^elbb;. 1. 35b. 1. 2lbtr). 9Bien 1808. —
^ormaür'i Slrdjib f. ©efd)id)te ic. SQBien 1826. — £afdjenbud) f. üatertänb.
©efd). ö. ^)ormap,r u. 5Jlebnian§ft), 2Bien 1828. — SBeingärtner, Unter £>ab§=
burgi 23anner, Sefdjen 1882. — ©djweigerb, Ocfterreid)i gelben unb <£>eer-
fütjrer, 1.23b. SBurjen 1852. — (9lbam), Erinnerungiblätter f. b. ©ammlung
öon 33itbniffen berühmter öfterr. gelb^errn. (Site 9ftanufcript öor 1805 ge-
brueft) — Ortelius redivivus etc. §ranffurt 1665. ©c^.
SP&Iffe- 77
^älffo: ftifolaus IV. ®raf «p. ju ßrböb, «Ritter bes gotbenen Sßließes,
f. f. ©eneralfelbmarfdmlt unb Malaiin öon Ungarn, ^ntjaber eines ungarifdj=
nationalen gußregiments, geb. am 1. 9Jtära 1667, f am 20. Februar 1732,
mar ber <5otjn bes Äronljüters unb Obrifttanbfämmerers öon Ungarn, 9Jifo=
laus III. ©raf %>. unb jät)lt als Militär, öornetjmtid) aber als djarafterftarfer,
einflußreicher Staatsmann unter ber bebeutenben 3^ ausgezeichneter 9JUtglieber
beS ©efctjtecrjts *p. 3U ben benfmürbigften. ^Pälffrj's friHjer, freimilliger Eintritt
in bie jfriegöbienfte bes $aifer« mürbe burd) feine Vorliebe für ben IDtilitärftanb
öeranlaßt unb burd) bie ju jener Qnt Ungarn bebro^enben inneren unb äußeren
©efafjren befdjjleunigt. Unb ba üp. gleich bei feinen erften SBermenbungen öor
bem ^einbe 9JUitt) unb Sinfidjt bemies, fo gelangte er fdjon Oor bem ^atjre 1683
an bie ©üitje bes «pälffrj'fdjen |)aibufencorbs, eines Sßortäufers ber jetzigen Jpufaren=
regimenter. 9Jtit biefem fott er fiel) bei bem Güntfaije öon 2Bien 1683 unb bann
in ben nädjftfolgenben genügen bis 1687 merjrfad) fo braö gehalten tmbeu,
baß ifjtn im leijgenannten Saljre bas @ommanbo ber midjtigen $eftung ©ran
anbertraut mürbe. (Später beteiligte er fiel), menngleictj fdrnn bamals infolge
einer im Kampfe mit ben dürfen erlittenen SSertounbung etmas t)infenb, an ben
Unternehmungen bes -öerjogs Äarl öon ßottjringen, 1688 befanb er fictj unter
Äurfürft sUlar (Stnanuet öon Sßaiern öor SSelgrab, mo er mit feinen Leitern bie
Surfen jum SBertaffen ber erften ßaufgräbeu amang. Sefonbers genannt mirb
er aud) in ben ©djladjten hä 33atocina («Patactn) an ber 9Jtoraöa am 30. Sluguft
unb bei sJliffa (9lifdj) am 24. (September 1689. $ür fein 2)ert)atten in bem
letztgenannten Kampfe mürbe 3ß. öom j?aifer mit einem „21'tterljödjften ®anf=
briefel" ausgezeichnet, morauf er im $. 1690 jum (Seneralfelbmactjtmeifter öor=
rüdte unb noeb, in biefem $at)re bei Setgrab, 1691 bei ©lanfamen näcrjft $eter=
marbein anerfennensmertfje SDienfte leiftete. sJtun folgten rafd) naetjeinanber
«Pälffr/s meitere (Ernennungen : 1692 jum f$fetbmarfct)atilteutenant unb (Somman=
banten bon $afdjau, 1693 jum Dbrifttanbesfämmcrer in Ungarn, 1694 zum
£>bergefpan unb (Sct)loßE)auptmann öon $reßburg, 1699 zum 5e^euSme'f^,
1700 junt mirflictjen geheimen Statt), 1701 jum ihontjüter unb Dbrift ber
faifertietjen ßeibgarbe ju guß (£rabantengarbe), 1711 zum Obriftftallmeifter ber
$aiferin Eleonore unb zum Otitter bei gotbenen SBließes, 1713 zum «Palatin öon
Ungarn, 1718 zum ©eneralfelbmarfdjatl. 2lud) mätjrenb biefer 3e^ ift s$-
miebertjolt bei ber SSefämpfung ber fürten mit guten (Srfotgen ttjätig gemefen;
ferner ermarb er fiel) überbies große Sßerbienfie um bie SBertfjeibigung Ungarni
baburetj, baß er eine ztoedmäßige unb rafdje 23emaffnung ber Gruppen bemirfte
unb für entfpredjenbe SSorrättje in ben föniglidjen ßaub= unb gelbzeugtjäufern
forgte; öon öormiegenber 33ebeutung ferjeint aber fein Singreifen auf bem ©ebiete
ber ßanbesöermaltung unb bann auf jenem ber (Staatsgefdjäfte gemefen ju fein.
Sn le^terer ^infietjt etjrt it)n öor ?lÜem feine im Vereine mit bem 6arbinal=
eräbifd)ofe öon ^alocsa (Smerictj ©raf ß^aft) in ber s^re^burger ßanbtagsft|ung
am 30. $uni 1722 ju ©tanbe gebrachte einbettige 3lnnaf)me ber öragmatifetjen
Sanction, benn Ijiemit tjatte er ^ur ©urdjfütjrung eines ber tjeröortretenbften
gefd)icl)tticr)en Stete mejentlid) beigetragen unb roie Äaifer Äarl VI. im -£>anb=
f treiben öom 4. 3fuli 1722 „feinem Widert" befannt gibt, beffen öäterlidjen
SBunfdj öoraügtid) geförbert. 35on gteidjfatts nietjt geringer Ghljeblidjfeit mar
anbererfeits ^Palfftj's öertraulidjer 33riefmed)fel mit bem ^rinjen @ugen öon
©aöoöen über bie 9Irt bes Umfidjgreifens bes 2lufftanbes unter Sfcäfocjö in ber
3eit öon 1704 an. $., roeldjer feit bem ^arjre 1680 mit ©lifabetl), geborener
gteiin öon 3Beidj§ öeref)elid)t gemefen unb mit it)r bie fogenannte ältere ^ito=
laifctje ßinie bes ©efctjtedjtes «p. begrünbet tjatte, ftarb ju ^reßburg unb mürbe
in ber im ftranaisfanerHofter ^u ^Jlalacäfa befinbltdjen Familiengruft beigefe|t.
78 $»lffo.
9tad) tjinterlaffenen 9uifaeict)nungen feiner ^ettgenoffen bewahrte 5]3. zeitlebens
gefinnungStüdjtige patrtotifcfcje (Stjaraneretgenfdjaften, fanftmüttjigen unb frei*
gebigen ©inn unb war als -ftenner bet Söiffenfdjaften ftctö bemiH)t, geterjrte
Begebungen ju unt erftütjen. Üiamentlidj bemerkenswerte) in leitetet 9tidjtung
ift ^ßdtfft)^ Begünftigung beS eine 3eit lang mifjöerftanbenen unb angefeindeten,
fpäter aber öom $aifer unb Sßapfte auSzeidjnenb gearteten lutt)erifd£)en ©eifttidjen
unb |)iftoriograpt)en, IDatgliebeS ber 9lfabemieen öon Berlin, Sonbon unb *jßeter3=
bürg, 3Jlat^ie8 Bei, t 1749.
2öurjbad), Biogr. ßej. b. Äaifertt). Oefterr. 21. £fj. 2öien 1870. —
9lrnett), ^j. Eugen öon ©aöot)en. 1. 33b. SBien 1858. — £ormaö,r unb
WtebnianSfö, £afd)enbud) fttt öatcrlänb. @efd). 9. ^arjrg. 2öien 1828. —
©djweigerb, Oefterrcid)S gelben u. £)eerfüf)rer. 2. 23b. äöurjen 1853. — 9teiÜti,
Biogr. b. berürmtteften gelbt). DefterreidEjS. SBien 1813. — Mitteilungen
beS f. f. ÄriegSardjiöS. ^elbjug 1689. äöien 1877. ©d).
v£älffo: Sodann IV. @taf 5p. ö. Erb ob, glitter beS golbenen Stiege«,
BanuS öon Kroatien , ^ßalatin unb Judex curiae öon Ungarn , f. f. ®eneral=
felbmarfdjatl, öon ber $aiferin '"Diana üttjerefia mit betn Beinamen „Bater"
geehrt, geb. am 20. Sluguft 1663, f am 24. «ütära 1750, trat im 3. 1681
als Bolontär in faiferlidje ihiegSbienfte unb fott fc^on 1683 bei äöien mit=
getämpft tjaben. 1686 befanb fid) s4>. als sJtittmeiftcr bei ber Belagerung unb
Erftütmung öon Ofen, 1688 führte er bereits als Oberft unb Sntjaber baS
jetjige -gmfarenregiment 9tr. 9, 1689 erwarb it)m fein Bertjatten in (Serbien bei
Batofd)ina OJtotacin) am 30. 2luguft unb bei sJtiffa (9H§) am 24. September,
ferner am Sdjluffe beS 3farjTeS junadjft beS ÜtrjeinS bei ^ßrjilippSburg metjrfadje
9lnerfennung, worauf er 1693 jum ©eneralmajor unb 1700 zum gelbmarfd)all=
lieutenant unb ^ntjaber beS 1801 rebucirten ßüraffierregimentS 9tr. 4 ernannt
würbe. 9tun begann *pätffr/S öorwiegenb bentwürbige, neuerer 3eit erft tt)etl=
weife erforfdjte äfiirffamfeit. SDiefe äufjerte fid) 1701 jur $tit ber friegerifcfjen
Operationen burd) gewanbte £ruppenfüt)rung unb fdmrfe BorauSfidjt bei bem
llebergange über bie tribenttniferjen 2llpen, beim Borrüden gegen Segnago, bann
gelegentlich ber 5lllarmirung beö maitänbifdjen ©ebieteS, fowie in ben ©efedjten
bei Sarpi am 9. $uti, hti Boöotone am 12. 3uli, in ber ©djtadjt bei Etjiart
am 1. (September u. f. W. sJtid)t minber tjeröortretenb fenn^eicfjnete fid) s£.
aber aud) burd) bie Entfaltung aller fonftigen militärifdjen üEugenben unb
ritterlichen Et)araftereigenfd)aften. Unb als er barjer fdjon 1702 infolge beß
Einftuffeß ber IDtanSfelbifcrjen Partei jjur 2lrmee nad) üDeutfdjlanb Perfekt
würbe, ba bebauerte $rinj (Sugen rüdfjaltlos ben Söeggang be§ iljm ftets juge=
ttjanen leiftungSfätjigen ©eneralS unb eljrte ty. baburd) , bafj er itjn ju feinem
unb bes Speeres SSertreter beim Äaifer beftimmte. 9lad|brüdlid)erer Sorgfalt
^ätte biefe ernfte Miffion nid)t annertraut werben fonnen. Ueberatt nämtid),
wo .grilfe äu erwarten war, tjat 5ß. bie 33ebürfniffe ber Gruppen Sugens wärm=
ftenS unb umfidjtig flargelegt; bem 5Jtonardjen aber, bei bem er „wotjtgelitten
gewefen", fdjilberte $. bie sJtott)lage ber ÄriegSmadjt, Wie er melbete, befonber©
bann „Ijödjft notl)flägltd)"( als it)n ber ifaifer lierju mit ben Söorten ermun*
terte: „@S bleibt bei unS allein unb $l)r l)abt @ud) nidjt ju fürdjten." ©eine
Sdjulb war eS fid)er nidjt, bajj ^rin^ Eugen nod) feine ausgiebige SSefferung
feiner Sage gefnnben Ijatte, als $. im ^uti 1702 aur ?lrmee in S)eutfd)lanb
abreifen mufite. S)ort würbe er im ©eptember mit ber S)edung beS fdjwäbifdjen
Ä'rcifeS beauftragt. Bei ber geringen Slnjarjl öon Gruppen, bie üjm gur S5ei;=
fügung ftanben, tonnte er aber anfängtid) bem (Segner nidjt ©tanb Ratten; erft
als er beffen sDcanööer unb ÄanipfeSart erlannt, gelang eS itjm, benfelben bei
5törblingen aufzuhalten unb jurüd^uwerfen. 2ludj an bem fjfelbäuge 1703 na^m
SPälfft. 79
*ß. im Kampfe felbft, fowie burd) grtfjeilung wofjlbebadjter Entwürfe unb
9iattjfd)läge lebhaften 2lntf)eil. 3m 2Iprit ftdjerte er burd) Streifungen gegen
33erngau unb Sul,}burg bie plante bes in bie Oberpfalj marfcrjirenben (Sorps
Sttjrum; ber Ueberfallberfud) auf Ulm in ber ftadjt öom 8. }um 9. 5Jtai er=
folgte auf fein wieberrjolte§ unb beftbegrünbetes 2lnratb,en unb fcrjeiterte nur an
bem Derfpäteten Eintreffen ber SIngriffsinfanterie ; für bie Scfjlad)t bei SdjWen=
ningen unb «gjödjftäbt am 20. September erteilte er gleichfalls rechtzeitig bie
trefflidjfien SBeifungen unb jagte perföntid) mit fünf preufjifdjen Sdjwabronen
einen ttjeil ber franjöfifdjen Leiter in einen tiefen 9Jcoraft. „Unb weil ifmen
ha ju ^Sferbe ntdjt bei^ufornmen gewefen, fo rjabe idj", metbet $., „meine
2eute abfttjen, bie £$fran<$ofen tljetls' gefangen nerjmen, bie Uebrigen maffacrhen,
bie ^ßferbe , f o tjerausaubringen geroefen , mitnehmen , bie anbcrn , bie tief im
9Jtoraft geftedt, nieberfdjiefjen laffen unb Dter Eftanbarten erobert." hiermit
jdjiofj ^ätffD's SBitffamfeit in ©eutfdjlanb; — anfangs 2)ecember 1703 über*
nat)m er, mit Dtüdfidjt auf feine perfönlidjen 2k>rjüge unb feine im x^eiht ge=
(eifteten r)eröorragenben 5Dienfte auf SSorfcfjlag be§ ^rinjen Eugen bie Leitung
Don Kroatien all 23anus. %n biefer (Stellung erwarb ftd) *ß. in ber ^ät oon
1703 — 11 ba§ grofje 3}erbienft, nicf)t nur burd) bas wiebertjotte Aufgebot Don
©renämiti^en, fonbern aud) burd) offenfiDe ^riegfürjrung unb fluges Sßerrjatten
überhaupt jur ^Bewältigung be§ Don ^ranj Seopolb Ütaföqi unb feinen 2ln=
Rangern rjerDorgerufenen Slufftanbe§ wefentlid) beigetragen ju fjaben. 2>ie 3a^
ber entfdjeibenben kämpfe , welche er fjierbei tb/ilweife felbftänbig geleitet , war
roorjl eine Derljältnifjmäfjig geringe (1704 auf ber 9Jhninfet, bei Snrnau,
St. ©ottfjarb; 1705 bei 9taab, 93ibersburg; 1706 bei ©ran; 1707 bei $apu=
Dar; 1708 bei Srencfin, Sjeblicsne, 91eut)äufel; 1710 bei 9leüt)äufel); um fo
Dielfättiger unb bebeutungäDolter, |ier jebocr) aud) nur im allgemeinen anbeutbar,
ift aber bie lange Steige Don Streifigen unb Operationen geroefen, roelcrje unter
feiner ^ütjtung in bem weiten ©ebiete Don Kroatien bis an bie 2öaag, Don
Steiermarf bis gegen bie 3Ir)ei§ ftattfanben unb wobei 5ß. meifienttjeils burd)
nicfcjt geregelte GommanboDerrjä'ltniffe fowie wegen mangelhafter SSetrjeilung feiner
Gruppen mit (§>dh, SBefleibung, Sefdjutjung, ^roDiant ic. im freien £>anbetn
unausgefefet beljinbert War. 5Dennod) gelang es 5ß., ber 1705 3um ©enerat
ber GaDatterie, 1707 }um ©eneralfelbmarfdjaE, 1710 pm Cberbefetjlsljaber
erhoben worben ift, ben SBiberftanb ber 2Jcalcontenten <}u fdjmädjen, woraus
9tafocji in Erfenntnifj bes Slnfefjens, wetdjes *ß. als gelbljerr, Staatsmann,
Vertrauter bes Äaifers unb $önig§ unb redjtfdjaffener, feuriger Patriot bei aEen
Parteien genofj, mit biefem am 30. 2lpril 1711 ben ^rieben Don ©ijdtrjmdr
Dereinbarte. 9lur wenige Sfarjre jebodj fonnte nun SJ>. feine 2lufmer!famfeit ber
Verwaltung bes Sanbes ^uwenben; fd)on 1716 ftanb er wieber Dor bem geinbe
als ^nterimScommanbant bex Slrmee bei %utat, in beffen Dtä^e er am 3. Sluguft
mit 1500 Leitern einem aus 20 000 9)cann befte^enben Sorps dürfen ben
ganzen Zaa, Stanb tjielt unb am 5. 2luguft in ber Sdjlacb.t bei ^eterW arbein,
am 1. September bei £emesDär jur ßrreidjung ber Erfolge bes £age§ nad)brüd=
lid) unb ausbauernb tb.ätig War. Sludj bas 3ar)r 1717 b^ielt $• im Selbe unö
t)at itjm bie Sdjladjt bei 33elgrab am 16. 2luguft bie ©elcgenrjeit geboten, ]\ä)
mit überrafdjenber Sdjnelligfeit in ber gtanfe ber dürfen 3u poftiren, biefe ob,ne
3ögern entfdjloffen anzugreifen unb trotj rjartnäcfiger ©egenwetjr ju Dertreiben.
Slls jebod) bie 93orDerrjanblungen ^um 5paffaroWi^er ^rieben begannen, ba ferjrte
ty. neuerlid) auf feinen Sßoften als Sßanus jurüd unb wibmete fid) bis 1735
ben ^flidjten als SanbesDerwefer fowie ber 23ewerfftetligung ber Stnnab.me ber
pragmatifdjen Sanction. ®as ^aljr 1736 brachte ib,m bagegen nodjmals eine
Sßerwenbung gegen bie dürfen. @r übernarjm bas dommanbo ber bei 5?acs
80 Wim-
unb ftutat fid) fammetnben -ipilfSarmee; als er aber mit berfelben, eingeengt bon
$nfiructionen unb (lauteten, nidjtS befonberS teiften tonnte, ba würbe er 1737
biefeS ^oftenS enthoben. $n biefem geitpunfte offenbarte fid) $alffb,'S (£t)arafter
im glänjenbften ßttfjte ; entfagenb jeher $tage ober (Jmpfinbelei blieb er ber
unerfdjütterlicf) treugefinnte Wiener feines Regenten unb beS 23aterlanbeS. Unb
at§ itjtn Äaifer $arl VI. furj bor feinem 2obe bie ßrbin feiner (Staaten ju
fdjüfeen ernöfar;! unb ^aiferin IJJtaria 2t)erefia batb barauf $. mit unbefdjränfter
33otlmad)t als Malaiin, OberbefetjlStjaber ber ütruböen unb it)ren Vertreter nadj
Ungarn entfanbte, ba rechtfertigte er baS in iljn gefegte Vertrauen trojj ber
23ef et) werben feines tjotjen XHtterö in botlem la|c. ©einem 9lnfet)en unb @in=
ftuffe mar eS ju banfen, bafj fict) in Ungarn batb nad) bem Einfalle Äönig
^riebrid) II. in ©djlefien nictjt nur ber SBitte tunbgab, ber Königin bewaffnete
Jpilfe ju teiften, fonbern bafe baS getjoffte ßrgebnife weit übertroffen mürbe; er
mar eS aud) , ber bie Slnertennung ^ranj bon SottjringenS als (Bemalt ber
$aiferin ermirfte unb bie begeifterte 2lrt itjrer Krönung inS Söert fetjte. $a, er
wollte, als fict) 1742 be^üglict) ber 23erwcnbung ungarifetjer Jrubben aufjer
ßanbeS ©djwierigfeiten ergaben, biefen ^mifetjenfatt baburet) begeben, bafj er baS
(Sommanbo beS ^nfurrectionSaufgefcoteS für fict) erbat. 2)amatS mar eS, bafj
9Jtaria 2tjerefia mit nactjftetjenben 3ei^n un*> *>en tn'erin ermätjnten ©efdjenfen
SP. beglüdte. ©ie fctjrieb: „9Jtein Sater Sßälffo ! 3d) fenbe (Sud) biefeS «pferb,
weldjeS nun attein bon bem ßijrigfien meiner Unterttjancn beftiegen ju merben
würbig ift. Empfanget <}uglcicl) biefen Segen, um mid) miber meine geinbe ju
befctjüijen unb nehmet biefen 9Ung als baS $ennäeid)en deiner gegen (Sud) trageuben
3uneigung an". ^ftaria ülfjerefiu mar eS auetj, Welctje erleichterten .JperäenS bie
Äunbc tjinnatjm, eS t)abe '$. auf ben 9tatt) feiner g*eun&e unb in ßrfenntnifj
feiner ftetig äunetjmenben .KörberfdjWädje baS feinen 9luf unb fein ßeben fctjä=
bigenbe Gommanbo an (SSätertjäjt) überlaffen. SDenn fic mufjte ja, bafj 5pälffb/S
ebteS SSalten itjrem unb itjreS Kaufes 2Bot)( fomie bem ©ebcit)en OefterreidjS
unb Ungarn^ bis an fein SebenSenbe gemeitjt bleiben Werbe. Unb fo gefetjat) eS
auet) unb eS liegt in bem ©ebanfen an Sfotjann IV. ©rafen 5p. bie Erinnerung an
eine ber gefinnung§tüct)tigften ©eftalten in ber ©efdjictjte OefterreidjS, an einen
ungarifetjen Patrioten im beften Sinne beS SBorteö.
SQßurjBo^, 23iogr. ßej. b. Äaiferttj. ©efterreid). 21. 2t). äöien 1870. —
3lrnettj, 9Jiaria 2t)erefia'S erfte ftegierungSiatjre. 2Bien 1863 5.— (Äepner),
2tjaten k. öften. fteltyexxn. äöien 1808. — ©ctjmeigerb, Cefterreid)§ gelben 2C
3. 23b. SBurjen 1854. — £orma$r, Safctjenb. f. baterl. ©efd). 9. ^atjrg. SGßien
1828. — 3teiHto, Siogr. b. berühmt, getbt). Defterr. SBien 1813. — ftelb=
aüge b. y?>. gugen ö. ©aöoljen. I. ©er. 3.-9. 23b. 2Bien 1876-83 u. II. ©er.
1. 33b. SBien 1885. - g-effler, ©efetj. ö. Ung. 9. 2t). Seidig 1825. —
Slngeli, ber Ärieg mit ber Pforte, in ^DHtttj. b. f. f. Ärieg3ar$to8. *2Bien 1881.
©d).
^ali^ftft: Sodann ©eorg s4>. , Slftronom, geb. am 11. 3uni 1723 ^u
^ro^tis in ©ad)fen, f am 22. gebruar 1788 ju Seubnife (ebenbafelbft). $.
mar feines 3«d)en§ ein fd)lid)ter ßanbmann, ber fid) burd) eigene ifraft in öer=
fd)iebenen äöiffenfct)aften beträctjtlidje ^enntniffe ermarb unb e§ bis jum 6or=
rcföonbenten ber ©t. Petersburger Sltabemie unb ber Royal Astronomical- Society
in Sonbon brachte, (jr befdjäftigte ftd) Diel mit ^aturtunbe unb legte fid) eine
burd) 9teid)tjaltigfeit auSgeaeidjnete ^Raturatienfammluug nebft botanifdjeni ©arten
an; met)r gleifs noct) Wenbete er auf bie Slftronomie unb berfertigte fid) metjrere
feiner ^nftrumente felbft. 9lud) in ber bamatS tjertfdjenben äöolf'fdjen 5p^ito=
foptjie war er boHfommen t)eimifdj. 5Jlit einem adjtfü|igrn ^ernrotjr pflegte er
namentlictj bie beränberlictjen ©lerne ju beobactjten, unb in ber 2t)at gelang eS
$aüa$. 81
iljm , bie ^criobe öon ß £nrae unb öon Sllgol ju erfennen , atierbings in @e=
meinfdmft mit sUtontanari, ^igott unb Stjr. Äirch. 2(ls ev am 25. Secember 1758
mieber in geroohnter SBeife ben geftirnten Rummel unterfucbte, bemerfte ex einen
4Jteb elftem, bet fict) fortbetnegte unb ben er für einen Kometen bielt. 6ben ba=
mals ermattete man bie äöteberfebr bes öon galtet) berechneten unb feitbem
beffen tarnen tragenben Äometen; ty. tarn auf bie ißermutbung , fein gfunb
fönne am (mbe ber gefudjte g-rembltng fein, unb fragte belegen bei (Sbr. <g>off=
mann (bem bamatigen s}>rofeffor ber Slftronomie im benachbarten Bresben) um
Oiatt) an. SHcfer beftätigte öolllommen bie ibm befannt gegebene ^JcutbmafjunS-
unb batb trafen aucb öon anberen gactjmännem 9Jcittf)eitungen in gleichem
Sinne ein; immerhin ging s}$alit}fcb's (mtbecfung berjenigen ber übrigen 2lftro=
nomen nabeju um einen öollen sJJconat öoran.
^ouvelle Biographie Generale. 39. 33anb. — Söotf, ©efctjicrjte ber
2lftronomie, S. 418, 703, 738. — 9Jcaeblet, ©efchicfcte ber -pimmelsfunbe,
2. SSanb S. 22, 548. ©ünther.
%ti\ltö: Sluguft griebricb $., 2lrat, Sohn öon Simon $. (f. u.), ift
am 5. September 1731 in ^Berlin geboren unb hatte, nach 33eenbigung feiner
mebicinifcben Stubien, 1754 in ßerjben mit SSerttjeibigung feiner 2)iffertation
„de variis culculum secandi methodis" (abgebr. in Rätter, Collect, diss. Chirurg.),
in roelcrjer er eine öotlftänbige fritifche ©efctjicbte bes Steinfctjnittes unb ber ba^
mals üblichen 5ttetboben biefer Operation giebt, bie 2)octottr>ürbe erlangt. 9tach
feiner 33aterfiabt äurütfgefebrt, würbe er ;mm ^rofeffor ber (Chirurgie an bem
Collegium medico-chirurgicum ernannt unb ift in biefer Stellung bis jur 2luf=
löfung bes ^nfiituts öerblieben. Slufjer ber genannten üiDiffertatton unb mebreren
ttjeils cafuiftifd^en , tbeils fritifctjen 2lrtifeln in öerfctjiebenen mebicinifcben geit=
fcfcjriften bjat er ein f. ß. gefct)ät$tes „Sebrbuch ber dbirurgie" (1764, in 2. öer=
befferter Auflage 1776) öerfafct. 2lts äBunbarjt erfreute er ftd^ eines großen
SftufeS; fein Job ift am 5. <Dcai 1812 erfolgt. 21. £>irfch.
^attaö: ^eter Simon $., einer ber beröorragenbfien miffenfcrjaftlicrjen
Üteifenben, Statur-- unb 33ölferforfcrjer bes öorigen ^abrbunbert§ , geb. 3U Serlin
am 22. September 1741, f in feiner SSatcrftabt am 8. September 1811. >$'.
Sßater mar ein auch roiffenfdjaftticb tbätiger Gbirurg , unb befleibete in feinen
legten 3at)ren bie Stelle eines ^ßrofeffors ber dbirurgie am Collegium medico-
chirurgicum }u 23ertin (f. u.). Seinem SSerufe folgte ber ältere trüber
2tuguft ^riebrich (f. o.). S5on bäterlidjer Seite mar ty. oftpreufjifctjen Stammet,
mäbrenb feine Butter ber franjöfifctjen Solonie Berlins angebötte. SDie 6r=
jierjung , melcbe '$. genofj , mar eine öorjügtictje. Grrft leiteten fie .ipausleljrer,
fpäter, unb amar fcbon Pon 1754 an, befuctjte er SJorlefungen be§ Collegium
medico-chirurgicum. »Dttt befonberem (Srfolge trieb er bei ^JlecEel Slnatomie
unb bei ütoloff, bem Scbmager Sieberfübng, ^brjfiologie. Sine Vorliebe für bie
21nrertigung anatomifcfjer Präparate bat er fiel) immer beroabrt unb fchrieb
fpäter auch Einiges über biefen ©egenftanb. $u Sotanif b^örte er ©lebitfeb unb
in 3°°togie mar er fein eigener Sebrer. 5ftit 15 ^abren [teilte er eigene Unter=
fuetjungen über bie Sebensart ber Raupen unb ibre Sinnegempfinbungen an unb
entmarf ein neues Stiftern ber Sßögel, bem er borjüglicr) bie 3fo*m °^ Schnabels
ju ©runbe legte. Slls frühreifen, irütj felbftänbig benfenben Sdjüler jeigt ib^n
auef) bie SBefierrfcbung feiner 5Rutterfpraci)e , bes fjfranäöfifc^en , ©ngtifcljen unb
Sateinifcben. 9tubolpbi ftnbet in Sluffäfeen aus feinem 15. ^abre „eine S3e=
ftimmtbeit unb 9teini)eit bes 21usbrucfes, mie fie bamals gemi§ feiten mar".
Seine 9cieberfdjriften finb ferjon in biefer 3^x Da^° *n ftanjöfifctjer , balb in
englifcber Spracbe öerfafet. Scbon ber Jüngling febrieb prunflos mit einer aui--
SUlftem. beutft^e SBioßtap^ie. XXV. 6
82 SPottaS.
gefprodjenen Neigung für flare, einfache, beftimmte 9ui§bruc£äweife. 6ine be*
fonbere Vorliebe für fdjarffinnige Sttjmotogien wirb it)m nachgerühmt. SDen
SBinter tion 1758 auf 59 tierbradjte 5J3. in ^>atte, wo er Ijauptfäctjlicf) ©egner'ä
linterricrjt in sUtatljematif unb 5ptw,fif genofj, ben ©ommer 1759 finben mir ifjn
in ©öttingen, wo bie berühmte 93ibliotfjef i|n tior aEem feffelte, ba§ barauf*
folgenbe 3fa^r in 2et)ben, Wo er am 27. 2)ecember bie ^nauguratbiffertation
„De infestis viventibus intra viventia" tierttjeibigte. üJ)iefe Arbeit überragt aUe§
auf bcm ©ebiete ber 5parafitenfunbe tiorljer ©eleiftete unb batjnte jugleicr) eine
beffere Slaffification ber Sßürmer an, als Sinne" fie gegeben tjatte. 5Jtacf)bem
5p. bie bamatS noct) in erfter ßinie ftefjenben 5Utufeen unb Sibliottjefen -£>oEanb§
ausgenützt tjatte, ging er im $uli 1761 naä) Sonbon. @EiS, Safer, ©olanber,
SoEinfon gehörten t)ier ju feinen 93efannten, er befudjte Djforb in ©efeEfdjaft
feines JreunbeS 33olfmann, machte ©tubien an ber $üfte tion ©uffej unb bei
Aparwicf) unb tjat fetbft in feinen Tagebüchern biefem 9lufentt)atte einen wefent*
lictjen 9lntb,eil an feiner allgemeinen ©eifte§= unb Gtjarafterbtlbung jugefcrjrieben.
„Wufy bünft, idj Warb in ber engtifctjen Suft gefegter, nactjbenEenber unb
Wttjiger." Sein Sßunfdje feine§ 23ater§, itjn all 9lrjt fid) niebertaffen ju feljen,
juroiber, befdjäftigte er ficf) nact) ber 5Kücffeljr fo tiorwiegenb mit naturgefdjidjttictjen
©tubien, bafj er 1763 eine „Fauna Insectorum Marchica" fctjreiben tonnte, welctje
Diele tion ben anjierjenben Beobachtungen über bie SebenSwctfe ber Sfnfecten
enthielt , bie 5p. fpätcr im ©tratfunbifctjen ^Ragajin tieröffentlidjte. 2)er 23er=
faffer fjiclt inbeffen, abweidjenb tion feinen g^unben, bie Arbeit nidjt für reif
unb fie ift nie gebrudft worben, wiewofjl 9tubolpf)i urteilt, bafj fie fpätere
Söerfe gleichen ^nt)alte§ übertroffen Ijaben würbe. $m Sfuli 1763 reifte 5p.,
nadjbem er enblicf) bie Sinfttmmung feiner dültern gewonnen, ber är^tlicrjen
5pra;ri§ ju entfagen, nact) <g>oEanb , wo er im Jpaag feinen 9lufentf)att nafjm.
5p. war in bemfetben $at)re tion ber Royal Society <}u Sonbon unb ber 9töm.
$aif. 9ttabemie ber 5Jtaturforfdjer 3um 5Dlitg(iebe gewählt worben. ©ein 5)tame
Würbe in ben Greifen ber 9laturforfti)er mit @t)ren genannt unb er burfte fjoffen,
mit einem wiffenfdjaftUct)en auftrage für eine größere 9teife betraut 3u Werben,
wenn er erft ben tjoEänbifctjen unb engtifdjen ®etet)rten fiij noct) näfjer befannt
gemacht tjabett würbe. Sietleictjt backte er in erfter Sinie an eine amerifantfetje
sJteife, beren ÜZBunfdj er noch, aU ©reis im Jper^en trug. ^unädjft erweiterte er
feine $enntmffe buretj fleißiges ©tubium ber ©ammtungen unb gab SSeweife ber
ftörberung, wetdje er buret) biefetben ber 2Q3tffenfcf)aft ^ufütjite. 1766 erfdjien
im ^)aag bie bamatö tioüftänbige 2lufjät)(ung ber fog. -pflanjenttiiere aU „Eleachus
Zoophytorum". S)a§ Snctj, weldjeä bem ^»ottänber ©aubiuS zugeeignet ift, jeigt
in ber anäteljenben ©inteitung, welche tion bem Unterfctjiebe ber ^pflanjen unb
2fjiere unb tion bem SBefen ber ©efammtfjeit ber organifetjen ^atur ^anbett,
ben sIftufeum§äootogen unb 5trtenfenner tion ber pljttofoorjifcrjen ©eite. 5p. jeigt
|ier Anläufe, bie i^n beim ^erf)arren in ber ruhigen ©etefjrtenarbeit jum
würbigften ^ortarbeiter an bem tion Sinne begrünbeten 33au gemacht Itjaben
Würben unb jebenfatt§ würbe fein grofje§ Äupferwerf über 300P^Icn . fon
Welcrjem ber 6lenct)U§ nur ben Vorboten bilben foEte, bie @§per'fdjen „^Pftan^en«
tf)iere" Weit hinter fidj gelaffen tjaben. 5ölit ma^tioEer «^ritif Sinnö unb @Eü
entgegentretenb , gewann ftet) 5p. burc^ biefe§ SGÖerf ben Scu^m eine§ ber fetb=
ftänbigften unter ben jüngeren gtu'fdjam ^aft ^u gteietjer 3ä* erfct)ienen bie
„Miscellanea zoologica", ein 2Berf, wel«^e§ 5p. befonberä ber «Tupfer Wegen ntcfjt
ganj genügte, hon bem e§ aber r)inreict)enb ift, ju fagen, ba§ 91. tion |)aEer e§
in ber Bibliotheca Anatomica al§ opus quantivis pretii bejeicrjnet. §erbor=
ragenb ift barin bie 9Jtonograpt)ie ber 9lntitopen, bie 9lnatomie be§^rar unb einige
93eiiräge jur Äenntnif; ber Söürmer unb 3Beict)tt)iere, welche beweifen, bafj nierjt
^allaa. 83
ctft Gubier eS mar, welcher bie felbftänbige 23ebeutung bei- 9)toltuSfen im ©rjftem
beS £f)iexreicf)eS er!annte. 3n ben Stjierbefcfjreibungen ertoieS fid) *ß. als 9Jteifter.
„SBtr fjaben feinen ©d)riftftetter" , urteilte ein tjalbeS Sai^unbert später
gtubotbrji, „ber beffere, tidjtboltere S3efcf)reibungen ber £f)iere gibt. @r übergebt
atteS Ueberflüfftge, mifc£)t nie frembe Singe ein unb ift ofme äöettjdjtoeifigfett
genau." 2ttS nactj breiiärjrigem Slufentlrntt in |)oIlanb 5]}. feinen Söunfct), eine
grofce totffcnftfmftlidje Steife ju machen, ber (Srfüttung nidjt nätjet rüden fat),
feb>te er nad) SBetlin jutütf, Wo 1767 feine „SpicilegiaZoologica" erfdjienen, welche
21. b. Rätter Slnlafj gaben, i^n ben berüf)tnteften 23egrünbern ber bergletdjenben
Anatomie anjmeitjen. Äurj barauf beröffentlidjte er bie ^Wei etften 53änbe beS
©tralfunbifctjen 9JtagajineS , Weldje eine 9teib> bon arbeiten feiner fteber ent=
galten. Unb in biefelbe Seit faßt too^t aud) bie Ueberfe^ung beS £anbbuctjeS
ber «Dlebicin bon SBroofe, bie $. tootjl anfertigte, um nitf)t alle güt)lung mit
ber SrotWiffenfcrjaft ju bertieren.
3u biefer Seit genehmigte bie ^aiferin £atf)arina einen $tan ju wtffen«
fc^aftüdjen Reifen in wenig befannten feilen beS ruffifdjen SteictjeS. ©er
3u[tanb unb bie ßrjeugniffe biefer $robin3en füllten erfotfdjt unb betrieben
Werben. 23or altem Wünfdjte man eine grofje (Sjbebition nad) Sibirien ju
fenben, man roanbte fid) an Subtoig in Seipjig, um einen wiffenfdjafttidjen
gütjrer für biefelbe ju erlangen, unb biefer empfahl «p. %m 30. SIprit 1768
empfing er bon ber St. Slfabemte ju ©t. Petersburg ben Stuf, als it)r orbentlidjeS
TOglieb bie fibirifcfje Steife ju unternehmen. @r ging fofort nad) ©t. Petersburg,
mürbe 3um ^rofeffor ber 9taturgefd)id)te ernannt, unb trat wenige Söodjen
nad) feiner Slntunft mit ftebenunamanaig Sauren eine ber miffenfcfjaftlid) erfolg»
reidjften Steifen beS 18. SarjrrjunbertS an. $. berliefc am 21. Sunt ©t. $eterS=
bürg, mo er fid) nur im $luge untgefefjen unb rafd) borbereitet tjatte. Seit
it)m borauSgegangenen 2epect)in unb ©ülbenftäbt fotgenb, ging er geraben 2BegeS
nad) «ötoäfau, üon ba über SBolobimer, Äofimof. mo er bie tatarifdjen Söaurefte
unterfudjte unb abbilbete, SRurom, bie bon 5Rorbminen bewotjnten ©egenben
an ber ^jana unb $Roffd)a, $enfa nad) ©imbirSt, fjiett fidj auf bem 2Bege
nad) ©tawropot einige 3eit bei bem ©taatSrat^ bon 9tt)tfd)fow auf ©paSfoje
auf, unterfudjte bie ©d)Wefet= unb Srbölquetten am oberen ©ol unb ferjrte
(Snbe October m§ ©imbir§f äurüd, nac^bem er bie fRefte bon SSotgari jum
erften Zitate genau befdjrieben tjatte. 3n ©imbir§f berbrac^te er ben Söinter
t)auptfäct)Xi(f) mit 30otogifd)en S3eobadt)tungen unb tjier mar e§, mo er ein=
ge^enbe ^enntniffe ber fübruffif(i)en gifctjfauna unb ftifctjerei fc^öpfte. 3lm
10. 9Jlär3 1769 machte fict) $. auf, beobachtete ben eintritt be§ (SilgangeS
unb ba§ ©rfctjeinen bei fJfrü^lingS in Samara unb ferjrte @nbe Slbrit über
©t)§ran unb ©ernoi ©orobof nact) biefer ©tabt aurüct, um bor ber Steife in bie
Äalmüdenfte^e noct) ÄraSnoiarSf unb ba§ untere ©of=©ebiet betjufS botanifc^er
^orfdmng äu unterfuctjen. @r ging über Sßorft, längs ber famarifctjen Öinie,
überftieg ben Dbftfctjei ©brt, befugte Xatiftfc^ema unb Orenburg, bon f)ier auS
ba§ ©atämer! bon ^lejf unb bie alten Äupfergruben bon ©aigatfcfjei Stubnif.
3m 3uli madjte «p. eine Steife bie ^aiffctje Sinie entlang nacl) Dr8t unb ging
fogleidj nadj ber 9cfiiKe$t in ba§ ©ebiet ber ^attifc^en J^ofalen, bon bereit
geben unb SSerfaffung er eine anjicljenbe ©ctulberung entwirft, in melier bie
S5efd)reibung beS ^ifcl)fange§ im ^aiE (Ural) befonberä einge^enb ift. @ine
gleichfalls ausführliche ©cljitberung ber in biefem ©ebiete tebenben Äalmüden
nimmt ben Umfang unb bie ®rünblicl)!eit einer ett)nograpt)ifcr)en Sonographie
an, in meiner baS steifte bon bem niebergetegt ift, toaS %. auäj bei fpäteren ©e-
legenljeiten über bie JMmücfen erfuljr unb Beobachtete. 2lm 12. Sluguft mürbe
6*
84 ^otto3.
bie 3teife nad) ©urjef fortgelegt- Gnne fteinere gufammeufteüung öon Beobachtungen
über bie Äirgifen, bie Befdjreibung öerfdjtebener ©al^feen, befonbetS beS ^nberSfoj
Ofero , eines merfmürbigen SluSfafefaüeS , ber Ruinen bon ©aratfdjif beleben bie
2>arfteHung ber einförmigen galjrt am °$a\t r)in. %n (Surje? traf *ß. mit ßuler,
5Jkofeffor SiorDtj unb beffen 2lffiftenten ^noctjobjof jufammen, auf beren 5tuf=
nahmen motjl bie Äarte ber 3faif=9Jlünbungen bafirt ift, melctje 5ß. in ber Steife*
befctjreibung mittrjetlt. Bon ©urief aus mürben Unterfudjungen über bie
©djroanfungen beS ©piegelS beS ÄaSpifeeS unb über bie Snfel $amennoi an=
gefteEt unb am 31. 9luguft bie 9tücfreife angetreten, metdje über $argala, mo
eine tatarifdje 9tieberlaffung befdjrieben mirb, burdj eine bon Bafdjfiren be*
motmte ©egenb nact) Ufa führte. 3tm 2. Dctober eingetroffen, bejog tjier 5p.
fein jjloeiteS SBinterlager, baS bei ber Ungefunbtjeit ber Sage biefer ©tabt, einem
ungemörjntidj trüben unb ftürmifdjen SBinter unb einer Ueberfdjmemmung,
meldje bis in ben 'üftai bem 9teifenben alle größeren SXuSftüge unmöglich madjte
unb it)m enbtidj nod) bie Söeiterreife erfdjmerte, jju ben unangenerjmften getjörte.
5ß. fonnte nidjt fo aarjlreicrje Beobachtungen über bie ütfjierroett biefeS ©teppen=
gebieteS anfteEen, mie er getjofft t)atte. Sine 9teir)e prjänotogifcrjer Beobachtungen,
unb eine ©tubie über bie ufifdjen Notaren füllen bie ßücfe auS. 9tocr) Glitte
9Jtai 1770 berliefj 5p. Ufa unb befudjte zunäd)ft bie ©ifenmerfe im füblidjen
Ural, toobei Beobachtungen über merfroürbige .gjörjlen unb über bie Bafdjfiren
mit unterlaufen. 2öeitert)in roerben Angaben über bie 5IRefd)ifd)eref, ben brennen»
ben Berg bei ©ulpa, Sllaun , ®Iimmer= unb üEtjongruben, ®ifen=, Äupfer= unb
©ilberbergtüerfe beS Ural eingefdjattet. 9lm 23. $uni befanb fid) 5p. in Sefata=
rinenburg, befudjte in ben barauf folgenben Sagen einige ©olbbergmerfe ber Um=
gebung unb ging bann , zarjlreidje Bergmerfe befudjenb unb unterfud)enb im
3fd)imgebiet über Sroizfaja ihepoft tjinauS nacfj ©üben, bis eine burd) bie -gntse
unb ben ©at«$ftaub ber ©teppe berurfadjte 2lugenfranfl)eit itjn ^mang, am 26. Stuguft
bei UjSfaia äurücf^ufetiren. @r ging nact) XfcfjeliabinSf, um bafet&ft ben SBinter ju=
Zubringen unb befonberS ben zoologifdjen ©tubien obzuliegen, roeldje itjm ftetS bie
liebftfn maren. 5Ucit Beobachtungen über bie gauna, befonberS ben Bogel<jug, unb bie
©een ber Umgebung befd)äfttgte er fid) bis zum Söinter unb trat im Secember
nod) eine 9ieife nad) ütobolSf an, auf toetdjer er feinen sÄrbeitSgenoffen ßepedjin
in jjumen überminternb fanb. Wilit biefem berabrebete et, nadjbem nun baZ £)ren=
burgifdje (Sebiet im 2ßefentlicr)en ber 2lufgabe gemäfe, metdje bie Slfabemie gefteüt
fjatte, erforfdjt mar, ben 5plan ber toeiteren ffteife in ©ibirien, für meld)e§ Sanb
bie ©teöer^fcrjen unb ©melin'fdjen Slufnab.men, üon benen übrigens merttjbotte
Srjeile öerloren gegangen maren, nid)t mel)r genügten. 6§ mürbe beftimmt,
mätjrenb Seped)in ben nörblidjen Ural unb bie Sänber am SBeifjen 53Jteere über=
naljm, bafe ty. bie öon ©mclin meniger befudjten ober feit beffen Slnmefenrjeit
errjtblicrjer öeränberten Steile ©ibirienS bereifen unb babei ben BergmerfSgebieten,
foroie ber neuen ©übgrenje befonbere Slufmerlfamleit jumenben fottte. S)em=
gemä| fanbte er äunäcrjft feinen ©erjilfen ©uief @nbe ^ebi*uar ^ur (Srforfcrjung
beS nörblidjen £)b nad) Berefof, bon mo berfelbe bis an'S GüiSmeer ju gelangen
üerfudgen follte. $. empfing in Sfc^eliabinSf uod) bie Befudje öon gall unb
©eorgi, meldje nun gleictjfaES eine ftbirifdje 9teife antraten, unb mad)te ficr) am
16. 3lpril auf ben 2öeg. ©ein bisheriger ©efä§rte 9lötfcb,!om trennte fict) t)ier
öon ir)m, um einen militärifd)en 3«g in bie Äirgifenfteppe mitzumachen. Ueber
Kamins? unb ©merinogotofsf moEte er ben faltigen 2^eil ber ©teppe amifegen
Sfcrjim unb ^rttjfd) burd^reifen, far} fidg aber fc^on am Sobot megen Unfic§erl)eit
beS SfcrjimgebieteS , in melctjem feinblid)e ^irgifen ftreiften, unb ©rlranfung
feines ©erjülfen ©ofolof genötigt, nad§ ÄaminSl aurüdjugeb.en , um öon ba
5ßaflai. 85
aui ben getoötjntictjen 2Beg längi bem ü£obol nactj Dmlf einjufctjlagen. Sluf
biefem SBege Perlor er in ©ujerif am 3. 3Jtai feinen ©etjiffen ©ctjumifoi.
Slm 17. sHlai in £)mif angelangt, fanb 5ß. bei ben bortigen 93etjörben nicfjt bie
erfjofften ©rleictjterungen feiner Steife unb feijte jiemtict) enttäufdjt am 22. feinen
9JBeg über $orjäfofif unb ©emipatatin§f nactj $rainojar*f an ber Uba fort.
Söon S)t)fenterie fjeimgefucfjt, machte er ben testen £tjeil bei 28egei öon ©ctjutba
an franf unb tag 18 Xage in bem an fictj fctjon ungefunben Ärainojarif. S)ie
geplante Steife nadj Uft=$amenogorif mufjte er feinem ©etjilfen ©ofolof über=
laffen. ©efräftigt fetjte er am 17. $uli bie Steife nactj bem Slltai fort, beficfj=
tigte bie neuen 2lnfiebelungen ber Söerfcfjicften an ber Uba unb fam am 27. 3futi
in ©meinogorif an, too er mit bem Oberbergmeifter ßcube bie ©rjPorfommen
be§ fog. ©cfjlangenbergei unterfucfjte, toegen fortbauernber ©ctjtoäctje aber nicfjt
im ©tanbe mar , bie fjöcfjften Steile bei (Sebirgei ju erreichen. 2lm 22. traf
er in 23arnaul ein, beffen ipüttentoerfe genau befcfjrieben merben, ebenfo toie bie
be§ öon tjier aui befuctjten 9towo=5ßauloto§f unb ber fog. ©ibirifctjen OMn^e ju
9tifcfjno=©ufunif. 2lm 8. (September mürbe ülomif erreicht unb Pon ba ber
SBeg über Sltfctjinif, burctj Stieberlaffungen öer .ßatfctjinäifcfjen Tataren fortgefetjt,
bei Slbafanif ber Seniffet überfctjritten unb ia in biefer ganzen (Segenb fein
pm SÖinterquartier paffenber £)rt ju finben mar, über bie (Sifentoerfe am
j^efagafdj unb weiterhin ben ^eniffei fjinab $rainojarif am 10. Cctober erreicfjt.
,§>ier Perm eilte 5p. bii 311m 7. 9Mrj 1772 unb ging bann mit einigen biifjerigen
Begleitern bei franf äurücffefjrenben fialt, unter toelcfjen ©eorgi, nactj Srfutif,
toofjin ©ofolof jum gtoecf ber Sogb fcfjon Porausgegangen mar, toätjrenb ©uje?
über ^eniffeisf nacf) bem unteren ^eniffei abging, ©eorgi blieb in Sfrfutif
juiflcf, toelcfjei am 14. 2Jcärj erreicfjt toorben toar, um bie Ufer bei 33aifat ju
errorfctjen. ^n ^rfutef toar ei, bafj 5)ß. bie gletfcfj= unb ^auttfjeite einer im Söinter
1771 72 am Söilni gefunbenen Stfjinoceroileicfje erfjielt unb bie äBiffenfcfjaft
banft einem glücflicfjen QmaU unb ^attai' nie rufjenbem gforfcfjungigeifte bie
erfte genaue 93efcfjreibung einei fo merftoürbigen f^unbei. 2lm 22. 9Mrj tourbe
^rfutif toieber öertaffen, am 24. ber 55aifal auf ©erlitten nactj ^ofolif ju über=
fcfjritten unb auf ber eben aufgefjenben ©elenga am 26. ©elenginif erreicfjt.
Ulm 6. Slpril fam ber Steifenbe nactj .ftjacfjta, beffen Sage unb £)anbel, ebenfo
roie bei gegenüberliegenben cfjinefifctjen ©reu^ptatjei 9ltaimatfcfjin eingetjenb be=
fcf)rieben mürben. Ueber $uitun ging bann bie Steife burctj burätifetjei ©ebiet
über ben ^ablonoi Gtfjvcbet unter großen ©trapajen in frifdt^em unb fct)meljen=
bem ©cfjnee nacf) 3lffcf)in§f am Onon, toelcfjei am 19. ^JJiai erreicfjt toarb.
5p. ging unter forttoäfjrcnben ©ammtungen unb Slufjeicfjnungen, bie ba§ Material
^u toicfjtigen s33conograpt)ien lieferten, toie ber bei Sfcfjiggetai , bei 2lrgali, ber
©teppen= Sinti tope, bei Srbfjafen, bii nacf) 2fcfjinbanturuf , Pon too an ber Stga
unb 3fngoba fjin ber Mcfroeg nactj ©elenginif angetreten tourbe. 9iur 4 Jage
raftete s^. Unb macfjte fiefj am 24. $uni 3U einer neuen 9ieife nactj ^jacfjta am,
um feine djinefifcfjen Olufjetctjnungen ju perüoüftänbigen unb bie fübticfjeren
©tricfje an ©elenga unb Jfcfjifoi fennen ^u lernen. 9ceuerbingi naefj ©elenginif
3UTÜcfgefefjrt , trat ty. am 4. ^uti feine Steife an ben 93aifal an, an beffen
Ufern er fictj mit ©rforfcfjung ber gfifcfjfanna, ber gifcfjeteien unb ber ffioxa be=
fcfjäftigte. 2lm 22. 3fuli Pertie^ er ^rfutif unb fam über Ubinif unb ÄanSf
am 1. Sluguft nactj ^rainojarif, too er einige Söoctjen mit Orbnung ber
s)toti3en unb ©ammlungen öerbracfjte unb ben 93erictjt bei Pom untern 3>eniffei
rücffefjreuben ©ujef empfing, toelcfjer übrigeni in ber Steifebefcfjreibung nur eine
fteine ©teile einnimmt. Slm 19. Sluguft trat $. feine Üteife nactj bem ©aja=
nifetjen ©ebirge unb ber cfjinefifctjen ©renje an, befucfjte untertoegi bie 93ergroetfe
Don Äarpfcfj, bie fagaiifcfjen Jartaren, bie 33altiren, ^oibalen unb auf ber Üiücf»
86 yaÜaZ.
reife bie ma'inSfifdjen 23ergtoerfe. Stuf biefer tftetfe Tratte ev baS ©lud, bcn
fibirifdjcn ©teinbocf fennen p lernen, bon roetctjem eine genaue ^Befc^reiBung
gegeben ift. 2tm 23. ©eptember Eefjrte ty. mit anbrectjenbem äöinter nad)
ÄraSnojarSf prüdE , mo er bie Siüdfefjr ©eorgVS unb feiner ©etjtlfen ertoartete.
(Sr benutzte bie 3eit, um Säger berfteinerter ^öl^er am Seniffci unb bie berühmt
geworbene klaffe gebiegenen GüifenS hei UbaiSfoja p unterfuerjen unb Ijatte
anfangs 2)ecemoer ©elcgent)eit , bie (Sigenfdjaften beS gefrorenen CuedfitberS p
ftubiren. SDen ©djlufj feinet 33erid)teS öon biefem $at)r bilben IDtittfyeitungen
über bie Steifen feiner ©et)ilfen im baurifdjen ©ebiete. ©einen Söunfctj , fdjon
frütje im ^atjre 1773 nad) ©uropa, pnäd)ft nad) ber $ama prüdp?et)ren,
tonnte er toegen berfpäteter Stüdfunft ©eorgt'S erft am 22. Januar ausführen.
5tn biefem Sage berliefj er ÄraSnojarSf auf bem Söege nact) UomSf unb traf
am 4. Februar in £flta *™> to° t* nun mit ©melin, toeldjer uadjfam., Bis
Gfnbe btefeS 9Jtonate8 bertoeilte, um im fjfluge nod) einmal auf äBintertoegen
baS iffetSfifdjc ©ebiet p burd)pt)en unb am 12. 9Jtära bie $ama bei ©arapul
p erreichen. Stuf bem testen SEtjeil biefeS SöegcS fjatte er ©elegentjeit gefunben,
bie Söotjäfen unb £fd)cremiffen fennen p lernen unb begab fidj bann nact)
$afan um Vorbereitungen für bie ©ommerreife p treffen, toelctje am 21. Slpril 1773
mit einer ftatixt an ber Äama abroärtS begann. @rft auf ber Drenburger
Strafe, bann bon ©imSfaja auS toefttiet) führte ber 2Beg über baS ©teppen»
gebirge (Obftfctjei ©rjrt) an ben Uratflu^ , bann auf bem aftrad)anifd)en $ara=
manenmege am $ufdmm t)in füblid) in bie ©anbmüfte 9tartjn, nad) ben ©tein=
faljtagern Don £fd)aptfct)atfd)i unb über XfdjernojarSf nad) ©arepta. %m
©arpa=©ebiete unterfudjte er bie alten Ufer beS ÄaSpifeeS. SDie ©et)ilfen 23t)toto
unb ©otolof tjatten inbefj bie fumanifd)e ©teppe unb baS untere SBoIgagebiet
in Dotanifdjer unb potogifetjer <£)infid)t burd)forfd)t unb trafen mit *p. @nbe $utt
in 3at^n pfammen. 3)en 4. Stuguft ging ty. 2Bolga auftoärtS pr llnter=
fuctmng ber ©teppe, meldje am tinfen Ufer fict) t)in3iet)t unb ber neu angelegten
beutfdjen Jvolonien oberhalb 2)mitrefSf unb ©aratof. Slm 18. reifte er nact)
3aripn prüd, befuctjte ben 5lltan=Stoor, unb blieb bann ben 2Binter in jener
©tabt, mo im Dctober aud) ©eorgi eintraf. Sßon 3^3^ uno ber Umgebung
mirb eine feljr eingeljenbe ©djilberung entmorfen. ^m folgenben ^aljre 1774
begann 5)}. feine Steifen mit einem 2lu8fluge an ber 9ldjtuba nadj ben tieften
einer alten ^togaiertjaubtftabt, nad) bem Sogbo Dia unb ben benachbarten ©alä=
feen. 2lm 25. ^IJtai nact) g^mäim äurüctgefet)rt , trat $. bie Stüctreife nac^
Petersburg im Anfang bc§ Suni an, nic^t otjne untermegS noctj eine reicfje 3<it)l
öon Beobachtungen ^u machen. @r bermieb ben bon ©melin unb ©ülbenftäbt
fetjon bor it)m gemachten äöeg, ging über ^Jtomoctjoberät nad) 5)to§tau, roo er-
ben faiferlidjen Sßefetjt empfing, ber aHe im meiten ©ebiete be§ 9teict)e§ im 5luf=
trage ber Slfabemie reifenben §orfct)er jurüdrief. 9tad)bem er fiel) in 9)toäfau
be§ Umgänge? be§ ©taatgratt)e§ SJtüEer erfreut, ging er, jum erften 5Jtale otjne
2tufaeict)uungen ju madjen, geraben 3Bege§ nad) Petersburg, mo er am 30. 3uti
eintraf „mit einem ^mar entfräfteten Körper unb fdicn im brermnbbreifiigfien
^atjre grauenben ^>aare, aber bod) frifdjer als id) früher in Sibirien gemefen".
^atlag' Körper mar bon 9tatur tcineSmegS fetjr träftig. 2)ie metjr als fed)S=
idfjrige Steife t)atte it)n buret) immer miebertetjrenbe Stutjranfätte unb ebenfo tjart=
nädige 2lugenentaünbungen fo gefd)toäd)t, ba^ nun eine längere @xf)otungSpaufe ein=
treten mu^te. ty. orbnete feine ©efetjäfte, mobei fidj ergab, bafj feine Steife nod)
nid)t ganj 1000 Stubel pro Satjr, einfdjlie^lict) ber Soften für ben 3ei<$ner,
Siäger unb 9luSftopfer getoftet tjatte. SDabei tagen, abgefefjen bon ben 3at)I=
reidjen 35eobad)tungen, toelctje fpäter berarbeitet mürben, bie ^tuei erften 33änbe
ber Steifebefctjreibung bereits bor, unb ber meitauS größere 2t)eil beS brüten
yaüa*. 87
rourbe glcictj nacb, ber Otücf£ef)r ju St. Petersburg in 2)rucf gegeben. 1771,
atfo ungeroörjnlier) rafdj , fjatten bie Stufjeictjnungen Dallas' ,}u erfetjeinen be=
gönnen , roelcf)e auef) in ben folgenben ^bfdtjnitteri ber Steife frifefj rote fie im
Sommer in ben xagebüctjern ter^eic^net roorben roaren, in ber üttufje bes
Söinterquartiers brueffertig gemaetjt rourben. So ift ber erfte Sanb in Ufa, ber
jroeite in Selengingf abgefctjtoffen toorben unb ben brüten fdjrieb $. faft ganj
in garijrm nieber unb nur äußere llmftänbe, unter roeterjen ^. bie ^exftettung
ber Sanbf arten nennt, Derjögerten ba§@rfctjeinen biefes (enteren bis aum3iab,rel776.
Sine fotdje 2trbeit§tt>eife roar nur bei rafilofer ^rjätigfeit unb nie ermübenber
®abt unb Sujl ber ^Beobachtung im Stanbe, fo roertrjüotle (Srgebniffe ju tiefem,
wie mir fie in biegen brei grofjen Cuartbänben mit über 2000 jertfeiten unb
jafjtreictjen harten unb Tupfern befifeen. Sie entfpracfj ben Söünfdjen ber
2lfabemie, roelctje, entgegen itjrem früheren Programm, üorroiegenb auf antreiben
Drtoros feit ^atlal' Eintritt eine rafdjere ftutjbarmadjung ber gorfetjungsergebniffe
itjrer jeit 1768 in alte £t)eite bes äfteicrjee entfanbten Oteifenben verlangte, aber
toir bürfen rootjt fagen, bafj fie auef) ber rnetfeitigen, beobadjtungSfreubigen
»Jlatur 5patla§' genug ttjat, weiter gerabe auf biefe erfte, fdjroierigfte feiner Reifen
in fpäteren Sauren mit greube unb Stotj gurüdEfacj. £a fein fibirifetjes
rjorfcrjungSgebiet ftd£> ttjettroeife mit bemjenigen feines Vorgängers ©melin beefte,
betont er fetbft bei ©etegentjeit bie unöergteidjticf) befcrjränftere Aufgabe , bie
bem teueren geftettt toar unb roie berfetbe fetbft fid} enge ©renaen gebogen.
5ß. beobachtete alles, unb Peräeidjnete attes\ fieser, bafe aud) ba§ Unbebeutenbe
beieinft tion ©etoictjt fein tonnte, unb ertoieS fid) buret) bie fettene 33erbinbung
Don ©rünbticrjtett unb 53ielfeitigfeit , Originalität unb ©etetjrfamfeit al§ ber
feinen Aufgaben am beften geroactjfene öon atten ben roiffenfctjaftticrjen Ureifenben,
roeldje feit ©metin ba§ ruffiferje jReidcj Durdjforfdjt Ratten, ty. arbeitete fid) un=
gemein raferj in bie ÜJcannigfattigfett feiner Stufgabe rjinein. 2lt§ 30°t°8 toat
er oon Petersburg abgegangen, at§ fertiger SBotanifer unb Güttjnograpr), al§
tjeroorragenber Statiftifer im weiten Sinne ScrjtöjerS, als ©eotog unb sDlineratog
fetjrte er jurücf.
2>en Sßorfdjriften gemäfj trugen ^attas' Reifen ftets audj ben dtjarafter
Don „öfonomifetjen" Steifen, toie man fie bamatS ju nennen pflegte. 5£ie roirtf)=
fdjafttidje Sage ber bereiften ©cgenben, bie bemerfenSroerttjeren ^nbuftrien, be=
fonber§ aber atteä, toa§ im 2tt)iei;=, *pftanjen= unb Steinreich fid) ati irgenb
einem roirttjfdjaftlidjen 3roe^e nutzbar ju erroeifen fd)ien, rourbe fo genau Der=
jetdjnet, bafj t)eute fcfjon Maltas' Üteiferoerfe als Seiträge jur 2öixtf)fcr>aft§=
gefc£)icr)te bei ruffifdjen 9teictjes getten- Wü itjren jatitlofen Anregungen, bie
©aben ber Dcatur beffer auszunutzen, greifen fie tjäufig über ba% einfach ^raftifdje
tjinauä. Äcine sMt)rpftanäe, bie auet) nur entfernt mögtict) fetjeint, 5tr3enei= unb
ö-ärbepffanjen, nufebare 5Jlineratien, üi\ä)t u. f. ro. toerben unerroät)nt getaffen.
5ftan finbet fur^e 2tbt)anbtungen über bie rufnfetjen gärbepftanjen, über bie
Sctjroefel= unb 2t§pt)altquette am Sof, bie Sdjroefeltager öon Sernoi ©orobof,
größere über bie f^ifcxjeteien bei Simbir§f unb im Äaspifee, ben buerjarifdjen
^anbet DrenburgS, bie Satsroerfe üon Sle&t, bie SSergroerte bes füblidjen unb mitt*
leren Ural, ben afiatifetjen !panbet Don xroi^faia Ärepoft unb Semipatatinsf, bie
fibirifd)e Otinbtr* unb 5pferbepeft, bie Satjfeen bon ©urief, bie iffetifc£)e ^roöinj,
ben Störfang im Srtrjfdt) unb bie gifetjerei im Db, bie $agb im unteren Cb=
gebiet, bie bamatä neuen Stclerbaufotonien an ber Uba, bie altaüfcf^en 33ergroerfe,
bie roii'trjfcrjaftlicrje Sage pon ^ra§nojarsf, ben Raubet mit ßtjina über Äjac^ta, bie
oftfibirifctien Sergroerfe, bie bamals junge Kolonie Sarepta unb bie ßotonien
obertjalb Simttrefst unb bie Satjlager unb Saljfeen ber Steppen bes unteren
2Botgagebiete§.
88 $afla§.
2Baö *p. auf biefen 9tetfen jur (Sttmograptjie beigetragen, ift aunädjft in ben
33ölferfd)ilberungen jetner Steifewerfe jufudjen, wo "OJtorbwinen, SfdjuWafdjen, Sata=
ren, $atmüden, Stogaier, $aufafu§bölfer, enbtid) berfdjiebene 3toci9e ^ ruffifdjen
SßolfeS meljr ober Weniger eingerjenb befd)rieben werben, ty. beobachtet ÄörperlidjeS
unb ©eiftigeS gleidt) fdEjaxf unb fdjilbert otjne alle llebertreibung. @8 gilt in ber
Stjat bon feinen Söölfcrfdjilberungen, Wa§ wir mit StubolprjiS SBorten oben
(©. 83) bon jeinen Xfjierbefcrjreibungen gejagt tjaben. SDie größeren 1Dtono=
grapt)ien, wie er fte über ^almüden, Sataren, bie 3)ölfer am unteren £)& naef)
©ujefS ©rgebniffen , bie (5r)inejen bon sDtaimatfd)in , bie baurijdjen Sungufen,
bie fagaiifdjen Sataren, Seitiren, $oibalen unb anbere (Stämme beS jajanijd)en
@ebirge§ liefert, t)aben itjreu 2öertt) nod) nidjt berloren. 3)on berSpradje ber Äoiöalen
fjat *p. ba§ erfte äBörterberjeicrjnijj geliefert. siCu§füt)rXidt)er werben ferner bie
fatjd)injtfd)en Sataren, bann auf ber jüblidtjen Steife 1773 bie SGßotjäfen unb
Sfdjcremiffen, bie funburofSfifdjen Sataren berjanbelt. ißefonbere Seadjtung fin=
bet ber monogotifdje 33ubbl)igmu§ unb nadj (SmelinS Vorgang ba§ <5d)amanen=
tejum. ®ie prätjiftorifcrjen ©tubien tonnten in unjeren Sagen an ben DZadjricrjten
mit anfnüpfen , welche $. bon ben ^Iterttjümern be§ füblidjen StufjlanbS ge=
geben. @r berfetjlt nie bie alten tatarifcfjen 33efeftigungen ju befdjreiben, er tjat
bie erfte eingetjenbe ©djilberung bon Solgari gegeben, man berbanft il)m ben
^inWeiS auf ben alten, jog. tfdjubifdjen Bergbau, mannigfad) anregenb unb
intjaltreid) finb feine jat)lreid)en Angaben über fog. tfcrjubifcr)e ©räber, bie 35e=
fdjreibung ber Srümmer bon 9lblaifit, ber alten ©räber im fajanifdjen ©ebirge
unb am ^eniffei unb alter BewäfferungSanlagen im unteren Söolgagebiet.
$n bet Borrebe 3u ben „Steifen in berjdjiebencn ^robinjen beS Stuffifd)en
StetdjeS", ber erften Qrrudjt feiner großen Reifen, t)at $. gewiffermafjen ein
Programm entworfen. S)en ©runbjätjen, roeldje er barin auSjpridjt, berbanfen
feine äöerfe iljren bauernben äöcrtt). 6r jagt fjier: „2)a idj auf atteS aufmerf»
fam <ju fetjn grfttdjt tjabe, fo barf tdj tjoffen, bafc meine Arbeit nidjt unter bie 3^1
ber überflüffigen ober betwerflidjen ©ctjriften wirb gejetjt Werben, roenn ic)r gleid)
alle 3icrftdjfeit in ber ©djreibart unb anbete BoUfommenrjeiten mel)r jetjlen
joÜten . . . ^Jlidt) bünft, bie <g)aupteigenjcrjajt einer Steifebefcfjrcibung ift bie
3uberläffigfeit." *p. tjat, um fein Programm au berwirf lidjen, fid£> eine 2lrbeit§=
metliobe gefdjaffen, meldte ben Steiferoeg unb feine nädjften Umgebungen feinen
Moment aufjer Sldfjt läjjt- ßr ftrebt ein im meiteften (Sinn geograpf)ifd)e§
(SroquiS an, allerbingS metjr nod) naturgefdtjictjtlicr) al§ topograpljijcl) gel)alten.
2)ie tüchtige naturgefd)ict)tlicr}e 5öorbilbung, welche 5p. mitbrachte, bie etb,no=
Qraptjifctje ©djulung, welclje er fiel) balb erwarb, befähigte it)n, rajet) jaljtreid^e
Betrachtungen über ba§ St)ier= unb ^fTanienreict) anjufteüen, wobei inbeffen audt)
bie Mineralogie unb ©eologie nierjt leer ausgingen, unb äugleict) über bie
33ölferbert)ältniffe fobiel mitjutljeilen, aU er erreichen tonnte. @r blidte auf
ben fpäteten Steifen tiefer in biefe lederen al§ auf ben früheren unb fo finb
aud) feine fpäteren Reifen etl)nograpt)ifcl) ergiebiger gewefen aU bie erfte. 3Ba§
5p. auffiel, ba§ seicfjnete er an Ort unb ©teile ein, unb gab e§ bann in wenig
beränberter ©eftalt in S)rud. ©eine Oteifewerfe finb batjer feine litterarifdjen
ßeiftungen bon befonberem 2Bertl)e, e§ fennäeid)net fie eine Ueberfüllung mit
tt)atfäcf)iidjen Angaben ber troefenften 3lrt unb ber atlerberfcf)iebenften (Sattung.
@§ finb Wenig meljr als etwas gefäuberte, jeljr reidtje Sagebüdjer. 2lber i>a unb
bort leuchtet ein ©ebanfe burcr), welcher jeigt, bafj 5p. nietjt nur ein ©ammter
bon Sb.atfacb.en war. 5Die einige Bemerfung in ben feljr troefenen Sagebucfi,^
blättern ber erften in Güile au§gefüljrten Steife bon Petersburg nad) 3Jto§fau im
Sommer 1768, bafj füblid) bon ben SBatbaibergen bie granitifcb.en ©eröüe feiten
werben ober berfdjWinben, bie nörblid) babon fo borf)errfd)enb bertreten finb,
Jaffas. 89
unb bafj an ifjre ©teile öerfteinerung§füt)renbe Formationen treten, wirft ein
£tct)t auf eine grofje garjl öon Üfjatfacrjen, bie an unb für ficf) bebeutunggto*
baliegen. Unb an folcfjen ©cifteibtitsen, bie, fo wie biefer bie Serjre öon ben
eiö^eitticfjeu ©eröllbecfen üoroerlünben, einige ber micfcjtigften (Sntbecfungen bor=
atjnen laffen ober borbereiteten , ift bei v$. nie Mangel, am wenigften auf bem
bamat§ fetten mit großem 2iufmanb an ©eift befjanbetten ©ebiete ber ^flanjen*
unb £t)ierfunbe. Jpier mar öor allem 5ß. fein Orttjoborer in fragen ber 3trt=
bitbung, Äreujung, 2lupaffung. $n fibtrifdjen ^flanjenformen Wollte er burd)
flimatifdje (Sinflüffe abgemanbette europäifcf)e Sitten erfennen. ©etjr terjrreicf) ift
feine Darlegung ber ©rünbe be§ großen ^flan^en* unb £t)ierreid)tt)ume<: be§
baurifdjen ©ebiete§, wo er mit watjrer greube reicfje Srnten rjielt, bann bie @r=
örterung ber ©rünbe, roarum er bie ©renje ber fibirifcrjen gtora anberä jiefje
all ©melin u. bgf.
3n Petersburg jur 9turje gefommen , anerfannt, in feinen arbeiten unb
Sßeftrebungen unterfiütjt, tonnte ficfc) $. nun feit 1774 ^toei Sarjräerjnte
lang mefenttidj ungeftört ber Verarbeitung feiner 9teifeergebntffe unb neuen
fetbftänbigen ^orfctjungen wibmen. S)a§ 2)atum ber Sorrebe 3um legten 23anb
ber Reifen, ber 10. Februar a <gj# 1776, De^eictjnet ben beginn ber fetbftänbigen,
reiferen, georbneteren ^ubticationen. 3uerft erfdjien im gleichen Satjre ber
1. 33anb ber „(Sammlungen Ijiftorifcrjer Dtadjricrjten über bie mongotifdjen Q3ötfer=
fcfcjaften", bem ber 2. 33anb 1801 folgte: eine 3ufammenftetlung tfjeilä ferjon im
9teifemerf gegebener, aber tjier berichtigter unb bermerjrter et^nogvaprjifc^er, t)ifto=
riferjer, wirtfyfctmftticfjer unb linguiftifetjer S)aten über biefe bamat§ in biefen 23e=
Teilungen nod) äufjerft wenig befannten Völler. 3Sm Dctober 1777 fdjrieb !ß.
bie Vorrebe ju ,, Novae species quadrupedum e glirium ordine", welche auf 2ln=
regung ©cfjreberi 1778 in Erlangen etfcrjienen. lieber ©bftematif, Anatomie unb
Sebenäart ber bon itjm beobachteten Kläger gab tjier §j$. jafjlvetdje neue 3tuf=
fdjlüffe. Otubolprji uttrjeitt nodj 1812 : ©ine folc&e 9Jtonograpt)ie tjaben mir
über feine anbere Orbnung ber ©äugettjiere. sI)littt)eilungen über bie tfn'erifcrje
äöärme unb über (Jigenttjümlicfjfeiten ber £eben§meife biefer £t)iere, bamal£ fo
wenig beactjtete üLinge, rechtfertigen ben 2lu§brucf be§ ebengenannten Veutttjeilerä,
e3 fei ber ©eift, ber in biefer 9ttonograpt)ie toorjne, ben meiften 9caturTorfcfjem
fremb geblieben. 1781 unb 82 erfcfjienen in Grlangen jjwet «g>efte „Icones In-
sectorum praesertim Kossiae Sibiriaeque peculiariura". Vom britten ipeft ging
ein Stjett be§ «DlanufcripteS auf bem.SOßege naef) 3)eutfcf)lanb berloren, fo bafj
nur nodt) ein Vrudjftücf 1798 jur Veröffentlichung fam. 5Die beiben arbeiten
unb neben ifmen eine grofce Safy afabemifc^er 2lbt) anbiungen unb fteinerer
©tubien, bie 3. 2t). in ben ,,9torbifä)en Seiträgen" ftetjen, fottten bie „Fauna
Rossica" borbereiten, ebenfo wie eine 9teil;e botanifetjer ©tubien beftimmt mar,
bie ©runbtage einer ,, Flora Rossica-^ ju bitben, welche 1784 unb 1788 in jmei
ber Äaiferin $att)arina gemibmeten 35änben erfcfjien. Sie im ©ebiete ber
ruffifdtjen ^onard)ie milbmac^fenben S3äume unb ©trauter maren rjierin ber
^efjTjat)! nadt) befctjrieben, bie weniger befannten abgebilbet. 2)a§ 2Berf follte
noeb metjrere SBänbe umfaffen unb waren bie tafeln ber ^ß. in befonbere f)or)em
©rabe intereffirenben Üttjabarberarten fdtjon fertig, all au§ unbefannten ©rünben
bie Veröffentlidnmg unterbroetjen würbe. SJaburctj ift bie 2Biffenfct)aft audb ber
Arbeit über bie ^ftanjengeograprjie be§ ruffifetjen 9teidje3 üerluftig gegangen,
Welche urfprünglidt) ftd) anfdt)liefeen follte. 5p. tjat in aarjtreicrjen einjelöeröffent-
tietjungen bie Sücfe, weldje biefe Unterbrectjung tie|, wenigften§ in etwa! aus=
gefüllt. 1800 erfctjienen bie mit öortrefflicf)cn Äuprern nact) ber s]iatur aue=
gematteten „Species Astragalorum1', welctje allein 40 neue Wirten braute. 1803 bie
„Illustrationes plantarum imperfecte vel nondum cognitarum'' mit 21bbilbungen be»
90 5PaKa§.
gefdjidten leipziger 9JtalerS ©eijjter, ber i^n auf ber taurifdjen Üieife begleitet
tjatte, unb beffen <£>anb bie rei^enben Vignetten bev taurifdjen föeifebefdjreibung
unb öiele ^ttuftrationen naturgefd)id)ttid)er IDtonograprjien entftammen, ein äöerf,
baS leiber ebenfalls, nadjbem 59 Safein erfdjienen maren, Fragment blieb. $n
feinem legten ^atjre enblid) erlebte er bie ^eube, öon ber Fauna Rossica, meldje
er äuletjt in Serlin überarbeitet tjatte, eine 9tn<mf)t 9tuSl)ängebogen 3U erhalten. S)aS
Söerf erfdjien ju ©t. Petersburg in ^attaS' SobeSialjr. Söeit ab öon feinen
gorfcfjungSgebieten liegt baS groß angelegte „Linguarum totius orbis vocabularia
comparativa", öon metdjem ^roei Sänbe 1787 unb 89 erfdjienen, märjrenb ber
©d)lußbanb nie öeröffentlicrjt rourbe. Sluf befonberen SBunfd) ber i?aiferin unter=
nommen, meldje fid) felbft mit ber Sammlung öon ©prad)proben junädjft beS
ruffifdjen 9tetdt)eä befdjäftigte, follte eS eine auSgemäljlte Üieifje öon Segriffen in
itjren ©pradjformen über bie ganje (Srbe r)in öerfotgen. 5|3., ber ben miffen=
fdjaftlid) nidjt ganj ^tüeifedofen s4Üan ber $aiferin tnofjl nidfjt mit großer glaube
ausführte, gab fid) gemaltige 9Jtüt)e, 153 ofteuropäifdje unb afiatifdjc ©oralen
nad) öormiegenb tjanbfdjriftlidjen Quellen &u bearbeiten, mag aber baS ©einige
beigetragen rjaben, baß bie amerifanifdjen unb afrifanifdjen ©pradjen nidjt aud)
nod) in ätjnlidjer, jutetjt bod) unfruchtbarer äßeife burdjgearbeitet mürben. Son
1781—83 unb öon 1793—96 erfd)ienen bie jmei 9icü)en ber „bleuen" unb
„9teueften 9torbifdjen Seiträge", in beren brittem Sanbe 5ß., beffen eigenfteS
SBerf aud) biefe 9teü)e mar, miemoljl er fid) nid)t auf bem ütitelblatte nennt,
fein pr)l)ftfalifd)=topograpt)ifd)eS (Semälbe öon Säurten, baneben in allen Sänben
mistige Heinere 9Jtonograpt)ien, mie bie beS sJ)af, beS $otffat, bie tangutifdjen
sJcad)rid)ten über ütibet u. ö. a. öerbffentlidjte. daneben bringen biefe ad)t
Sänbe auS ungebrudten ©djriften unb Briefen sUUttr)eilungen über bie Dteifen
©tetlerS, 2ed)otoS, ©teöerS', @ngelmannS, ©djanginS u. a., benen ty. 3ar)treid)e
Semerfungen unb 9tad)träge zugefügt t)at. äöenn man bie gan<$e 9teir)e biefer
3eitfd)rift überblidt, beren tetjter Sanb jugteid) ber ©djtußftetn öon Maltas'
Stjätigtat in unb für ütußlanb genannt merben fann, geminnt man ben (Sinbrud,
baß fie eines ber jmedmäfsigften Unternehmen mar, bie auf biefem födbe bamalS
möglid) maren. 2)ie „sftorbifd)en Seiträge" bematjren eine große Üteitje öon
2)ocumenten jur ßänber* unb Sölferfunbe beS großen 9tetdjeS, meldte otjne fie
großenteils öerloren gegangen fein mürben. %fyxe mannigfaltigen sJttitü)eilungen,
befonberS aud) bie fleineren, rjaben fruchtbare Anregungen in miffenfctjaftlidjer
unb mirttjfdjafttidjer Sejiefjung gegeben, #ba über ber 5o*fd)ung bie StuSnütmng
ber ©djätje nie überfeinen rourbe. Unb enblid) maren befonberS bie größeren
Seiträge, meldje ty. felbft lieferte, 9Jtufter ber ©djitberung unb SDarftetlung, fo
baß bis ^eute biefe 3*-'^!^)"^ e"te mertf)öoHe Duette für 5Zaturgefd)id)te, ßtcjno*
grap^ie unb (Seograötjie barftetlt.
Unter ben größeren alabemifdjen 5lb^anbtungen nennen mir tjier ^mei,
meldje bie Äraft unb 9tid)tung beS ©eifteS öon 5ß. einigermaßen ermeffen taffen.
^uerft bie Setrad)tungen über (BebirgSbilbung, metdje 1777 in ben ©djriften ber
Petersburger Afabemie erfctjienen. 5ß. ftettte tjier baS ®efe^ auf, bajj in jebem
©ebirge ben Äern granitiferje ©efteine bitten, metdjen ©djiefer unb meiter nad) außen
tjin ^atfftcine umgeben, unb tenfte bamit bie Setradjtungen beS (SebirgSbaueS
in bie Satjn ber Sergleidjung unb ber ftjftematifdjen Unterfdjeibung ber ©efteine.
S)a§ 2Berfd)en Ijat öiel Stncrfennung gefunben. 6in granjofe, ber biefe Se=
trad)tungen überfefete unb 1779 in $ßariS Verausgab (menige beutfdje Sucher
erfuhren eine fo batbige Uebertragung in bie ©pradje, bie bamalS bie ganje ge=
bitbete SBelt fprad)) fagt gerabetjerauS : „S)ie ©djrift ift unS unbetannt, eS ift
aber notrjmenbig, fie ju fennen", unb Suöier fteltte fie in feinem Sftüdblid auf
bie gortfdjritte ber ftaturtoiffenfdjaften feit 1789 an bie ©pitje ber ©djriften,
üPattoS. 91
toefc^e bte Söiffenfd^aft bon ber 3ufammenfet3ung unb Sitbung ber ©ebirge begrünbet
tjaben unb exflärte jte für bie ©runblage unb ben 2lusgang#punft ber Strbeiten
bon be ©auffure, Sieluc, SBerner. 2luf Biologifdjem ©ebiete tritt ärjntid^ be=
beutenb bie bei 2Intoefenrjeit bes -ßrinjen ^einrict) bon ^reufjen in ber Slfabemie
getefene Slbrjanblung „lieber bie 2lu§attungen ber Stjiere" rjerbor, roetdje toie bie
borige junädjft auf einer größeren Slnäatjl bon eigenen ^Beobachtungen beruhte al£
bamali irgenb ein anberer 9taturforfdjer auftoeifen tonnte. 3ufammen m^ einem
f)orjen ©rabe oon Unabtjängigfeit ber Meinung ift biefer üteicrjtrjum an originalen
itjatfadjen ba§ Ifterfmat biefer unb ärmticrjer arbeiten bon ty. 5Die ftütlt bon
Slnfdjauungen unb ©ebanfen, über toeläje^. berfügte, toirb ftetS aud) in äatjtreidjen
•jufäHigen Stnmerfungen funb, mit benen er folctje größere 2lbt)atiblungen be=
gleitet unb in benen fetbft über weiter abliegenbe ©egenftänbe tid)tbringenbe 33e=
merfungen fallen. $cr) erinnere tjier nur an bie S3etracr)tungen über bie Urfadjen
bei» fibirifctjen Ätimai, über ütieffeetemperaturen, über ben Urfbrung ber 2ftenftf)en=
raffen, über ju bermuttjenbe Jpocrjlänber in ßentralafrifa, über bie ißitbung oon
Sanbtagern, über innerafiatifctje SJulfane, über ben 3ufamment)ang ätoifcrjen
goffitreften unb heutigen ütieffeebetootjnern, über ben Urfbrung ber tootjlerrjaU
tenen 2ftammutc)= unb DttjinoceroSrefte im (Sife ©ibirienä, enblidj) über ben alten
3ufammenr)ang bei fdjtoaraen sUieete§ mit bem $a§pifce — ^Betrachtungen, toetctje
fämmttict) jenem einzigen afabemifctjen Vortrage über ©ebirg§bilbung ein= unb an=
gerügt finb. 3>ebe einzelne bon ifjnen toürbe bem geteerten 3eitgenoffen Dallas' ben
Stoff ju einer 2lbb,anbtung geliefert tjaben. (5£ gilt genau baSfelbe bon feiner
2r)ätigfeit in ben ,F^otbifct)en Seiträgen", roo er felbft fotctje arbeiten, bie, toie
{$ftfcr)er§ „lieber ben roacjrfcrjetiilid^en Urfbrung ber Stmerifaner", nicfjt blo§ tjalb
bergeffen toaren, fonbern auctj feinem 2lrbeit§felbe ferne lagen, rirfjtig ju toürbigen
raupte unb jur berbienten ©ettung bracfjte.
>$., ber ftdj mit ftectjt fetjr rjäufig unb mit Dffenrjerjigfeit gegen bie @r=
finber teidjter .gjrjpotrjefen ausfptidtjt, unb am tjäufigften gegen SSuffon, ber ^u
jener 3eit m^ feinem grojjen Sinfluffe auf bie 5J3rjantafie feiner 3eitgenoffen bas
fcfjlecrjtefte 33eifpiel gab, entbehrte felber feineätoegl ber fctjöpferifcrjen ^tjantafie,
toie bor allem fein SBerfud) einer (Srftä'rung ber Cberfläcfcjengeftatt ber @rbe
.jeigt, ber einen 2lnfjang feiner tleinen arbeiten über ©ebirgsbilbung bilbet unb in
einzelnen Einbeulungen aud) in bem grofjen 3teiferoerte Ijerbortritt. ^m Sidjte
be* SBiffenS feiner 3eit ift biefeS ber beftbegrünbete unb umfaffenbfte SSerfucfj jur
Srftärung bon 3}ert)ältniffen, toetctje allerbingS audj bleute ber botlen (Srtlärung
noctj tjanen. ty., ber, borpgtict) buretj feine ©tubien über ben Ural unb bie
fibirifcfjen ©ebirge ju ber fietjern Einnahme gelangt mar, bafj alle tjörjeren ®e=
birge urfprünglic^ ©ranitinfetn in einem Ccean bon größerem DUbeau aU l)eute
geroefen feien, läfjt bie ib^onfe^iefer au§ ber 3etfetmng biefer ©ebirge buretj ba&
SBaffer entfielen, toobei bie anfcfjtoemmenben organifd)en 9tefte ba§ Material
für bie Sßulfane lieferten, melcrje it)rerfeit§ bie ftütjeften 9Ueberfcf)lag§bilbungen
in Sctjiefer bextoanbelten unb ^atfgebirge aufroarfen. ©nblicr) folgte aber ein
2lu§bruct) bultanifctjer Gräfte, ftärfer al§ alle früheren, beffen ©puren in ben
3}utfaninfeln ©übafien§ noer) übrig finb, unb bem ein getoattfameä 3utütfftut^en
beä 5Jleere§ gegen Sorben unb in beren ©efotge DZeubilbungen unb 3erftörungen
narfjsitterten, toie fie bie Gürbe frürjer unb nadj^er nietjt geferjen r)at. 2luf biefe
gewaltige .ßataftroprje finb bie 2ertiär=@ebirge be§ Sorbens, mit itjren 2;b^ier=
unb $flan<5eneinfcfjlüffen tropiferjen UrfprungS, bie im piriferjen @i» begrabenen
jftiefenfäugettjiere, bie berrjättnifsmäfcige ©eic^tigfeit be§ nörbticr)en $olarmeere§,
3ar)treictje 33ceerbufen, aud) baZ 5Rittelmeer mit bem ©ctjtoarjen iJJleev unb bem
Äaüpifee, bie 2ieflänber im ©üben unb Dften ber ^pocrjgebirge ©übafien^ unb
©übameri!a§, bie fdjroffen £anbfpit}en im ©üben ber kontinente unb £>alb=
92 Sßaflag.
infein jjurücf jufüfjren. 9ftan fann ü6er ben 2Bertb, bieget fpäter Don Oteintjolb gorfter
aufgenommenen Slnfidjten ftreiten, fie [teilten ju itjrer Qdt eine erfte allgemeine
@rftärung bet (Srbformen auf unb fjaben Männer, wie SSudj unb 31. ö. .gmmbolbt
anzuregen öermodjt. 35er ©eologie roanbte 5ß. in feinen fpätern ^arjren eine tiefer
eingefjenbe 3lufmerffamfeit }u, meiere burd) bie llnterfudjung ber uratifdjen unb
altaifdjen (Jrjlagerftätten, roorjl sunt elften 9fta(e gefdjärft morben mar. %n ber
$rim trieb er mit SBortiebe geologifdje ©tubien unb biefelben fjaben fidj ber
äßiffenfdjaft förberlidj erroiefen. SDie Vorliebe für mädjtige gluttjen, ©ebirg§=
einflute u. bgt. mar \a mefjr al§ öeräeifjlidj bei Männern, bie in bem roeitem
9talvmen, ben it)r 33lid umfpannte, bie einzelnen fteinen (Srfdjeinungen nidjt feft=
galten öermodjten. 3öo er fonnte, lieferte *ß. Beiträge jur (Sinaelfenntntfj ber
fiänber, unb jafjlreidje 9Jtonograpl)ien bemeifen, bafj er fid) ftrenge an bie 3tuf=
gäbe ber genauen (Säuberung t)ieft, otjne fid) öon jener Vorliebe abaietjen ju
laffen. %n jener biologifdjen 3lbr)anbtung legte ty. 33eobad)tungen bor, meldje
«jur $ritif ber begriffe, 3lrt, «Spielart, 9taffe in bem oben angebeuteten ©inne an=
regen foüten. ©eine ©djlüffe famen inbeffen feiner $e\t nod) 3U frütje unb fjaben
trjeilroeife erft öiete ^atjraefmte fpäter itjre Sßirfungen geübt unb Sßeftätigung ge=
funben. ^aHaä' 3lnfdjauung, bafj e§ arttofe formen gebe, 3. 33. £)au3tf)iere,
toeldje ben Sfjarafter ber 3lrt öerloren fjaben, nur nodj arttofe Ütaffen barftetten,
getjört ju ben proptjetifdjen, meldje in ba§ redjte Sidjt erft in bem 3eitalter ber
(Sntroidelungälefjre gefteEt morben finb. Unmittelbar toirft 5ßatla§' beftänbig
rege 3lufmerffamfeit auf bie goffilrefte. 2öenn rjier *ß.( ät)nlid) mie auf bem
naturgcfdjidjtlidjen ©ebiete, im nie rurjenben $orfdjung3brang, mofjl über bie
©renaen, bie feiner 3eit g^ogen waren, fjinauäfdjmeifen molttc unb einige geroagte
<£>t)potf)efen, toie bie, meldje er über bie 9tummulitenbilbung ober bie großen fttutfjen,
meldje bie @(efanten= unb sJca3f)ornrefte nadj sJcorbfibirien gebradjt fjaben füllten,
aufftettte, fo fjat boefj feine eingefjenbe 33efdjreibung öon ©djidjtenfofgen unb
organifdjen (Sinfdjfüffen bie ftratigrapljifcfje ©eofogie öorbereitet. ©eine äöieber*
aufnähme ber Sournefortfdjen ütfjefe üom einftigen 3ufammenfjang be§ ©djroar,$en
unb j?a3pifd)en 9Jteere§ fudjt er burdj SBergteidjung foffifer unb recenter Wufcfjetn
beä fragtidjen ©ebieteS ju bemeifen. 9tidjt minber frudjtbringenb mar feine
genaue SarfteHung recenter ober bod) junger Vorgänge, mie er fie befonberä in
ber ©djilberung ber ©teppenfeen, ber ©at^bilbung in ben ©teppen, ber ^eugniffe
für bie mit llnredjt öon 3eit9e"°ffen ^ unmatjrfdjeintidj tierfpottetc alte 35er=
biubung be§ ©djmaTaen 5)Jieere§ mit bem Mpü unb Uratfec bemä^rte. 5ß. ift
at§ Sßegrünber ber mobernen ßt^nograptjie gefeiert morben , ma§ in 3lnfet)ung
älterer 33erbienftc, bie Kämpfer, dranj u. bgl. beanfprudjen bürfen, jutoiel gefagt
ift. SDodj Ijat $. ^meifello§ ba§ SBerbienft, bie ^Jletcjobe fdjarfer unb allfeitiger
33eobadjtung ber Strjatfadjen au§ feinen naturgefdjidjtlidjen 3lrbeiten auf bie
etrjnograprjifdjen übertragen ju Ijaben. Unb jcbenfallg Perbient ba§ Sob eine§
(Subier citirt ju merben, meldjer bon ^allaß' Jffierf über bie Mongolen fagt, e§
fei Pietteidjt bie claffifdjfte ©djrift, bie über ein SSolf in irgenb einer ©pradje
ejiftire. ©et ungemötjnlidje , faft beifpiellofe 3ieidjtc)um an Slb.atfadjen in ben
©djriften öon *p. madjt ben Mangel ejacter 5)leffungen um fo empfinbtidjer.
^n biefer ^ejie^ung ftetjt ty. ebenfomeit tjinter feinen 3eitgenoffen 31. ö. ^umbolbt,
S. ö. 33udj, 3Bal)lenberg , be ©auffure prüd, al§ er fie an $üHe unb 33tet=
feitigfeit ber 33eobadjtung übertrifft, ty. machte feine 33eobadjtungen mit bem
fdjon ju feiner 3eit öeratteten S)eli§le'fd)en 2:t)ermometer teiber nidjt regelmäßig,
©eine öortrefftidjen ©djilberungen be§ iltima§ an ber unteren SBofga unb in ^aurien
ruljen auf p^änologifdjer S8afi§. 5Den ßuftbrud beftimmte ei nidjt, alfo audj feine
^)ötjen. (5r natjm aud) feine magnetifdjen Seobadjtungen üor unb bie ©runb=
lagen ju feinen harten ftnb, mo nidjt anbere ifjm ejactere§ Material lieferten,
$atia§. 93
Setzungen, tote bei feinen harten beS ©of, ber Uratmünbung, bes Bogboin=
Sabaffu, mätjrenb biejenige bes Steppengebietes zroifctjen Ural unb äöolga , bes
füblictjen Ural u. a. auf fremben Slufnatjmfn beruht, ausgenommen finb Dallas'
eigene genaue Beobachtungen übet ©efteine unb (Srjöorfotnmen, melctje in ber
$atte bes utalifetjen BergreDiers eingetragen finb unb biefe babureb, zu einem
intereffanten Berfuctje ftempeln, eine geologifdje unb 2JUneratfarte bes füb=
tietjen Ural ^u fetjaffen. 2Bo neue geograptjifctje Slufnatjmen Dortagen, roie im
^rtifdjgebiet, tjat s$. nur bie nott)menbigften geograptjifdjen Angaben gemalt.
Sie, rein geograptjifcl) genommen, rootjl tjetDorragenbfte (Srrungenfctjaft ber
ißatlas'fctien ©ibitienteife, ber 'Jtacrjroeis, baß" ber Äarifctje Bufen um eine ganje
Steitje Don Sagereifen ju meit Öftltd} angelegt morben, gehört feinem Begleiter
Sujet, gjlit ©eift tjat er inbeffen bte Dortjanbenen ÜJteffungen aur Stid}tig=
fteüung ber Don ^bes, Sänge u. 21. Perbreiteten 3rrtt)ümer übet bie -gjörje bee
Urat unb ber notbafiaiifetjen ©ebirge benutzt. sJitd)ts Dtätjeres toiffen mir über
Dallas' Xtjätigfeit in ber ßommiffton jur fartograptnfcfjen 2lufnatjme Pon Stufe=
tanb, in melctje er 1777 berufen roarb. Dtod) einmal entfagte B. ber ungemein
fruchtbaren miffenfetjafttietjen £r)ätigfeit, lüeldjer er in Petersburg feit ber 9tüd=
£et)r öon ber ftbirifetjen Steife fiel) gemibmet tjatte, fomeit ein auSgebetjnter Berfetjr
eS ertaubte, um eine letzte große Steife anzutreten. S)ie Steife nad} bem füblidjen
Stufjtanb unb in bie ."palbinfel $rim, roeldje 1793 unb 94 unternommen mutbe,
foltte junäctjft ber (htjotung bienen. „SeS ©etümmelS unb ber übertriebenen
©efettigfeit ber großen Oteftbenaftabt bes Stuffifd}en SteidjeS überbrüfftg", fo be=
ginnt ber Betictjt, roelcrjen B. 1799 über biefetbe Verausgab, allein ber äöunfcti,
roiffenfd}aftlict)e Beobachtungen anjufteüen, ftanb jebenfatls tjart hinter biefer
ßrroägung. B. roünfctjte Por allem feine Sammlung Pon ^flanjen ju perPott=
ftänbigen unb natjm bestjalb ben Porjügtic^en Dtaler ©eißter mit, beffen farbige
Bignetten Dor altem ben Steif eberietjt in einer ungemein anjietjenben 3Beife gieren
unb ergänzen. S)ie Steifenben — $. mit grau unb Stotfjter unb bem Dealer —
Derließen Betersburg am 1. gebruar 1793, um über lülosfau unb Benfa bie
Uöolga gu erreichen. %n >ßenfa mürbe ein 2Iufentr)alt gemacht, ben in ber
Steifebefdjteibung eine Sfiaje ber StaturDertjältniffe bes ©ouDetnements bejeictjnet.
5lm 12. IDtär} mürbe ©aratom erreicht unb öon ba an tljeils auf, tfjetls an
ber Sßotga t)in ber 2Beg buret) bas beutfebe JMoniegebiet nactj 3ari3*)n genommen.
Born legieren Orte aus mactjte nun B. Ausflüge nad) Sarepta, 2tftradjan, in
bie narje gelegene ihrgtfenfteppe , mo B. Dielfad) ©etegentjeit fanb, frühere
Beobachtungen ju beftätigen ober ju Perbeffem, unb neue ©tubien u. a. über
bie Satäfeen 3U machen. Dallas' Sodjter mar inbeffen ju Sarepta an ben
Blattern erfranft unb als fie genefen mar, mürbe bie Steife über 3Xftracb,an auf
bem fog. fislaifcrjen äBege am faspifcb.en 3Jteere b.in, bureb, bie JRanptfcrjnieberung
nact) ©eorgiefsf fortgefebt, Pon too Ausflüge u. a. nacrj ben Befdjlan gemalt
mürben. S)ie Oteife ging bann über Sfctjerfasf nact) £aganrog, mo ein genauer
^tan für bie äöeiterreife in bas erft iüngft eroberte, nur mit menig Berroattungs=
einrictjtungen unb noctj roeniger ©trafen öerfetjene xaurien entmorfen merben mußte.
2lm 21. Dctober erft fonnte bie Steife über IJJtariupot nad? bem Berbaflüficb.en fort=
gefe|t merben unb ty., ber anfjattenb über feine „baufällige ©efunbljeit" 3U flauen
tjatte, mar frotj, am 30. Dctober im SBinterquartier in ©imferopot einzutreffen,
©ctjon am 8. 9Jtära folgte er aber bem ungebulbigen äöunfdje, enblictj bie
taurifetje ^palbinfet nätjer tennen ju lernen unb begab fictj junäctjft nact) Bactjt*
fctjifarai, Don ba nacb, ©ebaftopol, beffen Umgebung unb Dorjügtid) bie alte
Befte ^nferman er eingetjenb befct)reibt. 6s folgte bann eine Bereifung bes
f üblietjen StanbgebirgeS ber ßrim unb bes Xfctjatprbag, meiere er, miebergenefen
unb Don ber greube an ber milben Dtatur, ber reichen Begctation unb bem an=
94 s4tofla§.
jietjenben Vau be§ ©ebirgeä gefctjroetlt, mit jugenblicrjem @ifex unb faft ber ganzen
früheren ©tafticitätburdjfütjrte. 2lufjer ben botanifcrjen unb geologifdjen Vertjältniffen
feffetten feine 2lufmerffamfeit audj tjier bie etrjnograpljifcrjen unb gefcrjidjtlicijen
£t)atfadjen. ©eine Vemerfungen über bie Vergtataren unb bie genuefifdje fyefte
©otbaja bezeugen e§. üDen £)ocr)fommer mibmete Iß. bem Innern unb bem Dft=
taub ber .gmlbinfet. Sr befugte Äarabuffar, bie fog. Sitte Jhim, Äaffa, Äertfclj,
Tenuate, Sie ^albinfet £aman, beren geograprjifdje unb geologifdje Vertjältniffe
genau unterfuctjt mürben. 2lm 18. $uli 1794 trat ty. bie 9tücfreife an, ging
über $o§lof, *ßerefop , 9lifolajef , (Hifabetgrab unb burctj Äleinrufjtanb naä)
sßoltatoa, bann über Äurlf, ©ret, £uta nadj Petersburg, mo er am 14. ©ep=>
tember eintraf.
2fn ber Verarbeitung ber ©rgebniffe biefer ^roeiten 9teife in ben „Ve=
merfungen auf einer Steife in bie füblicrjen ©tatttjatterfcfjaften be§ ruffifctjen
9teicrje§ in ben ^atjren 1793 unb 1794" (2 23be. 1799 unb 1805) folgte $.
bem Veifpiel beS älteren ©metin, inbem er bie botanifcrjen unb jootogijc^en ®r=
gebniffe abfonberte unb in bie Üteifebefdjreibung blofj bie allgemeineren ©ct)il=
berungen be§ sJiaturct)arafter§ unb ber Staturerfctjeinungen, Vetractjtungen über
Urfadjen unb folgen b" tefcteren, Vefd)reibungen öon 2lttertpmern, Heinere
ettjnograprjifcrje Sjcurfe unb befonberö aber in au§für)rlicr)erer Darlegung bie
SBürbigung ber mirtt)fcf)aftlict)en Vertjättniffe aufnahm, äöie bie ganje Steife
bequemer, rutjiger burct)gefürjrt roarb, ift audj bie 2)arftettung minber gebrängt,
toiemorjt fie nirgenbS in breite ober 2Bortluj;uä »erläuft. 2)a8 9taturgejüt)l, bae
Sntereffe am ^iftorifc^en treten inbeffen metjr Ijeröor. 2öir nennen öon ben
eingetjenberen unb ttjetlroeife monograptüenartigen 2lbfcr)nitten bie Vefdtjreibung
be§ @ouöernement§ 5J3enfa, bie Mitttjeilungen über ba§ f^oxtfc^reiten ber 6oloni=
fation an ber unteren SBolga, über 2öein= unb ©eibenbau im gleichen ©ebiete,
bie ©ctjilberung be§ blüljenben 3uftanbc§ *>er Kolonie ©arepta, be§ £>anbet§ unb
ber 3rifd)erei öon vHftracrjan, ber orientatifcrjen Ärappfärberei, be§ Söeinbaueä öon
£fd)erepact)a, ber ^nbier OUtultaner) in 2lftrad)an, bie ©ammlung öon t)ifto=
rifcrjen 9tact)rictjten über $erfien, über bie ©efctjictjte be§ großen diamanten be§
©ctjat) 9tabir, bie 9Jtittt)eilungen über bie Surfmenen öon $i§ljar, bie jarjlreicrjen
^Beobachtungen über ben alten 3ufammenf)ang ber beiben 2fteere, bie Vefctjreibung
ber Kolonien an ber faufafifdjen Sinie, ber Otuinen öon sDtabfd^art), bie ein
gan^eg Gapitcl füllenben sJiact)rid)ten über bie Völler be§ Äaufafuä, über bie
©räberfteinbilber ber füblicrjen ©teppen, bie ©djilberungen öon £fct)erfa§f unb
Saganrog, befonberä be§ .gmnbelä ber letzteren ©tabt, bie ©c^itberungen öon
©imferopol unb ©ebaftopot unb ifirer an heften be§ claffifcfjen 2llterttmmä fo
reicr)en Umgebungen, bie geologifcrjen llnterfuc^ungen über ba§ fübtidje $üften=
gebirge ber Ärim, über ©rbfätle unb @rbbeben biefer |)albinfel, bie Erörterungen
über @infü^rung be§ ©eibenbaue§ in ber Ärim, bie toirtr)fcl)aftticr)e Sage öon
Äertfct), bie ßrbölfunbe bei legerer ©tabt, bie ©crjtammöulfane in ber 9tö^e
berfelben, bie 9teubilbung einer burclj unterirbifcl)e Gräfte aufgemorfenen ^nfel
im Slfoto'fcrjen 9fleere. ©et)r eingeljenb finb enblicl) bie bie ©djlufjcapitet bes
2. 33anbe§ bilbenben „SlHgemeinen SSemerfungen über bie Ärrjmifcrje ^jatbinfet",
toeterje fic^ über bie (Strjnograptjie unb 2eben§lage ber SEataren unb befonber§ über
bie toirtt)fc£)aftlicrjen Verljältniffe öerbreiten. S)er Slbfcfjnitt über 2öein= unb
Obftbau mirb noc^ rjeute gefcljä^t. S)a§ ,,^öfifalifcl)=2;opograptjif(i)e ©emä^lbe
öon Jaurien" ift ber öeränberte Slbbrud be§ gteictjnamigen 3luffafee§, melier unter
Beifügung „au§ bem Stagebucl) einer im 3arjre 1794 getljanen greife" im
britten 33anb ber „9leueften 9iorbifd)en Seöträge" erfcljienen mar. 6§ ift bas
bie erfte grucljt ber tauriferjen 9teife unb ber gan^e ^n^att be§ 2luffa^e§ ift
beträcrjtlictj ermeitert in bie öorermärjnte 9teifebefcf)reibung mit aufgenommen
$atla§. 95
roorben. 2Xts 9caturgemätbe eines öerrjältnifjmäfjig toenig auigebetjnten ©ebietei,
baZ bamalä ju ben roenigft befannten gehörte, tjat biefeg 2Berfcr)en inbeffen' ben
2}orjug einer geraiffen ©efctjloffenrjeit. ty. tonnte feine gätjigfeit, bie öer=
fdjiebenften Aufgaben ju beroättigen, in ber geologifctjen, botanifdjen, joologifctjen
unb öfonomifdjen (Säuberung eine§ nicrjt ju großen, aber faft unbefannten ©e=
bietet beroärjren. 9Jian fierjt mit ^ntereffe, roie er felbft feine 2ljeorien ber
©ebirgäbilbung auf einen gegebenen Qfatt öon befcrjränfter ©röfje anroenbet, unb
roenn man nict)t geneigt ift, it)tn auf bem SBege fo fütjner -Ipöpottjefen ju folgen,
roie bie be§ ©infturjeS „tauriidjer Alpen", toelctje bie ©ranitfelber ber Ütogaiifcfjen
Steppe erftären fott, fo öertoeilt man um fo lieber bei ben eingetjenben Sdjit=
berungen tl)atfäcrjlic6,er SSorfommniffe, roie 3. 33. ber (sdjlammöulfane öon Äertfdj
ober ber ©al<jfeen am ©iroafct), öon ^erefop unb anberen Drten.
% füllte jidj nacb, biefer Steife rurjebebürftig unb äugleictj bezaubert öon
ber ©ctjöntjeit ber taurifdjen «palbinfel. @r tjattc bort roieber öiel an lieber
gelitten, tjoffte aber Teilung öon bem ©inftuffe be§ mtlben $lima§ unb einer
ungeftörten länblictjen ££)ätigfeit. j?atb,arina IL, öon biefen Söünfctjen unter*
ricrjtet, fcrjenfte irjm 1795 bie Dörfer (Sdjülü unb Aittjobor nebft gructjtgärten
bei bem teueren Crte, SBeinbergen bei ©ubagt) unb ein Jpau§ in (gimieropol,
aufjerbem eine (Summe öon 10000 9£ubel jur Ginrict)tung. 9lod) im Auguft
beffelben 3>ar)re§ fiebelte 5ß. über, rooljnte juerft in ©imferopot, bann inmitten
feiner Söeingärten bei (Subagt). Ale 1805 feine üocfjter, welche an ben ruffifctjen
©eneral öon SÖimpfen üertjeiratrjet geroefen mar, öerroittroet auf bas ©ut Äa(muf=
fara in ber törim 30g , natjm ty. feinen 2Bor)nfit$ in ber ^Rät)e biefe* eingigen,
fer)r geliebten Äinbe§ unb feinet ®nfel§. 'Dieben bem äöeinbau, bem fiel) 5ß. mit
grofjem Gifer rotbmete, befdjäftigten irjn in ber $rim einige ber roiffenfct)aft=
licrjen arbeiten, öon benen oben bie ütebe mar. Auf Heinere Üteifen, bie er ge=
legentüdi toäfjrenb biefeS Aufenthalte^ unternahm , führen manche eingetjenbere
^ftittfjeilungen in ben „Semerfungen" (f. 0. <&. 94) jurüdE. 2Rit junetjmenben
Satjren empfanb er inbeffen immer merjr bie Abfcb, tiefjung öon ber cioitifirten
äöelt, meiere buret) bie IhiegSjeiten noctj öerfcfjärft rourbe, unb öom tDtffcnfct)aft=
ticfjen Sßerfetjr, unb roofjl aud) bie Un3uträgticr)feit bes ttjeili raupen, tb,eil§ roecr)fel=
tjaften -fttimaö ber ^atbinfet, mie er e§ felbft meiftertjaft im jroeiten 93anb ber
,,33emerfungen", roefentlid) weniger günfiig inbeffen at§ im ,,5p^t>fifalifc^=topo»
grapfufetjen ©emälbe" gefctjilbert t)at. 5tuct} blieben iljm unangenehme ©rfat)=
rungen nieijt erfpart. (Jr tourbe in einen $rocefj megen eine§ it^eileS feinet
Sefi^tlums öertoidelt, öon toeterjem er einen anbern SLtjeiC feiner jtoeiten ^xau,
bie er 1786 gerjeiratfjet tjatte, unb bie it)n überlebte, fcfjon im Anfang feinet
2lufenttjalte§ übeiroiefen t)atte. ©benfo roie feine erfte grau, bie nad) 15jäf)=
rige Gbe 1782 geftorben mar, feine ©efärjrtin auf ber erften Üteife, mar biefe
jmeite grau ei auf ber taurtfdjen 9teife gemefen. ^m grü^jarjr 1810 öerliefj
5|3. Äatmuffara unb fiebelte nacb, Berlin über, too er juerft bei feinem 33ruber,
bann in eigener 33el)aufung miffenfcb.aftlic^en arbeiten unb bem SSerlerjre mit
greunben unb gacfjgenoffen lebte. 5ß. öerbract)te rjeitere, rurjtge 2age in SBerlin.
,,3tctj tjabe iijn nie in übler Saune gefunben", fc|reibt 9tubolpcji , ber mit bem
^Ijilologen ©cr)neiber, bem ,!pofapotrjefer ^JJterjer au§ Stettin, bem Entomologen
iilefiui unb bem 53otanifer SBiUbenom ^allae' näcb.fte Umgebung in ber 3e^
biefei berliner Aufenthaltes ausmalte. Sen einzigen Sßerbtufe bereiteten iljm
GntfteEung ober 53erfennung feiner Stnfidjten unb Urttjeile ober Dberfläctjlicrjfeiten,
roie er fie befonberi in ber 1810 erfcrjienenen ßlarfe'fcfjen Greife burcl) jftuBlanb
in größerer ^ai)i ^u tabeln fanb. Unterftü^t buret) bie miffenfcrjaftlicrjen §ilfi=
mittel, melctje itjm in SSerlin 3ur Verfügung ftanben, fcr)to§ er t)iet bie Fauna
asiatico-rossica ah, beren I. 33anb in feinem 2obe§jal)r erfdjten, unb befetjäf1
96 tyaüaZ.
tigte jtdj aufjerbem Jjaubtfäctjlidj mit ben Sammlungen bon ber OTingS'fdjen
Sibirienreife, ju meld)er er felbft ben bortrefftidjen $tan enttoorfen tjatte. ©ine
Slrbeit über bie bon btefer fReife ftammenben Sabtaciben ift ber letzte ^Beitrag
auS ^atlaS' gebet ju ben Memoires ber Petersburger 2lfabemie. ty. ftarb am
8. September 1811 in ben s#rmen feiner Socrjter ftu Berlin, 9ltS Utfactje
feines StobeS mirb ein faltet lieber angegeben, Welches nictjt jum 2luSbrudj
fommen lonnte. 33ei f(arer 23efinnung, wenn aud) baS ©ebädjtnifj manchmal
nactjtiefj, fctjieb er auS ber 2Belt. 2luf bem Sterbebette berttjeilte er feine Heineren
Sammlungen unter feine greunbe, unb eS fott il)n metjr als alles getröftet unb
erleichtert tjaben, als biefe itjm berfbradjen, feine 9Jtanufcripte ju orbnen unb
fobalb mie möglich IjerauSjugeben. 2Benige £age bor feinem SLobe blatte ex in
Briefen an ben StaatSratt) gufj unb ben 9Jiinifter 9taffumomSft) bon ben
£t)eilnet)mern unb götberern feiner £tyätigfeit in 9tuf$Ianb fictj berabfdjiebet.
(Sir mürbe am 12. (September auf bem |>attifä)en $irct)b,of beftattet, ba er in
feinem legten äöitten ein gamilienbegräbnifj in ber Hirdje abgelehnt tjatte.
(£benfo berbat er fid) jebeö prunfenbe SDenfmal, fonbem wünfcrjte nur einen
einfachen 2)enfftein. 2luf Anregung ber Petersburger 9lfabemie febte biefe unb
itjre berliner Sdjrocftergenoffenfcrjaft 1835 auf ^attaS' ©rab ein 5Dentmat mit
ber bon $. einft felbft beftimmten ^nfdjrift: „Multas per terras jaetatus ut
naturam rerum indagaiet hie tandem requiescit". kleben *p. rufjt auf eigenen
äöunfd) fein $reunb unb 33iograbt) Oiubolp^i, ber in feiner am Sage griebricrjS
beS ©rofjen 1812 in ber 5Jlfabemie (^u SSerlin gelefenen 2>enfrebe *ß. ein fdjöneS
litterarifd)e§ £)enfmal gefegt b,at. Sin anbereS £)enfmat ift feine Naturalien«
fammlung, meldte bor feiner Slbreife nad) ber ßrim bie ßaiferin anfaufte, roät)=
renb feine ^öibliotfjef nad) Stjarfoto fam.
gaffen roir bie (Srgebniffe ber fo ungemein regen unb bielfeitigen
Srjätigt'eit bei bebeutenben 9Jtanne§ nod) einmal ^ufammen, fo ift jjunädjft
baS reine 2leuf$erltd)e rjerborjutjeben, bafc $. 18 felbftftänbige Söcrfe t)inter=
laffen t)at , mobei 3Berfe , an beren Verausgabe et fiel) beteiligte (©ütben=
ftäbt'S atoeibänbige föeife butd) föufjtanb unb im caucafifdjen ©ebirge 1787
unb 1791 tjat ty. felbftftänbig tjerauSgegeben unb mit einer 33iograbr)ie
©ülbenftäbt'S berfetjen) nid)t ge^äfjlt ftnb. S)ie 3af)t feiner felbftftänbigen
miffenfdjaftticfjen Slbtmnblnngen beträgt gegen 100. 9lid)t meniger als 39 ber=
felben bergen allein bie 33änbe ber Sdjriften ber Petersburger Slfabemie. SDie
©efd)id)te ber 3oologie, 33otanif, ©eologie, Qütrmograbrjie unb ©eograbbje ääf)tt
*ß. unier bie ©rofjen, meiere gleidjerroeife butdj Slufbedung neuer £tmtfad)en
unb ginbung neuer ^been bie SBiffenfdjaft geförbert t)abcn. SCßenn 5ß. baS
©djidfal tjatte , mehrere 2Berfe als Srucrjftücfe liegen bleiben ju fetjen, fo
ruejt ber ©mnb toefentlict) in ben ^u grofjen Slnforberungen , bie an feine be=
fannte 5lrbeitSfraft unb Sßietfeitigfeit geftellt mürben. S)ie ^lad^melt b,at biefeS
nid)t geljinbert, feine 33ebeutung boll an^uerfennen, unb auet) bie 9Jtittt>e(t, roie=
mol nidjt alte Seiten ber Stjättgfeit 5paEaSJ nad) botlem 35erbienft mürbigenb,
t)at itjm 3eid)en genug bon ben tiefen Söirfungen gegeben, bie er tjerborgebradjt
r)at. S)ie Sd)riften ^aEaS' übten fd)on früb, eine meitreidjenbe äßirffamfeit,
bie fieb, nid)t auf enge Greife befdjränfte. S3on bieten erfcrjienen Ueberfe^ungen.
Selbft bie großen 9teiferoerfe mürben mehrmals in gtanheid) tjerauSgegeben.
2)amalS mürben 9teifebefdjreibungen biel metjr getefen unb auSgenu^t als tjeute ;
maren fie boeb, bie einzigen Quellen für eine Stenge geograbl)ifd)er, naturgefd)id)t=
lictjer unb bölferfunblidjer 2;^atfad§en, beren feine Speciatforfctjung fidj bis batjin
bemächtigt tjatte. @S ift nidjt aubiel, maS ber anonyme Herausgeber beS 1773
in granffurt unb ßeibjig erfdjienenen ^uS^ugeS auS $aüaS' Steifen (unter bem
Sitel „5}terfmürbigfeiten ber ^torbuanen, ^afafen, Äalmüden, Äirgifen, Safcb,«
5Patta§. 97
firen k.") in feiner SSorerinnerung fagt, wenn er bie Steife tyatttö' in bie ffib»
(ictjen ©egenben beS ruffifctjen 9teidjeS „eines ber borjügtictjfteu beutfcfjen SOßerfe
biefeS 3ta^unbert§" nennt, ein SBudE) , burcf) meldjeS @rbbefct)retbung, 9tatur=
funbe, ©efctjidjte, ja felbft *pt)ilotogie unb Sitteratur ein 5)terfticf)eS gewonnen
tjaben. Unb ber geroidjtige britte SBanb mar bamalS nod) gar nictjt erfdjienen.
2lucf) bie taurifdje 9ieife t)at bis in unfere 3^it tjinein 5lnerfenner unb ßefer
gefunben. SWerbingS finb ^aflaS' Üteifemerfe nictjt bequem ^u lefen. fy., mel=
ctjer feine -gmuptroerfe beutfct) gef et) rieben tjat, gehört nictjt. ju ben erften ©tiliften
feiner geh. ©ein Stil ift fein Äunftftil. %n ben früheren arbeiten, befon=
ber§ in ber grofjen üteifebefdjreibung, übermiegt burdjauS baS ©acrjlidjie bie gorm
unb in ben beiben erften Sänben ^at bie (Sompofition entfctjieben etmaS Ueber=
tjafteteS. 33iel feltener als feine ^eitgenoffen mirb er fubjectib. S)er ftxeube an ber
©ctjöntjeit ber s3tatur gibt er ganj feiten 2lusbrucf, am meiften noct) in ber Steife
nact) Jauiien, aber aucfj tjier fietS beiläufig nur unb fur^. $n ben forgfam
üorbereiteten afabemifctjen ©ct)riften ift fein ©til gebrängt, otjne jebe tjotjle
©teile unb überall fcfjeint ber Ueberflufj beS SöiffenS unb beS ©eifieS burctj.
kleben ber altgemeinen miffenfcijaftlictien unb litterarifdjen Söirffamfeit ftetjt ^attaS'
tiefgetjenber ßinflufj auf Pflege unb 23lütt)e ber äöiffenfctjaften in Stufjlanb. ^n
*ßenfa u. a. £). tonnte $. auf feiner fpäteren Steife ins füblictje ütufjlanb ben
günftigen ©influfj felbft conftatiren, meieren feine unb feiner ©enoffen Steifen Don
1768 — 1774 auf bie ©ntmicfelung beS ^ntereffeS für 9taturgefct)ict)te unb über*
tjaupt (Srforfctjung beS rufftfcfjen SteictjeS geübt Ratten. Unb noct) jüngft ttjeitte
uns ein fo tjerborragenber Äenner ber ©eograptjie feines SßatertanbeS , mie
^rofeffor SGßoeifof in ©t. Petersburg, mit, bafj bie Äenntnifj Dieter SLtjetle beS
füböftlictjen StufjlanbS noct) freute pm größten Streite auf ^allaS' arbeiten rutje.
SDiefer Sltjätigfeit fetjtte eS auct) nidjt an äußerer Slnerfennung. @r mürbe 1782
jum (SoÜegienratl), 1793 junt ©taatSrattj ernannt, er mar einer ber erften fRitter
beS Sölabimir = OrbenS unb in ber Slfabemie ber Söiffenfctjaften mar er eS, ber
bei geftfitjungen ,ju Gütjren fürfilidjer ^erfonen in ber 9teget bie großen Vorträge
in franäöfifdjer ©practje p tjalten tjatte. $. mar ferner 5)titglieb ber Slfabemien
bon SSertin , Sonbon , s$ari§ unb ©totf b^otm. Son ben Stnerfennungen , meldfje
feine Ueberfiebetung nac§ ber ^rim begleiteten unb ermöglichten, b^aben mir ge=
fprodjen. (Sr fütjlte ftdt) Äattjarina II. gegenüber ju S)an! öerpflicljtet unb gibt
bemfetben in ber bamat§ in 9tufjlanb üblichen be^m. borgefctjriebenen Söeife
2luSbruc£. 6r Ijat iljr unb bem ßaifer $aul feine |)auptmerfe gemibmet. S)aS
Ijinberte itjn inbeffen nidtjt, bon ^Jti^ftänben offen p reben, 3. 33. in bem grofjen
9teifemerf bie 2lusmaf)l ber ßoloniften für Sibirien in iljrer ganzen ©raufamfeit
bto^uftellen. Subier l)at e§ als bejeid§nenb für SßaHaS' ruhigen ßljarafter ge=
tjalten, bafj er feine litterarifcljen fjfefjben geführt fjabe. ^nbem 5ß. 3ar)Ireictje
©injelergebniffe ber SSeobacrjtungen unb ©ammlungen Slnberer bermertljet, ma|te
er nidjtS fidg an, maS er nidjt felbft gefunben. 3Jtilbe unb ©ered)tigfeit§liebe
^eigt ficr) auä) in ber ©orgfalt , mit ber ty. bie ©rgebniffe feiner ©etjilfen
©ofolof unb ©ujef, mo immer biefe felbftftänbig auftraten, als befonbere @in=
fcgaltungen mittljeilt, bie biüige Seurttjeitung feines Vorgängers ©melin, baS
Sob, baS er ßeuten ertljeilt, bie itjn felbft nicrjt glimpflich betjanbeln, mie feinem
äeitmeiltgen Begleiter gtrjtfcrjfof. ®in l)ol)eS ^Sla% bon 23efcb>ibent)eit liefe 5p.
feine trictjtigften (Sntbecfungen ruljig unb äurücftjaltenb bortragen. @S ift be=
äeicljnenb, bafe fogar bie ©Raffung unb Benennung neuer ©attungen il)n nicrjt
reijte. ©eine &ebenSart mar bie eines Söeifen bon ruhigem ©emüt^.
Silber öon ty. : ©tic^ nactj einer 33üfte uon 3^iefe bor ber Senfrebe
üon Ütubolpbi 1812. ©tic| in ben ©pfjemeriben 1800.
Cuelten : 9tuboIplji , ^3eter ©imon ty. Sin biograpljifc^er SSerfuclj. 33or=
■Mttflem. beutle 5Sioflra))^ie. XXV. 7
98 s}5aüa§ — <PaUat>icim.
gel. in b. öff. ©ife. b. $. 2lfabemie ber 2Biffenfd^aften. 23erlin. (Elbgebr. in
Serjträge jur Elntljropologie unb allgemeinen ^aturgefdjidjte. 1812.) —
«öteufel, @cl. Seutfch. VI. X. XV. — Suöier, Eloges historiques II. 1819. —
Mgemeine Seitung October 1811. %r. 281, 283, 285. — glatte, Travels
in various Countries of Europe etc. I. 1810. — SernouEi, Reifen. IV.
^riebridj Stapel.
^attaS: Simon $. , Slr^t, 1694 in 33erlin geboren, ift bafetbft bis p
feinem, am 24. $uü 1770 erfolgten 2obe als ^hojeffor ber Chirurgie an bem
Collegium medico-chirurgicum unb erfter SBunbarjt an bem ßb^ritö-.firant'enrjaufe
tljätig gemefen unb l)at fiel) als füljner Operateur rühmlich, ausgezeichnet. S)ie
öon iljm öerfafjten dururgifdjen ßetjrbüdjer : „Einleitung ^ur prafttfä)en Gfjirurgie"
(1763, 1770) — „Ueber bie cbirurgifcl)en Operationen" (1763, mit einem 2ln=
t)ange 1770) — „Einleitung bie Änocljenfranffjeiten ju t)eilen" (1770) enthalten
manches bem Sßevfaffer ©igene unb geben neben (Empfehlung einzelner feljr ge=
wagter Operationen (fo namentlich, in s-öeiug auf bie Einzigen jur Trepanation)
öiele einfidjtööolle Seljren in Se^ug auf bie Operation bes Slajenfteins, auf bie
^nbication jum ffaiferfdjnitt, auf bie S5et)anblung öon $nodjenbrücl)en unb 23er=
renlungen u. a. 21. #irfdj.
^ottaDtcini : Sarlo % (s4>aüaPicino ), geboren au 33rescia, war
einer ber beliebteften Dperncomponiften feiner $eit, beffen äöerfe namentlich, in
Söeuebig öon 1666—1687 jur 2luffübrung famen. (Jin genaues 33ei,}eicbnif$
berfelben giebt ^^tis in feiner Biographie universelle des musiciens (Paris 1864,
VI, 437). SJom Sahre 1667 an mirb ty. als SBicecapeEmeifter, feit 1672 als
ßapellmeifter ber furfürftl. fäcbfifcrjen (tapetle erwähnt, llrfunblidjen 9tac6=
richten jufolge lebte er 1673 noch, in Bresben, fefeeint aber balb nachher feine
Stellung aufgegeben ju baben unb nach, Italien jurüclgegangen au fein, %m
^abre 1683 engogirte it)n fturfürft ^obann ©eorg III. abermals als (£apell=
meifter einer für Bresben beftimmten itatienifcfjen Oper, %n ber ihm in 33enebig
ausgefeilten 23eftaHung fieifjt es, er fei jutn (SapeÜmeifter ernannt morben „in
Setracbt feiner guten äßiffenfc&aft unb meil er bei Unfers in ©ott böcbftfetig
rubenben ^errn 23aters (Bnaben in uutertbänigften SDienften gemefen ic: er foll
fieb auf Unfer Segebren bei Uns in Unferer 9tefiben,j Bresben einfinben, tücbtige
Sänger unb (Santatriceu , ba mir beren ju benen Opern, fo äöir präfentiren
taffen möchten, gnäbigft öertangen werben, mit fich bringen; jeboch foll ibm,
wenn SBir feiner nicht mebr bebürftig, fieb wieberum in Italien ^u begeben,
gnäbigft üergönnt fein. 2lufjer (Stfaü ber föeifefoften warb iljm eine jährliche
SBefolbung öon 400 £halern bewilligt. Söährenb bes Sarnebais 1686 fanben
nun in Bresben mehrere italienifcrje DpernöorfteEungen ftatt, Welclje großes
Eluffetjen erregten, umfomehr, ba jutn erftenmale eine (Sängerin, ^Dcargtjetita
Saticola , barin auftrat. Dr. (Sari p. äßeber Ijat in feinen ^Beiträgen pr
(Sfvronif 2>resbens ( Seidig 1859 ®. 69 flg.) höchft intereffante Einzelheiten
über bas (Engagement biefer (Sängerin erjätjlt, sJtad) 33eenbigung ber italienifdjen
Opernöorftettungen war 5ß. jebenfalls wieber nach, Italien äurüclgegangen, benn
öom 1. Januar 1687 an fteEte man il)n öon feuern als „Camerae ac Thea-
tralis Musicae Praefectum" mit 1200 2^lr. ®ebalt an. 2lm 2. Februar 1687
2lbenbs 6 Ub^r Warb nun aum erften ^SRalt bie breiactige italienifctje Oper
(Drama per Musica) „La Gerusalemme liberata" öon (Siul. ßefare ßorrabi,
componirt öon $., gegeben: „fo bis 2lbenbs 3 410 Uljr geWäbret"; in ibr feierte
bie ©alicota als 2lrmibe neue 2riumpl)e. SE>as 3a$x barauf, am 29. Januar
1688 ftarb $. in S)re8ben , würbe ©onnabenb ben 4. Februar nach, Softer
^Jcarienftern gebraut unb bort begraben. SDte fönigl. ^ülufifalienfammlung in
Bresben befi^t als feljr intereffantes Unicum bie Partitur öon ^allaöicinis Oper
^aßeife. 99
La Gerusalernme liberata, fowie bas mit einer beutfcfjen Ueberfetjung gebrucfte
2ertbud). S)ie Dper warb in Hamburg italienifd) 1694, in beutlet Ueber=
fetjung oon Siebler 1695 unter bem Xitel Slrmibe gegeben (üergl. Slllgem.
muftfal. 3eüung 1877 unb 1878). Sine Cper Stntiope Don 5p., gebietet Don
befjen ©ot)n Stefano, an berenSBollenbung ber Gomponift burct) ben £ob öertjinbert
roorben war, beenbigte ber befannte ßurfütftl. ©äcljf. Sßicecapeltmeifter 5Ricolaus
Slbam ©trungf. £>ie Dper Würbe im $ebruar 1689 mit großem Gürfolg titer*
mal in SDresben gegeben. Partitur unb bas mit einer beutfdjen Ueberfetjung
berfetjene Stertbutb, befitjt ebenfalls bie 5Jftufifalienfammtung bes Königs tion
©adjfen. lieber ein Oratorium bon 5p. „II Trionfo della Castita" , welches
SBurnet) in Partitur fennen lernte , urttjeitt berfetbe nidjt günftig. 2lts £pern=
componift ftanb iß. bottftänbig auf ber ,g)öt)e feiner 3"t o^)ne jeboci) irgenbmie
epod)emacf)enb aufzutreten. 2>er fdjon ermähnte ©otm 5pattatiiciniS mar am
31. IDiarä 1672 zu 5pabua geboren unb au ©ato im Gottegium ber P. P. ©omafdji
erjogen worben. £er$nabe madjtefolctje fyortfcfjvittc, ba§ er bereite im Sitter bon
10 ^afyren in ber 5pt)ilofopt)te bisputirte. 5ftad) beenbeten ©tubien ging er mit feinem
SBater nadj) üDresben (1686), Wo er, erft 16jät)rig, jum ßofpoeten ernannt würbe
unb feine erfte Cpet „l'Antiope" bietete. 5ftacb, bem 2obe Sodann @eorg III.
trat er in bie Sienfie äoljann Söiltjelms (ffuifürften bon ber ipfala) all £>ofpoet
unb ©ecretair; nad) bfffen £obe (1716) tarn er um 1718 in gleicher SigenfcfjG't
wieber nad) Bresben, mo er im Slpril 1742 ftarb. Unter feinen bieten Sßerfeu
wirb befonbers eine Ueberfefeung bes ^oraj gerühmt. Opere del Signore Steffauo
Benedetto Pallavicini. Venezia 1744. dürften au.
^attcöfe: (Smil 5p., bramatifdjer SBoxIefer unb ©djriftftetler, geb. am 5. ^uni
1823 in Stempelburg in «Pommern, f am 28. Cctober 1880 in £f)al bei
Sifenadj. 5p. tierlebte eine frot)e, bon beengenben ^effetn freie ^inberjeit, beöor
er bas ©rjmnafium in ©tettin bejog. Sßeglüdt benft er nod) am @nbe feiner
gaufbaljn jener fonnigen £age, bie feinem ©emütt) bie ©abe, in biefer SBelt
immer nur bie „liebe weite ©ottesmelt" ju fetjen, unb feiner ©eele tjoljen ibealen
©djwung tiertieljen, ber fidj nie berleugnete. grub, erwadjte in ib,m bie Zuneigung
für bie bramatifdje $unft unb nur ber SBunfd) ber Butter liefe itjn, mit bem
33orfat$ Geologie p ftubiren , nad) Berlin ^ietjen. 2>ort aber gewann er es
nidjt über ftdj, ben eigenen SDrang ju erftiden, ftubirte 5pt)i(ologie unb ©efdjidjte,
namentlich bie ©efdjidjte bes üDramas unb bereitete fidj burdj bas ©tubium
größerer Stollen ^um ©djaufpieler bor. Senn als foldjer Wollte er (Srfabjungen
fammeln, um fte fpäter als bramatifdjer Sidjter ju berwertfjen. 6s gelang
itjm, bem gefeierten ©djaufpieler Jtjeobor Döring natiejulommen, aber was iljm
einft fein ©önner, ber SBifdjof Dtttfdjl in ©tettin, als unerläfelidj für ben guten
Ütebner bejeidjnet blatte unb Was t|m fehlte, bas 3u"9en=9t, madfjte Döring
je^t audj jur Sorbebingung für ben guten ©djaufpieler. 5D^it unermüblid)em
Steife gelang es 5p., ben 5ükngel ju befeitigen unb nun betfd}affte il)m Döring
ein Engagement bei SJircctor 33oigt in 5pofen (1845). 1846 trat er in grofeen
gelben- unb ßljaracterrollen am ©tabttljeater ju ©tettin auf unb erfjielt infolge
biefer ^eiftungen einen 9tuf an bas <g>oft^eatet in Dlbenburg als jweiter g^aractcr«
fpieter. 3£ie an biefem, bamals mufterfjaften Äunftinftitut, bem ©taljr unb 5)Jtofen
nal)eftanben, oerlebten Sab,re würben in bieter SSejteb.ung bie wab,re ©djule aucf)
für ben 33orlefer 5p. 5>lls ©d)aufpicler gelang es iljm nid)t, eine Sebeutung ju
erringen, bas äufeerlidj SBirffame war iljm auf biefem ©ebiet öerfagt, er üerinner=
lidjte bie i^m geworbene Stufgabe fo ftart, bafe er ben plafiifdjen unb mimifd^en
Slusbruct barüber öernad)läffigte. Um fo einbringlidjer wirlte er bereits bamali
als Sßortefer unb nidjt nur ber ©rfotg, ben er ali fold)er beim ©rofeljerjog, bei
6oHegen unb in befreunbeten Familien fanb, liefe itjn enblid) ben fd^aufpielerifcben
7*
100 'Mm-
Veruf aufgeben, um ben be§ Vorteferi ju ergreifen; auct) bie banfbare Aufgabe,
ein ganzes 2)rama roieberjugeben, bie $reit)eit in ber 2Bat)t bei Vorjutragenben,
bie größere llngebunbenljeit ber äußeren 2ebenibert)ättniffe , nriffenfdjaftticf)e unb
bidjterifcrje Neigungen roirften bei biefem Söedjfel befiimmenb mit. (Sin giel, welcfici
*p. lange Dorgefdjmebt t)atte unb toelcfiei in nidjti Geringerem beftanb, ali bem
beutfdjen 3JoIt ein gried}ifct)ei Xtjeater mit freiem Eintritt jju erroirfen unb biefem
Xf)eater eine Xragöbie im griedjifdjen Sinne unb mit Stören ;m fä)enten, marb
mit jenem Söedjfet natürlich bauemb aufgegeben, aber beffer ali in bem fingen
nad) fo Unerreichbarem, erfüllte er in feinem neuen SZBirfen bie Aufgabe, bie if)m
bie l)öd)fte galt: ben ßebenifunfen bei $beali $ux flamme jju entfachen unb fein
SDafein atleu fidjtbar werben ju taffen. 1851 30g $., ber fid) bereits 1848 in
$arii bermafjit tjatte, nad) Verlin über, fpäter lebte er in Söeimar unb fiebelte
fid) enblid) in bem reijenben ttiüringifcljen SBalbort Xtjal an. Von 1850—80
tai *p. an meb,r ati 3000 2lbenben unb nidjt nur in 2)eutfd)lanb unb £>efter=
reidj, aud) in ^ottanb unb (ümglanb, in 9tumänien unb Sftufjtanb recitirte er mit
fteti fidj gteidjbleibenbem Veifatt bie ^»auptbramen Stjafeipearei unb unferer
ßlaffifer, bie Soütjofleifdien Dramen unb Sdjerenbergi Sd)lad)tenbitber unb feit
1864 aud) bie 2)id)tungen $rijj 9teuteri. Seine Sluffaffung bei Vorgetragenen
mar fteti bebeutenb, ber Vortrag felbft in Sluifüradje, Stimmbertoenbung unb
(Steigerung ein mat)rt)aftei ßunftrocrf, beffen Söirfung fo menig bem feingebitbeten
Kenner tote bem einfachen 5Rann gegenüber berfagte. @r belebte bie SDidjtungen
unb toerlielj ü)nen burct) bie einheitliche Sluffaffung oft noct) größere Söirfungen
ati fie bie Vüt)nenauffüt)rung ju geben bermag. äßie tief er in bai äöefen
feiner Äunft eingebrungen ift, toie Ijod) er aber auct} itjren SBertb, unb itjren
ginffufj fdjäfctc, beroeift fein lejjtei äßerf: „Sie flunft bei Vortrags"
(Stuttgart 1880), öon bem 1884 eine jjroeite üon £)erm. gifdjer burdigefeljene
Sluflage t)erauSgegeben morben ift. SBeit größere Greife als biefei Vud) b,at
^afteife'i Schrift „Sd)itteri ßeben unb äöirfen" (Vertin 1858, 12. t>. $. $ifd)cr
tjerauigegebene Stuft., Stuttgart 1886) gebogen, bai namentlich burct) bie wot)l=
tt)uenbe SBärme ber Veljanblung unb bie griffe ber SDarftettung ein VolfSbudj
im beften Sinn geworben ift. 1879 gab $p. ali eine weitere grud)t feiner Ve=
fdjäfttgung mit Sdjitter unter bem Xitel „(Stjarlotte" , Gebentblätter an (£f)ar=
lotte ö. $alb IjerauS. SDie SDramen, meldje *p. nad) StuSgabe feiner Sd)itterbto=
grabtjie in ben 50er $at)ren t)at erfdjeinen taffen, fanben adjtungSüotte Stufnatjme,
otme fid) bauernbei ßeben fiebern %u fönnen. Sßeitaui bai reiffte unb getungenfte
ift „Cltoer 6romtoell" (Verlin 1857); im „Äönig «ölonmoutV (Verlin
1853) feffelt bie treffliche ^aracteriftit unb aud) „Slc^iltei" (OJöttingen 1855)
meift, obgleictj in ber Anlage nicf»t glücftid), gute 6igenfcl)aften auf. 5Doc§ nid)t
auf fc^riftftellerifc^em unb poetifc^em Gebiete, fo ©utei 5p. auc^ auf itmt ge=
leiftet, liegt ber Sdjtoerpunft feiner X^ätigfeit, fonbern in feinem SBirfen ati
Vorlefer. ^tidjtig fagt einer feiner öerftänbigften Veurtljeiter (Veibl. 3. ^ölagbeb.
3tg. 9tr. 13, 1881): Xaufenbe Ijaben ftd) an feinem Xalent erfreut, Xaufenben
l)at er bai Verftänbni| für bie Heroen unferer ©eifteitoelt eröffnet unb menn
er bie Seele ber <£)örer burcl)brang mit bem Sidjte aui ben ^)öt)en, toenn er bai
fd)lafenbe ©ebanlenteben toactjrief burclj fein mäcb.tigei, bem üDidjter entliehenes
3Bort, menn er unferen großen Xobten neu belebte burct) EraftboEen Seelenlaut,
bann burfte er tool)l mit Siecht an bie SBirfung feiner ßjiftenä, an feine SJliffion
glauben. ^ofeüb, Äürfctjner.
^alnt: ^ermann 5p., ßitterarl)iftorifer, in Grünau bei ^irfcljberg, mo fein
Vater ßeb,rer mar, am 16. Februar 1816 geboren unb öon 1829—1836 auf
ben Gtjmnaften in -gnrfdjberg unb Sc^meibni^ für bie Untöerfität borgebilbet,
ftubirte in Vreilau 5pijilofopt)ie unb beutfetje ^p^itotogie unb mürbe, nadjbem
JPatm. 101
er 1843 fein Cberlehrerejamen beftanben unb am ^riebrichsgrjmnafium in
Sreätau fein Probejahr abgelegt hatte, 1846 al§ testet (Eollege an ba§ 9Jtagba=
lenäum berufen. 1868 jum ißrofeffor ernannt unb 1881 pm ^rorector an
biefer SInftalt beiörbert, nötigte ihn pnetjmenbe Äränllichfeit 1883 feine
ßmeritirung nachpfuchen , bie i|m in ber ebrenPoHften 2Beife getoäcjrt mürbe.
@§ mar ibm öergönnt, feine frittfche Sluigabe ber äßerfe beä 9lnbrea§ ©rpphiuä
noch Por feinem 2obe Poltenbet 3u fef)en. sDtach langen Seiben entfchlief er 1885«
am 25. 3uni in§ beffere ßeben. ?ß. mar s)JUtglieb mehrerer gelehrten ©efeE=
fcbaften: bie Röntgt. böt)tnifche (Sefellfchaft ber 2Biffenfd)aften blatte ibn pm
-correfponbirenben, ber obextauft^ifdEje p ihrem (£l)renmitgtiebe ernannt unb 1871
bie philofophifcb,e ^acultät ber UniPerfität Sreitau ib,m ibr 2)octorat honoris causa
Perlieben, ©eine titterarifche ütbätigfeit bemegte fich Porpg§toeife auf bem ©ebiete
ber beutfcben, namentlich fchlefifchen Siteraturgefchichte. ©eine arbeiten über ben
3ittauer föector Gühriftian Sßeife, 5)3aul ftlemming, ba% beutfdje 2)rama in Schleften
bis auf ©rt)phiu§, Martin Dpife, 3anu§ ©rutctuS, Saniet Pon (Saeplo finb Pon
bleibenbem 2öerthe unb erfchienen gefammelt bei IJJtorgenftern in Sreätau 1877
unter bem Slitel: „Beiträge pr ©efchicbte ber beutfcben Literatur be8 16. unb
17. $ahtt)unbert§." 2)ie ^ubticationen be§ titterarifcben 2Serein§ in Stuttgart
enthalten biet feiner ebitorifchen arbeiten: „$aul sJtebbun§ 5E>ramen" 1858, „ber
5ßeter Suoch" au§ einer mittetbocbbeutfchen SBreilauer |)anbfchrift 1863 unb
bie SBerfe be£ StnbreaS ®rpphiu§ in 3 JBänben, 1878, 1882, 1885. Sluch be=
forgte er nebenbei, nachbem ^affoto 1864 geftorben mar, bie 14. Auflage beä
^ifchon'fchen Seitfaben§, 1874. Seine gorfchungen über bie SebenSgefcbichte bei
Martin Opifc nöthigten $. , bie politifche ®efcl)ichte Schtefien§ in ben Äieis
feiner Stubien einpbe<jieben unb gaben ibm Sßeranlaffung p einer bie ©reigniffe
in Sctjleften Por unb im brei|igjäbrigen Kriege bebanbelnben treibe Pon 2luf=
fäben, bie er in ber 3cüfdjriTt für ©efcbichte unb ?llterthum Sdjlefienä Per^
öffentliche, toie benn auct) bie Pom ftfjtefifchen (5tefchicht§Perein öeranftaltete
Ausgabe ber Acta publica, bereu erfte Pier SSänbe er felber ebirte, burch ibn in
Anregung gebracht toorben ift. 2lbB Mitarbeiter an ber SIEgem. S)eutfcben
SBiograpljte hat er neben einer 9teihe fleinerer Seiträge über ©icbenborff, ©rn=
ptjiuä unb $opifch größere 3lrttfel geliefert.
SchtefifcheS Sonntagsblatt 3. Saljrgang sftv. 22.
Schimmetpfennig.
^Olm: Johann $acob 5ß., geb. am 9. $uni 1750 p Scbornborf in
SBürtemberg, Suchhänbter in (Hangen, trat }um erften 9ftale im $. 1779
(nach ben IDtefjt'atalogen) als Verleger auf unb Perlegte bi§ ^u feinem am
14. September 1826 erfolgten £obe 793 Sßerfe. $. geigte ftch aber auch, für
feinen Seruf fcrjriftftellerifcl) ttjätig. Slu^er einem „SerjeicrjniB feines bermaligen
S5orratbe§ älterer unb neuerer Sucher auä allen 2Biffenfchaften nach alpt)a=
Betifd^er Drbnung." 6 S3be., 1810—1812, gab er noch mehrere bibliographifcbe
^anbbücher herauf: „Serfuch einer mebicinifc^en ^anbbibliothel." 1788. —
„Serfuch einer jpanbbibliottjeE ber öfonomifdjien Siteratur." 1790. — „Sßerfuch
einer ipanbbibliothet ber juriftifchen ßiteratur." 1791. — „JpanbbibXiott)ef ber
tbeotogifcben Literatur. " 3 S3be. 1792 93. 2lm befannteften unb merth=
Pottften ift fein im ^. 1795 in Serbinbung mit ^einrieb SSenfen herau§=
gegebene^: „9ieue§ Slrchiü für ©elehrte, SSuchbänbler unb Antiquare." 2)ann
tjat er noctj, als mit SSeginn be§ ^ahrtjunberts eine Slenberung in ben Sßer=
^ältniffen beS Suchhanbelg fich fühlbar machte, ein (Gutachten bierüber erfct)einen
laffen unter bem £itet: „S3et)trag ju ben Sorfchlägen , toelcbe 3U go^S6 oer in
ber 3ubitQtc=«Keffe 1802 gehaltenen 5ßucbhänbler = Serfammlung Pon jebem
Mitgliebe ber 33ucbbänbterftanbe§ geforbert roorben finb." 5Da§ ©efchäft ^alm'l,
102 SPalm.
roeldjer ber ßetjrljerr feineg unglüdlictjen Neffen $ot)ann ^tjitipp 5ß. getoefen
mar, ging nact) feinem Sobe in ben Sefitj feines Neffen unb ©djtoiegerfotmeS
ßtjriftopt) Subtoig ty. über. @in anleitet ©ct)totegerfot)n , 3sot)ann ßrnft
2luguft (Snfe, blatte im $. 1815 bie ©ortimentäbuctjtjanblung übernommen,
bie er unter ber xjjixma. 5J}alm & @nfe toeiterfütjrte, eine ^irma, bie al§ ge=
nutete unb tjerborragenbe Serlag3buct)tjanbtung noct) tjeute befielt.
91. ftetrot. b. ©. Mrg. 1826. $ all mann.
sJtalm: Sodann «Philipp «ß. mürbe am 18. 2)ecember 1766 in ©db>rn=
borf in SBürtemberg al§ ©otjn eine§ 2lpottjefer§ geboren, befugte bie Solfsfctjule
bafelbft unb erlernte bann bei feinem £)t)eim, bem Suct)t)änbler Sfotjann ^acob
*)3alm in (Hangen, ben Suctjljanbel. 9luf einer 9teije nact) Seipjig «jur Öfter*
meffe lernte itm ber Sucf/fjänbler ©tein in Nürnberg fennen unb bot ifjm eine
©teile al§ ©etjilfe in feinem ©efetjäfte an. Wactjbem fictj $. mit ber Stoctjicr
©teinä bertjeirattjet blatte, würbe er Sefiijer ber ©tein'fctjen Suctjtjanblung in
Nürnberg. %m $. 1806 erfctjien im Serlag biefer Sirma eine Heine Srofctjüre
otjne Eingabe be§ Serfafferg, Serlegerä ober 2)rucferä unter bem Sitel „5)eutfcf)=
lanb in feiner tiefen Oürniebrigung". ü£)ie 144 ©eiten ftarfe ©ctjrift beleuchtete
mit reifem politifetjen Serftänbnifä bie traurige £age SDeutfctjlanbi , geißelte in
fetjarfer Söeife baS betragen ber fvan^öfiferjen Gruppen in Saiern unb berur=
ttjeitte in b erb er 3lrt baä Söefen unb £anbeln 9tapoleon§. 3>in llebrigen ^eicrjnet
fict) bie ©ctjrtft in feiner SBeife buret) formelle 53or^üge ober £iefe ber ©ebanfen
au§. ©ie erhielt aber eine ungetoöt)nlicl)c Sebeutung burd) bie folgen, °^e tf)re
Seröffentlidjung t)atte unb bie für 5ß. berberblict) mürben. Sin ©remplar ber=
felben toar bon ty. ber ©tage'fdjen Sudjtjanblung in 2lug§burg geliefert unb
bon biefer einem ©eiftlidtjen jugefct)idt morben, bei toetetjem fict) fran«5öfifct)e £)ffi=
eiere im Quartier befanben, bie ber beutfdjen ©pradje mächtig toaren. 2)iefe
äußerten it)ren UntoiHen über ben $nt)alt ber ©crjrt}t, unb fefeten bie fran^öfifdje
Regierung bon berfelben in j?enntnife. Son biefer toar eS balb buret) ben ©e=
frfjaft§fttt)rer ber ©tage'fdjen Suct)t)anbtung ermittelt, bafe ty. ber Serbreiter ber
fr(ugfct)rift toar. i^nfolgebeffen erfct)ienen am 28. 3ult nier fdjtoaragefleibete
sperren in ber ©tein'fdjen Suditjanblung in Nürnberg, fragten nad) bem 23ov=
ratt) iener ©ct)rift unb ftettten eine <!pau§fuct)ung an, mufeten aber, otme ein
ßjemptar gefunben ju t)aben, fiel) toieber entfernen, ba ber ©etn'lfe $alm'8, $ect),
bie Sjemplare bei ©eite gefdmfft unb ber 3)ruder Reffet in 2lltborf auf beffen
Slnrattjen einen ganzen fallen babon in feinen Sßrunnen öerfcnlt blatte, ty.,
ber bamalä jur ^Jlcffe in 9Jlünd)en toar, fam hierauf am 9. ?luguft nact) sJtürn=
berg unb bat bie bamaligc Setjörbe ber SBuctjtjänbler, ba§ Sßormunbamt f,u
Nürnberg, um eine gerid)tlict)e Unterfucrjung, bie aber au§ unbefannten ©vünben
abgelehnt tourbe. 5ll§ 5ß. babon jhnntnijj ertjalten tjatte, ba^ ber ©efcr)äft3=
fütjrer ber ©tage'fcljen SSuclj^anblung in 9lug3burg, ö. ^enifd^, toegen SBer=
breitung biefer ©cljrift bertjaftet toorben toar, begab er fid) am 15. 2Iuguft ju
feinem Orjeim nacl) Erlangen, meiere ©tabt bamal§ noctj unter preu|ifcr)em
©ctjufee ftanb, toät)renb Nürnberg fd)on feit einiger 3e*t bon ben granjofen be=
fe|t toar. Srofebem er oon feinen g^unben getoarnt toar, ferjrte er boer) fetjon
nadt) einigen Sagen nact) Nürnberg jurücf, liefe fiel) aber nidjt öffentlict) fetjen,
ro.il ber franäöfifd)e ©eneral gr&re öfter nacl) il)m gefragt tjatte. 3ll§ einc&
2agc§ ein ärmlict) gefteibeter JTnabe mit ber Sitte um einen Settrag ^ur
Untcvftütjung einer alten ©olbatentoitttoe in bie ©tein'fcrje Sud)l)anblung fam
unb barauf brang, üp. felbft ju fprecfjen, liefe berfelbe, nichts ©d)limme§ atmenb,
ben jungen tior fiel) fommen, jumal ba§ 3euÖn^» ^a§ °^efer borlegte, bon
angefetjenen Sürgern Nürnbergs unterjeictjnet toar. kaum t)atte ficr) aber biefer
Änabe entfernt, fo famen auetj fetjon jtoei franjöfifctje ©en§barme§ in bie Suct)=
^alm. 103
rjanblung, brangen fofort in $alnv§ 3immei: unb forberten ifjn auf, fie jum
franjöfifcfjen ©enerat ju begleiten. 2Iuf befjen SSef ragen ermiberte ty., bafj er
jene ©djrift nur jur SOÖeiterbeförberung öon unbekannter ^)anb erhalten rja6e,
toorauf ifjm befohlen tourbe, fein -£>au§ nidjt mcfjr au üerlaffen. äßenige
©tunben barauf tnurbe itun burdj einen franjöfifcfjen Officier mitgett)eilt , bafj
feine SÖofmung nid)t genug ©icfjerrjeit böte, infolgebeffen 5ß. in ein öerfdjtoffeneä
3immer be§ 9tatb,b,aufe§ gebracht tourbe. 3lm anbern borgen , nacfjbem man
ib,m nocb, geftattet rjatte, öon ©attin unb Äinbern 2lbfd)ieb ju nerjmen, tourbe
er in Begleitung jtoeier ©en§barme§ unb bes iijm auf Sitten feiner (Sattin als
9tt'crjt§anroatt beigegebenen Dr. ö. .^olafcrjutjer in einem 2Bagen &u bem 9Jtar=
fdjatl Sernabotte nacb, 2lnSbacI) abgeführt. <!pier erflärte man irjm, bafj 2llle§
üerloren fei, ha feine 3)errjaftung fid) auf einen unmittelbaren 23efer)l au§ 5ßari§ be=
grünbe, unb braute itjn in ein gemeines ©efängnifj. ^cactjbem fein ^tdjtä*
antoatt ba§ nötige 9teifegclb üetfd)afft blatte, ba er fonft tjätte 311 gufj reifen
muffen, brachte man itjn nad) ber öfterreidjifcfjen ©tabt Sraunau , too er am
22. Sluguft eintraf. Unterbeffen rjatte ^?alm'§ ©attin an ben fran^öfifcrjen
SRinifter Otto in 9Jcüncfjen ein SBittfdjreiben eingereicht, baS unbeantwortet
blieb unb bem 9Jcinifter Berttjier eine Sittfdjrift übergeben laffen, auf bie ber
Sefcrjeib erfolgte, bafj atteS öergebenS unb nic^tg metjr rücfgängig ju madjen fei.
$n SSraunau tourbe bie Sacbe mit ber größten Güile betrieben. S)ie mittele
faiferlidjen ©ecreti öom 7. $uli 1806 ernannte (Sommiffton, bie auf Beferjt
üom 12. SJuguft be§ föcicrjSmarfcrjallS dürften öon 9teufcrjatel ficb, in 23raunau
ju conftituiren rjatte, öerurttjeilte nad) nur ätoeimaligem SJertjör, roobei ein
Sertljeibiger nictjt 3ugelaffen toorben mar , bereits am 25. Stuguft ben 23ud)=
fjänbler ty. toegen Verbreitung öon ©djanbfdjriften, meiere gegen ben Äaifer
Napoleon gerichtet toaren , ^um Stöbe. *J3., toeldjer feine Unfdjutb auf ba§
^larfte betoiefen ju tjaben glaubte, mar ber lleberjeugung , bafj er nun balb
gän^licrj frei gelaffen merbe. 9ll§ am 26. Sluguft Vormittags 11 Ufjr fein ©e=
fängnifj geöffnet tourbe, bjoffte er naefj Nürnberg aurüdfeljren ju bürfen, ftatt
beffen mürbe ifjm baS ütobeSurtrjeil befannt gemad)t, baS an bemfelben Sage
ÜcncfjmittagS 2 Utjr üolläogen tourbe. ty- rjatte fidj öortjer nod) einen ©eift=
tidjen erbeten, auetj an feine 2tngefjörigen nodj einen fc^merjertüllten 2lbfd)iebS=
brief gefcb.ricben , fieb, überhaupt ftanbtjaft unb männlicr; gezeigt, ütrotj ber
yürbitten ber fyrauen unb Äinber uon 23raunau tourbe er auf Söefetjl beö
^eftung^commanbanten <St. .g)itaire unter ftarfer mititärifdjer Sebedung
unb in Begleitung öon jtoei ©eiftlicb.en auf einem ßeitertoagen Uor baö ©alj»
burger Stjor gebracht, too ba§ ganje in Sßraunau garnifonirenbe fran^öfiferje
5)cititär aufgefteEt toar. ©einer Sitte entgegen tourben bem Serurtrjeilten bie
klugen öerbunben ; faum tjatten fieb, bie ©eifilidjen entfernt, als feeb^i ©olbaten
in fur^er ©ntfernung mit ^itternben £mnben auf ib,n abfeuerten. $. toar fdjtedjt
getroffen, fcfjxie laut auf unb fanf auf ba§ 2lngefid)t ju 33oben. ©ofort gaben
brei anbere ©olbaten il)ren Sc^u^ ab , trafen aber ebenfalls fcf)led)t unb nun
tiefen 5toei ©olbaten bjerbei, festen il)re ©etoetjre an bie <5tirn *patm'e, feuerten
ab unb matten ben ^opf jerfcfjmetternb feinem grä^licJ)en Seiben ein (Jnbe.
S)er Seic^nam tourbe auf Sßeranlaffung bc§ ^Jcagiftrate Uon Sraunau öon bem
Üobtengräber auf bem fatrjolifctjen ©otteSader beftattet unb it)m in biefer ©tabt
im %. 1866 ein 5E)enfmal gefegt. '$. tjätte üieÜeicrjt fein Seben retten fönnen,
toenn er ben ib,m befannten Serfaffer genannt tjätte, aber er trjat bieg nicb.t,
um biefen bem fidjeren 5tob ju entreifjen. 9111 Serfaffer ber Sctjrift ift früher
©raf 3fuliu§ ö. ©oben genannt roorben, boeb, t)at berfelbc bie§ entfdtjieben üer=
neint; bagegen bürfte bie Slutorfcfjaft bem ^otjann ^onrab öon "))elin , ba»
maligen $ammeraffeffor ju StnSbacb,, mit ©idjerrjeit ^ugefcfjtieben toerben.
104 $olm — 5ßaitnet.
3o$. $f)il. $atm, 33ui^£)änbter ju Nürnberg. Stuf Napoleons SÖefet)!
tjingevicfjtct <ju Sraunau. Ein Seitrag jur ©efdjicrjte beS testen ^atjrjetjnbe.
Nürnberg 1814. — frr. ©djultrjeiS, ©laubwürbige aus bis jet;t unbefannten
Quellen nadjgewiefene ^Kttrjeilungen über ben Verleger unb Serfaffer ber
©djrtft $)eutfd)lanb in feinet tiefen Gürntebrigung. Nürnberg 1860. —
$einr. Werfens, $)eutfdjtanb in feiner tiefen (Srniebrigung. SBür^burg 1877.
— 9luS ben Söoracten jum Sraunauer S3Iutgerid)t in ber SlugSburger 2Itt=
gemeinen 3eitung k. ic. 3- Sraun.
$alm: Sofjann frrtebrict) $., $f)tlotoge unb ©crjutmann (1813— 71).
SCCg ber ©oc)n eines eüangetifdjen Pfarrers in üDaufefdjeu, ÄreiS £orgau, würbe
5ß. am 2. Dctober 1813 im grofjöäterlidjen $fanf)aufc in bem benachbarten
©täbtdjen Prettin geboren, 9tad) rjäuStictjer Vorbereitung übergab itjn ber
Sater 1826 bei sJhcolaifcf)ute in £ei^ig, meldte er Dftern 1832 öerliefj, um
fict) bem ©tubium ber Xfjeotogie unb -ptnlologie — ebenfalls in Seidig -- p
wibmen. 2)er ßinflufj ©. Hermanns , ber it)n balb in feine griectjifdje ®efett=
fdjaft aufnahm, 30g itjn mefjr unb mefjr Don tfjeotogifcrjen ©tubien ab unb ber
©öracljwiffenfcrjaft &u ; ben öon ^ermann begünftigten 5ßlan, eine afabemtfdje
Saufbafjn eiuäufdjtagen , mufjte $. aber aufgeben, als ber £ob feines SaterS
1834 itjn in bie WotfjWenbigfeit öerfetjte, für feinen unb ber ©einigen Unterhalt
forgen ju muffen. (£r übernahm batjer Dftern 1835 eine ©teile als 2Ibjunct
an ber ßeipjiger 9ticolaifcfjule unb würbe 1837 an biefer jum orbentlicrjen
ßefjrer ernannt, ©ein fjerüortretenbeS ßefjitalent unb feine miffenfcfjaftlidje
Jüdjtigfeit, öon ber u. 31. eine ^erobot^uägabc Queift 1839) ^eugnifj ablegte,
öerantafjte bie fönigt. fäctjfifdje Regierung, itm bereits im 5December 1842 als
s4>rofeffor an bie £anbeSfcr)ute in ©rimma &u üerfeijen, wo er fid) xafcf) eine
fjeröorragenbe ©teÜung ju erwerben öerftanb. %n Weiteren Greifen erregte er
burd) feine Setrjeiligung an bem bamatS lebfjaft entbrannten ©treite über baS
Sertjättnifj unb ben äöertb, rjumaniftifcrjer unb rcaliftifdjer 93ilbung, namentlict) burd)
feine ©djrift „lieber 3*°ecf unb 9Jcetrjobe beS UnterricrjtS in ben ctaffifdjen
©Öradjen" (1848) ein gewiffeS 2luffef)en. — 3m October 1850 würbe er als
Otector beS ©rjmnaftumS nad) flauen berufen unb löfte fjter bie fdjmiertge
Aufgabe, einer aufdjeinenb bem Untergange öerfallenen Slnftalt neues ßeben
einzuflößen, mit fjeröorragenbem ©efdjicf; audj bie burd) bie SBebürfniffe ber
gfabriffiabt münfdjenSWertf) geworbene Erweiterung ber ©crjute burd) Anfügung
non 9iealctaffen t)at er, wenn aud) gegen feine Neigung, glüdlid) burcf)gcfüf)rt.
©ein Sßunfd), bie ßeitung eineS reinen (SrjmnafiumS ju übernehmen, ging in
Erfüllung, als itjm im October 1861 bie SDirection beS ©tjmnafiumS in Sauden
übertragen Würbe. 2)iefe 3lnftatt tjat fiel) feiner belebenben Äraft bis 3U feinem
2obe erfreuen bürfen; u. 21. ift bie 33efc|affung eineS neuen ©crjuttjaufeS wefent=
ticl) fein Söerbienft. @r ftarb am 14. gebruar 1871. ©elbftänbige röijfenfct)aft=
tierje arbeiten tjat er wätjrenb feiner StectoratSjeit nid)t meb,r üeröffentticrjt ; er
war aber Wefentlid) betfjeiligt an ber 9ceugeftaltung beS gried)ifct)en äÖörterbucfjS
öon ^affow, beffen 5. Auflage er felbft mit Verausgab. 1864 beiöffentlidjte er
einen SebenSabri| feines greunbeS gft. Iraner in ber 3luSgabe öon beffen
©erjutreben.
$. ©djubart, ©ebä^tni^giebe auf S- fr- $• tnt Programm beS @r;m=
nafiumS in Sauden 1871. 9t ^ocb,e.
Volmer: ß^riftian 2)abib frriebrid) ty., geb. ju SOßinnenben (2Mrtem=
berg) am 27. Januar 1811, f aU ^rofeffor ber euangeliferjen 2l)eotogie ju
Tübingen am 29. 9Jtai 1875, war ber ©of)n öon 3io^^ ®aöib $., einem
tüchtigen «öläbctjenfcrjuKerjrer in SBinnenben, unb öon (Stjriftiane frrieberife frrie=
Volmer. 105
finget, ßin munterer «ftnabe, mit guter, bod) nictjt atljurobufter ©efunbtjeit aus*
gerüftet, mudjs er Trötjltd) tjeran, umgeben Don ber treueften 93ater = unb
Mutterliebe , meldje bem einzigen Äinbe bie befte ©räiecjung 3U geben fudjte.
2öegen feiner guten Begabung jum Ideologen beftimmt, auf meieren ©tanb
and) bie fromme 2rabition bei £mufe§, über bie ein leifer pietiftifdjer §audt)
gebreitet mar , t)inmie§ , burdjlief er bie ^ftanäftätten ber mürtembergifdjen
Geologen, bal niebere ©eminar (©d)öntb,al) 1824 — 28 unb ba§ rjötjere ((Stift)
3U Tübingen 1828 — 32 unb madjte im ©ommer 1832 fein elfte Prüfung mit
3lu§jeicr)nung. 3ßt)ilologifd)en ©tubien mar er nictjt befonber§ jugemanbt, toeit
meb,r ben ptjitofoptjifcrjen unb am meiften ben ttjeotogtfdjen; bon ben bamaligen
^rofefforen (©teubel, 33aur, $ern, ©djmib) Ijatte ber Severe ben meiften @tn*
flufj auf ben fleißigen arbeitigemanbten ©tubenten; bie praftifcCje Geologie,
meldte ©djmib üertrat, toar baZ f^elb, für meldjeä ty. einen empTängtictjen Soben,
eine natürliche Anlage in ficr) trug, itjr toanbte er ftd) mit befonberer Sßortiebe
§u. 23on feinem ©rofjbater mütterlidjerfeitS tjatte er eine öorpglid)e Begabung
für Wufif ererbt, fdjon mit fünf 3af)ten kernte er Stabierfpieten, in ©djöntfjal
erlernte er überbieg Sßiotoncett unb f5flöte, batb fpielte er auct) bie Drgel. SDiefer
Siebtinglneigung , bei meld)er er fiel) aber mol brütete, baft fie nictjt jur be=
berrfctjenben ßeibenfdjaft mürbe, mibmere er bie meiften ^iftunben, perfudjte ficr)
aud) bamal§ fctjon an Keinen Sompofitionen ; aud) mätjrenb ber UniüetfitätSäeit
blieb er feiner 2)tufica getreu unb roenn er fidj bon ftubentifdjen 3)erbinbungen
entfernt tjielt, fo fdjtofj er fid) um fo enger an einen flehten greunbelfreis, ber
befonberl burd) biefe $unft aufammengetjalten mürbe. 9JUt gfriebrid) ©ildjer
gab er 1829 ben SInftofe jur ©rünbung ber noct) blütjenben afabemifdjen
Siebertafel , in angefetjenen 5ami^e" erttjeilte er ßlabieruntemct)t , auct) feine
nad)t)erige grau lernte er bei biefer ©etegentjeit fennen. 2lu§geftattet mit einem
fetjr reidjen 2Jtaaf5 ttjeotogifdjer Äenntniffe, oerlieft er bie llniüerfität, mürbe bi§
2lprit 1834 in Siffingen bei $irdt)f)iim u. %. , bann biß ftobember 1836 in
5ßlieningen bei Stuttgart S3icar. $n biefer praftifctjen ^ätigfeit legte er bie
erften bertjeijjungsbotten groben feiner reidjgefegneten erfotgreidjen praftifctjen
2Birffamfeit ab ; feine natürliche rebnerifcfje ^Begabung unterftüijt bon einem
aufjerorbentfid) treuen ©ebäctjtnifj unb bon foliben ©tubien , madjte itjm ba§
^rebigen ju leidjter, freubiger Aufgabe; mit Meifterfctjaft mufjte er fctjon
bamall bie ©pracrje ju tjanbfjaben, bie flare angenetjme SDiction trug ba^u bei,
ben ernften, edjt eoangelifctjen Sutjalt um fo einbringtidjer ju madjen; aud) ber
Pflege ber ©djute, ber ©eelforge natjm er fiel) eifrig an, ebenfo menig bernad)=
läffigte er bie 9Jtufif (©rünbung bon J^irctjengefangDeretnen), bem eingebogen
tebenben ©eiftticljen flogen bie ^er^en ber ©emeinbe 3m ©djmere innere
ttjeologifdje unb religiöfe kämpfe tjatte $., mie e§ fd^eint, nietjt ju befielen; er
mar eine rjarmonifd) angelegte ^atur, bie itjren l)armlofen Äinbelfinu nid)t gegen
bie trjeologifdje ©ctjolaftt? preisgab; an £)egel batte er menig ©efaEen gefunben,
©dt)leiermadjeiJ§ ßinflu^ bema^rte it)n öor ßinfeitigfeit , bie tiefe @rfaffung ber
trjeologifctjen Probleme üerbanfte er ben bei irjm gemonnenen ©inmirfungen.
©eine ©runbrictjtung aber mar eine biblifcf) = üvd^üc^c, mit allen ^afe*n feine!
^erjenl unb ©emüttjel tjing er an feinem eüangelifctjen ©tauben; ber mürtem=
bergifdje $ieti§mu§ , ber Tübinger ©upranaturali§mu§ , mie er in ©torr unb
©teubel öertreten mar , ber biblifdje 9leali§mu§ , mie it)n %. 51. SSengel gelehrt,
maren bie beftimmenben ^actoren feiner tb.eologifctjen ©ntmidtung, babei matjrte
er fidj aber entfdjieben feine ©elbftänbigfeit unb gehörte nie einer beftimmten
Partei an. 3m ©ommer 1836 beftanb er bie jmeite S)ienftprüfung, im 5ioPember
beffelben ^atjree trat er all Repetent in ba§ ttjeologifdje ©eminar in Tübingen
ein, 30. Januar 1839 mürbe er jum Reifer in 9Jcarbad) ernannt. 9tutjig unb
106 ^atmer.
einfad), roie ber Mann fetbft mar, berfloß fein ßeben in ber Jpeimat^ftabt
Sd)itter;3. 25. Slprit 1839 fjeirattjete et 2öilt)etmine Soffen, mit tuelc^er er
ficr) im 3fa^rc bortjer bertobt t)atte. S)ie befdjeibenen 33ert)ältniffe bon £)au§
unb ©etjalt [törten ben anfprud)§Iofen ©inn ber ©atten nictjt , bie teicrjlicfje
Muße , roelctje itjm ba$ fteine Slmt ließ , benutzte ber unenblid) fleißige , ftet§
ttjätige Mann <$ur Aufarbeitung ber SBerfe, roelctje feinen ttjeologifdjen unb
atabemifctjen Oluf begrünbeten, ©eine ungemeine Seictjtigfeit im arbeiten, baä
rafctje Srfaffen ber |>auptpuntte eines ©egenftanbe§ , bie fcfjöne ®ahef ba§ @r=
faßte flar, ttdjtbott in flteßcnber ©practje bar,uifteflen , bie ßebenbigteit unb
93eroeglict)feit feines ©cifteä trieben tfjn mit einer geroiffen 9taturnottjtt>enbigfeit
3U fdjrtftftetlerifcrjer £fjätigfeit; mit nie ermübenber gebev ift er berfelben jeit=
(ebene treu geblieben. 3QfyU°fe Slrtifel in ben berfdjiebenften fircfjlidjen unb
päbagogifdjen ^^tfc^tiytcn, auf bie beifdjiebenften ©ebietc ber Güttjif, ber praf=
tifdjen Ütjeologie, ber .Jptjmnologie, beS ©djulroefen§, ber Mufif fictj auäbetjnenb.
legen rüfjmlidjfteS 3euQni& QD üon feiner großartigen $3elefent)eit, feiner warnten
Jtjeilnatjme für £ircrje unb ©ctjulr, feinen gebiegenen Äenntniffen, feiner milben
friebliebenben 9tuffaffung, roie bon feiner männlidjen (Jntfdjiebentjeit unb feinem
treffenben, nictjt berletjenben, aber offen auSgefprodjenen Urttjeile. ©o enthielt
j. 33. üLtjolucf'g literarifctjer Sinniger für djriftlidje üLtjeologte unb Sßiffenfcfjaft
1838 Ütecenftonen über: 9totfjc, bie Anfänge ber djtifttidjen Äirdje unb ifjre
33erfaffung; 2)retj, Slpologetif aU roiffenfdjaftlicrje 9cadjroeifung ber ©öttlictjfeit
be8 (StjriftenttjumS ; 1839 #irfäer, ctjrifttidje Moral; 1842 eine Slbfjanblung
über ^r- 20. ßrummactjer als s$rebiger; 1843 grj. Jrjeremin als 3ßrebiger;
1846 ^ßeftalo^i unb bie djrifttictje ^äbagogif; ber fübbeutfctje ©ctjulbote feit
1838 beinatje in jebem ^atjrgange 9tecenfioneu unb 9Ibfjanbtungen, fo 1838 unb
1839 9recenfionen über mufif alifcfje Söerfe; Äritifen über $ugenb= unb $inber=
fdjriften; 1839 eine 9tbt)anblung über Mittet unb 2öege ben ©ctjöntjeitöfinn
ber Äinber flu roecfen; 1846 Mißbertjättniß ber Arbeit auf bem gelbe ber @r=
ijietmng jum (Jrfolg unb be§ GürfotgS ^ur Arbeit; 1845 über fietjre unb @r=
jtefmngSroeife ber Sefuiten; 1847 bie ©djule ber ^tjilanttjropiften ; 1848 ber
>ßieti§mu§ in ber ^äbagogif; 1849 über 9cationalbilbung; 1851 bie ^oefie im
©ctjulamt u. f. ro. ; bie ©tubien ber ebangclifctjen ©eiftlidjfett SQSürttembergS
1839 eine tfjeologifdje Slbtjanblung über bie iHidje; bie in IHel erfdjeinenben
ttjeotogifctjen Mitarbeiten im Sfatjrg. 4, Anbeutungen über eine roiffenfctjaftlidje
Erörterung ber djriftlict) = etrjifctjen ©runbbegriffe; ferner über bie bogmatifdje
ßonftruction ber Setjre üon ber Aneignung be§ ^>eil§ unb ber ^peitöorbnung; bie
trjeologifdjen ©tubien unb $ritifen 1843 eine 3tbt)anb(ung über bie neueren
Reformen ber ©efangbüd)er unb Liturgien öom t|eotogifd§en ©tanbpunft auS.
S)iefc groben genügen, um Sßalmer'g rafttofe Sttjätigfeit , ^robuctiüität unb
35ielfeitigfeit ju fennäeictjnen, alte bie tjier genannten unb in anberen 3eüfd}riften
(allgemeinen ©ctjutieituug , ßtjriftoterpe je.) jetftreuten ©tubien roaren nur
33aufteine unb ©patme üon größeren felbftänbtgen SBerfen. ^erbft 1840 rourbe er
oon üLtjoIuä jur ^Ibfaffung einer ^omiletif aufgeforbert. ^n einem 3U9 mit
freubigem ^erjen, toie er fetbft befennt, fdjrieb er fie niebec, ©ommer 1841 roar
ba§ Manufcript fertig, 184ü erfdjien bie§ erfte größere SBert, 1844 folgte itjm
bie eoangelifctje ^atectjetif. SBetbe ©ctjriften tragen gan^ baS ©epräge ifreg
3}erfaffer§: be§ eoangelifctjen bibelgtäubig Oielbetefenen unb atlfeitig gebilbeten
ctjriften, roeldjer 5prajt8 unb 2öiffenfd)aft tjarmonifd) bereinigt unb gefunbe§ d)rift=
tictje§ Seben in Äirctje unb ©ctjule pflanzen roill. 5Der ebangetifctjen Äivct)e, ben ®eift=
lictjen unb ßet)rern roirb t)ier ein ftar aufgebauter ©runbriß ber Sßebeutung unb
ber ©efd)id)te biefer beiben S)i§ciplinen gegeben, biefe fetbft roerben in ben 3ufammen=
t)ang ber übrigen SBiffenfctjaften eingegliebert unb geben in itjrer frjftematifdjen
Volmer. 107
2)axfteßung ebcnfo bie 5principien, toie bie praftifdjen 28in!e für bie Stjätigfeit
beS ePangelifdjen 5prebigerS, ©eetforgerS unb SetjrerS. 2)ie mieberrjotten 5Iuf=
tagen ber -fromiletif 1845, 1850, 1857, 1867, ber ßated&etif 1846, 1856, 1864,
1875, ftetS berbeffert, burdjgearbeitet, auf ben neueften ©tanb ber 2ßiffen=
fcfjaft gebrad)t, betoeifen bie 23eliebtt)eit unb praftifdje 93raud)barfeit ber beiben
SBexfe. *p. fclfeft galt fett bem @xfd)einen bev erften Auflage als Autorität in
biefem ©ebiete. 216er aud) auf anbeten madjte fid) fein @influ§ in t)erbor=
ragenber Sßeife geltenb. 2)aS ebangelifd)e SBürtemberg Befanb fid) feit (Snbe
ber breifjiger Statjre in einer lebhaften Agitation megen ber Güinfütjrung eines
neuen ©efang = unb SljoratbudjeS, fort)ie einer neuen Siturgie. ^n einer Ab=
rjanblung in ben ©tubien ber mürtembergifdjen ©eiftlicrjf'eit (23b. 12) fxitifixte
*p. ben Güntmurf beS neuen ©efangbucljeS; feine bon biblifdjem ©eifte burdjmeljte
Anfdjauung gepaart mit 93erftänbnifj für ben poetifdjen unb erbaulidjen Gtjarafter
ber Sieber, fein pietätSPotler mafjtjalteuber GtonferPatiSmuS gegen bie alten
Sieber fanb grofjen Entlang, birecten Sinfluf; ijatte er nidjt, ba er in bie ©e=
fangbudjgcommiffion nidjt berufen raurbc. Sagegen trat er 1843 in bie
Sommiffion für baS (Sljoralbud) als berufener 9Jceifter; 5pfalmen unb propt)e=
tifctje ©tüde ber fjeiligen (Schrift für bierftimmige Gljöre in 9Jhifif gefegt, blatte
er fdjon herausgegeben , mit (Sntfdjiebenljeit Pertrat er ($odjer unb ©ildjer
gegenüber) baS 9ted)t, ja bie ^cotljmenbigfeitbeS einftimmigen (ttjoral=$irdjengefangS
(bie (hfaljrung unb 5praxjS gab il)m in ber golge boEftänbig 9ted)t). 23ci ber
AuSmarjl unb ^jarmonifirung ber Stjoxäle mar er feljr tljätig unb bie letzte
Stebifion beS ßtjoralbudjeS mürbe in feinem .§aufe in Tübingen bollenbet.
(Jbenfo ftanb er ber neuen Siturgie im allgemeinen feljr fpmpatljifd) gegenüber
unb freute fid) über ben gefunben ebangelifdjen ©eift berfelben. Gür Pertrat bie
(Sintjeit ber ^ormularien bei ben GultuSljanblungen , [teilte bie alten ßitutgien
als 9Jcufter für alle 3«ten auf, madjte audj als praftifdjer 90tann am" bequeme
(Einrichtung für ben ©ebraudj aufmerffam. Audj in ben ©txeit über ben
Pietismus griff 5p. fdjriftftellerifd) ein, 1839 erfd)ien feine ©d)rift: An greunbe
unb geinbe beS 5pietiSmuS; im allgemeinen eine 93ertt)eibigung beS *pietiSmuS,
aber mafjbotl unb befonnen, burdjauS nid)t blinb gegen bie f$feljler beffelben, in
meld)em 5p. anbererfeitS ein ßictjt unb ©als ber ebangelifdjen $irdje anerkannte. %n
ba§ Snbe feines 9Jcarbadjer Aufenthalts fällt aud) bie Verausgabe feiner ebangelifdjen
Gtafualreben (1842), eine Sammlung, metdje bis 1855 12 93änbe umfaßte,
^ßrebigten ber berfctjiebenften 33erfaffer in fid) bereinigte, unb in iljren mieber=
tjolten Auflagen ungemein Piel Anregung unb 23eletnung fd)uf. Aud) an bem
3u[tanbefommen beS ^PrebigtbudjeS ju ©unften beS *PfanmaifenbereinS, ju beffen
©rünbung 1841 % mefentlidj beitrug unb ber „^eugniffe ebangelifdjer Söatjxrjeit"
Ijatte er lebhaften Anteil. Obgleich in meiten Greifen befannt als boxjüglidjex
Äanselxebnex, anregenbex ßetjxer, feljr tücfjtiger £ljeologe muvbe $. bodj nod)
nidjt mit ber äßürbe unb ©teile betraut, für roeldje er feiner ganzen ^nbibi=
bualität nad) eigentlid) beftimmt mar, ber eines ^ProfefforS ber Jljeologie.
Sommer 1839 mürbe ifjm bie ^rofeffur in 3ürid) angetxagen , meldje ©trauf?
unb (Jlmert inne gehabt ; er leimte ah unb bereute eS nie; er mar ein ju treuer
©oljn feiner ^eimatlj unb feiner batertänbifdjen Äirdje, als ba^ er ficrj in ben
fdjmierigen ©djroeiäer 3Jert)ältniffen root befunben tjättc. dagegen mürbe er am
30. 2Jtai 1843 aum atoeiten, am 18. October 1848 jum erften 2>iafonuS, am
7. ^uni 1852 jum S)ecan in Tübingen ernannt, '•flht gemiffenb^after 2reue
mibmete er fid) biefen geifttidjen Aemtern, bie itjm neben ber ftetS maebfenben
©eelforge bie güb^rung ber ,ßirdjenbüd)er , baS ^nfpectorat über bie 33olfe=
fdjulen, 3;r)eitnar)me am @r)egerid)t, fomie an metjreren Vereinen brad)ten , über-
feine Porjüglicrje ArbeitSfraft Perftanb atten Anfprüd)en bei AmteS ju genügen,
108 5ßalmer.
feine ruhige 23efonnent)eit erhielt itjm aud) in ben fdjmierigen 3at)ren bon 1848
unb 1849 baS Vertrauen ber ©emeinbe. $mmer feereit als ^rebiger au§=
3ur)elfen, fanb er 3e^ 3U röiffenfdjafttictjen arbeiten, 9tbt)anblungen, fRecenfionen,
aucfr) bie 9Jtufif würbe in leiner SBetfe bernadjläffigt. 1847 übernahm er bie 33or=
ftanbfdjaft beS DratorienbereinS unb bis ju 3?r. ©itdjer'S £ob (26. Sluguft 1860)
blieb er beffen treuer f$fteun& unb SBeratrjer. 2ftit ber Uniberfität , beren
bamalige tfyeologifctje ßetjrer nod) ttjeitroeife jeine ßetjrer gemefen maren, trat er
in nähere Sßerbinbung, als er 1846 ben Setjrauftrag ju einer Söortefung über
^äbagogi! erhielt. 63 war bieg gemiffermaßen baS 33orfbiet ber eigentlichen
afabemifctjen ü£t)ätigfeit, meiere it)m nad) bem ü£obe bon ©ct)mib jufiet. 2luf
ben einftimmigen SJorfctjlag ber $acultät mürbe er jum ^rofeffor ber praftifdjen
Geologie unb VJtorat ernannt (7. ^üti 1852). ty. t)atte bamit erlangt, maS
it)m gebührte, einen 9tuf nad) .jpatle tjatte er 1847 abgelehnt, ebenjo eine 2ln=
frage megen ber ©tiftSbräbicatur in (Stuttgart, enblid) 1853 einen 9tuf als
Oberlmfprebtger nad) Bresben. 1853 erroarb er fid) rite ben tr)cologifd)en 2)octor=
grab in Tübingen, ^aft 23 $at)re lang tjatte 5}}. feinen ßetjrftutjt inne, fegend
unb erfolgreich, in f)ol)cm 'JDtaße ift fein langjähriges Söirfen geroefen. ©ämmt=
lid)e ©ebiete ber braftifdjen Geologie (,£omitetif , $atcd)etif , ^ßäbagogif, s}}aftorat=
Ideologie, $ird)enrecf)t) umfaßte feine ßetjrttjätigfeit , regelmäßig laS er über
9Jtoral, ejegetifdje SBorlefungen über neuteftamenttidje ©ctjriften (Marcus, ßucaS,
2fot)anne§, 1. 6orintt)er=, *pt)ittpper= unb ßotofferbrief) fd)loffen fid) an, einmal trug
er bie ttjeotogifdje ©netjelopäbie bor, im SBinter 185960 tjielt er für ©tubirenbe
fämmtlidjer ^acuttäten Vorträge über Religion, ßtjriftenttjum unb $ird)e.
©eine SBortefung über ©efd)id)te ber ülonfunft füllte befonberS ben ©eiftlid)en
ju ©ute fommen , roie bie S)arftellung ber in SBürtemberg l)eimifd)en Selten
unb ©emeinfd)aften befonberS ben roürtembergifdjen Geologen galt, ©eine
SSorlefungen jeidjneten fid) fämmtlid) auS burd) große Älarljeit, reiche 5Öelefen=
rjeit unb genaues Söertrautfein mit bem ©egenftanb , bie ßeictjtigfeit, mit roeldjer
in ben fbftematifd)en ber fünft lerifdje Aufbau ausgeführt mürbe, bie Ütutje unb
©idjerrjeit, mit roetdjer bie fdjroierigftcn Probleme betjanbelt mürben, madjten
oft ben 6inbrud geringerer £iefe; bie roiffenfctjaftlid)e £üd)tigfeit ^almer'S
mürbe bafjer aud) tjänfig bon ben ©tubirenben nid)t in bem 9Jtaaße gemürbigt,
mie bie Sßorlefungen nad) bem 9teid)tr)um be§ SfntjaltS berbient Ratten; fie roaren
aber roie feine 23üd)er außerorbentlid) inftruetib unb finb un^ätjtigen in irjrem
amtlichen ßeben bon großem 9tut}en gemefen. ©ein trjeologifctjer ©tanbpunlt
blieb ber bofitib biblifdje, ot)ne baß er fid) einer beftimmten 9tid)tung ober
Partei anfd)toß; gegen feines Kollegen S3aur fritifd^e SRefultate öertjielt er fic^
ableb^nenb, ebenfo aber aud) gegen S3ed'S meitgeb.enben bibüfdjen SteatiSmuS,
aud) gegen ben ^ietiSmuS, mit metdjem er fonft biet 5}ermanbteS ^atte, mat)rte
er feine trjeologtfctje ©elbftänbigfeit ; ein Vortrag 1872 im ÄönigSbau ju
©tuttgart gehalten über: „S)ie Deutung ber bibtifdjen Söeiffagutig auf (5reig=
niffe unb 3uf*änbe ber ©egenroart" trug itjm b.arte Singriffe ein, meiere irjn
tief betrübten, ©einer ganjen 91atur nai^ mar er gegen engherziges ^>od)=
lirdjent^um, mäb.renb er ben immer meitergeljenben 2lnfprüd§en 9lom'S gegenüber
jeinen broteftantifct)en ©tanb^unft entfdtjieben gettenb madjte. 6inen t^öd^ft be=
beutenben ü£t)eil feiner afabemifd)en 2l)ätigteit bilbete bie S5orftanbf(f)aft über
baS eöangelifcrje ^ßrebigerfeminar; tjier in ber Sßerbinbung öon St^eorie unb
^ßrajiS jeigte er feine tiolle ^Jteifterfcl)aft ; in ber ßeitung ber ^omiletifcljen unb
fateetjetifdjen Uebungen in ber lleinen ©d)loßfapelte, in ber Äriti! ber ^rebigten
unb Äinberletjren erlannte man feine ungemein reichen Äenntniffe, feine
<Semanbtt)eU unb 2eid)tigfeit ^u biSponiren unb bie |)aubtfad)en tjerborzub^eben.
£>ie große ©djaar bon ©tubirenben aus SBürttemberg unb anbern Sänbern,
'-Palmer. 109
toeldje feiner fidleren Leitung jtdj anoertrauten, unb melden et in feinen jäljr*
liefen Stbfdjiebsprebigten bie äöürbe ifjres 23erufes geigte unb benen er in feinen
ftarf befugten ©onntagsprebigten in ber ©eorgenfircrje dufter öon gebiegenen
unb erbaulichen $rebigten gab, ^at im fpäteren 2lmte feine 2ßinfe unb £ebre
banfbar Befolgt. Siefer angeftrengten ßetjrttjätigteit ging eine ebenfo reictje
fcrjriftftellerifcrje jur ©eite; eifrigft beteiligte er fidj als Mitherausgeber unb
treuer Mitarbeiter an ber Cmcrjclopäbie bes gefammten @rjierjung§= unb Unter*
rictjtsroefens, tjerausgegeben bon $. 21. ©djmib 1859 — 78 (81 2luTfät$e au§ ben
öerfduebenften ©ebieten ber ^ßäbagogif, $irdj)engefcb,icrjte , Muftf, 6tt)if 3. SB.
%. 33. Slnbreä, 3lufflärung , 3. 21. Senget, Stjarafter, Glaöierfpiel, gfje, gr=
jietjung, ©ebet, ©efang, ,£atecb>tif, Mufif, 9tacf)at)mung, $äbagogif, Pietismus,
©elbfigefüljl, ©itte, Staat, Saufe, Unterricht, 3)olfstieb ic), fotoie in ber üteal=
encnclopäbie für proteftantifcbe xtjeologie unb Äirctje oon -perjjog, 1854 — 1866
(81 2lrtifel ebenfalls aus ben öerfdjiebenften fnfiematifdjen unb t)iftorifd)en ©e=
bieten ber Geologie unb ^l)itofopf)ie 3. 33. 33erebtfamfeit, ©eifilicije, ty. ®er=
b>rb, £omiletif, Äatectjefe, .ßirctjentieb , Siturgie, £>. Mütlet; ^aläftina,
^aftorattfjeologie , 9Wnf)arb , ©eelforge, gr. ö. ©pee, 2Baf)rt)eit, SMrttemberg,
33acf), S)ann, ^otticr}, knapp, ©cfjnurrer, ©eften, Sobesftrate k.). £ie öon if)m
in ©emeinfcrjaU mit 5>orner, @£)renfeud)ter, Siebner, Sßagenmann, Söeijfäder ic.
herausgegebenen £$at)rbüct)er für beutfdje Geologie enthielten mertfjboHe 2lbt)anb=
lungen öon itjm 3. 23. 3ur praftifcrjen Geologie 1856, 33ren3 als ^rebiger unb
ßatecb>t 1871, bie Objectiöität ber dregefe 1870, bie Moral bei ^afobusbriefs
1865, bas 23orbiIb £efu 1858, bie cijriftliccje Set)re öom b^öctjften @ut 1860,
@efet$ unb erlaubtes 1869, bie Deutung ber biblifcb>n SSeiffagung 1872. £u
ben flets roieberb,otten Auflagen feiner <g>omi£ettf unb Äatedjetif gefeilten fid) als
neueSBerfe: „@oangelifd§e^aftoralt|eologie" 1860, „S)ie Moral bes Gt)Tiftentt)umi"
1864, „eöangetifdje |>t)mnologie" 1865 unb bie 3tt>ei 5ßrebigtfammlungen : „6in
^atjrgang eöangelifdjer ^rebigten" 1857, „^rebigten aui neuer 3eit" 1874, foroie
eine ©cmmlung öon Vorträgen u. b. %.: ,,©eiftlicb>s unb SCßeltlicfjeä für ge=
bilbete d^tiftlic^e Sefer" 1873. kleine 2luffä|$e, Stecenfionen unb ihitifen fanben
itjren 2öeg in anbere 3ettf$riften (©tubien unb Ätitifen, £)armftäbter Äirdjen=
3eitung, mancherlei ©aben unb ein Seift, fübbeutfctjer ©ctjulbote, neue 33lätter aus
©übbeutfct)lanb, altgemeine muft!atifc^e Rettung), %n liebenstoürbiger ©efälligfeit
fpenbete Iß. aus bem fo reietjen Mafje feines SSiffens gern ^Beiträge für öffentliche
Vorträge in Tübingen, 3. 33. über 2tbrat)am a ©anta Glara, 33act), Jpaübn, ebenfo
3U ben in Stuttgart öeranftattetenÄönigsbauöorträgen, 3. 33. über ben eigentf)üm=
liefen ßb^arafter ber eöangetifctjen 2b,eologie in 2Bürtemberg. 2lud§ bie Mufif
würbe ebenfo eifrig gepflegt, roie früher, feine Sieblingscomponiften blieben |)at)bn
unb Mosart, ^änbel unb Menbelsfotju ; 23acr) unb ©d§umann traten gegen biefe
3urüdf unb mit Söagner befreunbete er fieb^ erft, nacb^bem er So^engtin gehört
tjatte. 93on ber Leitung bei Cratorienöereins trat er balb nactj ©ildjer's 2obe
(26. Sluguft 1860) jutüdE, ber gan^ anber§ geartete ©ct)er3er toar i|m nietjt
ft)mpatr)ifcr). 2ln ben öffentlichen Slngetegenb.eiten bes £anbe§ beteiligte er fieb,
roenn aud) nierjt in tjeroorragenber SBeife, fo bodj gern unb eifrig, bie erfte
Sanbesftoncbe 1869, in roeldje er als Mitglieb ber gacuttät eintrat, mahlte i^n
3U irjrem 93icepräfibenten. 3}on politifctjen Agitationen t)ielt er ficrj fern, ber
Unmutt) über ben ^rieg oon 1866 toerfctjtoanb in bem ©iegesjab^re 1870 — 71,
bie STübinger Sürgerfdjaft , feine patriotifeb^e ©efinnung eb/cenb, gab ib,m ein
fc^öneö 3eid)en it)re§ 33ertrauen§ unb märjttr it)n 1870 in bie mürtembergiferje
Dlbgeotbnetenfammer, aber nacb^ 3mei S^ren legte er fein Manbat nieber, meit
es bai Jpatten ber geliebten 33orlefungen 3U fer)r beeinträctjtigte. <!pocr)angefef)en,
allgemein beliebt unb geachtet, gtücflict) im greife feiner gamilie (3toei ©öb^nen,
HO 44tolotta.
ijtoei Södjtern), in treuem SBerfetjr unb gutem EinöiTnetjmen mit feinen (Sollegen
bractjte er feinen Seben§abenb batjin, 1857 tjatte er ba§ afabemifdje Üiectorat
inne, 1853, all er ben Stuf nact) 5Dre3ben abgelehnt, ^atte itjm ein t)ot)er Orben
ben äöertt) gezeigt, metctjen man auf fein ©leiben im Sanbe lege. 5Die fonftige
äöanberluft ber ©ctjmaben mar itjm fremb , er fcrjtoeifte nictjt gern inä SGßeite ;
größere anftrengenbe ©äuge roaren tb,m fdjon in ber ^UQenb ein ©egenftanb beö
©ctjrecfenä; auct) ju ber 9ieife, meldte fonft bie mürtembergifctjen ü£f)eotogen nact)
üottenbeter ©tubien«}eit jit unternehmen pflegen , tjatte er fiel) nictjt aufgerafft
unb feine fpäteren ßrtjolungäreifen führten itjn nie roeit öon ber ©ren^e be§
33aterlanbe§ fort. Sine gemiffe 93equemtict)feit, roelctje in einer nictjt ganj fräf=
tigen Sonftttution itjre Erflävung fanb, machte fictj bei itjm gettenb, bie 9Jtufi£
mit allem ©ctjönen, ma§ fie itjm bot, feffelte itjn fetjr öiel an ba§ ^immev.
Sin ben öierjiger Sauren mar er mit Äopftoet) öicl behaftet, fpäter natjm tjäufig
mieberfetjrenbe ^eiferfeit feiner fonft fonoren ©timme it)ren $tang. ßtjarfreitag
1875 tjiett er feine leijte 5ßrebigt, unmittelbar nactjtjer legte er fictj auf baö
ihanfentager, öon bem itjn nact) fctjmeven, gebulbig getragenen Seiben (Xtjptjuä)
am 29. 9flai ber 2ob erlöfte. — 'Dftanntgfactj unb meitgreifenb ift 5jßalmer;§ 33e=
beutung, er mar ein fdjraäbifctjer äkrmittlungättjcologe im beften ©inn beS
äßorteS, ber feinen eöangelifctjen biblifcfjen ©tauben treu feftfjaltenb, eine fctjöne
tjarmonifctje Bereinigung öon SBiffenfctjaft unb ^raji§, Stjriftenttjum unb att=
gemeiner Jöilbung repräfentirte ; burctj feine fctjriftftetlerifctje unb afabenufctje
SLtjätigfeit tjat er ben SHäciplinen, roelctje er letjrte, itjren gebütjrenben ütang im
9teicb,e ber SBiffenfctjaft gegeben, unjätjligen ©eiftlidjen unb Setjrern mar er
baburct) Setjrmeifter unb 33orbilb unb wenn fictj fein äßirfen nictjt in brm ©ritnben
einer beftimmten ©ctjitte au^brücfte, fo mar e§ bodj befonber§ für feine Dater«
tänbifdje $irdje unenblidj roictjtig, langtjin nadjrotrfenb. ^almer'3 ©djriften finb
fdjon ermätjnt; fein ©djmiegerfotjn fetter gab au§ feinem ftactjlafe 1877 bie
©djrift t)erau§: „£)ie ©eften unb ©emeinfdjaften äöürtembergg".
Quetten: %. $napp, Gtjriftian $atmer, eine ©fi^e, im eöangelifctjen
Äircrjen= unb ©djulblatt für äßürttemberg 1876—81; berfetbe (St). $. in
Ütealenctjctopäbie öon £erjog. 2. Stuft. 23b. 11, ©. 708 ff. SBorte ber
Erinnerung an St)r. ty. Tübingen 1875. äöei^fätfer, 3ul' Erinnerung an
Dr. ßtjr. $. in: $at)rbüd)er für beutfdje Stjeotogie. *8b. 20. «Hefrologe im
fctjmäbifc^en 3Rerfur 1875, 9tr. 162 ($. ^artmann); ©taatlanaeiger, be=
fonbere Seilage 1875, 5lr. 18 (.&. 2öeife); 2iagemeine Leitung 1875, 9h. 168
(tieftet); ^roteftantifctje Äirc^enaeitung 1875, 9lr. 24; ©übbeutfctjer
©ctjulbote 1875, 9lr. 15 ff. (91. Äübel). Stjeobor ©c^ott.
^Olotta: ^ötatteo $., nact) feiner Baterftabt auctj II Palermitano genannt,
mürbe bafetbft im $. 1688 geboren unb marb früt^eitig für ben ^riefterftanb
beftimmt. ©eine Siebe pr ^Jlufif führte it)n nact) Neapel, mo er im Conser-
vatorio San Onofrio ernfte ©tubien betrieb, ^acf) feiner 3tüctfet)r unb abge=
tegter Prüfung mürbe er jum Canonicus secundarius (äßettpriefter) ernannt unb
gab fict) nun gan^ ber Sompofition ftrenger $ird)enöocalmufif tjin. 3uQlrict)
fct)rieb er eine tjöcfjft öerbienftlic^e 3lbtjanblung „Gregoriani cantus enucleata
praxis et cognitio" (über ©uibo'S ©otmifation unb Seb,re öon ben Äirdjentönen).
.^aifer ^art VI., burdj feine äöerfe aufmertfam gemadjt, berief it)rt nac^ äöien,
mo er nad) ißefürmortung be§ $ofcapettmeifter§ ??uj im Februar 1733 naä)
feinem eigenen SBunfctje als Gomponift für ©efangmufit a capella in ber faifert.
^ofcapeHe mit 400 ft. iätjrlidjen @etjalt§ angeftettt, 1741 enttaffen, aber 1749
reactiöirt mürbe. Er ftarb in SBien am 28. gjtärä 1758 im 70. Sebenäjaljre
(Söiener Diarium). — ^alotta'S Söerte: Neffen, «ötotetten, Offertorium 3U 4
«Paltfyn. 111
bti 8 (Stimmen jeidjnen fid) bei aller contrapunctifdjen (Strenge burd) freie
(Jntfaltung bei «öauptgebanfeni unb feiner «Rebenfäfee, burcfj ftetige fßematjrung
bei eisten Äirdjenftplei unb natürlid) füefjenbe tfütjiung ber Stimmen aus unb
erinnern in mandjer Sejtetmng an dalbara. geugnifj babon geben bie nod)
borfjanbenen «Iftanufcripte in ber faiferlidjen 6o?bibIiotf)ef unb im 2trd)ib ber
©efellfd)aft ber sDtufilfreunbe in 3Bien. <X. 5- $.
^ali'üclt : 3ot)ann «ßljitipp $., ^iftorifer unb Sprad)Torfd)er, aus einer
aiien öon ber Söetterau nad) «JJteeftenburg unb Sommern eingemanberten @e=
let)rtenfamitie, meldje fid) im geiftlidjen unb 2et)rfadf)e, fomie in ber 23etmaltung
auszeichnete, mar ber Soljn bei £o'gerid)tifecretäri ^oljann $. (t 1708j, aus
beffen (Stje mit ber lodjter bes Söoigafter 9tatf)erjerrn 9Jlid)aet öoppc, Sorotfjea
£., unb mürbe am 26. 3unius 1672 ju Söolgaft geboren. ftad) 53ollenbung ber
<5cf)ul-- unb Uniöerfitätiftubien in ©reifimalb (1688—91) blatte er bai ©lud, merj=
rere einflufereidje ©önner ju finben, meiere ir)n in feiner titter arifdjjen 2b,ätigfett
unterfiütjten unb 311 einer amtlidjen Stellung beförbetten. 3U biefen getjörte
namentlich ber anfangs ali $aftor an ber i5acobir"ird)e ju Hamburg unb feit
1701 als ©eneralfuperintenbent ju ©reirimalb mirfenbe Dr. 3of). griebrid)
llflaper (f. 31. $). 23. XXI, 99), mit meinem er ."poltanb , Sänemarf unb
Sctjroeben bereifte, fomie ber branbenburgiferje ©eljeimeratb, Sam. ö. «purenbori,
toeldier burd) feine ©ematjttn mit ber gamilie $• öermanbt mar, unb burcf)
feine @mpjet)lung ben fcfjroebifcf) = pommerfdjen ©eneratgouberneur ©rafen 9iiels
23ielde bemog, ben erft 22 3atne jäljlenben jungen ©etetrtten (1694) dum «pro*
feffor math. et mor. in ©reifimalb 3U ernennen. $n ber Tolgenben 3eit (1697
bti 1698) begleitete er auefj bie (Sörme bes ©rafen 23ielde auf einer größeren
fReife nad) granireid) unb (Jngtanb , mo er in $atis bie berühmten @elef)rten
3of). «fltabilton, Stephan «öalup, 3ot). §arbuin, 2ubm. §u ftour, 21bt
öon Songuerue, unb $et. San. #uet, tbyeils perfönlid) , tb,eili nad} i&rer litte«
rarifd)en SSebeutung fennen unb fdjä^en lernte. «Jlnfdjeinenb burd) Su fjouri
Stubien über Satian angeregt, nafjm er roaljrenb feines 2lufentb,altei in Crcrb
(1698), nad) bem «Jftanufcript bei granaiieui Suniui, eine SlbfcrjriTt bon ber
. attt)od)beutfd)en Ueberfetjung ber latianifdjen ßbangelienb.armonie, meiere er im
3. 1706 in ©reifiroalb im Srucf Verausgab. 3n feiner meltmännifd)en 23it=
bung, ebenfo mie in feinen Ijiftorifdjen unb prjilologifdjen Äenntniffen burd)
biefe «Reifen gerörbert, teerte er im $. 1699 in bie ßeimatf) äUTüd unb empfing
jugieid) bie $roMfur für ©efd)id)te an ber ©rensmatber Unioerfität. Tiad)bem
er öon 1694—1701 in fortgefe^tem Sriermedifel mit Dr. 3- &■ ^caper ge=
ftanben ijattt , erhielt er im $. 1701 biefen berborragenben S^eologen ali
Slmtigenoffen, unb baburd) nid)t nur ©etegenljeit, beffen umfangreidje F3ibtiolt)ef
^u benu^en, fonbern aud) fid) mit biefem öielfettigeu ©eterjrten ju titterarifd)en
Unternerjmungen ju bereinigen. 3U biefen gehörte il7"4i bie ©rünbung einer
geteerten ©efellfdjaft , beren 2b,ätigfeit jebod), anfdjeinenb unter bem (linflufj
ber pietiftifdien Streitigteiten unb ber brotjenben Äriegigefab^r halb mieber er=
tofd). dagegen t)atte $. bai ©lud, burd) ben Otegierungiratf) «JJlagnui b- 2ager=
ftröm bie Mittel ^ur Verausgabe ber ermahnten gDangelienljarmonie au er=
langen. (Seine übrige 2f)ätigfeit mar ämifdjen feinen 3}ortefungen, ber |)eraui=
gäbe fleinerer Schriften unb eifrigen ^ifiorifcf)en Stubien in ben pommerfcfjen
Slrdjiben geseilt. 33on biefen betreffen bie beiben erften 9lid)tungen feinei
flöirfeni 5tatur= unb Staatiredjt, allgemeine unb beutfcfje ©efdjidjte, fomie bie
6d)riften bei öugo ©rotiui; obroob^l er in ber fßorrebe 3um 2atian ali ^roeci
ber ^erauigabe jener altl)od)beutfd)en Ueberfefeung u. 21. fjeröorb.ebt, bie damalige
©pradje äu berebeln unb bon gi'etnbmörtern ju befreien, fo bebiente er fid) felbft
bennod) in feinen eigenen SBerfen ber tateinifdjen Spradje. Seine b^iftorifdien
112 «?•
©tubien in ben öoutmerfctjen Strdjiöen fammelte er in mehreren Urfunben* unb
Dtegeftenbüdjern, metcfje jum Xfjeil in ben ^tbltottjefen öon GJreiföioalb, ©tral=
funb unb $utbu§ erhalten finb- IJflit regelmäßiger ^anbfcr)tift forgfältig au£=
geführt, unb genau ben Originalen entfpredjenb , gelten fie mit 9£edjt at§
'DOtuftermerfe für bie Dladjraelt. 3um üDrutf gelangte märjreub feine§ £eben§ nur
bie öon itjm au§ jenem Urfunbenfctjatje entnommene ®efd)id)te ber ©reifämalber
Otifolaibomfirdje, 1704, fpäter audj (1756) eine 9tebe über ba§ Softer (Slbena.
gr ftarb im blüljenben Alter öon 37 3at)ren am 26. 9Jtat 1710; fein Portrait,
im 33efit$ ber Uniöerfität, ift burctj geiftöoüe 3üge unb lebenbigen Auäbrud
bemerfen§mertt).
ßtjarifiuS u. SMnnieä , stemmata Sund. , tuo bie 23ermanbtfcr)aft mit
©am. *Pufenborf unb bem granffurter fünften ^adjariaä s$altr)en ermähnt
ift. — ^ofegarten, cod. Pom. dipL 93orr. p. XLIII; (Sefdj. b. Uniö. I, 281.
— £öfer, S5ie beutjdje ^tjilologie, Uniö. geftrebe, 1856—57, ©. 25, 2tnm. 8,
Wo al§ ©eburt8jat)r, ftatt 1662, ba§ 3at>r 1672 au benötigen ift. — Aug.
23altr)afar, ö. b. ßanbeggeridjten ©. 223. — Rituale Academieum, p. 465. —
93iebevftcbt , 9tadjr. ö. sJteuöoröommerfd)en ©elefjrten , @inl. ©. IX. —
©oebcfe, ©runbr. a- ®efd). b. $eutfd)en 2>id)tung, 2. Aufl. ©. 19. — Gin
33eraeid)nifj öon *paltr)en'& ©djriften finbet fid) in 3öcf)et'3 (Seletjvten'ßejifon
unb 5)ät)nert'3 Katalog ber Uniö.=33ibl. ; ein Abbrud ber ßöangelienrjarmonie
in ©dnlter'ä thesaurus II, t). ö. ©djera; feine Ur£.= u. 9teg.=©amml. finb
ermähnt Sp^l, (Sefdj. b. ftl. (Slbena, ©. 551; feine Briefe, im Original a.
b. Uniö. =S5ibl. , finb aum 2t)eil abgebr. bei 2)ät)nert, 5ßom. S3ibl. II,
©. 447—458. ty\)l
faliy. 3o$ann ö. 5ß., Auguftiner, f am 13, 2R&ta 1511 au M^eim.
©ein Familienname toQi: 8enfwJ ü- $a^ nannte er fid) nacb feinem (5)eburts=
orte ißaltj ober fßalena im Xrierifdjen (nad) anberen mar er ein ©dnuabe). Ni-
trat au drfurt in ben Orben ber Auguftiner=(Sremiten, mürbe bort 1483 3)octor
ber Xfjcologie unb letjrte bort aud) mit Unterbrechungen im Älofter, öieÜeid)t
aud) an ber Uniöerfität. 6r mar ein ©erjülfe be§ (BcneralöicarS ber (refor=
mixten) fäctjfifdjen Kongregation feine§ Drbenö, AnbveaS $role§, bei ber S)urcr)=
füfjrung unb Ausbreitung ber ftrengeren Obferöana unb miifte in biefem ©inne
1475 (als «ßtior) in taftabt, 1491 in £eraberg, 1499 in 9Mf)tt)eim (£t)al=
(äfjrenbreitftein), 1505 in ©ternberg in 9Cßedlenburg. 1490 rourbe er öon bem
Öäpftlidjen ßegaten, 9tat)munb ^arjraubuS, ^ifdjof öon (Surf (füäter (Sarbinal)
beauftragt, ba§ öon Atejanber VI. anSgefdjriebene Jubiläum (aur SBeftreitung
ber Soften be$ Xürfenfrtegeä) au öerlünbigen, unb mirfte nun alä Ablaßprebiger
in ©adjfen unb bem nörblid)en SSölpnen. 1502 prebigte er ein atoeiteS 3ubi=
läum. Sßon 1507 an lebte er in bem JHofter au 9Jtüt)lt)eim. Unter 3ugruube=
legung feiner $ubitäum§örebigten fdjrieb er „SDie Ijimmlifcfje gfunbgrube", mit
einer Söibmung an ben Äurfürften fjfriebrtd) unb ben <^eraog 3fol)ann öon
©ad)fen, juerft 1490 au ßrfurt gebrudt. @ine bebeutenb ermeiterte lateinifdje
9lu§gabe beS 3Berfe§ öeröffentlicfjte er mit einer SBibmung an ben ©rabifdjof
öon $ötn, ^ermann ßanbgrafen öon Reffen, au (Jrfurt 1502 unter bem Xitel:
„Coelifodina absconditos scripturae thesauros pandens", baau ein „Supple-
mentum Coelifodinae", ©rfurt 1504 (in biefem ttjeilt er auc| awei «ßrebigten
öon 2lnbreai $role§ unb fleine 5lbfjanbtungen bed 2luguftiner§ ^oliann öon
S)orften über bie Reliquie öom SBlute 6f)rifti au ©otlja unb über ben Abtafj
mit; ber öoHftänbige Xitel rjeißt: „Supplementum de exercitibus infernalibus
ipsas sacratissimas indulgentias impugnantibus et de modo expugnandi eos
per bumbardas de turri Davidica emittendas). 2lHe brei äöerfe finb bi§ aum
^afjre 1517 hneberfjott (au Erfurt, ßeiöaig, 2lug§burg unb ©trafjburg) gebrudt
^atubamtä — ^amelmS. 113
toorben. £>ie beiben lateinifcfjen finb intereffant, toeil fte eine auäjüfrriicfie S)ar=
ftettung bei ganzen 8et)te öom SIblafj enthalten , toie fte in ben letjten 3af)r=
je^nten öor 2utf)er§ Sluitreten öon ftreng firdt)XicC)en Geologen öorgetragen
rourbe (f. 9lu§3üge bei $app, eine jufammenrjängenbe Slnatöje bei $otbe unb
ißratfe, f. u.). ©ebructt ift öon *ß. aufjerbem „De septem foribus seu festis
gloriosae Virginis" 1491, öieHeidjt aucb, „Hortulus aroraaticus gloriosae Vir-
ginis", nic^t gebrutft eine f leine 2lbb,anblung „De conceptione sive praeser-
vatione a peccato original! S. Dei genetricis Virginis Mariae". — ty. ift oft
öettoecfjfett toorben mit einem gteid^ettigen Sodann (©etljinf öon) ^alij Oßat§,
SBalcj), bex bem Drben ber 2luguftiner = (Sljorljjerrcn (Canonici reguläres S. Au-
gustini) angehörte, Doctor decretorum, feit 1504 ^ßropfi be§ $lofter§ pm
neuen Söerfe (in opere novo) bei feilte, aud) 2Ird)ibiafonu§ bei Söe^txfö £)aHe
unb bei ben @r}biftf}öfen öon 9Jcagbeburg, @rnft öon ©ad)fen (f 1613) unb
2Ubert öon 33ranbenbutg fetjr angefetjen mar; er fcfjlofj ftd) 1524 8utf)er an
(Menden, Scriptores II, 1519).
3. ßtjr. S)rel)b,aupt , Pagus Neletici . . . SMdjreibung be§ ©aalfreife§,
1749, I, 704. — 3. @. ßapp, 9lad)lefe jur gtef.=@efd> IV, 424. — (2Better)
2Ute§ au§ aüen Stjeilen ber @efd)id)te, 1762, I, 290. — Offinger, Bibliotheca
Augustiniana , 1768, ©. 652. — 2b,. $olbe, S)ie beutfdje 2luguftiner=
Kongregation, 1879, ©. 174 u. f. — @- Tratte, 8utb,er§ 95 Sbjejen unb
itjre bogmenrjiftor. 5ßorau§fe£ungen , 1884, ©. 53 ff., 111 ff. 2>ie 2lu§gaben
ber fyunbgrube unb ber Coelifodina bei ^anjer, Sßclter u. $olbe, ©. 181.
fteufdj.
s^Qlubanuö: ^orjann »p. rjeifjt ber SJctfaffer öon Sßerfen (Meinten), in
roeidjen ber 3}nb>tt jebe§ dapitelä ber Sibet fuq angegeben ift unb weldje-
unter bem £itet: „steine Sibel" ju Tübingen 1589 in Octaö erfdjienen. SDer
Sßerfaffer mirb ibentifd] fein mit bem nieberlanbifdjen ©djutmann unb S)id)ter,
ben $öd)er anführt, ber im 16. ^ab,rr)unbert in ©ent, 2)ornid unb 9Jtons als
Sedier toirfte. §at er audj, mie 9totermunb meint, einen öon llffenbacb, an=
geführten SSrief eine§ ^oljanneä ^alubanu§ an £)einricb, ©mettul gefebrieben,
fo müfjte er im $. 1605 in Söittenberg getoefen fein.
kodier III, ©p. 1212. — ftotermunb jum J9fö$er V, ©p. 1465. —
©oebefe, ©runbrit 2. SlufL, II, ©. 171. t. u.
^ameltUÖ : Sacob $., fattjol. £b>otog im 16. Mrtmnbert, mad)te fidj als
©etefjrter einen tarnen, befonber§ burdj mehrere patriftifdje arbeiten. <£r
ftammte au§ bem abtigen ©efd)Ied)te ber Sarone öon Gamete unb toarb 1536
3U S3rügge geboren. SSorgebilbet im SiftercienferKofter ju ftamur, ftubirte
er neun 3ab^re s$fjitofoölJ)ie unb Sttjeologte au Sömen unter Sftuarbuä Sapper
unb ^obocuS 9taöeftein; befugte aui^ bie Sortefungen ber Sorbonne ju ^art§
unb noeb, öerfeftiebene llniöerfttäten. 5T:ad^ Sötoen jurürfgefeb^rt , toarb er tjier
Sicentiat ber £b>otogie unb 1561 (Janonifer an ber ©t. 5Donatian§iircb> ^u
33rügge, toie aurf) na^b^er an ©t. ©ubula 3U Sßrüffel unb ©t. Sodann au
|>erjogenbufci). «Ulit befonberer Vorliebe pflegte er ba§ ©tubium ber $irdjen=
öäter unb öradjte attmäb^Iic^ eine bebeutenbe Sln^aljt patriftifdjer ^anbfe^riften
äufammen, beren er mehrere mit gelehrten 3cotiäen unb fritifdjen SInmetfungen
bereichert, b^eraulgab. S)at)er toarb er für fpätere gorfc^er, toie föega, le 5Jrieur,
Sombect unb ftett ein tüchtiger ^üb^rer auf bem bi§b>r toenig bearbeiteten
^etbe ber ^atriftif. S3efonber§ bearbeitete er bie ©crjriften Jertutttanä unb
@üpxian§, toel($e er au§ neu entbeetten ^anbfeb^riiten Verausgab. ®er ©ieg ber
9teformation 3u Srügge trieb irjn nacb^ ©t. Cmer, too er balb eine ©teile als
StEgem. beutf^e SBlograptiie. XXV. 8
114 5)Säminget.
2trct)tbiacon erhielt. $ura nadjljer ernannte s#bilipp IL tijn jum Sßropft Don
©t. ©alDator au Utrecht unb 1587 autn 33ifcr)of Don ©t. Omer. @r ftarb
aber fctjon felbigen ^ar}re§ norf) Dor antritt biefe§ Slmteä au ^Bergen im
«g>ennegau. SDie Dornebmften unter feinen sa^treid^en <&d^xiften finb jolgenbe:
„Liturgica Latinorum", Colon. 1571 unb 1609. 2 tom. 4°.; „Relatio ad
Belgii ordines de non admittendis una in republica diversarum religio num
exercitiis", Antv. 1589; „Micrologus.de ecclesiasticis observationibus", Antv.
1589; „Cassiodori divinae lectiones", Antv.; „Catalogus commentariorum
veterura selectorum in universa biblia", Antv.; „Cypriani opera omnia",
Antv. 1568, 1589. Paris 1574 foL; „Tertulliani opera", Paris 1590 fol.;
„Vita Tertulliani et adnot. ad opera ejus", Paris 1635 fol.; „Conciliorura
paraliporaena" ; „Rabbani opera", Colon. 1626; „Commentarii Pamela in libro
Juditb" ; „Commentarii in epist. ad Philemonem" ; „Liturgica Graecorum" ;
„De Graecae ac Latinae ecclesiarum in missae sacrificio concordia".
2)iefe brei testen ©Triften finb niemals im 5Drutf erfdjienen.
SBaroniuS , Annal. eccles. Saec. II. — £$foppenä, Bibl. Belgica I.
p. 532 533, roo audj fein 33ilbnifj au finben ift. — ©aje, Onomasticon III,
p. 438. - Dan &euffen u. Dan Dbrm, Oudh. v. Utrecht, I. 331. 200, 201.
— Dan ber 2la, Biogr. Woordenb. Dan ©tee.
v^änttugcr: Seonbarb ty., tateinifcrj Paminger, fonft auch SB am»
minger, ^arning unb fogar *J3 annig er genannt, rourbe am ©onntag
Sätare (ben 29. 9Jtära) 1495 3U ^Ifd^ad^ (Slfchau) an ber 2>onau (awifcben
^Jaffau unb Sina) geboren, mo fein Söater 2lnbrea8 5ß. Senator mar. @r aog
im %. 1513 au feiner Weiteren 2Iu§bilbung nacfj 2öien unb bat bann Dom @nbe
be§ 3>abre§ 1516 an in ^affau gelebt, «gjicr Dettoaltete er ein ©djulamt unb
batte babei toabrfcheinücl) eine ©cbreiberftelle ober bgl. (totius vitae curriculum
in functione Scholastica et Tabellionatus officio .... trivit); bei feinem £obe
toirb er ©ecretär au ©t. Nicolai (ad D. Nicolaum Secretarius) genannt. $. mar
aroeimal Derbeiratbet ; auS feiner erften @be überlebten ibn atoei ©öbne, ©opbo=
niaS (f. u.) unb ©igiSmunb (t 1571). "Otadt) breüoöcbentticber $ranfbeit ftarb
er am 3. 9Jtai 1567 in feinem 73. SebenSjabre. fy. fcheint fich früh, ber
Deformation angefcfjtoffen unb bann fein Seben in fteten kämpfen für biefelbe
augebradjt au baben. 9Jttt ßutber, 9Mand)tljon , Süett 2)ietricrj unb anbcren
Männern ber Deformation bat er nacb bem ^eugniffe feines ©obne§ in S3vtcf=
toedjfel geftanben; ali Siebter geifttidjer Siebet unb Dor altem als tücbtiger
Jonfefeer ift er bann in weiteren Greifen, namenttidj nacb feinem £obe, befannt
gerooroen. 3u feinen Sebaeiten frfjeint aufjer einer Detbe 4= unb mebrftintmiger
©ätje über beutfdje unb lateinische geifttiebe Sieber in ben ©ammetroerfen Don
Ott (1537. 1544), ^etrejuä (1538. 1542), ©cbmel^et (1544), ^ontanu§ unb
9teuber (1553. 1559) unb gorfter (1559) roenig Don ibm gebrückt au fein; bei
einem Siebe, ba§ etwa im 3>- 1540 au 9Iug§burg gebrueft ift, unb ba£ äöaefer*
naget (^Bibliographie ©. 169, Äird&enlieb IV, ©. 93), ibm auftreibt, „§ier
ruf icb in bem ©taub ber @rb", bleibt eS bod) fraglid), ob bie Initialen S. $.
auf unfern $. au beaieben finb. dagegen baben nad) feinem £obe feine ©öbne,
befonberS ber ältere, ber feinen 33ruber überlebte, DieteS auS feinem Otadjtafj
bruefen taffen. Schon im ütobeSjabre be§ 2)ater§ gaben fie mehrere ©cbrtften
Don ibm beraul, u. a. einen SBerictjt über bie ^rrttjümer, bie in ber Sebre Dom
SIbenbmat eingeriffen, ferner ein ©efpräd) eines ßbriften mit einem 2öieber=
täufer (in Üteimen) u. f. f. ; in ber Sorrebe au ber tefetgenannten ©djrift f agen
fie, bafe fie im sftadjtafj ibreS SßaterS acl)t SSänbe lateinifcrjer unb beutfetjer
auSerlefener guter unb geifttieber (Befänge mit 4, 5, 6 unb mebr ©timmen Don
späntmger. 115
itjm fetbft componirt (für feine contrapunctijdje Äunft jeugt ein -0 profundi-
tatem" ju 16 (Stimmen mit bem „Deo gratias" ju 36 Stimmen, gebrucft in ben
Cantiones triginta sei . . . per dementem Stephani Buchaviensem , Nürnberg
b. Utr. 9teuber 1568), aufjerbem breijefm ober öierjefjn geifttidje unb roetttictje
Gomöbien (es finb Ueberfetmngen bon 5ßtautu!, Jerenj, 9Jtacropebiu! u. a.)
gefunben rjätten, bafj aber bie £>erau!gabe biefer Söerfe itjr Vermögen überftiege.
9tacb, %at)xen rjaben fie bodj noct) mandje! brucfen laffen; fo erfdjienen bor allem
feine ..Cantiones ecclesiasticae" für 4 bi! 6 Stimmen in 4 Reiten, Nürnberg
1573 — 1580, fobann im 3- 1587 ebenba „Poematum libri duo" unb einige!
anbere. hingegen ift eine al! „33ibe(roerf" bezeichnete größere 2trbcit, bie
fdjon Seontjarb ty. b,erau!geben rootlte , unb um beren Srudtegung ftdj bann
fein Sotm 2op§onia! oielfad) bemühte, nie erfcfcjienen, obfctjon ber Srucf, roie
e! fctjeint, fdjon begonnen blatte ; e! roirb fid) fdjroerticb, nod) au!mad)cn (äffen,
roetdjer 3lrt biefe! 2öer! getoefen ift.
äBalttjer , 9Jtufifalifdje! Serjcon , S. 460. — Stjeoprjüi Sinceri neue
Sammlung bon lauter alten unb raren 23üdjera, 1733, S. 336 ff. —
Sunfet, fuftoiifcb/critifd)e 9tad}rid)ten, I (1753), S. 693. — ©erber, Scricon
ber Honfünftter II (1792), S. 74. — 9totermunb jum 3föd)er V, Sp. 1472.
— Äobolt, Gürgänjungen jutn 23aierifd)en ©etet)rten=8eriton, 1824, S. 222 f.
— SBacfernaget, ^Bibliographie, S. 169. — Serfetbe, Sa! beutfctje Äirdjen*
lieb, I, S. 471— 473; IV, S. 93 f. — ©oebefe, ©runbrifj , 2. Stuft.,
S. 185, (111 u. 295 f.). — (Saecilia, 3eitfd)r. (b. Sefm) 26. 23b. S. 199.
— 2lmbro! III, 395. — ßitner, 23ibtiogr. ber 9Jtufiffamme(toerfe, 1877,
S. 771 t. I. u-
^ämtnger: Soptjonia! ty., aud) 5paminger unb ^eminger, Sorjn
be! Vorigen, rourbe am 5. gebruar 1526 ,ju ^ßaffau geboren, befudjte bie
ßorenjfdjute ju Nürnberg unb bejog baraui bie Uniberfität SBittenberg, roo er
im Suni 1545 infcribirt mürbe. 23om ^ar)re 1549 an mar er 2er)rer an ber
9Mcotaifd)uIe feiner 23aterftabt, mufjte bann aber im $. 1559, at! eine 23er=
folgung über bie ©bangelifcfjen in $affau ausbrach , nad) Straubing fiüctjten,
bon roo er im $. 1562 nacrj 9tegen!burg 50g. 6r tjat bann noct) oTtmal!
feinen Stufenttjalt roedjfetn muffen unb in mehreren Stäbten ein Sdjutamt ge=
tjabt ober bom $ribatunterrict)t gelebt. Sic (etjten %afyxe feine! Seben! ber=
brachte er in Nürnberg, roo er im $uti 1603 ftarb. Safj er berfdjiebene
Söerfe feine! 23ater! ljerau!gegeben tjat, ift fdjon im borigen 2lrtifel ermähnt;
al! Sdjrirtftetter ift er be!b,atb mefjrmcr) mit feinem 95atcr berroedjfelt. Qx
fetbft l)at fid) bor allem al! Sdjulmann au!gejeid)net ; in einer Sdjriit über
bie (Stnrictjtung gelehrter Sdmlen („Reformatio et constitutio sive ordinatio
scholae latinae", Ratisbonae 1576) tmt er feine päbagogtfdjen 2lnfid)ten ausge=
fprodjen. 2lufjerbem tjat er bor allem aud) eigne tateimfctje ^3oefien, jum 2f)eit
©elegenb,eit!gebicr}te, beröffenttidjt. 3(U Seontjarb ^äminger'! Ecclesiasticae
cantiones finben fict) aud) dompofitionen feiner brei Söb^ne Saltr)afar, Sigi!=
munb unb Soptjonia!. S)e! tefeteren Scrjroiegerfotjn mar ber @eneralfuper=
intenbent in Dettingen, 6berb,arb ^»ennfctjmibt (3Jorar)rc bon 3ot). San. $.,
f. 21. S. 33. XII, 221).
goerftemann, Album academiae Vitebergensis , p. 224. — Sunfel,
b,iftortfd)=critifd)e ^adjrtdjten I, S. 693 ff. — 3öd)er UI , Sp. 1214. -
9totermunb jum ^öd)er V, Sp. 1472 ff. — Historia bibliothecae Fabri-
cianae. pars V. p. 287 sq. — Gritner, 33ibliogr. b. 9Jtufiffammetro. S. 770 ff.
1. u.
116 Sßanctatiu*.
^OncrattUÖ: s)Jtid)ael $., 2)octor beiber gierte, f al§ 33ifdjof ber eöan=
gelifdjen Äirdje 21. 58. in Siebenbürgen unb Starrer in 58irtt)älm am 11. $u(i 1690.
S)ie fädjfifdie Nation in Siebenbürgen, bie itjren ftebenrjunbertjäljrigen öolfätrjfim^
lid)en 5Beftanb ju einem großen üLljeil intern, felbft in ber 3eit, ba bai Sanb unter
türfifcfjer Obertjcxrltc^feit ftanb, nie unterbrochenen innigen geiftigen 3ufammen=
Ijang mit bem beutfdjen 9)tutterlanb öerbanft, Ijat fid) ju aller 3«t einer füllen,
menn aud) an 3^ nidjt feljr großen, bocr) in einzelnen *ßerfönlid)feiten mieber=
Ijolt feljr bebeutfamen (Jinmanberung au§ S)eutfd)lanb du erfreuen gehabt. 5)lud)
^5. gehört einem folgen |>aufe an. ©ein ©rofjöater, ©eorg $., entftammte
einer abeligen gamitie in Defierreid), mar am Anfang be§ 17. $arjrt)unbert3
mit ben üEruööen beä faiferlidjen ©eneral§ 58afta nad) «Siebenbürgen gefommen
unb nad) bem Slbjug biefer Ijiet äurürfgeblieben. %n 9Mt)lbad), im ©adjjentanb
fanb er eine neue .^eimatr). Sein ©ofm 9Jlartin ^ß. mürbe 1637 Pfarrer in
Delling unb Ijinterliefj bei {einem Stöbe (1644) 9Jtid)aet 5ß. (geb. am 28. ©ep=
tember 1631) al§ breiactmiäljrigen Knaben. 2)iefen natjm bie ©djute Don
Jpeltau in itjre Pflege, au§ ber er 1648 nad) ^laufenburg, 1649 nad) ^ßrejjburg,
1650 nad) STtyrnau ging. 5ßon 1652 an t)at er SBien, Nürnberg, äöittenberg
befud)t; eine längere Üteife füt)rte itjn föäter ju aetjn roeitern ^)od)fd)ulen; 1659
begleitete er öon Hamburg jmei Söljne beö föitterg $o<id)im ö. 33rodborj auf
bie Uniöerfität Stoftod, promoüirte Ijier 1661 jum 2)octor beiber 5)led)te unb
tjielt SSorlefungen über ©efdjidjte unb Sfttjetorif. 2)a riefen itjn 1667 bie eöan--
getifdjen ©täube öon Dberungarn an bai neu gegrünbete ©rjmnafium öon (SüerieS,
beffen (Jrbauung ber ©raner ©rjbifdjof ©eorg Saeleptfdjenrj ntdjt tjatte rjinbern
fönnen. 2lm 18. October tjielt üp. Ijier eine ber (Jröffnungäreben unb tetjrte
in ber Solge öraftifcrje s$Ijilofoöt)ie , bie 5Jted)te, ©eograpljie unb ©efdjidjte.
©d)on im fotgenben $at)r folgte er bem 9tuf in ba§ ^ermannftäbter 9tectorat,
in ba§ er am 9. Januar 1669 feierlid) eingeführt mürbe. 9tadj anbertljalb
Sauren mürbe er gum Pfarrer öon 9teuborf, 1671 jum Stabtöfarrer öon sJJtebiafd)
gemärjtt; am 5. Oloöember 1686 ftetCte ir)n bie geiftlidje Stjnobe burd) bie Berufung
jjum „SBifdjof" — bie ©teile mar jugleid) mit ber Pfarre öon 58irtt)ätm öerbunben
— an bie ©pi^e ber eöaugelifdjcn Äirdje. S)a§ mar in bemfelben $atjr, al§ eben
ber erfte 2lct in ber orientalifdjen f^rage burd) bie ÜHMebereroberung £)fen§ auä
ber ©cmalt ber Surfen begonnen tjatte. 2)ie ©djmere ber 3eit, in ber Siebenbürgen
auä ber Sdjutjljerrtidjr'eit be§ ©ultan§ in bie be§ |)aufe§ Defteiretd) nun balb mit
rafdjen ©djritten überging, legte bem Sanb grojje Saften auf, bie am brüdenb=
ften auf bie fädjfifdje Nation unb itjre ®eiftlid)feit fielen. ©d)on im 9Jtai 1686
Ratten bie ©tänbe aud) auf ben ßteru§ be§ Sanbeg eine au^erorbenttid)e ©teuev
aufgefd)lagen, auf öen fattjolifdjen 100, ben unitarifdjen 600, ben rcformirten
1000, ben eöangelifdjen (fäd)fifd)en) 14 000 £t)ater. 2)a ä^nlidje gorberungen
fid) jäljrlid) mieber^olten, bro^te öielen fäd)fifd)en Pfarren bie ®efal)r ber 35er=
ööung; e§ ift ein SJerbienft öon ty., ber burd) gerechte Sßertrjeilung ber Saft biefe
ju erleidjtern fudjte, ba^ jene ben 9Jtutfj nid)t ganj öertoren unb ein nodj
grö^ereg, ba^ er burd) ein ernfteS, immer mieber auf ben ®runb ber alten £)rb=
nungen äurüdmeifenbe§ ^irdjenrcgiment, ben fittlidjen ©eift innerhalb ber Äird)e
ftreng aufred)t ^u Ratten fudjte unb ben centrifugaten Gräften, bie bei ber 9lott)
beg 2age§ in ber SBereinaelung unb in ber ßoderung ber fird)enregimentüd)en
@in§eit ba§ «^eil fud)ten, mit @rfolg SBiberftanb leiftete. Sßon bem Umfang
unb ber Stiefe feiner £ird)enred)tlid)en $enntniffe, auf roetdjen er hierbei fufjte,
zeugen bie Slcten feiner 2lmtgfüt)rung, bie, aud) cutturgefd)id)tlid) t)öd)ft tetjrreid),
in einem Sammelbanb erhalten finb, unb ba^u ein umfangreidjer Foliant, ber
nebft einigen Dciginalien eine fet)r gro^e 3al)t Slbfdjriften öon Urlunben, Söno=
balöerljanblungen unb merttjöotlften anbermeiten fird)enred)ttid)en Steten, grö§ten=
^anber. 117
ttjeils bon 5ß. faß&ft Sf fctjrieben, enthält, bie umfaffenbfte Sammlung bis 3U
biefet 3eit, beibe 33änbe mit bieten Studien, bie ftdj fonft nid^t erhalten fabelt
unb aucb, baburcb, ein nidjt fjoc^ genug ^u fcfcjätjenbes Quettenmerf jftt bas eban=
gelifcrj=fäcbfifcb,e £ird)enrecb,t Siebenbürgen^ bitbenb. Sias gefammte 9Jtaterial
mirb gegenmärtig in ber ^anbfcrjriftenabtljeüung bei 33ibliotr)ef ber ebangetifctjen
Sanbesfirctje 31. 33. in <g)ermannftabt aufbematjrt.
^otjann Seiberts ftadjridtjten bon Siebenbürgifdjen ®elet)rten. ^reßburg
1785. — 3- ©• Älein, ftacrjridjten bon ben Sebeniumftänben ebangetifct)er
sprebiger in Ungarn. Seibjig 1789, II, 337. — 3of. Sraufcb,, Sd)riftftelter=
lericon ber Siebenb. Seutfcfjen. 33b. III. ßronftabt 1871. — ©. ®. Seutfcfj,
Sie 33ifdE)öfe ber ebang. Sanbesfirdje 31. 33. in Siebenbürgen in: Statiftifcrjes
^arjrbucb, ber ebang. Sanbesfircrje. 31. 33. in Siebenb. 1. ^a^rgang. Hermann*
[tabt 1863. @. ©. Seutfcf).
^anber: ^einrieb, Grjrifiian ö. % mürbe am 12 24. ^uli 1794 in
9iiga geboren al§ ber Sorjn eine§ gearteten unb motjtrjabenben 33anquiers.
9cact)bem er eine fetjr forgfältige (Srjtetjung ertjaltcn unb ta% ©tymnajtum feiner
3)aterftabt abfolbirt tjatte, be^og er im jmeiten Jpalbjar)r 1812 bie Uniberfität
ju Sorpat um ^Rebicin 3U ftubiren; allein bereits 1814 berließ er Sorpat unb
jefete feine Stubien in 33ertin, bann in (Söttingen fort. Cbgleid) fein 23ater es
münfctjte, baß er praftifctjer 3lrjt toerben foHie, fo ergab er fidj bennocb, gan}
bem Stubium ber ^aturmiffenfdjaften. infolge eines it)m angebornen 33ebür«
niffes nacf) ©rünbltctjf'eit bertiefte er fidj ganj in bie 3}orbereitungsroiffenfcl)aften,
fammelte fidj mannigfache Äenntniffe in berfdji ebenen ^^"Ö^ ber 9taturmiffen=
fcfcjaften, unb ließ fctjließlicrj bie ^ebicin bei Seite liegen, ^m Wlätft 1816, traten
einige, bamals in 2)eutfd)lanb ftubirenbe Öiö=, (Sft= unb-fturlänber ju einem Gongreß
in $ena jufammen; tjier trafen fidf> $. unb £. 6. b. 33aer, bie ftcrj bon irjrer
Stubenten-jeit in SJorpat tjer noeb, fannten unb bier tourbe $. bureb, bie DJcit*
Teilungen 33aers über SBürjburg unb über SöHingeri anregenbe unb erfolgreiche
Unterrict)t§metr)obe beianlaßt, nadj) Söürjburg ju getjen. %m Spätfrürjling 1816
fam 5ß. nacrj SBürjburg unb begann tjier auf üDötlingers 3lnregung bie benf*
mürbigen Unterfuäjungen über bie (Sntmicfelung bes .gmrjncfjens im 6i, melcrje
bie 33at)n für eine lange Dteitje fpäterer gorfdjungen bilbeten. S)öttinger fjatte
bas 33erbienft ber 3lnregung unb Seitung bes ganjen Unternehmens, *p. bas ber
grünblictjen, unermübücr;en Surcrjmb.rung unb b'3llton lieferte auf $anber;s
Soften bie fünftlerifct) ausgeT'ütjrten Äupiertafeln. Sie in großartigem 5Jiaßftabe
angefteüten Untcrfucljungen mürben juerft in ber SJoctorbiffertation ^ßanbers „His-
toria metamorphoseos quam ovum ineubatum prioribus quinque diebus subit" (Wir-
ceburgi 1819) unb bann in einer befonbern 3lrbeit „33eiträge ^ur (Jntmicfelung
bes .^>ül)ncr)ens im Gt" äöüräburg 1817 beröffentlictjt. Siefe beiben 3tbt)anb=
lungen ^anbers gaben nicf)t nur eine genauere ©efcrjidtjtc ber erften ©ntmirfelung
bes ^übnetjens , als man fie bist)er befaß, fte finb auet) baburcr) bor 3lHem bon
großer 2ragroeite, weil r)ier bie urfprünglictjen, bon 3Bolff geatjnten $rimitibor=
gane, melctje ber 93ilbung ber Drganftjfteme 3U ©runbe liegen, burdj 33eobact)tung
naebgemiefen merben. 5cact) ber SInficfjt ÄöUiter's l)at bie ©ntmicfelungsgefdjidtjte
burcr) ¥• einen folctjen {yortfcfjrttt gemaerjt, baß man unbebingt bie ganje neuere
entroicfelungsgefdtjicbte bon ir)m an batiren mürbe, menn nidjt aus ^anbefs
eignen 3Borten rjinreictjenb ^Qt märe, ta% er bon 3Bolff ausging, ty. ift be=
rüt)mt gemorben buretj feine 2r)eorie ber 3ufammenie^unS btZ Söirbefttjierfeimes
aus blattförmigen Scrjidjten unb biefe £f)eorie ift bereits bei 3Bolff beftimmt
angebeutet. $. mar ber erfte, ber bie großen ^been SSolff's an ber §anb ber
33eobact)tung als matjt erroies. Später trat bann $. @. 33aer in ber glänjenbften
iJBeife in bie Stapfen Söolff's unb ^anber's. 9cacc) 31bfcb,luß ber SBüraburger
118 5ßanbet.
Unterfuctjungen macfjte 5ß. in Begleitung b'Sllton'S eine ffteife burct) .pottanb,
dnglanb, Fi'anrreicb, unb Spanien, borjügticl) um bie gröjjten anatomifcfjen
sIRufeen (Suropa'S ju ftubiren unb um ©eetrjiere an bei* 9JteereSfüfte au unter=
fudjen. 9IIS Ftuctjt biefex SRei|e eifcrjien: „baS gtiefenfaulttjier Bradypus gigan-
teus abgebitbet, betrieben unb mit berroanbten ©efcrjledjtern berglidjen bon
$. unb b'Sltton", 33onn 1821. tiefem äöerfe folgte in äfmtüfiet gfotm eine
Scfctjreibung ber ©fetette ber $adjt)bermen, ber 9taubtt)iere, äBieberfäuer, 9tage»
tf)iere unb (Sbenbaten in 12 Sieferungen, 23onn 1821—25. — ftadj Otufjlanb
aurüc*gefeb,rt, beseitigte fidt) ty. 1820 an ber ßjpebition nadj SBuctjara, meldte
unter bem 20. ©taatSratt) b. 9tegri unb ©eorg 23aron ^Jierjenborff ftanb. £u
ber 23efcrjreibung , meiere ^Jletjenbotff fbäter fjerauSgab (Voyage ä Boukhara,
Faris 1826, beutfef) öon ©djeibler 1826) lieferte *ß. einen Seitrag : „bie 9latur=
gefd)id)te ber 33uc£)arei". ftad) ber föttdttefjr mutbe $. am 20. Dctober 1821 2lb=
junet ber !. Slfabemie b. 2öiffenfcE>. au ©t. Petersburg, 1823 aufjerorbentlictjeS, am
15. Februar 1826 orbenttidjeS 93citglieb für gootogie. £>iir begann er baS
aoologifcrje ßabinet ju orbnen, bie einzelnen ©egenftänbe fbftematifd) ju befiimmen;
baBei unterfudjte er mit ber größten 2luSbauer bie geotogifdjen Formationen
ber Umgegenb bon ©t. Petersburg unb bie foffilen Jtjierrefte in benfelben. ©o
mürbe er burcr) feine „Beiträge aur ©eognofie beS ruffifctjen 9teid)8" (©t. $eterS=
bürg 1830) ber 23egtünber ber ßenntnifc ber Formation, melctje man jetjt bie
filurifdje nennt; ©trangmabS unb (Sidjmalb tjatten bereite einige Vorarbeiten
baju geliefert. $m %. 1827 gab ty. auS unbefannten ©rünben feine Stellung
bei ber Slfabemie auf unb jog auf fein bäterlictjeS Sanbgut garnifau bei 9Uga,
um tjier als Sanbmirtb, au leben. SlÜein baS naturtjiftotifclje ^ntereffe 30g itjn
bon ber Sanbtoirtrjfdjaft ah: ber ©anbboben SibtanbS enthält fetjr mannigfache
93rud)ftüc£e bon ©ctjilben unb 3^nen bormelttictjer £f)iere, beren 33eftimmung
fetjr fdjmierig mar, ba fict) gar feine ©Eetetttljeite auffinben liefen, ty. erfannte
auerft, bafj jene tiefte untergegangenen Sitten bon $norbetftfdjen angetjört tjaben
müfjten ; fonnte fiel) aber au einer ^ublication ni^t entfd£)lie^on, fo bafj 9Jlur=
cfjifon ifjm juborlam in ber ßtjarafteriftif biefer jetjt fogenannten £)ebonifct)en
Formation mit ü)ren gepanzerten Änorjjelfifctjen. ^m 3». 1842 50g 5ß. toieber
nad) ©t. Petersburg, um eine amtliche ©tettung beim 23ergroefen einjuner)meu.
<5r führte in ber Folge in Sibtanb, Sftlanb, in 3Jtittelru|lanb unb am Ural
mehrere geologifetje UnterfuctjungSreifen auS, beren -gjauptamed eS mar, ben baläon^
tologifdjen Gtjarafter ber alten Formationen genau fennen 3U lernen unb nacr)
ficfjerfter f^eftftettung be§ geologifcr)en ^orijontS, ben bie Kohlenlager SfJufjlanbö
einnelimen, biejenigen ^unlte 3U mätjlen, an benen 93erfuct)8baue auf ©teinlotjlen
anzulegen toären. $. gab auet) in prafttfcfjer ^inficfjt erfolgreiche Slufllärungen
über bie ©tieberung unb ben SBeftanb be§ uralifc|en ©teinfob^lengebiet§. ÜJ}. ftarb
in ©t. Petersburg am 10/22. ©etotember 1865. Sin littetarifdjen arbeiten finb
nodtj 3U ermähnen: „©eognofttfdEje llnterfucfjungen längs ber $eterSburg=^Jlo§!auer
gifenbarjnlinie unb in einigen Greifen ber (SoubernementS 2Blabimir unb Äaluga"
(au§ bem ftuffifdjen überf. in ©rmann'S Sirdjib für toiffenfd)aftt. Kunbe sJhif}s
lanbS. 93b. VI, 250—256) unb „lieber bie 9Köglid)feit, bie mitfliege ßol)len=
formation mit ©teinlo^le unter ben 5)3ermifcr)en ©ctjicliten, an bem Oftranbe be§-
«üttel^ufftfd3en SerglalfberfenS au finben" (grmann'S 2lrct)ib. 33b. XIX,
241—260) ; „9Jtonograbrjie ber foffilen Fifd)e be§ ©ilurifdtjen ©^ftemS ber ruffifcb,*
battifcr)en (BoubernementS, b. i. geognoftifetje 93efcl)reibung ber ruff.=batt. ©ou=
bernementS." ©t. Petersburg 1856. — 33ei bem 2obe ^ßanber'S fdjrieb fein
ehemaliger ©tubiengenoffe unb ^ugenbfreunb Ä- ®- b. 33aer über it)n: bie 2Biffen=
fcljaft bertor in itjrn einen 5Rann, ber ü)r bis p feinem legten 3ltl)emäuge fo
treu unb innig ergeben mar, mie eS nur fein: fetten bortommt. ©ie mar irjm
5ßanfratiug. 119
bie ©etie&te feinet -JperaenS. 5iie fonnte er firfj entfcfjtiefjen, bie SBtffenfc^aft ;}ur
23efferung bet eignen Stellung ju benutzen — bas mürbe ibjm als (jntrjeiligung
gefcf)ienen rjaben. SBielmecjt opferte er irjr mefjr atö er gefüllt blatte. Öetber
rjatte er nidjt einmal ben roenigftens Peräeitjticfjen, Pietteicrjt löblichen, iebenfaüS
mirffamen ßrjrgeij nacrj miffenfäjaftticrjem Sfturjm }u ftreben. Seiber — mufj man
jagen, benn bei feinen Dielfadjen $enntniffen unb feinem lebhaften ^ntereffe r)at
er manche Unterfudjungen längere 3eit öeriolgt, ofme bie 9tefultate 3U üer=
öffentlichen. ^c)m mar es nur um bie (Srfenntnifj felbft 51t tfmn unb ein
Sebürfnifj, bie begonnene Unterfuctjung unermübticfj fottjufe^en. 9lie aber fam
er in 23erfucr)ung p ergänzen unb p üerüoEftänbigen, mo anbere fcrjon ben
ßrunb gelegt Ratten; nur roas gan<j neu unb unöerftanben ober feljr lange
oernactjtäffigt mar, 30g ifjn unmibetftetjlicrj an. Ueberrjolte ifjn babei ein anbrer
unb braute bie ©actje jum ^Ibfcrjtufj, fo mar er ebenfo befriebigt, als ob er
felbft 3um Sibfccjtufj gefommen mäte. Ungeachtet biefer nic^t nur materiellen,
fonbern autfj moratifcrjen Uneigennütjigfeü f)at 5ß. bie ftaturmiffenfctjaften in
3mei perfcfjiebenen (Gebieten, in ber @ntmicfelungsgefdjicrjte ber 5tt)iere unb in ber
©eologie, fet)r roefentlicfj gejörbert.
9cecfe = 9capiersfö. III, S. 360. — Seife, II, 90. — Ütiga'fcfje 53iogra=
pb>n, III. 35b. S. 98—100. 9tiga 1884. S. Stieb a.
^ailfrattug: Slnbreas ty. (aud) ^angratius), lutb>rifcb>r £f)eoIog, 2ßre=
biger unb SrbauungefcrjriftfteHer bei XVI. ^arjrfmnberts. — $on feinem Seben
ift menig «Sicheres betannt. @r mürbe geboren 1529 (ober 1531) <ju SQßunfiebet
im 33ogtlanbe (jefet Ä. SSapern), ftubirte Permutfjlicf) in äöittenberg, mo er be=
fonbers an (Seorg 5Jtajor fict) angefcrjloffen ju rjaben fctjeint, mar ^uerft Siafonus
3u ^reffatt) in ber ^falj, bann $rebiger &u SImberg in ber Oberpfalj, mo er
bei ^Taljgraj Subroig, bem Sofme bes $urfürften griebridj III., in befonberer
(Sunft ftanb. 2lls aber ^viebxic^ 1566 in 9Jmberg erfctjien, um fjier ftatt bes
lutrjerifcfjen bas refornmte SSefenutnifj einzuführen ober roenigftens bie ßerjre unb
bie Zeremonien ber oberpfätjjifcfjen mit benjenigen ber rl)etnpjäl,$ifcfjen Äirdje in
(Sinflang ju bringen, fo mürbe M. Slnbreas •$., ber fcrjon auoor in -!peibelberg
3u mieberrjolten 9ttaten Oor bem .ßurmrften fein lutfjertfdjes 33efenntnif} mit @nt=
fdjiebenrjeit unb ©emanbttjeit üerttjeibigt blatte, uact) mehreren refultattofen
Disputationen mit bem tjeibetberger ^rofeffor Caspar OlePianus unb ben fur=
Türftlicfjen 9tätt)en, trotj ber bringenben üfürfpradje bes ^rinifiattfjalters Submig
unb bes ^faljgrajen Ülic^arb, feines 2Imtes entfetit (Cctober — December 1566).
@r ging nun al§ ^rcbiger, ©uperintenbent unb ^nfpector be§ ©^mnafiumS nad)
•§of im Söogtlanbe, mo er nidjt gan.^ 10 ^afyxt lang mit grofjem @ifer, 2reue
unb Erfolg mirfte unb am 27. September 1576 nactj furjer Jh-anffjeit ftarb,
balb nacb, ber üxücfferjr bon einem donbent in 2In§bad) (17. September), mo
über bie Goncorbienformel berljanbelt morben mar. (2)ie 2tnna§me üon 33ecf,
SrbauungSlitt. I, 327, bafe ty. 1581 jum ßeb^rer be§ 5pfal3grafen griebridt) be=
ruren fei unb erft 1584 ein Pfarramt in igo] übernommen rjabe, feb^eint auf
einer SSermecrjätung ju berur;en.) ty. galt bei feinen 3e^töenoffert a^ "n ebenfo
irommer mie gelehrter ^Dcann, oon ftrengfter lut^erif(f)er Üiec^tgläubigfeit, öon
r^eroorragenber tjomiletifdjer unb poetiferjer Begabung, Pon mufterb^after Sreue
in feinem geiftlicrjen Wirten» unb Seetforgerberuf. din ßanb§mann unb 2Imt§=
nacf)folger öon itjtn, Dr. ^ob^ann Streitberger Pon -g>of (t 1602 all ©enera(=
fuperintenbent Pon Sulmbac^) tü^mt itjn all ein ßidjt unb eine gierbe ber
^iretje, al§ einen unöergteiä)licfjen ^Jcann, ber bureb^ feine äöeisljeit, grömmigfeit
Seletjrfamfcit unb befonber§ burdj feine erfolgreicfie ©emeinbeleitung in 3etm=
jähriger 2Birffamfcit bie größten Sßerbienfte um bie Äircr^c ^u £>of fieb, ermorben.
Seine eigenen ^rebigten unb ^rebigtentmürfe, Pon benen mehrere Sammlungen
120 5ßanftatius.
gebrudt finb (j. 58. „Äatecrjismusbrebigten" in 5 ü£l)ei(en nacr) ber rfjetorifdjen
2)i«bofition ; „cfjrifttid^e 8eid)brebigten" in 4 Reiten, tjerausg. bon (lobomann
1592; neue Stusg. bon Sraubius 1608—10 in 2 feilen; „fünf>r)n ^rebigten
bon ber ^eftitena"; „Äur^e ßrftärung ber©onn= unb gefttagsebangelien"), ge=
tjören ^mar ifjvem ^ntjalte nad) nict)t gerabe ju ben bebeutenbften itjrer 3eit, ba
fte met)t einen troden lebhaften als erbaulidjen @r)arafter tragen (3ejfd)mit3
nennt iljn einen biateftifdtjen ^ormfünftter otjne redjte SQßeirje unb Äraft, einen
33orläufer ber ©djolaftif auf bem ©ebiet bes tut^crife^cn 5ßrebigtroefens). üDej'to
metjr aber ift er in formeller 23eateb,ung in ber ©ef<i)id)te ber .gmmitetif einflufj=
reid), ja gemiffermafjen ebodjemactjenb gemorben burdj bic ftrenge 3)urdjfürjrung
ber „trjematif(^=jt)ntt)etif(i)en" ober (roie fte gerabeju nactj feinem Flamen genannt
roorben ift) s#anfratianifd}en $rebtgtmetr)obe. (Sr tjat biefe jroar feinesmegs
erfunben, letjnt fid) toietmerjr an ältere Vorgänger, befonbers rote es fdjeint an
(SJeorg sXHajor in Wittenberg an; aber er tjat jene ^Jlettjobe nid)t blos in feinen
eigenen btelgetefenen unb merjrfad) aufgelegten ^rebigtbücrjern burcrjgefürjrt,
fonbern aud) in einem eigenen ßerjrbudj ber .gjomitetit fie ttjeoretifd) ju begrünben
berfudjt u. b. 2: „Methodus concionaudi, monstrans verarn et necessariam artis
rhetoricae in ecclesia usum et docens omnes s. conciones ad praeeepta ejus
ita aecommodare et disponere, ut labore docentium minore, fruetu vero audito-
rum majore publice proponi possint. Cum praef. G. Majoris." Wittenberg
1571. 8°; denuo rec. 1594. 8°. 9Jtag es aueb, jroeifelrjaft fein, ob biefe fd)ul=
mäßige 2Iusgeftaltung ber Jpomiletif als 50l'tfd}ritt ober als 9tüdfct)ritt in ber
©efdjicrjte ber d)riftticr)en s.])rebigt ju betrauten ift, {ebenfalls jeigt fdmn obiger
Stiel, bafe es bes 23erfaffers ernfte 2Jbficr)t mar, burd) feine trjeotetifdje Anroeifung
roie burdj bie bon irjm herausgegebenen ^rebigten unb ^Srebigtbifbofitionen
(•j. 23. „Sylva thematum ect." Söittenberg unb granffurt) ber ©emeinbe fomol
als ben s43rebigetn ju bienen. Unb benfetben 3^^^ berfolgt ty. and) mit bem=
jenigen feiner SBerfe, bas in mieberrjolten, jum SLfjeit umgearbeiteten unb ber=
metjrten Ausgaben feinen sJtamcn iarjtrmnbertelang im ©ebädjtniffe ber *Prebiger
unb ©emeinben, menigftens bes lutrjerifcrjen ^an^entanbe§, erhalten t)at, — mit
feinem ,,.£mus= unb Äirdjenbudj ober furjen ©ummarten unb ©ebettein über
bie @onntags= unb fjefttag^eptfteln unb (Sbangelien, fotool für d»riftlid)e .gmusbäter
als für ©eiftlicfye" £of 1572. «Nürnberg 1574. 91. tteue bermef)rte 3tufl. Würn=
berg 1613. 62; le^te Ausgabe 1771 (bgl. über biefes 2Berf unb feine berfd)ie=
benen ausgaben äBatbau, 9Jlebicu§, 33ed a. a. £).). Urfprünglicr) nur für ba*
crjriftlicrje <g>aus beftimmt als Anleitung für .gmusbäter, itjre ^inber unb ^>au§=
genoffen mit bem SBorte ©otteö befannt unb 3um 3}evftänbni^ ber ^]rebigt
gefctjicft p madjen, erfuhr biefe Slrbeit be§ ty. im Sauf ber ^ett, befonberö im
17. unb 18. ^arjrtmnbert, immer äat)lreicr)ere @inf Haltungen tjomüetifcrjen, fate=
djetifc^en unb liturgifd)en ^nb,altö, fo ba§ auö bem |>au3bud) ein boÜftänbige§,
bie (Sbangelien unb (Spifteln beö ^irc&.eniatii^ nebft Auslegungen unb ©ebeten,
Siebern, Äatecrjismusfrageitüden, 93eid)t= unb anberen ^rebigten umfaffenbes Äird)en=
buc^ mürbe , bas in berfdjiebenen Orten , befonbers im ^Jlürnbergifcfien unb
^ränfifetjen, lange 3et* im öffenttiefien ©ebraud) blieb. Slud) als geiftlidjer
®id)ter tjat fic^ «ß. berfud)t 3. 93. burdj ein Sieb über ben 147. 5)3falm: „Sobt
ben <£)errn" unb Anberes.
(Sin 93erjeid)ni^ feiner ©cfjrijten f. bei 3öd)^'=^otermunb III, 1220. V,
1483. — lieber fein Seben bgl. ftufyx, theatr. erud. (5. 244. — gebier,
llnib.= 8ei\ 25, ©. 500. — 2Balbau, neue 93eiträge jur ©efd}id)te ber ©tabt
Nürnberg III, 141 ff. -- ftifenfdjer, gel. gürftentrjum 33aireutf). 23b. VII,
©. 16 ff. — Webicus, @efc^. ber eb. Äircfje in 23aiern. Erlangen 1863.
©. 127 ff. — 23efte, Äanaetrebner ber lut^. $trd)e II, 230 ff. — ^ermann
5J]angfotet — ^annarlj. 121
Sed, ©rbauungslitteratur ber et). ßirdje 5£)eutfc^Canbi I. Stjeil, ©. 327 ff.
@rlangen 1883. — Äludtjotjn, gttebriii bet fromme. ©. 265 ff.
SBagenmann.
^aiigfofcr: Sofeptj Stnton 5ß. rourbe am 21. 3uK 1804 ju 9iieben=
tmrg an ber Slltmütjl als ber ©ofm eines ^ßatrimonialgerid)tSl)alterS geboren,
betrieb feine ©nmnafial* unb Stjcealftubien ju Slmberg unb ftubirte bann auf
ben Uniöerfitäten SanbSlmt unb 9Mndjen. anfangs roibmete er fid) ber 3uriS=
pruben^, roanbte fidj bann allgemein toiffenfdjaftlidjen unb Äunftftubien ju unb
rourbe audj jum üDoctor ber $t)ilofop§ie promoöirt. 9cod) in ÜMndjen öer=
öffentliche er ein 33änbd)en *)3oefien „Ärrjftatte" (1827), benen er fpäter eine
neue SluSroarjl (1839) folgen liefe. 3m $. 1830 rourbe 5ß. als ftadjfolger feines
Saters Defonomie-- unb Otentenoerroalter auf bem ö. ßaiferftein'fdjen ©ute
^pejenader bei 9tiebenburg, trat aber nadj bem £obe feiner ©attin unb nad)
SBerfauf beS ©uteS 1837 in baS ^riöatleben jurüd, toeilte eine 9teilje üon ^atjren
in Sftcgensburg, fpäter in 9Mndjen unb befdjäfttgte fid) nur litterarifd). Seine
£t)ätigfeit roar eine öielfeitige, bebingt burdj feine Se^ietjungen 3U ben Derfdjie=
benften litterarifdjen, tjiftorifcrjen, naturroiffenfdjaftlidjen u. a. Vereinen in Ütegens*
bürg, Sßürjburg, $rag unb Seip<$ig. ^eröor^utjeben finb feine mit 3- 9t- ©d)ue=
graf oerfafjte „©efdjidjte ber SBudjbruderfunft in Üvegensburg" (1840) unb bie
futj Dor feinem £obe gegrünbete OJlonatSfdjtift „2)eutfd)tanbS Iftunbarten",
roeldje mit gtölerer 3Biffenfdjaftlid)feit bon $. giommann (VI, 1854 — 59) fott=
gefetjt rourbe. 2ln 2)id)tungen beröffentlidjte er nod) „©ebidjte in fjodjbeutfdjer
unb altbarjrifdjer Iftunbart" (1842); „Stefu getjeimeS Seben, ein @poS in
Segenben unb ^aramrjtcjien" (1844); „©ebidjte in attbaprifdjer iftunbart" (II,
1845—47. 5leue ftolge 1854). 9cädjft 0. Äobetl roar 5ß. feiner 3eit ber bor=
trefflidjfte 2)ialeftbid)tec im altbarjrifdjen 3^iom. „©eine Sidjtungen, jumat bie
erjäfjlenben, ju objectiber Ütunbung fjerauSgebitbet, finb meift naib=innige, natur=
freubige, bem SßolfSgetft abgelaufene, bie ^uftänbe als rein menfdjlidje unbe*
fangen roieberfpiegelnbe DarfteHungen, bie bei aller Sreufjer^igfeit bod) einen
Hinflug Don Ironie unb ©enre^erbb.eit berrattjen." 5ß. ftarb ju 5Jiünd)en am
15. September 1854 an ber Spolera.
g. S. ©reger, ©onette bon babrifdjen SSictjtern. III, ©. 181 ff. —
3- -Öub, Die beutfdje fomifdje unb tntmoriftifdje 2)tdjtung. III, ©. 313. —
ü>. grommann in ber ^JtonatSfdjrifr „3)eutfd)lanbs ^Jcunbarten", 3tat)rg. 1854,
^eft 3. granj Sriimmet
v$amwrty: Strnotb 5p., ber erfte Sudjbruder ^ta^enS, flammte aus ^rag
unb rourbe roarjrfdjeinlid) auf Seranlaffung beutfctjer lülöndje oon bem ßarbinal
Soljannes a Jurrecremata in ©emeinfc^aft mit feinem ^adcjgenoffen ßonrab
©d)roeint)eim (aus ©cb,toant)eim bei granlfurt a. S1R.) nad) bem 33enebictinerflofter
©ubiaco berufen, um bafelbft eine S)ruderei einjurid^ten. anfangs bes 3at)«s
1464 mögen beibe bort eingetroffen fein unb ftcr) fogleidb, ans 2öerf gemad)t tjaben,
benn mit bem Snbe biefes ober mit SSeginn bes folgenben 3Sal)res erfd)ien bereits
bei iljnen bes Sonatus' tateinifd^e ©rjntar für Änaben, roelcb.er bann im Saufe
bes ^atjres 1465 jroei größere 2Berfe: Cicero, de oratore, unb bie ©djriften bes
SactantiuS folgten. S)a ade biefe üDrudroerfe bie in Deutfdjtanb bis ^u jenem
3eitpunfte unbefannte ^Intiquafcljrift aufroeifen, fo ift anjunetjmen, ba§ fie it)re
Settern felbft fdjnitten unb fomit ganj auf fidj felbft angeroiefen bie 2)ruderei
tion ®runb auS aufrichteten. Stefer fanget an (Seljitfen in bem fdjroer ju=
gängtictjen, entlegenen 33ergftäbtd)en unb ber baburd) erfdjroerte 2lbfatj iljrer
SerlagSroerfe mag bie betben ttjatigen Männer beroogen Ijaben, im 3- 1467
itjren 2öot)nfi^ nadt) 9lom ju öertegen unb, ber (Sinlabung ber Srüber ^ietro
122 5Pannajd).
unb grance§co be' 9Jtaffimi fotgenb, in bcm Berühmten Sßalaft berfetben i^te
SDrurfexei aufeufcljlagen. 2luffäHig ift, bafj fie in 9tom neue Settern anroanbten,
beten ©djnitt nodj met)r bie reine Antiqua geigte at§ bie in ©ubiaco gebrauchten.
Strotj it)re§ aufjerorbentüdjen ^leijjeS, e§ toaren Bei itjnen Don Seginn irjter
Xtjätigfeit 6i§ jutn 3»alt)re 1472 fiebenunbreifjig Söerfe, meiftenS lateinifdje
©djriftftetler, in 12 475 (Sjemplaren, erfdjienen, jebeS einzelne SBerf in einer
Auflage bon 275 ober 800 ©remplaren , fonnten fie feine Gürfotge erbeten unb
ftettten im gfrübjatjr 1472 mit bem fünften Sanbe ber Sibeterflärung be§ 9tico=
tau§ be Sijra itjre Arbeit ein. 3^r gseunb unb Sefdjütjer 3ol)ann 3lntoniu§
be SurüS, Sifdjof bon 9lteria unb ©ecretär ber 33aticanifd£jen Sibliotljef, ber
biete i^rer Srudroerfe mit einem Sorroort eingeführt Ijatte, richtete in ber Sor=
rebe bei genannten Sud)e§ unterm 20. 2ftärj 1472 an «papft ©ijtuä IV. bie
bringenbe Sitte, ben beiben Sudjbrudem au tjelfen. ©ie Rotten im ©djmeifje
itjreS 9Iugefid)tg unb mit ferneren Soften biefe nürjtidje Äunft unter feinem
Vorgänger eingeführt unb fjätten fidj baburd) um bie SBiffenfdjaft r)od) öerbient
gemad)t. 9lid)t§beftoroeniger feien fie unberfdjulbet in§ Üngtüd gekommen, an
©eift unb Körper gelähmt müßten fie jetjt feine -£>ilfe in Slnfprud) nehmen, ^r
grofjeä <£>au§ fei bott bon gebrueften Sogen, aber teer an ben nottvroenbigften
ßcben§bebürfniffen. Sie mottten Ü)m gern fobiet Südjer geben at§ er Ijaben
motte, roenn er itjnen nur mit einer fteinen 9tnftettung bie $ftögtid)feit böte,
fid) unb bie irrigen ju ernäcjren. üDiefer Hilferuf fdjeint roenig ßrfolg getjabt
3U tjaben; benn beibe trennten fid). ty. betrieb allein eine SDrudterei roeitcr.
©cfjroeinJjeim berfudjte feine Gräfte unb Äenntniffe im herein mit einem getoiffen
®omitianu§ ßatberinuS <}ur ^erftellung be§ geograpt)ifd)en SBerfeS öon !^toto=
mäu§ 3U öermerttjen, beffen Äarten er in ihibferrjodjfdjnitt, äfjntidj bem «g>olä=
fctjnitt, anfertigte. Seibe Unternehmer ftarben im 3- 1475 unb $ß. Dollenbete
1478 ba% fdjöne SBerf. üDa er fid) tjier Strnotb Surfing nennt, fo rourbe bie
Meinung rjerborgerufen, e3 tjabe aud) einen SDrutfer biefeä 9lamen§ gegeben.
3)em ift aber nidjt fo, ^. unb Suding finb ein unb biefelbe *ßerfon, unb ber
$totomäu§ mar fein letjtei SBerf, benn mit bem genannten ^arjve 1478 berliert
fid) öon it)m jebe ©pur.
Carlo Fumagalli, dei primi libri a stampa in Italia etc. Lugano 1875.
— (Sbuarb grommann, 2luffät$e jur (Sefd)id)te be§ Sudjljanbelä im 16. 3ab>
tnmbert. £eft 2: Italien. $ena 1881. $ alt mann.
^amiafaV 2lnton $., bramatifdjer ©djriftftetler, geboren in Srüffel am
25. Januar 1789. ty. getjört voegen feiner eigenttjümtidjen ßebenSfdjirffate
foteie infolge feiner <}roeifcllo§ tjoljen Segabung auf bem ©ebiete ber bramatifd)en
3ßoefie ju ben intereffanteften ^erföntidjteiten be§ Dormär^Iictjen Defterreict).
©ein Sater mar Officier geroefen unb ftanb bei ber (Seburt be§ ©ot)ne§ im
SDienfte be§ «IperjogS 21'lbert bon ©ad)fen=£efd)en ju Srüffet. 6§ madjte nidjt
roenig ?luffef)cn at§ er, ber ^voteftant mar, eine 2ßienerin, meldje er borget
nid)t gefetjen Ijatte, ja bereu 3öab,t er einem nacrj 3Bien reifenben g«unbe überlief,
im 5Procuration§roege tjetratrjetc, eine Gürje, bereu ©efd)id)te bie geroanbte %ebn
be§ ©ot)ne§ in beffen Memoiren (öeröffentlidjt in ^ranüS ©onntag§b(ättern unb
Säuerte'S 2:ljeateräeitung öom 3f. 1844) fdjitberte. Slnton ^. tarn, balb nad)bem
in Srüffet bie 9tebolution au§gebrodjen , mobei ber furj jubor geborene
Änabe ba$> Sürgerredjt bon Srüffet erfjiett, mit feiner Butter nad) äöien, mof)in
ber Sater fd)on borau§gejogen mar. (Sr erhielt bafetbft eine trefftidje 2Iu§bil=
bung unb fam fobann in bie f. f. 9JliUiäratabemie nad) äöiener sJteuftabt, toofelbft
er fid) neben feinen mititärifdjen ©tubien mit ber Seetüre ber neuen £)idjter,
inäbefonbere Älopftod'S, ©oetf)e'§ unb ©djttter'ä befdjäftigte unb fogar fd)on
einige SJramen fd)rieb, metd}e in ber SCfabemie fetbft jur 5luffüt)rung gelangten.
^anneet*. 123
1809 mürbe 5ß. Cfficier in ber f. f. 2lrmee, tourbe bem achten 9trmeecorpe 311=
geteilt unb äeidjnete fidj bei ben kämpfen in *}3olen burcf) «Dlut^ unb £apferfeit
au§, nidjt minber fpäter in Ungarn gegen bie im Sanbe arg tjaufenben 9täuber=
fdjaaren. 9tacr) furjem 2Iufentt)alt in äöien fütjrte 5ß. bas 2öaffenb,anbtoerf toieber
in ben Äampf, mobei er im 3. 1813 bem ©enetalfiab jugetfjeitt toar unb auä}
an bem ©in^uge ber SIttiirten in $ari§ mit Sfjeit natjm. ©päter finben mir
it)n noct) bei ber 9ciebertoerfung ber ^ebolution in Neapel friegerifct) ttjätig, er
mürbe 1826 Hauptmann im 9tegimente ©r^erjog $art, 1836 äjtajox, 1841
Cberfttieutenant. 9tadj feiner Berfetmng in ben IRutjefianb 1844 mürbe
fein 9tame im Satjre 1848 biel genannt, nactjbem er gum Cberften ber
Dcationalgarbe getrötjlt unb ernannt tooxben toar. ü£ccr) befteibete er biefe ©teile
nur furje 3eit ba er ben orbnungelofen (Seift, toelctjer in ber 9lationatgarbe
eingeriffen toar, berabfctjeute. ©enaue 2>aten bon fjotjem ^ntereffe, toarum er
biefe OberfienfteHe niebergelegt enthält ba% Bormori ^u bem facrjmännifdj jebod)
eigenttjümticr) abgefaßten ,,@rercier=3fteg(ement für bie 9tationalgarbe (beffer Sßotf§=
toerjx)" Söien 1849, toelctjeS Iß. Verausgab. 6r ftarb am 6. Cctober 1855, nact>
bem er juleißt eine ©teile im 2Ircrjibe bes $rieg§minifterium§ ju Söien betreibet blatte.
Unter feinen mititärmiffenfcrjaftlictjcn 2Berfen finb außer bem ertoätjnten noct)
,ju nennen: „Jerrainletjre unb jerrainbenutjung" (1834. 2. 2Iuff. 1852); „S3or=
poftenbienft" (1846), fotoie einige Heineren arbeiten unb *publicationen in $t\t=
fdjriften. ©ine 3eit lang rebigirte $. bie „öftexxeidjifdje militäiifcfje geitfdjrift".
Bon befonberer Bebeutung eifdjetnen bie 25ramen biefei begabten 9Jtanne§,
toetcr)e feit 1817 fämmttiög im SBiener Burgtfjeater jur Sluffütjrung gelangten.
2)er ßinfluß ber clafftfdjen Siebter, beren ^eitgenoffe er 'max> mact)t fttf) in
allen berfelben bemerfbar, insbefonbere einige tjiftorifctjen ©toffe fanben in itjm
einen getoanbten Bearbeiter. ©0 bor allem bas fräftig enttoorfene 2rama
„(Sjernrj ©corg" (1847), toelctjei eine ßpifobe au§ ber ferbifdjen 9teöolution
ber)anbe(t unb jur oftmaligen 2luffüt)rung gelangte, kräftiges £eben pulfirt in
biefem aucr) büljnengetoanbt berfaßten ©ctjaufpieie, beffen ^etbengeftalten mit
öortrefflictjer Söirffamfeit gewidmet finb. 3)affelbe gilt bon ben bramatifdjen
2>ictjtungen „Sllboin" unb „9Jtaximilian in gtanbern" (1835), fie gemahnen nietjt
fetten an bie i?raft unb 2)erbr)eit ©rabbe'3, befonberi „9ltboin", melcr)e§ ©tücf
über 20 sDlal im Burgttjeater aufgeführt mürbe, faxtet unb an bie bramatifcr)en
Sichtungen tjmebrict) £)atm§ erinnernb jeigt ficr) ba% Ityxifdje S)rama „Glemence*
3faure" (1835), toeldjei im %. 1837 jur erften Sluffüb.rung gelangte unb jur
3eit ber SroubabourS in Souloufe fpielt. Sine prägnante StjarafteriftiE bieten
ferjon bie älteren S)ramen „S)er ginbting" unb „bie ©rafen 5Rontatto", beibe
enttjalten im „Itjeater bon ^ßannafcb," (1826). S)er S3ott)"tänbigfeit megen feien
nod§ bie <5cr)aufpiele „bie 6r)xi|"tnaci)t" (1837) unb „3otmfon§ Stob" (1839),
bie ßuftfpiele „bie SCßette" (1839) unb „ber @rbgraf" (1845), fotoie bie „ßr=
innerungen an Stcüint in Briefen unb bermifdjten ©ebidjten" (1826), enblict)
ein reichhaltiger 5^acrjlaß bemerfenstoerttjer bramatifeber *ßrobucte ermähnt. 2IIIe
biefe SBerfe taffen e§ bebauern, baß ber Ücame unb bie SBerfe bon 5ß. nicfjt
auet) b,eute noct) unb in meiteren titterarifetjen Greifen betannt geblieben finb.
SBuräbad), biograpt). £ejifon, XXI. — 3Iutobiograpb,ifctje arbeiten. —
©oebefe, ©runbriß. Bb. 3. ©. 849. 91. ©ctjioffar.
^Qimcclö: Söilljelm ty„ WlaUx unb Diabierer, geb. in SIntmerpen um
1600. £a§ Sab,i-* feineS 2obe§ ift unbekannt. @r mar ein ©eruier bei Gubens
unb auf biefen Umftanb legte er einen b,ob,en Söextt) ; auf Blättern nacr) Gubens
pflegte er ^utoeilen 3U jeicbjnen: tec. Discipulus ejus. 2Bie alte 9'ad)ricr)ten üer=
bürgen, toar er auefj s2Jlaler, beer) läßt fiel) fein Bilb mit ©idjerfjeit al§ fein
2Berf nacf)toeifen. ^m 9lefeen erreicfjtc er eine t)ot)e fyertigfeit unb gf'ntjeit, 00(j^
124 Samtiger — 5)3anoffa.
läfjt bie geidjimnQ proeiten 3U röünfdjen übrig. @v arbeitete fetjr rafd) ; auf
bem Statte: Jupiter mit $uno im Oltymp, nad) 9tubenS ftetjt: in horas V, in
fünf ©tunben (fertig gemad)t). 3fm ^>inblid£ auf föembranbt'S fogenannte ©enft=
SBrücfe ift eS nidjt üiel ftaunenSroertt). (JS finb 36 33lätter öon il)tn befannt,
barunter 31 allein nad) 9tubenS. $u oen befferen gehören: „@ftr)er öor 9lt)aSöeruS",
„£>erobia3 mit bem Raupte beS ^otjanneS" (er fdjeint eine ^ubitt) öon 9iubenS
— im 9Jtufeum ju Sraunfdjroeig — mit geringer 2lenberung in eine £)erobiaS
Derroanbelt ju tjaben), „.Ipintmelfarjrt ber 5Raria", „Toilette ber SenuS", „Simon
unb ^ßero" unb namentlich) baS Portrait feinet 9JceifterS im ©ed)Sed. Später
befudjte er 2)eutfd)tanb, fam nad) 33aben, roo er fein Statt mit bem t). ©eorg
bem ^JJtarfgrafen bebicirte, bann nact) 5tanffu^ unb ^Rainj, roo er im üDienfie
beS ihirfürften ftanb. °$n ^ranffurt rabirte er: „©turj beS s$t)aeton", nad)
eigener Gürfinbung, roaljrfctieinlid) nad) einem 2)edenbilb, baS er bafelbft felbft
aud) gemalt tjat.
©. Simmerjeel. $ramm. .iprjmanS, la gravure dans l'öcole de Rubens.
2öeffetö.
^onntjjcr: ßeont)arb $., f. ^ömiliger, ßeontjarb.
^QHOffo: $einrid) $., Söiotinift, (Sefangletjrer, Wtufiffdjriftftelter unb
ßomponift, geboren am 2. Dctober 1807 in SreSlau, rourbe öon feinem Sater,
ber fid) in rooljlljabenben Sertjältniffen befanb, aur juriftifctjen Saufbatjn beftimmt,
erl)ielt aber bereits als $nabe Stolinunterrid)t unb madjte fo raüibe gortfdjritte,
bafj er fd)on im 9llter öon jerjn Satiren fid) öffentlid) tjören liefe. Obgteid) ber
Sater ba§ geftedte 3iel nid)t aus ben Stugen liefe, forgte er bod) bafür, bafe fein
©or)n aud) mufifalifdj burd) bie beften ßetjrer in allen ^fädjern ber $unft auS=
gebitbet rourbe. sJtad)bem % 1824 bie SreStauer Uniöerfität auf 2Bunfdj beS
SaterS bejog, um $ura 3U [tubiren, ftimmte er bod) ben Seilten beffelben enblid)
<ju feinen ©unften um unb ging nact) SBien, um bei bem bamalS berühmten
Sioliniften ^Jlaüfeber Unterricht p nehmen unb bei ^>offrnann bie Gompofition 3U
ftubiren. 3m ^atjre 1827 trat er bann mit brillantem ©rfolge in SBien auf
unb errang fid) baburd) ben Sftuf eines bebeutenben Sirtuofen, ben er bann in
9Jtünd)en unb Serltn auszubeuten fudjte. 3)odj feine geiftigen Anlagen roiefen
i|n roeber auf bie Salm eines Sirtuofen, nod) auf biejenige eineS ßomponiften
unb als er 1831 burd) ben Stob feines SaterS in ben Sefit} eineS auSreidjenben
Vermögens gelangte, öernad)läffigte er beibe $äd)er unb roanbte fid) meljr ber roiffcn=
jdjafttidjen ©eite ber Äunft ju. Sie Setanntfdjaft mit 9t. S. $)tarr, in Serlin
rnodjte rool ba§ ^ntereffe für biefe (Seite ber .ftunft in it)m erroedt l^aben unb
bie Slufforberung beffelben an feiner ^tufit^eitung mitjuarbeiten erfaßte er mit
grofjem ©ifer. 1832 überrebete itjn jroar fein ^^'^unb SöenjelauS -gmud, ein
tüd)tiger ^pianift, au einer Soncerttour burd) S)eutfd)tanb, bod) ba§ äßanberleben
als Sirtuofe fagte it)m fo menig ju, ba^ er eS bereits im i^aljre 1833 aufgab
unb roieber nad) SSerlin jurüdtetjrte, roo er in bem ^aufe feines SruberS eine
ätoeitc ^peimatt) fanb. 9ltS biefer aber 1834 ftarb, roanbte er fid) nad) 5pariS.
.f)ier lernte er ben ©efangtetjrer SSorbogni fennen unb fein ^ntereffe roanbte fid)
nun auSfd)Iiefjlid) bem ©efangfadje ju. 3>r Umgang mit ben fid) bamalS in
!ßariS auftjaltenben erften ©efangSgröfjen, toie 9lubini, ßablacbe, S)onjeEi, Saöib,
ben ©ängerinnen gobor, ©ontag u. a. nat)m it)n berma^en gefangen, bafj fein
ganzes ©treben ber 9lu§bitbung ber menfd)lid)en ©timme fid) ^uroanbte. 5lud)
je^te er alle -£>ebel in s^}ariö in Seroegung, um bort ä^nlid)e ©efangöereine rote
bie in 5£)eutfd)lanb ju gtünben, toobei iljm befonberS bie ^Berliner ©ingatabemie
als nadjarjmungSroertt) öor klugen ftanb. 2;t)eilS allein, ttjeitS mit bem dürften
öon sIRoSforoa (©or)n beS 53tarfd)allS s)leö) öerfud)te er ein (SefangSinftitut m
$anoffa. 125
grünten, bodj roaren alte 33eftrebungen in biefer unruhigen politifdjen ^eit in
ißariS etroaS SauernbeS ju fdjaffen, bergeblid). Einige ©efangSauffütrcungen
fe^te er atlerbingS burd), bod) beftanb fein Programm fo auSfdjüefslicb, au&
Sombofitionen be£ 16. unb 17. 3fal)tt)unbert§, ba| bie ^ariferinnen an bcn
ferneren Hebungen röotjl ben ©efdjmad berloren tjaben mögen, ty. fdjien bie
^ßarifer ßuft nidjt meljr ju besagen, er na|m batjer ba§ Anerbieten be§ £)irectors
ber italienifdjen Oper in Sonbon, |)errn Sumlet), bie 2)irection be§ GtjoreS $u
übernehmen im Satjre 1848 an. 3n ßonbon mar bamalS bie (Slite eurobäifdjer
Sänger berfammett, jo Sennt) ßinb, grafctjini, ßoletti, ©taubigt, ©arboni u.a.
unb ^. empfing tjier bon neuem Anregung bie $unft be§ ©efangeS ju ftubiren.
(Sine Sfteirje bon ©efangSftubientoerten, bie er in biefer ^eit Verausgab, geben
^eugnifj bon jeinen 33efd)äftigungen, barunter bie in Sonbon bei ©roer & So.
erfdjienene „Practical singing tutor", ferner bie $orfd)ute: „Abecedaire vocal",
bie „24 vocalises progressives" unb bie „12 vocalises d'artiste" ; anbere ©olfeggien
für (Sontralto, für 23afj, „ ßrfjotung unb ©tubien", „86 nouveaux exercises"
u. a. 9tadj bem ©taatäftreidj bon 1852 fefjrte 5ß. bodj toieber nad) 5ßariS
jurüd unb gab im Sarjre 1855 ober 56 fein am roeiteften befannt geworbene*
unb gefct)ät;te§ Söerf: „L'art de chanter" IjerauS ($ari8 bei SßranbuS). ®iefe
©efangfdmle tourbe in£ 3talienifd)e (TOaitanb bei 9ticorbi) unb in§ 5Deutfd)e
überfetjt (ßeipätg bei 9tieter=23iebermann) unb tjerauSgegeben unb rief anfängtid)
unter ben Fachmännern eine lebtjafte Obbofttion tjerbor, ba bieg Söerf, roie
Aug. ©atfjb, in ber bleuen 3ettfdjrift für Mufif fdjreibt, burd) bie Jeden 9teue=
rungen großes Auffegen erregte unb bei Dielen in unfritifdjer ©etootmfjeit be=
rjarrenben 9tad)betern be§ «Ipergebradjten, ja burd) bie $eit gleidjfam (Sefjeitigten,
eine gewaltige Entlüftung tjerborrief. AIS fid) aber bie erften $nftitute, roie baS
Pariser Conservatoire, bie Afabemie ber fdjönen fünfte, Autoritäten roie 3eti§,
ftoger, Stamburini bafür erftärten, fo geroann baS SBerf immer mefjr 33oben
unb legte ben ©runb ju ber heutigen (Sefanglerjre auf ürjrjfiotogifdjen ©tubien.
©eit 1866 folt $. in giorenj gelebt fjaben. 2)aS ®atum feines £obeS ift nid)t
befannt geroorben. Aufjer ben ©efangfdjulroerfen gab er aud) eine 3Xnjar)t 53iotin=
compofitionen IjerauS, bie aber metjr in bie frühere $eit feines ßebenS fallen.
Als opus 48 beridjtet bie Seidiger ^Jlufiljeitung über eine „Grande Sonate
dramatique pour Violon et Piano" (üöien 1)ä £aSlinger), bon ber fie aber roenig
erbaut ift. (Srfinbung unb Aufarbeitung geigen fo roenig Originelles, betoegen
fid) nur in ausgetretenen SBegen, ba| ber Cnnbrud roenig anregenb ift. Sn
fbäteren ^ab,ren roanbte er fid) ber geiftlidjen ©efangmufi! ju, bon benen aud)
einige in Sßarte erfc^ienen, in SJeutfcb.lanb aber nic|t befannt geroorben finb.
5Rit befonberer Vorliebe beschäftigte er fidj mit ben mufifalifdjen ^ageSfragen
unb feine äarjlreidjen Strtifel roaren in ben ^Ruftf^eitungSrebactionen gern gefeljene
©äfte. Die 31eue 3eitfd)rift für 5Rufif, bon 9tob. ©c^umann 1834 gegrünbet,
_äät)lte ib,n bom erften 3ab,rgang ah ^u iljren Mitarbeitern, ebenfo ftanb er mit
franaöfifdjen Mufifäeitungen unb mit bem Sageblatte Temps in lebhafter 33er=
binbung. 9iob. Qntner.
^Paitofla: 2l)eobor ©igiSmunb $., geboren in SSieStau am 25. 9?e=
bruar 1800, f in Berlin am 20. 3funi 1858. $on begüterten Altern abftammenb
trat er au§ ben; 5pribatunterrid)t im October 1812 in btä griebric^Sg^mnafium
feiner SSaterftabt ein unb berliefj baffelbe rool borbereitet, um am 1. Slbrit 1819
in Berlin baS ©tubium ber ^>tjilologie ^u beginnen. SDort fcb,lo^ er ficb, bor
alten an SSödt) unb Ütaumer an, bie itmt itjre 2freunbfct)aft bauernb erhielten
uub fd)on ben ©tubenten aud) im IjäuSlidjen 33ettel)r gern förberten. 31IS 5)ltt=
glieb be§ pljilotogifcb.en ©eminarS promobirte ber junge (Seletjrte am 17. 2^uti
1822 auf ©runb einer fleißigen unb tüchtigen SJiffertation „Res Samiorum"'
126 Sßanoffa.
(Berolini ap. Maurer. 59 ©. 8). ©eine Unterfudjung über $eit unb ßeben beS
^olrjfrateS fowie über bic famifdje Äünftterfdjule fjaben bleibenben Sßertl). 9tadj
ber SSottenbung jetner ©tubien 30g il>n ber SOÖunfcf) , an Ort unb ©teile mit
bev SIttertImmSr'unbe fiel) öertraut <}u machen nadj Italien, einem bamatS für
gelehrte Stetfcnbe fernerer äugänglidjen Sanbe. S)urdj ben öon einem 33ormunbe,
feinem Ofjeim, gelieferten SSorfdjufj unterftfitjt traf ty. im ^erbft 1823 in 9tom
ein. ©eine pfntologifdje 33orbtlbung erleichterte bie 2lufnat)tne in ben $reiS
hochbegabter ßunfifreunbe , unter benen ©tacfelberg eine Ijeröorragenbe ©teüung
einnahm. Sunfen, für atteS 6ble begeiftert, Äeftner, eine feinfinnige, grofj*
^er^ige unb tiebenSWürbige 9tatur*), würbigten ben jungen SlnfÖmmling üjret
$reunbfd)aft; eS mürbe eifrig ©riecfjifcl) getrieben, unb in ber jungen t)t)perboreifcf)=
römifdjen ©ef eEfdjaft , bie audj ©erwarb unter üjren ^Jlitgliebern jaulte, ent=
wicfelte fiel) ein reges ßeben. $. 30g eS weiter nacl) ©üben, $m $at)r 1824
ging er nacl) Neapel, öon bort in ©efettfdjaft öon Äeftner unb ©tacfelberg naef)
©icilien. °$n Palermo lernte er ben ^er^og ©erra bi $alco fennen, weldjer
fein grofjeS Söerl über bie Slttertljümer feiner ljeimatt)tidjen $nfel öorbereitete.
2ln it)n richtete er öon Neapel auS am 25. f^bruar 1825 feine erfte italienifctje
©djrift „Sopra una iscrizione del teatro Siracusano" (poligrafia Fiesolana 1825.
43 ©. 8). ©ie bewies eine grünblidje Äenntnijj ber ©efdjtcl)te öon ©tyrafuS,
weldtje auf bie (üsrtlärung ber Eigennamen im Sweater im wefentlidjen ridjtig
angemanbt würbe, aber auefj jene Neigung ju ettymotogiferjen ©pielereien, Welche
ifjn fpäter auf fettfame 9lbWege führen follte.
Ein mef)r jähriger 9lufentl)alt in Neapel ftempette if)n jum 2lrdjäologen.
9Jtit ben bebeutenbften einfjeimifcljen ©ele^rten öertraut, ein aufmerffamer 58e=
obadjter ber neuen $unbe, fleißiger 93efucf)er ber öffentlichen unb $riüat=©amm=
tungen, erwarb er fiel) eine ausgebreitete j^enntnifj namentlich ber unterttalifdjen
Söafen, Worin ifjn öon feinen ^eitgenoffen feiner übertraf. Eine reife grucfjt
feiner ©tubien War baS erft 1828 erfdjienene $er,}eicl)nifj ber antifen 23ilbmerfe
öon Neapel, in beffen erftem unb einzigen SSanbe ©erwarb bie ^Rarmorwerfe,
5p. bie grofje 35afenfammlung befdjrieb, ber erfte Wiffenfcfjaftliclie Katalog, lange
3eit ber befte 5üf)rer ju ben unerfdjöpflidjen ©ct)ät;en beS 'öJtufeumS. SDie
Ijerfulanifclje Slfabemie etjrte iljn burdj ben Üitel eineS Sorrefponbenten, unb
nodj lange nacfyfjer belohnte i^n im Saljre 1849 ein neapolitanifdjer Drben.
SDort machte er im 3M)re 1825 bie SBelanntfdjaft beS ausgezeichneten $unft=
fennerS, beS |)erjog§ öon ßurjneS, unb balb barauf bie folgenreichere beS mächtigen
.^er^ogS öon 23taca8, ber fidj balb entfdjlofj, itjm bie Verausgabe feiner reiben
^unftfdjätje anpbertrauen. Um biefelbe Qtit öeranlafjte itjn ber Auftrag,
einen Katalog ber öon bem in 9tom berftorbenen preufjifcrjen ©eneratconfut
23artf)olbt) fjinterlaffenen ©ammlung, jefjt im berliner ^Jlufeum, ^u öerfertigen,
3ur 9tücl£e^r naef) 9tom unb Sertin, Wo im Sfa^re 1827 fein „Museo Bartoldiano"
^erau§km, boll öon gelegten Semerfungen unb fünfilerifdjen 93eobacl)tungen.
2)ie SSerbinbung mit 23taca§ entfcl)teb feinen ferneren Seben§lauf. 5lacf)bem er
1826 in ^ari§ bie ©ammlung befictjtigt |atte, begleitete er ben Verbog auf
beffen ©efanbtfdjaftSreife nad§ Neapel unb blieb bort fowie in 5pari§ bi§ jur
Sulireöolution fein ^au§gele|rter, äugteic^ mit bem grofjen Greife öon 3llter=
tt)um§freunben, an benen bie ^auptftabt bamat§ reicher War al§ irgenb eine
anbere ©tabt, 9tom öieCeidjt aulgenommen, in regem QJerfe^r. SDie Safyxe in
«Paris bis 1834 waren Wol bie glürftic^ften feines SebenS. «ülit öotten Sügen
*) 3dj barf hiol ber ^errlid^en Slbenbe in Äeftner'ä ^aufe 1838—39 gebenfen,
tootin ©oet^e'ö Söriefe borgetefen, mit beiben Slbefen, 5ßapencorbt, mit griet^ifdje Sid)tev,
SCriftoptjaneö u. 91. be^anbelt, Äunftmerfe öorgejetgt mürben.
^anofia. 127
a,enofj et bie 5lnnefjmticJ)feiten ber SBeltftabt, bon borneljmen Äunftfreunben ge=
fc£)ät$t, bon ben (Metrien roegen feiner claffifdjen Äenntniffe unb feines ©d)axf=
finn§ geroürbigt, bort anfjängltdjien ©Gütern, rote bem ausgezeichneten gorfcfjer
be aBitte, bereit. 316er aud) bittere (Srfarjrungen blieben irjm nicfjt erfbart.
SDafj feine 1826 herausgegebenen Vasi di premio feinen burdjfd/lagenben ßrfolg
erhielten, tonnte er berfdjmerzen, ba feine Ueberfiebetung fie in§ ©tocfen bradjte ;
embfinblicrjet mar bie burd) ba? freitoiEige 6jil feine§ ©önner§ berurfacfjte
Unterbrechung be§ Musöe Blacas, roobon nur bie erfte Steuerung 1830 bon U)m
beforgt rourbe; aber bie tieffte 5£>emütrjigung bereitete irjm bie fdjonungSlofe
Äritif, roeldie ber auSge^eicrjnetfte ©eletjrte granfradjS Setronne feinen „Recherches
sur les vöritables noms des vases grecs", Paris, Debure 1829 fol. entgegen*
fefete. ߧ roar ein berechtigter Setfudj, bie roiEfürlidjen unb rein äufjerlid)en
^Benennungen be§ italienifdjen $unftrjanbel§ burd) ctaffifdje Flamen zu erfefeen,
aber er rourbe übereilt unb roittfürtid) in§ äßerf gefegt. SBelanntticfj ift bie Unter-
fdjeibung noct) jefet fo aroeifelfjaft, ba| man zu ber rein mecrjanifdjen ^Bezeichnung
burd) 3iffern feine 3ufluct)t genommen t)at. ^nbeffen ermübete $anoffa'§ ©iier
nidjt. 9Jtit (Srj. Senormant bertiefte er fid) in bie arfabifcrjen 9Jcbtl)en, unb im
3at)re 1834 gab er bie „Antiques du cabinet du comte de Pourtales-Gorgier" ,
Didot fol. mit frönen Sttbbitbungen t)erau3. @§ roar fein lefeteS Söert in $ati§.
(Sine fernere jhanftjeit trieb ifjn nadj 33onn; er foEte fein 93atertanb nid)t
roieber bauevnb bertaffen.
SJorrjer r)atte er fid) um bie Söiffenfdjaft ein grofjeS t)od) anzufdjtagenbeä
Sßerbienft erroorben. 2ll§ fid) bie f)r;berboreifd)e ©efetlfdjaft in föom 1828 zu
ber mettgefd)id)tlicrjen ©rünbung be§ arcrjäotogifdjen $nftitut§ errjob, begrüßte $.
ba§ llnternefjtnen bon fteabet au§ mit ftreuben: e§ berftanb fid) gleicbjam bon
felbft, bafc if)m in ^ari§ bie Stelle al§ auäroärtiger ©ecretär ber franzöfifdjen
©ection übertragen tourbe. 2)ort forgte er nidt)t allein eifrig für ©ubfcribenten
unb litterarifclje Beiträge, fonbetn übertoadjte mehrere ^afyxe Ijinburd) bie 9ie=
baction unb ben 2)rucf ber 2tnnaten, foroie ben ©tief) ber Monumente, ^a er-
ging in feinen Semütmngen foroeit, bafj er ba§ deficit, roeldje§ bie (Sjiftenz ber
Slnftalt mitunter bebrofjte, burd) namrjafte SBorfdjüffe beefte. SDer 23erfel)r mit
9tom unb Berlin, mit SBunfen unb ©ertjarb, roar nicfjt leitet, unb ba§ reizbare
£emberament , foroie ba§ ©etbftberoufjtfein be§ ^albfranjofen machte fiel) in
klagen unb SBorroürfen über Verzögerungen, (Sinförmigfeit, Söeitfdjroeifigfeii ber
^ßubticattonen ßuft, unb nur bie unerfdjütterliclje greunbfcrjajt foroie bie gebulbtge
©eroanbtfjeit ©ert)arb'§ berrjinberten einen S3ruc|; aber ^ß. gebütjrt bieSlnerfennung,
ba^ er in rjorjem Wlafc baju beitrug, ba§ ^nftitut über SBaffer ju galten.
9Jtet)rmal§ bacljte 33unfen, ber itjn ftet§ al§ gfreunb beljanbelte, baran, ilm al§
©ecretär für 3ftom felbft ju gcroinnen, auef) jetgte fiel) $. nid)t abgeneigt, ber
(Jintabung ju folgen. 3lber fcb,tie|licl) entfetueb er fid; im Januar 1835 pr
Ueberfiebelung naef) 95ertin, roo er im Söinter 1836 mit bem fnappen ©et)att
bon 250 Srjtr. al§ 3lffiftent be§ 9jtufeum§ angefteltt rourbe. 6rft im Sarjre
1847 Ijat er 9lom roieber geferjen.
©eine ©teEung in Berlin toar nid)t bie günftigfte. $aft ein ^tember ge=
morben, mifjtrauifcl) gegen bie metljobifd)e ©trenge feiner £anb§leute, bon bem
l)o^en ©eibfigejürjl erfüttt, ba^ er neben ©erfjarb bie auggebreitetfte Äenntni^
ber Monumente befafe, fanb er nid)t bie erroartete 5lnerfennung. 3tt>ar rourbe er
aueb, an ber Unitoerfität in bie Sage gefefet, einjelne ©tubirenbe in feine 3Biffen=
feb^aft einzuführen, aud) erzeigte itjm bie 2tfabemie ber SBiffenfcb.aften feb^on 1836
bie @l)re ber «mitgliebfc^aft ; aud) blieb fein SSerfjältnife zu ©erwarb ungeftört. 2lber
l)äu§licl)e§ Ungemacl), bie ^rän!tid)!eit einer ©djroefter, bebrängte ilm, feine ©cl)roer=
l^örigfeit naljm zu, bie ©ieltung am 5)lufeum, roo er erft 1856 Sonferbator ber
128 5ßantateon.
2}af?nfammlung mürbe, fonnte it»m nidjt genügen, unb feine ©eltung unter ben
gacbgenoffen ging tangfam, aber ftetig abmärt§. ©o bergrub er ficb in feine
Sibliotljef, too id) ifjn mehrmals berbroffcn aber mittf)eitfam getroffen t)abe, unb
nafjm nur an ben 3ufammenfünften ber itatienifdjen, fotoie ber archäotogifdben
©efetlfcbaft perföntid) £beil. SDiefe fjatte ©erwarb 1841 begrünbet, $. würbe
ihr unb ber 1843 ini ßeben getretenen archäologifcben Leitung eifrigfter 9Jtit=
atbeiter. 2ll§ ©elefjrter unb ©c&riftftetler blieb er unermüblid) tt)ätig. 2lufjer
bem ftattltcben 23ud)e über „Serracotten be§ föniglichen Mufeumä" 1842 unb
ber gcfcbmacfbolten Slugtuaf)! bon Monumenten, bie er unter bem £itel „Silber
antifen SebenS" 1843 IjerauSgab, bat er ^ttjar fein größeres 2Berf meb^r ber=
öffentlich, befto fruchtbarer aber ermieS er ficb in einzelnen Slbtjanblungen, bie
in ben abtoechfelnb mit ©erwarb berfafjten 2Bindelmann§programmen, ben 3n=
ftitutäfchriften, gröfjtentbeil§ in ben Slbfjanblungen ber berliner Slfabemie rbren
$tafe fanben. darunter berbienen feine glücfltdjen Semerfungen bon ^arobien
unb Garkaturen bei 2)rama§ ausgezeichnet ^u roerben; überall (5. 53. bei SlSflepioS)
^eigt ficb grofee Selefenbeit unb 23ef)eirfd)ung be§ Materials, ©emmen unb Münzen
nidtjt au§gefdE)Ioffen ; bie SSerfuche $liniu§ unb ^aufaniaä archüotogifch ju erftären
fjaben feinen befonberen (Sifolg gehabt. Ueberljaiipt fütjrte if)n fein ©djatffinn je
länger je mcfjr in bie Srve; er berlor fictj in ©rübeleien, ettomotogifd)en ©pit$=
finbigfeiten, millfiklichen Kombinationen, fo bafj auch, gute ©ebanfen nur berjerrt
äum SluSbrud gelangten. ©0 b,at er Eigennamen mit fünftlerifchen £arfiellungen
gefchidt berbunben, aber in ber 9lu8führung ficb ju feltfamen, nicht feiten fpracf)=
unb fachmibrigen 33ebauptungen berirrt. @S genügt, aus einer 2lbb,anbtung ber
Slfabemie bom 3abre 1850 (Eigennamen mit KAAO^.), ben ^bthofchlüffet
$rjtf)ofle§, Den 33teiber ober freier {Me^vCöv) Memnon als SBeifpiete anjufüfjren.
3öenn er bafelbft ©. 53 „ben Mangel einer richtigen Mettjobe" als |>auptfd)ulb
beruuglücfter Erklärungen rügt, fo hat er fich felbft baS Urtbeil gefprodjen.
SDurcb biefe 2öunberlid)feiten, benen ©erwarb u a. auS ©chonung ntcbt tt>ibei=
fprachen, blatte eine fdjmüle Unfidjerljeit ber arcbäologtfcben ^»ermeneutif gebrofjt,
bis 1852 Otto 3fat)n in feiner SluSgabe ber ficoronifdjen Eifta feine bermchtenbe
Stimme erhob. $. liefe ficf] nicht irre machen: er fubr bis an feinen 2ob,
20. 3uni 1858, in ber alten Sßeife fort.
©eine miffenfcbaftliche 33ebeutung fällt übertoiegenb in frühere Sahre, bie
jetzige ©eneration toeifj toenig bon ifjm. 9lber eine gerechte SBürbigung toirb
ü)m in jener geit ein grofjeS Söerbienft nidtjt abfprechen. Söenn man auch bon
ben fdjönen Söorten feines greunbeö: „5ßanoffa'i SSerbienft ift in ber ©efdjtdjte
ber go^f^ung begrünbet, bie er 5U fetner 3eit mächtig anregte, erweiterte unb
emportjob" ba§ le^te ^räbicat nur bebingungetoeife gelten läfet, fo barf man
bie erften unberminbert unterfd)reiben : fie reidjen tjin fein Anbeuten in @f)ren
ju erhalten.
©erljarb, allgemeine 3eitung, 13. Suti 1858 SSeitage w 9lr. 96. —
ßenormant, Union, 20. aoüt 1858. — 5De äßitte, Notice sur Theodore Pa-
nofka, Bruxelles 1859 (Annuaire de l'Academie de Belgique 1859). —
MidjaeliS, ©efd). be§ Seutfdjen arebäol. ^nftitut§, Berlin 1879.
Urticas.
^Qlttalcon: ^einrieb $., ^iftorifer be§ 16. Safirbunbertä. 3lm 13. ^uti
1522 at§ ber ©obn eine§ ber ebangetifeben Sebre jugetbanen 93ürger§ ju Sßafel
geboren, erregte er febon früb burd) feine Begabung bie Xbeilnabme be§ ©d)ul=
meifter§ 3lnton Söilb unb be§ 9tat^§berrn fRubolf gret). £>od) febien e§ feinem
SSater geratbener, ben bieraebniäbrigen Knaben bag 53ucbbrucferbanbtoerf erlernen
äu taffen, ba er fjier ja nebenbei ben Söiffenfcbaften obliegen fönne. S)a bie§
fieb aber balb al§ unmöglieb ertoieä, fanbte er ben Sernbegierigen nacb g^ei°urg,
5ßantüIeon. 129
too er ein 3af)r unter 3ob>nn *PebiuS jubracrjte. (Sin ferneres %af)x burfte er
in 33afet ftubteren, bann aber ging er, bem drängen beS 35ater§ iolgenb, im
,£>erbft 1539 nad) 2lugSburg, um in bie 2Berfftatt feines 33ertoanbten, beS 33ud)=
bruderS 93Md)ior jfriefjfteiu, einautreten. SDem brütfenben Spange entriß it)n
batb ©ijt SSirrfS (f. 31. ©. 33. IT, 656) Vermittlung, ber itm einem italienifdjen
3lrate (Säfar S)etpf)inuS als ©djreiber unb Solmetfdjer empfahl. ©o befugte
er mit biejem Sfngolftabt unb SOßien unb toanbte fid) bann mit bem erwarten
ßolme nad) .^eibelberg, mo er am 14. October 1540 immatriculirt unb im ^uni
1541 33accalaureu§ tourbe. (Sin ^at)r füäter teerte er in bie Vaterftabt äurücf
unb erhielt burd) bie SSettoenbung feines ©tubiengenoffen $onrab 2t)fo[tt)ene§
freie äöofjnung im Kollegium, Ijielt audj fcfjon Söortefungen über bie Satiren
beS ^erfiuS. 9cadjbem er bann am 25. Wpxü 1544 bie TOagiftertoürbe erhalten,
mürbe er am 22. $uti beffelben 3faljre3 als ^ßrofeffor an bem neugegrünbeten
$äbagogium, einer 9Jtittelftufe atoifdjen ber ©djule unb ber Uniöerfität, angefteüt
unb grünbete 1545 (22. Januar) mit &leobf)e $öfin feinen <!pauSftanb. Um
biefelbe $eit trat er aud) mit fdjriftftellerifdjen arbeiten an bie Deffentlidjfeit
unb fudjte, nadjbem er am 25. 3uni 1545 als ^Diafon m ©t. $eier befteHt
toorben mar, burd) Vorlefungen unb ttjeotogifcrje SiSöutationen ©djüler um fid)
3U fammeln, 1547 tourbe er SecanuS 3lrtium, 1548—1551 befleibete er noct)
bie *Jkofeffur ber SDialeftif. S)iefe emfige £f)ätigfeit fonnte aber nidjt üer^inbern,
bafj itjm 1552 bei ber ©rtebtgung ber ^ßfarrftetle ju ©t. $eter ein anbrer 93e=
roerber öorgejogen tourbe, obtooljl er fid) fura aubor jum Sicentiaten ber Geologie
tjatte bromobiren laffen. 3llS (Srunb btefer gurücffefeung gibt er felbft an, er-
labe „in feinen ^rebigen gar ju fdjneU gerebt, atfo baS fromme gelehrte Seüt
bermeinet, er toere au anberen (Smpteren tauglicher" ; in äöirflidjfeit tourbe itjm
wotjl feine häufige ün)eitnat)me an attertjanb SßolfStuftbarfeiten — „benn er toaS
öon natur frölid)" — al§ ein Mangel an geifiltdjer äöürbe angerechnet. <£r
legte feine ^rebigerfteüe nieber unb natnn feine mebicinifdjen ©tubien toieber auf.
2luf einer üteife burd) ©übfranfreid), auf ber er mit gelir. glatter aufammentraf,
lief} er fid; am 21. ©eptember 1553 in Vatence jum S)octor Ifllebicinä bromo=
biren, unb brafticirte bann baf)eim oljne öffentliches Sunt brei %at)xe lang.
6rft 1556 eifotgte fein SCßiebereintritt in bie llniberfität, er erhielt bie ^ßrofeffur
ber SKaleftif, 1557 bann bie ber ^t)t)fif unb beinhaltete 1558 baS mebtctnifcf)e
SDecanat. Von ba ah fdjeint fein ßeben olme toeitere Veränberungen betroffen
au fein. ®r ftarb am 3. Wäx% 1595 an ber 2Baffcrfud)t, ein SBiertetia^r narf)=
bem er mit feiner grau, bie if)m ^toölf Äinber geboren, bie golbene Jpocrjjeit
gefeiert Tt)atte. —
- Sie fdjriftftetterifdjie Sb^ätigleit, toet(i)er ty. non feinem 22. bis pm 60.
Sa^re neben feinen SerufSgefdjäften oblag, toar eine aufjerorbenttitf) rege. „Sr
toaS jur arbeit erboren", fo djarafterifirt er ficrj fetber im ^. 1570, „unb mochte
biefe gan^ tool erleiben, atfo bafj er je^ in bie 16 jar täglid) 3U morgen auff
bie fünff ober fectjS ftunb orbentid) gefc^riben, unb jtoen bogen Oerteutfc^et, ober
für fid) fetbS jufamen gefteHet." S)urd) feinen Folianten füEenben ©ammetflei|
erinnert er an ben Süridjer ^ol^iftor Äonrab ©eSner (f. 31. S>. 33. IX, 107), mit
bem er freilief) fjinfid)ttid) feiner toiffenfdmftticfjen 33ebcutung nid)t auf biefelbe ©tufe
gefteflt toerben fann; mit feiner rafd)en ^ßrobuctionStuft t)ielt bie flritif nid)t
gleiten ©d§ritt. 6S toar it)m genug, ba§ Material aufammenaubringen unb
mit feinem angeborenen DrbnungSfinn ju claffifteiren, bie oft trüben Quellen
genauer ju prüfen toar nid)t feine ©adje. ^mmerb^in tjat er an ber fjförbcrung
beS ©efd)id)tSftubiumS unb an ber Belebung beS t)iftorifdjen ©inneS im 33olfe
einen nidjt ju beftreitenben Slntljeil. ©ein Portrait bon 1565 jeigt breite,
5lHflem. beutfcöe SBiogra^tc. XXV. 9
130 5J)antaleon.
arbeitgefurcbte 3üge, bon einem bunflen 93art umrahmt. — 33on feinen SÖerfen
fei 3ueift feine lateinifcbe Äomöbie „Philargyrus" (1546) ertoäbnt, eine $ugenb=
arbeit, toeldje bie broteftantifdje 3ted^tfertigunö§te^re am 93eifbiele beS QöUnexz
3achäuS barlegt; bie 9Jcetbobe ber Etjarafteriftil erinnert nad) ©djererS Urtheil
an ben SajaruS bes ^ot). ©abibuS (1539); merfroürbig ift ftelir, ^latterS 9tacb=
rtdjt, bafj bei ber 2luffür)rung nidjt bloä Safeler ©tubenten, fonbern aud)
^ßrofeffoxötödjter mittoirften. *ßt)ilologifd)er 5lrt toaren bie für $robenS Sßerlag
beforgten SluSgaben griedjifdjer unb tateinifdjer Tutoren, bon £)omer bis au*
StjeoboruS 9Jcetod)ita unb Söilbelm bon £rjruS. SDie 53efd)äftigung mit ben
Äirdjenbätein bradjte il)n auf ben ©ebanfen, eine „Chronographia Ecclesia?
Christian«" (1550, 1551, 1568) au fcrjreiben, b. b. eine £abette ber $irdjen=
gefdndjte, weldje bie Äaifer, bie großen £beo!ogen, bie ©ecten unb £)rben, bie
(Soncite unb bie ^äpfte in Kolumnen nebeneinanber ftettt. 9letjnlid) angelegt
toar fein ©efdjidjtSfalenber („Diarium historicum" 1572), in toeldjem er bie toidj*
tigeren ^facta, gefte unb aftronomifdjen ^otijcn in ben ütabmen eines 3^at)rc§
jufammenfa^te; bie Einleitung legt feine 33ercdjnung ber 2>aten beS 2llterthum§
bar, „id quod ob mensium et dierum varietatem admodum fuit difficile".
Unter ^ßantateon'S aabtreidjen Söerbeutfchungen l)iftorifd)er 2öerte (bon ßromer,
£$foj, ©iüet, ^»erberftein, 3iobiu§, WaucleruS, SkrgeriuS, 5ßibe§) ragt feine lieber*
fetmng bon ©leibanS ©efdjichte $arlS V. herbor (1556, 1557, 1562); er hängte
berfetben jroei, bann brci neue 33ücber an, bie er jebodj nur als Material*
fammlung für einen fünftigen gortfetjer ©leibanS angefeben roiffen mottle. Selb*
ftänbigcv ift feine „©efcbichte be§ $obanniterorbenS" (1581), für bie ihm ber
OrbenSmeifter ©eorg SBombaft bon £)ohent)eim Material jur Verfügung geftettt
hatte. £)alb t)tftonfct)en ßbaratter trägt aud) bie Sefdjreibung ber ©tabt unb
(Sraffdjaft SBaben im Slargau (1578), roeldje, roie bie mebicinifdjen Erörterungen
über ben 9tufeen beS SBabcS unb bie btätetifdjcn sJiatf)fd)läge aeigen, befonberS
für Ihirgäfie beftimmt mar; intereffant ift barin bie ©dplberung beS 33abelebenS;
ben bekannten 33rief 5poggtoS bont $. 1416 roiebertjolt $. mit einer jornigen
SSemerfung über ben fribolen ©inn beS Italieners. s$antaleon'S .gmubtroerf
aber roar bie „Prosopographia heroum atque illustrium virorum totius Germania?" ,
lateinifch 1565-66, beutfch 1567—1570 unb 1588 erfchienen. 2)er $tan mar
ein umfaffcnber unb neuer; bie gan^e beutfdje ©efchjchte bon ber Urzeit an follte
in gorm bon ^Biographien borgefüljrt toerben, s$. roollte hjer baffelbe leiften,
wag ^lutardj, ber jüngere ^ßliniuS unb i^obiuS für ibje ßanbSteute getban
t)atten. ®ie SßolfSfagen bon 2)ietricrj bon 53ern, ^ilbebranb, ©iegfrieb, ^er3°g
(Srnft fdjeibet er bon borntjerein au§, ebenfo bie .fpeitigenlegenben , roäljrenb
jluiSfo, ber llrenlet -iioalj'g, unb bie fabelfjaften ^önigSreitjen ber golgejeit,
natürlid) aud) £ett unb äöinfelrieb, als tjiftorifd)e üßerfonen gelten unb fogar
in Slbbilbungen borgefüljrt roerben. S)iefe ^oljft^nitte (bie erfte Auflage fagt
nod) borfidjtig : vivis heroum imaginibus, quantum fieri potuit, passim illustratum)
finb aber auct) bei ben tnftorifcben 5perfonen beS 16. SfabrljunbertS burdjroeg
5pijantafieportrait§, bie in ben berfcbiebenen Auflagen ge»cd)felt toerben. S)er
erfte J3anb beginnt mit ?lbam, ber jtoeite mit Äarl bem ©rofjen, ber britte mit
5Jlarimilian I. tiefer lefete 33anb, ber bem $erfaffer feitenS beS ÄaiferS
2Jtajimitian§ II. bie Ernennung jum Poeta laureatus unb 5pfatjgrafen eintrug,
tfl ber roertfibollfte, ba ty. bierfür IDlittbeilungen bon 3e^genoffen, bie er 1565
auf einer Greife gefammelt, benutzte. SnbeS bat er feine Arbeit bod) au leid)t
genommen, tote aablreicbe SSerfeben beroeifen, bgl. 3. SS. S>.3facobrj, ©. 9JtacrobebiuS,
$rogr. Berlin 1886 ©. 7. ®ie Söerfe ber ©d)riftftellcr toerben nicbt aufgefübrt,
aud) ift bie djronologifcrje 3lnorbnung nid)t ftreng burdjgefübrt ; inbefj mu^ man
berüdfidjtigen, ba| bie Arbeit ber erfte Skrfud) berart in einem nicbt fritifd)
$antfe — ^anjet. 131
geftimmten 3e^atter mar. 9caiö ftingt feine ^Jcatjnung an bie sDtittebenben,
benen er etttm ju oie( 2ob augemeffen, ftcf) btefer ßrjre in 3u^un^ roürbig ju
crroeifen. 9teMid} r)at er fid) bemüht, unparteilich, Äatfjolifen unb ^roteftanten
aufjunetjmen unb „einem jeben leine Jugenb ju^ueignen".
^antateon'3 ©etbftbiograptjie am ©djtuffe ber Prosopographia. — <£>er,jog,
Athen» Rauricse p. 258 — 261 (1778). — SRotermunb's gottf. au 3öd)er
5. — @fd)er bei Srfdtj unb ©ruber III, 10, 441—443 (1838). — ©euerer,
SBagner'g Slrdjiö für bie ©efd). b. ©prad)e 1, 495 f. (1874). — Stomas unb
Öf. glatter, bearb. bon Boo§ 6. 145, 211 f. (1878). — Saumgarten, lieber
©leiban ©. 101 (1878). — ZbpU, £)ie »Blattifet ber Uniöerfttät $eibelberg
1, 576 (1884). £. Söolte.
^antfc: M. Stbam *ß., febtefifeber 2ittetar= unb Äirc&enbiftorifer, fßaftor
in Älein=Äniegni| bei ftimptfet), mar ber ©otjn einei $retfd)mer§ in Breslau
unb am 1. Suni 1676 bafelbft geboren, ftacfcjbem er juerft ba§ 9Jtagbatenäum
unb bon 1685 — 1693 ba§ Stifabetban befuebt blatte, ging er 2Jtid)aeIi§ 1693
auf bie Uniöerfttät nadj Seipjig, mürbe am 30. September 1695 Saccataureuä
unb am 30. Januar 1696 5Jcagifier, roorauf er am 11. September 1696 feine
fjiftorifdje £)iffertation „de nobilitate Vratislaviensium erudita" al3*ßräfe§ rübmütf)
öertbeibigte. Dcacb Seenbigung feiner ©tubien !et)rte er 1697 nad) Breslau
3urüd, mürbe öom Statt) aU Katechet an ber SBatbarafircbe angeftettt unb 1701
alä Pastor substitutus cum jure succedendi nad) £lein=$niegni£ berufen, ©ort
ift er, mebrfadje Berufungen in anbere Slemter banfbar abtefjnenb, ben 28. 5e=
bruar 1732 geftorben. Sit© Äatedjet batte er bie 33re§tauer Äircbenbibüotbefen
fteifjig benutjt unb ein bebeutenbeä tttterar* unb firdjenbiftortfebeä Material ju=
fammengebraetjt, melcbes er fpäter fiebtete, bearbeitete unb in 2)rud gab. ©eine
©ctjriften betjanbeln üoraugSroeife bie S5re§(auer ^rebigergefcbictjte unb finb für
biefetbe grunblegenb. @§ finb bie folgenben : „Professores theologiae gymnasiorum
Vratislaviensium". Vratisl. 1713 — 15.4. „Schediasma deSilesia, benevolavirorum
insignium in Marchia Brandenburgensi natorum nutrice et fautrice." Bregae
1714.4. ,,©ie!pröpfte ju©t. Sernfytrbtn." Brieg 1714. 8. „Sic (gectefiaften au
©t. Güfabetf)." Brieg 1715. „Sie ^aftoren gu ©t. gtifabetb." 1730.8. „Sie
*ßaftoren ju ©t. 2ftaria 9Jcagbatena." 1730. 8. unb nad) feinem £obe üon
feinem ©obne berausgegeben, bie „2eben§befcbreibungen aller Brefslauifcben $ircben=
letjrer ic." 23re§tau 1756.
Setdt)enprebigt bon 3of). Sfirift. £ilbebranb. 2eipäig 1732. 14 23g. fol.
©djimmelpfennig.
^an^cr: ^»an§ 5ß. (Sanier), ßütfcbner unb "Jfteifterfinger in Sanjig ober
StugSburg, erfanb unb componirte bie jroanaigaeitige neue 3üngting§roeife; bafj
Slugiburg e berühmter SÜdjter, s]3tag. 3orj. ©preng (f 1601) , biefe gorm ats=
balb benutze, mag für 31nfäffigfeit in 2lug§burg jeugen. ©ebidjte ^antjer'ä, burd)=
meg biblifdje unb legenbarifefae ©toffe bebanbetnb, finb au§ ben 3at)ren 1583
bis 1596 befannt. 6r liebte e§, feine Bare au§ brei öerfebiebenen ©efetjen ju=
fammenäuftetten.
©oefee, 9ieueg Saufifcifdjeä 2)lagajin 53, 106 ff. — ©ermanift. ©tub.
II, 222. — Berliner Ms. germ. got. 25, ©. 371. — 33irner§ ©8. Oenai,
®. 346b. — äöcimar. ^f. ftot. 419, ©. 384b. 9toettje.
ganger: ^aul ?p., beutfd)er SJramatifer, au§ Nürnberg, befannt all SBer-
f äff er einer £ragbbie bon ben bret^erjn türfifdjen dürften (Tübingen 1595), in
metd)er bie ®efd)id)te be§ oömanifd^en 9teidje§ öon D§man (Dttomannu§), ber
„2Buraet be§ erfd)rödtid)en türfifd)en 9teid)e§",an bi§ aw ben bamatS regierenben
132 ^anjet.
Sultan 9Jturab II. in 22 2lcten in faft ungenießbarer SBeife abgetjanbelt toirb.
33er§bau unb ©pradje rjart unb ungefdjidt, be§ 53erfaffer§ 2lbfid)t jtoar toot=
gemeint, aber gan^ üetferjtt; bie einzelnen 2lcte ftetjen ttöHig unbermittett neben
einanber. 2)ic am (Snbc befinblidje, in $rofa berfaßte „Söermanung an bie
£eutfd)en" enthält ben nationalen ©ebanfen öon bei ^ftidjt ber beutfdjen Nation,
mit altbewährter 2Jtannr)eit ben $ampf gegen bie %ünhe ber ßtjriftentjeit auf=
äunerjmen. — ©oebefe 2, 387. <£>. <g>o tftein.
fm^tv: ftriebrid) $., ^Ircfjiteft unb ©agenforfdjer, 1794—1854. 211«
ber ©orjn eineä ebangelifdjen ^farrerö tourbe ty. in (Sfdjenfelben im 3tmte ©ul<j=
bac^ in ber batjrifdjen Oberpfatj am 22. Dctober 1794 geboren. 9tacr) bott=
enbeten ©rjmnafiatftubien roibmete er ftdj ber 93aufunft unb tourbe juerft 1818
al8 Ingenieur Bei ber $. 23au=$nfpection in ©perjer angeftettt, bann aber rafd)
burd) bie betfdjiebenen ©tufen ber SBaubeamten^aufbacjn in SBiirjburg, 93am=
berg unb Nürnberg tjinburdj geführt unb fdjließlid) jum Oberbauratt) im
5JHnifterium in 9Jlündjen ernannt, wo er am 16. 9lobember 1854 ftarb. ©o
anerfannt feine SBerbienfte in biefer amttidjen ^rjätigfeit aucrj finb, fo liegt feine
allgemeine 33cbeutung bod) toefentlid) auf bem (Gebiete ber beutftfjen unb üor=
nerjmlid) ber bairifdjen ©agenforfdmng. angeregt burd) bie ©ammlungen unb
arbeiten ber Srttber ©rimm unb burd) bie gorfdjungen feines gfreunbeg unb
8anb§manne§ 31. ©djmetter tjatte er fdjon frülj begonnen, bie im IJJlunbe be§
bairifdjen SSotfeS tebenben ©agen, um bie fid) öor itjm faum jemanb gefüm=
mert, jju fammetn, ju orbnen unb ju erf täten; feine äacjlteidjen 2)ienftreifen
würben für itju gteicljjeitig $orfdjung§reifen, bie ,,9taturgefd)id)te be§3Jotte§" ju
ergrünben. ,,2ln 2)onau, $nn unb Söatbnaab" fanb er öornetjmtidj „nocr) |ung=
fraulichen 93oben, unaufgeloderte $ftenfd)enatt , nod) unberbraudjte Seibenfdjaft,
toelc^e tjerbe unb füß äugteid) fdjmerft gteid) bem S)ufte itjreS unauägefjaucnen
2öalbe§". SDie ungetoörjnlidj umfaffenbe ctaffifctje 93itbung, toetdje er befaß, be=
fäfjigte tt)n, bie üon itjm gefnnbenen ©agen bis in baä 2lttertt)um jurücf ^u
»erfolgen, ben beutfdjen 9)lrjtlju§ burd) einen griecf)ifd)en j$u erftären, ,,an eine
©age au§ bem äSötjmevtoalbe eine ©teile au§ ^erobot ober *ßaufania§ ju rüden".
— 2Il§ grudjt biefer eifrigen ©tubien beröffenttidjtc er 1848 ben erften 33anb
„Satjrifdje ©agen unb ©ebräudje", bie er al§ „Beitrag jur beutfdjen 9Jfr)tIjo=
togie" bezeichnete unb ^afob ©rimm roibmete; faft ber gan^e 33anb ift ber ©age
,,bon ben brei ©c^toeftern" getoibmet, in benen er jene ,,itisi, nornir, fatae,
parcae, jnoTgai u. f. to." nadjtote§, „toetcrje ber Slbergtaube biStoeiten je^t nod)
al8 geiftertjafte Söefen auf ben berücrjtigten ©tätten etfdjeinen läßt , too ber
©ott|eit unnahbarer Tempel ftanb". S)et ^toeite Sßanb bet „93at)tifc^en ©agen
unb ©ebräudje", toeld)et bie ©agen bon ben Zeitigen, ben Xeufetn, ©cifteru
u. brgl. enthält, audj umfangreiche 5iad)träge ^um erften 33anbe bietet, toar im
2)rude fdjon faft bottenbet, alö $. ftarb; bie Verausgabe beforgte nad) feinem
2obe auf feinen Söunfdj ßrnft ßubtoig Ülodjtiol^ in Starau 1855, bie feljr um=
faffenben Stegifter tjat 31. @t§perger tjergeftellt.
6. 8. 9lod)r)olä in ber 93ebortoortung be§ 2. S3anbe§ ber ©agen. — 3ltt=
gemeine 3eitung, Beilage ju 5lr. 245, 1855. 9t. .£ocr)e.
^Ottjcr: ©eorg SBotfgang^ranä^., einet ber öerbienftbottften beut*
fdjen 93ibtiograp^en, tourbe am 16. 2Jtärä 1729 au ©utjbadj in bet £)betpfal<j
geboren, ©ein $ater, ber furfürfttidje <g>of» unb 9tegierung§ratt) Dr. jur. 5Bern=
Ijarb $., ließ feinem ©ol)ne eine forgfättige ßrjietjung erttjeilen, bi§ biefer
im $. 1747 bie Uniberfität Stttborf be^og, um bafetbft pb.itofoptjifdie unb tt)eo=
togifdje (Soltegien ju tjören. W.cufy ätoeiiäb^rigem 33efudj biefer ^odjfdmte unb
eifrigem ©tubium fctjieb 5ß. öon berfelben mit ber pijitofoptnfdjen 3Wagifter=
tourbe, toetdje er fid) burd) eine S)iffertation .,de falsis conclusionibus ex attri-
banset. 133
butis divinis" errungen tjatte. 2lm 15. SDecember 1751 tourbe er Pfarrer ^u
©feeltoang, einem nürnbergifdjen 2)orfe , reo er bis 3um $at)re 1760 berbtieb,
nactjbem er bie tänblictje ©infamfett p bietfettigen ©tubien benufet Jjatte.
9lm 29. Sluguft beS genannten Sto^reS tourbe er S)iacon an ber «gmuptbfarr*
firetje ,}u ©t. ©ebalb in Nürnberg, jtoölf 3a*)re batauf, am 2. Slpril 1772,
übertrug man it)m baS ©enoriat feineö SapitetS unb am 8. Februar beS fol=
genben SatjreS tourbe er äum ©Raffer ober £>auptpaftor biefer ^iretje ernannt.
$n biefer feiner Stellung machte er fictj um manetje fircrjticrje Söerbefferungen
berbient, fo um Slbfdtjaffung unnötiger (SotteSbienfte , (Sinfürjrung einer attge=
meinen Seicrjte unb eines neuen berbefferten (BefangbuctjeS. sJlebent)er faub er
aber aucrj noct) $eit 3U z™* umfangreichen titterartfdjen £t)ätig(:eit, beren 33er*
bienft bon 5Jtit= unb 9tactjtoelt anertannt tourbe. S)enn als itjm am 20. ^uni
1799 bon ber pt)ilofoprjifcf)en »Jacultät ber Uniberfität Slltborf ber ©lütfnmnfdj
jur fünfzigjährigen 9Jlagiftertoürbe auSgefprodjen tourbe, überfanbte itjm zugleictj
bie ttjeologifcrje fjacultät baS 2)iplom eines 3)octorS ber Geologie. s2lu£jerbem
toar 5ß. 9JUtgtieb ber Slttborfer unb ßeiüjiger beutfct)en ©efellfdjaft , ber 9cürn=
bevgifcrjen ©efettfetjaft jur 33eförberung baterlänbifctjer ^nbuftrie, bei ^egnefifdjen
SBlumenorbenS, beffen 23orftetjer er 1789 getoorben toar, unb Sluffetjer ber 9cürn=
berger ©tabtbibliottjef. ftactjbem ty. am 6. Januar 1802 fein fünfzigjähriges
2lmtSjubitäum unb am 16. October beffelben ^atjreS feine gotbene -£)oct)<$eit ge--
feiert tjatte, lebte er fteiS mit ©tubien unb arbeiten beschäftigt noct) brei^atjre;
am 9. 3uü l805 madjte ein ©ct)laganfatt feinem ttjätigen ßeben ein @nbe. $.
tjinterlief} eine reictjrjaltige, werttjbotle 23ibliott)ef, feine b ortreff lictje Sibelfamm»
lung tjatte er bereits 1780 im (Sanken an ben -£)er<$og bon 28ürtemberg öer=
tauft ; fie bilbet tjeute noefj einen toictjtigen Söeftanbttjeit ber ©tuttgarter 2Mblio=
trjef. SDiefe feine 33üct)erfammtungen tjingen innig mit feiner litterarififjen
Stjätigfeit zufammen, benn fie finb ttjeiltoeife bie Duellen feiner bibtiograpljifctjen
Jpanbbüctjer , toeldje itjm ftetS feinen 9tut)m in ber beutfetjen Sitteratur fietjern
werben. $. tjat aufjer mehreren 2luffät$en in berf ergebenen 3eitfct)riften ungefätjr
45 felbftänbige SGÖerfe beröffentlidjt, bon benen bie toidjtigften unb bebeutenbften
bie auf ^Bibliographie bezüglichen finb. ©eine übrigen 25eröffenttictjungen finb
einige lateinifd)e ©elegeutjeitSfdjriften, lleberf enungen, zum £tjeil geograptjifctjen
SntjaltS, aus bem Günglifctjen unb g-ranäöfifcrjen, metjrere tfjeotogtfcrje Söerfe unb
einige Heinere ©djriften über Ulriä) bon §utten. Unter ben bi61iogxapr)ifct)eri
äBerfen t)at man brei ©nippen ju unterfdtjeiben, bie eine befct)ränft fiel) auf bie
älteften SBibelauSgaben, bie anbere befaßt fictj mit ber älteren beutfdjen Sitte=
ratur feit Gsrfinbung ber 53ud)brucfertunft unb bie brüte berbreitet fictj über ba§
©efammtgebiet ber Sitteratur bis 1536. Slufjerbem toäre noct) eine S3uctjbructer=
gefcrjict)te Nürnbergs unb ein lateinifetjer befctjreibenber Katalog ber 33it»Uott)et
beS ©ottfrieb 3:§omafiuS, 27,251 Hummern in 3 SBänben, au erwähnen. 2)ie
£itel ber berfctjiebenen bibtiograprjifc^en Söerte ^an^er'S finb: „2itterarifd)e
9lact)vid)t bon ben aüerätteften gebrutften beutfetjen Bibeln aus bem fünfjetjntcn
3farjrt)unbert, meiere in ber öffentlichen Sibliot^ef ber 9teidj)Sftabt 9litrnberg auf=
betoab^it toerben", Nürnberg 1777, 4°; „©efetjic^te ber ftürnbergifdjeu SluSgaben
ber 33ibel bon Srfinbung ber 33ucf)bructertunft bis auf unfere 3eiten", Nürnberg
1778, 4°; „SluSfü^rlictje Sefcl)reibung ber älteften 3lugSburgifcl)en 2tuSgaben
ber SBibel, mit litterarifcr;en Slnmert'ungen", Nürnberg 1780, 4°; „Söerfuct) einer
turjen ©efctjicf)te ber römtfc£)*fatt)oUfct)en beutfetjen 23ibelüberfe^ung" , Nürnberg
1781, 4°; „ßnttourf einer bottftänbigen ©efcrjicfjte ber beutfe^en SStbetüberfe^ung
Dr. Martin Sut^erS bom Mre 1517—1581", Nürnberg 1781, gr. 8°, jroeite
mit Sufäfcen bermet)rte SluSgabe , Nürnberg 1791, 8°; „taaten ber älteren
beutfetjen ßitteratur ober Slnjeige unb Sefctjreibung berjenigen ^öüetjer, toetetje
134 5ßanjer — ^ape.
bon ßrfinbung bet 23ud)bruderfunft bi§ 1526 in beutfdjer ©bradje gebrurft
morben finb", 2 SSänbe, Nürnberg 1788 unb 1805, 4°; „Annales typographici
ab artis inventae origine usque ad annum MDXXXVI", 11 voll. Norirabergae
1793 — 1803, 4°. 3ebe§ biefer 93üdjer jeußt bon tiefiger Arbeitskraft unb tiefer
©rünbtidjfeit be§ Sßerfaffers, unb fie werben alle immer nod) al§ QueUenmerfe
benutjt, ba bi§ tjeute fiel) niemanb gefunben t)at, ber burd) eine beffere 58carbei=
tung beä ©toffe§ fie in ©djatten geftellt tjätte.
SBitt, ©g. AnbreaS, Nürnbergifcrjeä (Seleljrtenlerjfon. 4 Steile. Nürn-
berg 1755—1758, 4°. — ftoüitfdl, Gl)riftian Gonrab, gortf efcung beS SöilTfctjen
©eler)rten=Seiifonö» 4 23änbe. Nürnberg 1802—1808, 4°.
ty all mann.
^ttlljer: ©eorg SOßotfgang Sfrana 5p. mürbe am 31. s)Jtai 1755 au
ßtjelmang in ber $fal3 geboren, mofetbft fein Söater ^rebiger mar. ©dmn Dom
3ar)re 1760 an befugte er bie ©djule ju Nürnberg unb bejog 1774 bie Uni=
berfität ju Sittorf, um ÜJtebicin p ftubiren, unb 1775 bie Uniberfität Erlangen.
Neben ber 'JDtebicin mibmete er fidj mit grofjem @ifer ben Naturmiffenfdjaften,
namentlidj ber Sotanif unb ©ntomotogie unb begann fdjon frütj ^flanjen unb
^nfecten 3U fammcln. Nadjbem er im $at)re 1777 fein S)octor=@jamen mit
Sluäjeidjnung beftanben t)atte, befudjte er ju feiner meiteren 2lu§6ilbung bie
flinifcljen Slnftalten 511 SBien unb (Strasburg unb unternaljm aläbann eine län=
gere Steife in bie ©djmeijj, too er befonber§ botanifdje ©tubien madjte, unb
mürbe nadj fetner Nüdfetjr braftifdjer 5lr,}t in Nürnberg. 2ll§ foldjer machte
er fid) namentlich, burd) bie (Sinfürjrung ber ©djufepocfen*^mbfung fetjr berbient.
Strotj feiner umfaffenben 93eriifstt)ätigleit fanb er nod) 3eit, fid) mit ber Natur*
gefd)id)le ju befdjäftigen. ©eine erften ©djriften bet)anbeln bie Söotanif: „Ob-
servationum botanicarum speeimen" 1781 ; „&. b. ßinnö'3 bollftänbigeä 5Pflan}en=
fbftem" 1782; „Sßerfud) einer ©efd)id)te ber 2aub= unb £ebermoofe" 1787.
ferner lieferte er Seiträge jju ©turm'8 gtora bon S)eutfd)tanb unb fpäter ber=
öffenttidjte er nodj: „^been ^u einer fünftigen Svebifion ber ©räfer" 1813.
Anwerbern madjte $. fiel) fetjr berbient um bie Entomologie, ©eine erfte Arbeit
barüber mar eine Ueberfetoung bon 3otj. Güufeb. 23oet „93efdjteibung unb 916=
bitbung rjartfdjatiger ^nfecten" 1785-1798. Gin fetjr berbienfibolteä SQßert mar
ferner „Faunae Insectorum Germaniae initia" , ^eft 1 — 110 mit je 24 ittum.
^ubfertafeln" 1785—1798, metd)e3 fbäter bon ^einricrj ©d)äffer fortgefefet
mürbe, gerner beröffentlidjte er auf entomologifdjem ©ebiete „Entomologia
germanica" 1795; „©rjftem. Nomcnclatur über ©djäffer'ä 3lbbitbungen ber $n=
fecten" 1804; „ßritifdje ftebifion ber ^nfectenfauna Seutfdjlanbä" 1805;
„Sntomol. SBerfud), bie ^urineifdjen (Gattungen ber 2inneifd)en Hymenoptera
nad) bem ^abriaiuS'fdjen ©rjftem p brüfen" 1806; „Index entomologicus"
1813 unb äatjlreidje Heinere Abfwnblungen. 3m 3ar)re 1798 mürbe *p.
©tabt- unb 8anb=5pr)rjfif'u§ in £)er§bruä bei Nürnberg. 3a^teitf)e Atabemieen
unb (Sefellfdjaften ernannten it)n <}u itjrem SJlitgliebe. infolge feiner au§ge=
breiteten 33er6inbungen bradjte er ein reidjtjaltigeS , über 200 gotiobänbe um=
faffenbeS Herbarium unb eine fel)r bebeutenbe 3fnfectenfammlung pfammen. $p.
ftarb am 28. ^uni 1829. 2B. ^efe.
fapt: AmbrofiuS 5ß., beutfdjer Srantatiler, geb. 1553 ju 5ülagbeburg,
©djüter ©eorg Noüentjagen'g in bem altftäbtifdjen (St)mnafium feiner &atetftabt,
ftubirte in SBittenberg, mar feit 1577 Pfarrer in Älein = 2tmmen§leben im
s]}kgbeburgifct)en, trat um 1608 in ben 9tur)eftanb, lebte in ^Jtagbeburg, mo er
nad) 1612 al8 berftorben be^eicfjnet mirb. ©eine SDramen beb^anbetn meift bib=
iifd)e ©toffe: Äambf jmifdien 3)abib unb (Miatt) (gjiagb. 1575), ein 2öeilj=
nadjtefpiel bon ber gnabenreidjen 5Nenfd)merbung unb frölidjen ©eburt Scjrifli
*ape. 135
(9Jiagb. 1582), ba§ Safter beS @b>brud)§, ba§ an bem 23eifpiete 2)aPtb'§ fef)r
ernft^aft gleißt mhb (9Jcagb. 1602), bei: «probet 3ona§ (itfcagb. 1605, in
2. Auflage 1612). S)a§ ©piet Pom ©lud unb 3_uftanb eine§ redjten Stiften
(2Jtagb. 1612) gehört ^ux @Pert)man=©ruppe. ^tod anbere „Mundus immundus,
eine 9lction, mie bie jetüge SCßelt gefinnt ift" unb ein 2)ratna Don ber Srjrannei
be§ aerobes finb Perloren gegangen. %n allen £)ramen ift bie ^anblung in
ermübenber breite auSgefponnen ; ba§ Saftet be§ @l}ebrud)ä ift in amei ©pielen
bargeftettt, Pon benen ba§ erfte für grojje ©d)uten unb pornetjme ©täbte, „ba bie
$ugenb unb 3Bütgerfd£)aft in Pieten ©adjen fid) üben unb eine bequeme 6rgöt$=
lidjfeit tjaben fann", ba§ <$meite für ein geringeres SBütjnenperfonat befttmmt mar.
S)ie ©practje ift belebt unb nidjt ungefdjidt, einige (Sfjorlieber jeugen Pon nidjt
gemörjnlicrjer bid)terifd)er ^Begabung, ©ein mit ü£eufet§fcenen au§geftattete£
2öeü)nad)t§fpiel, ba§ urfptünglid) auf amei SLtjeite berechnet mar unb bas bis
jur Anbetung ber Ritten reicrjt, mürbe 1585 pon ©corg $funb ($onbo) benutjt.
3m Sona§ ertjält ber fonft etttmS fpröbe ©toff burd) bie malerifctje ©djilberung
eines ©eefturmeS unb ba§ Sluftreten be£ Neptun, 2leolu§ unb Sßulcan antifen
2lnftrid), Seben unb SBemegung, mätjrenb anberfeitS bie Onnfütjrung mi^iger unb
{mmorifttfdjer Partien namentlich in bem attegorifdjen S)rama Pom redjten
Triften bem fonft ernft gerichteten Söerfaffer nid)t gelungen ift. (Segen bie 3ln=
flage, ba| er als ©eiftlidjer mit feinem ©piel Pom (Jtjebrud) bas Safter ftatt
itjm 3U metjren bietmeljr beförbern merbe, mufjte er fid) tapfer ju Perttjeibigen.
„Aliud est praescribere, aliud describere." @r tjabe feine f5°*m ooei: ^Dtobett
Porgefdjrieben, mie ein 9Jceifter feinem ©djüler ju ttjun pflege, Jonbern er Ijabe
ben Sauf ber äöelt befd)rieben pr äöarnung unb nid)t <jur ^Befolgung. S)ieS
fönne aud) auS ber (5rmät)nung beS SleufelS gefolgert merben, auS beffen JReben
man erfetje, baji fotd) SOßefen U)m mißfalle unb in feinem 2ßege gebilligt merbe,
fonbem jeber gotttofen ^erfon merbe eine namtjafte ©träfe angehängt, ty. ift
aud) in ber üfeufelSlitteratur mit einer ©djrift pom 35ettet= ober ©artteufet
(2Ragb. 1586) aufgetreten, unb als tr)eologifd)en ©djriftfteHer lernen mir ifm.
burd) einen Sractat Pon ber Vergebung ber ©ünben (1600), einen SSeridjt öon
ben fd)mangeren unb gebärenben äBeibern (1586, 1587) unb Pon ben $inbel=
bieren (1588) fennen. 2)ie 2lbfid)t, eine ©pridjmörterfammtung ju liefern, üam
nierjt pr SluSfütjrung.
©oebefe 2, 367. — SBolte, s)Mrfifd)e gorfctmngen 18, 214. — 3at)tb. b.
Sßer. f. nieberb. ©practjforfcljung 9, 97. Jp. $o Ift ein.
^3a<JC: ©amuel ßljriftian ^. mürbe am 22. 9toPem&er 1774 ju
Sefum bei Bremen geboren, ©ein SJater, ber ^aftor ^einricr) 5|J. bafelbft, ber
fid) burd) äatjlreidje ©djriften tfjeologifd)en ^nljatt§ befannt gemadjt fjat, mürbe
fpäter nad) bem bremifdjen 5Dorfe 2öulf§büttel unb 1783 nadj 33iffelt)öPebe
bei Serben Perfekt. 2U§ ein fetjöner, in fräftiger ©efunbf)eit blüljenber J?nabe
mud)§ Sl)riftian $. in ober ^aibegegenb rjeran, bi§ er 1785 auf ba§ ©tjmnafium
in Bremen fam, ba§ er bi§ 1791 befudjte. hierauf mibmete er fid) nod) einige
$at)re im elterlictjen ^>aufe ben ©tubien, befonber§ ber rjebräifd)en ©practje, unb
bejog bann bie UniPerfität ©öttiugen , mo er feinen breijätjrigen tfjeologifctjen
Äurfu§ mit einer lleberfetmng be§ „|)iob" jum Slbfdjluf; brachte, meldje 3fo^.
©ottfr. Sidjfjorn mit einer 23ortebe beehrte (1797). |)eimgefer)rt, burdjlebte 5p.,
burd) äußere Unfälle gebeugt, trübe 3e^en. @nbe 1797 übernahm er eine
^pauölel)rerftelle in ©ra§bergen, einem trübfeligen Drte, ber Ü)m nur |)immel
unb @rbe geigte, bi§ er 1801 bie ©teile eines jmeiten $rebiger§ in iRorbteba
im Sanbe fabeln erfjiett. ©terbefätle in feiner gamitte , jumal ber 1808 er=
folgte 2ob feiner ©attin , Perfümmerten fein Seben unb fteigerten feine met)=
mütfjige ©timmung jur büfterften 9tiebergefd)tagent)eit. 3^ar fd)ien er nad)
136 ?ope.
einer jroeiten Sermüfytung froheren Etagen entgegenzugehen; aber roieberrjotte
Srauerfätte gaben feiner Melancholie neue ftaljrung; baju gefeilte fidj eine
Sruftfranfljeit, bie iljn faft menfdjenfcrjeu machte, unb am 15. Slpril 1817 fdjieb
er öon biefer Srbe, erft 42 $at)re alt. ©eine „©ebidjte", öon ^riebricr) be la
Motte gouquö gefammelt unb mit einem biograpt)ifcrjen Vorwort öerfetjen, er=
fcfjienen 1821. „2)er ©runbton berfefben ift red)t eigentlich elegifdj , unb mo
^ape'ä metjr gefunbc geiftige Statur bie franfe ju übcrminben bermag, ba ift er
ganz Siebter, ob aud) nod) bie 2Iccorbe fetneg irbifdjen 8eibe§ üerfjattenb nact)«
gittern. ®ie milbe roorjtfüngenbe Spracfje Perteiljt ben ®ebid)ten einen Porjüg=
Uctjen 9teiz unb gewinnt bag |)erj für bie trübe Stimmung beg Sängerg. 33e-
fonberg treten bie braftifc^=ffi^irten Stomaujen unb Sattaben beg 5Didt)ter§ , ob
auctj einfeitig in Jpinfictjt auf itjie ©egenftänbe, burd) üotfgtljümtioVeinfactje SDar»
ftettunggftmft djarafteriftifdj fyerbor. Einige barunter finb fogar Äleinobien
ed)ter ütomanjenpoefie." — ^ßape'g jüngfter Sruber ßubmig Mattl)ia§
,§>einrid) $. tjat fid) gfeidjfaflg atg Siebter nidjt unöortljeiUjaft befannt ge=
madjt. ©r mürbe am 14. Januar 1802 ju SiffeUjööebe geboren, fam, 13^at)re
alt, in bag $enftonat beg ^farrerä SöaUbaum «ju ©rofcSerfet unb 1817 auf
bag ©rjmnafium zu Serben, öon mo er 1820 jur Uniberfttät Tübingen über=
ging, um itjeologie ju ftubiren. fein entftanb aucrj ber größte £t)eil feiner
unter bem £itel „Stjriftuäfjarfe" beröffentüdjten rettgiöfen ©ebidjte (1823). $n
Seipjig brachte er feine Siubien jum Slbfdjlufj, madjte 1827 fein Gramen in
«Stabe unb übernahm bann eine .gmugterjrerfteÜ'e in ^oggemüljlen. 3lm 16. 3uli
1828 orbinirt, marb er ?tbiunct beg s$ropfteg (Sfjlerg in Sittenfen, ein Satjr
barauf Slbjunct am 2>om in Serben unb im September 1829 ^toeiter ^rebiger
in Sujtet)ube. Seit 1843 Senior unb erfter ^rebiger bafelbft, mirfte er in
feiner ©emetnbe meljr at§ 42 %at)xt. @r ftarb an ben Stattern am 27. Mai
1872. Son feinen poetifdjen (Srjeugniffen finb nod) erfdjienen „2)er Seruf beg
©eifttidjen", ein ©ebidjt (1830); „ßieber unb (Hegicn" (1834); „Epigramme"
(1834); „©nomen", brei Südjer poetifdjer Sprüche aug bem Seben unb aug ber
Schule (1850).
3gn. |mb, ü£)eutfd)lanbg Sattaben= unb 9toman^en=5E)icr)ter, 23b. I, S.
291 ff. — 3ut. ©raefe, Steinet 2)id)tet beg 19. 3af)rf)unbertg. Sremen
1875, S. 261 ff. - Mitteilungen aug ber gamUie.
gtanj Srümmer.
s#ape: ©eorg (Jürgen) ty., ber erfte 9tatt)gbud)bruder £amburgg, trat
um 1650 al§ Sudjbruder auf unb entmidelte eine geringe £f)ätigfeit als Ser=
(eger, benn bie Me^fataloge üerjeidmen feinen Flamen nur ^toeimat: im 3.
1651 mit feclj§ SertagSmerfen unö 1659 mit einer Seröffentlicrjung. Unfälle
fangen i^n jule^t, fein ©etoerbe aufzugeben, ba§ er bi§ jum September 1668
innegetjabt tjatte; am 18. b. M. ernannte ber üiatt» einen anberen 2)rucfer jum
sJtatr)gbuc^bru(Ier.
3?. M. Sappenberg, 3ur ©efctjicrjte ber Suctjbructerlunft in Hamburg.
Hamburg 1840. ^altmann.
v^ajje: ©eorg ^riebridE) 5p., geb. ju 3lrn§berg in äöeftfalen im $• 1766
(uaetj ben Einträgen im Sterberegifter ju 2rier), nactj 2lnberen (^üffer,
rr)einifd)^meftfätifd)e 3uftänbe ^ur ^eit ber franäöftfcljen 9teöolution, S. 34) ju
Srac^t im Greife (Blotje um§ ^. 1762, mürbe auf bem öon $rämonftratenfer=
m5nct)en geleiteten ©tjmnafium ju Söebingcjaufen für ba§ Stubium öorbereitet
unb be^og bie Uniöerfttät Sonn, mofelbft er erft ber 3uri§prubeniJ , bann ber
Xrjeologie ficlj toibmete. Son Sonn äurüdfgeferjrt, trat ty. im $. 1784 in ba§
^lofter in SBebingrjaufen ein unb marb 2et)rer an bemfetben ©tjmnafium, beffen
$ape. 137
©ctjüler er einft getoefen. gm toeiteren 5luebilbung nactj Sonn jurücfgefanbt,
machte 5ß. bie Setanntfctjaft bes feit 1789 nactj SBonn Berufenen ehemaligen
granjistanermöndje (Julogius ©ctjneiber, beffen rationaliffifdjer Stictjtung er fictj
anfctjlofj. 2öas $., nactj Söebingtjaufen guxütfgefetirt, in ber Sibelejegefe bor=
trug, bae tonnten bie Oberen nid)t billigen, toae jur 5o(ge tjatte, baß er ben
(Bebauten fafjte, aus bem Orben auszutreten, Äaum toar fein greunb unb
Setjrer ©ctjneiber nactj Verausgabe eines attfeitig bertoorfenen Äatectjismus nactj
©trafjburg übergewogen unb bort jum SSicare bes conftitutionetlen SBifctjofs befteltt
toorben, fo butbete es ben ty. nictjt länger in SBebingtjaufen; er entftot) ju feinem
greunbe, bei toelctjem einige Srjeologen gleictjer ©efinnung, fo Slnton 5£)erefer
aus Sonn unb 2tnton ^otjann S)orfcrj aus sDtainj fict) bereite eingeftettt tjatten.
2Iuf (Smbfetjtung ber (benannten erhielt ty. am 1. Februar 1792 an bem 6oI=
marer ©eminar eine ©teile als ^rofeffor, vicaire directeur, bie er jeboctj noctj
in bemfetben 3>ar)e aufgab, um mit Sorfctj unb griebrict) (Sotta nactj ber üon
ben f^ranjofen eroberten ©tabt ^Rainj p 3iet)en unb bort ben (Hub ber £$f«unbe
ber greitjeü un*> ©feictjtjeit nactj franjöfifctjem sDtufter einprictjten. UeberaE fict)
borbrängenb, jeictjnete $. auf ber Stebnerbütjne unb in ber treffe, als Verauö=
geber ber ^ainjer Stationaljeitung, fictj befonbers burctj feinen ."pafj gegen bie
Stetigion unb gegen bie dürften aus; als richtiger ^acobiner liefj er es fict)
nictjt netjmen, gegen tit ben ^ranjofen abgeneigte Sebölferung bon ©tabt unb
Sanb ju tjetjen unb uamentlictj bei ber Seitung bon äBafjlen mit 3)rotjungen unb
Seängftigungen borpgetjen. $n meiteren Greifen tourbe *}3. befannt burctj eine
an ben $önig bon ^ßreufeen gerichtete, burctj ben S5rud berbreitete 3ufctjrift bom
20. Secember 1792 („Offentjerjige gufctjriTt an ftriebrid) äBiltjelm ^otjenjottern,
bermalen £önig aus ^ßreufjen" ; abgebrucft in JHein, ©efctjictjte bon ^Jtainj
toätjrenb ber elften fran^öfifctjen Delation, ©. 299 — 301), roorin er in unber=
fetjämter SBeife ben $önig bon einem 3uSe 9e9en 9Jtainj abjutjatten berfuctjte.
Stactjbem „ber Stebublifaner*p.,Gorrefbonbentbes tjeimtictjen (ttubsinben ^reufjifctjen
©taaten" Stiles buretjeinanber getjetjt, tjielt er es für rattjfam, bor ©innatjme
ber ©tabt 9Jtainj fiel) auf bie $luct)t jU begeben. 23ei ber ätoeiten ©innatjme
ber ©tabt 9Jtainj burctj bie ^ranjofen 30g er es bor, ben ©ctjaubla^ feiner
frütjeren £tjätigfeit <ju meiben unb anbertoärts fein ©lücf p berfuetjen. 6r ging
nact) j?öln als (Jommiffär bes 23ott<$iet)ungsbirectortums unb fctjtoang fictj bort
bis jur ©teile eines ^räfibenten bes peinlichen ©erictjtS auf. 2llö er fictj in
biefer ©tellung nictjt tjatten tonnte, 30g er erft nactj 5J}ariö, bann nactj £rier,
roofelbft er at§ 3lbbocat toirfte bie ju feinem am 11. IDtai 1816 erfolgten 2obe.
SBergt. Ätein, 1. c. ©. 178, 185, 299, 324, 325, 328, 349. — Diemling,
bie rtjeinifctje $fala u. f. to. I. ©. 282, 283, 294. — ©etreueö 5camen§=
berjeictjni^ ber in ^ainj fictj befinbenben 454 ßlubbiften mit SSemertung ber=
felben Gtjaracter, ©. 10. — gtebolution^9llmanact) bon 1794, ©. 113 ff.
S 0 et e n tj e i m e r.
tyapt: ^einrictj ^ß., Drganift ju Slltona in ber ^Dlitte beö fiebjetjnten
Satjrtjunbertö. 6r toar ein ©ctjüter bee berütjmten Drganiften an ber $etri=
tiretje in Hamburg 3facob ^ßraetoriuö (ober ©ctjul^e). Wü ^otjann Stift in
Sßebet toar er befreunbet; er tjeirattjete beffen ©ctjtoefter ®efa unb fjat für eine
^Injatjl Ütifffctjer Sieber bie Gompofttionen berfertigt, fo 3. 23. für einige ßieber
in ben ^ßaffioneanbactjten , bie jjuerft im $. 1648 erfctjienen, ebenfo für einen
üttjeil ber Sieber im beutfetjen 5parna|, 1652.
2Balttjer, mufifatifd^cö Serkon, ©. 461. — £od), ©efdjidjte bee ^irdjen=
liebö u. f. f., 3. Stuft., IV^ ©. 119. — Raufen, ^otjann Stift unb feine 3eit,
©. 141 u. 344. — Döring, Stjoratfunbe, ©. 116. C. u.
138 ^Qpc.
^ajje: Sorjann ®eorg 2Cßi Irjelm s$., Dr., namhafter Sejicograpt), geb.
ju 23erlin am 3. Januar 1807, f bafelbft am 23. ftcbruar 1854. Sß. tarn in
früher $ugenb nactj ßutm in Söeftpreufcen , mo jein S3ater, nactjbem er als
©olbat bem 23atcrlanbe treue ©ienfte geleiftet, eine fleine SlnfteHung an bem
bärtigen (Sabettentjaufe erhalten tjatte; bajelbft errjiett $. auä) ben erften
Unterridjt. S)aS °$ntereffe, meines bie Set)rer unb ber Seiter ber genannten
Stnfialt an bem Knaben nat)men, gab it)m ©etegentjeit feine trefflidCjen Einlagen
511 entmicfeln, unb er fanb an einem fernen d. ©ctjelitja einen rootjlrooHenben
©önner, ber itjm feine perfönliäje llnterftütjung unb ^ürfpractje juroenbete, fo
bajj ty. 1820 ju feiner roeiteren 9luSbilbung nact) Berlin gefenbet in bie Unter=
tertia beS ©rjmnafiumS jum grauen Älofter eintreten tonnte. |)ier maäjte 5ß.
bei unermüblidjem g^etfee unter ber Leitung eines Wettermann, SfH^er, ©iefe=
breetjt, «!petnfiuS, Äöpfe, (Stein unb anbeter Männer fo rafäje unb treffiidje §ort=
fctjritte, bafj er fetjon an Dftem 1825 als ©eteetaner unb Primus omnium baS
©rjmnafium abfolüirte unb bie ^Berliner UniPcrfität bejog, um er fiel) bem
©tubium ber Üljeotogie unb ^}t)iIologie mibmete. Slngetegt burcr) Sßoectb/S,
ßacrjmann'S unb 23ernt)arbr/S Siorträge roanbte ty. fiel) tnbeffen balb mit
fteigenber Vorliebe ganj ber claffifetjen ^tn'lologie p, beftanb nact) 23eenbigung
beS afabemifetjen StrienniumS baS (Jjamen pro facultate docendi unb trat fobann
1828 als Candidatus probandus in baS Seljramt an bem ©tjmnafium )um
grauen Softer ein. <Sctjon nacl) 33erlauf ber erften <£>älfte feines ^robejatjreS
mürbe ty. buret) .Stopfe, metetjer bie aufjerorbentlictje bibaftifetje 93efäl)igung beS=
fetben erfannte, <$um Sollaborator beiörbert. (Sine miffenfctjaftlictje Arbeit, feine
„Lectiones Varronianae", erroarb it)m 1829 in £)alle bie ptjilofoptjifcfye 5Doctor=
mürbe; ein $atjr fpäter mürbe s$. jum orbentlictjen Seljrer unb am 31. $uli 1837
jum s$rofeffor an bem erroäfmten ©rjmnafium ernannt, eine rafetje, aber ber
Söürbigfeit ber Stiftungen *ßape'S entfprectjenbe Saufbatjn. — hieben einer feljr
anftrengenben unb mit äufjerfter pflichttreue geführten Setjrttjätigtett fanb *ß.
nod) 3fit unb $raft <m tjerporragenben miffenfetjafttietjen £eiftungen, bie in itjrer
2lrt umfaffenbe unb anbauernbe ©tubien erforbern; *ß. manbte feine Hfctjätigleit
mit Neigung unb ©rfolg bem (Gebiete ber Sejicograptjie ju. So erfctjien Pon
itjm 1836 juerft fein „ßtrjmologifctjeS SBörterbuct) ber griectjifctjen ©praetje", fo=
bann 1837 ein Programm „de inveniendis Graecae linguae radieibus", Slrbeiten,
bie öon grünblidjfter gorfetjung jeugen. ©ein -gmuptroerf, ,,(Sriecrjifct)--beutfcrjeS
Jpanbmörterbud)", erfdjien 1842, baS als ein mefentüdjer gfortfdjrttt im ^adje
ber Serkograptjie ju be<jeictjnen ift unb fetjon 1849 unb 1850 eine aroeite Stuflage
erforberte; biefem SBerfe tjatte 5ß. gleichzeitig ein eigenes „SBörterbuctj ber
griedjifcrjen Eigennamen" beigegeben, baS befonberS in ber sJleugeftaltung, bie eS
burcrj ©. (5. 23enfeler erhalten Imt (2 93be., ©raunfdjm. 1863—70), als eine
feljr banfenSmertlje (ärgän^ung beS ^ßaffom'fdjen SBerfeS Betrachtet merben mufe.
hieran fctjlo^ fiel) fein 1845 eifctjienencS „2)eutfcl) = griect)tfctjeS SBörterbucl) jum
©cljutgebraud)", baS mannigfache !ritifct)e 2lnfect)tungen inSbefonbere Pon
23. 6t)r. §r. 9loft erfuhr, baS aber ebenfo mie baS „©riecrjtfcl)=beutfcrje
äöörterbuctj", jumal nacl) ben oon 9R. ©engebufet) gefc^eljenen ^Bearbeitungen,
fiel) als trefflidjeS Hilfsmittel im ©ebrauct)e erhalten unb bei manchem Mangel
im ßin^elnen aud) feine bebeutenben 93oräüge l)at. ■ — S)iefe umfänglid)e miffen=
fcfjaftlictje unb litterarifclie STtjätigfett beeinträchtigte aber feineSmegS 5)ßape'S
3Birffatn!eit als Seljrer; mit ber ©ebiegenljeit feines SöiffenS unb mit einer Por=
trefflidjen Setjrmettjobe Perbanb $. eine fromme, fittlictj ernfte, liebePoüe ©e=
finnung, bie itjren Sinflufe auf bie iljn umgebenbe ^ugenb übte, ferner eine
miffenfdjaftlicrje ©rünblictjfeit , bie fictj feinen ©ctjülern mitttjeilte, unb eine
fettene Eingabe an feinen 23eruf, bie iljn jule^t rtoef) bei fctjroerem förperlictjen
Reiben, bas ifjn 311m ©etjen unfähig macrjte, ben Unterrictjt bis brei SBodjen öor
feinem 2obe fortfeijen tiefe. 3U Anfang bes ^afjteS 1852 Ratten fid) bie 2ln=
länge eines gtüdenmarfleibens bei 5)3. gezeigt, bas rafdj in bebenflidjer 2Beife
pnafjm unb bas, roietoofjt ätoet ^a^xe lang Ijin unb mieber einige Hoffnung
auf ©enefung öorljanben fdjien, bod) fdjliefjtid) mit foldjer ^eftigfeit fid) fteigerte,
bafj er i£)tn im 48. fiebensjatjre erlag.
Gljronif bes ©rjmnafiums äum grauen JHofier in SBerlin, Programm,
^atjrg. 1854, ©. 36. — |>einbt, SBiograptjien ber ber. u. öerbienftö. s$äbagogen
unb ©djutmänner, ©. 348 ff. — ©efdjidjte ber clafftfdjen ^fjitologie in
S!eutfd)lanb öon 6. 23urfian. 3»eite $älfte, ©. 757. 28 in ber.
^ajje: J?arl 5 erb in an b s$., 2lftronom, geb. am 4. Januar 1834 ju
gerben, geft. am 27. 9Jtai 1862 ju 2Utona. s£. beftimmte ftdj frü^eitig bem
aftronomifcrjen ©tubium unb rourbe nad) öottenbeter Uniöerfitätsaeit junädjft als
Üiedjner bei ber bänifdjen ©rabmeffung befdjäftigt, bann aber (September 1856)
all Qbferöator an ber ©ternroarte in Slltona angefietlt. (fr beobachtete unb
berechnete mit Vorliebe fieine Planeten unb Kometen unb publicirte bie 6rgeb=
niffe feiner gorfdmngen ttjeils in ben „9lftron. 9lad)rid)ten" ttjeils im ^Berliner
Satjrbud). 2lls befonbers öerbienftlidj ift trotj einiger 2lusftetlungen 2Brebid)ins
bie im ^a^gang 1859 ber erfterroäljnten geitfdjrift niebergetegte „Unterfudmng
über bie 6rfd)einungen bes großen Kometen öon 1858" (2)onati = dornet) aner=
fannt roorben. 2lus einer roidjtigen üreitje öon SJerfucrjen unb Q3eobad)tungen
über bie fogenannte „öerfönlidje ©teidjung", burd) roeldje bie ütidjtigfeit jeber
öon äroei öerfdjiebenen sßerfönlicfjfeiten gleichzeitig gemachten SBafjmerjmung ent=
ftellt äu fein pflegt, ift ^. burd) feinen frühen £ob abberufen roorben.
^oggenborff, ^anbmörterbud) jur ©efctjidjte ber ejacten äßiffenfdjaften,
2. 93b., ©p. 354. — SBotT, ©efd)id)te ber Stftronomie, ©. 611, ©. 721. —
»Dcaebler, ©cfctjidjtc ber £immetsfunbe, 2. 33b., ©. 408, ©. 461. — 9iftrono«
mifdje 9tad)rid)ten, 57. S3b., ©. 321. ©untrer.
^OpC: Subroig $., Gomponift unb 93iolinift ber elften -Joälite bes
19. ^arjrtjunbertS. Gr mar am 14. 93cai 1809 3U Sübecf geboren, ftubirte unter
bem bortigen Qrganifien 2Jc. %. Saud, trat bann atS 23ioloncetlift in bie
ütjeatercapelle bes ^önigftäbtifdjen üttjeaters ju ^Berlin, bilbete fid) fpäter metjr
als Söiolinift aus unb erljiett in £)annoöer eine 2lnftettung, barauf in gfxanl-
furt a. Tl. Stucr) alö ©otift auf ber ©eige fdjeint er metirfacrj aufgetreten ju
fein, benn fein SSiotinfpiet wirb all äufjerft fertig unb gefdjmadöolt gefcrjitbert.
^jm ^. 1833 ging er fogar auf .tfunftreifen, ließ fict) aber bereits in Sübed
feffetn, inbem er bie Stellung eines erften 2>iotiniften annahm. 1845 rourbe er
in Dtbenburg jum ^»ofcomponiften ernannt unb einige %afyxe fpäter fiebette er
nad) SSremen über, reo er am 9. Januar 1855 ftarb. $. enttotdette ats junger
^Dtann ein reges (Sompofitionstalent unb erregte allgemeines 2tuffet)en. ©ein
ernftes ©treben ben ßtaffifern nadjjueifern, öerbunben mit grünbüdjen ©tubien,
erroedte ^ntereffe unb tieB eine fcfjöne ^ufunft erbtiden. bereits 1835 etfctjienen
als opus 6 ein Quartett unb Quintett für ©treicrjtnftrumente unb bie allgemeine
muftfalifdje 3citung in Seipjig ift öoller öobes: „Älare ^been, teidjt fließenber
3ufammenf)ang unb gefdjidte go^fpinnung berfelben butdj fidjere geft^iitung
unb gebiegene @inrjett, aus ber fid) ungefuerjt unb ungetrübt bas anjietjenb
Mannigfache rote öon felbft entroidett", fo fcrjreibt fie 3Bb. 37, ©p. 340 in
itjrer fdjroülftigen, bamals als getefjrt gettenben Söeife. Gine im $. 1840 in
33remen aufgeführte Militär = ©in?onie wirb in gleicher 2Beife getobt unb
befonbers erroätjnt, bafe bas 5]ßu6(ifum mehrere ©ä^e da Capo üerlangte unb
ber (Eomponift felbft, als er ftdj jeigte, mit Crctjeftertufd) unb jubelnben 3»=
140 5ßapencotbt.
rufen begrüßt würbe. „SDie ©infonie ift fo frifct), jo Worjlburdjbadjt unb gtürflid)
erfunben, baß eine Weitere Verbreitung berfelben im ^ntercffe ber $unft rjödjft
wünfdjenSWertr) ift. £)aS ©anje ift Rentier) gehalten, namentlid) metjt befonberS
in ben betben erften ©ä&cn eine Beettwöen'fdje Suft, ja ein Beetfjoöen'fcrjer
©eift", fagt fie am 6nbe irjrer Beföredjung. £>iefe Bewunberung rjält nod) bis
3um 3fat)tc 1847 öor, bis ber reöolutionäre ®eift bie sIJtenfd)en aus bem £atb=
icfjlafe rüttelt unb auet) bie Äunft mit anberen 9lugen anfersen läßt. «Sine neue,
im ©ewanbljaufe in ßeipjig 1847 aufgerührte (Sinfonie, etfdtjtt ein gerabcau
umgeferjrteS llrttjeit. 5£)ie Srjemata erjdieinen bem Ütecenfenten fdjWact) unb
unbebeutenb, bie Dteminifcenjen an ^Dlojart unb Beettwöen finb bebenftict), 2id)t
unb ©djatten fehlen, fowic „überrafdjenbe unb fict) fteigernbe Beränberungen".
Um ben Umfctjtag in ber ©efinnung einigermaßen 5u öerbeden , giebt er bem
(Somöoniften am ©djtuffe nodj bie Berfictjerung , baß er ifjn für ein bebeutenbeS
Talent t)ätt, ma£ leiber metjr ironifdj als befänftigenb wirft. Sbenfo abweifenb
wirb (1848) ein ßieb beurteilt. 55ie neue ^eit fetjetnt ir)n gana falten gelaffen
]u r)aben, benn fein sJcame öerfctjminbet öon ba ab auS ben 3eitfcf)riften.
^ntereffant ift bie Beobachtung , nrie fict) bie gleiche ©rfdjeinung bei alten
Gomöoniften biefer ^eit wiebert)ott. äöic burdj sIRenbelSfob/n,S unb Sßeber'S
auftreten , öereint mit ben Beftrebungen bie (Slaffifer allgemein befannt au
maetjen, alle anberen GEomöoniften, bie bis batjin öeretjtt unb beliebt waren, in
ben £)intergrunb gebrängt, fie anfänglich befrittett unb bann ööflig öernadj)=
läffigt werben. 2)ie einft fo ©eüriefenen finfen nrie mit einem 3auberfdjlage in
ööttige Bergeffentjeit tjinab. ift. Qntner.
^fltJCltCOrbt : gfelij «p., <5tefd)icrjtSfcf)reiber. ©eb. im ^. 1811 au ^aberborn,
crrjielt er nädjfte SluSbitbung an bem ©rjmnafium feiner Baterftabt unb bejog
fobann bie Uniöerfität Bonn, -gner trat er in nähere Beaierjungen au
35. sJliebur)r, ber feit bem %. 1823 öon 9tom an bem ©it$e ber rrjeinifdjcn
$od)fd)ule feinen Sturenttjatt genommen tjatte unb in einer fieien «Stellung jur
Uniöerfität öielbefud)te Vorträge Inelt. 2)iefer Sßerfetjr *ßaöencorbt'S mit bem
ausgezeichneten (StefdjtcfjtSfcrjreiber erwedte in itjm eine Bortiebe ju tjiftorifcrjen
©tubien, bie für feine ^uf unft entjdjeibenb mürbe. 911S er Bonn mit ^Dtündjen
öertaufdjte, gewann eS unter bem (Sinfluffe ©crjeltingS atlerbingS ben 2lnfd)ein,
als füllte bie ^ßrjilofoörjie itjn feineu rjiftortfctjen Neigungen abtrünnig machen,
unb 3War in bem ©rabe, baß, nadjbem er öon s]Jlünd)en uadt) 93erlin übergejogen
mar unb er fict) r)ier bie prjüofopfyifcrje S)octormürbe erwarb, bie§ buret) eine
3lbt)anblung über 2)emofrit unb bie atomiftifcfje ^t;i(ofo|)t)ie gefctiat). ©leictj=
xooi)l trug jute^t bie ältere 93orliebe für bie ©efctjidjte unter 9tanfe'§ @in=
Wirfung ben Sieg über bie 9tebenbut)terin bation. 5)3. entjctjloß fid) je^t,
ber 9Jtufe ber ©efctjidite treu au bleiben unb feine Äraft balb möglictjft an einem
Würbigen Stoff au üerfudjen. @in foldjer bot fidt) in einer 5|3rei§aufgabe, weldje
im 3i- 1833 bie ^arifer Slfabemie ber ^nfcr)rifteu geftettt t)atte; fie galt ber
<Sefd)id)te sJlorbafrita^ unter ber ^errfdjaft ber 33anbalen. $ur ®rforfd)itng be§
Mittelalters tjatte er fid) ja öon Anfang an tjingeaogen gefüllt. «Seine 3tn=
ftrengung würbe mit bem glüdlidjften Erfolg gefrönt; e§ Würbe feiner Slrbeit ber
s^reiä au^'tannt. ^Roct) im $. 1837 ließ er fie in beutfctjer Bearbeitung u. b. %.:
„©efc^ic^te ber öanbatifdjen ^errfdjaft in Slfrifa" erjcb.einen unb erntete für
biefe feine erfte wiffenfcrjaftlidje Seiftung ben lauten Beifall ber ffadinmnner.
2>iefer fein elfter Gürfotg blatte it)m ^ugleicf) bie sJJtittel eröffnet, einen längft ge-^
tjegten 3Bunfdt) au§aufüt)ren unb au^ $ortfe£ung unb ©rweiterung feiner ©tubien
einen längeren 2lufentr)alt in 9?om au nehmen; e§ war il)m, ber öon <£>au3
au§ bem fatr)olifd)en Betenntniffe angeljörte, burdt) bie üDomrjerrn öon (Srmlanb
ein ©tipenbium beS Kollegiums 5|3reuftianum öerwilligt worben. SDamit b^ängt
$apeu§. 141
eS jufammen, bafe er, bem Sßortlaut bcr Statuten jener (Stiftung entfpredjenb,
in bem JHofter ©. Slnbrea bette fratte äßotmung natjm. 2)iefer römifctje 2tufent=
tjalt ^apencorbt'S ift für bie meitere 9tict)tung feiner tjiftorifctjen arbeiten mafj=
gebenb geworben. (5r rjat bamalS ben ^tan gefaxt, eine ©eftfjictjte 9tomS im
Mittelalter ju fctjreiben unb feine ganze Äraft auf bie Söfung btefer großen
Slufgabe zu bereinigen. 25er 2lufentb,att in 9tom, ber metjrere $at)re bauerte
unb ben er für feinen t)ot)en 3tt>ecf geroiffent)aft auSnutjte , tjatte it)n in jeber
SSejiefjung geförbert unb feinen ©eift gereift. @r mar in fruchtbare SSerütjrung
mit borzüglictjen Männern gekommen, u. a. mit 33unfen, unb feine eble ^erföntict)=
feit tjatte überall ben geroinnenbften ©inbrucf gemacht. ©o fetjrte er im %. 1840
mit reicher ausbeute nactj Berlin jurüdE. S)ie SauTbatjn, bie er berfolgen moltte,
tjatte er jetjt geroätjlt: eS mar bie beS forfctjenben ©eletjrten, aber auct) äugteicr)
beS afabemifctjen SetjrerS. @ben jeijt erfctjien, als gfrudjt feiner Sfteife unb at§
Vorläufer feinet geplanten umfaffenben SöerfeS, feine 9Jlonograpt)ie über Sota
bi Otienji, ben römtfcfjen SSolfStribun, unb mürbe mit unberfürzter 5lnerfennung
aufgenommen. Unb nun fdjien ftct) feine 3u^un!t fo ganz nact) feinen 2Bünfct)en
geftatten <ju motten. Sr mürbe im £$früt)jat)r 1841 jum aufjerorbentlictien
^rofeffor (ber (Befdjictjte) an ber Uniberfität Sonn ernannt, ©eine miffenfctjaft*
tictjen ßeiftungen, feine b ortreff lictje ^ßerföntictjfeit tjatten biefe 33eförberung be=
mirft. Snbefj, eS mar itjm nictjt beftimmt, auS ber $e\t ber ©aat in bie ber
ßrnte einzutreten. 2lnfangS 2lpril berliejj er Serlm, um ben erroünfdjten
2öirfungSheiS anzutreten; aber auf ber Steife ereilte itjn am 27. 9lprit ju
äöarburg in SOßeftfalen ber £ob unb fctjnitt ein tjoffnungSreictjeS Seben plötjtict)
unbarmherzig ab. 2)er 3"ftanb ber (Befunbtjeit ^apencorbt'S tjatte freilict)
feine f5«unbe fctjon längft ein zu frütjeS @nbe befürchten laffen. @r aber tjat
ber 9lact)melt einen reinen Flamen unb feft begrünbete «Hoffnungen tjintertaffen.
©ein gebiegeneS gröfjereS 3Ber! über bie ©efctjidjte ber ©tabt 9iom im 9Jtittet=
alter t)at im $. 1855 (&. ^öfler auS feinem 9tact)lafj tjerauSgegeben.
©. ^Teufetft^e ©taatSzeitung, Satjrgang 1841, 9lr. 116. — Steuer
^efrotog ber ©eutfdjen, 19. 3at)rgang (1841), 1. £t)., ©. 428—429.
Söegete.
^apCUÖ: 5)3etruS ü)3., S)ramatifer, au§ Räubern, berfajjte als ©ämtrector
in 9fleenen (SGßeftflanbern) eine tateinifctje ßomöbie Samarites (Colon. 1539),
metctje bom barmherzigen ©amariter Ijanbett. £>ie an ^ofjann i^ittbetl, ^ropft
bon gormofele, gerichtete Söorrebe bom 22. ^uni 1537 nennt biefetbe incondita
et rudis, benn ty. mu^te bie 3lbfaffung befcljleunigen, ba bie 3luffü^rung bereits
am 25. Suni ftattfinben fottte. ©otoeit beiannt, ift $. ber erfte, ber biefen
biblifd§en ©toff bramatifcr) beljanbelt t)at. 2)a fiel) feboct) biefer für eine
btamatifctje SBe^anblung menig empfatjl, fo benutze ty. jur ©infteibung ben
©naptjeuS'fcljen 2t)puS beS SlfotaftuS, inbem er feinen jungen 3legio in bie
©efettfctjaft bon ©crjmaro^ern geratt)en täfjt. S)iefe berteiten iljn fc^liefeticr),
^erufalem ju berlaffen, um ein in 3erict)o motjnenbeS junges ^Räbctjen
©arcoptjilia, baS itjm fctjon einmal bermittetft ber 3öuberfünfte beS Kupplers
S)iaboluS mit brei Räubern tanjenb gezeigt morben ift, aufpfuctjen unb fiel)
mit U)m ju bergnügen. 2luf bem äöege naefj ^ericljo mirb er auf 2lnftiften beS
£iaboluS bon jenen brei überfallen unb auSgeplünbert. 9ttit bem 5. Slcte fefet
nun bie bibtifclje (Srzätjlung ein. S)iefer entfprictjt bie Deutung: ber Sßater ift
©ott, 2Iegio ber 5Jlenfct) , SubutuS bie Vernunft, ber bie 3mietract)t fäenbe
Seufel fiegt über ben ^Renfcljen, ber bon ßtjriftuS, bem barmr)erjigen ©amariter,
auS 5Jtitteib ju ©naben angenommen mirb. SBenn 5ßetruS als ber Sötrtr) ge=
beutet mirb, ber ben SSertounbeten betjerbergt, fo beroeift bieS ben fattjolifctjen
©tanbpunlt beS SßerfafferS. ®ie bier erften 2lcte finb bon au|erorbentlict)er
142 $apin.
Sfrifdje unb ßebenbigfeit. 53efonber§ roirfungsöott finb bie Älage beä 33ater§
MegaboruS über ben bev SJerfudjung unterlegenen ©otm, bie Ueberrebungäfünfte
ber ©djlemmer, bie einbringtidjen Söarnungen beä (ärjietjerä (Subulus, bie ber-
jecjvenbe, burd) einen Eöftüdtjen ßiebeäbrief ber ©arcoptjilia gefteigerte ßiebe§gtutf)
be§ 2legio, bie lebtjaft an beä Gorn. ßrocuä Siofepl) erinnert. 2)er aud) in
fprad)lidjer -gunfidjt fjeröortretenbe 2Bertf) be§ SDramaS mar fdjon fiüt) erfannt.
(£8 finbet fid) neben ©naptjeui' 2lfotaftu§ unb 6rocu§' ,3fofept) in ber al$
©djulbud) berbreiteten 23rt)linger'icr)en ©ammlung öon 10 Äomöbien, meldje
1541 in 23afel erfdjien. Sludj mürbe baffelbe öon Slteranber ^anegaS <ju
Solebo mit einem Kommentar öerfeljen (1542). S)ie unter gleidjem Sitet 1614
ju Erfurt erfdjienene Äomöbie be§ Satoib ßipfiuä ift eine neue Auflage ber
^PapeuS'fdjen $omöbie, in metdjer bie auf *Petru§ gebeutete ©teile be§ ©d)Iufj=
rebnerS ferjlt unb am @nbe fieben SSerfe tjinjugefügt finb. 2)afj ber gefrönte
S)id)ter unb ©octor ber ^ptjilofoptjie unb Mebicin ju Erfurt biefe Arbeit all
feine eigene betrachtet miffen roottte , gef)t aui ben am @nbe abgebrudten ©e--
bidjten feiner fjfreunbe tjerbor , obgleid) ber 2itel ben Urfprung anbeutet :
Comoedia nova sacra, quam praeeunte sacra scriptura eruit, Papaejanis delinea-
mentis recensuit. optimis quibusque comieorum flosculis adornavit David Lipsius.
ftoppenä, Bibl. Belg. 998. — Södjer^Jtotermunb 5, 1526. — (Sioebete 2, 137.
■<p. $0 Ift ein.
yatfm: 3>eni3 %, geb. am 22. 2Iuguft 1647 ju 23toi§, f etroa 1714,
roatjrfdjcinlid) in 2)eutfd)(anb (nad) Eug. et Em. Haag, la France protestante
Vol. VIII, bie Angabe be§ Xobcäjarjreä 1710 u. 31. in @rfd) u. ©ruber, 'Sncrjfl.
ift iebenfallä unrichtig, ba *p. nod) 1712 mit ßeibnitj correfponbirte). ty. ftubirte
erft Mebicin unb mar praftifdjer 9lrjt in ^Parig; befd)äfttgte fid) aber unter
6t)r. |)urjgtjeni, beffen ©etjülfe unb Mitarbeiter bei einigen Unterfudjungen er
mürbe, mit ber ^tjrjfif. SOßie |>ut)gl)en§ öertiefj er ^arts mit ber Sluffjebung
beä (Sbicteä öon sJiante§ unb ging ju 9tob. 33ot)te nad) ßonbon. Mit biefem
gemeinfam t)at ty. öiete Unterfudjungen, namentlid) über ©afe unb 2)ämpje an*
gefteüt unb mürbe öon 33ot)Ie 1681 aum Mitgliebe ber 9tot)al ©octett) öor=
gefctjlagcn. 33on ßonbon ging *p. ju ©arotti in SSencbig, ferjrte aber 1684 nad)
ßonbon jurücf, roo er bi§ ^u feiner Ernennung 3um ^prorefjor ber Matljematif
unb SPrjrjfif in Marburg burd) ben ßanbgrafen $arl öon Reffen, 1688, blieb.
Süefe ^rofeffur befleibete $. 6i§ 1707. 3m 3ab>e 1699 mar er ßorrefponbent
ber ^Parifer Slfabemie gemorben. ©ein ©djidffat nadt) 1707 ift unbefannt. @in
SSerjeidmifj ber ^atjlveic^en arbeiten ipapin'S finbet fict) in «Poggcnborff's
biograpt)ifctj=literarifcrjem Söörterbucfje II. 355 ff. 21m befannteften ift 5ß. burd)
bie Gürfinbung be§ 2)igeftor§ ober ^apinianifdjen ütopfeä mit bem ©icijert)eit§=
öentil unb burd) bie $bee ben 2Bafferbampf at§ Stviebfraft ju benu^cn, gemorben.
2Batjrfd)einIid) t)at SSotjte juerft öorgefdjlagen bie ®rt)5tjung ber ©iebetemperatur
be§ in einem öerfcr)loffenen ©efä^e erfjitjten SöafferS ^ur ßöfung ic. öon Körpern
ju benu^en, meld)e bei gemötjnlicrjer ©iebetemperatur nidjt gelöft roerben. 3lber
^p. gab juerft ba§ rjierju tauglidje ©erätt) an , roetdjeä gegen bie ©efatjr be§
3erplafeen§ burdj ba§ bei allen ©ampfmafdjinen fo midjtig gemorbene ©id)err)eit§=
öentil gefdjü^t mürbe. 2Begcn feiner Unterfudjungen über bie Slafticität be§
2Bafferbampfe§ unb bie Sonbenfation beffelben bei ber Slbfü^lung ift $. al§
@rftnbcr ber erften fogenannten atmofprjärifdjen S)ampfmafdjine mit Kolben jju
nennen, benn er aeigte, roie ein Kolben in einem Stilinber burd) ben äöafferbampf
in bie ^ölje getrieben, unb mie ber Kolben nad) 6onbenfirung be§ 2)ampie8 bom
©ruefe ber ßujt mieber ^ugefto^en mirb. ty. t)at fogar nad) £)aag 1. c. 1707
ein ©ampjboot gebaut, mit meldjem er auf ber gulba öon ßaffel nad) Münben
yul)r, mo e§ itjm öon ben ©djiffern au8 9fleib zertrümmert marb. lieber bie
tßapfe. 143
ßonftruction ber hierbei oertocnbetcn 2ftafd)ine ift nichts Dtdljereä befannt.
Slufcerbem finb nod) anbete arbeiten SPapin'8 ertodrjnenstoertfj. Gr ift ber 6r=
ftnber be§ 2etler§ an ber ßuftpumpe. Sr erfanb ben Söafferrjammer, roeldjer
nod) jefjt Bei ben pb>fitaüfd)en Vorträgen jur 2)emonftration ber niebrigen
©iebetemperatur be§ 2öaffer§ im luftleeren 9taum benu^t toirb. ferner b>t $.
nod) ätoei 33orfd)läge gemalt, meldje, obgleich er fie nidjt ju einem praftifdjen
Grgebnijj ausbilben fonnte, bod) als bie elften Anfänge jejft ausgeführter 3}or=
rid)tungen ju betrauten finb. grfttid) b>t er nämlid) öorgefdjtagen , bie
(^plofton öon ©djiefjpulöer ^um treiben eine§ $olben§ in ber 9Jtafd)ine p
benutzen, roa§ erft ju 25erfud)en mit anberen erplofiben ©ubfian^en, bann roeiter
bis 3ur heutigen ©aäfraftmafdjine geführt t)at. 3roeiten§ toottte er ben 2)rud
comprimirter Suft, ober aud) ben Srutf ber Sitmofpfjäre gegen berbünnte ßuft
benutzen, um burdj lange 9töt)rentettungen eine Bewegung fortaupflan^en.
(Seine eigenen 5ßerfud)e, fo roie bie Slnberer nad) ib>, fdjlugen fefjl. $n ber
atmofpljdrifdjen ßifenbafjn fjaben mir bie Slnmenbbarfeit be§ *ßapin'fd)en ©c=
bauten« im ©lojjen fennen gelernt, unb benutzen benfelben bei ben pneumatifdjen
©todenjügen unb ber pneumatifdjen Sriefbef'örberung. £er ibeenreietje IDlann
foE in S)ürftigfeit geftotben fein.
ßine 23iograpb> $apin'§, meiere mir nidjt jugänglid) getoefen ift, erfdjien
1847 3U SBtoig: SSannifter, Denis Papin. sa vie et ses ecrits. 8°.
Äarjten.
^Oöfc: 3feremia§ $., «Diat^ematifer unb itjeologe, au§ einer alten ©reife-
roatber gamilie, mürbe am 9. Sluguft 1672 geboren unb toibmete fid), feit bem
5. $)cai 1691, auf ber ^ommer'jdjen ,§od)fd)ule, unb (1695) in SBittenberg
matrjematifcr)en unb naturmiffenfdjaftlicrjen , foroie trjeologifd/en ©tubien , bei
toeldjen er, gemdf3 ber auf beiben Untüerfttäten fjerrfdjenben gtidjtung, bie fird)=
tidje Drttjoborje unb beren ^olemif gegen ben ^ietiSmuS öertrat. £>urri) bi?fe
©efinnung bem «£auptfüt)rer ber Orttjoboren, Dr. 3otj. ftr. datier (©. b. 21.),
empfohlen, erlangte er, nadjbem legerer (1701) ^um ©enerat=©upetintenbenten
unb ^rofansler ber Uniberfität ©reifSroalb ernannt mar, burdj beffen (Sinflufj
(1702) bie nad) be§ *prof. 3oad). 9tofenoro;s 2ob erlebigte tßrojeffur ber
^attjematif. Sfn biefer ©tellung berjanbelte er in 9}orlefungen unb fleineren
©djriften mattjematifdje, aftronomifdje unb natuttoiffenfd)aftlid)e fragen, unb
befunbete fein r)ot)es ^ntereffe für ledere aud) burd) (Srtoerbung bes toertl)botIen
btbti|d)en ßupferroerfeg Don ©djeudjjer unb Steffel, toeldjeä nad) feinem £obe
im SBefttje feiner Angehörigen öerblieb. ©eine orttjobore Otidjtung trat erft nad)
sIRat)er^ £obe (1712) tjeröor, unb monbie ftdj 2Iniangi gegen ben interimiftifetjen
©en. »@up. 5ßr. §. ©ebb^arbi (t 1729), unb fpdter gegen beffen Dtadnolger
8R. ©b,r. 9tu§meter unb %aL ^peinr. Saltb^afar. 35ergeblid) berjudjte ber
©en.=©up. 311b. ^oad). «fhafebitj bie ortb^oboren unb pietiftifd)en ©egenfätje ju
Derföl)nen. $. be^arrte, unterftütjt öon feinem Serroanbten , bem SMfdjof
M. 6art JPapfe ü. ©d)onen, auf feinem ©tanbpunfte, unb mu^te aud) auf
einer 9teife nad) daffel ben fpdteren ^önig ^riebrid) öon ©d)toeben für fid) ju
geminnen. W.a$ bem 2obe öon $rafebt£ (f 1732), unb feineö 9cad)iolger§
Sütfemann (t 1738), erlangte jebod) bie Partei be§ «pietiSmuS , namentlid)
aud) burd) llnterftüfeung be« ißrof. unb ^>ofgerid)t§birector§ ^£)il. iBattt). ©erbes,
bie Dberb^anb; it)re .ipauptfü^rer 9tuemeier (1740—45) unb 3at. |>einr. 33al=
ttjafar (1746—63) empfingen bie ®enerat = ©uperintenbentur , tyapte bagegen
mürbe (1735) feines 3Imte§ entlaffen, unb begab fidj nad) ©todb^olm, too er
nod) 20 3fat)re fjinburd) feine polemifdje 2b^ätigfeit gegen ben $ieti§mu§ fort»
fe^te unb erft @nbe 5Jldr3 1755 im 83. SebenSjarjre ftarb.
144 $appe — s.pappenf)eim.
2Iug. 33altr)afar, b. b. SanbeSgefefeen, ©. 60 ff., ius pastorale, I, 77 ff. —
Äofcgorten, ©efd). b. Unib. I, 277— 288.— W, Sfofl. 53attt)afafS Beben,
5pom. ©efd). 2)enfmäler, V, 35—56. — 23ieberftebt, Sebcn neuborpomm. ©el.,
©. 11 ff. — (Sin SBcraeidjnifj bon *papfe'S ©Triften finbet fid) bei 33anfeloto,
©et. «pommetn, ©. 148 ; ©äfmett, Katalog, II, 263 unb in Södjer'S ©el.=Cer.
tytpjje: Sodann ^ofepf) 6 1) 1 1 ft i a n $., ©d)tiftftetter, eines ^rebigerS
©ofjn, geb. ju 9lltenrobe bei 2lfd)erstcben 1768, ge&ilbet auf ber ©djule ^u
Äloftenbergen, fomie auf bcn llniberfitäten -Ipatte unb Wittenberg, mofelbft er
1798 aum Dr. phil. promobirt mürbe. — 2llS er fobann bie ©tubien eines
jungen (SbelmanneS <ju leiten übernommen tjatte, fam er mit bemfelben mieberum
nad) $lofterbergen, mo er mit bem 2)irector ber 3lnftalt, bem rüfjmlid) befannten
s$t)ttotogen Dr. ^ob,. ©urtitt, in nähere 23efanntfd)aft trat, mit bem er hierauf
in Hamburg mieber aufammentraf, als er Op.) um 1801 burd) 93ictor $lop=
ftorf (beS 2)id)terS SSruber) tjiertier berufen mürbe jur 9tebaction ber Hamburger
9teuen 3e^ung unb 2lbref3Comptoir = 9tacr)rid)ten , roeld)e £t)ätigteit er bis 1811
ausübte. 3>n biefen i^arjren rebigirte er aud) bie bamalS bei 93or)n in Hamburg
erfd)einenbe allgemeine 2)eutfd)e 33ibliott)ef, bis bieS fritifdje ^nftitut an Nicolai
in 33erlin jurüd gelangte. 1813, mätjrenb .gmmburg'S borübergeljenber 33e=
freiung bon ber franjöfifdjen ,£>errfd)aft , rebigirte er aud) ben unparteiifdjcn
(Sorrefponbenten , fobann aber bie Hamburger möd)entltd)en 9cad)rid)ten 1814
bis 1816. — 3m 3. 1816 begrünbete er bie bis 1842 beftanbene, bielgelefenc
3eitfd)rift „Sefefrüdjte bom ftelbt ber neueften ßiteratur beS $n= unb 9luS=
lanbeS", eine nid)t oljne ©efd)itf unb ©efd)mad ertefene ^uSmaljl aus ben beften
Sr^eugniffen ber neueften (b,auptfäd)lid) fd)önmiffenfd)ajtlid)en) Literatur. 9lud)
als Ueberfetjer aus bem granjöfifdjen unb Grnglifdjen mar er tt)ätig , foroie als
Mitarbeiter an ^Jteufei'S geteertem 2)eutfd)lanb, an 91 od) '8 attgem. tit. Sinniger
unb anberen SBerfen. @r ftarb ju Hamburg am 19. üSecember 1856.
©. £amb. ©djriftftellerlertfon V, 646, 647. — ßefefrüdjte 1842, 33b. IV.
— «Reuet «Jteholog ber 2)cutfd)en, 3af)rg. 20, 1842, I, 9tr. 17.
SS e n e ! e.
^ajtycnljeim : ©ottfrieb ■£> ein rief) ©raf ju <p., menn nid)t einer ber
£)auptl)elben beS breifjigiäljvigen Krieges, fo bod) in jmeiter 9teib,e boman ftetjenb
auf fatljolifd)et ©cite — „bie 93lume ber 9ütterlid)feit, bie, in ©d)lad)tfelbetn
bermilbert, auf blutigem 33oben fid) fräftigte jur @t)re ber ^eiligen, für beren
©ieg er baS 33anner erhoben", ©eb. am 29. «Dtai 1594 in bem ©täbtdjen
«Pappenfjeim a. b. Slltmürji, bem -gmuptott ber gleichnamigen £)errfd)aft, entflammte
er einem uralten 2lbet§gefd)ted)te, baS neben bem 33orjug beS erblidjen 33efitjeS
ber 9teid)Smarfd)atlSroürbe fid) äatjlreicfjer ©pröBlinge rütjmen butfte, metd)e ben
Äaifern im ßaufe ber ^ab.rb.unberte namhafte äöaffenbienfte geteiftet. Slu§ einem
5Jial an ber ©tirn, ba£, fd)einbar ein paar h-eujtüeife gelegte rot^e ©djmerter bar=
fteÜenb, balb für gemöimlid) mol)l berfdjmanb, bei heftigen ©emüttjSbemegungen
aber oft nod) im ÜJlanneSalter jum 33orfd)ein fam, mürbe aud) ifjm fein mili=
tärifd)er 33eruf proptjeäeit. Snbe^ beftimmten it)n Butter unb 9}ormunb, nad)bem
er bereits im fiebenten ^aHjre ben 33ater berloren, für eine meb.r miffenfd)aftlid)e
ßaufbab,n. ©orgfältig erjogen, mürbe er um baS ^afjr 1608, als erft SHerje^n*
jät)riger, auf bie berühmte, pbor fd)on bon SBattenftein befudjte llniberfität
3Iltborf gefd)idt unb nad) nur fui^er ©tubienjeit als 3lbliger bon ©tanbe, ber
©itte ber Qtit gemä^, bon ben ferbilen «profefforen jum 9tector ^agnificuS
bafelbft er!oren. ^n Tübingen botlenbete er feine ©tubien, morauf er, bem
SSeifpiel feiner ©tanbeSgenoffen folgenb, ftd) für mehrere ^afjre auf 9teifen nad)
ben midjtigften ßutturlänbern SuropaS, nad) ben 91ieberlanben, Sa'cndreid),
^appenfjeim. 145
(Spanien unb Italien begab. S)e§ ßateinifdjen mädjtig, erlernte er unfdjtoer bie
©prägen biefer romanifdjen Sauber; bodj bergafj er babei nidjt, feine Anlagen
3U ritterlichen Uebungen auSjubilben. ©ar mandjeä blutige Abenteuer fdjeint er
bamalä fdjon erlebt ju tjaben; u. a. roufjte er oon einer SBegebentjeit mit bier
ßatialieren in (Spanien 3U erääcjlen, bon benen er ^toei mit feinem Segen fofort
niebergefiofjen, ben britten p Soben geftredt unb ben bierten in bie glucfjt
gejagt tjaben toiU. ©ein Slufenttjalt an ben .gmuptftätten ber fatljotifdjen ©lau=
ben§ricrjtung übte offenbar aber nodj eine anbere nadjtjaltige Söirtung auf itjn
au§: ätjntid) bem 9Jcortimer ber „9Jcaria ©tuart" brachte ber al§ ^ßroteftant
geborene unb erlogene $. oon bort einen (£ifer für bie nämliche 9tid)tung mit,
ber fortan faft bie bornetjmfte üEriebfeber feiner £>anbtungen bilbete. sJtad)bem
er 1614, in feinem einunb^roanäigften Sebenäjatjre , öffentlich jur fattjolifdjen
^ircrje übergetreten, biente er itjr in ber Xt)at mit einer SJeretjrung, einer |jin=
gebung unb einem $anati§mu§, roie fie, um bon ÜEßallenftein ganj ju fcrjroeigen,
feiner all ber übrigen ^eitgenöffifdjen Sonbertiten in nur annätjernbem 9ttaf}e
gezeigt tjat. SSon Äaifer 9flatttjia§ an ben $o~] jju 5J3rag gebogen unb jum
9teict)§t)ofratt) ernannt, fdjien er in biefer ©teile — metjr al§ feiner iurifiijdjen
Äenntniffe, toot gerabe feines ©lauben§eifer§ roegen — gtänjenbe 2lu§ftct)ten ju
tjaben. SDennoct) butbete e§ itjn bort nidjt lange; noct; bor 2lu§brudj be§ großen
beutfctjen Krieges üertaufcl)te er, feinen roatjren Seruf erfennenb unb bem S)range
feine§ ©eniu§ folgenb, bie geber mit bem ©djtoert unb natmi äunäctjft SHenfie
bei $önig ©igiämunb bon tyokn, bem 23tut§freunb be§ öfterreidjifdjen ßrätjaufeä
unb bem Stobfeinb be§ ©djroebentonig§ ©uftab 9lbolf. J?aum aber entbrannte in
33öt)men ber $ampf, at§ er ben äöaffen ber fattjotifdjen ßiga folgte unb itjr
ttjatträftigeg ^aupt, 9Jtarjmitian üon SBaiern, al§ feinen <£>errn erfannte. Unter
SLittt) 30g er bemgemäjj nadj bem bötjmifcijen ^rieg§fd)aupla|, fodjt, fdjnetl jum
Oberftlieutenant abancirt, am 8. 9cobember 1620 in ber (Sntfct)eibung§fct)tact)t
am meinen Serge bei *ßrag unb blieb, mit bieten, ^um £tjeil ferneren Söunben
bebedt, roie tobt auf bem gelbe liegen. 6r meinte im Segefeuer ju fein unb
fam in ©ejat)r, oon ©otbaten ber eigenen Partei beim *ßlünbern erfd)tagen ju
merben. @in faiferlidjer Leiter rettete unb ein erfahrener SCßunbar^t tjeilte iljn,
fo bafj er fdjon im nädjften grütjjatjr bon neuem au§marfdjiren tonnte. Unter
ben ligiftifdjen Dberften in £ittr/§ Slrmaba balb ber Infanterie, batb ber
SabaEerie augeäätjtt, tjalf er nun ben ©rafen (Srnft bon 9Jcan§felb in ber $fal<j
unb am Dberrtjein befämpfen. £rot$ mandjer glän^enben SBaffentljat, hei ber
fein 9tame mit SluSjetc^nung genannt mirb, fdjeint aber fein militärifc^er @l)rgeiä
nicljt befriebigt toorben ju fein. 23ereit§ im Januar 1622 bat er bon SBeinfjeim
au§ um feine (Snttaffung unb erhielt biefetbe aud§. %laä) feinem äßiebereintritt
im ©eptember Ijarrte er, ben Sefeljlen £illt)'§ geljorcljenb, noclj bie näctjftfolgenben
3arjre, bi§ Slnfang 1625 au§. 2)otf) feine klugen rid)teten fiel) mittlerroeile auf
bie Sertoictelungen in Oberitalien unb im Sßeltlin; SSrucl) unb offenen $rieg
äroifctjen ben babei beteiligten ®ro|mäcl)ten ftvanheid) unb ©panien oorljerfeljenb,
tjoffte er in leiderem meljr ßorbeern erringen ^u tonnen. 9tic£)t im 3toeifet
über bie ju ergreifenbe Partei — er betrachtete mit beutfcliem ^tationalberou^tfein
bie granjofen als ©rbfeinbe unb bercfjrte bie ©panier al§ nädtjfte SSunbe§genoffen
be§ Äaifer§, aU S3orIämpfer feiner $ird)e — , bat er ben Äurfürften bon SBaiern
ietjt uod)mat§ um feinen 2lbfd)ieb foroie um bie 6rlaubni§, für $önig ^b^ilipp
ein 6orp§ bon ein paar £aufenb Wlcmn im ßanbe ob ber @nn3 su roerben.
S3eibe§ roarb il)m geroätjrt unb bie 35eiftärfung, bie er bamit bem ^erjog bon
geria, bem fpanifdjen ©ouberneur in 5Jlailanb, aufürjrte, ertoie§ fic| ali feb,r
bebeutungäbotl. Söenn audj nid)t im ©tanbe, bie ©panier auf ben übrigen
2Wßem. beutfdje SSiosra^ie. XXV. 10
146 5ßappenJ)etm.
fünften, roo bie 5*&n<$ofen angriffen, bor gerben 3}ettuften ju beroatjren, rettete
er jenen bod) gerabe ben toid^ttgen Soften, ben fönia iljm antoieS. 68 roar
sJttöa am ßomer^See — burd) bie faft ein 3at)r lang bauernbe Serttjetbigung
biefcr berfdjanjten ^ofttion gegen bie bereinigte 9Jtadjt ber ^ranjofen unb ©rau=
bünbtner grünbete $. überhaupt erft feinen 2öaffenrut)tn. SHjm fetber atler=
bing§ genügte fein @rfolg feine§roeg§; er badjte an föücferoberung be§ ben
(Spaniern bi£ auf eben biefen $un£t entriffenen SeltlinS; er roürbe am liebften
an ber Spitze einer füljnen Sdjaar Don einigen taufenb Leitern unmittelbar in
5ran£reidj eingefallen fein unb, bis nad) sJtarbonne ober weiter borbringenb, bie
iljm bertjafjte Nation für itjre „$nfolenj" gepdjtigt Ijaben. Unjufrieben, roenn
er aud) fpäter nodj fid) mit Stotj „^Ijrer fönigt. 93tajeftät ju |>i§panien beftaüten
Dbriften" nannte, »erliefe er bie (Stätte feiner biätjerigen £l)ätigfeit, aU im
^rütjiafjr 1626 ein ffit ben $önig roenig günftiger triebe berfelben ein 3^
fetjte. 2lber fdjon roinfte iljm, rnetjr als frütjer, auf bem Ijeimatljlidjen Soben
ober bod) in beffcn 9tälje bie ©elegenljeit fid) au§3U3eid)nen. 9tod) bebor er
Italien berlaffen, ridjtete er an ben Saiernfürften attö eigener ^nitiatibe fdjrift*
lidje Sorfdjläge , roie ber bamalä in Dberöfterteidj roütfjenbe Sauernauifianb
nieberjuwevfen unb bie üon ben Nebelten foeben belagerte ^auptftabt ßinj ju
entfetjen fei. 2)en ©ritnb biefeä 3lufftanb8 bilbeten bie üteltgionSbebrüdungen
$aifer ^erbinanbs II., roeldjem bie zaljlreidje proteftantifdje ßanbbebötferung bort
im ßanbe ob ber (Jmtä otjnefjin grollte, ba er baffelbe bem bon ifjr aufjerorbent*
lidj gdjafstcn unb gefürdjteten Äurfürften pfanbroeife übertragen tjatte. Guben
burd) tefjtereä Sertjältnifj tarn inbefj ty. mit 5Rarimilian nun roieber in nätjere
Se^ietjungen, wäljrenb er barauf brannte, feinem Äaifer unb ber bon if)tn äielbe=
roufjt erftrebten (Gegenreformation in ben öfterreidjifdjen Siblänbern jum Siege
ju bertjetfcn. Sein Söuufdj, ben «ftrieg gegen bie Dberennfer ju führen, mürbe
burd) perföntid)e Umftänbe nod) erf)öt)t; galt eS iljm bod), jugteiif) mit feinem ©tief»
bater, bem bairifd)en Statthalter ©rafen ^etbcrötoxff in £in3, feiner bort bebrotjtcn
Iftutter unb jmei Sdjroeftern ^u £)itfe ju fommen. 9tidjt ju Ijodj roirb öon ty.
bie galjt, 3U roeldjer bie Slufftänbifdjen angeroadjfen maren, auf 80 000 $ftann
angegeben ; ben Sauern Ratten fid) ^aljlreidje mifcbergnügte Ferren unb SbeEeute
angefd)Ioffen. Sei abtoedjfelnDem 2Baffenglüd roar bie ßage, äumat aud) im
-Spinblid auf ben gleichzeitigen ßinbrud) ^lan§felb§ in <Sd)lefien unb Ungarn
unb auf Setzten ©abor'8 feinbfelige Haltung, eine äufjerft gefdtjrlidje. sJtod)
furj bor ^appentjeim^ Eingreifen fdjlugen bie Sauern ba§ in £)6eröfterreid)
einrücfenbe faiferlidje 6orp§ be§ |>eräog8 s3lbolf bon ^otftein unb bie bairifdjen
ApilfStruppen be§ ©eneral§ Sinblo bi§ jur Sernidjtung. So mar e§ benn bie
näctjfte Aufgabe be§ jungen gelben, ber, bon s]3tarimilian freubig begrübt, in=
ämifdjen (15. Sfuli 1626) fdjon jum bairifdjen ©eneral = 2öad)tmeifter ernannt
roorben mar, aU nunmehriger Sljef ber llnternetjmungen gegen ba3 2anb ob ber
(5nn§ ben Sdjimpf ber faiferlidjen unb bairifdjen Söaffen ^u rädjen, ben (Seift
ber burd) bie 9iieberlagen entmutigten Gruppen mieber aufäurid)ten. Unb ba%
©lud mar it)m rjotb. 3)en x^dnt) burd) eine mol)tgelungene jhiegglift täufdjenb,
mad)te er fid) (Anfang 5fiobember) ben äöeg nad) ßinj frei unb Ijielt, ba ot)ne=
tjin bie Belagerung fd)on aufgehoben mar, unget)inbert feinen ©injug in biefe
Stabt. darauf bereinigte er ligiftifdje unb faiferlidje Siruppen unb ging ofjne
Säumen jum Angriff über. 5Jtit ber Sd)lad)t bei föfferbingen, bie er ben Sauern
am 9. 5lobember lieferte, mürben bie ßeibenfdjaften biefe§ Krieges erft boEenbl
angefadjt. @r felber berichtete, bafe fte fid) nid)t rote 9Jtenfd)en, fonbern roie
I)öttifd)e gurien geroel)rt, bafe fie fid), ofjne aä) ober toel) ^u fagen, Ijätten nieber=
fdtjlagen laffen roie bie .gmnbe. 3öa§ ilt)nen am militärifdjer Lüftung unb
Sdjulung abging, erfetjten fte burd) ben 9Jtuttj unb bie SButt) itjrer Serjtoeiflung.
5ßappenfjehn. 147
9tacr) tjeifsem unb überaus blutigem fingen erlagen fie bennod) bem fambf*
geübten gelbtjerrn, ber, einer ber Sßorberften im -gmnbgemenge, ben ü£ob ber
©djmad) einer nochmaligen 9Keberlage öorgejogen tjaben mürbe. 9lod) ein ^weites,
ja nocfj ein britteS unb ein öierteS treffen — bei ©munben, Sßödtabtud unb
SBolfSed — folgten in ben nädjften öierjerjn Sagen. 5ß. nennt, in feinen
^Rapporten über biefe, bie Säuern rafenbe, Wütljenbe Seftien; niemals, behauptete
er, ein ImrtnädtgeteS unb graufamereS ©efedjt als baS ju ©munben erlebt ju
tjaben. ^ortgefe^t fiegreid), marb er barum nur um fo [toller unb fdjonungS*
lofer. yiifyt genug, bajj taufenbe öon gefallenen Sauern bie ©djladjtf eiber be=
bebten — er lief; jum abfcljredenben Seifpiel bie $öpfe itjrer ,g>auptanfül)rer in
Sinj auf bie üttjürme fteden. Sßerarmt unb öerWüftet lag Dberöfterreid) ba;
aber, öon jeinen ©otbaten befetjt, teiftete eS feinen SSiberftanb weiter; unter=
Worfen unb fdjneE entwaffnet — fo überlieferte ber (Sieger eS bem faiferlidjen
©trafgeridjt. ©eine Aufgabe mar erfüllt unb er 30g (Anfang 1627) öon bannen.
Sebocf bie Srauerlieber ber Sauern gelten, itjn als ben „leibigen Teufel" be=
^eidjnenb, baS Slnbenfen an feine ©djredenSgeftatt lebenbig. —
SllleS SiSljerige ift gleid)Wof)l nur geroiffermafjen ein Sorfpiel ber tief ein*
jdjneibenben SebenStljätigi'eit biefeS fanatifdjen ihiegSmannS gemefen. ©in neuer
©djauptatj bot fiel) itjm nad) furjer gfrift, nad) einem öovübergetjenben ßuge
gegen ben alten ^IJlarfgrofen öon Baben=2)urlad) unb beffen £anb, im nieber*
fäd)fifd)en Kriege bar. SBenn aud) Ziüi) baS .gmupt unb ben gütjrer ber an
biefem beteiligten proteftantifdjen ©tänbe, Äönig (trjriftian IV. öon ©änemarf
bereits bei Sutter a. 35. auf's empfinblidjfte gefdjtagen, bemnacrj einen ©tanb
nacrj bem anberen pr Unterwerfung unter ben $aifer gebradjt, ben ßönig felbft
äum 9tüdjug weit gegen Sorben genötigt rjatte: fo War bei ber |)art*
nädigfeit beS ßefeteren baS @nbe beS Krieges bodj nic^t ab^ufeljen. S)eS ÄönigS
gjlutlj l»ielt nicfjt jum SBenigften ber llmftanb aufregt, ba£ in ben braun*
fdjweigifdjen ßanben nodj anfelmlid)e gefiungen öon feinen Gruppen behauptet
Würben. ^nSbefonbere SBolfenbüttel, ber öorneljmfte äöaffenpla^ unb äugleid)
bie föefibenä beS ^er^ogS unb ÄreiSbirectorS griebrid) Ulricl}, iroüte unter bem
(Sommanbo beS ©rafen öon ©olmS ben anbringenben Sigiften mit jätjer $ürjn=
tjeit; militärifd) unb politifd) Würben itmen öon bort auS nod) grofje Ungelegen*
tjeiten bereitet. Unb fo erfdjien bie düinnarjme äöolfenbüttetS bem .ffaifet ebenfo
Wie ber Siga als ein öor 3lllem bringenbeS ©ebot. ©ie ju bewerlfteHigen, warb
*p. öon £il!t) auSerferjen, als er im siluguft in 9iieberfadjfen eintraf. 5)urd; ben
Gberöfterreidjifdjen ^rieg jur ligiftifdjen garjne jurüdgefüb,rt unb jetjt bem 91n=
ferjein nad) irjr unüerbrücl)licl) treu, burd) ben oberitalicnifd)en ^rieg im geftungS*
fampf geübt unb öoraüglicr) bewährt, war er in XiHö/S |>eer o|ne %xa§e ber
geeignetste, Der rechte slUann an jenem ^ßtaije. 5lnfangS (September begann er
mit 22 ßornpagnien ju ftujj unb 22 ^u ^ferbe bie Belagerung, bie, beinahe
öier sJJlonate wäljrenb, erft ju glücflictjcm (Snbe geführt würbe, nacl)bem er buref)
2lbbämmung ber Oder bie ©äffen unb 9Mrfte ber ©tabt unter aSaffer gefcM
unb baffelbe, ben Griuworjnern i^r ©ewerbe jum ©titlftanb bringenb, in bie 6rb=
gefdjoffe ber Käufer getrieben. 93iS baf)in ^atte ©olm§ in täglichen ftarfen
SluSfätten bie geftung ju ^abbenrjeim'S eigener SBeWunberung öertb,eibigt. ^a,
noefj Weitab öom ©elingen, Tratte biefer eS förmlich als ein ©lud gebriefen, ben
^arnpf mit beS Königs beften ©olbaten ju führen, unb ftet) babei einen eigen*
tpmlidjen, Wie er eS nannte, alt abenteuerlichen ülitterSbraud) gefallen laffen.
„Söenn baS treffen öorüber unb unfere fcfe.WeiBigcn Äöpfe abgewif(|t, fo fommen
Wir bann jufammen auf bem gelb, biScurriren, effen unb trinfen unb lobt ©iner
beS Slnberen ritterliche 2r)aten, als Wenn Wir bie beften ftrcunbe wären; Wenn
Wir bann Wieber öon einanber fetjeiben, getjt eS nierjt ol)ne fröl)lidjeS ©d)armü^iren
10*
148 5Pappen'ljeim.
ab." Güin fo furdjtbarer $einb $• aud) mar: ir)m impomrte her fid) I)clben=
müttjig metjrenbe ©egner im Reiben 9Jtafje, tote er ben aus 9Jtutf)lofigfeit unter*
mürfigen beradjtete. 9ll§ nad) bem $all ber übrigen 5Btät$e enbüdt) aud) 2öotfeu=
büttel fid) nidjt merjr tjalten lonnte, als 2öafferS= unb Hungersnöte bie ^Belagerten
ju partamentiren ätoang, ba betoilligte er, menngteid) erft nad) fdjroierigen S5er=
t)anblungen, in ber Kapitulation üom 18. 2)ecember 1627 ber Sefatmng freien
2lbjug mit alten jolbatifdtjen ©rjren. 5Den ßanbeSfürften ^>erjog ^ricbrid) Ulrtcf;
aber tractirte er r)infort roie einen befangenen, obwohl berfetbe, im (SJegenfatj ju
biefer bänifd)en SBefatmng, bie Uebergabe ber geftung bon bornfjerein betrieben
unb ben lattjolifdjen Angreifern merjr als nötfjig ju ©efallen getrau tjatte. $ß.
faf) hierin e'bm bod) nur eine unaufrichtige unb feige 2)ebotion, rote er benn
überhaupt ben nieberfäd)fifd)en ÄreiSftänben ^Jtifjtrauen unb 9JHf$acrjtung in
gleichem ÜJcafjc jeigte. Sin fül)ner ÄriegSmann, glaubte er über bie Häupter
ber etenben dürften fdjon r)inmegfd)rciten ju bürfen. Unb fein (Geringerer als
ber faifertidje Obergeneral, SQßaÖenftein, beftärfte itjn barin, inbem er, feine
!>anb nad) bem «^eräogtrjum 5Jiedtenburg auSftretfenb, £iHt) baS ftürftentrjum
(Salenberg unb ty. ba§ §ürftentt)um Söolfenbüttel ju bcrfdjaffcn gebaute, äßenn
barin aud) für biefen eine t)of)e Anerkennung lag unb er gleid)fam als ber britte
im 33unbe ber ÄiiegStjäupter erfctjien, fo t)atte SöaHenftein bod) offenbar nod)
feine befonberen 2lbfid)ten. 6r toottte, bie natürliche unb ftetS roadjfenbe 6ifer=
fudjt ber ligiftifd)cn dürften gegen bie Pon itjm pertretene $aifcrmad)t öor
klugen, bie betben gfetbrjerrcn ber ßiga feiner ©actje unb feiner ^ßerfon fobiet
als möglich berpfltdjten, fie in geroiffem 'JUtafje bielteid)t fdjon ju fid) t)erüber=
jjierjen; er toottte auf Soften beS reid)Sfürftlid)en *ßrincipS eine bis barjin un=
bekannte ^Jlilitärariftofratie unter ber eigenen Aegibe erridjten. hieben ber 33ec=
brängung ber ^erjoge bon 2fterfleuburg märe aud) bie ^Befestigung beS £>erjogS
bon Sraunfcr)toeig=28olfenbüttel, auf roeldje Stittb/S unb 5pappenr)etm'S (Srtjötmng
begrünbct merben follte, ein entfdjiebener 6d)lag gegen ben ganjen angeftammten
9ieid)Sfürftenftanb mit Grinfdjlujj ber ßiga getoefen. 2Beit entfernt nun ätoar,
in Söallenftein'S ©inne bie Siga fränfen ju mollen, ging ty. bennod) um fo
begieriger auf baS anerbieten beS laiferlicrjen ©eneralS ein, als eS feiner perfön=
lid)en Gül)rfud)t in Ijotjem ©rabe fd)meid)elte. Snergifd) arbeitete er, bon SBallen=
ftein aufgeftadjelt, auf bie 2led)tung unb 2lbfeijung jenes bon itjm für unfähig,
falfd) unb treulos erflärten dürften t)in unb liefj fid), im eigenften ^ntereffe,
3U einem fdjlimmen ^nquifitiongbcrfa^ren miber iljn gebraud)en. ^riebrid)
Ulrid) foKte, tro^ feiner notorifc^en ^aifertreue, mit -gritfe erpreßter 3eu9en=
auSfagen burdjauS ju einem S3errätrjer geftempett merben. 6§ bemeift ^appen^eim'S
@ifer, bajs er, al§ 5präfibent ber Unterfudiungöcommiffion, nacr) einem mie eg
fcrjeint enblofen unb bod) ba§ geroünfctjte 9iefultat nicrjt böEig r)erbeifüt)renben
^nquiriren fid) in ^ßerfon an ben faiferlictjen $o\ begab , um ben 9teicr)§=
Ijofratt), beffen nominelles 9Jtitglieb er immer nod) geblieben mar, für feine
Intentionen ju geminnen. ^n biefem 3eitraum fcrjeint er felbft nocr) einmal,
feines ehemaligen SerufS gebenfenb , fid) in erfter Sinie als Surift gefütjlt ;\u
t)aben, fo überaus berbäcrjtig immer feine 2^ätig!eit mar. 3)ie nac| ber @r=
oberung SBolfenbüttetS einer längeren Srljolung fetjr bebürftigen Gruppen Tratte
er Söinterquartiere in ber Ottmar! be^ieljen laffen; bort aber blieben fie aud)
nod) im folgenben unb fogar im nädjftfolgenben (Sommer (1628, 29) liegen.
2öor)t entfprad) feinem unermüblidjen £r)atenbrang biefe ^nactibität am menigfien,
ja mit großem Sßerbru^ empfanb er iljre lälimenbe SBirfung. 2)er 5Dänenfönig
ijiclt bie SBaffen aufrecht, aber bie S5erljältniffe bradjten eS mit fid), bafj junäc^ft
nur gteictjfam ein Ijalber Ärieg, ein fdjleppenber ^eftungSfrieg geführt mürbe,
ber bie tatrjolifdjen ©treitfräfte ju jerfplittern unb ju ermüben brorjte. SCßo^l
^appenfjeim. 149
marb audj für biefen -ftrieg *ßappenb>im'i (Jrfatjrung unb Xfjatfraft in Stnfprud)
genommen. Söattenftein fetBer bat itjn öon Silin, fidj aus, um bie tjolfieintfc^en
^Hätje ©tüdftabt unb Ärempe au recognosciren unb fein ©utadjten betreffs irjrer
^eftigfeit foroie ber Sluifidjten auf itjre ßinnacjme abzugeben, ty. ttjat biei im
(September 1628 unb beroirfte bamit nid^t jum SBenigften ben jtoei Monate
fpäter eriotgenben ftaU öon Krempe. Sei alle bem, unb obmoljl audj Stillt; itjn
miebertjolt bie untere Grlbe unb bie ^)äfen an ber 5lorb= unb Dftfee recognosciren
tiefe, befanb fidj ty. bodj nidjt in öoller freubiger SBirffamfeit. (Ss mar, all
wenn bie Stufgaben itjm nidjt metjr genügten, unb jebenfatti meinte er nun 2Jcufje
genug übrig p tjaben, um fein iuriftifcb/politifdjei ^ntriguenfpiet gegen Den un=
gtfitftidjen ^per.jog öon SBraunfdjmeig in $rag unb in Söien perfönlid) roeiter ju
öerfotgen. ßinen Urtaub, ben er fxcf^ öon 2ittt) angeblidj ju einer neuen Steife
nadj Italien erbeten, benufcte er im grübjarjr 1629, otme fidj über 2öien tjinaui
ju begeben, tjauptfädjtid) ju bem oben ermahnten Qxotd. Seine unb in biefem
*ßunft 3ugteicr) SSatlenftein'i Srmartung mürbe nidjtsbeftomeniger getäufdjt. *ß.
brang mit ber Slnftage gegen ^riebridj Ulridj nidjt fomeit burdj, bafj beffen
Slbfe^ung auigefprodjen tourbe. SGßeber ber Oreidjstjoiratrj nodj ber ßaifer fetbft
mottten itjm Slnfprüctje sugefterjen, mie fie nur ber faft attmädjttge Söaüenftein
für feine s$erfon allein ergeben burite. £ittt) mar aber überhaupt ju etjrlidj unb
ju uneigennützig, ali bofs er ben gemattttjätigen Sturj eines SReidjiTürften ali
©taffei ju eigener ßrrjebung gebraucht tjaben mürbe. $a, faum erfannte er bie
matjre 2lbfidjt öon ^appentjeim'i 2lufenttjatt in SSien, all er burdj ein marnenbei
Schreiben an ben i?ur?ürften öon S3aiern bie $ntrigue öollenbi jjerftörte. 9Jcari=
mitian etjrte ^3. aufjerorbentlidj ; fdjon im September bei öergangenen ^atjrei
fjatte er ben nod) jugenblidjen 9Jcann jum ligifiifdjen ©eneratfelbjeugmeifter er=
nannt; aber niemals mürbe fein £>ocjeitigeTüt)t unb feine reidjsfürfttidje Kollegialität
bai, mai Ijier im äßerfe mar, gebutbet tjaben. „$n bem £one einei erzürnten
©ouöerainl" öerroiei er *ß. (Slprit 1629) fein eigenmädjtigei 3nquifitioni=
öerfacjren — unb bai «Spiel mar aui. 2öie fetjr ben etjrbegierigen (Streber bai
9JUf$tingen nad) foöiet 5Jtütje unb 2lr6eit öerbrofj, läfjt fictj rooljt audj baraui
erfefjen, bafj er fofort mieber baran backte, bie bairifdj=Iigiftifdjen 3)ienfte mit
ben fpanifdjen ju öertaufdjen. ©eine Untertjanbtungen mit bem föniglidjen ©e=
fanbten in SBien führten tnbefj ju feinem QieU. ©enöttjigt, auf feinen ^often,
nad) feinem Hauptquartier ©arbetegen 3urücfäufeb/ren, nätjerte er fidj bagegen in
ber 5olge um fo merjr feinem grofen (Sönner 2ßaHenftein, beffen ©lanj an unb
iür fidj ben befdjeibeneren Xxüt), mie inigemein, fo jumal in ^appenfjeim'ä
Slugen öerbuntetn modjte.
SCÖiber fein 53ermutt)en madjte ber nunmetjr mit S)änemart gefdjtoffene
triebe bem beutfdjen ßrieg nodj immer fein @nbe. S)a8 gleidj^eitig öom «ftaifer
erlaffene Steftitutionsebict mar nur ju geeignet, bie 31ammen. auc^ te0 1^e fdj°n
im ßrtöfdjen begriffen, auf'§ Dceue anäufacljen, mäljrenb äöaüenftein auf eigene
gauft, burdj bie in fdjroffer gorm geftettte gorberung einer ftarfen ßinquartirung
bie auf iljre Breitseiten tro^ige ©tabt 2ftagbeburg in einer SBeife proöoeirte,
rnetdje bort an ber 6lbe einen überaus erbitterten Stofabefrieg ^ur ^olge tjatte.
Unb mieber gab biefer i?rieg bie ®etegentjeit, bie ^nteröention ^appentjeim'g
rjerbeiäufütjren. SBaltenftein bat itjn, mit einem Jtjeil feiner Gruppen, fidj nodj
einmal öon ütittt) au§, um 5Ragbeburg jur 9}adjgiebigfeit 3U bringen. ©et)r
matjrfdjeinlictj, bafj ^., auf feine fortificatorifdjen Ä'enntniffe unb metjr nodj au?
ben Gffect feiner erprobten Setagerungifunft bauenb , bie Stofirten buref) 9lb=
graben bei @l6ftromci ebenfo ju bejmingen bjoffte, mie er bie in Söolfenbüttel
^Belagerten burd) Stbbammung ber Oder bejmungen tjatte. 318 aber friegerifdje
Sermidtungen ringi um bie ©renken bei beutfdjen 9teidji, befonberi ber in
150 5ßappent)etm.
statten mieber aufgebrochene unb bcn $aifer je^t in unmittelbare 9Jtitleibenfcr)aft
jiet)enbc ihieg bem ©eneratifftmuS bringenb ratsam erfdjeinen liefen, ben ©heit
mit ütagbeburg burd) gütliche 35ert)anblungen, menn aud) oortäufig nod) mit
2lufred)tert)attung feiner gorberung beizulegen, ba beftimmte er *ß. fogar junt
biplomatifdjen griebenStoermittler. SDtcfer iebod) meinte motjl, aU er im ©ep=
tember ju Älein = Otteröteben mit ben ftäbtifdjen ©efanbten äufammenfam, aud)
fetjon burd) bejüglidje 2)rotmngen mit Sßorten unb 2>emon[trationen baS gemünfcrjte
3iel erreichen ju fönnen. @r tootlte, berfidjerte er iljnen, fidj ben J?opf ämifdjen
bie giij$e legen laffen, menn er nidjt binnen öier^eiin ülagen burd) 9lbftcd)ung
beä SBafferS u. f. m. bie ©tabt erobert tjaben merbe. Gittern er täufdjte fid)
über bie 2Biberftanb§fät)igfeit ber SSürger, roetdje, fetbft nidtjt <mr fieiftung einer
größeren 9lbfinbungäfumme geneigt, mit täglid) roadjfenber Srbitterung burd)
füljne üeräroeiiette Sluefätte benen bon SBolfenbüttel e§ nadjpttjun beftrebt
Waren. 2)a liefj SBallenftein, bei Söeitem Weniger opttmifiifdj als $., feine 3ln=
fprüdje fallen, unb unter Sebinguugen, bie 9tiemanb fdjmeralidjer als biefer mie
eine 9tieberlage empfinben mufjte, erfolgte <ju Anfang October bie 2lufr)ebung ber
Sßlofabe. Äein groeifet, ba& ^P- feitbem einen unberfötjnlidjen ©roll gegen baS
„tjodjmütljige'' 9Jtagbeburg im .£>er<jen h'u9- 3nbefe, bie anbermeitigen S3er=
midlungen unb Söirren, berentmegen eS einen fo günftigen Rieben ertjalten, be=
rütjrten unabmenbbar aud) feine ©eele immer ftärfer — neben ben italteuifdjeu,
unb metjr bereite als biefe, bie nieberlänbifdjen. 33on iet)er Ijatte er bie -gmllänber
als bie Nebelten beS ÄönigS öon ©panien unb als bie Patrone aller beutfdjen
Gebellen berabfdjeut, unb ietjt mufjte er fetjen, mie biefclben burd) ein paar
gtän^enbe ©iege unb Eroberungen, bie fie bamatS über bit ©panier babongetragen,
eine Uebermadjt unb einen uebermutt) gemannen, bebrotjtid) nid)t allein für
^Belgien, fonbern für 9ttjeintanb--2Beftfaten, für ganj ^lorbroeftbeutfctjlanb. 9iadj=
rieten über sJtad)ridjteu trafen in Sepg auf i^re 33eroegungen unb beimeintlidjen
2lbfid)ten gegen Snbe beS laufenben unb im grütjiarjr beS nädjften $ar)reS (1630)
ein, bie, fo übertrieben, ja fo rmtlfürlid) fie aud) maren, ty. mit mad)fenber
SBeforgnifj unb öerftärftem ^ngrimm erfüllten. 2)a entmarf er, nod) in feinem
altmärfifdjen Hauptquartier ©arbelegen, 5ßläne, bie nad) feiner Sßerftdjerung
innerhalb eineS SafjreS p bölliger Unterbrüdung Jene§ „auftoiegteriferjen" 35ol!eg
fürjren mußten unb Welche, bem Äönig öon ©panieti überfanbt, öon ßejjterem
fo ernft genommen mürben, bafj er ben ligiftifti)en (Seneral um {eben 5ßrei§ an
fiel) 3U feffeln toünfcrjte. SGßocjl mürbe s$. felbft nunmehr lieber benn je fiel) ben
©paniern geroibmet unb irjrer ermattenben ^rieg§füt)rung frifetje ^mpulfe gegeben
Ijaben, menu nicl)t in näctjfter gut fcljon neue aufjerorbentlicrje Aufgaben auf
beutfct)em ©ebiet an ü)n Ijerangetreten mären. S1001-' nur nebenfädjlidjj erfetjeint
eS, roenn ber Äaifer burcl) eine Stete öom 20. 2Jlärä 1630 it)n nebft einigen
anberen gtauben§eifrigen Männern <jum Gjecutor be§ 9teftitution^ebict§ in ben
Stiftern ^Dcagbeburg unb «^atberftabt mit ber befonberen ülenbenj, feinem Sotjne,
bem (Sr^erzog Seopolb SBilljetm, bie -gmtbigung al§ 6rjbifcl)of unb SBifdjof bort
ju ermirfen, beftimmte. gerbinanb II. fannte unb roürbigte bie mit ber |>in=
gebung an bie fattjolifcrje Äirctje eng gepaarte $aifertreue 5pappenl)eim'§ ; nidjt
meniger jum S)anl für biefe alä pr iBelo^nung feiner militärifd)en ßeiftungen
tjatte er U)n, ben bi§t)erigen $reir)errn, bereits am 19. sJJtai 1628 in ben 9teid)S=
grafenftanb erhoben, irjm au|erbem aucrj eine reierje Dotation an (Selb unb (Sut
pgemiefen. £)^ne iljn ber ßiga ent^ieljen ju moEen, mar er überjeugt, auf $.
ftet§ üornerjmlict) rechnen ^u bürfen. S)a^ er in bem l)ier öortiegenben galt fid)
täufdjte, mar gleidjmo^t nur feine, be§ Äaifer§ eigene ©djulb. Sm ^rineip ftanb
$. mit ü)m burdjau§ auf bem SBoben jeneg ominöfen @bict§; ba§ 9tect)t unb
bie ^flid)t, bie geiftlidjen ©üter öon ben Äe^cm äurüdpforbern, mar aud) für
^appenfjetm. 151
$. über jeben Steifet ergaben. Man muffe, fagte er im ^inblicf barauf, ben
Sßaum mit ber Sffiurjel ausgraben. 2lber fo einfidjtig zeigte er fid) bocfj, baß er
gerabe be§l)alb bie 9totr)menbigfeit betonte, günftigere 3"ten abjumarten unb,
anftatt immer neuer Sermieflungen, erft ein großartiges allgebietenbeg Ueber=
gemid)t ber fattjolifctjen 2öaffen in S)eutfd)lanb ju fäjaffen, mie e8, trofe ber
öorauSgegangenen (Biege, 2tngeficr)t§ ber öon außen brorjenben ©efatjren feines*
roegS öortjanben mar. Söärjrenb er (Mai 1630) fid) nur öorübergetjenb an ber
„Stpörefjenfion" beS StifteS ^atberftabt im Flamen beS $aiferS unb beS @rz=
tjerzogS beseitigte, enthielt er, nod) burd) bie ^oüänber nactj 2öeftbeutfd)tanb
abgezogen, fid) gänzlid) ber itjm für baS 61-3= unb ^rimatftift Magbeburg an=
getragenen ßommiffton, fo baß ein anberer tjöfjerer Dfficier tjiermit betraut
merben mußte. 23alb jcbod) natjm bie folgenfdjmere, öon itjm längft geafjnte
Sfnöofion ©uftaö 9lbolf'S feine Slufmerfjamfeit, nahmen bie friegerifdjen @r=
Hebungen, bie fte in sJiorbbeutfd)tanb fjeröorrief, feine JMfte öötlig in Slnförud).
Somie überhaupt nun bie tjottänbifdje ©efatjr öon ber fdjroebifdjen überflügelt
mürbe, trat naturgemäß für 5p. baS ©ebot, fid) eben biefer entgegenzustellen,
ganz unb gar in ben 35orbergrunb.
2)er $lan beS SdjmebenfönigS, ben ftrategifd) unb öolitifct) ü6erauS mistigen
(Stbftrom zu gewinnen, itjn fomeit als möglich bem j?aifer unb ber 2iga zu öer=
fctjließen, mäfjrenb er felbft fid) in ben Gftfeefüftenlänbern Schritt für Sdjritt
erobernb feftfetjte, fanb bie eifrigfte llnterftütuing öon Seiten beS <£>erzogS $ranz
Äart öon £auenburg unb beS ehemaligen 9lbminiftratorS Stjriftian SBiltjetm öon
Magbeburg. ©rfterer bemächtigte fid), nadjbem er einige taufenb Mann 311=
fammengebracfjt, im (September ber Stäbte Soitjenburg, Sautnburg unb 91eur)auS
an ber unteren (Slbe. Setjterer fjatte fictj fdjon im 2)orauS insgeheim in Magbe=
bürg eingefd)lid)en, biefe nodj unter bem tjerben (Jinbrucf ber Söatfenftein'fdjen
Slofabe ftefjenbe, baju in golge beS föefiitutionSebictS tief erregte Stabt mit
£)itfe füfjner SDemagogen feinem Sßillen im Flamen beS Königs untertoorfen,
barauf unöermeilt bie gatjne be§ SlufftanbS erfjoben unb in übereilten SluSfätten
ebenfo leiste mie öergänglidje (Eroberungen ringsumher im (Srzftift gemadjt.
2Bät)renb bie $aiferlid)en, immer ftärfer fjcrbeiziefjenb, einen 5]ßla^ nad) bem
anberen itjm roieber abnahmen unb bie lätmenbe .gmuötftabt fetjon mit einer
neuen 23lofabe bebrotjten, erbat fiel) ty. öon ütittrj bie (htaubniß, mit mud)tigen
Schlägen über ben £>erzog $ranz j?arl tjerzufallen unb feiner Unternehmung ein
fdjleunigeS @nbe zu bereiten. So jtoang er itjn benn (Dctober), bie bezeichneten
$lä|e ju öerlaffen unb auf SKatjeburg zu retiriren; bort natjm er itjn, al8 er ju
Scrjiffe öon bannen flüchten mottte, noerj rechtzeitig gefangen. Mit feiner erfolg=
reierjen geftfe^ung im Sauenburgifdjen gemann er aber felbft nun einen Soften
an ber @lbe, burd) metetjen er bem -ftönig ben ^aß nactj Magbeburg fjinreictjenb
öertegte unb ben Slufftanb be§ 2lbminiftrator§ ifolirte. S)od) blieb er auf falbem
SSege um fo roeniger fielen, als ©uftaö Slbolf injmifcrjen einen feiner erften
Officiere, feinen ^ofmarfcrjaE gatfenberg naef) Mogbeburg gefanbt tjatte, um
mit llmficrjt unb Energie bie Ceitung biefeS Sluiftanbi zu übernehmen unb ba§
alte SSoHmerf be§ 2utt)ertr)um§ reerjt zur iöafiS feiner eigenen Döerationen ju
maetjen. 5]ß. ertannte fofort, mieöiel öon MagbeburgS Scfife für ben fdjroebifd)=
beutfetjen ^rieg abtjing. S)a§ ^unbament be§ ganzen Krieges nannte er eS unb
er mar überzeugt, baß mit biefer $efte ber $önig ftetjen ober fallen mürbe.
Strategifcrje unb öolitifctje, religiöfe unb perfönticb,e ©rünbe ließen, in @in§
gteidjfam zufammenfließenb, it)n mit Regier bie gü^unQ bc§ Wampfes gegen
Magbeburg etftreben. (Srzfetjer unb (Jrzrebelten maren itjm bie 33ürger, bie er
überbie§ nacr) ber öergeblid)en unb, mie er mußte, nur ber auSroärtigen atf=
gemeinen ©efatjren megen aufgetjobenen 33(ofabe öon 1629 je^t nactjträglid) zu
152 üpappetirjetm.
bemütljigen unb ernftlid) ju äüdjtigen gewillt War. ©efjr begreiflidj, Wenn unter
folgen llmftänben XiUt) bem eben bamalg (im ©pätfjerbft 1630) jutn ligiftifdjen
gelbmarfdjall ernannten *ß. bag erfefjnte ßommanbo mit Vorliebe anbertraute.
Slttein, bei SBettem mutanter, al§ er erwartet, fanb ßefeterer bie Aufgabe,
gjlagbeburg ju nehmen, 9cadj einem gtüdlidjen 2)ebut gegen ba§ ©täbtdjen
9ceurjalben§teben, ba§ er ben 'Slufftänbifdjen ju beren fernerem ©djaben fd^nelX
entriß, fd)loß er mit beginn be§ neuen 3>arjre§ (1631) bie Metropole ein, fo
gut e§ ging , jebodj ofjne 2lu§fidjt auf balbige Eroberung. S)enn nid^t bloß,
baß Xillt), nad) ber Slbfefeung äöattenftein'S jefet ber oberfte ftelbljcrr audj ber
$aiferlidjen, mit ber großen .gmubtmadjt ber combinirten Armeen gegen ©uftab
Slbolf birect in'3 gelb rüden unb baljer $. cor Wagbeburg mit nur mäßigen,
gegenüber ben weitläufigen Anlagen tiefer fteftung jebenfattä ungenügenben Gräften
jurttdlaffen mußte. 2lud) ber lange anf)altenbc SBinterfroft erfdjwerte ungemein
bie nötigen ©djanjenarbeiten im ^etbe, bie Vorbereitungen ^ur Belagerung.
S)er neue ftelbmarfdjatl, ber <ju biefer ocjne Umftänbe übevjugerjen geWünfdjt
t)ätte, fat) fid) benn in ber £t)at bortäufig unb für unberechenbare 3eit auf eine
nochmalige Vtofabe befdjräntT. S)ie ©iferfudjt bee faijerlicrjen ©tattrjalter£ im
(haftift, be§ (trafen SBolf bon $ftan§felb, trug nur nod) met)r pr Hemmung
feiner Bewegungen bei. 3a, Xitlt) warb, jum Wadjtljeil für ba§ Vorhaben unb ent=
gegen feiner urfprünglidjen 9lbfid)t, au§ tjöljeren politifdjen 3tüd|'id)ten genöttjigt,
ba3 Gommanbo bor 9ftagbeburg jroifdjen ben beiben Güfjrgeijigen du tfjeiten; er
trjat e§, inbem er bem ©inen ba§ redete, bem Slnbern baä linfe ßtbufer 3uwie§.
S)er feinblidje ©egenfafc ber beiben troijigen Stjaraftere ließ aber wenig (Sute8
erwarten, wie benn bon einem gemeinfamen Vorgehen faum bie ütebe mar.
2öätjrenb $Ran§felb'§ langfame Vebäd)tigfeit ty. jur Verzweiflung bringen fonnte,
badjte biefer feurige, übereifrige Krieger roiebertjolt woljt baran, ben ©türm auf bie
äöätle unb dauern auetj oljne bie unentbet)rlid)ften Vorbereitungen unb ©idjer=
l)eit§maßregetn, mit feiner unjureidjenben ©djaar zu wagen ; nur ü£iltb/§ Verbote
gelten itjn babon «jurüd. Vergeblid) fud)te ber llngebulbige bann roieber gfalfen=
berg burd) großartige Verheißungen unb Veftedjungen auf feine ©eite 3U atec^en ;
er mußte, bon irjm abgemiefen, fid) eine fdjnöbe Antwort gefallen laffen. ^m
Uebrigen waren e§ ebenbürtige ©egner: galfenberg in ber Verttjeibigung gleid)
unermübtidj unb tüchtig, roie ty. im Angriff, in ber — wenn aud) bloß bar=
tiellen — Umzingelung bei bon ben ©täbtern befehlen £errain§; ^etiler beging
freiließ biefer wie jener. Unter fo bewanbten Vert)ältniffen würbe inbeß bie
Vtofabe ber reidjlid) mit 2eben§mittetn berfeljenen ©tabt fid) bteüeicrjt enblo§
Ijingejogen l)abcn, Wenn nic^t ZiUt}, ben $. fd)on ju Slnfang 5Jlärj gegen bie§
„Centrum mali" tjerbeirief, fid) einen 5ftonat fpäter mit ber gefammten ^>eere§=
madjt bortt)in gewanbt l)ätte, nac^bem er fructjtlo§ bemüht gewefen, ben ^önig
jwtfdjen Ober unb (Silbe jum ©tetjen wie jum ©dj tagen ju bringen. Unb jetjt
erft änberte fic^ bie ©ituation ; S)anf biefer Uebermadjt, bie binnen Äurjem bie
$at)t bon 30 000 ^Rann erreichte, fonnte ber f5elbmarfcrjatt, ber unter ben Slugen
be§ Dberfelbljerrn fcfjnett bie wid)tigften SlußenWerle ber £$feinbe erftürmte, in
ben erften Sagen be§ ^JJtai bie förmliclje Belagerung beginnen. 2öol)l fdjmerjten
itjn bie Verlufte, bie ©uftab 2lbolf in ber 3TOifct)en<jeit ^e" Äaiferlidjen an ber
Ober jufügte, unb in gar trüber ©timmung beftagte er bitter bie burd) feine
fürftlid)=ligiftifd)en Sperren im ungeeignetften 3fitpun!t bewirlte @nttaffung 2öatten=
ftein'S al§ bc§ ©innigen, beffen jwingenbe Slutorität ba§ Untjeil ju bertjüten im
©tanbe gewefen wäre. Slber bie Veforgniß, baß ber Äönig mit ert)öf)tem ÜJluttje
jum ßntfa^ ber Ostbfefte herbeieilen werbe, berbobpelte aud) ^abbenfjeim'ä großen
ßifer. ^n SiEb'S £)eer bilbete fein früheres VtofabecorpS, ba§ er in täglichen
©jercitien ju einer ^Jtuftertrupbe tjerangebilbet, ben eigentlichen ^ern ; unb Wätjrenb
^afcpenfjetm. 153
er jefet Saufgväben anlegte, Batterien errichtete, unter unauftjörlidjem Sdjiefjen
fidj in bie geftungiwätle eingrub, bereitete er betreibe ftünbticf) auf bie blutige
ßntfctjeibung, auf ben narjen ©türm cor. %\Kt) fctjwanfte, ob er einen fotdjen,
elje nod) Brefdje gelegt, wagen ober ob er öor bei $önigi broljenbem 2ln=
marfd) bie Belagerung aufgeben foltte. % war ei, ber biei tiert)inberte. ©rofje
Borttjeile auf feiner, ber 9teuftäbter Seite tiefjen it)n atlerbingi bie anberweitigen
Scrjwierigfeiten, jumal bie auf ber Subenburger, wo fein Stntipobe ^Jcanirelb
befestigte, mit gewohnter 9tüdfict)tilofigfeit überfeinen, ^rnmer beibt bie gr=
ftürtnung 9ftagbeburgi am borgen bei 10. 20. 9Jtai redjt eigentlid) Rappen*
tjeim'i 2öerf unb, bom Stanbpunfte feiner Partei aui, fein Berbienft. llngeredjt
hingegen ift ei, wie nodj bleute fo t)äufig gefdjierjt, ben Eroberer ali ben gerftörer
biefer Stabt ju branbmarfen. S)a nadj ber (hjteigung bei äöattei, bie in 2öirf=
lidtfeit eine lleberrumptung mar, ein erbitterter SBibetftanb öon Seiten galten*
bcrg'i folgte unb im näd)ften Moment Slttei auf bem Spiele ftanb, liefj %., um
burdj BerWirrung ber geinbe biefen äöiberftanb ju brechen, ein paar Käufer am
2f)atort, bei ber ipofjen Pforte in Branb fteefen. Niemals geleugnet unb all
taftiferje ^a^reget meber unerlaubt nod) an fid) auffällig, t»at biefe £anbtung
gleid)Wol bem gtüfjenben $a§ ber magbeburg=fd)Webifcf)en Partei gegen irjren
grimmigften oranger offenbar ben eigentlichen BorWanb p ber ferneren 91nftage
gegeben, bafj er aud) bie nad)folgenbe umfaffenbe Branbftiftung, bie totale 3ere
ftörung ber Stabt planmäßig anbefotjten tjabe. 2öie fid) für testete aber eine
anbere Urtjeberfctjaft nadjweifen täfjt, fo täfet fid) aud) behaupten, bafj 5p. mit
%\üt) firategijdje unb aufeerbem nod) ftarfe pexfönlidje Srünbe tjatte, bai befiegte
9ttagbeburg ali Stabt unb geftung ju erhalten. SBotjl tjatte er, wie gefagt, ei
erobern motten, um bie Bürgerfcijaft ju 3Üdt)tigen, ieboctj nid)t weniger aud), um
ei p befttjen unb feinen Befitj eben ber großen Partei, für bie er fämpfte,
fomie fid) felber bauernb nutzbar p machen, %a, je nätjer er toäb.renb ber mütj=
fetigen Belagerung feinem gide tarn, um fo entfcrjiebener mar, ba er nad) feinen
eigenen SBorten in feinem ^ntereffe burd)aui nidjt blinb fein wollte, fein äBunfd),
fid) Dom ßaifer $aV unb ©ut ber 9täbetifütjrer pr Belohnung f dienten p
taffen. Stuf einer fdjwaraen Sifte tjatte er Sajwertt) unb ßinnatjmen bon bürger=
licrjen ©ütern, auf einer aubern bie „p confiieirenben £errlid)feiten ber Stabt",
itjre Regalien unb Steuern, fo bai „gifeamt", bai iätjrlid) 30—50 000 Später
einbrinaen müfjte, ben Brüdenjoll mit 4000, bai gätjramt unb giegelamt mit
metje ali 20 000 Stjalern, in Summa Dbjecte, bie „wotjl auf eine Million ©olbei=
wertt)" Derjeidjnet. lieber Slllei biei hoffte $., ber aud) Burggraf öon ^lagbeburg
merben mollte, in ^ufunft ttjeiti für \id), ttjeiti für bai gemeine Söefen biiponiren
äu tonnen. Unb fo erftärt ei fidj benn aud), wenn er in feinen Berichten, ben
Sieg über 9Jtagbeburg mit lebhaftem grotjloden fdntbernb, im 2;one tt^> Be=
bauerni fortfuhr, bafc bie bieten — wie er überzeugt War, öon ben Bürgern
angestifteten — geuer „in wenigen Stunben biefe fdjöne Stabt mit aü it)rem
großen 9kid)tt)um in bie 5lfdje gelegt". @r empfanb bai mit Xillö ali einen
„ex malitia" geführten Schlag, ot)ne im erften Moment, neben ben materiellen
Bertuften, bie feiner Partei in ftrategifct}er ^)infid)t fo überaui fdjäbtidjen 5ÖJir=
fungen ber 3erftörung fdtjon ganj ju überfein. xiEn'i fetjarfer ftrategifdjer
Blid rettete bie mit irjrem Sieg in arge Bertegentjeiten geratene 3lrmee öor
bem Berberben, in welche 5pappent)eim'i Befangenheit unb gleidjjeitig feine 2oH=
füfjntjeit fie gcftürjt tjaben würbe. S)enn nid)t, wie biefer wollte, fiel jener mit
einfeitiger Sluibeutung bei Sd)redeni ber Eroberung unb otjne 3lücfüd)t aur ben
Sd)Webenfönig alibalb über bie Seipjiger Sdjlufcüerwanbten, bie ftart rüftenben
proteftantifdjen Stänbe in TOtelbeutfdjtanb f)er. Xillö'i Slmmerffamfeit blieb,
mäb^renb er fict) aüerbingi in bem Perwüfteten unb fämmtlicb>r Borrätt)e babureb
154 ^appenfjeun.
beraubten ^ttagbeburg mit feiner -gmuptarmee nictjt Ratten tonnte, <jwifcr)en ben
Stänben unb bem Äönig mit jwingenber Wottjwenbigfeit gettjeitt. llnb ^. felber
gab ifjm nact)r)cr Dtectjt, at§ er, auf tjalbem Söege, aus Stjüringen nacr) ber (£lbe
mit etwa 7000 9)lann jurüdgefctjicc't, in ben elften £agen be§ ^u(i gerabe noct)
jur 3e^ *m 9ftagbeburgifel)en wieber anfam, um ben im Vorbringen begriffenen
Sctjmeben «"palt ju gebieten unb mit bem (Svjftift 3ugleid) bie aucf) nactj ber
gerftörung als @tbpa§ tjödjft bebeutfam erfctjeinenbe ^auptftabt ju becfen. ©uftaö
Slbolf Würbe, wenn XiUt) fid) Poreilig mit ben unbotmäßigen Stänben in
Stjüringen unb Reffen, bem urfprünglictjen SBunfdje ^ßappenrjeim'S entfprecfjenb,
gemeffen unb in Ärieg Perwicfelt tjätte, 9taum unb 3"* SU ber midjtigften, burd)
bie 3erftörung ungemein erleichterten Eroberung unb ^eftfe^ung am Slbftrom
gewonnen Ijaben unb ber faiferlid)==tigiftifcr)en Streitmactjt barauf unfcrjmer in ben
9tücfen gefallen fein. Sctjnelt befetjrte fict) ber $etbmarfct)all ^u ber befferen
ßinfictjt beS g>öcf)ftcommanbirenben. 9lber freilief) , im ferneren Verlauf ber
2)inge fonnte ber (Sine fo wenig roie ber Slnbere bem genialen fönigli&jen f5elb=
fjerrn in feiner feften (Stellung ^u Sßerben beifommen, fonnte deiner perljinbern,
bafj berfelbe über itjte Häupter fjinweg mit 33ernt)arb Pon Söeimar, mit SBiltjelm
Pon Reffen unb öor Gittern bann mit bem ^urfürften 3ot)ann ©eorg Pon «Saufen
bie folgenreichsten 33eäier)ungen fnüpfte. S)er Einfall ber beiben fattjolifdjen
Generale in baS $urfürftentt)um, bie Güinnatjme Pon sJfterfeburg unb ßeipjig
(2lnfang unb 9Jtittc (September) fanb ftatt, als baS fd)roebifctHäcl)ftfcr)e Sünbniß
bereite befdjtoffen unb unabänberlid) mar. $. nannte nun jtoar ben Äurfürften
Perbtenbet, bebauerte it)n fcljeinbar, baß er feines ßanbeS llnglücf unb 0tuin nict)t
fätje, unb mar in äöirftictjfeit über biefe Sßenbung tjoct) erfreut, ba tjicrmit baS
gute 9ted)t äum Singriff auf Sactjfen gewonnen mar. Setbft aber ein S3er=
blenbeter, zweifelte er feinen Slugenblicf, in ber bePorftetjenbeu $etbfct)tact)t ben
Sieg baoon^utragen. $a, mit Perroegenem ungeftüm, bureb, eine Perfrütjte unb
fef)r bebenftidjc (SaPatterieattaquc befctjtcunigte er am 7., 17. September in ber
Sbene Pon Seipjig eigenmächtig bie Sct)lacf)t, bie, Wenngteict) unPermeibtict), Pon
Jillt) bennoct) bis jum (Eintreffen ber ermarteten Verftärfungen Perfcfjoben morben
märe, llnb meljr noct), er jmang baburcr) ben Dbcrfelbf)errn, eine trefflict) ge=
wätjtte, Portfjeiltjafte 5)3ofition ju Pertaffen. 2öetm man *p. barum auet) nod) nidjt
bie .gmuptfdjulb an bem Vertufte biefer «g>auptfcJ)la(^t jufctjreiben barf, fo ift fein
Verfahren Pom militärischen Stanbpunft auS bod) überaus tabelnSwettt) gewefen.
(Einigermaßen fütmte er feine Sctjulb, inbem er, Söunber ber Xapferfeit Per=
rict)tenb unb ber Setjte auf bem Sd)lacr)tfelb, bie Dtefte ber ©efcfjlagenen fammelte
unb rettete. Sein 9tüccjug nacl) ^alberftabt Perbient fo tjinmieber ba§ größte
£ob. llnb einen neuen Stutnnegfranj floctjt er fiel), at§ e§ in ber nun folgenben
(£pocr)e, mäb^renb ©uftaP Slbolf'ä unaufhaltbarem Sicge^ug nacr) bem 9it)ein unb
naef) Dberbeutfctjlanb barauf anfam, in 'DUeberfacfjfen unb Söeftfaten im ütücfen
bc§ Siegers ju agiren, bafelbft ein neueS SorpS ju bitben unb bie 9tebentjeere
bei Königs fomie feiner fic^ alter Orten ertjebenben norbbeutfetjen Verbünbeten
minbeftenS bergeftalt ^u befet^äftigen, baß fie unfähig blieben, bie im Süben fiel)
auSbreitenben Sctjtoeben burcl) 3u<5üSe 3U öerftärfen. ty. mar eine berartige
Aufgabe um fo ermünfcl)ter, at§ fie ü)m Gelegenheit gab, enbtictj einmal wieber
fetbftänbig unb ol)ne ba§ ftete ©inreben 2iHt)'S, beffen Umfid)t unb 6inficl)t er
rüljmenb anerfannte, beffen 33ebäd§tigfeit er aber Ünentfct)toffent)eit fcljatt, auf
großem gelbe <ju opeviren.
Q3ejeicljnenb ift eS, baß feine erfte bemerfenSWertlje SLt)at in biefem neuen
2lbfct)nitt ber Befreiung ^Ragbeburg'S galt , wetctjeS nad) ber Sage feiner trau-
rigen localen 2}erf|ältniffe Pon ^JJlanSfelb bto§ mit einer fd)Wacb,en ©arnifon be=
Se^t, in feiner SSerwüftung nietjt mef)r im Stanbe erfctjien, fiel) nur auf furje
5ßappenf)eint. 155
3eit gegen ein 8—10,000 Wann ftarfes ßorps bes fdjtoebtfdjen ©eneral SSaner
ju galten, ty. , nacrjbem er in bet Site aus ben meftTälifdj=nieberfäctjftfdjen 23e*
fafeungen bei; Siga bie entberjrticrjften Gruppen tjerausgejogen, tücfte, um bie bon
2Jtansielb jctjon eingeleitete (Kapitulation au bereitetn, gegen fteujatjr 1632 mit
faum 5000 2Jtann tjerbei. ^nbem er aber bor fid) tjer berbreiten tiefe, bafe er
mit 20,000 3Jlann jum ßntfajj fomme, nötigte et burct) biefes „Strategema"
ben bejorgten SBaner jur Sluftjebung ber ^Belagerung nod) bot jeiner Stnfumt.
Seine 2lbfid)t mar atterbings nun, nictjt fomofjl bie unfjattbat gemorbene Stabt
als bie SBefa^ung ju retten. «Kit fernerem ^er^en tjatten fidj injtoifc^en bie
tatfjolifcrjen 2Jtädjte, Äaifer unb Siga, rjatte aud} SEittö ficfj geftanbcn, bafe atte
auf «Dtagbeburg bermanbte 9Tcüt)e nacfj bet 3ei*fiönm9 nUT bergefilidj unb es
barjer bas 23efte fei, bie geftungsmerfe botlenbs au fdjleifen. S6en bas führte
Sß. alsbalb in jo rabicater äöeife aus, bafe aud) cjier aus einer militärifcfj g_e=
botenen ^anbtung auf feine angebliche 3erfiörungsroutrj gefdjloffen rootben tft.
Gr tfjat mit beftem ©etoiffen nur bas Unbermeiblicrje : ÜJIagbeburg mürbe auf*
gegeben unb berlaffen unb foüte, nad) gleichzeitiger Semotirung ber CHbbrütfe,
audj bengeinben fo biet als mögtid) nutjlos gemadjt metben. ftidjt tofjnt e& ficfi, bie
folgenben Untemerjmungen bes gf^bmarf(^att8 ausfütjrlict) auijujäljlen. ©enug,
er tjielt bie Gfjte ber fatrjotifcrjen SBaffen aufregt, bot mit befdjränften Ätaften ben
©eneralen iott unb 23aubiffin , ben dürften 28itr)elm bon Reffen unb ©eorg
bon Süneburg , fo gut es ging , %xo% , behauptete insbefonbere ftegreid) bie
Stellung an ber äßefer unb ftärfte fidj atlmärjtidj burdj neue Sßerbungen, inbem
et freilictj faum eifctjminglicrje Kontributionen in ben längft ausgefogenen 2än=
betn, namentlich bon ben Stäbten ertjob. ©eine 2Ibfid)t, ben Sutfxa. ju ©uftab
Slbolf 3U bettnnbetn, erreidjte er inbefe nur unboEfommen, toofjingegen bet 2tb*
marfdj fo bemärjtter ftüfjrer mie SBanet's unb SBilrjetm's bon Reffen itjm gröfeere
gteirjeit, itjm bie gätjigfeit gab, junt Srfatj für bertorenes lerrain roiebet an*
betes äu etobetn. 23on Stabe bie natje an Gaffel, bon .Ipilbestjeim bis nad)
2Raftxidjt gingen, um nut ©in^eines rjerboraurje'ben , feine rurjetofen ©txeifjüge.
Sei ber Sotibarität bet ^ntereffen, bem inneten 3ufamment)ang bet fdjmebifdjen
unb bet tjoEänbifctjen Opetationen routbe in biefem nie etmübenben ©eifte nocr)=
mala, unb mächtiger als borbem, berSBunf^ rege, fein eigenes Operationsgebiet
bis in bie 9iieberlanbe tjinein ausjubeb^nen. 9loctj gegen 6nbe bes ^af)rei 1631
^atte er ber fpanif^en ^nfantin in SStftffel feine Sienfte angeboten unb fte
nab,m biefetben mit Gijer an , als bie |)oEänber unter bem 3ßrinjen ^riebrict)
Jpeinricrj bon Dtanien im bataui fotgenben Sommet ^Raftrictjt, biefe ^eftung
elften langes, bon beten 6t!)attung bie Rettung ^Belgiens abjuliängen festen,
betagetten. Sie liefe ^., um feinen 2lnmatfdj 3u befct)teunigen, jux Seftiebigung
feinet übet Sotbtücfftänbe muttenben Stuppen 500,000 9teict)stt)a(er anbieten;
auetj füllten au befonberem Seij für feine ßjirfudjt it)m alte ^tä^e in ber ^falj
übertaffen merben, bie, bormals in bes Königs bon Spanien ßematt, bon itjm
in ^ufuttft jutüdlerobett merben mürben. $m 3Iu_guft 1632 erfctjicn $. mit
15,000 «Utann an ber 9Jtaas im 5lngeficf)t bes ftaatif^en §eeres. Sctjnett roarr
er bie 2ftasfe ber jum Sctjein beobachteten »Neutralität ab unb bracb, biefe
auf eigene gfauft, inbem er, feine grjre für bie Befreiung 2Jcaftricfjts_ oerpfänbenb,
jum 3e^en ^ei' erf lätten geinbferjaft feine ©efetjü^e gegen bas berfetjanäte öagev
bes Draniers richtete. 21m 17. unternahm er ben berühmten Sturm auf bas
tetjtere, mit unbetgteicfjlictjem |)elbenmutrj unb bennod) betgebtict) — bie Jpa^
nifdje ^eetfürjtung tiefe ben beutfe^en yetbtjettn, ber b^ier 1500 Wann opferte,
miber $ftid)t unb 35erfprec^en, ja mit förmtidjem |>or}n im ©tidj. Somit un=
bermbgenb, fein 2Bort einjutöfen, ben unabmenbbaren Sertuft bon 90daftridjt öov
3tugen, trat et, bottet ^ngtimm unb mit äufeerfter ©eringfe^äfeung über jene
156 ^appenfjetm.
Jpeerfüljnmg fprectjenb, aläbalb feinen Stücfyug nad) SDeutfd)tanb an. 2ßot)l
tränkte bie ^nfantin unb König Sßrjilibp fetbft itjn ju galten unb ju berftärfen.
6r aber modjte nad) ben legten Gürfarjrungen bon feiner ©rjmpatrjie für bie
©panier nun bod) einigermaßen geseilt fein. Unb irjreä Unbanfi nid)t genug;
fein eigenmächtiger 3ug gegen bie -gmCänber, burct) ben er Söeftfalen unb 9tieber=
fadjfen in gefarjröolter äöeife entblößt, neben anbercm Ungemad) feine geftung ÜJBotfen*
büttel einer Belagerung burd) ^jerjog ©eorg bon Lüneburg ausgefegt tjatte,
mürbe Don ©eiten be8 Kaiferä mie ber tigiftifdjen dürften t)öd£)ft ungnäbig auf=
genommen. <£>ieß e§ bodj, baß SBaüenftein, ber, längft mit außerorbentlidjen 33oü%
machten alä faiferttcrjer ©eneralfelbrjauptmann reftituirt, nad) £ittt)'§ töbttidfcjem
Abgang nun aud) ^appenrjeim'S näd)fter Sßorgefeijter mar, it)n bor ein Kriegsgericht
fteÜen mottte. 2lu3 bem ßager bor Nürnberg, bon ©uftab 2lbolf feftgel)alten,
rjatte er mie ber Kurfürft üon 33aiern an ty. gefd)rieben, gerabe at§ biefer nid)t
bloä ligiftifd)e, fonbern — burd) eine auf 2Baüenftein'§ perfönlidje (Jmbferjlung
nod) mätjrenb ber ^Belagerung 9Jcagbeburg8 erfolgte Ernennung — aud) faifer=
lid)e ftelbmarfdjalt im Slnjug auf 9Jcaftrid)t begriffen mar. SBeibe Ratten irjn
aufgeforbert, fid) nad) böfliger ©id)erfteltung 2Bolfenbüttel§ mit feiner 3trmee
jum Slnmarfd) auf Nürnberg, ju itjrer unmittelbaren Unterftütmng gefaßt ju
tjalten. Stjre Slufforberungen maren umfonft gemefen — unb maö ftanb jetjt
nid)t außer äBolfenbüttet 2tfle§ auf bem ©biete! $., Magte ber Kurfürft bon
Köln, fjabe burctj feinen ©igenfinn bie meftfältfdjen ©tifter unb Sänber in bie
äußerfte ©efatjr geführt, fein eigenes ©r^ftift unb ba§ ganje $eid) „in neue
Gommotion" gebracht. 2ßa§ er berfd)ulbet unb berfäumt, ba% moltte ty. freiltd)
bann mit el)rlid)em 33eftreben, mit feiner ganzen Snergie mieber gut machen.
Unb bie 5e^er feiner ©egner , bie ferjr 3ur Unjeit fid) getrjeilt Ratten , famen
itjm babei über ©rmarten ju ftatten, fo baß er in fur^er f^rift (bi§ 2lnfang £)c=
tober) nid)t allein bie an ber SBefer unb in SÖeftfaten bebrotjten *ßlätse rettete,
23aubiffin <ju einem fluchtartigen 9tücfäug nad) Reffen jmang, Söotfenbüttel burd)
einen näd)ttid)en Ueberfatt be§ 5öelagcrungst)eere3 entfetten ließ, fonbern audj
nod) alä pofttitjen ©eminn bie 6innat)me ber längft bon Ujrn begehrten, „mäd)=
tigen unb reichen" ©tabt ,£>itbegt)eim er^mang. allein, mätjrenb er (Srfotg auf
(Srfolg babontrug, bradjte fein eigenmilliger Grjarafter ttjn fetjon auf'3 9ieue in
©efarjr, eine fd)limme ^nfubotbination ju begetjen. S3on ^Jlajimitian bringenb
jur Rettung S3aiern§ bor ©uftab 3lbolf '§ ^mtmfion herbeigerufen , bom Kaifer
3ur Bereinigung mit SBaüenftein, bon biefem fetbft <$u g(eict;em 3toerf nodj ein=
mal citirt, mar er fortan unmibervuflid) ba^u au§erfcf)en, miber bie fcr)mebifcrje
^auptarmee, mol)in fie fidj aud) menben mürbe, eine entfdjeibenbe 23erftärfung in'§
gelb JU führen; benn alle irgenb fonft cntbefjrlidjen Kräfte galt e§ gegen ben
gemaltigen geinb mit £>intanfetjung jebe§ 9lebenbtan§ ,^u concentriren. ^. aber,
äu lange an ein felbftänbigeä Stuftreten gemöb^nt, münfdjte gar feb^r, fein eigener
€f)ef ju bleiben unb fd)rieb au§ ^)ilbe§l)eim (11. u. 16. October) an ben
SSaiernfürften mie ben Kaifer, baß, menn nur itjm 6500 9ftann 23erftärfung
jugefdjidt mürben , er fieb, getraute , ben König nad) 9tieberfad)fen an ftdj ju
äietjen. S)ie äßarjrljeit ift, baß ©uftab Slbolf, bott ^octjacb.tung öor ^abpenb^eim's
Talenten, mit 33eforgniß auf feine Operationen blitfte; mie aber tjätte er barum
ben taifevlidjeu ©eneraliffimuS aueft nur einen Moment außer Slc^t taffen
bürfen ! 3öaEenftein mar e§, ber ben König nad) fid) 30g, um auf fmfäcrjfifcrjem
SBoben fict) in blutiger 5elbfct)lad)t mit irjm ju meffen; unb tjierauf ftcb^ bor=
bereitenb, fanbte er, roärjrenb er marfd)irte, mieberljolt ernftlidje 93efel)le an ben
f5elbmarfct)att , unberjüglid) aufjubredjen unb ib^m über £rjüringen nad) Seipjig
unb 9Tcerfeburg entgegenjueilen. ^Jlißtrauifc^ unb ungebulbig megen feines 3ö=
gern§, erftärte ber geftrenge gnebtänber, menn aud) fonft ifjm perföntid) jugetljan,
^appenbjim. 157
feine gefabrbotlen „^nbecencen", feine (Sigenmädjtigfeit nicrjt leiben ju motten.
$. fam nun allerbingS unb bereinigte fid) mit SÖallenfiein am 4. sttobember in
ber (5bene jtDifd^en ben beiben genannten Orten ; allein in einem allgemeinen
JfriegSratt) ju SöeifjenfelS taufete er bann trotjbem mit feiner 2lnficf)t buidfott«
bringen, bafj bem mittlermeile fdjon bis Naumburg abancirten unb bort Der=
fctjanzten $önig in fo bortbeitbatter (Stellung , bei ber borgerücften ^a&reSzeit
nidjt roofjl beijufommen, bagegen ber bon rjottänbtfcber Seite in große (Sefabr
gebrachten ©tabt Äöln auf's fdjleunigfte beizufpringen fei. ©o fefete er ei in
ber Sbat noct) einmal burd) , bafj er — unb bieSmal bon äöallenftein fetber,
ber nun auch bie ©chlacht nicrjt für fo nabe beborftebenb l)ielt — Orbre zum
3lufbrucr) nadj ber SGßefer unb meiter zum ©uccurS für Äöln empfing. 3mmer=
tjin, um itjn nicht ju balb auS ber 9tät)e ju berlieren, gab ^ener itjm gleichzeitig
ben Stuftrag, unter SBetfjilfe etlicher auSerlefener Regimenter ^unäc^ft baS bon ben
©chtoeben befehle JpaHe nebft ber ^ftoritjburg einzunehmen, ^nbefj gerabe bie
■Hbfenbung ^appenbeim'S tjatte jefet eine für feinen eigenen >J>lan bernidjtenbe
SSirfung; gerabe burch fte mürbe, roie nicrjt zu bezweifeln, ©uftab Slbolf erft
redjt beftimmt, unberroeüt ptn Angriff überzugeben ; ^appenljeim'S SJbroefenbeit
liefe irjn ben ©ieg boffen. S)er unwichtige faiferlidje ©eneratiffimuS erlannte,
als beibe üttjeile bei Süfcen fich entgegengerücft maren, nocf) bei 3eiten ba% Sßor=
laben feines königlichen geinbeS unb fdjicfte burch Eilboten ben bringlicrjften
Sefetjl an 5ß., 2llIeS fielen unb liegen ju laffen unb mit gefammter Gruppen =
Zatjt umzufebren. äöelcrjen Verlauf aber mürbe bie ©djladjt beS näcfcjften £ageS
— 6. 16. Dcobember — genommen tjaben , wenn nidjt miber beS Königs
SSertjoffen ftarte ^erbftnebel feinen Angriff um metjrere ©tunben berzögert
tjätten! ty., ber fich ber ©tabt £atte bereits bemächtigt, folgte bem legten S3e=
fetjt, e§ ift toabr, oijne 3flubern; benn in biefem großen Moment fam auch, für
itjn jebeS anbere Sutereffe zum ©djmeigen. Sie ©efatjr reifte il)n, unb erfüllt bon
tängft genätjrter Regier, auf ben Äönig zu ftofjen, eilte er mit feinen actjt 9teiter=
regimentern in bollern ©atopp, baS nactjrücfenbe gufjbolf roeit tjinter fictj laffenb,
bem ©djtachtfetb entgegen. Unb fo fonnte er, roenn auch berßampf inzmifchen
begonnen, in benfelben noch rectjtzeitig unb auf's SBitffamfte, eben auf ber
©eite, too ber £önig fämpfte, eingreifen, ©in perföntidjeS ütencontre fanb
bennoctj nicht ftatt ; in geringer Entfernung bon einanber tourben beibe motjl zur
nämlichen ©tunbe — gegen 2 Ut)r Nachmittags — in ritterlichem ©treit auf ben
2ob getroffen. S)er Äampf tobte roeiter, toäljrenb ©uftab 3lbolf auf bem gelbe
fein Seben auStjaucr)te unb ty. l)inroeggebracl)t merben mufste. ^üf) am näctjften
borgen ift auct) er feinen äöunben auf ber Ißleifjenburg ju Leipzig erlegen.
SBaltenftein t)at iljn nac^tjer im Ätofter ©tratjom ju ^rag mit gebüfjrenben
Sfjren begraben laffen. (Sine äßitttoe, feine jtoeite ©ematjlin, auS bem gräftid)
Dettingifctjen ©efdjtecrjt, unb ein bierzecjnjäcjriger ©ol)n auS erfter @r}e, für mel=
cf)e SEßaüenftein als jEeftamentSbollftrecfer unb Kurator bann auclj ju forgen
t)atte, meinten um ben — nur 38 3at)re alt geworbenen — gelben, jug(eici)
mit zatjltofen ^>arteigenoffen, bie it)n bewunbernb bereit unb auS beren ©eele
ber 5praemonftratenfer 33anbr)auer geraume $t\t fpäter baS treffenbe Söort ge*
fprodjen: „3ti|rer föömifdj ^aiferlictjen 5Jla|eftät unb ber fatrjolifdjen ßtrc^e geinbe
t)at er befolget, mo er gefonnt; aber feit ber gut, bafe er bei Sü^en in ber
©d)lacr)t geblieben, ift itjm noci) deiner alfo nadjgefotget."
liefern 9tuljm entfpract) nur zu feljr ein bon ©eiten ber Gegenpartei in
S5eutfd}tanb unb im ganzen ebangelifctjen Europa gehegter 5lbfd)eu. (Jt)araftc=
riftifc^ für lederen ift beS Ijoüänbifcljen Sinters Sßonbet „Grafschrift voor den
Graaf van Pappenheim", roelcfie, zum ©ctjein auS sl^agbeburg batirt, ibn als
ßrzfeinb, als 5ßeft unb gtuch beS menfcfiüchen SefchlechtS bezeichnete. UnauS=
158 5J3appenf)etm.
löfdjlid) haftete ty. bodj einmal in ben klugen ber proteftantifdjen Söett bet 9Jtafel
beS ^erftörerS unb beS 9ftörberS jener einft mettberürjmten Commune an. Unb ob
if)m gleid) baiin Unrectjt gefd)et)en — baS Dbium beS ©laubenSberfolgerS, beS er=
flärten SorfämpferS papiftifdjer ®eifteSfned)tfd)aft, beS 9lnt)ängerS unb ßampf=
genoffen ber fpanifdjen^rjrannen fiel mit nieberbrüdfenber 2Sud)t auf fein Slnbenfen,
eS blieb unb bleibt auf bemfelben laften. 93ei all feiner, bis ju ben ütagen bon
^Dlaftvid^t bemiefenen SBorliebe für bie ©panier möge iljm aber bennodj baS 2ob
gegönnt merben, ein beutfdjer Patriot, Wenn aud) in feiner 2(rt, geroefen ju fein.
SCÖorjt allen GsmfteS gebactjte er bie 2ftajeftät beS alten ^aiferreicrjS miebertjerftelten
3U rjelfen. Äaifcr unb 9teicrj marcn tt)m, neben ber rönüfct)=fatl)olifd)en $ircrje, bie
Ijeiligften Segriffe; unb wie er, monard)ifct)en ©eifteS, bie ©tärfung ber faiferlictjen
9)tad)t trotj jenes unbeutfd) geworbenen gerbinanb II. für ibentifd) mit ber ©tarflung
bei 9teid)eS tuelt, fo erfdjien irjm aud) bie (ht)öt)ung unb Ausbreitung feiner
Äircrje, beren $ogt nad) mittelalterlidjen Gegriffen ber $aifer mar, jugleiclj als
religiöfe unb patriotifctje ^flidjt. SDaljingeftellt mufj bleiben, wie toeit babei ber
moberne ^duitiSmuS, bem ZiUt) unb bem gcrbinanb felber tjulbigte, $p. betjevrfcfjt
tjabe. Ü3tgot im ©runbe feinet ^ctjenS unb jeben 2lugenblid fidj ber ^iiffion
bemufjt, mit feinem ©djmert in ben ,,biSt)er irrigen" beutfcrjen ßanben ben
33oben für bie „©üfjigfett" ber atteinfeligmadjenben $ird)e borjubereiten, unter*
fctjieb er immer boctj fetjr mot)t jnjifcJjen biefer unb ben einzelnen ©eifilidjen. @r
bertangte beS großen 3wedS falber gerabe aud) öon ben letzteren aufjerorbentlicrje
Opfer an ©elb unb ©ut, fcfjatt bie feuf^enb äöiberftrebenben geizige Pfaffen unb
toaif it)nen bie 33efdjulbigung in'S ©eftctjt, bafj ,,baS teufltfd£)c ©onberintereffe
bem ©teufte ©otteö borgejogen werbe". ©tetS rtgorofer, nadjbem in ben früheren
3at)ren feine boreilige Hoffnung auf ben beutfdjen Rieben rotebertjolt getäufetjt
morben mar, ermartete er roeber nod) wünfct)te er ^riebenStractate unb Sergletdje ;
benn baburcr) mürbe bie Söur^et beS UebelS nierjt ausgerottet. Gebern 6om=
promifj auf's 6ntfcf)iebenfte abrjotb, fat) er bie einzige 9ttögtid)feit, um ben
$rieg ju beenbigen, in einem abfoluten, bie Unterliegenben p 23oben merfenben
©iege, bie 33ebingungen biefeS ©iegeS aber, neben ber göttlichen ©nabe, bie er
für fiel) otme äöeitereS in 9lnfprud) natjm, in ben ungeejeuerften Lüftungen, im
Ueberfefeen beS geinbeS, mie er eS nannte, in einer fetjon burd) irjre SBaffen Per*
nidjtenben Ueberjat)!. äßaEenftein'S ©rjftem p bem feinigen madjenb, mollte er
fo einen ÄriegSjuftanb olmc ©ctjonung; allein er ging über SQßallenftein meit
rjinaus , inbem er barauf berjicrjtete, „biefer Seute ©emüttjer mit ©utem ober
S3öfem, mit ßiebe ober 3roflnS ju geminnen" ; ber Ueberminber b^abe bie ©efe^c
nad) feinem ©utbünten ju bictiren. %n 2Birtlid)feit fdjeute er fomit nidjt babor
jurüd, ba§ 5Deutfc^|lanbS proteftantifdje ^älfte in eine ßinöbe berroanbelt merbe.
— 33on bem buntlen ^)intergrunbe biefeS grauentjaft fanatifdjen s}kinctpS l)ebt
ficr) nid)tSbeftomeniger feine ritterliche ^ßerfönlidjfeit glän^enb ah. §art bis jur
©raufamfeit, menn er ju jüdjtigen befdjlo^, unb oft bor unpolitiferjer 58arm=
rjerjigfeit gegen bie „$einbe ber ^hdje" toarnenb, ift ty. bennod) !ein 3llba ge--
mefen. SSäre eS gleich fo, mie bie dtjronit erjäfitt, bafs feit bem jlage feiner
©eburt 5tiemanb ib^n metjr tjabe meinen fel)en: bie ©timme beS 9ttitteibS, ein
menfdjtid) 9tüftren, minbeftenS 2öer;rlofen unb bis jur Unfcb,äblid)feit ©efctjtagenen
gegenüber, ein gemiffer ßbelmutr) tjat auet) in $appenl)eim'S Sßruft ficr) geregt.
Unb aud) anbererfeits etjrt eS ib^n nur, menn er ber £apferfcit ber ©egner, bie
er 3U 5erfcl)mettern münfdjtc, in feinen SSeridjten PoEe ©eredjtigfeit miberfarjren
lie§, menn er ben -£>elbenmütt)igen in Momenten ber 2öaffenrut)e feine 2ldjtung
unummunben auSfprac^, ja mit irjnen bann motjl mie mit greunben, jebenfaHS
mie mit 9Jtannern, bie feiner mürbig maren, ritterlid) mit Gittern umging, ^m
fetber ift bon ben ©röfjten feiner fjeinbe nid)t geringere 6^re miberfarjren.
^appent)eim. 159
@uftab 2lbolj — ber bei allen inneren ©egenfätjen ifjm an jugenbmjdjer 2f)at=
frait jo äfmtid) , mit ifjm aud) ballig gleichaltrig gewejen — nannte biejen
Sapjerften ber Papieren borjugsweije ben Solbaten unb pries itm, roie es fjeijjt,
ben jd)Webijd)en Cjficieren als ba§ Q3orbitb aller Krieger. Spredjenbe Beugen
feiner 33rabour waren bie Farben, bie fein 2lntlit$ bebectten unb ttjm ben 33ei*
namen „Sdjrammljanjj" berjdjafften ; an feiner Seicrje jäfjtte man über fjunbert,
non Söunben, meldte er im offenen Kampfe empfangen fjatte. Sef)r erftärlid),
roenn eine jo martialijdje ^3erföntic^feit, begeiftert unb begetfternb , ber Slbgott
ber eigenen Sotbatesfa mar; freiließ mar er bie§ aud) noef) aus" anberen ®rün*
ben, jeiner umfaffenben #ürjorge unb jeiner ungemejjenen fyretgebigfeit megen,
auf jein Solf oermanbte er Slttes. Sin 3ntf)um inbejj ift es, menn man bon
ib,m jagt, bajj er für feine ^erfon jeben ©eminn berad)tet, fein ^ribatinterejje,
feinen Sigennut} gefannt t)abe. @r ftrait bie fo Uxtt)eitcnben Öügen burdj obiges
Selbftbefenntnifj, baB er in feinem ^ntereffe „nicfjt gerne blinb" fei, burefj feine
unaufhörlichen GSefudje bei Äaifer unb C'iga unb wotjt auefj bei ben (Spaniern
um ©üter unb einträgliche @t)ren jur drfenntticfjfeit Tür feine Sienftc. Sa§
gürftentfjum äöolfenbüttel, bie 35urggraffd)aTt p 5ftagbeburg blatte er fo Wenig,
wie äßaüenftein feine aarjlreicfjen #enfdjatten, blofj bem ütel nad) befitjen, bor
2ltlem in sDlagbeburg fjatte er reid) werben wollen. ftacfjträglidj nodj flagenb,
bajj feine italienifctje Gampagne, feine Eroberung £)beröfterreicfj3 ifjm mcfjts ein=
gebracht, fjatte er in einem Moment, wo er ben nutjtofen ^3tan, Äönig
Gtjrifttan IV. auf feinen unfein ju befriegen, entmarr, fid) ber SBorjufjt fjalber
gleich im Voraus ba§ anfefjnlicfje fruchtbare 5ünen a^ Otecompens abgebeten,
©enötfjigt, fiefj mit Heineren, immerhin redjt ftattlidjen Sdjenfungen ju begnügen,
fjinterlieB er jeiner yfamitie atlerbings feine Sdjätje. 2lber Habgier jcrjließt S3er-
fcfjmenbung nicfjt au§ — unb offenbar adjtete $. ben Söertt) bon ©elb unb
©ut um fo geringer, al§ er ifjm au§ bem Staube bes Krieges, auS ßonfiscationen
wie au§ Gontributionen, aus Sßranbfcfjatmngen unb ^lünberungen maffenfja^t
äuftrömte. Sabei ift e§ benn gan3 mafjrfd) einlief), bafj er bas ifjm augefcfjriebene
SBort gebraust rjabe, nidjt in ben Giften beim ©olbe liege berftame: um gfüxft
unb Saterlanb berbient ! Seinen Gfjrgeij an fiefj t)at iftiemanb bcjWeifelt ; aber baB et
audj ba mit bem ibealen ürutjme jidj feineSwegs" begnügte, baB er ürang unb
Slnfefjen in immermäljrenber Steigerung jucfjte, beweift jein raft= unb jdjranfen*
lojes Streben nad) neuen Slusjeicfjnungen. 'jftidjt jumeben mit bem jcfjnellen
Slöancement, bas er, wenngleicfj in elfter ßinie feinen friegerifcfjen Seiftungen, jo
bod) grofjentfjeils aud) jeiner ^erfunft unb feinen ^rotectionen berbanfte, bewarb
er Dom fernen jhiegsfdjauplat} fid) brieTlidj bei Äoijer unb Siga um Ijötjere,
faum nod) Oacant geworbene Slemter. Unb meldte dutnutation er ofme Scrupet
in'§ 3luge ia^te, jeigt, bafe er einige sUlonate nad) jeiner Ernennung jum 5elo=
marjdjatt — jeinem 2Sunjd)e nad) fjätte er jelbft bieje 2Bürbe ummetjr als
^aljreSfrift juöor empfangen muffen — als ber nominell bamalä ältefte jReid)6=
tjofrattj üom 6t#ijt 5}tagbeburg aus bie gerabe erlebigte Stelle bes ^räfibenten
biejes faijertid)en Tribunals beanfprud)te. Siesmal bod) fam er 3U fpät, jie war
jdwn bergeben. $ux 6rb,öljung jeines äujjeren ©lanjes t)atte er aujeybcm ben
Äönig bon Spanien, bereits }Wei ^a^re bor feinem 3u9e nac§ ^aftndjt, mit
feinem ganjen feden Selbftbewufetfein um bas golbene 33liei erfudjen lafien.
Söäre ber Äaifer willens gewefen, it)n ftatt SßaHenftein 3U feinem ©eneraliffimu§
3U ernennen: nid)t einen Slugenblid würbe 5J}. gejögert tjaben, anjunefjmen. Cb
er jum commanbirenben ©encral gefdjaffen war, ift aber eine anbere 5^aÖe- ~~
Äein bloßer Jpaubegen, wie man fid) itjn borjufteüen pflegt, war 5p. iebenfaüs ein
ebenjo gebilbeter wie geiftboüer Cfficier. 9lujjer jeiner allgemeinen jeigt er jeine
tectmijtrje Silbung bornetjmtid) in ber — 3war nod) nicfjt übermäjjig entwidelten
160 3ßappenfjetm.
— $ortificationS= unb 23elagerungSfunft. 3}or 9Jcagbeburg , brüftete er fid),
t)abe er als Ingenieur, ©djanätneifter unb 9Jtinirer baS 5Jieifte allein ttjun
muffen ; mit einiger ©eringfcfjätuing fpradj er fogar Oon ber befannten Kunft ber
nieberlänbifdjen Ingenieure. 6r burfte fid) ferner rütjmen, ein 9Jleifter in ge=
fdjidten <£>anbftreid)en unb glüdlictjen KriegSliften ju fein. Kein 3toeifet jebod),
bafj er, über baS ©ebiet ber Zattil tjinauS, fid) aud) für einen bebeutenben
(Strategen tjielt. @ine {Reitje oon S)enffct)riften liegt bor, in roeldjen er, unauf*
geforbert, feinen fürftlidjen feixen bie gvofjartigften Sßorfdjläge jur Eroberung
Oon ©täbten unb ßänbern machte. 9JUt einer weiten ^erfpectiöe , in großen
potitifcrjen Kombinationen fiel) ergefjenb — benn ftetS auetj berfolgte er bie r)ot)e
^olitif unb itjre (Eonjuncturen für ben Krieg — giebt er ba $täne unb 6nt=
roürfe, bie ein erftaunlidjeS ^eugnife bon ber 33eroeglicf)feit feines! fdjnett erfaffen=
ben ©eifteS unb feiner äuberfidjtlictjen Kürjntjeit ablegen. (Sin feijarfer SBIidf für
bie bon f5em°en toie bon greunben begangenen £$et)ler — amor patriae et reli-
gionis, fcfjreibt er, aroängen it)n 311 freimütiger 2lufbecfung ber (enteren — f)in=
berte itm nidjt, fonbern Oerleitete it)n bietmerjr, über unbefiegbare ©crjtoterigfeitcn
rjinroegäufetjen unb fid) felbft mit geringen Mitteln bie Ueberroinbung foldjer
^ujutrauen. @ine Kleinigkeit märe eS nadj ty. geroefen, bie unfein beS 3)änen=
fönigS unb bamit baS iper^ feines 9teid)eS, äugleid) mit bem ©unb unb einem
guten Sttj eil feiner Kriegsflotte in bie ^>änbe beS KaiferS 3U liefern; einmal
bactjte er fogar baran, biefe glotte mit «g)itfe eines Hamburger Kapers ju ent=
führen. ^Binnen $ar)reSfrift, toie mir fdjon roiffen, erbot er fidj, mit ben angeb=
lid) bon ir)m gefunbenen Mitteln bie über Spanien triumprjirenben , im genitr)
if)rer 9Jtad)t ftetjenben |)oüänber nad) metjr als fün^igiäfjrigen bergebtidjen
kämpfen ju be^bungen unb ,}um ©erjorfam 3U bringen. Unb ätjntid) in allem
Uebrtgen; „feine ©crjtoierigfeiten — meinten feine SSerounberer — , bie fein ©eift
nidjt befiegt", baS Ijiefj auf bem Rapier befiegt tjätte. ©eine ©egner, roenn fie
aud) faum ben äetjnten £r)eil feiner 2lbfid)ten fennen mochten , fpotteten feiner
©rofjfprecfjerei. Kurzum, mit wenig Kritif unb um fo mefjr *pijantafie liebte
biefer ,,@nttmfiaft, ©anguinifer unb ganatifer" über bie reellen Sßertjältniffe ju
urtfjeilen, roie er benn aud), bie ßbelftcn fdjnöben 5ßerratl)S für fällig Ijaltenb,
felbft aber einem berrätfjerifdjen Beamten geraume 3eit leichtfertig bertrauenb,
nur ein fdjledjter «Dtenfctjentenner roar. 2ftit fo djimärifdjen unb t)immelfiürmen=
ben ^rojeeten roedjfelten freilief), roenn er auf baS 9Jtaf$ ber SBertjältniffe ein=
ging, roieberum gan<$ trefftidje, burdj ben dürfolg belotjnte ftrategifdje ^ßtäne. 3m
Sittgemeinen aber p bag, ^u roittfürlidj taunentjaft unb batjer biel p un5Uber=
läffig, roäre er jjum Dberbefe^tSr)aber niemals berufen geroefen. Sn Ijöljerem
©inne fein ©tratege, bagegen ein brillanter Sruppenfütjrer , fütjlte er fid) bod)
erft in feinem eigentlid)en (Clement, roenn er in offenem gelbe mit bem geinbe bie
Klinge freuten fonnte. 2lllen Sßaffengattungen fjat er gebient; allein im ©runbe
fetjr gegen feine feurige Statur auf ben langroierigen, meift tangroeiligen 5fftungS=
frieg jener 3^it tjingeroiefen unb fo jum Ingenieur unb Slrtitteriften auSgebilbet,
ftetjt er unS immer in erfter Sinie als fc^neibiger gteiterofficier an ber ©pi^e
feines KüraffterregimentS, ber berühmten ,,s^appenfjeimer" bor 2lugen. Unb fein
bertoegener Ungeftüm beeinträchtigt ben ©lan^ biefeS S5ilbeS nidjt, fo läftig, ja
gefäljrlicr} auetj berfelbe, neben feinen fonftigen (Sigenmädjtigfeiten, feinen S3orge=
festen getegentlid) roerben fonnte. ,,S)iefer ÜJlenfd) — fott alterbingS Sittrj nad)
feiner berrjängnifjbotten 3lttaque bei beginn ber ©djladjt bon Seip^ig ausgerufen
ijaben — roirb mid) nod) um Stjre unb üteputation unb ben Kaifer um Sanb
unb ßeute bringen." SBie roeit er jebodj ^. tjierbei im 23erbad)t tjatte, ir)m bor=
fä^tid) abgeneigt ju fein, ift fdjroer ju fagen. ©djon frülje eine eigentljümlidje
^Jlittelftellung äroifcrjen bem tigiftifc^en unb bem faiferlicrjen getbr)auptmann ein=
5ßappent)etm. 161
netjmenb, geigte *p. in SBe^ug auf (Srfteren, obrooht officicü ibm bie größte (Jbr*
furcht erroeifenb, fich nicht Jetten mifeüergnügt unb roanbte feine Srjmpatbien feit
bem f5fatt Don SBolfenbüttel mehr unb mehr Sefeterem, bem ihm in ganj anberer
SBeife imponirenben ^rteblänber ju. %n gleichem 9ftafte finb aber beibe £>ber=
generale u)m fetbft mit feinen großen SSorjügen unb ntcfjt geringen fehlem ge=
rec^t geworben. 5ftit eben biefen, mit ber Summe feiner Seiftungen bleibt er,
fraftftrotjenb unb burdj unb burd) originell, auch, feines Fanatismus ungeachtet
eine ber intereffanteften ßrfdjeinungen beS breifjtgjärjrigen JhiegeS unb rootjt ber
J¥riegSgefd)id)te überhaupt.
^bePenhitler'S Annales Ferdinandei IX— XII; ßonterfet II. — $riegS=
fchriften, herauSgegeb. öon baierifcheu Officteren. ÜMndjen 1820. £eft I, II
unb V. — #efj, ®ottfr. £>einr. ®raf ju ^Oppenheim. £eip,}ig 1855 (in SLri*
lehnuna an Jpormarjr'S 5ßappenrjeim = 5Irtifet in Gifch' unb ©ruber'S Mgem.
©ncrjflopäbie III. 11. Seipjig 1838). — Söittid), sDlagbeburg, ©uftob Slbolf
unb 2itlh. Berlin 1874. — Sgl. görfter, Sltbrecht pon SMenftein'S SBriefe.
53erlin 1829. 33b. II, S. 261 f. — öon ber ©ecfen, ^erjog ©eorg öon
33raunfchroeig unb Süneburg. £>annoPer 1833. 33b. I, S. 259 f., S. 278 f.
— ©. ©rohfen in ber ^eitfdjrift f. *p«uf$. ®efd). unb SanbeSt. VIII. 1871 ;
IX. 1872. — 23enufet finb inSbefonbere aud) 9Jtanufcripte ber StaatsarchiPe
ju «Künden, 2Bien, ©reSben unb 23rüffel. SJßittid).
^3a^cnI)Ctm: 5Jlattl)äu§ P. *p., jur 33iberbacbjd)en Sinie feines ©e=
fchtedjtS gehörig, rourbe am 1. Sult 1458 geboren. @r roenbete fich bem
Stubium ber SOSiffenfcijaften ^u unb ertoarb fid) in $ariS 1482 bie SBürbe
eine§ ©octorS beiber Ücecfjte. 1492 tourbe er tropft bei St. ©ertraub in 2lugS=
bürg, 1494 (SanonicuS am bortigen ©om unb toieber aroei ^ahre barauf 6ano=
nicuS am Stift ju ©ttroangen. Ob er rjernach noch eine anbere nrcrjltcrje Stellung
eingenommen rjat, PieHeicht ju feinem Sanonicat am ©om ju 2lug§burg 3urütf=
gefetjrt ift, läfjt fid) nid)t mit Sicherheit ermitteln; bei feinem £ob erfchetnt er
als canonicus Augustanus. ©afj er fchon 1499 ober 1511, roie Sfödjer be=
Rauptet (f. Siteratur), ber überhaupt über itjn meift Unrid)tigeS fd)reibt, ge=
ftorben fei, ift falfch. 6r ftarb Pielmehr fidler im 3. 1541, benn in bem nod}
anäufütjrenben SSudje über baS ^ertommen feiner gamilie (de origine etc.) rjeifet
eS auSbrüdtid): „1541 reverendus vir et dominus Matheus Marescakus in
Biberbach j. u. doctor et canonicus, autor hujus libri, obiit in Treushaim,
ubi et sepultus est, die Veneris ante festum Galli." (Sreushaim jefet ©ruil=
heim unb 23tberbach, beibe im bahr. 23e3.=2t SSertingen im JfreiS Schtoaben )
@r betrieb mit Vorliebe biftorifcbe Stubien. eine Neigung, ber toir eine Slnäabl
gefdjiditlidjer Scbriften Perbanfen, toeldje freilid) erft nact) feinem 2obe burd)
ben S)ruc£ Peröffentlid^t rourben. %n erfter Sinie ift hierbei bie ©efd)id)te feinet
eigenen Familie p nennen, fie fü^rt ben Jitet: „De origine et familia illu-
strium dominorum de Calatin, qui hodie sunt domini a Pappenheim, S. R. Imp.
marescalci haereditarii." ®ie Verausgabe biefer Scfirift mit einer beutfd)en
Ueberfefeung unb einem Anhang liefe fein gamiliengenoffe Johann P. $appen=
^eim Pon einem SadjPerftänbigen (historiarum studioso) 1554 beforgen, gebrudt
rourbe fie Pon Philipp Ulbarbt. Sie Pier junädift 3u nennenben Schriften
nahm 1600 Prebet in fein Sammelroer!: Germanicarum rerum scriptores auf,
nämlich „Chronica Australis" Pon 852—1326 in 2 Slbtheilungen. 93on 33e=
beutung ift nur ber atoeite 3;beit, ber eigentlich nur eine Partie beS elften
genauer behanbelt, unter bem befonberen Xitel: ..Australis historiae pars plenior"
Pon 1276—1303. ©er 33erfaffer, ber ein flüffigeS unb correctcS Satein fchreibt,
fteht hier gan3 auf ber Seite ber Habsburger, ni pergt. feine 33crurtbeitung be§
ÄönigS 5lbolf P. s)laffau. ferner: „Ex chronica Augustensi antiqua excerptum etc."
SiEgera. beutfdje SBiograp^ie. XXV. 11
162 5ßappent)etm
bon 973 — 1104, eine unbebeutcnbe unb magere Gompitation ber 9teid)§gefd)id)te
jene§ 3eih'aume§ < in. melier er an einzelnen ©teEen ber 3öenbencb,ronif §el=
motb'S (Helraoldi Chronica Slavorura) folgt, oftne ftch, 3. SS. beffen feinbfelige
SSeurtbeilung |)einrict)§ IV. anzueignen. „Alia pars chronicae monasterii SS.
Uclalrici et Afrae etc." bon 1152 — 1265 enttjält nur eine furje Slneinanberreitjung
annaliftifdj georbneter SSegebentjeiten au§ ber ©taufevjeit. (Snblict) „Chronica
Elwangensis monasterii excerptum etc." bon 1095 — 1477, beftetjt auS bürfttgen
crjronifttjc&en 9loti3en, bie fid) auch ba nidj)t erweitern, mo fie ba§ 15. $ahr=
rjunbert betreffen. 9Jtan ficht, bafj ty. ein $reunb gefdjidjttidjer üDtnge mar
unb e§ liebte, ßfironifen, bie ihm 3ur ^>anb tarnen, 3U „erxerbiren", bon einer
felbfiänbigen ültjätigfeit ift !eine 9iebe. @r berftanb e§ bagegen, gemiffenhaft
genealogifd)en ober berroanbten fragen nadjsugefjen : auf biefem (Sernet tag feine
©tärfe. S)ie§ betoeift febon bie angeführte @Sefd)ict)te fetner eigenen gamilie;
in biefer 9tidjtung bemegen fid) aud) bie fotgenben ©ctjriften: „Tractatus seu
historia de origine progressuque baronum de Geroldsheim." — „De antiqui-
tate et initio civitatis episcopatusque Augustensis". — „Genealogiae S. Udalrici,
S. Simperti etc." — „Catalogi episcoporum, praepositorum , canonicorum
August." — „Sljronif ber £rud)feffe bon äöalbburg." $. SÄ. Öefele (f. unten
Skittj) fcrjreibt itjm auch noch bie 2lutorfd)aft einer Slbrjanblung 3U: „De su-
prema potestate papae vicarii Petri apostoli." 3Son feinen näheren SebenS-
umftänben ift menig befannt; ba§ äöenige , toa§ mir miffen, entnehmen mir
feinen ©djrifteu über feine gamilie; in biefer madjte itjm befonberS fein fireit=
füd)tigcr ■Dtjetm SEriftam biet 3U fchaffen. %m Umgang mit gelehrten unb
gtetdjgcfinnten greunben beftanb feine greube. @r gehörte 3U bem Slugeburger
JpumantftcnfretS, beffen #aubt Äonrab 5ßeuttnger mar. 3)er Setjtere fd)ähte ba§
SCßiffen Spabbenljeim'8 unb 30g ihn öfters brieflich über miffenferjafttiche fragen
3U 9'tatlj. 9ludj ber betannte Sugolftäbter Geologe Dr. @d fchäfete *ß. unb
nannte Um 1515 in einer öffenttidjen Siebe unter ben buidj (Mehrfamfeit au§=
ge3eidjneten ^eitgenoffen. W\t bem baierifdjen ®efd)id)t§fd)reiber 2lbentin ftanb
er in brieflichem 2)ert"ef)r. Söix befitjen noch einen 23rief bom 10. SDec. 1526
(Söerfe Avent. I, 625), morin *ß. unb ßonrab Slbelmann bon 2lbelmann§feiben
gemeinfam ben baierifdjen gorfdjer aufforbem, bie glänsenben 9tefultate feiner
auSgebchnten tjiftorifchen ©tubien balbigft 311 beröffentlicbcn.
öeittj, Bibl. Aug. II. — Söcber, 5lttg. ©et. = 2eritott. — ftreher, Ger-
manicarum rerura scriptores. — fyl. 33raun, (Sefd). b. 93tfd). b. 2lug§burg.
Söilbelm SSogt.
$<U)pcnIjctm : Samuel Etorife «ß., «tat, ben 8. 2Ibril 1811 in Sieätau
geboren, tjatie bafelbft ^Jtebicin ftubirt unb mar 1835 nach. Söertheibigung feiner
©iffertation „De caloris capacitate rudimenta" 3um 5£)octor promobtrt morben.
6r habiütirte fid) barnach al§ 311$ in feiner SSaterftabt, befdjäftigte fidj aber, als
?lffiftent bon Sßmcftnje, boi'3ug§meife mit biftologifchen unb pht)fiotogifd)en Slrbeiten,
bereu Sftefultate Cl' ttjeitS in monograbhifch.en ©dbrifteu, fo namentlich „3ur
Äenntnife ber SSerbauuug im gefunben unb trauten 3uftanbe. 6in b^f^0=
logifd^er Sßerfud)" (1839). — „S)ie fpeciette ©emebetel)re ber ©ehörorgane nach,
©truetur, ©ntmidelung unb Äranltjcit" (1840) unb „Sie fbecieEe ©emebelehre
be§ SÄugcS mit 9tüdfid)t auf ßntmidelungSgefchichte unb 2tugcnbraji§" (1842),
trjeils in ^ournatartifeln in berfd)iebeneu naturroiffenfd)aftlid)en unb mcbicini=
fdjen 3eitfd)tiften beröffentticht rjat. infolge übermäßiger geiftiger 3lnftrengungen
bei feinen ©tubien rjatte fic^ bei ^>. eine bftjdnfdje ©törung entmidelt, metdje
feine 2lufnar)mc in eine ^eilanftatt nötbig machte. — 9lad) feiner äöieber=
tjcrftellung ging er 1845 nad) 5part8 unb teerte, unter glourenS' ßeitung, 311
feinen plmfiologifdien ©tubien 3itrüd; in ben Sa^'cn 1846—1848 beröffcnt=
üd)te er eine üteitje b^tjfiologifcrjer 2lrbetten in ben Comptes-rendus ber 3lfabcmie
Rappen tjetm — $appu?. 163
ber SBiffenfdjaften unb 1847 erhielt er ben crften $reiS für bie bort biefem Sfnfti*
tute auSgefd)riebene unb bon itun gclöfte 5J3rctSaufgabe „lieber bie geugungSorgane
in ben fünf 2Birbett£)ier = klaffen", infolge eincS 3eYl°ü.rfniffc§ mit yylourenS,
baS (idj übrtgenä roal^rfdieinlicf) aus einer franttjaft gereiften ©emüttjSfttmmung
*Jkbbent)eim'S erflärt, bcrlicfj er 1849 *))ariS unb trat eine roiffenfdjaftlidje
Steife nad) Slmetifa an, mo er 10 Satire betroeilte unb, mie eS tjeip, betjufS
fbrad)bergteid)enber ©tubien gat^Xreid^c ^nbianerftämme bcfucrjt tjat. lieber
bieje 3^tt feines SebenS unb feine £t)ätigfett mäljrenb berfelben tjerrfcrjt ein
bottftänbigeS ©unfel, baS $. felbft mit feinem Söorte gelittet t)at. 3m $.
1859 mar er in Jpabanna am (Gelbfieber erfranft; SanbSleute, bie it)n rjier Taft
fterbenb unb in ber traurigften Sage antrafen, nahmen ftcf) feiner an unb ber=
mitteilen nad) feiner ©enefung feine Ueberfüfyrung über Hamburg nad) SSrcSlau.
3mei ^arjre fbätcr fiebette er nad) ißerlin über unb gab fid) nun gan.i unge^
regelten U)iffcnfd)aftlid)en ©tubien auf berfd)iebenen (Gebieten ber $f)i)fif, 2luttjro=
bologie, 9Jtebicin u. a. t)in, beren fparfame, faum uennenSmerti)e Sftefultatc er
in mebtcinifdjen 3e^f^nften niebergetegt tjat. 6in jiemtid) bebeutenbcS SSer=
mögen, roeld)eS er bon feinen Sltettt ererbt tjatte, mar mdfjrcnb feines 2Iufent=
I)alteS in Slmerifa- bottfommert braufgcgangen, fobafj er bie legten 20 3»ab,re
feines SebenS in äufjerft bürftigen 23crt)ältniffen berbradjt , übrigens aber — in
anerfennenSruertb/m ©totje — bie it)m bon feinen bermögenben SÖerroanbten ge=
mätjrte llnterfiütmng nur fo meit benutzt f)at, als eS ju feiner fümmerltdjen
(5jiften3 eben nott)tuenbig mar. ©d)mer ertranft ift 5ß. am 10. Februar 1882
in einem ^ranfentjaufe, mo er 9lufnar)me gefunben tjatte, erlegen.
lieber $abbenl)eim'S Scbcn bergt. Seopolbina 1882. ©. 48, 122.
8. £ttfdt).
^Q^Clüji'tm: SBatburga b. s$., aud) b. Sappen!) eint genannt, mirb
in ber Sammlung geifttid)er Sieber bon Söiebertäufein, meld)e unter beut
Flamen „StuPunb" juerft im $. 1583 erfdjien, als SJicfitevin beS SiebeS: „®u
glaubigS ^>erj, fo benebei unb gieb Sob beinent £)errn" bejcitfinet. 2)affelbe
Sieb ift aber fd)on in bent Sefangbnd) ber bö^mifd^mätjrifdien SBrüber, metd)eS
ju „Sung=5ßunijet" im S. 1531 IjerauSfam, fo abgebrudt, bafj man eS für ein
Sieb beS Herausgebers biefeS ©efangbudjeS , IJJlidjacl 2öet|e, Ratten mufj. @S
beginnt l)ier 3toar mit ben SBorten : „£) gläubig £>era, gebeuebei unb gieb Sob
beinern .^errn", aber biefe mie bie übrigen £)öd)ft geringen 2lbmeid)ungen jmifdjen
beiben SDruclen finb bod) nid)t ber 5lrt , bafj man baran ameifetn tonnte, ba^
beibe ein unb baff elfte Sieb finb. £)a SBei^e nicrjt attSbrüätid) fagt, bafj er
felbft alle Sieber gebidjtet ober überfefet t)a~bc, unb ba aud) fonft einS unb baS
anbere bon btn 157 Siebern beS ©efangbudjeS nid)t bon it)m finb, fo !ann bie
Angabe im Slufjbunb too^l rtdjtig fein. $on ber S)id)terin miffen mir übrigens
aufjer bem tarnen fo gut mie nid)tS; fie mirb im 2luj$ftunb als „Sbel 3ung=
frau" beäeidjnet; Äod) fügt auS einer unS unftetanuten Quelle, bie er aucr^
nidjt angiebt, nod) r^in^u, ba§ fie 3U halben gelebt t)abe unb mit «ßilgvam
Uftarbccf befreunbet gemefeu fei.
2lut3 SBunbt, S)aS ift etlidje fd)öne djriftentidje Sieber u. f. f., 23afel 1838,
©. 351. — Sßadernaget , ^Bibliographie, ©. 120 b, unter no. 10. — ©er-
felbe, 2)aS beutfd)e ^ird)entieb III, ©. 290 f., no. 333 unb 334. — £od),
(Scfd)id)te beS ÄirdjentiebeS u. f. f., 3. 3luft., II, ©. 120 u. 145.
I. u.
^n^llö: SotjanneS ^., ^aupt ber Sutl)eraner in ©trapurg, ift am
16. Januar 1549 p ßinbau am 33obenfee als ©ob,n be§ bortigen 33ürger--
meifterS geboren, ©ein ftreng lutb,erifd) gefilmter Stoter fanbte itjn (1562)
nad) ©trapurg, bamit er unter 9Jkrbad) (f. 31. S). 95. II, 290) Sfjeotogie
11*
164 5pappu3.
ftubire; biefer energifctje Vertretet bei ßuttjerttjumS flößte if)m feinen jelotifdien
©eift ein. 9tad)bem er in Tübingen aurn 23accalaureuS promooirt, barauf als
.gmuSleljrer ben jungen ©rafen gatfenftein auf feinen Seifen begleitet, rourbe er
1569 S)iafonuS in Seidjenmetjer im Oberelfafj. 2lber fcljon im folgenben
Safere erhielt er einen 9tuf als ^rofeffor ber l)ebräifd)en ©pradje nad) ©trajj»
bürg. £)ier geriete) er batb in einen (Eonflict mit feinem bisherigen ©önner
9Jtarbad), ber gern feinem ©olme ben 8ef)rftut)t ber f)ebräifd)en (Sprache Per=
fd)afft fyätte unb eS if)tn Perroetjren roolltc, nadj Tübingen <}u geljen, um fidj
bort ben ©rab eines 2)octorS ber Geologie ju ermerben. 1576 erhielt $.
burdj SBermittetung beS SectorS ber ©trafjburger Slfabemie , ,3of)anneS ©türm,
ben Auftrag, ejegctifdje 23orlcfungeu über bie gefammte Zeitige ©djitft ju galten,
groei Safyxe fpäter mürbe er audj nod) Pfarrer am fünfter. sJtun mar eS
fein auSgefprodjeneS ©heben, baS alte ©trafjburger y3efenntnif} , hit Stetra»
politana ju öerbrängen unb an beffen ©teÜe bie ßoncorbienformel jur öerpflict)*
tenben Sorm |ju ergeben, hierüber geriet^ er in einen überaus heftigen ©treit
mit 3ot)anne§ ©türm, ber für bie Autorität ber Metropolitana eintrat. %n meljr
al§ 40 ©Triften befämpften fiel) bie beiben ©egner unb bie ifynen anfjängenben
Stjeologen. 9IuS biefer ©treittitteratur finb befonberS tjerPoraufjeben bie Pier
Pon 3ot)anneS ©türm Perfafjten „Antipappus", auf bie ber angegriffene mit
feinen üier „ Det'ensiones" anttoortete. 2)er Kampf enbete 1581 bamit, bafj
ty. , ber in biefem $afyre $räfeS beS KirdjenconPentS ju ©trafjburg ge=
roorben mar, ben sJtatcj ju bemegen roufjte, bafj biefer ben fjodjberbienten Sector
ber 2lfabemie feines 9ImteS enthob. S)em ebenfo flugen mie ttjatträftigen
*ß. gelang eS fpäter (1597) fogar, Pom 9tatf) einen 23efef)t 3U ermtrfen.
ber allen (SalPiniften bie 9lbt)attung Pon GonPentifeln, ja felbft bie £t)eitnaf)me
an einem reformirten ©otteSbienft in ber Umgebung ber ©tabt unterfagte. ©ein
2Berf fat) «p. gefrönt, als 1598 ber Satt) alte ©ciftlidjen ber ©tabt auf
bie Pon it)m nad) einem Gmtwutfe 9Jtarbad)'S Derfafjte Äiictjenorbnung Perpflidj=
tete unb bamit inbirect bie ßoncorbienformel gutt)ief3, bie jene ju icjrer 33orauS=
fetjung blatte, ty. ftarb am 13. 3futt 1610. @r Ijat meljr als breifjig
©Triften meift polemifdjen, aber aud) ejegetifdjen unb ftrdjengefcfn^tlidjen Sn=
IjaltS Pcrfafjt- 3)aS ifjm oft ^ugefdEjriebene bekannte Kirdjentieb ,,%d) Jjab mein
©adb; ©ott fjeimgeftellt" fdjeint Pielmeljr ben 3ol). 2eon (f. 31. ©. iö. XVIII, 298)
jum 93erfaff<:r ju fyaben.
©alig, 23oflftänbige ©efd)id)te ber 2lugSburgifd}en (üonfeffion, «gjaüe
1730. — 9töt)rict), ©efd)icb> ber Deformation im (Slfafc, 3. £t)eil, ©traB=
bürg 1832. — 6^. ©d)mibt, 3ean ©türm, ©trapurg 1855. — Söljnctj,
5Rittt)eitungen auS ber ©efd§icrjte ber eüangeüfcfjen ^irdb,e beS @lfa|eS.
1. 23b., $ariS unb ©trapurg 1855, ©. 303 ff. S. 3oepffel.
^appö: Seonljarb ty., ®efctjicf)tfcrjreiber. ©eboren am 27. Januar
1607 ju gelbfirdj in Vorarlberg auS einem angefefjenen abticl)en ©efcf)lec^te,
baS erft bei feinen ßeb^eiten ben 93einamen „Pon Sratjberg" erhielt, mar er
oljne 3tt,e'fel öon Slnfang an für bie firdjlicfie ^aufbaljn beftimmt. (Jiner
feiner 2ef)rer mar ber bekannte 93ielfdljreiber unb Klopffechter ÄaSpar ©cioppiuS,
ber ftd) fpäter auf biefen feinen ©ct)üler aud) Piel ju gute getljan Ijat. 2Jßetc|e
Ijotje ©dljule ty. befud)t t)at, ift unS nidjt überliefert, ^n ben geiftUdjen ©taub
eingetreten, fafj er fidj bei 3eiten barin geförbert unb bürften bie natjen 23e=
3iel)ungen feiner Familie ju ben ^absburgern einiges baju beigetragen tjaben.
©cfjon im ^aljre 1628 ift iljm ein ßanonteat in (£onftanä ^ugefatten, ein ^aljr
barauf bie ^ropfiei beS SollegiatftifteS ©t. Jofjann bafelbft ; 1633 ernannte ifm
Kaifer gerbinanb II. p feinem geiftlidjen Satb^e, ba§ ^aljr barauf mürbe er S)om=
fjerr au SlugSburg u. f. m. Offenbar Ijat fid) ?ß. früf) ben 9tuf eines brauchbaren
©efdjäftsmanneS ermorben. ^m ^a^e 1639 befteEte ifjn Kurfürft 5Rajimi(ian
^ar — ^arabetjet. 165
bon Satern sunt (SJeneralbicar „bei unferer anbertrauten @efdjäftgarmaba" unb
faft gleidjaeitig bie ßratjeraogin ßtaubia, bie äöittroe bei (Sraljeraogg ßeopolb bon
ü£irol, 31t itjrem 9tefibenten am faiferlidjen |)ofe, unb im ^. 1646 ernannte ifjtt
Äaifer gerbinanb III. autn Sftefibenten am päpfttidjen -!pofe. 3uletjt nodj ertoäljüe
itm bal 2)omcapitet au Stuggburg, roo er in ben späteren ßebengjaljren bietfadj
refibirt au tjaben fdjeint, 511 feinem S)ecan, nadjbem itjm biefelbe Söürbe bereits
1645 3U Gonftana angefallen mar. 21m 6. Suni 1677 ift er in biejer ©tabt
geftorben. 2)ag bleibenbe ©ebädjtnifj feineg 9tameng ift jebodj gteictjtDol nidjt
an bie ütfjätigfeit gefnüpft, bie er in ben ermähnten 2lemtern unb £Jertraueng=
fteHungen enttoidelt Ijat, fonbern in fetner in lateinifdjer Sprache berfafjten ,,©e=
fdjidjte £>eutfd)tanbg in ben Sauren 1617 big 1641", ber berljängnifjbollften
3eit ber beutfctjen ©efdjidjte. Qtx aeigt fidj fjier alg gebitbeter, gelehrter 2ftann,
ber bie SBelt gefetjen unb bie politifdjen ©efdjäfte fennen gelernt f)at. 2)em
faiferüdjen .£>aufe, toie ba§ ja audj bie äufjere ©efdjid)te fetneg ßeben§ bezeugt,
ergeben, tjat er fidj at3 ($efd)tdjtfdjreiber bodj einen tootjltfmenben ©rab, roenn
nidjt ber bollen Unbefangenheit, fo bodj ber 'üftäfjigung beroarjrt. 2)te 3fo*nt ber
SarfteHung ift fnapp unb getoanbt, ber ©til berrätb, ein forgfältigeg ©tubiutn
be§ Sacitug. Db aud) bie gortfetjung bon 1641 big 1648 öon 5ß. rjerrütjrt,
bleibt atoeifetljaft, roenn man aud) toieberljott ben Serfudj gemacht rjat, fie iljm
auaufdjreiben. S5ie neuefte 2Iu§gabe unter bem Xitct: „Epitome Rerum Ger-
manicarum ab anno MDCXV1I ad annum MDCXLVIII" §at, in aroei Steilen
(SGßien 1856 u. 1858), Subroig SIrnbtg beforgt unb fie mit einer Htterarifdjen
Einleitung unb erläuternben 2lnmerfungen berferjen. Söegele.
^Qr: brei Srüber, grana, Sodann SSaptifta (ober ^ans) unb
Grjriftopb, 5ß., audj 5ß a^r ober $ßarr genannt, Waren alg 53aumetfter ber
-Öeraoge bon 5ftedtenburg äroifd^en 1558 unb 1573 an SSauten befdjäftigt.
1558 — 1565 baute £$rran<J bag fd)öne ütenaiffancefdjtofi bon (Mftroro für -^eraog
lltridj; feit 1562 gibt er aud) 9tatrj bei ben ©crjroeriner SBauten be§ £eraogg
Sodann Sllbredjt. ^oljann 23aptifta baute 1557—1572 für ben fieberen, rjotte
aucr) felbft ba^u $alf aug SDänemarf unb ©anbftein bon $irna. <5r baute ben
Stjurtn ju ßüb^ unb leitete feit 1558—1571 ben ©djlofibau in ©djtoerin,
erbaute namentlid) aud^ bie ©djlofjcapelte, ebenfo 1570 bie alte Äanjel im
S)ome ju ©djtoerin unb ba§ fürfttid)e 9tenaiffancet)au§ ^u gürftenberg. Sodann
5Itbred)t f)iett ib,n b^ocb,, benn er lie| ifynt ein ^offteib „gleidj ben ^ofjunfern"
reidjen. 9Zeujab^r 1570 rourbe er nodj mit 220 Xfylx. ©e^alt für brei ^atjre
angeftettt, trat aber bodj fd)on 1572 mit ©enerjmigung be§ ^»erjog» in ben
S)ienft beS Äönig§ bon ©djtoeben. 1578 fam er toieber nadj ©d)toerin aurüd.
ßtjrtftopf) arbeitete aud) feit 1558 neben ^orjann SBaptifta am ©cb.meriner
©djlo|, bann neben i$xan% am ©üftroroer, 1563 faufte er fidj in ©c^roerin an.
1572 unb 1573 Ijeifjt er bort „93aumeifter" unb fctjuf im üDome ben fürftüdjen
Äirdjenftub,!, ber jetjt „abetidjer ßb.or" genannt tcirb. 1573 ^at er ben 2)ienft
be§ ^er^ogg berlaffen. S)ie SSrüber galten atg Dberbeutfdje.
$. mU). §. «Dlit^off, «mittelaltcrl. Äünftter unb Söerfmeiftcr. 3. Slufl.
1885. ©. 242 ff. (nad) ?ifdj, ^a^rb. unb 2o£, ©tatift. b. beutfdjcn Äunjl
im WH.). Traufe.
^aracclfu«: l ^o^cn^ctm, 93b. XII, ©. 675.
^araöctfer: ©eorg greitjerr b. ty., geboren1?, geftorben am 19. £ct.
1601. @r ftammte aug einem angefeljenen proteftantifdjen ©efd)tecb,te ^ärnt^eng.
Ueber feine i^ugenb ift nidjtg befannt. ^uerft toirb er ermähnt im %. 1594, wo er
im auftrage beg @rab,eraogg 5Jlajimitian in 5ßrag roeitte. S)er Äaifer übertoieg if)m
im felben ^at)re ein ^odjjeitggefdjenf, beffen 2Bertb, auf eine angefetjene ©teEung
beutet. 1596 tourbe er ©tattb^atter ju ©egna in ©almatün unb geriett) hei
bem Serfudje, bte ©tabt Stiffa ju entfetten, borübergetjenb in bie ©efangenfdjaft
ber Surfen. 51m 12. ©eptember 1598 tourbe er 3um SBefeljtgrjaber ber &xeny
Iqq ^>arabie3.
feftung Äaniija ernannt. Vergebens brang er fofort auf 33erftärfung ber 33e=
feftigungen unb 33ermer)rung ber 33efaijung unb ber Sebenämittet. 2lt§ im 9Jtai
1600 bie Surfen äum Angriff oorrücften, ftanben s$. nur 160 9Jtann -jur Söer=
fügung unb ba nad) erfolgter (£infd)tiefsung ber feftung bie Sßorrättje rafdj 3U=
fammenfdjmoläen, berlangten am 20. October bie unter ber 33cfatmng befinb=
lidjen Ungarn unb granjofen, bafi $. bie feftung übergeben folte. ©eine
Steigerung erroiberten fie mit SobeSbrolmngen unb ha aud) bie beuifdjen $ned)te
meuterten, mufete er fiefj fügen, ©er galt Äanteaa'3 erregte in ber ganjen
(Stjriftenrjeit bie gröfete Söeftürjung unb Gmtrüfiung. 5Jtan befdjulbigte ^. be§
33erratf)e§ unb, um fid) ben SBorroürfen <m ent3ter)en, [teilte bie faiferlidje sJtegie=
rung itjn bor ein ihiegSgeridjt. ©eine 23ertl)eibigung fatib fein ©etjör , ein
gludjtoerfud), roeldjen er in ben Leibern feineä Darren unternahm, mifjgtüdte
unb alle ftürfpradje blieb erfolglos. 3m 2lprit 1601 rourbe er be§ 23erratf)e§
fdjulbig erflärt unb am 19. October rourbe if)m auerft bie redjte £>anb, bann
ba§ .!paupt abgefdjlagen.
^urter, ©efd). gferbinanb IL 23b. IV. unb gleichzeitige 'Jftefjrelatiouen.
$. ^taör = S)eijinger.
^arabicö : Qfräulein 9ttarie 2l)erefe $., geb. in Sien am 15. 9Jtai
1759, erblinbete in ifjrem 4. SebenSjarjre. ©er 93ater, f. f. 3regierung§ratf),
erfannte fet)r balb bie bebeutenben mufifatifdjen Slnlageu feines ßinbeS unb liefj
fie öon ben beften Setjrern ber sJJiufi£ in alten 5DiSciplinen unterrichten, ©djon
in frürjer ^ugenb trat fie atä ©ängerin in ßirebenconcerten auf, fpielte auef)
fertig bie Orgel unb errang fiel) bie ©unft felbft ber Ijödjften ©efettfdjaftSfreife,
fobafc Hjr bon ber $aiferin 9ftaria Sljerefta auf SebeuSjeit ein ©nabengefjalt
üon 200 ©Ib. äugefidjert rourbe. $m 3- 1784 begab fie fiel) auf ^unftreifen
burcr) ganj Europa unb fetjte alle 2£ett burd) irjren ©efang unb it)r trefftidjeS
feelenbolleS ßlabierfpiet in 23erounberung. ©an,} befonberS ftaunte man über
itjr ©ebäcrjtnifj, unb 3eit9enoffen berfidjern, baf; man eine Gompofition bertangen
fonnte, bie man mollte unb fie ferjte fiel) t)in unb fpielte fie in unübertrefftidjer
äBeife. ©elbft bon ^ttojart roeifj man, bafj er fiel) lebhaft für fie intereffirte
unb fie befonberS ju größerem ©elbftüertrauen ermunterte. 2lud) als @ompo=
niftin mar fie aufjerorbentlid) tl)ätig, bodj ebenfo ängfttid), etmaS baüon an&
Sidjt 3u geben. @in 3ettgenof|e erjätjlt in ber Sittgemeinen Seidiger sJ)tuftf=
Leitung, 33b. 12, ©p. 471 ff., bafj er fie einft frug, roarum fie feines itjrer
SBerfe IjerauSgäbe? „SBürben eS mir bie männlidjen Äunftgenoffen öetäeitjen —
antwortete fie ifjm — menn id) als grauenäimmer eS magte, mid) mit ifmen
ju meffen1?" lieber bie bei 33reitfopf (& |>ärtel) erfdjienenen 12 beutfdjen ßieber
unb 33ürger'§ ßenore äußerte fie fid), e§ feien unreife grüdjte ber Sugenb.
SDie Sieber Ijabe fie auf iljrer Greife in ßeipjig 93reitfopf pm Slnbenfen über=
laffen „unb bie ßenore mar jum ^eiäjtn ber drfenntlid)feit für bie greunbfdjaft,
weld)e 23ürger mir fd)enfte, beftimmt". — 1786 feierte fie nad) SBien äurüd
unb betrieb eifrige ©tubien unter ^ojetudj, Ütigtjini, ©alieri unb bem Äird)en=
capellmeifter grie&ert- £>bgleid) fie nur feiten öffentlich auftrat, mürbe fie befto
metjr in gefcljloffenen Greifen begeljrt unb bort entroidette fie it)r talentbolleS
Äünftlertljum , gepaart mit ber größten 93efdjeibenb,eit unb einer bon 2ltten ge=
priefenen 2ieben§mürbigfeit. Wad) bem Sobe ifjre§ 33ater§ errichtete fie ein
^Jlufifinftitut für junge 9Jtäbd)en, ma§ balb fo in 93tütt)e fam, ba§ e§ if)r eine
forgenfreie ßjiftenä getoäljrte. SDie bamaligen geitfctjriften ergeben fid) mit
grofsem ßobe über bie 3lrt ifjre§ Unterrichtes unö über bie bortrefflidjen Seiftungen
iljrer ©djiilerinnen. 33on itjren ßompofitionen toerben befonber§ mehrere Opern
ermälint, bie in äBien unb ^rag 1791, 1792, 1794 unb 1797 jur 9luffül)rung
gelangten. Urttjeile über biefelben finb jebod) nirgenb§ niebergetegt, foroeit id)
mid) in ber bamaligen nod) gering entroidelten 3eifung§Iitteratiir aud) umge«
5Pateui. 167
fefjen tjabe. 2>afj biefetben nur geringen (ärolg evjietten, täfjt fid) fcfion barauS
entnehmen, bafj fie batb roieber bon ber Süfme berfdjroanben. 2lfs 2Tüet roer=
ben genannt: „2triabne auf 9taro§", Dper in jroei Steten, ferner „Striabne unb
23acr)us", „ber ©djulcanbibat", „Ötinatbo unb Strmiba". Stufjerbem roerben
nod) eine „ütrauercantate auf ben $aifer Seopolb IL" unb „;Ieutfcr)e§ 2Jconu=
ment auf Cubroig ben Ungtücftichen" erroärjnt. ©ebrueft mürben noef) einige
itjrer erften Gompofitionen, bie iebenfafls roätjrenb ir)rct ßoncerttour erfd)ienen
unb jroar al§ £)pus 1 unb 2 je „Six Sonates pour le clavecin. Paris, chez
Imbault." ferner „Douze Canzonettes italiennes avec aecompagnement de
Pianoforte. London, chez Bland." %n roie großer Sßerehrung fie bis in ifjre
testen Sebenstage Beim publicum ftanb, betoeift bie SXnjeige itjres £abinfcbeiben§.
©in Sßiener fcfjreibt an bie ütebaction ber Stttgem. Seliger mufif. 3e^ung:
„§eute (am 1. fyebruar 1824) ftarb im 64. ßebensjaljre bie berühmte blinbe
Sßirtuofin, gräulein 2tjerefe ^ßarabies; fie rjintertäfjt biete, um irjren SJertuft
innig trauernbe Scbüterinnen, in bereu banfbaren Jöerjen it)r trjeures 9tnbenfen
nod) tange fortleben roirb." 9t ob. Güitner.
^areuS: Daniel §., ^bitotoge, £ifiorifer unb Scbutmann, 1605—1635,
rourbe als <Sot)n bon £$ob\ Sßrjtl. $. (f. u.) in 9leur)au§ in ber ^talj, roo ber
S5ater 3ftector ber tat. Scitule mar, im $• 1605 geboren, ertjielt feine 2?ilbung
unter feinem Später auf ben ©nmnafien 3u 91euftabt a. b. £>. unb <!panau, unb
fetjeint bann burch Vermittlung öon ©ert). Sßoffiu» (hjieber im £>aufe ber
©rafen bon ^fenburg geworben ju fein. 5)a SSofftui' SBerfuctje, i§m eine
^rofeffur in ben ftiebcrlanben ju beschaffen, ferjtfcfilugen , fo ging 5ß. nad)
^aiferslautern unb errichtete bort eine lateinifebe Sctmte, rourbe aber — nod)
niebt 30 ^afjre att — am 17. $uti 1635 ermorbet, nach ber einen lieber*
tieferung bei ber Eroberung ber @tabt burdj bie Gruppen be§ ®eneral§ 6aHas\
nacb) ber anbern burcrj ©trafjemäuber. — Sie 3ar)£ feiner fcb^iftftetterifdjen
arbeiten ift eine fet)r bebeutenbe, er gab ben 9ftufaeu§ 1627 r)erau§, in bem=
fetben ^arjre °^n ^)erobian, unb bas" ..Mellificiurn Atticum", 1629 ben Cuincti=
tianus, 1631 <£>eliobor'§ Stetrjiopica unb SucretiuS unb fcrjrieb Animadver-
siones jur Saltufi=2lusgabe feines 23ater§, bie nod) jebt bon 2£ertr) finb. 35on
feinen fjiftorifcfjen Schritten ift bie „Universalis historiae profanae medulla" 1631,
bie „Universalis historiae ecclesiasticae medulla" 1633 , borjügtid) aber bie
„Historia Palatina" 1633 au nennen, toelcbe bie ©efc&idjte ber ißfalä bi§ 1630
befjanbelt. S3on biefem ferjr berbienfttichen ^Bucrje f)at ©eorg ßfiriftian nod)
1717 eine neue Stulgabe beranftattet.
©. (£b,riftian, Sorrebe jur Hist. Palatina 6. 152 ff. ■ — g. 2t. ©ctftein
in (Srfcb unb ©ruber'S @ncbf(opäbie III, 12, ©. 33 ff. 9t. ^od^e.
"^orcitö: S)abib 5]}. (eig. Rangier), reformirter 2beotoge unb treuefier
Sd)üler be§ Urfinu», be§ 9Jcitberfaffer§ be§ ipeibetberger Katechismus , geb. am
30. £ecember 1548 ju ^anfenfjaufen in Cberfcb.tefien, f am 15. 3funi 1622
p |jeibelberg. (&cb,on auf ber ©c^ute ^u ^irfcb.berg jeicbjnete er fieb, buret)
auBerorbenttict)en 5Iei^ aus, fo bafj fein ßeb.rer ßb^r. Scb.itting auf ihn auf-
merffam rourbe. 2tt§ biefer megen feiner reformirten Stbenbmarjleletjre bon ba
bertrieben am Slmberger ©nmnafium Unterfunit fanb, fotgte irjm ?ß. bab,in.
25on ba tarn tebterer batb nach ^eibetberg, roo er als 9ttumnu§ in bas Sapienj5
cotteg Stufnab.me fanb , bem UrfinuS bamats borftanb. Unter biefem unb ben
übrigen ausgcjeicbjneten ^e^rern |)eibetberg§ ftubirte er bafetbft ^bitotogie unb
Xb^eotogie. hierauf rourbs er 1571 ^xebiger ju Scfttettenbad) bei 3Bei|enburg
im heutigen Gtfafj, bann nacb, furjer Söirtfamfeit bafetbft Serjrer am ^äbagog
3U ^»eibetberg, bon roo er aber 1573 an bie ©emeinbe ju -giemsbacr) an ber
Sergftraße berufen rourbe. ftacr) bem 2obe griebrict)§ III. bon ber ^fatj fanb
er 1577 in bem ©ebiete be§ ^fatjgrafen ^to^ann Safimir ju Cggerstjetm einen
168 (J3areu§.
neuen SßirEungSfreiS , bann ju Söin^ingen bei 9teuftabt an ber £>aarbt. 2IIS
nad) SubroigS VI. Ableben 3ob,ann ßafimtr roieber ben SalbiniSmuS in |>eibel=
berg reftituirte, berief er SßareuS aum 2. Setter an baS ©apien3coÜeg , beffen
S5otftet)er er in ber golge rourbe unb bann 1598 *ßrofeffor ber £rjeologie an
ber pfäläifcfjen £ocbfd)ule. %n biefer ©tetlung geroann er balb ein foldjeS 2ln=
fetjen im $n= unb SluSlanbe, bafe fetbft biete Jünglinge auS ber ^fernc ju feinen
Borlefungen eilten unb eS für eine grofje 2luS3eicbnung breiten, toenn fie in
feinem unter bem ©cbtofcberge aufgeführten £mufe, baS er fein Pareanum nannte,
eine Aufnahme 3um 3ufammcnteben mit biefem ibrem bereiten 2eb,rer fanben.
BefonberS waren eä Sagbaren unb <ßolen, roetdje it)n bod)fd)ät$ten. — *ß.
mar bei aller confeffionetten @ntfd)iebenb,eit eine trenifebe fltatur, roetebe am
roenigften an bem ©e^änfe fo bieler jttjeotogen feiner 3pi* SefaHen fanb. (Segen
bie 33efd)ulbtgungen eines $olt)farp ßetofer u. a. ßutberaner, man fönne niebt
mit ben föeformirten gegen bie fltömifdjen fid) berbinben, mit benen man in
bieten fünften einiger fei als mit jenen, gab er 1615 feine |)auptfd)rift ber=
auS: „Irenicum sive de unione et Synodo Evangelicorum concilianda, über
votivus paci ecclesiae et desideriis paeificorum dicatus." @r fteHt in biefem
SSucbe einen GonfenfuS ber Üeljre beiber ebangetifeben .ßirdjengemeinfcbaften feft
unb jeigt, ba erft nad) ßutfjerS 2!obe ber 3wiefpalt ber Öetjre bon ßfyrifti ^erfon
unb ber ^räbeftination ausgebrochen, bafj urfprünglicb biefer fid) nur auf bie
münblidje sJcief$ung im 9lbenbmat)Ie erftredt fjabe, audj bafe bie 9teformirten
nidjt bie 9lugSburger Gonfeffion berroerfeu, fonbern bielmecjr attein red)t auS=
legen. 2)od) füllte burd) biefe ©djrift feineSmegS irgenb einer Abfcbmädjung
einjetner 8et)rpunfte baS iföort gerebet »erben. Gittern trotj feiner griebenSliebe
mürbe aud) s4>. in trjeotogifdje kämpfe berroidelt. ©eine Bearbeitung ber fog.
s)leuftäbter Bibel im $• 1587, in melcber er ju ber lutfjerifcbcn Ueberfeüung
neue Gapitetüberfdjriftcn, 3uiaie un0 Stnmerfungen fetde, rief bie gart^e Gnt»
rüftung eines $acob 2tnbreä gegen itjn fjerbor, ber eine „Stjriftl. Erinnerung
unb SBarnung", £üb. 1589 bagegen au§gerjen liefe, ty. antmortete tjierauf in
„Rettung ber ju 9lenftabt gebrudten Bibel". ©benfo fatj er fid) 3ur $otemif
aufgeforbert burd) Befdjutbigungen, toelcbc lutberifdjer ©eitS auf bem 9teid)Stage
311 9tegen§burg 1594 laut roiirben, bie ^tä^er feien nidjt als 2lugSburgifd)e
GonieffionSberraanbte an^uferjen. (Segen folebe fdjrieb er feinen „Clypeus veri-
tatis catholicae pro saneta Dei veritate et aeterna Christi divinitate" unb gab
foldjen jugleid) beutfd) tjerauS unter bem Xitel: „©ummariferje ©rflärung ber
mabren fatbotifefien ßebre bon ben fürnefjmften jebiger 3eit ftreitigen 9tetigion§=
artiteln." Slmberg 1598, roorin er bie 23erroanbtfd)aft ber reformirten ßebre
mit ber attlutberifcfien, bon ber bie beutigen £uttjeraner abgefallen, nacbjutoeifen
fid) bemüfite. 5Da er in feinem ßommentare sum 9t öm erbriefe in ben Ratten,
roo ber ©etjorfam gegen bie Dbiigfeit mit bem ©emiffen in 6onflict fommt,
einen bebingten 2Biberftanb gegen biefe einräumt, fo fatj er fid) barüber bon
mehreren ©eiten angegriffen. (Segen ben $apft unb bie ^efuiten erlief er 311m
gteformationSjubiläum 1617 eine ©ebrift, nad)bem er bereits 1604 feine „Disceptatio
epistolaris" mit bem ^efuiten %o% 9HagiruS 31t ©perjer berauSgegeben. 3)aS
meifte Berbienft aber bat fiefi fy. erroorben bureb bie S5eröffcnttid)ung ber in
lateinifd)er ©pracbe gefeferiebenen Auslegungen beS ^jeibelbetger ÄatecbiSmuS
feines SebrerS UrfinuS im ^. 1600. 5DaS lebte SebenSiabr beS ty. mar nod)
feb,r unrubig. S)er föinfatt ber ©panier in bie $falj bertrieb ibn im ©eptember
1621 auS -Ipeibetberg. 6r flücbtete nad) bem ameibrüdifdjen ©täbtdjen 3lnn=
toeiler , bon roo er in frantem 3uftanbe ju feinem ©ofjne ^ß^itipp, 9iector in
^Jleuftabt a. b. «gmarbt, im Januar 1622 eilte unb fein Xeftament auffetjte.
3[m ^ai reifte er fobann, feinem ^erjenSmunfcbe , in feinem pareanum 311
fterben, folgenb, nacb ,£>eibetberg, ba fid) eben baS $riegSgtüd ben proteftan=
5P«eu3. 169
tifcben SBaffen günftig geseigt- Äurae 3«t barauf ftatb er bafelbft. Seine
SÖerfe bat fein oben ermähnter ©obn ju granffurt unb ©enf 1647—1650 in
tuet Sßänben beröffentlictjt. %m 1. Sanbe gibt biefer eine aulfühttictje 2eben3=
befcbreibung nebft einem SBerjeicrjniffe ber ©cfjriften feine»1 93ater§ , roelctje bei
SBertoüftung bet $10(3 berloren gegangen.
Gürfcrj unb ©ruber III. ©ect. 12. Sttj. — .£>eraog'§ üteatencpcfopäbie. —
S3arjle. — 9liceron , Memoires. — 23or allen aber bie vita be§ ty. in
f. opp. ßuno.
Marcus : Sodann ^ßtjitipp 5ß. (2Bängfer), ^bilotoge, ültjeotoge unb
©ctjutmann, 1576 — 1648, rourbe in £)em§bacb in ber Siöcefe 2Borms\ tuo fein
SBatet, ber befannte Stjeologe Staöib *ß. (f. 0.), Pfarrer mar, am 24. s]Jtai 1576
geboren. Sie erfte 33itbung erhielt er auf bem bamaligen pfäljifctjen ©pmna»
fium in ^ieuljau§ unb ftubirte bann, um feine»1 SSaterg roitlen ton feinem $ur=
fürften reictjlicfi unterfiütjt, in £>eibe(berg junäctjft im pbitofoptjifctjen Gur§.
1598 ging er nadj SBafel, um ®rrjnäu§ unb ^olanug 3U tjören, unb mürbe
tjier am 15. gebruar 1599 9Jtagifter. 9tacb einem längeren Slufenttjalte in (Senf
bei Xtjeobor 33eja , bann in ^reiburg , Tübingen unb Strasburg , fehrte er
1600 nacb <§>eibelberg jurürf; am 20. Secember befdjenfte ibn bier ber befannte
Siebter 5J3aul ©ctjebe (ÜJtetiffus) mit bem poetifetjen Sorbeerfranje. Äur^ barauf
tourbe er ütector ber ©ctjufe in üxeu^naä) , nactj roenigen $af)ren fam er in
gleicher Stellung nacb fteubau§ unb 1610 nacb 9leuftabt a. b. £>aarbt. £ier
blieb er, um bei ben fctjroeren Äriegijeiten in ber 9Mtje feinet Sßater§ ju fein,
trot} toieberfjotter locfenber Berufungen an au§roärtige Uniberfitäten, namentlich
nadj ftranefer. Sie Sßefetmng unb v£erroüftung ber ^fatj buret) bie ©panier
im ^atjre 1622, bie ibn aueb feine toertbbotle 23ibtiotfjef foftete, nötbigte itjn
jeboeb, "Dceuftabt ju Perlaffen; er fanb in £)anau im fotgenben %at)xt bie erfebnte
gufluctjtfiätte. ^)ier batte bie Sanbgräfin ßatbarina Setgica ali Sßormünberin
it)re^ unmünbigen ©otjncs' ^bilibp ^ftorij bie borbanbene lateinifebe ©djufe ju
einem Gymnasium illustre, ber „botjen Sanbesfctjute", au§3ubi(ben begonnen unb
berief nun ty. al§ ^rofeffor ber ttjeofogie, ber tjebräifctjen ©praetje unb 5ptjito=
fopbie; äugteicr) ernannte fie itjn jjum Ürector ber 3lnfialt. *ß. nabm bie 35e=
rujung mit greuben an unb blieb aueb £)anau treu, at§ ibm Pon ben Per«
febiebenfien Seiten gtänjenbe 3tnerbietungen gemaetjt rourben, fo bon Jperborn,
Saufanne, -gmiberropf unb Sebenter aus. 31m 20. 3Iprit 1647 ertfjeitte itjm
bie SBafeler llniberfität ben ttjeotogifctjen Soctorgrab; er ftarb 1648, nactjbem
er einige ^atjre bor^er in ben Ütutjeftanb getreten roar. — ©eine jatjlreictjen
©ctjriiten finb Pornetjmüctj ptjilologifc^e; befonber§ berbienftlictj unb bon bauern=
bem Söertlje finb feine arbeiten ,ju 5ßlautu§. 21uf bie „Electa Plautina" (juerft
1597) folgte 1610 bie erfte boüftänbige Ausgabe ber ^ßlautinifctjen Äomöbien
(1619 bie jroeite mit neuer 2)ergteictjung ber fämmtlictjen pfä^ifcfjen ^>anb=
fcrjriften) unb 1614 ba§ „Lexicon Plautinum"; bie Äritif unb Srflärung be§
Sictjteri batirt eigentüctj erft Pon biefen Slrbeiten, beren äöertfj unb ^uberläffig«
feit freilief) f. 3- 3anu§ (Bruter in leibenfetjaftüctjen Singriffen beftritten, neuer=
bing§ aber fix. sJtitfctjI gebüfjrenb anerfannt f)at. Söeniger bebeutenb ftnb bie
arbeiten ju ©pmmactju§: bie Ausgabe ber „Epistolae", ba§ „Lexicon Svm-
maebianum" unb bie „Calligraphia Svmmachiana", fämmtticrj 1617. 2lu|er=
bem gab er ben üerentiuä 1610, ben ©attuftius 1617 u. 31. tjerau§. ©eine
leijte grofee Slrbeit roar ba§ „Lexicon criticum s. Thesaurus linguae Latinae"
1645. ©eine tbeologifctjen ©ctjriiten: „Catechesis religionis ebristianae" 1615,
„Theatrum pbilosophiae christianae" 1623, u. 31. finb meift bergeffen.
g. 31. gtffiein in grfcb unb ©ruber'§ gncpflopäbie III, 12, ©. 31 ff. —
Sßiberit, ©efctjict)te bee ©bmnafiumS in ^»anau 1865, ©. 48 u. ©. 61 ff.,
roo fictj aueb ein boüftänbige» 93erjeicbnit3 feiner ©ebriiten befinbet.
». ^oebe.
170 ißarfjamer.
^arljnmcr: Sflnas 5p. mürbe am 15. Sunt 1715 au ©d)roanenftabt in Dber*
öfterreicf) alä ©ol)n raotjltjabenber, roegen i^rer 9ied)tfcl)affent)eit unb i^reS regen
2öol)ttl)ätigfeitsfinne§ gearteter unb beliebter Sßürgeräteute geboren, ©eljnlidjft
münfd)ten fie, bafs itjr ©otjn fiel) junt ^tieftet tjeranbilbe. @r genofj bie erfte
©djutbitbung in feinem ©eburtäorte unb abfolbirte ba§ ©i)mnaftal= unb })f}ilo=
fobl)ifct)e ©tubium in Sinj, rootjin feine ©Item mittlerweile überftebelt roaren.
©eine eigene Neigung beaügtid) ber SÖarjl feine§ aufünftigen 33erufe§ ftimmte
mit bem ßieblingöttmnfdje feiner (Sltern überein. ©ie bon irjin angefudjte 2luf=
narjme in ben Sefuitenorben mürbe jebodt) mit bem <!pinmeife auf feine fd)mäct)=
lid)e ©efunbrjeit borläufig abgelehnt. @r ging junäctjft nad) Sßien, begann l)ier
Geologie ju ftubiren unb fanb enblid) am 17. October 1734 Slufnaljnte in baä
Sefuiten = 6ottcgium ju Srencfin in Ober = Ungarn, ©leid) nad) jurürfgelegten
5Probejal)ren im Yef)rfad)e berroenbet, letjrte er burd) aroei Sacjre bie ^pumaniora
in 33elgrab, ein Satjr lang 5poefie unb 9tr)etorif in (Srlau unb roieber ein Satjr
lang bie gleichen £$räd)er in sJieufor)l. 3u üttyrnau, mo er bie tr)eologifd)en
©tubien beenbete unb brei Sarjre at§ .ft'atedjet ber beutfdjen Sugenb mirfte,
mürbe er 1714 put ^kiefter gemeint. 3fn bemfelben $at)rc berbffentlidjte er
ba§ 3Bud) „ba§ folgfame $inb", beffen ^roeite Auflage, in SScrfe gebracht, 1748
erfdjien. 3m $• 1745 fjörte 5p. in ©ra,} ba§ fanonifrfje 9ied)t unb mar bort
al§ Äated)et in ber ßirdje bc§ ^efuiten = Gollegtumä trjätig. 5Jtad) SoEenbung
be§ brüten 5probejaf)reä au Sfubenburg in Cber = ©teiermarf tarn er 174(3 nad)
SCßien. 6r letjrte Ijter üDialeftif unb mürbe bon ber Söiener lluiberfität jum
ü£)octor ber 5ptjilofobt)ic unb 9Jlagifter ber freien fünfte bromobirt. ©eit bem
3ar)re befolgte er aud) ben Dteligionöunterrtdjt in ber afabemiferjen Äirdje unb
in ber .ttirdje am £>of ju üffiien. SDie ^aiferin 5JJcaria Stjerefia übertrug icjnt
1748 bie 2luffid)t über bie Xribialfdjulen. 5part)amer'§ im $. 1750 erfdjienener
„$ated)t8muä für brei ©djulen unb mit gemöljnlidjen ©cfjutgefängen" errang
grofje Erfolge unb eine meit über bie ©renjen ber Sötenev (Sr^biocefe rjinauS
reidjenbe Verbreitung. @r mürbe miebertjott aufgelegt unb in bie ungarifdje,
fetbifdje unb böl)mifd)e ©bradje überfeijt. 2ln biefe§ für jene $nt fetjr ber=
bienftlidje ©djutbud) fdjtofj fidj 5parl)amer'S im Sf. 1752 beröffentlidjter
„^iftorifdjer $atedji§mug mit Ijiftolifdjen fragen, ©lauben§= unb ©ittenlerjren".
2lucr) ^a^önter'§ Obere beroiefen, ba^ fte feine 2üctjtigfeit roürbigten, inbem
fie il)m ein meitereö ©ebiet ber SQßirlfamleit eröffneten. @r mürbe fated)etifcf)er
^Jliffionär ber Söiener ©rjbiöcefe unb batb barauf ©uperior ber !ated)etifd)en
sJJliffionen in ben SJiöcefen Söien, ©aljburg, ©edau, ©örj, 9laab unb ©ran.
6r burcrjpitgerte im auftrage ber ßaiferin biefe ©egenben unb organifirte in
ben ^»auütftäbten ber betreffenben Sauber rr6rjriftenteljr = S8ruberfcr)aften", mie fie
$apft ^3aul V. fdmn 1571 beftätigt unb alten 23ifd)öfen empfotjlen ^atte. S)ie
Äaiferin 5)Jtaria S^erefia , it)r ©emaljl unb tljre ßtnber fcrjrieben fiel) in ba§
SSeqeidjni^ biefer Sruberfcrjaft ein unb unterftü^ten baburd) roefentlictj bie 33e=
mürjungen ^arrjamer'§. 9lod) je^t fingt ba§ fatb^olifcrje SBolf £)efterreid)'§ bei
ber ©penbung be§ ©egen§ baS öon 5p. eingeführte ßieb : „heilig, rjeilig, heilig".
5Der 9luf ber iejm eigenen Serebtfamfeit , feine ebenfo mürbebotten aU bolf§=
tljümlicrjcn Vorträge lodten 3llt unb Sung bon 9tatj unb ^ern tjerbei. 5)ie
ßirc^en bermodjten ^umeift bie 3ul§0rerfrf)a!t nierjt ju faffen. S)er ©emaljl
9Jcaria S^erefia'S, Äaifer ^'ana I., roätjlte it)n im Sf. 1758 nad) bem £obe
be§ 5pater§ SSittermann ju feinem S3eicl)tbater. @§ mirb aud) bem Sinfluffe be£
i?aifer§ 3ugefcl)rieben , ba^ Ataxia £t)erefia im ^. 1759 5p. bie Seitung be§
SBiener 2öaifent)aufe§ am sJtennmege übertrug, beffen Flaume fte in ber golSc
auf 5parl)amer'§ Slntrag burd) 2lnfauf angren^enber ©ebäube ertjeblid) bergrö^erte.
S)a§ 2Baifenljau§ nat)tn unter feiner ßeitung einen ungerool)nten 5luf=
fdjmung. lieber feinen Seljr= unb @r3iet)ung§plan finben mir betaillirte Angaben
^arfjamer. ^ 171
in bem 23uct)e bon ©. ütieber, bie jum großen 2r)eite am ^arrjamer'g 3far)re»=
berichten berufen. Sie Knaben toaren in actjt, bie Sftäbdjen in bier Sdjulclaffen
bertrjeitt. Sie ßinbcr tourben im gefen, Schreiben unb Steinen, in bet 9tecr)t=
fcrjreibung , bei; ©eograptjie, bem S^cfmen unb bei* ÜJlufif , bie Knaben im
„(Sjerjieren unb ber Äriegsfunft", bie 5Mbdjcn in -öanbarbeiten unterrichtet.
Slufjerbem Ratten fie ein .panbtoerf, insbefonbere bie Änaben ba§ Oon Sctjneibein,
Sctjurjmacrjern ober Scrjreinern ju erlernen, bie Sttäbcrjen aber mufjten bie
Söäfcfje 3uricf)ten unb in Stanb tjalten. Sie Knaben toaren in eine 21btf)eilung
Kanoniere unb brei Gompagnien ©renabiere unb 5ule^ere bertrjeitt, beren iebe
uniformirt unb botlfiänbig au§gerüftet toar. «Sie bollfütjrten unter Leitung eineä
faifcrtictjen Ciftcierä at§ ßjerciermeifterS alle mititärifcrjen Uebungen mit ©e=
roetjren unb getbftücfen. Siefe Grjetcitien unb Äirdjenparaben, bie nicfcjt fetten
*ß. „ber ^inbergenerat" felbft commanbirte, übten groBe Sln^ietjungsfraft auf
äöiener unb grembe; fie mürben attmärjlicr) eine ©eb,en§toürbigfeit Sßitns. Ser
ganje 2erjr= unb ©räietmngeptan ^>arr)amer'3 fanb bei ^eitgenojfen unb fpäteren
2fact)fd)riTtfteIIern berfctjiebene SSeurtfjeilung. Gü§ jeigt Don richtiger ßrfenntnifs,
wenn ty. jelbft fagt, bie Slnftatt fjabe bie Stufgabe, taugticfje SSeamte unb £er)r=
metfter, gut gefittetc 33ürger, emfige Arbeiter, bortreffücrje Mnftler, getreue
Sienfiboten tjeran ju bitben. griebrict) Nicolai rjebt bie attenttjatben „fetjt
medjanifdjie drbnung in biefem auf alle Söeife fetjr mertroürbigen 28aifent)aufe"
fjeroor. @r meinte ben Äinbem ansuferjen, bafj itjre jugenblictje Sebtjaftigfeit
unter ber Saft einer müitärifcrjen Suborbination unterbrücft fei. „Äein
Grjarafter mar ju unterfctjeiben, fonbern einer fat) aus toie ber Stnbere, QXUe fteif
unb tote in einem ütatjtnen eingefpannt". Jß. felbft far) in ben @jercier=
Uebungen feiner fteinen Strmee fein blo|e<j Äinberfpiel. Gr rjatte einen
päbagogifcrjen ^rotd babei im 2-luge. Sie ßinber fottten ©ruft unb ^öfticrjfeit
im 33erfer)r, Sefjorfam gegen Obere lernen, eine gute $örpevb,attung annehmen,
befonbere gcrtigfeit unb ©efcrjicftictjfeit befommen, fidj an Üteinticrjfeit gewönnen,
üjt @r)rgefüt)t foüte geroecEt tocrben. Ser Stuffänoung be§ Sßiener Sßaifenrjaufeä
unter ^arb,amer'§ Seitung geigte fict) aucr) in ber 3a^ bex bort untergebrachten
$inber, fie ftieg bon 300 auf na^eju 800, bie Stiftungen bon 49 446 ©ulben
auf 408.200 ©ulben. Stucb, JHnber au§ bemittelten Familien tourben als $ofi=
finber im ^arrjamer'fcrjen SBaifenrjaufe untergebracht. !Jtact) bem 2obe be§
$aifer§ fjrans I. tourbe 5ß. für einige ^afjre Seicfjtbater ber ©r^ei-jogin
(Stifabetr). Sie ßaiferin 3Jlaria Sfjerefia unb bie ©r^eräoginnen befudjten
miebertjott ba§ Söaifenb.auS, tootjnten bem bon 5p. geleiteten (Bottesbienfte unb
ben 2tnbad)t§übungen bei. Sie Gh^tjerjoge ^art Seopolb, g^'binanb unb
$ftarimüian erfjietten in 5ßarr)amer'§ ^nftitute itjren erften mititärifctjen llnter=
rictjt. Sie Gür^er^oginnen äeid§neten itjn burct) Gürinnerungen unb 33riefe au§.
Stuf ^arrjamer'S «Soften ging ber ßeb^rer 2lnton Reifet bei St. Stefan 1768 in
bie berühmte Scfjute nacb, Sagan, um bort eine beffere Unterrictjtsmettiobe ju
lernen, bie bann aucb, im Söiener 2ßaifent)aufe eingeführt tourbe. ^n ber 1774
erfcfjienenen Schrift bon ber „Sefccjaffen^eit be§ 2Baifentjaufe§ Unferer Sieben
grauen am Drenntoeg" fteütc ty. bit ganje Gcinrictjtung biefer groBartigen
■Öumanität§ = 3tnftalt bar unb bertfjeibigte fie gegen manche laut getoorbene 31n=
griffe, ty. blieb auctj nadt^ Sluifjebung be§ ^efuiten = Orben§ unbeint Sirector
be§ 2Baifenr)aufe§. SJtaria SLfjerejia anertannte im $. 1777 fein berbienftlicfjeg
3Sirten burdj Sßerteifjung ber Xitular = 5]Sropftei Srbäo in ber Grlauer Siöcefe
unb erfctjien mit ben ©r^erjoginnen ju feiner 33enebiction unb ^nfulirung am
27. September. %m iobe^a^re ber Äaiferin 1780 beröffentlicb,te $■ fein 35ud)
„Sc^ulregel für bie Geltern, Äinber unb ßet)rer". 6r tourbe im 3- 1781 jum
tRector IRagniftcuä ber Uniberfität 2Bien getoäfjlt. $apft *pius TL befugte
ba§ 28aifenrjau§ am 11. 2Ipril 1782. *ß. lie^ jur ßrinnerung einen Senfftein
172 Ißatiä^.
fe^en. Set bei* Reform ber ,£>umanität8=2lnftalten unter Äaifer 3fofcf II. rourbe
ber ^ropft ty. „Obcrbirector ber fämmtlidjen Söaifenljäufer in ben f. f. ©rbftaaten"
im folgenben ^atjre aud) SMrector be8 f. f. 2rinbcli)aufc§ unb fpäter 2)irector
ber ©tiftung8--Gommiffion. 2118 *ß. bom ßaifer Sfofef II. anftatt ber tropftet
5)ri\j6 unb ber bi8r)er belogenen *J3enfion al8 ehemaliger faiferlidjer Seicfjtöater
bie 2lbtei ßefcr in ber 2)iöcefe Söai^en erhielt, öerroenbete er bie (Jinfünfte
mehrerer 3at)re barauf, bie 2lbtei au berbeffcrn, ©djlofj, $irdje unb ©d)ule ju
reftauriren. 3118 am 20. 2lpril 1783 bie neue ^jarreintrjeitung öon SGßien in8
£eben trat, rourbe ty. auf Söunfd) $aifer 3ofef8 II. Pfarrer an ber neuerridjteten
Söiener Pfarre im 2öaifenr)aufe ju ^Rariä ©eburt am Üiennroeg. 21m 2. Sfuni 1785
errichtete $. in feiner äkterftabt ©d)toanenftabt eine Söaifenftiftung. 21m
14. October beffelben ^ab,re8 rourbe ba8 *pari)amer'fd)e ^nftitut am fltennmeg
aufgeladen; bie Äinber in ba§ neue SOßaifentjauS in ber Söäfjringerftrafjc berfetjt.
ty. blieb als Pfarrer am 9tennroege jurüdE. SDaS ©Reiben auS bem irjm lieb
geworbenen SöirfungSfreife inmitten ber Sßaifenfinber ferjetnt bem ©reife fef)r
nalje gegangen JU fein. @r träufelte öon biefem 2Iugenblirfe an unb ftarb am
1. 3lpril 1786.
QueEen: ö. geifert, bie öfterreicfjifdje 23olf8fd)ule. ©cfdjid)te, ©tyftem,
©tatiftif. 1. »anb 0)3rag 1800). — ü. ^Itnett), ®efd)id)te «Diana S^ctefia'8.
4. 33anb (Söien 1870). — t». Söurjbad), biograpf)ifd)eS Sencon. 21. Sfjeil
(SBien 1870). — ®. lieber, Sgnaj ^arfyamer'S unb gfranj 2lnton SRarjei'S
ßeben unb SOBirfen (2Bien 1872). — T.opograpljie öon Wieberöfterreidj. <£)erau8=
gegeben bom Vereine für fianbeSfunbc öon 9ticbcröfterretdj. 1. 23anb. (2Bien
1877.) 21. ftelgel.
^artSl): 3or)n 5ß., Kaufmann. 3U Denjenigen 91otabilitäten Hamburgs,
beren Sebeutung nid)t nur in itjrem rDof)lerrDorbencn fReid£)tr)um , fonbern in
it)tex felbfterroorbenen geiftigen unb moralifdjen Gapacität liegt, gerjört aud) ber
Obengenannte, roetdjer, obgleid) fein Hamburger, aud) fein 2)eutfd)er bon ©e--
burt, bod) langer als 50 ^arjre als ein guter 29ürger Hamburgs fiel) betoiefen
r)at. ©eboren im DJcärj 1742 ju Seit!) in ©djotttanb, anfdjeinenb feiner f)er=
öorragenben Familie entfproffen, fam er faum 1 5 jährig im $. 1756 nad)
Hamburg, öermutljlid) in baS .£>au8 unb ©efdjäft eineS Ijier etablirten £anbS=
mannS, üieHeicfjt eines ber s]liitglieber ber priöilegirten Gnglifdjen f^actorei (ber
fog. Gourt). 2118 er fpäter fein eigenes .£>anbel§gefd)äft grünbete, trat er biefer
©enoffenfdmft nidjt bei, fonbern 30g e8 öor, bem ©emeintoefen al8 33ürger an=
jugeljören. 5Jlit guten 'Otaturgaben au8geftattet, beren ßultiöirung — aud) olme
bie Seifjülfe Ijötjerer 23tlbung§anftalten (in einer öon iljm öerfaBten ®taat§=
fd)rift erflärte er fpäter, etroaige gormfeb.ler entfdjulbigenb, bafj er niemals eine
anbeve 33ilbung§anftalt al8 bie ßomptoitfdjute befud)t rjabe) — il)n balb ju
einem flugen, fenntmjjreidjen Sßeltbürger förbexte, gelang eS iljm, fein ^>au8 3U
einer refpectabeln ©rö^e ju ergeben, unb feiner ^irma eine anerfannte $epu=
tation Beftcn Älange§ <ju öerfdjaffen. 9tad)bem fein ^au8 nun aud) bie allge-
meine ©efd)äftSfrifi8 öon 1799 unerfd)üttert überftanben ljatte, jäl)lte e8 ot)ne
^rage ju ben folibeften be8 Hamburger ©rofjr)anbet8. 2)ie Regierung ber 2Jer=
einigten (Staaten öon 9torbamerifa r)atte bereits 1793 bem erjrenroertrjen ^p. itjr
ßonfulat in Jpamburg (beiläufig: baS erfte feiner 2lrt in S)eutfd)lanb) anöer=
traut, öon roetd)em Üpoften er jebod) 1796 freimiEig jutüÄtrat. — ^m ^. 1801
befanb fid) Hamburg in großer 23ebrängnifj , inbem bie pl5|lid)e S3efe^ung ber
©tabt burd) bänifdje Gruppen, bie Siebroljung be8 freien 6lböerfef)r8 burdj
frembe Ärieg8f d)iff e , fomie bie nur ju begrünbeten ©erüd)te über eine bemnäd)=
füge 9Jtebiattfirung unb 2lnneetirung ber 9tepublif Jpamburg burd) eine ber
mehreren beuteluftigen ^Ronardjieen , ben Söeltljanbel ber ©tabt ööüig brad)
legten. 2>em ©enat erfcfjien e8 be§t)alb angezeigt, burd) eine geheime 9Jiiffion,
Sparte 173
unb zwar feines Diplomaten, fonbern eines facfjfunbigen gewanbten Kaufmanns,
baS ßonboner (Sabinet baöon 311 überzeugen, tote fetjr GmglanbS commeraetteS
$ntercffe babei beteiligt fei, baß Hamburg fctjleunig üon ber bänifdjen £)ccu=
pation ertöft werbe, unb ein freies , fetbftänbigeS ©emeintoefen mit anerkannter
Neutralität, auct) ferner bleibe, wofür QüngtanbS SSermittelung bei beporftetjenben
griebenStractaten anzurufen. SDiefe 9Jtiffion übertrug ber Senat bem pfättig
in Sonbon antoefenben Sotjn ty., welcher bie fctjwierige Slufgabe als feine
33ürgerpflict)t willfährig übernahm unb fie mit (Sefctjicf in taftüottfter SBeife
eifolgreictj ju löfen öerftanb. %n einem amtlictjen Schreiben brücfte ber Senat
nact) ^ariS^'S £)eimfet)r bemfetben feine wie ber ganzen Stabt ©antbarfeit in
anerfennenben äöorten auS. — %m $. 1806 feierte *p. in feiner Söitta 3U
Nienfteben an ber fötbe ein feinem 50 jährigen reictjgefegneten 2lufenttjatt in
Hamburg gemibmeteS $eft. Gebern jjer jatjtreictjen SLrjeUnetjmer überreichte er
eine beStjalb geprägte SDenfmün^e , welctje in ©aebectjenS' SöerE über bie <gmm=
burger ^Jtünjen unb 5Jtebailten (I, 194) abgebitbet unb befctjrieben ift. 2US
entfctjiebener geinb ber franjöfifctjen Söetttjerrfctjaft, War er ein warmer ^fteunb
unb 53eretjrer 33lüct)er'S, welcher 1806 als Kriegsgefangener in Hamburg lebte
unb ^ariSt)'S ©aftfreunbfctjajt genoß. sJiacrj bem ^rieben 1814 ließ iß. eine
Jowotjl Hamburgs Befreiung anbeutenbe , als SStüctjer'S ^elbtjerrnrutjm Pertjerr=
tictjenbe 9Jtebaitle anfertigen, wetd)e in genanntem ^JcünäWerl (I, 195) betrieben
ift. $n bemfetben ^atjre gebadjte JpamburgS Senat nochmals s^ariSt)'S tjanbeIS=
politifctje ^enntniffe unb Erfahrungen ju benuken, inbem er ifjn zum 53eige=
orbneten einer nact) ßonbon beftimmten 9Jtiffion ernannte. 2)oct) fdjeint 5ß. biefe
(Stjre abgelehnt au tjaben, ba fein ättefter Sot)n, 3otm 5ß. jun. beS SSaterS
Stelle in biefer ©efanbtfctjaft Pertrat. — Später lebte er öorjugSWeife in @ng=
lanb, nactjbem er fein Hamburger üDomicit aufgegeben unb feine $irma, fein
Stabt= unb ßanb'tjauS feinen Söhnen übertragen tjatte. Unter biefen wie
fpäter unter feinen (Sntetn erhielt baS Pon itjtn gegrünbete ^anbelStjauS nod)
lange 3eit feinen alten ©lan^ unb Würbe erft 1842 aufgelöft. — ty. ftarb zu
SSatt) in (Snglanb im ©ecember 1829. — Sein 9tame lebt in Hamburg noct)
jefet fort in feineS (ümtelS (StjarleS SBittwe, 5t'<*u 2lugufte ty. geb. ©obeffrop,
ber SSorfietjerin beS (Siebeting'fctjen) weiblictjen S3ereinS für 3lrmen= unb ^ranfen=
pflege, fowie in einer, armen Scrjutfmbern gewibmeten milben Stiftung feiner
1866 geworbenen (Snfelin, f$xl. Jparriet $ariSt).
(3um Htjeil nact) arctjiöatifctjen Quellen.) SSenefe.
s^artr: 3ot)ann $. nennt ftd) ein beutfctjer 35uctjbrucfer beS 15. Sat)r=
tmnberts in £ouloufe. ^war wirb als fein 5lame oft auct) ißariS angegeben
unb als ber Ort feiner ©rucferttjätigfeit wirb — unb würbe namentlich in
früherer 3?it — auctj üEolofa in Spanien bezeichnet. S)aS erfte ift ooEftänbig un=
begrünbet, benn unfer sJtteifter fctjreibt fict) immer nur $ßarij. S)ie anbere 3lngabe
tjat einen Stüttountt in bem Umftanb, bafj in ben Sci)tu^fcf)riften feiner 5Drucfe
regelmäßig bie (tateinifc^e bejw. fpanifdje) NamenSform X^olofa ober 2olofa
fterjt, fowie aucl) barin, baß unter biefen ©rüden, bie fonft alle tateinifcrje 2ejte
enttjalten, auclj brei fpanifdje fiel) finben. ^Ittein für bie fleine fpanifdje *pro=
Dincialftabt ift bieS fo wenig beweifenb, als eS bie analogen (£rfct)einungen bei
«Pari?' SerufSgenoffen in Soutoufe, ^einric§ «ülarjcr (f. 9t. ©. 35. XXI, 95)
finb. 2)afj Pielme^r auct) ^ß. fo gut wie biefer in Soutoufe brudte, geljt mit
Sid§er^eit auS ber näheren 3Bo^nungSangabe „juxta pontem veterem" , bie fiel)
in einem feiner ©rüde finbet, tjerPor. SDenn Wie S)eSbarreauj=33ernarb in ber
Sctjrift „L'imprimerie ä Toulouse aux XVe, XVIe et XVIIe siecles, 2. e"d.
1868, p. 27 unb 59 mitteilt, tjat eS in Soutoufe mehrere Ponts vieux gegeben
unb ejiftirt bort ^eute noct) eine Rue du Pont Vieux, wätjrenb öon 2otofa
9ler)ntid)eS fiel) nietjt nact)Weifen läßt. 9luct) auf ben anbern Umftanb möcrjten
17 1 $'«!&
Wir aufmerffaut machen, baji in einem bon $arir üDruden (ber „Legenda aurea"
be§ £jiacobu3 be SBoragine, s. a.) ein ..professor fidei" Sfacobi als (Jorrcctor
borfommt. 3tn Xotofa l)at e8 nie einen ..professor fidei" gegeben, woglabet in
2outoufe, wo an ber Unibetfitüt eine tbeologifdje Tyacuttät beftanb. 5Dafj an
biefe ©tabt and) bei bem „Xfyotofa" ber Sßatij'fdjen ©ttttfe }U benfen ift , ftetjt
fomit aufjer 5rage. 2öie lange aber $. in jouloufc als 33udjbruder tfoätig
gewefeu, ift weniger fidjer. Sein "Jtame fommt überhaupt nur auj SDxucten bei
jjatjte 1479, 1480 (bielleidjt aud) 1481) nnb — in SSctbinbung mit beut fonft
unbefannten Bruder ©tepban Gtebtat — 1489 bot. (Jva(fd) ift bie 9tatnenS>
form Cvlebat für beu Oöenoffeu beS 5ß. nnb untid)tig ift eS aud), Wenn oben
58anb XXI, ©. 95 gefagt ift, ber ßefetere, $., Ijabe bi§ 1486 gebrudt.) Vlber
Wie [ebenfalls in ber ^roifcfjeiMcit Jtmfd&en ben genannten $ar)ren, fo ift er möglicher
SBeifc and) bor nnb nadj benfetbeu tfjätig gewejen. Si'Sbefonbere ift eS burdj=
aus nidjt ausgcfdjtoffen, bafj bie fünf otjue Bejcidjnuug beS ©rudetS erfdjienenen
SEoutoufer ©rutfe, meldje ©eSbarreauj-SBernarb a. a. D. 3. ;>-"» ff. ou8 ben
Sagten L476 117'.» unter bem litel: „Les ouvriers de Schoiffer (?)" auf«
fütvrt , aus beS 4>. treffe fyerborgegangen fiub, wenn fie gleid) anbere, ältere
%\)pcn aufweifen. 5p. wäre in biefent gfaH ber ^rotott)pograpt) bon Souloufe.
«ipieöon abgefefyeu beträgt bie Qafjl ber SDtuÄe, toeldje fei eS nadj ber Sd)lufj=
fdjriit fei es nad) hm £t)pcu biefem 3Jteiftei juge^ören, nad) ber Vtufnifylung
bei S)e86aneauj'©etnatb (bejto. bei s3Jteube,5, f. weiter unten) jelju. (3fn einem
berfelben nennt fid) % 3fo^anne8 X§eutonicu8, toeldje SBejeidjnung alfo feineS«
Weg§, wie bieljad) gcfchicfyt, an] einen anbetn, fonft unbcfauuteu sJJteifter ju
be^ietjen ift. i .fterborgeljobeu mag unter biefeu üDrurfen beS 2lngelu8 be @atn>
biglionibuS bc 2lretio Lectura super titulo de actionibus institutionum 1480
werben, \vcld)t ©eS&arreauj-SJetnatb a. a. £>. ©. 5 I eines ber fdjönftcn 2)rud=
Denfmate 3franfrcid)S aus ben Anfängen ber SBudjbrucfetfunfi nennt. 5$jk genannte
^atjt bejeicrjnet übrigens nidjt fänuutlidje (Stjeugniffe bon ^arir treffe. Slu8
if)t ift gemifj nod) mand)er ber unbatirten louloufer 2)tude (f. BeSDarreauj«
Sßetnatb a. a. D. @. 64 ff.) tjerborgegaugen ; bon mit bes 5Jteiftet8 Flamen
gewidmeten aber fiub bem erwähnten Bibliographen [ebenfalls jttjei entgangen,
be8 SJincente SÄtiaS be Batboa „Comentarios sobre el Ordenamiento de Alcala",
3af)r unbefauut, (f. Tyv. SJlenbej, Tipografia espanola 2. ed. corr. etc. por 1>.
Bidalgo", 1861, p. 292) nnb beS SPetruS be Dfoma „Commentaria in Sinbolom
[sie] quieunque vult,- s. a. (f. ?(. Cüaubin „Origines de l'imprimerie a Albia,
1880, p. 64 sq. Xot. 3), S)rudc, Wetd)e aud) baburd) bemerfcnSwertt) fiub, bafj
in i{)nen (iebenfaüs im jweitgenannteu) neben bem Flamen beS ©ruders aud)
ber Ort feiner .«perfunft angegeben ift, nämlid) ^eibclbevg. 9Tuf biefe Icl.Ucre
^Jlotij bejdjränft fid) jugteid) attcS, wa§ Wir über bie perfönlidjen Ber^ciltniffe
beS »Ulanne8 wiffen. 2Bir fönnen b^öd)ftenS nod) auS bem sJtid)tborfommcn
feineg Samens in ber .^eibetberger unb mancher anbeten UnibcrfitcitSmatritet mit
einiger Söarjrfdjeinlidjfcit ben ©d)tu^ ^ieljen, ba| er nid)t ju ben geteerten
Bud)brudern 3ät)tte unb ba^ baS 93cagifter, wetdjeS er bor feinen "Jtamen fe^te,
nur ben Reiftet, nidjt ben Magister artium be,^eid)uet. ^Jlöglid) , ba% er aus
einer ber IJcainjer S)ruderwer!ftätteu b^erborgegangeu ift, wiewol eS l)iefür nad)
bem, waS wir nun über feine Heimat wiffen, feine Sebcutung mef)r fjat, ba§
ber 9came «Paris ( = 5parij?), wie b. b. ßinbe „®efdjidjte ber (Srfiubung bet üßudj»
bruderfunft", 1886, III ©. 717 mittfjeitt, in iütaina borfommt. Sunt 6d)tu^
muffen wir nod) baS ©ignet erwäfjncn, baS in beS $. Dtnden aus ber ;-',eit
feiner Berbinbung mit ©tepfjan dteblat fid) finbet (borf)cr fdjcint er feines
gehabt ju fjaben). (SS ift auf fd)War,jcm ©runb ein wei&cS Äreuj mit jWei
Duerbatten unb einem ©tern unter beufclbcn. 3In ben gu^ beS ÄreujeS lehnen
fidj bie 'DJconogramme ber ©tudet an; aber wäfrrenb linfS gauj beutlid)
^artaei — <j3arfentin. 175
S unb C ju tefen ift, ftebt rectjtS ein eigentbümlicrj geformtes J unb ein ganj
unberfennbareS R, ntcfjt ein P; t)öd£)ften§ tonnte man fagen, bafj in bem R
aud) baS P ftedt. Unb merftnürbig , baSfelbe Sonogramm (J R), roieber mit
bem eigentümlichen J unb mieber an ein meifjcS, menn aud) etmaS anberS
geformtes unb anberS gefteüteS ßreuj mit gtoei SSalten angelehnt ftnbet fid) in
ben ©rüden beS $ob. 9lofenbad) (f. 3Jtenbea a. a. £). ©. 60), ber bon 1494
ab in ^Barcelona unb anbern Orten ©üanienS als Sßudjbruder ttjätig mar.
9cebmcn mir baju, bafj aud) 9tofenoadj £>eibelberg als feine Heimat bejeicrjnet,
fo liegt in ber Zx)at ber ©ebanfe narje, bafj jroifdjen 5ß. unb itjm irgenb eine
Sejiebu.ng befielen muffe. ©urefi SBergteidmng bon 9iofenbacr)S ©rüden tiefte
ftcb bieS bietteid)t be§ Dcätjeren feflfteHen. ©a unS folebe aber niebt p ©ebote
fielen, fo möge eS genügen, tjier ^um erften 9)cale auf bie auffattenbe (hfdjeinung
tjingemiefen ju tjaben.
23ergt. bie oben genannten ©djriften bon ©e§barreau£ = 23ernarb unb
5Jtenbeä, in roeldjen man aud) 9tebrobuctionen aus Sßarir/ ©rüden unb aroar
bei ©eSbarreauj;--23crnarb Staf. 15 gig. 2 unb bei sjJtenbej ©. 379 baS be=
fpiocbene ©rudermabben, bei (öfterem Staf. 1 ff. aueb äöaffer^eidjen unb
Staf. 7 unb 8 £t)penpro&en finbet. ©teiff.
^artjef: Stlejanber ty. (nacb 2öuräbacb ift ber 9tame in ben cjectjifc^en
Schriften spariflef gebrudt, maS ^arjiäef ju fpredjen ift), fatrjotifeber ©eiftlidjer,
geb. äu «ßrag am 10. 9tobember 1748, f bafelbft am 15. Stbrit 1822. @r
ftubirte bie ^umaniora in Sefuitenfcßuten, trat mit 17 ^abren ju Seitmerüj in
ben ©ominicanerorben unb ftubirte bann Stbeologie ju 23rünn unb 5prag.
Ütacrjbem er einige geit Äatedjet in Sßrag gemefen, tourbc er 1783 ©irector ber
^aubtfdjule in Ätattau. 2US baS bortige ©ominicanerttofter aufgehoben tourbe,
rourbe er äöeltgeifttidjer. 3luf bie (Smbfebtung beS 23ifcbofS Äinbermann (f.
21. ©. 33. XV, 758) mürbe er 1791 jum ©irector ber «Präger Wtufterfdmle
ernannt. 1798 mürbe er (£brenbomt)err in Seitmeritj, 1802 ju ^3rag Dr. theol.
honoris causa, 1811 ©ecan ber fraget ttjeotogifcben gacultät, 1816 in=
futirter 5ßxälat, @r bat mehrere bäbagogifdje unb erbaulicbe ©ebriften iu
beutfeber unb cäecfjifcber ©bradje beroffenttiebt. ©eine „(Jrflärung ber fonn» unb
fefttäglicfien ©bangelien für ©djjulen" l)at fünf, bie „Srflarung ber ©pifieln"
jmei Auflagen erlebt. 2tucrj feine (Sebetbücrjer, „©ebetbuet) für grauenaimmer"
unb „SBeg jur ©eligteit" maren früher in tatr)oüfd)en Greifen febr berbreitet.
5ß. tjat aud) einige Neffen unb anbere ©acben für Äirdjenmufif combonirt unb
niete geidjnungen unb einige ©emätbe tjinterlaffen.
Söaifeenegger, <Bd.-2tp.lon, 2, 84. — SButabacb, Sextfon 21, 314.
Oteufcb.
$ar!entilt: So bann b. 5ß., aud) 35 erf entin gcfd)tieben, auS ber be=
fannten ljoifteinifcfi = Iauenburgifcrjen 9titterfamilie , mar als ^oljanneS V. ber
26. 33ifcfiof oon 9ta|eburg unb ^tacfifolger feines am 21. ^aimar 1479 ber=
ftorbenen Vorgängers Sob^auneS IV. ©tatfoper auS äöiSmar, ber, obmobt im
$erucbe in 23efi^ ber ©olbmad)ertunft ju fein, fein 23i§tbum ftart berunter=
gebracht blatte. 5)5. gelang eS buret) ein meift gutes Serbättnifj ju ben ^eräogen
non 5Jtcdlenburg unb ©act)fen = Sauenburg fein fteineS biet angeftritteneS ©tift
(baS beutige medtenburg=ftreti^ifct)e gürftentfium 9la|eburg mit ca. 20 000 @iu=
mobnern) bebeutenb p t)eben, aud) in feinem grofjen, nodj in 5Jledtenburg
3mifd)en SöiSmar, Stbena (an ber Stbe bei ©ömitj) unb ber @tbe belegenen
©brengel mieber feine Slecrjte jur Ausübung 3U bringen, obmob^t ein 5priefter
ju ©raboto eS roagen tonnte, bon einem bifd)öflid}en ©biete, 9JtaIöafier bei ber
ßelebrirung ber 5Jteffe 3U gebrauct)en, an ben medteuburgifdjen ^»erjog ju
apbettiren! (£r mürbe in 33et^eiligung gebogen bei bem befannten ©ternberger
^oftienproceB , ber 1492 ^ur Verbrennung bon 27 3u°en in ©temberg unb
176 ^atlebetg.
bcS «ßxieftetS $eter Säne (f. 21. ©. 33. IV, 726) 1493 in 9toftod führte, unb
in bie ©treitigfeiten ber 9toftoder Slomfeljbe 1486 — 91. 2U§ friegfürjrenbeä
9JHtglieb natjm er ttjeil an ber Perroüftenbcn ßübed = 93iedlenburger getjbe Pon
1505 — 1507 megen ber gieret auf ber ©tepeniü. 25aS 2Bid)Hgfie feiner
SStfdjjof^eit ift bie Umänberung, transmutatio, be§ ütatjeburger ©omcapitelä,
meldje burd) eine 5ßufle ^apft 3uliu§ II. üom 22. «Dtai 1504 erfolgte, ©eit
ber ©rüubung beä ©tifteS 1158 (ober 1154) tjatte baä (Sapitet burd) 23ifd)of
(SPermob bem ^l'anionf^'atenferorben angehört unb mar biö bat)in in ber
mönctjifcrjcn £)rganifatton unb bei ber meinen 5prämonftratcnfertrad}t geblieben.
(Jrft feit betu SBifdjofe ©talfoper mar ein ffiejietjen getrennter Gurien unb ba8
fragen eine§ blauen UeberrodeS (almutium) eingetreten; 1504 rourbe bann bie
Sermanbtung in ein meltlid)c§ ßrjorrjerrnftift burdf)gefül)rt. ^>. mar angeblich
ein ©ot)n be§ 2)etleü 0. !p. auf Sütgcnt)of , er ift feit 1460 nadjmeiöbar alä
(Sanonicuä, jum 33ifdjof miube er geroätjlt am 31. Januar 1479, ftarb am
15. Suni 1511 unb mutbc im Som begraben. 211$ fein sJtad)fotger rourbe am
28. 3iim ferjon ^einrid) (III.) 23ergmcicr (23ergmepger, 33erf=, SSarfmetjcr),
f am 2. £ctober 1524, geroätjlt; uiebever 2lbfunft auö Hamburg, im ©djreib=
bienfte beä ^cr^ogö ^orjann oon Sauenburg in bie ,g)ör)e gefommen.
2lu3füt)rtid)e ©arftettung mit DueHennatfto. : ®. W. 6. «Dtafcf), ©efetj.
be8 SBiSt. fltatjeburg. ©. 371—408. -- s£ottbaft, Bibl. ©upplem. ©. 431.
Traufe.
s4>ni*leberfl : Siotjann 5p.# ©eiftlicfjer unb UniberfitätSlerjrer für tömifdjeS
unb canonifcrje§ Stecht, au<6 einer alten ©tralfunber Sßatriciexfatnilie, Don roeldjer
mehrere ÜDlitglieber in *$rag (1377- 86) ftubirten unb atabemifdje ©rabe er=
Warben, mar ber ©of)n be§ ©tralfunber Ofatf)St)errn 2lrnolb ty. (1453—76),
au§ beffen erfter @t)e mit *Dhmtefe 8i8foto, überfiebelte aber in ber sJJtitte beS
XV. 3at)rt)unbert3 niit mehreren ©efcrjroiftern nad) ©reijöroalb , mo fid) feine
©djmefter 9)targarete ty. mit sUcatljia3 ©leroing, au§ einer alten burd) Stiftungen
namtjaften gamilie, tiermätjlte unb fein Sßruber ^ermann % oon 1476 — 89
bie Ütatrjäljerrnmürbe befleibete. @r felbft rjatte jur 3eu oel* ©rünbung ber
©reifsroalber Uniöerfität unb be§ mit biefer uerbunbenen 2)omftifte£, feine ©tu=
bien ferjon beenbet unb bie brei ©rabe in ber 2lrtifteufacultät bereite erworben,
bemjufolge er, bei ber (Jinroeirjung beiber ß'örpcrfdjaften, am 19. ßctober 1456,
als 9ttagifter immatricutirt mürbe, unb am 12. 3funi 1457 bie SBürbe als
£)omt)err bei ber Wicolaifirdje empfing, anfangs 93titglieb ber 2lrtiftenfacultät
roirfte er in biefer (1456—57) als (Sjaminator unb üDecan, mibmete fid) aber
<ju gleicher ^eit aud) juriftifdjen ©tubien, unb rjörte bie SBortefungen Pon
3)ietrid) 3u*ora uno ©eorg äBatter über römifc^eg unb canonifdjeä 9?ec§t.
^iadjbem er bann in beibeu 9ted)ten bie unteren ©rabe ermorben Ijatte, erhielt
er (1461) eine orbenttierje ^ßrofeffur für römifd)e§ 9iec^t, unb fdjenfte bei feinem
Abgänge au§ ber 2lrtiftenfacultät an beren 33ibtiott)e£ mehrere 2ejte unb 6om=
mentare ^um SlriftoteleS. $n ber i$olq>t (1468) jum Doctor legum promoPtrt,
empfing er bie obere Seitung ber ^uriftenfacultät unb Perroaltete (1466 — 82)
toiebevrjolt ba§ Sdectorat. ^n biefer 3e^ roai' f"n Stuf al§ 9ted)t2Sgelet)rter fc^on
fo anerfannt, ba^ bie pommerfetjen ^erjoge 6ridj II. unb SBarti§lam X. irjn,
mit mehreren ritterf^aftlid)en unb ftäbtifc^en Slbgeorbneten, im October 1469
nad^ s4>etI^au 3um Könige ilafimir IV. üon ^>olen fanbten, bamit er gegen bie
Slnfprüdje ber 5Rar!grafen Pon 33ranbeuburg auf ba§ erlebigte ^erjogt^um
(Stettin, !§infid)tüd) melier ein fd)ieb§rid)terlid)er ©prucrj Dom polnif($en .^)errfd)er
erbeten mürbe, bie 9tect)te ber Söolgafter Sinie oermöge feiner juriftifdjen ^ennt=
niffe Perttjeibige. 2ll§ bann, infolge ber Pon feinen 3lmt§genoffen 5Ratl)ia§
P. SBebet (1465), fotoie Pon ©eorg SBalter unb ^atoSlam Sßarnetom (1471)
Por f5^iebric§ III. ju 9legen§burg geführten ä^nlict)en SSerljanblungen, ber ßaifer
Sßarlet. 177
bie ftxeitenben Parteien au einem 5ßexgtet«e na« »ötele bet ©«toebt beneT,
Urin iW Sie 4tgaftex W- neben ©ecxg Söaltex unb £exmann ©« ub=
toa4tet(H72) au « bux« Spornt $. öextxeten, unb exma«tigten «n au«
für Müetuna be3 am 80. 9tä 1472 3mijd)en ^ommexn unb bex Warf ge*
S einen Ixhbenl ju ^euala«. Ka« aßaftet. lobe (1475) ext-iett ex bie
^"©tette eiueS DrbinattuS bet Sutiftenfacultat, al* toel«er er über baB
bie Slnnat n ber Unibexfttat ju führen f)atte, unb futj juüot (1474) na«
SeinriÄotD'8 sen. Sobe, au« bie äßürbe bei jkänoutu8 an ber ftuoto
loÄf ^it biefer 2ßirffamfeit bereinigte er no« ein ganomeat in i Stettin
Kmt« eines SBi efanaletS unb ©ubconfetoatotB ber Untjetntat, lohne emeB
fuxftSn ÄeS unb ©\nbicu8 Beim ßamminet ®omcamtet. _ 3« Mf Z
ffi&en © tettunfl rjatte er miebexfplt ©elegenrjeit eine rä"bSu«tettt«
Safeit auszuüben jotoie bie üommexf«e ®eiftti«feit m «reu 9te«ten 3u
Ä a bexmit elte er in bem $toceffe ^if«en bem »ector ptoT. 3*
Sunb bem r^e, foroie in ben ©txeitigfeiten 5*if«en bem Süxgexmettfex
1 ©«mitelm I. unb bet Mvtffaft, unb p^,^^«1^
hefi afabemifäen goncilB (1481-83); anbetetfeitB ptoteititte ei (1481-82),
*tom£m™"it bem übrigen bommexf«en glexu8, gegen bte «n]«tiß Jörn
SaX S?oqene 2öat)t be8 33if«oi8 Marino be ^xegeno öon gammin, f«u| e
Ibfn So« Segen bie an irmi in ©xeifBroatb bexübten ©emalttrjaten, tooTüt
bex sScfi au8 Janfbaxfeit bie Sßxibilegien bex >Jticotai*2omhx«e bexmerjxte.
aiaemein aeaÄtet unb öetefrt ftarb *. am 9. 3uli 1483, unb_ toutbe m bet
Sai ix«f bittet, in »et«» fein ©xabftein no« ehalten «. JW ferne
Set unb fe ne%«8 na« ©• ©alter 8 Soxlefungen, t$etlS lettltanbiß ße-
Ät?n «otteflien^Äe, mel«e na« ieinem 2obe ^t am Jemen S«u
«Jon Weitof fl 2t ®. SS. XXI, 218) unb ben Sombrebtger gu-exrjaxb ©xotljuB
übergingen, bejxnben M im Mb« »ei ber ^otaiftr«e
Wen: gegarten, ©e)«. bex Um^I 89 93-95, 11,180 lob.
»alt. ©tubien, XVI, 2, ©. 73-129; XX, 2, ©.169 IT- - W. V™_
©eneatogien II, 260-296; ©eirf,^ ber &«T»»albet tojn 1 2 813-817.
- ®innie8, stem. Sund.; Mon. Prag. I, 246, 282, 179, II, 125. ^
taler ober bie gamitie ber Weiftet öon ©münb. - n*®™®™*£
unter ©münb'' nur baB toi«tigfte ©lieb biefer gamilie *ße Ux njjet bejubelt
ba er'i«dnt e8 JwiImatfB, Vt unter parier" eine Uebetn«t über bie gan.e
Wie mgeben ©idjet ift ireiti« ber 3uname parier nur bei getet felb,t
bei bem er au« bon feiner anlangten ^arlierftetlung frommen formte unb
b bL ©öbnen fomie bei f inem SBtubet 3Ri*aeI. Sagegen bleibt bie ^rage
bber1^ ©tamSW öeinri« au« f«on parier unb ni«t ™«W™$t
ebenfo im ©treit rote bie anbere, roo^er er itammte, jolange ton feine absolut
SäSe gn «eibung übex ben uxfpxüngli«en Söoxttaut bex » : bei ^
E ZI Weitex8 «Betet im Sxijoxium be8 S)ome8 au $xag Ijaben. SRtt
f«to|n exf«einen, unb bie ßunftgej«i«te toütbe am beten tt)un ^^
ben iitel l^ceiftex bon ©münb" fut bie ganje gamitte ]tatt be8 itxeittgen Ätiei
°bet IT*** fÄer©lieb bex gamttie ift bex Weiftex §einxi« (L) Wer
x S*L hPr Z tet üo n Weiftex Betet na« bet beteit8 ettoä^nten «tut,
Sgu« l bVn Ä "«S '««14t, % in biefex 3nf«xiit ux»«
de polonia obex de bolonia obex de colonia äu (e en »at. gta b,a8^"X;
n« tebex entf«ieben, unb i« fetbft b.abe ib,m ixüb^ex auÄefhmmt g8 # abex
3tEgem. beutfe^e 58iogtafct)ie. XXV.
178 parier.
bod) nidjt 3U Oerfennen, bafj bic nad)roei§baren Gölner SBejiebungen ber gamilie
eigentlich, erft in bie Sebjeit f eineä <Sotme§ $eter fallen ; unb e§ füridjt öiel für
bie befonber§ Don Cr. *ßaulug Vertretene 2lnnabme, ber 9fteifter fei Oon 33oulogne
gebürtig gcroefen, toeil ber ©münber SSau feinerlei ©influfj bei Gtölner ©tit3
üerratbe, bie maforfcbeinlid) auf ©lieber ber ^amihe D°n ©münb jurüdgeftenben
Söauten in Reutlingen unb 9tottroeit aber entfdjieben franaöfifebe 2lrt an fiel)
haben. 2Jletftet Heinrich, mar tt)ätig in fdjroäbifd) ©münb (früt)er 9teid)äftabt,
jetjt £)berami§ftabt be§ Äönigretdjä SBürttemberg), bietleicfjt fdjon um 1333,
jebenfatl§ aber um 1356, unb ift jetjt fo gut al§ urfunblidj erroiefen alä ber
sJJteifter ber t)errlid)en ^peiligfreujfirci)e in ©münb burd) einen Eintrag im Anni-
versarium biefer $farrfird)e in bem um 1520 angelegten ^farrbud) Oon ©münb
(im Sefitj tion Gommerjienratt) 3ut. Gürtjarb bortfelbft) fol. 21b. SDort lieft man:
Anniversarium Magistri Hainrici architectoris ecclesie peragetur In die saneti
Galli (= 16. Dct.) cum 1 tt (1 ^funb fetter) ad vigilias. SDie $ird)e ttmrb
im Sljor 1351 begonnen, bie GHnmeitmng 1410 r)at ber 'üfteifter natürlich. nid)t
mefjr erlebt.
(Sin trüber Oon 'üJleifter £>einrid) I unb namengebenber Otjeim für beffen
©ofjn $eter fönnte geroefen fein ber steiftet s^eter ber ©teinmeb, üon 9teut =
lingen, auf beffen Xob 1359 eine (Stiftung in'ä Softer Sebenljaufen Oerfiel.
3f)m fann ber 2Ibfcf)lufj be§ 23aue§ bet IWtarienfirche, roeldje 1343 öottenbet
roorben fein fott, unb ber Anfang ber infdjriftlid) 1358 begonnenen 9tifolau3=
faüelle (jefet fatljolifcber Äirc&e) in Reutlingen pgefdjrieben merben. 2)af$ er
SSejietjungen jum S-Öau beä ©ommerrefectoriumg in Sebenbaufen (1335) gehabt
hätte, roirb üon 6. ^autu§ befttitten. S)ie Gsingtieberung biefeä 9Jteifterä in
unfere gamilie ift um fo maf)rfcbeinlid)er gemorben, naebbem neueftenä an ben
fpäteften Steilen bet 2Rarienfird)e, ber SBeftfeite, ©teinmekjeidjen entbedtt roorben
finb, meldje eine üttjätigfeit Oon ©liebein ber ©münber ^amit" an biefem 23au
erroeifen, bi§ jetjt allerbingä nur ©cfellenäeichen.
9118 ber ältefte ©otm beä Jpeinrid) I. erfdjeint mir ÜJleifter ^ot)anne§
toon ©münb. 2)ie 9lnnat)tne Oon $aulu§, ber 9Jteifter $ohanue§, ber am SBau
be§ 1343—1348 ausgeführten Qtboreä im Ailofter ^roettl genannt mirb (f. 2)om.
Stüanjo, 3lt,ettl unD Wne 9teftaurirung£beftrebungen, in ben 23erid)ten unb 9Jtit=
Teilungen beä 9Xtt.=Söer. ju äöien, s^3b. XXII, ©. 30, 1883), fei unfer ©münber
9Jtei[ier, roirb burd) bie aBafjrnetjmung, ba| ber ©runbrifj be§ 6t)ore§ in 3t°ettl
unb feine§ ^apellenfranäe§ fid) mit bem be§ Gtl)ore§ ber ©münber |>eitigfreua=
firdje bede, fet)r empfohlen. Urfunblid) fid)er treffen mir ben ^Reifter unb feine
f^rau ßatfjarina in Safel 1357—1359. (Sr leitet ba ben burd» ba§ (Srbbeben
Oon 1356 nottjroenbig gemorbenen äöiebeitjerftettungsbau be§ 5Rünfter8, in§be=
fonbere be§ 6t)ore§ (Ogt. Sa 9tod)e in ben Setträgen 5. ©efd). b. 23a§ler 3)^ünfter§;
III. S)a§ fünfter Oor unb nad) bem (Srbbeben, 33afel 1885). 31m 8. Januar
1359 aber tourbe ^orjanne§ Oon ©münb, „einSBürger Don Driburg", $ur ßeitung
beS 1354 angefangenen ßtjorbaue§ am fünfter in greiburg im 23rei£gau angeftettt.
21I§ feine ©ötme merben anjufet)en fein:
a) 9Mfter ^Jtid^ael Oon greiburg, 2öerfmeifter be§ S)om§ ju 6tra|-
burg 1383—1385, Oermuttjlid) nad^ bem £)r)eim 9Jtid)ael (f. u.) genannt unb
Oon greiburg getjei^en, roeil ber Sßater je^t bort fe^tjaft unb ber ©ofjn bort
geboren mar.
b) «üieifter 3for)ann Oon g^ei^urg, unter bem Flamen Giovanni da
Firimburg 1390 al§ einer ber beutfd)en 2Ber!meifter am S)om 3U sIJlaiIanb
genannt unb matjrfdjeinlid) ibentifd) mit bem bafelbft ermätjnten „3{or)ann bem
®eutfdjen", bagegen 3U unterfdjeiben Oon bem Anni (Annes, = <£>an§) de
Fernach bafelbft. ©in ©obn be§ Soljaun Oon fyreiburg fönnte fein: ^Reiftet
'■Parier 179
Pietro di Giovanni, au§ greiburg gebürtig, Dberbauöt ber glitte am 3)ombau
au Oröieto 1402 (f. Ottc, $anbb. b. fircbl. Äunftard&äol.# 5. Stuft. II, 525).
steiftet «peter öon ©münb, in Sßrag meift ^eter parier genannt, auf
ben Don ibm ober unter feinen Slugen gefertigten $nfdjriften magister petrus de
gemunden lapieida: geboren 1338, öietteidjt in ©münb, 1356—1398 S)ombau=
meifter in $rag, t in $rag um 1398. lieber itjn unb feine SBerfe bat ©rueber
oben 23anb IX, ©. 275 ff. auSfübrltcb gebanbelt. 3d} glaube öon it)m barin
abroeieben ju follen, bafe id) ben 9Jteifter 'ißeter roobl als 23aumeifier, SSilb&auer
unb S3ilbfd)ni|er anfebe, nicfjt aber auc^ als SJialer (btoS barum, roeit einige
jetner ©tatuen bemalt finb) unb nierjt auefr als ©raöeur unb ßifeleur. SDer
©cbilb Meters an einem ber aroei fer)v ätmlicrjen «Jteliquienbebälter in 2Jconfiran=
^enform, roeldje ber üDomfdjatj in 5ßrag entbält, roirb in biefem galt richtiger
als baS 3e^en oe§ ©tifterS, benn als baS beS SSerfertigerS gebeutet roerben.
©o aueb ber neuefte gorfcher über $eter öon ©münb, Dr. Slbalbert ^orciefa in
feiner ©tubie: 2)ie Äunftttjätigfeit in $rag jjur ^eit ßartS IV. (im 11. unb
im 12. ^atjreSberidjt f- b. beutfebe ©taatigr;mnaf. in $rag Slttft. f. b. ©cbulj.
1882—1883 unb 1883—1884, $rag 1883 unb 1884).
3tnn öerbanfen roir auet) bie ©rgänjung, bafj ^eter eine ©cfjroefter tjatte,
beren jroei ©öbne «RicoIauS unb ^obanneS gleichzeitig mit ü)m nacb, $rag über*
gefiebelt roaren. gerner, bafj 5ßeter breimal üerrjeirattjet roar; baS erftemal mit
einer ßubmita, an beren ©teile inbeffen fetjon 1359, reo fie genannt roirb, bie
jjroeite ©attin getreten toar, üBruba (©ertrub), eine Sodjter beS in Götn rootm=
tjaften ©teinmetjen 23artbolomäuS 0. .Ipamni in SBeftfaten unb ber ©attin beS=
fetben SBeatrir. Um 1380 roirb bie brüte grau StgneS ober (Hifabetb, ö. 23ur
genannt. Scjr ©obn ^3aul roar baS ältefte mehrerer Äinber, öon benen roir aber
nidjtS toeiter roiffen. SDte aroei erften grauen rjatten bret ©ötjne unb eine Jocrjter
(letztere öietleicbt allein aus erfter ®be) tjinterlaffen. gütjren roir noer) einiges
über bie $inber an:
a) «JUflaS, $arlerS ©ofm (Nikolas Parier Synek), als ©eifilid)er an ber
Serjnfircbe in ^rag unb als ßanonicuS 1380 — 1398 genannt.
b) i^oejann ober §ann§ parier (j), ©teinmefe. ®r ift öietteidjt ber
3ob,ann öon ^rag, ber 1375—1386 baS 2JHttelf$iff ber ©anbfirebe in 23reSlau
roölbte. 33on 1380 an febeint er in Äuttenberg einige Qtit geroeilt unb an ber
©t. SBarbarafircbe bort gebaut au b,aben, t)eiratt)ete bort öor 1383 ^etena,
ütoebter be§ ©eroerfen Sefjef, eine Söittroe. ©cfion öor 1388 aber ift er roteber
in ^ßrag, roo er 1398 2lmt§nacf)f olger be§ 25ater§ roar, an ber 2Beiterfüb,rung
be§ Sangb^aufeS am Dom arbeitete unb um 1407 ftarb. @r rjintertief} mehrere
Äinber, baiunter einen 3ob,annef parier, ber nodj 1418 genannt roirb.
c) aSenjei ^arlera, ©teinmet;, in ^rag um 1383—1388 genannt.
S)er SJleifter „Sßenäla", ber um 1411 — 1419 am 9tegen§burger 2)om ttjätig
roar unb bie SSeftc (5rnfel§ roieber aufbaute, 1419 eine äöittroe Stsbett) tjinter=
taffen fmtte, roar nadj 51eumann (23erb,anbl. beS b.ift. 33er. öon D&erpfalj unb
9tegen§burg 40, 1886, ©. 233 f) fein ©lieb ber gamtlie öon ©münb, fonbern
ber ©tammöater ber ^ioritjer.
d) S)ie Softer erfd^eint 1383 al§ ©attin bei am S)om au $rag arbei«
tenben ©teinme^en ^Ridjaet au§ 6öln, ber mögtierjerroeife ein ©otm bei bortigen
S)ombaumei[ter§ gjtidiaet (1364—1387 genannt) mar (f. u.).
e) $aut, ©teinme^, 1383—1388 in «Prag genannt, fott 1388 ben Sau
ber Sorotfjeeniirdje in 33re§Iau geleitet tjaben (?).
«ütictjael öon ©münb, ©teinmet}, als Michael de Gmünd lapieida
dictus parier unb als 93ruber ^eterS äroifcfjen 1380 unb 1383 ju ^rag öor=
fommenb.
12*
180 Rotier.
£)einricrj (II) b on ©münb, trotj allem, mas im SBege au fielen fdjeint,
bod) maljrfcfieinlidjer ein SSruber als ein öon einem anbern ©ruber ftammenber
«Reffe bes SfleifterS $eter. Um 1380—1383 ift er in $rag befd)äftigt. 1387
aber treffen mir ir)n als magister Heinricus de gemunden lapieida in 23rünn
im 2)ienft bes Iftarfgrafen 3»obof öon 9Jtäf)ren, otjne ^toeifet als Seiter am 23au
ber <5t. ^afobSfird^e, neben it)tn als feine ©attin üDrutginis, ütocrjter bes ßötner
©ombaumeifters 9Jiicrjaet (f. o.). 2lud) ©crjlojj «{krnftein in 9ftät)ren tuirb itjm
jugefcfjrieben. 23om 28. ftoöember 1391 bis 29. 9ttai 1392 roirfte er als
heinrichus da gamundia ober Enrico da Gamodia am 2)om &u sIftailanb, tonnte
aber ebenfomentg als bie anberen beutfetjen 9Jteifter bort feine Ittnfcfjauuugen
gegenüber benen ber itatienifetjen 9)teifter burcfjfetjen. 6r fott ficr) bann in 23o=
togna niebergetaffen rjaben; in beut £aöabo ber (Sertofa ju «ß;aüia finbet fiel) eine
33üfte, bie bem Enrico da Gamodia jugefcrjrieben mirb, ein ausgeäeidjnet cr)araf=
teröotles ©efidjt, (©ibsabgufj im 33efit) öon (Sommerjienratr) 3- Gürtjarb unb in
ber |>eitigfreitj{ird)e ^u ©münb). 25er Enric Alamant (.gmnrid} ber 5)eutfd)e),
ber am (Snbe bes 14. ^afjrrjunberts bas reijenbe portal bes 3)omS ju ^alrna
auf ben 53alearen, bie Puerta de! Mirador, fdjuf unb eine förmlidje $unftfd)u(e
auf ben 23atearen grünbete (f. 3)eutfcr)e $unft auf ben 23alearen, im djriftl.
jhmftbt. 1867, 6. 49 ff.), wirb root)t ebenfalls unfer ^CReifter getoefen fein.
2)aS Stanunacidjen ber Familie ber sJ)teifter öon ©münb fann befdtjriebeu
roerben als ein boppetter redtjter Söinfeltjafen, b. tj. an ben fürjeren ©dientet
eine§ redeten SöinfelS, ber nad) recrjtS unten geteert ift, ift am redeten @nbc
gegen unten im redeten SÖinfel mieber ein längerer bem oberen gteidjer ©djenfet
angefctjloffen. Sei ber SBilbung eines 9Jteifterfd)itbeS ift baS 3eid)en fo bet)an=
belt, bafc eS (golb auf rottjem <5d)ilb) oben unb unten ben ©djilbranb erreicht.
$n biefer $orm ift es uns, als 9fteifterjeicrjen, befannt: a) auf bem ©icgel beS
^orjanneS öon ©münb an bem greiburger ©ertrag öon 1359; b) gematt am
toefttidjen (Strebepfeiler bes füblicrjen (SeitenfctjiffeS öom SDom ju greiburg, alfo
marjiicrjcinlid} bemfelben $fteifter aujufdjreiben ; c) untenan bcr93üfte bes «Üteifters
^eter öon ©münb im £riforium beS 2>omS <ju s^rag (©ipSabgufj im germa»
nifdjen 9Jtufeum ju Nürnberg, im Sefitj öon (£ommer,}ienrat^ $. ©rtjarb unb in
ber DeüigfreUijfircrje in ©münb); audj an ber SBenjelsftatue unb an einem 9tc=
liquienbetjätter bafelbft (f. o.); d) (nad) Dr. ©ctjulte'S RadjmeiS) auf bem ©iegel
bes «DteifterS «Dticrjael öon 5^Durg ju «Strasburg 1385; e) (nad) (5. Söernicfe'S
ytadjroetS) am 3)om ju Slugsburg unter ber Stpoftelftatue bes 5ßr)iliöpus im
©üböortat bes OftdjorS. 2tuf metd^eS (Stieb ber Familie es b^ier ge^t, ift öorerft
gan^ unbeftimmbar.
@tn ©efeüenaeicrjen gteidjer fjform fommt 3. 33. am Gtjor bes Utmer
«ülünfters öor.
S)erfetbe 3Jleifterfcr)itb, nur baburd) öariirt, ba^ brei fteine «Kämmerlein auf
bem 5Doööetroinfel angebradjt finb, finbet fict), gleidjfalts gemalt, ju greiburg
neben bem unter b) befcfjriebenen. 5Jtan l}at ba moljt an einen ber ©öljne bes
^orjannes öon ©münb ju benfen.
2lufjerbcm fennen mir bis je^t brei biefem $tiä)tn nädjft öertoanbte, eines
am ütrjurm ber ^aöeHenfircrje öon üiotttoeil als 33ilbl)auersäeicrjen, mit bem
eines in Reutlingen gleid) <$u fein fd^eint, ein jtoeites in Reutlingen, ein brittes
(nacr) ©urtitt'S Üiadjmeis) als 5Rei11eraeid)en in einer Alaöelte ber <St. S3arbara!ircl)e
äu Äuttenberg , biefes öieÜeidjt auf ben ©otm Meters, §ans parier, ju be^ie^en.
Slnbere öon ©rueber Ijerbeigejogene 3ei<i)eu tonnen t)öd)ftens als 3e^en
öon ©efetten ber ©münber ^leifter in ©etradjt fommen.
Srgenbmie mu^ mit ben ^eiftern öon ©münb in näcrjftem ^ufammen^ang
geftanben fein ber 5Reiftev ^einricr), ber ©teinmet$, ber am 33au ber (Sfjtinger
parier. 181
grauenf tröge nadj 1359 ertoäfjnt toirb, unb ber öermutt)ttcrj mit irjm ibentifcfje
OReifter .&einrid}, ber 1386 als «Keiftet beS »JJtünfterS in Ulm ftarb; unb burct)
ifjn bann aucf) fein öermuttjticfjer ©ofm, bet Reiftet ,g>einrict), ber um 1386 87
bem etften in lltm folgte, in (fingen bis 1397 ertoätmt toirb, in Ulm aber
fdjon 1392 burct) steiftet Utricf) öon anfingen (toajrjdjeinlidj öon Oberenfingen
Bei Dlürtingen, 2 (Stunben öon Gelingen), mögttc^ettDeife feinen Sctjtoieger»
fotm, abgelöft erfdjeint. S)et 9tame ."peinridj legt bie 5lnnafjme eines bitecten
öertoanbtfctjaftlicfjen 3ufammenl}ang§ na^e, bem ftetjt aber entgegen bet Umftanb,
bafj biefe Reiftet nie, toie bie fidleren ©liebet bet gamiüe, ben 23eifa£ „öon
©münb" fügten. 2Iudj bie öetmut^licf) auf fie fict) be^ie^enben atoei -^eicrjen im
Gtjor beS Utmer SJiünfterS finb nut ettoaS entfetntet bem ©münbet (Stamm*
jeiäjen öertoanbt. 2öit bürjen bat)er bie Reiftet öon gelingen unb Ulm tootjl
nut al§ Scfjüler bet Reiftet öon ©münb anfetjen.
93ergegentoärtigen toir unS, toie baS im bisherigen gcfctjilberte Söirfen bet
Reiftet öon ©münb in ben öerfctjiebenen o^^Qen bet gamilie bie gan^e 33reite
beS beutfctjen ^eidjeS öon *£rag nnb 33rünn im Dften bis nact) Strasburg unb
greiburg im SBeften umfpannt, bann toitb eS unS 3m: tjöcrjften äBatjrfdjein»
Itctjfeit toetben, baß" baS, toaS über bie Runter öon $tag 1486 öon Stotifcer
in 9tegenSburg als übet „alte, bet ßunft toiffenbe" unb 3»ifd§en 1484 unb 1487
öou Sctjmuttermarjer in «Nürnberg als übet „grofje betumbte maiftetn" gefagt
toitb, in SBirftictjfeit auf «Jliemanb anberS 3u besiegen ift, als auf unfete «üteifter
öon ©tnünb, auf biefe ftamilie, bie ja eben in «Prag einen .Ipauötfttj irjreä 2Bir=
fenS unb ben Sit* t^re§ bebeutenbften «DtitgliebeS tjatte. 2ßaS abet in bereits
mefjr fagentjafter SBeife in (Strasburg befonberS biefen ^untern öon «ßrag juge=
fdjrieben toitb, baS fällt in SBirflicrjfeit, fotoeit eS ftct) um Sauttjätigteit Ijanbett,
toenn nict)t ettoa jum SLtjeil fcfjon bem «JJticrjael öon ifreiburg, bem Reiftet
Ulridj öon anfingen ju, bet 13^9 — 1419 in Strasburg toitfte. SßergebenS r)at
fidj 3- 20- «Jtanc! (2)aS Strafjburger fünfter unb feine Saumeiftet, (Stuttgart
1883) bemüht, bie SeiftungSfäfjigteit biefeS Ulridj möglitfjft in ben ©taub 3U
3iet)en, um jtoijcfjen feine rjanbtoerfSmäfjige 21}ätigfeit öon 1399 — 1402 unb
toiebet 1414 — 1419 rjinein bie geniale ßeiftung beS planes 3um «Dcünfterttjurm
burctj bie Runter öon «ßrag einfctjieben 3U tonnen. S)et in Ulm liegenbe «Jtif}
bei Ulmet «DcünfterttmrmS, bet fcfjon länget tjer auf Uttidj öon (anfingen 3urücf=
geführt toutbe, bet neu öeröffentlictjte in Sern liegenbe «Jtifj übet ben (Straft
burger £t)urmf)e(m, ber gleichfalls biet etjer auf lllrtcfj als auf feinen ©otjn
«Dtatt^äuS jurücEjufü^ren fein toirb, bie Stjatfactje, ba^ am StraBburger 2§urm
baS «IReifterjeicrjen Ulrict}'S ötangt, bie 2:§atfacge, ba^ auü) ber (Singer 2^urm
um 1406 — 1410 unter feiner Seitung begonnen toorben ift: baS alles toeift
genügenb nadg, roaS Ulrictj leiften tonnte unb leiftete. S)a§ aber bie Sage aucr)
'fjier an bie ^funfet öon $rag backte, baS toirb unS genügenb ertlärt burc^ baS
oben ©efunbene, bafj nämlic^ aucr) Ulrict) öon (anfingen in näherem ^uiQ^nien*
l)ang mit bet Familie öon ©münb geftanben ift.
«Jlut tutj fei, um bie Sebeutung bet gamilie bet ^Reiftet öon ©rnünb tec^t
rjetau^uftelten, barauf noc^) ^ingebeutet, baß hie {^tnitienbejietmngen, meiere in
ben ©liebem biefer gamtlie bie bebeutenbften beutfcfjen SSau^ütten umfaßten, ben
©runb gelegt tjaben bürften 31t ber ein rjatbeS Sa^r!§unbert föäter 1459 in'S
Seben getretenen Srüberfctjaft bet beutfc§en Steinmefeen.
Slu^et ben bei $etet öon ©münb IX, 275 ff. genannten Quellen ögl. 53.
©rueber, $eter ö. ©., gen. parier, in ben 2Bürtt. 93iertetjar)rSrj. f. SanbeSgefcr).
1878. — Älemm, S)ie «Ifteifter öon ©münb (Girier;, in feiner Scfjrift: SBürtt.
33aumeifter unb 33ilb^auer, Stutt., ^o^l^ammer 1882 (SeöaratabbrudE auS
ben 93ierteljaf)rgf)eiten ö. 1882, I— III). — 3)et 33au beS S)omeS 3U «JJtailanb
182 Spaioto.
(nact) einem Vortrag Don ©djmibt in Sßien), in ber S)eutfdjen Saujeitung
1886, Iftr. 51. 33augefd)ict)t(. 9iotijen unb ©tubien oon 9tub. 9tebtenbad)er,
in ber 2)eutfdjen SÖau^eitung 1884. «Rr. 82. Ate mm.
'ißarottJ: ^otjann ßxnft SDaniet % oerbienter Utjeotog, toarb am
17. Wai 1771 in Söiämar als ber ©of)n be§ bortigen Organiften an ber ©t.
©eorgenfirdje Dr. Sotjann (Sljriftopt) ty. geboren unb fiarb am 19. Februar 1836
ju ©reifSroalb. ©eine SSorbilbung ertjielt er tt)eil3 auf bem [täbtifdjen ©tjtn»
nafium, tfjeilS burd) *4kiöatunterrtd}t oornet)mlid) beS miffenfdjaftlid) auSgejeicrj*
neten £et)rer§ am SBaifenbaufe, ©djönebetf. Unter befonberer Seitung be§ DtectorS
unb SßTofefforS ^otjann 2)aniel ©enfoto, melier fidj burd) bie Uebcrfetmng ber
9tatuigefd)icrjte beä ^liniue einen tarnen gemalt, unb beä GonrectorS Subroig
Otto ^iagcmann, ber in ber $olge nad) fRoftotf als 9tector ber bortigen großen
©tabtfctjute berufen mürbe, ermarb er bie Steife für bie afabemifcrjen ©tubien
unb bejog bie Uniüerfität ©reifSroalb. Unter Üiörjl'S Anleitung mibmete er fid}
bem ©tubium ber mattjematifctjen unb ptjilofoprjifdjen äöiffenfcfjaften, tjörte mit
befonberem (Sifer 3ot). C£tjriftopt) 93turjrbed's pt)itofopt)ifd)e Söortefungen, toanbte
fid) unter DOerfamp unb Ürägarb beut ©tubium ber ctaffifdjen unb morgentän*
bifdjen ©pracrjen (^u unb befudjte bie trjeotogifcrjeu Sortefungen 23rotfmann'S,
^siper'S unb ^iemfjen'S. 33°° roefentlidjem (Sinfluffe auf feine ^ottbitbung mar
nadj Cuiftorp'S 2obe (1788) bie Berufung bcS Ideologen ©ottlieb ©cfjtegel Oon
9tiga jum ©eneralfuperintenbenten oon Sommern im 3>- 1790, nicfjt nur burd)
beffen im ©inne beS ätteren 9tationaliSmuS gehaltene Söorlefungen, fonbern
namentlich, baburdj, bafj ihn berfelbe jum ©rjierjer feiner .ttinber unb 511 feinem
amtlidjen ©tettöertreter ermärjlte. 2tlS fotdjer rjielt er für itjn einen Streit feiner
Äanjetoorträge unb ftanb itjm in feinen Gorrefponben^en unb gelehrten Slrbeiten als
Siffiftent jur ©eite, bis er burd) feine SJermäbtung mit ©c&legel'S ättefter ütodjter
aud) in gamilienberbinbung mit ihm trat, ©eine in ber $hilofopt)ie unb Stjeo»
logie ermorbenen umfaffenben Äenntniffc betätigte er 1795 bei feiner sIftagifter=
Promotion burd) Verausgabe feiner „dissertatio de pondere et usu argnmentorum
religionis christianae divinitatem probantium" unb gab gleichzeitig feine „Unter=
fudhungen über ben 93egriff ber ^hilofophie unb tm oerfctjiebenen 2öertt) ber
pfulofophifchen ©tjfteme" heraus. %m %. 1796 als Slbjunct bei ber phi(ofo=
pt)ifd)en fVacuttät in ©reifsmalb angeftettt, laS er s$hilofopf)ie unb £f)eologie,
fdjrieb 1793 ben ©runbrifj ber Sernunftreligion, erhielt 1802 baS theologtfdhe
2)octorbiptom oon SBittenberg, marb 1803 aufjerorbentlicher, 1813 orbentlidjer
s$rofeffor ber Rheologie, Seifiger beS GonfiftoriumS unb ^ßaftor ber Sftarienfirdje,
erhielt enbtid) auch, bie Söürbe einei ©tabtfuperintenbenten unb ^rofanjterS ber
UniOerfität. «^ofegarten be^etdjnet i^n in feiner ©efcfjidjte ber Uniöerfität @$reij§=
roatb als einen ber tfjätigften unb Perbienteften 2e§rer fomo^l burd) forgfältige
eigene ©tubien at§ burd) üietfeitige Anregung unb Untermeifung nidjt nur ber
afabemifdien 3iugenb, fonbern aud} alter berer, bie ju ib,m in nähere Se^ie^ung
traten. Unter feinen, Oon SSieberftebt aufgellten ©Triften finb, au^er ben
fdmn genannten namenttieb, ©djteget'S Seben unb bie geftfd)riit jur 9teforma=
tionSfeier 1818 ju nennen. @inen finnigen 9cadjruf b;at bem unermüblic^en
gforfdjer unb Genfer aU ^ugenbfreunb $art Sappe in ben „SStüttjen be§ IHtterS"
©. 163 bargebradjt.
£r)eobor ©0 tttieb s$., geboren p ©reifämalb am 16. getiruar 1808, ber
dttefie ©otjn 3fot)ann (Jrnft'S, erregte buret) tjerüorragenbe unb eigenttjümlut) geartete
Anlagen be§ ©eifteS unb 6r)arafter§ gro^e (Srtoartungen, erlag aber, feit 1834
am ©rcifSroatber ©rjmnafium al§ Seb.rer befcfjäftigt, fcb.on am 19. Wai 1838
einem 33ruftteiben. 2tu8 feinem 9lac^ta^ gab 6b. 9Mtmer „s^tpt)ori§men" (1839)
rjerau§, benen eine 23iograprjie öorau§gefcr)idt ift.
13
5ßarpatt — ^arreut. 183
öieberftebt'S ftacb>icfjten, ©tralfunb 1822, ©. 100 ff. — Äofegarten,
©efdjicfjte ber Uniüerfität ©rcifetoalb I, ©. 311.
-gjaecfermann.
^arpart: 21b otf Subroig 2lgatb>n ö. $., Slftronom, geboren am
„. Scobember 1806 auf ber SJomäne SHtljaufen bei Gutm in 2Beftpreufjen,
t am 20. ©ecember 1867 auf feinem ebenbort gelegenen ©ute ©tortuS. u. ty.
befugte bie ©djulen in 2t)om unb Sßofen, ftubirte bann je ^toei %afyce in Berlin
unb 2öarfdjau $ura unb (Xamerale unb trat bann als Ianbttirtf)fdjaiUidjer $raf=
tifant bei feinem Später, bem 5Eomänenpäd)ter üon Slltfjaufen, ein. 3) er 2anb=
toirttjfdjaft blieb er audj in ber ^olge getreu, inbem er 1831 baS Rittergut
©tortuS anfaufte unb eS bis ju feinem £obe betoirtf)fcrjaftete. 3Jtujtf unb 2lfiro=
nomie liebte er jeboctj baneben teibenfetjaftücr), unb jtoat ging fein können unb
Söiffen nacr) beiben (Seiten tun über ba§ ^Jtütelmajj beS Dilettanten IjinauS.
6r componirte Goncerte unb Opern unb liefj biefetben unter feiner eigenen Leitung
in Gulm auffüllen. $n ben üierjiger Saljren erbaute er auf eigenem ©runb
unb Boben eine roorjleingericrjtete ©temroarte, beren Qkxbe e^ gtofjer 9tefractor
üon ^ßiftor unb 9ttartinS bitbete. ftacbjricfjt über bie auf biefem Obfertiatorium
angeftettien Beobachtungen gab eine Beröffentlidmng com $• 1851; au^erbem
lief} b. $. im nämlichen °$a§xt feinen „Beridjt an bie Slfabemie ber 2ßiffen=
fdjaften ju Berlin über bie auf ber ©ternroarte ju ©torluS roätjrenb ber ©on=
nenfinfternifj öom 28. $uli 1851 angeftettten aftronomifcfjen unb meteorologifdjen
Beobachtungen" ju Gutm erfreuten. 2lllerbingS ift bie in biefer ©crjriit ent=
rjaltene 2t)eorie ber ^rotuberanjen nidjt faltbar, toie benn überhaupt bie für
einen Stutobibaften roorjt erflärlidje Steigung 3u etroaS pljantaftifdjen ^npot^efen
bei ü. 5ß. metjrfactj rjeroortritt, namentlich audj in feinen „Unterfudmngen am
grabiäentrifcb>n ^nbifator" (Sulm 1867). Einige 9(uffätje (lieber baS 2tern=
fdjroanfen, lieber bie ©onnenprjotofprjäre u. f. to.) rourben in ben 3lftron. 9tad}=
richten unb in 3atmS Untergattungen abgebruett. ö. $p. war einer ber 2Jiitbe=
grünber ber beutfetjen aftronomifcfjen ©efettfefjaft.
BiertetSjarjrSfct)rift ber aftronomifcfjen ©efettfefjaft, 3. Banb, ©. 5 ff. —
2Jlaebter, ©efcrjicfjte ber -gummelsfunbe, 2. Banb, ©. 175, ©. 426.
©untrer.
^Orrcilt: 3o|ann %, toelcrjer in einer llrfunbe beS 9Mncb>ner Uniöer=
fitätSarcfjiDeS richtiger Cannes be Bairreut genannt ift (alfo fid)er aus Batireutt)
gebürtig), blatte neben feinen mebicinifetjen ©tubien aud) baS Baccalaureat ber
Geologie erroorben unb fott einige ^eit als ^rebiger in Braunau geroirft fjaben.
©idjer ift, bafj er im %. 1474 als ^rofeffor ber Ifliebicin an ber furj öorfjer
(1472) gegrünbeten ^ngolfiäbter Uniüerfität angeftettt rourbe unb baneben bie
©teile eines ßeibarjteS bei -öer^cg £ubroig bem Dteictjen erfjiett, welche if)m auefj
bei beffen 9cad)fotger, ©eorg bem töeidjen, Derblieb. 6r ftarb in ^ngolftabt an
ber 3ßeft im ^. 1495. ©otoie manche anbere 3Jlebicinet jener 3eit ^atte auetj
5J}. fid) mit ber bamaligen ©ct)ulpl)itofopb,ie Bejdjaftigt unb fo erfeb^ien bon ib.m
eine beacljtenSroertrje Bearbeitung ber erften Süctjer beS ariftotelifcb^en OrganonS
unter bem übtidjen SLitet „Textus veteris artis .... item Exercitata seeundum
doctrinam modernorum" (^ngolft. 1492 unb nodj brei toeitere S)rucfe: >Mrn=
berg 1494, |)agenau 1501 unb 33enebig 1507), roorin er jtdj in ber bamaligen
^arteifpaltung entfdjieben auf bie ©eite ber fog. 2Kobernen, b. % ber Occamiften
ober 2erminiften ftettte.
SMb^ereS in meiner ©efet). b. Subro. 9)car.=Uniöerfität , S3b. I, ©. 76,
SSb. II, ©. 91 unb in meiner ©efefj. b. Sogif, SBb. IV, ©. 239.
^rantl.
184 $oxrot.
^ttrrot: ßxjriftopf) griebridj $:, geboren am 28. ^uti 1751 ju 9Jcöm»
petgarb. @r mibmete fid) in Tübingen bex Ideologie, baneben aud) feinen ßieb=
lingäftubien, Oefonomie unb 9Jtatf)ematif, mürbe bann ,!pauäter)rer in einigen
abeligen Familien, 1782 a. o. fprofeffor bex ^fnlofopljte in (Sirtangen, 1801 mit
bem ßrjarafter eine§ 9tegicrung§ratf)§ gel), ©ecretär in (Stuttgart, fpäter £)ber=
amtmann, augleid) $ameraipermaltcr unb 2lmtäfd)reiber in ©djmibctfetb, 1808
Dberamtmann in 9Jtarbad), 1810 Dberamtmann in <§ornberg; t ju Gelingen
am 28. gebruax 1812. 6x ift bex Söerfaffer einer 9teifje, boxäug§meife merjx po=
puiäxer ©d)xiften im ©ebiet bei 9Jtaü)ematiE, ^rjrjftf, ®eogxapr)ie, 3lftronomie,
bex Samcrat= unb ^olijeimiffenfcfjaft.
S3gl. gifenfdjer, 3lfab. (Belehrten = ©efd)id)te bex Uniöerfttät Srlangen,
«Nürnberg 1806, III, 69—73. — (SetetjrteS £eutfd)lanb, fortgef. üon «öteufel,
58b. 6, Semgo 1798, ©. 33, 93b. 19, 1823, ©. 64.
5ß. ©tälin.
^arrot: ® eoig ftxiebxid) ö. % muxbe am 5. Suli 1767 n. ©t. (nidtjt
am 15. 3fuli, mie 9ledfe=9lapiergft) III, 364 fdjxeiben) in bex bamat§ müxtem=
bexgifdjen, jetjt franaöfifdjen ©tabt 9Jtömpelgarb obex «Dtontbctiaib im ®ep. 25oub§
geboren, an bemfelben £)rt, too amet %a§xe fpätex ßuoiex baS ßicfjt bex Sßelt
exblicfte. ty. befucfjte ba§ unter Leitung be§ SftectorS 3)exon ftetjenbe (Srjmnafium
unb ging bann 1781, exft 14 3>ar)ie alt, auf bie $ail§afabemie naef) (Stuttgart,
mofelbft gleidjjettig mit i()m Gubiex feine ©tubien madjte. 6x befdjäftigte fiel)
mit bex „öfonomifetjen" 2Biffcnfd)ajt, txieb abex baneben mit Vorliebe bie ^)Jlatt)e=
matif unb ^tjtjfif. Slcrjtjecjn ^atjxe alt üexliefj ex bie 3lfabemie unb fudjte al§
^xiöatlcrjxex in giunfieid) fein 93xob. 6x lebte ^mei $ar)i-e im £mufe be§ pxoteftan=
tifdjen ©xaien geriet, tgiex rnadjte ex bie 23efanntfdjaft be$ bexürjmten 3Iftxonomen
ßalanbe unb erroarb fid) beffen (Suuft, inbem ex it)m ein fleineä feibftöeifafjtes
ßerjibud) bex 9Jlatcjematif öoxlegte. ßalanbe münfd)te ba§ 33üd)tein gebxuclt ^u
fetjen, bod) fam e§ nierjt baju; buxd) s3ladjläffigfeit eineä 33ud)l)änbtex§ ging
toätjxenb bex bamaligen SBivren ba§ 9)canufcxipt üexloxen. 3)ann lebte 5)3. jmei
Sarjxe laug al§ ßetjxex bex 93catrjemattt in ÄaxlSxurje unb fpätex in Offenbad) am
9Jcain, neben feinex Secjitfjätigfeit miffenfctjaTtlicrjen 5J3xob(emen bie freien ©tunben
mibmenb. $iüb, t)d"e er fict) tocrt)civatt)ct ; feine $xau, SBittjelmine Sefort,
au§ bex ©enfex gamitie, meldje buxd) ^etex be§ ©xo^en ©ünftling befannt
gerooxben, muxbe ir)m abex fd)on 1794 buxd) ben £ob entxiffen, nad)bem fie i^m
^roei ©örjne SBittjelm unb gxiebxid) gefdjenft tjatte. 9cad) bem ^)infci)eiben bex
^xau bexlief} ^. 1795 mit feinen beiben ©öb.nen bie beutfdje ^eimatt) unb begab
fid) nad) Öiolanb. @x folgte einem 9lufe al§ Sx^ierjei bex ©ötjne be§ ®xafen
6ail ©iebexS in äöenben. %n üHtilanb mürbe ex batb cjeimifd), bertjetrattjete fid)
1797 in 9iiga mit 31. £>. ö. ^aufenbexg, nacfjbcm ex fnrj öoxrjex bie ©tettung
eine§ beftänbigen ©ecrctär§ bex Iiötänbifd)en gemeinnü^igen unb öfonomifetjen
©ocietät in 3)oxpat cxtjalten rjatte. Suxd) feine littexaxifdjen ßeiftungen, fomie
buxd) bie ü£c)ätigreit, roeld)e ex in feinem neuen 2Imt enttoidelte, lenfte ex bie
Slufmerffamfeit bex ma^gebenben Äxeife auf fid), fo ba^ ex 1800 bie 3luffox=
bexung excjieit, an bex neujugxünbenben liniüexfität in SDoxpat bie ©teile eine§
oibentiidjen «profefforS bex $I)t)fi! ju übexnerjmen. ?ß. folgte bem 9lufe — füx
bie 3U gxünbenbe 2tnftalt mar ex, bex 5Jcann bex 2öiffenfcr)aft unb bex pxaltifdjen
©xfacjxung, bex bemärjxte ©x^ieejer, eine auSgejeidjnete Söatjl. ^acfjbem ty. bon
bex liniüexfität ju ^önig§bexg i. 5|3x. 1801 ben ©octoxtitel exljalten chatte, txat
ex mit einex ©d)xift: „lieber ben ©influ^ ber ^tjtjfif unb ßljemie auf bie 3lr<mei=
funbe, nebft einer pr^fifalifc6,en £rjeorie be§ gieberg unb ber ©d)minbfud)t"
(82 ©., SDorpat 1802), fein Setjramt an, ba§ er 25 ^arjre inne |atte. S)ie
(Sefdjidjte ber beutfdjen llniöerfität ju üDorpat mätjrenb ber erften 25 ^acjre irjres
Sßartot. 185
SefterjenS ift eng an ben tarnen *ßarrot'S gefnüpft; bielfeitig als Drganifator,
als ßerjrer, at§ ©eletjrter Ijat er gemirtt — bie grüßte jetner 2f)ätigfeit finb
Ijeute noä) ju finben. @S ift fetjr ju bebauern, bafj nic£)t einer ber 3eitgenoffen
sßarrot'S bie Serbienfte beffelben um bie Uniöerfität in gebütjrenber SBeife ber
Iftacrjmelt überliefert rjat; eine ausführliche 23iograpt)ie ißarrot'S ift nicrjt gefdjrieben
morben, ebenfomenig als eine etngefjenbe ©efctjictjte 2)orpatS. 2lm 21. 2lprit
1802 mürbe bie neubegrünbete Uniöerfität ju 2)orpat mit 19 ©tubenten eröffnet;
nacr) ber lateinifdjen ^naugurationSrebe beS ^rorectorg Sorenj (StoerS, eines
Geologen, t)ielt 5ß. eine beutfdtje 9tebe „lieber einige Slnfidjten ber 9tatur=
fenntniffe, in Slnfetjung it)te§ @tnftuffeS auf 9Jtenfct)en!ultur, fomotjl bon ber
intettectuetlen als bon ber moralifctjen Seite betrautet". 2ltS Sorenj (SmerS feiner
$ränttic!)teit toegen feljr balb öom 2lmt eines StectorS äurütftrat, mürbe ty. gum
9tector ermätjlt. 2lm 22. «Kai 1802 befugte ßaifer 2Itejanber auf ber ®urd)=
reife 2)orpat unb bie neue Uniöerfität. ■#. empfing ben 'üftonarcrjen mit einer
franjöfifctjen Siebe, roetcfje ferjr moljtgefällig aufgenommen mürbe. ^)ier fnüpfte
fid) ämifctjen bem ebten 33et)errfcf>er beS mächtigen 9teid)§ unb bem tjeröorragenben
©elerjrten ein 33anb, mie e8 roorjl fetten jmei *ßerfonen fo öerfcrjiebener Sphären
bereinigt; ein 33anb, metcfjeS infonbertjeit ber jungen ^flan^ftätte ber 2Biffen=
fctjaft, ber neuen Uniöerfität ju großem ©egen unb bebeutenbem S3ortt)eil gereifte.
3m Dctober beffelben $at)reS (1802) reifte $. als gtector nad) ©t. Petersburg,
um perföntict) bem J?aifer bie Sitten ber HJtttgtieber ber Uniöerfität, beftimmte
SSorredjte berfetben 3U gemäßen, an'S ^erj au legen. S)er f)ocf|t)er3tge 9Jtonarä)
erfüllte bie Sitten; er unterzeichnete am 12. 24. 2)ecember an feinem fünjunb*
gtoanaigften ©eburtStag bie ©tiftungSurtunbe ber Uniöerfität ju S)orpat. ty.
tjatte baS ©lue!, bie Urtunbe auS ben £änben 2IlejanberS fetbft p empfangen,
um fte ber Uniöerfität ^u überbringen. ^arrot'S £r)ätig!ett unb ©influfj an ber
Uniöerfität ift öon rjotjer Sebeutung gemefen; er mar toiebertjott Dtector; er
mtrfte mit bei fyeftftellung ber UniöerfitätSftatuten, meldte am 12. September
1803 bie aüext)öd£)fte Seftätigung erhielten, er mar Mitarbeiter an einem 6nt=
murf ber SSerorbnungen für bie ©tubirenben. 5p. mar nietjt allein ©elefjrter,
fonbern ein ausgezeichneter ©efcrjäftSmann. 6r ift im grofjen mie im tleinen für
baS 2Bot)l ber Uniöerfität beforgt unb fietS ju ifjrem SDienft bereit; miebertjolt
rjätt er afabemiferje ^eftreben, mibmet ben öerfiorbenen Gotlegen Ütacrjrufe; ober-
er öerfafjt audj eine Orbnung für bie Söfcrjanftalten ber Uniöerfität unb giebt
genaue Sorfcbriften pm 33au eines £r)urmeS, ber zur Slufnatjme be§ 3tefractor§
ber ©ternmarte beftimmt ift. Sitte fctjmierige Sertjättniffe, in meiere bie junge
Uniöerfität geriet!), löft 5|5. mit ©efc!)tc! unb Umficfjt. @t ift miebertjolt in ©t.
Petersburg unb öermittelt perfönlicr) 3mifc!)en ber Uniöerfität unb bem ©urator,
menn möglich mit bem Äaifer. — Sllejanber fct)en!te ib,m öolleS Vertrauen unb
?$. ftanb be^alb in 5Dorpat in ganj befonberem 2luferjen, gumat ba er auc§ mit
bem $aifer Briefe mecb.felte. ©er ^nrjalt biefer gerni^ tjocr)intereffanten 6or=
refponbenj ift teiber nicbjt in bie ©effentticrjfeit gebrungen; e§ ift auetj nic!)t
betannt, mo'b^in nacr) bem ülobe ^arrot'S bie Sriefe gelangt finb. % mar aber
auetj al§ ßeljrer öon großer SBebeutung für bie Uniöerfität — eS genügt t)ier
bie 33emertung, ba^ unter feinen ^ab^lreicrjen ©erjülern einige fpäter als ®ete!)rte
fidj betannt gemaetjt tjaben. @S fei rjier tjingeroiefen auf feinen ©otjn unb ^\laä)=
folger ^i^1'^ *$■> au^ °ie nachmaligen Petersburger 5l!abemi!er 31. 91. ^upffer
unb ß. Senj. — ^m Dctober 1826 erbat fidj $. feine ©nttaffung aus bem
2lmt eines orbentlict)en 5profefforS unb folgte einem 9luf an bie !. Sltabemie ber
äBiffenfdjaften ju ©t. Petersburg. 3m 3ar)re 1840 tiefe er fiel) audj als Vita*
bemÜer emeritiren unb ftarb rjocrjbetagt auf einer Steife äu ^elfingforS am
8. 20. Suli 1852.
186 ^otrot.
*ß. War ein geiftreid)er 9Jtann bon bielfeitiger ©Übung, ein bortrefftid)er
Siebner unb ein fleißiger «Sd^xiftftetCer. S)aS 33eräeid)nif$ ber bon itjm »erfaßten
Slbfjanblungen, 9teben, $Ronograpfjien unb Secjrbüctjer, roie baffelbe bei 9tecfe=
DtapierSfb fid) finbet, ift fefjr grofj. (SinigeS baöon fann angeführt toerben :
„2:i)eoretifd)e unb praftifd)e 2tnroeifung jur Sßerroanbtung einer jeben 2lrt bon
2id)t in eines, baS bem £ageSlid)t äfjnlid) ift" Söien 1791. „Esprit de l'educa-
tion, ou catechisme des peres et des instituteurs" Franc fort sur le Main 1793.
„ ©runbrif} bei* tt)eoretifd)cn $f)t)ftf jum ©ebraud)e für Sßorlefungen" 3 Steile,
SJoröat 1811 (ber 3. SLtjeit unter bem Sitcl: ©runbrifj ber $fa)fif ber grbe unb
©eotogie). „Coup d'oeil sur le magnetisme animal" St. Petersbourg 1865.
„Ueber bie Kapillarität" 2)orpat 1817. „Entretiens sur la Physique" Tome I— VI,
Dorpat 1819 — 1824. Stufjerbem größere unb Heinere Slbtjanblungen im Söoigt'S
9Jtagajin für ben neueften 3rtfianb ber 'ftaturgefcfjicrjte, in ©ilbertS Slnnalen ber
SPrjljfif, in ben ©d)riften ber Petersburger Slfabemie. Ueber ^arrot'S roiffen=
fd)afttid)e SBebeutung lieft man im Ütüdblid auf bie SBirffamfeit ber Uniberfität
SDorpat 1866, p. 57 : „3n letjter 23ejiel)ung (roiffenfd)aft(id)e arbeiten) ift ber
2lnti)eil rjerbor^eben, roetdjen ty. an ber SluSbilbung ber roidjtigen ßet)re bon
ber £urcf)bringlid)feU organifdjer ^Membranen gebüfjrt, bie als ©d)eiberoanb <}toifd)en
^lüffigfciten bon berfefnebener sJiatur auSgefpannt finb. 5Die grofje Sragroeite
biefer l'efjre ift freilief) erft fpäter erfannt roorben, nadjbem fie bon S)utrod)et
1826 unter bem Dtamen ber SnboSmofe unb @£oSmofe aufgeteilt, (}ur (Srflärung
für bie Bereitung beS ©afteS in ben ^flanjen benutjt rourbe, unb befonberS,
nadjbem fie in jüngfter $eit burd) ©rarjam ju einem neuen Skrfarjren djemifetjer
2lbf<f)eibungen, ber Sialbje geführt fjat. ty. aber fjat baS Sßerbienft, ben in ber
9Jtitte beS borigen 3ab/rrjunbert3 bon holtet entbedten gunbameutalberfud) nid)t
nur 1802 roieber aufgenommen unb erreicht <ju rjaben, fonbern aud) ber dürfte
geroefen ju fein, ber eS auSfprad), ba^ biefer Vorgang jur ©rflärung ber ©ecre=
tionen im ttnerifdjcn Körper bienen fönnte unb jut SrEIärung ber Slffimilation
unb Üteprobuction ben ©djlüffet bieten rourbe („lieber ben ßinflufj ber ^fjtjfif
unb Srjemie auf bie Strjneiiunbe" , 1802, § 52—56). ©egen S3olta'§ 6ontact=
fjtjpotfjefe ferner ftellte er bie d)eiuifd)e ^>bpotrjefe auf unb fprad) babei einzelne ©äke
au§, bie fpäter aud) bon be la 9fttbe=fSfarabab/ gefunben roorben finb („©fi^e einer
£§eorie ber galbanifcfjen ©lectricität" in ©ilbert'S Slnnalen ber Sptjtjfif S3b. XII,
©. 49). ,£>at er fid) tnernad) an bem f5or*:fcftritt ber 2Biffenfd)aft in bemerfenS*
roertfjer äßeife beteiligt, unb babei eine bie SCragroeite einzelner Sefjren borauS=
afmenbe ©djarftjeit beroiefen, fo mar er nid)t minber barauf bebadjt, bon ben
prjrjfifatifdjen Sefjren nü^lictje ^Inroenbungen ju mad)en, rote er fid) jum S3ei=
fpiet mit ber 33erbefferung beS ©pradjroljrS, ber $umpe, ber garbe, beS 33litj=
ableiterS u. St. befdjäftigt fjat." 2. ©tieba.
^arrot: ^ot)ann Safob ^riebrid) QBitfjelm 5ß. rourbe in $arl§=
rutje am 14. Dctober 1791 als ©ot)n beS fpäteren 5lfabemifet§ ©eorg griebr.
iß. geboren (fietje biefen), befudjte auerft bie üDomfdmle ^u 9liga, bann feit bem
15. ©ebtember 1804 baS ©rjmnafium in 3)orpat, auS toeldjem er am 22. ^uni
1807 mit bem 3euSmfj ber 9teife entlaffen rourbe. ©djon in ber ©cfmte (enfte
er burd) feine bebeutenbe 33efäb,igung unb feinen Sfleifj bie Slufmerffamfeit ber
ßerjrer auf fid), nodj metjr aber, nadjbem er begonnen tjatte, fid) bem ©tubium
ber ^Jiebicin in 2)orpat ju toibmen. @r ertjielt toärjrenb feiner ©tubienjeit ^toei
filberne unb eine gotbenc 5JtebaiHe für 5ßreiSarbeiten ; bie letjte mit ber golbenen
5JtebaiHe gefrönte Arbeit „lieber ©afomehie, nebft einigen 33erfud)en über bie
33erfd)iebbarfeit ber ©afe", rourbe 1813 auf Soften ber Uniberfität gebrudt.
sJleben ^Jtebicin befdjäftigte fid) ty. mit ben 9taturroiffenfd)aften, bor allem aber
mit ber ^fjrjfif; nod) ©tubent, folgte er einer Slufforberung beS bamaligen 5^ro=
s4kxrot. 187
fefforS ber Mineralogie, Moritj ©ngelljarbt, irjn auf einer Steife in;3 fübttetje
Stufjlanb ju begleiten, fpecietl um bie Vegetation be£ füblictjen StufjlanbS, ber
Molbau unb 2öatacr)ei ju unterfuetjen unb buret) correfponbirenbe Beobachtungen
bem barometrifetjen 9ciüeltement be£ (SebirgeS metjr (Senauigfeit unb eine größere
2lusber)nung ju geben. Sm Februar 1811 gingen bie Steifenben buret) ba§
©oubernement «pffoto, 2Biteb§!, Mobilem, MinSf, 2öolr)t)nten unb ^obotien nad)
$amene3=*j3obolSf. ®em Vorbringen in bie äöatactjei fteEten fidj ©ctjmierigfeiten
entgegen, beStjalb roanbten fie ftctj, um i^re $eit auSpnüfeen in bie Jhim unb
öermeitten bafelbft brei Monate, infonberrjeit mit ber Unterfuctmng be§ ©ebirgeS,
fomie mit barometrifetjem 9tiüeEement fid) befdjäftigenb. SDann begaben fie fict)
anfangt $uti naefj £aman, gingen am Äuban hinauf bis ^onftantinogorSt1 unb
öon bort nadj MoSbof, unb über SölabitamfaS in baS faufafifetje ©ebirge, bann
üon ber Queue beS Seref Ijinab au feiner Münbung in'S fafpifdje Meer. Sluf
biefer Dieife mürbe baS (Sebirge am Seref unb Slffai unterfuetjt, ber Berg $aSbe£
erftiegen unb feine Jpörje gemeffen, bie ©djneegrenje unb bie BegetationSftufen
beftimmt ; ferner mürbe ber £eref öon feinem Urfprung bis jur Münbung, fomie
ber Sanbftrictj aroifetjen bem fcrjtoarjen unb fafpifcfjen Meere mit jmei correfpon=
birenben, üon ©tation ^u Station fict) fotgenben Barometern niüeEirt. Um
biefer Meffung merjr BoEftänbigfeit p geben, um bie Erfahrungen über ben
(Sinflufj ber Söitterung, ber Temperatur auf ben ©ang beS Barometers ju ermei=
tern, um bie ©enauigfeit ju prüfen, meiere feine Slnmenbung bei -fpöljenbefiim*
mungen geftattet, begaben ftet) bie Steifenben, bie üorigen BeobadjtungSpunfte
mätjlenb, längs ber taufafifetjen Sinie mieber an baS fdnoatge Meer. -£>ier blieb
©ngeltjarbt jurücE, roärjrenb $. <jum fafpifdjen Meere eilte, weit fie gleidjjeitig
an beiben Meeren beobachten moEten. ^actj beenbigter Arbeit fanben fie ftd) im
SBinter 1811 in XfctjertaSf am S)on pfammen, ferjrten üon ba über Söoronefcr),
Zula, £toer, s3tomgorob unb Sßfforo nad) S)orpat prücf. SDte ©rgebniffe biefer Steife
finb niebergelegt in „Steife in bie ihim unb ben $autafuS öon Moriij ü. (Enget»
i)arbt unb griebricr) ^arrot. Mit duofem unb harten. 3tt,e^ 2f)eile. Berlin
1815." SDer erfte £tjeit enthält ben rjiftorifdjen Steif eberidjt, ber pette £t)eit
(Sngelrmrbt'S unb ißarrot'S barometrifctjeS 9tiüeEement ätotfe^en bem fc^mar^en
unb fafpifetjen Meere, im 3?aufafuS unb in ber Jhim befctjrieben öon $. ©. 3 — 82
unb ^ßarrot'S Seobactjtungen über bie Vegetation im ^au!afu§ ©. 83—146. —
Sn S)orpat mürben bie unterbrochenen mebicinifdien ©tubien mieber fortgefefet
unb at§ mäfjrenb be§ Äriegeg in ben <£>ofpitä(ern p 3liga Manget an Sterben
eintrat, begab fidj ty. mit einigen ©tubiengenoffen, barunter $. @. D. Vaer nacr)
9liga, um bafelbft ärätticfje SJienfte 3u leiften. 5tacrjbem ^}. ba§ mebicinifc^e
©ctjluBejamen überaus glänsenb beftanben unb feine S)iffertation „de motu san-
guinis in corpore humano" berttjeibigt tjatte, mürbe er am 22. i^uni 1814 jum
SDoctor ber Mebicin unb 6b,irurgie öromobirt. 5lun manbte ty. ficr; nactj 2)eutfd)*
lanb unb Defterreid), um feine ©tubien an öerfcrjiebenen anberen Uniöerfitäten
fortjufe^en; er ging juerft nacr) äöien, roofelbft er mit $art ßrnft b. 33aer
äufammentraf unb befudjte bie großen £)o§bitäter. 2lt§ nactj ^lapoteon^
ütücffe^r au§ 6Iba ber Ärieg mieber au§brad), trat er mit bem 9tange eines
©tabSaräteS erfter ßlaffe in ben ®ienft ber ruffifdjen 3lrmee. ^t)m mürbe ber
Auftrag ju SLfjeit, in Meauj ein MilitärrjoSpital 3U errichten; fobalb jeboer}
ber f^felbäug beenbigt mar, natim er mieber feinen 2lbfctjieb, um feinen eigent=
liefen ©tubien mieber nactjgerjen äu fönnen. @r befucljte, um feiner roiffenfdjaft=
lidjen 5lu§bitbung mitten, bie Uniöerfitäten unb Ihanfentjäufer in Berlin, 2Bien,
Söürpurg, ^ßariS, Maitanb, $abta; ba^mifctien machte er Steifen, befonberS
Bergtouren. %m ©eptember 1816 üertiefj er Maitanb, um ben Monte Ütofa
p erfteigen unb an bemfelben bit permanente ©djneegrenae ju beftimmen. 6r
188 5p«rot.
conftruirte fid) au biefem Unternehmen ein ganj befonbereS Barometer. 2luf bei-
Steife bon SJtailanb bis jum klonte ütofa boltTücjrte er ein baromctrifcljeS Stibel=
lement ber gan$en äurüdgelegten äöegftrecfe ; feine Slbfidjt, ben Volonte Stofa 3U
erfteigen, gelang nidjt; bei einem Serfudj fam er mit [einem Segleiter $. b.
gumftein nur 2057 Stoifen über bem SJleere (bie $öb> beträgt 2360 Steifen).
6in 23erid)t über bie Stefultate ber Steife finbet fiä) unter bem Stitel: , .lieber
bie ©dmeegrenje auf ber mtttäglitfjen (Seite be§ StofagebirgeS unb barometrifdjc
SJteffungen" (Journal für 6t)emie unb Sptyüjtf 53b. XIX). ginc atoeite Steife
unternahm $. in bie Sßijrenäen. 6r roanberte bont SJturgttjale auS über ©trafj*
bürg, Sefangon, ßtmn, SJtontpeEier nad) £ouloufe unb roeiter bis nadj Sarjonne
unb bon t)ier in bie ^tjrenäen ; fein Stibeltement führte er bon ©t. $ean be ßuj
bidjt am attantifdjen SJleere bis <mm mittetlänbifcrjen SJteere auS. SDaneben
beftimmte er bie -£>öc)e be§ SJtonttoerbu, SJtalabetta unb einiger $äffe. 6ine
SBefteigung beS SJtontbcrbu (3346,3 m.) mürbe mit ©lud gemacht; aueb ben bisher
für unbefteigbar gehaltenen SSerg SJtalabetta (3309,6 m.) erftieg er. SDabei
untcrfudjte er baS föebirge ber ^tjrenäen in geograbbifdjer |)inftd)t, bie bafelbft
borfommenben Mineralquellen, bie ©dmeegrenje unb bie ^flan^enbegetation unb
bergafj bie bafelbft mofmenben SJtenfcben nid)t. (Sr fdn'tberte feine Steifcerleb=
niffe unb feine miffenfcrjaftlicljcn Slrbeiten in einem 23ud)e: „Steife in bie $rj»
renäen". (SM 3 litfiograbb. Slbbilbungen. Berlin 1823. 169 ©.) — Strofc aller
biefer nic^t ber SJtebicin gemibmeten ©tubien blieb er bennodj ber SJtebicin treu,
fetjrte aber nidjt 3U feinen Sermanbten nad) Sorpat jurücf, fonbern liefe fid) in
Jpeilbronn als braftifdjer Slrjt nieber. «g)ier in ^eitbronn trat er in natje
Beaietjuug ju 3uftinu§ ferner, roorüber bie £od)ter beS letzteren, Sfrau Marie
Stiettjammer berichtet (^uftinuS ßerner'S ^ugenbliebe unb mein BaterbauS. ©tutt»
gart, ßotta 1877, ©. 99). Sieben ber 5praji8 arbeitete er miffenfdjaftlicb unb
fc^rieb: „Slnfidjtenüber bie allgemeine JhanfbeitSlebre" (SJtitau 1820. 220 ©. 8),
ferner „lieber ein 3toedbienlid)eS Berfarjren bei ber fog. Stjränenfifteloberation
nebft Seobadjtungen über bie Berridjtung ber SLrjränenmege" (.gmfelanb'S Journal
b. Uralt. £>eilfunbe. 1820. Slbrit). 3m ©ommer 1820 fetjrte % nadj ßtolanb
aurücf, mürbe bon ber Uniberfität ©orpat jum orbentlidjen ^rofeffor ber S^t)t)=
fiologie unb *patf)ologie gemälzt unb trat baS Slmt am 26. Januar 1821 an.
$m Stuguft beffelben SaljreS bert)ctratl)ete er fid) mit ber SLodjter feines Bater=
bruberS, roeldje ibm aber feljr batb (1825) burd) ben ülob entriffen mürbe unb
itjm ein fleine§ jtöc^terclien l)interlie|. Dbgleicl) ?$. fid) feiner ^rofeffur ent=
fprcdjenb mit mebicinifdjen 93orlefungen unb ©tubien befaßte, aud) einige mebi=
cinifdje Slbrjanblungen l)erau§gab („3lbl)anb hingen über bie Untcrbinbung ber bebeu=
tenben ©djlagabern ber ©liebmaffen w&) ©carpa", au§ bem ^talienifdjen über=
fe^t. SSerlin 1821. „lieber bie ßrnäljrung neugeborener ßinber mit Äucjmild)".
SJtitau 1826. „lieber bie 2ßitterung§= unb ÄrantyeitSconftitution ber ©tabt
©orpat in ben ^ab^ren 1822 — 1824" in ©emeinfd)aft mit ©atjmen in ben
bermifdjten 2lbrjaublungen au§ bem (Sebiete ber ^eilfunbe. 3. ©ammlung.
©t. Petersburg 1826), fo fdjien ib^n bie Mebicin boerj nid)t feb^r p feffetn. @r
bertaufdjte feinen pljtjfiotogifdjen £et)rftut)l im %. 1826, al§ fein Sßater nad)
Petersburg überfiebelte, gegen ben nun freigetoorbenen Setjrftub^l ber Sßrjrjfif, um
fict) nun biefer längft geliebten SDiSciplin gan3 Eingeben &U fönnen. Sfm 3f.
1829 madjte ty. in Begleitung bon bier ©tubirenben ber Uniberfität SDorpat
feine benfmürbige Steife sunt Slrarat („Steife jum ^Irarat". 2 Streite. 33erlin
1834). 6§ fann t)ier auf ba§ SSetail ber Steife nidjt eingegangen merben, e§
genüge 3U erinnern, ba^ 5p. nad) einmaligem mißlungenen 33erfuc|e am 27. ©eb=
tember a. ©t. (9. October n. ©t.) 1829 am Stadimittag ben äufjerften ©ibfel
be§ Slrarat (16 200 par. 5"B) erreichte. SDaneben mürbe ein erneuertes Stibel=
^artfjet). 189
lement alI>ifd)en bem fafpifdjen unb fdjtoaraen IDteere, anbete «JtiöeltementS
aroijcrjen bem 9lrarat utib StiftiS, ätüifc^en SifliS unb bem fdjtoaraen «Uteere
gemalt, ferner magnetifdj = geograpfyifd) = aftronomifd)e unb trigonometrifdje 9tr=>
betten ausgeführt. (Sine anbere fKeife unternahm *p. im %. 1837 aum 9torbcap,
um bafetbft Beobachtungen über ^enbetfdjtoingungen unb über ben @rbmagne=
tiSmuS anjufteHen. $. reifte in Begleitung beS ßanbibaten 9töfd)el öon $eters=
bürg aus über £orneo, über baS ßfjölengebirge nad) bem Styngenfjorb unb bann
bis Sitten, tf)eitS au ßanb, ttjeitS au Söaffer; öon Sitten über £)ammerfeft aum
«Jtorbcap unb jurüc! au 2Gßaffer. 9lm «Jlorbcap tourbe 12 Sage (bis aum
7./19. ©eptember) beobachtet unb bann bie 9tütfreife auf bemfelben SBege betoert=
fteltigt. ^arrot'S 9lbfid)t, aud) biefe 9teife auSfütjrtid) au befdjreiben, gelangte
nidjt aur 9luSfüt)rung, fctjtoere ^ranftjeit tarn baatoifdjen; nur eine „$ur<je 5lad)=»
ridjt öon meiner 9teife aum ^Rorbcap", tourbe im Sntanb 1838, 9lr. 1, gebrückt.
Äranftjeit, unb jtoar toieberf)olte jhanftjeit tjinberte itjn aud} feinen BerufSgefd)äften
in getootmter Streue unb 5£t)ätigteit nad)auget)en. 6r tjatte am ©djtuffe beS
SafyreS 1838 eine metjrmonattidje $tanft)eit p beftet)en; im ffrurjjacjr 1840
bractj bie lhanftjeit öon neuem auS, toätjrenb beS atoeiten -gmlbjatjreS 1840 tonnte
5)3. nidjt meljr feine Botlefungen tjatten; am 3./ 15. Januar 1841 öerfdjieb er
nad) fdjtoeren ßeiben unb langem SobeSfampfe. @r tjatte fid) nad) feiner 9rücf=
fetjr öon ber Slraratreife mit ßmitie Traufe, Stodjter beS 5Dorpater 5ßrofeffoi§
Jhaufe öertjeirattjet, toelcrje er mit 3 ©ötmen aurüdliejj. Sie llniöerfität SDorpat,
toetdjer $. öon 1821, alfo 20 Satjre angehörte, öertor an it)m fefjr öiel: einen
ausgezeichneten Setjrer, einen ftill unb fleißig toirfenben ©eletjrten unb ein für
baS äöoljl unb äöefje ber ganjen Äöifeerfdjaft ftetS beforgteS unb überaus praf=
tifdjeS «Jftitglieb. 6r toar toieberljolt SDecan ber mebicir.ifdjen unb ber pt)ilo=
fopt)ifd)en gacultät. SDrei 3at)re lang leitete er (1831—1833) mit fixerer £anb
als sJtector bie ©efdjide ber llniöerfität unb ftanb bei feinen (Eotlegen unb feinen
SJlttbürgcrn in tjot)em 9lnferjen. Bon feinen toiffenfcf)aftlicr)en arbeiten, toeldje er
öeröffentlidjt t)at, feien aum ©d)tufj — abgefetjen öon einigen «Jteifebrtefen unb
einigen ©elegenrjeitSreben nod) genannt: „lieber baS baromettifcrje «Riöeltement"
(ßebebour'S Steife burd) baS 9tltatgebirge) I. Bb. Bertin 1829. ©. 395—401
unb „Bon tjoljlen ©lectromagneten unb ber Söirtung innerer Spiralen bei ben=
felben" (Bull. sc. de l'Acad. imp. des Sciences de St. Petersbourg. I. p. 121 — 125).
„lieber bie genauere Semperaturbeftimmung be§ CuedfitberS im Barometer bei
^)öljenmeffungen mittelft beffetben" (Bull, de la Soc. Imp. de Nat. de Moscou
III. 283—298).
9tede=9lapier§!^ III. ©. 374-376. — Beife'S ^adjtrag. II. ©. 94. —
«Reiter «Refrolog ber SJeutfd^en. XIX. Sa^rg. 1841, I. %t)l Sßeimar 1843,
®. 110—122. S. ©tieba.
^ortliel): ©uftaö gfriebrid) Äonftantin «p., ^ilologe unb Budj»
^äubler, geboren am 27. October 1798 ju Berlin, f ju 9tom am 2. Slpril 1872.
©ein Bater, S)aniel griebrid) «p., urfprüngtid) ein Seinetoeber, tjatte fid) aum
^»ofratlj im ©eneralfinanabiredorium hinaufgearbeitet, bie SJlutter mar bie ältefte
Softer griebrid^ ©tjrtftopt) «Jlicotai'S (f. 21. ©. B. XXIII, 580). ©ie ftarb
bereits 1803, unb ber Bater rjeiratrjete in atoeiter @t)e bie 2Bitttoe feines öer»
ftorbenen ©djtoagerS SDaöib Nicolai, Gtjarlotte geborene ©idjmann. ©uftaö ?ß.
tjatte eine ©d^wefter SiHi, bie fpäter ben ßomponiften Bernrjarb ^lein (f. 91.
©. B. XVI, 78) rjeiratf)ete, unb einen ©tiefbruber «Utorifc. Waä) bem Befud}
ber ^>artung'fd)en ^riöatfdiule unb beS ©ömnafiumS aum ©rauen ^tofter, baS
er als primus ouiuium Dftem 1818 öetliefj, bejog er bie Uniöerfitäten Bertin
unb ^eibelberg, too er bereits am 12. Sluguft 1820 promoöirte. S)en nädjften
äöinter öerbradjte er in $ariS unb lernte im <£>aufe ber ^eraogiu öon Äurtanb
190 ?ßatt$ei}.
(f. 31. ®. 35. V, 357) biete Berühmte ^erfonen ber Dornetjmen 65efeHfc£)aft feunen.
SBieberrjolte Steifen burd) 2)eutfdjlanb, ^franfreid), Cüngtanb, statten, <5$ried)en=
tanb, Slegrjpten unb ^aläftina bereicherten feine Äenntniffe unb förberten jeine
raiffenfcrjafttidjen arbeiten. @r tjatte Sinn unb Söerftänbnife für bie bitbenben
fünfte unb bie 9Jtufif, eine grofje SBüdjerfenntnife unb regen ßifer jum Sam*
mein auf mehreren ©ebieten ber $unft unb Söiffenfdjaft. SDie Anregung unb
ben ©runbfiod 31t ben Sammlungen gaben irjm bie reiche 33ibtiotf)ef unb bie
©emätbe, Äupferftidje unb ^anbfdjriften be§ ©rofjbaterä Nicolai, bie er mit ber
itmt com ©rofjtjater überfommenen „pebantifdjenOrbnungäliebe" Ijegte unb ergänzte.
9tur fdjabe, bafj bei ber gütle feiner ^ntereffen feine einzelne ber Sammlungen
einen fyerborragenben roiffenjcrjaftlicrjen SBertf) ertjiett. Sie galten itjm merjr alö
Glittet ^ur $örberung feiner eigenen SSilbung unb jur Erinnerung an feine
Reifen. 3Bie aber Nicolai feine SMbliottjef allezeit gern ben ^reunben öffnete
unb auf bie Vignette, bie er in alle feine SBüdjer f lebte, bie ^nfdjrift gefegt
tjatte: Nicolai et amicorum, fo tjat and) *|3. ftet§ feine Sammlungen ©eletjrten
auf baö gefättigfte jur 53enutmng freigegeben unb niele burct) bereitroiHige 2lu8=
fünft unterftütjt. siud) tjat er, unb jroar ebenfalls nad) Nicolai** Vorgänge,
mieöertjotentlicf) tjunberte, ja taufenbe oon 33üd)em an öffentliche Sammtungen
gefdjenft, fo an bie fönigl. 33ibtiotf)ef in iöertin, ba§ geheime StaafcsardjiD, bie
beutfdje Sibliottjef in Flensburg, bie Uniöerfitätöbibliottjef ju Strasburg unb
bai arcfjäotogifctje ^nftitut ju 9t om. Seine miffenfcrjaftlidjen arbeiten gehörten
balb bem einen, balb bem anbern £5elbe ber gorfdjung an. (5§ finb meift fetjr
fleißige, regiftrirenbe arbeiten, in benen oft ein großer gelehrter Apparat ge=
toiffenrjaft unb umftänblid) beigebracht mirb auf ©ebieten, bie btätjer nod) wenige
^Bearbeiter gefunben fjatten. ©erabe foldje arbeiten entfpradjen feiner füllen
9tatur, toätjrenb fetjarfe Jhitif ober gar s4?olemif itjm ööÜig fern lagen. 9lud)
im äufteren ßeben fucrjte er nie rjernoruttreten. 2)aöon rjiett itjn eine itjm ange=
borene ^agrjaftigfeit unb Sd)üd)ternl)eit jurücf, bie er felbft öfters nad) feiner
23cfd)eibenf)eit beflagt tjat. 3)ie 3}erroaltung ber 9ticolaifdjen 33ud)f)anblung, bie
er feit feine§ Sßaterö £obe (1825) fütjrte, na tun nidjt attäuüiet 3^it in 2lnfprudj,
ba er juöerläffige ©efdjäft£fül)rer tjatte. Sein Hauptberuf mar irjm fein $rioat=
ftubium unb ber $erfer)r mit gelehrten unb funftfinnigen ftreunben. $m $• 1824
bertjeiratfjete er fid) mit äßiltjelmine sJ]titterbacrier auä $artsbab, mit ber er bis
ju feinem £obe in glüdtidjer (Sfje lebte. Sfjr ift aud) bcr erfte 23anb feiner
äöanbcrungen burd) Sicilien unb bie SeOante in einem tjeralidjen ©ebidjte
geroibmet. 1837 marb er jum 9Jtitgtiebe beg litter. Sadjöeiftänbigen SSereinä
unb 1857 jum 9Jtitglieb ber ^Berliner Slfabemie ber SBiffenfctjaften berufen.
Stufjer einzelnen Slbfjanblungen in ©ubitj' ©efettfdjafter, (L Äöfter'S jer*
ftreuten (Sebanfenbtättern über Äunft, SBergtjaug' Slnnalen ber (hbfunbe, in ben
Annali del Instituto Archeol., .3arjrbüd)ern für miffenfdjaftlidje ^ritif, 9Jtonat§=
beridjten ber geograprjifdjen ©efettfdjaft, in S3ranbe§, litterarifdjer 3eitung, in
ber beutfdjen morgenlänbifd)en 3«itfd)rift, im 3lrd)iö für bie ^eicrjnenben fünfte,
im Serapeum unb <£>ermeä unb ben ^tonat§berid)ten ber Slfabemie u. f. m.,
finb namenttid) folgenbe SBerfe f)ier ju erroätjnen: 9^iHin, mt)tfjologifd)e (Sat=
terie, au§ bem ^ranjöfifdjen überfe^t (1820). „De Philis insula commentatio"
(1830). „Siciliae antiquae tabula" (1834). „2Banberungen burd) Sicilien unb bie
Seüante", 2 SBbe. unb 33itbertafetn (1834—1840). „2)a§ ateranbrinifelje 9Jtufeum"
(1837. 5ßrei§fd)rift mit einer golbenen 9Jtebaitle gefrönt). „Vocabularium coptico-
latinum et lat-copt." (1844). „Itinerarium Antonini Augusti" (1847, mit 5)ßinber
äufammen). „aBenjel Dollar. iBefd)reibenbe§ ä3erjeid)nifj feiner ^upferftietje" unb
„ÄurjeS Söerjeidjnil ber ^oltar'fdjen Äupferftid)e" (1853). „Hermetis Trismegisti
Poemander" (1854). „S)ie Silberfammtung in 9tubolftabt" (1857). „Iamblichi de
$attfö. 191
mysteriis liber" (1857). „9tabennai unb ©uibo" (1860, mit Einher jufammen).
„©eutfdjer Bttberfaal" (1861—1864). „Eusebii Pamphili Onomasticon" (1862,
mit Sarforo jjufammen). „Hieroclis synecdemus" (1866). „P. Melae de cboro-
graphia libri tres" (1866). „Mirabilia Romae" (1869). „Dicuili liber de
mensura orbis terrae" (1869). Slufjerbem finb nod) ju nennen ba§ Söerjeic^nife
ber Mitarbeiter an ber Seutfdjen Slllgemeinen Bibtiottjef (1842, bom tfefjrer
äöetjet aufammengeftellt) unb bie ati Manufcript füt ^reunbe herausgegebenen
anregenben Schriften: „Sin berfetjlter unb ein gelungener Befud) bei ©oettje"
(1862, neu abgebrudt 1883) unb „^ugenberinnerungen", 2 Stjeite (1871) mit
bem für it)n beaeictjnenben Motto : bene qui latuit, bene vixit.
$ri| i^onai.
s$art[dj : tyaui Maria *£., berbienftb oller «Dflineralog unb Ideologe, mar
am 11. 3uni 1791 in SBien geboren unb roibmete ftdj nad) einget)enben Stubien
bem fyadje ber Mineralogie unb ©eognofie, bem er junäcrjft ali ^ribatgeteljrter
oblag. 21uf großen unb bietfadjen Reifen bammelte er eine reidje fäülie Don
(Erfahrungen auf mtneratogifd)=geognoftifd)em ©ebiete unb mürbe bann juerft ati
21uffef)er, feit 1835 ati Guftoi unb Borftanb bei f. f. .£>of=Mineratien=Ga&ineti
in SSien angefteßt. 3n biefem üDienfte berftanb ei $. burd) auigiebigei unb
energifd)ei bammeln bon Mineralien, befonberi bon Meteorfteinen, bann bon
geognoftifdjen unb patäontologifdjen ©egenftänben bie itjm anbertraute Sammlung
3u einet ber reicrjr)a(tigften äu ergeben unb burdj ätoedmäBige Sluffteltung ber
Benützung (jugänglid) ju madjen. ©eine roiffenfdjaftttdjen -^ubticationen in ben
bon itjm betretenen ^ädjern reidjen bis in bie ätoanjiger ^arjte jurüd. 3uetft
erfdjien eine Slbtjanblung : „Befdjreib. Beraeidjnifs einer Sammlung Don ü£)ia=
manten unb ber jur Bearbeitung notljroenbigen Stbbarate", 1822; bann .., 33e=
ridjt über üDetonationipljänomene auf ber ^nfel Meleba bei 9iagufa", 1828,
„S)ai f. f. <£>of=Mineratien=Gabinet in Söien", 1828; gemeinfdjafttidj mit ^acquin
berfafjt: „S)ie artefifdjen Brunnen in unb um Söien", 1831; „©eogn. unb
mineral. 2lnrjang ju tßotjli Üteife im Innern bon Brafitien", 1837, „©eogn.
Sfiäje b. Umg. b. ©teidjen&erg (in Sangeri §eilqu. bei £t)ati b. ©teidjenberg",
1836; lernet „bie Mineraliensammlung im <£)of=Mineratien=Gabinet in Söien",
1843, „S)ie terminologische ober ^enn^eictjenfammlung bafetbft" 1844, „©eogn.
Speäialfarte bei (Srjt). Oefterreidj", 1843, „©eogn. $arte bei Bedeni bon 2Bien
nebft (Erläuterungen", 1843 u. 1844; mit ^aibinger gemeinfdjafttidj : „Beridjt
ü. b. Unternehmung e. geolog. .ßarte b. öfierr. Monardjie", 1848, „6ommiffioni=
beridjt ü. b. bortljeitljaftefie SIuiTÜfjrung e. geolog. Äarte b. öfterr. Monardjie",
1849, „(Iomm.=Beridjt, bie Beseitigung bet f. Slfabemie b. 30. an b. 2öelt=
umfegetungi^jpeb.", 1850, „©eogn. ©fi^je bet öftett. Monardjie" Qatjrb. b.
geol. 9fceid5§anftalt II, 1851), „Katalog b. Bibtiottjef b. f. f. £of=Mineratien--
Gabineti in 28ien", 1851 u. a. Befonberei Berbienft erroarb fid) *ß. burdj
Beobachtungen unb Beitreibungen bon Meteoriten, über roetcrje er namhafte
Mitttjeilungen beröffentlid)te : ,,S). Meteorite ober bie bom -gummet gefallenen
Steine i. £of=9Jtin.=(Sabinet", 1843, „Ue. b. Meteoreifen bon 3taigata" (©i^.=
Ber. b. 2lf. b. 28. VIII), 1852, „Ue. b. Meteorftein untoeit Meäö=Mabara§ in
Siebenbürgen" (baf. XI). 1853, „Ue. b. fctjmar^en Stein in ber ßadba ju
Meffa" (S)enffd)r. b. 31f. b. 2B. XIII), 1856 u. f. m. Slud) au? paläontologifdjem
©ebiete mar ^. ttjätig; er befd)rieb bie fog. berfteinerten 3ie9en^auen a- °«
^piattenfee (21nn. b. äßiener Mufeumi I), 1836 unb bereitete burdj recd)lid)e
sjlnfammlung ber ^etrefacten bei SBiener Bedeni bie bon feinem Sdjüter unb
•Jiadjfotger M. |)örnei fo bortreffticrje Befdjreibung ber Berfteincrungen bei
Wiener Bedeni bor, meld)e Setjterer auf ber bon $. gefctjaffenen ©runblage meifter*
fjaft ausgeführt b^at. ty. mar ali Mitbegrünber ber t Slfabemie ber äöiffenfd^aften
192 5ßarl)§ — 5)3a§man.
in SBien unb aU langjähriges 9Jtitglieb berfelben befonberS tljätig. .£>oct)geact)tet
ftatb $. am 3. October 1856 in Söien.
Ringer, Ülefrol. in b. SBiener $tg. bom 11. <ftob. 1856. — 28. t>. ^aibinger
im Sabrb. b. geol. fteichSanft. 1856, ®. 815.
b. ©üm&el.
'ißartjS: äöithetm ban $., SBucbbrucfer unb Verleger ju 2lntWerpett
Wätjrenb be§ fectjSjetmten 3at)rt)unbert§ öon 1575 — 1586. ©eine Unternehmungen
finb nictjt tion tjerborragenber Sebeutung, bemerfenSWertb ift nur ein bon ihm
im $. 1580 gebrucfte§ ^Jlüt^bucrj mit äablreictjen Slbbilbungen: „De figuereu
van alle goude ende silvere penninghen enz". 6r wotjnte auf ber „Lombaerde
Veste" im -£mufe jum golbenen ^>elifan , wonach, er aud) fein ©rucfer^eichen
führte: (Sinen ^elifan, ber feine jungen füttert, umgeben bon einer ornamentirten
Umrahmung, <ju beiben (Seiten geflügelte ©enien, bie 33tumenförbe auf ben
Äöpfen tragen, baä ©an^e enthält bie 3>nfcr)rift: „Pellicanus alit suos suo san-
guine verus". SBon 1587 ab finbet fiel) ber 9lame feiner SBitttoe auf 3)rud>
Werfen, Welche baäfctbe 3eid)en mit ber Eingabe be§ früheren SißoljnortS „op de
Lombaerde Veste in den gülden Pellicaen" tragen.
Bibliographie beige. ^ßallmann.
^afd): ©eorg $., geteerter Sbeotog. 6r mar am 23. September 1661
in SDanjig geboren. 9cactj be§ SSatevö frtttjem ütob fanbte iljn bie Butter nact)
©rauben^, -guer blatte er ©elegentjeit bie polnifdje Spractje ju erlernen, fo bafc
er fbäter barin Unterricht ertfjcilcn unb prebigen tonnte. 1678 fam er nact)
®anjig aurütf, nollenbete tjier ben ©rjmnafiatcurfuä unb bejog bann bie Unt=
toerfttät SKoftocf, um Sbeofogie ^u ftubieren 1681. $m fotgenben $at)re ging er
nad) Wittenberg, wo er 1684 s)Jlagifter marb. «Seine ßehrer maren tjier (SalornuS,
Cuenftebt unb £>affoüiu§. <3r Imbititirte ficr) bier äunäctjft al§ sJhiöatbocent unb
marb 1686 3lbjunct ber pt)ilofopI)ifcl)en ^acuttät. 6r trat barauf eine gelehrte
9teife an, befudjte Sittorf, Tübingen, Strasburg, ©iefjen, ging bann nact) $open=
tjagen, bon ba nact) .£>ottanb, ^ranfreictj, ßnglanb, fam wieber <mrücf nact)
SBolfenbüttel, ^etmftäbt unb lief; fid) enblict) in Äiet nieber, baä er fetjon bon
9toftod au§ fennen gelernt batte. 1689 marb er tjier jum 5J5rofeffor ber 9Jtoral
ernannt, 1701 äugleich jutn s$rofeffor ber fiogif unb ''Dcetaphbfif, ba^u 1703 auch
jum 5ßrofeffor „ber geoffenbarten b. t). ber in ber SSibel enthaltenen *ßt)ilofopt)ie",
1706 fam er als extraordinarius in bie theologifche ^^cultät, mogegen er bie
sßrofeffur ber Floxal an ßortholt abgab. (Sitten Stuf aU Äirchenrath unb ^aftor
nact) 2öi§mar tjatte er abgelehnt, 3n ben lebten 3fal)ren ^ ei' neben praf*
tifetjer Geologie aud) natürlictje Geologie unb Sogmatif. S3on feinen Schriften
finb etwa ju erwähnen: „De operationibus daemonum", 1684, „De curiosis
hujus seculi inventis", 1695, „Ed. 2a", 1700, (ögt. 9liceron, ftachr. b. berühmten
(Sei. VII, 381) - bann auch „Brevis introduetio in rem literariam, pertinentem
ad doctrinam moralem", 1706, „De variis modis moralia tradendi über", 1707.
gr ftarb erft 46 ^abre alt am 30. September 1707.
Woller, Cimbria litt. II, 610. — ^bcher. — 9Hceron, 9tachr. VII, 329. —
(Schmale, ^Jlachr. b. ^tet ®. 373. — Souginö IV, 562. — 2t)ie^ (Mehrten»
gefch. b. Unib. Atel I, 234. - Garftenä, ©efch. ber theot. gacultät Äiel, ©. 12.
Sarften§.
^Qömon: ^)ieronrjmu§ $•< Stifter ber nact) itjm genannten, noch fjeute
in gutem 9lufe ftetjenben ^a^mann'fc^en (ridjtiger $a§man'fct)en) ©chule in
Hamburg, mürbe am 10. Slpril 1641 in Hamburg geboren, wo fein S5ater ein
Slechfctjläger mar. 9}ad)bem er in ©ie^en unb 3ena Sttjeotogie ftubirt unb an
ber letzteren Uniberfität 1663 9ttagifter geworben war, Würbe er in feiner S3ater=
5})a§man. 193
ftabt unter bie ßanbibaten be§ 9Jtinifterium3 aufgenommen. @r mufite lange
auf eine Anleitung warten. Am 9. $uni 1678 warb er Jobann pm britten
SDiatonu§ (jßrebiger) an ber großen ©t. 5JltctjaeIi§=Ätrcr)e gewäbtt; nadjbem er
am 28. $uni ba8 ßottoquium beftanben batte, würbe er am 9. $uli in fein
Amt eingeführt. S)ie (SJemeinbe, an bie er berufen War, tjatte erft feit Wenigen
Monaten bie üoEen 9ted)te eines befonberen Äird)fpiet§ erlangt unb war nod)
nidjt ööltig at§ ein fotd)e§ eingerichtet; fie umfafjte bie 9teuftabt, bie fdjon ba=
mala 3U einem großen £tjeite öon ärmeren ßeuten bewotjnt war. Sie neue
Äirdjenö er Waltung t)atte bei ber @inrid)tung ber Armenpflege befonbere ©d)Wierig=
feiten gu überwinben; at§ ^. in§ Amt fam, gefdjab für ben llnterridjt ber
$inber ber Firmen in bem nun auf fidj fetbft angewiefenen iftrdjfpiel nod) nichts.
6r fat) bie iäglid) madjfenbe SBerwitberung ber $ugenb; nadjbem er öielfad)
aud) anbere auf ben ©djaben rjingewiefen, befdjlofj er auf 3ureben be§ ©t)nbifu§
Sßolber ©ctjeele felbft eine Armenfdjule ju grünben. ©ein SJorbilb babei War
bie feit bem Satire 1612 in ber Slltftabt errichtete Änadenrüggifclje Armenfdjule,
bie in «Segen white, ©er 23ürgermeifier ^einricf) teurer (f. 31. ©. 33. XXI, 532 ff.)
billigte feinen $lan unb im Januar 1682 legte $. ein ©ubfcriptionäbudj an
unb forberte jjur 3eidjnung öon (Saben auf. hieben ibm nabm fid) fjauptfädjlict)
ber ©iafonue (£a§par £t)eobor dürfen ju ©t. $etri (©obn be§ 23b. VIII,
©.211 erwähnten fjf.) ber ©ammlung an, bie einen überrafcljenben ©rfolg batte.
Um biefe 3eit gerietf) 5p. in unangenehme ©treitigfeiten mit angefetjenen 9JUt=
gliebem feine§ Äirdjencotlegiumg. 9tad)bem er fdjon öortjer mit feinem £)aupt=
paftor ©eorg -Ipacciuä (f. 21. 2). 23. X, 288 f.), ber wegen feiner Unfrieb=
fertigfeit befannt war, über bie 33ertbeitung ber Armengelber einen ©treit getjabt
jjatte, glaubte er aud) Antafj jur $lage über bie Art ju baben, Wie bie £eidjnam§=
gefdjWorenen (fo t)iefeen bie Verwalter be§ widjtigften £tjeite§ be§ JHrdjenöermögenä)
mit ben Armengelbern umgingen, ty. bradjte biefe ©acrje aud) auf bie Hansel.
Al§ er bann aber bod) tiidjt feinen Vorwurf juriftifdj beweifen fonnte, unb aud)
nidjt auf ber Äanjel reuociren wollte, würbe er am 15. ©eptember 1682 ab
officio fu§penbirt. 6r fupplicirte ju 9tatl); unb at§ er bem 9tatt)e ©etjorfam
gelobt tjatte, Warb er am 22. 9toöember beffelben ^al)re§ wieber reftituirt. SDer
3wifdjenjall fdjeint feinen Semübungen für bie Armenfdjule um fo weniger ge*
jc^abet äu baben, al§ man in ber 23ürgerfdjaft it)tn fadjtidj ffted^t gegeben ju
tjaben fdjeint; aucl) perföntidj War er wäbrenb ber 3«* leiner ©uäpenfion mit
2öobttbaten überljäuft Werben. %m Anfang be§ $at)re§ 1683 Waren 20 000 3Rar£
Mourant für bie ©ctjule gefammett; auf ^aäman'ä 2lnfud)en Warb burcl) 9tatb§=
beeret bom 30. Wäx^ 1683 „bie Einrichtung einer 2lrmenfcl)ule in ber 9teufiabt"
genehmigt unb au beren Verwaltung ber oon 5ß. borgefcljlagene SSorftanb berufen,
^iernacl) beftanb ber $orftanb au§ sJß., feinem greunbe dürfen, ätoei ^Jlttgliebern
be§ 9tatf)e§ unb 3Wei bürgern. 3nt 5Rai 1684 Warb bie ©djule mit einer
(SinweibungSprebigt ^aSman'S in ber fleinen SJli^acliSüt^c eröffnet; fie war
3unäd)ft in einem gemietbeten «grnufe, fonnte aber fetjon im Dctober 1684 il)r
eigene^ §au§, in Welcfjem fie fict) nod) befinbet, Be^te^en; um biefe 3eü war fie
fd)on öon 500 $inbem beiberlei ®efd)led)teö befud)t, bie uon mebreren Sebrern
unb Seherinnen unterrid)tet Würben. Al§ dürfen am 13. April 1684 geftorben war,
würbe ftatt feiner ber -gmuptpaftor ju ©t. 9Jticl)aeli§ 3fol)an Söindter, ber 9tad)=
folger öon öaeciuä, am 1. April 1685 in ben Söorftanb (ba§ ^atronat) ber
©d)ule berufen. @§ ift waf)rfd)einlid), bafj Auguft ^ermann brande Ui feinem
erften Aufentf)alt in Hamburg (1683) in ber $a§man'fd)en ©d)ule unterrichtet
l)at. Al§ ber Anbrang jur ©d)ule immer größer würbe, ftnb auf 2Bindler'6
Setrieb nod) mehrere, bi§ ju feinem 2obe nod) öier, fotdjer Aimenfcljulen in
5ättaem. beutfe^e Sßtogro»I)ie. XXV. 13
194 $a|or.
ber fteuftabt gegrünbet. — "Rad) 2Sind(er§ Xobe tjatte s$. nod) manctjertet
SBiberwärtig'eiten ju erleben; burd) ÜEßindlerä iftacfjfolger im ©eniorat glaubten
er unb einige anbere ^Jrebiger fid) in ben IDlinifteriatconbenten betjinbert, frei
nad) intern ©ewiffen ju botiren; 5ß. unb fein College (£uftail)iu3 Äöten blieben
in 5olge babon jahrelang au§ ben (Sonbenten fort, bi§ am Slnfang be§ ^ar)re§
1710 biefer S^ift burd) Vermittlung beS 9tatl)e§ frieblidj betgelegt warb. 5ß.
ftarb am 21. 2lJ>ul 1716 morgenä 1 Ut)r, 75 ^atjre alt, nadjbem er fiel) märjrenb
33 $at)re bei guten ftortgangeä ber bon itjm geftifteten ©djule tjatte erfreuen
fönnen. SDie s$rebigtcn, wetdje er bei ber Gnnweitjung ber Sctjule unb tjernad)
bei ber ©runbfteinlegung gehalten tjat, finb bon ifym in 2)rucf gegeben, bie
leitete mit einem Slnljang juir ®efd)id)te ber ^euftabt in Hamburg.
Fabricii memoriae Hamburgenses VII, pag. 205 ff. ; tjier ift ber eben
ermähnte 2lnl)ang abgebrutft. — $ol)anne£ ©effden, 3»ofmnn 2Bindter, £)bg.
1861, ©. 246 f. — ßerifon ber -Ijpamb. ©djriftfteller V, ©. 648 f. —
(©äbed)en§), ®ie ^afcmann'fdje ©djute in Hamburg 1683 bi§ 1883, ^>am=
bürg (1883). I. u.
^afor: ©eorg ty., berühmt aU öerifograbb, unb ©rammatifer bei bleuen
ü£eftament§, geb. am 1. 2luguft 1570 ju (Sllar bei £abamar in sJlaffau, f am
10. S)ecember 1637 in ^'anefer. Sein Söater, ein ©djutttjeifj in feinem ©eburt£=
orte, roibmete itjn frütje ben SBiffenjdjaften. ^Bereits 1591 mürbe er ©tubent
in £)erborn, wo fein .(paUpttefjrer 3ob,anne3 ^iicator warb, ber ir)n in bie
$enntnifj ber griedjifdjen unb t)ebräifd)en ©bradje reetjt einführte. %n ben foI=
genben SJatjrcn febte er feine ©tubien in ßaufanne unb ©enf fort, fetjrte aber
1594 toieber <}urüd unb bollenbetc biefelben in ©iegen, wo fid) bamal£ bie
naffauifdje t)ot)e ßanbcäfdjule befanb. -hierauf wirfte er al§ fwfmeifter ber jungen
©raien ^u S)iUeuburg bis 1517, wo er ßeljrer an ber ©ecunba p ©iegen unb
1599 an ber '•prima unb jugleid) ^päbagogeard) würbe, %n biefem $at)re würbe
bie ©djule bon ©iegen nad) ^erborn jurücfberlegt. ty. offenbarte al§ ©djul=
mann eine grofje ®abz im Unterridjten. 2)amit berbanb er eine au§ge<}eicrjnete
Äenntnifj ber alten ©pradjen. bereits 1607 würbe er jum ^rofeffor ber
Geologie beförbert, in weldier ©igenfdjaft er äugteid) bi§ jum Satjre 1620 bie
Leitung beö s$äbagog§ weiter fütjrte. 21m meiften befdjäftigte er fid) mit bem
©prad)ibiom be§ bleuen üteftamenteg, weld)e§ er nad) wiffenfdjaftlidjjen ^rineipien
betjanbelte. ©eine ©rammatif tjat nad) feinem ü£obe fein ©otjn (f. u.) ber=
öffentlidjt. ©eine .fraubtfdjrift ift aber fein ßerifon aum 5Reuen £eftamente,
1620 ju ^jerborn juerft crfdjienen unb bann öfter, burd) Wetd)c§ er bie Serif o=
grabble be§ bleuen 5£eftamente£ begrünbet tjat. 2luf iljm bafiren ©djleuener
unb ©d)öttgen. @in (Stjarafteriftitum ift fein ^urilmuö, ben er in ber ©pradje
be§ bleuen 2eftamente§ ju finben glaubt unb ber itm aüe |)ebrai§men au§ ber=
felben au§fd)eiben lä^t. ©eine übrigen wenigen ©djriften erftreden fidj tt)eit§
auf berwanbte ©ebiete, tt)eit§ auf bie ctaffifdje $t)itologie. 53iete§ Ungemad),
Wie 93ranb unb fogar ÜJUfjtjanblungen, brachte für itjn bie ÄriegSfurie, fo ba^
er gern 1626 einem Stufe nad) gttmtf" folgte, wo er bi§ an fein Snbe in
afabemifdjer SBirffamfeit ftanb.
9teformirte Äirdjen^eitung f. 1884, Wo alte feine ©djriften augleid) auf=
gefülirt Werben. — (5rfd) unb ©ruber III. ©ect. 12. — ©tafiuS, Godgeleerd
Nederland III. — Vriemoet, Athenae Fris. — S3at)Ce.
Suno.
^afor: 9Jlatt^ta8 ty., reformirter Stjeolog , ©otjn be§ borgenannten,
geb. ju ^perborn am 12. Slpril 1599, t SU ©roningen am 28. Januar 1658.
©eine ©tubien madjte er in Jperborn, Harburg unb <^eibelberg. Sin tebt=
SßaSquicfc. 19°
aenannter Uniöexfltät max er furje %*t ^rofeffot ber ElatW« , ba™ J«
jener ab. «reo sr„*Tp Ahd Widmari Parentalia
(Sil^ unb ©tuber. - ©tanuB - Saple. Abu vn<un
in Matth Pasorem. - Effigies et vitae proff. Acad. Gron. ood s^Ati e
ebenbo 5(!. Weint träf) in ben flo|t Wen S.onb 9*™ j" ' ?*"„ etac en
bicfen evfovbettWe SBotbilbuna Senomn 3« ^b™ •,»■"„ mit rtJ 178« aB
«bjnncten bet *f)W£ an bet tti b at $ e,t 1 y ro if Son „ie,„
mit 3- »emontti III H«anjae|eb <»»3« 'e^„ "S, tenüalvecfennncj aß
SSettnd, «in« "'««" unb_ Matteten Sea lu"bu"9 blL XZl dovreiponben;
gjponentialfaUul" eOTäfmenSmettt) fem. 3n »• »°** Salle ~ 'v £i
•JU* et iW iaupWi* übet a1"W u, . 8 »bahrt« B «3™
(ütabmeiinnsä.tbeiten Irin« 3e.t «*» * |B2ta3waw* mit be?
roigenben uamtjart: „öeifn* eme8 SS «tiaÄ* 5« * ^genmn en ) -^
»eweßunß-unb öott^ct^aTte^cn Stint* nnß b i Mali neu l/« , ^ ^
in ber mat^ematiid)en 3lnal#8 «* ^*Xn n 3fo Pi reu bei 3e futten Vittex-
banb", 1798 (tt,«toeile nadj ben nad)ße an en ™^™*£ü™ „Epitome
paeder P. fDHtterbuiß gearbeitet); Opuscu o staU o-medum ca l / ^ ^
elementorum astronomiae spljaenco-calculatonae , 1810, r*$*Z% in ber
gedämmten tgeoretildjen atatfcmattf' , 1812 -- Sai qm*« a 'b^au§
©ehalte ber »fhonomie mel genannt atteibmßS *W™m£ "^ fien $.
efjtent,oflen SBBcife. (SB trat nämher, fem «ent ^l%^-JmJn^ eine*
a 8 Slntläßet mit ber Wntbtßunß aul, jen et ^Jp'If'K einen eben=
Äometcn orme jebe tWad«e •^^^J^J^^S^w
Wen tDifi«H*a!tU*en »ettuß beßanßen tote m f ^f ^^genmnfte 2luT=
ritter S>'Hnßo8. Seßteitftdjetwetle erteßte Piefei ^oxwm\ otc auy
meitfamtrit , bie ange^enften »jtronome«. ttmfe. 6«| © ^'^ bfl|
<S*umadjer nahmen U^ ber ©adje an unb ba ettte d) D en 9
flmetp lelbft tuftü* ß*«nMt *ab e unb f. in m *^ Äucttin leiner
fei, aEein fteiln? üe| p* m«t leugnen, baB iefetexer Det ^
196 Mabant.
^Beobachtungen feljr unöorfictjtig 3u SOßerfe gegangen toar. ©etoiffermafjen ent=
laftenb toirft für $t. bie üllmtfadje, bafj berjetbe ben berühmten Steifenben ©eetjen
in bie aftronomifdje 93eobad)tung§funft eingeführt unb fo inbitect audj um bie
Zarjtreidjen fdjönen OrtSbeftimmungen fidj betbient gemalt rjat, burct) toetd)e
Seesen bie ©eograbljte bietet Sänber be§ Oriente bereicherte.
b. SBurjbad), 23iograbt)ifd)e§ ßerjfon be§ $aifertf)um3 Oefterreidj, 21.
SBanb. — llngarifcrje 9lac$rtd^ten (23ubapefter Leitung), 1863. — Sßolf,
©efdjidjte ber Slftronomie, ©. 710 ff. 23rieftoed)fel atoifdjen ©aufj unb
©dmmacrjer, 1. 23anb 6. 363 ff. ©untrer.
WfalHUlt: 3afob ßubtoig $., Dr. theol., rejormirter ©eiftltdjer, als
greunb ©oettje'ä unb ßabater'ä in »eiteren «Greifen befannt geworben, mar einem
angefetjcncn ©efdjledjt entfbtoffen, au§ bem mancrje tüchtige 9Jtänner (fielje
$ot)ann $arl unb ^o^ann 5Dabib 5ß.) fjerborgegangen finb.
2lm (Jnbe be8 16. ^arjttjunbertg n)&* 9Hfolau£ be ^ßaffabant, ber
©tammbater be§ 33afeler, toie be§ granfjurter gtoeigeä, au§ granfreidj nac^
Bafel gefommen unb tjatte bafelbft ein ©efdjäft gegrünbet. 6r legte bamalä
ben 2lbel ab unb trat zur reformirten (Sonfeffion über, ber feine ^Ractjtommen
mit großer Sreue anfingen. SDeffen (Snfel 9tuboIbt) (Smanuel fam 1667
uadj granffurt am 5Jtain, too bie gamitie batb ju 9teid)tfmm unb (Jtjre ge=
taugte. @r mar ber llrgiofsüater oon ©oettje'ä ^ugenbfreunb. Safob Subtoig
*ß. tourbe geboren ju Qfranfmrt am 6. ^Jtärj 1751. $m £>aufe feine© Söaterö,
be§ Kaufmanns Sotjann ßubtoig ty., Ijerrfdjte ein fdjtictjter frommer ©inn,
babei aber jene feineren ^formen beg Umgangs, toie fie in Dielen fran^öfifdjen
Gsmigrantenfamilien fid) finben, bei benen bie Söor^üge beiber Nationen fid)
rjarmonifd) üerfctjmctjen. 2>ie (h'iierjung be§ Knaben toar bortreffttd) ; bie burd)
Slnmutt) ausgezeichnete Butter, sJJcaria i^afoba geb. Äod), Ictjrte ifjren Siebling
felbft in ber gamitienbibel lefen. Sfafob ßubtoig mar fcfcjon aU $inb burd)
5tufrid)tigfeit unb ©emiffentjaftigfeit ausgezeichnet. 9luö ,£>erzensneigung mibmete
ber früt) in fid) gefetjrte ^üngting fid) bem geiftlidjcn Berufe, toäljrenb bis barjin
faft alte ©lieber ber Familie ftd) bem JpanbelSftanbe zugetoenbet Ratten, ©djon
in ber ©rjmnafiatzeit toar er tootjl ju bem ztoei ^al)xt älteren ©oetlje in oer=
trautidje Beziehungen getreten, toelctje toaljrenb ber ©tubienjatyre unb nodj ettoas
über biefe $tit tjinaus fict) fovtfe^ten. *$. liebte ben 2)id)ter mit ber ganjen
^ärttictjfeit unb Jpingcbung, beren feine toeidje ©eete fä^tg toar, toätjrenb biefer
bem fcrjtidjten greunbe ettoaS rüdb,altenber gegenüber ftanb. 5Dodj pnbet fid)
$affaoant;§ 9came me^rfactj in „2)ic^tung unb 2Bat)rfjeit" ertoäfjnt. °$m ^rü^=
jatjr 1768 bejog er bie Untüerfität Harburg, too er bi§ zum ^erbft 1771 Der=
blieb , um bann nadj ©öttingen fict) ju toenben. 3In beiben Orten getjörte er
bem auf beutfdjen ,g)od)fd)ulen bamal§ öerbreiteten ftubentifetjen Drben Soncorbia
an, in bem ber $reunbfd)aft§cultu§ in überfd)toänglid)fter Söeife gepflegt tourbe,
tote ein noer) erhaltenes Stammbud) betoeift. 3»n ©öttingen lernte er aud)
mandje ©lieber be§ ^ainbunbeg (ßeifetoi^ unb toarjrfctjeinlid) bie ©rafen ©tolberg)
fennen. 3fn biefer Sät tjatte er ©etegen^eit ba§ 5)lanufcript bon „Söertt)er"
fennen ju lernen, unb toar einer ber Ghften, bie bom „Söertrjerfieber" ergriffen
tourben. ^m <^erbft 1773 berliefj er ©öttingen unb ^iett fid) im 2Binter, toie
e§ fdjeint, t^eilö in Harburg, tb^eil§ in gi-'cmffurt auf. Sfm ©ommer 1774
erbat er fid) bon ©oetf)e zur 23ermät)lung feine§ 23ruber§ 3>afob mit ©ufanne
gneberife ^rjilippine ©d»übeter, toeidje mit ber ©c^öncmann'fdjen Familie ber=
roanbt toar, ein £)od)3eit§gebid)t, ba§ ieboct) berfpätet eintraf unb erft 50 ^af)xe
nadj^er, bei ber golbenen ^)od)3eit, bem ipaare oom Pfarrer überreidjt tourbe.
S)ie (Sanbibatenjeit berbradjte ty. in 3ur^r toD er f^ bon ftriibjatjr 1774 bi§
Dctober 1775 auffielt. Sor allem 30g i^n Sabater an, ju bem in ber ©turm=
5Paffabant. 197
unb SDrangperiobe alleg pilgerte, toa§ irgenbtoie bon Segeifterung für bie neuen
$beale erfüllt toar. 5p. tourbe 2lmanuenfi§ be§ merfroütbigen 9Jtanne§, ber ben
befdjeibenen, aufrichtig nad) 2öat)r§eit fuctjenben Jüngling fetjr liebgetoann unb
3U beut „fteinen (Sirfel feiner eblen greunbfctjaft" rechnete. 3Jtit ^ßfenninger,
£>efj, <£)äfeli unb anbern ©liebern ber ßabater'fctjen ©emeinbe, auct) ben ebten
grauen biefeä JfreifeS, toarb er fetjr bertraut. Sluct) ju 23obmer, Sreitinger
unb ©efener trat er in 33e<}ier)ung unb natjm an bem genialen treiben, ba§ in
biefen Greifen B,errfcb,te, lebhaften 2lntt)eil. $m Stpril 1775 roarb ty. orbinirt,
Blieb aber bennoer) ein tjalBeg ^at)r noct) Bei bem bäterltctjen greunb. 3n ben
©ommer biefe§ 3at)re3 (1775) fällt bie „©eniereife" mit ©oettje. SDiefer toar
mit ben Beiben ©tolBerg'3 nact) 3ütict) gefommen unb machte bann am 15. $um
(nietjt am 15. 3uli toie ©oett)e angibt) mit bem granf furter greunbe einen
2lu§flug in bie llrfantone, too $. bie gütjrung übernehmen fonnte, ba er biefelbe
Steife Bereite einmal gemacht I)atte. S)er Siebter mar bamalä im begriff ba§
Sertjältnifj mit ßitti ©ctjönemann 3U löfen, beliebte aBer boct) mit *J3., ber auf
ber Steife fiel) ungetoötjnlict) Reiter geigte, eine Steige frötjlictjer £age. SBermuttjticB,
tjat ©oettje itjn gefctjilbert in bem „gerbinanb", ber in 2öertt)er§ Reifen als
Segleiter be§ jungen SBerttjer ertoätjnt ift. $. Beteiligte fict) bamal§ an bem
frötjlictjen StreiBen ber beutfdjen Äraftjünglinge in 3ü"tf), toie e§ BefonberS bon
ben ©tolberg'g angeregt toorben toar. $m OctoBer fer)tte üß. nactj feiner $ater=
ftabt aurücf, too it)n ber 2)ict)ter 3u einem tounberlictjen 3tenbe3bou§ bor feiner
plötjlictjen Steife nacr) bem Dbentoalb beftellte. ^nbeffen Blatte er einen Stuf aU
5ßfarrbertoalter an ber reformirten tjotlänbifctjen ©emeinbe in Hamburg an=
genommen, unb fiebelte im StobemBer 1775 batjin über, ^m $. 1776 toar er
mit ©oettje, ber mit it)m im SBriefrnecfjfel geblieben toar, mit |>erber, Sabater,
ben ©tolBerg'§ unb einer 2ln3atjl anberer greunbe $u Strasburg, too fein 5tame
tjeute noctj, auf ber Plattform be§ 9Mnfter§, neben bem jener 2)ict)ter eingetragen
ift. ©eit biefer 3e^ t)atte er toenig 33erüb,rung metjr mit bem gefeierten ^ugenb=
freunbe; bagegen Blieb er mit Sabater im 39rieftoecr)fet, ber aucB, in feiner letjten
Äranftjeit eine Steige bon blättern mit einzelnen für itjn Beftimmten ©innfprüctjen
Befctjrieben tjat. %m 3- 1777 tourbe fß. ©eiftlictjer in |jannöberifct)='>lJtünben, bon
too au§ er regen 3)erfet)r mit bem benachbarten ©öttingen pflog unb Befonberä
mit bem ©ctjtt^er ^otjann ©eorg SJtülter, bem 53ruber be§ ©efctjictjtfctjreiber§,
bertraut würbe. $m fotgenben %a$xt rjert)eh-att)ete er fiel) mit ^ob^anna ©tifabelt)
SCßai^. $n biefer feiner erften (Stje tourben itjm bier $inber geboren, barunter
ein ©otjn Äarl Söittjetm, ber nactjmall 5|}rebiger in 35remen tourbe (f 1846).
2?m $. 1787 tourbe er jtoeiter 5)3rebiger 3U 5Detmolb, too er für bie mancherlei
milben Stnftalten gro^eg ^ntereffe geigte unb bie SBeftrebungen b. (SoeHn'ä unb
©toalb'g unterftü^te. (5r toar am ,£>ofe fet)r beliebt unb trat noct) nact)
feinem Sßeggang ^u ber geiftreietjen, für ba§ fleine ßanb treu Beforgten Sfürftin
$auline (f. u.) in Se^ietjungen. ^m 3. 1794 bermät;(te er fictj nact) bem
frütjen 2obe ber erften ©attin 3um ätoeiten fötale, mit Slugufte Stotberg
au§ S)etmolb. ^n biefer (SB^e tourben itjm noct) 6 Äinber geboren, barunter ein
©otjn, griebrict), ber 1862 al£ bairifct)er ©eneral berftorben ift. 33alb barauf
tourbe er 3um ©upeiintenbenten in S)etmolb ernannt, natjm aBer fetjon im ^erBft
1795 einen Stuf al§ 3toeiter ^rebiger bei ber beutfctj=reformirten ©emeinbe ber
Söatexftabt an, gur innigen g^ube ber alten Butter. 6r erlebte noct) bie böttige
©leidjfteÜung beiber ebangelifct)en ßonfeffionen in ^l'anffurt unter bem gürft=
prima§ bon S)alberg, ber itjn 1812 311m ©ct)ut= unb ©tubienratt) ernannte.
Sn biefer f$dt tjatte er toieber manetje SBerül)rung mit ©oettje, inbem er biel
mit $ot)ann ^afoB Söillemer, bem ©atten ber Marianne, öertetjrte. Slnbere
litterarifet) Bebeutenbe 9Jtänner, toie $ung=©tiHing, befuctjten läufig fein gaft=
198 Sßaffabant.
tid)cS £>auS. 9lud) mit ben ^üridjer Familien Saoater, ©efjner u. a. blieb er
bi§ 3U feinem Snbe in brieftid)em unb berföntidjem Sßerfefjr. Sm $. 1813
würbe s$. erfter s}kebiger unb ßonfiftoriatrattj. 1817 erhielt er bon ber tr)eo=
logifcfjen ftacultät <ju ^ena baS üDoctorbiblom. 5DaS 25jät)rige Jubiläum beö
„33ietliebenben.unb 33ielgetiebten", ju roetdjem u. a. fyriebrid) Sßiltjetm ihummaerjer,
bamalS «IpülfSbrebiger bet bentfdj=reformirten ©emeinbe, ein ©ebidjt berfafjt, legte
^eugnifs ab für bie 93erei)rung, bie er in ber ©emeinbe genofj. sJtad)bem er-
lange 3>ab,re rjinburd) infolge eines 9terbenleibenS nur mit großer 2lnftrengung
feinen ^flidjten nacfjgefommen mar, ftarb er am 8. Januar 1827. 5ß. tjat fid)
nid)t burd) fjerborragenbe Seiftungen befannt gemad)t; bod) ift feine eble,
fjarmonifdje ^erföntict)feit bieten, u. a. and) ben beiben Neffen, bem Äunffc»
fjiftorifer, foroie bem sttx\ie, junt Segen geroorben. ©eine tf)eotogifd)e 9iid)tung
mar burdmuS bie feines f5fteunbeS ßabater; bie berföntidje ©emcinfdjaft mit bem
Srlofer mar irjm Stern unb $ern beS (IfjriftentljumS, roäfjrenb jcbe confeffionclie
(Sngfjeraigfeit il)in rrcmb mar. Sluf ber .Standet prebigte feine jorjanneifdje 6r=
ferjeinung belebter nod) als bie Sippen bon ber Siebe (SottcS in @f)rifto. 35er=
öffentlich rjat s$. nur einige s3luffä^c in ^fenninger'S (Stjriftt. 9Jtagajin, fotoie
etlid)e s4hebigten. — (Sin Sebensbilb ^affaoant'S tjat bis jeüt gefehlt. 2)ie rjier
gebotene ©fijje beruht tljeilS auf unberöffentlidjien 2lufaeid)nungen, ttjeilS auf t)ier
unb ba jerftveuten eingaben ; eine meiterc lUuSfürjutng roirb ber Sierf. im 9lrd)ib
beS granf furter Filter trjumebereinS für 1887 liefern. 2)en 33riejroed)fel mit
©oetrje unb Sabater l;at 5ß. leiber fetbft bernidjtet , unb anbere Briefe bon
2Bert£) finb gelegentlid) eincS 23ranbeS jerftört roorben, fo bafj biel roidjtigeS
Material 31t örunbe gegangen ift. |). 35ed)ent.
^affnbaut: ^otjann 3)abib Sp., sJleffe beS Vorigen, geboren au 3franfi=
fürt a sUt. am 18. «September 1787. Sein 33ater, Sotjann 2)aoib , betrieb in
ber Scfmurgaffe ein blüt)enbe§ £)anbelSgefd)äft in englifdjen SBaaren. Seine
9Jtutter mar bie Xodfter beS bermögeuben 2Öeinf)änblerS ^ofjaun sJtoi> (Söget,
meldjer ber in feiner Familie tjerrfdjenben Vorliebe für ßunft fotgenb — einer
ber Sßorfarjren mar lUaler, anbete Ratten fid) als SDilettanten mit ®rabftid)el
unb Üiabirnabel berfud)t — eine anfetjnlicrje Sammtung bon ©emälben er=
morben Ijatte ; aud) befafj er eine bebeutenbe 23ibliothef. s){w biefen Sd)äüeu
rjatte fid) bau Söefen ber 2od)ter entroirfelt unb fie trug irjre Neigung für i?unft
unb ©eifteSbilbuug aud) auf ifjren Sol)n über. S)urd) frühzeitigen $ei<£)en=
unterridjt bei bem lüiater iöager unb bem s3lrd)ite£ten ülrid) mürbe in bem
Änaben biefe Steigung bermeljrt, unb bie Viebrjaberei beS Sammelnd angeregt,
meld)e er juerft burd) baS Sammeln ber Stidje ßljoboroiedi'S betfjätigte. ®er
Umgang mit bem Soljne be§ granffurter berütjiuten $ferbemaler§ ^ol)ann ©eorg
^ßforr bradjte if)n ben Äunfttreifen nod) nätjer unb ty. empfanb e§ fdjmerätid),
als ber junge 5ranä ^forr nad) bem rafd) aufeinanber folgenben 3lbteben beiber
©Item äu feinem Dnfel, bem ©aüerieinfpector £ifd)bein nad) Gaffel tarn, um
bon \\)m als Dealer auSgebilbet p roerben. 5lber aud) an unfern ^. trat ber
ßrnft beS SebenS rafd) rjeran. Sein SBater, beffen ©efdjäfte burd) ben $rieg
fdjroer gelitten Ijattcn, ftarb nad) längerem ßeiben im Satjre 1800, unb $., jum
Kaufmann bon feinen ©Itern beftimmt, trat im 3at)re 1803 als ßetjrling in
baS ©efdjaft ein, meldjeS nad) beS SBaterS 2ob fortgeführt muTbe; feine Neigung,
Äünftler ^u roerben , magte er nidjt laut roerben au laffen. 2ltS aber fein
$reunb ^rana ^forr nad) bem Sobe feines OnfelS ütifdjbein im Sommer 1805
als fiebaerjnjäfrriger Jüngling nad) g^nlfurt jurüdferjrte , ertjielt biefe Neigung
neue s31arjrung unb rourbe immer brennenber, als ^forr, roeld)er im ^>erbft
beffelben ^arjreS nad) 2Bien gegangen roar, um fid) auf ber Stfabemic roeiter
auS^ubilben , ib^m Sriefe bolt ißegeifterung bon borten fd)rieb , unb bon feinem
«ßafjaüant. 199
neuen greunbe Dberbecf fdjroärmte. Sott ßummer Derrjarrte 5ß. in bem ©e=
fdjäft unb ging 1809 3u feiner meiteren fauimännifdjen Slusbilbung nad) }>ari§,
mofelbft er in bem 23an!t)aufe ütcugemont & Sömenberg eine Stellung fanb.
$tte freie 3e^ Dermenbete *ß. bort 311m ernften ©tubium aller jener tfunft=
merfe, melctje Napoleon I. in ^aris 3ufammengefd)leppt tjatte, unb 3ur 3)er=
me^rung feines SöiffenS. 1812 errjielt 5ß. in s}kris bie irjn tief erfctjüttembe
>ftad)rid)t Don bem in 2llbano erfolgten lobe feine» greunbeS ü*and $*orr.
Um biefe Qnt fdjjrteb $. eine $ritif ber neu ausgeftettten Söerfe Don
©roe, S)aDib, ©erarb, ©uerin ic k., inbem er biefelben mit ben alten Stafouern
Derglid) , unb fd)icfte biefetbe nebft einer in treibe geseidjneten Sanbfcfjaft feiner
(Jrfinbung in ^ouffin's Gfjarafter nad) granffurt an feinen greunb |>errn
Jpenrt) Gornitl. SDiefer berfctjaffte itjm aud) in granfmrt bei 5)lumm & So.
eine ©teile, benn bas Vermögen ber 9Jluiter mar in $olge ber ®efd)äüs=
3erftörung burd) bie Sonttnentalfperre fo rebucirt morben, bafj 5ß. nunmehr ganj
auf fidj fetbft angemiefen mar. 9iad) Napoleons fjftuctjt Don @lba ergriff bie
nationale SSegeifterung aud) tt)n unb er 30g am 25. Sinti 1815 mit ber (£om=
pagnie ber greimilligen jur Belagerung Strasburgs nad) bem ßtfafj. Sei
biefem Sosreifjen Don ber fauimännifdjen Itjätigfeit entroicfette fid) in itjm ber
(Jntfdjtufj , fid) gaiij unb gar bem fünftterifdjen Berufe ju roibmen unb bei
feiner 9tüdferjr ttjeilte er biefes feiner erfcfjrecften Butter mit. 2lud) fäumte er
nid)t mit ber 2tusfütjrung unb reifte am 1. Secember nad) >ßaris ab, mofelbft
ber fieb3igjär}rige DaDib ben }d)on adjtunb}man3ig $af)re alten Anfänger frcunblid)
in fein Atelier aufnahm, in metdjem bamalS aud) Sßadj unb 9tittig ftubirten.
3ln fie fcfjlofj ty. fiel) innig an. Vlaü) £aDib's ©rilirung übernahm Saron
©ros bas Stieltet unb 5ß. ftubierte unter if)m weiter. S£a baS SJtufeum ge=
fdjloffen mar, fo berfdjaffte Sllejanber Don ^umbotbt unferem *ß. bie (Sirtaübnifj,
in bemfclben nad) SRapfjael copiren 3U bürfen ; aud) in felbftfiänbigeu Gompo=
fitionen aus bem 9libetungenliebe Derfudjte er fid) unb fanb für biefelben ben
Seifafl Sluguft SBilfjetm Don ©ctjlegel's. 9Zad) adjtje^n 9Jconaten anfjaltenbften
#leif$es fefjrte er nad) ft-ranffutt 3urüd, um alsbalb feinem greunbe SBad)
nad) 9tom 3U folgen.
lieber ^Jlaitanb unb Bologna ging er nad) frloren3 , mofelbft er 33aron
Don gtumofjr fennen lernte , melcfjer ©tubien für feine funftfdjriftftellerifdjen
arbeiten fammelte. 5Diefes 3ufammentreffen, ber anfjaltenbe Umgang mit
JRumorjr raätjrenb einiger Monate, follte für ty. Don bebeutenben folgen merben,
inbem ifjm fjierburd) juerft näherer ßinbtic! in ba§ (Sebiet funftr)iftotifdjer
gorfd)ung eröffnet mürbe. sDlit Saron ©tadelberg madjte % gemeinfdjaftlid)
bie 9teife über Urbino unb Perugia nadj 9tom, mofelbft bie Üteifenben am
22. üDecemfor 1817 eintrafen, ^e^t erft lernte $. ODerbecI perfönlid) fennen,
nad)bem er burd) ^ranj 5ßfotr bereite in brieflichem S5er!e^x mit i^m geftanben
tjatte ; aud) 3U 6orneliu§ unb 2}eit trat er balb in freunbfdjaftlidje SSe^te=
jungen. ®ie brei benannten Ijatten bamals fdjon ifjre gresfen in ber Safa
S3artr)olbt Doüenbet unb bereits bie neuen Aufträge jur ?lusfd)mücfung ber
äiilta 5)laffimi erljatten, 311 meldjer aud) nod) J?od) unb ©djnorr Don Garolöfelb
rjerangesogen mürben. 3m Umgang unb in engem 2lnfd)luf3 an biefe g-reunbe
fudjte 3ß. nun feine eigenen fünftlerifcfjen ©tubien 3U förberu, inbem er fid)
gans ber burd) fie Dertretenen Ütid)tung anfdjlo^ , obgleid) er fein ganjeö Seben
t)inburd) ber reformirten ^ird)e, in roeld)er er aufgemadjfen mar, treu ergeben
blieb. 2ftit 6orneliu§ mad)te er einen 2lusflug nad) Neapel, mit Coerbed
einen Jold)en nad) Slffift , mit Julius ©djnorr Devmeilte er brei 5Ronate in
5toren3 unb Dotlenbete bort fein erfteS größeres Oetgemälbe, eine tjeilige gamitie
(je^t im 33eftt3 beö ^»errn Ctto ßornill in granffurt a 3W-). b]Jtit ^einrid) §efj
200 SPaffatoant.
»erbrachte er einen arbeitfamen ©ommer in Perugia. (Sine SljaritaS, eine
Sanbfctjaft mit bem not bcm <g>irfd£>e fnieenben Zeitigen Hubertus, beren Biotin
ber Umgebung um Dlebano entnommen ift (jetjt im ©täbelfctjen ^nftitute als
3)ermäcrjtnif3 beS Dr. Sommer) entftanben in «Jtom. «Me biefe arbeiten zeugen
bon bem eblen , feinen j?ünftterfinn , roetdjen «ß. fein ganjeS Seben Ijinburdb, be=
tätigte ; boct) 3eigten fie metjr bie gätjigteit ©uteS nacb^uempfinben, als «fteueS ju
geftalten, unb ber geringe (Erfolg, meieren er mit bcnfelben erhielte, mufjte itjn
barauf tjinmeifen, bafj itjm auf bem fteibe ber $unftauSübung roenig greube
erblütjen mürbe, gfaft unberoufjt lentte er merjr unb meljr in bie 23at)nen beS
ÄunftforfdjerS unb .ftunftfctjriftftellerS ein unb barin bon feinen römifctjen
greunben beftärft, fdjrieb er feine erfte beröffentticrjte ©crjrift unter bem Xttet:
„2lnfid)ten über bie bilbenben fünfte unb üDarftellung beS (BangeS berfelben in
£oScana, bon einem beutfcrjen ^ünftler in «Jtom" 1820. SDiefe «Jttittljeilungen,
meiere jur Seftimmung beS (SeficrjtSpunfteS bienen fottten, auS melctjem bit
neue beutfetje «Dtalerfctjule ju betrachten fei, finb fpäter bon bieten Äunftfdjrift*
fteltern als Gkunblage jjur 2)arftettung ber beutfdjen Äunftentmicfelung jener
Gpoctje benuijt roorben, unb fie finb bon SBidjtigfeit jur J¥enntnife ber Sbeen,
roetetje bamalS in «Jiom jene $ünftter befeelten, bie man fpäter mit bem tarnen
ber „«Jlajarener" bezeichnete, ©ie 3öorte «ßaffabant'S : „eS liegt bie 33lütt)e
einer $unft nietjt in ben folgen eines tiefen ^riebenS, nicfrjt in bem «Jteicrjtrjum
eine§ SJolfeS, nidjt in ber greigiebigfeit eines dürften ober in foftfpieligen
^unftanftalten, fonbern in ber ©röfje ber in einem gebildeten «Uolfe rjerrfetjenben
©efinnung" finb rjeute nodj fo roatjr unb berjerjigenStoertb, mie bamalS; unb
niajt rütjmenb genug fann tjerborgerjoben roerben, bafj in gteid) entfduebener
Söeife ber «RationalitätSgebanfe noct) nidjt auSgefprodjeu roorben mar, mie in
biefer ©cfjrift. S)a «Jtumotjr ben Äünfttern in «Jtom eine älmtictje «Jlbrjanblung
jugefagt, aber nie ausgeführt rjatte, fo mar er über baS (Erfdjetnen bon «ßaffabant'S
<Sd)iift gereift unb fcrjrieb eine ungünftige «Jiecenfion berfelben im $unftblatt
(ÄflBltt. 1821, «Hr. 32, p. 125—128), meldte bie Äfinftler in «Rom bamalS
fetjr empörte. Srotjbem aber ernannte «Jtumot)r «Paffabant'S 2!ücr)tigleit fo fetjr
an, bafj er it)n bem «Herausgeber beS ^unftblatteS, <5cr)orn, als Gorrefponbenten
auS «Jiom empfahl, maS «4>. gerne annarjm. (Er begann bie «Jteilje feiner 33e=
ricrjte mit einer 23cfcr)reibung ber Arresten DberbecfS in ber Sßitta «Ulaffimi
(Äunftolatt 1821, «ttug. «Jlt. 64) unb unterzeichnete ftc^ ^o^anneS öon f$.
SefonbereS SSerbienft erwarb fict) ^. um bie beutfe^e Äünftlerfc^aft in 9tom
noc^ burd) bie mit Unterftütmng 23unfen'S ins 2eben gerufene ©rünbung einer
Äünftlcrbibliottjcf, melier er bis ju feiner 2lbreife bon 9tom oorftanb. ©iefelbe
erfolgte im ^aljre 1824.
lieber «JJtüncb^en fetjrte er nactj ^franffurt jurüdf unb fanb bort in bem
Greife ber «ölänner, toetc^e fieb, cjäufig bei bem SSürgermeifter Stomas ber»
fammetten, freunblicrjfte «Jlufnatjme. 3Bir nennen unter benfelben tioraugSroeife
Dr. Sörjtner, Dr. ©cb.toffer, SlemenS Brentano, ben 9lrcrjiteften ^)übfcl) unb ben
Äupfcrftcdjev SSartb^, bie beiben le^teren «Profefforen an bem ©täbelfctjen ^nftitut.
«Dknctje Hoffnungen, metcfie «Jß. auf bie tljätigEeit biefer 5lnftalt für bie 2öieber=
ermeefung ber monumentalen Äunft fe^te, bermirf lichten fic§ nierjt unb er mu^te
feine Äraft in bem ©taffeleibilbe ^u Permertl)en fuetjen. 6r matte in ber
^folge berfc^iebene ^JJlabonnenbitber unb Sanbfdjaften, ein ©emätbe ber ^eiligen
(Hifabett) unb ^atb^arina, melctjeS er ber fattjolifcrjen Siebfrauenfirc^e ju granffurt
fdjenfte, ferner ein größeres ©emälbe ,,«4>autuS bor geftuS" (jefet in bem
ftäbt. ©tjmnafium). 33on aE biefen «arbeiten gilt maS fetjon oben gefagt mürbe,
unb «ßaffabantS greunbe, namentlid) Dr. SSöb.mer, füllten bieS mor)t. Äurj
bor bem 9ltbert S)ürer=gefte in Nürnberg (6. Slprit 1828), ju meinem auc§ «p.
5ßaifatoant. 201
eilte, lief} er einen Sluffafe über „bie breifactje 9tict)tung ber $unft" brucfen, in
toeldjem er in SSe^ug auf bie neue Äunft ausführte : „bafj bie bilbenbe $unft,
fotoie alle Seftrebungen ber 9ftenfct)en fid) roieber, unb ättiar mit freiem 23ebact)t,
ju ber Sflictjtung äurüdroenben müßten, in roetct)er bie ©etjnfuctjt nact) einem
ßeben in ©ott fict) offenbare". SBenn fein $«unb SBötjmer biefen Slnfctjauungen
gegenüber fid) fetjr abletjnenb bertjielt, fo motten fie boc^ fetjr im ©inne ber
alten greunbe fein, meldte er in Nürnberg roieber fanb. $it biefen gehörten
@orneliu§ unb ©ctjnorr, mit meinem letzteren er nact) 9Mnctjen ging, um bort
roätjrenb eine! tjatben 3fatjre§ forootjt bie £unftfct)ät}e 3U ftubiren, atä aud) bei
©ct)norr bie $re§fotect)nif 3U erlernen, ba er fid) mit bem $tane trug: bie
neuerbaute £mlle be§ griebt)ofe§ in fjfranffurt mit ^reäfen ju fctjmüden. £$für
biefen ßirdjtjof entwarf er aud) in 9Mnct)en eine Slnjatjt ©rabmonumente,
meiere noctj im ^af)re 1828 in granffurt erfctjienen.
S)oct) nun nat)te bie 3e^t *n roetetjer Sß. burd) eine jufäHige SJeranlaffung
äu ber erfotreietjen Stjätigfeit tjingefütjrt toerben foüte , au roelctjer it)n fein
33itbung§gang ganj befonber§ befähigte, nämlid) jur funftt)ifiorifct)en gorfdjung.
6r fagt hierüber felbft: „3m 3aj)re 1830 beabfid)tigte Sprofeffor 33raun in
'Hftainä eine berbefferte 2lu§gabe feine§ SBüctjleinä über fRa^^aet , roorüber er
mict), ber ict) in Italien getnefen, oft um glatt) fragte. S)a§ ttjat ict) benn
auct) nad) Gräften, allein er fam bamit nid)t äurectjt, fo bafj er mid) aufforberte,
fetbft ein Söerf über biefen 9Jteifier ju fdjreiben. (jinem folgen Unternehmen
füt)lte ict) mict) inbeffen in feiner SBeife geroadjfen. 3$ fafjte ieboct) ben ©e=
banfen auf unb begann grünblictje %otf ctjungen über biefen ©egenftanb." (Sßergl.
fünften 33erid)t über ba§ ©täb. Äunftinftttut, £>ecember 1863.) $u biefem 3roede
befugte er nod) im .§er&ft 1830 SBerlin, too^u bie tleberfieblung feiner bert)ei=
rattjeten ©ctjroefter borttjin itjm erroünfctjte Skranlaffung bot; bon ba ging er
nac§ SDreSben. %m Slpril 1831 finben mir itjn abermals in 5pari3 , bon too
au§ er mit bem 5Jtaler 33Iäfe nad) ßonbon ging. Sitte öffentlichen unb pribaten
Sammlungen, alle ©ctjlöffer, in roelct)en fid) SBerfe 9taptjael§ befinben, fudjte
er auf unb allenthalben erroarben it)m feine Äenntniffe unb feine guten ge=
fettigen formen im Vereine mit einer fct)önen männlictjen Srfctjeinung bie befte
2lufnat)me. 2lud) fanb er bei SJerroanbten feineä ©ctjroagerg Gelegenheit, in
Sonbon ein gamitienporträt ju malen , rooburd) ber guftanb feiner 9xeifefaffe
toefentlidj gebeffert tourbe, fo bafj er auf ber 9lüdreife fidj audj in Selgien
mit ÜOtufje umferjen unb bie flanbrifdje Äunft, mie auf ber Söeiterreife über
Sladjen unb' Äöln bie nieberrtjeinifdje, grünblicrj ftubiren lonnte. 21t§ Ö°l9e
biefer 9leife beröffenttidjte er fein 2öerf: „^unftreife burdj (änglanb unb Belgien
nebft einem Sericrjt über ben üDombau 3U granffurt a./3Jf." 1833. S)ie
gtefultate, roeld}e für bie Äunftforfcrjung bon befonberem ^ntereffe toaren, ftellte
er in einigen Slrtifeln für ba§ ÄunftBIatt äufammen (1832, 9lr. 66—74).
allgemein mar ba§ ©taunen bei biefen 5ßubticationen über bie in ©nglanb
angehäuften, nodj toenig befannten ^unftfdjä^e. $n ^Belgien toie in (Jngtanb
machte ba§ 2öer! gleid)e§ 2tuffet)en; in SSelgien beftettte bie 21fabemie 500 6j=
emplare beffelben ; bie 9tad)rid)ten über bie englifdjen Mnftter erfd)ienen fo=
gleid) überfe^t in einer „gtebieto" unb 5Jli§ 9Ugbrj übertrug ba% gan^e SSudj in§
englifdje" („Tour of a german artist in England." Sonbon 1836, 2 S3be.).
2tn bie $o*fd)ungen biefer Steife fd)liefet fiel) auct) an : „Lettre de M. Passavant
de Francfort a Mr. 0. Delepierre a Bruges sur les produetions des peintres de
Tancienne ecole flamande au XV6me et XVPme Siecle etc." Gand 1842, 1 23b.
3ur 23erbottftänbigung feiner gtaptjaelftubien ging ^ß. im £>erbft 1834
abermals nad) Italien. @r befudite na4 einanber ^taitanb , $abia , ©enua,
Sßifa, 9iom, Neapel, Urbino unb bie Wlait 3lncona. ©ein SSefuct) in fyano,
202 Sßaffabant.
^ßejaro , ^Jlontefiove, ©inigaglia galt namentlich, feinen ©tubien über 9tapf)aet'ä
2)ater, ©iobanni ©anti. ©obann befudjte er Perugia, glorenj, Bologna,
SBenebig unb fefjrtc über Söien unb 9Mnd)en nad) ^ranffurt «juriiä. (Srft
1839 fonnte er fein 2ßerf: „'IRafaet bon llrbino unb fein Söater ©iobannt
©anti" (2 23be.) exfdjeinen {äffen. (Sine tueiteve ftrudjt feiner 9teife roaren bie
im .Uunftblatt (1838 in 9ir. 66 u. ff.) erfdjienenen Slrttfel „über bie alten
lombarbifdjen 5Jtaler". S)ai iBudt) über Otapfjael mactjte ba§ größte 2luffet)en ;
in fotd)?r 33otlftänbigfeit mar bis baljin trotj bieler äfjnlidjer arbeiten nod)
nictjtö geleiftet roorben; bemungeacfjtet fonnte 5ß. im Safere 1858 einen britten
23anb mit Wadjträgen , namentlich mit reichhaltigen neuen eingaben über ,§)anb=
ieidjnungen 9tapt)aet'g beröff entließen. 3m 3arjre 1860 rourbe baS Sßerf in§
granjöfxfdje übcrfetjt unb bamit ber ganzen $unfiroelt jugängticr) gemadjt, ben
9tuf)m be§ 23erfaffer§ atlentrjalben berbrettenb.
2öar s4>affabant'S tünftlerifcrje STtjätigfeit fdjon toäljrenb ber legten ^afjre
feljr gering geroefcn — fie r)atte ftd) faft nur auf ba§ Scalen einiger !i'anb=
fdjaften ibealen (Sfjarafterg befdjränft — fo ftellte er biefetbe faft gänjlid) ein,
nad)bem er im October 1840 -jum ^nfpector be§ ©täbel'fdjen ^nftitutä ernannt
roorben mar; nur bie lebensgroße fjtgnr Äaifer ,<peinrid)3 II. für ben J?aifer=
faal be3 föömerä in gvanffurt füllt in bie ^eit furj nad) feiner (Ernennung,
biefe Stellung fcrjlofj ^ug(etct) ein ^efjramt in fid). Sie legte it)m bie ßeitung
ber ©tubien jener ©d)üler auf, roelcfje nad) ben ©rjpSabgüffen ^eidjueten ; bie
geläuterte eble Sluffaffung, roetd^e fiel) in feinen ßorrecturen nad) ber 3lntife
ausfprach, ift für biete jener Anfänger bon unfdjätjbarem Söertt)e in itjrer
SBeiterenttoictetung geworben. 9Iud) trjeilte er mit ben anberen s4koiefforen
bie ßoirecturen nad) bem lebenbcn Wobelt im 2lctfaal. ©eine .Spauptttjätigfeit
a6er mar fortan ber SJermetjrung ber (Semälbe= unb ^anbjeidjnunge^
©ammtuug, foroie ber öntroidelung unb Orbnung beä ^upferftidjcabineteg- ge=
röibmet. 2>er trefflicfje Katalog ber ©emälbcfammlung ift fein 2öcrf unb in
ber 1855 erfdjienenen ©djrift : „Sine Uöanberung burd) bie ©cmälbefammlung
beä ©täbeffdien .ftunftinftitutS" (SJetlag bon ^einrict) Heller) gab er eine
furje ,ttunftgefd)td)te ber in ber ©ammlung befonberS bertreteneu ß^ten. S)a=
droifcfjen mad)te er tjäufigc Reifen ju fteter Bereicherung feineä 3Biffen§, nament=
lid) mit 9tücffid)t auf bie altbeutfdjen unb altitatienifdjen .Uupferftedjer. Sine
5Darfteüung ber ©ntroidelung be§ ,$?upferftid)t.3 in furjem Slbriffe gab er in bem
im ?luguft 1859 beröffentlid)ten Berichte be3 ©täbel'fdjen 3fnftitut§ fjeraus.
9Jtand)e Heinere -Jlbrjanblungen erfdueneu in ben Äunftblättern bon ©erjorn,
Äuglcr, @ggev§, in bon Quaft'3 unb Dtte'g 3eitfd)rift für d)riftlid)e ?lrd)äologie
unb j?unft, im 2lrdjib für ^'an^urtö ©efdjidjte unb i?unft unb in 9caumann'ä
Slrdjib für jeidjnenbe fünfte, ©ie finb für bie Äunftforfdjer bielfad) bon ber
größten Söidjtigfeit gemefen. ?Iud) ©panien bereifte ty. unb legte feine 33e=
obadjtungen nieber in bem SSerfe : „S)ie djrifttidje j?unft in ©panien" (1853,
1 33b.). ^m ^arjre 1860 erfdjicnen bie ^toei erften 23änbe feine§ „Peintre-
graveur", ein äBerf, roeld)e§ jene^ gleictjnamige bon 33artfdj berbollftänbigen
unb berichtigen foEte. Slber erft nad) feinem 2obe erfdjien ber lefete ber fed)§
23änbe (1860 — 1864, 6 vols. avec table alphabötique generale etc. etc.) biefeö
be'oeutenben äßerfeä, toeterjeä ^u ben unentbehrlichen in ber Äunftroiffenfdjaft ge=
l)ört, unb roeld)e§ ©taunen erregte burd) bie f^ütle beg früber unbefannten
s)Jcateriatö, burd) roeId)e§ neue§ Sid)t über bie bunfelften Anfänge ber i?upfer=
ftecfjfunft berbreitet rourbe, roenngleid) 5ß. Söiberfprud) baburdj erregte, baß er-
ben £eutfd)en bie Srfinbung beö $upferftid)eä ,^ufd)rieb.
9tod) tjatte 5)}. bie greube bie bollftänbige, ftjftematifc^e Orbnung ber
^upferftid)= unb ^>anb3eid)nungen=©ammtung ju erleben , meld)e unter feiner
Leitung bon feinem (Setjülfen, bem fpäteren 3>rtfpector ^Jialß, ausgeführt rourbe.
5ßaffabont. 203
2lm 17. 5tuguft 1861 bevfdjteb er Bei nod) üoüftänbig tlarem (Seifte. Seine
Eingebung an bie feinet £)bf)ut anvertrauten Sammlungen tjat er ftetä baburd)
betätigt, bafj er toert^öolle «^upfetfticfje unb .gmnbjeidmungen, meiere er ent=
meber fetjon befafj, ober mit ber s3Xbfid£)t dürfen in ben Sammlungen auszufüllen,
au§ eigenen Mitteln erwarb, ben Sammlungen fetjenfte, namenttid) -$u Reiten,
in meldjen bie ^ibminiftration au§ öfonomifd)en 9iüdfid)ten mit irjren Mitteln
bei SInfäufen prüdrjattenb mar. 5lud) rjintertiefc er ber (Semälbegatlerie eine
Slnjarjl feljr wertvoller Detgemälbe, ber 33ibtiotl)ef feine fetjr bebeutenbe Samm=
hing üon Äunftbüdjeru unb Äubfertoerfen , fein nidjt gebruef teg sIftanufcript :
„Jeau Fouquet de Tours, peintre et enlumineur du Roy Louis XI", foWie
37 SBänbcrjen feiner fjanbfdjrifttidjen 3cotijen ju feinen funftgefd)ict)ttid)en 2Ir=
Seiten, buretj meiere er einer ber ausgc^eidjnetften 9Jcitbegrünber ber mobernen
®unftforfd)ung geworben ift.
9ceujaf)rsbtatt be§ SJereinS für (£efd)id)te unb Sllterirjumshmbe 311 fjfranf»
fürt a.'3Jl. 1804 unb 1865: ,,3ot). ©ab. Saffabant, ein Sebenebilb Don
Dr. 2lb. (Somit!" . — ©eSgl. : fünfter Script über ba§ Stäbel'fd)e $unfi=
inftitut burd) bie Stbminiftration beröffentlid)t im 2>ec. 1863. — SeSgt. :
®iba§faüa 9lr. 120 unb 121, 1. unb 2. 3Jcat 1862.
Otto ©onner = bon 9Hd)ter.
si>afiaöaitt: Sodann $arl ty., %x&t unb Sdjriftftetter , mürbe geboren
ju gfranffutt a. 9Jt. am 22. Slpril 1790 unb ftatb bafetbft am 14. 2lprit 1857.
Sein 55ater mar ber Kaufmann (Sfrciftian S., ein Sruber be§ 5ßfartet§ (f. S. 196).
SDiefer übte auf bie retigiöfe unb fitttierje (Sntmidetung be§ Steffen einen be=
beutenben ©influfj au§, mie benn aud) beibe in ber s]Jcilbe ber ©efinuung, wie
in ber gein£)ett be§ (£mbfinben§, innere SerWanbtfctjaft beraeifen. Sielleicrjt tjat
ber mit ßaöater unb ^ung^Stilting bejreunbete Dtjeim perft ben Jüngling auf
bie tieferen Probleme be§ Seelenlebens rjingewiefen. SDod) aud) bie ^Rutter, s^larie
(Stifabetf) be S3att) , fjatte bmd) eine aufrichtige ftrömmigfeit auf be§ $inbe3
früfj empfänglichen Sinn fegenereid) eingercirft. %n mandjen Sügen trat c§
balb ju 2age, wag in feinem Innern berljeifjungSboll fid) regte. ©ie ftrengfte
SBarjrrjaftigfcit äeicfjnete fd)on ben Knaben au§, ber ernfte Setbfibrüfung unb
Selbftjucfjt au fid) übte unb ber allen rettgiöfen 5^Sen ein tiefet ^ntereffe ent=
gegenbiactjte. 3öäf)renb ber ©rjmnafiat,jeit t)egte er lebhaft ben 3öunfd) fid) bem
geifttidjen 33erufe ju mibmen, bod) entfd)loB er fid), al§ er im Jperbft 1807 bie
llnibeifität <£>eibetberg be^og, burd) äußere Sßer'fjättniffe beftimmt, junt Stubium
ber Sftebicin. 3unädt)ft tüax {^m begreiflicher äßeife baran gelegen , im aHge=
meinen ben Söiffeneburft p befriebigen unb feinen geiftigen ^orijont 31t erweitern,
weätjalb er bie Sorlefungcn eine§ £)aub, 5rie§, Sreujer unb 33oecff) (über ^ilo=
fopl)ie, 5Rut^ologie unb Srjmbolif) ben 5ad)coüegien oorjog; bodj gewann er ein
tiefere^ ^ntcreffe für bie ^eilfunbe, al§ er Dftern 1809 nad) ber burdj trefflidjc
Serjrer ausgezeichneten Tübinger -gwdjfctjute überfiebette. Äielmetjer unb Slutenriett)
<wgen it)n an, unb er begann fd)on bamaU eigene p^t)fiologifd)e 35erfud)e anju»
ftellen. 3>m 20. ^aljre (1810) erwarb er fid) bie Soctorwürbe unb begab fict)
bann nadj äßien , um in ben bortigen ^io§pitätern p arbeiten , wobei er ber
2lugenrjeitfunbe grofje Slufmerffamfeit äuwanbte. ®amal^ madjte it)n sBtalfatti
genauer mit bem sDcagneti§mu§ befannt, mit bem er fid) batb fdjon fetbft=
ftänbig befetjäftigte. ^mmerfjin fet^wanfte ^. nodj, ob er nidjt, wie fein £$r«unb
Söeitt), ftatt beg ärjtlidjen S3erufe§ ben feelforgerticfjeu erwählen fotte; aber auf
Sertangen be§ Saterä blieb er ber einmal angetretenen ßaufbatjn treu, o^ne
bod) bon ber „Sraut feiner Sjugenb" oötlig fid) ab^uwenben. @§ War üon
nun an fein b,öd)fte§ Sfbeal, eine 33erfö^t)nung 3Wifd)en ber 9taturWtffenfd)aft unb
ber Geologie ^erbeipfürjren unb über ben fdjeinbaren (Segenfäfeen beiber S)ie=
ciptinen eine tjö^ere Sinrjeit naiijäuweifen, wie benn fein ganzes Gefeit in perfön=
204 ^affatmnt.
lictjen, rote in tfjeoretifctjen fina^zn, auf Vermittlung angelegt mar. 63 mar
feine Ueberjeugung , bafj Vernunft unb Offenbarung, al§ au3 einer Quelle
ftammenb , fid) nic^t roiberfbred)en tonnen , bafj bie Offenbarung äroar nidjt
au§ ber Vernunft t)errüt)re, aber bod) mittetft ber Vernunft ertennbar fei. „sMe
^t)ilofobt)ie mu| jur £f)eofobt)ie, alle SBiffenfctjaft jur s3Jct)ftif geläutert unb ber=
flärt werben". $n folgen 2lnfid)ten rourbe er befonberä betraf tigt burd) ben
eblen ©aiter, ber bamal§ ^rofeffor ber fatljolifd)en £b,eotogie in ßanb§t)ut mar
unb nad)tnal§ Vifdjof in sJtegen§burg rourbe. SHefcr $Jcann, roeldjer audj ju
£abater in Verlegungen geftanben tjatte, rourbe ^affaüant, tüte fo mannen
anberen ^ßroteftanten. ein bäterlidjer gfreunb bi§ an fein ßebenäenbe. $. be=
fudjte ib.it tjäuftg unb trat audj mit it)m in lebhaften brieflichen Vcrtet)r (Vriefe
©ailer'S ftnben fidj in ben bon ^affabant'3 Söttttoe ljerau§gegebenen ,,©ebenf=
blättern an ^otjann $arl 5ßaffabant, t$frantfurt a. 2Jc. , £>et)ber unb gimmer
1860", roäljrenb bie ©djreiben ^affabant'S an ©aiter, rote an beffen glcidj«
gefinnten ©djüler SMepenbrocf, fiel) nicfjt meljr aufgefuttben tjaben). ®3 ift an=
juerfennen, bafj feiner biefer fattjottfdjen Sßriefter berfudjt Ijat, ben greunb jum
Uebertritt ju bewegen, obroorjl ^ß. felbft manchmal ba^u geneigt mar, häufig
am römifdjen ©otteäbienfte tljeilnaljm unb nod) furj bor feinem Stöbe befannte,
bon ben meiften 2Bat)rt)eitcn biefer $irdje überzeugt 3U fein, hieben bem
(Jinflufj bon Satter ift übrigen^ in biefer 5)3eriobe aud) ber (Jinflufj bon ©djelting
nid)t $u bertennen, beffen ^l)ilofobl)ie bamat§ biete ©elfter mädjtig anjog. $m
3ab,re 1816 tief} fid) 5ß. nadj mancherlei Steifen al§ praftifcf)er 5lrjt in feiner
Vaterftabt nieber. (5r blatte gelernt bie 9lu3übung biefeö SöerufeS aud) als eine
31rbeit am Steige ©otteä aufjufaffen unb b,at ifyn in btefem ibealen ©tnn
aüäeit geführt. Von ben ßollegcn trat iljm befonber§ Dr. 9teeff nat)e , ber audj
magnetifdje Auren madjte , aufjerbem trat er ju bem Vibetforfdjer ^otjann
griebridj bon ^Dcerjer in bertraute Vejietjungen. ^n biefe Qt'ü fällt aud) eine
lebhafte ßorrefponbenj mit Vaaber unb anberen üttjeofobljen, bie fid) für eine
facramentlidjc 9luffaffung ber magnetifdjen Auren auäfbradjen. Wü feinem
funftfinnigen Vetter ^ß^tttpp mad)te er im SBinter 1816/17 eine Keife nadj
Italien, mo er aud) mit einem anberen Setter, i^oljann 2)abib , bem nadj=
maligen $unftt)iftorifer (f. o.), 3ufammentraf unb eine intereffante Stubien^ bei
*ßiu§ VII. Ijatte, in ber er mit biefem unbeugfamen $ird)enfürften bon feinem
ßieblingättjema , ber Söieberbereinigung ber ßonfeffionen, ju reben roagte. 3>nt
^atjre 1818 mürbe ty. Jpaugar^t an bem Söerforgungätjaufe, beffen ^nfaffen it)m
mit grofjer ßiebe anfingen, unb beffen ©tnridjtungen bielfadj auf feinen Statt)
äurücfjuiüljren finb. ^n ben $af)ren 1819 unb 1820 tjielt er im ©entfenberg'=
fd)en ©tift SBorlefungen über ben ßeben§magneti§mu§ bor einem gemätjtten 3U=
Ijörertretfe, beffen ^ntereffe an feinen Seobadjtungen il)n berantafjte, ein äßert
über biefen ©egenftanb l)erau§äugeben : „Unterfudjungen über ben £cben§=
magneti8mu§ unb ba§ ^eÜfe^en" grantfurt a. ^Jt. bei 53rönner 1821. (2)ie
jmeite bietfad) beränberte Auflage erfdjien 1837.) %m folgenben Sab.re fanb
er eine geiftig angeregte Sebenägejäljrtin in IRarianne ßeffing, bie er in S5er=
binbung mit einer ©omnambule äritlidj beljanbelt t)atte. SDurdj ©aiter madjte
5]5. bie 33efanntfd)aft bon 5Jteld)ior S)iebenbrod, ber bamal§ bie red)te Jpanb
be§ greifen S3ifdjof8 mar, unb trat balb ^u itjm in bie r)erätid)ften Sejieb.ungen.
^u granffurt öer!et)rte er in biefer 3eit biet in einem romautifdj gerichteten
Greife, in meldjem aufeer ben Vettern 3ot)ann S)abib unb 5pi)ilibb $. nod)
21)oma§, Sommer unb ßtjrifttan ©djloffer befonber§ Ijerborragteu. i)urd) biefen
SSertetjr erhielt feine ©t)mbatl|ie jum $atl)otici§mu3 beftänbig Ttatjrung,
miemot)! er feit feiner Sermätjlung fid) ber reformirten ©emeinbe, ber feine
Sinnen angehört tjatten, mieber förmlid) anfdjlo^. $n einem engeren «Greife tjielt
Sßaffaöant. 205
er 1829 unb 1830 SSorträge über 5pf^dE)otogie, bie jmar nidjt gebrucft öortiegen,
beren grud)t aber einige fpäter erfcfjienene prjitofopfjifcrje 9ftonograpt)ien
maren. Um biefe 3cit traf er auf ber Heibelberger ftaturTorfdjerüerfammlung
(1829) jum erften 93lale mit einem $ftann jufammen, beffen Befanntfctjaft er
megen ber Sletmticrjfeit ber Befcfjäitigungen längft p madjen gemünfcijt, mit bem
Strjt unb Siebter ^uftinuS ferner, bem er allmäb,licr) fetjr nalje trat, otjne
bod) beffen Ueberfcfr,mänglid)feiten auf bem ©ebiete beS ©omnambutiSmuS ju
ttjeilen. 5>er 233unfd) , bie Gtjolera perfönlidj beobachten 3U fönnen, führte i|n
1832 mieber nad) SBien, too er längere 3eit in £ofpitätern ttjätig mar. %m 3.
1834 mirfte er bei ber 9teugrünbung beS prjrjfifalifdjen SereinS in granffurt mit,
bei meinem Slnlafj er bie fyeftrebe „über baS ©tubium ber 9iaturmiffenfcb,aften als
ein allgemeines BilbungSmittel" tjtelt. 3m folgenben ^arjre erfdjien bie ©djrift :
„2)on ber gretrjeit beS 2BillenS", granffurt bei Srönner 1835, meiere bie $or=
auSfetmngen jum SBerftänbnife feiner testen ©djrtTt („über baS ©emiffen") enthält.
3itn $. 1837 bot lieb, itjm (Gelegenheit, fieb, über feine ©tellung p ber neuen @r=
fetjetnung ber Homöopathie aussprechen. 33ei einer Berfammlung !t)omöopatrjifcf)er
Slerjte tjielt er eine jRebe, in ber er ätoar bie retatiöe Berechtigung ber neuen
'Dftetrjobe anerfannte, roie er benn audj meift nur Heine ©aben 3U öerorbnen
pflegte, aber brei öerfcrjiebene ^eilarten, eine antipatrjifctje , eine £)omöopatr)ifcrje
unb eine frjmpatrjifdje, unterfctjieb, bie je nact) bem öorliegenben föaUe anju=
toenben feien. 3fm Slnfang ber 40er Satjre beferjäftigte er fiefj befonberS ein=
getjenb mit ttjeologifcfjen Problemen, $n biefe beroegte $e\t fallen bie „tf)eo=
logifctjen Brieie" an SiepenbrocE unb ein ütjeil ber „prjilofoptjifcrjen ©ebanfen"
(ftetje bie „©ebenfblätter"), ferner eine 9teirje öon 2luffä|en in ber allgemeinen
3eitung, in melctjen er bem ©ebanfen ber SJerfötjnung ber beiben cr)tifttictjen $irct)en
SluSbrucf gab. Cbroofjt bie beutfcb/fatrjotifcEje Bemegung fein %beal öon einer
Slnnätjerung ber ßoniefftonen fd)einbar ju öermirllicfjen fuctjte, [tief} fie ifjn bocij
öon Slnfang an ah , unb befonberS bie leitenben 5ßerfönlicrjfeiten maren itjm
juroiber. SDaS „tolle 3at)r" bradjte itjm öiel anregenbe Sefanntfctjaften — aud)
ber inänn'fdjen ^um ftürftbifdjof öon Breslau erhobene SJiepenbrocf tjielt fidj als
Slbgeorbneter in fyranffurt auf. 2)ie auf 1848 folgenbe (Steigerung ber con=
feffionellen ©egenfätje berührte itm metjmüttjig — er felbft mürbe öon ultra=
montaner Seite megen feines SebenSbitbeS beS 1853 öerfiorbenen 2>iepenbrocf
angegriffen, befonberS aber ba§ neue S)ogma öon ber unbefteeften ©mpfängni^
Ulariä (1854) bractjte öiele feiner optimiftifetjen Hoffnungen jum Scheitern,
mietoob,! er an feinen S&eafrn bis an baS 6nbe feffb,ielt. ©ein ptjitofop^ifcrjer
Sdjroanengefang mar bie in faft erbaulichem %ov. gefdjriebene Betrachtung:
„2>aS ©emiffen", granffurt, -iperjber unb Sinimer 1857, bie übrigens nietjt
fottob,! eine pfrjcrjologifcije 3lnalt)fe, als öielmetjr eine auf ber ©runblage beS
©emiffenS aufgebaute retigiöS=fittticr)e 2Beltanfct)auung mit befonberer Berücl=
fidjtigung ber efcijatologifc^en Probleme barbietet. SBalb nact) bem Grfct)einen
biefer ©cfjrift, bie ein Bilb feiner eigenen ^ßerfönlicrjfeit barftellte, öerfctjieb er nadb,
furjem Seiben am 14. 3lpril 1857. S)ie Harmonie unb ßiebenStoürbigfeit feines
SCßefenS fomie bie Sauterfeit unb Uneigennü^igfeit feines ^panbelnS tjatten ib^m
bie 3lcr)tung feiner Mitbürger in tjotjem ©rabe ,3ugetoanbt. ©eine ©attin folgte
iljm bereits 1862 im £obe, nacb.bem fie fiel) um Dibnung beS 9tad)taffeS öer=
bient gemaetjt blatte. SJurcb, alle ©djriften ^affaöant'S, auS ber ätteften, ttie
auS ber legten ^txt, unb buret) ben ganzen S3riefmect)fel 3ieljt fict) eine ©runb=
anferjauung b.inburct). (SS märe unfcr)mer, ein förmliches prjiloiopl)ifcl)=tb/eologifcb/eS
©rjftem auS feinen Söerfen äufammenauftellen; tjier fei nur baS 28itf)tigfte
angebeutet. Sie beiben mefentlict)ften fünfte , bie unS in feinen Schriften
entgegentreten , ftnb bie Se^re öon bem SebenSmagnetiSmuS unb bie Hinneigung
206 «ßaffatoant.
31t bem fattjoiifdjen 5Dogma. 2)odj ift baS leitete Moment auS bem elfteren
3U erflären; feine pljtjfiotogifdjcn unb ptydjologifdjen ©tubien führten iljn au
bem ^ntereffe an foldtjen Serien bei- fatb>lifd)en Äirdje, bie bon ben 9tefor=
matoien beftritten toorben tuaren. @r mar nidjt romanifirenb gerietet — feine
greunbe in jener $ird)e mürben öon uttramontaner ©eite gefjafjt — er fdjtDärmte
aud) nidjt, wie mandje feiner tyianffurter SBefanhten, für bie gefettjdjaftlidjen
unb ftaatlidjen guftänbe beS 3HittelaUct8,# gehörte ötelmeljr einer gemäfjigt*
liberalen potitifdjen 9iid)tung an ; aud) beftimmte iljn nid)t , mie mand)e (ion-
öertiten, eine auS innerer Unfelbftftänbigfeit ljerborgefjenbe ©eljnfudjt nad) einer
unbebingt binbenben Autorität ; am roenigfteu mar er begeiftert für ben 3ImtS=
begriff, mie benn bie SSeftrebungeu beS neuauflebenben luttjerifdjen ©onfefjto*
naliSmuS trotj nielem ©emeinfamen, baS er anerfennen mufjte, ifjm unfnmpatrjifd)
maren — fein ^ntereffe am .ftatljoticiSntuS Ijing bielmeljr, mie angebeutet, aufS
eugfte mit ber ßeljre Dom SebenSmagnetiSmuS äufammen. @S folgt barum
aunädjft ein Ucberblicf über biefe Sefjre. $. get)t bon bem ©ebanfen auS, bafj
im geiftigen ßeben analoge ©efeüe mie im materiellen fieben tjerrfdjen, nur bafc
uuö überall eine (Jntmirfelung bom fiebrigeren jum ^»ötjeren entgegentritt. SDie
organifd)en Kräfte erfdjciuen irjm als sHtobificationeit ber allgemeinen sJlaturhäftc
ober Smponberabilien (lote S2id)t, Söä'rme, (Jlef tricität , ÜJtagnetiemuS) , fo bafj
baS Sßerftänbnifj ber 'Jcaturfräfte -jutn 53erftänbnijj jener tjötjeven Gräfte führen
fann, bie ^mar nidjt mit iljnen ibentifd), aber bod) iljnen entfpredjenb finb.
SDie organifcfje Äraft im Xfjierrcict), bie 9terüenfraft, mirft im Organismus felbft
burd) beftimmte ßeiter, bie Serben; fann aber aud) analog ber (Jleftricität,
über tfjre Organe fyinauSmirfen unb , rnelleidjt burd) einen auSftrömenben
sJ£ert>enätljer , einen unmittelbaren Ginflufj auf nähere ober entferntere ©egen=
ftänbe ausüben. ©0 entfielen bie lebenSmagnetifd)en @rfd)cinungen, bie einen
meiten UmfreiS bon ben tiefften animalifdien 9Ieufjerungen bis 3U ben tjödjften
©eelenroirfungen fjaben. ty. unterfd)cibet l)ier brei ©tufen: 1. eine nur orga=
nifd)e tebenSmaguetifdje SMjatigfeit, bie bei allen lebenben SBefeu beobachtet
merben fann, 2. eine geiftige, bei ber baS organifdje ^rineip in ben 2)ienft beS
menfdjlidjen SBillenS tritt (fjierfjer gehören bie lebenSmagnetifdjen Kuren), 3. eine
Ijöljere geiftige, mo ber gefd)affene ©eift bem abfotuten als Seiter bient, unb bie
©djranfen feiner jetzigen Watitr überfdjreitet (2öunber). 2ßie aber tjier bie s}tcrt>en=
fvaft über bie ©renken ber 33emegungSorgane tjinauSgeljt, fo fann fie aud) über
bie ©renjen ber ©inneeorgane I)inauSge|en. ^eneS gefd)iet)t burd) bie s]Jiagie,
biefeS burd) bie (Sjtafe. 3lud) Ijier untfrfdjeibet $. brei entfpredjenbe ©tufen.
1. ben trjierifdjen ^nftinet (niebereS Sinnen), 2. baS £)ettfeb>n (magifdjeS
©djauen), 3. bie gottbegeifterte ©eljerfraft, bei ber ber menfd)lidje (Seift freies
Organ beS abfoluten mirb. $. fief)t in all biefen Grfdjeinungen nirgenbS
2lufb>bung ber ©efe£e ber SBeltorbnung (im eigentlid) fupranaturatiftifd)en
©inue) , fonbern baS Jpereinleudjten einer ljöfjeren SBeltorbnung , für bie ber
IHenfd) beftimmt ift, als beffen le^teS £iel % in ber äöeife ber mittelalterlichen
5Jtt)ftifer bie Xfjeilua^me an ber göttlichen ^iatur, bie SJergottung, beäeicfjnet ,
ein ^iet, baS atterbingS erft im jenfeitigen Seben erreicht mirb, in bem bie
ßntmidelung ber ©eele fid) fortfe^t. ©0 erflärt fid) feine Ueberjeugung bon
ber äöirffamfctt beg magnetifd)cn ,g>eiUüerfal)i'cnS, fomie bon ber ^öebeutung
beS ©omnambuliSmuS für bie Webicin; aber eS mirb aud) begreiflid) , bafj 5ß.
bon jenen SorauSfe^ungen auS nidjt nur ben ©djlüffel jum SSerftänbni^ ber
SBunber unb SBeiSfagungen ber ©d)rift ju befitjen glaubte, fonbern aud) bon
ber in ber fatt)otifd)en ^irdje behaupteten ftortbauer ber 9Jlirafel unb S3ifionen
burdjbrungen toar. 23ßeiter erflärt fid) fo aud) fein ^ntereffe an bem GtultuS
unb ber im 9Jlefjopfcr gipfelnben ©acramentenlet)re jener Äird)e. SultuS unb
Stoffe. 207
Sacrament erfd)eincn it)m gerabe^u ati beitige ^Jhagte , beren SßerftänbniB burct)
bie @rfd)einungen bei »Dcagnetümui nätjer gerüdt werben , Wie er anbererfeiti
auct) ben magnetifct)en Suren einen facramenttidjen Gtjaratter ju^ufcrjreiben ge=
neigt ift. %n ben Sacramenten tritt it)m bai 3tel ber ganzen Üiatur, Drgan
bei ©eifte© ju werben, am flarften tjeroor , weit t)iet bai Gwige im 3eitlid)en
bargeboten wirb, unb ba ift es Hjm bcnn bebeutfam, baß na dt) römifdjer Öet)re,
alle wichtigen fünfte bei sJTcenfd)entebeni burct) bie ununterbrochene, bie ©eiftex
emporfüt)rmbe Itjatigfeit bei ®ottmenfd)en , eine t)öt)ere SBeitje empfangen.
Stufjerbem finbet er für feine Sluffaffung Don ber 2BtHenifreit)eit fotoie Don ber
aud) im ^enfeiti fortbauernben Säuterung unb ©ntmidetung ber »Utenidtjenfeeten
in ben tatt)otifd)en Dogmen Don ber ftecrjtfertiguug unb ben Zeitigen unb bem
Fegefeuer bebeutfame Slntnüpfungepunfte. Snblid) ift aud) ber Umftanb nid)t
außer 2ld)t au laffen , ba£j ty. ^ut<^ eo^e Äatt)olifen üorjügtidt) in feinem
inneren ßeben geförbert roorben mar, roai bei einem für perfönltdt)e Sintoirfung
fo empfängtict)en ©emütt) nid)t crjne bauernben SinfluB bleiben fonnte. Uebrigeni
gilt t)ier überall ber Sat} : „si duo faciunt idem. non est idem"; nirgenbe
ift ein fattjotifd)ei SDogma im ftrenggläubigen Sinn aufgefaßt. ©clöji bie
(Etjriftotogie ift nictjt ganj orttjobor , noct) roemger bie 2et)re öon ben testen
£ingen. }>. §ai es oenn au{^ ausbrüdlid) auigefprodjen , bafj, roenn aud)
ba.% fatt)oLifc^e Sogma bie ©runbtage feinet 3u£llnit»tird)e bitben foti , bodt)
nur bai tiefer ergrünbete unb Don bem 3ufattigen unb Unwefentlidjcn ge=
reinigte SDogma baju geeignet fei; er errannte fteti bie Berechtigung bei Don ber
Deformation aufgehellten ©runbfatjei ber (Jntmidetung (Soolution) an. Sein
3beat ift barum nid)t fowot)! bai 2Iufget)en \>e^ ^roteftantiimui im Äatt)o=
ticümui, ali eine t)öt)ere ßntroidetung, bei ber bie berechtigten Momente beiber
$ird)en jur (Mtung tommen follen. 2Bai vJ>affaDant'i Stellung jum 8ebeni=
magnetümui anlangt, fo finb bie Dorliegenben Probleme tjeute noct) nid)t
DöD-ig aufgeteilt; ber Streit ift noct) unter bem 9Ud)ter. 2öai feine irenifd)en
Beftrebungen betrifft, fo ift feit feinem Jobe ber confeffionetle ©egenfatj fo Diel
fd)ärfer geworben, bafj man in beiben Sagern für fotd)e ibeale 2tnfd)auungen
Dielfad) nur ein mitteibigei Cäctjeln t)at. @i giebt aber noct) immer füttere
©emüttjer, benen ©eftatten, roie -}>. unb Sailer, wie eine SBeiifagung auf eine
beffere, wenn aud) ferne, 3ufunft erfct)einen, roenn fie Dietteid)t auct) bie Söfung
bei -^roblemi in einer anbtren Dtictjtung erwarten. Sturer ben „©ebenfbtättern"
enttjätt retigiöfe Slbtjanbtungen noct) bie „Sammlung Dermifd)ter Sluffäüe" Don
Dr. 5- ©• ^affaoant", tjerauigegeben Don Dr. gfr. ^offmann. grantfurt 1857.
9teict)t)attigei Material finbet fict) befonberi in bem trefftid)en SBerfe Don
21botpt) #elffetidj: 3ot)ann Äart ^affaoant. Sin dt)rifttict)ei ötjarafterbilb.
yranffurt, dtjriftian äötnter 1867. ~ 3}gl. ferner Dr. sDlettenr)eimer, 3«r
Erinnerung an ^ot). fö. -^affaDant, granffurt, 33rönner 1858. Vortrag im
ärjüidtjen herein unb $. |)amberger: Dr. ^otjann Satt $affabant. 6in
ßtjaracterbitb. 53lünct)en 1857. Sq. ®ed)ent.
pfiffe: ßrifpin Dan 5|3. , ein geachteter Äupferftect)er, war nidjt, wie
Sanbrart ausfagt, „Don Söttn gebürtig", toa^ fict) fdjon burd) bei Äünftleri
eigene Angabe auf Derfct)iebenen feiner arbeiten Wiberlegt, wo er fict) „Zelandus"
nennt. Sein 3eirgenoffe 5)cattjiai Cuab (Xeutfd), 9cat. ^)errl. 357) mac^t unö
mit feinem ©eburtiort genau befannt, inbem er bei 23efd)reibung ber ©raffdjait
3eelanb berichtet: „(Segen Doften ligt ba^ ftatttin Strmuien, barau§ ßtjrifpin
be »paffe ber ftgurjdmetber burtig ift." ^n weldjcm ^at)re er (um 1565) tu
^rmurjbcn ober Strnemurjben, wie baä Stäbtd)en tjeutjutage tjeifjt, geboren wor=
ben, ift nidjt betannt. S)ie frütjeften S)aten auf feinen Blättern nätjern fict) bem
ßnbe bei 16. ^at)rt)unberti unb bie legten reid)en biSum 1630. ^adjbem er bai
208 SPafje.
3eidjnen unb Äupferftechen bei üDitf 33olfaert 6oornf)aert ertetnt tjatte, übte er
feine Äunft in berfchiebenen ©tobten au§, haubtfachticf) in $öln, Utrecht, 9tmfier=
bara, SßariS unb ßonbon. 6r hat at§ ihtbierftccijer ausgezeichnete Söexbienfte,
ben ©rabfticrjet tonnte et mit ßraft unb Sattheit in berftä'nbiger ^bmechSlung
3U hanbfjaben, fo bafj maudje feiner Seiftungen eineä ©olfeiuä mürbig genannt
ju toevben berbienen; boch unternahm er ju biet unb mitunter ,}u ©eringfügigeä,
als bafj er in feinen Slrbeiten fich, immer fjätte gtetcf) bleiben tonnen. 9Jctt ber
ßiebe jur ßunft berbanb er ©efcfjmacf an ben Söiffenftfjaften unb fuctjte ben Um=
gang gelehrter unb angefebener Männer. 3fn bem Vorbcticht ju feinem SBerfe
über ba§ geidjnen un^ ßupferftechen erzählt er in franjöfifc^er ©pracfje einiges
bon feinen ßebenSumftänben; bort beißt e3: „Des ma jeunesse je me suis
adonnö ä plusieurs et divers exercices; mais je me suis particulierement
attache ä estudier, avec les plus fameux maistres, le Sieur Freminet, peintre
de sa Majeste tres-chretienne, le renomme" peintre et architecte Sieur Petro
Paulo Rubens, Abrah. Bloemart, Paulo Morelson, peintre et architecte de Ut-
recht— mais plus particulierement le trös-noble Seigneur Van der Burg, avec
lequel je visitay l'academie ou etoient les plus cölebres hommes du siecle —
L'illustre prince Maurice, de heureuse memoire, pour enseigner le deseign ä
l'acadömie du Sieur Pluvinel, premier öcuyer du roy." SDaS SBerf, bem biefe
©teile entlieben ift, evfdjien ju s$ariS ; eS ift mit bieten Tupfern berfeben nnb
banbelt über bie Söerhältniffe be§ menfehlichen ÄörperS, über iperfbectibe, ala=
bemifebeö 3e^)nen- ©ebraud) beg ©tiebermanneS jum Slnorbnen ber ©etoanbung
u. f. m. UeberauS jablreicb finb bie fteinen 33übniffe, welche be Sßaffe geliefert
hat. ©ie gehören einer Qtit an, bie reich an bebeutenben s.jkrfönlichjetten mar,
unb biete merben baher, neben itjrern $unftmertf), auS boppeltem ©runbe hoef)*
gefehlt. 3n ßnglanb Ijat er jtoeünal ba§ S3ilb ber Königin (Slifabeu) ge=
ftodjen, in ganzer %\^ux unb aU ^üftbilo, mobon befonberS baS erftere als eine
^3erte b,od) gemertfjet mirb. 33on feinen Qfotgetoetfen nennen mir: üDie ©ibrnlen,
Sibyllarum icones, 16 SBlätter, 1601 ju ^ötn erfchienen unb bem SBürgermeifter
^ofjann bon ßbsfirchen gemibmet; Metamorphoseon Ovidianarum typi, 1602,
eine jmeite SluSgabe erfchjen 1606 unb ift bem 2)octor ber Geologie 2ßilf)elm
©alSman in $ötn bebicirt; Romani imperatores, opera Crispiani de Pass, apud
Colonienses aerieidas, Anno 1604, 23 931ätter; Ulustriss. Juliacensium etc.
prineipum tabula genealogica, Coloniae 1610, 16 23tätter; Slbbilbung £)errn
grtberiche befj V. ^jalhgraffen bei; Üiljein unb gramen ölifabetf) ihrer $ürft=
liefen ©naben ©emahtiu, baneben itjter königlichen unb ßfmrjürfitidjen Altern
unb nechften 33tut§bertoanbten, 1613, 11 «Blätter; fehr feiten. — 2)em 9tath
bon ßöln moflte ber $ünftter im $al)xe 1607 eine Slufmerffamfeit ertoeifen, bie
jeboch eine nichts meniger als geneigte 9lufnat)me fanb. ©ein Eintrag , ben
Häuptern ber ©tabt bie nach, bem Kölner 9Jtater ©etborb ©ortjiuS in Tupfer
geftochenen bier (Jbangeliften mibmen ju bürfen, tourbe, ungeachtet ber ^ürfbraetje
ßonftantin^ bon ßtjäfirc^en, jurücfgemiefen. 5Die Urfadje mar , toeil man ba=
hinter gefommen, ba| be ^ßaffe fiel) jur ©ecte ber äöiebertäufer befannte. S)a=
gegen fanben fich unter ben angefehenften @intoo|nern ber ©tabt auch, manche
funftfinnige «Dtänner, meldtje ba§ herborragenbe latent be§ ÄünftlerS burch eine
mohlmottenbe ©efinnung anerfannten , fo ber gelehrte SJec^ant beim Maria-
ad gradus-©tifte ©eorg Sraun, ber SanonifuS ©ertjarb ©tempeliuS bom ©t.
©eorg§=©tifte, ber SDoctor ber Rheologie 2Bilhelm ©atäman, ber ^ropft bon
©t. ©eberin $acob ßh.imarraeug, ber S)octor ber Stedjte unb faiferliche ^ofratl)
Johann 33aruit (SSarmih), bie ßunftfammler ©berarb Sabach unb ^einrirf)
©tapebiuS u. a. m. Vornehmlich aber hatte er fich ber ©etoogenljeit ber .Sperren
bon £t)gfirct)en au erfreuen. S)er arbeitfame ^flann ^at attein in Äötn meit
<Me. 209
über 200 platten ausgeführt, bie Don 1595 bis 1611 batirt fxub. 2tud) in
ber benachbarten Äaifetftabt Slawen tjat er eine furje 3eit Derroeitt; tjier etfdjien
eine ^otge üon feetjs Stättern : 2)ie ©efdjidjte beS Derlorenen ©oljneS nadj
Martin be SoS, bie er bem bortigen 9tattj roibmete. 3- $• 9Jcer(o.
©eit 1612 toaste S., in fein Saterlanb ^urücfgefetjrt, Utrecht ju feinem
ftänbigen Stufenttjatte. %n bemfetben 3at)re erfdjien in feinem Verlage in Utredjt
bai Söerf „Slcabemia". 2Bir erfefjen barauS, bafc $. mie e$ faft allgemein üblidj
gemefen, aud) Verleger unb A?unftt)änbler gemefen ift unb mandjes Statt, baS nur
de Passe exe. beaeidjnet ift, mag in feiner Dificin üon einem ©djüter ausgeführt
fein. S3ie in ß5ln, fo erfreute flctj ber Mnftter aud) in Utrecht ber Sldjtung
feiner 9Jcitbürger; im 5. 1613 rourbe er in tltredjt als Sürger aufgenommen,
©ein Äunftfjanbcl mar fetjr Derbreitet; fo miffen mir, bafj ein 3otj. 2ÖilS in
SariS 1634 Sollmactjt üon itjm erhielt, ©dmlbforberungen Don Derfdjiebenen
£änblern bafelbft ju orbnen. S. t)atte brei ©ötme unb ätoei 2öd)ter; bie elfteren
unb bie 2od)ter 9Jcagbalena mürben Dom 23ater in feiner Äunft unterliefen, ©ie
eigneten fict) beffetben ©tidjmeife fo öotttommen an, ba^ man it)re ©tidje, toenn
fte unbeaeidmet finb , nidjt Don einanber untertreiben fann. sJtur ©imon
be «paffe äeidjnet fidj burd) eine meidjete abgerunbetere ©tridjlage auS, mätjrenb
ber ©rabfttdjel ber anberen etmaS fpifeig unb tjart erfetjeint.
Grifpiaen Dan be S., ber jüngere, ältefter ©otjn bes Sorigen, marb in
Äöln 1593 ober 1594 geboren unb ftarb in Stmfterbam nadj 1663. 6r mar
unter ben 3tugen feineS SaterS Don früt)efter ^ugenb an mit ber fjüfjrung bei
©rabftidjetS Dertraut gemalt. 211S fein Sater nad) Utredjt jog, mar er bereits
auSübenber ßünftler; tro^bem befudjte er nodj in teuerer ©tabt bie $unftfd)ule.
3m 3. 1617 tnelt er fid) in Saris auf, »o er bie Statten au SluDinefS: Le
Maneige royal ftadj. ^m %. 1630 mar er mieber in ,!potlanb unb gab Der=
fdjiebene Stfbniffe IjerauS. Seim 2obe feines SaterS bürfte er fidj in Utredjt
aufgehalten tmben, im 3- 1639 ftnben mir itjn aber in SImfierbam, mo er bis
5U feinem £obe ttjätig mar.
©imon Dan be S. mar ein jroeiter ©ofm beS alten ßrifpin, geb. um
1590. ®as ©terbejatjr ift unbefannt. ©ein erfter ©tief), Dom $. 1612, fteüt
£einrid) Srina Don SBaleS Dor. ©r arbeitete bei feinem Sater bis 1616; in
biefem 3af)re beianb er fief) in gonbon, mo er für ben Serleger Gompton ipoltanb
öie frönen Sitbniffe Don £erren unb Samen in ifjren reiben Stn^ügen in treff=
lidjen ©tidjen ausführte, 3m $. 1619 entftanb, nadjbem fid) ber Äünftier maf)r=
fdjetnlicf) mieber in £oflanb befanb, bie golge ber jhnfürften au Sferb. gür bie
Maneige royal ftactj er aud) ein Statt, Dieaeictjt gelegentlid) eineS SefudjeS
feines Srubers Stifpiu in SariS. @r manbte fid) fpäter nad) Äopen^agen, DieU
leietjt batjtn berufen, ©eit 1631 führte er ben Sitet eineS fgi. ^upferftedjers.
Söatjrfdjetntictj ftarb er in 2>änemarf.
S3ittem Dan b e S., britter ©ofm beS Srifpin, ®eburts= unb ©terbejatjr
unbefannt. (SrftereS bürfte um 1595 p fe^en fein; fein erfter batirter ©ttdj
trägt baS 3at)r 1623. (Jr ftactj Diele Slluftrationen in Süctjer, mie a. 35- für bte
Embleme Don 3 be Srune, bie Zeeusche Xagtegael Don 2t. Dan be Senne
u. a. m. ©ein 2tufenttjalt in (Snglanb ift burd^ Diele Sitbniffe engtifdjer Ser=
fönlid)feiten bocumentirt. Ob er aud) in SariS ttjätig mar, ift nietjt mit
©idjertjeit anaugeben.
«DtagbatenaDanbeS., 2od)ter beS alten Srifpin, ift geboren um 1600
in £öln unb ftarb 1640. ©ie tjeirattjete ben greberif Dan SeDerDoorbe, mar
aber 1630 S3tttme gemorben. 3ur 3ett ifjrer S3ittmenfdjaft motjnte itjr Sater
bei ifjr. ^m ^. 1617 ftad) fte mehrere ©ibntten. Sei itjrer fpäteren 2tjättg=
9tHgem. beutfi^e SBtogtati'fne. XXV. 14
210 *Pafjott>.
fett fudjte fie bie feine, effectt»otte ©tidjmanier be§ ©rafen ©oubt nadjaualjmen,
ber bamatS in lltredjt lebte. 2)aS Söerf bei ftamilie öan be ty. ift feljr reid);
ein befonbereS 33erbienft berfetben, ba§ mir nodj nidjt f)eröort)oben, befteljt barin,
bafe un8 bielfadj Sompofitionen alter berühmter sDceifter übermittelt roerben, bie
ben Äünftlern ^ugängig maren unb bie fonft für unS öerloren gegangen mären.
SBir nennen rjier nur 3fot). öon 2td)en, $. be Safer, #. öan Sälen, £>. 33ot,
3. 33ruegfjet, (Reimer, 2. öon ßeöben, SJcabufe, ß. «Kctfog, Wtoreelfe, 33aäen*
Burg, 31. öan be 33cnne unb öiele anbere.
^raufen, L'oeuvre grave" des van de Passe. Söeffelb,.
^Qjjoui: ©ottfrieb £fjomaS 2lrnolb $., $f)ilotoge unb ©djulmann, 1829
bis 1870. 6r mürbe als ber einige ©ot)n öon Äarl f. (f. ©. 215) am 29. ffiec
1829 in 33crlin geboren, erfjielt feine 33ilbung, of)ne je eine ©djute <ju befudjen,
auSfdjliefjtidj burdj ^riöatunterrictjt , für einjetne gädjer (9JtatIjematif, S^n^ö=
fifdj u. a.) bem 'tßrinjen fjriebriö^ 2öitt)elm öon ^reufjen als UnterrictjtS = ®e*
noffe beigegeben, unb beftanb öftevn 1848 als (Jjtraneer bie ^JlaturitätS=^rü=
fung am 3oad)imStljal'fd)en ©tjmnafium in 33erlin. $uerft ftubirte er in Sonn,
roo 2Belcfer it)n öor(}ugSmeife an(pg, bann in Serlin ^5t)ilologie, löfte tjier 1851
eine ^ßreiSaufgabe, mürbe 1852 ^um x)r pü# ptomoöirt („de comparationibus
Homericis") unb beftanb 1853 bie SetjramtSprüfung. Waö) fur^er ßet)rtt)ätig=
feit am #riebrid)=3Serber'fd)en unb 3oad)imSti)af fdjen ©ömnafium begleitete er
einen jüngeren greunb auf einer längeren Üreife burd) Italien, bie ©djmei,} unb
granfreid) unb legte bann baS päbagogifdje ^robejatjr 1854 — 55 am ©timna=
fium in Sonn ab, beffen 3)irector ©cijopen er öon feiner ©tubenten^eit Ijer narje
ftanb. 3im -frerbft 1855 als 3lbjunct nad) ©djulpforta berufen, trat er bort
befonberS ben ^rofefforen $oberftein unb ©teintjart (f. b.) nätjer, beren för=
bernben (Sinflufj auf iljn er banfbar ju rüfjmen pflegte. 1858 mürbe er an baS
^äbagogium 11. ß. fix. nad) ÜJlagbeburg öerfetjt unb öerfjeiratljete fiel) l)ier mit
ber 2od)ter beS 1843 in Sittjen öerftorbenen ^rofefforS £. 9t. lltridjS (f. b.),
beffen litterarifdjen 9tadjlafj IjerauSjugeben er nadjljcr übernahm: 1863 erfdjien
ber jmeite £t)eit öon UlridjS' „Reifen unb 50l'ftf)ungen in ©riedjenlanb" mit
einem ßebenSabrift beS SerfafferS, nadjbem ty. bereits 1860 mit ben „Carmina
popularia Graeciae recentioris" unb 1861 mit ber Ueberfetmng ber „ßiebeS*
unb $tage=2ieber be§ 9teugriedjifd)en SolfeS" tjeröorgetrcten mar. 1861 mürbe
ty. als Oberlehrer an baS ©omgrjmnafium in £mlberftabt berufen, fjier 1866
jum ^rofeffor ernannt, bereits Oftern 1868 aber nad) Singen als 3)irector beS
bortigen ©nmnafiumS öerfefet. 5Jtit oer ganjen lebhaften Energie feines UBefenS
übernahm er bie $ftid)ten biefeS neuen SlmteS , eifrig bemüljt aud) in meiteren
Greifen ©inn unb Serftänbnifj für Äunft unb 2lltertt)um ju ermeefen. (Sin
früher %ob fe|te feinem äöirfen ein öorjeitigeS 6nbe. ©in rafd) fidj entmicfeln=
beS Sungenleiben nötl)igte il)n fd)on im 5lpril 1870 feine £f)ätigfeit einäufteßen;
nad) erfolglofem S3efud)e öerfd)tcbener Heilquellen ftarb er am 12. 9cobbr. 1870
in äöieSbaben. 23on feinen ©djriften finb aufjer ben bereits genannten nod) ju
ermähnen bie „©oö^ofleifd^en ©tubien" 1864.
33., 3ur Erinnerung an Slrnotb 5|ßaffom, in ber berliner 3eitfc^rift für
©^mnafialmefen, 1870, 33b. XXIV, ©. 930—33. 9t. §od)e.
IßaflOlu: f^ranj Öubmig Äarl ^iebrid) 'iß., Sejif ograpl) , ©ol)n beS
^ofbiafonuS unb ^prinäeninftructorS 5Jlori| ^oadjim ßfjriftoöf) 5)j. in 2ubmigS=
luft unb bort am 20. ©eptember 1786 als ättefter öon 13 ©efdjmiftern geboren,
mürbe bis aum 9. SebenSjaljre öom 2)ater unb nad)l)er öon «gmuSletjrern
unterrid)tet. Unter biefen mar eS @rnft 33reem, fpäter tropft in ©ägelom bei
©ternberg, ber öon 1799—1802 auf bie äöeiterentroidelung beS Knaben als
Sefjrer unb @rjtet)cr ben mol)ltl)ätigften ©influ^ ausgeübt t)at. @r öerftanb eS,
Sßafioto. 211
bie gernbegierbe feine§ fähigen ©d^üterö ju feffetn. unb bie Siebe jimt 9lttertb,um
in ifjm ju toedEen unb p nähren unb legte in ben alten clafftfctjen ©pracfjen
für beffen fünftige ©tubien einen fo gebiegenen ©runb, bafj, a(§ $. 1802 nadj
©ottja auf ba£ ©rjmnafium gettjan mürbe, Sfactor Döring ii)n bebingung§lo§ in
bie ©electa aufnehmen fonnte, in welcher ,3acob» ben Unterricht im ©riedjifctjen
ertfjetlte. 1804 ging $. auf bie Uniöerfttät ober Dtetmerjr, roie er ftcrj in feiner
Stutobiograpfjie au§brüctt, „ju ©ottfrieb ^ermann in ßeipjig", ber it)n fofort in
feine griectjifctje ©efellfctjaft aumafjm. ftacb, betn Söunfcfje ber Altern fotlte
er Geologie ftubiren , bod) fjat er nur im elften ©emefter einige ttjeotogifccje
üBorlefungen gehört unb in ben folgenben fidj auefcrjtiefjlicf) ben claffifctjen ©prägen
gemibmet. üDen mit eifemem ftleifc Slrbeitenben unb fetbftftänbig 5°rfdjenben
öermoctjten bie hergebrachten Kollegien nictjt ju beliebigen unb aujjer ben
Uebungen in 33ecF§ tateinifcrjer unb .£ermann'3griecb,ifcr)er (Sefettfcrjaf t rourben in ben
legten ©emeftern fetten mef)r al§ 4 ©tunbcn möctjentlicb, bon ifjm auf ben Sefudj
bon 33orlefungen öerroenbet. $n ben Serien burdjmanberte er ©adjfen unb £tjü=
ringen ju fin^t nadj allen ftictjtungen. 3>n ben 3Jcufeen 2)reäben§, bie er 1806
3Utn erften "OJlate befurfjte , erfcfjtofj ficb, it)m bie ^errüc^feit ber antifen unb
mobernen Äunftroelt unb biefer Sefucfj mürbe für tr)n Slntafj, bie ©efctjicfjte ber
bübenben $unft in ben $rei§ fetner ©tubien einjubeäiefjen unb feine fctjon in
©ottja begonnene, aber in 8eip3ig liegen getaffene SSefctjäftigung mit ben neueren
©pradtjen roieber aufzunehmen. 2Iuf einer biefer Serienreifen toar ^3. in -gmlte
auctj mit ©oettje in SSerütjrung gefommen unb biefer tjatte an bem für $oefie
unb claffifctjeä vttltertlmm begeifterten Jüngling einen folgen ©efatten gefunben,
bafj er ifjm, al§ 1807 ber ^rofeffor ber griedjifdjen Citteratur am ©rjmnafium
in SBeimar, .^einrieb, SJofj, uacb, £)eibetberg berufen tourbe, ungebeten ba§ ertebigte
roictjtige 2Imt antrug. *$. narjm e§ nictjt otjne Seforgnifj an unb rüdte
üor nodj nidjt üottenbetem 21. Sebenöjatjre in eine ©teile, bie im gemöljnticrjen
Saure ber Singe erft im Ijörjeren Sebenäatter erreicht 3U roerben pflegt. 2lHer=
bings mar ba§ bamit öerbunbene ©efjalt ein tecr)t befdjeibneä unb betrug nur
400 Sttjaler, aber e§ reichte tjin, feine 3»ugenbtiebe, Souife 2Bidjmann au<S
©otlja, atö Hausfrau tjeimjufüliren. 9cadj bem 2)irector bie erftc ©teile beftei=
benb ging ^ß. mit gruben an bie feiner martenbe Arbeit. S)ie ©crjute
erhielt burdj itjn eine neue Drganifation ; roie in ©ottja teurbe eine ©electa er=
richtet, bereu ©djüler in afabemifdjer äöeife ju felbftänbigen arbeiten 3tnlei=
tung erhielten, unb ba§ Sluiblürjen ber Slnftalt mibertegte binnen furjem aüe
jßeforgniffe, beren bie greunbe be§ .§ergebraci)ten fi(f) bei 'JßaffoiD'g Neuerungen
nict)t Ratten entfcrjlagen fönnen. Zxofy feiner 16 ©tunben Unterricht, bie ty.
roöd^entüct) ju geben ^atte, fub,r er unermübtict) fort, für ftcb, felber ju arbeiten.
SIt§ ©cb.riftfteller Ijatte er fidj) bereite, iebocb, unter frembem Dlamen, mit einem
Säuberen ®ebicf)te „'DJIenon an §etiobora" , ^elmftäbt 1806, tjerborgemagt;
feine ^meite Schrift „bie $üffe" be§ ^or)anne§ ©ecunbu§ , bie er in S)re§ben
überfefet Ijatte, erfdjien nebft bem lateinifctjen £ert 1807. %n äöeimar mürben
$erfiu§ 1809, «UlufäuS 1810 unb 1811 be§ ©op^iften 2ongo§ „Sapb.niS unb
dljtoe", Xejt unb Ucberfe^ung nebft -Jtnmerfungen, ebirt. 5Iuf teuere Arbeit
^at er inbeffen nie Söerti) gelegt unb üon i^r in feinen Briefen immer nur mit
einer geroiffen üteferöe gefproetjen. ©te fottte ein deficit in feiner Äaffe beden
unb mar invita ^Minerva aufgearbeitet moxben. Uebrigen§ mar gelehrte Schrift*
ftellerei bamat§ menig toljnenb. 2öie *$. einem greunbe fc^rieb, maren 5 2I)aIer
pro Sogen ba§ ^öd^fte Honorar für Glaffiferausgaben. ^mmer^in mar aber
^affoto'ä yiame bureb, feine ©Triften meit über 2Beimar b^inaui befannt gemor=
ben, mie au§ bem Ijödjft tiotttjeilrjaften anerbieten, melci)e§ ber $taif) ber ©tabt
S)anjig % 1810 machte, b,erOorget)t. 3m anfange be§ Salirb.unbertä mar
14*
212 5Paffoto.
auS bem großen Segate eineS Herrn öon ßonrabi ein grofjeS UntertictjtS= unb
(JräietjungS=Snftitut in Sfenfau be| $£)anjig unter bem tarnen ßonrabinum nad)
bem dufter beS ^Ijüanttjroöin in 2)effau errichtet roorben; eS fotite in eine
geteerte ©djute umgemanbelt merben unb ber Statt) bot *$. bie ameite $£irector=
fteÜe an berfelben an. S)ie 23ebingungen maren gtänaenb. 2)er mit biefer
©teile öerbunbene Saargetjatt betrug, nidjt unbebeutenbe Dtebenemolumente nidjt
etngerectjnet, 1000 üttjaler. üDabei mar %\ ganj jelbftfiänbig unb bie fieitung
beS UnterridjtS itjm allein anöertraut. 2)iefer Umftanb beftimmte itjn, ben an
iljn ergangenen Stuf anaunetjmeu. sMerbingS mar bie Aufgabe, ber er fid)
gegenüber geftettt fat) , eine überaus fdjmterige; bie Slnftalt mufjte öon ©runb
auS umgeftattet merben. Sie jätjUe etma 50 gögtinge, aber nur ber <jetmte ütljeit
berfelben lernte ©riedjifdj, bie übrigen toaren bisöenfirt, unb aud) baS 2etjrer=
coEegium liefe öiel ju roüufdjen übrig; tnbeft V- ging entfdjloffen an'S 2öerf.
2)aS ö)ried)ifd)e mürbe aur conditio sine qua non gemadjt unb mit (Erlernung
beffelbeu in ber £}uinta ber Spradjuntcrridjt begonnen, ^n ber Quarta trat
baS ßatein rjin^u, in ber SLertia baS granaöfifdje, in ber ©ecunba baS (Snglifdje.
2)er ©djulcurfuö mar auf 8 3at)re berechnet. Unöerbroffen übernahm $. bie
■Hauptarbeit unb unterridjtete im Anfang täglid) G ©tunben, aber er fütjltc fid)
in biefer arbeitSreictjen Stellung fo glütflid), bafj er 1811 eine Berufung nad)
23erlin als ^iofeffor an'S graue Älofter au ©palbing'S Stelle unb 1813 eine
anbere als SHuctor an baö altftabtifdje ©rjmnafium in Königsberg unbebcnflidj
ablehnte. S£od) maS er freimittig nidjt tjatte ttjun mögen , fid) öon ber itjm
an'S <£)erj geroactjfenen 3lnftalt ju trennen, baS beforgte ber Krieg. @r tjatte
bie Hilfsquellen ber Stabt erfdjöpft unb baS Vermögen ber Slnftalt ruinirt; fie
mürbe am 15. Februar 1814 bem tarnen nadj fuSpenbirt, in ber £tjat aber
für immer aufgehoben. 2ßie ein Unglüd feiten allein fommt, fo traf ben äugen*
blidlid) amtlofen ty. fofort aud) nod) baS jroeite unb bei meitem größere: er
öerlor feine innig geliebte ©attiu im erften Kinbbett. Slugcnbltdlid) tjatte baS
ßeben für itm jeben 9teij öerloren. ©einen mutterlofcn Knaben ber Pflege einer
befreuubeten Familie, ber ©cmatjtin beS StegierungSrattjS ^actjmann in Sandig
übergebenb, eilte er nad) Sertin , um öon bort als freimütiger ^äger jum
23lüd)ei'jd)en £eere ^u getjen. @r fam ju fpät; ber Krieg mar injruifdjen burd)
bie ßinuatjme öon t>ariS beenbet morben unb ^ßaffom'S SOßunfdj, ben £ob auf
bem ©d)lad)tfelbe ju finben, ging nidjt in Erfüllung. 6r benutze bie unfrei*
mitlige sJ)iu^e p einem Sefuctje in ber Heimattj unb ^u einer Steife nadj ©üb=
beutfdjlanb, an ben Sitjein unb in bie ©djmeij , öon meldjer er im sJioöember
1814 nadj Berlin jurütftetjrte. Hier öertebte er ben Söinter im anregenbfteu
23erfet)r mit 33efter, 33ödf), Suttmann, 33erntjarbt, ^beter, 5tiebutjt, ©djleier=
madjer, ©otger unb 3umÖt übernatjm einige ©tunben in ber $rima beS grauen
JHofterS unb befudjte SBolf'S Sorlefungen. 5p., unter ^en ©eletjrten einer ber
geletjrteften, befa^ noctj feinen atabemifdjen (Srab; bie pt)ilofoöt)ifd)e gacultät
ber berliner Uniöerfität etjrte fid) felbft , als fie it)n mit itjxem ©octorat auS=
jeidjnete. 2lud) martete feiner bereits ein SBirfungSfvciS, mie er itjn fidj für
feine 5hbeitSluft unb 2lrbcttSfraft fd)öner faum münfd)en fountc. $n Breslau
lagen bie ptjilologifdjen ©tubien gänjüd) bamieber. ^otjann ©otttob ©d)neiber
tjatte in 9tüdfid)t auf fein tjotjeS 3llter beim ^ütinifter um (Sntbinbung öon ben
afabemifdjen ©efdjäften nadjgefudjt uub ^einborf mar fränftictj unb im begriff
nad) ^alle ju getjen. ©in ptjilotogifdjeS ©eminar gab eS nidjt, eS tjatte fid)
feit 1813 aufgelöst, fein mar, menn ben ötjttologifdjen ©tubien mieber aufgc=
tjolfen merben foUte, eine junge Jhaft nöttjig unb ber nod) nidjt breifjigiätjrige
% mar ber s)}tann , biefe Aufgabe ju löfen. 211S orbentlidjer ^profeffor ber
^IterttjumSmiffenfdjaft nad) 23reSlau berufen, trat er Dftern 1815 fein 2lmt an.
»)to. 213
©ein exfteS ©efdjäft toar bie SBiebereröffnung bei pr)itologifd)en ©eminarS unb
Otfrieb 2Jtütter toat bex erfte, ber ftcrj jum gintritt in baSfelbe metbete. S3oi=
läufig einziger Vertreter ber «Philologie, lad $. bis jur Berufung Ä. @. Gl).
©djneiber'S tägtid) 4 ©tunben. ©eine Sßorlefungen erftredten fidj über bie meiften
gried)ifd)en unb lateinifdjen 3)id)ter, Don ^rofaifern über £erobot, £eno$>r)on,
5Demoftb,eneS, (Sicero unb XacituS, aufjerbem über griedjifcrje Sllterttjümer unb
s,JJtt)tt)otogie, römifetje ßttteratur unb alte Jhtnftgefd)id)te, unb mit biefer öffent=
litten Xfyätigf'eit als Selber ging eine gleich grofje rjäuSlid)e als ©d)riftfteller
.gmnb in &anb. 3um ©ebraudje bei feinen 33orlefungen oerfafjte er als Som=
penbium bie „©runb^üge ber gried)ifd)en unb römifetjen ßitteraturgef d)idt)te " ,
SBreStau 1816, stoeite «Auflage 1829, unb gab 1817 bie ©ermania beS XacituS
heraus. UebrigenS toar % nidjtS weniger als pebantifdjer Stubengelehrter. @r
tjatte in $enfau ben «Jlutjen ber SeibeSübungen auS eigner Slnfdjauung fennen
gelernt unb toar ein gufjgänger, bem eS in StuSbauer Söenige gleid) traten.
«Run toar in SreSlau 1815 burd) ben ©irector beS ©d)ullet)rer=©eminarS SBil»
f)elm .gmrnifd) baS Surnen eingeführt toorben unb auf bem bon ber ©tabt ba^u
angetoiefenen ^3tafee Ijenfdjte ein frifdjeS, fröt)lid)eS Xurnleben. Siele Ratten
itjve greube baran, unter itjnen %-, anbern mißfiel eS unb namentlich toar eS
ber ^rofeffor am Stifabettjan, Ißrorector $art 2lbotpt) «Jttenaet, ber bekannte
Siftoiiler (f. 21. b. SB. XXI, 380), ber ju ben entfcrjiebenften (Segnern beS
XurnenS gehörte unb ftdj fogar bor feinen ©d)ülern mifjbittigenb unb fpot=
tenb über baffelbe äußerte, ty. tourbe baburd) beranlafjt, eine Apologie be§=
felben unter bem Xitel „Stummel. Xurnfreunben unb Xurnfeinben Oon granj
^Paffoto" ju Oeröffentlidjen. Sie tourbe, 218 Seiten fttttenb, 1818 im «JJlärj
ausgegeben unb als ty., um nid)t inconfequent ju erfdjeinen, obenbrein berfönlidj
fid) an ben Uebungen auf bem Xurnütafe ju beteiligen anfing, brad) ber ©türm
gegen U)n loS. Wenige SBocrjen nadj bem Gürfdjeinen feiner ©djrift brachte
Äoijebue'S litterarifdjeS äBodjenblatt einen giftgefctjtootlenen 3lrtifel über biefelbe
unter bem Xitel ,,bie eble Xurnfunft". Sr toar baS ©ignal ju einem Kriege
aller gegen atte; ©treitfcrjriften, 5luffäfee unb (Jrttärungen in öffentlichen 33lät=
tern jagten förmlictj einanber; bod) tjier ift nid)t ber Ort, biefen unter bem
«Jtamen „33reSlauer 2urnfel)be" befannt getoorbenen litterarifdjen ©treit, in toel=
erjem ber ^rorector ^CRenäel eine unglüdtidje «JtoHe gezielt t)at, in feinen ein=
äelnen ^p^afen ^u Oerfolgen; eS genüge bie Semerfung, bafj auf 'ißaffoto'S ©eite
aufjer -gmrnifd) unb «IRafsmann, bamatS Xurntoart in SBreSlau, bie ^rofefforen
SBadjler, ilarl öon «Jtaumer, ©djneiber, ^ar;§ler, Singe unb «Hauptmann Oon
©djmeling ftanben, toätjrenb für 9Jlenjel nur ©teffenä, beffen „üDim^el" im
S)ecember 1818 erfdjien, unb jtoei feiner ßoEegen, ütector @^el unb 'ißrorector
Dteidje, mit unbebeutenben dürtlärungen in bie ©djranfen traten, ©leidjtoot blieb
^Dlenäel, ba bie rjödtjften S5el)örben fiel) gegen ba§ Sumen tjatten einnehmen
laffen unb eg fdjlie^licr) gan^ unterfagten, ©ieger unb biefen ©ieg tjat er in
einer SCßeife ausgenutzt , bie taum ^emanb toirb billigen fönnen. % ^atte in
ber 3jt8 Oa^rgang 1819, ©. 526 ff.) einen heftigen Slrtifet gegen „bie 35re§=
lauer Xurnfeinbe" tieröffentlidjt unb fie oljne toeitereS mit «Jlamen genannt,
©ans bergeffenb, toa§ fie iljm angettjan Ratten, belangten fie ^3. bei bem £)ber=
lanbcSgerid)t in S3re§lau toegen Injurien, ©ein 2lu§bleiben in bem jur S3er=
^anblung angefe^ten Xermin, fotoie, ba| er fd)on einmal toegen Injurien au
5 üttjalern ©träfe üerurtljeilt toorben toar, roirften ftrafoerfdjärfenb. S)a§ @rfennt=
ni^ lautete auf eine ad)ttoöd)entlid)e «^aftftrafe, bie % in einem als ©efängnifj
Ijergeridjteten 3immer oe§ UniberfitätSgebäubeS Oom 16. 3fan. bis 13. «JMrä 1821
abgefeffen l)at. «Jlatürtid) toar Iß. in ben mafjgebenben Greifen im b.ödjften ©rabe
mi|liebig getoorben unb man toollte i§n unter jeber 33ebingung unb jtoar fo
214 SPaffoto.
balb als möglid) auS Breslau fort tjaben. SltSber ipian, ü)n nact) .gmtle ju
berfetjen, 1821 gefctjeitert toar, bactüe man 1822 bavan, itjn nact) Berlin ju
berufen, boct) unterblieb eS, toetl Bödt) itjn nietet als Kollegen neben fiel) tjaben
toottte; ba routbe 1824 eine ^ßrofeffuv in Königsberg bacant unb ber 9Jhnifter
beifügte $ßaffoto'S Berfetumg in biefe Stelle, otjue il)n bortjer bavum gefragt au
tjaben. 2)er nidjt enbenben Bejationen mübe, „[teilte ty. feine ßage auf galten
unb Brechen". @r weigerte fiel), nact) Königsberg ju getjen, unb man trug Be=
benfen, gegen ben gefeierten ßetjrer, ber buret) bic an it)m bottftredte ©träfe feinen
greunben unb ©ctjülern nur noct) ttjeurer getoorben mar, mit 2tbfetutng borju=
getjen, 311 ber überbicS nidjt ber geringfte ©runb borlag; 1)3. blieb toeüertjtn unbe=
tjettigt unb Ijat bis ju feinem £obe in Breslau gelehrt unb gearbeitet. Sie
Ausarbeitung feines £>aupttoerfeS, beS griedufetjen £)anbtoörtcrbuct)S, fällt in bie
3atjre 1819—1823. ©djon 1813 tjatte er fiel) in einer ©djrift Müber 3toed,
Anlage unb grgänjung gried)ifdjer 2Jßörterbüdjer" über ba§, toaS 9tott) ttjat,
auSgefprodjen, unb ber Verleger beS ©djneiber'fdjen .Ijpanbtoörterbudjö fonnte für
bie Beforgung einer Ausgabe beffelbcn für ©djuten toot)t faum einen befferen unb
tüchtigeren Bearbeiter als $. ftnben. ©te erfdjten 1819—1823 in 2 Quart«
bänben unter bem £itel „^otjann ©otttob ©djneiber'S ,£>anbtoörterbud) ber grie=
ctjifctjen Sprache . Dtactj ber brüten Ausgabe beS großen griect)ifdj = beutfct)en
2Börterbud)S mit befonbrer Berüdfidjttgung beS £)om. u. «fpefiob. ©pradjgebraudjS
unb mit genauer Eingabe ber Silbenlänge aufgearbeitet". Siefe Arbeit toar
eine totjnenbe. ty. erfnett t»om Berteger für ben Bogen ein Honorar bon
10 Stjalern, bei jeber folgenbeu Ausgabe aber 5 Xtjater unb aufjerbem für jeben
bie Bogenjaljt ber bortjergetjenben Auflage überfteigenben Bogen eine befonbere
Bergütung bon 20 Malern, ©djon 1825 mürbe eine jtoeite, 1827 eine brüte
Auflage nöttjig. üDie 10000 (Sjemplare berfetben maren binnen brei $aljren
»ergriffen, fo bafj 1831 eine bierte Auflage beranftattet merben mufjte; fie fütjrte
ben ütitel: „.'panbtoörterbudj ber griedjifdjen ©praetje bon ftxan& Ißaffoto".
Aufjer einer großen Anjatjl atabemifdjer ©etegenljeüSfdjriften („Fr. Passowii opus-
cula academica. Disposuit Nie. Bachius". Lipsiae 1835) finb bon großem Ar=
bfciten auS biefen Sfatjven nodj ju nennen bie «Verausgabe beS Corpus scriptorum
eroticorum Graecorum. Vol. I. 1824, Vol. IL 1833 unb ber Periegesis beS
Dionsyius, 1825. ArbeitStuftig mie er toar, erbot er fidj, als Büfdjing 1829
ftarb, jur Uebernatnne ber Bortefungen beffelben. ©ie tourben ttjm jugleid) mit
ber 2)irection beS UniberfitätSmufeumS für Alterttjum unb Kunft übertragen,
©in Berjeidjnift ber ©ammlungen toar nidjt bortjanben unb Iß. inaugurirte feinen
Amtsantritt mit ber Anfertigung eines mit ben nöttjigen 9cadjtoeifungen ber=
fernen Katalogs. Sie mit biefer Arbeit unzertrennlich berbunbenen Anftren=
jungen tjaben 'ebenfalls feinen Job befdjleuntgt. %m 2. Januar 1830 toar %
bei ftrenger Äälte mit einem Jüngern ftwunbe früt) aufJ§ UJcufeum gegangen,
Dlad)inittag§ tourbe er auf ber regten ©eüe bom ©djtage gerührt, gtoar ent=
rann er für bieämal noc^ bem £obe unb eine Babecur in ßanbed fdjien t^n
böllig b^ergeftellt 3U ^aben, aber ber Job feines BaterS unb eine lange fdjtoere
Äranlljeit feiner ©attin, — er tjatte fiel) 1816 mit einer Xodjter feines Kollegen
Söadjter 3um jtoeiten IDlale bermäljtt, — erfcljütterten feine ©efunbljeit auf's
neue unb brachen feinen ßebenSmutl). 1833 am 11. 5Jcär<i macljte ein Serben«
fctjtag feinem Seben ein @nbe; am 14. tourbe er auf bem reformirten ^irdj=
t^ofe neben feinem ifjm toenige äöodjen früher im £obe borauSgegangenen ^reunbe
bon (i'öUn (f. 91. b. B. IV, 391) beerbigt. ©ein ©rab ift burcl) ein bon
feinen ©djülem unb ^"unben 1835 iljm errtdüeteS fctjöneS S)enfmal auS fd§le=
fifdjem 5Rarmor bor bem Bergeffentoerben gefctjütjt ; ein unbergänglictjeS 2)enfmat
aber t)at er fiel) fetbft in feinen ©djriften gefegt.
«oto. 215
$ran<j Ißaffom'g Seben unb ©riefe. Eingeleitet öon Dr. ßubroig SBacrjler.
herausgegeben öon Sitbredjt SBacrjler. ©reglau 1839. 21m ©ctjtuffe eine lieber*
ftc^t ber öon 5ß. rjerauggegebenen felbfiftänbigen ©driften, fomie ber in ©e=
feEfctjaftgfdjriften unb Journalen öeröffenttidjten Slbtjanblungen, 2luffätje unb
9tecenfionen. ©ctjimmetpTennig.
^af(oü): Äarl griebrirf) 9tubotf %, $f)ilotoge unb Schulmann (1798
biä 1860), tourbe in ©ternberg in 2Recftenburg=8d)roerin am 1. 2lprit 1798
geboren alg ber ©otjn beg 6onftfiorialratt)g unb ©uperintenbenten Dr. th. ^Jtoritj
^oacrjim ©f)riftopt) 5ß., ber fpäter alg DberfjoTprebiger nacrj £ubroiggluft berufen
rourbe; fein älterer ©ruber mar ber bebeutenbe ^fyilologe granj ty. (f. ©. 210). ■ — •
Surcb, 5ßriöatCe£)rer im elterlichen $aufe öorbereitet fam $arl ty. ju $Kicr)aelig
1811 auf ba§ (Sonrabinum ju ^enfau %ü Sanjig, beffen jroeiter SHrector fein
©ruber granj bamalg mar; ju feinen Serjrern gehörte bamalg u. a. auctj
Sluguft SJteinefe. Sie Slmrjebung ber ^Inftatt im grütyjatjr 1814 öeranlafjte bie
,!peimferjr ^afforo'g in bag elterliche .£aug, boctj bractjte if)n ber Sater notf) in
bemfelben ^at)re auf bag 5^ebricb,=2Berbeffcr)e ©ümnaftum ju ©erlin, roetcrjeg
er big ^Jlictjaetis 1815 befudjte, um algbann nad? ©reglau überjugeljen, roocjin
fein ©ruber tnjmifdjen alg ^rofeffor ber ^tjitotogie berufen roorben mar. £)ier
befugte er bag ©rjmnafium ju ©t. 9Jtaria sDtagbalena, beffen 9tector bamalg
ber trefflictje sDlanfo mar, bem ty. mefenttictje görberung $u banfen tjatte. Dftern
1817 ging er ^ur ©restauer llniöerfität über, um 2Utertr)um§miffenfcrjaft ju
ftubieren; aufeer feinem ©ruber rjörte er öornefjmtid) äöacfjler, ©ctjneiber unb
©teffenS. 9Jlit ganj befonberem Eifer beteiligte er ftctj an ben auct) burdj feinen
©ruber lebhaft unterftütjten turnerifdjen ©eftrebungen ber ©regtauer ©tubenten=
fdjaft, er gehörte ju ben „tücfjtigften Drbnern unb güfyrern". 3m £>erbft
1820 begab fid) ty. nadj ©erlin, beftanb tjter im Dctober b. 33. bie ßet)ramtg=
Prüfung unb mürbe junäctjft alg 5ftitgtieb beg päbagogifctjen ©eminarg am
©rjmnafium 3utn ©tauen Ätofter befdjäfttgt, -Dftern 1822 an bemfelben alg
Dberlerjrer angeftellt. 216er fcrjon im ©eptember begfetben 3tat)re§ mürbe biefe
£f)ätigfeit unterbrochen; er mürbe megen beg ©erbactjteg ber £beitnab,me an
bemagogifcrjen Umtrieben fugpenbirt unb erft ju Dftern 1824 mieber alg aujjer=
orbentlidjer Serjrer am griebricrj=2Berber'fcl)en ©rjmnafium in ©erlin befctjäftigt.
$n biefe ^arjre fallen feine arbeiten über bie ©atiren beg ^oraj (1827 u. 28)
unb bie „Adnotatio critica in Aristophanis Xubes" (1828). Dftern 1828 mürbe
$. alg 5>rofeffor an ba§ f. ^oacb.imätljat'fc^e ©nmnafium öerfetjt, beffen £irector
furj öortjer fein früherer Sfenfauer ^eb,ier 5lug. OJteinele gemorben mar. ^n
biefem Slmte ift er, allmäl)li(i) big jur erften ^rofeffur aufrüccenb, big an feinen
2ob öerblieben, al§ ßetjrer unb ©eletjrter in öerbientem Slnfetjen, einer ber
^auptträger ber pfjilologifdjen Ambitionen be§ ^oactjimgtlialg. 6r ftarb am
7. ^Jloöember 1860. — ©on feinen arbeiten finb nocfj als befonberg mertb^öoll
äu ermärjnen bie Sluggabe unb Ueberfefeung ber ©pifteln Deg ^oraj (1833) unb
befonberg bie „Beiträge jur ©efcfncrjte ber beutfcb,en Uniöerfitäten im XIV. %at)x-
^unbert" (1836); feine fpäteren arbeiten b,at er nic^t mefjt öeröffenttic^t.
Sft. Sacobg, 3ur Erinnerung an Dr. Ä. ^affom, in ber berliner 3eit=
fcb.rift für ©ömnafialmefen, 1861 93b. XV, 2, ©. 149- 156. — ©. ßiefcling,
©ebä^tni^rebe, mieber abgebrudt in ben „^oadjimätljater ©d^ulrcben", 1886,
®. 81—86. 8L ^ocb.e.
^affott): 2öilb,elm 2lrtrjur 5ß.( Sirector beg ©ömnafiumg in £t)orn,
ältefter ©o^n öon ftranj % (o. ©. 210), unb am 20. «ülära 1814 in ^entau
geboren, erhielt ben erften Unterricht öon ^riöatteb^rern unb feine ©orbilbung
für bie Uniöerfttät 1827—1832 in ©crjulpforta. Sic^ ber $f)itologie mibmenb
216 5Paf$c|iteItmi3 — «ßoff^.
ftubierte er aroei Satire in 33re§lau, fltng 2ftictjaeli3 1834 nad) 23erlin unb naljm
im ©ommer 1835 eine am tjeräoglidjen ©rjmnafium in 9Jteiningen itjm an»
getragene ße^rerfteHc an , toelctje er nach, befianbenem Gramen pro facultate
docendi am 14. September 1835 antrat. 1846 am 17. 9tooember jum $ro=
feffor ernannt, folgte er 1854 einem Stufe aU 5ßrorector an ba§ ©rjmnafium in
üiatibor, bei iueldjer (Gelegenheit ihm bie philofophtfcrje gacultät in 3fena ihr
SDoctorat honoris causa öertief). 1855 würbe er ^um 2)irector befördert unb
1858 alä foldjer nach £horn perfetjt. 2)er Eintritt in ba§ neue 2tmt fiel mit
bem 3eitöunft Rammen, in roeldjem bie drroeiterung beä (StymnafiumS burct)
parallele Stealclaffen irjren Slbfcrjlufj erreicht hatte, ^affon/ä Söirffamfeit mar
eine fo erfolgreiche, bafj 1860 bie 9tealabtt)eilung be3 Üfjorner ©rjmnaftumS
unter bie 5ftealfcbulen erfter Orbnung aufgenommen mürbe. Dftern 1861 mürbe
*p. oon einem SBruftleiben befallen, roelctjeä ficft burch miebertjolte 33abecuren nur
rjatte linbern, nictjt tjeiten laffen, fo bafj itjm 1864 im $uli ein längerer Urtaub
bemiHigt merben mufcte. ©lüdtid) fam er in bem Surort (Streitberg bei gorcrj=
heim in ber fränfifdjen ©chmeij an, mo er fich ju erholen geöad)te; bort über*
rafchte ifjn ber £ob am 3. Sluguft 1864. ^affom'g titterarifcbe Xhätigfeit be=
megte fid) öor^ug^meife auf bem ©ebiete ber beutfdjen £itteraturgefcr)icrjte, in
welche it)n Äoberftein in ©djulpforta eingeführt rjatte. 33efannt ift feine Um*
arbeitung beö ^pifctjon'fcfjen ßeitfabenä ber beutfchen 2itteraturgefd)ict)tc, roetdje
1862 etfdtjien; anbre arbeiten finb in roiffenfctjafttidjen ^eitfchriften unb ©ct)ut=
Programmen jerftreut. 3tu8 bem 9cachlafj fetneö 33ater§ gab er „bermifdjte
©Triften" 1843 herauf.
Programm be8 üt§orner ©rjmnafiumS Don 1864.
©drimmetp fennig.
^ßafwncUmtö: Johann *p. roar Saumeifter im SDienfte beS «^erjogS öon
Jülich, ßleoc unb S3erg. ©ctjon im $at)re 1588 finbet man if)n al§ herzoglichen
Jpofbaumcifter genannt; er erhielt bamalS auf betreiben beö 9)tarfd)allä SBilljelm
Pou Söalbenburg, genannt ©chenfern, ben Auftrag 5piäne anzufertigen, um baä
unterhalb .Üöln gelegene ©täbtchen sJJlütt)eim ^u einer großen ©tabt 3U erweitern
unb mit ftarfen ^eftungStuerfen JU öerfet)en. 211g fpäter, unter feiner ßeitung,
^ur 9lu§führung ber SBefeftigung gefchritten tourbe, entftanben oielfache 3miftig=
feiten mit ber barin eine SSebrofmng argmötjnenben 9lachbar[tabt Äöln. 2)a3
feltene 2Berf: „©piegel unb Slbbilbung ber bergan glichfeit", Welche^ bie S3e»
gräbnifjfeier be§ am 5. Januar 1592 311 SDüffelborf tierftorbenen ^>erjog§ Söiltjelm
befdjreibt unb ben öeicbenzug in einer f^otge üon $upfcrftid)en abbilbet, berichtet,
baft er bei ben Slnorbnungen mitgemirft unb mehrere (Entwürfe („Patronen")
ju einem fjerrlidjen 2)enfmal für ben fjingefchiebenen dürften, feinen ^perrn, an=
gefertigt habe. $m %at)xe 1602 mürbe feine ütfjätigfeit tton bem 9catf) ber
©tabt Äöln in Slnfpructj genommen. 2)a§ ©ifeungSprotofotl bom 12. ^Dtat
melbet, ba^ ff5pa^quelinu§, fürftlich ^ülidj'fc^er Saumeifter, einen foftbaren Sau
abgejetchnet, mie biefe ©tabt ju befeftigen". 3lm 3. Januar 1605 beauftragt
ber Ötath ein s33titglieb ber 33aubeputation, mit bem 33aumeifter *ß., „ber ba§
58oEmerf an ber 9leugaffe orbintrt", megen be§ ifjm ju geroäfjrenben Jponorarg
3U tjerhanbetn. ^. 3f. 5Jlerlo.
iPafftj : Slnton $., 9tebemtorift , geb. am 81. 9Jcärj 1788 ju 2Bien,
t am 11. Wän 1847 bafelbft. «p. trat 1809 in ba§ Alumnat ju ©t. gölten,
um fiel) jum geiftlichen ©tanbe öorjubereiten, mu^te aber megen $ränflicr)feit
austreten unb mürbe nun junäcfjft ßerjrer in einem i^nftitut, bann 1817
SBibliotljefar unb SSorlefer bei bem ©rafen ©äödjenrji. |rier lernte er ben
fJtebemtoriften Glemenä 5)Jcaria ^opauer (f. 31. ©. SS. XII, 565) fennen, trat
5ßaftot — 'JJaflorff. 217
in beffen Kongregation ein unb toutbe am 18. IDtärs 1821 jum Spriejler gemeirjt.
3ac^aria§ SBernex tjiett ifjm bie ^rimijprebigt. Stucb, mit ^orj. Immanuel
2kitr) roar er befreunbet. 9Jtit biefem jufammen Begrünbete er auf öoffbauer'l
3ureben 1819 bie erbauliche 3eitfdjrift „Detjmeige", beren Otebaction fein Sruber
©eorg übetnatjm, ber all Saienbruber hzi ben 9rebemtoriften eingetreten mar;
jte erfctjien bil 1823. (lieber bie ©cfjtoierigfeiten, auf meldte 5ß. bei ber geift*
liefen unb roeltftdjen Genfurbefjörbe ftiefj, all er 1841 bie 3eitfd)rift fottfe^cn
mottle, bringt bal Slrctjtb f. öfterr. @efc§. 50, 505 ergö^licrje «Ulitttjcilungen.)
Slufjerbem gab er eine lange gleite oon frommen ©djriften rjeraul, popu!är=
gefcfjicb,ttid3e, Biographien, @räät)tungen, Segenben, ©ebet= unb 33etracrjtung§=
bitter unb ©ebidjte. 9iud) ber oben genannte SSruber (Beorg unb ein atoeiter,
Sofeptj, ber erft ©erjaufpieter, bann hti bem Büdjerretiifioniamte angeftettt mar,
rjaben ©ebicrjte beröff entließt, gut britter SBruber, 3ofjann 9lepomuf, 33ucfj=
tjänbter in 6t gölten, gab 1848 einen aulrürjtlicrjen ftefrolog Slntonl mit
einem SJerjeidjnifie feiner ©Triften fjeraul (beffen gleichnamiger Sofm, ber fd)on
1840 ftarb, fjat auet) 2}erfe gemalt). $. genoB all Seetf orger in ben frommen
Greifen SOßienl ein grofjel Sinfetjen.
9i. ftefrolog 25 (1847), ©. 198. — Söur^bad), Sejifon 21, 326.
Stenfd).
^aftor: 21b am $., tt)eologifd)er ©djriftftelter unb Parteiführer aul ber
jtoetten £älfte bei 16. 3at)rt)unbertl. Ueber 3eit unb Ott feiner ©eburt miffm
mir ebenfomenig etmal Seftimmtel mie über fein £obe§iarjr. @r fott aul SBeft»
taten gebürtig gemefen fein unb all fein utfprünglictjer Familienname gilt
9tubotprj Martini, ©eine Sebeutung liegt barin, bafc er bie unitariferje Sftidj«
tung bei fog. Stnabaptilmul in ftorbmeftbeutfcfjlanb ju einer 3eit miffenfdjaft*
lid) üertreten unb berfodjten tjat, in melier alle übrigen Führer ber 2tnabap=
tiften im ^orbmeften fic^ in biefem fünfte bereit! ber orttjoboxen Sluffaffung
im ©rofjen unb ©anjen mieber angefd)loffen rjatten. Sie gfolge baoon mar,
bafj % fomotjl mit Sietritf) «Philipps mie mit Pernio ©imonl, beren Sin»
fdjauungen er im allgemeinen trjeilte, in 9Jceinungetierfcb>benrjeiten geriet^, beren
Slulgleici) bei ben 9teligion§gefpräd)en ^u ®od) unb ju ßübed (1552) berfucfjt
marb, aber nicr)t gelungen ju fein fetjeint. $. fott ibentifd) fein mit jenem
unter bem tarnen Spiritus Belga bekannten Geologen, melctjer im ß. 1546
p Ärafau öon ftcr) reben macfjte; baljenige, mal mir bon ben religiöfen 21n=
fcfjauungen biefel '-Öetga miffen, fcfjeint mit ben SInficrjten ^aftors überein=
pftimmen. 2Bir beffen öon % 3tt>ei Srucffc&,riTten : 1) „2Son ber 23armb,er3ig=
feit ©ottel" (c. 1540). 2) „Unberfct)eit tufcfjen regte Seer unbe balfdje «eer."
Surdj 91. 5ß. (c. 1550). Söeibe finb erhalten unb finben }v$ in ber Sibliot^ef
ber 2aufgef.=@emeinbe ju Slmfterbam. S)al Seben unb bie Setjre ^aftor'l ftnb
bi§ jet3t nicfjt eingefjenber unterfuetjt morben, obmotjt bie Eigenart bei Cannes
unb feine bielfacfjen Seaieljungen ju befannten ^erfönticfjfeiten bagu tjätten auf=
torbern fönnen. ßr fott fcfjlietilic^ ju ßmben geftorben fein, ©eine ©ctjriften
flehen im Snbej in ber 1. Slaffe ber Libri prohibitorum.
©erarbue Nicolai , Tegens de ^Yeederdoopers etc. ßmben 1569.
fjfot. 95 ff. — §anbfcl)riTtIicb,e gtacl)rtc^ten im ©taatlarcb,iü ju Süffeiborf
Msc. Dorth. Vol. XIV f. 288 ff. — Apocalypsis insign. aliquot Haeresi-
arch. Lugd. Bat. 1608. Fol. 9. — C, V. S. Iconica hist. descriptio etc.
Strntjeim 1609. — g. Sredjfet, Sie proteftantifeljen 2tntitrinitarier. QeibeU
berg 1839. I, 35 ff. S. ÄeUer.
^aftorff: Sodann Söilljelm $., 31ftronom, geb. am 17. Suni 1767
in ©triebt a. C, t am 21. ^obember 1838 in SBucf^otä (Waxt Sranbenburg).
218 5ßaftoriu?.
CSr trat nad) öoflenbeten ©tubien in ben ©taatgbaubienft, in toeldjem er bi§
jum 33aubepartement3<6onbucteur aufftieg; fpäter hat er öon biefem Soften
aurüd unb laufte fid) als ©utäbefitjer in 33ud)l)ot3 bei troffen an, um gana
feiner ßiebling§befd)äftigung, ber beobadjtenben unb befcrjreibenben 2lftronomie,
3U leben. 3a^rei<i)e ^Beobachtungen öon ir)m roerben in 33obe§ $at)rbuct)
(1823- 1829) unb in ben Slftron. 9lad)rid)ten (1826—1835) regiftrirt. 11. a.
fucfjte er bie 9totation§bauer ber Sonne fdjärjer au beftimmen unb bett>ie§, bafj
Soutljä ©ntbedung einer bieten unb auägebeljnten 2Jtar3=9ltmofpt)äre auf einer
optifetjen £äufd)ung beruhe, ©eine aoljtreidjen ^Beobachtungen ber Sonnenftecfe
tjaben in 9tubolf Söolf'S £>änben |td§ al§ ein toertt)öolte§ Material aur S3e=
grünbung ber neueren <5onnen=5ßr)t)fif ertoiefen. 9tad) Sßaftorff'S £obe ging fein
gtefractor öon 4,5 gufj Srenntueite in äBtUjelm 23eer§ 33eftt} über unb biente
biefem gorfdjer bei feinen in ©emeinfdjaft mit Maebler unternommenen
mid)tigen gorf erjungen über bie prjrjfifdje SBefdjaffentjeit ber Planeten unb be§
$tonbe§.
*Poggenbotff, ^anbtoörterbud) jur ©efctjidjte ber ejacten SBiffenfdjaften,
2. SBanb Sp. 373. — Maebler, <Sefd)id)te ber £immel§funbe, 2. Sanb ©.
114, ©. 375. — 91. jffiolf, 2lftronomifd)e Mitteilungen Oßierteljarjräfcrjr.
b. naturf. ©efettfä. au 3ürid>), 9tr. VII.
©untrer.
MtortltÖ: Sotmnn Stuguftin *p. be #irt, ^ublicift be§ 17. 3a|t-
rjunbertä. 5Da§ SBenige, mag über feine 2eben§umftänbe au ermitteln ift, finbet
man ttjeilä in feinen eigenen ©Triften, ttjeitg in feine§ um etliche ^a|E)re jüngeren,
1624 geborenen 93ruber§ Metdjior 2lbam $. Heiner 2lutobiograpt)ie, meld)e in
ber „©eograprjifctjen Sefcfjreibung ber *ßroöint$ Pensylvaniae" öon $ranci§cu§
Daniel «p. (ftranffurt unb tfeipaig, 1700, ©. 103—120) abgebrudt ift. 9cad)
ber leiteten Queue mar ber Sßater bev beiben Vorüber Martinu^ sß., Sctjöffe unb
Slffeffor be§ furfürftlid) <ötainjifd&en (g^cgeric^t« in (Erfurt, bie Mutter Brigitte,
geborene öon $ün8berg. SBätjrenb beö breifjtgiärjrigeu Äriegeg büfjte ber SSater
auf einer Steife öon (Erfurt nadj Maina burdj Miferjanblungen fdjmebifdjer Sol=
baten fein geben ein. 2luguftin s£. mar bamatS bereite auf bie Sdjule au 9Jtaina
öerfdjicft unb tourbe beäfyalb burd) biefcS llnglüd minber t)art betroffen at§ bie
anberen ©efdnuifter. 2ll§ im Sluguft be§ Satjreä 1644 Melchior «p. nad) 9iom
tarn, fanb er bort feinen 23ruber aU föefibenten beg Srierifctjen Kurfürften
^rjilipp ßljriftopl) öon Söteren. Der ältere trüber führte ben jüngeren in 9tom
in baS beutfdje Kollegium ein. «Später würbe Sluguftin $aifer Seopolbä I. 9iatt)
unb ^iftoricu^, öon ebenbemfetben audi am 4. 9Jcära 1661 in ben gfreicjerrnftanb
unb au einem Sonftatuä im Königreiche Ungarn erhoben. — 2öaä fid) anr S3er=
merjrung biefer bürftigen 2eben8nad)rid)ten au§ feinen eigenen in 3)rud erfc|ienenen
©djriften entnehmen läfjt, befctjränft fic^ auf folgenbe§. 2lufjer bem Xitd etneS
Doctor utriusque juris führte ty. aud) bie Xitel Licentiatus in Theologia unb
Protonotarius Apostolicus; burd§ ein S)ccret öom 7. ^uli 1647 öerlietj it;m
Äurfürft ^ßl)ilipp 6l)riftopt) bie ^räpofitur a« ©emünben, am 28. 3uli 1658
ernannte iljn Äutfütft äoliann ©eorg II. öon ©ad)fen au feinem unb feiner
gamilie ^piftoriograp^en unb aum |)erolb (Rex armorum); 1660 nennt er felbft
fid) aud) nod) Principis Holsatiae Cancellarius ablegatus. — ©ämmtlic^e öon
it)m öerfa^te 53üd)er erfd)ienen, fotoeit bi§ jetjt befannt, in bem furaen 3"traum
öon 1656 ober 1657 big 1661. 3t)ren 3fnt)alt madjen aum größten 2§eile aeit=
genöffifdje politifc^e ©djriftftüde, fogenannte Acta publica, au§, bie Xenbena,
meldjer au bienen fie beftimmt finb, ift bie Sßertrjeibigung ber ^utereffen be§
Äaiferl)aufe§. S)ie anonym ^erau§gegebenen „,£)iftorifcrj = politifd)en Sractaten"
WotittS. 219
(6öln, in Vertagung J. A. Kinckii 1657) unb bie ,,.£>iftorifcf)en unb ^otitifdjen
Üractätlein", beren gortfetjung, fönnen 5ß. mit grofjer ^ab,rfdjeintict)t'eit beigelegt
toerben. Sein „Otömifctjer Slbfer ober Theatrum electionis et coronationis Ro-
mano-Caesareae" (fyranff. a. Wl. 1657, 4°) btbarf au§ bem ©runbe bcfonberer
Grrrüälmung, ioeit ber Söerfaffet auf bem 2itelbtatte M. (tool nictjt = Magister)
A. Pastorius genannt ift. 2)er au§ fünf 33änben beftefjenbe „6urobäifct)e neue teutfcfje
glorus", melier 1659—1661 tt)eit§ in gfranffurt a. 2Jt, tbeilS in 2Bien erfcbjen,
enthält in bemjenigen 33anbe (bem brüten), beffen £itet lautet: „©ctjatffinniger
21bter mit ber Grurobäifdjen Flori Historici Continuation" (©. 324 — 344), fotoie
im legten Steile (©. 624 — 643 unb 812 f.) eine 9teib,e bon £)ocumenten, bie
ficrj au? be§ 3Serfaffer§ ^erfon unb bie Sßerfolgungen bejieb,en, meldten er toegen
feiner SSeröffentticfmngen bon furbfätaifdjet unb furmainaifcrjer ©eite au§gefet$t roar.
fSfranä ©djnorr bon Garolifetb.
^aftorhlS: ^ranj Daniel *p. tourbe am 26. ©eptember 1651 #i
©ommerrjaufen im bairifdjen Unterfran!en geboren, macrjte feine ©tubien in
©trafjburg, 33afel unb 3ena unb tuanberte 1683 abS 23ebottmäct)tigter ber 5tanf=
furter ©efettfdjaft nacb, Slmerifa au§. ^ier grünbete er bie erfte beutfdje 2tn=
fiebelung in ©ermantoton, bie jetjt einen Jljeit bon ^t)Üabetpi)ia bitbet, unb
entroidEelte t)ier al§ Ütictjter, Sürgermeifter unb Seigrer bi§ ju feinem am 27. ©ep=
tember 1719 erfolgten 2obe eine aufcerorbentlictje ülb,ätigfeit. daneben mar er
litterarifd) äufjerft fruchtbar; feine ©ctjriften finb nicf)t atte erhalten, boctj laffen
fid) 43 SBcrfe, meift gemeinnützigen ^ntjaltS, 9teifebefcb,reibungen ic. nad)toeifen.
2It§ 2)id)ter mactjte er fidj befannt burdj) feine „Deliciae hortenses. @ine
©ammlung beutfctjer ebigrammatifcrjer ©ebictjte" (1710).
^tanj Summer.
^aftoriuö: 3oa dt) im $. (b. Wittenberg) , am 20. ©ebtember 1611 in
©togau geboren, ©o'tm eine§ 5prebiger§, in ben religiöfen 9Infct)auungen ber
©ocinianer erlogen unb itjnen aueb, ergeben (f. u.), ftubirte ^ftebicin unb erlangte
in biefer SBiffenfdjaft aueb, ben 5Doctorgrab. 5ln toeldjem Drte er feine erworbenen
^enntniffe btaftifcf) bertoerttjete, ift unbetannt. 2)0$ batb machte er fieb, buret)
gefcb/ictjtlicrje unb pf)iIofo^>t)tfd^e Strbeiten fottrie buret) Iateinifct)e S)icr)tungen be=
fannt. 1641 erfctjien in Serjben unb Sandig ein bon it)m berfafjter „Florus
Polonicus", ein furjer 21u§pg au§ Sromeri bie ($efcf)ict)te ^oleni bet)anbetnben
SBerfen. 2Jtit biefem äöerfe r)atf er offenbar einem fd)on lang gefüllten 2>efiberium
ab; fein „Florus P." erfcrjien bereits 1642 in ätoeiter Sluftage unb f)at noerj
jtoei weitere Auflagen erlebt, ©o warb aber audj fein 9lame in toeitere Greife
getragen, man toarb aufmertfam auf ifm. 5pt)ilofobt)ifcb,e arbeiten unb lateiniferje
2)id)ttoerfe, toie Heroes Sacri, Musa peregrinans, Flos Poloniae et epigrammata
varia (1644 ebirt) berftärften ben günftigen ginbruef. 2Iu$ berfäumte er nidjt,
nact) ber bamal§ gebtäud)lid)en ©itte bie ^omeljmen bur$ it)nen getoibmete
Sichtungen auf rf aufmertfam ju machen, ©o tjat er 1649 bem Könige
^ot)ann ^afimir bon ^ßolen burc| bie S)ict)tung „Aquilae Sarmaticae super
augustis nuptiis Job. Casimiri applausus" getjulbigt. SSietteid^t t)at il)n aueb,
toie mannen ©cb/tefier jener ^eit ber (SinfluB ber ©räfin 5Jtargaretl)a ©ibbUa
b. 3>oenr)off, einer geborenen 5ßrinäeffin bon Siegni^ unb 95rieg geförbert, toofür
ber Umftanb fbtict)t, ba^ et if)r nact) it)rem 1657 erfolgten 2:obe einen ganj
befonberS fcb.rDungboIlen ^acrjruf getoibmet unb in bem 2Int)ang feiner „Palaestra
nobüium" 1678 beröffentlicfjt b,at. Smmerb.in erhielt er jetjt eine fefte Slnftettung
al§ ©tabtbfjtjfifu§ iu Slbing unb 1651 an bem bortigen ©bmnafium ba§ 31mt
eineg $rof(ffor§ ber ©efcl)ict)te, 1652 ba§ bei 9tcctor§. Ungefäbr fiebjebn ©ebriften
finb toäl)renb feine§ (Slbinger 51ufentt)alte§ bon it)m berfa^t unb publicirt toorben,
220 ^patenter.
barunter 1654 bic oben ermahnte „Palaestra nobilium" ; eine päbagogifct,e ©djrift,
auf ber er ftd) nur J. P. M. D. genannt tjat. 1654 roarb er öon bem üDanjiger
Statte, bei bem alte 33ebenfen gegen feine "änfteüung gefctjrounben, ba ty. fiel)
jetjt ber lutt)erifct)en $ircb,e jugeraanbt tjatte, jur ^rofcffur ber ©efcfyicrjte am
s4$articulare berufen unö am 28. Januar 1655 in bie§ 2lmt eingeführt, ©eine
Söirtfamfeit bemegte fiel) in benfetben SBatjnen roie biätjer. 33ei alten größeren
potitifdjen ©reigniffen ober mictjtigen Söotfätteu in ber potnifdjen Äöuigäfamilie
eifctjien ein ©ebictjt feiner |>anb. 5luct) größere ©ebidjtfammlungen erfdEjienen,
mie „Sylvae" (p. I 1656, p. II 1657, Sanjig, 12°), unb einige ^btmublungen
3ur polnifdjen ©efdjicrjte. ©einer Sttjätigfeit fehlte nid)t perfönlictjer Srfolg;
1656 ertjielt er ben Sitel eine§ „Historicus Regius", 1662 roirb er Don bem
polnifdjen 9tcid}§tage megen feiner Sßerbienfte um bie potnifctje (Sefdjtcrjte mit
bem „^nbigenat" bebadjt, in Sfolge beffen er fid) „ab .£>irtenberg" nannte, „ex
exeinplo fratris Tonsoris in Suecia" fagt eine ©attjre jener 3eit, unb 1665 ift
er jum „Secretarius Regius" ernannt roorben. 1667 ift er in ben ßectionö=
fatatogen be§ 2)anjiger ©rjmnafiumä aum testen 9Jcale genannt. 2lm ßnbe gen.
Satjreß tjat er feinen Slbfdjieb genommen. 33alb nadjbem er refignirt tjatte, trat
er „vergente aetate", fagt fein Jßiograpt), <$ur fatfjotifdjen $irdje über, in ber er,
trobbem er öeifjeirattjet mar unb feine grau erft 1675 ftarb, t)ot)e äöürben unb
*ßfrünben erhielt, u. a. baä ($enerat=Dfficialat für ^ommereflen unb bie 5Dom=
berrnroürbe ^u 5*aUL,nburg. 3n biefer feiner lebten ßeben§3eit tjat er neben
einigen religiöfen ©ebidjten unb ©elegenfjeitöpoefien, eine größere, umfaffenbere
(Sefdjidjte ^oten§ Derfafjt, beren elfter üttjeil 1680 erfdjien, unb beren jmeiter
öon feinem ©otjne ooCteubet nadj feinem £obe 1685 t)erau§fam. Sr ftarb am
26. SDecember 1681 ju ^frauenburg. %m bortigen ®ome roarb ein (Spitapb, mit
einer *portraitbüfte unb langer 3nfd)rift angebradjt.
äöitte, Diarium biograph. ad a. 1681. — Ephr. Praetorii Athenae
Gedanenses (Lips. 1713. 8°) pag. 114 ff. unb 233. — ■ lieber feine religiöfen
?lnfdjauungen unb beren Söanbelungen : $oann. £$fiiebr. |mrfiu§, Regia via
pag. 209. — <5d9er,jeru§, collegium Antisocinianum Disp. 1 pag. 14 (2. s2lu§g.),
an roeldjer ©teile ber S)anjigcr Xfjeologe 2lug. Straud) fein Urteil abgibt. —
Slrnotb, ßirdjen= unb $eljert)iftorie II, 17. 23ud) 13. Sap. § 23. — ©id)er
ift, bafj $• ba§ Scben beö $ot). Srett, beg ©ocinianerS, gefdjrieben t)at. 68
ftnbet fid) ben „Opera Crellii" (Eleutherop. 1656) alä 9lnr)ang beigefügt, toie
aud) ber „Bibliotheca fratrum Polonorum". — ©ietje aud) ^ßtacciuä, theatrum
anonymorum pag. 308. 33ertting.
patenter: ^o ad) im be )$., Sftaler, geb. in Dinant im 23i£t£)um Öüttict)
um 1490, nad) anberen £$forfct)ern in 33obineS in ber ©raffdjaft 9tamur, f in
9lntroerpen im $. 1524. 23on feinen ßeben§üert)ältniffen ift roenig betannt,
im 3- 1515 mürbe er als 9)ceifter in bie ©t. 2uca§=©ilbe in 9lntroerpen auf*
genommen, am 5. sDcai 1521 Dermalste er fid} jum «feiten fötale. 33ei biefer
Irodjjeit mar 31. SDürer, ber fiel) bamalö eben in Slntmerpen auffielt, al£ ©aft
anmefenb. StlS ^ünftter f)at fi(^ 5ß. ba§ befonbere Söerbienft ermorben, bie ßanb=>
fetjaft au§ itjrer untergeorbneten ©tellung befreit unb jur felbftönbigen ^unft=
gattung erhoben ju l)aben. ^rül;er nur al§ ^)intergrunb für l)iftorifcf)e 6om=
pofitionen bienenb, mürbe fie nun ©elbftaroecf, fo ba^ figürlid)e S)arfteHungen im
föabmen ber Sanbfcljaft jur ©taffage mürben. @g l)aben jmar fdjon bie beiben
öan @t)c! ber Sanbfctjaft in' ib,ren Silbern eine befonbere Äunftpflege angebeiljen,
aber biefe boer) nur in jmeiter Sinte gelten taffen. 5]ß. führte feine £anb«
ferjaften mit mögli(f)ftem ^Mfje au§; aber audj bie Figuren in benfelben erfreuten
fiel), al§ mären fie £auptfadje, ber gleichen ©orgfalt. ®a§ in ber Sanbfcljaft
ba§ 33unte, Vielfarbige bort)errfcl)te, bajj ^)intergrünbe eben fo fteinlicl) unb
3ßatet. 221
betaiEirt ausgeführt mürben, rote ber Vorbergrunb unb bafj infolgebeffen bent
©efammtbilbe bie Harmonie abging, mirb nictjt überragen; bie fanbfdjaftlidje
SDarftetlung befanb fid) eben in intern $inbe§alter. 2118 Staffage öerroenbete ty.
foldje biblifdje (Stoffe, bie eine ftätfere Vetonung be§ £anbfd)aftlid)en erljeifdjen.
Wamentlid) mar e§ bie glud)t ber t)l. 5ami^e na$ ©gtipten ober bie 9tur)e auf
berfelbert, bie $. oft matte. QGßien befitjt sroei Silber biefeS 3nt)alte§; 93erlin,
2Intmerpen, 9ftündjen je eine§. 2Bien befitd ein <£muptmerf feiner Äunft, bie
laufe ßtjrifti, beseidinet: £>pu8 Soadjim 2). ^atiuier. fteben ben genannten
ift bann nod) ein t). «£)ieront)mu§, eine harter ber t). Satljarina ju nennen.
2lbmeid)cnb öon feiner getoöfjntictjen Stoffmat)t erfdjeint $. in feiner ©djladjt
öon $aöia mit ber ©efangennatmte $ran3 I., ebenfalls im 23elöebere )U äöien.
Sie 23efet)rung be£ f). £u6ectu3 (in 93ertin) fe|t bann toieber ba§ 2anbfd)aft>
lidje notrjroenbig öoraug. 21. 2>ürer erhielt ein fleine§ öon $. gemattet 23ilb,
ba8 Sott) mit feinen Södjtcrn batfteüte öom 3tatf)efecretär 2Ibrian in 3Int=
merpen. 2>ürer fdjreibt in feiner nieberlänbifdjcn Sfteife: 3$ fyabt 9Jteifter
Soadjim mit bem Stift porträtirt unb ifnu aud) nod) ein 2lngefid)t mit bem
Stift gemalt. S)a§ gefdjatj im 3- 1521. 9lad) ber erften 3eid)nung ejttftitt
ein Stiel), ben 23artfd) irrigerroeife bem Sürer jufdnreibt. Van Wanber bürfte
9ted)t tjaben, roenu er Sonr. ßort at8 ben Steuer bejeidjnet.
ö. ^mmerAeel. ^ramm. 2)ürer§ Sagebudj.
äöeffetn.
^atcr: $aut $., 1656 ju ^ener§borf in ber ®raffd)aft 3ip§ in Ober=
Ungarn geboten, Sorjn be§ bortigen luttjerifdjen ©etfttidjen, in feiner Vaterftabt
in ben 2lnfang§grünben unterrichtet, empfing in Äaeemarf toeitcre Unter=
meifung, namentttd) öon bem gjeattjematifer 2)aöib gröt)lid). 2ttä bie Verfolgung
unb Vertreibung ber ^roteftanten in Ungarn eintrat, nutzte aud) er fein Vater-
(anb öertaffen. @r begab fid) nad) 93re§lau, too er aunäd)ft ben Veruf be§
23ud)f)änbler§ ergriff. 3)od) nad) lurjer ßeit unb infolge befonberer 2ebens=
fü^rung roanbte er fid) mieber ben Stubien ju, unb betrieb fte auf ben be=
rürjtnteften (Srjmnaften ber ermähnten Stabt. Sein frleifi unb feine Vegabung
tenften batb bie «liefe unb ^ntereffe feiner ßefjrer auf irjn, befonberä ber beiben :
Martin ©ans unb ßljriftian ©rt;pt)tu§. 2(uf if)re @mpfet)lung unb 3lnfudjen tjin
narjtn itm ber SönbiruS oon 93re§tau, Ga§p. ö. Sotjenftein, al§ Se^rer feinet
Sol)ne§ in fein ,öau§. 3lud) So^enftein^ ©unft erroarb fidj 5ß., unb i^r ift e§
^ujufdjreiben, ba^ber Vrellauer 9tatrj i^n mit einem Stipenbium jum Uniüerfitätö=
[tubium auf 5 3af)te bebadjte. So öerliefe er 33re§tau, auf beffen ©hmnafien
er fdjon in ben alten Spvadjen, ber g5^ilofopl)ie unb ©efd)id)te grofee ftort*
fdjritte gemadjt ^atte, begab fid) nad) Seipjig unb öon ba, all eine 5ßcft au§=
gebrochen mar, nad) ^ena. 2luf biefer Uniöerfität, auf ber er bie früheren
Stubien fortfe^te, geno^ er befonberS bie Unterroeifung unb ben Umgang ber
beiben 9Katr)ematifer @rf)arb SBeigel unb ^o^. 2lnbr. Sd)mib. Surct» fte ge=
iörbert roar er imftanbe feine UniöerfitätSftubien mit Erlangung ber 5Jtagi|ter-
mürbe ber pt)ilofopf)tfd)en f^acuttät abjufdjtielen. ^n ber erften 3eit, nad)bem
er biefen £ot)n feine§ glei|e§ errungen, terjrte er nun fetbft «mat^ematif, toie
audj gricdjifdje unb lateinifdje Sitteratur. Sod) fein 9luf ^atte fid) üerbrettet,
unb e§ erging an itjn bie 3Iufforberung, bie Vibtiottjef &u äBolfenbüttel ju
leiten. ($r folgte iljr unb b^at bort ba§ il)m aufgetragene 2tmt jur ^ufneben^eit
öerfe^en bi§ jum 3cd)re 1688, mo iljn ber Wagiftrat öon Itjorn al§ orbent=
tierjen ^rofeffor an bas bortige ©ömnafium berief unb er biefer gintabung golge
gab. 3lm 18. SRära 1688 trat er bie 2l)orner ^rofeffur an mit einer JRebe
„de iis quae recentiores mathematici in coelo detexerunf. Siebjel)n Sa^re
öermaltete er bie§ 2lmt mit ßerjrgefdjidlidjfeit unb 3:reue, mar aber aud) fd»rift=
222 ?atje.
ftetterifd) tbätig, Begann namentlich 1690 bic £)erau3gabe ber für ba§ polnifdje
9teid) beftimmten Äalenber, für bie er ein befonbereg ^riöiteg be§ $önig§ erhielt.
1705 bertiefj er 2t)orn um ber SDrangfate unb Söirren mitten, bie ber fd)mebifd)=
potnifdje Ärieg über bie ©tabt beraufjübrte. 3>n SDan^ig juckte unb fanb er
_3uflud)t, mie aud) einen 9ttann öon (Sinflufe, ber feine gfäfyigteiten anerfannte.
2)er SSürgermeifter 3ob. ^einr. ©cbmieben mar e§, beffen ©unft $aul *ß. ju
Sttjeit mürbe unb itjm bom Sandiger 9tatbe bie Slnftellung al§ ^rofeffor ber
^atbematif berfdjaffte. %m 25. ©eptember 1705 trat s£. bieä 3lmt an mit
einer 9lebe „de causis mathematicae pereuntis", unb Ijat e§ biä ^u feinem ü£obe
mit großen (Sirfolgen für feine ©d)üter unb fid) üerroattet. S)abei unterblieb
feine fcrjriftftetlerifc&e £f)ätigfeit feine§meg3, mie jablreidje ^ublicationen bemeifen.
$m %• 1711 fogar begann er ein anbere§ Unternehmen, ba§ ber Jjperauägabe
feiner ©djriften, namentlich ber ^atenber, befonberä bienftbar fein fottte: er legte
mit Gürlaubnifj be£ Statbeg eine Shucferei an, in ber arme ©<f)üler be§ ©rjmnafü
befd)äftigt mürben unb mit 9tüdfid)t auf trjre görberung nur lateinifct) gefprodjen
mürbe. 33i§ <ju feinem Xobe bat ^3. biefe Dfficin erhalten, ©ie lieferte nid)t
nur bie öon ty. felbft berfafjten Schriften, fonbern aud) biete anbere, unb mar
megen ber (Sauberfeit ibrer Settern unb roegen ibrer ©orgfalt, bie auf ©a^ unb
5lbbrud bermanbt mar, ferjr beliebt. W\t biefcn üerfdjiebenen Slrten ber ü£r)ätig=
feit erfüllt, berlief fein Seben otjne mcitcre befonbere ©efcbide biö 3U feinem am
7. 2)ecember 1724 erfolgten £obe. üDie bon ibm felbft aufgeteilte ©rabfd)rift
lautet : Hie situs est Paulus Pater, Mathematum Professor, qui neseivit in vita,
quid sit cum morbis confiietari, ira moveri, cupiditate aduri. Decessit vita
caelebs MDCCXXIV d. VII. Dec. ^ater'ä ©Triften macben eine aiemlid) ftatt=
liebe gabl au§. ©ie finb tbeitä etbifd)=pbilofopbifctjen, ttjeitä mathematifeben,
theit§ aftronomifdjen 3nt)alt3, enblid) aud) am ©ebluffe feines ßeben§ bibaftifdjer
?lrt 3. Sß. „Slnmeifung ^ur heutigen ©ebreibfunft" ($)an,}ig 1724, 4°), „SJanjiger
©djulfated)i§mu§" ("Danjig 1719, 12 ü). ©eine 5publicationen aftronomifchen ^n»
tjattö beftehen meiftenä in 33efcbreibung bon £>immel§erfcr)einungcn feiner Seit;
fo bie am frütjeften erfchienene: „duo pkaenomena rarissima, alterum luna in
cruce, alterum meteorum ignitum" (Jenae 1682) unb eine fpäteren 3)atum§:
„Sefdjreibung ber ©onncnftnfternijj am 12. ^Jtai 1706" (2)an,$ig 4°). daneben
gab er beutfehe unb tateinifefie ©ebieftte herauf, „Exereitationes Plinianae" (Sborn
1695) unb „Diss. de Germaniae miraculo optimo maximo typis literarum
earumque differentia" — (Lips. 1710).
SJergl. Nova literaria maris Baltici s. a. 1719 pag. 284. — Ephr.
Praetorii Athenae Gedanenses (Lips. 1713) pag. 166 — 167, 219, unb aud)
befonberä nod) „Continuirtes Gelehrtes Preussen" (Shorn 1725, 8°), 3, 71 ff.
^ier mirb ©. 82 im 2lnfd)tuf$ an bie 33iograpbic eine „^nferiptton eine§ auf=
gemeeften $opfe§", eine ©rabfehrift mitgetbeilt, in ber ty. jjiemtich unoerblümt
be§ ÖafterS ber £runffucbt befcfculbigt mirb. (Segen biefe boghafte 9tacr)rebe
manbten fid) jmei ©djriften: „Qbrenrettung .g>rn. ^aut ^ater'3 miber bie fatfd)en
Auflagen beä ©eleferten ^preu^en§ entmorfen bon einem Slubitore be§ ©eel.
^>rn. $rofeffori§", |>alle 1726 unb „S)ie @r)re be§ S5erblid)enen miber bie im
©etebrten $reu|en entbaltene Sefcftimpfung Jprn. ^aul ^ater'S, gerettet bon
einem be§ ©eel. |>rn. ^rofefforiS ebemalä geroefenen 3lubitore". ^ranff. unb
ßeipjig 1727. — lieber feine S)rucferei ju bergl. ßöfcfiin, Dr. ©., ©efd)id)te
ber Danjiger 93ud)brudereien, SDan^ig 1840.
95 e r 1 1 i n g.
^Otjc: Sbriftian ßubmig Sllbrecfit %., geb. am 2. 2luguft 1748
3U ^annoöer, f bafetbft ben 11. Februar 1817. 9tad)bem er bie ©cfiulen
feiner Söaterftabt befudjt tjatte, ftubirte er in ©öttingen ^nriSpruben^ unb
SPatje. 223
(Samerattoiffenfcfjaften. %m Sommer 1766 berjeicrjnet it)n Mütter unter feinen
3ur)ömn. 9tact) Seenbigung feiner Stubten bereifte er Italien. 1768 trat er
al§ $ammeraubitor in btefelbe 33ertoattung§bet)örbe ein, ber fein Sßater ftriebricl)
Utrid) ty. (f 1773) angehörte, unb tourbe im nädjften 3al)re $ammerfecretär
unb 1770 jugteid) feinem Später al§ Jpoffecretär b. t). al§ Secretär im £)ber=
rjofmarfctjaltamte abjungirt. An bie Spitje ber (Sameralen, toie man bie Snb=
alternen im (Segenfatj ber ©efjeimrätrje unb ilammerrättje bezeichnete, feit 1790
aufgerückt, führte er ben Xitel ßammermeifter. Sd)on bortjer, al§ 1786 jur
planmäßigen Seitung unb S3eforgung ber ©taat§ö!onomie be§ 2anbe§ ba§ (Som=
merscottegium gefcrjaffen tourbe, toar icjm Amt unb Sitel eine§ (Sommerjjratrjä
3U jLrjeit geworben. ©cr)ri|tfteHerifcr)e Sljätigteit ift itjm öon frütj an 23ebürfnifj
getoefen; fie galt allgemeinen ^ntereffen unb benen be§ 23erufe§. Um fidj felbft
ßlarrjeit unb lleberblid 3U berfcrjaffen, fcfjrieb er einen „Abröge" historique et
politique de l'Italie" (4 SErjle., 2)berbon 1781), eine compenbiarifcrje gufammen*
fteEung be8 tjiftorifcr) unb ftatiftifd) 2Biffen§roettt)en über bie einzelnen Staaten
$talien§. §öt)ern Söertt) t)aben ^iftorifctje ßinäclunterfucrmngen : fo toenn er in
ber ©rjrenrettung ©ullrj'ä gegen ßinguet (©ötting. 9Jcagajin tjg. bon ßictjtenberg
unb ^orfter, 33b. IV, 1785) ben franzbfijctjen Jftinifter gegen bie Anfctjutbigung
ber Mömoires sur la Bastille (1783) in ©cfjutj nimmt, er cjabe ben *ßrinjen
bon donbe" in bie SSaftitte ju toerfen beabficftigt , um bie ^rin^effin in ben
Armen be£ J?önig§ ju errjatten, ober toenn er in einer ber $önigt. ©efeEfctjaft
bet 2Biffenfd)aften ju (Söttingen burcr) ©pittter überreichten Abrjanblung:
„Recherches historiques et philosophiques sur les causes de la grandeur et
des revers de Henri le Lion" (Hanovre 1786) ben burcr) bie toelfifdje ©rbfcfjaft
rjerborgerufenen ßonflict mit bem $aifer unb ben Starrfinn ^er^og «g>etnricrj§
als bie Urfadje feine§ ©tur^e§ in rjiftorifcrjer unb pfr;cr)oloQifcr)et Ausführung
bartegt. 9cär)er feinem Berufe bertoanbt toaren Abrjanbtungen roirtr)fc^aftticrjen
3nb>lt§: in ©ct)lö3er§ StaatSanjeigen bon 1783 (Refill ©. 368 ff.) betreibt
er bie in ben fog. 9Jcoorämtern be§ ,!per3ogtt)um§ ^Bremen (Sremerbörbe, Sitten*
tcjal, Dfterfjola unb ©tteräberg) unternommenen 9Jcoorcutturen, im bleuen
.gmnnöb. 9Jcagapt bon 1798 (©tuet 99) b>nbelt er über bie ßntberjrung au§*
länbifcfjer Sebürfniffe. Al§ 3U Anfang be§ 3ar)rel 1797 bie englifdjen ©tocf§
fo tief im (Sourfe fanfen toie nie jubor unb bie Sonboner San! it)xe Satzungen
einfteüte, fuccjte er burcr) eine Heine Sdjrift: „lieber ben engtifetjen 9tational=
crebit" (|mnnob. 1797) namentlicr) feine Sanb§leute, bie große (Summen in
englifcrjen papieren belegt blatten, ju beruhigen. @in umfangreichere^ SBuct):
„ßurjer Abriß be§ gabrifen=, ©etoerbe* unb «gmnblungSjuftanbeä in ben (St)ur=
braunfd§toeig=2üneburgifc^en Sanben" (©öttingen 1796) fnüpft an eine bon bem
neueingericrjteten (Jommeräcoltegium ine Söerl gefegte (Snquete an unb giebt
einen betaiüirten unb toof)lgeorbneten S3ericr)t über alle im Sanbe öerbreiteten
©etoerb§ätoeige, ber bie <$um Xb^eil fet)r bürftig aufgefallenen amtlichen 6rmitt=
lungen burcr) pribate 9lacl)forfcl)ungen ergänät tjat. Sefonbern SBertb^ erhält ba§
SBucl) burdj eine umfaffenbe, frifc^ unb lebenbig getriebene ßinteitung, toelcb^e
eine ©cljitberung ber 93etoob^ner be§ 2anbe§ oom toirtfjfcb>itlicl)en ©tanbpunft
enttoirft unb bie Unternehmungen unb 5ptäne ber Regierung jur Hebung bon
|)anbel unb Snbuftrie ürjerfictjtUcl) aufammenftellt. „6ine Slnmerfung ju ben
bielen Schriften über bie ^annöberifc^en Angelegenheiten" (Jpannoöer 1803),
bemüht in bem litterarifcb^en Gb>ru§, toetc^er naä) ber Äataftropl)e bon 1803
fiel) errjob, äa^lenmäßig nacbjutoeif en , toa§ ber 8anbe§b>rr forttoäb^renb für ba§
2anb getrjan ^at, ift bie einige ber eigentlich potitifeb^en ©cb^riftftellerei ange=
fjörige Arbeit ^atje'§. Um fo boüftänbiger foEte i^n fortan bie praftifd)e $olitif
in Anfprucb; nehmen. 3ll§ ba§ ^annoöerfcb^e gjlintfterium beim SSertaffen be§
224 ?atie.
Sanbeg am 3. 3>uti 1803 ein Sanbegbeputationäcottegium einfette 311 unmittel»
batet Verfügung begjenigen, ma8 bie fian^öfijdtjen Vefef)l§b,aber an 5präftationcn
öerlangen möchten, ernannte e§ 5p. jum 5fltitglieb. ©benfo berief iljn ber franaöfifetje
©enerat Sortier in bie aus fünf -gmnnoberanem beftetjenbe ©jecutiöcommiffion,
bie unter bem 5Präfibium Don Dürbad) , bem ©djmager 5Dtortier;g, eine 3lrt
interimifttfdjer Regierung bitbete. Die auögeaeidjnete Vermaltungshaft, bie ba£
ßanb an V. befafj, feine ©efd)äftggemanbtt)eit öerbunben mit bottfiänbigfter Ve=
tjerrfdjung ber fremben ©pradje, empfahlen it)n au folget Stellung, unb allemal
unter ben polttifdjen äßedjfeffälten ber näd)ften 3at)re tjat man ju ib,m feine
3uflud)t genommen. 2113 Sortier im 5Jtoöember 1806 .gmnnoöer jum jroeiten
fötale in Vefij3 naljm , bübete 5p. jufammen mit ben ßanbrätfjen b. 5Dtebing
unb b. 5JJtünd)t)aufen bie öon itjm eingefeijte ßjecutiöcommiffion ober, mie fie
nad) itjrer Verhärtung Ijiefj, 9tegierung3commiffton. Vergebens bemütjte er fid)
im grübjaljr 1807 im herein mit bem ©et). Äammerratl) t). 9lrnsmalbt bei
Darü in Verlin, eine Veiringerung ber bem ßanbe auferlegten Kontribution
öon 16 5)Jcitl. g^ancS ju erroirfen. Vei bem Dutdjauge fjfriebrid) äBitfjelmä
öon Vraunfd)tt)eig=Det§ im 2luguft 1809 benatnn er fid) fel)r gemanbt unb gab
bem £>eraoge unter bem Vovmanbe, bie Verpflegung beä ßotps auf bem 5D}arfct)e
äu übermadjen , ben 2lmtsfd)reiber ßropp , einen intelligenten unb ortäfunbigen
9Jiann, mit, ber bie ©djmaraen auf bem füraeften Söege nad) (Slgfletf) unb
Vrafe brad)te unb iljren Verfolgern entzog. 33et aller 2lnerfennung, metdje 5p.
für bie ©efd)irflid)feit feines Venetjmenä gegenüber ben fremben 5)Jtad)tb,abern
unb bie uuöerbroffene Vertretung ber ßanbesintereffen unter ben fdjmierigfien
politifdjen Verljättniffen bei feinen Sanbäleuten fanb, moEten if)tn bod) mand)e
fd)on früt) ben Säbel ju großer 5Jtad)giebigfeit nid)t erfparen. 5Jtadjbem am
1. 5flcära 1810 Heroine öon .spannoöer Vefitj genommen t)attc , begab fid) auf
Vatje^ betreiben eine aal)lreid)e Deputation aur Vegrüfjung beö $önig§ nad)
Gaffel. Sin iljrer ©pike Ijielt er am 14. 5Dtära im neuen ©tänbefaale eine
übrigen^ auöor ben Ijeröotragenbften 5DHtgliebern ber Deputation mitgeteilte
5Jlnrebe, bie im ganzen mafjöoll gehalten, bod) mit bem ©afee fdjlofj: Daignez,
Sire, entourer votre tröne d'un nouveau peuplc heureux, reconnaissant et
fidele. 5p. mürbe 5präfibent ber Dberredjnuuggfammer in Gaffel, erl)iclt ge=
legentlidj ber Slnmefentjeit beg .Königs Serome in «gmnnoöer ben iitcl Varon,
mürbe 5Dtitgtieb beö ©taatSratljä unb im lUtära 1811 ßommanbeur ber roeft=
fälifdjen Äronc (Sine feiner lebten Verioenbimgen im öffentlichen Dienft mar
bie Sttjätigfeit in ber <ju Hamburg fid) öerfammelnben Gommiffion , metdje bie
ßanbeägrenjen unb ßanbeäfdjulb auüfdjeu ftranfreid) unb Söeftfalen regulireu
fottte. Dbfdjon 5p. un^toeifeltjaft au ben 5Dtitgtiebern be§ meftfätifdjen 33eamten=
tl)um§ gehörte, bie bem ©tanbe bie ^o^e 2lnerfennung öerbienten, metdje er bei
pahiotifdjen unb einfidjtigen Veurt^eitern gefunben b,at, fo ift iljm bod) fein
Verhalten bon ber reftaurirten Üregierung öerbad)t unb feine SBieberanftettung
au 2l)eil getoorben. ©eine Wu^e al§ 5priöatmann füllte er mit fdjriftftetterifdjer
Sljätigfeit au§. H5pf)itofopt)ifd)e Betrachtungen" (^annoöer 1814), a^ei com--
penbiarifdje ©djriften l)iftorifdjer Slrt: „©efdjidjte ber merfmürbigen 33egeben=
Reiten 1789-1814" (^annoöer 1815), ,,2afd)enbud) ber beutfdjen ©efd)id)te"
(baf. 1816) unb ba§ liebengmürbigfte unb origineEftc feiner Vüdjer: „2Bie mar
^annober?" (baf. 1817) flammen au§ biefer geit. Da§ le^tere, erft au§ feinem
5)iad)taffe öon ©. 91. ö. SBerttjof fjerau^gegeben, fpiegett am beften feine 5}lrt au
benten unb au fdjreiben mieber; e§ enthält eine güüe mol)lgeorbneter t)iftorifd)er
unb culturljiftorifdjer Daten, bie mit guter JhitiE beljanbett unb belebt unb
fjumorboE öorgetragen werben.
«Potful. 225
ßrfcr) unb ©ruber III , 13 (1840) ©. 319. — Söerlfjof a. a. Q. —
.gmusmann, (Erinnerungen 6. 53, 64, 67 ff- — 0. ©trombecf, 2>arftettungen
II, 98. — .fpannober, tote es roar, ift unb roerben toirb. .§eft 1 (1804)
©. 121 ff. — (i£Rieräin§ft)) (Erinnerungen aus -gmnnober u. Hamburg 1803 bis
1813 (Scipa- 1843) ©. 96. — £abemann, ©efcf). ber Sanbe 33raunfct)roeig
u. Süneburg III, 725 ff., 747, 763.
fjf. grensborff.
$at!lll: 2[o|ann 9leint)oIb b. 5p., berühmt als 33ertfjeibiger ber tib=
länbijdjen Saubesrectjte, als Urheber bes uorbifctjen Ärieges unb als ungtücflictjes
Dpier ber 9tac^fucf)t JRaxVi XII. S5cr SBiberfprucf) in ber SSeurttjeüung feiner
ißerfönlicrjfeit erficht fict) aus ber 23erfct)iebenartigfeit bes bon ben 2>arftetlern
feines Sebens eingenommenen ©tanbpunftes, unb biefer roieberum finbet feine
jRecfjtfertigung in ber eigentümlichen Stellung, bie 5p. inmitten ber cottibirenben
fdjtoebifdjen, Iiblänbifcrjen, fäcfjfifcfjen, polnifctjen unb ruffifdjen ^fntereffen ein=
narjm. 6rft roenn bie 5patfuliana bon ©ctjirren beröffenttictjt fein roerben, toirb
bie objectibe ©efcrjicrjtsforfcrjung fict) berechtigt fetjen, über 5p. ein (Snburttjeil aus=
äufpredjen, bis batjin ift es ratsam ben 5Dlittelroeg einjufctjlagen.
5p. ftammte aus einer alten, abiigen ^amitie £iblanbs, bie, wie er felbft
fagt, fcfjon 300 Safjre im Sanbe anfäjfig mar. ©ein SBater fyrtebric^ SBiltjelm mar
tiblänbifct)er Sanbratt) unb fctjroebifcfjer 5Dtajor unb mürbe anläfjticf) ber im 3-
1657 erfolgten Uebergabe ber geftung Söotmar an bie 5Poten bes |>ocr)berratfj3
angeftagt unb nact) ©tocftjotm gebracht. 2)a mir itjn nacfjtjer roieber im Sefit;
feines langes unb feiner ©üter finben, fo roirb er feine Unfcfjutb erroiefen tjaben.
$m ©ejängnifj brachte nact) ber Ueberlieierung feine ©attin ©erhübe, geborene
^olftfer, einen ©otjn pr Sßelt, ber ben tarnen 3fof). Steint), erhielt. 2as ©e=
burtsjatjr beffelben ftetjt nictjt feft; man nimmt bafür bas ^abx 1660 an.
©ctjon 1666 mirb fein Söater als berftorben ber3eict)net. S)ie 93etjauptung, 5p.
fei bon feinem Später mit <£>af} unb Ütactjfuctjt gegen bie fctjtoebifctje Regierung
erfüllt morben, muß bafjer als tenbenjißs jurücfgeroiefen merben. 2öo er feine
53ilbung genoffen unb toer feine (h^ietjung geleitet fjat, ift unbefannt. geft ftetjt
jeboct), bafj er längere 3eit feiner ©tubien tjalber im Stuslanbe berroeitt unb fictj
bafetbft feine umfaffenben unb grünblictjen juriftifctjen ßenntniffe ermorben rjat.
Anfang Dctober 1680 fetjrte er nactj Stötanb jurüdC unb übernahm bie 23ertoal=
tung ber it)m als (Erbe ^gefallenen ©üter Regeln, 5pobfem unb Söaibau, bie
auctj nactjtjer bon ber ütebuction berfctjont blieben. 93alb nad) feiner Sftücffetjr
liefj er als 35ebollmäct)tigter feiner SSrÜber unb in eigener 9lngetegentjeit öon
fict) tjören. $n äatjlreicfjen Oon itjm felbft berfafjten 5procefjict)riiten, bie ben
atabemifctj gebitbeten Suriften erfennen laffen, trat er als Slnfläger unb Söex=
ttjeibiger in Injurien unb SDueltjacrjen auf. $n ber 5patful=2tteratur fpielt eine
grofje 9totte bie gegen irjn gerichtete ^i^anblungiflage bes sl^icrjel gofj unb
beffen 95raut &hha 5plafm, ber nacf) ©jögren 5p. nacrjgeftellt fjaben fott. ©egen
biefe Slnftage, meiere als bollgültiger Seroeis unerhörter ^ärte unb unmenfc^=
lictjer ©raufamfeit immer unb immer toiebertjolt roorben ift unb bie als ©runb=
tage äu ben berroegenften ©ctjtüffen auf ben Stjarafter ^atfut's unb feiner ©tan=
besgenoffen gebient tjat, berttjetbigte er fict) 1688 — 1689 in über^eugenber Söeife.
Sitte auf biefen Sßrocefc be^üglictjen Steten im tiblänbifct)en Jpofgerict)tsarct)ibe finb
neuerbings einer eingetjenben 9iebifion unterzogen roorben unb ergeben eine botl=
ftänbige 9ieb,abilitatton 5patfut's. S)er 5procefe fanb aber infolge ber politifctjen
SSerroictelungen, mit benen fein ©efctjicf berfnüpft roar, feinen 2tb)ct)tuf},_öietmerjr
rourbe biefer galt aufgebaufetjt, „um einen befto tieferen ©ctjatten falten ju
laffen, fei es auf bie 5perfön£icf)feit bes 5tngefctjulbigten, fei es auf bie 33ert)ält=
Slttgent. beutfe^e SBioQta^te. XXV. 15
226 SPatful.
niffc, in bcnen er lebte unb bie er bertrat". *ß. mar nact) ßibtanb ju einer
3eit jurüdgefetjrt, mo brot)enbe SBolfeu am politifdjen ^ori^onte fidj auftt)ürm=
ten; eS mar bal $at)r be* fd)mebifd)en Ütebuction (b. t). @in<jiet)ung berjenigen
©üter, melctje toirftid^ ober angeblid) etjemalS ©taatSetgenttjum gemein maren)
in ßiblanb. £rot$ ber 33e[tätigung ber ^ribitegien unb beS ©elöbniffeS. otjne
(SinroiEigung ber ßanbfctjajl feine Umänbrrungen borjunetjmen, bertiet) ®axl XI.
einem SBefctjlufj beS fctjrocbifctjen 9ieict)StageS betreffe ber ^InSbetjnung ber 9tebuc=
tion auf ßiblanb bereitmiEig feine ©anction, obgleid) bie ßiblänber auf biefem
9teict)Stage burdj feinen 9Ibgeorbneten beitreten roaren. 23atb fütjlte fid) ber
$önig aud) berechtigt, bie Sftebuction bis auf fjerrmeiftcrlidje 3e*t auSjubet)nen.
3)ie 9totf) brad) an, baS ßanb berarmte; alte Sitten unb 23orfteEungen ber
liblänbifctjen 9titterfdjaft, bie 5/e ifjreS ©runb unb SSobenS berloren tjatte, blieben
otjne (hfolg ; ber eiferne Söitle beS Königs fanb feine 2)urd)füf)rung. 9Jtit S3e-
rufung auf bie ^ribilegien bei ßanbeS ftettten bie ßiblänber bem J?önig baS
itjnen miberfatjrene ünrectjt bor. jEtefer, roenn aud) nur paffibe Söiberftanb
brachte ifjn nur auf. 6r bcrtangte im $. 1690, bafj man itjm bie urfunblictjen
Belege beS ßanbeSredjtS im Original borlcge, unb bie Seforgnifs lag nat)e, bafj
er babei nidjt eben motjlmoEenbe Slbfictjten berfolgte. $}om liölänbifdtjen ßanb=
tage mürben jur llcberrcidjung aller liblänbifdjen 9tect)tSurfunben, bei fogenannten
„corpus privilegiorum", unb jur Sßerttjetbigung ber 5tect)te unb 5re^eiten ber
Witterfdjaft ber ßanbratt) 33ubberg unb ber (Sapitain ^ßatfut befignirt. ßefeterer
mar ba^u fonber ^roeifet bie geeignetefte ^erfönlidjfeit. *ß. tritt uns als ganzer,
fertiger sJJtann, im 23oEbefiij feiner leiblichen unb geiftigen .Straft, in ber 23tütt)e
feiner 3>ab,re entgegen. 2luf aEe, bie itjn nätjer fcnnen lernten, madjte er ben
(Sinbrutf eines ungemöfjntict) begabten, aber aud) etjrgeijigen 9ftenfd)en. Soor
feinen ©tanbeSgenoffen aeidjjnete er fiel) burd) ben föeidjttjum feines SBiffenS unb
burd) feinen ©djarfftnn auS. kleben feiner sIRitttevfpraci)e berftanb er baß ßatei=
nifdje unb (5Jried)ifct)e, er fdjrieb unb fpract) ein elegantes ^'onjöfifd), auct) ift
eS roatjrfctjeinlict), bafi er fid) baS ©ct)mebifd)e unb 9tuffifct)e aneignete, als bie
Umftänbe bie Erlernung biefer ©pradjen crtjeifctjten. $ür eine milttärifdje ßauf=
batjn beftimmt, tjatte er nidjt otjne Neigung unb mit (Sifcr in ben ÄriegSmiffen»
fdjaften gearbeitet, ba er auf biefem ©ebiete emporkommen tjoffte. SefonberS
bie (Sjercitien ber Infanterie, baS gortificationSroefen, bie 9Jtatt)ematif unb $n=
genieurmiffenfdjaft natjmen fein ^ntereffe in Slnfprudj. ©eine biblomatifdjen
Talente, berbunben mit ber (tiabe feuriger SBerebfamfeit, fettener ©emanbttjeit ber
lieber unb ©ebiegentjeit juriftifetjer ^enntniffe, entmicfelten fict) in ber praftifd)en
Ausübung politifctjer ©efetjäfte. £)bmot)l $. einen ausgekrochenen ©inn für
baS ^iü^licfje unb ^raftifdje an ben 2ag legte unb batjer eine nüchterne 9iatur
genannt merben tnu|, fo fetjlte it)m feineSmegS baS Sßerftänbni^ für bie ibealen
(Süter beS SebenS; baS 5lltertt)um mit feinen Steigen übte auf it)n einen (Sinflujj
aus, bauernb jeboct) feffelte itjn baS ©tubium ber 9ted)te. Unter ber ßaft trüber
©orgen unb aufreibenber (Sefctjäfte fanb er noct) 5Hu^e ^um 33erfetjr mit 9Jiän=
nern, melctje ben ibealften 3^len nactjftrebten. XtjomafiuS unb ^ermann Sluguft
grande fud)te er als ^lüctjtling auf unb als bielbefdjäftigter Staatsmann fetjenfte
er ben 3>been beS uniberfettften ©eifteS Europas, bem grofjen ©etet^rten Seibni^,
feine 3lufmerffamfeit. hieben biefeu Sßorjügen feines StjarafterS fjafteten if)m
nidjt geringe ^etjler an. S3eifpiete ungejügetter ßeibenfdjaft, beS ^ätjjorneS,
beS engfjerjigften ©tanbeSborurtljeilS unb ber 9tüd[ict)tSlofigfeit laffen fid) nad)=
roeifen. ®ie gärten unb ©ctjtoädjen feines SöefenS treten fpäter im (Betriebe ber
Söetttjäubel unb im Äampfe um'S S)afein oft untiebfam in ben SSorbergrunb
unb berbunfeln bie ebleren 3UÖC- ^uf biefen reid) beanlagten unb buret) Snergie
unb Patriotismus auSge^eictjueten sJJlann tenften ficf> balb aEer klugen. 2lm
5ßatful. 227
12. October 1690 trafen 93ubBerg unb ty. in ©tedt)olm ein. ©d)on in fiiötanb
mar öon bem ben Siölänberu fcinbltd)gefinnten ©eneratgouberneur «gtaftfer bie
@d)tt)eit beS Privilegium Sigesmundi Augusti, burd) roeld)eS bie liölänbifctje 3tit*
terfd^aft baS unbefctjränfte 2)iSpofitionSred)t unb @:rbred)t über itjre öüter erlangt
Ijatte, angefochten roorben. *ß. öerttjeibigte muttjig bie ©ültigfeit beffelben bor
bem Könige unb einer Setfammlung tjot)er SSürbenträger. Aber alle 9temon*
ftrationen blieben erfolglos. 3>urd) bie (Srflärung Staxl'i XI. (22. 9flai 1691),
baft alle föniglid)en 9iefolutionen ber beliebigen Interpretation feines ©enerat*
gouberneurS anheimzugeben feien, mar Siblanb ber Söitlfür ipaftferS preisgegeben.
Srotj aüebem lief; ^. bie Hoffnung ntcrjt finfen; bie ©djroierigfeiten, bie man
if)m aud) in ben 2öeg fteUen mochte, fd)redten it)n nid)t äurücf; er reifte bem
Könige, ber beftänbig feinen Aufenthaltsort roed)felte, nad) unb fucrjte eine ®e*
legentjeit, um eine SinneSänberung beffelben Ijerbeiäufütjren. $n Cerebro, 2Ben=
nerSberg unb ©otljenburg gelang eS it)m, fiel) bem Könige ju nähern, ber öon
fiel) auS, freilict) nur borübergerjenb, ^atful'S Anliegen berührte unb baburet) in
itjm bie Hoffnung ber @rl)örung feiner Sitte erroedte. ülact) ©tocfrjolm aurürf*
gefetjrt, getoäljrte ber 3?önig il)m eine längere Aubien3 (18. 9tobember 1691) unb
5ß. benutze biefen günfttgen Moment, feinem geprefjten ^erjen Suft ju maetjen.
3n tjinreifjenber Serebfamfeit fctjilberte er baS Serarmen unb baS (Henb beS
£anbeS. SDer £önig fjörte ifjn gnäbig an, Judjte itjm aber bann bie 9cottjroen=
bigteit ber öon ben ©tänben ©d)roeben§ befct)toffenen 9iebuction auSeinanberju=
fetjen, toogegen 5ß. bie Sefugnifs ber letzteren in Abrebe [teilte. Auf bie tjeftige
fyrage beS ÄönigS. ob bie Siblänber fic§ roofjl unterließen mollten, bie fd)roebi=
fct)en ©täube ^u befd)ulbigen , als Ijätten jte mit Siülanb nid)t nad) ©ebütjr
getjanbelt, antwortete er mit einem lauten $a. äßenn nur ber $önig eS ge=
ftatten mofle, merbe er öor ©r. ^cajeftät unb ber ganzen Söelt biefe Unge6üt)r
ermeifen. ©eine ^Berufung auf bie mit ©d)roeben gefd) [offenen Serträge unb aui
bie Seftätigung berfelben burd) ben ßönig blieb nid)t ganj oljne Söirfung. $arl
öerfprad) feineu treuen Siölänbern ein roittig Dl)r zu leiten, roenn bie 9ttttcr=
fd)aft ftctj an itm perfönlid) menbe; ty. lehrte botler Hoffnung nad) Sibtanb
jurüd unb ber Sanbtag ju Sßenben (11. ^tärj 1692), roo er überfeine 2Riffton
58erid)t abftattete unb öerfd)iebene Sorfd)läge betreffs einer Erweiterung unb
Sefeftigung ber AbelSredijte auf ftinen Antrag jur Annahme gelangten, befdjlofj
bie Abfenbung einer ©upplif an ben $önig. SDiefelbe mürbe öon $. berfafjt
unb fd)ilberte in fül)ner ©prad)e unb mit erfdjütternben SCßorten bie ftott) unb
baS ber 9titterfd)aft roiberfafjrene Unred)t (30. 9Jtai 1692). Siefe ©djrift foE
auf ben Äönig unb feine Umgebung ben (Sinbrucf gemad)t tjaben, als ob „bie
©timme beS Aufruhrs ftd) in ber gerne üernefjmen tiefte" . £ro^ aliebem mürben
erft nad) 3al)reSfrifi bie Sertreter beS SanbeS jur Serantmortung für it)ie Ser=
mefjent)eit gebogen. %m ©eptember 1693 mad)te <g>aftfex ber 3titterfd)aft einen
öom 10. Auguft 1693 batirten Sefetjl beS Königs belannt, ber bie Sanbrätrje,
meldte jene ©djrift unterjeidjnet Ratten unb % nad) ©tod()otm cttirte. ©egen
^. mar ber Unmitte befonberS gro^, er mürbe roegen falfd)er 2)arfteltung unb
unerlaubter AuSlaffungen in feiner Delation, roegen ber aufgefegten Deliberanda,
megen ber ^nftruetion an bie reftbirenben Sanbrättje unb roegen 2t)eilnabme an
ben IJttafjnarjmen ber lederen angeflagt, baju würbe er als Serfaffer ber am=
ftöBtgen Sittfd)rift, unb roeit er bie 3ufammenrottung ber ßapitaine gegen feinen
Dbrift ^elmerfen angeftiftet, öor ($erid)t gejogen. (Segen ben Obrift ^elmerfen,
in beffen Regiment $. als Sapitain biente, tjatte er im Auftrage mehrerer
Gfficiere eine j?(agefd)rift abgefaßt. Son -^pelmerfen maren nätnlid) bie liöläu=
bifdjen (SbeEeute in feinem 3ftegimente in beleibigenber Söeife beßanbett roorbeu.
15*
228 SPatful.
©eneratgouberneur .gmftfer, bem ty. in einem ßiebe§t)anbel ben Wang abgetauten
Ijaben fott, unb ber biefem aud) fonft nid)t gebogen mar, bezeichnete bie ßtage
at8 Meuterei unb tiefe bie Kläger bor ein ßrieg§gertdjt ftclten, bem *J3. fid) burd)
bie gtucfjt entjog. Gürft ber ßanbegangetegenljeiten megen tarn er nad) 3ufidje=
rung eine§ freien ©eleite§ nad) ©totfljotm. ©egen alle fünfte ber 2lnflage
bertljeibigte er fid) unb berief fid) betreffs ber ©ubplit auf bie ^nftruction ber
libtänbifdjen Witterfd)aft. ©ar balb fonnte er im Verlaufe bei ^proceffeS fid) ber
Ueberjeugung nidjt merjr berfdjliefjen, bafj feine 9lnftägcr aud) feine Widjter feien,
unb feine fteinbe unb Weiber aud) fein Urteil fällen mürben. @t)e fie itjre We|e
3ufammcn3ogen , mar tx mit gurüdtaffung eines $rotefte§ gegen ba§ S3erfab,rcn
beä ©erid)t§t)ofe§ nad) Äurtanb entflogen. 2öa§ er gefürchtet, trat ein. 21m
12. 5December 1694 mürben bie Sanbrättje 23ubberg, 23ietingt)off unb SWengben
als Webellen unb 9Jtaieftätäberbredjer jum £obe berurtfjeilt. $at£ut'§ ©träfe
rourbe berfdjärft. gür feine SBerbredjen fottte er mit bem SBertuft fetne§ ßeben§,
feiner ßrjre, feiner ©üter unb feiner redeten §anb büfeen. SDie Ärone 30g feine
©üter ein unb ber genfer tierbrannte feine ©djriften.
Heber ^atful'S 2Iufentljalt in ^bten unb 2)eutfd)tanb finb bie Wadjridjten
tüdentjaft; 1696 beridjtet Wil§ SSjetfe nad) ©djroeben, bafc fid) $. unter bem
angenommenen Warnen ü. -ftegen in kernet aufhalte unb rjäufig Weifen nad)
^oten unternehme, roo er mit bem g^bljerrn ^ablonomäfi befreunbet fei; auf
bie anfrage, ob er fid) feiner ^erfon bemächtigen fotte, erhielt er bie 2Beifung,
*£. menn möglidj nad) ©todfmlm au beförbern. Ueber Berlin unb <£>atte begab
fid) ^}. nun in bie ©djmeia. |)ier lebte er unter bem Warnen gifdjering unmeit
be§ ©enfer ©ee§ auf bem ©d)loffe ^ranginö mit spriüatuntcrridjt unb miffen=
fd)aftlid)en Sirbetten befdjäftigt. S)er ©egenfianb feiner ©tubien roar ba§ Watur=
unb SBölferredjt bon ^ßufenborf, bag fortan aud) bie ©runblage feiner bolitifdjen
Uebcrjeugung feilbete- 3Bäf)renb feineä 9Iufentt)altc§ in ber ©djmeij befudjte er
ßaufanne unb ©enf unb unternahm bann Weifen burd) Italien, ©aboben unb
ftranfreid). Stber aud) Ijter fott er bor Verfolgern nid)t fidjer gemefen fein.
Sitte öeniüfjungen um Slmneftie blieben erfolglog. Äarl XI. tjatte moljl bie
brei libtänbifd)en ßanbrättje auf feinem Sterbebette begnabigt, aber gegen $.
blieb er unerbittlich) unb ebenfo unberföljnlid) mar fein ©otjn Jffarl XII. SDie
Wott)met)r trieb ty. in ba§ Cager ber geinbe. ©idjertjeit ber ^erfon unb 33e=
freiung feineä 33atertanbe§ fonnte er nur burd) bie Sßernidjtung feiner ©egner
erringen, ©egen bie 2Benbe be§ 3at)tt)unbert§ fdjon madjten fid) bie 93oraeidjen
einer großen SBeränberung auf ber 2öeltbüt)ne bemerkbar. Saft um biefelbe 3ett
traten brei jugenblidje .frertfdjet, jeber in feiner 2lrt, bon (Sb.rgei^ unb 2!t)aten=
brang getrieben, mit beftimmten 5lbfid)ten auf ben ©djauptat} ber ©efd)id)te:
gftiebtidj luguft, Äurfütft bon ©ad)fen unb Äönig bon Sßoten, Äarl XII., ßönig
bon ©djroeben, ^eter, 3ar bon ^Woäfau. %n ber burd) fie fjerborgerufenen
SÖanblung ber eurobäifdjen 5Potitif mar 5ß. berufen eine mafjgebenbe WoEe ju
fpielen. 3»m Sccember 1697 unb Januar 1698 finben mir it)n nod) in 5ßran=
ging. S)er ©ünftling bei $önig§ bon $olen, ©raf ^temming, bem $. im ^Jlai
1698 ju 53udau borgeftetlt mürbe, forberte ib,n auf, nad) 5J3oten ju fommen
(1. Wobember 1698). 6t folgte ber (Sintabung unb t)ier fanb ^. ein günftigeg
gelb für feine 3lbfid)ten ; ber ©ebanfe eine§ ^Ingrifföfriegeü gegen ©djmeben mar
fdjon bor feinem auftreten fomotjt in Wufetanb al§ aud) in SDänemarf bentilirt
morben, aud) tjatte ber 3at eine Slufforberung ju gemeinfamem 33orgel)en an
griebrid) 2luguft 31t Warna gerietet, bod) bon einem 3ufammenmirten ber brei
genannten ©taaten auf ein 3^ ^n t00-1 noc^ n^ °ie Webe gemefen. Sie
^ßerbinbung biefer Srtbetallianä l)at 5p. juftanbe gebradjt unb bamit feine mett=
berühmte biptomatifd)e ßaufba^n betreten. SDer $önig bon $oten trug fiel), er)e
Sßctful. 229
er ty. fennen lernte, mit ganj anberen Stätten (gegen ßnbe beS ^afjreä 1698;.
35er ©ebanfe einer Erweiterung fetne§ Üteictjeä nacf) ©üben l)in naf)tn it)n boE
nnb ganj in Slnfprudj. S)ie SSaladjei tooUtc er überrumpeln, (Siebenbürgen unb
einen £ljeil bon Dberungarn ber fatfettictjen Sotmäfjigt'eit entreißen. 9Jlit
5patful'§ auftreten fielen biefe $täne in fidj äufammen. Sine ^rontfdjmenfung
nact) Sorben würbe mit einem 9Jtafe gemalt \ bie Gmoectnng unb Regung ber
Söünfdje nadj bem 33efit} Sibtanbg in Äönig Sluguft unb bie Serbinbung ber an
einer ©ct)Wäc£)ung ©djwebenä arbeitenben ''Uiädjte SDänemarf unb Stufjlanb mit
©adjfen unb s£olen, ba§ mar $atful'§ äöerf. $n berfctjiebenen S)en!fc^rtften
(©robno, 1. Januar 1699) fuctjte ty. ben $önig bon ber 9totfjmenbigt,eit eine§
Krieges gegen ©cr)meben in Siblanb ju überzeugen unb machte er u)n auf bie
bortljeittjafteften 2lEianaen aufmerfjam. ^m 9flai 1699 mürbe burdj *p., ber
nad) $opent)agen ging, 2)änemarf für ba§ SBünbntfj gemonnen, unb im |>erbft
(11./21. ftobember 1699) brachte borneljmticrj $. in 5Jio§!au einen Vertrag ami=
fdjen bem 3aren uno oem Könige bon $oten suftanbe. ^ierau§ erfietjt' man,
inwiefern $. ali inbibibueüer Urheber be§ norbifdjen Krieges gelten fann. 3lu§
feinem Äopfe flammt audj ber 5plan einer Ueberrumpelung 3tiga§ unb eine§
gleichzeitigen 3lngrip ber Muffen unb S)änen. Sine „Güntreprife" auf bie ©tabt
Ütiga fctjien nidjt aEäufdjwierig, zumal bie Sefeftigungätoerle bafetbft nact) $at=
fuP§ Slnficfjt fiel) in einem Bebenflidjen 3uftanbe befanben, audj gab er fidj ber
Hoffnung t)in, baji ba§ geplante Unternehmen bon befreunbeter (Seite in ber
©tabt unb auf bem flauen Sanbe Unterfiütmng erfahren mürbe. S)a§ bon
©djweben befreite Sanb follte in eine, unter polnifdjem ober fäd)fifcl)en ©crjutje
fteb^enbe, felbftftänbige 5lbel§republil mit eigener SöerWaltung unb eigenem |)eer=
Wefen umgeWanbett merben, Ijierzu merbe it)m bie tiblänbifctje 9ftittcrfct)aft, fo
meinte $., bie ^>anb bieten. S)er 2lnfcr)tag auf 9liga fcb,eiterte aber, SDanf bem
9ttifjtrauen, wetdjeS bie ^Solen gegen ben $önig, ber ben $rieg ob,ne äöiffen ber
gtepublif unternahm, liegten unb ber fatjrläffigen 2lu§füt)rung be§ bon $. entmor=
fenen ^laneg (2)ecember 1699 bi§ Februar 1700), audj ermiefen fid) SPatful'S Söer=
binbungen in Siblanb at§ unzureidienb. @r nafjm, freilief) mit Unterbrechungen, ba
j?önig 9luguft feine§ 9tatb,e§ im ßonflict mit ber polntfct)en 2lbel§republil beburfte,
an bem ungünftig berlaufenben ^elbjuge in Siblanb £t)eil. S)en bon Sluguft an
bie Siblänber geridjteten ©djuprief t)at er mit unterjeiclinet. 3u erroätjnen ift
ferner, ba| er auf einem feiner ©tveifjüge in'§ ßanb marobirenbe Äofafen [trafen
lief* unb bafj ba§ 33ombarbement bon 9tiga.(l. ©eptember 1700) auf fein S5er=
Wenben eingeftettt mürbe. @in 2lnfcl)tu^ ber Öiblänber erfolgte tro^ ber itjtn bon
einigen ^Jtitgliebern ber 9titterfdjaft gemachten 2lu§fid)ten nid)t. 2öie wenig
übrigens ty. bei feiner SlnWefentjeit bon einer t^atbereiten 'iötittjülfe feiner ©tan*
be§genoffen erwartete, beweift ber Umftanb, bafj er gelegentlich be§ 2}orrüclenö
ber ©acfjfen über bie üDüna bem 2lbel in ber ^Befürchtung, er fönne für ben
©djwebenfönig auffi^en, bie ?ßferbe abnehmen tie^.
9licl)t 3um geringen 5£b,eil au§ gurc|t bor ber I5nigticb,en Ungnabe unb
bem bon ©eneralgouberneur ©aljlberg auggeübten 3^ange nacljgebenb unter=
3eict)neten bie Slbgeorbneten be§ 2lbet§ (135), be§ 9latr)§ (22), ber großen (Silbe
(556) unb ber fleinen ©itbe (364) einen 9teber§, in bem fie $. unb feine 3ln=
rjänger at§ ©rjberläumber unb @l)renbiebe tjinfteEten unb bie (Erftärung abgaben,
ia§ fie mit itjren J?inbern unb Äinb'eSünbetn big an ber 3Belt @nbe unter be§
Äönig§ bon ©diweben crjriftticrjer, gerechter unb gnäbiger Regierung fielen möchten
(9. ^uli 1700); felbft feine «ülutter berfagte ib,m ba§ Söieberfe^en unb woEte
nicljtg bon it)m wiffen. ©o Ratten ty. nun auet) feine ©tanbeSgenoffen, feine
Sanbäleute unb feine Butter berlaffen. ^arlXII ^atte im gluge erft bie S)änen
unb bann bie Muffen gefctjtagen unb näl)ette fiel) ber S)üna. Unterbeffen War ju
230 iPatful.
Söirfen, im 23eifein «patfufä (26. Februar/ 10. «Dlära 1701) ber SBettrag awi^cn
5)3eter unb 9luguft erneuert worben. ©elb unb Gruppen öerfpracr) ber $ax unb
[inerte Wieberum ben 33efij5 öon 6[t= unb Sibtanb ben ^oten ^u, wärjtenb er ficrj
mit ^ngermanlanb unb Kardien begnügen wollte. 2öa3 an ber 2)üna luguft
gewonnen tjatte, mufjte aufgegeben werben unb Äarl XII. brang fiegreicf) in
^oten öor, befetjte Söarfdjau unb nat)m Jlhafau, Wätjrcnb ber 3a* in Siölanb
feften gufc fafjte. 2luguft'£ Stellung ben ^olen gegenüber mürbe eine äufjerft
fritifdje, meil nur boit einem 2t)eil beä $bel§ feine sIftafjnaf)men 33iüigung
erfahren rjatten unb einflufjreidje ^actionen fogar einen Sofortigen ^rieben ab(}u=
fctjliefjen unb bic Slbfetjung 2Iuguft'§ augjitfpredjen bereit waren. SDaburd) aber
mar autf) ber 23oben, auf bem s^. ftanb, fdjwanfenb geroorben. ©cfjon öor ber
ungtüdlidjen äöenbung beä liülänbifdjen ihiegöunternerjmenä tjatte er ben matjren
(Stjarafter Sluguft'S unb feiner gteidjgefinnten Üiattjgeber burdjfdjaut. S)ie lln«
einigfeit ber $oten, bie fJfriebenSbeftrebungen beä franaöfifetjen ©efanbten S)u
•Operon, ber Sßanfelmutl) unb bie £teulofigfeit be§ Königs unb feiner 5Jcinifter,
benen ty. feine ©efinnung über fie nidjt öotenttjielt , bebrotjten it)n unb feine
4-Uäne bei längerem 23erweiten im fäd)ftfcrjen 2)ienfte mit ernften ©efatjreu. ©anj
anberc Sluefidjten boten fiel) itjm im Often bar, wo ein Jperrfdjer öon eifernem
SBillcn unb flarem ©tiefe fid) mit fjeroifd)em "DJcuttje an baö 2öerf ber Befreiung
feiner Untertanen auS ben SBanben orientalifdjer SebcnSformen maebte. 2)ie
ftütte ber $raft, bie in biefem unermeßlichen Sietdje tag, mar s$. nidjt entgangen.
2)ie frifdjen ßefienBfÄfte, beten ber 3a* [üt fein $olf beburfte, lagen in bem
öor itjm abgefdjtoffenen Söeften, bie Dftfeelänber mit itjrer ßultur fottten bie
33rüde werben, bie föufjlanb mit bem Slbenbtanbe öerfnüpfte. $m 3)ienfte biefer
gegen ©darneben am baltifctjen sDceere gerichteten SBeftrcbungen waren bie ^Befreiung
Siötanb§ unb bie ©djäbigung (5d)Weben§ realifirbar. Wadjbem % öon ben im
liölänbifdjen Kriege erhaltenen SBunben genefen war, erflärte er bem ruffiftfjen
©efanbten 2)olgorufö, bafj er ben fädjfifdjen 2)ienft aufgeben Werbe, darüber
berichtet (27. 9Iuguft 1701) berfetbe an ben 3aren. welcher fofort ty. 311m @in=
tritt in ruffifdjc S)ienfte aufforbem tiefe, «gwdjerfreut nafjm ty. biefeä anerbieten
an. llntcrridjtet öon ben SSemütjungen be$ 3aten um ein 33ünbnijj mit f5Tcint=
reidj, wollte er gleidjfam alö ©egengabe für bie Slufforberung, bie DJcitttjeitung
über bie 2lnbaf)nung eines biptomatifdjen Söerfefrtä jwifdjen Stufjlanb unb granf=
reidj nad) 2Jco§fau bringen, beöfjatb fudjte er in einer Unterrebuug im Februar
1702 mit bem fran^öfifdjen ©efanbteu 5Du ^>eron eine 33erbinbung ^wifc^en ^ßeter
unb Subwig XIV. tjerbeijufürjren. 6eine 9)orfteHungen rjatten wenigften§ bie
3lbfenbung be§ au|erorbcntlid)en fran^öfifd)eu ©efanbten 33atu3e nad) sJJio§fau
jjur ^olgc (1703). ©leid) nad) ber erften Unterrebung mit S)u £>eron (am
11. gtbruar) reifte $. über Äiew nad) ^Dco^fau ab, wo er Gmbe 5)tärj eintraf.
9Jcit bem 2itel eine§ ©erjeimrattjS in ben ruffifetjen 2)ienft tretenb, legte er bem
garen feine $läne betreffe ber 9ieorganifation ber ruffifdjen 3lrmee öor, öon
benen ber Sßorfdjlag einer Umwanblung aller (Saöafterieabtfjeitungen in S)ragoner=
regimenter infofern Seadjtung öerbient, weil in jüngftrr 3eit biefe öon ^. au§=
gefprodjene ^bec in 2lu§füt)vung gebracht ift. S)er Äönig öon ©d)Weben, über
ty. tief erbittert, gab feinem 3o™ in Sßort unb ©djrift Sluebrud, wät)renb biefer
feincrfeit£ mit benfelben SBaffen unb in bevfelben Söeife fidg jur 2öetjr fe^te.
3fn beiben Sagern würben bie ©griffen be§ ©egner§ öerbrannt unb auS beiben
Sägern wieberrjolt ytec^tfertigungen unb 3lnf(agen in bie SBelt gefd)idt. ty. l>at
jur ©etjauptung feiner ©teHung unb (Srreidjung feiner 3iele alle itjm ju ©ebote
fteljenben bittet in 3lnwenbung gebradjt. @in merfwürbiger Äampf War au§=
gebrodjen, ben ein $önig unb ein llntertrjan aug ber Entfernung mit Erbitterung
führten ; ber 9tatur ber ©acfjtage gemäfj geftaltcten fictj bie Ijerangejogenen ^Rittet
$atM. 231
beS Setjteren nid)t benen beS örfteren ebenbürtig, fonbern fie mußten füg(icf)
£tehttid)erer 2lrt fein. S>emnact) läfjt fid) nicfjt leugnen, bafc 5p. öfters im ßidjt
eines f olitifdjen 2lbenteurerS erfetjeint. sJllS rufjifdjer ©eneratcommiffar unb ®e=
tjeimratf) finben toir ifjn in 5poten tt)ätig, too er ben Sd)toeben fobiet tote möglid)
entgegenarbeitete. 2lber nic^t aEetn fottte ber Scljroebenfönig in 5polen BefcCjäf-
tigt toetben, bamit 5Peter unterbeffen an ber Oftfee fid) feftfetjte, fonbern ber
5pian 5patfurs sielte augteid) nad) einer Sd)toäd)ung ber potnifd)en ih'äfte. $n
llebereinftitnmung mit bem 3a«tt bebiente er fielt) bcS 5ParteiintereffeS in 5polen
nur als 5Dtittel jux SDurdjfüfjrung rufftfetjer 5pläne. 2)aburdj erft mürben bie
notfjtoenbigen SBebingungen ber ruffifetjen Spotitif erfüllt, Sdjtoeben unb 5polen
bilbeten baS .günbernife, toetd)eS ben f&ntefyt unb bie SEectjfetbeäietjungen ätoifcfjen
ftufjlanb unb bem Söeften erfcljroerten. (hjt nad) sJiiebertoerfung berfelben mar
bem ^arenreid)e ber (Eintritt in ben europäifdjen ©taatenbunb möglich. 911S
güb/ter bot fiel) 5p. an, beffen ©etoanbtt)eit in praftifdjen Singen unb beffen ©e=
nialität bem 3axen imponirten. 9ftüdfidjtlid) fetner militärifdjen ßenntniffe mar
5p. in 5petet'S 2lugen eine Slutorität. SllS ertoünfctjter Mitarbeiter an feinem
inneren 9teformtoerf unb als erfahrener 9tatf)geber für friegetifdje unb biptoma=
tifdje Unternehmungen trat 5p. an beS Qaxm Seite, dr zeigte fict) in ber gör=
berung ruffifdjer ^ntereffen ungemein rührig. (Er mufjte bem 3a*en eingeljenbe
5projecte zur Üieform beS ganzen 5DfcititärrocfenS entmerfen, gefetjidte auStanbifdje
Dfficiere für ben ruffifetjen SDienft anmerben unb geeignete 5perföntid)feiten als
Otefibenten an ben berfdjiebenen «g>öfen anftetlen. liefern äöuttfdje beS 3a*en
fam er mit unermübtietjem Geifer nad). ©einer Sermittelung berbantte 5peter
bie ©etoinnung ber ausgezeichneten Generale Ogilbt), ^utjffen unb Spönne. 5Keben
ben milttärifdjen unb btplomatifdjen ©efdjäften im ©ienfte 9tufjtanbS mürbe 5p.
Oom 3ai:en °ei S3efct)affung bon meljr ober meniger untergeorbneten 5perföntict)=
feiten ^u 9tatt)e gebogen. 5p. mufete itjm Ingenieure, ütedjtSfunbige, ©djmiebe,
Sdjroertfeger, ©ärtner, ©d)äfer unb anbere anroerben. 2öenn eS galt, einen
5portraitmaler p geroinnen ober einen Sluffefjer für baS 2lifenat anstellen ober
eine 23ud)bruderei einzurichten, mürbe feine Meinung eingeholt.
3m 5fltai 1702 begab fiel) 5p. als jarifdjer ©efanbter nad) 5polen zur 5>tn=
batmung gemeinfamer Operationen aller Parteien gegen Sctjroeben. Äarl'S XII.
Vorbringen beranlafjte iljn, fid) roiebei äutüclpäieljen. (Enbe $uni finben toir
it)n in $rafau, too fid) it)tn ©elegentjett bot, bie menig (Erfolg berfjeifjenbe
potnifcl) = fäd)fifd)e 2lrmee fennen zu lernen unb am 8. i^uti njar er im ©e=
folge Sluguft'S 3eu8e °er unglüdlictjen ©crjtadjt bei iHiffoto. ©leid) barauf be=
gab er fid) nact) SKien, bamit er fiel) bort, too alte gäben ber 5potitif <jufam=
menliefen, über bie «Stellung beS faiferlidjen ölabinetS äu ben polnifclj=fad)fifd)en
2lngetegent)eiten 3tufflärung berfdjaffe unb bortljeittjafte 2lltian3en geroinne (Sluguft
bis 5JtoOember 1702). ©eine ütüdfetjr nad) 9tufetanb rourbe in ber llfraine buref)
bie 5palet)'fd)e 3lngelegenl§eit berjögert. (Sin Äofaf, 5palet), unterftüfet bon ent=
laufenen polnifd)en Seibeigenen unb Ijeimlictjen geinben 2luguft;S blatte bie üol=
nifelje ©tabt Selaja ftittoto befefet unb ertlärte, nur auf 23efef)l beS 3aren un^>
beS ÄofafentjetmannS bon feiner 5Pofition ^u toeict)en. S)ie mit 5palet) gepfloge=
nen llntertjanblungen liefen 5p. in biefer ^Iffaire ein ju ©unften ber ruffifetjen
5potitit ^u bertoettb,tnbeS 5JJtoment erblirfen, SBelaja 3ertoro foEte, einer Eröffnung
beS 3^en gemä|, erft nad) bem erfolgten SSünbniffe mit ber ^ebublif herausgegeben
toerben. 2lm 1.6. 5Utär3 1703 langte 5p. in 5IJcoSfau an unb folgte bem S^w
an bie Ufer ber 5Reroa, roo er mehrere 5Utonate an ber Seite 5peter'S betmeilte.
@r tbar 3eu9e oei' toettgefdjid)tlid)en Scene ber ©rünbung 5peterSburgS. 3lnge=
ficljtS beS ben 2öeg nad) Suropa fjin erfdjtie^enben 5UteeteS ertoäb,lte 5peter i|n
burdj (Ernennung ptn elften ©efanbten an ben auStänbifdjen ^>öfen junt 5pfab=-
232 5patfu(.
finbet bei* xuffifd^en Diplomatie. 5£>aS §erj bon ben fünften Hoffnungen für
bie 3u!unft feines ?fteici)eö gefdjwettt, überlief 5Jkter bie Einführung 9tufjlanbS
in ben europäifdjen ©taateubunb bem unterneljmenbcn ttDlänbifdjen Ebelmann,
beffen gfärjigt'eiten uub 53erbienfte bie günftigften SluSfidjten eröffneten, $n ber
golgejeit finben mir ^5atfur§ SlrbcitSgebtet amifdjen ber £t)ätigfeit eineS 5elb=
b/rrn unb eineS Diplomaten geseilt. Petersburg beilädt er am 15. i^uli 1703.
IHad) furjem Stufentljalt in 5DtoSfau begab er fid) über ©motenSf, 5Dtot)iteW unb
5DtinSf nadj 2Öarfd)au, Wo er am 13. ©eptember 1703 anlangte. Einen bebeu-
tenben Schritt bormärtS in fetner 5politif war 5ß. erft burd) ben 9lbfd)lufj eineS
©d)ufe= unb SrukbünbniffeS (12. October 1703) mit König Sluguft gelaugt,
ofjne bafj bie 9tepublif iljre Einwilligung baju gegeben Ijatte. S3on jekt ab mar
5p. ber bertraute Begleiter beS Königs, bem er Dom 3arcn HülfStruppen unb
grofje ©ummen jufürjrte, bie Sluguft in unuerantraorilictjem Seidjtftnn mit pot=
niferjen ©djönen unb anberen Ercaturen im (Strubel foftfpieliger Vergnügungen
bergeubete, wäfyrcub baS 8anb unter bem SDrucf ber ©tenern feufjte unb feine
KriegSuntemeljmungen in 5polen faft immer ungtüdlid) maren. 5p. mar an ber
fiegreidjen ^Belagerung unb (ünna^me Söarfdjau'S beteiligt (©eptember 1704),
bermodjte aber infolge mangelhafter Unterftühung bonfeiten beS Königs nid)t
5pofen <ju entfern (2. 5)iobember 1704) unb mufjte gleidj ben fädjfifdjen Gruppen
mit bem ruffifdjen -gnilfScorpS bor ben fiegreidjen fdjroebifdjcn £>eercn 5ßolen
räumen. Die ©efaljr eineS Einfalls ber ©ctjmeben in baS Kurfürftentljum ©adjfen
liefe eine Oteorganifation ber zerrütteten fäd)fifd)en sJMitärmad)t bringenb geboten
erfdjeinen. 5ß. unterjog fid) btefem fdjmiertgen SBcrfe unb berlangte bon ben
©tänben ©ad)fenS (Sclbmittel <}ur Durdjfütjrung ber geplanten Reformen, jebod)
mit <£>af$ unb Erbitterung traten biefetben bem ftrembüng unb Urtjeber ber
KrtegSnott) entgegen. 5!lud) bie einflufjreidjeu 5perfönlid)feiten beS fädjfifdjen
<£)ofeS, ©eneral ©djulenburg, ©tatttjalter ftürft Egon bon gürftenberg, <£)ofmar=
fdjatt 5ßfingften maren irjrn nietjt gemogen. Sie Sdjmädjen berfelben rücffid)tS=
loS unb mit ©arfaSmuS aufbeefenb, l)atte er fic in Söort unb ©djrift wiebertjott
beleibigt. Eine leibenfdjaftüdje, reijbare, SBiberfprudj nic^t bulbenbe 5ftatur toie
5)3., mufjte fid) mit ben bon ben Umftänben pr IHitarbeit irjm pigewiefenen, aber
bon il)m als untergeorbnet erachteten 5perfönlid)feiten überwerfen. 5ftidjt Unber=
bienteS unb unmatvreS fagte itjnen ber frembe Gabler, bod) einem gefär)rlidjen
SBagnifj gab er fid) Höflingen gegenüber Ijin, bie Danf itjrer ©ippe nidjt ganj
madjtloS waren unb in it)tn einen auSlänbifdjen Einbringung fat)en. ©eine
©tettung am DreSbner ,£>ofe war eine in ber £t)at attmäd)tige unb fctjien burd)
bie ruffiferje ^reunbfd)aft gefidjert ju fein. 3ur Kräftigung ber ^IHianj bemühte
er fid) neue 33unbe§genoffen 3U gewinnen, namenttid) berfolgte er auf feinen
wieberfjolten 33efud)en in ^Berlin ben 5pian einer intimeren SÖerbinbung mit bem
Äönigreid) ^reufeen, bem er gleidjfallä 6ntfd)äbigung unb Erweiterung feiner
©renken auf Soften 5ßotenS in 2lu§fid)t fteEte. ®cr ©ebanfe einer Xr)eilung
5]3oten§ taud)t öfters in feinen ©djriften auf. ©djon au§ biefem ©runbe ift ber
.£>afj ber 5|}olen gegen ifm, ber fein ißerftänbni^ für iljre ^utereffen unb itjre
Seiben an ben Sag legte, erflärlid). §a§ 3a|r 1704 äeigt «patful'8 Slnfetjen
unb bie gan^e 33ebeutung feiner polittfdjen trotte im 3ßnitrj. S3ejeid)nenb für
bie 53eurtt)eilung unb Söürbigung feines EinfluffeS unb für bie 33ielfeitig!eit feiner
^ntereffen ift bie Stjatfadje, ba^ fid) ber gröfjte ©elefjxte jener 3eit, Seibni^, an
iljn mit bem ©efud)e um unterftütmng feines 5ßlaneS betreffs ber Srridjtung einer
©ocietät ber äöiffenfdjaften in Bresben wenbete, worauf if)tn 5p. mit 3»f^erung
feiner Hülfe in einem elegant fran3öfifd) gefdjriebenen SSriefe antwortet; ganj um
biefelbe 3eit legte ib^m audj ßeibni^ einen betaillirten 5pian pr g-örberung ber
3Biffenfd)aften unb ber Etbttifation in föufjlanb bor, wu|te er bod), Welche ©tel=
Sßatful. 233
lung 5ß. 3U beS 3^'ßn Seftrebungen ^tnft(^tttc^ bet (Suropäiftrung feiner Sßölfer
einnahm unb welchen SöertB, Sßeter bem UtttjeiC biefeS genialen SiblänberS Bei*
legte (Januar Bis geBruar 1704). 9htr flüchtig beruhten fatlul'Z ©ebanfen
bie frieblicf)e 2lrBeit ber Siöilifatton unb ben !plan <$ur (Gewinnung eines gün*
fügen SSobenS für biefelBe in bem ber ßultur aBgefdjtoffenen ütufjlanb. ©anj
anbere HDinge nahmen ifjn in 9lnfprucf). $War Behauptete nodj ber ruffifdje (Se=
fanbte 5ß. eine allmächtige (Stellung, Jjocf) über ben anberen Höflingen, aber er
ftanb auf fcf)tüpfrigem 33oben. 9ttS ein SBecBJel in ber spolitif eintrat, fpitjte fiä)
alles ju einer Kataftroplje ju, ber er fidj nicf)t mefjr $u entjiefjen öermoctjte.
König Stuguft Wollte mit <Sd)Weben ^rieben fcfjliefjeu, weil Krieg unb 5ßo=
liti! bie SRufye feines (SenufjleBenS Beeinträchtigten; bamalS Begann beS Königs
SieBeSberfjältnifj mit ber Freifrau 2Inna Sonftan^e b. <£>otjm, ber fpäteren ©räfin
Gofel, feinen erfcfjtaffenben ©inftufj geltenb <ju machen unb bie ©etjnfudjt nacB,
^rieben ^u erWecfen (@nbe 1704, Slnfang 1705). ^atfut'S ©egner waren mit ber
$bee eine§ 5particutarfriebenS boltfommen einberftanben unb im größten ©efjeim=
nifj arbeiteten fie an ber Befreiung ttom ruffifdjen ©influf} unb an bem ©turje
beS UrfjeBerS unb ,£>auptförbererS beS Krieges, ber äugteicf) i^r perfönlic^cr geinb
mar unb ju ifjrem größten Slerger burcf) feine projectirte Sermätjlung mit ber
©räftn Sinfiebel 2luSftct)t jur (irtangung beS fädjfifdjen ^nbigenatS gewonnen
^atte. 25er Bei ber ßinnatjme SOßarfctjauS in fäd^fifcfje ©efangenfctjaft geratene
fdjwebifcfje £)ber6efet)lSf)aBer Sirbeb ^orn, einer ber gewanbteften Diplomaten,
Würbe üom 6tattfjalter gürfienBerg unb bom Könige mit SluSjeicfjnung Bef)an=
belt, an ifjre Safel gebogen unb als Sßermittler ber 9}ert)anbtungen ätoifä»en bem
25reSbener £)ofe unb bem fdjwebifdjen Sager in 9tawicjj Benutzt, ©iefe Singe
gefdjafjen feineSWegS unter bem 9Jtantel ber 23erfcB,wiegenf)eit, bietmefjr fielen bie
greifjeiten unb bie oftentatibe (Sefcfjäftigfeit beS fcB,webifcf)en Kriegsgefangenen auf.
Einfiel) ttidj biefeS UmfctjWungeS in ber ^olitif mar üßatful'S «Stellung eine äufjerft
Bebroljte. 2ltS er bon biefer nicfjt allein feine $täne unb feine Stellung unter=
graBenben, fonbern aud) feine ganje (Srjftena in grage fteHenben SIBftdjt eines
aBäufcB,lie£enben ©eparatfriebenS erfuhr, war er bor Unmutfj unb gorn aufjer
fiel). 3>n heftiger ©praetje fdjrieB er bem Könige bon feiner Kenntnisnahme ber
gegen ifjn gerichteten Umtriebe. £5ljne alle ©cfjminfe fagte er ifjm bie SBafjrljeit,
tnbem er in büfterem Sichte bie 3eTTüttung feines 2anbe§, ben SSerluft feines
Slnfe^enS an ben übrigen europäifetjen §öfen, ben Mangel an Vertrauen, bie
llntücB.tigleit unb 5BcftecB,licf)feit ber Sftät^e fctiitberte unb ben 3tuin ber ^»errfc^aft
anfünbigte. SDer König fuc^te fict) buret) Seugnen unb SSer^üEungen ber SBa^r^eit
bor ty. 3u rechtfertigen, Beburfte er boctj, Bis feine Unterljanblungen mit ben 8cB^me=
ben jur 9teife gelangten, ber ruffifetjen SlEianj, bornefymlicB, beS rufftfcl)en ©elbeS-
5p. burc&Jc^aute i§n. ^n fieberhafter Aufregung machte er in ja^lreic^en Briefen
unb Schriften feinem gepreßten ^er^en Suft; fäufticB,, felBftfüc^tig unb unfähig
nannte er bie Intriganten in ?luguft7S Umgebung. 5)aS ^ntereffe beS garen fotootjl
als auef) bie ©ic^erljeit feiner 5perfon Waren ber größten ©efafjr ausgefegt, ©er
macB,iabeEiftifcl)en ©taatSfunft ber 3^it nic^t fremb, fam er auf bie 3>bee, burcl)
einen bi^lomatifcB.en ©cB^aclijug baS ©eWeBe ber ^yntrigue gu jerrei^en. 25 a man
feinen .Iperrn, ben 3<*vcn unb ib^n fo fcB.änblicB, Untergängen, fo b^inberte iB,n feine
9tücfficl)t meljr, bie Sadje 2luguftS üottfommen preiSjugeBen. (Jr felbft wottte
ben 3<"en betmittelft eines ©eparatfriebenS mit Kart XII. berföfjnen unb für ficB,
Slmneftie Beim ©cljtoebenfönig erwirf en (im ©ommer 1705). SDiefeS SInerBieten war
ifjm bon £wllanb aus gemacht worben, Wenn er eine SSerftänbigung jwifcfjen ^ßeter
unb Karl XII. IjerBeifüfjre. ©ie ©efafjr in ber er fcfjWeBte, wie audj ber -^a^
gegen bie faXfdfjen unb il)m wiberwärtigen 2ttinifter unb ben unaufrichtigen unb
treulofen König, ber SBunfcB, naef) bem ©enufj beS fölücfeS eineS eigenen gami*
234 ^Qtful.
UenteBenS, altes bas lieft ir)m bie rjollänbifdjen Offerten als annehmbar erfd£jei=
nen. 2)en Dtinen feiner üertappten geinbe fucfjt er burd) 9Iuffinbung neuer 9ln=
fdjläge ju entgegen. Sluguft jeigte ifnn ein freunblictjes ©eficrjt, liejj aber feine
wahren 5lbfid)ten nidjt merlen. Sß. war üon allem unterrichtet unb machte
4*eter barüber mit ber Sitte um <5ci)roeigen IMttfjeitung , bod) aud) üon feineu
Srieffdjafteu unb flauen rjatten feine ©egner burd) Spione unb 23errätt)er Äunb=
fdjaft. @s mar ein ^ntriguenfpict ber bebenflidjften Slrt unb unter bem prun=
fenbenben ©tan,} bes bamatigen fäd)fifd)en JpoftebenS Barg fid) eine tiefe fitttidje
Serberbnifj ber tonangebenben Greife. 2)as Söermeiten in biefer Umgebung unb
in biefer 2uft mar audj für S. üerrjängnifjüotl. S)er iüngfte 5Darftetter feiner
Sdjidfate t)at über biefe Seränberung feinet Stjarafters eine ber Söatjrtjeit mot)(
feljr natje fommenbe ©djitberung gegeben: „£)urcrj bas gufammentreffen unb bie
Serbinbung", fdjreibt er, „mit einer s4>erfönlid)leit üon ber .£mnblungsmeife unb
ber potitifctjen ^Ricfjtung bes Königs Sluguft IL, gerät!) ber anfänglich für bie
9ied)te unb fjreil^eiteu Öiülanbs fdjmärmenbe, babei üon 9tacr)egeban!en gegen bie
fdjmebifcrje Sebrücfung erfüllte $. in eine 9ltmofpt)äic, beren (Sinflufj früher ober
fpäter eine menn aud) nocr) fo ibeett angelegte ftatur nicrjt unberütjrt laffen
tonnte. Unb er ift tjierüon nicrjt bas einzige 23eifpiel. @s fdjroebt ein fonber»
bares Sertjänguifj über fo üielen s4>evfönlid)feiten, bie bas ©d)idjal mit ben
9tococof)öfen bes 18. 3ar)rf)unbertö in ju naije s-8erüt)rung fommen läfjt, mögen
fie ©ort}, mögen fie ^atfut ober ©truenfee gereiften {jaben. @s ging mit itmen
üon ©tufe ju (Stufe. Urfprünglid) ^bealifteu, ^^^°t°P^en, sjJcenfd)enbeglüc!cr,
merben fie in ber fie umgebenben s3ltmofpr)äre unmillfürlid) ju Otänfefdjmieben
unb 3fntriguanten, um nod) fpäter ben Söarjn, mit bem fteuex eines fittenüer=
borbenen Jpoflcbenö fpieten ju fönnen, mit iljrem $opfe ^u bellen, ty. beginnt
gleichfalls feine Saufbarjn als ^bealift, um bemnädjft feine Ütotle als ein balb
eingefctjulter, intriguantcr Diplomat meiter ,ju fpielen".
Söir motten fein ütfjun unb Serratien -ftönig Süuguft gegenüber burdjaus
nidjt für fittlid) gerechtfertigt erflärcn; mie man üom ©tanbpunfte ber 9Jtoral
barüber ju urteilen t>at, liegt aufjer allem 3w«ifel. ?$■ Ijat gcfätjrlidje %n=
triguen gegen feine (Gegner, bie bod), freilid) nur nominell, feine Sunbesgenoffcn
maren, eingefäbelt, unb bicf elften 311 täufcrjen gefudjt; man barf aber aud) nicrjt
üergeffen, in meldjer Sage er fid) befanb. ©ottte er ruijig ^ufetjen, mie feine
Sunbesgenoffen fid) mit feinen Jobfeinben bie .gmnbe reid)ten? 2)as üermodjte
er nidjt. ©eine Sarabe üerrätt) biefelbe gedjterfunft, menn er au§ einer, feiner
bisherigen ^otitif fo ganj roiberfpredjcnben Kombination für ben 3<n'ert unb fid)
bie größten SBortrjeile abzuleiten bereit mar. SBill man ben Mangel feiner 2Bab^r=
^eitöliebe unb bie 53ermerftid)feit feiner ©djritte rügen, fo mufj man gleichfalls
bas 33errjalten be§ ^önigä Sluguft unb feiner 3JHnifter it)m gegenüber ein ge=
miffenlofeg, falfdjeg Spiel nennen; fie tjaben i^n auf eine fdjiefe 33atjn getrieben
unb bürfen bemnad) ber 33crantmortlid)feit nid)t entzogen merben. S)er ßonfltft
löfte fid) ttagifd) für ^. unb erfetjütternb ift bie S3uBe ber Sdmlb.
6t)e mir ben legten 2lbfd)nitt feiner 2ebensgefd)id)te, feinen Ausgang, bel)an=
beln, erübrigt nod) bie 23eantroortung ber ^ra9e - ü?a§ für 9lbfid)ten b^at 5ß.
mit 2iütanb nad) feinem austritt aus fädjfifdjem 2)ienfte üerfolgt: mu^ man
Sarodjomsfi üollfommen 9ted)t geben, menn er behauptet, ty. Ijabe ßiülanb auä
feinem Programm als einen üertorenen Soften geftrietjen, unb er fei felbft ben
^ntereffen be§ Sanbes in bem 5Jla^e entfrembet, bajj man üergeblid) in feinen
äatjlreid)en ©d)riften unb Sßerb^anblungen aud) nur nad) bem tarnen feines S5a=
terlanbes Siülanb fuerjt? betreffs ber erften ^rage ift golgenbeg 31t bemerten:
gaft bi§ jum ©djluf} ber Saufbaljn ^atful's lag bem 3aren bie 3lbfid)t einer
Sfncorporation Siütanbs, ba§ ber 9tepublif üpolen fraft üeTfdjiebener Serträge
Sßatfut. 235
prallen fottte, burdjau! lern. 3m ©runbfatj ftanb auci) %., obgleich er ge(e=
gentttdt) bem ^aien gegenübet öertodenbe 2Iu!fid)ten auf geroiffe ßrroerbungen
bie!feit! bet ftarotoa madjte unb eine Teilung -polen! in Setradjt jog, für bie
2Iufredjtert)attung ber gröfetentfjeitö öon itjm juftanbe gebrachten Beiträge ein.
Sen ©cbanfen einer Selbftänbigteit Siölanb!, biefe! öon mächtigen, um ben 33eftö
be! üSominium! am battifc^en 'Uceere miteinanber concurrirenben Steigen umroor=
benen ©ebiete! tjielt aud) er für unburdjfüfjrbar, bagegen mußte er in ber 2Bieber=
fievftellung ber bettelten 2anbe!red)te ba! $id feine! Streben! fefjen. Sa! Sdjicffal
^iötanb! mottle er ntcfjt allein Don ber ßntfdjeibung ber SSaffen, fonbern wol
fjauptfädjltd) öon bem Srgebnifj 'ber ben Krieg beenbenben 5rieben!untert)anb=
Lungen abrjängig madjen, öon benen er aud) für ftdj eine ^Rehabilitation feiner
iperfon ertjoffte. Söepglicl} be! legten ümftanbe! meifen mir auf bie Sfjatfadje
t)in, bafs er ben Kaifer unb ben 3aren um eine 33ermenbung bei einem eöentuetten
gtiebensfdjlufj Tür fid) betjuf! Erlangung einer Simneftie öon Seiten ber Sdjroe=
ben bittet. Seiner frütjer au!gefprodjenen Slnftdjt, bie Seemädjte Gnglanb, «!pot=
lanb, SJänemarf unb 23ranbenburg Ratten, fall! ber Qax 6ft= unb £iölanb ju
befetjen 5Jciene macrjen fottte, ba! @ntfcrjeibung!red)t über bie ^ugetjötigfeit btefer
Sänber unb mürben al! ©aranten ber Verträge anpfeljen fein, mirb er aud)
fpäter getmlbigt Ijaben, ba er eine 23efitmat)me berfetben burdj Ütufjlanb für öer=
tvagsroibrig rjielt. gür fein bem Sanb bctrjarjrte! ^ntexeffe fpredjen nod) anbere
Momente. 5ßad) feiner ülüdferjr au! 2öien 1702 aufbette er feinen Unroitten
über bie graufame unb öerroüftenbe Kriegführung ber Ütuffen in Siölanb, jugletct)
forberte er bie 2lu!lieferung ^toeier, öon ben Kofafen geraubten unb in bie Ufraine
entführten Siötänberinnen, ber üödjter be! liölänbifctjen Sanbratfj! Sßietingfjoff.
3>m S- 1704, mo er burdj bie biptomatifdjen ©efdjäfte ganj ungemein in 2tn=
fprud) genommen mar, rügte er in Ijeftiger Spradje in einem an ©olotoin geridj=
teten Schreiben ba! barbarifdje 5}eriat)ren ber Muffen in £iölanb. „Sie 9taöagc
in ßiötanb unb bie gar ju undjriftltdjen 5proceburen mit ben 23eroor)nern be!
£anbe!" beäeidjnet er all unerhörten 3)ertrag!btud) unb fdjilbert in ausführlicher
SSeife bie aus bemfelben für ben 3aren 1*3) ergebenben öertjangniBöotten 6on=
fequenjen. Obgleich 5ß. fidj im auftrage be! König! an ben ruffifdjen ©rof5=
fan<der menbet, fo ftnb feine 2tu!taffungen Eingebungen öon ©mpfmbungen, bie
eine 2lnr)änglidjfcit an fein Baterlanb nidjt öerfennen laffen, unb beutlidj gerjt
audj au! bem Briefe bie öon il)m öertretene 3lnfidjt über eine Bereinigung £iö=
tanb! mit *polen Ijerbor, an ber er aud) nodj in feinem letjten, feine XJaufbafjn
abfdjtiefjenben potitifdjen Slcte feftgef)atten t)at. ^n bem mit bem öfterretdjifdjen
©efanbten Strattmann abgefd)(offencn Stactate betreff! ber Ucberfütjrung ruffi«
fdjer Gruppen in öfterreid)ifd)e ©icnfte fpridjt er audj öon ben feiten! Cefterreid)!
ju befürroortenben ruffifdjen Srmerbungen unb mit! öon Defterreid) nur einen
^afen am battifdjen ÜJleere garantirt miffen. 2Benn er eine ginöerteibung Sio--
tanb! burd) gtutslanb angeftrebt tjätte, fo wäre ber ättnfdjen sÄuguft unb 3ar
s^eter abgefdjtoffene Vertrag nidjt fo öon it)m refpectirt roorben. 2)afj bie jfte^te
unb gteitjeiten Siütanb! in feinen Schriften feine grmätmung finben, barf nict)t
SBunber nefjmen : biefetben tonnten erft fpäter nad) ßrtebigung öerfdjiebener 35or=
fragen bei einem beftnitiöen grieben!fdjtuffe äur Spradje fommen. S)a! 2Inge=
fütjrte bemeift, bafe ^iötanb ftet! einen midjtigen Factor feiner ^otitif bitbete
unb bafj ba! Sdjidfal feine! Sßatertanbe! i^w bi! jutefet am ^er^en tag.
©ie Kataftroptje fütjrte ^atfuF! eigenmäcfjtige Verfügung über bie in Sadjfen
ftationirten ruffifdjen Gruppen tjerbei, über beren Sertoenbung nad) fäd)fifdt)er
Stuffaffung eine brfinitiöe Sntfdjeibung nur bem fädjfifdjen Kricgsratt) unb nid)t
bem rufftfdjen (Seneralcommiffar ^ufornme, ba bie ruffifdjen Sotbaten bem ßöntg
luguft äur Serfügung geftettt maren. Sit! bie fädjfifdjen Iruppen öon ÄaxtXII.
236 Sßotful.
au§ *ßoten berbrüngt mürben, fat) fid) audj baä ruffifdje £)ülf§corp§ genötigt
fid) jurücfjujieljen unb in ber Dbertaufitj Quartier flu nehmen, wo baffelbe trofc
aller Vorftellungen ^atful'S bon ber fädjfifdjen Regierung eine fo ungenügenbe
Verpflegung erfuhr, bafj enblid) 5JJ. bom ruffifdjen ©rofjfanjler ©oloroin bie
ermünfd)te Qrbre erhielt, bie befagten Gruppen, fattä bie Surüdfütjrung berfelben
burd) ^joleu nadj Stufjlanb auf unübcrminbtidje ©djroierigfeiten ftofje , im
äufjerfteu s)tott)faU unter ben möglidjft bortljeitljaiteften Vebingungen auf bie
S)auer einer (Sampagne bem $aifer 311 überlaffen. 2lm 15. 3)ecember 1705
fd)tofj Sp., bie Vorteile SftufjlanbS unb ©actjfcnS im 9Iuge Ijaltenb, bau ®efd)äft
ber Uebcrfüljrung be§ ruffifdjen JjpülfScorpg in faiferlid)e 2)ienfte ab. .Wönig
Sluguft tjielt fiel) jur $eit in ©robno auf, unb tßatful'ö getnbe, an iljrer ©pitje
ber Statthalter gürftenberg, benutjten bie ©elegenfjeit, roo bie sJflad)t in iljren
Jgjänbeu lag, jum (Sturze bc§ berljafeten ©ünftingS. Söegen feiner (Sompetenj=
überfctjrcitung unb feiner bielfadjen ^ntriguen mürbe er berljaftet unb auf bie
Vefte ©onnenftetn gebracht (19. 3)eccmber 1705). 2)a§ mar ein Sittentat gegen
bie Unberleülidjfeit beä Stepräfentanten einer fremben IRad)t unb berutfacrjte ein
gtofjeö 3luijeb,en. 68 l)at ben Stnfdjein, als ob biejenigen ^erfonen, bon benen
^atful'ä fernere ©djidfale abgingen, Sluguft unb 5peter, fid) über bie gegen ifm
ergriffenen 9)caf$regcln für'S (hfte geeinigt Ijätten. Wuguft mod)te bielleidjt mit
innerer ©d)abenfreube ben ?lbfd)lufj ber tfaufbalm ^atful'ä begrübt tjabeu, ^eter,
mangelhaft unterrichtet, 3eigte fid) inconfequent, lau unb unentfdjieben, fpäter
marnte unb brotjte er, meun man feinen ©efanbten nidjt freilaffe, aber über
Söarnungen unb ©rotjungen ift er nietjt hinaufgegangen. Von allen berfaffen,
rictjtet ber in feinem (St)rgefütjl ticfgefränlte ty. ergrenenbe ©djreibeu an ben Qaxtn
unb an bie Qeffentltdjfeit, in benen er bie itjm unb feinem .£>errn miberfatjrene
©djmadj, feine Unfcrjulb unb bie Verlegung be§ Völferredjtö barlcgt. Vergeblid)
finb feine 9iufe. 3lm 9. ©eptember 1706 bringt man it)n auf bie geftuug
J?önigftein. Valb barauf rürft Äarl XII. in ©adjfen ein unb ^bringt Sluguft
jum ^rieben bon Slltranftäbt, beffen 11. Slrtifet bie Sluötieferung be§ SiblänberS
3ot). üreint). ^3atful forbert. $etjt begann fid) in Sluguft ber greifet Qn t,er
9ted)tmäfjigfeit beä gegen ^3. eingefctjlagenen Verfahrens ju regen unb fein ©e=
miffen ju fd)lagen. 2)a3 Vemufjtfein feiner ©djulb, bie $u*ä>t bor bem £aren
unb ber öffentlichen Meinung riefen bie Vebenfcn mad), meld)e bie Ueberant=
mortung ^atfurs berjögerten. $en Umftanben feinc3meg§ miberfpredjenb erfdjeint
un§ bie Wittljeitung, s^uguft Ijabe ^. im geheimen bie vl)cögltd)feit ber ^lud)t
eröffnet, iebod) fei bon biefem ba§ anerbieten in bem äöunfdj burd) ben llrt(jeil§=
fprud) eines ®erid)t§rjofe§ ©cnugt^uung au erhalten, abgetelmt morben. hoffte
er bod) immer nod) auf bie ©a^mifdjenfunft beö 3a^en- eine trügerifdje Hoffnung!
ßarl XII. bertangte energifdj bie Slu^iütjrung be8 geiebenStractateS, unb länger
magte man ben unerbittlidjen ©djmebenfönig nid)t ju reiben. $n ber sJtad)t
mürbe 5p. einer 9teiterabtt)eitung be§ ©eneralmajors b. "UJteberfetb ausgeliefert
unb in Letten abgeführt (7. Slpril 1707). |)eftig f tagte ber ßar in feinem
©djreiben an ilönig 5luguft unb an ben Äaifer über ba% feinem ©cfaubten
angettjane Uured)t — 311 fpät! ^atful'8 ©d)idfal mar, nadjbem er feinem
unberfbtjntid)ften ^einbe in bie ^änbe gefallen, entfd)ieben. 3n ßajmieta lie^
ßarl XII. fein graufameS Urtt)eit am 10. October 1707 bollftreden. 3)er iÄegi»
mentSprebiger ßorenj ^pagen, ber Veridjterftatter über jenen fdjredlidjen Vorgang,
bereitete ben Unglüdlidjen jum 2obe bor. 2Bof)t mufete ber Verurtt)eilte, ba^
er am Snbe feiner ßaufba^n ftetje, ba^ ir)m feine geinbe fdjaubererregeube harter
befdjieben, a^nte feine ©eele nid).t- Von einem in feinem Jpanbroerf ungeübten
genfer mürbe er, mie Maxi XII. e§ angeorbnet, geräbert unb gebiertljeitt, unb
feine ©ebeine fottten auf bem Vtutgerüfte bermobern. S)a§ mar ba§ (Snbe be§
5ßatruban — Sßatuaai. 237
einft fo mädjtigen ©taat§manne§, melden baä ©d)idfat in ben ©treit ber brei
norbifdjen #errfd)er berwidelt ^atte, auf bie fein 2lu§gang einen metjr ober
weniger bunflen ©Ratten wirft. ßönig 2tuguft fjatte fidj lp. gegenüber einer,
cor feinem 9tid)terftuf)l au red)tfertigenben £anblungsweife bebient, $ar ^eter
fid) Mangel an Energie unb ©teidjgüttigfeit gegen feinen treuen Wiener ju
©dmlben fommen laffen, fiarl XII. aber burd) biefen graufatnen 9fiad)eact für
alle Reiten feinen |>elbenmutt) befledt.
SBernouEi, 3ofj. Steint), ü. ^atful'3 33erid)te an ba* jarifdie gabinet.
23b. 1-3. 1792—1797. — Otto 21. 2Bernid), £er Siblänber 3o$. Steint),
b. 5patfu[. 23b. 1. 1849. — Yctp^tob-l, IIcTopüi UapcTBOBanifl IleTpa Be.ui-
uaro, Tomt, IV. 1883. — g. ©djttten, £ibl. 2lntWort. 1869. — gr. SBiene-
tnann, 2lu§ Baltifdjer Soweit. VI. 1870. — ß. b. 3arod)OW§fi, «patful'ö
2lu§gang. fteue§ 2lrd)ib für fäc^ififcfje ®efd)id)te. 23b. 3, 1882—1883. —
Otto Sjögren, 3ot)ann Steint). SßatfuI, ^iftorif Äarafteräbilb. 1882. — 6.
Seinen, Ueber gfrebrif gerb. ßarlfon'S Gart XII. %% I. ©öttingifd)e gel.
Stnj. 1883. — (Sb. 23obemann, Seibnifeenä $(an einer ©ocietät ber 2Biffen=
fdjaften in Saufen, fteueg 2lrd)iü für iädtjfifd&e ©efdjidjte. 33b. 4. 1883. —
6. ©girren, tyatM unb Seibnifc. «Dtitt^. au§ ber tiölb. ©efd)id)te. 35b. 13.
1884. — (J. fettig, 3fot). Steint), ö. «ßatful. 9lorbifd)e Stunbfdjau 33b. 3.
1885. — #. d. 23ruiningt\ ^atfutiana a. b. liblb. £ofgerid)t3ard)iöe. «ülitt^.
a. b. liölb. ©efd)id)te. 23b. 14. 1886. «Dtettig.
^atrilbatt: $arl ö. %, 2lrat, al§ ©orjn eine§ tjodtjgefteECten ftäbtif d)en
Beamten 1816 in Söien geboren, batte bafetbft 3Jtebicin [tubirt unb 1839 bie
Soctorwürbe erlangt. @r war juerft mit Sauge aU 2lfftftent an bem unter ber
Seitung öon 23erre§ ftefjenben anatomifdjen Snjiitute tt)ätig, 1842 mürbe er
als ^rofeffor ber Anatomie unb ^tmfiologie nad) $nn§brurf unb balb barnad)
atö Sßrofeffor ber ^tjbjiologie nad) ^rag berufen, infolge feiner bolitifcfcagi*
tatorifdjen £f)ätigfeit im 3af)re 1848 faf) er fid) öerantafjt, öon biefer amt»
tid)en ©tettung aurticfjutreten ; er ging nad) Söien, mo er, als begüterter «Ucann,
fiel) miffenfdjafitid) befctjäftigte, aud) als (5t)irurg bractifdt) ttjätig mar, befon*
ber§ tjaben bie öon itjm mit ©lud aufgeführten Unterbinbungen ber $obfbuI§-
aber unb bie öon itjm geübten 9teröenbermungen feinen [Ruf als Dberateur be=
grünbet. „Sie legten 3afjre feines Sebens", erflärt fein 33tograpt), „beibrachte
^3. in gänatidjer 2lbgefd)iebenf)eit. ©eine fonft fo rege £t)eilnat)me an bem
öffentlichen unb miffenfd)aftlicf)en gehen, feine agitatorifctje 2l)ätigfeit auf boli*
tifdjem unb miffenfdiaftlidjem ©ebiete mar einer boEftänbigen Stpat^ie gemieden;
tjarte ©d)idfal§fd)läge , fdjmeraüdje gamilienereigniffe Ratten ben fräftigen,
energiferjen 5Jlann gebeugt" unb fo ift er nac^ längerem fet)r qualbollem Seiben am
2. October 1880 geftorben. ©eine litterarifcl)e £*jätigfeit ift eine befc^ränfte
geblieben: er t)at einige bllbfiologtfclje unb d&irurgtfdtje Slrtitel in berfcf)i ebenen
mebicinifd)en 3eitfc£)riften beröffentlidtjt, au|erbem ift er biete 3fal)re mit ber
gftebaetton ber bon bem 5Doctoren--SoHegium ber mebicinifdjen ^acultät in SBien
ljerau§gegebenen „ßefterrcidtjifd&en 3eitfct)rift für jjraftifc^e ^eilfunbe" befc^äftigt
getoefen.
ÄrauS in Söiener aügem. meb. 3eitung 1880 «Jlr. 40, ©. 429.
21. $itf<*.
^>atUJ3t : 2Xlejanber gbuarb ^o^ann Sofeplj ty. entflammte einer
italienifctjen Familie, bon ber fiel) ein 3^9 m Oefterreidc) niebergetaffen I)atte,
unb mürbe am 11. 'jUMra 1813 in Söien geboren. @r ertjielt feine ßrjieb.ung
im @lternljaufe unb bann burdtj fieben ^aljre im gräf(ict) ßömenburgifcb,en 6on*
biete, worauf er in SBien ba§ ©tubium ber 3)cebicin begann; bod) unterbrach
er ba§fetbe unb Wanbte fid) nunmeljr bem 23ud;l)anbel ju. Ütadjbcm er tjier
238 Stofcte.
unb ba conbitionirt, tont er auletjt bei J?oümann in ßeipjig al§ ©e^itfe ttjätig,
brad) bann aber mit feinem 93ctufe unb fütjrte nun feit 1838 ein $at)rjer)nt
tvtnburd) ein frötjlidjeS SOßanberleben. 6r burd^ftreifte , meift 3U fjfufe, Oefier=
rcid), 5Deutfd)tanb, bie Sdjmci,} unb Italien, ja er medjfelte aud) nad) feiner
Sermäfjtung mieberljolt feinen Slufentljalt. ßängere 3eit roeitte er in 2Mrtem=
berg, roo er ben Üiebactionen ber ,,Sd)ncEpoft" unb bann ber „Gfjronif" ange*
l)örte. £rotj be§ unftäten £eben3 fanb ty. bod) nodj 9Jtufee, fic£> aU 2>icf)ter ju
bettjätigen. 9lad)bem er mit einigen Wobellen ,,2)er finftere -üperjog", ,,3)te
£aufe beä ©rftgeborenen" , „Sie tobte Sdjmefter" (1840) be6ütirt tjatte, bet=
öffentlid)te er ben ßieberfrana „S)e8 2Banbercr8 ^itgerfalrrt unb £)eimferjr" (1841),
ber manche ©ebicfjte enthält, bie Don poetifdjem Sinn unb Talent zeugen, barauf
,,Sd)roäbifd)e Sagen = 6rjronif" (1844), ,,3)ie beiben 23ürgermetfter Don Ulm"
(1843), ein IjiftorifdjeS ütrauerfpiel in 5 bieten, in bem er einen gut geroätjlten
Stoff leiber roenig glüdlid) burtfjgejütvrt rjat , unb enblid) ,,2)er üttjron bon
SMrttcmberg" (1848 ) einen 23allabenct)ftu8, ber einzelne roerttjbolle ©emälbe enthält,
aber in formeller Jpinficfjt rote in poetifdjer 21uffaffung ber ^erfouen biet ju
roünfdjen übrig läfet. 6nbe ber Diesiger Starre ferjrte *ß. nad) ber ,£)eimatt) ^u=
rüd, roirfte 1850 in ©raj an ber Sftebaction ber bort erfdjcinenben SanbeSjeitung
mit unb nafjm 1851 feinen bauernben 21ufentt)alt in SGßien, roo er feitbem bon
bem (Jrtrage fd)riftftellerifd)er arbeiten ber berfd)iebenften 9lrt lebte. %m %. 1859
roeilte er einige Monate a(§ 23erid)terftatter für mehrere 3>ou*nale auf bem
$rieg§fdjauptat$e in Italien. ,,£)em £>aififd)t)unger be§ ßrroerbenS preisgegeben",
fanb *J3. nur roenig 3eit, oet ^oefie ju rjulbigen: aufeer einem £rauerfpiete in
3 SIcten unb einem 23orfpiete ,, Honig unb Slebtiffin" (1853) fjat er nad) biefer
Seite r)in nidjtö metjr beröffentltdjt. dagegen roanbte er fid) bem ernften ©c=
biete ber ©efdjidjte ju unb fdjrieb eine ,,(Sefd)id)te Defterreid)§, bem 2Mte er=
jäcjlt" (1864) unb bie „©efdjidjte ber ^äpfte" (1867), an beren 23oüenbung er
inbefe burd) ben ütob bertjinbert mürbe. 23eibe arbeiten finb bon ber fadjmän=
nifdjen $ritif entfdjieben jurürfgeroiefen morben; fie finb gerabeju unbebeutenb
unb tragen alle Sdjroädjen einer unboüenbeten Siitbung jur Sdjau. ty. ftarb
in äöien am 10. 5lprit 1869.
aBur^bad), 23iograpt)ifd)e§ ßejifon, 21. 23b. , S. 355. — Äurj, <$c=
fd)id)te ber beutfdjen Wationatlitteratur, 4. 23b., S. 360.
3 ran,} 23 r ü m m c r.
^O^fc : Sodann Samuel 5p. mürbe am 24. Qctober 1727 jii
^vantfurt a. £). im $aufe feineä ©rofebater§ geboren unb bon bem teueren
aad} exogen, ba ber Sßater beä .Knaben, ein armer Slccifebeamter in Seelom bei
granffurt, bie Sorge um bie (Sr^iermng feinet $inbe3 gern bem ©rofebater über=
liefe. s^. befudjte bie granffurter Oberfdjule unb jeidjnete fid) frier fornor;! burd)
feine gär)igfeiten al§ aud) burd) feine S)ürftigfeit au$. SBegen feiner atm«
fetigen .^leibung moüte iü)n fogar ber föector bon ber Sdjule bermeifen : ein
®elegenljeit3gebid)t, ba8 5p. jur ^>od)]eit§feier beö 9tector§ berfafete, ermögtidjte
il)m ben 2Beiterbefud) ber Scrjule, bon ber er 1748 jur llniberfität feiner 23ater=
ftabt überging, -grier, roie aud) fpäter in .stalle, mof)in ir)n ber 9tuf 23aum=
garten§ gebogen tjatte , lag er ben tljeotogifdjen Stubien unter großen (Sntbefj*
rungen, aber aud) unter bielfad)en (jrroeifungen göttlidjer ©nabe ob. Seinen
Unterhalt ermarb er fid) tfjeilS burd) ^auSinformationen, infonbertjeit aber burd)
SIbfaffung bon ©elegent)eit§gebid)ten, morin er eine grofje (Semanbtljeit befafe.
21ud) liefe er nod) in £)atle eine Sammlung feiner ,,©ebid)te" (1750) erfd)einen.
Wad) 23eenbigung fetner Stubien fel)rte er nad) 5van!furt äiirüd, too er fid) mit
ber SSorbereitung jur Uebernarjme eine§ ^rebigtamte§ unb mit fd)riftftellerifd)en
arbeiten befdjäftigte. 3U letzteren gehörten „Sieber unb grjätjlungen" (III,
?Pa&fe. 239
1754); „SKrginia, ein Strauerfbiel" (1755) unb eine Ueberfefcung bon ,,©eS
«PubliuS £erenaiuS Suftfüiele" (1753), üon ber bie bamatige ßritif behauptete,
„bafj «Jkfefe'S £erena bie erfte beutle Ueberfe^ung biefeS ©tdjterS fei, bie fid)
lefen liefje". Snamifdjen war «£. mit bem Dbertjoförebiger ©ad in Berlin be=
!annt geworben, unb biefer empfahl irjn an ben eblen «Jflarfgrafen £>einrid) bon
©d)Webt au ber erlebigten «pfartftette in SßormSfetbe nebft ©totaenburg bei
SanbSberg a. b. Söartlje, bie iljm benn and) im 3- 1755 übertragen mürbe.
£atte fß. t)ier aud) bei geringem ©infommen mit Mangel unb Strmutl) ju
fämpfen, fo lenfte (Sott bod) baS £era beS «Utarfgraien, bafj er feinen ^rebiger
ott auf bie ebetmütt)igfte unb jugteid) finnigfte 20ßeife befd)enfte unb unter=
ftüfete. ©djmer t)atte «jß. unter ben ©rangfalen beS fiebenjätjrigenS ÄriegeS ?>u
leiben. SSalb nad) feiner «Bert)ciratt)ung fielen bie «Jiuffen unter gfermor (1758)
in bie «Jceumatf ein, berWüfteten «ßafcfe'ä Sßofmort nnb bermanbetten fein «Pfarr-
haus in eine «JJtörbergrube, fo bafj er fein geben nidjt t)ätte friften tonnen, menn
if)tn fein alter, bewährter «IBotjlttjäter, ber «ütarfgraf, nid)t monattid) 8 £t)aler
Ijätte au§aat)len taffen. 3m folgenben Satjre mürbe $. Pfarrer in ßie^en (nidjt
Sinken, ßenaen, Siegen) bei gfranffurt a. £)., rjatte aber t)ier unter bem erneuten
(Sinfatt ber Muffen in bie «Dcarf abermals fdjWer au leiben. &ter entftanben
aud) bie „greunbfdjafttidjen Briefe" «pafcfe'8 (1760), bie fpäter unter bem Sitel
„«Briefe bon bem Skrfaffer beS ©reifes" (1767) neu herausgegeben mürben, 3m
§. 1762 fam er auf @mpfet)lung beS «fltarfgrafen als «ßrebiger an bie tjetl.
©eiftfirdje nad) ^cagbeburg, mo fid) it)m ein meiteS ftetb ber SE^atigteit eröffnete.
Sfogefpornt burd) ben atigemeinen unb gerechten Seifaß, beffen fid) fein 3lmt8=
genoffe ju erfreuen tjatte, öermenbete 5ß. ben anbauernbften ftleifj auf feine
Äanjelborträge unb bilbete fid) fo ju bem großen ßanaelrcbner auS, für metdjen
er bis ju feinem £obe gegolten t)at. Sie «Hncrfennung, meld)e feine ^ßrebigten
fanben, beranlafjte it)n aud), brei ©ammtungen berfetben in 7 SBänben burd) ben
©rud au beröffentlid)en, unb brei meitere Sammlungen finb nod) nad) feinem Xobe
erfd)ienen. 2118 ©d)riftfteller mirlte $. befonberS für «BotfSbeletjrung unb SBeffe»
rung burd) Verausgabe Don 9Bod)enfd)riften, mie „©er ©reis, eine 2Bod)enfd)rift"
(XVI, 1763-69), „©er 2öopi)äter, eine 2ßod)enfd)rift" (VI, 1772—73) unb
„2ööd)entlid)e Untergattungen" (mit ©d)ummel unb SSerf^an f)erau8g. , III,
1777—79). giod) nie juöor mar in «JJhgbeburg ein Mittel biefer 3Irt gebraucht
morben, um Äenntnifie unb eble ©efinnung unter baS Söolf ju bringen. (Sinen
gleichen 3wed berfolgte $. mit feinen geiftlidjen ©ramen („©abib'S ©ieg im @id>
ttjal", 1766; ,,©aut, ober bie ©ewalt ber9Jtufif", 1777; „bie ßeiben Sefu", 1776;
„Slbel'S £ob", 1769; „bie «Äuferftetjung 3efu" u. a.), weldje bom «üeufifbirector
«Rotte in «öcufi! gefegt unb in ben Söinterconcerten unter folgern SSeifatt aur
Stuffütjrung gebracht mürben, bafe fet)r biete 5lrien bexfelben ju «BolfSliebern ge=
morben finb unb nod) tjeute gefungen werben, ©bäter gab er biefe ©ramen
mit anberen ©ramen auS ber griedjifd)en unb altgermanifd)en ©öttertetjre unter
bem Xitel „«Utufüalifäe ©ebid)te, nebft einem 5lnl)ange einiger Siebet für $in=
ber" (1780) heraus. 3rn % 1769 war«p., ber fid) in feiner ©emeinbe bte un=
begrenatefte Siebe unb 3ld)tung erworben tjatte, auw «ßaftor unb ©enior beS
«DltnifteriumS ber ^Itftabt «JUagbeburg ermaßt worben unb füllte fid) in btefem
SSirlungSlreife fo mo^t, ba?3 er berfd)iebene e^renöoEe «Berufungen nad) «ßeterS=
bürg, $attc unb S3raunfd)Weig ablehnte, ©ie legten brei ^a^re feines SebenS
^atte er mit ben größten ^brperfdjmeraen unb «8efd)Werben au fömbfen, btS enb=
lid) ber 2ob am 14. ©ecember 1787 feinem Seben ein ßnbe mad)te. «p. War
einer ber adjtungSWertrjeften unb ebelften «JJcenfd)en. 6r befafe ein reid)eS «mafi
bon ©eifteSfräften unb Talenten unb tjatte feinS berfelben unauSgebttbet unb
unbenu^t gelaffen. ©ein «Berftanb War geftärt, fein ©efdjmad geläutert, fem
240 ^aucfer.
Urtivit gefdjätft. %n metjr al§ einem ^acrje ber Söiffenfctjaften tjatte et ftdj
einen nictjt geroörjnlicrjen SBortaU) ber gtünblicfjften $enntniffe etmorben.
®. Jp. Sorbens, gertfon beutfdfjer Sinter unb ^rojatftcn, IV. 93b., ©. 154.
— $od), ©efcrjtcrjte be§ $ird)enlieb§ unb Äircfjcngefangä, VI. SBb., ©. 293.
ftranj Stummer.
lautier: Äatt £einrtd) Ü.$., 2lrd)äologe unb ^ilologe, 1820—1883.
©r rourbe alä ber ©ot)n eine§ eüangetiferjen DberlefjrerS Don abeligem ©tanbe
(f. u.) in sDlitau am 7. ©ecember 1820 geboren, befugte feit 1833 ba§ bortige
(Srjmnafium unb fpäter bie Uniöerfität ©orpat, mo er unter prellet unb sJleue
clafftfeeje s}>t)iIologie ftuoirte. 3m ©ecember 1844 mürbe er (Sanbibat, ging bann
nact) 23erlin, mo er brei ^arjre rjinburdj namentlid) ©erwarb unb SBötft) tjörte,
fetjttc bann nact) ©orpat jutücf unb mürbe tjier im sJJtär;j 1850 auf ©runb feinet
©iffertation „De Sophocle medici herois sacerdote" jum "Dtagifter promoüirt.
$n bemfelben i2Sat)te mutbe et Oberlehrer am ©rjmnaftum in ü)titau, üornet)m=
lid) für bie gtied)ifd)e ©ptadje, unb blieb in biefer SteEung, biö er 1861 al§
aujjerotbentlidjer ^rofefjor für claffifctje s.pr)ilologie unb s}>äbagogif nad) ©orpat
berufen mürbe. 9tad)bem er im Wära 1870 ^um ©octor promoüirt mat („De
latinitate scriptorum historiae Augustaeu), mutbe et orbentlictjer ^tofeffot, aud)
1872 — 74 ©ecan bet plnlofoprjifctjen ^acultät, ttat abet nact) öollenbeter
25jal)tiget SDienft^eit 1875 in ben 9hir)eftanb. (Sine neue Berufung an bie
Uniöerfität in $afan letjnte er ab , übernahm aber nod) für menige $al)re bie
(Stellung al§ ©itector ber Äutlänbifdjen @oubernementä=©ctjule in sUlitau. ©ie
testen ßebenäiatjre berbradjtc er in 9tetial, mo er am 7. Uluguft 1883 fiarb. —
(Seine aacjlreidini ard)äologifd)en ?lbb,anblungcn erfdjienen ttjeilö in ben „arbeiten
ber ffutlänbtfdjen ©efcHfdjaft" (9llcon, bet .£>etoä bet paionifdjen ^eitftaft; baä
attifdje s4>aüabion u. a.), ttjeite in ©etfjatb'ö „©enfmälern" (jttcrjilleä auf Seufe ;
Stermeroä; ^etfeu§ unb 9lnbromeba; ©iosfureu in ©elpfu* u.a.); bie eigentliche
pb,ilologifd)e Arbeit ^cmtfet'8 etfttedte fid) auf bie lateinifd)e ©pract)gefd)id)te,
Söortbitbungslerjre unb ßejicogtaplne; auf bie „Addenda lexicis latinis" 1872
folgten in einet grofjeuüteifje üerbienfttidjer^oi'tfetmugen unb (Sinjel-Unterfudjungen,
ttjeilS alä felbftftänbige ©djrifteu, trjeitg in ben berfduebenften prjilologifctjen $eit=
fdjriften, fetjr mertl)üolle ^Beiträge <$ur Äenntnif; ber lateinijdjen ©pracfje. (Sin
öoüftänbigeö äiex^eid^nife biefer arbeiten f. bei 9tönfd), Wadjroort ju «jjaudcr'ö
Vorarbeiten pr tat. ©prad)gefd)ict)te.
«!perm. Ütönfd) , $arl oon ^auefer, in ^to. *DlüüeiJ§ biograptj. ^atjrb.
für 2lltertt)um§tunbe. 6. Safjrg. für 1883, ©. 93 ff.
9t. £ocf)e.
^aittfcr: Magnus ©eorg ö. 5ß. mürbe am 15. ftobember 1787 als
©otjn eine§ ßanbpfarrerä in föfttanb geboren, genofj juerft eine fetjr forgfältige
©rjietjung im elterlichen Jpaufe, bann feit bem 11. 3at)re bei einem Oljeim in
Söefenberg ; auletjt ertjiett et mit metjteten gleichaltrigen Knaben ben Unterricht
ju £>aufe buret) einen fenntnifereidjen ^>au§lef)rer 3o§- §einr. f^i^ejuftuS A^eufer
au§ Ghfurt, ber feinem 3öfl^nS insbefonbere eine entfdjiebene Neigung ^u ben
matfjem. SÖöiffenfctjaften einflößte, ^m ^. 1805 be^og er bie Uniöerfität ju
S)orpat unb gab fid) untet ßeitung bet 5]3tofefforen $attot unb 3. 20. -Pfiff otm
(Stubium bet 5pt)t)fif, Slfttouomie, ^lec^anif unb £)t)btauli£ mit bem größten
@ifer tjin. ©djon alö ©tubent öer öffentliche er „afirognoftifetje 9lotijen" unb
„über ben ©etjungebogen bet ^ijfterne" in Sßfajfä aftrouomifcb.en 23eiträgeu (2)orpat
1806). 5p. bottfüt)ite aud) im ©ommer 1808 bie Sermeffung be§ ©mbacrjftromä
in Siblanb üon feinem 2lu§flu| au§ bem Söüräjärro bi§ ^u feinem @inftufe in ben
Speipusfee trigonometrifd) ; boeb, mürbe bie Arbeit erft 50 ^atjre fpäter publi=
^Paurfer. 241
citt („Sermeffung beS gmbadjS, feines SaufeS unb feines ^rofilS im ©ommer
beS %. 1808", Sorpat 1855). 8m 3. 1809, nadjbem et feine ©tubien m
Sorpat beenbigt tjatte, ging er nad) ©t. Petersburg unb erridjtete bei garSfoje
©elo ben etften £elegraprjen in 9tufclunb. 6r bereitete jtdj bor, in baS ^nftitut
ber Ingenieure einzutreten, um jtdj fpäter gan3 ber ^rajiS p rotbmen, als ifnt
im £erbft ein 9tuf nad) QBiborg (ginntanb) als Oberlehrer ber Etatljematif
führte. £ier toeitte er iebod) nur furje 3eit. ©djon im Slnfang 1811 als
Dbferbator an bie ©terntoarte nad) SDorpat übergefiebelt, begann er mit ©rfolg
Sorlcfungen über 2Inalt)fiS, Differential unb 3ntegral=9ted)nung ju Ratten. °$m
sJJlära 1813 ertoarb er fid) bie SBürbe eines SoctorS ber $I)ilofop£)ie (Diss. de nova
explicatione phaenomeni elasticitatis corporum rigidorum) unb tourbe im Januar
beffelben SatjreS aum aufjerorbenttidjen s£rofeffor bei attatljematif ernannt Srojjj-
bem gab er bie afabemifcrje 2aufbat)n auf unb natjm bie ©teile eines £)ber=
letjrerS ber mattjemattfcrjen unb pl!)t)fi£alifd)en Söiffenfdmften am ©bmnafium in
9Jtitau im Sluguft an. £iet eröffnete fidj iljm ein jroar nidjt fetjr toeiter, aber
reid) gefegneter SBirfungSfreiS für ^ugenbbilbung unb Verbreitung wtffenfdjaft»
lieber Äenntnijfe, bem er mit unermüblidjem (Sifer ein ooIleS sJJtenfdjenaIter
feine befte ßraft unb feine reichen Erfahrungen getoibmet t)at. @r begnügte
fid) aber nirf)t mit bem bloS münblidjen Unterricht in allen gtoeigen ber 9Jcatl)e=
matif unb Sßljtyftf, fonbem fuct)te audj burdj ja^lreidje ©d)riften ber Söiffenfdjaft
in toeiten Greifen 2lnf)änger unb greunbe ju üetftljaffen , toobei er fpäter bor=
nerjmtid) bie practifdje Slntoenbung ber toiffenfdjaftlictjen Qmungenfdjaften auf
gemeinnützige gtoede im Seben unb SSerfefjr ber 9Jcenfd)en im 91uge rjatte unb
nacr) allen ©eilen burdj SBort unb ©crjrift anpbatjnen bemüht mar. lieben
feinen ©djulpflidjten unterzog er fid) bereittoiflig ben arbeiten, toeldje baS Slmt
eineS beftänbigen ©ecretärS ber ßurlänbifdjen ©efellfdjaft für ßitteratur unb
$unft mit fidj bradjte; er betätigte fid) ferjr energifd) an ber Söfung ber bie
®efettfd)aft befdjäftigenben fragen rjifiorifcMitteranfdjen toie toiffenfdjaftlidjen 3n=
tjaltS. 9tadjbem am 28. 3uli 1818 Dr. ^>utt) , ^rofeffor ber Slftronomie, in
2)orpat geftorben unb s}>rofeffor 23ranbeS (SreSlau) ben 9tuf nad) Sorpat auS=
gefdjlagen rjatte, tourbe bie Sßrofeffur ber 2lftronomie unb 5ftatrjematif !p. an-
getragen — allein 5ß. lehnte ab. Unb nod) einmal tourbe itjm ein 9iuf ju
tfyeil: im $. 1831 tourbe itjm ber efjrenöotte Antrag gemadjt, bie ©teüe eineS
orbentlidjen Witgliebe§ ber f. 2lfabemie ber 2Biffenfd>aften ^u ©t. Petersburg
einäunetjmen. Slber 5p. naljm ben Antrag nidjt an: er 30g eS bor, in ^Dlitau
in feinen bisherigen Sertjättniffen unb in ber itjm liebgetoorbenen SImtStoirffamfeit
p bleiben. @S toaren tebigtid} gtürffidjten auf feine fSfamilie, toeldje i^n ju
biefem ©djritt berantafsten. 2lm (Snbe beS ^a^reS 1846 gab er fein 2lmt am
©rjmnafium auf, um ganj feinen toiffenfd)afttidjen Neigungen su leben. @r
ftarb au «ölitau ben 19. Sluguft 1855. Sie ^atjl ber bon % berfafeten 916»
tjanbtungen ift fc^x flto§ — fie finb in gtede=9cabierSfb, III, ©. 390—393,
Seife'S 9tad)träge baju II, ©.109 — 113 in d)ronologifdjer Reihenfolge aufgeführt.
Slu^er einigen Programmen unb Sieben unb bieten Sluffäfeen in ben ^at)reSber=
tjanblungen ber ^url. ©efeüfd)aft nennen mir: „Sie ebene ©eometrie ber ge=
raben Sinie unb beS iheifeS ober bie Elemente." @rfteS S3udj, Königsberg 1823,
„Memoire pour la construetion geometrique des equations du troisieme degre
et sur les propriötes principales de ces equations, demontrees par la geomötrie
elementaire" (Memoires de l'Academie des sciences de St. Pötersbourg 1846
Tome X, p. 158 — 266). (Sine fetjr umfaffenbe 3lrbeit lieferte er über bie
9Jletrologie 9tufjlanbS unb fteüte biefelbe tjanbfdjriftlidj ber Petersburger 9lfa=
bemie bor, toeldje iljmbafür bie boHe ©emiboto'fdje Prämie bon 5000 Ütbl. 33. 2L
berliet). Sine Sfteirje arbeiten befunben feine Stjätigfeit auf ber 9Jiitauer ©tern=
aüflem. beutffte Siontab^te. XXV. 16
242 laubig.
roarte: „IRefultate ber 9lbetrationgtt)eorie ber ^iyfterne, Planeten unb Kometen",
über correfponbircnbe ©onnenfyöljen (S3obe'g aftron. ^a^rb. 1818 — 1828). @r
fdjrieb „9Jletrologie ber alten ©riedjcn unb Körner" (Sorpater ^atjrbüctjer für
ßitteratur, ©tatiftif unb Äunji V. 1835, ©. 177—217; ebenbafelbft eine Skltia-
tiongtabelte römifcfjer 2)cnatien, tierglict)en mit ruffifdjem (Seroicrjt unb SJlün^e.
gerner „bie9Jtaa£e unb ©eroictjtegtufjlanbg unb feiner Sßtobinjcn" (©djumadjer'g
3at)rb. 1836 u. 1837); „^unbamente ber ©eometrie", I.— IV. (Surfug gongruenj,
$araEeltiuicn, ^letjntidtjfeit, «ötttau 1842, V.— VIII. Gmfug Seidig 1842; „bie
©auffifdjen ©teidjungen beg 33ogenbreietfg unb ^roei merfroürbige ©äfee bom 9ftaum",
3Jtitau 1844; „$ie Sitbletjre", Seipjig 1846 u. f. to. «paucfer'ä treffliche
©Stiften unb practifdje arbeiten fidlem itjm für alle $eit einen roürbigen *pinij
in ber ©efcbidjte ber SBiffenfdtmft.
föecte^tapiergfti III, 390—393. — Sßeife'g «Rasttage II, 109—111. —
9tefrotog im 35orpater „^ntanb" 1855 9tr. 40 — 42 unb ein ©onberabbruä
baraug; auet) in ©runert'g 9lrcr)iti ber 5Jiatr)ematif unb 'Spcjtjfif, XXVI. Sit.
33er. CI. 1—14. 8. ©tieba.
Itallbiß: ©rjriftopr) s$. (ntdjt Sljriftian, roie ^örfter angiebt), $au =
bik, iöaubit;, ^aubij, ^aubifdj, ^ubife, 23 au bieg ic, bertiorragen=
ber 9Jtater aug töembranbtg ©djule, rool aber fein ©djület föembranbtg felbft.
lieber fein ßeben roiffen mir nur menig. @r foH 1618 in 9lieberfad)fen geboren
unb 1666 (nidjt 1669, roie £übner tiermeint) ju greifing bei sJMncr)en, bon
too 5lac^rid)ten über il)n leiber nietjt eingegangen finb, atg Hofmaler beg 5ürft=
bifdjofg bafelbft geftorben fein, ©t felbft giebt 1660 in einem ©ctjreiben an ben
Äutftttften bon ©adjfen, beffen Hofmaler et bamalg roat, an, bafj er fict) ge-
raume geit ,M Ungarn, in Wiebetlanbt unb anbern Orten" aufgehalten tjabe.
©ein tiorjüglicbjteg Sßerf bürfte bag im Ä. ©. 3fagbfdjtoffe <ju sIftoritj6urg be=
finblidje, einen inmitten reicfyer ^agbbeute mit 9lugroeiben bon SBilb befdjäTtigten
Säger (ty. felbft) barftellenbe ©emälbe aug bem 3at)re 1660 fein , roeldjeg et
bem ßurfürften 3ot)ann ®eotg II. bot feinet Uebetfiebelung nadj 2ßien Oeteljtte.
$n ber SDtegbnet unb ber SCßienet («eltieb'cre, ©. ©feil, toerfauft 1870) ©alerie
finb ebenjaflg mehrere ©tücfe tion s4>aubij$' ißinfel auf6eroat)rt , bcggleidjen
in bet alten ^inafotrjef $u 9Jtündjen, be<jro. jetjt im ©cfjloffe unb in bem ©e=
mälbebepot ^u ©djleifjtjeim bei s33tün<^en, im 2)ome ju fJreijinQ, in ber ©alerie
ju 9luggburg (bag im ßanbauer 23rubert)aufe ju Nürnberg aufberoarjrt geroefene
©tücf ift nidjt metjr bort), aud) 1852 rourben mehrere ©tücfe bon ^5. aug bem
©taatgbefitje tieräufjert (noef) 1805 befanb fict) bag fetttjer tierfctjoÜene 23itb in
ber furfürftticb,en ©alerte), in SÖürjburg, 2)effau, $rag (9toftib'fd)e ©ammtung),
roatjrenb bie Eingabe, eg befifce and) ©d)roerin 2öer!e tion ^3. , unbegtünbet ift.
Sagegen beftnbet firf) in ^etergburg (Eremitage) ein ©tillleben bon ib,m , audj
rourbe eine intereffante unb übetaug cutiofe 3ltbeit tion il)m tiot fütjerer ^eit in
Äöln berfauft (SBtebtuS i. b. ^unftc^ronif 1886). 5ß. foE aug ?lerger über eine
mit bem unbebeutenberen Tiermaler 9tofent)off (^tanjigfug ülöffel?) mi^glüdte
Goncurrenä — ©anbrart? — (jeüt in ©d)(ei^i)eim, bag 9tofenl)off'fc^e in Bamberg,
Katalog Dir. 330, be,v Franciscus Roesel von Rooshoff f. anno 1666) geftorben fein,
©anbrart, £$rüfjli, 2)egcampg, ,g)oubrafen, Stuüiot, götftet (®efc^. b.
btfd§. Äunft III, 1855), Söaagen (^unftroerfe unb. Äünftler in ©tfc^l. , I,
1843), Sttian, ©ianletj, 33alfema, Ätamm u. f. ro., Dtaglet (Äünftletlejriton
unb IHonogtammiften), äöoetmann (33taun'g S)re§bn. ÖJatetieroetf XI, 374),
Siftel ( 3eitf ti^rift f. «ölufeol. Sförg. IV, Dir, 22 unb ^unftc^ronif, 20. ^tg.,
Dir. 32), bon (Sngertt) (©cmälbe, II. 33b., 1884). $n bem Sregbner ©alerie«
fatalog — 5. ?lufl. (^übner) — ift unter Dir. 1819 ftatt 1689 1659 au
lefen. Sfjeobor S)iftel.
$aul griebrid), ©rofcf). b. s2)iecflen()iirg=©ä)toertn. — 5ßaul, .£>. b. 2Bürtemberg. 243
s^aul grtcbrt^, ©rofstjerjog bon 9Jtecflenburg = ©cr)wcrin, war geboren
am 15. (September 1800, f 7. ajldrj 1842. <$r war ber ©o§n beS @rbgro&=
tjeqogS t$riebrid) Subwig, nad) befjen £obe am 29. ftobember 1819 er fetbft
ßrogrofjtjerjog würbe, unb ber ©rofjfürftin Helene ^autowna, ber Jodetet Äatfer
«Pauls bon 9tufjlanb, bie fcfjon am 24. ©ecember 1803 ftarb. 1814—1818
würbe er in (Senf ausgebildet, befudgte bann ein 3afyx 3fena unb banadj bie
Umberfität ÜtoftodE. ^tactjbem er fictj am 25. 9Jtai 1822 mit ber ^rin^efftn
2ltej:anbrine öon ^reufjen (ber ©ctjwefter $aifer ÜEßiltjelmS) bermät)lt tjatte,
juccebirte er feinem (Srofjüater, bem ®rofjl)erjog $riebricr) 5ranj I. am 1. $ebr.
1837. ©eine tuqe 9tegierung gitt als eine gefegnete 3eit im Sanbe; fein berbeS
unb babei freunbticfjeS, aud) bem Keinen s]Jcanne berfiänblid)eS 2Befen, bie ®e=
wanbttjeit im (Sebraudfj ber blattbeutfcr)en 9tebe, bie er aucfj feinen ©öljnen ein=
äubftan^en nictjt unterließ, ljaben ifjm bei feinen Untertanen ein banfbar=üoüu=
läreS Slnbenfen f)interlaffen, baS burclj bie fcr)lidjtfürftütf)e, tiebenSWürbige Söeife
feiner ©ematjlin noctj gefteigert würbe. 5Die rjolje $rau ^at eS berftanben , ben
£>ot)en3ottern=9tamen ben «Dcecttenburgem lieb ju macrjen. SDie 3ul'ütföei'leSung
ber sJtefibenä bon SubwigStuft nadlj ©crjwerin t)at biefe ©tabt ju itjrer ietjigen
Stütze gebracht, nacfc) bem ^ütften tjeifjt ber ©tabttfjeit, beffen Slufbau er in'S
Seben rief, bie „^aulSftabt", nad) irjm eigentlich merjr als nad) bem SIboftel bie
neue ^aulSfirdje. 2)ie ^radjtbauten ber 9tefiben<j tjat er, wenn audj titelt botl=
enbet, bod) begonnen unb geförbert. Qux befferen SSerbinbung mit ber 9tedtjtS=
geleljrfamfeit ber Uniberfität berlegte er baS medtenburgifdje OberabbeHationS=
©eridjt bon ^ardjim nadj 3toftodE. ©eine erfte bolitifdje £{jat roar bie freilief)
wiberwillig gegebene Einwilligung jur 33ermäf)iung feiner §albfcr)wefter , ber
^erjogin Helene bon '-Jftecffenburg mit bem bamalS mutrjmafjtidjen fran<}öftfd)en
£{jronerben, ^er^og fterbinanb $t)itibb öon Orleans, am 30. 9Jlai 1837. £>b*
Woljl im beften ©inne bolfSmäfjig unb in ber Söarjl feiner Umgebung frei bon
allem ©eburtSborurtljeit , glaubte er bod) ben ritterfdjaftlidfien Slbet in feinen
SSorrecfcjten fdjütjen p follen, unb als unter iljm ber $ampf ber bürgerlichen
9tittergut§befit}er um ©leidjftetlung mit ben abtigen entftanb , beftätigte er —
WaS noct) nie ©eitenS ber Regierung gefdjerjen war — am 6. ftobember 1841
burd) ein 9tefcribt ben letzteren, freilief) junäcljft nur brobiforiferj, alle beanfbrud)=
ten Söorredjte: alteinige Söä^lbarfeit in bie ftänbifdje Regierung beS „(Engeren
2luSfd£)uffeS", bie alleinige 9cutmiefjung ber „SanbeSflöfter" unb bie ritterfdjaft*
ItdCje Uniform, natürlich mit bem burdj fie bezeichneten gefeltfd)aftlid)en 9tange
(f. u. $. 5pogge). ftad} griebrieg ^aul'S unerwartet rafcf)em £obe folgte i^m
fein ättefter ©ofjn, griebridg granj II. , geboren am 28. f^ebruar 1823 : ge=
ftorben unter faft unfagbarer unb aCgemeiner Trauer beS SanbeS am
15. 2lpril 1883.
Graft Sott, <Sefct)id£)te ^edflenburgS, IL — „Wecttenburg". ^a^rbuc§
für 1845 (bon 9taabe). Traufe.
^aul: griebric^ $. 3Bill)elm, ^erjog bon SBürttemberg , ^Weiter
©or)n ^erjog @ugen§ bon 2Sürttemberg aus beffen 6^e mit Souife ^rinjeffin
bon ©tolberg=@ebern, geboren ju ÄarlSru^e in ©cl)teften am 25. Sfuli 1797,
t 3U 9Jcevgentl)eim am 25. «Robember 1860. sJtad)bem er juerft einige Qeit in
ber üreufjifdjen unb württembergifeljen ?lrmee gebient Ijatte — in teuerer erhielt
er noäj im %. 1833 ben ßtjarafter unb 9tang etneS Generalmajors — roib=
mete er fiel) auSfdjliefjlidj ben ^aturwiffenfe^aften unb ber 2änber= unb 55ölfer=
tunbe, in welctjer «g)tnficr)t er namentlich für jene geit bebeutenbe Reifen unter»
nab;m. ©o abgefe|en bon Heineren: im Dctober 1822 bis Secember 1824 in
bie ßänber am 5Jliffiffibpi, Dl)io unb 9Jtiffouri, worüber er einen Sericgt in ber
16*
244 ^axd ö°n Sernrieb.
^orm eineä Sagebuchä im ^ahr 1835 in Stuttgart erscheinen liefe ; 1829—32
nad) bem nörblidjtn Iftenfo, ben angrenzenben ütbeiten ber bereinigten Staaten,
ben bi£ babin noct) wenig belannten unfein unb lüften be§ mejifanifct)en sDleer=
bufeng; im September 1839 big Sluguft 1840 unter 9lnfd)lufe an eine miUtärifctje
(Sipebition, bie ber 23icefönig öon (Sgrjpten Utehemeb 2lli unternehmen tiefe, in bie
fbeilweifc noct) unerforfctjten Sänber ber oberen Mlgegenb ; im 3rüt)iat)r 1849
big «g>erbft 1856 wieber nach, SImerifa unb auf öerfdjiebenen Äreuj= unb Quer=
fatjrten öon ben nörblicbften SEtjeilcn ber bereinigten Staaten unb (Sanaba big
jur sjJtagtjettanftrafee; 1857 nod) einmal in bie Wiffiffippigegenben unb äuletjt
1858 unb 1859 nach, Sluftratien, Dteufeelanb, Gehion unb jurürf über ©ghpten.
9tug 9lnlafe jeiner 23ermäf)lung mit ber ^rinjeffin Sophie 2)orotbea Garotiuc
öon Ühum unb Hang im $. 1827 ertjielt er bag öormalige 2)eutjchmeifter'fche
Sdjlofe 3u 9Jtergcntt)eim als iHefibenj angemiefen, wo er feine öerfdjtebenen (nach
feinem Xobe leiber jerftreuten) Sammtungen im (Gebiet ber ©eographie, Gthno*
graphie, 2lltertbumg= unb 9taturwiffenfchaften auiftellte. $n Anerkennung feiner
Sieiftungen auf bem ©ebiete ber letztgenannten äöiffenfchaften würbe er öon ber
mebicinifd)en ^acultät in Tübingen honoris causa zum 2)octor ernannt.
33ergt. ben 9teErolog in: ^arjregbeftc beg Sjereing Tür üaterl. sJtaturfunbe
in Sßürttemberg, 18. 3abrg. 1862, S. 20—24.
ty. Stalin.
sJ$atll ÖOH 23eniricb täfet fiel) juerft um 1102 atg Glerifer ber 9tegene =
burger $irdjc nadjmeifen ; fchon bamalg hatte er einen Zögling ©ebeharb, mel=
djer $eit feineg gebend fein unzertrennlicher Begleiter blieb. Gr mufe alfo um
1080, Wenn nicht frürjev, geboren fein. ?luf feine 2lu3bilbung unb 35enfwetfe
hatte öorjüglid) ber Sommert SBalther grofeen Ginflufe, welcher 1119 GrzbifdjoT
öon Ütaöenna mürbe, ein eifrig unb ftreng firdjlich gefinnter 9Jtann, unb ber*
felben ^Richtung fdjlofe auch ip. fid) an, ein rüftiger Kämpfer gegen Simonte
unb "^riefterehe unb bcgbalb in 9tegenSburg öerhafet. ©ern hielt er fid) in
Gpfad) am 2ed) auf, mo ber Pfarrer Sigebot fein ©efinnungggenoffe mar, unb
ber fromme SBanbel ber |>erluca (f. 83t. 3). 33. XII, 120) it)n befonberg an^og ;
aud) anbere gürtet biefer Partei üerfefjrten bort häufig. Schon 1107 wollte er
gan^ bortbteiben, aber £>erluca gebot ihm, heimkehren unb fortzufämpfen. Grft
1121 öerliefe er mirftid) 9tegensburg, burch 33ebrängung öon Seiten £>etnridjg V.
genötigt, trat nun in bag eben neugegrünbete Gtjortjerrenftift 23ernrieb ein unb
erwirfte in 9tom öon Galijt II. bag'4>riüiteg öom 12. ftoöember 1122 für ba§=
felbe. Sluf ber fltüdreife hielt er fieb in IDcaitanb int SlmbrofiuSflofter auf, unb
fdjtofe I)ier ^"eunbfehaft mit bem (SuftoS, fpäter ^ropft Martin, mag zu einem
nod) erhaltenen 33rieftt>ed)fel 3lnlafe gab. s4>au^ un*> ©ebeharb fudjten eifrig nac^
Schriften bes h. 2lmbrofiu§, mclche fie nac^ sJJtaitanb fchidten, roogegen fie fid)
bie Slmbrofianifdje Siturgie unb ^Ractjrichten über bie alten @rjbifd)öfe öon 5Jlai=
lanb erbaten. 3fm 3- H28 öerfafete s4>autu§ fein Seben ©regorö VII., moju
er in 9tom sJiachrid)ten gefammelt hatte unb audj fchriftlictje Duellen, namentlid)
bie 93riefe ©regorS, benufete. 2I(§ tjeiligen Kämpfer für bie Reform Der ,ßirch,e
[teilte er feinen gelben bar, berichtete öon SSunbern , welche ihn öerherrlidjten,
unb fah in ^einrid) IV. nur baä öerförperte s4>nncip beg Siöfen, ben mobernen
9Jero. 3m ^. 1142 ftarb <g>erluca, weld)e ebenfaU§ in Sernrieb eine 3uflucht
öor ber gegen fie feinblich erregten Stimmung be§ 2anböolf§ gefunben l)atte;
5ß. befdjrieb 1145 ihr geben, iljren frommen 2Banbel, 93ifionen unb Sßunber,
aber ba§ 33ud) ift unöollenbet. @§ ift fel)r Waljrfcrjeintic^, bafe ber Xob ihn babei
überrafd;t hat; nirgenbg wirb öon il)m etwaö berichtet, wir fennen ihn nur au§
feinen un§ erhaltenen Schriften. @r ift ein rechter 2t)pu§ ber rüdljattlofen
$autu*. 245
Söerefjrer ber in ber ^irc^e aur «g>etrfc^aft gelommenen ftidjtung unb itjrer rö»
mifc^en ftürjrer.
©. Sof). 5Jlat) , geben »paufö P. Scrnticb , im bleuen Slrcljiü b. @ef. f.
alt. b. ©efcf). XII, ©. 333—352. Sgattenbad).
^aillltö: ^. SHafonuS, be§ Söarnefrib ©objn , ber ©efdjidjtfdjretfier bcr
ßangobarben; fein Ur»llrgiojjbater 8eupictji§ mar unter Sllboin 568 mit bem
Soße ber ßangobarben eingemanbert unb amar tjatte ficfj fpäter toenigftcnS feine
„gara" niebergelaffen in bem (Üebict be§ nachmaligen tangobarbifdjen ducatus
Forojuliensis, ber „regio" be§ ©täbttetnä gorum 3ulii (Cividale del Friuli).
p ber provincia Yenetia gehörig. Sei bem (Sinfatt ber Slbaren Don 610 mürben
bie fünf ©ötme be§ Seupictjiä au§ ber eroberten Burg griaul gefangen fort«
gefc£)leppt. S)em Sfüttgften berfelben — er fjiefj ebenfalls £eupict)i§ — gelang
ed ali 5Rann (ca. 620) in bie $eimatrj jurüd in fliegen; er fanb bas ©adj
be§ alten #au|e8 jcrfaücn, Brombeeren unb ©ebörn füllten ben ^nnenraum,
eine rjofje (Sfcfje ertjob fid& barauä. S)er ©ol)n biefe§ £eupicf)i§ fjiefj 2lricf)i§,
beffen ©of)n SBarneirib öermätjtte fid) mit 3:t)eobeünbi§ : biefer beiben Äinber
roaren unfer *p. (geboren ca. 725), ein Grübet 2lridji§ unb eine ©djmefter,
meiere früi) ferjon Dtonne marb. Sllfo
2eupid)i§ I.
iio0o Seuptdjis IL
0 2lrtd)i§
1 SBatnefttb gfreobeünbig
5ßaulu3 »xidjtS @$tt>ejier
S)a§ ©efcrjlecrjt mar gemeinfrei, ötetteicfjt einer nieberen ©djicrjt be§ neu
aufgtfommenen £ienfiabel§, nict)t bem alten $olf§abel ber Sangobarben an=
gebörig- aui) reid) mar e§ toenig[ten§ nacb, ber ^eimfudjung buretj bie Slöarcn
(610) metjt mefjr: ber fjeimgeiefjrte 2eupiä)i§ erhielt ^mar burd) ©efdjenfe toon
®efd)lecb,t§üettern unb greunben fo Diel, bafe er ba§ berfaüene £au§ mieber auf=
bauen unb ein Söeib b,etmfüt)ren mochte: allein an ben ßiegenfdmften Ratten
9tad)barn bie @r?i&ung inamiferjen üollenbet. 2)iefer nid)t glänjenben Següterung
entfprid)t e§, bafc ba§ @efcf)lecf)t in einem jebe§faEe§ fittticfjen unb t&atfadjttdjen,
üietleid)t aud) rechtlichen 2lbf)ängigfeit5berr)ättnif} ftanb ju bem £eraogägefd)ted)t
m SBenePent, meltf)e§ au§ griaul ftammte: 2lrid)i§ mar ein in biefem ©e=
fcblecfjt häufiger ftame : PieEeictjt marb ^ßautuä' ©rofcoater ju @t)ren eine§ folgen
friautifd)-beneüentanifcb,en $eraog§ Stricte genannt, mie feine Butter bermutfjltd)
ju @b,ren ber gefeierten haj um arifdjen gürftento^ter ^^eobetinbi^ (f. ben ^Irtifel),
meiere bie berütjmtefte unb einfluBreicljfte Sangobarbenfönigin gemefen mar. %.
mar ungefähr 720—725 geboren, er marb, nacb, einer ämeifettjaften llebertteferung,
am §ofe be§ ^önig§ Uatä)te exogen, ©iet a«gtc it)m biefer einmal (ca. 748)
ben fagenbetüb^mten Sed)er Äönig 2llboin§; er befugte bie ©ctjulen unb lernte
(ca 749) fogar (bei bem ©rammatifer gtaüianu§) au «ßabia grtecljtfct), ma§ il)n
fpaier am J&ofc Äarl§ be§ Öro|en ferjt empfel)len foEte. 3n nähern Söe^ältnife
ftanb 5ß (ca. 755—774) au bem au§ griaul ftammenben ^erjog 2lncb,t§ Pon
Seneöent unb beffen ©emab^lin ?lbetperga, ber Softer bei testen Ä5mg8 ber
«anqobarben, $efiberiu§ (f. 51. ©. ». V, 70): baä gürftenpaar blatte aufrtc^ttg
Sinn unb Neigung für 2Biffenfcb,aft, Äunft unb Silbung. @r richtete ©ebte^te
an beibe (763) unb eignete ber §eraogin (766—774) eine§ feiner totdjttgitcn
2Ber!e au bie „historia Romana". @r blatte i^r ben (Sutropme geliehen: ba
fie aber biefen 5lu§aug allau mager unb namentlich feine Angaben über bie Äird&e
246 fya&ß.
bovin fanb, treidle offenbar ber frommen gürftin nätjer anlag als bie Kriegs*
unb ©taatsactioneu ber Ijeibnifdjen 9tömer grauer Sßoracit, fo erweiterte unb
oerbollftänbigte er bte £üd)er 6utrop§ unb führte bte @raät)(ung toeitcr fiiS auf
bie 9Jtttte beö VI. Satjrtjunbeita, genauer bie Eroberung Staticus unb bte 33cr=
nidjtung be8 Dftgotrjenreidjä burd) bte 5Bt^antiner : Ijier, furj öor bem auftreten
beä eigenen Golfes auf ber £albinfel, braef) er ab. (Sr öerfprid)t am ©djtufj,
baö 2öcrf „bis auf unfere Sage" fortjufetjen : bas Warb wol bor 774 gefdjrieben:
fdjWerlid) mürbe 5ß. bie§ 23erfprecl)cn erttjeilt fjaben, tjätte er gewufet, bafj er
atäbann in bem ber £eraogin gemibmeten Söerfc it)r bie Entthronung unb
©efangcnnefjmung it)re$ 23ater3, ben ©tura ifjreä föeidjes unb Kaufes mürbe au
erjagen tjaben. gfür unfete ßenntmti ber in biefen feetjö SBüdjern er^lten
S)inge ift bas Sßert otjtte Gelang: benn bas äöenige, ma§ $. (Sutroü einfügte,
ift aus otjtteljtu befannteu Quellen entnommen, ©eine ©efinnung fomie ©efd)id)ts=
auffaffung tft aus feinem fetbftänbigen Steife beffer ju beurteilen : bod) betunbet
er aud) tjier feine ftreng fird)lidje, eifrig faiferlidj=römifd)e unb ben „Barbaren"
abgeneigte ©eftnnung. 3lm weiften lag it)tn an, „bie J?ird)engefd)id)te in 3u-
fammentjang mit ber meltlidjen barjuft eilen", mie er ber gttrftin fdjrieb. ©ein
<ßerfef)r mit bem tjeraoglictjen «paar au Senebcnt — bafe er längere 3eit au
biefem £ofe gelebt ift möglid), aber nidjt nad)Wcisbar — fällt in bie 3af)re
763 — 774 Dor feinem Eintritte in bas Softer, öietletdjt aud) üor bem Eintritt
in ben gciftlidjcn ©tanb. Safe bie Äataftroptje bes 2angobarbenreid)es 5ß. be=
mögen tjafcc, in bem Äloftcr einen Slusweg unb eine 3uflud)t au fudjen, barf
öiellcidjt betmutfjet werben : trafen bod) bamals f djtocre ©erläge aud) bas .fraus
feiner ©önner au Senebent unb bie eigene gamilie, .£>eraog 2lvid)is, ber (Sibant
bes entthronten Königs, unb beffen nad) iörjjan} geflüchteter ©of)n 2lbeld)is bereiteten
eine @rl)ebung miber Äart ben ©rofein bor: ber tpapft metbetc biefe ÖJefatjv
feinem ^efd)ütjer: folltc 5ß. in fetner ©eete für ben fyapft ober für ben ^>er,jog
«Partei ergreifen? ©tetdjaeitig (776 nad) Dftern) mavb *paulu8' einiger trüber,
ber mie ber &eraog bon SBenetient 2lrid)is t)iefe, bon ßarl gefangen nad) 3frant=
reid) abgeführt, Weil er fid) an ber geplanten (SrljeDung bes söeneöentaners unb
bes ftriaulers wiber bte ftranfenrjenfdwft beteiligt l)atte, aud) fein Sjermögeu
marb eingebogen (bcstjalb ift mot)t nidjt anaunetjmen, bajj er nur als (Seifet
fdjon 774 mitgenommen Würbe). ©iefer tjart neben ty. einfdjlagenbe 2öctter=
ftraf)t, ber bie „5ara" äöarnefribs jrefrörte, modjte wof)l Neigung unb Jöefcrjlufe,
aus ber 2Belt in ben ^rieben beä Äloftcrä 3U flüchten (770?) beftärfeu unb be=
fdjteunigen. @r nennt fid) fclbft in jener 3eit „berfannt, arm, ^ilfloS". %m
fiebenten SJat)w ber ©efangenfdiaft feines 33ruber§ (alfo 782) begab fid) s^. auS
bem ßtofter «Dlonte ßafino in'baä granfenreid) au Statt, fei e§, um prbitte
für feinen trüber einzulegen, fei e8, bon ßarl an ben |)of berufen. 2In biefem
^>of narjm er balb eine rjodjangefcljene ©teEung ein in bem Greife ber ©elel)rten,
Weldje man Wot ßarle Slfabemie genannt t)at. 6r Ijat matjrfdjeinlic^ bie grei«
gebung be§ gefangenen 23ruber§ ermirlt. ^a^treid)e ©ebid)te bon fy. an Äorl,
oon betrug bon ty\]a im tarnen föaxU an 5p. u- bergl. finb un§ erhalten: fie
bezeugen ben tjeitern, traulichen Sßerfe^r in ©dtjetjen, bie unS freilief) ^umeilen
red)t froftig anmutt)en. 5p. folgte mä^renb feines Slufentrjalts im granfenreid)
bem wecrjfetnben |)ofIagcr ^att§: er weilte, wie er felbft fdt)reibt (G. Langob.
VI. 16), ju Siebenfjofen (Cftern 783 — 23. Wärt — bi§ 5Rai unb ©eptember
bi§ 2ßei^nadt)ten 784), an ber «Dtofct 10. Januar 783, ju «ötetj unb au 5poitierö
äWifdjen 782 unb 786, nufeerbem etwa au Äierfet), ©üren, Cleriftal, Slttigntt.
(Sr erhielt 784/785 ben eljrenöollen Auftrag, ßartä älteftc Jodjter (bamal§ neun=
jäl)rig), bon <!pilbcgarb, ^>rotr)trub, im ©riednfdjen au unterrid)tcn, ba fie (Dftetn
781) mit bem Sljronerben bon SSbaana öerlobt worben. 3lud) bid)tete er nac^
5ßaulu§. 247
ÄarlS Auftrag (783) bie ©rabfcftriften für bie Königin £ilbegarb (f am 30.
Slprit 783) unb iftr nur aweiwocftigeS Söcfttertein -gnlbegarb (f 9. 9Jtai 783),
fowie eine früher 774 (ebenfalls als Säugling) geftorbene Softer Slbeltjeib unb
Tür jWei Södjter bon ÄarlS Sotm ^ippin: Slbeltjeib unb §rott)trub, meiere alle
in ber (lapette beS ^eiligen Slrnulf (f. 91- ffi. SS. I, 607), beS StammftaupteS beS
©efcftlecfttS, 3U «Dtefc beigefefet waren. äBätjrenb feines StufentftatteS im granfen*
reieft ftöcftft toatjrfdjeinlid) (etwa ju SDiebenftofen ?) öerfa^te er (nadj Dctober 783 :
etwa 784/5) auf Söunfct) beS 23tfc£)ofS Slngilramn öon Wlt% bie ©efcfticrjte ber
23ifcftöfe bon ^Jle|, wie er felbft in ber ßangobarbengefeftieftte (VI. 16) erjäftlt,
dagegen baSjenige SBerl $auluS\ Weld)e§ bie Äircfte nun ein ^aljrtaufeub im
©ebraueft gehalten b,at, bie auf ÄarlS 33efeb,t beranftaltete (fpäter bon Sllfuin
umgearbeitete) „Sammlung unb SluS^ietjung bon üßrebigten", ftat er wol erft
naeft ber gtüctteljr nadj 9Jtonte ßafino öerfafct. 23ielteicftt t)at er j?arl (2)ccember
786) auf beffen 9teife naeft 9tom begleitet, jebeSfatleS in 9iom feftrieb er bie
furje S3iograpt)ie ©regorS beS ©rojjen (Januar unb gebruar 787?) unb ging
bann («Kärj 787) mit Äatt naeft SQflonte Gafino. Salb nad) bem £obe bee
^er^ogS 2lrid)iS (25. Sluguft 787) unb bor ber 9tütffet)r bon beffen Sofjn
©rimoalb auS granfreidj nad) Italien (grübjatir 788) bictjtete er bie fc^öne,
innig=empfunbene ©rabfeftrift für jenen, ©ein |>auptwerf aber, bie ©efeftieftte
feines eigenen 33olteS, bie er bis 744 rjerabgefüfjrt, tjat er naeft 786/7, ungefähr
790 au 9Jtonte ßafino öerfafjt ober bod) begonnen; üietteidjt ftat ifm ber £ob
an ber 33ottenbung geftinbert: er ftarb am 13. 2lprit eineS unbeftimmbaren
3ab,reS; etwa 795? 3m Sfatjre 792 beantwortet er noeft öon klonte (Eafino
auS eine anfrage $artS wegen ber sJtegel feines JHofterS, Wclcfte er eingeftenb
erläutert bat. Seftr balb r)at fiel) bie tangobarbifcb/beneöentanifcfte Sage unb
eifriger noeb, bie ©elerjrtenfabel mit s$. befdjäftigt unb itnu allerlei ©efeftide an=
gebietet, Welche iftn wegen feiner £reue gegen SDefiberiuS unb baS §erjogS=
gefcfttedjt ^u 33eneöent getroffen ftaben füllten. üDie SBürbigung feiner 2angobarben=
gefeftieftte Ijat meiftertjaft gegeben Söattenbact) I. 5. Stuft. S. 161 (f. bie 2itteratur=
angäbe unten). 9luS feinen Duetten (origo gentis Langobardorum c. 670,
©regor öon £ourS, 93eba, ßeöen ber Rupfte, bie unS üertorene ßangobarben=
gefeftieftte beS SSifc^ofS SecunbuS öon Orient, f 612, unb befonberS ^naulifcfte
Ueberlieferungen) nimmt er gan^e Stütfe auf, ofjne fie eigentlich ju einem ©anjen
ju öerarbeiten; in ber Äritif, fogar in ber Sorgfalt unb ©enauigfeit bei ber
33enü^ung feiner ©eWät)r£männer erfcb.eint er fdjwad), f)öcrjft betwirrt in ber
St)ronologie, unb obwol feine eigentliche Aufgabe bie 33olfSgefd)ic£)te ber ßango=
barben ift, nimmt er otjne rechtes 5Jta^ boct) aud) 5d'nerliegenbe§ auf. ßäfst
er aber bemnactj als gelehrter ©efd^icb^fclireiber öiel ,^u Wünfcljen übrig, fo ent=
fc^äbigen uns bodj) bafür anbere feb^r wefenttiöge 33orjüge : „bie einfache Älar^eit
feiner 3)arftellung, bie lautere SBab.rb^eitSliebe, bie u)n öon altem in ungefd)min!ter
©erabljeit berieft ten läf^t, bie Söärme beS ©efül)l§ für fein S3olf, Wetcfte fieft aueft
o^ne rub,mwürbige 23err)errlicftung befonberS in ber Sluf^eicftnung ber alten Sagen
funbgibt. Setjen Wir nun aber öoltenbS auf ben materiellen Söertr) feiner ©e=
feftieftte, fo ift berfelbe unbebenftid) at§ gan^ unfcftä|bar anjuerlennen : wir öer=
banlen ib^m eben bie SSeWaftrung jenes reieften, bureft feine föätere ©eleftrfamfeit
öerfälfcftten Sagenfcfta^eS unb über bie ©efcftidjte ber Sangobarben WaS er au§ . .
öertorenen Quellen feftöpfte fowol wie bie 2lufäeicfjnung münblicfter lleberlieferung :
rettungslos würbe alles biefeS naeft bem Sturze beS 9ieicfteS bem Untergang öer=
falten fein, wenn nieftt beS alten 5JtöncfteS |>anb eS mit treuer Siebe aufge=
aeieftnet ftätte" (SBattenbacft).
SluSgabe : Söaife in ben Monumenta Germaniae historica: Scriptores rerum
Langobardorum et Ital. saec. VI — IX, 1877. («^ie^u ^Jlonob, Kevue critiqu
248 5Paulu» — ^>auti. -
1879 I. 5Die ©ebidjte ebenba t)r§g. ö. Tümmler, Poetae Latini medii aevi I.
pag. 27. — Siteratur: 23etrjmann, *ß. S>. geben unb ©djriften; bie ©efct)idjt3=
fcfjreibung ber ßangobarben s4>ertj Strdjtö X. — 2Ibel, ty. 2). unb bie übrigen
©efd)id)tfd)reiber ber ßangobarben, jroeite Ausgabe burch ^acobi 1878. —
^acobi, Duetten ber ßangobarbengefdjicfjte 1877. — S)at)n, Sangobarbifdje
©tubien I. 3)e3 $aulu§ 35. ßeben unb ©djriften 1876. — (^ie^u SBaitj,
©ött. gel. Slnj. 1876). - - gbert, allgemeine ©efchjchje ber ßitteratur be§
•Mittelalters im 2lbenblanbe. II. 1880. ©. 36 ff. SD ahn.
^ßailluä: 5ß. öon ^ibbelburg, 21ftronom, geb. 1455 (nach 3lnbern
1445) in s3Jiibbetburg auf ©eelanb (bamat§ noch, jum beutfdjen deiche gehörig),
t am 15. SDecember 1534 in ^offombrone in Italien. s4>- ftubirte ju Soetoen,
erhielt barauf ein (Sanonicat in feiner Sßaterftabt unb naf)m balb nachher (um
1480) einen 9iuf a!8 s4>rofeffor oer 9Jtatbemattt unb Slftronomie an bie llniöerfität
^abua an. 2lm 30. ^uti 1494 rouvbe er jutn Sifchof öon goffombrone ernannt
unb fchieb bannt au§ ber ßefjrthätigfeit auä. Söieroot ^oggenborff mehrere an=
fdjeinenb aftrotogifche ©chriften öon ibm anfübrt (jumal bie 1484 in Urbino
gebrückte „Practica de pravis constellationibus ad Maximilianum Austriacum" ),
fo toar er bocf) jebenfaüS fein ©ternbtuter geroöbnlidjen ©d)lage§, benn in feinem
„Prognosticon, ostcndens anno domini 1524 nullum neque universale neque
partiale diluvium fore" (^offombrone 1523) befämpft er mit ©tüd bie befannte
©intflut = Söeiffagung ©toeflerS. (Sifrig befefiättigte s}>. bie bamalS met)r unb
metjr brcnnenb roerbenbe Frage ber Äalenberreform; er fuchte für biefelbe nach
einanber bie köpfte $uliuö II. unb Öeo X. fotuie ben -ftaifer 9Jcaj:imilian I. ju
interefftren unb legte fchtiefjlich bem ßateran=@onctl eine umfangreiche 25enffchrü"t
(„Paulina, sive de reeta paschae celebratione et de die passionis domini nostri
Jesu Christi", Forosempronii 1513) über biefen ©egenftanb öor. 6r erreichte
burd) bie fetjr fritifch gehaltene Arbeit roenigftenö foöiet, bafj bie Angelegenheit
in Flufj tarn, unb bafj man öon einer Ütcihe hcröorragenber Fachmänner au§
allen ßänbern ©utachten unb 2krbefferungsüorfchläge einzuholen befchlofj.
Foppenä, Bibliotheca Belgica, tomus II, ©. 944 ff. — gaöaro, Galileo
Galilei e lo studio di Padova. Vol. I. ©. 121 ff. — $altenbrunner, S)ie
3)orgefd)id)te ber ©regorianifchen JMenberreform, ©. 89 ff. — ^oggenborff,
4?anbroörterbucb jur ©efchichte ber ejaften äÖiffenfchaften, 2. 33anb, ©p. 378.
©untrer.
^OUlt: Slbrian 5ß., am 29. $um 1548 ju üDanjig geboren, roarb nach=
bem er ben getoöbntichen ©chut= unb Uniöerfitätäunterrtcht empfangen batte,
1575 (Sonrector beä ütljorncr ®t)mnafium§, 1578 föector an ber 3)an3iger ^etri=
fchule, 1580 S)iafon an ber reformirten 5J*etrtfirdje unb 1592 im SIpril ^aftor
an berfetben -ftirebe. @r ftarb am 30. ^lärj 1611. ©eine ©chriften öerjeichnet
9lbami (f. u.).
3u öergt. 9iegenöoIfciu§, systeraa hist. ecclesiarum Slavonicarum, pag.
374 unb bie auäfüljrlidje SSiographie in 9JMdj. ?Ibami, vitae theologorum
Germanicorum, pag. 808 (ed. IIa, Francof. 1706, pag. 384).
Öertling.
^flllli: 33roberu§ s4>., ^amb. ©r;nbifu§, fobann 23ürgermeifter. ©eberen
ju ^»ufum 1598, einem bortigen ratt)§^errUd)en ©efdjled)t angefjörig, ftubirte er
^ura in 2Bittenberg, Seip^ig, ©trafeburg unb 33afel, bereifte bann bie ©djtoeiä
unb Italien unb rourbe 1629 ju ^»etmftebt Dr. ber ütecrjte. — ^n bie engen
93erhältniffe feiner Saterftabt 30g e§ ben begabten jungen 5Rann nietjt aurütf.
er rjabititirte fiel) in Hamburg, too er mit Srfotg aböocatorifcije 5prajt§ betrieb.
£alent, ©efdjid unb ein e^renroertrjer GharaEter erwarben iljm 3lnfehen, ©unft
5Pau(i. 249
unb ftörberung einflußreicher Männer, 3. gg. ber Sürgermeifter Jföincfel unb
bon @itjen, fotüie beS ©eletjrten Dr. $riebr. fiinbenbrog. 5Dicfe mögen im 3-
1638 Sßauti'S (Jrmäfytung jum ©bnbifuS beranlafit tjaben. — 2)aS ©bnbifat
tjatte fidj in Hamburg auS jeitropiligen Anleitungen jutifttjdjer SJoctoren p
einem feften Amte bon großer SBictjtigfeit tjerauSgebilbet, ba bemfelben, außer
ber gütjrung reictjSgerictjtlidjer ©tabtproceffe, auct) bie Seitung ber auSroärtigen
Angelegenheiten oblag, in beren 33erfotg beftänbig (Befanbtfctjaften ^u öerrict)ten
roaren. üDie SMrgerfdjaft mar gemeint, baß ein fo bebeutfamer Soften nur einem
SürgerSfotjn anbertraut merben bürfe, meStjatb ^auti'S Srmätjlung ttjrem 3Siber=
fpructj begegnete, ©a jebocf) ber ©enat, toetctjer ein 33orrect)t bei 33ürgerSfot)neS
nur bei gleicher £üctjtigfeit gelten laffen mollte, entgegenlommenbe 3ufagen für
bie 3u^unft machte, *ßauli'S ©efctjictlictjfeit auct) inämifdjen fict) bemäfjrt tjatte,
fo tourbe bie ©ifferenj beigelegt. $n ber Sttjat t)at biefer 'üiann, ben engherziger
^sarticulariSmuS anfangs berfannte, in ber 5o^9e a^ treuer tapferfter 33orfed)ter
ber Unabtjängigfeit Hamburgs fict) ermiefen, gegenüber ben Angriffen ber bänifct)en
$rone, melctje bamalS befonberS tjeftig itjre bermeinten Anfprüct)e auf bie grb=
unterttjänigfeit ber ©tabt ju bertoirflict)en trottete, $m Auftrage bei Senate
berfaßte er bie mit bieten Urfunben berfetjene ©taatSfctjrift „Apologia Ham-
burgensis", morin Hamburgs Smmebietät nactjgeroiefen mürbe, maS ben bänifdjen
^>of fetjr erzürnte unb namentlich ben $önig gegen ben 33erfaffer perfönlict) fo
erbitterte, bafj nictjt nur ^ßauli'S SBefitjttjum in üDoctentjuben am fönigt. 33efel)t
confiScirt, fonbern auct) er felbft, als er bon einer ®efanbtfcljaft nadj ©ottorp
tjeimfetjrte, in StenbSburg bertmftet unb monatelang gefangen gehalten mürbe,
um it)n unfctjäbtict) ju mactjen. 2öaS bei Königs <£mrte nictjt tjatte bemirfen
fönnen, baS gelang auct) feiner ©nabe nictjt, als er in einer fpäteren Aubienj
äu .paberSleben bem Hamburger ©rjnbifuS 5ß. eine tjotje AnfteEung im fönigl.
SDienfte anbot, melctje biefer entf ctjieben abletjnte. — j$m $. 1653 erfctjien *p.
infolge Auftrags beS ©enatS als SfteictjStagSgefanbter ju 9tegenSburg, maS ber
bänifd)e $önig auf's 9teue fe^r ungnäbig bermerfte. $n ben Sßerljanbtungen
einer beStjatb nactj 9tenbSburg abgeorbneten Hamburger ©efanbtfctjaft berfoctjt
5ß. ba§ 9tectjt Hamburgs fo unerfccjrocEen energifd), baß ber bänifctje Äanjler in
tjeftigen AuSbrücfen gegen ttjn auffuhr. $nbeffen natjmen bie übrigen Utjeitnetjmer
biefer Sonferens ben freimüttjigen 9tebner in ©ctjuij unb plaibirten für bie 9£ebe=
frei^eit eines ©efanbten. — SBenn eS nun aucb^ s4>- bei ber ^artnäcligfeit ber
©egenbartei nicrjt gelang, ben ganzen ©treit, ber erft burctj ben ©ottorper 3Jer=
gteiclj bon 1768 nacrj großen Cpfem Hamburgs feine Gmbfcfjaft erreichte, fctjon
bamalS ju bertragen, fo ermarb er fidj boclj baS 33erbienft, ben ber^eitigen
$ectjtS= unb ©tanbpunlt Itargeftellt unb als S3aftS fünftiger Xractate behauptet
ju fjaben. %m 3». 1670 pm 33ürgermeifter ermäljlt, erfctjien er noct) einmal
als Hamburger ©efaubter bor bem bänifctjen ^önig ju ^enbSburg. 2)ie ®r=
fotglofigfeit biefer 9Jüffion beranta^te ben ^aifer, ber üteictjSftabt Hamburg über=
tjaupt jebe fernere 33ertjanblung inbetreff biefer Streitfrage mit ber J?rone S)äne=
mar! 3U berbieten, ba beren Anfprüctje bor bem 9teictjSgerict)t ju bertjanbeln
feien. — bereits 81 ^at;re alt ttjat ber berbiente SSürgermeifter einen ferneren
gall, melctjer feinen Job am 19. Januar 1679 t)erbeifüt)rte.
äöitfenS, ^amb. (S^rentempel, ©.68—84. — Sßuef, bie ^amb. Sürger=
meifter, ©. 111—116. Senefe.
^OUlt: Sricbridj 5]}., ju Sanbau in ber ^fatj, Arjt unb ßtjirurg, rourbe
am 3. gebruar 1804 in bem bamalS noct) fran^öfifctjen Sanbau geboren, als
©ofjn beS im 3. 1856 in tjotjem Alter berftorbenen gjlebicinatrattjeS gleictjen
5lamenS, eines beliebten, biet befctjäftigten, bafelbft metjr als ein falbes ^a^r=
tjunbert tätigen ArjteS. 2)er fetjr begabte $nabe erhielt feine erfte AuSbitbung
250 ^auli.
öon einem Sanbgeiftlictjen, befuctjte bann bie ßefjtanftalten ^u Äartetirtje unb
©perjer unb be^og nactj glänjenb beftanbener 9Jcaturität§prüfung 1821 bie Uni=
öerfität ©trafjburg, ging 1822 nactj ©öttingen, wo er feine mebicinifdjen
llniöerfitätSftubien boEenbete unb 1821 mit ber 3naug.=2lbf)anblung „De vulne-
ribus sanandis", bie er auf Sßeranlaffung feinet öon it)m rjodjüeretjrten ßetjrerä
$. $. 90t. ßangenbecf öerfafst tjatte unb bie mit einem greife gefrönt worbeu
mar, aum Dr. med. promoöirt mürbe. 3ene fetjr fleißige, auf fectjSmonattidje
Beobachtungen unb ©jperimente an Stjieren gefüllte ©d)rift trug ba% djaraf=
teriftifctje 9Jtotto: „Naturam optimam ducem, tanquam deum sequimur", bem
er fein ganjeä übriges ßeben treu geblieben ift. 6r bilbete fid) bann nod)
Weiter 1825/26 in 9Mndjen in ben JHinifen öon 9ting§ei3 unb ©rofft unb in
Bertin unter fteumann, 9tuft, ö. ©raefe, ö. ©iebolb auS unb erfjielt nadj p
9Mnd)en 1826 beftanbener Staatsprüfung bie (Jrlaubnifj aur üpra;riS, mactjte
aber, efje er fictj 1828 in feiner Baterftabt bauernb niebertie§, noctj eine miffen=
fdjafttictje 9teife nactj $rag, ä&m unb Sßariö. 5Dem trefflictj borbereiteten jungen
Strjte eröffnete fid) in turpem ein auSgebetjnter SöirfungSf reis ; eS fiel itjm be=
fonberS bie ctjirurgifctjc ^rajiS du, in ber er fid) balb einen bebeutenben 9tuf
öerfetjaffte unb bie er auet), obgteictj er aÜe anberen B10"^ oer ^tebicin mit
nietjt minberer (Sorgfalt cultiöirte, mit bejonberer Vorliebe lebenslang auggeübt
tjat. ©o mar er benn, öon ber Statur als Gtjirurg in Ijeröorragenber äBeife
anSgeftattet, ein fetjr glüdlidjer Operateur, unb befonberS ©taar= unb plaftifdje
Operationen übte er mit Birtuofität. £u bemerfen ift, bafe er bie ©djietoperatiou
äuerft am £ebenben öerfuctjte unb bafc mehrere in bie 9lugentjeilfunbc fpäter eiu=
gebürgerte Benennungen (Phacomalacie, Phacosclerom, Staphylaematom) öon
itjm tjerrütjren. S)ie Ausübung ber Gfnrurgie bitbete übrigens nur ben geringeren
ültjeit feiner praftifdjen £f)ätigfeit, ba er als innerer 2lr,jt nietjt miubercS Ber=
trauen genofj, fo bafj, ba er audj eine nietjt unertjeblictje litterarifctje Stjätigfeit
entfaltete, bie, nebft wiffenfctjafttidjen ©tubieu feine eigentliche (Srljolung bitbete,
ba er für bie gewölmlictjen £cbenSgenüffe feinen ©inn l)atte, feine $cit öoltftänbig
in s2lnfpructj genommen mar. Bon feinen etwa 15 fetbftänbig erfdjienenen
©ctjriften, öielen größeren, ttjeilS in ben Berfammtungen ber beutfetjen sftatur=
forfetjer unb Geräte, ttjeilS in ben ©eneralöetfammlungen ber pfätier Siebte ge=
tjattenen Borträgen, einer feljr grofjen Qaty fleiuerer unb größerer 5lbtjanblungen,
üormiegenb djirurgifetjen ^nfjalteS, jerftreut in ben bebeutenbften mebicinifetjen
©ctjriften 2)eutfctjlanbS, ^n benen noctj eine jaljltofe 9Jteuge öon ütecenfionen ber
tjerüorragenbften Gh'fdjeiuungen auS ber ßitteratur beS $n= unb StuSlanbeS ^iuju»
tritt, fann l)ier nur ein fetjr fteiner £t)eit angeführt Werben, ©ein erfteS felb=
ftänbige§ Sßerf war eine „^Rebicin. ©tatiftif ber ©tabt unb SunbeSfeftung
ßanbau u. f. w." (1831), wetdjer „Beobadjtungen über bie 9tur)r unb ba§
©djarlactjfieber u. f. W." (1835) folgten, bie er im ^atjre ö ort) er jit madjen
©etegenb.eit gehabt tjatte. ^n ber einige ^atjrc fpäter erfctjienen ©d)rift: „lieber
ben grauen ©taar unb bie Sßerfrümmungen unb eine neue <£>eilart biefer $ranf=
tjeiten" (1838, mit^lbbitb.) fctjtug er eine neue, öon itjm öfter geübte Operations
mettjobe beS ©taarS bor, bie aber feine roeitere Verbreitung gefunben tjat. ^n
ber ©d)rift: „lieber Pollutionen, mit befonbever Bedienung auf SaEemanb'S
©ctjrift über tiefe ^ranfljeiten" (1841) unterwarf er feistere einer bernictjtenben,
itjre ^altlofigfeit bartfjuenben Äritif , wätjrenb feine im fotgenben ^atjre er=
fdjienene 3lrbeit „5Die in ber 5pfat3 unb ben angrenjenben ©egenben üblid)en
3Solf§f)eitmittet, gewürbigt. (Jine gefrönte ^reisfdjrift" (1842) ein werttjbolter
ettjnograpt)ifcf)er unb culturgpfdjidjtlidier Beitrag ift. 3n feinen „Unterfuctjungen
unb ßrfatjrungen im ©ebiete ber (Sfjirurgie" (1844 mit 4 Xafeln) finben fictj
manetjerlei bead)ten§Wertt)e SBeobactjtungen niebergelegt. ©eine ©ctjrift „lieber
5Pouli. 251
Sontagiofität unb Krblicbfeit ber ©Ijpbitig" (1854) Derbantt ibre Kntftebung
feinem SSeftveben, fcljraereg Untjeit tiou einem SoEegen ab^umeuben, toeldjer an=
geflagt mar, bie ©rjpbilig burd) 33accination auf eine grofje gabt bon Äiubern
übertragen ju baben. SBenn aucl) ^pauli'ö auf innerfter Ueber^eugung berutjenbe
bamalige SInftcljt öon ber ftidjtübertragbarfeit ber fecunbäven ©rjptjüiä fidö al§
ein ^rrtlmm erroiefen tjat, fo öerbient bod) bie babei ju ©runbe tiegenbe coEegiale
(Sefinnung alle Slnerfennung, ebenfo mie bag bei ber ^aturforfcberüerfammtung
ju greiburg 1838 öon it)m ju ©unften beg auf ber Qefte Dberbaug gefangen
gehaltenen Kollegen Kifenmann angeregte ©nabengefud). 23ei ©etegenbeit beg
opr)tt)almologifcl)en Songrefftg in SSrüffel trug er ein „Memoire sur l'ophthalmie
d'Egypte" (1858, 4°) öor, bag metjrere 2lbraetcbungen bon ben lanbläufigen
2lufd)auungen barbot. 9Jtit Uebergerjung mehrerer mertbboEer Slbbanblungen,
über ©peictjelgefdjraülfte, bie 5latur beg Stripperg, bie ^tjpertroprjie ber ^roftata
u. f. m., motten mir nur nocl) feiner SJtonograöbte „SD er Kroup" (1865) ge=
ben!en, bie, auf eine 30jät)rige Krfabrung geflitzt unb mit ber umfaffenbften
ßitteraturfenntnifj gefcfirteben, fiel) einer folcfjen Slnerfennung erfreute, bajj bereitg
nad) 6 Monaten eine neue Auflage notbroenbtg mürbe. — *p\ mar alg ©d)rift=
fieEer burct) ©eroaubttjeit unb JHarljeit ber SDarfteEung, fdjarfe ihttif, unbefangene!,
nüdjtemeg llrtbeil unb 333abrt)eitgliebe augge^eidinet; in feinen 9tecenfionen (3. 33.
in ©cbmibt'g Sabrbüdjern ber 9)cebicin), bie einen bebeutenben ütbeil feineg
titterarifcrjen SBirfeng bilbeten unb oft burd) einen fdjmer ju pgelnben 2BÜ3
gemurrt roaren, bedte er alle Wirten bon Kbarlatanerie unb Oteclame unb jebe
^erabmütbigung ber 9)lebicin ^u gerainnfüctjtigen gtöeden fctjonungglog auf, mar
aber anbererfeitg ein bag tuabre 23erbienft anerfennenber unb mit ©erecbtigfeit
roürbigenber jhitifer. Obgleict) eg feit ^abraebnten fein SBunfd) getoefen mar,
fiel) ber afabemifetjen Saufbabn ju mibmen unb im 3- 1846 bie llniberfität
äöurjburg ibm eine aufjerorbentliclje Sßrofeffur antrug, leljnte er, ^u feft mit
^peimatlj unb gamüie berroaebfen, auf ©rängen ber lederen, bennoctj ab. S)ie
?lnerfennung, bie er bon ber miffenfct)aftlid)en Söett erfuhr, äußerte fiel) barin,
bafj er bon 22 gelehrten ©cfeEfchaften, barunter mebrere im Siugtanbe, ^um
9Jtitgtiebe ernannt toorben mar. 9tad) 40jäbrigem fructjtbringenbem SBirfen alg
2Ir<jt unb ©ctjriftfteEer mürbe er, nocl) in boEer £l)ättgfeit, naclj faum achttägigem
Jh-anffein, am 21. Januar 1868 bom £obe ereilt, bem er 5 ^abre fr'üt)ei; mit
genauer 9cotb entgangen mar, alg er bei einer Operation fid) eine SBnnböergiftung
^uge^ogen Ijatte, bie mit bem SSerluft beg linfen 3e^Qefingevö aber nocl) glütflid)
enbigte. «Sein ütob mar ein fernerer 33ertuft für feine $aterftabt unb feine
l)eimatt)lid)c ^probinj, bie erft nad) feinem ^infetjeiben ju üotlem 33emu^tfein
barüber lam, mag fie au it)m befeffen; benn er mar nidjt nur ein auggeäeidjneter,
immer Ijülföbereiter, Slllen, 2lim unb fftetcf) gleid) äugänglictjer Slrjt, fonbern
auclj ein ebler 2Renfd), öon unberfiegbarer ^per^enggüte, recljtlictjem ©inn, offenem,
gerabem ßljarafter, gefättigem unb rüdfidjtsbollem SSeneb^men gegen feine Kollegen
unb unroanbelbarer Sreue gegen feine S^^unbe.
23a^rifd)eg äratlid)eg ^nteEigenablatt, ^aljrg. 1885, ©.203. — 0. 2angen=
bed;g 3lrd)ib für flinifd)e K^irurgie, Sb. XII, 1871, ©. 18. — KaEifen,
gjlebicin. ©d)riftfteEer = 2eji£on, 33b. 31, ©. 165. — mit). Sngetmann,
Bibliotheca medico-ckirurg., 6. 3lufl., ©. 424; ©upptem. ©. 188.
K. ©urtt.
^OUlt: ^riebridj Sluguft bon $., Oberbaubirector. ^ad) feinen
eigenen Slufaeidjnungen flammte griebrid) 2luguft $., beffen 9came alg Ingenieur
unb görberer beg teebnifdjen 33ilbunggmefeng in 53aiern ben gteieben guten
^lang bat, aug einer feit ätoei ^abr^unberten in ber Otbeinpfata anfäffigen
^rebigerfamilie. ©ein 33ater, ^obann griebrid) ©erbarb , mar juerft Ktjieber
252 $&»«.
im Slnfjalt^ernburgfdjen $ütftent)aufe unb bann reformirter ^rebiger in 5DreSben.
Einige 3at)re später an bic reformirte ©emetnbe in Hamburg berufen , ber=
rjeirattjcte er fid) bafelbft am 4. 2funt 1781 mit ber ättcften £od)ter starte
beS bovtigen Kaufmanns KeeSmann. anfangs ber neunziger ^at)re £et)rte er
in bie .^eimatb, jurüd unb mürbe Pfarrer in Kaiserslautern. sJlad) ber ©djladjt
in ber fläf)e biefer ©tabt (26. bis 28. ftobember 1793) flüchtete er mit ftamitie
nad) .Ipeibelberg unb fanb im bortigen Kirdjenrattje 33efd)äftigung. 2llS nad)
^wei 3fat)ren mieber einige Drbnung am linfen Ütfjeinufer fjcrgefteüt war, mürbe
3)ater s$. jum erften ^farex in Oftfjofen bei SBormS ernannt , unb £jier ift
griebrid) Sluguft am 6. 9Jlai 1802 geboren morben, als ber jüngfte unter
jWötf ©efcfjwiftern , Wobon bter in frütjer ^ugenb [tarben. 3m £)erbfte 1811
mürbe ber neunjährige Knabe jum 93efud)e ber Sateinfdjule nad) ©rünftabt
berbratfjt, unb an Oftern 1814 trat berfelbe in baS ©tjmnafium -JU KaiferS=
lautern ein , bejfen ütector fein ^tatlje mar. 2)er jiemlid) ungenügenbc ©pradj=
unterließt mar bietleid)t fcrjulb, ta^ $p., waS er bem sJJtanget an Talent ju=
fdjrieb , ben lateinifcfjen unb gried)ifd)en Gtaffifern fein $ntereffe abgeminnen
tonnte. 2)efto metjr 30g iljn baS ©tubium ber 9Jtatrjematif, inSbefonbere ber
(Geometrie an, weterje Oiector halbier lefjrte. ©0 fefjr mar 5ß. in biejem \$aä)e
leinen 'ücttfdjülern überlegen, bafj er 5U iljrem Repetitor ber ©eometrie auf*
gefteEt mürbe. 2ltS im s<!lprU 1816 ber Sater geftorbeu unb bie Butter utdjt
in ber Sage mar, irjren ©otm 9luguft weiter auf bem ©tjmnafium (\u betaffen,
erbot fid) beffen trüber äöiltjelm , ber in 9ftand)efter ^rocuraträger ber gttiate
eineö Hamburger Kaufes mar, ifm ju fid) ^u nerjmen unb für feine fer*
nere SluSbilbung 311 forgen. %m ©ommer 1817 fam biefeS anerbieten 3ur
5luSfüf)rung. Söon sDland)efter auS brachte Söiltjetm 5ß. feinen beS (Jnglifdjen
ganj unfuubigen Vorüber betjufS Erlernung ber ©pradje 3U einem in ber 9täb,c
motmenben Sanbgeiftlidjen, ber Weber beutfd) nod) franjöfifd) berftanb. ©0 in
auSfdjliefjIid) englifdje Umgebung berfefct , mad)te 2luguft s}>. in ber ©pradje
fo rafdje gortf djritte , bafj er fdjon nad) einem rjalben Sfatjre fdjriittid) unb
münblid) berterjrcn fonnte. hierauf trat berfelbe bei feinem 33ruber in bie
faufmännifdje Sctjre, unb als biefer balb, befonberS auS ber Seetüre erfannt
tjatte, bafe ber Seljrling Don ber angewanbten 9Jted)anif im fjotjen ©rabe an=
gebogen mürbe, macfjte er il)m felbft ben 5Borfd)lag, 3U iljr übequgeljen. 5ß.
fanb fofort ^ufnaljme in ben SBerfftätten beS miffenfd)aftlidj gebilbeten ^Jted)a=
niferS 2Bf)ite, wäb.renb Sfot^n S)atton, einer ber bebeutenbften englifd)en s^()t)fifer
jener Qtit, fid) bereit finben lie^, if)m ^ripatunterrietjt in OJlatrjematit unb
^sfjtjfif 3U geben. S)er angeljenbe 5Red)aniter tjatte fid) in ber neuen Seljre nid)t
nur mit med)anifd)en arbeiten p befetjäftigen, fonbern aud) bie 3af)lreid)en öon
2Bt)ite erfunbenen ^IJiafcljinen ju ftubiren, Woburd) er aud) in ber §8eurtf)eilung
bon anberen 2Berfen ber 9tted)anif ferjr geförbert würbe. yia§ SSeenbigung
ber 5Weijäb,rigen Setjr^eit bei 2öt)ite berfiegte für ^ß. bie auS bem ©infommen
f eines . 33ruber§ gefloffene llnterftü^ung , t>a biefer im Suli 1821 ftarb, unb er
mufjte nun barauf bebadjt fein, fid) feinen Unterhalt felbft 3U berbienen. @r
berfud)te bieS mit bem betriebe einer auf eigene 9ted)nung errichteten 9JtetaH=
brel)erei; als aber bie (Sinnafjmen auS berfelben bei aller (Jinfdjränfung faum
jum Seben ausreichen Wollten, !et)rte er nad) einiger 3cit über Hamburg in bie
Jpeimatb, jurüd, um mit ^reunben unb 53efannten ju überlegen, Welcfjem S3e=
rufe er fid) nun juwenben folle. S|J. entfd)ieb fid) für baS 3Engenieurfad) unb bejog
beSljalb bon Oftern 1822 bis jum ^>crbft 1823 bie Uniberfität ©öltingen, um
an it)r borjugSWeife reine unb angewanbte IRatljematif, foWie 9iaturwiffenfd)aften
3U ftubiren. ©eine praftifdjen ©tubien mad)te er im ÄreiSbaubureau ju ©peier,
in baS er nad) feinem Abgänge bon ©öttingen als S3auabfpirant aufgenommen
Pauli. 253
rourbe. 9cad)bem ex jux (Sxmeitexung unb 23efefiigung feiner tfjeoretifd^en Äennt*
niffe im SBtnter 1824 25 in 9Mnd)en, roo e§ bamal§ roeber Uniuexfität nod)
^olrjtedjntfum gab, bei öerfdjiebencn ^Jlitgtiebexn bex Slfabemie aud) nod) bexen
Vorlefungen übex ?ßt)t)fif , Stjemie unb 2Jcineratogte gehört unb an ben bamit
oerbunbenen prattifd)en Uebungen teilgenommen blatte, legte 5ß. im Siuni 1825
bei bex -ßöniglidjen Dberften 33aubeb,örbe bie ©taatsbienftprüfung ab, roeld)e ex
„in allen £b,etten mit auSgejeidjnetem (Erfolge" beftanb.
©d)on mar 5ß. im S3egxtff , in bex (Eigenfdjaft eines 23aupraftifauten nad)
Speier <5urücf(5ufei)ren, als itjn ein neue» 2}ert)ältnifj in 2Mndjen fefttjiett.
$u ben s2lfabemtfern, beten Vorlefungen ex fürätid) befudjt tjatte , gehörte aud)
^ofepfy gvaun^ofet. Siefex bexüt)mte Dpttfex roollte ben jungen ^ß. p feinem
9cad)folger fyeranäietjen unb bot ifjm beSfjalb 23efd)äftigung in feinem ^nftitute
an; fein SBunfd) foHte fid) abex nidjt erfüllen, ba ex fdjon nad) einem i^aijre
(7. Sunt 1826) in ben Sinnen feines jungen {JrxeunbeS ftaxb. 23alb baxauf
fefjrte ty. in bie ^falj jurüd, roo ex mit bem ÄreiSingenieur ^>an<jer Vorarbeiten
für bie Qfortfetmng beS Kanals 5Jconfieux öon ber franjöfifdjen ©ren^e bis Speiex
t)ex3uftetteri beauftragt mar. 2Iber nod) öor Vollenbung berfetben rourbe er am
17. gebxuax 1827 als ^pilfsingenieur jux sDciniftexialbaufection nad) sUlünd)en
berufen, um bei bem Sntrouxfe eines bie Sonau bei Äelfjeim mit bem Main
bei Bamberg öerbinbenben Sd)ifffat)xtSfanalS , ben fdjon Äaxl ber ©rofje ge»
plant unb angefangen tjatte, jeboct) ted)nifd)er Sdjroierigfeiten roegen nid)t aus*
füfjren fonnte, mitjuroirfen. ^auti'e unb feiner Mitarbeiter nädjfte Aufgabe
toax , baS Terrain auf ber bie genannten (Ströme trennenben Söaffexfdjeibe unb
in ben baju gehörigen xt)ätem auf junetjmen , um tnernadj bie 2HjeilungS=
fjaltung beS fianalS feftaufetjen. Sie Söfung biefer Aufgabe unb ber ^ßrojeo
tirung ber Äanalftxede 9ceumarft = Bamberg toax um fo müljfamer unb jjeit=
xaubenber , als eS bamalS für granfen nod) feine Steuerbtätter gab , in toelcfje
bie tedjnifdjen Vefiimmungen fofort tjätten eingetragen werben fönnen. Sd)on
in biefen Vorarbeiten für ben 3)onaumainfanat tritt uns in ty. ber geletjrte
unb benfenbe Ingenieur entgegen, toeldjer, ber erfte in Vaiein unb 2)eutfd)tanb,
baS aus bex fran^öfifdjen ©cbtoeij [tammenbe unb üom (Senfer Ingenieur
2)ucarla 1782 jux Vexfinnlidjung ber Oberftädjengeftalt beS MeeresbobenS an=
geroenbete Hilfsmittel ber ^ori^ontalcuröen auf baS fefte Serrain unb bie s}ko=
jectirung üon ^ngenieurbauroerfen übertrug, foroie er ei bei feinen im ^arjte
1840 41 im Ssngenieurcutfe ju Mündjen gehaltenen Vorlefungen feinen 3U*
tjörern bringenb jur 33enutmng empfaljl unb fpäter (1843 — 1860) bei ber
Sraffirung ber baQxifdjen Staatieifenbarjnen in ausgebeiztem lafee antoenben
liefe, ^m 2lprit 1832 rourbe ty., ber nun fünf 3at)xe unter ben 5lugen ber
oberften Vaubefjörbe praftifct) ttjätig mar, untex bem Sitel etne§ ÄreiStngenicur«
mit bex Vor[tanbfd)aft bex fönigl. Sauinfpection 9ietd)ent)aE betxaut. Slui
biefer (Stellung berief it)n jebod) fd)on am 15. sDJiärj 1833 ein föntgticrjeö
S)ecret aum £>bertngenteux bex obetften Vaubet)örbe, jum ^xofeffor ber t)öt)ereu
^Jcedjanif an bex Unitierfität 5)tünd)en unb jum ätoeiten Vorftanbe ber fönigl.
$oIt)ted)nifcf)en ©d)ute bafelbft. ®ine 3)linifterialentfd)liefeung üom 11. ©eptbr.
jene§ Sat)re§ fügte aud) nod) ba§ Siectorat ber neugebilbeten Äreisgeroerbe=
fdjule für Dberbatern l)in<$u.
@in fo reidjer Slemterfegen, roie er aufeer ty. root)t nod) feinem anberen SSeamten
auf einmal befdjeert touxbe, bebaxf einer (Erläuterung, toeld)e auf ba§ ju Slnfang
ber breifeigcr 3a£)re in Vaiern gefd)affene Softem bei ted)nifd)en Unterridjti
jurüdgreifen mufe. ^önig Submig I. tjatte feit feinem Regierungsantritt bex
Hebung Oon Äunft, ©emerbe unb Sanbroirtlifdjaft befonbere Sütfotge äugeroenbet
unb infolge beffen unter bem 16. ftebruar 1833 bie 6rrid)tung Don brei
254 Sßauli.
©attungen ted)nifd)er Unterrid)tS= unb VilbungSanftatten Befohlen: ßanbwirtt)=
|c£jaft§= unb ©eWerbefcrjulen , üotytedmifdje ©Rillen unb eine ted)ntfd)e .|?od)=
fcrutle. Sm |>erbfte jenes ^aljreS traten über jttmnjig 8anbwirtt)fd)aftS= unb
©eWerbcfdjuten tnS ßeben, barunter ad)t .ftreiSanftatten, weldje ben tjumaniftifcljen
fötjmnafien parallel geftettt toaren unb beren Slbfolutorium , menn itjrn baS
einer üierclaffigen Sateinfdjule üorauSging, jutn liebertritt an bie tedjmfcrje
«g)od^fd)ule betätigte , im anberen ^aUc aber nur jur Slufnatjme in einer ber
biet mit bem Stange üon ßrjeeen auSgeftatteten üoltjtecrmifdjen ©djuleu 3U
9Jtünd)en, Nürnberg unb 2IugSburg. £)ic tedjnifcrje £)od)fd)ule war mit ber
cameraliftifdjen gacultät ber Uniüerfität s)Jcünd)en üerbunben, unb an itjr follte
ber Oberuigenieur ty. neben feinen fonftigen umfaffenben amtlichen arbeiten
Vorträge über tjöfjere lücedjanif tjatten. gur Vorbereitung auf biefelben mürbe
itjm atterbingS eine fjrift üon 3Wei Sfarjren gemährt; als aber biefer Termin
üerftrtdjen mar, erflärte fid) ^). megen Mangels an $ät aufjer ©tanbe, bie iljm
übertragene UniüerfitätS=^rofeffur anzutreten, unb bat um ©ntljcbung üon ber=
felben. ©einem ©efudje mürbe jebod) eift bann mittfat)rt, als man auf ©runb
einer fiebenjäljrigen ©rfaljrung an mafjgebenber ©teile einfat), bafj bie tedjnifdje
.£od)fd)ule an ber Uniüerfität nid)t gebeiljen fönne unb in anberer Söeife für
bie 9tuSbilbung üon Slbfüiranten beS tedjnifdjen ©taatSbienfteS geforgt merben
muffe. 2)iefcS 9luSfunftSmittel bot bie (Srridjtung eineS $ngenieurcurfuS an
ber üoltytectmifdjen ©djule in 9Ründ)en, metdjer am 14. $uti 1840 bcfcfjloffen
unb mit Veginn beS ©tubienjafjreS 1840 41 eröffnet mürbe. 2ln biefem Surfe
nun tjatte ber gleichzeitig zum sJtector ber ermeiterten üoli)tedjnifd)en ©djule er=
nannte, bagegen üom 9tectorate ber $rciSgemerbefd)ule entt)obene Oberingenieur
5ß. Vorträge über ©trogen-, Vrüden= unb äöafferbau zu Ratten. ?llS Ober*
ingenieur beforgte er baS Üteferat über baS Vaumefen in jroei altjäljrlid) ju bc=
reifenben StegierungSbejirfen unb über ben 2)onaumainfanal , ferner mu|te er
als ßollegialmitglieb ben wödjenttidjen ©itmngen bei oberften Vaubeljörbe bei=
wotjnen, enblid) 3at)r für Sfa^r bie ßoncurSürüfungen für ben ©taatSbaubienft
abgalten. 511S ^rofeffor lag iljm ber Vortrag ber ü£fjeorie beS 3>ngenieur=
WefenS unb bie fieitung ber bamit üerbunbenen (JonftructionSübungen ob , ein
^enfum, roetdieS jefet (freilid) in coloffaler (Erweiterung) an ben meiften tedj=
nifdjen -gwcrjfdjuleu brei ^rofefforen befd)äftigt. Unb bie $üb>ung beS föectoratS
ber üott)ted)nifdjen ©djule mar felbft bamalS feine ©inecure, wenn aud) bie
ßatjl ber ^u erlebigenben ©efdjäftSnummern nid)t ben Reimten £f)eil ber
jetzigen betrug.
S)ie Verbienfte ^auli'S um baS tedjnifdje VilbungSwefen in Vaiern üer=
breiten fid) in brei 9tid)tungen: Bunädjft auf feine IfltitwirEung bei ber @in= unb
©urdjfütjvung ber ©eWerb= unb üoü)tedjnifd)en ©djulen, für wetdje eS bamalS
an geeigneten ßetjrern unb 9tectoren fehlte. SDann auf feine an bem Ingenieur*
curfe in ^Dlündjen gehaltenen Vorträge über ©trafjcn*, Vrüden= unb Söafferbau,
roetcfje beutfd)e ©tubirenbe mit ber bamalS bebeutenbften Sitteratur beS ^ngenieur=
fadjeS, ber fran3Öfifd)en, in einer SBeife befannt unb üertraut mad)ten, wie eS
an feiner anbern polrjtectjntfdjen ©djute in S)eutfd)lanb gefdjal). (Snbtid) auf
baS ^raftifum, metdjeS er nad) Ülieberlegung beS ßefjramtS für feine beim
(Jifenbarjnbau üermenbeten ehemaligen ©d)ütcr jebeSmal bann abhielt, Wenn er
bie tt)m untergeorbneten Vaufectionen üifitirte, um mit beren tedjnifdjem ^fJev=
fonale an Ort unb ©teile bie in 9tuSficr)t genommenen ober bereits in 3luS=
fütjrung begriffenen 6rb= unb J?unftbauten in beifetben ftaren unb tebenbigen
äöeife zu befpredjen, bie aud) feine Vorlefungen auszeichnete. S)ie ^atfjeber=
Setjrttiätigfeit 5)}auli'S unb feine felbftänbige 9iectoratSfüt)rung an ber üolt)tect)=
nifdjen ©dmle a. O. erftredte fid) faum über ein 3fat)r, ba er mit dnbe Suni
tyautl 255
1841 nact) Nürnberg überftebeln mufjte , um bort als birigirenbeä 9JUtglieb in
bie (5ifenbaf)nbau=(Sommiffion einzutreten, reeller Äönig Subtoig I. bie 2tuf=
gäbe geftettt ljatte, bon ber fädjfifdjen 9teicf)§gren3e Bei <£jof über Bamberg unb
Nürnberg bi§ 2lug§burg unb gegebenen gafl.3 bi§ Sinbau eine Socomotib^ßifen*
batjn auf ©taatäfoften ju bauen. 2ln ber ©bifje biefer Gommiffion ftanben
anfänglictj biet SDirectoren: ßreiäbauratt) S)eni§ für bie ©treefe £)of — Nürnberg,
•Dberingenieur $. für bie ©treefe Nürnberg — 2lug£burg, unb £>b er jottinfbector
S)ürig für bie Slbminiftratibgefdjäfte auf ber ganzen Sinie. (Sine fo bielföbfige
Oberleitung beroätjrte fiel) jeboef) nidjt, unb fcf)on nact) einem $af)re trat S)eni§
bon it)r jmrücf unb 5)3. erf)iett bie gefammte tedjnifdje S)irection, toäljrenb 2>ütig
nact) toie cor bie öfonomifcfjen ©efetjäfte beforgte. Sßäljrenb feine§ fiebeniäfjrigen
SlufenttjattS in Nürnberg (1841 big 1848) tourbe «p. unter SBetaffung in feiner
Stellung at§ tedjnifdjer 23orftanb ber fönigt. (£ifenbaf)nbaucommiffion ätoeimat
beförbert: 1843 jum $rei§bauratf) bei ber Regierung bon 9ftittelfranfen , unb
1848 jum Oberbauratf) bei bem fönigt. $ftinifterium be§ Innern; auet) erfjiett
tXi in biefer 3eü ätoct inlänbifctje £)rben§becorationen: 1845 ba§ Stitterfreuz
be§ 33erbienftorben§ bom tjeitigen ^Jtidjael unb 1847 ba§ ben berfönlidjen Slbel
berteifjenbe Stitterfreuj be§ 6ibitberbtenftorben§ ber barjrifcrjen $rone. 23on
feinen tedjnifctjen Seiftungen toäfjrenb biefeä 3e^taume§ toirb nod) befonberä bie
Sftebe fein; über bie bon itjm ju betoältigenbe 9lrbeit§laft aber äußerte er fetbft,
bafc ftet) in $otge berfetben ber ©onntag bei itjm bon ben 2öoct)entagen nur
baburef) unterfcfjieben tjabe, bafj er am Vormittag bie ^ßrebigt befugen unb am
9tacf)mittag um 5 ftatt um 8 lltjr nact) £)aufe gef)en fonnte.
Sßon Nürnberg ljatte $. ^toet größere toiffenfdjaftlidje Steifen in @ifenbaf)n=
angetegentjeiten 3u machen. S)ie erfte im äöinter 1843/44 nact) (Sngtanb unb
^ttanb , um im auftrage ber fönigl. ©taatSregierung bie eben bottenbete unb fo
fjoct) gebriefene „atmofbfjärifcfje (Stfenbaljn" jtoifdjen $ing§toton unb haltet)
einzufetten unb ju ftubiren; bie anbere im grübjaljr 1846 in bie ©djtoeiz, um
auf (Jintabung be§ ©t. (Satter @ifenbaf)ncomit6§ in (Semeinfdjaft mit bem
toürtembergifcfjen ©berbaurattje (Stjet ein ©utadjten über bie toirtf)fcf)afttict)fte
Einlage einer bon Ütorfdjact) über ©t. (Satten nact) 2St)l füfjrenben ©ifenbafjn
abzugeben. SDie (ürtgebniffe feiner Steife nact) Güngtanb tjat 5)ß. in jtoei fetjr ein=
getjenben SBeridjten an ba§ itjm borgefetjte fönigt. ©taatSminifterium bargetegt
unb barin fidj gegen bie (Jinfüljrung ber auf bem 5Drucfunterfct)iebe jtoifcfjen ge=
toöljnticfjer unb in Sftötjren berbünnter Suft berutjenben atmofbf)ärifcf)cn @ifen=
bafm in S)eutfct)tanb unb 33aiern auggefbroetjen , toeit ber ^Betrieb, abgefet)en
bon feiner ^oftfbietigfeit, fotootjl buret) bie gefünftette Sinrict^tung ber £mb=
rötjren für bie ^otben at§ auet) buret) bie Unbitben be§ beutfetjen 2öinter§ fort=
toätjrenben ©törungen unterliegen mürbe. $m Serfotge ber ©djroeiaer 2tn=
getegentjeit gab ty. au^er bem mit (S^el im $ftai 1846 bearbeiteten gemein«
famen ©utadjten im 2lbrit 1851 auef) ein ©eparatbotum ah, »orin bie 3tn=
ftctjten ber bom fctjmeizerifcrjen 33unbe§rattje über bie gleichen ^'a9e« bernommenen
engtifetjen Ingenieure 9t. ©tebfjenfon unb §. ©binburne grünblict) erörtert unb
einer fdjarfen faerjüetjen ßritif unterftettt rourben. @§ tjanbette fief) habti nietjt
um bie 23erfcf)iebent)eit ber ^raffen , roelctje bon beutfetjer unb engtifetjer ©eite
borgefctjtagen mürben , fonbern um ben llnterfcfjieb in ben Setoegung§mittetn,
roeldje an ben fteitften ©tetten ber in 9lu§ficf)t genommenen Satjnftrecfen in
5tntoenbung fommen fottten. 5)ie SDeutfdjen $. unb (S^el maren für ben ßoco=
motibbetrieb, toie fie tt}n auf ben fcfjkfen Ebenen hei 9leumarft in SBarjern unb
auf ber raupen 3tlp bei ©eifjtingen in 2Bürtemberg eingeführt tjaben, bie beiben
©ngtänber berfoctjten ben ©eilbetrieb mit ftefjenben, buret) 2Bafferfraft ju be=
treibenben 5)31afct)inen. 2)afc bie toiffenfct)aftlict) beffer gerüfteten beutfdjen
256 9touIL
kampier einen gtänjenben ©ieg über it)re engtifdjen ©eguer baoon trugen, ev=
giebt fid) aud) für ben £aten fd)lagenb aus bem Umftanbe, bafj fdjon lange auf
großen <5ifenbat)nen gar fein (Setibetrieb merjr befteljt. Slm 18. ©eptbr. 185-1
würbe $. jum 2)irector ber fönigt. GHfenbaljubaucommiffion unb am 15. Januar
1856 gleichzeitig aud) jum Sorftanbe ber Dberfteu itfaubehörbe im ©taats=
miniftcrium bes Innern ernannt: beibes auf Antrag bes 9Jcinifters ö. b. $fotbten.
5öeibe Vlemter führte s4*. fort, bis nad) 33oHenbung ber 5Jlünd)en*©al3burger
33ahn (15. Sluguft 1860) bie (Jifenbahnbaucouuuiffton ber ©eneratbirection ber
fönigt. SJerferjrsanftatten eintierleibt mürbe. 3)a legte er bie neun^etm 3(af)ve lang
geführte 33orftaubfd)aft berfelben nieber , um als Dberbaubirector feine Jhäfte
ausfd)liejjlid) ber 9Jermaltung bes fogenannten orbenttid)en ©taatsbaubienftr*
ju mibmen.
Slus biefer tetjten s43eriobe feines äöirfens im ©taatseifenbaljnbaubienftc fei
blos ein 2Berf befonberö fjeroorgeboben , bie (Sifcubafjnbrürfe über bie ^far
bei ©rofjheffeltohc, roctdje gut v^cit ihrer 33otIcubung (1857) burd) bie fd)micbe=
eifernen öadjwerfträger 9luffef)en erregte unb beren ben Wanten Sßauli tragenbts
©JjfteBI nad) ber bei Jpeffdto^f beftanbenen s}kobe fofort in ben Stromgebieten
bes Whein« unb ber SJonau bie ausgebehutefte Slnmenbuug fanb. Sluffallenber=
meife fit)lt nid)t blos in ißauli'S hiuterlaffenen biograpt)ifd)eit Wotijcn, foubern
aud) tu ben Steten ber föuigt. @ifenbab,nbaucouimiffion jebe Wad)rid)t über ben
Urfprung ber Ghfinbung, unb rootjt beö^al6, weil fid) aud) an bem ^auli'ftffjen
Srücfenfuftem ber fdjon öielfad) erprobte ©atj bewährte , bafj im ©cbiete bes
^ngenieurwefetts feine für bie ^rajis wichtige (Srfinbung fofort fertig in bie
Sßelt tritt, fonbem erft nad) unb nad) burd) bie ©cbaufenarbeit Weiterer bie
^oüenbung erhalt, in ber fie ©emeingut roirb. %n ber Ibat unterfcheibet fid)
bie erfte üon ty. allein conftruirte unb im %. 1853 bei ©ünjburg ausgeführte
ft-acbmevtbrütfe wefentlidj öon ber biet Sabre fpäter bei .^effeflohc erbauten, für
wetdje auf ^erru ü. ^auli'ö Söunfcb ber 3Jerfaffer biefer Biographie im sUtai
1856 ein üon ben Mängeln bes (viümtuirgcr befreites unb fomit öerbeffertes
©üftem entroirfett unb in einer ausführlichen $}enffd)rift bargeftettt hatte. Sin
biefem ©tjfteme traf ty. in SSetbtnbung mit bem bamatigen in feinem SJienfte
ftebenben ^"ÖPnieurpiacticnnten , nunmehrigen rül)tntid)ft bekannten Sirector ber
©übbeutfdjeu BrütfenbaugefeÜfcbaft Jp. ©erber nur nod) bezüglich eines Son*
ftructionsttjeils eine Slenberung , unb mit biefer mehr öfonomifdjen £üer=
befferung fam bas fragliche Strägerfüftcm bei ber ©rofjbeffetloher 93rücfe jur
Slnroenbung. Ratten nun an ber gcflftcHung biefes ©üfteme jWei engere ^ad)=
genoffen unb an ber Aufarbeitung ber ßonftruetionspläne ein herüorragcnber
praftifcher flJcechanifer (S. 2Serber in Nürnberg) mitgeroirft, fo fonnte unb
Wollte fid) 5p. nicht als ben eigentlichen (Srftnber bes nad) ihm benannten unb
auf feinen Warnen patentirten SJrüdenfnftems bezeichnen; mobl aber gebübrt
itjm allein bie ©bre, bie Srfinbung biefes 33rüdenft)ftems üeranla^t unb geleitet
unb bann ben sDtutf) gehabt ju tjaben, beffen roiffenfd)afttid)e unb praftifdje
93ebeutung burd) ben Jpeffeüotjer 33au unroiberlegtid) ju ermeifeu.
3n bie Sermaltung bes baierifetjen ©taatsbaumefens mar atoar gegenüber
frütjereu fdjmanfenben 3uftänben burd) brei an itjrer ©pike geftanbene Männer
Wie ©. ö. 9tetd)enbad), 2. t). Äten^e unb ft. ö. ©d)iertinger eine fefte Dvbnung
gebrad)t worben; bod) empfanb man es nod) als einen Ucbelftanb, ba^ in ber=
felben bie Trennung ^wifcljen bem £)od)baufad)e unb bem SfngenieurWefen nid)t
ebenfo burdjgefübrt war wie auf einem anberen (Sebiete bie Trennung ber ^iufti^
öon ber iBerWaltung. SBefentlidj biefer Mangel unb bie fjieran fid) fnüpfenbe
gorberung an bie ^aucanbibaten, jwei berfdjiebene Einlagen forbernbe 5äd)er
wie Slrdjiteftur unb Sngenieurwiffenfdjaft gleidj^ettig ju ftubiren, berantaBten
$auli. 257
balb nactj ^auli'S (Eintritt in bie Dberfte SSaubecjörbe eine 9teorganifation beS
SSaumefenS, bei ber eS jebocb, beS $ofienbunfteS roegen nod) nidjt möglich toar,
bie Trennung beS ^ngenieurfadjS bom Sanbbaufacrje gan<$ burcrjaufürjren; fie
gefdjaf) borläufig bloS bei ber Dberften 23aubet)öibe unb ben ÄreiSbaubeljörben,
bie änderen SBauämter behielten nod) Sßorftänbe, bie für beibe ^ädjer geprüft
unb auägebilbet maren. ©emnad) fonnte audj ber Unterricht an ber in 9Mnd)en
befterjenben 33au= unb ^ngenieurfctjule n°d) nidjt auf ein ^acfj befdjränft roerben.
Sine bon 5ß. fjerrfitjrenbe 6igentt)ümtid)feit ber Drganifationsberorbnung bom
13. *Robember 1857 toar eS audj, bafj bie beiben üjßrofefforen beS Ingenieur*
mefenS (ß. $ft. Söauemfeinb) unb bei ,g>ocrjbauhmft (©. 9leureutrjer) an ber
genannten 23au= unb Sngenieurfcfjule unter Beibehaltung itjrer 8eb,rftüt)le als
SSaurättje jur oberften SBauberjörbe berfetjt, unb fomeit eS it)r Sefjrberuf nur
immer gemattete, mit Referaten über bie bon itmen bertretenen gäcrjer bebaut
mürben. SSorjugsmetfe bem ßinfluffe biefer jmei jüngfien (SoÜegialmitglieber mar
eS jju banlen, bafj hei ber Crganifation ber tedjnifcrjcn $oä)]d)üle im $.
1867 68 für baS (Stubium beS ^ngenieurfadjS unb ber 2lrdnteftur befonbere
2lbtb,eilungen an berfelben erridjtet mürben, momit audj ben Sßorbebingungen
ber bier 3>at)re fpäter boEftänbig burdjgefürjrten Trennung be§ <£odj= unb £ief=
bauS boEftänbig ©enüge gefdjaf). S)ie föniglidje Skrorbnung bom 23. Januar
1872, melcfje biefe Trennung auSfpradj , fam nodj unter ^pauli'i SJlitmirfung
^u ©tanbe, ju itjrer SDurdjfütjrung tjieft er ficf) aber, ha er unterbeffen fieberig
^atjre alt gemorben mar, nidjt mctjr für rüftig genug, unb er bat beSfjalb, baS
brei ^afjrfünfte tjinburd) mit tjödjfter GHnfidjt unb ©emiffenfjaftigfeit bermaltete
Slmt eine§ föntglidjen ©berbaubirectoiS nieberlegen ^u bürfen, maS itjm aucf)
unter ben fjulbreictjften 2luSbrüden ber Slnerfennung feiner ausgezeichneten SDtenfte
am 3. Februar iene§ SatjreS gerne bemittigt mürbe.
yiod) elf Safjre eines frieblidjen ßebenSabenbS maren ty. befdjieben. (5r
berbradjte itjn frifdj faft auSfdjfiefjlidj in feinem fleinen ßanbfjaufe zu Seutfietten
bei ©tarnberg. bbmotjt fid) ifjm bie Sefdjroerben beS SllterS menig fühlbar
machten, unterbrach er boctj jebeS 2>of)i' bie länblidje ©title unb 3urücfge,5ogen=
tjeit burctj einen mefjrmöctjentlidjen 21ufent(jalt in Sfteidjenrjatt ober ffiffingen.
SDorttjin mar er audj 9Jcitte 2Jlat 1883 gegangen, 9iadj ben erften äöodjen
eineS anfdjeinenb günftigen ^urgebraud)S überfiel itjn am 4. ^uni eine ^ranf=
Ijeit ofjne beftimmten 6b,arafter, unb fdjon am 17. beffelben Monats trat eine
®ct)lunbläl)mung ein, meiere ben ©enufj öon ©b^fe un^ Srant unmöglich machte
unb ben Serfatt ber Sprache unb Äräfte nad) fid) 30g. ^}auli'S 23emu|tfein
aber blieb ungetrübt, bis er am 26. Suni, umgeben bon feiner gamitie, fanft
entfd)lief. Vlad) feinem SÖiüen rut)t er auf bem $ird$ofe 3U ^iffingen, nic^t
meit bom ©rabe beS geteerten DberbergbirectorS b. 51url unb gegenüber bem
©tanbbilbe ber trauernben ©ermania, tnetdje baS ^Dlaffengrab ber am 10. ^uli
1866 bortfelbft in rjeifjem Kampfe gefallenen beutfdjen ff rieger fdjmücft.
Dberbaubitector ö. $auli, ber in feiner äußeren ftatttic^en ©rfcrjeinung an
englifcrjeS SBefen erinnerte, mar ein eigenartiger fdjarf auSgepiägter ß^arafter.
3n Singen beS briöaten SebenS menig auS fidj b,erauSgeb,enb , mürbe er fejr
mittfjeilfam in SSejug auf feine fd)affenbe öffenttid)e Stjätigfeit, ^umat im Greife
junger Ingenieure. 2IIS S3orgefe|ter mar er, ber an fidj felbft bie größten 2ln=
forberungen beS 5i"|eS unb ber ©emiffen^aftigfeit [teilte, immer ftrenge, modjte
er als 9tector über fitttidje §ef)ler ober Unarten Don ©djülern, ober als 2lmtS-
öoxfianb über mangelnbe SBevufStreue ober ^flid)tüeifäumni^ öon SBeamten unb
Wienern su urteilen b,aben. äöer auf 9flanneStugenb, SerufStücl)tigfeit unb
pflichttreue etmaS fjielt, mu^te ib,n liodjaditen; lieben aber fonnte itjn nur, mer
einen SBtid in fein ^nnerfteS gettjan, beffen ^Rittetpuntt eine unjetftörBare , ben
5Wgetn. beutfcöe SBtogra^ljte. XXV. 17
258 ^ßault.
©efjeimniffen be§ djriftlidjen ©laubcn§ jugcroanbtr 3uöcrftc^t ttmr. Sluf biefem
<g>er3en§grunbgefürjle rufjte feine gan^e *ßerfönlid)Eeit, tute fie fid) in jtoei glüd=
liefen ßljen, im Familienleben, im amtlichen nnb gefeu^cfjaftlidjen SßerEeljr offen=
Barte. 9lu3 it)m erftärt ftd) bie unerfdjütterlidje 9tut)e bei bem Stöbe feiner
erften (Sattin unb breier erroadjfener $inber, barunter eine§ ^u großen Hoffnungen
berechtigten ©oljneä, unb Ijierauf läfjt ftd) ba§ roiüige Erträgen öon Jhänfungen,
bie aud) itjm nidjt erfpart blieben, foroie feine unglaubliche 33ebürfnifjtofigfeit
unb ©enügfamfeit, aud) ben erlaubten ebleren ©enüffen beä ßebenS gegenüber,
äurüdfüljren. Siele Söorte roaren feine ©adje nid)t , toeber im Familien* unb
Berufsleben, nod) in ^reub unb £eib: roo 33litfe unb Söorte nidjt genügten,
roaren feine 3ured)IweifunQett ft^'J. im SDienfte auet) mandjmat fdjarf. 2)od)
barg bie ruhige unb fd)cinbar falte Slufjenfeite ein roarmeä .^erj, roie nicf)t blo§
feine Hinterbliebenen unb jafjlreidjen ^reunbe , fonbern aud) feine ehemaligen
Untergebenen unb Söiete, roetdje 3^ugen feiner Döferroiüigfeit roaren, beftätigen.
©einer 'Jlatur tjat eä meljr jugefagt, greifbar ju geftalten, aU befdjreibenb bar=
aufteilen: er Ijat batjer aufeer ben ferjon genannten @utad)ten über fcfjtüeiaertfdje
ßifenbafjnangelegenrjciten nur roenige Slrtifel für tedjnifdje 3eitfd)riften, nament*
lief) beS Äun[t= unb ©etnerbeblattä beg öolötedjnifcfjcn Vereins für Saiern ge=
fdjrieben. 2)iefer herein, bem er ein fmlbeä ^atjifmnbert lang unb baöon jroei
3Ear)xje^nte al3 sJiu§fduif5mitglieb angehörte, et)rte itjn mit feiner großen golbenen
Söereinämebaitte, foroie if)m jroei Könige öon 33aiern, ber Äaifer öon Defterreid)
unb bie Könige öon ^reufjen, ©adjfen unb 2öürtemberg für bie ifjren 9ftegie=
rungen erroiefenen 2)ienfte buvd) Söerteifmng fjofjer Drben itjre SInerfennung
lunbgaben. ,£>at & fonad) bem Oberbaubirector ö. ty. in einem langen
Sefieu an rooljlöerbienter Slnerfennung nidjt gefehlt, fo bleibt it)m aud) nad)
feinem £obe ein treues 9lnbenfcn feiner ^unterbliebenen unb Of^unbe geficfjert,
unb fein 9lame, ben feine ©efcfjidjte ber ©ntroidtung ber ©ifenbalmen übergeben
fann, fotoie feine im neuen 9Jcündjener 33afmr)ofe neben Sameg Söatt, ©eorge
©tepr)enfon unb Äarl Sluguft ©teinl)eil öerföröerte ^erföntidjfeit ermafmen bie
ßaien ^u SDanf unb |)od)ad)tung , bie jünger be§ ^ngenicurfadjä aber au au§=
bauernber unb grünblidjer Arbeit, bie jur inneren 33efriebigung meift aud)
lofjnenben äufjcren Srfolg geroätjrt.
Sßergl. (£. ö. Sauernfeinb'3 ©ebädjtnijjrebe auf ^riebrid) Sluguft ö. $auli,
9Jtünd)en 1884. — 5Dann bie ©ifenbarmjeitung öon 6feel unb Äletn, ^at)r=
gänge 1850 unb 1851, ferner in ber 3eitftf)rift be8 33erein§ beutferjet 3n=
genieure öom 3fat)te 1865 ben Slrtifel öon ©erber über bie 23ered)nung ber
Sörücfenträger naefj $auti'§ ©Aftern, unb enblicf) bie 3eitfd)rift für Saufunbe,
Sanb VII. 33auernfeinb.
füllW: ©eorg 5p., geboren am 7. Februar 1656 ju S)anaig, ©oljn be§
reformirten 5paftor§ Slbrian ty., empfing bie in feiner Söaterftabt ljerfömmlid)e
S3orbilbung unb fdjlofe ben ßerncurfuS an bem ^articulare 1605 mit einer
„Oratio de annis climacteriis". 5Jlad)bem er auf mehreren Uniöerfitöten ftubirt
tjatte, begab er fidj fdjliefetic^ nad) -gjeibelberg. $in gab er 1607 JMermann'S
„Praecognit. philos. lib. II." unb „Systema ethic." Ijeraug, unb erlangte 1608
ben fjödjften ©rab ber örjilofoöljifdjen gacultät, foroie bie bamal§ öaeante $ro=
feffur ber 9Jtatf)ematif. 1612 roanbte er ftd) nad) 33afel unb bem ©tubium ber
£r)eologie ju, in ber er aud) im sJtoöember genannten 3af)re§ ben S)octorgrab
ertoarb. 1613 folgte er bem öon feiner Saterftabt an it)n ergangenen 9iuf, bie
«ßrofeffur ber @tljif unb 5ßolitif an bem bortigen ©tjmnafium ^u öerfeljen, unb
b^at biefelbe big ju feinem 2obe befleibet, baneben aber aud) ba§ 3lmt eine§
©eiftlidjen für bie reformirte ©emeinbe. 3ludj ttjeotogifdje Sorlefungen finb
öon iljm gehalten toorben. 2lm 12. ©ecember 1650 ift er geftorben. iiur
5ßauli. 259
eine fleine galjl üon Schriften, barunter brei ^rebigten, finb bon iljm ber-
öffentlid^t tootben.
Andreae Charitii Commentatio historico-litteraria de veris eruditis
Gedani ortis (Witt, Sax. 1715. p. 119). — Christ. Friedr. Charitii Spici-
legii ad D. Andreae Charitii commentationem hist.-litt. de viris erud. Ged.
ortis pars prior (Ged. 1729). p. 42. — Ephr. Praetorii Athenae Geda-
nenses (Ups. 1713). p. 60, 61. 31. 23ertling.
^aillt: ©eorg ^acob ty. tourbe all jüngfter ©ohn bon Hermann
fteinholb *p. (bgt. u. ©. 260) am 24. 3juti 1722 ju 33raunfchtoeig geboren,
bejuchte baä reformirte Gymnasium illustre in igaUe a. b. ©. unb bom Satjre
1737 an bie üniberfität ebenba. %m %. 1745 toarb er unter bie föniglidjen
Candidatos alumnos in 33erlin aufgenommen, um aber feinem alten SJater bilf=
reich, pr «Seite fieben p fönnen, nahm er ben im Dctober 1746 an tfjn er=
gefeenben üiuf pm 9tector be§ genannten ©bmnafiums in £)atle an. (Jttoa ein
Safer nach bem 2obe feine! 33ater§ folgte er einem 9tufe aU ißrebiger auf ber
griebrichjtabt in 23erlin (1751) in welcher ©tetlung er bier^ehn $abre berblieb.
5Dann ging er im %. 1765 nach -gmlberftabt all «gjofprebiger unb Gonfiftoriat=
rath; 1775 tourbe er al§ erfter Stomprebiger unb ^nfpcctor ber reformirten
©emeinben be§ ©aalfreifel toieber nach ."jpatle Berufen, too er am 23. Februar
1795 ftarb. (Er toar ein fehr fleißiger unb aufcerorbentlicb, beliebter s}kebiger,
aber in feiner tfieologifchen Stellung bötltg ein £inb feiner 3eit. ew um Ent-
fernung „atte§ 'DJtbftifcfien" eifrig bemüfiter 9cationatift. 3n biefem ©inne ar=
beitete er auch in 33erbinbung mit %ot). Üaxl Sßifdjon, feinem beseitigen Kollegen
in Jpalle, ba§ reformirte hallefche Stomgefangbuch au§, beffen (Einführung an
bem £age ftattfanb, an toetdjetn $ifd)on it)m bie SebächtniBprebigt hjelt, am
8. 2Rärj 1795. Die 23erbefferung be§ ©efangbucbe§ rüfemte ber Ütebner babei
al§ bie eigentliche 3lmtetbat bei 33erftorbenen. S)a§ ©efangbuch enthält mehrere
eigene Sieber 5pautt'§, bie mciftentt)eit§ mit Stecht betgeffen finb; unter ilpen
ift ba§ 3lbenbmabl§üeb : „J?ommt unb efjt ba§ 33rot bes 33unbe§, Eommt unb
trinft bon meinem Söein", toelcheä fchon im 3. 1777 in einem anhange p
bem Porigen ©efangbuche gebrucft mar, wol bal befte; e§ tjat auch, noch u. a.
in bem ^Berliner ©efangbuch bon 1829 Aufnahme gefunben. SDie altem Kirchen'
lieber überarbeitete *ß. fo ftatf, bafj fxe ttjeiltoeife gar nicfjt ober nur am 33er§=
ma|e toieberperfennen finb.
2)rebbaupt, Sbronif bei ©aalfreifel II, ©. 688 f. — ßbangelifch«
reformirte Äirchenaeitung , Jahrgang 1863, 6. 103 ff. — Äoch , ©efchichte
bei £irchentieb§ u. f. f., 3. 3Iuft., 6. 33b., ©. 497 f.
I. u.
Quillt: Mag. £)inrtch *$., gewöhnlich 3lrfeniu§ genannt, gebürtig aul
(nicht: aul ber 9täfee bon) 3lrffen in SJÖeftfalen, t Iura bor bem 17. ftobember
1575. @r mürbe im Söinter 1534 att 33ruber be§ g?raterttofter§ ober JHofteri
ber 33rüber bom gemeinen Seben in ütoftodE immatricutirt , 1539 magister
artium, 1551 ift er all Senior be§ ßtofterl genannt, 1557—59 toar er beffen
tefcter 9tector. 6r blieb ftetl fatholifch , tourbe aber feiner guten SBirffamfett
toegen unb toeil ba§ Ätofter feiner S)rucferet unb feiner beutfcfoen (Schule toegen
beliebt toar, bom üratbe ber ©tabt gefchüht, ja geförbert; felbft bon ben eifrigen
Theologen tourbe er in feiner reinen 9ftenfd)tichfeit, ^Sliibt unb, bei aller f5eftig=
fett in feinem ©tauben, boch böttiger ©treittofigfeit anerkannt. %n ben böfeften
3eiten ber 33ertoaifung ber Uniberfität baben er unb 3Inbrea? gggerbel ba§
übrige getban, fie hochphalten. @r toar nach gingang be§ ßlofter§ ftegenS
be§ afabemifchen Paedagogii Coeli porta, ba§ in bie .ßlofterräutne getoiefen toar,
17*
260 SPouti.
beliebt bei ber 3»ugenb , Ijodjgeeljrt bei ben s4>rofefforen ber nad) 1563 toieber
btüf)enben llnitierfität. 2lt§ 1563 ber berühmte sJßoffeliu§ bie Ötegentie über=
narjm, tourbe befiinnnt, bafj ber alte berbiente 2lrfeniu8 nidjt berbrängt, fonbern
neben ifjm bleiben fotte. ©ein -gmuptftubium waren bie gried)ifd)en Äirdjen»
öäter, unb nod) 1571 erbot er fiel), unb empfahl ^offetiuä it)n, äu einer gried)i=
fdjen 23orlefung. 9tadj einer Wotij fdjeint ifjm audj bie Äunft, gebrannte
Söaffer ju fertigen, befannt gewefen ju fein.
®ie Duetten in Öijd), 3at)rb. 4, ©. 22 ff.; bie älteren befonber§ ge=
fammclt in „(Jtwaä toon (Mehrten 9Hoftodfdt)en ©adjen" 3, ©. 439 f.
Traufe.
^Oltli: Hermann 9teint)olb 5JJ. würbe am 28. Februar 1682 al§
©ot)n beä üprofeffor£ ber üEtjeologie 9teinf)olb s-l>. in Harburg geboren, ©eine
$8orfat)ren bäterlidjerfeiti waren in mehreren Generationen ©eiftltcfje in SDanjig
geWefen. 6r öerlor feinen äkter fet)r fvüt). "Jtadjbem er bie ©lauten in 9flar=
bürg befudjt, begann er ebenba im $. 1696 ba% ©tubium ber SEljeotogie, ging
bann mit feinem älteren trüber auf ba§ afabemifdje ©ttmnafium in Bremen
unb f eiste rjernad) bon 1701 an baä ©tubium in Harburg fort. Äaunt
20 Saljre alt warb er im $. 1702 |>ofprebiger ber öerwittweten gürftin oon
(,.}caffau=©d)aumburg. 3m 3f. 1705 fam er aU erfter reformirter ^tebiger an
bie Sartt)olomäifird)e in 53raunfd)Weig, too ber -£>erjog 9lnton Ulrid) ben 9tefor=
mirten freie Metigtonsübung geftattet tjatte. Um feiner Keinen ©emeinbe bie
firdjltdjen haften ju erleichtern, unternahm er im Dctober 1705 eine 6o£tecten=
reife nad) .ipoüanb, auf ber er aud) bie iöefanntfdjaft ber bebeutenbften bortigen
refornürten Geologen madjte. 3fm $. 1724 ging er als ^ßrebiger nad)
granfentljat in ber ^falj; ba feine 9Jlutter öon tjier gebürtig mar — fie mar
eine üEodjter be£ *ßrebiger§ üDaniel £o§fan unb mar im 3. 1697 geftorben — ,
glaubte er, biefe Berufung in Weit ungünftigerc SJerfjältniffe nidjt abmeifen ju
bürfen. 5£)a feine Sßtrffamfeit tjier eine wenig erfolgreiche mar, folgte er gern
im 3f 1728 einem 9ftufe nad) £)alle a. b. ©. Jpier murbc er <mnäd)ft ^Weiter
5£)omprebiger unb ^vofeffor am refotmivten Gymnasium illustre, Ijernadj im $.
1734 erfter SDomprebtger unb Gonfiftoriatratf), fpäter aud) ^nfpector beS 2)om=
gt)mnafium§ u. f. f. (Sr ftarb am 5. Sluguft 1750, nad)bem er met)rfad) borljer
fd)Were ihanftjeiten burd)gemad)t rjatte. - s4>- ift 2)id)ter beS i3iebe§: „ßobe,
lobe meine ©eele, ben ber tjeifet Qexx ^ebaottj", meld)e§ Qret)lingt)aufcn in ben
2. Stljeil feine§ ©efangbud)c§ (nidjt ganj unüeränbert) aufnahm unb weldjeä
öon t)ter aui in mehrere ©efangbüdjer, namentlich in sJJtagbeburg unb Umgegenb,
Stufnatjme gefunben t)at. 9htjjerbcm ift er 33erfaffer einer 9teit)e tljeotogifdjer
2lbr)anbtungen ; aud) f)at er s^rebigten bruden (äffen.
Tretjtjaupt, ßljronif Dc§ ©aaltreifeg II, ©. 688. — 9totcrmunb jum
Södjer V, ©. 1694. — Teufel, Sejicon X, ©. 296. — @bangetifd)--refor=
mute flirdjenaeitung 1863, ©. 33 ff. — Äod), ©efcb;id)te be§ Äird)enliebe§
u. f. f., 3. Slufl., 6. 58b., ©. 77 ff. — ftifdjer, ßirdjenlicberterjfon, 1. ^älfte,
©. 37. I. u.
^Qltlt: So ad) im 5ß.f ein ausgezeichneter 2)id)ter geifttid)er ßieber, mirb
im ^. 1656 unter ben Primanern beg ©tymnafiumg jum grauen illofter äu
23erlin genannt, roctd)e ben (35eburt§tag be§ (Sonrectori 5Jlid)aet ©djirmer feiern.
(Jr be(ieid)tiet fid) fetbft als au3 2öit§nad in ber 5Rar£, bod) ftnbet fid) fein
51ame angeblid) nidjt in ben öom 3. 1632 an öorljanbenen ^aufregiftern biefeS
©täbtd)en§. 5^. öerfertigte al§ Primaner unb l)ernad) al§ ©tubent ber ü£tjeo=
logie — er ftubirtc toal^rfd)einlid) in g-rantfurt a. b. £>. — lateinifd)c unb
beutfdje (Sctegen^eitSgebidjte , oon benen eine 5lnäat)I nod) öorb^anben finb, fo
$auli. 261
3. SB. ein Sroftlieb auf ben £ob einel ©otjnel öon «ßauluS ©erwarbt (7 im October
1665). 25a et ftd) unter biefem Siebe nod) SS. theol. Stud. nennt, fo tjat
et bamatl (im 3. 1665) nod) feine Aufteilung gehabt. @r lebte nadj 23e*
enbigung feinet ©tubien in Lettin; eine 3"ttang mar et |>aultetjrer in bet
ö. ^ßlaten'fdjen Familie. Am 25. Februar 1674 öertjeirattjete et fidj in Lettin
mit ÜJlaüa ftefyxenfyoly, in ©ebicfjten, bie 3ut 33ett)errlid)ung biefet fteiet ge=
btudt finb, roitb et all Ganbibat beaeidmet. @£ ift biefel, fotriet unl befannt,
bal lejjte fixere Saturn aul feinem Seben; tootauf fad} bie Angabe, bie ftd)
f)ie unb ba ftnbet , et fei $rebiger in bet 9tär)e öon ^Berlin geroefen, gtünbet,
öermögen mit nid)t 3U fagen. All TOglieb bet „grudjtbringenben teutfdjen
©efetifdjaft" l)iefj et „bet Steppe", ©ein 2obeljal)r ift fo toenig befannt,
roie fein ©eburtljafjr. s£. gab „Sßiet geiftlidje Steber" f)eraul, „bem lob=
toütbigen (Sott 3U (E)ten unb beffen Siebrjabern 3um beften abgefaßt Don
3oad)imo «JJauti" ; fie erfdjienen otjne Angabe toon Drt unb 3at)r; ba abet am
©cfjluffe bei fleinen .Seftdjenl ein ©ebidjt Don s£autul ©erfjarbt „auf bie
öier gegenmättigen geift= unb anbad)treid)en ©efänge" fidj beftnbet, melcfjel *on
©ertjarbt als ^tebiget 3U ©t. Nicolai in Lettin unterzeichnet ift, fo mufj biefe
Sammlung bot 1666 erfdjienen fein. 3m 3- 1664 erfdjien bei döriftopt)
9tunge in ^Berlin „ATQ. , SBorgefdjmacf bet häutigen unb frörjlidjen groigfeit
u. f. f."; aud) biefem 23üd)lein ift all Anljang ein ©ebidjt ©erfjarbfl t)in3u=
gefügt. 3rt biefem lefetgenannten SBudje ift jum etften 9Jcate ^auli'l Sieb:
„3ion, gieb bid) nut jufrieben, ©ott ift nod) bei bit batin", gebtueft, bal
nad)t)er eine roeite Verbreitung fanb. Anbete Siebet ^aulTl ftnb juetft
in ben bei 9tunge erfdjienenen Aulgaben bet „Praxis pietatis melica" 1664,
1666 unb 1672 gebtudt, wie Sadjmann (bgl. unten) nadigemiefen rjat; fo fein
befanntel 2£eitmad)tltieb : „D Sefu Gljrifie, ©ottel ©ofjn, toie fommft bu bod)
3u mit" in bet Aulgabe öon 1672. ©djon feine 3"tgenoffen traben ^auli'l
fd)öne ©aben unb ftommen ©inn gelobt; feine Siebet etinnetn nid)t feiten an
biejenigen ©errjarbt'l, mit bem et nidjt nut befannt, fonbetn aud) befteunbet
getoefen 3U fein fdjeint.
ftambad), Anthologie III, ©. 351 ff. — 3eitfd)tift für d)tiftlid)e 2Biffen=
fdjart unb d9tiftlid)e§ Seben 1855, ©. 46. — 3. ft. Sadjmann, M. «midjael
©dünner, Setiin 1859, ©. 232 ff. — $od) , ®efd)id)te bei ^itdjentiebel
u. f. f , 3. Aufl., 23b. 3, ©. 342 ff. — SSobe, QueHennad)roei§, ©. 126. —
liebet bie angefügten Siebet ©etfjatbt'l bgl. Sadjmann, ^autul ©erljarbt'l
geiftlidje Sieber, Berlin 1866 (1876), ©. 309 f.
I. u.
^ault: 3ol)annel % lim bal 3ab> 1455 bon jübifdjen gttetn ge=
boren (ma§ inbeffen neuerbing§ beftritten mirb), trat et ftüf) 3um ßfjtiftentljum
übet, toutbe in ©trafjburg 5Jlagifter, bann ^Ritglieb be§ grancilcanerorbenl
unb prebigte fd)on 1479 in bem Älofter feines Drben§ 3U 2fjann im 6lfa^.
3m 3. 1499 tourbe er at§ auSgejeid^neter ^rebiget ju bem öon gftanj ©abatta
nad) Cpöenbeim berufenen Gonbent entfanbt. S5on 1506—1510 roat et ®uat=
bian bei Sariüfjerflofterl in ©ttapnrg , too er bie ^rebigten ©eilerl öon
ßaiferlberg fjörte, bie er aufjeidinete unb in ben folgenben Sagten aularbeitete.
S)ie erfte ©ammlung berfelben gab er all Sefemeifter 31t ©djtettftabt 1515 unter
bem Xitel „(Söangetibudf t)erau!, ber im folgenben Saljre eine anbete, bie
„(5meil", unb 1517 eine britte, bie „Sröfamlin" folgte. Aud) 311 Spillingen
im ©d)mar3malbe mar er fut3e 3eit lang Sefemeiftet; 1518 berfat) et baffelbe
Amt miebet in bem Äloftet feinel Otbenl 3U i^ann, teo et 1519 bie ©d)manf=
fammlung ,,©d)impf unb (5tnft" öollenbete, 1520 bie bilfjet nut in lateinifdjet
lleberfefeung öon ^ac Dtfjer befannten ^rebigten über ©ebaftian Sßrant'l
262 $ault.
9iarrenfd)iff in£ £>eutfdje aurüdüberfcfete unb bis ju feinem nadj 1530 erfolgten
£obe üetbiieb. Dtjne bie 33erbienfte ^auti'ä um bie gijirung ber ©eilerfdjen
üprebigten fdjmätern <}u motten, mufe bod) auögefprodjen merben, bafj ber ©djmer=
punft feiner 33ebeutung in ber 3ufammenftettung beä bereits erwähnten ©djraanf*
oudjeä „©ctjimpj unb Chnft" liegt, roetdjeä, in jatjllofen 2luflagen, Bearbeitungen
unb 9ladjatjmungen Perbreitet, einen fetjr ertjeblidjen Güinflufe fomoljl auf bie att=
gemeine Bilbuug mie auf bie 3>idjtung be§ XVI. ^aljrtjunbertS ausgeübt tjat.
6. 3)etttj, Ueber ben S3arfü|er 3ot)anne8 «Pauli, 2öien 1839. —
3. 3JI. Sappenberg, Ulenfptegel, £eip,}ig 1854. — $. ^auli, ©djimpf unb
(Srnft, tjerauägegeben öou £>. Cefterlerj, Stuttgart 1866 (Siter. herein). —
Betreffenb bie neuerbingS beftrittene jübifcfje ^jerfunft >4>auli'3 ,ju Pgl. $. @ubel,
£). ©• $., ©efdjidjte ber oberbeutfdjen SJHnoriten^roPin,}. Söür^burg 1886.
£. Defterletj.
^Clllt: $art g rieb rief) ty-, f. am ©djlnffe biefeS Banbeg.
$a«lt; $arl SBilrjetm $., geb. am 18. £ec. 1792 ju ßüberf, t ba=
fetbft am 18. SRära 1879, flammte aus einer Familie, bie ju Altena in Söeft»
faten anfäffig, feit Slnfang beä 18. Saljrfmnbertg nad) ßübed übergefiebelt mar.
«ötcfjr als ber burd) feine Steifen unb ©efdjäfte in 2lnfprud) genommene 33ater
2lbrian SBiUjelm 5p., ber Kaufmann in ßübed mar, übte bie Butter ßinflufj
auf bie Sntmitfluug be£ ©otjnes aus. ^lagbatcna s4>oet, aus einer urfprünglid)
tjoÜänbifdjen gamilie, bie burd) biet (Generationen in Ütu^tanb gelebt unb bort
erljeblidjes Vermögen ermorben tjatte, mar bie ©djmefter Speter 5ßoel8, ber ftdj
feit 1789 in 2lltona niebergelaffen unb bie Verausgabe beö Slttonaer 9)cercur§
übernommen tjatte. Sind) littcrarifdje unb Permanbtfdjaftlictje Bedienungen
be§ Bruberä mar auetj bie ©djroeftcr mit ben geiftig tjerPorragenbftcn Greifen
ber «Hamburger ©efettfdjajt, beu Büfdj, 9teimaru§, ©iePefing, Sogrjet Pertraut
getoorbeu, unb al§ bie Altern eine Zeitlang in 2lltona itjren SBotjnfit} nahmen,
trat früljäeitig eine Üteifje bebeutenber IDtenfctjen in ben ©efictjtäfreiS bee jungen
*p. SDen erften Untenidjt genofj er in ber «ßenfion be§ VLbb6 ©uiot 311 Slltona,
fpäter befudjte er bie SJhima beä bortigen ©rjmnafium§r ba§ er mit bem ju
Bütfeburg öertaufd)te, als bie Familie 1808 baljin überfiebette. •Cftern 1811
oerliefj er bie ©djule, um in Tübingen ^uriöpruben,} ju ftubieren, nactjbem er
fidj juüor über bie Söatjl biefeg Berufs guten 9latlj bei Äarl ©ieoefing, ber
bamatö als s$riOatfecretär beS (Srafen Steinb.arb in ßaffet fungirte, getjolt tjatte.
5Die beiben in Tübingen Perlebten Satjre bilbeten ben ©(anjpunft feiner Sfugenb.
lübingen nannte er feine geiftige .^eimatl) unb im fpateren Sebengalter ^at er
motjt baran gebad)t, fid) borttjin äurüd^ujie^en. So eifrig er auet) feinen S3e=
ruföftubien obgelegen tjatte, roaä it)m Tübingen für immer mertt) machte, mar
bie Srinnerung an bie Gienoffen, mit beneu er ein oou ^ßoefie , £iebe unb
greunbfetjaft bemegte§ 2eben gefütjrt tjatte. S5oräug§meife toaren c§ ©übbcutfdje,
Oor allem ©uftaP ©ctjmab , in beffen etterlidjem ^aufe er ein gern gefetjener
(Saft mar, ber Sfurift 21. Äöftlin, ber SLtjeotoge Cfianber, Sluguft $auttj, Sluguft
Watjer, ber eine frütj burd) ÄranfljeU tjinmeggetafft, „entrüdt ber anberc unter
@i§ unb 6\ä", mie (Buftap ©ctjmab bem im ftelb^uge bcS 2Binter§ 1812 um=
gefommenen greunbe nadjfang, bilbeten einen ßteiS, bem Ul)lanb, Äarl ^Jlatjer,
ber Sruber 2luguft§, unb anbere Weitere nod§ nab^e [tauben. 2US ty. Dftem
1813 nactj 33üdeburg ju gu^ ^eimfetjrte, mar er entfctjtoffeu , mit ben Sßaffen
in ber £)anb bie öaterlänbifctje ©efinnung ju bettjätigen, meldje eine rjodjgemutlje
Siugenb auetj in ben rtjeinbünbifdjen ©taaten getjegt unb gepflegt tjatte. (Sin
6mp}et)lung3fdjreiben ber ©räfin äßiltjelmtne Pon ©ctjaumburg=£ippe an ben
©rafen 2Batmoben=©imboin, ber an ber @tbe commanbirte, Perfctjaffte ttjm jmar
2tufnat)me in ba§ SorpS erft al§ ©ergeant, nac^^er als Dfficier, aber bie
Sßault. 263
Jtjatigfeit blieb eine fet)r unbefriebigenbe. Slnftatt rurjmöoEer kämpfe tourbe
irjm nid)ts ju Stfjeil als muffiges urntjerzierjen in ben mecftenburgifcr)en 2annen=
toüfien unb eine breimonatlicije Belagerung bet *M*ung (Slüäfiabt. 3nt $rüt)=
fatjr 1814 t)eimgefer)rt , öefdjäftigte er fic^ mit mancherlei öcetifdjen unb litte*
rarifdjen planen; ein in biefer geit üerfafjtes (Sebidjt: „bas Sieb öom alten
Jpelben" natjm (Sörres in ben 9tljeintfcr)en 2Rerfur auf, öon too e§ irrtfjümlicr)
a(§ öon 9Jtaj öon Sctjenfenborf t)errüt)renb in beffen fämmtlicrje ©ebidjte (erfte
2Iusg., Berlin 1837, S 271) übergegangen ift. 3m #ei6ft 1814 natjm *ß.
feine Stubien toieber auf unb tourbe am 23. Cctober 1814 in (Söttingen im=
matricutivt, too er bis ju feiner Promotion öerroeilte. 2Iud) biefe ^eit öertebte
er im Umgange mit ausgezeichneten jungen Männern, toie 23ett)mann=<£>oEtoeg,
*8obelfcf)tDingt), £>affenöflug, 9L ö. -Ipailrjaufen , dt)iift. Slug. 23ranbis. @r t)at
tootjl biefe Qeit als rein öraftifdje ber in Tübingen öerlebten gegenüber geftellt;
aber fie ift boct) nictjt blos in ein gründliches Stubium bes 3us aufgegangen.
@r fpiette fleißig Violine, unterhielt gefeEfctjaftlictje Beziehungen zu |)eife, bem
^>aufe ber grau öon 9tobbe geb. Sctjtözer, Dertiefte fid) in bie in Slufnarjme
fommenben unb in (Söttingen burcrj Benecfe fo ausgezeichnet üertretenen alt=
beutfctjen Stubien unb öerfotgte bie 5ßolitif mit regftem ^nterefje , toenn auct)
balb mit fteigenbem UntoiEen über bie (Snttäufctmngen ber g,tit. 2lm 18. Dc=
tober 1815 litt es ir)n nictjt in ben engen Stauern (Söttingens; bas 9Ubelungen=
lieb in ber Safere, toanberte er nad) Gifenact), um in ber Stabt bie Stuffen unb
bei bem greubenfeuer auf ber £>ötje Sanbsteute zu finben, bie im fetjarfen £>ft=
toinb froren unb „ein freies Seben fütjren mir" fangen. So tjaustjätterifcrj er
mit feiner Qnt umgetjen mufjte, bie Seetüre ber Sctjrift bes Staatsrates öon
Sabetoro über bie Bebeutung bes 2lrt. 13 ber Bunbesacte eiregte itjn bermafjen,
bafj er an ben in (Söttingen toeilenben Berfaffer einen berben, balb allgemein
öerbreiteten Briet rictjtete unb bamit eine Sfteitje ftubentifdjer Semonfirationen
einleitete, mofür er noctj in ben letjten SBccrjen feiner Stubentenzeit mit ber
Sßaffe in ber £)anb einjufteljen tjatte. 9lactjbem er am 9. 9Tcärz 1816 bas
Grjamen befianben tjatte unb am 13. Slöril ö*omoöirt toorben mar, begab fiel)
3ß. nact) Süöecf, um fid) als 5tedjtsantoalt nieberzulaffen , tootjl augleid) in ber
Hoffnung , in ben öffentlichen Slemteru SSerroenbung zu finben, zu benen ben
9teformirien in Sübecf erfi bie Bunbesacte 3u9Qng öerfdiafft tjatte. Sie 2lb=
öoeatenttjätigfeit fagte 5ß. auf bie Sauer toenig zu, unb fo natjm er mit greuben
ben Stntrag bes (Senats an, Secretär bes mit bem 13. 9loöember 1820 ins
Seben tretenben gemeinfetjafitidjen CberaööeEationsgeridjts ber öier freien Stäbte
Zu toerben. Siefe Stelle Ijat er bis 1843 befteibet. 6r fam baburetj in bie
näcrjfien bienftlicljen SSezie^ungen ju fo ausgezeichneten Männern toie bem $rä=
fibenten |)eife, ben üiättjen $a<$) unb ßroöö, naljm an allen Serattjungen eines
fo rjeröonagenben Gollegiums, toie bies ©eric^t toar, %t)tii unb tjatte boct) genug
freie 3"* übrig, um fid) ber fructjtbarften titterariferjen ^tjätigfeit zu toibmen.
£ie frü^efte juriftifetje Slrbeit ^auti's, bie an bie £)effentlicf)feit getreten ift,
betjanbelte ein ön>ceffualifcr)es St^ema , bas ^rineip ber fog. sententiae duae
conformes. £)bfci)on einer praftifetjen ftxaQt bes |)atnburgifcr)en 9ted)ts geltenb,
mar bie Unterfudjung boct) öon fo allgemein toiffenfctjaftlicrjen ©efictjtsöunften
geführt, ba^ it)r ^eife unb ßroöö in it)rer claffifcfjen Sammlung juriftifdljer
^anblungen (Sb. II, 1830, S. 183 ff.) einen 5pta^ einräumten, grft nact)
toeitern 5ef)n ^arjren tourben bie arbeiten 5?auli's betannt, bie it)m feine eigen=
ttjümlictje SteEung in ber rectjtstoiffenfcrjaftticrjen titteratur öerfcr)affen foEten.
Sie Söiebergeburt bes Satertanbee tjatte ben Sinn für ein beutferjes Seben unb
Streben ermeeft unb bas f$rer)lf et) lagen ber patriotifdjen Hoffnungen biefen Sinn
nur noct) oerftärft unb metjr nact) 3nnen gerietet. SBo 'tjatte er beffere 9ca^=
264 ^auli.
rung ftnben lönnen, al§ in bem alteljrroürbigen ßübed mit feinem reidjen ©ctjat;
tjiftorifdjer unb fünftlerifcCjex (Erinnerungen'? $., bet feit feiner lleberfiebelung
fid) mit ber ©efctjictjte unb bem 9ied)t ber Sktcrftabt eifrig ju bekräftigen be=
gönnen, ftanb auctj nidjt altein mit folgen ©tubien. S)ie patriotifctje ©efetl=
fdjaft jur Beförderung gemeinnütziger Stjätigf eit , ju @nbe be§ borigen $atjr=
tjunbertS begrünbet unb IRitglieber alter ©tänbe umfaffenb, natjm fidj aud)
biefer Begebungen an, unb fctjon frütj tjielt itjr $., 1817 ju iljrem ©ecretär
ermätjlt, Vorträge au§ ber tjeinmttjlidjen ©efdjidjte. 9Jcitglieber be§ £>ber=
nbbellationggerid)t§ mie ber ftäbtifdjen 33et)Örben erforfctjten unb fammelten bie
S)enunäter ber lübifdjen ©efctjidjte unb be§ tübifctjen 9ted)t3 unb mürben burd)
mand) fdjönen ftunb belohnt, deiner ber geringsten mar ber, melier ty. ge=
lang. 2)ie alten £)ber= unb Ütieber^Stabtbüctjer Sübedfg, bom (Jnbe be§ 13. 3far)r=
t)unbert£ bis auf bie ©egentoart reidjenb unb Urfunben über bie gan^e flutte
berfctjiebenartigfter föectjtägefctjäfte , roelctje bor ben ftäbttfctjen Beworben borge=
nommen toaren, enttjattenb, maren feit längerer 3"* berfdmninben. $m $.
1834 fanb $. fie nictjl nur roieber auf, er bevftanb aud) bie Afunft, biefen tobten
beugen mieber jum lieben p bertjelfen, bie $ed)t§fät$e, beren ©jiftenj ober beren
3tnroenbung fie erfdjloffen, mit benen ber ©efetjbüdjer in Sßerbinbung ju bringen
unb alle ©eiten be§ gefdjidjtlictjcn öebenä ju itjrer (hflärung tjeranjuaieljen.
S)a3 9tefultat biefer ©tubien liegt in ben beiben -ipaubtroerfen $auli'§ bor, bie
auf gleichem Boben erröadjfen , nact) gleicher lUetfjobe gearbeitet, bod) in itjrer
äußeren drfctjeinung fetjr berfdjieben finb. 2>a§ eine: „Slbtjanbtungen au§ bem
lübifdjen Stecht" betitelt, umfaßt bier ü£tjeile, beren erfter 1837, bie fotgenben
1840 unb 1841 , ber Iet;te nad) langer llnterbred)ung 1865 erfctjien. ©ie
ftetten ^nftitute beS ^ribatredjtä : ba§ 9ted)t ber Erbgüter, bie etjetietjen @rb-
rectjte, ba§ ßrbredjt ber Blutäfreunbe unb bie £eftamente , bie fog. 3Biebolb§=
renten ober 9tcntenfäufe in itjrer ganzen tnftorifetjen (Sntroidtung unb fbjie=
matifdjen (Entfaltung bar unb ftütjen fidj in^befonbere auf ba§ ungebrudte
Material ber ©tabtbüctjer, ba§ fie in reichen sJJtittt)eilungen bem ßefer jur sJlactj=
Prüfung borlegen, benn, toie ber Berfaffer im Bortoort erflärt, „mir ift bie
äöatjrtjeit lieber alä meine BorfteUung bon berfelben". (Sr ift ebenfo entfernt
bon einer ifolirten Betrachtung be§ ßübifetjen 9tectjt§ mie bon einer unftaren
Bermifctjung beffelben mit fremben KedjtSquelten. @r tjat einen fdjarfen Blid für
ba§ (Ectjte unb Ünedjte, ba§ 2llte unb ba§ 9teue, bie Kegel unb bie 9lu§natjme,
ba§ Urfbrünglicb^e unb ba§ au§ ber grembe 2lufgebfropfte. 6§ genügt ujm aber
nieb^t an ber ü)eoretifd)en @rtenntni§ ber berfd)iebenmertl)igen 23eftanbtl)eile beei
geltenben Ked)t§; feine arbeiten bcrfolgen nidjt bto§ neben, fonbern in itjrer t)ifto=
rtfetjen Unterfudmng einen praltifctjen ^medf, ben einer Oteform jener 9tectjt§inftitute
in bem ©inne einer 33efeitigung ber fctjäblidjen @inflüffe, metd)e bie romaniftifetje
9rebifion be§ 16. ^atjrtjunbert§ ausgeübt tjat. Sfft biefe§ 3"^ auc^) n^* etreictjt
motben, fo tjat 5ß. boc^ bie ®enugttjuung erlebt, bafj feine Unterfudiungcn meit
über bie ©renken eines barticularen 9tect;t§ tjinau§ 3lnfetjen getoonnen tjaben.
3Bem e§ um grünblidje unb auellenmä^ige Erörterung beutfdjer KectjtSfä^e unb
^nftitute ju l)iftorifd)en ober praftifetjen 3b?ecleu ju ttjun ift, ber mirb <m ^auli'§
3lbb^anbtungen greifen, ©inb biefe ein dufter rectjtötjiftorifctjer Unterfuctjung,
fo finb bie „ßübedifetjen 3uftänbe" Sßorbilber bolf§ttjümlid)er Setjanblung eine§
cjeletjrten Stjemaä. ^t)r erfter Stjeil erfctjien 1847 unb gab ©arftettungen be§
ftäbtifd)en Seben§ ju Slnfang be§ 14. $at)rt)unbert§ in einfadjfter unb boct) au§
ber rcictjften ^enntni^ be§ ©egenftanbe§ gefc^öpfter f^orm. 3lu§ Vorträgen tjer=
borgegangen, bie *$. in ben 3at)ren 1838-46 bor ber patriotifdjen (SefeUfdjaft
getjalten tjat, befleißigen fie fict; ber größten 2lnfctjaulid)teit unb Ätartjeit unb
erfüllen ben äBunfd) it;re§ Sßerfaffer§, bem Saien faßlictj ju fein, otjne bem ©e=
«Pauli. 265
lehrten langmeilig ju toerben. ©er smeite etft 1872 erfdjienene 2fjeit ber 3u=
ftänbe ftetjt nur inforoeit auf ber «g>ör;e bes etften, als er feft gefcfjloffene, bem
rjeimifdjen Soben entnommene ©egenftänbe betjanbett; ber britte Streit aus bem
Sfaljre 1878 t)at nur ben tarnen mit ben beiben elften gemein, benn er f)ält
nidjt metjr an ber Vortragsform feft, noct) giebt er Silber »ergangener 3uftänbe
ober dreigniffe, fonbern reitjt eine Sln^t red)töt)iftotifd)er Slnmerfungen auf
ben gaben ber Slrtifelfotge ber reöibirten tübifdjen Statuten. 3Jltt einem tocrtc)=
Dollen, ben ©tabtbüdjern entnommenen Urfunbenbudje ift aud) biefer 2$eU gleicfj
feinen' beiben Vorgängern ausgeftattet. ^m $. 1843 trat % als ftatb, in bas
£)berabbettationsgerict)t ein; fd^on lange f)atte itm ber spräjtbent Jpeije jidj jum
Goltegen gemünfe^t , aber bae unter ben freien ©täbten med)felnbe äöa^tredjt
bot nidjt früher bie (Gelegenheit, als bis in jenem 3at)re Stürme ausfctjteb, um
eine ^ßrofefjur in Sonn 3u übernehmen, unb ßübeef bie bacante ©teile ju be=
fe^en tjatte. Sie gefteigerten 2tn!orberungen bes 2Imtes an feine £eit liefen %.
jeitbem nietjt me§r ju großem arbeiten fommen; ber 4. Sanb ber 21bt)anb=
hingen mar fdjon lange bor feinem Srfdjeinen bearbeitet. 2)oc£j b>t s$. bie
Serien nodj ben gemoijnten ©tubien augetoanbt, jtdj an ber Verausgabe bes
Urhinbenbuch>s ber ©tabt Sübeo! roie an ber 1855 begrünbeten 3eitfd)rift bes
Vereins für 8übetftfct)e ©efdjicfjte unb Slttertfmmsfunbe beseitigt unb ju leitetet
eine 9teib> feljr merttjboller Seiträge, wie bie 3JuttljeiIungen aus bem ätteften
äßettebuet) (ob. I.) unb bie aus bem £agebuctje bes Sürgermeifiers £enrictj
Srofes (f 1623) geliefert. 9Jtan mürbe einen sDtann mie ty. feb,r unbottftänbig
fennen, tuenn man itm blos naef) feiner gelehrten unb amtlichen £f)ätigfeit
toürbigte. 2Bar er aud) bon ^ugenb auf bon einem lebhaft retigiöfen ©inne
erfüllt, jo tjaben boct) erft bie greifjeitsfriege unb bie fiel) itjnen anfctjtte^cnbe
geiftige Setoegung bie d^riftlid^e ©eftnnung in i^m ermeeft, in ber er bas ©lud
feines Sebens fanb. ©ie Sejiefmngen au feinen fdb>äbifcb>n greunben maren
burdj einen retigiöfen ©runbjug betjerrfdjt, ber $ampf bes SfafyreS 1813 erfcrjien
ifjm unter bem Vorbitbe bes Gf)riftentt)ums , ber religio morte victrix. Sie
Sefanntfdjaft, bie er in ©öttingen mit ben Srfibern ©ad machte, bie Briefe
feines ftreunbes Srnft Cftanber, feines geifttidjen Vaterä, mie er itjn mot
nannte, bie 2ectüre bes Sucres üon ber bcutfdjen Geologie brauten ijjn nidjt
nur in ©egenfa^ ju bem rjerrfdjenben Ütationatismus, fonbern führten itm bem
Pietismus ju , otjne baf} er an beffen franffmfter Ausartung je (gefallen ge=
iunben rjätte. Ser ^aftor ber reformirten ©emeinbe au ßübed, ^otjannes ©eibet,
mar ein tjerborragenber Vertreter ber gleiten fticrjtung; an itm f(^to^ ftd) $.
enge an unb tiet) ber ©ac^e feines ©o^nes ßarl ©eibel, als er 1832 auf 21n=
bringen einer bon Sßtofejfor ^ßetri geführten rationatiftifd^en Semegung bureb^
ben ^erjog feines Zimtes in SraunfdSmeig entfe|t tourbe, feine geber. Sllsbalb
nacl) feiner Söer^eirat^ung im 3- 1822 routbe $. Sorftetjer ber reformirten
Äirc^e unb mar lange mit Söort unb ©djrift in biefem SImte t^ätig. @r über-
nal)m 1832 bie ^ebaction bes neuen ©efangbuc^ei ber (Semeinbe, mobei er ben
©runbfa^ mögtidjfter, jeboc^ ntct)t unbebingter ßonferoirung ber alten flirren*
lieber befolgte, ^^mnologifc^e arbeiten b;aben ib^n ftets interefftrt. 311s 1840
ber gntmurf einei tutljerifdjen ©efangbueljes für SübecE beröffentlic£)t mürbe,
fc^rieb er eine ausTürjrticfje Seurtfieilung beffelben unb noc^ in feinen legten
Sebensjab.ren eine „©efdjidjte ber ßübeefifc^en ©efangbüd;er unb Seurtljeitung
bes gegenroärtigen" (1875). ^n bem bon ©eibel 1814 begrünbeten Sibelüerein
mie in bem burcl) SSürgermeifter Coerbed ins Seben gerufenen gjtifftonstiercin
mirfte er eifrig mit. 2t 18 aber ber tefetere befc^loB, feine ©aben nieb^t mie bi§=
tjer bem Safeter OJliffionsinftitut, fonbern baneben auc^ ber eöangelif(^=lutr)erif^ien
Üeipäiger ^ntiffionsgefettfe^ait äu^umenben, fctjieb er aus, meil er unter ben Reiben
266 ^auli-
nur eine ebangetifdje, nidjt eine luttjertfdje unb eine reformirte Äiicfje gepflegt
fetjen moEte. 2)ie $trd)e ging ir)m ftetS über bie ßonfefftonen. ^n ben reti=
giöfen £agegfragen ergriff er miebertjolt bag äöort, fcatb in felbftänbigen fletnen
©Triften, balb in Slufjätjen fird)lid)er 3"tfcJ)riften. S)ie Neue Süangetifcfje
^irdjenaeitung entfpradj feinem ©tanbpunfte, roäfjrenb er ein entfdjiebcner ©egner
ber ejctufiöen 9tid)tung ipengftenbergg mar unb in ber Sefämpfung ber refor=
mtrtcn $irdje burd) bie lutt)ctifcrje bie mtberroärtigfte aEer 6rjd)einungen erbtidte.
6r tjielt nidjtg oon bem confefftonelten ©ogmatigmug; tljtn mar bie Religion
&a&ie beg ^er^eng, nidjt ber ©emonftration. — 3m 9lpril 1869 trat itjn ein
©djtaganfall. Wadj einigen Sfß^'en erholte er fid) fotoeit, bafj er feine t)ifto=
rifdjen unb Ijt)mnotogifd)en ©tubien wieber aufnehmen tonnte. 5£>er jroeite unb
britte Streit ber Sübedtfdjen 3uftänbe, bte 9lbf)anbtung: „ßübedg 9!Jtangelb unb
J?aperroefen" (2i\heä 1875), bie angeführte Arbeit über bie £üb. ©efangbüdjer
unb ber 9tuffa| über ben Sübeder Seter |>et)ling, ber im 17. ^aljrtjunbert a^
Mftonar in Slbeffinien roirfte (äöarned'g Slflgem. 9ftifftongaeitfd)rift, «ülai 1876),
erfd)ienen in biefer Qeit. ©einer ridjtertidjen Üljättgfeit öermod)te er feit jenem
$ranfl)eitganfatle fidj nid)t meljr <ju toibmen unb erfjiett im $. 1876 feine @nt=
laffung in ben eljrenbften ^formen. 2lm 16. *Dlär3 1879 traf iljn ber ©djlag
aufä neue unb führte am 18. $Rär3 feinen £ob tjerbei.
©. Soel, 6. SB. Sauti, ein ßebengbitb (3eitjd)r. für Süb. ©efd). IV,
1881). — g. ftrengborff, Sauti'g jurtftifd)=litterarijd)c £l)ätigteit (baf.). —
Neue (Süang. IHrcrjenatg. XXI, Nr. 17. — b. Sippen, &eife, ©. 175, 227,
239, 312 ff. — Älüpfet, ©. ©d)ttmb ©. 31, 36 ff. — ©oebefe, ©runbrijj III,
©. 230 N. 627. g. fJrcnSborf !•
Fallit: Submig gerbinanb %, ©djaufpieter, geb. am 30. Sunt 1793
in Serlin, f am 28. NoOember 1841 in ©regben. 3u ben vielgenannten, oft
lange &\i ljinaug populär bleibenben Namen getjört ber Warne ^ßauti'S nidjt,
aber too er bem Äunbigen genannt toirb, tierbinbet fid) bamit ber Segriff grofjer
£üd)tigfeit unb jener freubigen @t)rlid)feit gegenüber bem Seruf, bie in neuerer
3eit feltener roirb. ^auti'g Sater mar Sudjbruder unb er beftimmte ben ©otpt
3ur Erlernung btefeg ©eroerbeg. Nadj üoHenbeter ßetjrjeit in ber ©cder'fdjen
.gjofbudjbrudetei unb nadjbem er einige gut alg ©eljülfe feineg Saterg tf)ätig
gemefen, fam Sauli 1812 nad) 'DNagbeburg in bie ^anfa'fdje ©ruderet, ©djott
in Serlin, mo bamalg am |)oftIjeater rjerüorragenbe $ünftler unter ^fftanb'g
©irection roirften, mar bie Neigung für bag £t)eater in itjm ermad)t, fte mudjg
in ben neuen freien Serljättniffen, in bie er jetjt eingetreten mar unb burdj
Sermittlung beg iljm nactjmalg ferjr befreunbeten ©cijaufpielerg 3öei§ erfjiett er
Zutritt äur Süljne. ©ein erfteg auftreten fanb am 22. ftoüember 1812 in
einer Nebenrolle beg ©djaufpiclg „5£)er ©onnenmirttj" ftatt. S)ie rafd)e @ntmid=
lung feiner fünftterifd)en Segabung mürbe 1815 unterbrochen, in meldjem 3far;re
$. alg $mmtltiger beg 3meiten sJJtagbeburger 3fägerbetad)ements mit ing gelb
30g. 9tad) feiner Sftüdfeljr im fotgenben %dt)xe falj er fid) genötljigt, junädjft
mieber alg ©ctjriftfetjer tl^ätig ju fein, allein balb erhielt er burd) @mpfef)lung
Pott 3Bei| eine neue 3lnfteßung am 5)tagbeburger ijrjeater. ©ie Neigung ju
ber ©djaufpieleriu Caroline ?lugufte ZiUt), meldje 1817 in 2Jtagbeburg engagtrt
mürbe, 1818 aber einem Stufe an bag SDregbener |)oftljeater folgte, mürbe bte
Ui'fadje, ba^ aud) <$. fid) nad) ©regben manbte. @r gaftirte bort an ber lönigl.
Süf)ne im Januar 1819 unb trat bereitg am 4. W&X& b. & i« oeu 2Jtitglteber-
Oerbanb btefeg ^nfütutg ein, bem er big ju feinem 2obe alg etneg ber gead)=
tetften unb beliebteften 5Ritglieber angebörte. Som 18. ©ecember 1824 big
31. ©ecember 1825 füljrte er gemeinfdjaftüd) mit griebrid) Surmeifter aud)
bie ©efd)äfte ber Negie, bie er Pont 1. Januar 1829 big 31. ©ecember 1832
Sßauli. 267
allein berfat). 21m 22. 5JtoPember 1837 Beging er, gefeiert unb auägejeicrjnet,
fein 25jät)rige§ Äünftlerjubiläum. Seiber ftettten ftct) fd)on einige ^ab^re
fpäter (1840) , mot)l infolge ber 2lnftrengungen einer großen ©aftfpietreife,
$ranft)eit§anfälte ein, bie fiel) Perfdjtimmerten unb 1841 feinen 2ob t)erbei=
führten. — SDie 9totlenfäd)er, in benen 5p. feine ganj ßraft entfaltete, toaren
itjrem dljarafter nadj bie ttnberfpred)enb[ten. £umoriftifd}e, guttjerjige unb
polternbe 2ilte, bie er mit „gang untt)iberfief)licrjer unb babei tjödjft betjaglidjer
SBirtung" barfteüte, auf ber einen, ^ntriguantä, „fo lange biefelben btoä 5)tatur=-
menferjen maren ober boef) ntct)t über bie ©ptjäre be§ bürgerlichen 2eben§ f)inau§=
gingen" maren auf ber anberen ©eite feine mit 9ied)t bemunberten ßeiftungen.
kompetente SHidjtev gaben aKerbingS ben elften ben Sorjug, fo marm fie fonft
aud) 5pauli'S ^ago , Dffip ober 5Dcoor unb felbft 2Jtep|ifto anerfannten. 33e=
fonberä <Sute§ teiftete 5p. Q(g ©littern (äöafferfur), gatftaff, 5Daniel (®rb=
bertrag), ©lepfer (2lbbocat), Sorenj ^inblein :c. — 5p. mar jttieimal bermäfjlt,
feine erfte grau ift bie ertoätjnte Carotine Slugufte Zxllt) getoefen. Siefetbe
mürbe geboren am 22. 53luguft 1800 ju 23erlin, lebte bon 1801-13 in äöien,
mo itjr SSater eine ©teile alö STtjeaterbidjter unb ©ecretär beim ©rafen 5ßalfft>
einnahm, fetjrte bann mit ben Altern in ifjre Sßaterftabt jurüd unb mürbe t)ier,
bon ber mit if)r bertoanbten, berühmten ©djaufpielerin, ber nadjmaligen 5Dtab.
ßretinger für bie 23üt)ne auägebilbet. 3t)r erfteS auftreten fanb im 3. 1817
alä (Hebetl) (©raf P. SBurgunb) auf ber Sßütme be§ ^Berliner itonigl. ©d)aufpicl=
tjaufe§ ftatt. 5Jcod) im gleichen Satire fam fie nacl) 5Dtagbeburg unb Pon ba nad)
2)re§ben, mo fiel) 5p. am 1. 5ftoPember 1819 mit il)r Permäb,tte. 5fteun %at)xe
fpäter, am 31. öctober 1828 ftarb fie. grau 5p. mar eine gute ©djaufpielerin,
bie e§ perftanb, itjren gern gefefjenen ßeiftungen im ßuftfpiel ben 9teiä be§ 5ftatür=
liefen unb 9tnmutt)igcn ^u geben. — 5pauli'§ ätoeite grau, bie er am 30. Wäx&
1838 tjeimfütjrte, mar bie greiin Sfibora Pon griefen, bie it)n überlebte.
Sgl. namentlich 2. 5pauli, ©reiben 1842 unb Sßolff'S 2ltmanad) für
greunbe ber ©dmufpieltunft a. b. $. 1841, ©. 131—141.
Sofepl) Äürfdjner.
Fallit: 5üt artin (Sottlieb 5p. , 9ted)t§gelef)rter , geb. am 11. Januar
1721 5U Sauban, f am 12. 9Mr3 1796 3'u äöittenberg. 5p. begann bie
fjnmaniftifdjen ©tubieu am Srjceum feiner ©eburtäftabt, wo fein SSater Srjriftopf)
5p. at§ Sürgermeifter lebte unb fetjte fie feit 1740 in Seipjig fort; er befugte
anfangs mebicinifdje, bann redjtätoiffenfcrjaftlidje Sorlefungen. Güntfdjtoffen , fidj
bem afabemifdjen Serufe 3U mibmen, mürbe 5p. 1745 in Seipjig 5]ftagifter, 1747
mit ber SDiffertation : „De theoriae et praxis juridicae discordia" (Lps.
1747, 4°) doctor utriusque juris, unb im gleichen $at)re furfäd}fifd)er 5Rotar
unb 5lbPocat. S>ie 5praji§ fagte itmt jebod) raenig ^u, bagegen Ijielt er ferjn
eifrig juriftifclie Vorträge. 1753 ging er al§ ©tjmnafiattnfpector , jugteid) als
5profeffor ber 5Red)te unb ©efdjidjte, nadi Sianjig unb natjm Pon le|terer ©teile
am 18. October mit feierlidier 9tebe Sefi^. 3eb;n Sa^re fpäter (1763) finben
mir iftn al§ 5profeffor ber ^nftitutionen, bann al§ Seifiger am <^ofgerid)te, am
©d)öppenftul)te unb an ber ^uriftenfacuttät ju Söittenberg. 1765 mürbe er jum
5profeffor „digesti veteris" fo mie jutn SSeifi^er im ®eifttid)en Sonfiftorium
ernannt unb fdjieb bort im 76. Seben§jat)re aug bem 3eitlid^en. — 2lt§ ©djrift=
fteller ift Martin ©ottlieb 5p. burd) eine größere 3a|t Pon 5programmen unb
©iffertationen befannt, au^erbem lieferte er einige Slbtjanbtungen in periobifdjen
3eitfd)riften (fo in <£>. 3Binfter'§ ^^itofop^ifetjen llnterfudmngen Pom ©epn unb
Sßefen ber £f)iere, ßeipjig 1741—44; ferner in 93acr)'§ Unpartl)eiifdie ^ritif ic).
gine 3ufammenfteltung feiner litterarifd)en arbeiten geben 5IReufelX, 300—303;
268 Sßattti.
Söeiblid), 33iograpt)ifc^e Wadjridjten bon jc^tleBcnben 9tcd)tSgelet)rten. 93b. 2,
©. 172 -17-5.
ÜJteufel unb 2Öeiblid) a. a. SD. unb bie bort ©mannten.
6t f ent)art.
^flltlt: gftein^otb $., geb. am 25. 9Jtai 1823 ju «Berlin, f am 3. $uni
1882 ju 93remen. ©ein 93ater gehörte einer f5Qniitie an. au§ ber fid) biele
2lbfömmlinge ben trjcologifdjcn ©tubien, mie bem 3)tenfte ber J?ird)e geroibmet
rjatten. (Er belleibetc felbft eine ^ßrebigevftelle, jnerft an ber 2Berber'fd)en $ird)e
in 93erlin, bann, entfdjloffen fid) bem 93orgerjen bc§ $ird)enrcgimente3 im 2lgen=
benftreit nidjt ju beugen, nad) Aufgabe feine§ bisherigen 2Imte§, in 93remen.
S)ie Butter ftammte au§ einem .ViaufmannStjaufe, bcffen 9lame $umbert auf
rjugenottifdjen Ursprung rjinbeutete. S)ct Änafce mar er[t brei $ar)re alt, als
bie UeBerfiebelung ber (Eltern nad) Bremen ftattfanb. SDoit in ber alten .$anfe=
ftabt mud)S er auf unb crtjieü er gröfjtentfjetlS feine Sfugenbbitbung. "Jim: in ben
Beiben testen ©d)uljat)ren befud)te er baS 5riebricr)=2Bilt)e(m8=©rjinnafium feiner
93aterftabt 93erttu. 21 ud) begann er t)ier 1842 feine ©tubien, bie fid) befonberS
auf ^Ijitotogie unb ©efdjidjte erftredten. ©d)on als ©tymnafiaft tjatte er bei
9ianfe ju t)oSpitiren gemagt; biefer übte als afabemifdjer ßetjrer unb miffenfd)aft=
lidjeS 23orbilb bie tieffte Söirfung auf ifm aus. 9jßät)renb beS einen UntberfitätS=
jacjreS, baS er in 93onn beibrachte, füllte er fid) befonberS burd) 1)al)lmann ange=
3ogen. 2lm 26. 2lug. 1846 erhielt er in Berlin nad) @inreid)ung einer SÜffertation
De pace Antalcidea hie ptjitofopfjifdje 2)octorroürbe unb beftanb gegen (Enbe beS
^aljreS baS (Jramen bor ber miffcnfd)aftlid)en ^rüfungScommiffion. ©eine 216=
fietjt mar ben Cetjrerberuf in ^reufjen ju ergreifen, mo er nid)t otjne ,5Jlüt)c bie
©taatSaugcrjörigfeit mieberertangt rjatte. 2lber eine (Empfehlung ü£renbelenburg'S
berfdjaffte it)m im ^frütjling 1847 eine ,£>auSletjrcrftelle in ber Familie beS 5ted)tS=
auroalteS 23annatt)ne ju ©laSgoto, unb bamit trat bie 9Benbung feines ßebenS
ein, bie irjn einem anberen $ieU entgegenfürjrte. (Englifdje ©pradje unb Vittc=
ratur blatte er im herein mit 9iifolauS 2)eliuS unb Otto ©ilbemetfter längft
gepflegt unb ftubirt. (Englifdje ®efd)id)te in itjrem ©efammtumfange bon ben
llrfprüngen an ju burdjforfdjen, mürbe nun ber ©egenftanb feinet unermüblidjen
©trebenS. 2ld)t ^arjre bertueitte er fenfeitS beS Kanals, nur ein 3atjr in ber
anfänglichen ©tellung, bie übrige 3eM unter mer)rfad)em 2Bed)fel beS Aufenthaltes,
burd) (Ebinburg, Orforb, (SamBribge, borjügtid) aber burd) ßonbon gefeffett. (Er
mufjte fid) auS eigenen Mitteln crljalten unb fid) manche (Entbehrung auflegen.
$n ßonbon rjatte er aber baS ©lud, toom beginne beS 3>at)reS 1850 an, über
jroei 3ab,te tä ^riüatfecretär be§ preu^ifd)en ©cfanbten, be§ fjfreifjerrn b. 33unfen,
in beffen £>aufe berroeilen ju bürfen unb mie ein ^itglieb ber gamilie betrachtet
3U »erben. @r b,at ü)m felbft im britten 93anbe biefeS SBerfeä (21. ©. 93. III, 541 ff.)
ein fd)öne§ biograpt)ifd)eä 2)enfmal gefegt unb immer in freubiger (Erinnerung ljer=
borgeljoben, roa§ er jener r)öd)ft anregenbeu ^cit berbanfte. 5Da§ ^ufammenfein
mit bem rjocljgeftettten unb geiftbollen ^IJlanue, ber Sßertetjr mit ben ©rö^en ber
englifd)en Spotitil, Sßiffenfdjaft unb Sitteratur, bie fid) in ben gaftlid)en Otäumen
ju 6arltou=2:errace ein ©teübidjein gaben, ber ©inblid in \>a% bunte, menu aud)
feine§meg§ immer erfreuliche ©etriebe ber großen Söelt, alleg t>a$> crmeiterte feinen
©eftdjt8frei£, otjne ba^ er fid) baburd) bon ber b.ob.en, ib,m borfdjmebenben 2(uf=
gaBe tjätte aBjietjen laffen. Um iljrer ööfung feine Befte $raft ^u mibmen, gab
er bie ©teile in 93unfen'§ ^aufe mieber auf unb fuljr fort, in 2lrd)iben unb 93i=
bliotljefen ben Duellen ber englifdjen ©efcr)id)te na^ufpüren. S)ie erfte grud)t
feiner ©tubien mürbe SBunfen gemibmet. 6§ mar ba§ 93ud) „Äönig 2letfreb unb
feine ©teile in ber ©efdjidjte @nglanb§", ba§ Bereits 1851 erfd)ien. 91ad) bem
SJormort mar ber s^lan biefer 2lrbeit ju Ojforb entmorfen, „im sJiobember be3
spauli. 269
inrjaltfcrjtoeren $arjre§ 1848, 311 einer 3eit, ba beutfdje ^perjen toie feiten 3uüor
für bie Srcjaltung bes 3)aterlanbes unb insbefonbere für bas ^ottbefte^en bes-
jemgen Staates erbitterten, ben ber £>immel 3um Sdjutj unb <£>ort Seutfdfjlanbs
beftimmt tjat". %n Äönig SIelfreb fat) ber 33erfaffer eine jener rettenben, fjeroifcrjen
©efialten, toie er fie feinem beutfcfr,en 33aterlanbe toünfcfjte. 3>nfofern toar bie
2tustoatjl bes üttjemas nidj)t otjne ^ufammenrjang mit ben (Jrfctjütterungen ber
©egentoart, bie irjn auf's tieffte ergriffen. Slber ber Scfjüler 9lanfe's tiefe bies
nidjt auf feine SDaifietlung eintoirfen. $n objectioer 2öeife, mit umftcb,tiger
ßrittf ber Cuetlen ertjob er bie gefcrjicfjtlicrje 5perfönticrjteit bes großen Königs
au§ bem Giebel öon Sagen, ber fie umflog- Sas Söerf tourbe in's ßngtifcrje
übetfetjt unb in SJeutfctjlanb tourbe es burd) feinen öäterlicrjen ^reunb, Sappen»
berg, toarm begrübt. Siefer öor3ÜgIic§e ©elerjrte toufjte benn audj, als bie 3u=
nafjme feines Slugenleibens irjn 3toang, auf bie gortfetmng -ber „©efcfjtdjte öon
©nglanb" in ber <!peeren=Ufert*fcrjen Sammlung 3U üer^ictjten, feinen geeigneteren
@rfarjmann ju empfehlen als $. SDer 3., 4. unb 5. S3anb bes SBerfes (1853,
1855, 1858) trägt ^auli's Dcamen unb bleibt bas bebeutenbftt Monument, bas
er fjinterlaffen tjat. Gh Jjat bie ©efdjicrite Gnglanbs buretj brei unb ein tjatbes
^atjrrjunbert öon 1154 — 1509 fortgeführt unb bies in einer SBeife, toeterje feine
Seiftung Tür bie ßngtänber felbft ju einer betounbernstoertfjen macfjte. Sie gröfjte
Scfjtoierigfeit, bie er buretj eifernen fvtei^ 3U übertoinben toufste, ging aus ber
23efcrjaffenrjeit bes £uettenmateriats tjeröor. 9coct) toar in ßnglanb fefjr toenig
für fritifcfcje Sammlung unb Verausgabe ber mittelatterlicten Urtunben unb @fjrc=
nifen gettjan. @r mufjte öielfacfj bie Jpanbfctjriften felbft auffuetjen unb mactjte
babei, toie man mit 9tecrjt gefagt t)at, einen öorjüglidtjen „praftifcb,en Surfus ber
5paläograptjie unb Siplomatif" burd). Gnglifcfje g^unbe natjmen fiefj feiner umfo
eifriger an, je beutticfjer fie feine ^Begabung unb 23egctfierung für bie 23eftellung
bes öon itjm ertoätjtten SUbeitsfelbes erfannten, öor allen anberen Stjomas 5£>uffus
<£>arbrj, ber in bem bamaligen großen iotoerarcrjiüe ferjaltete. 9Jtanct)e glürf=
tiefte (Sntbecfung lofjnte feine anftrengenbe Sefcrjäftigung mit ben öergitbten 5ßer=
gamenten. 3tuög Oerbanfte er itjr bie einzige Unterftütjung, bie irjm öon ber
<!peimattj tjer 311 £rjeit tourbe. Sie berliner Slfabemie bereinigte auf ^ertj' 2ln=
trag einen Seitrag, um eine Sammlung ber für bie beutfetje ©efdjicrjte toicfjtigen
Socumente bes Jotoerarcrjibes 3U ermöglidfjen. 2ßas bie mittelalterlidjen Gfjro=
niften @ngtanb§ betrifft, bie nidjt in einer bequemen monumentalen Ausgabe
üortagen, fo gab ^. am Sd)tuffe jebes Sanbes über fie eine fortlaufenbe 9red)en=
fdjaft, bei bereu 3lbtegung ©etoiffentjaitigfeit unb Scrjaiffinn miteinanber toett=
eiferten. Dliemanb toäre fo befäfjigt getoefen toie er einen „engtifetjen 2Batteu=
bact)" ju fctjreiben. S)iefe ^bee, fcegünftigt buref) bie neueren trefflichen SSorar»
beiten engtifc^er ^oxfctjev, t)at it)n benn auäg lange befetjäftigt, unb noefj im
(yrürjüng 1877 ttjeilte er in einem 25riefe mit, baß" „jeber freie 2Iugenblicf einer
^piftoriograprjie be§ engtifcfjen ^Dlittelatters angeljöre." — So grofje Sorgfalt er
auf Sammlung unb Sictjtung bes Ororjftoffes öerroanbte, er mar nietjt ber 2Rann
barin ju erftiefen. Seine SDarftellung geigte auf jeber Seite, bat3 er itjn 3U be=
meiftern mu|te. ßinfactj unb toürbig feffette fie burefj Älarrjeit unb ßebenbigfeit.
S)em c^ronotogtferjen ©efüge orbnete ficrj ebenfotoofjt bie @r3ätjlung ber politifcrjen
Vorgänge im engeren Sinne ein, toie bie (Jnttoicfelung ber fctjroierigen ftaats=
recrjtlict)en Sertjältniffe ober ber ftacrjroeis ber internationalen <!panbetsbe3iet)ungen.
33on bem feinen Kenner unb gtürjenben S3eret)rer englifctjer Literatur tiefj ftet)
ertoarten, bat3 auef) bies ©tement bes 23otfslebens feine Dolle äöürbigung empfing,
roie er benn fein Sntereffe für einen ber älteften englifögen Sinter, ^otjn ©oroer,
burdg ^eraulgabe Don beffen „Confessio Amantis" (Sonbon, Sett anb Salbt)
1857, 3 Yols.) befunbete.
270 yauli.
3m ©ommer 1855, in roctcljem ber aroeit'e bon ifjm Bearbeitete 93anb bet
©efdjidjte bon (Snglanb in ber £>eeren=Ufert'fd)en (Sammlung (ber bierte beS
ganzen SBerfeS) erfdjien, berliefj $. baS ßanb, in bem er 93elef)rung unb greunbe
für'S ßeben geroonneu rjatte, um 3U berfudjen, fid) an einei beutfdjen Uniberfttät
reine f efte Stellung ju erobern. dr begann feine afabemiferje ßaufbatjn als $rt=
batbocent in Sonn, lag aber bort nur jroei ©emefter. S)en äBinter 1856 —
1857 berbradjte er auf eine (Jinlabung beS Königs 9ttarjmilian bon Saiern in
bem anjierjenben Greife, ben biefer 9ftonard) um fid) fammelte. Oftern 1857
folgte er einer Berufung als orbenttidjer ^ßrofeffor nad) "Jtoftocf. Sr fonnte fid)
t)ier einen eigenen .fmuSftanb grünben, fyatte aber baS Unglüd feine junge $rau,
3lnna geborene UtridjS aus Bremen, balb ju bertieren. SDiefer fernere ©djtag
liefe if)n in $oftod nidjt Ijcimifcl) roerben. 6r folgte 1859 umfo lieber einer
Berufung nacr) Tübingen, als er l)offen burfte, bort einen größeren 2BirfungS=
freiS unb letzteren Zugang ju ben unentbehrlichen Hilfsmitteln ber Arbeit
p finben. ©eine ^nauguratrebe (©ottja 1859) bet)anbelte ben „®ang ber
internationalen Sejierjungen jroifcfjen 2)eutfdjlanb unb ©nglanb". sIftit bem in
fritifdjer $eit t)tet auSgefprodjenen Söuufdje, bafj eS nie gelingen möge, „bie beiben
alten ©tütjen ber germanifdjen 2Belt ju trennen", mufjte ber ftebner ein 6djo
in ben ."perlen feiner ^ub.örerfdjaft roadjrufen. 5ßon auSgefprodjen norbbcutfd)em
SBefen fafcte er an ber fdjmäbifdjen |>od)fd)ute 5ßoben. ?lud) geroann er Ijier
balb ein trauliches .$eim, inbem er fid) mit ber ©djroefter feiner beworbenen
grau, ©lifabetl) Ulrichs, berl)eiratl)ete. tiefer @lje entfproffen bier jtödjter. 5Der
afabemifdje 93eruf, juerft in ber ftaatSroirtbJdjaftlidjen, bann in ber pl)itofopf)i=
fdjen ftacultät naljm itjn fetjr in Slnfprudj unb nötl)igte ifjn, fid) met)r unb metjr
uniberfaltjiftorifctjen Aufgaben juäuroenben. @r beroäljrte fidj babei als ein äufjerft
anregenber Setjrer, bem baS 2öort leicht unb fidjer bon ben ßippen flofj unb ber
bie ftubirenbe Sfugenb immer ju feffetn roufjte, roenn er audj rfjetorifdje fünfte
berfdjmärjte. 9ttd)t roeniger gtüdten ir)m in Tübingen, roie fpäter an anberen
Orten, populäre Sßorträge, meiere bie ganje i$xi]<$)e unb Urfprünglidjfeit feines
Naturells abfpiegetten. 3n ©eminarübungen famen aber fein reidjeS Söiffen,
fein trefftidjeS ©ebädjtuifj, feine unermübtierje .£>ilfSbereitfdjaft allen benen jugute,
bie fid) iljm bertrauenSboll anfdjtoffen. ©eine ftebex ruljte nict)t, aber fie mar
Sunädjft Heineren arbeiten geroibmet. Sßerfdjiebene ©rünbe beroogen itm, bie
gortfeijung beS bis an ben Anfang beS fedjSjelinten ^atjrrjunbertS geführten großen
SöerfeS abzubrechen. @r b,at fiel) fpäter mit bem ©ebanfen getragen, roenigftenS
eine ©efdjidjte ^einridj'S VIII. folgen ju laffen. Slber aud) biefer ^ßlan rourbe
nid)t berroirftidit, unb nur einige ^Jtonograpljien fotoie baS nacb, feinem 2obe
beröffentlicf)te Fragment „S)ie Anfänge ^einric^'S VIII." ler)ren, roaS man bon
ber SluSfütjrung beS ©anjen ju erroarten gehabt tjaben mürbe. (Sine Slnjaljt
jener fleineren arbeiten rourbe unter bem Sitel „Silber auS Slltenglanb" (©otrja,
bie 1. Auflage erfdjien 1860, 2. Auflage 1876) bereinigt, ©ie betoeifen ^auti'S
grofecS latent für ben b.iftorifcb.en @ffab, unb nichts fpracb, meb,r bafür, als bafj
fie in bem claffifd)en Sanbe biefer Siteraturgattung in Ueberfetjung berbreitet
rourben. @in Programm bon 1864 „lieber Sifdjof ©roffetefte unb Slbam bon
^Jtarfb," führte itjn ju einer erneuten Sefctjäftigung mit ber ®efd)id)te beS ©imon
bon 'üJcontfort. liefern felbft, „bem ©djbpfer beS ^aufeS ber ©emeinen", galt
bie ausgezeichnete Slrbeit, bie er fid) bornarjm, feinem ßeb.rer föanfe jur geier
bon beffen fünfjigiärjrigem S)octorjubitäum ju mibmen (erfcf)ienen Tübingen 1867).
©d)on aber rjatte er roieber an ein umfaffenbcS barfteÜenbeS Söerf bie ^anb
gelegt, ©alomon ipir^el getoann it)n bafür, eS auf fid) ju nehmen, für bie
,,©taatengefd)id)te ber neueren $tit" bie ©efc^icb,te ©nglanbS a» fdjreiben. ©ie
erfcb.ien in brei SMnben (ßeipjig 1864, 1867, 1875), roeldje ben geitraum bon
SPauIt. 271
1815 bi8 1852 umfaßten, «p. berb>ljlte e8 ftdj nidjt, toeldjen ©dGtoierigfeiten
bie SBetjanblung eine8 unb eben biefeS tfjeiltoeife jeitgenöfjtfdjen ©toffeS begegnen
ttütbe. @§ toar it)m mitunter ^u '"Dlutfje, als ob er „mit b>ifjer «aba unb
faum mit Material au tt)un tjabe, ba§ angegriffen unb behauen toerben fann".
2tber toäfjrenb ber Arbeit toucrjS if)m bie Äraft. 9118 ein «Kann, ber Öanb unb
Seute au8 eigener Slnfcfjauung fannte, alte Regungen be8 öffentlichen unb geiftigen
ScbenS be§ SnfetbolfeS in unabläfftger ^Beobachtung, burd) Seetüre unb brieftierjen
©ebanfenaustaufcb, befolgte, fctjrieb er nidjt toie ein Stubengelehrter, fonbern
bereinigte SBiffen unb 6rfat)rung in feltenem 9ftafje. 9JHt ber 3eit erfcrjtoffen
ftcf) irjm audj ungebruette Cuellen, rote bie SBericfjte be8 preujjiftfien ©efanbten
in Sonbon, be§ 33aron8 b. 33ülow, bie tjinterlaffenen 5pribatpapiere beg greiljerrn
b. SBunfen, Briefe Stidjarb Gobben'S „biefeS ectjteften unb reinften Urhebers ber
süiancrjefterfdnite". 2Benn ber Seutfctje bie neuefte ©efctjicb> @nglanb§ leiben*
fcrjattslofer au exjärjten bermotfjte als irgenb ein 6nglänber, fo fudjte er beStjatb
feine toarme £t)eilnar)me an bem Söirfen einzelner grofjer t)iftotifcf)er (Seftatten
roie Sanning unb $eel nidjt au berbergen. äßenn ber Kenner unb 23emunberer
ber alten ©runbtagen engtifdjer Wlafyt manche bon biefen buref) bie unamljatt«
fame bemofratifcb> glutb>elte be8 neunaefmten 3arjrt)unbert3 exfdjfittext fat), fo
mar er toeit entfernt babon, ben UngtücfSproprjeten 9ted)t ju geben, toeldje ben
nab>n Untergang @nglanb§ borauefagten unb in erfter Sinie ba§ partamenta»
xifetje Regiment bauir beranttoortlid) machen tooüten. %n bem ernften 23eftreben
bei grofeer Crntfcb>bent)eit ber eigenen SInftdjt fict) über ben |>oriaont ber gartet
ju ergeben toie in bem unberbroffenen 23emür)en bie SBectjfeltotrfung äußerer unb
innerer ^olitif aufaubeefen, berriett) ficrj miebet ber Sctjüler ütanfe'S. S)octj
erfcfjtoerte er ftd§ bie ©ruppirung be§ ©toffeS ein toenig baburd), bafj er bie 6r=
äät)tung ber berfdjiebenartigften Vorgänge häufig bem Stammen eine8 SerictjteS ber
parlamentarifcb>n Debatten einzufügen fudjte. 2Iutr) toirb ftdj nidjt berfennen
laffen, bafj ba§ 23ilb ber fociatpolitifctjen kämpfe unb Reformen, toeldjeS einen
fo großen 9iaum in ber ©arftettung ber Saljre 1815—1852 etrtaunet)men t)at,
mancher 9cacrjr)ilfe unb (Srgänaung bebarf.
2)a3 SBortoort aum atoeiten Sanbe biefeS SBerfeS batirt nodj bon Tübingen.
Ser SJetfaffer erflärt c)ier, bafj „eine itjm in jeber SBeaietmng ungemein ertoünfctjte
9Jtufje" ben 9ibfdj)lufj be8 SanbeS mögltdj gemalt fjabe. gr fpielt bamit auf
ein fiebenlereignifj an, ba% mit ben getoaltigen (heigniffen be§ Lotterlebens in
3ufammenb>ng ftanb unb feinen Söeggang au§ SBürtemberg aur ftolge blatte.
SBärjrenb be8 Krieges bon 1866 ftanb er mit aßen feinen 28ünfcb>n unb Hoff-
nungen auf preu^ifeb^er ©eite. 6r gab feinem erregten ©eiürjl atsbatb lebhaften
2Iusbrucf in einem 2lrtifet „Söürtemberg unb bie 33unbe§fataftropb>", ber im
2tuguftb>fte ber preu^ifdjen Sa^rbücb^er erft^ien. Sie mürtembergifdje Otegierung
glaubte ftei) burtf) biefen Slrtifel berieft, a^ beffen Urb^eberfc^aft )\d) $. ob^ne
„Sögern befannte. 2>er Gultulminifter, nad§bem er bergeblidj auf eine 5Jlittoir=
fung be8 ©enate8 ber Uniberfität in biefer (Sacb^e geregnet blatte, fdjlug gegen
5p. ein bi§ciplinäre§ 33erfat)ren ein. @r »urbe, mit 33elaffung bon 9tang unb
©et)att, an ba8 niebere ebangelifctje (Seminar %u <5cr)öntt)al berfe^t. % narjm
fofort feine (Sntlaffung, blieb aber noct) ben SBinter in Tübingen motjnen. %m
grüt)ting 1867 gab ifm eine Berufung naä) Harburg bem afabemifetjen Seb^rftub^l
gurücf. 2118 Vertreter biefer Uniberfität im preu|ifc|en £errenb>ufe b^at er auc^
einigen Si^ungen beffelben beigetoob^nt. 9lu8 eben biefer «Diarburger 3«t flammt
bie Verausgabe ber „Stuffätje aur englifcb^en ©efcfiicrjte" (Seipaig 1869), bie
eine neue 9tei§e lebenSboHer Silber, toie er fxe in Vorträgen, Slbtjanblungen unb
6ffarj3 geftaltet blatte, borfüb^rten. Sin 9luffa^ über ^rtanb, au beffen Slbiaffung
i|n früher eine Söanbertab^rt burcl) bie grüne 3nfel angeregt tjatte, nimmt nad)
272 ^ciuli.
Umfang unb 3nt)alt bie erfle ©teile ein. 3m-3früljling 1870 bertaufdjte 5p.
Harburg mit ©öttingen, rao eine gefcljidjtlidje Sßrofeffur burd) .£)abemann'S Stob
erlebigt mar. (Sr mürbe bamit auf ben benfbar günftigften 23oben öerpflan^t,
an bie .'jpodjfdjule, bie feit ifjrer (Jntfteljung beutfcb/englifdje 95e^iet)ungen mit 33or=
liebe gepflegt, an bie (Seite Don ©eorg SBaib gefteUt, bei* bte tjiftorifcfjen ©tubien
Jjier jur l)öd)ften Slüttje gebraut tjatte. %k f)etrlid)e SSibltotfjef, für ^auli'S
©pecialfad) befonbetS teid) unb ifjte SBetroaltung [tetS bereit auf feine 2ßünfd)e
einzugehen, um ßücfen auszufüllen, gemährten ifjm bie befte Untetftütjung. ©in
überaus rafd)er Arbeiter, führte er nidjt nur früher ^Begonnenes fort, fonbem
lieferte unabläffig äatjlreidjen englifeljen unb beutfdjen ^eitfdjriften unb ©ammel=
werfen neben fritifchen Referaten gefud)te felbftänbige Beiträge. @S mar it)tn
93ebürfnijj nid)t nur in fprubetnber Unterfjaltung über tragen ber SBiffenfdjaft
unb beS ßebenS, bie ihn befdjäftigten, fid) aussprechen, fonbem aud) batübet
burd) ben 2)rucf zu einem größeren publicum zu reben. @r fütjlte fid), mie er
einmal fagte, nur glücftid), menn er mehrere Bollen in ber @ffe habe. $ftan
begreift es, bafj bei einet fo auSgebehntcn fd)rijtftelletifd)en 2f)ätigfeit mitunter
bie letjte fteiU nidjt angefeilt toerben fonnte, unb bafj bei bem geuer feiueS ü£em=
peramentS mandjeS fütjne ©teid)itifj, aud) mandjet JhaftauSbtucf mitunterlief,
ber nid)t nach bem ©eftfjmacfe eines jeben ßeferS fein fonnte. Niemals litt
inbeffen bie ©olibität beS SnfjalteS unter bet ©djnetligfeit beS ©djreibenö ober-
unter ber ßebfjaftigfeit beö ©cbreiberS. 2lud) zogen ifjn ©egenftänbe ftrenger
$otfd)ung immer bliebet bon ben leisteten Aufgaben populärer 2)atftellung
jutücf. 2)ie ©tüubung beS ,£mnfifd)en ©efd)id)tsbeteineS betanlafjte ihn, an bie
©tubien feinet ^ugenb miebet anzufnüpien, in benen er fid) fo häufig mit ben
commerciellen Beziehungen ber .gmnfeftäbte unb beS mittelalterlichen SnglanbS
befd)äitigt Ijatte. 6r berfolgte baS 3luf6lüt)en biefeS BeteineS mit reger ü£f)eil=
naf)me, toutbe ^Jtitglieb feinet SotftanbeS unb eifriger Mitarbeiter an ben ,,^>an=
fifd)cn ©efdjidjteblättern". 211S ber Sßerein 1878 in ©öttingen tagte, empfing
et bie Sbition eines metfmütbigen, für bie Öefdjidjte beS -gmnbelS unb ber 93ot£e=
toirtt)fd)aft metthbollen ©ebicbteS „The Libell of English Policye 1436" butcb
SB. £>et$berg (£ert unb metrifdje Uebetfetuing, Seipzig 1878), au ber s4>-
bie gefd)id)tlid)e Einleitung gefdjrieben blatte, ©eine Ihätigfeit für bie Monu-
menta Germaniae historica, bei feinem erften 2lufentf)alt in ber grembe begon=
nen unb bei miebetljolten 33efud)cn (SnglanbS fortgefefct, fam bem großen Untet=
netjmen febr zu ftatten. 2Bäf)tenb et fiel) mit bem ©ebanfen trug, bie Regierung
Jpetnuch'S VIII. als ein ©anzeS batzufteflen, bie englifcfje <£)iftoriogtapf)ie beS
Mittelalters im ^ufammenfjang zu behanbeln, btängte fid) ein anbetet Xl)tma
Oot, baS itjn auf's l)öd)fte an^og, bie ©efdjidjte bet @ttoetbung bet englifdjen
Ärone burd) ba§ ,g)auS £mnnoöer. 6r erhielt für bie Bearbeitung beffelben feljr
mertfjOotle ard)iöalifd)e Materialien. 6tnigeS bon bem, toa§ er au§ iijnen nocl)
bertoertljen fonnte, ift nebft jenem f^agment „25ie Anfänge |>einrid)'ö VIII",
3lrtifeln auä ben 5pteu§ifd)en 3(af)tbüd)etn, au§ ber oeitfdjrtft 2fm neuen SReid)
u. a. m. in feinen „^Jluffä^en jur englifdjen ©efd)id)te. sJteue 5°^Öe< ^erauägegeben
bon Ctto ^artmig" (ßeipjig 1883) toieberabgebrueft.
3{n raftlofem ©d)affen§brang fid) mittfjeilenb unb mit ben gteunben jenfeitS
be§ Kanals immer in Sßerbinbung, mar er ber berufene Sermittler englifdjet unb
beutfdjer ©efd)id)tsmiffenfd)aft. Unb biefe SSermittlctftettc beljnte fiel) felbft über
ba§ toiffenfd)aftlid)e ©ebiet au§. „2Ba§ ßnglanb an edjt germanifcl)en ©ub=
ftan^en bemaljrt Ijat, auf bem Soben bet Utt)etmatt) mieber fruchtbar ju rnadjen",
baran toollte er ju feinem 5£l)eile in SGßort unb ©d)rift mitarbeiten, ©o begeiftert
er als beutfdjer Patriot ben ©reigniffen 1870 ju jubelte, er bergafe barüber nid)t,
maS S)eutfd)lanb nod) immer bon anbeten Sötfern lernen fönne. lleberf)aupt
5p<uiU. 273
liefj er fiel) niemals burct) eine tjerrfcljenbe Strömung in ber ©elbftänbigfeit feines
Uxtt)eit§ über bie öffentlichen 2lngelegent)eiten beirren, fo toenig tote er getoillt
mar, als (Belehrter fid) in ben S3ann einer ßlique ju begeben. 9Jtannf)aft, frei=
müttjig unb öon unbeftecrjlicrjer äöatjrtjeits liebe tonnte er fid) nidjt feiten fdjarf
unb fräftig auSfbiectjen. 5lber eS mar iljm immer um bie ©aclje ju t^un. ©in
öortrefflictjer ©efeEfcrjafter, ein gaftfreier ,£auSl)err, root)t erfahren in ber Qfüljrung
üon (Stjrenämtem, meltmännifct) geroanbt, Qa-eunb ber fünfte, unb für .gmmor
mie 2Bi| gleictjemöfängliclj, liefj er oft öergeffen, bafj er bem Setjrftanbe ange=
Ijörte, unb Untunbige moctjten etmaS IDtititärifcrjeS in feiner ftrammen Haltung
finben. $nbeffen begann ber bis bal)in duftige gegen @nbe ber fiebriger i^arjre
über feinen ©efunbtjettSjuftanb ju flogen. SUImäljlicl) entmidelte fiel) ein Seiben,
baS fiel) befonberS in gicfjtifcljen Unfällen äufjerte. @r naljm noct) 1882 an ber
^fingftöerfammlung beS ^anfifcljen ©efctjictjtSöereineS ju Dannoüer £t)eil. S3on
bort reifte er ju einem gamilienfefte nact) Bremen, ^n ber 9tad)t öom 2. auf
ben 3. 3uni machte bafetbft ein ©ctjlaganfall feinem Seben ein @nbe.
Slbgefefjen öon 9teirotogen in geitungen f- 5- SftenSborff : 9teinl)olb
^ßauli- 9tebe gehalten in ber öffentlichen ©itmng ber f. ©efettfetjaft ber SBiffen*
fcljaften p ©öttingen (33b. 29 ber Slbtjanblungen ber Ä. ©. b. SB.) ©öttingen,
1882. — Serfelbe: SDeutfcrje 9tunbfct)au. 33b. 34. Januar— <fltära 1883.
— Otto -gmrtroig : $ur dmnnerung an 9t. üßauti, in ^auli'S öon £). |). t)erauS=
gegebenen Sluffätjen ^ur englifdjen ©efctjictjte. 9teue 5olge. Seiöjig 1883. — ß.
Söeitanb: 3um Slnbenfen an 9t. ^auli in ben £>anfifct)en ©efcf)icl)tSblättern,
^aljrgang 1883. ßeiö^ig 1884. — ©ief ebreetjt : 9tefrolog auf 9t. ^auli in ben
©i^ungSberict)ten ber f. bairifcr,en Slfabemie b. 30. 1883. 5pijilof.=t)ift. Slaffe.
9ltfreb ©lern.
^ault: Simon 5ß., ber Vettere genannt, f am 17. $uli 1591, mar am
28. October 1534 ;ju ©d)tt>ertn in 9Jcecfleuburg geboren, mürbe 1552 an ber
Uniöerfität 9toftocf immatriculirt, in Söittenbexg 1555 sUtagifter unb am 5. 9to=
öember 1558 öon 9JMancr)tt)on bem <£>er<Sog Sotjann Sltbrectjt I. für eine tl)eo=
logifetje ^3rofeffur in 9to(tocf emöfoljten. 2)iefer aber, ber iljn fetjon nacl) einer
1554 gejctjriebenen lateinifctjen Sobrebe auf ©djtoerin unb nacl) marmen gür=
föraetjen beS 5Daöib (SfjtjträuS fannte, berief iljn 311 fiel) als SDombrebiger, naljm
iljn auetj mit ^um 9teictjStage nad) SlugSburg unb ernannte ifm barauf 1560
äum 5paftot an ©t. ^acobi unb fürfttidjen ^rofeffor ber Ideologie in 9toftocl.
$n bemfetben ^atjre reeipirte u)n bie Slrtifienfacuttät unter itjre S)ocenten, unb
am 29. Slpril 1561 ötomoöirte itju ber öommerfdje ©uperintenbent I). ^oxob
9tunge als 5ßicefanäler dugteiä) mit S)aöib ßljrjträuS unb bem ©tabtfuöerinten=
benten ^oljanneS Mittel äum Dr. theol. gin treuer ©djilbfnaööe beS S)aöib
6l)rjträuS, bem er in (Seletjrfamfeit nacl)ftanb, an ^rebigtgabe unb öraftifdjem
©inn aber überlegen mar, Ijat er feitbem bis ju feinem 2obe mit jenem gemein=
fam atte ©utactjten ber tfjeotogifctjen gacultät öerfa^t unb Dertreten, als eifriger,
mortgetreuefter ^alter an Suttjer'S 9luSbrucf, felbft gegen 2Relanctjttjon, unb öor
aEem, maS man ßrtjötocalöimSmuS unb g^cianiSmuS nannte. Slber audj ein
Vertreter geiftlictjer 90tacl)tbollfomment)eit mar er miber ben 9tatt) ber ©tabt
9toftodf, gegen ben er in ber ^efjtmfiuS'fcrjen 2lngelegent)eit unb in bem 2lnfpruclj
einen ©tabtfuöerintenbenten ju ernennen bie güljrung °eS geifttietjen 9)tiniftertumS
übernahm. Sie tt)eologifctj=öolitifcljen Streitfragen unb ^ä^fereien, in benen er
mit ber gacultät ttjätig mar, finb öon £). Krabbe toeitläufig bargetegt; ebenfo,
menn auclj mit 35erfennung ber fiäbtifct)=t)anfifct)en ©teEung ber Uniöerfität unb
beS in 5°fge ber 9teformation notljmenbtg entftanbenen fcljiefen SßerljältniffeS
äroifcfjen SanbeSljerrn, ©tabt unb Uniöerfität, bie 23etfjetligung 5}3auIi'S an ben
mntm. beutle Stogro^ie. XXV. 18
274 Ißaitlt.
33erl)anblungen, roetdje jur Formula concordiae üom 11. 9Jcai 1563 jtoifdjen
leiteten führten. £rotj bet laubatorifdjen 33 etjanb hingen feines Auftretens in
f aft allen 2)arftettungen fann baffetbe nidjt fd)öu genannt roerben. 2)er 3ett=
ftrömung gemäfj neigte er ber au'ftrebenben fürftlidjen sJJlad)t ju unb berfdjmätjte
nid)t, bei allem äufeertidjen ©cljein ber 23erfötjnlid)feit unb Siebe jur 2lu§gleid)ung
bod) ben £aber äroifdjen 23ürgcrfd)aft unb ytatrj p benutzen. 35afj bie ©tabt am
28. October 1565 in ben traurigen SBirren fidj bem -£>crjoge ^oljann 2llbredjt auf
beffen 23erfpred)en rjin ergab, roa§ fie nadjljer fdjroer fcüfjte, lag roefentlid) an
bem 3ureben Sßauli'S. $m ©treite über bie SRoftocTfdje ©uperintenbentur , ob
fSfürft ober ©tabt fie JU beftetlen Ijabe, natjm er bie fürftlicfje SBeftatlung für ben
ütoftoder $rei§ an, bie GcjrjträuS ju übernehmen bebenfiidj roar. 9tad) ber fpä=
teren 2tu§gteid)ung ätoifdjen ben ftreitenben ZtyiUn im ©rbüertrag öom 21. ©ep=
tember 1573 mufjte er biefe ©teile nieberlegen unb mürbe als erfter Don (Seift*
lidjfeit unb ©tabt geroär)tter ©tabtfuperintenbent am 28. ^Jtärj 1574 fflrftlidjer»
feitS beftätigt. Sbenfo ging e§ mit feiner 23eftatlung Oon 1570 alä britter
geifttidjer Q3eifit;er beg fürftlidjen Gonfiftoriumä, gegen roeldje§ ber sJtoftotfer Sftatt)
nodj 1571 proteftirte. 2113 foldjer toirb er 1574 tjerjoglidjer Äird)enratt) ge=
nannt. Ütector ber Uniüerfität roar er üiermal, 1566, 1570, 1582 unb 1588.
©ein SBilb befinbet fid) in SBeftpljaten, Mon. ined. III 3U ©. 1201. Ob ber
1616 3um rjeraoglidjen 2lrdjtüar unb 2etjn§fecretär ernannte Simon ^S au 1 1
fein ©otjn geroefen , ftetjt barjin; ber 9came ^ßauli fommt übrigens merjr=
fad} öor.
Sitte älteren Quellen in: Ärerj, 2tnbenfen an bie Sioftod'fdjen ©e=
lehrten VI, ©. 23—32; bie tf)eologifd)c 2t)ätigfeit bei £). Ärabbe, Uniü.
Dioftorf, unb genauer nodj bei £). Krabbe, 2)aniel (XtmträuS. — ©djirrmadjer,
3ot>ann SItbrcdjtl. (lieber 1565: %. I, ©. 520 nadj einer ungebrudten nieberb.
(Stjronif; audj Ungnaben, Amoenitates ic.) — ©eine ©djriften bei Ärabbe unb
äöeftprjalen, feine Sortefungen bei Ärabfce. Sifd), 3al)rb. XII, ©. 64;
XIX, ©. 131—136; XXII, ©. 183. — 0. 2öebel, £au§bud), ©. 323 f.
Traufe.
Fallit: ©imon 5)3., ber jüngere, roar ber ©rofjfotjn ©imon§ be§ altern
unb ber ©oljn £>einrid) 5ßauli'3, ber 1565 in 9toftod geboren unb 1594 — 1604
Dr. unb s}kofeffor ber 9Jtebicin unb ©tabtpt)l)ficu§ roar, 1604 aber al§ Seibar^t
ber $önigin=2öittroe ©optjie Oon 5Dänemarf nad) ^Jcrjtjöbing ging, roo er am
13. Sluguft 1610 ftarb. 1596 tjatte er ba§ ftectorat ber Uniüerfität betreibet.
©imon 5ß. roar am 6. £)ecember 1603 (a. ©t.) geboren, ftubirte in 9toftod unb
Seiben, fpäter — befonber§ Anatomie — in ^ari§ ; aud) ein tjalbeö $atjr in
SSittenberg, nadjbem er (Snglanb bereift t)atte. Dr. med. rourbe er 1630 in
äöittenberg, roar barauf praftifdjer Slr^t in 9toftod, bann in ßübeef, 1634 bi§
1639 ^rofeffor ber SJtebicin in 9toftod, 1639—1648 ^rofeffor ber Anatomie,
ßtjirurgie unb SBotanit in ^opentjagen. 1648 rourbe er Seibarjt be§ ^önig§
Oon üDänemarf unb erhielt jur SSefolbung bie ^ßfrünbe einer sßrälatur juSlarrjUg;
nur einige 3ett roar er — angeftedt Oon fdjtedjter ßranftjeit — 1655 roieber
in 9loftod, roo er Sßortefungen, jumat botanifdje, tjielt. j 13. Slpril 1680. 6r
tjatte fid) einen Flamen at§ Slnatom unb Sotanifer erroorben , feine ©djriften
3ät)tt Stand auf; aud) über bie Slnatomie be§ 5]3ferbe§ t)at er gefd)rieben. 6ine
„Flora Danica" gab er 1648 in ^openfjagen t)erau§, Stxef) nennt aud) ein
„Quadripertitum botan." in 4°, roorin fein 23ilbni§ , roeld)e§ aud) Cor feiner
„Commentatio de abusu Tobaci et herbae Tbee" (©irafeburg 1665) roieber=
t)ott ift.
ßreü, Slnbenten an bie 9toft. ©eterjrten VI, ©. 8 f. — 21. Stand, bie
medl. Gerate ©.17 (^einrid)) unb 30 (©imon). Ar auf e.
$oult — ^anlina. 275
$aitlt: Xfjeobor 9ß., 9ted)tsgeleb,rter, geboren am 22. September 1648
ju ©reüenfjagen in £)tnterpommerrt , roo fein 33ater Sürgermeifter war, f am
12. Stuguft 1716 in Königsberg. $. 6etudc)te fett 1665 bai ©nmnaftum ju
(Solberg, bann bas ju ©targarb, bejog hierauf bie Uniberfttat ©reifsroatbe, im
£erbft 1667 granffurt a. D., roo er 1672 ben iuriftifcfjen S)octorgrab erroarb,
nadjbem er Porter einen jungen 2tbeligen nadj Hamburg unb Bremen, Seipjtg
unb 3ena begleitet tjatte. 1673 tarn er al§ prof. juris extraordinarius nad}
Königsberg, rourbe bort 1673 Ordinarius secundus , 1679 augteid) $räfe§ be§
.§ofgerid)teö, 1681 Primarius juris, 1697 Gräfes am Sximinatgeridjte, enbtidj
1703 neben feiner ^rofeffur £o?s unb Xribuualratt), in roeldjen (SigenfdjaTten er
1716 mit Sob abging. $. fdjrieb ju ftranffurt unb Königsberg aarjlreidje S)is=
putationen, Pon bcnen an 36 im 2)rucf erjdjienen; in feinem ^anbfct)rifttict)eri
Dtadjtaffe beftnbet ftd) u. a. ein „Comment. in institutiones" (Sdjriftenberj. bei
3öd)er III. 1314 unb «ftotermunb V, 1709). — ©ein ©ot-n Stjeobor Sfjri«
ftian 5ß. fctjrieb: „Trigam observationum juridicaruin". Regiom. 1704. 4°.
^ödjer unb Äotermunb a. a. Q. — 2lrnolb , £iftor. ber Königsb.
Unioerfität, Stjt. II, ©. 26. — fteue Seipj. £t. 1717 ©. 460 u. ff.
ßifenb, art.
^aitltli: $ater $., Orientalin, geboren in ßoff an ber ßeitlja in lieber«
Öfterreidj. ©einen urjprungüdjen tarnen ^ofjann $t)iüpp 3öe§bin ober SBesjbin
öertanfdjte er, in ben ^efuitenorben eintretenb , mit bem Flamen Paulinus a
Sancto Bartholomaeo. ttacf) ^nbien entfanbt, raufte er bort al§ 'Dttiffionar an
ber gjtatabaruifte Don 1776—1789. >Jtadj feiner ftüdfefu begab er fidj nadj
9t om, rao er eine 9tett)e üermtfdjter Söerfe über orientatifdje Sprayen unb Sitter»
ttjumsfunbe in lateinifcfter ©pracfje veröffentlichte unb 1805 ftarb. eeine beiben
©ansfritgtammatifen, eine fürjere unb eine ausfürjrtidjere, erfdjienen 1790 unb
1802 unb raarcn bie beiben erften in einer europäifdjen ©pracfje_ abgefaßten
©rammatifen ber cfjrraürbigen ©anSfritfptadje, beren (Sntbedung auf bie neuere
gntroidtung ber ©piacrjroiffenfdmft unb »Philologie einen fo bebeutenben (Sinflujs
geübt ljat. 2ltterbing§ ift bie (Simürjvung bei SanStrit in bie europäifcrje äöijfen»
fdjaft metjr ben arbeiten Solcbroofe'ä u. a. englijdjer Drientaliften au banfen,
aU ben aroei ©rammatiten be§ $. ; aud) finb bie leiteten feine gan,j feloftftan«
bige Seiftung, raenn aud) flaueres über it>r 3>ex^ättnife ju ber oon $. beiluden
nod) jet3t in sJtom öortjanbenen IjanbfduiTttidjen ©ansfrttgrammatif bei 3efutten=
pateri ^anrieben, ber im Anfang bei 18. SfatjrljunbevtS in ber malabarifdjcn
^miffton rairfte, nidtjt befannt ift- 2lud) bie SSerroanbtfdmft bes öanifrit mit ben
europäifdjen Gulturfpradjen rourbe Pon % vidjtig erfannt unb u. a. in feiner
„Üissertatio de latini sermonis origine et cum orientalibus Unguis connexione"
Oftom 1802) ndljer begrünbet. 5Da§ "üllter unb bie gdjtljeit ber ©pradje bei
3enbatiefta unb bie natje Sßerroanbtfdjaft beffelben mit bem ©ansfrit roiei er burdj
^ufammenftettung öon 100 tierroanbten Söörtern uactj in ber fleinen aber be=
adjteniraertljen ©d}rift : „üissertatio de antiquitate et affinitate linguarum
Zendicae, Sanscritamicae et Germanicae" ($abua 1798). 3lußerbem fcljrieb er
über inbijdje ^ataeograpb.ie, ^anbfdjriftenfunbe, Dretigionigebräuclje, ©rammatifen
u. f. ro. unb gab ben Anfang eine§ in ©anslrit abgetauten attinbifd)en 2Börtet=
bud)s in tamuüfdjen Settern fjeraui. S- ^otln.
^ultima, Sodjter be§ dürften ^riebridj 2llbred}t Pon 3lnljalt = vJ3ernburg,
geboren am 23. gebr. 1769, Ijat fid) als Söormünberin unb sJtegentin bes gürften=
i^umi Sippe nidtjt nur bei ifjren ßeb^eiten in weiten Kreifen einen tjodigeadjteten
tarnen, fonbern audj butdt) it)re traft- unb roeisrjeitspotte Regierung im lip=
18*
276 s£aultna.
pifdjen Sanbe ein bis auf ben heutigen ütag bauernbeg banfbares 5lnbenfen ei=
morben. Strogen <}u U3aflenftäbt unter Leitung iljres 33aterg als beffen ftete
©efätjrtin unb ®et)ütfin bei feinen 9tegierungsgefd)äften entmidelte fie fd)on fruit)
neben allen 33orjügen ebler äBeibttdjfeit ß.t)arafter= unb ©eifteseigenfcfjaften tt)ie
fie fonft nur Männern eigen finb. Sßiemol öon Statur unb burd) Anregung
(Steim'3 metjr jur 33efd)äftigung mit H'ittcratur unb s4>oefie unb ruhigem StitU
leben geneigt, tjatte bod) itjr ©efd)irf fie ju einer ljeröorragenben potitifctjen
Xtjätigfeit beftimmt, inbem fie fid) im Januar 1796 mit bem dürften ßeopolb
jur ßtppe bermätjtte, melier, nad)i)em er in feiner 3»ugenb,}eit mehrere 3at)re an
©>iftesfranff)eit gelitten, fd)on am 4. Februar 1802 mit ^intertaffung öon jtoet
Sötjnen ftarb. Sie genofj fctjon bamals ein foldjes Vertrauen , bafj man Hjt,
gegen bie 9tegel ber lippifdjen £)au§gefetje , bie 33ormunbfd)aft unb öanbes=
regentfdjaft übertrug, meldje fie mit einem aus ^mei (anbftänbifdjen unb einem
sJiegierungsmitgliebe beftetjenben Gottegium 18 ^atjre lang mit raftlofer £t)ätig=
feit unb Selbftaufopferung geführt tjat. 2>ie geiftreidjc f^ü^ftin ü>ar bie Seele
biefer Regierung; öon itjr ging faft immer ber Slnftofj aus ju bem, mas roät)=
renb itjrer Regierung <jum 2öot)le bes ßanbes gefdjat). %n ber fdjmteiigen 3e^
mätnenb bes .ttaiferttjums unb ber 9iapoleonifd)en Kriege mar xfyt ganzes
ißeftreben barauf gerietet, it)r ßanb öor Öebiürfungen unb ©efafjren möglid)ft
äu fdjüfcen, unb bas ift ifjrer gefdjidten Jpanb in fotdjem sDtafee gelungen, bafj
Sippe bamalö ber Umgegenb als eine £)afe in ber 2Büfte evfdjien. Selbftöer--
ftänbtid) trat fie, mie jatjlvcidie beutfdje dürften, bem 9tt)einbunbe bei, bie einzige
sDtöglid)feit, bie Integrität unb Selbftfiänbigfeit beö Sanbes ju erhalten unb
feine Saften ^u crleid)tern. Sie roirtte für biefen otoetf mit unglaublicher
üfjätigfeit burd) (Sorrcfponben^ mit fran(}öfifd)en unb meftfäüfd)en Staatemännern,
fomie burd) sJtetfen nad) ^Jlainj unb $aris, um bei Napoleon, feiner ©ematjtin,
feinen IDUniftern, bem dürften Primas für itjr Sanb perfönlid) bas SBort ju
fügten, (6in intereffantes Sagebud) itjrer Keife nad) s^aris 1807 ift in ber
^eitfdjr. (Germania öon 9tub. äÖaguer 1868 aus,mgmeife öeröffenttidjt morben.)
SDer (jifolg mar, bafj Sippe nid)t bem Äönigretd)e Söeftfaten ober bem ©rofj=
f)er,}ogtl)um Ü>erg incovporirt unb öon (Jinquartierungen unb Nequifitionen bis
(£nbe 1813 faft gau,^ berfd)ont mürbe. 3Das ütrupprncontingent bes Sanbes
natmt jur fttjeinbunbsjeit an ben ^^bjügen in Spanien, £irol unb sJtufjtanb
ttjeil unb mürbe nad) bem Umfdjtuung fofoit jur Slrmee ber Sllliirten geftellt.
s)Jlit gleichem @ifer manbte fid) bie f^ürftin mätjrenb unb nad) ber ihiegsjeit
ben bamalg nod) fe^r patriardmtifdjcn ^nftitutionen beg £'anbeö ^u, meldje fie
in äeitgemäfeem unb freif)eittid)em (Reifte, ot)ne ©djonung üeratteter ©tanbe§bor=
rcdjte, 311 üerbeffem fud)te. SDat)in getjört bie @infül)rung ber allgemeinen
s))lilitärpflid)t mit fur^er 2)ienftaeit unb einer otjne Kürffid)t auf Steuerpriöi=
legien gleid)iuä|ig auf bas (Sinfommen ber Jöeöötferung, aud) bes SDomaniumä
gelegten Äriegsfteuer, Üteform bee fyinanämefens, ber Sufti^. auegebefjnte Söegr»
bauten, feftere Steüung ber Staatebiener, 2luft)ebung ber 8eibeigenfd)aft, enblid)
@iniüt)rung einer 9iepräfentatiD=33erfaffung. Sic brang öor allem auf SScrtretung
be« im Saufe ber geit fräftig entmiefetten unb bei ben Staat§Jaften am ftärtften
bett)ciügten Soiuetnftanbeö, fanb aber bei ben alten Neuerungen miberftrebenben,
Don Selbftfudjt unb Äaftengeift befeelten Stänben öon 9titterfd)aft unb Stäbteu
einen SBiberftanb, an meld)em alle Gnnigungsöerfucrje fdjeiterten. Sie entfd)to^
fid) besljalb, jur ßrfüüung einer 5ßerpfiid)tung ber 23unbeß = s)lcte im %. 1819
eine lanbftänbifd)e 23erfaffung ^u octrotjhen , meldje jebod) burd) ben 23unbes=
tag auf Sefdjmerbe Pon Stänben unb Slgnaten fiftirt mürbe. 2)iefe tanbftän=
bifd)en kämpfe finb erft lange nad) i^rem 2obe ^um 3lbfd)tuffe gelangt. Gliben
ben tegiSlatioen JHeformeu mar e§ öor allem bas Sdjulmefen, bie 2lvmenpflege,
5ßauftnu?. 277
©rünbung morjtttjätiger unb gemeinnütziger Slnftatten, Hebung ber allgemeinen
©ittlidjfeit unb üteligiofität be§ SßolfS, tt>a§ ba§ «gjerj ber ^Re^entin befdjäftigte.
3u ben bcbeutenben Soften fötaler üteformen trug fie mit freigebiger £>anb auä
eigenen Mitteln bei unb roujjte bie ^rtöattoorjttfjätigfeit bafür anzuregen. 3^re
Öäbagogifdjen 3been öeröffentiicfjte fie ^uroeiten in ben bamals öom ©en.=©ub.
öon Gölln rebigirten „Beiträgen 3ur Seförberung ber 53oifäbitbung", correföon=
birte barüber mit auimärtigen ©adjöerftänbigen , mie Qeün in 3üric£j , fudjte
ficrj burct) Slbgeorbnete nacb ber ©ctjmeij über bie ^efialo^rfdje 9Jtetb,obe ju in»
formiren unb mufcte jur 2lu§fürjrung itjrer $läne überaE bie richtigen 205erf=
jeuge ju finben. ©o ift namentlich ba§ ©dmtmefen be§ 8anbe§ burcrj itjre
gürforge <ju einer bamals beifpietlofen 33lütrje gelangt. Unter ben öon iljr ge=
fdmffenen äSot)ttfjätigfeitsanfialten öerbient befonber§ bie mit bem ßetjrerfeminar
öerbunbene „^ftegeanftalt" ju üDetmclb genannt ju toerben, roeldje ^u einem
2Baifen=, $ranfen=, freiroiEigen 2Irbeit3t)aufe, einer ©cfmle für £)anbarbeit unb
einer Äleinfinberberüarjranftalt , jefet ^aultnenanftalt genannt — ber erften in
2)eutfcr)tanb — beftimmt toar. gür SBettler unb SSagabunben mürbe ein 3toang§=
arbeit§fjau§ errietet unb fcfjon feit 1804, at§ man nocrj menig an Pflege ber
©eifte§franfen backte , forgte bie gürftin für ©rünbung einer ^nrenanftalt ju
SSrafe, meiere im $■ 1811 eröffnet mürbe. Ueberrjaupt mar fie in focialpoli»
tifetjen SBefirebungen tt)rer 3eit meit öoran. (SrfüEt öon einem ftrengen ^PfXid^t=
gefüfjl naljm fie perfönlicrj an ben ©tijungen ber Regierung unb ber föentfammer
ttjeit unb b^ielt jmeimat möcfjentlicr) 5lubienäen, mo jeber Unterttjan mit Sitten
unb Sefcrjmerben bei U)r 3uir^t un0 fte^ gerechte unb Rumäne SerjanMung
fanb. 2Ba§ bie eble grau itjrer notieren Umgebung burd) (jjigenfcfjaften be§
©eifte§, burct) ben mächtigen 3fluber it)rer 5}}erfönlidjfeit gemefen ift, lebt noct)
fort im $ftunbe ber 9tad)fommen. 9cacr)bem fie im 3- 1820 mit einer feier=
liefen 2Ibfdueb§rebe bie Regierung in bie Qanb itjre§ älteften ©otjneä Seopolb
niebergelegt tjatte, mürbe ib)r öon ber ©tabt ßemgo ba§ 2tmt be§ regierenben
33ürgermeifter§ angetragen, fie ftarb aber fetjon am 29. SDecember beff. %. 2>ie
Regierung *ßaulinen§ > fo fdjreibt ein äeitgenöffiferjer ©djriftfteEer mit 9tecrjt,
„mirb in ber libbifctjen ©efcrjictjte ftetS eine itjrer glänsenbften Venoben bleiben".
9teicrje§ Material enthält (Stoftermeierä Ärit. SBeleucrjtung. 1817. —
»gl. 3eitgenoffen (Seidig 1822) S3b. II, §eft VI, ©. 7—74.
galfmann.
^auliüUÖ, ber ^eilige, 5patriard) öon Slquileja g. 730 — 40, fll. Januar (?)
802. tiefer namhafte ßirdjenffirft, ^eitgenoffe unb ßanbimann eine§ 5ßautu§
(S. be§ SCßarnefrib (^aulu§ S)iaconu§), be§ ©efdjid)tfd)reiber§ ber Songobarben,
mar äunädjft Setjrer („©rammaticuö") an ber iijrer 3e^ trefflidjen ©djule ju
Giöibale (Forum JuliiJ. 3U§ naef) bem gälte be§ ßongobarbenreid)e§ (774) ber
griauler ^er^og ^robgaub ben erfotglofen 6rt)ebung§öerfudj mit blutiger ©djtaböe
unb fct)toerer SSeftrafung feiner 2tnt)änger gebüßt (776), erhielt ty. öon bem granten*
tönige ^arl bie ©üter be§ Söalanbo (©ofm be§ Sfmtno öon Suberiana); bie erfte,
urtunbüd) bezeugte ©unftbe^eugung be§ mädjtigen .g>errfcrjer§, bem nunmehr ^.
immer nä^er trat. 6r tarn nämlicl) an ,^art§ -§)of unb ttjeilte fidj b^ier mit
Stlcuin in bie ©räietjung 3tngitbert§, be§ Äönig§fob^ue§, mie un§ bie @orreföon=
benä t>eg berühmten Stngelfadjfen bezeugt, ber fortan in fyreunbfdjaft unb brief=
tid)em S3erferjre mit $. ber)arrte. ©ntfdjeibenb für ba§ meitere Seben bes 8e^=
teren mar bie öom granfenfönige öeranla&te Srtjebung ^au(in'§ 3um Patriarchen
öon 5lqui(eja. grüner bezeichnete man ba§ 3t . 776 at§ 3c^fun^ biefe§ @r=
eigniffe§; ^affö rjat jeboer) mit ©runb erft 787 bafür angefe^t. ©ein Vorgänger,
ber ^meite in ber föeitje ber fog. „ortrjobojen" ^atrmi'ä)en ttal' ©igwalb öon
ßiöibale, au§ bem öaufe ber ^er^oge öon SSeneöent, mäb^renb bie üErabition
278 SßauItnuS.
unfern 5paulinug bon 5premeriaco r)erftammen läfjt unb mit ir)m bag ©efdjledjt
ber ©accabini in Sßerbinbung bringt, tueldjcg nod) in unfern Sagen ben 3-efttag
beg tjeilig gefprodjenen 5Dlanneg feierlid) begebt unb fid) uralter greitjeiten feiten©
beg 5pahiard)ateg rütjmte. $arl ber ©rofje, ber $reuub ber ©elet)rfamfeit unb
ber gemiegte ^olititet, ber eineg fireng fhd)lid) gefilmten, etneg loyalen $ird)en=
fürften an ben ©üboftmarfen feineg o.nfd)mellenben 9teid)eg beburfte, jog ben
5patriard)en nidjt feiten bei feinen $ird)enberfammlungen 3U Siattje, fo hä bem
Goncit 3U 2Iad)en (789), ^u föegcngburg (792) unb gtanffutt (794). 3u
Otegengburg erlangte 5p. bon feinem fönigtidjen ©önner bie Befreiung beg
5patriard)ateg Dorn Fodrum (5)laturalleiftungen) unb abgaben bei einer «gieerfaljrt
in Sftrien aufgenommen ben ftaU, bafj ber .ftünig ober beffen ©otjn 5pippin babei
perfönltd) anroefenb feien, beSgleidjen ertjielt er eine 33eftätigung feiner ©üter.
S3ei ber {yranffurter ©tmobe Ijanbelte cg fid) um ©teflungnatjme $u ben fog.
gelicianifctjeu ©treitigfeiten, bie burd) ben 2Bib erruf beö f5reXir unb bie brüte
päpftlidje 5ted)tung biefer ,Wird)enlel)re in itjr borletjteg ©tabium getreten mareu.
kaxl ber ©rofjc tjatte beranlafjt, baf$ bie bezüglichen 3lnfid)ten beg 5pap[teg unb
©eiftlidjfeit feineö 9teid)eg in eine für ben tjeterobojen Üieidjgprimng ©panieng,
£elipanbug bon £olebo , unb bie übrige ©ei[tlid)feit bafelbft befiimmte SDecla=
ration äufammengefafet mürben. S)ie jmeite ber bartn berbunbenen ©djriftcn
gegen ben „^eticianigmug" ober „2Iboptianigmug" flammte bon 5p. u. b. %.
„Libellus episc. Italiae contra Elipandum" ober „Libellus sacrosyllabus". —
Um 795 finben mir ben 5patriard)eu mieber in feiner friauler Siefibenj (ßibibale).
©amatg berfafete er für feinen Sfveunb (Srid) , 5Dtarfgrajen öon griaul, ben
„libellus exhortationis, vulgo de salutaribus documentis ad Hemicum comitem
seu ducem Forojuliensem", beffen ^nljatt grofscnttjeilg bem 93ud)e beö 5pomeriug
„de vita contemplativa" entnommen ift. @g roirb barin bon ber Stugenb unb
bon ber Reibung ber Softer geljanbelt. 2>ag 20. 6ap. ift mit „miles spiritualis
et terrenus" überfd)rieben. Urfptünglid) fd)rieb man bag 33uct) bem t). 9luguftinug
ju. 796 tjielt ber 5patriard) eine ©tjnobe mit 15 33ifd)öfen feineg ©prengelg
ab, in meld)er gegen ben 5J£eftorianigmug ©tellung genommen mürbe. 5>lnbrerfeitg
finben mir angebeutet, bafj atg J?. --Pippin, j?arlg ©oljn, ben ^eereg^ug gegen
bie Abaren antrat (796), berfelbe an ber 2)onau lagernb, 33ifd)öfe, barunter
aud) ben 5patriard)en 5p., ju SSeratfjungen einberief, bei benen „in bertraulid)er
äßeife" über bie Gtjriftianifirung ber 9lbaren beraten mürbe. 9ltcuin felbft tjabe
fid) in biefer Angelegenheit an 5p. gemanbt. 2llg ber tapfere unb beliebte 5Utarfgrai*
£>er<mg bon griaul, (Srid), bei Üerfate in „Ciburnien" (in ber sMt)e beg heutigen
$iume), an ber (Brenne ber eigenen 5IJtarf, im Jpinter^alte ber geinbe einen borjeitigen
Zo\> erlitt, mar e§ allem 3lnfd)eine nad) 5p., ber bem bejreunbeten unb allgemein
bebauerten Jpelben eine ung erhaltene Stobtenftage in Sßerfen mibmete, bie ben
Wutnn biefeg ^rieggfürjrerg, ©taatgmanneg unb $ird)enfreunbeg ber 5Rad)melt bor
Slugen tjalten foUen. 3fn biefeg $a^r fäHt aud) ber 3lbfdjlu| ber felicianifdjen
©treitigfeiten. Sluf ber ©tmobe ju 2lad)en (5Dlai, %\\ni) 799 bigputirte 2llcuin
mit 3-elij, unb bie grofce ©treitfe^rift beg Gsrfieren gegen .^etipanbug unb gelij
foüte fid) anfct)lie^en. 3lud) 5p. l)atte für biefen 3tt,e(^ l"ne »libri tres contra
Felicem Urgelitanum episcopum" abgefaßt. S)ie tefete bebeutfamere 2rjatfad)e
im Seben unfereg Mrd)enfürften ift beffen Soncilberfammlung in 5Jlttino (um
800). ©ie mar bie ^edge ber gemaltfamen Haltung Senebigg unb aroar beg
bamatigen Sogen ^orjanneg unb beffen ©or)neg 5Utauritiug gegen ben 5patriard)en
bon ©rabo, ^otjanneg, ba biefer fid) ben granfen zuneigte unb beg^alb bon
ben mit S3t)jan3 3ufammenger)enben S5enetianern in ©rabo angegriffen, gefangen
genommen unb gelobtet mürbe. 2)ie befonbere S3eranlaffung ^ie3U bot bie
Steigerung ben geroärjlten S3ifd)of bon Olibolo, @f)riftopf)orug, ju beftätigen.
Offenbar bejmedte biefe ©tjnobe, bereu 2lbr)altung 5p. bem granfenfaifer aud)
^ctuHi — ipauttini. 279
anmeldete , eine «üianifeftation gegen bie Venetianer. SßautinuS' £ob fällt, wie
fcbon angegeben, in baS 3ab,r 802. Slufeer ben weitet oben angeführten ©dornten
werben itjm noct) 11 geifttietje ©ebicrjte (£pmnen) augefctjrieben.
Viogxaptjie: 9JtabxifiuS, (SliSg. bet Sßetfe beS tj. ^aultnuS, Venebig 1737,
IX ff al§ Einleitung). — ßituti, Notizie de' letter. del Friuli (1760) I. — be
9tubeiS, Monom, eccl. Aquilejensis(1740). — ^anjano (Conte Franc), Ann. del
Friolil (1858). übine. — ©ümmler, Poetaelat. medii aevi. I (1880). — SaS
UttunbUd^e: ©iefet, Acta Karolin. (1867—8). — 3Jtüt}l6a$er, Sie gtegeften
beS Kaifexxeicf)eS untet ben fiaxolingexn 1. 2. £. (1880— 1). — 3aff6,
monom. Alcoina. — SnSbefonbexe ©ig. 2lbei unb Vexnf). ©imfon, «jafcb.
beS fränfifäen üteitf»e§ untet Äarl b. ®t.f IL Vb. (1883). - Miscelkmea
pobbl dalla Depotazione Veneta di storia patna (1883) I. 2tbtt). t). 0.
C. SiüoEa. ßroneS.
taut- 2Bilb,elm Stbotf $., ©cfjriftftetier unb Siebter. 6t war geboten
im rjotfteinifd)en Rieden Vramftebt im 3- 1719. ©eine Vorbereitung jum
©tubium genofe er auf bem Hamburger ^otjanneum unb ttnbmete fid) baram
bet ftecrjtSWiffenfcrjaft. ßängere 3eü tjat er in ber fctjleSwigfcfjen ©tabt £ufum
öerWeilt (St erlangte ben Xitel eines grofeiürftlict) b,olfteimfd)en ©ecretarS, Der-
lebte aber ben «fteft feines SebenS als «priüatgelet)rter in ber ©tabt Hamburg,
wo er am 21. Sluguft 1772 berftorben ift. @t mar faiferlid) gehonter ^oet. —
5ßon ibm exfcrjienen folgenbe Seitfcrjxiften : „$oetifct)e ©ebanten bon politifdjen
unb geteerten gteuigfeiten", Hamburg 1750—54, 6 Vbe. 2. StufL 1762. 4?oene
unb Sßxofa sum Wen unb Vergnügen", Hamburg 1755—56, 2 Vbe. »©eljtxag
äum giacbtifctje ffit muntere unb enthalte ©efettfetjaften". (Sine äßocfjenfcfjxilt,
öamourg 1766-68, 2. Stuft. 1777—79, 2 8b. „Sie 2Jtufe an ber lieber*
etbe". Sine äBodjeufdjrift, Hamburg 1769. ©eine ©ebidjte finb gefammelt
erjctjienen: „Verjuxe in bexfdjiebenen sÄxten ber ©idjtfunft", 1750.
3eit|ct)r. beS Vereins f. £amb. ©ejc^ic^te II, 3, ©. 491 ff. — §amb.
©cuxiftflettexletifon VI, ©. 7. — Stummer. $icb,tetler.ifon s. v.
' (SaxltenS.
föaufluit: fttana ßtjtiftian %, «PolWftor. (geboten im gebtuat 1643
au ©ifenact), auS einet faufmännifetjen Familie ftammenb, extjiett et ferne gelehrte
AuSbitbung aunäcrjft auf bem ©Pmnafium feiner Vaterftabt, weiterem an bem
ßafimixianum ju Coburg. @r t)at fieb, uxfpxünglict) für ben äxatlidjen Verui
beftimmt exwieS fict) aber augleid) batb genug ben bexfdjiebenften Anregungen
unb gimoitfungen augängtief). Vei Seiten gab er feinem SBanbextxiebe nact),
ber ibn Weit in bie äBelt hinausführte. <£r befugte Königsberg, flopentjagen,
Stanefet unb Seiben, unb rjiett fict) an biefen Cxten feinet SluSbitbung wegen
übexatt füraere obet längere Seit auf. Slufeexbem tjat er gngtanb, Norwegen,
©c&Weben unb Siblanb bereift. TO anexfennungSwextfjex Sernbegierbe auS=
geftattet, erwarb er fid) neben bem ©tubium ber »raneifunbe bie betfctjiebenaxtigften
Äenntniffe unb bexftanb er eS, mit erprobter ©ewanbttjeit bie mannigfattigfteu
unb ergiebigen Verbinbungen anaufnüpfen. Vetriebfam wie er war, erlangte
er an ber Unibexfität in Söittenbetg bie «Utagiftertoürbe unb liefe er ficb, buret)
©igiSmunb Don Virfen in ben Vtumenorben an ber $egni^ aufnehmen; fpater
ift er «ötitglieb ber frucf)tbxingenben ©efeEfc^aft unb ber Seopolbma unb batb
aueb ber ftecuperatoren in Storena geworben. Senn auet) Statten Tgat er au|=
gefuebt; ber ©wfcrjeraog öon XoScana liefe itjm eine ^rofeffur ber Siran eif unb e
m 3ßifa anbieten: «p. lehnte fie a»ar ab, machte aber gteict) barau] eine Steife
über bie Sttpen, um bem geteerten ^efuiten 2ttl)anafiuS Äird)er —Reffen VeiTaE
er man ermfjrt nic£)t wie, gewonnen unb ber irjn au jener $roiellur emp]ot)len
280 ^auüini.
tjatte, in 9iom einen 53cfucfj abjuftatten. 2Jon ba fefjrte er nadj SDeutfdjlanb,
unb jtoar nad) Hamburg jurücf, roo er fid) gerne aufjurjatten pflegte, unb tjier
ermatteten it)n neue @f)ten; es mürbe itjm bie SBürbe eines faiferlidjen sJ3falj=
graten ju Xtjeil, traft melier er „tiiete Magistros, Poetas unb Notarios gemactjt
unb £)— =.fiinber tegitimirt f)at". 2)iefe Sßanberungen fütttcn in itjret größeren
3at)t bas btttte $af)tjef)nt feines Gebens aus. Gmblicf) gemann es ben 2lnfct)ein,
als molle ben Unfteten fein <55efd£)icf in ben fixeren .frafen geleiten. 3)er befannte
ftreitbare gürftbifc^of 33ernf)arb tion fünfter, ber jugleidj Slbminiftrator ber
Oteidjsabtei (Sorbet) mar, ernannte itjn um bas 3Earjr 1676 ju feinem Seibarjte
unb pgteidj jum ,£)iftoriograpr)cn bes genannten ©tiftes. $. Ijatte fid) unferes
SBiffens «jmar als (Itefdjicrjtsforfdjer jur 3eit nod) nirfjt tjertiorgettjan, aber an=
gefidjts feiner angebeuteten poltirjiftorifdjen Neigungen unb bem tjerrfdjenben
(Reifte bes 3e^aÜer§ barf uns biefe Xfjatfadje nidjt überrafc^en. SDer $ürft=
bifcfyof ftarb jmar fdjon bas 3>al)r barauf, ty. futjr aber fort, an ber ifjm über=
tragenen -^erfteüung einer ©efctjicrjte tion Gortiet; 311 arbeiten unb tiottenbete fie
in ber -£>anbfd)rift im $. 1681. ^m 3ufammenl)ange mit biefer Arbeit ift es
gefd)ef)en, ba£ fein Warne in ben befannten titterarifdjen $roce| über bie (Sd)t=
fjeit bes fogen. Chronicon Corbeiense in bebenflidjer SBeife tiermirfett morben.
($s barf inbeffen nidjt tierfctjmiegen mcrben, bafj auf biefer unb ber nädjften
3eit feine§ ßebens ein uubeljagtidjes 3)unfet ruf)t, bas mit confeffionetten 3loei3
beutigfeiten tion feiner ©cite tierfettet ift unb big auf feine berührte Sßetbinbung
mit 2ltt)anafius Äirdjet jutüdreidjt. ©ernifj ift, bafj ty., mit bem neuen 5ßrä=
taten tion Sortier» ent^meit, fief) tjier nid^t mefjr galten tonnte, unb nun ju bem
braunfctjmeigifdjen £)ofe in Se^ietjungcn trat, roeterje fid) mit ber eben ticrlaffenen
©tettung nidjt red)t tiertrugen. ?lber aud) in 33rauufd)meig gelang es it)m nidjt,
feften Sfufj ju f äffen, unb fo lenfte er benu im Saufe bes ^afjtes 1685 bie
©djritte in feine Söaterftabt ©tfenaef) ^urücf. 'Jtodj aus feiner Änaben^eit Ijer
erfreute er fidj tjier nutzbarer ^3ejiet)ungen ^u bem tjeqogl. fädjfifdjen £ofe ■ —
einen foldjen gab es bamals in Sifenadj — unb auf ©runb berfelben rourbe
ttjm jefct bas 3lmt eines tjerjoglictjen ©tabtpfmfifus übertragen, bei mctdjem er
bann bis flu feinem 2obe ausgemalten fjat. 3fn biefer 3^'t r)at ^ß. eine bem
Umfange nad) äu^erft frud^tbare titterarifetje X^ätigfeit, unb jmar in metjr als
einer Ütidjtung, entfaltet, ©eine be^üglict)en ©djriftcn getjören tfjeils ber Slr^nei»
funbe unb ben Dlaturmiffenfcf)aften, ttjeits ber |)iftorie an. S)ie erfteren finb
übermiegenb populärer Statur. Sßon ausgebreiteter Selefentjeit jeugenb, befunben
fie fämmtlid) ben ©efdjmact ber 3eit» 0« befannttidj nid)t immer ber feinfte
unb oft fogar rec^t unfauber mar. ©djon bie Xitel mancher feiner Söerfe finb
bejeidjnenb : „33auernpf)t)fif", ,,.g)ei(fame 3)redapotl)ele", „3lnmutt)ige ßangemeile",
f,3eitiürjenbe ßuft", unb mas bergteidjen geifttioüe GinfäHe mer)r finb. 5Die
gefdl)id)tlict)en ©tubien tjat er nie gaiij fallen laffen unb im 3i. 1698 eine 2ln5at)t
meift tion itjrn felbft Ijerrütjrenbe (Stjronifen unb Unterfudjungen u. b. %.:
„Syntagma rerum et antiquitatum Germaniae" tieröffentlid)t , beren Sebeutung
unb SÖertt) freiließ reetjt ämeifeltjafter 9lrt roaren. ^nbeffen, gerabe in Se^ug
auf bie beutfdje ©efd)id)te trug er fictj feit mehreren 3»a^-en mit füt)nen ©e=
banfen: tion feinem anberen als tion it)m ift nämlict) ber $lan ber ©rünbung
eines „fjiftorifdien 9teidl)Scottegs" ausgegangen, beffen Aufgabe bie ^erfteüung einer
beutfetjen ©efcf)id)te im großen ©tile burd) bie tiereinigte Äraft aller baju be=
xufenen beutfcfjen ©eletjrten fein fotlte. $n ber Xfjat mar bas bas rüljmlidjfte
ber metjrfadjen ^rojeete, mit metcr)en 5p. fict) 3U tierfctjiebenen 3e'ten getragen
l)at. @s gelang itjm toirflid), eine Slnjacjl jum Xtjeil tiortrefftietjer 5Jtänner, mie
«t>iob Subolf, 6. 2B. Xen^el u. f. f. für feinen 5ßlan ^u geminnen, foba| im 3.
1687 bie £>anb an bie Vorbereitung bes löblidjen llnternetjmens gelegt merben
«ßautmann — «ßauiffen. 281
tonnte. $. fetbft würbe ber (Se^aftSfü^rex r ©finbifuS unb Ardjibar ber
®efetlfd)aft; ba§ Programm, weld)eä ba§ Unternehmen antünbigte unb präcifirte,
toat üon iljm entworfen. (53 ift tjier ntd)t ber Ort, ba§ ©cfjicifat beg 9teidj§=
cotteg§ bei töeitern unb näfjern ju tierfolgen: e§ genüge an,3mürjren, bajj bie
großen grroartungen, bie e§ urfprüngtid) ermedt ^atte, jule^t getäufdjt würben unb
bajj bie ©timpatfjien, bie ifjm anfangs entgegenfamen, nur altjubalb fanfen unb
erlogen. @3 enbigte mit einem tioüftänbigen gjli^erfotg, tiornerjmlid), weil ber
5ßtan bap tion falfdjen 5torau3fefcungett ausgegangen mar. «ß. Ijat mit feinen
Hoffnungen am tängften ausgemalten. @r fanb fogar ben *Dtut§, 3U einer 3eit,
all e§ mit bem (gelingen bei 9teid)ScolIegS fd)on red)t bebenftid) ftanb, nod)
weitere, neue «ßrojecte ju erfinnen. ©o trug er fidj nod) mit bem ©ebanfen
beS „Setorbeerten SaubenorbenS", ber fidj mit Antiquitäten unb £iftorie be=
fd&aftigen fottte. Unb faft gleichzeitig machte ber Unerfd)öpf(id)e ben Sßorfdjtag
3U einer „Academia Pauperum", einer geteerten Anftalt für bürfttge Jünglinge,
wenigftenS nid)t baS Abgefcrjtnadtefte, WaS fein erftnberifd)er Äopf erfonnen Ijat.
Socrj blieb eS hierbei überall bei bem blofjen SBorfcrjtag, unb als bann fein
SBerfud) mit ber Srünbung beS fnftorifdjen 9teidjScolleg8 feit bem Saljre 1703
als tiottftänbig gefächert betrautet werben mujste, fing aud) er ju tierftummen an.
$m 3. 1711 ift er geftorben.
Sgl. meinen Auffa^ im „bleuen fteid)" (Mrg. 1881) unb bie ©efcfjicfjte
ber beulten §iftoriograpl)ie (9Jtünd)en 1885, ©. 597 ff.).
Söegete.
^aulmonn: Soljann ßubmig $., geboren am 24. ftotiember 1728 ju
UJerwotba im Sraunfd)Weigifd)en , ftubirte ju £>elmftebt, warb im ^. 1759
^rebiger ju Delper bei SBraunfd&weig unb fobann im %. 1767 ^rebtger an ber
SBrübcrfircfec in Sraunfdjweig. @r ftarb Ijier am 28. Secember 1807 als
(Senior unb Gonfiftorialaffeffor. % war mit gtiefer ©ottlieb ßüfter unb Sodann
3oad)im gfdjenburg (f. 21. ©. 8. VI, 346) Herausgeber bei neuen 23raun=
fdjtoeigifäjen ©efangbudjeS öom 3at)re 1779; er lieferte au biefem ©efangbud),
baS fid) unter ben ©efangbüdjern jener Seit nod) burdj ein gemiffeS «Dcafftalten
in ber «Beränberung ber alten Sieber oortl)eil|aft auszeichnet, fünf eigne Steber;
unter biefen befinbet fidj aud) fein Sieb : „äßotjtjutljun unb mitaut§eilen,
Triften, bieS tiergefjt bod) nidjt", ein Sieb, ba§ aud) nod) in neuere ©efang=
büdjer, wie in baS Hamburger öom Safjre 1842, 2lu?naf)me gefunben fjat.
SluBerbem gab er ^wei Sammlungen eigner geifilicrjer Sieber „naeg bem Matt
einiger ßanaetoortiägc" ^erauS (1776 unb 1790). @r ift (naefj Heetwagen)
ber ^aftor ^ . . . an ber 35 . . . • fixd^e in ber ©tabt 33., beffen SSegabung
unb SBerebfamfeit in bem befannten Ütomane öon ^art W^PP 3Koti§ „Anton
üteifer" (1. 2§eil, Serlin 1785, ©. 112 ff.) fo auBerorbentlicg gerühmt werben;
ift bie ©dgitberung aud) übertrieben, fo wirb bod^ mancher 3ug in i^r ge=
fd)id)ttidj fein.
Heerwagen, Siteraturgefd^idjte I, ©. 254 f.; II, ©. 210 f. — ftambad),
Anthologie V, ©. 389 f. — ftotermunb jum 3öd9er Y, ©p. 1718 f. — Äo$,
©efebidite be§ ^ird^enliebeS u. f. f., 3. Aufl., VI, ©. 237.
1. u.
^ttlllffen: Anton Sacob %, $t)itologe unb ©djutmann, 1792-1835.
3n ^ena im ^. 1792 geboren erhielt 5ß. nad) priöater Vorbereitung im elter=
lidjen Haule oen ei'l"ten ©^ulunterridjt auf bem Srjceum ju (äifenberg unb be=
fud)te bann bai ©ttmnafium in Söeimar, wo granä ^ßaffow unb 3ol). ©^ulje
feine Seljrer waren. 1810 bejog er bie Uniöerfität 3ena, um Geologie äu
ftubiren. ftad) bem 2obe ©rieibac^'S unb bem Söeggange Augufti'i gab er
282 ^aulfen.
jebodj baS angefangene ©tubium auf unb mibmete fid) feit 1812 ber claffifd)en
Biologie, befd)äjtigte fid) aber aud) mit pljilofoö()ifdjeu ©tubien unb poetifdjen
Arbeiten. 1814 trat er unter bie freiwilligen reitenben fäd)fifdjen Sfäger, ol)ne
jebod) ttiegen beS balb eingetretenen ^rieben^yd^tufjeä nodj im gelbe berroenbet
3u roerben. sJtod) in bemfetben 3<*l)re erroarb er auf ©runb feiner SDiffertation :
„Observationes criticae in Catullum" ben üDoctortitet unb begann barauf 2Jor=
lefungen über AriftoptjaneS unb Jporaj ju galten, „nidjt oljne 23eifatl, aber oljne
fonber(id)e AuSfidjt für feinen Unterhalt". 3m £erbft 1816 begab er fid) nad)
^eibetberg, nornefjmlid) um bie fur^ öorljer auS 9tom borttjin aurüdgebradjten
Hanbfdjriften nätjer ju unterfudjen. (Sine grud)t biefer arbeiten mar baS einige
^aljre fpäter erfd)ienene „Supplementum var. lect. ex ipso cod. Palatino An-
thologiae collato", beffen 33ebeutung namentlid) burd) g-r. Jacobs rütjmenb an=
erfannt mürbe (f. SBorrebe jum Delectus epigrammatum Graecorum ©. 27, mo
bie „incredibilis fere diligentia", roetdje *J). in biefem „liber praestanüssimus"
bemiefen, t)erüorget)obeu mirb). illadj Sena aurürfgefetjrt begann er 1817 5ßor=
lefungen über Archäologie, sJJit)tr)otogie unb ©tjmbotif, eutfdjlofj fid) aber nod)
in bemfelben Safyxt, auf bie afabemifdje fiaufbalpt ju öer^idjten unb eine ©teUe
al§ ^nfpector an ber 9iittcrafabemie in ßiegnitj anäunetjmeu, bie er aber balb
(Qftern 1819) mit ber eines DberteljrerS am ©l)mnafium in ütatibor bertaufdjte.
bereits im Anfange beS ^atjreS 1824 mürbe er üom "lUiuifterium jum ÖJtjmnafial»
birectov ernannt unb mit ber fieitung beS f. (SJtjmnafiumS in offen betraut, über=
natjm audj baS neue Amt mit lebhaftem unb frafttioflem (Sifer, mürbe aber
balb Don immer l)äufiger mieberfetjreuben fterbenjufällen t)eimgefud)t, meldte
bereite 1828 ju einer emften ©efal;r für fein geifttgeS Vermögen mürben. Dftern
1829 mürbe er in bie ^robinaiat^rrenanftalt in ©iegburg überführt unb 1831
in ben Mjeftanb üerfetjt; er ftarb in ©iegburg am 26. Januar 1835. 2)ie
grofjen Hoffnungen, meld)e feine ,3iugenbfd)riften, benen feine roeiteren gefolgt
finb, erroeeft tjatten, blieben unerfüllt.
s^aulffeug Selbftbtograptjie in ben „Miscellanea biographice paedagogica"
im offener ©tjmnafialprogr. 1825, ©. 3 — 10. — Subbeberg, ©ebäd)tnifjrebe
auf ben 5Director A. $. ^aulffen, im offener ©ümnajialprogr. 1835, ©. 3 — 12.
9i. <£>odje.
^aulfcit: Stjarlotte $. , geb. Iljornton (JPt)itautl)ropin). Geboren in
Hamburg am 4. sJlot>ember 1798, eine Sodjter be3 angefeljenen Kaufmanns
Sot)n SLljornton, meldjer, mie feine nädjften Sßorfafjren, ber in Hamburg pnöi=
legirten @nglifd)en Kolonie (teourt) angehörte, ©ie galt in jungen 3at)ren in
ben Greifen ber $amb. ©efeltfdjaft als eine Ijödjft liebenSmürbige (Srfdjeinung,
gleid) ausgezeichnet burd) Anmuttj unb (Sleganj mie burd) lebhaften muntern
©eift unb grofje Herzensgute, als eine SBettbame im beften ©inne bei SBortS,
nerrjeirattjet feit 1814 mit bem «ölafler A. ®t). ^aulfen, meldjer 1855 berftarb.
S)a| eine bon iljr im $. 1851 unternommene 9fteife nad) ben bereinigten
©taaten öon >Jiorb=Amerifa, roofelbft fie einen neunmonatlidjen Aufenthalt natjm,
jufammenfjing mit it)ren foeben begonnenen menfdjeufreunblidjen 23eftrebungen,
crfdjeint toaljrfdjeinlid). ü£)er tebtjafte 2l)ätigfeit§trieb itjreS 6t)arafter§ lenfte bie
©runbgütigfeit itjre§ gefül)lbotten HeT5en§ aui oen $tan ber ©tiftung eines
grauenöereinS bu* Unterftüfeung ber fetten auSreidjenben männlichen Armenpflege.
SDieS bereits feit längerer 3e^ *n Ham^ui'9 oul*d) Amalie ©ieüeling'S meiblidjen
Sßerein für Armen= unb $ranfenpflege mit großem ©egen angebaute ©ebiet bot
atterbingS nod) genugfam Serrain aud) für bie Sffitrffamfeit eines ^meiten SBereinS.
6t)arlotte % entfdjlofj fid) öieEeidjt um fo lieber äur ©rünbung eines fotd)en,
als itjre ber liberalen Ülidjtung ungehörige retigibfe lleberjeugung mit bem auf
öofitib djriftlid)em Soben ftel)cnben ©ietoeftng'fdjen herein nid)t Ijarmonirte. S)er
^auljjen. 283
bon it)r im $• 1849 ju ©tanbe gebraute SDamenberein tjat feitbem mit anerfennung§=
roerttjem Eifer unb gteifj feine Rumänen gute berfotgt unb namentlid) bind)
bie bon it)m gefctjaffenen ^nftitute einer Äinberberoatjranftalt unb einer Mäbdjen=
fdjule l)öd)ft fegen§reid) gemirtt. grau St). $. ftarb am 15. 9lobember 1862
unb tourbe, itjrem Verlangen gemäfj, in einfadjfier Söeife auf bem 35egräbnif3=
btatje ber bamal§ conceffionirten greien ©emeinbe (einer Slbttjeilung be§
©t. ©ertrubenfriebt)ofe§) unter Stjeiluatjme (}atjtreict)er greunbe unb 23eret)rer
beftattet.
Sine treue Helferin unb £t)eilnet)merin atter itjrer menfdjenfreunbtidjen
33efirebungen befafs grau St). *ß. in itjrer ©efinnungegenoffin grau Smilie
SÖüftenfetb geb. SapeUe, au§ .gmnnober, geb. bafelbft am 17. Stuguft 1817, ber=
tjeiratfjet 1841 mit bem §amb. Kaufmann 3uliu§ Sßüftenfelb. SDem ^aulfcn'fdjen
grauenberein beigetreten, tourbe fie balb eine ber ttjättgften Mitarbeiterinnen,
unb nact) ber ©tifterin £obe, *ßräfib entin. Stjrem pietätvollen Eifer berbanlt
baä bem 9lnbenfen an bie bereinigte greunbin getoibmete „*Paulfen=©tift" fein
Sntftetjen; ba§ im 3. 1866 eingeteilte ©ebäube beherbergt fotoot bie $inber=
betoatjranftalt al§ bie Mäbd)enfct)ule, toeld)e jetjt 370 — 380 Zöglinge jäcjlt.
2lber bie Stjätigfeit ber grau SB. befdjränfte fict) ntd)t auf biefe ®inge. Eifrig
bebadjt, bem toeibtid)en ©efct)led)t geeignete Mittel ju fetbfiänbiger Srtoerb§tt)ätig=
feit 3U berfctjaffen, bractjte fie im $. 1867 einen „herein jur görberung toeiblidjer
Srtoerbättjätigfeit" 3U ©tanbe, als beffen berbienftbotte§ Söer! bie Srrictjtung unb
ßeitung einer befonberen weiblichen ®etoerbefd)ute in ©t. (Seorg ju betrachten
ift. — grau Smitie 20. ftarb am 2. October 1874. 2tud) itjre Seftattung
auf bem ©t. 3acobi=23egräbnif5blaij erfolgte unter 33ett)eiligung eine§ äatjlreidjen
©efolgei bon greunben unb SSeretjrern. $u intern bteibenben 3lnbenfen tourbe
bon benfetben eine nad) itjr benannte ©mitte 2Öüftenfelb=©tiftung <ju ©tanbe
gebracht, beren ^toed bie Srtjaltung ber bon itjr geleiteten Snftitute ift, be£
grauenbereing jur Unterftütmng ber Armenpflege unb beffen im ^autfenftifte be=
finblictjen ©ctjöpfungen, fotoie be§ Vereins jur görberung toeibtictjer ©etoerbe*
tfjätigfeit.
©. &amb. ©d)riftfteller=2ej. VI, 10 unb VIII, 183. — Söeigelt, jur
Erinnerung an grau Smitie äöüftenfelb, Hamburg 1875.
33 e n e ! e.
^aulfjett: Stjrifiian <£) ein riet) ?$., ber fid) meift nur Stjriftian ty., p=
toeiten aud) 5ßauelf;en fdjrieb, flammte toatjrfdjeinlictj au§ ^otftein, mürbe j?ammer=
ratt) be§ ^erjogS Äarl ßeopolb bon Medienburg unb ftarb jju ©rebeSmütjten
am 29. Januar 1753. 1717 mar er, frütjer Officier im faiferlictjen S)inft,
nad) Medienburg gefommen um ^fanbgüter ju erroerben, trat 1718 in t)eraog=
lidjen S)ienft unb mürbe al% Cberabminiftrator ber fequeftrirten ritterfctjaftlidjen
(b. SBaffetoi^fdjen unb b. 33ütotD'fd)en) ©üter, meldje ber ^er^og ben nad) 9la^e=
bürg geflüchteten Mitgliebern be§ ritterfdjaftlidjen „Engeren 2lu§fd)uffe§" tjatte
abnehmen laffen, eingefe^t; er nannte fiel) al§ fold)er aud; ßanbe§^auptmann.
©einem ^er^og treu berfiet er baburd) ber ©etjäffigfeit unb ber üradje ber gamilie
b. SSaffetoit}, al§ bie tjannoberfdjen (EjecutionStrubben 1719 in§ Sanb rüdten.
35om tjannoberfetjen Dberften £uciu§ gefangen mürbe er 11 Söoctjen im fdjmebifdjen
2ßi§mar gefeffelt get)alten, bann nad) Ofoftod gefctjlebbt unb nad) übler 33e=
tjanblung ber t)annoberfd)en Sommiffion überliefert. SDie S9ö§artigfeit be§ un=
ertjörten S3erfal)ren§ lag barin, ba^ bie Runter, boran ber Dberftlieutenant
3oad)im b. SBaffemi^, ben tjeräoglidjen Slbminiftratoren au§ beren ^ßribatmitteln
ben bom «Iperäog erbutbeten ©djaben mit Sinfen au^preffen mottten, mop bie
„abelige ßommiffton" ot)ne meitereg bie ^anb bot. 2lm 5. Märj 1720 befatjt
ber 9teictj§t;ofrattj, $. auf freien gufj ju fe^en, ber S5efe£)t mürbe unterfdjlagen.
284 ^cutlfen.
Güinem erneuerten Vefeljl, tiom 31. Dctober 1720, gab bie @ommiffion auf
ti. Vafferoitj' betrieb ebenfalls feine $otge. 2)ie anbern Abminiftratoren mürben
aud) nieberträd)tig betjanbett. groei "n0 «« fyalbeä ^atjr tjatte ^aulßen'ä ©e=
fangenfdjaft gebauert, ba gelangte beä 9teid)8r)ofratf)3 ©prud) enblid) zur Au3=
fürjruug. äBätjrenb .Karl ßeopolb tion 1721 — 1730 in Sandig mar, tiermanbte
er ty. tion 1724—1726 in Söien al§ politifdjen Agenten, mobei er fid) fetjr
geroanbt unb ber bamaligen Veftcdjungäfünfte funbig jeigte. Crr mußte bie
©adje foroeit fertig ju bringen, baß roenn ber Herzog gerooEt rjättc, er feine
Abfid)ten in Söien motjl tjätte burdjfetjcn fönnen, roäfjrenb fein officieller S3e=
auftragter, ber (Sanjleiratt) Dr. dtjrifttan 3)atiib ©djröber, feine Atmung tion
Allem gefjabt zu l)aben fdjeint. S)er .£>erjog fottte fiel; perft bem ^aifer unter=
roerfen, fatf)olifd) werben unb baö Ätofter ©oberan bem Venebictiner-Drben über«
geben. sJlad) mehreren Reifen in ©etbfadjen für ben <£>erzog ernannte biffer $.
1730 zum Äaninterrattj. Auf feine Veranlaffung fetjrte $arl Seopotb bann nadi
©d)merin zurürf unb 1733 ftellte er itjn mit an bie ©pi^c be§ Aufgebots ^ur
SanbeSoerttjeibigung gegen feineu Vruber, ben „faiferlidjen tfommiffariuS" Herzog
(£l)riftian Submig II. $. folgte 1735 bem flüdjtenben Äart Seopolb nad) SöiSmar,
blieb bei itnn bi§ 17:'.8 unb 30g bann nad) ©retieSmürjlen. ©eine ^orberungen
l)at toeber .Uarl ßeopolb nod) @t)riftian Cubmig itjm bezahlt ©ein ©ol)n erfter
(Jtje, fpäter baniferjer (Generalmajor, mar 1765 als „$arl Öeopolb ti. fieunbad)",
geborner *Pautßen, geabelt, mätjrenb er als 9Jtajor im jütifdjen SDragonerregiment
Zu Seite ftanb.
ßifd), Sfalrrb. 16, ©. 135—151. Ätaufe.
'^nulfcil: ^oljann ßrjriftian ^., gorftmann, geb. am 15. Wotiember
1748 5u VLtiax (am ©oHing) , f am 10. Januar 1825 auf feinem ©ute
Waffengrunb bei Vlomberg. ©ein SebcnSlauf bietet feine tjertiorragenben sRo=
mente bar. Aud) befcfjränfte fid) fein SßirfungSfreiS auf ein rjerljältnifeinä^ig
fleineS ©ebiet. @r leiftete aber auf biefem nidjt nur als 2öirtf)fd)after ipcrt»ot=
ragenbeS, fonbern gab aud) in jorftmatf)ematifd)er Vezterjung irnffenfd)afttid)e
Anregungen, beren weitere Verfolgung fpäter Männer erften langes be=
fdjäftigte.
©ein Vater mar tjannooer'fcrjer VerroaltungSbeamter unb fdjeint namenttid)
eine gute matt)cmatifd)e Auebilbung befeffen ju Ijaben. ftad) feiner Verfefcung
als Amtmann nad) £ad)em (bei ^ameln) fam er aud) mit bem ftorftroefen in
nätjere Verütjrung unb nal)m biefe Gelegenheit matjr, fid) bezügliche $ennt=
niffe anzueignen. S)er ©otjn ^oljann Gljriftian fdjeint nur eine mittelmäßige
©djulbitbung genoffen ^u Ijaben; in ber i>auptfad)e mürbe er fomotjt in ben
allgemeinen äöiffenfdjaften , ^umal ber 5Jlatt)ematif , al§ im ©cbiete ber (Vorft=
mirtt)fd)aft8lel)ie öon feinem Vater unterriebtet. @ine förmlid)e forftlidje ßet)r=
,^eit bei einem praftifdjen gorftmann fd)eint er jmar nidjt burdjgemadjt ju Ijaben,
jebod) fud)te er fid) burd) jeitmeifen Aufenthalt bei erfafjrenen ^orftoermalteru
bie nötl)igen praftifdjen Äenntniffe unb gertigfeiten im ^oi'ftmefen ju üerfdjaffen.
©ein äußerer Sebenögang naljm folgenben Verlauf: S)urd) 9lefcript ber 6c)ur=
fürftl. t)annorier;fd)en 2>omänenfammer bom 28. 5Hai 1771 erijielt er — bem
Anfudjen feines Vater§ gemäß — feine erfte Aufteilung als Abjunct be§ reiten=
ben ^ötfterS 9iüf)mann zu ^emeringen (im Amte Cadjem), jebod) nortäufig nod)
ofjne ©ctjalt. 9ladj bem furje Qext barauf erfolgten Ableben feines Vorgefe^ten
mürbe er burd) patent öom 12. September 1771 zum mirflidjen reitenben
görfter bafelbft ernannt. 3U Anfang be§ ^aljre§ 1789 tierließ er ben f)an=
notier'fdjen gorftbienft, um laut ^oinü tiom 1. ^IJiai b. $. al§ Oberförftcr
in ben fürftlid) lippe'fdjen ©taat§forftbienft mit bem 2Bol)nfi|e in ©djieber über=
Zutreten, ©leidjzeitig fjiermit mürbe itjm bie ^nfpection unb ßontrole über bie
SPaulfen. 285
§orn'fd)en, Äoptäbter, (Scfelauer, Sertebeder, £ibbefer unb 23arenr)oljer gorfte
im $ürftentf)um übertragen. Site öon bem Äammerraty ©. fjf. gürtet ent=
roorfene, aber menigftenS tfjeilmeife (I. SIbfdjnitt) tooty feiner gebet entfiammenbe
^orftorbnung bom 28. $ebruar 1791 befiimmte in einet angehängten Snftruc-
tion, bafj et bie t)ettfd)aftli(i)en ftorftrebiere be§ ganjen gürftentraimS, altemirenb
mit bem gorftmeifter ^ärjüg, attjärjrlid) bereifen unb infpiciten foüe. 1794
rourbe er mit ber Sßermaltung be§ bamatS nod) im gemeinfd)afttid)en 23efi|e
öon Sippe (4/s) unb ^aberborn, fpäter ^teufeen (Vs) befinblicfjen ©djmalen=
berger 9tetoier8 mit bem SlmtSfi^e in SBtefterfelb betraut. 9Iud) in biefer ©tel=
tung befjktt er bie ütebifion ber gefammten fjertfdmftiidjen föetoiere in bet feit=
tjetigen Sßeife bei. ©eine auf Hebung be§ tippe'fd)en ftotftmefenS gerichteten
SSefttebungen fanben jtoar in ben ätoei üerbienten «üidnnern: Äammer*
ratl) ^ü^ret unb ^agbiunfer (fpätet Sanbfammetratrj) 51. ö. 2>onop mef entließe
Unterftfifcung, allein eine 3lnaaf)l bet feinet ^nfpection unterteilten gtebierförfter,
meldje mit ben burd) einen nidjt äunftmäfjig fjerangebübeten SJorgefefcten ein-
geführten 23etrieb§borfd)riften unpfrieben maren, mufcte eS, unter ^ärjtig'e
ftütjrung, bod) burd)pfe£en, bafj if)m bie betreffenbe ftebifion 1797 otme Weiteres
abgenommen unb et fogat bienfttid) in eine Unterfudmng berroidelt mürbe.
Dbfdjon biefe nid)t ungünftig für itm berüef, mürbe er bod) burd) biefe unb
anbere irjm buret) bie ^ntriguen feiner ©egner bereitete, unberbiente Äränfungen
oerbittert; ba fid£> überbiefj nod) rf)eumatifd)e unb fonftige {örpertidje Seiben
rjinjugefeEten , fudjte et 1812 um feine ^enfionirung nad). (5t etrnelt biefe
aber ctft auf mieberr)otteä SInbrängen am 1. October 1815, morauf er fid) auf
ba§ burd] feine Serfjeiratljung mit «matte Kapaun (1791) ermorbene ©ut
^laffengrunb (bei Stombetg) ptüdaog, um ijiet tfjeilS ber Sßetroaltung beffelben,
trjeil§ ber äötffenfdjaft $u leben.
©eine erftere größere Seifiung auf forftpraftifd)em (Sebiete mar bie in ben
beiben 3ab>n 1787 unb 1788 beroirfte Sajation ber ©djieber'fdjen unb S3tom=
berger f^oxfte befjufS Leitung berfetben aroifdjen bet tanbeSfjerrtidjen Sinie
(Stppe=Setmoib) unb ber etbrjerrtidjen (©d)aumburg=Sippe) be§ fürfttidjen £aufe§
Sippe. 6r führte biefe Ration nad) feinem bor beginn ber Arbeit ber Kammer
ju Setmotb im 9Jtanufcripte borgelegten „(Sntmurf pr mirtb,fd)aftiid)en @in=
trjeilung beS ^oijborrattjS fomofjl in ®id)en= als aud) in 25ud)enforften, fo
überhaupt at§ 23aum= unb nid)t als ©d)tagb>ia betrieben merben" auä. $n
biefem ßntmurfe finben fid) bereits bie ©runbaüge bet „rationellen" £aration§=
metljobe niebetgelegt, tneld)e et 1795 (f. fpätet) in einet S)tudfd)tift meiter
entmicfelte unb meldje Dr. ^ot). Si)tift. ^unbe^agen (f. 51. ©. 33. XIII, 401)
nod) fpäter (1826) — aber felbftänbig, ba itjm ^aulfen'S Sltbeit nid)t befannt
geroefen ^u fein fdjeint — p einem fötmüctjen 2Batbetttag§tegeIung§öetfarjten
au§gebitbet Ijat. Sie bei biefem ©efdjäftc öon irjm betoiefene «efäb^igung, ©e=
fd)idtid)!eit unb Setriebfamfeit maten bie näd)fte »eranlaffung ju feinem Ueber=
tritt in fütftlid) Iippe1d)e S)ien[te. ©ein ^auptoerbienft lag aber in ber unter
t)öd)ft fd)mietigen S3etl)ältniffen bemitften Uebetfürjtung be§ in ben lippe'fdjen
^otften bi§ 1791 ftattgefjabten tegeüofen $Iäntetbetriebe§ in ben getegelten
^odjmalbbettieb obet — mie e§ in ben Steten tjeifct — „tegutären betrieb".
Sie ©runblagen ber neuen Söirttjfdjaft finb in ben bereits genannten üon bem
Sanbe§curator ©rafen Submig £einrtd) 21botpt) aur Sippe erlaffenen gorftorbnung
5U fudjen. 5lu|erbem fütjrte er — neben feinet butd) betgigeS Terrain, foroie
öertoidette ^otäabgabe= unb ©eröitutüer^ättniffe fe^r erfdjmerten 3fteüieröern)aUung
— nod) merjrfacrje Söalbttjeitungen, gorfteinridjtungen unb fonftige größere
tajatorifdje arbeiten in öoraügiidjer Söeife burd).
286 ^ciulfen.
Seine miffenfdjaftlid)e £üd)tigfeit bocumcntivte 5p. — abgefeljen bon bem
bereits genannten „Entmurfe" ic. — burd) folgenbc 3tt>ei arbeiten : 1) „Äurje
praftifdje Anmeifung pm gforfttoefen , ober ©runbfätje über bie borttjeiltiaftefte
Einrichtung ber gorftl)au§t)altung unb über AuSmtttelung beS 2öertljc3 bom
$oijtgrunbe; befonberS auf bie ©raffdjaft Sippe angemenbet." 3)iefe ©d)rift
mürbe 1795 mit bem Bermerfe „berfaffet bon einem ^orftmanne unb bcoor=
mortet bom Oberförfter .ftunke ju Er^en" bon bem bereits genannten $ammer=
ratb, ®. g. ^üfjrer l)erau§gegcben. Eine jmeite Ausgabe erfd)ien 1797. ES
finbet fid) Ijterin bie erfte nähere Ttadjmcifung über bie (Bröfje ber £)ol<$borrätt)e
unb beS ^RutjungSfactorS normal beftodter 2öalbfläd)en, begrünbet auf Unter*
fudjungen über ben 2Bad)Stl)umSgang ber Beftänbe. 2>ie Ergebniffe biefer
Unterfudmngen finb erft 1847 — alfo über 3tuei ^a^tjute nadj ^autfen'S
£obe — burd) ütbeobor faltig in bem unten genannten SBerfe in ber gorm
bon ErtragStajetn beröffentlicbt morben. S)ie[e(ben erftrerfeu fid) über ben 6r=
trag ber sJioU)bud)en=, Eid)en=, Siebten* unb JHefernljocbmalbbeftäube , fomie
ber 33ud)enntebcrmätber auf gutem , mittelmäßigem unb fd)led)tem SBoben. —
2) „lieber bie riebtigfte Art ber Beredjnung beS 3uroad)feS an ganzen Apolj=
beftänben in ben äüatbungen." AIS 9Jtanufcript 1800 bevöff entließt, gelangte
biefe Arbeit erft burd) bie gortfetmng ber £mnbeSrjagen'ftf)en Beiträge ^ur ge=
fammten gorftmiffenfdmft bon Dr. $. 2. .Wlaupredjt (1845) jut tfenntuifj in
meiteren Greifen, ^ptet lefirt *ß. u. 91. üuerft bie Ermittelung ber S3aum=
formjablen unb bringt bie ßaubhöl^er be^üglid) iljrer ÄronenauSbebnung in brei
Baumclaffcn, meld)cn etma bie (gform») Eoefficienten 0,75, 0,66 unb 0,50 ent=
fprcdjen. 2)aS 5ßrincip ber Unterfdjeibung bon SßudjSflaffen (ber Säume) unb
©ruppirung ber gorm<jal)len Ijiernad) , um erftere als AubattSpunfte jjutn Etn=
fdjätjen ber ^ormjafyten om ftebenben ^)oljc ju benutzen, ift bon ben meiften
fpäteren Bearbeitern ber <5orm3af)len (Eotta, .fiönig, ^Jrefeter, Säur 2c.) bei=
behalten morben. 5ß. gehört nad) bieten Einbeulungen mit ju ben begabteften,
iljrer $eit meit borausgeeitten ftorftmännern. ©eine in mirtljfcbaftlicber unb
miffenfcfoaftlidjer Se^ieljung gleid) crfpriefjlidjc £t)ätigfeit mar fdjon ju einer
3eit mit nod) jiemlid) mangelhaften taratorifdjen Füllmitteln ber Erjorfdjung
ber ErtragSberbältniffe unferer Söälber gemibmet, meld)e rjeutjutage in bem
Arbeitsprogramme ber beutfdjen forfttidjen 33erfud)Sanftalten eine fyrage erften
ütangcS bilbet.
Dr. üllj. £>artig , SSergteidjenbe Unterfud)ungen über ben Ertrag ber
9tott)bud)c im £)od)= unb ^pflanjmalbe, im Glittet- unb 9ciebermalbbetricbe
nebft Anleitung ju bergleidjenben ErtragSforfdjungen, 1847. 2)ie EinleitungS*
morte finb ben 9)tanen 5ßautfen'S gemibmet, enthalten aber einige unridjtigc
S)aten in 33e^ug auf ben äußeren SebenSgang. — 3eitfd)rift für $orft= unb
^agbmefen, VII. Sanb, 1875, ©. 388 (3. 6. ^autfen. Ein for)tlid)eg
ßebenSbilb bom Oberförfter s3Jlaerten8 3U ©d)ieber). — gr. bon Söffel^ol^
Eolberg, 5orftlid)e Ef)reftomatt)ie , IV. ©. 243, 9lr. -2882. -- S5ernt)arbt,
(Sefd)td)tc be§ SBalbeigent^umS iz. IL ©. 295 unb 352 08iograpl)ie) ; III.
©. 261 unb 273. ft. ^eß.
$QUlfen: ?PauI SDetleb Et)riftian «p., fd)te§mig=b;olfteinifd)cr ^urift,
geb. am 10. ^emuar 1798 3u Flensburg, mo fein S3ater Kaufmann mar, f
bafelbft in ber *ftad)t bom 27. auf ben 28. SDecember 1854. Er ftubirte feit
1816 bie ftedjte in ©öttingen, Berlin, ^eibelberg, Äiel, beftanb 1821 auf
(Sottorf ba§ juriftifdje 2lmt§eramen, erlangte 1824 ju Äopentjagen ben SDoctor=
grab unb marb 1825 aufjerorbentlicrjer 5profeffor be§ S)änifd)en 9ted)t§ an ber
Uniberfität Äiel. 1828 unternahm er eine 9ieife burd) 3)eutfd)Ianb unb Italien.
1842 aum oxbentlid)en ^rofeffor ber 9ted)te in $iel ernannt, ging er 1848
5ßaulu§. 287
nadj $openf)agen at§ „prooiforifcrjer" 2Jtitarbeiter bet f<£)te§toig=c)otftein=lauenbur=
giften kantet, würbe bort in bemfetben ^atjre 6tat§ratf), 1850 erfte§ 9Jtitgtteb
ber Dberjuftiäcommiffion, be§ fpäteren StppellationSgcricrjtä für baä £)er3ogtf)um
©crjteämig, 1851 9)litgtieb ber 9totabelnberfammlung in Flensburg, ©ein £)auptmer{
ift ba§ „Seljrbudj beS $rttoat=9tedjt§ in ben ■gjer.mgttjüment ©ctjlesmig unb §ol[tein"
(SHtona 1834; 2. Slufl., mit bem lauenburgifctjen ftedjte bermetjrt, ßiet 1842).
9lacfj feinem £obc erfdjienen feine „Heineren ©djriften" gefammett, nebft einer
biogtapf)ifd)en Einleitung oon #. 9t. (Haufen (3?openf)agen 1857—1859, 3 93be.).
©djriftftetter = Sertfa öon Sübfer unb ©djröber, ©. 421. — 6r§tero 2,
539, mit ©upplement 2, 629. — Sltbetti, 2, 163.
©tef f enrjagen.
$aitlu$: £> ein rief) Sbertjarb © ottlob $., ber „3tationalift", ift ge=
boren am 1. September 1761 ju Seonberg im .£er3ogtb,um SBürtemberg, t am
10. Sluguft 1851 3u <g>eibelberg , als 5]}rofeffor ber Geologie unb ©erjeimer
Äirdjenrattj.
©ein ®eburt§t)au§ mar baffclbe Seonberger „^elfertjauS", in meinem
14 3ab> fpäter ber $f)itofopf) ©cfjetting baä 8i$t ber äöelt erbtief te ; fein
Sater ber bamalige Reifer ober 5Diafonu§ ©ottlob 6^riftopt) 5p. (geb. am
9. Februar 1727 ju 9ttarfgröningen, t am 20. 9ttai 1790 ebenbaf.), feine
Butter Filarie ßbtiftine geb. Äöftlin. ^ener, ein ©djüler be§ Tübinger 2Bot=
fianerS 3. ©. Sanj unb be§ Geologen 6f)r. «Ulatti «pfaff, fjatb ©feptifer,
tmtb ^ietift, ein begabter unb fenntnißreidjier, aber fdjroffer unb eigenfinniger
9Kann, mar burcr) ben frühen £ob feinet grau in einen 3uftano nerööfer 2luf=
regung Perfekt unb auletjt, tfjeilS meit er mit ©eifteretfefjeinungen unb mbftifcb>m
(SonPentttetmcfen ficrj abgegeben, tljeilS meit er burcrj ein politifefjeä ^ampfjlet (©er
mürttembergifdje ©olon 1765) einflußreiche 5perfönticfjfeiten fidj ju geinben ge=
madjt tjatte, bom Stuttgarter Sonfiftorium „ob absurdas phantasmagoricas
Tisiones" 1771 feine§ 9tmte§ entfetjt morben. 9tacfjbem ber junge *jß. bon
feinem Sßater, 3u beffen ^fjantafiereien er freilief) balb fritifdj fidj Derzeit, ben
erften Unteriicfjt erhalten, burdjtief er nact) rürjmlidj beftanbenen Sanbejamen
bie mürtembergifcfjen Älofierfcrjulen Slaubeuren unb Lebensläufen (1775 — 79)
unb toibmete fidj bann 1779—84 im Tübinger ©tut bem ©tubium ber *}}&>
tofopfjie, ©ef(i)icf)te unb Geologie. 5Der sptjilofopf) ©. *pioucquet, ber £>iftorifer
Sfjr. ftr. Röster, ber Drientalift Grjr. gr. ©djnurrer, ber 2b>otoge @ljr. ©. ©torr
übten auf trjn nadj feinem eigenen 93efenntniß ben größten @influß. daneben
aber maren e§ ttjettä mattjematifdje ©tubien, tfjeilä bie SBefanntfdjaft mit ben
©Triften bon ©emier, % 2). sDl:ict)aeli§ u. 91., buret» meldje fdjon bamalS
mätjrenb feiner Tübinger ©tubien^eit bie rationaliftifdjen 2lnfcr)auungen in itjm
begrünbet mürben, benen er bann lebenslang mit unöerrücfter ßonfequenj treu
geblieben ift. ©djon bamat§ fanb er beim ©tubium ber paulinifdjen SBriefe,
baß ber Slpoftet unter ber ctjrifttidjen ©taubenggeredjtigfeit nict)t§ anbere§ ber=
fterje at§ ,,©ott gefällige 3tecf)tfcbaffent)eit au§ Ueberjeugung§treue". „S)enfen
unb SBotlen be§ 9teci)ten" erfcljien itjm feijon iefet als ^ern unb ©tern beS
6ljriftentb;um§, matb^ematifc^e ^räcifirung ber Setjrfä^e at§ Aufgabe aller, auet)
ber trjeotogifäjen Sßiffenfctjaft ; benn „ma§ nierjt mit matb^ematifcl)er ©emißt)eit
fiefj bemeifen läßt, ift auetj religiös unb fittlid} unmatjr".
9lacf)bem er 1781 burdj eine ©iffertation über bie Söeiffagungen be§ ^efaia§
5)tagifter gemorben mar, 1784 fein tfjeotogifcljeS (Sjamen mit glänjenbem 6r=
folg beftanben blatte, mürbe ib^m bie ©teile cine§ ©ecretär§ bei ber Stjriften»
ttjumSgefeEfcb^aft in 33afel angetragen. @r lehnte fie ah, meil er ftdj felbft nitfjt
meb^r für gläubig genug tjielt, um ben bort an i£)n gefteltten Slnforberungen
genügen ju tonnen, übernaejm bielmetjr äunäcfjft bie ©teile eine§ ^»auSlerjrers
288 SPttttlttS.
bei feinem bäterüdjen Otjeim, ßberamtmann s4>autu3 in ©djomborf, 1786 aber
ba£ SSicariat an ber botttgen tateinifd)en ©tabtfdjule unb befd^äf tigte fid£) baneben
mit ejegetifdjen unb bogmenfjiftorifdjen ^ribatftubien. Qüinen entfdjeibenben
äöenbepunEt in feinem Seben bilbete eine toiffenfdjaftUdCje Oteife, bie er 1787—88
mit £)ülfe eine§ öon bem ^reirjerm öon tyalm in JHrdjrjeim unb eineg Don ber
rjer<wglid)en Regierung ö ermutigten üteifeftipenbiumä unternahm: fie führte üjn
juetft nad) 9torbbeutfd)Ianb , wo er inSbcfonbere in (Söttingen hei leinen fd)Wä»
bifdjen fianbäleuten ^slancf, ©pittler unb Dieufe freunbtidje 2Iufnatjme unb
ftörberung ianb, bann nad) ^pollanb, (Sngtanb, ftranfreidj, wo er ttjeilä mit
ttjeologifdjen unb päbagogifdjen ©tubien, trjeitS mit orientalifdjen -gmnbfdjriften,
überhaupt aber mit allem SBiffenSWerttjen fid) befdjäftigte. Sntereffante SDlit»
ttjeitungen au§ jeinem fyanbfdjriftlict) nod) üortjanbenen yteifejournat f. hei
3ieid)lin=2Mbegg 33b. I, ©. 81 — 150.
Söäljrenb s}>. nod) in (Jnglanb weilte, backte s4>tand in ©öttingen
baran, itjn für bie bortige llniüerfitätsprebigerftetle unb ein tt)eologifd)eä ßetjr=
amt üorjufdjlagen unb liefj ju biefem $roed einige s4$rebigten üon itjm über
Qmüjeit unb ©eiftigfeit ©otteg brucfen (Semgo 1788). $aum war er aber in
feine fd)Wäbifd)e ^eimatt) jurüdCgeterjrt unb eben im begriff, in ba§ Xübinger
sJtepetenten=ßoüfgium einzutreten : ha erhielt er im Slpril 1789 einen 9tuf nad)
2(ena alä Sßrofeffov ber orientalifdjen ©prägen, für ben foeben nad) ©öttingen
abgegangenen i^orjann ©ottfrieb ßidjrjorn. 9lad)bem er juüor nod), freiließ
gegen ben Söitten fcine§ 23ater§, mit feiner (Eoufine Caroline ^auluä, £od)ter
be§ Oberamtmannä ©ottlieb f5rriebric^ s^aulu§ in ©djornborf, am 2. ^uni 1789
fid) fjatte trauen taffen, traf er am 12. Sunt in %ena ein, um fofort feine
SBortefungen über rjebräifdje ©pradje unb ben ^rebiger ©alomonig 3U beginnen,
ftadjbem er aunädjft 1789—93 als 9Jiitglieb ber pf)ilofopr)ifd)en ftacultät üor=
jugsmeife mit orientalifdjen unb altteftamentifdjen ©tubien, 33orlefungen unb
littcratifdjen s}>ubticationen (3. 23. einer arabifdjen ©rammatit, einer Clavis in
Psalmos, mit Verausgabe eine§ neuen 9iepertortum§ für biblifdje unb morgen^
lanbifdje ßitteratur 1790 ff., einer neuen geitfcfjrift für ^tn'lofoptjie unb ©e=
fdjidjte ber Religion unter bem Sitet „sJJtemorabilien" 1791 ff.) fiel) befdjäftigt,
aber aud) in anregenbem 93erfet)r mit Dteintjotb, 6. ©crjmibt unb anberen
jungen Männern in ba3 ©tubium ber Äant'fcrjen s^t)itofopf)te fid) üertieft f)atte:
würbe er 1793 nad) 2)öberlein3 loh jum orbentlidjen ^rofeffor in ber tf)eolo=
gifdjen gacultät ernannt unb tjatte nun üorjugsmeife über @i-egcfc be§ neuen
£eftamente3, aber aud) über 5Dogmatif unb (Jtrjit au lefen, wätjrenb er augteid),
Wie er felbft einmal fdjreibt, „in alle ©ebiete ber ^eiligen Ideologie tjinein 311
raüagiren fudjt". 9Jtit ben batnatigen ^lotabititäten SöeimarS unb 3ena§, in§=
befonbere mit feinen ßanbäteuten ©djiüer, 2Bietanb, Dtietcjammer, aber aud) mit
©oetlje, Berber, gteinljolb, §id)te :c. ftetjt er in ireunbfcrjafttidjer SSerbinbung,
entwidett aber neben au biefem üielfeitigen ^reunbe§öerfecjr fortwätjrenb einen
enormen 3-teifj in fdjTiftfteÜerifdjen ^uDücanonen. öieDt orientattferje 9leife=
befdjreibungen mit Tupfern unb harten (3>ena 1792 — 1804), eine ©ammlung
öon 3. ®- ^id)actiä fteinen ©djriften, bie äöerfe ©pino^a'S mit 5lnmerfungeu
unb 2eben§befd)reibung (SJeua 1803) unb 2lnberes rjerau§, liefert ja^treidje 23ei=
träge jux ^enaifdjen , ^aüefcrjen unb ßeipjiger Sitteraturjeitung unb legt feine
9lnfid)ten über bibtifd)e ©efdjidjte unb ba§ ßeben ^efu in einer 2ftenge üon
3tbcjanb[uugcn unb Programmen nieber, in^befonbere in feinem 1800 — 1802
erfdjicnenen Gsüangetiencommentar, ber burd) bie barin aufgeführte 5Retr;obe ber
fog. natürtidjen ober pf^djotogifct)=pragmatifd)en äöunberertlärung gro|e§ 2luf=
ferjen mad)t. heftige Singriffe gegen ben freifinnigen ütfjeologen blieben nidjt
au§. SDaä ©ifenadjer ßonfiftorium, an feiner ©piije ©eneratfuperintenbent
Paulus. 289
Sdmeiber, berftagte itjn ben 10. Januar 179-4 bei ben fddjfifdjen Regierungen
wegen feinet gegen bie djrifttictje Offenbarung gerichteten Sefjrborträge unb ber=
langte feine Entfernung bon feinem tfjeologifcfjcn 2er)tftut)l, weit er ben ©runb
bcr djtiftlicrjen Religion ju untergraben, bie ©efdjidjte $efu unb ber Apoftel
läcrjerlidj ju machen, mit einem äöort bie djüftlidje Religion abjufctjaffen unb
bie Träumereien einer Religion ber Vernunft ein3ufüf)ren fudje. 2>aS s]Jtaningcr
Gonfiftorium fdjlof} ficrj, toenn aucb, in milberen AuSbrüclen, ber Anflage an;
ein öon £>erber berfafjteS ©utadjten beS Söeimarer OberconfiftoriumS bagegen
naljm fidj beS 2}er!tagten an unb roarnte öor 9)cafjregetn, bie biet merjr Schaben
als Ru^en ftiften mürben. Der #eraog tfart Auguft legte bie Denunciation
ad acta. Der auf bie afabemifc^e Secjrfreirjeit gemalte Singriff mar geferjeitert
(Wärt 1794). An litter arif dt) en Anfechtungen beS $enenfer Rationatiften unb
3Bunberer!täret§ fetjtte eS atoar audj ferner nidjt (mie 3. 33. Saöater bie bon
3$. borgetragene Umbeutung beS 9)teertt>anbetnS Sfefu in ein äBanbeln am 'üJteere
gerabeau für „fcfjief, bumm unb freef)" erllärtej; aber in feiner amtlichen
(Stellung unb SBirffamfeit blieb *ß. fortan unangefochten , mätjrenb er freilieft,
bie über feinen SoEegen ftidjte auS Antafj beS gorberg'fdjen AttjeiSmuSftreiteS
1799 rjereinbrecb,enbe JMaftrobtje meber buret) freunbfdjaftudjen 9totfj noefj burdj
feine amtliche ^nterceffion als ^rorector ber Uniberfttät abjumenben bermodjte
(ügt. ^auluS, ©fiaäen ©. 168 ff.; Reictjlin • SJMbegg I, 308 ff.; ßart Jpafe,
3enaifd)eS fticrjtebücbjein. Seidig 1856. ©. 37 ff.; 3. ®- fticfjte'S Seben unb
Sriefmedjfel I, ©. 292 ff.).
Aber aucb, feines 53leibenS mar nietjt mefjr lange in 3ena. ©eine ©efunb=
rjeit mie bie feiner „fleinen grau", bie itjn 1791 mit einer ^ocrjter Carotine
©obfjie, 1802 mit einem ©otjne befcb,entt blatte, fdjien unter ben ßinftüffen beS
Jenaer $limaS 3U leiben; ber ÄreiS bcr ftreunbe listete jidj; bie Uniberfttät
brorjte M ben ungünftigen ^eitöerfjättniffen 3U beröben. 5)cit greuben folgte
er bab,er einem Rm beS Äurfürften bon Saiern nadj äöür^butg als orbentlicfjer
Serjrer ber Geologie an ber UniDerfität unb als „broteftantifdjer 2anbeS=
birectionSratt) im firdjlicfjen Departement". Seine Se^rt^ätigfeit an ber Uni=
oerfttät, meiere ber baieriferje 9ftinifter @raf SJcontgetaS 3U einer baritätifcfjen
unb 3U einem Sentralpunft ber Aufflärung inmitten ber übermiegenb fattjoliftfjen
Seöölferung beS früheren gürftbiSttjumS &ü machen gebaute, unb mo $. in
Ermangelung broteftantifcfjer 3ut)örer ben fatfwtifcrjen ©eminariften Söortefungen
über tfjeologifcrje Encbfloöäbie 3U galten blatte, bis benfelben bom SSifdjof ber
Sefuctj berfelben berboten mürbe, mar feine befriebigenbe; bie coHegialifcb^en
SJet^dttniffe au feinem £anbsmann ©cljelling, ber mit ifjm unter einem S)acl)
3ufammen mob.nte, geftalteten ftet), mie es feb^eint buret) ©db,ulb ber grauen,
Saroline ^autuS unb garoline ©ctjelling, bie ifjren fetjon üon 3>ena t)er batie=
renben Damenfrieg in 2öür3burg fortfe^ten, nicljt aufs angenerjtnfte (»gl. 9luS
©cb.etting'S Seben in Briefen, S3b. II, ©. 1 ff.). Aucfj an giftigen Angriffen,
3)erteumbungen unb SSerbäcljtigungen gegen ben fefcerifdjen 2l)eologen, ber feiner
fattjolifc^en Umgebung bon Anfang an ein Dorn im Auge mar, feb/tte eS nicfjt;
am berbrief3ticb/ften aber maren irjtn felbft bie bieten donfiftorialgefcb.äfte, bie
ifjm bie 3eit 3U titterariferjen Arbeiten megnaljmen, unb bon benen er bergeblicfj
toS3utommen fut^te, ba er, mie er fagte, „lieber ®erfte effen mollte, als Gon=
fiftorialratb, fein". Dennoctj lehnte er Rufe 3U t^eologifcfien ^rofeffuren in
SJorpat unb Erlangen ab, meit ib,n bie bairifeije Regierung fefoutjatten fueb^te.
AIS aber 3ßür3burg feit 1. Januar 1806 infolge beS ^tepurger ^riebenS bie
^pauptllabt eines ^urfürftentrjumS unter bem ©ro|f;eraog bon 2;oScana gemorben
mar, fo mürbe $., nacfjbem feine beabficljtigte Berufung au einer tljeologifcb.en
Stagent. beutidje StogTaD^te. XXV. 19
290 StouIuS.
^rofeffur an ber Uniberfität 9lltorf fiel) aerfdjlagem t)attc , im 9flär;j 1807 als
f. bairifdjer $rei§= unb ©t^ulrat^ nad) 23amberg, 1808 in gleicher (Sigenfdmft
nad) Nürnberg, 1810 nad) 2tn8bad) berfeüt, mo er befonberä um Hebung be§
33olfsfct)utmefen3 (j. 33. burd) ^Neubearbeitung eineä allgemeinen £efebud)§ für
©tabt= unb ßanbfcl)ulen 1808, burd) 2l6faffung einer populären 2lntt)ropotogie
ober ©elbfterfenntnijjleljre) , aber auet) um (Srrjaltung unb 33erbcfferung be3
Nürnberger ©tjmnafiumä, um bie 33orbifbung ber ebangelifdjen Geologen ic
fid) öerbient madjte. Dbgleidj feine «Stellung eine äufeerlid) befriebigenbe, in§=
befonbere aud) fein 93ert)ältnifj ju feinem greunb unb ßanbSmann £$f. $. Niet*
Ijammer in *Diüncl)en, bem bamaligen 9JUnifterialrefenten in $irct)en= unb ©d)ul=
fad)en, ein für 33eibe fet)r angenet)me§ mar: fo fetmte fid) ty. bennod) fort»
mäljrenb aurüd au§ ber praftifdjen in eine afabemifdje SBirffamfeit unb ergriff
bat)er mit greuben ben eijrenüoüen unb Dortrjeiltjaften 9iuf, ber 1810 nad)
langem £>arren burd) ben babifdjen SJUniftet bon Üteitjenfiein an it)n gelangte,
ju einer ptjitofopfjifdien unb ttjeologifdjcn 3)oppetprofeffur in Jpeibetberg. 2Xt§
prof. ord. theol. et phil. mit bem Gt)arafter eine§ ©eljeimen $ird)enratl)e3, al§
sJlad)joIger ber beiben nad) 33ertin abgegangenen ^rofefforen be äöette unb
sfllarfjeinefe, al§ Gollege bon S)aub, ©djtoarj unb Slbegg t)atte *ß. ^ier nid)t
blo$ ba§ {yad) ber ©i'egefe unb biblifeljen 2tjcotogie, fonbern aud) ba§ it)m
biefjer nod) frembe ber $ird)engefd)id)te p übernehmen. 2ftit eiferner Snergie
arbeitete er ficrj in bie üerfdjiebenen it)m obtiegenben 2)i§ciplinen ein unb aud)
ba§ 33ert)ältntfj ^u ben (Jollegen, befonberä ^u bem „9ftt)ftifer" SDaub, geftaltete
fid) burd) beä fieberen £ieben§mürbigfeit frcunblidjer al§ ty. ermattet fjatte.
@r felbft blieb freiließ in feiner 5luffaffung ber tjetligen ©djrift unb be§ 6t)riften»
ttjumg, bejoubers in feiner ©bangelienerftärung unb feiner 33el)anblung be§
ßebcnä ^efu, über meldjeä er miebert)olte, aud) bon 9tid)ttt)eo(ogen befudjte
33orlefungen l)iett, feinem fdjon in Tübingen unb 3ena gemonnenen ©taubpunft
ber rationaliftifd)en, ober, mie er fie felbft nannte, pft)djologifcr>pragmatifd)en
23etrad)tung unb b?r fog. natürlidjen äBunbererflärung unüeränberlid) treu,
fobafj er al§ ber tjerüorragenbfte, aber audj tetjte Nepräfentant biefer 9tid)tung
nad) allen iljren ßidfjt- unb ©djattenfeiten angefeljen merben fann. „3efu§ ift
iljm ber reine 9Jtenfd) , aber ein 9Jtenfdj, ber in ber ganzen übrigen sDienfd)en=
gefctjidjte feineä ©teidjen nid)t t)at, ber meife Seljrregent, ber ber INenfdjljctt ein
neue§ ©efe^ unb 93orbitb ber ©eifteSrcditfcrjaffen^eit unb bcr lleber3eugung§=
treue bis jum £ob gegeben unb baburcr) ba§ 2öot)lergcb,en ber sIRenfctjt)cit ge=
förbert $at."
33 Satire tang, bon 1811 — 44, mo er 83 ^atjxe alt nacl) einer met)r al^
50jäb,rigen 2et)rtl)ätigfeit in ben 9tut)eftanb getreten ift, t)at *ß. in ^peibelberg
gelehrt unb gemirft , unb ftetö mit ber unmanbelbaren „UeberjeugungStreue",
unbeirrt buret) bie 33eränbcrung be§ 3"I9e^ie*» a^er auc*) burci) bie ftoxU
entmidtung ber prjitofopf)ifcr)en unb tt)eologifc^en Söiffenfcr^aft, benfelben ©tanb=
punft be§ „öutgären Stationaliemus" ober, mie er felbft it)n nennt, ber „gotte§=
mürbigen 2)enfgtäubigfeit" in ber Söiffenfc^aft mie im ßeben bertreten. äöäljrenb
in ben erften |>eibelberger 3at)ren feine ßeljrtrjätigfeit itjn fo feljr in Slnfprudj)
natjm, ba^ er äu größeren litterarifct}en arbeiten feine Qtit fanb , fo liefe in
fpäteren ^a^ren feine ©ocententtjätigleit meljr unb metjr nad) unb befdjränfte
fidj feit 1831 auf menige ©tunben , äuletjt feit 1833 auf blofje 5lnfünbigung
bon ^mei alternirenben 3Jorlefungen über „33iblifei)e Geologie im 3ufammen=
bang mit 33crnunft unb (hfatjrung" unb über „®efd)ic^te be§ Urdjriftentlmmä
nad) feiner 33ilbung buret) äufeere ©djidiate, Set)re unb 33erfaffung". 3n bem=
felben sDlafee aber, mie bie afabemifdje 2eljrtl)ätigleit abnatjm , mud)§ feine
Iitterarifcr)e grucrjtbarfeit, bie fiel) feine§meg§ auf ttjeologifclje fragen befcl)ränite,
5ßaulu§. 291
fonbern mtf)x unb merjr aud) auf politijcfje unb allgemeine S£age§fragen fieb,
au§betmte. 9Jtit befonberem ^ntereffe öerfotgte er inSbefonbere 1816 unb in
ben fotgenben 3fat)*en °ic Sßerfaffungäfämpfe in feinem mürtembergifdjen 95ater=
lanbe, fobafj fid) bamat§ fogar ba§ ®crüd)t öerbreitete , *ß. merbe, mie beteinft
fein 2anb§mann ©pittler, in ba§ mürtembergifcb,e 9Jlinifterium berufen merben
(ögi. 9Hppolb, 9tot^e'8 Seben I, 46). 6r gab 1816 eine Sammlung ber
Jgmupturfunben ber mürtembergifdjen Sanbeigrunbberfaffung unb öerfdjiebene auf
jene fragen unb kämpfe bezüglichen SBrofdjttren l)erau§ (3. 33. über „Vertretung
ber Äircrjen in ben ©tänbeöerfammlungen"; „^tjilofoplnfcrje ^Beurteilung ber
SBangen^eim'fdjen 3bee ber ©taat§öerfaffung", £eibetberg 1817). 3n Stuttgart
mürbe aber biefe ginmifdjung be§ ,!peibelberger s}>rojeffor§ in bie politifdjen
Sanbe§angetegent)eiten fo übel öermerft, bafj $. 1819, al§ er feinen tobfranfen
©oljn in Stuttgart befugte, au§ SBürtemberg au§getoiefen mürbe, ha man
meinte, bafj er nur jum 3ü>ed politifd)er Umtriebe bort fid) aufhalte (f. bie
öon 5ß. herausgegebenen Slctenftüde u. b. X. „3ur Sicherung meiner Sfjre",
^eibelberg 1819). 3n bemfelben 3al)re grünbete ty. eine eigene fird6)tid^=
politifdje 3eitfd)rift u. b. X. „©opljromjon ober unparteiifd) = freimütige
Beiträge jur neueren föefcrjidjte , ©tatiftif unb (Sefefegebung ber ©taaten unb
$ird)en", 1819—31 3U granffurt unb ,£eibelberg in 13 SSänben erfdjienen,
morin er alle fragen ber £age§gefdjid)te, ber ©efetjgebung unb ^olitiE erörterte
ober buret) Slnbere befpredjen lief}. Sincr feiner ^auptmitarbeiter mar fein
College ^orjann £einridj 3Sofj, beffen berüchtigter, gteid) im erften ^aljrgang
erfcrjienener Sluffaij „äöie marb gri| ©tolberg ein Unfreier?" bem Herausgeber
eine Skrroarnung öon ©eiten be§ grof^erjoglictjen ©taat§minifterium§ pjog,
„bei 5lu§mal)l ber 2luffä£e für feine 3eitfd)rift betjutfam ju fein". 23efonbere§
Sluffetjen erregten fobann im 3- 1823 bie Sluffä^e öon ty. über ben befannten
gonfferjen ^ßrocefj, bie itjrem Serfaffer ben iuriftifdjen SDoctortitet öon ©eiten
ber greiburger ^uriftenfacultät eintrugen; ferner feine Slrtifet über bie ©täbel'=
fdje ©tiftung in granffurt, über bie 2öeffeubergifd)e ©aerje u. 21.
S5on tf)eologifd)en Slrbeiten au§ ber ^eibetberger 3e^t finb nod) p nennen:
eine „(Sebäcrjtnifjrebe am ©äcularfeft ber gteformation 1817, über £utb,er'ä 2In=
mefenfjeit in £>eibelberg" ; fein ,,£rjeologifcrj=e£egetifcrje§ Sonferöatorium" 1822;
„Urfprung ber altrjebräifdjen Siteratur" 1823; „«Beleuchtung be§ Subelablaffe§"
1825; „2)er ©enfgtäubige" 1825 unb 1829; „^rdjenbeteucrjtungeu" 1827;
in§befonbere aber fein trjeologifd)e§ -gmuptmerf: „2)a§ Seben $efu al§ ©runb*
läge einer reinen ©efcrjicrjte be§ Urcrjriftentt)um§" 1828 (über biefeä 2Ber! ögl.
befonber§ 2). g. ©traufj, „Seben $efu für ba§ beutferje Sol!", Seip^ig 1864,
©. 13 ff.); ferner „2luf£lärenbc Seifpiete jux ®ogmen=, Äird)en= unb 9tetigion§*
gefcl)idt)te" 1830; „®j-egetifc^e§ ^anbbud) über bie 3 erften (Süangetien" 3 Stjeile
1831—33; „Paulus' 2el)rbriefe an bie (Salater unb Körner" 1831; „2)e§
2lpoftel ^aulu§ (Srmaljnungsfdtjreiben an bie ^ebräercfjriften" 1833. Söeit aab>
reietjer aber finb bie ©treit= unb 5lugfdt)riften über 2age§fvagen. $n ben brei
2>ecennien öon 1816—46 ift in bec Xi>at faum ein 3ab,r öergangen, in bem
5ß. nic^t mit irgenb einer ©djvift ober S5vofd)üre auf bem SBücrjermarft ober
auf bem Äampfplaü erfc^ienen märe: fo fc^rieb er 1816 „$evfcr)iebene§ über
bie SBürttembergifcijen S8etfaffung§tämpfe" (f. 0.), 1817 „über bie ftranffurter
Subenfcb,aft", 1818 „über baä neuefte betragen be§ römifeljen ^irctjenregimcntS",
1819 „3ur Sicherung meiner e^re-, 1823 „.gnftorifcrj'potitifc^e ©cb.ilberungen,
äöarnung bor äuftiamorben", 1824 unb 1825 ,;9ted)t3erforfd)ungcn", 1826
„2eben§= unb 2obe§tunbe öon 3. $. S3oB", 1827 „^viöatgutac^ten über bie
grage, ob ein römifcl) = fatrjotifdtjer Regent oberfter Sifdiof einer eöangelifdjen
19*
292 5ßaulu§.
ßircfje fein lönne", 1828 über „2)ueflbereine unb" afabemifdje fyreifyett", 1831
über „bie ^ubenfrage", über „^refjfreitjeit", 183-1 über „Homöopathie ober
9teinar^neilet)re", 1835 über „6ntb errungen unferer neueften $t)ilofopt)en" (gegen
©djelling), 1836 über „^refjfreitjeit au3 Mnlafc ber ©utjfom'fdjen 2öaüy, 1837
„GonberfationSfaal unb ©eifterrebue", 1838 unb 1839 „sJhincipienfanipf j}Wi=
fdjen römifdjer ."pierofratie unb beutfdjer ©taatSrecfjtlicfjfeit" (auS 9tntafe beS
Kölner Streits), 1839 über „Sfjeologifdje 8e$tftetJjeit unb fietjrerwafjt" (auS
Antafj be§ ^üridjer ©traufjcnputfctjeS), 1839 „Votum über ben Altenburgifcfjeu
9tationaliSmu3ftreit", 1840 über „bie unirte Ätrcfce ber ^falj", 1841—44 „9leuer
©oprjronijon", 1842 über „Äircfjenjudjt", 1842 über „ben ÜJhgbeburger ©ebet=
ftreit", über „baS anglifanifdje ViSttjum in ^erufatem", 1843 „3ut Verictjtigung
ber {frtjefdjeibungSgefetje" k. ©inen «gwtjepunft feines SebenS bilbete im 3. 1839
bie fieiex feineä 50 jährigen 2)occntenjubiläum§, bei tuetd^er ©elegentjeit irjm bon
nat) unb fern satjlrcictje .gmlbigungen unb (Jfjrenbe^eugungen ju Sttjett würben :
2)ie .^cibeftetgct ftacultät (Abegg, Umbreit, Utlmann, Sewalb) etjrte ifju burd)
einen ^ubetabbrud feiner ©djrift über baS .§or)elieb; bie ©tabt ^eibelberg burd)
SBertettjunQ beS ßtjrenbürgerred^S; Deputationen auS Saben unb ber ^fatj be=
grüßten itjn alö ben unermüblidjen .Kämpfer für 2id)t unb 9ted)t; faft alle
ttjcologifdjen Sfacultäten SJcutfdjlanbS, mit sJtu§uar)me Pon Verlin unb Vonn,
übeifanbten ifjie ©lüdruünfdje. Als AuSbrud feiner „gerüt)rtcften 2)anfbarteit
für bie bieten bei biefem ^lnta§ ifjm pgefommenen, ben 3fitgeift djarafterifiren=
ben 3uJtf)l"Wen . flber audj als Aufforberung jum Verbreiten beS einfadj=reiuen
crjriftlidjen $;flid)tenglaubcnS unb 3ur Auflöfung atteS 3)ogmenjwaugeS unb
2>ogmenftreiteS" beröffentlidjte 5ß. bie „©ft^cn auS feiner VilbungS* unb
SebenSgefdjidjte", .freibelberg 1839, bie eine .£muptquetle für feine 2ebenS=
gefd)id)te bilben. SDefio unerquirflidjer für itjn fetbft wie für baS publicum
War bann aber wenige ^arjre nad)fjer ber bon bem 82jätjvigen ©reis mutfjwittig
tjerboigcrufene ©treit mit feinem fpecieflen £anbSmann unb ehemaligen 3fenenfer
unb äBür^burger Sollegen, bem ^pt)ilofopt)eii g. 233. 3. ©djelling, beffen *J5^itofop^ie
V. fetjon früfjer in anonymen unb offenen ©driften befämpft unb ben er als
„ßtjarlatan, £afdjenfpieter, ©peculanten unb DbScuranten. ^trterjrer" ic. tituttrt
rjatte, mätjrenb ©djelling feinerfeitS s4>. als einen „©atan unb (Srbfeinb feiner
^tjilofoptjie", ja als „(Srbfeinb alles» .<pö()eien unb Vef,feren", als einen „gott=
berlaffenen 9Jtenfd)eu" bejeidjnet. 5Der lang behaltene ©voll fam jum AuSbrud)
auS Anlafj bon ©djetling'S Berufung nad) Berlin 1841. 5ß., ber fict) berufen glaubte,
„ben ptjilofoptjifdjen gmmbug beS alten ©peculanten ^u entlarben" liejj bie bon
©ctjettingim V3interl841 — 4 2 gehaltenen Vortefungen über DffenbarungSpljitofopljie
wörtlictj nadjfcfjreiben, um fte bann mit fritifdjen Anmeldungen tjerauSjugeben
unter bem 2itel „S)ie enblidj offenbar geworbene ^rjilofoptjie ber Offenbarung,
ber allgemeinen Prüfung bovgetegt buret) Dr. Jp. (j. ©. ^aulu§." 5Darmftabt,
ßeöfe 1842. ©djelling flagte bei ©eridjt wegen unbefugten 9tad)brucf8, ba
„gegen bie boHfommene (5^= unb ©djamlofigfeit be§ 82 jäljrigen ©ünbetS burd)
fein Mittel etwaS 31t gewinnen fei, alö burd) ©etbftrafe unb ©elbcntfd)äbigung".
S)a§ 33ud) würbe in ^reufien mit 3?eftf)tag belegt. v|v fdjrieb eine „Vorläufige
Appellation an ba§ wafjrtjeitSliebenbe s|>ublifum" : ,,2)ie ©djetling'fdje ^3^tto=
fopljie erfdjeine ib,m al8 Attentat auf bie gefunbe Vernunft, beffen ©ntlatbung
mit allen Mitteln ein gemeinnütziges SBerf, ja gerabe^u eine s43flid)t fei". S)ie
©eridjte entfdjieben 51t feinen ©unften: ^auluS würbe freigefproerjen, bie Ve=
fdjlaguab.me aufgetjoben. ©djelling bevjidjtete auf bie ib,m bon ber preufjifdjen
Regierung ertrjeilte venia legendi: „fei fte nierjt im ©tanbe, itjn gegen ^cacrjbrud
31t fdjütjen, fo fei er nidjt im ©tanbe ju lefen". 5ß. r)atte feinen 3roed er=
reidjt. — 3um Ie^tenmat trat er auf ben Äampfplat} ber 2age§litterotur mit
$aulu§. 293
einer ©ctju^fcrjrift für beu 2>eutfcr)fatf)oüciSmuS: „3ur Nectjtfertigung ber
Seutfcb/Äattjoltfen. Eine rjiftorifc^e unb ftaatSrecrjtlidje Sßeleudjtung." ßartSrutje
1846, 8°, roorin er bie fiaatliccje Unterbrücfung einer allerbingS in fid) jetbft
fjaltlofen Nictjtung aufs entfctjiebenfte mißbilligt. 33on ba an ift er nicrjt met)r
an bie Ceffentlicfjfeit getreten, jeigte aber fortan ein tebenbigeS ^ntereffe für
alle toidjtigen bolitijdjen, ftrdjtid&en, miffenfctjaTtlicrjen (Srfdjetnungen , laS unb
liefe fiel) borlefen, correfponbirte mit alten ftreunben, rote ©alat, b. äöeffenberg,
b. Nei^cuftein u. St., befdjäftigte fiel) mit Ausarbeitung einer ©djrift über
©oetfje, in ber er atte Erinnerungen auS ber Jenaer 3eit nieberlegte, bie aber
nietjt metjr aur 33ottenbung fam. 3>a nod) in feinen legten SebenStagen bictirte
er einen Auffatj gegen bie bamalS im & 1851 in #eibelberg aufgetretenen
$efuitenmiffionäre.
©ein jubor fo glücflidjcS rjäuSlidjeS Seben tjatte fcrjmeralidje Störungen
erlitten — auerft burdj bie unglücftidje Verfjeirattmng feiner einaigen Softer
©optjie (Sardine mit Auguft äBiltjelm bon ©djleget (30. Auguft 1818) unb
bie balb auf bie £>ocf)aeit gefolgte Trennung beiber Regatten, bann burdj ben
£ob feines einaigen 1 7 jährigen ©otjneS (28. Auguft 1819), aulefjt burd) ben
2ob feiner innig geliebten, geiftig begabten, 55 3at)re lang mit Ujm in glürf=
lidjer (H)e berbunbenen ©attin (t 11. DJcära 1844) unb ben balb barauf ge=
folgten 2ob ber 'Jocrjtcr (1847). SDer förpertid) bon jetjer fcb>äd)tid)e, aber
gei[te§= unb roillenSftarfe 9Jiann bereinfamte merjr unb met)r; aber „bie Natio=
nalität tjiett it)n aufregt". S)ie NebolutionSfiürme ber ^arjre 1848 unb 1849
brauften an itjm borüber: er bert)iett fid) itjnen gegenüber fetjr nüchtern unb
aurücfrjattenb. %\t alte SSunbcSacte fanb er immer nod) beffer als bie neue
ftranffurter NeidjSberfaffung ; er fpottete über bie alte Untugenb ber Seutfdjen,
qui semper conveniunt et nunquam conveniunt, unb über bie ^rantfurter
Äaifermadjer, „metdje fladern unb gaggern, etje baS 6i gelegt ift". ©o lange
eS it)m feine gefd)roäd)te ©etjlraft ertaubte, fefete er feine Aufaeid)nungen fort
in 5?rofa unb Werfen. 3utet;t erblinbet, fietjt er ben £ob immer näber fommen
unb befdjäftigt fiel) biel mit ©ebanfen über baS Sterben unb über bie gort=
bauer bei ©eifteS nad) bem £obe. 3m 3uli [teilen 1851 fiel) bie ©tymptome einer
rafd) berlaufenben SBafferfudjt ein. ©nblidj am 10. Auguft 1851 f djlägt bem
90 fahrigen feine lebte ©tunbe. ©ein lefeteS S3efenntni§, baS er noct) wenige
©tunben bor feinem Gmbe auSfpract), mar: ,,3d) ftetje recxjtfcrjaffen bor ©Ott
bureb baS äöollen beS Nedjten", fein lefeteS SBort: „@S giebt eine anbere
SBelt!" 3JHt it)m ftarb einer ber Säter, aber aud) ber letzte Epigone bei
tljeologifdjen Nationalismus beS 3 8. SatjrtmnbertS. S)ie ©efd)id)te ber neueren
Geologie fennt feinen, in toeldjem bie Geologie ber Aufflärung ober ber
tt)eologifcb> Nationalismus einen fo djarafterbotlen AuSbrud gefunben tjätte,
roie in $. @r glaubte an ben Nationalismus unb lebte roie er glaubte.
3Bät)renb Anbere bon itjrem fortgefcr)rittenen tb.eologifcljen ©tanbpunfte aus ober
bon ben £)br)en ber pljilofopl^ifcljen ©peculation Ijerab fpotteten über ben alten
butgären unb orbinären Nationalismus mit feiner nüchternen unb platten 3kr=
ftänbigfeit unb ©eifteSarmutt), über einen „2>enfgtauben, ber au benfen glaubt
unb au glauben benft" : fo mar es il)m felbft ein tjeiliger Ernft mit feiner
„Nationalität", feiner „göttlichen SJenfgtäubigteit , ©eifteSrecrjtfdjaffenrjeit unb
UeberaeugungStreue" ; benn irjm mar ber Nationalismus nicfjt bloS eine u)eoto=
gifdje Slnfidjt, fonbem feine Neligion, feine aBiffenfctjaft, fein ßebcnSibeal. 3llS
rjöd;fte Aufgabe beS Xrjeotogen unb 6t)riften erfcljien eS it)m: „burdt) SBiffen,
2BoHen unb Vollbringen beS Netten biefeS Öeben für fiel) unb \&t anbere au
macfjen aum Anfang eines eroigen feiigen SebenS."
294 5ßnulu*.
.gmuptquelten für feine 2eben§gefdjid)te finb ttjeitS feine eigenen 9flit=
Leitungen in einer furzen, in 33et)er'ä 5Jtagajin YII, 3, 329 abgebrucften
©elbftbiograbfjie, unb in ben „©fi^en auS meiner U3übung3= unb £eben8=
gcfdjtdjte jum 2lnbenfen an mein 50jäf)rige3 ^ubitäum." £)cibelberg unb
Seidig 1839. 8°, tljeitS bie au§ bem reiben litterarifdjen sJtad)lafj toie au£
münblidjen IRittfjeilungen gefdjöbfte ait§füt)vttcf)c 23iograöt)ie unter bem £itel
,,.£>einridj 6b" erwarb ©otttob ^auluS unb feine 3cit"f bargefteüt bon $art
SKeranber ftreif)errn bon fteid)lin = 9Mbegg. 2 33be. Stuttgart 1853. 8°.
Slufjerbem finb ju bergleidjen ©djenfel in ber ^rotcft. 3teatenci)fl. 1. Stuft
23b. XI, ©. 252 ff. — ÄafyüS, ebenb. 2. Slufl. 23b. XI, ©. 391 ff. —
21. -gmuSrattj, in ben 23abijd)en 23iograbfjien t)erau§gegeb. bon ftr. b. Söeed).
#eibelberg 1875. 33b. II, ©. 119 ff. unb in #au8ratf)'3 reügion3gefd)id)t=
lidjen ©«Triften 1883. — $. Döring in ©djmibt's DWrotog ber ©eutfdjen.
1851. I, 614 ff. — ©. gran!, ©efd)id)te ber brot. £t)eologie, III, 345 ff. —
«Baut, $ird)engeid)id)te beä XIX. 3af)rt). ©. 100 ff. — lieber feine ©tettung
in ber ©efd)id)tc ber btoteft. 2t)eologie bgl. 23aur, 2)ogmengefd)id)te III,
©. 400 ff. - fianberer, Weitere 2)ogmengefdj. ©. 59 ff. — lieber feine
©teüung in ber ©efdjidjte ber ©regefe f. (5. föeujj, ©efd)idjte ber I). ©Triften
be§ s)l. X. 1874, ©. 318 f. — Gin boflftänbigeä Seraeidjnif} feiner ©djriften
bei 9ieid)ün=3)Mbegg II, ©. 465 ff.
Shtdj feiner (Sattin, Glifabety ftrieberife Caroline $. geb. ^auluS,
gebütjrt eine ©teile in ber beutfcfjen 2itteraturgefd)id)te , tt)eil§ wegen einiger
poetifdjer 23erfud)e, bie fie bfeubontym ober unter it)iem eigenen Flamen tjerauS*
gab, tt)citö megen ber freunbfdjaftlidjen Schiebungen, in metdjen fie JU ©djitter,
©oetlje, 23ofj, $ean ^aul unb anberen Diotabititäten ber claffifdjen unb roman»
tifd)en ©d)ule be§ 18. unb 19. 3af)rt)unbertg> geftanbcn Ijat. ©ie mar geboren
ben 14. September 1767 ju ©djornborf in 2öürtemberg als £od)ter beS bortigen
DberamtmannS ©ottücb griebridt) s}>aulu3 unb feiner ftrau grieberife @üfabett)
geb. 23ilfinger. Sfjr 23etter, ber Sfjeolog %, berlobte fid) mit i^r mätjrenb
feineö ©djornborfer Stufent^attö furj bor bem eintritt feiner miffenjdjaftlidjen
9teife 1787, Ijielt aber bie Verlobung anfangt getyeim, meil er ber entfd)iebenen
SIbneigung feines 2)ater§ gegen biefe Skrbinbung gcmifs mar. %xo% beS bäter=
lidjen SBiberfprudjS aber, ben er anfängtid) ju überminben fudjte, bertjeiratljete
er fid) mit ifjr bor feinem Abgang nad) 3ena ben 2. 3funi 1789. %n ben
Jenaer Greifen mürbe bie fleinc, nieblidje, lebhafte unb gefdjeute grau, bie nid)t
bloS eine trefftidje .JpauSfrau mar, fonbern audj burd) itjr gefettigeS Talent,
iljre äftt>ctiftf)e unb mufifatifdje Silbung fid) auszeichnete, jreunbüd) aufgenommen;
inSbefonbere fanb ©oetlje, ber baS *pautu3'fdje |>au3 in 3ena gern befudjte,
©efatten an ib,rem anmutt)igen unb „nedifdjen SBefen", unterhielt fid) gern mit
it)r, erjagte it)t ^ärdjen unb ©efdjidjteu, Reifte ib,r mandje feiner ©ebidjte
b,anbfd)riftlid) mit, bejudjte fie aud) nod) fpäter in £>eibelberg. angeregt burd)
biefen fdjöngeiftigen Skrfetjr befd)äjtigte fie fid) aud) felbft in ib.ren sJcebenftunben
mit fd)riitftenerifd)en 23erfud)en, gab unter bem ^ßfeubonbm ©(eutb.eria ^otberg
einen Vornan „2öilt>elm S)umont" (SübedE 1805) b.erauS, ber bon ©oettje in
bet 3enaifd)en Sitteratutjeitung 1806, 167 günftig tecenfirt mürbe; fpäter in
ber .Jpeibetberger 3cit folgte ein Vornan „Slbolbb, unb Virginia ober Siebe unb
Äunft" (Nürnberg 1811); „?latalie s^erct)", eine Lobelie nad) bem granjöfifdjen
(Nürnberg 1811), eine lleberfe^ung bon 35oltaire;§ 2rauerfbiel „©emiramiS"
(ebenba 1811), unb ein 33änbd)en „ßrjätitungen", ^eibelberg 1823. 3lm
2. 3uni 1839 feierten beibe @l)cgatten ib.re gotbene ^po^eit, er 78, fie 72 %av)x
alt. 9lad) längerem ^ränfeln unb nad) manchen trüben Lebenserfahrungen, bie
ib,r ber früfje Stob ib^reS einigen ©ob,ncS (t 1819) unb bie unglüdüdje ^eiratb,
Paulus. 295
iljrer einigen £odjter mit 21. 3B. ö. ©djleget (1818) bereitet Tratte, ftatb fie ben
11. Sttl&xü 1844 in £)eibetberg, fdjmerjlicb, beftagt öon intern 82 jährigen ©alten,
ber iljre „bentfräftige föidjtung unb bie tt)ätig=gute 2(ntoenbung all ib,rer öor=
•jüglidjen Einlagen" rütjmt unb fie bem tooljltoollenben 2tnbenfen ber greunbe
empfiehlt, „baS fie berbiente unb öon Sielen genoffen Ijatte".
Sgl. über fie ©oebefe, ©runbrifj II, 1129 fg. — Stummer, 2)eutfc£)eS
2)icf)terlerjfon , Sb. IL — 2Jßai£, Carotine II, 115. — SefonberS aber
K. 21. gieicb,lin=9Jcelbegg in feiner Siograöb> iljreS Cannes, Sb. I, ©.77 ff.,
33b. II, ©. 1 ff. äöagenmann.
^ouluö: Karl (Sbuarb öon *ß., ^opograöb,, ©eognoft unb 2lttertt)umS=
forfdjer, geb. am 29. Januar 1803 in Sergt)aufen hü ©öeier, f am 16. ^uni
1878 3u Stuttgart , ftammte aus einer alttoürttembergifdjen Seamtenfamitie.
©djon im Saljre 1806 fam er mit feinen (Sltern, roelcfie fid) nur öorübergetjenb
in ber ty\ali aufgehalten Ratten, nacb, Stuttgart, too fein Sater eine 2lnftettung
als 9tegifirator fanb. 5ß. burdjtief baS bortige ©tjmnafium bis jur achten Slaffe
(ßberfecunba) mit meljr @ifer für leibliche als für geiftige Uebungen, tote er
febft oft ju erjagten pflegte, ©ein „freier froher ©inn" leitete if)n aueb, bei ber
SerufStoaljl. ®r trat im $. 1819 in eine ftuttgarter 5J>riöatforftfcb,ule ein
unb ging baS $ak)x barauf als Qögling ju bem Siebieramte Böblingen. 2lttein,
fo toot)t eS itjm im SBalbe toar, tonnte er bodj nidjt toiberfteljen , als er im $.
1822 öon 5ftittnacb,t, bem Sorftanbe ber bamaligen toürttembergifdjen SanbeS=
bermeffung, eine ©tette als geidjner angeboten erhielt. @r fyatte bie bem gorft=
manne nötige Kunft ber £errain=2lufnal)me unb =2>arftellung mit befonberer Suft
unb ungetoötmlidjem (Sefdjicfe <ju betreiben angefangen. 9lacr) jtoei $at)ten 30g
itjn ber Sorfianb beS ftatiftif^topograüb.ifctien SureauS, 9Jtemminger, (f. 21.
3). 23. XXI, 309) 3U biefer 2lnftatt herüber, too fein fartograöb,ifcb,eS Talent
unter ber Seitung beS ehemaligen 3ngenieur=£)fficietS gerb. SDürridj eine treffliebe
©djulung fanb. S)er öon bem 23ureau nacb, ben Srgebniffen ber ßanbeSber=
meffung in ben ^a^ren l82* — l85* herausgegebene toöograbbifdje 2ltlaS beS
Königreichs SSürttemberg im 9Jlaf$ftabe öon 1 : 50,000 gab bie fd)önfte @elegen=
tjeit, auf biefem gelbe ßorbeeren ju öftücten. 2luf ttid£)t toeniger als 23 öon
ben 55 23Iättern biefeS 2JßerfeS ift 5p. als Mitarbeiter genannt. S)en toärmften
San! ber toanberfrotjen $ugenb in ©djtoaben ertoarb fiel) 5ß. burdj feine erftmalS
im 3. 1834 im flJlafjfta&e öon 1 : 450 000 herausgegebene Karte beS König*
reidj Söürttemberg, an beren ©tette im $• 1841 feine Karte beS Königreich
SSürttemberg unb ber tjotjenäollern'fcfjen gürftenttjümer im IDtafjftab öon 1 : 400 000
trat, toetdje forttoäfjrenb öerbeffert mehrere neue 2luftagen (bie leiste im 3ab,re
1874) erhielt. SDaS Statt barf fiel) neben ben beften Stiftungen feiner 3e*t
fet)en laffen. 2lud) äu fattograöf)ifct)er ßeb,rtl)ätigteit mürbe $. öon ber
toürttembergifdjen Regierung äutoeilen öertoenbet, fo aum Unterricht im 5ptan=
äeidjnen an ber 2lfabemie Jpolienleim im Saljre 1845 unb 1851 unb im
Kartenlefen für Officiere im 3. 1869. — «Ulit ber 2lufnaljme unb S)arftellung
ber Oberfläche beS SanbeS öerbanb $. öon 2lnfang an auc^ bag ©tubium ber
geognoftifdjen Serb^ättniffe. @r ertoarb fieb, autobibaftifcb, bie altgemeinen geo=
gnoftifc^enKenntniffe feiner geit unb trug bureb, eigene Unterfuc|ungen nicfjt menig jur
Gsrtoeiterung ber mürttembergifcb.en ©eftein§= unb Sobenfunbe bei. ®er geo=
gnoftifeb^e £t)eil öon öielen £)beramt§befcf)reibungen ift öon ib,m bearbeitet.
Sei ber im ^. 1863 begonnenen Verausgabe ber geognoftifdjen ©öeciattarte öon
SCßürttemberg toar er als sDUtrebacteur beteiligt; einige Stätter berfelben unb
beren Segtetttoorte finb öon ib^m felbft gefertigt. ®ie genannten OberamtS=
befcb.reibungcn, beren 26 öon 64 (öom Saljte 1850 an) bem Vauptinb^alte nadj
öon ib,m öerfa|t finb, gaben iljm mand)facb,e Gelegenheit, fiel) audj auf anberen
296 SPauluä.
©ebieten ber SanbeSfunbe ju erptoben, ©o finb 3. 33. bie barin bon itjm ge=
gebenen SanbfdjajtS* unb ÖrtStagebefdjreibungen, bte ©djitberungen ber 2ebenS=
roeife unb «Sitten ber SSeöötferung fteine 9fletftcrftüde feiner „fdjlid)ten guten
fjfeber". 2lud) in bem Söerfe: 2)aS ßönigreidj äöürttemberg, eine Söefdjreibung
bon Sanb , 3)olf unb ©taat. herausgegeben bom ftatiftifd) = topograptufdjen
33ureau, Stuttgart 1863, jtnb biefe 2Ibfd)nitte bon if)tn ausgeführt. — ©ein
SieblingSfelb aber , beffen Bebauung iljm einen bleibenben roiffenfdjaftlid)en tarnen
fidjert, mar bie 2lltertt)umSr'unbe. ©djon als Zögling in Böblingen fing er an,
bte Spuren , toeldje bie Kölner in ©trafen unb Söofjnplätjen auf mürttem*
bergifdjem Boben aurüdgelaffen Ratten, aufjufudjen ; balb aber ging er aud) bcn
Hteften ber germanifdjen unb borgermanifdjen Söorjeit , ben 9teit)engräbent unb
©rabb,ügeln nadj. ©eine fartograplnfdjen unb geognoftifdjen Berufsarbeiten
führten ir)n freu^ unb quer burd) baS Sanb; er benüfcte biefe Steifen unb
längeren Slufentljjalte in ben berfd)iebenften SanbeStljeilen immer jugteicrj audj
für feine ard)äologifdjcn fjorfdjungen. %m Umgänge mit ^aulvj , ©tälin unb
anberen 5lrd)äologen bon ftaü) lernte er bon römifdjer 2lltertt)umSfunbe fo biel
3U, als ifym für feine praftijdjen Bebürfniffe nötljig mar; audj mit ben früheren
Slusgrabungen unb $unben , fomeit fie litterarifdj pjitt roaren , madjte er fid)
befannt. Slber eS fiel il)in in feiner f lugen Befdjeibenljeit nie ein, felbft ben
gelehrten 9lrd)äologen fpielen <ju motten. 6r feilte fid) bielmeljr als ben ^ßraltifer
gerne in einen erklärten ©egenfatj gegen bcn Budjgeleljrten , übrigens mit fo
biet gutem Junior unb aufrichtiger 2ld)tung bor f)öt)eren ^enntniffen , bafj itjm
niemanb barüber gram merben fonnte. ©ein <£>auptbeftreben mar barauf ge=
ridjtet, baS 91et} ber römifdjen ©trafeen= unb BejeftiguugSlinien , fotoeit cS fid)
über mürttembergifdjcu Bobcn erftredte, mieber aufjufinbcn. Bon ben in älteren
9lufgrabung§berid)ten fidjer nacrjgemiefenen ober bon itjm felbft entbedten 2Cßot)n=
planen unb ©trafjenftüden auSgcfjenb, fdjritt er, mo möglidj immer auf neue
$unbe fufeenb, tangfam unb bebäd)tig bormärtS. füllte er mol aufteilen aud)
ein 9Jtittetftüd burd) {Kombinationen auS ober machte er einen ©crjritt inS Un=
gemiffe borauS, fo ftütjte er fid) babci nid)t auf l)iftortfd)c £)t)pott)efen , fonbern
auj feine in ber ^rajte allmät)lid) evmorbenen ^Infdjauungen bon ber römtfdjen
©trafjenfüfjrung, BefeftigungSmeife unb SlnfieblungSart *IJcit immer fdjärferem
unb fidjerem Blide mufste er biejelben auf jebcS gegebene Ücrrain anautoenben.
konnten feine Bermutijungen burd) (Grabungen, mo^u iljm feiten äureid)enbe
Mittel 3U ©ebot ftanben , nid)t fogleid) ertjärtet merben , fo nmrtete er gebulbig
$al)ie unb ^aJjracljntc lang, bis zufällige 2Iufbedungen ober fleine ©djürfungen
ben nadjträglidjen ©adjbemeiS lieferten. Sauge geh nur für fid) fammetnb unb
aufaeidjnenb fing er auerft an , in ben roürttembergifdjen ^aljrbüdjern bon
1830, 33, 34 ftadjridjten über neuentbedte Slltertljümer unb Stömerftrafjen ju
berbffentlidien. Ser Sab.rgang 1835 bracbte eine Slb^anblung bon itjm über ben
ßimeS, berfelbe Sab,rgang unb ber bon 1837 einen 2lu|jatj über bie üßeutinger'fdje
Safel. ©päter legte er einzelne 9tefultate feiner g-orfc^ungen aud^ in ben
DberamtSbefdjreibungen nieber, crftmalS unter feinem tarnen in ber bon ©eiS=
lingen (1843) unb in ber fjfolge l)aubtfäd)lid) in benfenigen ^eften, meld)e bon
ib^nt als ^auptberiaffcr herausgegeben maren. S)ie erften 93crfuc^e bon größeren
3ufammenftelluugen madjte 5ß. in ben S3eröffentlid)ungen beS SBürttembergifcfjen
?Htert^umSbereinS, beffen ^jauptgrünber unb Setter er mar, fo in ben „SatjreS*
tieften" (I — XII, 1844 — 1862 in gr. fjfol.) unb namentlid) in bcm bon ü)m
faft gana gefdjriebenen 1. Sßanbe ber „©djrtjten" (1850—1868 in gr. 8°), 3. S.
in ^)eft 4, 1856: „£)ie 9i5merftra^en im 2lHgemeinen mit befonberer 9iüdfid)t
auf baS 3el)ntlanb, nebft einer Anleitung jur (Srforfdjung ber alten 9lömermege"
(aud) fcp.); in <g>eft 5, 1859 : „SDer ©d)önbud) mit feinen 2lltertb,ümern" (auc^ fep.);
$auty. 297
in £>eft 6, 1863: „2)er römifdje ©renaroatt bom ©ofjenftaufen bii an ben
$)cain" (audj fep.); in £>eft 8, 1866 : „ßrilämng bex Sßeutinger'jdjen Stafet u. f. ro."
(aucf) fep.). Srotj btefer Vorarbeiten aber erregte e§ unter ben beutfdjen ©e=
fcrjicfjti» unb ^Itertljumeforfcrjern grofjeS 2Iuffet)en, al§ 5ß. erftmati im $. 1859 über
ben ©efammterroerb feiner gorfcrjungen öffenttid^e JjRecrjenfcfjaft ablegte in ber:
„©eneralfarte bon SBürttemberg, 4 «Blätter im gjtaafeftab : 1:20 000 (=bte
sjftittnadjt'fcfje $arte.) sIRit arcfjäologifdjer Sarftellung ber römifcrjen unb alt=
germanifctjen (feltifcfjen ) lleberrefte." ©ine fotcfje fjfütte bon römifcrjen SBotmplätjen,
ein fo reidjei !Re^ bon römifcrjen ©trafen fanb fic£> rjier eingetragen, ba| bie
©ad^e bieten nidjt gerjeuer feinen roottte. (hft als 5p. im $• 1875 unb
1876 in ben SÖürttembergifcrjen ^arjrbücfjem mit ber SIbrjanbtung : „Sie 2t(ter=
trjümer in Söürttemberg au§ ber römifcrjen, attgermamfcijen (feltifcrjen) unb
atemannifcrjen (fränfifdjen) Qtit" (audj fep. 1877) fo^ufagen ben 2ejt unb bie
Vetege ju ber im $. 1867 jutn äroeiten unb 1876 aum brüten 9Jcate auige*
legten unb ftet§ bercidtjetten Äarte gab , fanb fie allgemeinen ©tauben unb
SBütttemoerg rourbe um eine Seiftung beneibet , roie fie feine ftacfjbarftaaten
nocb, rjeute nidjt aufjuroeifen fjaben. 9cocij in feinem legten 2eben§jafjre roiber=
futjr v}>- aud) bie ©enugtfjuung, ba£ eine bon ber roürttembergifdjen Regierung
eingefetjte Gommiffion für bie arcrjäologifcb/topograptjifcrje Slufnatjme bei römifcrjen
©renjroaliei bon Sorcb, bü ©fterburfen, roeldje er fctbft begleitete, bie bon itjm
aufgehellte aber mand)fadj angejroeifette fdjnurgerabe ßinie boßfommen ali
rictjtig anerkennen mufjte. — SDai amtlidje £eben bon ^ß. rjatte feit feinem
(Eintritte in bai ftatiftifdj=topograpfnfcrje Vureau einen ungern öfmticrj einfachen
Verlauf. Srft im $. 1836 erhielt er ©taatibienerredjte unb einen feften ©e=
tjatt, 1852 ben 9tang, 1853 audj ben £itet einei fyinanjaffeffori , 1862 ben
Intel unb 9tang einei ginanjratrjei unb im $. 1877 bei feiner ^enfionierung
bie Gfjrenmitgliebfdjaft bei Vureaui. 2tber bafj feine Verbienfte nidjt im Ver=
borgenen geblieben roaren, jeigt eine ftattficfje Slnaarjt bon IDcebaiCten unb
£)rben feiner Sanbeifjerren, $önig SBittjetm unb Äönig $art, ferner bon 5)3reuf;en,
Vaben unb ©orjenäotlern , eine Steige bon ©fjrenbiptomen 3. 33. bon bem
germanifdjen sJ)cufeum in Nürnberg all 9Jtitglieb bei ©eter)rten=21uifdjuffei, bon
bem römifdj=germanifdjen Sentral^ufeum in 9Jcainj ali auimärtigei Vorftanbi*
mitgtieb, bon bem ardjäotogifdjen ^nftitut in Jftom unb berfdjiebenen beutfcfjen
®efdjidjti= unb 2lttertt)umsbcreinen , enbtidj bie Grfjrenboctorroürbe bon ber
prjitofopfjifcrjen gacuttät ber llniberfität Tübingen, beim Jubiläum bon 1877
berlierjen. ©ein bon iljm frütje in atte feine ©tubien ein gemeinter ©ol)n
ßbuarb 5ß. rourbe i^m ati Mitarbeiter auf bem ftatiftifcrj = topograptjifc^en
Sureau beigegeben, reo er fein 9tacf)fotger gemorben tft. Sie poetiferje 3Iber,
roeterje befanntüctj bem ©ofine reictjticr) bertietjen ift, roar auct; bem Vater nierjt
gan^ berfagt. ^D>it feinen im $. 1858 erftmati, 1861 roiebertjolt at§ ©ammlung
gebrueften „Söatbbitbern" fjat er feinen greunben, beren ber biebere ÜJlann mit
bem fonnigen ©emüttje unter allen ©tänben eine grofje ^In^atjl befa^, ein föfttidjei
21nbenfen ^intertaffen.
Vergl. ben ftefrotog bon S- ©artmann in SBBüttt. Sa^rbüd§er f. ©tatiftif
unb Sanbeifunbe 39- 1878 I, ©. 5 ff. — S)en ^ladiruf bon bemfelben in
SBürtt. Viertelja^riliefte für £anbe§gefcfnd)te Sg. I, 1878 ©. 152 ff. — ©erjog,
bie Vermeffung be§ röm. ©renjroatti in feinem Sauf buref) Söürttemberg k.
in SÖürtt. Viertelja^r^efte f. ß. 3g. III. 1880 ©. 81 ff. (au$ fep.i.
äöinttcrlin.
v}?aültj: 5luguft griebrit^ %, befannt befonberi all erfter ©erauigeber
ber nacrj feinem £obe bon 2euffel unb SBalj fortgefe^ten unb bollenbeten
9leat=@ncbflopäbie ber claffifdjen 3tltert^um§roif]enfctjaft (Stuttgart 1837 bi§
1852, fedtji Vänbe; ber erfte Vanb in neuer umgearbeiteter Auflage l§craus=
298 Naumann.
gegeben Pon 30ß- ©. 5£euffet, Stuttgart 1861 — 1866 in stoei 2Ibtt)eitungen). @r
gehörte einer urfprünglid) fattjolifd^en unb aus Ungarn eingemanberten fjamilie
an; aber fein (SJrofsPater tjatte feinen ©oljn proteftantifdj er^ierjen laffen, unb
btefer mar Pfarrer in Henningen bei SubroigSburg , jmletjt in 9Jtöffingen Ui
Tübingen, jmifdjen hinein lange $af)re ^rofeffor am Seminar Maulbronn, unb
ift 93erfaffer eineS für feine Qe'xt öerbienfttidjen SDßerfeS „9Cftetr)obologie für ben
gefammten ßurfuS ber öffentlicfjen Unterroeifung in ber lateinifcfjen Spradje unb
Literatur" (1785—1799, 3 93änbe). $n Henningen mürbe am 9. IWai 1796
ber bem 33ater gleichnamige Sotjn geboren, auf ben fid) beS 23aterS Neigung
für ptjitologifdje ©tubien unb ben ßetjrerberuf bererbte. Dtadj SanbeSfitte biefe
©tubien mit tljeologifdjen Perbinbenb mar *p. 3ü9^n9 äuerft beS nieberen
Seminars 9J}aulbroun, bann (1813—1818) beS ljöljeren in Tübingen (beS fog.
„Stift"), erroeiterte aber feinen (SeftdjtSfreiS burd) Sefud) Pon ^eibelberg, roo
bamatS 3fr. Greujcr mirfte. Später Repetent in Uract) unb Tübingen mürbe
er 1822 9tector ber ßateinfdjule in 23iberadj , 1828 s4}rofeffor am ©rjmnafium
in Veitbronn, 1830 an ben oberen (ilaffen beS Stuttgarter ©rjmnafiumS , in
meld)er Stellung ty. bis 3U feinem £obe (2. 2Jtai 1845) mirfte, als ein burd)
grifdje, ^einljeit unb ©efdjmad wie burd) edjte Humanität überaus anregenber,
t)od)öeret)rter unb atlgtliebter Selber. Nebenbei toar er audj 9Jtitglieb beS
ftatiftifd)=topograpt)ifdjen S3ureau in Stuttgart, bearbeitete als fold)e£ auS bem
amttid) gelieferten Stoff unb auf ©runb örttid)er linterfudjungeu bie $3efd)reibungen
ber Oberämter SBangen, Seutftrd), fotoie (mit $. $faff) Pon Gelingen unb (mit
(Statin) Veibenfjeim, Nürtingen, unb beforgte im $. 1841 bie brüte Auflage
Pon MemmingerS Sßefdjreibung öon Sßürttemberg. 2luf bem ©ebiete ber daffifdjen
s4}t)ilo(ogie nid)t eigentlid) geteerter gorfdjer, öerbanb er bodj aud) t)ier mit
SEßeite beS SlideS ©rünblidjfeit im ©in^elnen, feines gormgefütjl unb gefdjmadootte
SDarftettung. (9lu§gaben beS Vora^ , 1823; einzelner ©djriften beS ßufianoS,
1825; Senecae epist. selectae, 1825. Quaestiones Isocrateae, 1828. lleberfetmng
fämmttidjer 2öerfe SufianS in ber ÜJte^terfdjen Sammlung, 1827—1832,
15 S3änbd)en; ber SBriefe beS Seneca, 1832—1836, Poüenbet öon 21. Vaaff).)
©ein practifdjer ©inn führte il)n öor,$ugSmeife ber Senfmälertunbe ju , als ber
Vermittlung jmifdjen SÖergangentjeit unb ©egenroart ( „Inscriptiones aliquot romanae
in solo Württembergiae reteetae", 1831. „lieber ben ©trafjenjug ber ^eutinger'fcfjen
£afel Pon SSinboniffa nad) ©amutoceniS unb öon ba nad) ategino", 1836, 4.
3at)lreid)e 5luffä^e, befonberS in ben mürttembergifd)en ^afjrbücfjern 1829 ff.).
©in anberer 2tjeit feiner ©djriften gilt ber©d)ute: „Materialien für lateinifdje
©tilübungen in ben tjöfjeren Stoffen", 1830. Verausgabe einer griedjif djen
(Stjreftomattjie aufammen mit 3?äumlein, 1837). Vermöge feiner ebenfo liebenS*
mürbtgen als im SSefenlidjen feften ^erfönlidjfeit eignete fid) ty. aud) Portrefflid)
jjum 9)Uttetpuntte für ein burd) bie Iftitmirfung mehrerer fid) aufbauenbeS
Sammelmerf, toie bie genannte 9iealencrjtlopäbie, beren Verausgabe er öom
$aljre 1837 an beforgte unb bis jum Slrtifel Iuno fortführte. Seine eigenen
Seiträge betreffen bie alte ©eogtaprjie ©uropa;S, unter meld)en fid) bie Slrbeit
über 6orintt)uS auszeichnet, unb bie Sittengefd)id)te, auS metdjer bie 2lrtitel
Funus unb Vetaren tferöorjurjeben finb, 5Rufter Pon geiftreidjer s2luffaffung unb
anjierjenber 33et)anblung.
©. Sd)roab im Sd)teäb. 5Rerfur öom 30. 5Jlai 1845. — Sorroort jum
Pierten Sanbe ber ^aut^'fdjen gteatenc^tlopäbie (Stuttgart 1846) S. VI ff.
20. S. 2;euffel.
Naumann: ßonrab ^p. S)ie Drgelfunft, ober genauer gefagt baS £)rgel=
fpiel feierte fd)on in einer 3ett 2riumpl)e, in benen bie übrigen ^nftrumente
fid) nod) in bem guftanbe \^xtx ^inbt)eit befanben. Sdjon bie Sermenbung
Naumann. 299
ber Orgel in ber Äirdje gab itjr eine rjötjerc SGßei^e unb [teilte fie als baS be=
borjugtefte aller 3>nftrumente Ijin. Saju fam ifjr lang gehaltener ebter £on,
ber fidj ber menfctjUcfjen «Stimme am meiften näherte. Sitte biefe llmftänbe,
öereint mit ben rapiben ftortfdjritten itjrer tecf)nifcb>n Serbefferung , fpornten
jeben Äünftter an fie mit ütteifterfchaft betjanbeln ju lernen unb fdjon bom
14. ^ahrtjunberte an nennt bie (Sefcfoicrjte Männer, bie trofe beS allgemein
öerbreiteten SefttebenS fiel) auf biefem ^nfirumente auszeichnen, boct) alle
Ruberen meit überragten unb beren 9tut)m bis auf unfere $e\t fortgetragen mürbe.
(Sin granceSco Sanbino ju ^torenj, ber 1390 ftarb (blinb geboren), mürbe bon
feinen 3eitgenoffen als unübertreffbarer Äünftler boct) gefeiert. 3f)tn fdjlofj
fiel) Antonio ©quarciatupt , ebenfalls ein Florentiner an, ber 1475 ftarb.
Sieutfcblanb blieb nict)t jurüd, unb toenn eS and) etmaS fpäter als jener Sanbino
bie 33ahn beS DluhmeS betrat, fo reifte fich bann ununterbrochen >flteifter an
9Jtetfter, benen 3n= unb 2luStanb unbebingt bie <Patme äuerfannten. Ser 3llt=
bater beutfcher Orgelfunft ift unfer ßonrab ty., ein ^eitgenoffe ©quarcialupi'S.
Um 1410 in Nürnberg blinb geboren, errjielt er feine (Sraiermng bafelbft burctj
Unterftüfcung tjocfjgefteltter Männer, mie ein unS glücfüch. erhaltenes S)ocument
mitteilt. 1446 mar er bereits Drganift an ber ©t. ©ebatbuSfircb> bafelbft
unb b erheiratete fiel) in bemfelben 3at)re mit 2Jtargarett)e 2öeict)ferin. SiefeS
(Shebünbnifj toirb unS burch. ein bon *p. auSgefteltteS ©ocument bezeugt. (2lb=
gebruclt in Dr. Soctjner'S neuer SluSgabe bon 9tofenplüt'8 ©pructjgebicht,
Nürnberg 1854 unb barauS mieber in SbrtjfanberS ^ahrbücfjern II, 75.) *ß. mürbe
nidt)t nur in Nürnberg hoctjgefeiert, fonbern auch ber beutfetje 3?aifer griebrich. III.
äeictjnete ilm aus unb auf einer 9teife nach. Italien warb er, mie unS berietet
mirb, befonberS bon ben ^erjagen bon 5Jtantua unb fterrara buret) reiche ©e=
fdjenfe geehrt. Sludj ben gtittertitet, ben er führte, mirb er rootjl auf biefer
Steife öom ^apfte erhalten t)aben. 2)er Sinter Ütofenptüt feiert ifjn in feinem
im 3- 1447 abgefaßten ©pructjgebichle auf bie ©tabt Nürnberg mit folgenben
Söorten (35. 257 ff.):
..Noch ist ein mayster in disem gedichte,
der hat mangel an seynem gesigt,
der heyst meyster Cunrat pawman,
dem hat got solche genad gedan,
das er ein meyster ob allen maystern ist,
wan er tregd yn seinen sinen list
dy musica mit yrm süssen don.
solt man durch kunst einen meister krön,
Er trug wol auf von golt ein krön.
mit contra tenor vnd mit faberdon,
mit primi tonus tenorirt er,
auf e lamy so sincopirt er" etc.
2tuct) feine Seiftungen als Sompontft finb mir im ©tanbe einigermaßen au
beurteilen, bie freilieb nach, bem ^Jla^ftabe bamaüger ßunftanfebauungen unb
beren miffenfdjaftlicbem ©tanbe au mürbigen finb. 2)aS Socheimer Sieberbucb,
#bf. beS 15. 3at)rf)unbertS auf ber gräfl. Sibtiotbef au Söernigerobe , bon gr.
Söitb. taolb in ßf)rt)fanber'S ^abrbücbern II, 1 herausgegeben, ferner baS
bon ber 9Mncb>ner £of= unb ©taatSbibliotljef erft jilngft ermorbene 33ujheimer
Drgetbucb unb baS 9Jtüncbener Sieberbudj, £bf. beS 15. ^abrhunbertS, ebenfalls
in ber 9Jlünchener ^of= unb ©taatSbibtiotbef, tjerauSgegeben öom Unteräeichneten
im 2. Sb. beS beulten SiebeS, ^couatSbefte für 2Jlufifgefcbichte, enthalten eine
Slnjaht Orgelcompofitionen unb ein breiftimmigeS beutfc|eS Sieb über ben £ejt:
„äöiblich; figur, in betne ferjur". S)ieS lefetere Sieb jeigt uns 5jJ. als einen für
feine 3eit außerorbentlic^ metobifet; unb mot)lfUngenb fefareibenben 6ontra=
300 üßaumgattten.
pundiften, ber mit ber gertigfeit in ber 33eljanblung bei meljrftimmigen ©atjeS,
einer Äunft, bie bamalS nod) in ber 3fugenb ir)tet 9luSbilbung ftanb, äugleid)
äarte Smpfinbung berbanb, Gngenfdjaften, bie fid) in jener 3eü fetten jufammen
finben unb felbft Bei ben bamalS bebeutcnbften ßomponiften Italiens , ber
9lieberlanbe unb $ranfreid)S nur feiten bereint Waren. 2Beniger anmuttjenb
beiütjren unS feine Drgetftücfe, bie meljr ber bamaligen birtuofen ütedjnif Imfbigen
als tjerborragenb in ber (Sompofition finb. 2lber als bie erften ©ocumente alter
Drgeltedjnif t)aben fie für unS einen Ijöljeren Söertl), als manche fpätere @r-
jeugniffe bie, wenn auct) bereits auf Ijöljerer (Stufe ber Äunft ftetjenb bennodj
gegen bie gleichseitige ©efangSmufif merflid) aurüdtreten, fo bajj fie met)r baS
ljiftorifd)e äntercffe in Slnfprud) nehmen als bafe fie unS einen $unftgenufj ge=
Wäljrten. ©djlid'S Orgetftüde, £)offtjeimer'S (Sompofitionen für bie Drgel, audj
bie ber Italiener bei 16. SaljrfjunbertS , tragen meljr ober weniger nod) baS
©epräge, waS unS bereits bei 5ß. entgegentritt. 9tofe. ©itner.
^aitOlflOrttcn : $arl, 9teid)Sritter b. sJß. würbe am 24. Dctober 1796 ^u
2Bien geboren, wo fein Skter ©igiSmunb 0. f>. als ^>of= unb ©eridjtSabbocat
unb als <£>ofritf)ter beS ©tiiteS ©d)ottcn fungierte. $. berlor fd)on im 13. Sfafjre
feinen SDater, unb feine Butter, eine geb. 0. Sonnleitner, fonnte bei ttjrem geringen
SSetmögen nur barauf bebad)t fein , ifjre 7 unberforgteu ftinbet in irgenb eine
frembe Sßerforgung ju bringen. 5ß. mürbe nad) Slbfolbirung ber ©bmnafial*
ftubien auf ben großen ©ütem beS ©rafen £)or)oS als ^raftifant aufgenommen,
Worauf er nad) einer 5praji8 bon brei Monaten pm ^anjteifdjreiber beförbert
würbe. @r fefcte feine ©tubien pribatim fort, bis er ju 3lnfang beS SaljreS
1815 ben S)icnft beS ©rafen bertiefj unb mit beffen llnterftüfcung als Sßribat»
cabett inS 49. Infanterieregiment eintrat, um gegen Napoleon ju fämpfen.
6r Wohnte mehreren ©efedjten bei, würbe bei 9Jtantua berwunbet, nat)m im
5Jcärj 1816 feinen Stbfdjieb unb fcljrtc in bie ©ienftc beS ©rafen ^urücf. @r
Würbe in feiner früheren ßigenfdjaft auf ber «§errfd)aft .£>om angefteEt, nad)
4 ^atjren jutu Kontrolleur ber -jperrfdjaft .gwljcnberg ernannt, 1821 in gleicher
Sigenfdjaft in bie ©raffcfjaft ©uttenftetn unb 1824 als Kontrolleur unb ©erid)tS=
actuar in bie &errfd)aft S)iofenborf berfefct. %m 3af)re 1826 legte er bie
9iid)teramtSprüfung ab, trat im Slprit beffetben 3fat)re8 als ^raltifant bei ber
f. f. SabafS* unb ©tempelgefällenabminiftration in ben ©taatSbienft, würbe im
9ftai 1827 jur probiforifd)en Settung beS f. f. ©efätten^nfpectoratS zu
Äorneuburg berufen, 1829 jum wirUidjen Slbminiftrator biefeS ^nfpectoratS be=
förbert, ehielt 1833 nad) Sluftöfung beS SMpectoratS bie zweite 6ommiffärS=
fteHe bei ber 6ameratbe3ivfSberWaltung bafelbft, 1840 bie erfte ©teile, 1841
eine gleiche ©teile in äöiener 'Dteuftabt unb 1844 in SSien. °$m 3fa^re 1851
jum ginanjratb, unb ^inanjbesirfSbirector ju Ung^bar in Ungarn ernannt, trat
er 1856 wegen gefd)wäd)ter ©eljfraft in ben 9iul)eftanb unb fiebelte nad) feinem
©ute ©raffadjfjof bei ^erni^ in sJiieberöfterreid) über , wo er fid) , foWeit bieS
fein gefd)Wäd)teS 3lugenlid)t jutie^ , mit litterarifdjen Slrbeiten befdjäftigte unb
am 19. Sluguft 1877 ftarb. — ty. War als ©d)riftfteller auf juribifdjem,
cameraliftifdjem, politifdjem unb poetifd)em ©ebiete tljä'tig. ©e!§r beachtenswert^
ift feine „(Srflärung beS ©trafgefe^eS über ©cfältSübertretungen" (1838). 33on einer
großen Slnja^l 2)ramen („Äönig unb Äünftler". — „SluS bem öfterreid)ifd)en
Sltpenleben". — „2>eS «8erfd)WenberS @nbe". — „ßieSli". — „©er S)orf«
notar" u. a.) finb nur jWei bem publicum burd) ben 25ud)l)anbel jugänglid)
gemadjt Werben: „ülubolf bon «gmbSburg, bramatifd)eS @ebid)t in 5 21." (1859)
unb „grana 9Jafocab„ bramatifdjeS ©ebid)t in 4 51." (1859).
ßeljrein, 35iograpl)ifd)=litterarifd)eS Sestfon, 2. 33b., ©. 4.
granj Sörümmer.
lauteren — ^auto. 301
^Qlltereit: Sofjann b. ty. ober $efpautere, ^äbagog unb bebeutenber
Spractjfenner am anfange bei 16. SfatjrtjunbertS, gehörte bem Greife ber 23rüber
beS gemeinsamen SebenS an, unb mar mätjrenb mehrerer ^atjre Setter p anfiel
(Sine), -Iperjogenbufdj, SBinorbergen unb GommineS. @r mar Sctjüler beS ber«
ehrten SetjrerS ©erarb (Jannrjr gemefen, melier noctj 1512 an ber f^fraterfctjule
31t ,!perjogenbufctj (et)tte , unb folgte itjm bort als Setjrer. Seine Sßerbienfte
mürben fet)r tjoctjgetjatten unb bie bon itjm tjerauSgegebene Spractjfetjre mürbe
fogar bon einer ^u $ftectjeln am Anfang beS 16. SatjrtjunbertS abgehaltenen
tfiretjenberfammtung für ben allgemeinen ©ebrauetj beim Unterricht autoriftert.
SCßietDot)t itjm baS eine 9luge fetjlte, roie S5offiu§ fetjer^enb meinte , tjatte er,
meit fetjärfere ©inficfjt in bie Spradjtetjre als bie meiften Setetjrten fetneä 3eit=
a(ter§. 2)ieS mactjte nid^t nur itjm f elbft einen großen tarnen fonbern trug
auetj fetjr jur 33£ütt)e ber graterfctjule ^er^ogenbufer) bei, roelctje bamalS metjre
tjunbert Söglinge äätjtte. Um 1620 mufj er geftorben fein; in ©eorgiuS
3Jtacropebiu3 fanb er einen borpglidjen Ütactjfolger. Einige feiner Sctjrüten,
Don f5obiiciu§ in feiner Bibliotheca medii aevi (II 67) ermätjnt, mürben
fetjon 1512 unb 1514 gebrueft.
Selprat, Broeclersch. v. G. Groote, 581.129, «DtoH, Kerkgesch. v. Nederl.
II 2C ft. 331. 244 unb 9JciraeuS, Chronicon p. 336. Dan Slee.
v}>CMtD: Stbriaen 5ß. , |)err bon ^eemftebe, niebertänbifetjer (Staatsmann,
Dteinier ^auto'S (f. u.) ättefter Sotjn, geboren 1585 in SImfterbam, fam buretj
beS 3}aterS ©influfj fetjon in jungen ^a^ren in bie Regierung. 1612 mürbe
er Ütattj unb $enfionär bon Slmfterbam unb ftanb mit feinem SSater boran in
ben Oteitjen ber Dppofition gegen Dtbenbarnebelt. 5DaS berfetjaffte itjm im 3-
1619 bie ©teile eines GuratorS ber Seibener Uniberfität; er tjatte bie traurige
ßtjre, bie Säuberung ber Uniberfität ju boIt<jietjen unb Männer mie 3)offiuS unb
SartaeuS aus itjren Stellen als ^rofefforen unb lederen auetj als Dtegent beS
StaatencollegiumS (beS 2tjeologenconbicteS) au entfetjen. Setjon frütj mit bipto=
matifetjen 5ßiffionen bon ben Öeneratftaaten betraut, natjm $. als @efanbter
in granfreictj , Güngtanb , Sänemarf unb Seutfetjtanb grofjen Slnttjeit an ber
auSmärtigen ^olitit ber Staaten , bie er balb neben bem ^ßriujen griebrietj
peinrictj ju fütjren tjatte, als er 1631 jum ÜtattjSpenftonär bon £>ollanb ermätjlt
mürbe, 3n ben erften ^atjren nact) OlbenbarnebeltS ftaü tief tjeruntergefommen
ertjiett baS 2Imt buretj -£. mieber einigermaffen bie Söidjtigfeit, meldtje eS bortjin
befeffen. SBatjrfctjeinlictj mar eS eben barum, bafj ber ^rinj itjn mit be $nurjt
im $. 1635 buretj bie Untertjanblung über ba§ bekannte Sct)u|= unb :£rut$=
bünbnifj in fjranfreicf) nactj ^ariS ju entfernen fuctjte unb feine Abberufung
ju hintertreiben mufjte. 5ß. legte barum 1636 feine Stelle als ütattjSpenfionär
nieber, betjiett aber, als 2lbgeorbneter bon Slmfterbam nietjt allein in ben Staaten
bon Jpotlanb fonbern auetj als 93citglieb ber tjollänbifctjen Deputation in ben
©eneralftaaten noctj einen mafjgebenben (Sinflufj. 1646 mürbe er Seputüter
jum griebenScongrefj in fünfter unb natjm an bem Sauf ber Untertjanblungen
als Vertreter ber ^riebenSpartei tebtjaften ?tnttjeit: bie gran^ofeu befctjulbigten
itjn, gemifj mit Unrectjt, fictj ben Spaniern berfauft ju tjaben. Sein Slnfetjen
ftanb jet3t tjoctj; er matb 1649 an bie Spitje ber ©efanbtfdjajt geftettt, metetje, baS
Seben $önig ÄarlS I. ju retten, bergeblictj nactj Snglanb abgefctjicft mürbe. Söenn
er auetj nidjt j$u &en ©egneru OranienS getjörte, fo bertrat SJ>. bamalS boctj
eine ipotitif, metetje in itjren ^>rincipien ber bon Otbenbarnebelt nätjer ftanb,
unb burctjauS abmictj bon ber bemotratifctj--caloiniftifctjen, metetje im $. 1618
bon 9ftori£ bon Cranien, SlerffenS unb ^aum'S SBater jum Siege gefütjrt
mar. Setjtere mar eben in 2tmfterbam böüig 31t S3oben gefctjtagen, eben in jener
Stabt tjatten jetjt bie Sibertiner itjren .^auptort, bie ftemonftranten fanben bort
302 $autt>-
jjuerft ©chufc, ber ^rieben mit ©panien fanb beS ,g>anbel§ roegen ben ftärf=
ften Slnhang. Unb ba§ $ntereffe feiner ©tabt galt ty. fo ju jagen al§
ba§ ^ntereffe bei ßanbe§. 9ll§ 3Bilhelm II. feinen berfef)lten ©taatSftreich gegen
Stmfterbam führte, berblieb 5ß. in ber Neutralität , melche ihn aud) an bem
fdjroffen auftreten ber Jöider unb ber anberen Slmfterbamer Regenten feinen
üttjeil nehmen liefe; boch" at§ bann ber $rina geftorben unb ber sJlatt)$penfionär
6atS nad) Slbbattung ber „©rofeen 23crfammlung" feine ©teile niebergelegt
tjatte, liefe 5ß. fid) nad) langem ©häuben unb unter eigentljfimlid)en 23ebingungen,
namentlich, um einer Söieberljolung be§ Verfahren! ber 3at)xe 1618 unb 1619
borjubeugen, 1651 auf§ Neue ^urn 9tatt)§penfionär ernennen. 3\n nächsten $al)r ber=
fudjte er al§ aufeerorbentlidjer ©efanbter bergebenS ben $rieg mit ©ngtanb
abäuroenben unb fam burch feinen ßifer für ben fyrieben in SJerbadjt, im ($e=
heimen mit ben Snglänbem äufammenauljalten au§ gcinbfchaft gegen ba£ oranifdje
«£)au§. 2)a§ SSolf motlte fein ^>au§ in Slmfterbam unb fein ©chlofe in ^eemftebe
plünbern; roogegen bie ©taatcn i()n in ihre protection nahmen. 9lidjt lange
nadjber, am 21. Februar 1658 ift er geftorben, ben 9tuf eine§ fähigen, roenn
aud) nidjt immer grofe benfenben unb Ijanbelnben, etroa§ fteinlidjen unb nicht
immer cncrgifdjen unb uneigennützigen ©taat§manne§ mit in§ ©rab nerjmeub.
Den dürften unb gvofeeu sperren unb t)öfifchen Diplomaten in ^ranfrcidj, (Sng=
lanb unb Deutfd)lanb gegenüber erfchien ^auroä auftreten äl§ ©efanbter ctroa§
tplperig unb fteif, roie Sßicquefort fagt : *ß. mar fd)on fein Kaufmann meljr,
blofe Siegent, roenn er aud) ba§ bäterlidje Vermögen eifrig bermehrte. 23on
feinen fünf Sßrübern roar ber ^meite, 9JHd)el (geb. 1590), ber ©tifter einer
eigenen fleinen ^flanjung „^abonia" am «Ipubfon im jetzigen 9tero Werfet),
roetdje er aber 1637 ber äöeftinbifdjen Gompagnie berfaufte; ber britte, Oleini er,
(geb. 1591) mar nid)t roeniger at§ 55 3fat)re lang 9Jlitglieb unb *prüfibent be§
•gjotjen 9tatlje§ (2lppeu% unb (JaffationStjof) bon £>oEanb unb ©eelanb ; ber bierte,
GornetiS (geb. 1593) rourbe sroan^igiährig ber erften nieberlänbifchen ©efanbt=
fctjaft in Gonftantinopel attad)irt, bann (Sonfut in Slteppo unb 1631 ©efanbter
beim $önig ©uftab 2lbolf, ben er aud) auf feinem ©iege§juge begleitete, roie er
aud) fpäter bie äJerbinbungen ber Otepublif mit Orenftjerna Vermittelte , einer
ber erften Diplomaten bon 33eruf, roetdje bie nieberlänbifcije ©efchidjte ääljlt.
Stergl. $liteema, Saeken van Staet en Orlogh. — SBicquefort, Hist. des
Prov. Unies unb L'Ambassadeur. — SÖagenaar'ä Amsterdam, unb Vaderl.
Gesch. unb bie Noten be§ ban 2Bl)n ju berfelben. — SSreebe, Gesch. d. Nederl.
Diplomatie. — Arend. v. Rees, Brill & v. Vloten: Alg. Gesch. d. Vaderl.
— Ütybeman, De zee betwist. ■ — ßoenen in Nijhoff's Bijdragen VI & VII.
$. S. «ücüller.
^ailtt): ^eterip. (^ßaam, $abiu§), Str^t, 1564 in 3lmfterbam geboren,
batte juerft unter 93ontiu§, ^>eurniu§ unb S)obonaeu§ in Serben, fpäter unter
Duret unb f5fa!6re in 5$ari§ 5Rebicin ftubirt unb fid) auf ber letztgenannten
Uniberfität bor<$ug§roeife mit anatomifcben arbeiten befcbäftigt. 3u feiner
meiteren 2lu§bilbung ging er nad) ütoftod, roo er 1587 bie SDoctorroürbe er=
langte, unb fobann nad) 5pabua, roo er unter gabrijio feine anatomifdjen
©tubien fortfetjte. 9lacr) ber Siüdfebr in feine .^eimatl) tnurbe er 1589 jum
SProf- ejtraorb. für 33otanif an ber Uniberfität ßet)ben ernannt, alSbalb aber
jum 5)3rof. orb. für biefe§ ©ebiet unb für Slnatomie beförbert. Wad) beiben
Dichtungen hin hat fich 5ß. um bie Set)bener Uniberfität fehr berbient gemacht;
auf feine Sßeranlaffung mürbe ein anatomifdjeä Stheater gebaut unb ein bota=
nifcher ©arten angelegt unb an beiben $n#ituten Ijat er bi§ ju feinem am
1. Sluguft 1617 erfolgten ütobe al§ Seljrer eine erfolgreiche £t)ätigfeit ents
midelt. — S5on feinen, borjugSroeife Sotanif unb 2lnatomie behanbelnben
$auro. 303
©chriften berbienen namentlich, „Hortus publicus acad. Lugd.-Batav., ejus ichno-
graphia, descriptio etc." (1601, erweitert 1603 unb 1629 , ,,Primitiae anatomicae
de humani corporis ossibus" (1615. 1630, 1633), ..Andr. Yesalii epitome
anatomica'' (mit flöten unb Gomm entarten berfet)en, 1616, 1633), ,.De vulvula
intestini Bauhini" (in feinen ,,epistolae ad aroicos" in Fabricii Hildani Opp.
med.-cbir. abgebrudt) unb ,,Observationes anatomicae selectiores'- (in Bartholini
historiarum cent. III et FY) tjeröorgehoben ju merben. (Jine bon it)m ber»
fafete „Methodus anatomica" ift bi§ jutn (Snbe be§ nötigen 3al)rb,unbert§
h^nbfdjriftlidj aufbewahrt gewefen, fcrjetnt feitbcm aber berloren gegangen
3u fein.
lieber fein Seben bergt, ßberarb Vorfi , Oratio funebris in memoriam
P.-P., Seib. 1716 unb ©uringar, Gesch. van het geneeskundig Ondenvys
van de Leyd'sche Hoogeschool. — @in Veraeidjnifj feiner anatomifdjen
©djriften ftnbet ftdj in Rätter, Bibl. anat. I. 331.
«. £irfch.
^OUÜJ: Retnier $., niebertänbifdjer Staatsmann, geb. 156-1 in 9lmfterbam,
mar ber ©otm be§ 2lbrtan5ß., ber, auä (Souba, mo feine Familie fdjon länger
al§ ein 3a&rf)unbert in hof)en (5t)ren ftanb, nach. Slmfterbam übergefiebett, ba=
felbft, namentlich, burdj ben Cftfeetjanbet, großen Reichtum erworben hatte,
im $. 1568 Wegen ber herborragenben Rotte, wetctje er al8 eifriger Reformator
in ben 2Birren ber fechjiger fahren gefpiett, nad) Smben geflüchtet unb erft
nach jetm fahren aurüdgefehrt war , boch , nacr) bem ©turj ber tattjotifch^n
©tabtregierung, 26. Wlai 1578, ^um ©chöffen erwählt, fchon im #«bfte bee=
felben Jahres ftarb. Der ©ohn erbte be§ Vater§ Oteichthum unb Grinftufc in
feiner ©tabt unb ftanb batb boran unter ben ^auftjerren, wetche immer neue
^panbelswege auffucfiten , wäbrenb er jugleid) in ber ©tabtregierung unb ben
©taaten feinen geringen Sinftufj erwarb. 6r gehörte ju ben eifrigften Vertretern
bei 6a[oini§mu§ unb erfafi, Wie e§ fcheint, in ben Unternehmungen in ^nbien
unb 2lmerifa nicht allein ben commercietlen fonbern auct) ben politifdjen Vor=
ttjeil unb namentlich bie Mittel, ©panien unb bie fatt)olifcf)e Religion p fdEjäbtgen.
@r nahm herborragenben Slntijeil an ber @rrict)tung ber Vereinten Dfiinbifdjen
Gompagnie unb fucfjte audj bie $läne be§ SBeffelinr um eine weftinbifdje juftanbe
3U bringen, ju berwirflic£)en. 2öie e§ fctjeint, fjaben bie weit au§einanberget)cnben
Slnfidjten in biefem fünfte eine geinbfdjaft swifdjen itjm unb Dlbenbarnebelt
Wenn nicfyt tjeroorgerufen, fo bod) genät)rt, Welche fdjon in ben Sauren, al§ über
ben ©tiltfianb mit ©panien gehanbelt würbe (1607—9), $. an bie ©pike ber
Dppofition gegen ben Slbbocaten brachte, freilich ein fdjroffer ßatbinift, ein
Verfechter beS fortmäbrenben $ampfe§ mit ©panien, baju feiner ©tabt eine
Taft unabhängige ©teHung binbicirenb, tonnte $. mit bem -gmupt ber ßibertiner,
ber ^rieben§partei unb ber ©taatenfouöerainität mdjt aufammengetjen, wenn er
auct) bann unb Wann wie 1613, al§ er ttjettnaljm an ber ©efanbtfctjaft nad)
Qjngtanb, um ben ©treit ämifdjen ben engtifdjen unb niebertänbifdjen ofttnbifdjen
ßompagnien p berfötjnen, mit it)m einen Söeg ging. %n ben folgenben ^atjren
ftanb 5)}. mit granooig bon Slerflenä an ber ©pike ber Galbinifien in £oIIanb
unb eS erWedte gro|e (Sntrüftung unter ben ßibertinern unb bei allen, welche nietjt
bon 5parteiha^ erfaßt Waren, all er eine ©teile im aufjerorbentüchen ©eridjtsbof
erhielt, Welker ben Stbbocaten äu urtt)eiten, ober beffer gefagt, ju berurttjeiten
hatte. Sie remonftrantifche unb libertinifche treffe überhäufte 5ß. mit bitterem
^>ohn, namentlich Vonbel hat ibn hart angegriffen. S)och Würbe er fürs nächfte
§ahr, 1620, jum achten 9ttate jum Vürgetmeifter erwählt. S)ann aber berliefj
ibn bie ©un|l feiner Mitbürger; in ber ©tabt berlor er feinen ßinflufj; eine
©efanbtfctjaft in S)eutfcbtanb, 1623, tonnte ihn bafür nidjt entfehäbigen. 1625
304 c4?ouh)el§ — *ßat)en.
mufjte er e8 felbft erleben bom 23olf bebrotjt ju werben roegen einer 2lnfd}ulbiguug
be§ berbotenen -gmnbelä mit (Spanien unb in ben jetjn legten Safjren feines
SebenS fat) er fioax jeine Familie in bot)en (Stjren unb feinen älteften ©ot)n alä
einen güljrer ber nieberlänbifcrjen ^olitif tfjätig, aber gerabe für bie ^rinciüien,
meldje er auf§ SIeufjerfte befämpft rjatte. gortroätvrenb nafjm ty. einen regen
5lntfjeU an ben Unternehmungen auf bcm ©ebiete be§ Jpanbetä unb ber 6oloni=
fation. @r beteiligte fidj lebtjaft an ber meftinbifctjen ßompagnie unb an ber
Einlage ber Kolonien in 9torbamerifa, mo fein ätoeiter ©ohn mit feinem finanziellen
Seiftanb bie Kolonie ^abonia am Jpubfon grünbete. Sr ftarb 163G, ein
£rjbuä jener ftarfen, energifctjen unb fähigen ©eneration bon $aufleuten unb
Regenten, bie an ber ©pitje beS ©taateä bod) zugleich. .Ipanbetäleute blieben,
©eine 23rüber, ber eine, 5ßeter, ein fjofjer Beamter ber 5probtn3 -"potlanb unb
23ater be§ bekannten Anatomen unb 33otanifer§ ^etruS 5ßabiu§, ber anbere,
$acob, 23ürgermeifter bon SDelft, roaren iljm fctjon lauge in8 ©rab boran=
gegangen. SDrei feiner ©örjne aber rjaben ben Sftuf feiner SönnKc glänjenb
erhalten.
33gl- SBagenaar, Amsterdam unb Vaderl. Historie, 23b. IX. — ßommelin,
Amsterdam. — 9lrenb, ban 9iee3 unb 33rill, Alg. Gesch. des Vaderlands. —
©bereue Sitteratur: Äoenen in ftijfjoffg Bijdragen, 1. ©erie 33b. VI unb
über ^ßauro'ä 33atcr bon bemfetben : Adriaen Pauw : Eene bijdrage tot de
Handelsgeschiedenis der 16 eeuw. Amst. 1842.
«P- 8. Füller.
^autticIS: 93artrj6lemt) $., Shutfer in ©ent bon untergeorbnetcr 23e=
beutung, beffen SH-ucfroerfe eine fetjr mittelmäßige 3Iu§fübrung aujmeifen. ©eine
Jbätigfeit erftrecft fidj bon 1642 — 1644. 9tach feinem im lefjtgenannten $at)re
erfolgten £obe führte feine SBittroe baä ©efdjäft bi§ 1647 fort, bon ba ab ber=
fdjroinbet ber Warne.
gerb. 2)anberr)aegen, Bibliographie Gantoise. 8 tora. Gand 1858 — 66.
ty a l 1 m a n n.
"llkljeu: 9licola8 $. ($aien, 5)3aen, 5pabenu§), ein *priefter unb ßomponift
be8 16. ^atrchunbertä, geboren gegen 1512 in ©oignie§, mo er anfänglich ©änger=
fnabe mar, fpäter aber mar er in ber fpanifdjen ^ofcapelle in 9Jtabrib in gleitet
©igenfchaft thätig. Sie alten ütecfmungen im bclgifchen Slrcbib jäblen irjn nodj
im %. 1526 als folchen auf. ©päter mürbe er in berfelben (Sapelle fogenannter
„chapelain des hautes messes" ; barunter berftanb man bie (Slite be§ ©änger=
chor§. Um 1556 befleibete er ben Sapetlmeifterpoften in berfelben (Sapelle unb
ftarb im 5lprit 1559 ^u 9Jtabrib (3f6ti8, Biogr. univers.). 35erbiente @apelt=
mitglieber erhielten in bamaliger 3eit fogenannte ^räbenben unb *p. bejafj
beren brei, mie 93an ber ©traeten (La musique aux Pays-Bas, 93b. 3, p. 148)
in ben belgifchen 3lrcbiben gefunben hat. 2)ort fjeifjt eä am 3. ^uni 1553
„9Jce|firc 9ticola§ ^ßatjen, SapeUfänger ber hoben 2)ieffe, ertjält au§ ber Sßräbenbe
äu 236tr)une 45 ßibreS, 9 ©ol§; au§ ber ju ©oignie 44 ßibreg, 10 ©ol§ unb
aug ber ju ßen§ 43 ßibreg, 16 ©ol§, 8 ®enier§, ©umma 133 Sibre§, 15 ©ot§,
8 ®enier§." f$e^i§ nennt anbere 5präbenben: eine ^u ©aerbliet, ^u 93alencienne§
unb 9tibeHe§ unb fügt noclj {»inju: fpäter mürbe er pm S)edjant au Surn^out
um 1558 ernannt. SDa %H\% fjierau feine Quelle beraeicljnet unb 33an ber
©traeten, ber bie betgifdjen Slrd^ibe fet)r genau unterfucht, nictjt§ berartigeS ge=
funben, fo muffen mir biefe eingaben borlaufig auf fidj berufen laffen. 2)on
^atjen'S ßonibofittonen finb un§ burd) ben S)rud! nur 18 ©efa'nge erhalten,
bielleid^t finben fict) in ben Sibtiotbefen ©panieng ^anbfdjriftlich nodtj einige,
bodj finb bie bortigen SSibtiottjefen bem Slugtänber berfdjtoffen unb bie ein=
$ecbe. 305
heimifchen «Dluflfer haben bis jefct fein ^ntereffe Tür bie alte Äunft fle^eigt. Siefe
18 ©efänge ftnb gröfetentheitS in ©ammetmetfen beutfcher Verleget beS 16. 3abr=
bunbertS erfctjienen (fiehe meine Bibliographie, Berlin 1877 p. 775). 2lmbroS bat
einen £heil berfelben in «Partitur gefeht unb berichtet barüber im 3. Bb. feiner
©efchichte ber Elufif p. 303: qjaijen'S 3Jtotctten finb ernft unb tüchtig, aber
hoilen. ©ine feiner beften Gompofitionen ift bie Motette au? ben £ob ber
ßaiferin Sfabella, ©emarjlin ÄarlS V., „fie tönt wie baS bumpfe fallen einer
Sobtenglocfe". 2IIS «Dlciftcr funfiPotter canonifcher ©timmenfübrung aeigt er fich
in ber 'fünfftimmigen Motette „Resurrectio Christi". 2lu£er Motetten finb auch
einige ßhanfonS unb ganjonetten befannt, bie aber noch ber Prüfung harren.
3)aS beutfebe geiftliche Sieb in ®eorg fthau'S Sammlung bon 1544 „%n ©ott
glaub ich" hat wahrfcheinlich urfprünglid) tateinifetjen Sejt unb ift ber beutfehe
2ert wobt erft buref) 9thau untergelegt, bamit baS Sieb feinen Stoecfen btenftbar
würbe. ^°6- ®üner.
töedje: £herefe $., ©chaufpielerin, geboren am 12. October 1806 au
gßrag, ftarb am 16. «Hfcära 1882 31t SBien. 2herefe $., beren ^ugenbgefchichte
bis tjeute nicht genügenb aufgehellt ift, mar bie Sochter eineS öfterreichifchen
DfftcierS. ©ie fpielte in früher Sfugenb auf ber Siebhaberbühne beS fog. 9hfla§=
theaterS unb trat balb auch öffentlich unter £otbeinS ßeitung auf. fltadj ben
«Mitteilungen eines getoiffen ftriebrich aus ftranffurt, beS BerfafferS bon „Bieraig
3ahre auS bem Seben eineS lobten" a°3 fie bann am fthein mit einer Menagerie
herum unb aeigte fich als Sircaffierin berfteibet, als ©chtangenbänbigerin. $ener
griebrich entbeefte fie, entaog fie ihrem SBirfungSfreiS unb brachte fie auf bte
Büfjne auritef. ©ie fetbft hat fpäter nach einer Wittheitung ber 91. freien treffe
biefe abenteuerliche ^ugenbfahrt als erfunben beaeiebnet. $m SBinter 1826 27
mar fie jebcnfattS — ob mit £$riebrichS £ütfe ober ohne biefe ift faum mehr
befinitib feftjuftellen — TOglieb ber Pereinigten =Tbeater ßöln-Sonn, benen
ftingelbarbt als ©irector borftanb. 3n ®onn fah fie 91. SB. bon ©chteget als
3utie unb war bon ibrem ©piete „überrafebt, erftaunt unb bejaubert". 3n
einem Briefe, ben ©chleget ber .Rünfilerin nacb ber Borfteltung bon «Romeo unb
3utie bamalS fchrieb (unb ber 1839 in Bäuerin Sheateraeitung «Jtr. 208 ber*
öff entlicht Würbe), fagte er ihr, eS fei ihr gelungen in „biefer gewagten «Rolle bte
ganae ©ewalt ber Seibenfchaft auSaubrücfen unb boch alteS mit ber ftttfamften
Sattheit unb «ttnmuth au übertleiben". Unb meiter biefe eS: ,,©te finb berufen
bie äöerfe wahrhaft grofjer Sichter burch ^hre ©arftettungen aur irfchetnung au
bringen ... ©ie bebürfen feiner gelehrten Anleitung, ©ie befifeen alles 2öefent=
tic£)e unb 3br natürliches ©efühl wirb fie am richtigen leiten." Die gtänaenbe
Sufunft, toelcbe ihr ©chlegel propheaeiljte, würbe rafch aur SBirfttchfett. 1827
würbe 5ß als erfte tragifche Siebhaberin für baS Hamburger ©tabttheater engagirt,
an bem fie um fo met)r mirfte, als fie nach Uhbe'S auberläffigem Urthetl bamalS
baS einaige Witgtieb war, „Welchem ber unfagbare fteia höchfter poehfeher äöetbe
Pcrlie^en war". 3hre ©chönheit beftätigt SeWatb auSbrücflich. Obgleich fte balb
Siebling ber Hamburger würbe, unteracichnete fie boch 1828 einen lebenslänglichen
Sontract für baS ©axmftäbter ^oftbeater unb bertaufchte btefeS m jotgenben
^ahr mit bem £oftheater in Stuttgart. 2lEein auch bier war threS BletbenS
nicht lange. SBar fie in ©armftabt erbitterten ^ntriguen gewichen, fo bertrieb
fie auS ©tuttgart bie 9tibatität ber bom Äönig begünftigten 9lmalie ©tubenrauch.
3u ihrem Bortbeit! Denn nun erft trat fie in einen ÄunftfreiS unb auf eine
©tätte, bie in theatralifcher £nnficht au ben erften gehören: fie würbe 3Jtttglieb
beS ^ofburgtheaterS in SBten. Bis au ibrer ^enfionirung 186/ War fie Wit«
gtieb biefer ^erborragenben Bühne unb wirfte in bem* erften 2h eil btefer
Slttgem. beutf^e SBtogra^ie. XXV. 20
306 5ßed&lin.
^eriobe burdj ba§ 3a*te, ©innige, ßiebXirf)e ib,re§ Talents unmiberfterjtid) in
Collen wie Ophelia, $ortia, Marianne, JUärdjen if., unb öertrat fpätcr at8 i^r
Organ ben tiebtidjen JHang Pertoren tjatte, ba§ $ad) ber ©atonbame meift mit
2}ornet)mt)eit, aber leiber nidjt immer mit ©rjolg. — ©apr)ir rühmte ir)i* treffenb
uad), bajj fie ju bem ©ejütjt bie 33ilbfamleit, jur ©mpfinbung ba§ 9Jtaf3 unb
jur ßeibenft^aft bie ©renje rjinaujufügen toerftetje unb bafj itjre SDarfteEungen an
bem (Slement ber 9Jtäfjigung gezeitigt mären. — ©eit 1840 mar fie mit bem
granjojen Sötmel be Sauget Permäfjtt, ber 1864 ftarb.
3ofef -ßürfdjner.
^cdjltlt: Tsriebridt) ßtjriftian gf^'&inanb, 33a ron ö. $., Diplomat
unb Didjter. 6r mar geboren in 9torburg auf ber fd)le§migfd)en $nfet Sllfen,
mo fein 2)ater .ftammerfjerr 9t. £). Saron t>. ^ß. bamal§ Amtmann mar, am 22.
Januar 1789, roibmete fid) bem ©tubium ber 9fted)t§miffenfdjaft unb beftanb bas
juriftifdje 9tmt8ej:amen 1811 mit 2tu§jeid)nung. 1813 marb er 9lu§cultant in
ber fd)le§mig=rjolfteinifd)en ^anjtei in Äopenljagen. Darauf trat er 1815 in bie
biptomatifdje ßaufbatjn ein ai% Segattonäfecretär bei ber ©efanbtfdjaft in granf=
fürt a. sJJc. ©egen (Snbe beö $af)reä 1823 marb er Deputirter in ber fd)le§m.=rjolftein.
^anjlei. Dod) bauerte bteö nur bil 1825, ba er mieber jur Diplomatie unb nadj
gfranffurt 3urüdferjrte al§ 33unbe6tag§gefanbter für <£>otftein. äßätjrenb biefer geit
marb er fdrnn 1825 föniglidjer Äammerljerr, 1826 Sommanbeur tiom Danebrog,
1828 aud) DanebrogSmann, 1834 ©rofjfreuj öon Danebrog, 1841 ©etjeimer
Sonferenjratrj unb ©jceUenj. 2lud) feitenä ber S3unbe§fürften mürben it)m
mancherlei siu«3eid)nungen 311 Irjeil. $m 3- 1848 marb feine ©teüung in
granffurt unhaltbar. 'Jcadjbem er eine 3eit lflnS °^)ne Function gemefen, marb
er 1852 jum ©ouöerneur unb ßanbbroft be§ £)er3ogtl)um§ Sauenburg ernannt.
1856 marb er, auf fein ^nfucfjen, au§ biefem Dtenft mit *)3enfion enttaffen unb
trat in ben 9tur)eftanb, in bem er nod) bi§ 1865 gelebt Imt. 2113 Didjter
mactjte fid) ty. perft befannt burd) feine Ueberfetmng öon Stomas 2ftoore'§
ßalla ütooffj 1830. Dann folgten Sammlungen feiner Irjrifdjen ©ebidjte, 1840,
1842, 1852. @igent()ümtid) ift fein 53erfud), bie SBeltgefctjidjte in Werfen mieber=
mieberjugeben : „9lad)ftänge ber alten ©efdjidjte, mieberrjattenb bi§ in bie ^leu^eit",
1844, 2. 3lufl. 1856. @r tfjeilt bie 2öeltgefd)id)te in 9 ^erioben, befingt
bie Söegebentjeiten jcber ^eriobe unb fdjliefst bie neuefte 3eü m*t biefer
Steflejion :
2ßer fidt> an3 Grroige nidjt fjält,
£er muJ5 oeraroeifeln an ber SBett,
£enn nimmer, nimmer tmrb er löjen
®a§ große 9tätf)fel öon bem SBojen,
5ßon feinem j^lud) unb feinen Letten
$ann ein @rlöjer nur erretten.
SBirb neu er au§ ben 2Bef)'n geboren
£er 3^ten» °ie aud) ttjn oertoren,
Sann ift ba§ Seben au§ ben Söanben
£e§ Jobe§, 2ag au» 9iad)t erftanben.
Diefer Sßerfudj ift trofe feiner 2 Auflagen nidjt gerabe afö gelungen ju
betradjten!
5ltberti, ©djriftftetterlerifon. — Srümmer, S)id)terlerifon.
Sarftens.
$ed)ltlt: Sodann Nicolas «p.f Slr^t, 1644 (ober 1646) in Serben ge=
boren, ^atte bafetbft 5)lebiciu ftubirt unb nad) SSertljeibigung feiner „Dissertatio
de apoplexia'' 1667 bie SDoctormürbe erlangt. 9tad) einer größeren miffen*
fd)aftlid)en üteife burdj Italien, mo er fid) längere Qdt auf ben bebeutenbften
Unioerfitäten aufgehalten Ijatte, mürbe er 1673 ^um ^rofeffor ber ^tebicin in
5|Jed&Itn. 307
Atel unb 1680 mit bem ütet JpoTratf) äum Seibatjt bes -Jperaogg Gljriftian
Sllbrecfjt Don Jpolftein=($ottorp ernannt. 9lacfj bem 21betspatent bei 0.'fcfjen
Familie Dom Safyxe. 1740 atmncirte er fpäter ^um 3ufH$> unb Äanjleiratf). Gr
begleitete ben jungen ^)erjog $rieorid) IV« 1698 nQd) 'Stucfrjotm, roo fid) ber
^er^og mit Äönig Äarl'S XII. <2d)tt>efter ^pebroig (Soptjie Dermalste. Später
(1704) ging er atä ^Begleiter be§ bamatä bierjatjrigen ^erjogS .ßart fyrtebricf),
bem er als» Serjrer beigegeben mar, nod) einmal batjin unb ift tjier im Februar
1706 geftorben. — S3on feinen titterarifdjen arbeiten (ein äkrjeidjniB berjeloen
finbct fid} bei Gforj, f. u., Rätter, Bibl. anat. I 598, Bibl. chir. I 419 unb Bibl.
med. pract. III 221) öerbienen „Observationum physico - medicarum libri III"
(£>amb. 1691) genannt <ju werben, bie, neben manchen bon ßeidjtgläubigfeit
^ectjtin's jeugenben SSemerEungen , intereffante anatomifd)e, djirurgifctje unb
mebicinifd)e 9JUttt)eitungen enthalten.
eiotj, Dict. hist. de la med... Mons 1779 III, 507. — D. b. 31a, Biogr.
Wordenboek der Nederlanden. 91. <£>irfd).
s}?edjUH: ^otjann gfxJjr. b. 5ß., (Sbler bon Sötoenbad), gottorpifcfjer
(Staatsmann, geb. 1677, t am 9 10. Februar 1757. 9tact) ben Siiptomen,
burd) roetcrje er 1740 in ben beutfd)en 3tbet= unb 1743 unter Seifügung beS
Samens ßbler d. Söroenbad) in ben beutfdjen greirjerrnftanb erhoben roarb, märe
mit $önig Gtjriftian I. bon Sänemarf au§ bem burgunbifdjen Ärieg (f. St. S).
SB. IV, 183) ein <Stepr)an Sß., au§ ber Dcormanbie ftammenb, mit nacf) ©cfjtesroig
gefommen, beffen ©ofjn, @nfel unb Urenfet, Martin, Ssofjann unb Martin, „tapfer
<See= unb Äriegemänner roie nid)t meniger Sanbbogt au? ber jum ^perjogitjum
©djIeSroig gehörigen ^nfet fyerjmain gemefen". ^otjann 5ß. roarb 1703 Slfieffoi
ber gottorp. %u)tifr unb föegietungifanalei in Scrjiesroig unb 1710 Sufti5= unb
Äanäletratl), mar aud) Cberbibliottjefar ber r)eraogl. Sibttotrjef. @§ mar bie
3eit ber fdjtoerften politifdjen Söirren für ba§ ©ottorper -öaus unb ^erjog
griebrid) IT., au» feinem Sanbe bertrieben, mar 1702 bei Gtifforo gefallen;
ber bamats erft 2 jätjrige Äarl griebridj roarb 1704 unter ber .!put ebenfalls
eine§ ^ßedjtin (f. o.) nadj ©todfjolm gebracht. 211s 1713 bie gottorpifctje
33ibIiott)et in bänifd)en SBefifc überging, [teilte ftdj $. ber gottorp. Regierung
in Äiet jur Verfügung. Qu. roiebcrtjotten ©enbungen an ben faifert. <öof ge=
braucht, roarb er, nactjbem 1719 §erjog ßarl gfriebrid) bie Regierung in $iel
angetreten blatte, 1720 jum fctjle»roig = b>lfteinifd)en ©taatSratf), fpäter }um
©etjeimen ScgationSrattj, unb enbtid) jutn Äanaler ernannt, ^erjog Äarl griebrid)
ftarb jdjon 1739 unb e§ trat auf'8 *fteue eine bormunbfd)aftüd)e Regierung ein
(f. u. $eter, Äaifer pon Otufjtanb). 9tad)bem bann .^erjog (Äatf) $eter
(lllrid)) nad) erlangter 2Rünbigteit§erf(ärung bom 17. ^uni 1745, bie Regierung
über ^oIftein=©ottorp angetreten rjattc, aber all ©roBfürft=2:t)ronfotger in 0ru§=
lanb feinen 2lufentrjalt nehmen mußte, toarb ein gottorpifctjeg 9regierung»confeU
in ®t. Petersburg eingefe^t unb 1746 marb fy. 3um gottorpifd)en $orf analer
unb an bie ©püje bee gebadeten donfeile berufen, in toeldjcr (Stellung er nodj
11 Sab^re bi§ an feinen Xoh berblieb. %n bie 3ett feiner Seitung ber gottorp--
fd)en Dlegierung fallen bie midjtigen S5erl)anblungen mit 5Dänemarf megen be§
2lu§taufcrje§ be§ gro^fürftlicfjen Slntb^eili öon ^olftein gegen bie ©raffdjaften
Olbenburg unb S)etmenb>rft, bie $. aber nid)t sur 3ufriebenr)ett be§ ^craoflS
bon ^olftein fütjrte, ber irjm bormarf, merjr bie föniglicr) bänifdjen als bie
tjeräoglid) gottorper ^ntereffen ju bertreten; menn ber bänifd)e 3}ert)anb=
Iung§ = Sommiffiir öraT önnar (cfr. Snnars Staatöfct)riften I, ©. 280 — 467)
gar fo toeit getjt, auf ^ed)lin'§ ©eftnnung einen ®d)atten ju merfen, fo ift bies
bod) eben nur bie ©timme eineS ©egners unb man barf nictjt berfennen, bafe 5ß.
20*
308 SPeojlin.
bei biefen SJerrjanblungen mit ungewöhnlichen ©djwierigfeiten ju rennen tjatte.
äßätjrcnb et auf ber einen (Seite bon ber ifaiferin (Slifabetb, unb bem ruffifdjen
(Srofecanjler, bie fid) lebhaft tut ben 5lu§taufd) intereffirten, gebrängt warb unb
häufigen Eingriffen ©eitenä be§ ruffifdjen £)ofeg in biefe 93ertjanblungen au§^
gefeist War, begegnete er Bei feinem ^er^og einer entfdjiebenen Abneigung gegen
ben SluStaufcrj unb bei bem bäniferjen 33errjanbtung§=6ommiffär einem auffälligen
fanget an 23erü(ifid)tigung ber in ber SSiUigfeit begrünbeten ^orberungen be§
^er^ogS, woburd) benn bie SBerftimmung be§ fieberen nod) ertjörjt werben mufste.
liefen ©djwierigfeiten roar ty. nidjt gewadjjfen. 9ll§ nun ber ^erjog warjrnarjm,
baf3 bie in § 5 be§ irjm boxgetegten unb beiberfeit§ genehmigten Entwurfes
enthaltene 93eftimmung, wonadj bie reeiprofe ©ucceffion ber tranfigirenben
Käufer bon bem SluStaufd) nidjt berürjrt werben folle, in bem -gjauptbocument,
ba§ bon bem bämfdjen 23errjanbtungg=Gommiffär borgelegt warb, einfad) au§=
getaffen Worben, brad) ber ^erjog bie Söertjanb hingen ab, mit bem beifügen,
bafj er bon biefer Angelegenheit nicf)t§ meejr tjören motte. Sem ^offanjter warb
bei tjöcrjfter llngnabe berboten , auf bie ©acr)e äurüdjufommen. — 2)er 9lu§=
taufet} fam befanntlidj erft nad) s^etcr§ üobe in ben Verträgen bon 1767—73
ju ©tanbe. 2öa§ bie Leitung ber inneren b^lfteinifdjen Angelegenheiten angetjt,
fo ift biefe (Jpodje buretj ein gänjtidjeS Otutjen ber ©efetjgebung, fomie buret) bie
in ber traurigen Sßeftprjatm'fdien ©adje geübte Gabinetgjuftij be;$eid)net.
gtanfft, 9ceue geneologifdje sJtad)ridjten, ©. 385, 784. — Oettinger,
Moniteur des dates, ©. 100. — 3ebler, Unib.= ßer, 27. 53b., ©. 15. —
£Jf. Ärogt), Historiske Minder, ©. 81 ff. — ©rofjrjevaoglidjeä £mu§= unb
(Eentral=9Ird)ib in Dtbenburg, II, 3Ibtt»ett. II. (SBlenbljeimS 23riefe an^edjlin;
ßrmar, ©taat§fd)riften I, ©. 220-28.) fr b. $rogf).
^cd)Iilt : Starten s}>. ober ^ßedjelrjn, bon ber $nfel getjmarn gebürtig,
(bgt. o. Sor). b. ^edjlin, ©. 307), einer ber witbeften unb blutigften ßorfaren
ber 9torb= unb Oftfee im erften Viertel be§ 16. 3af)rt)unbert§, mar 1525 neben
ben boctj ebleren GtauS $nipt)off unb ©djiffer Glement, 2 bänifdjen Männern,
mit bem ebenfo raubenben 23run oon (Söttingen in ben 9tieberlanben in bie
üDienfte be§ auägeWiefenen Königs (Stjriftian II. bon 5Dänemarf getreten unb
führte einen ferjonungälofen Ärieg gegen bie ^anfen unb bie früheren 9teid;e beS
Äönigä. 9tad) ,ttnibl)off§ ftatt (f. 31. ®. SB. XVI, 291 ff.) waren biefe Seiben
ber ©djredcn ber 9Jteere: in einem einzigen Sage tjatte $. 12 j?auffabrer
(©dmten), bie nadj ©djWeben fuhren, genommen unb 105 9Jtann „über s-öorb
getjauen", b. I). bie 23efat$ungen in§ Söaffer geworfen. 3 fiübifdje ,ftrieg§fd)iffe
wagten fid) nid)t an ifm. $ür geWötjulict) würben bie erbeuteten ^atyrjeuge ber=
fenft ober fonft bernidjtet, falls nidjt tjotje ßöfegelber Oerfbroctjen Würben. 3Iud)
^iretjen würben ausgeraubt, 1526 waren 3Berne unb anbere Äircrjcn unb ßlöfter
ber norWegifcfjen Äüfle gebtünbert. 21I§ am 31. October 1526 ein ©türm im
©fageraf ben ßübifd)en 33ergenfat)rer Warften 2t)obe, ben Sitten, unb ben 2öi§=
marfetjen ©d)iffer @Iau8 3Benbt auf it)ver gatjrt bon 33ergen nad) ber Srabe
3Wang ben fteinen norwegifc^en §afen hinter ber %n]tl ^ettöe anjulaufen, fanben
fie im ©djeerfunb (Sßeftetribfen) tjinter ber ©djäre 9ltjfö, einem befannten ©ee=
räuberb^afen, ben „©tangentrerjer" ^cctjuVä mit ftarfer 33efafeung bon ßnedjten
^BrunS liegen. 2c)obe unb Sßcnbt befdjloffen fid) auf'g 3Ieu§erfte ju wehren unb
trafen ib^re Vorbereitungen, mit ©efdjüfe Waren fie Wot)l oerfetjen. S)en balb
erfolgenben Singriff bermittelS eine§ 33ranber§ Wußten fie abaulenfen, falten
StuteS unb fid)er bann ben Äretjer felbft ju embfangen, enblidj ^u entern unb
(ut nehmen. 5p. Würbe wät)renb be§ ^ampfc§ burd) ben lübifdjen jungen Äaui=
mann ©ert Äorffmafer (21. ©. 33. XVI, 703 f.) niebergefdjoffen, auch; 33run
üon ©öttingen fanb feinen 2ob, bon ber 80 9)tann ftarten 33emannung würben
^edjmann. 309
nur 6 fangen unb nad) ©eered)t über SSorb gemorfen unb nur 13 enttarnen
wndift n 2 Sooten. 4 babon fing ein ftoftoder @#tter unb fneb ne über
Sorb 8 mürben in SBarberg in £aEanb öon i*rem "eunte\J,aJur^eiQefS"
lenoffen qeföpft. $ie gemalte Söeute teilten nad, Ä«efl8r«|t b« Mannhaften
ber 2 Mafien S# tDet(i,e im Äampfe H Sobte, nacrjfjer nodj einen jöer-
mnn eKltoKn ?aUe'n. 3eber ber 91 ^ann betam ben SB ^ZZ^t
Sübifd); ba8 ttaubetWff mürbe ^«ÄftLt Mttft 1OT »
tirdje Su ßüberf aufgehängt. ®en ßamp] betrieb Sorffmafei felb jt 15 2 1 3).
Ät ben ÄBie|t herausgegeben £er ftuf ber 6g^t lief ab«
xa!4 but* ben Sorben unb öerantafcte ein balb tierbreitete8 fjiftorifcr,e8$olr8-
SbV baiVan» bon ©öttingen ben Sergenfa^rern SftbedB fcf^: »»» J^1
65 Heilen ftnb ». 25-65 ni$t8 al« bie in üteim umgefe|te <^afjtung ÄoitT-
maf^V 1-24 fcfjilbem bie ©c$anbt*aten $e*lin'8 bon 1524-25 m ber
Worbiee Sült bei Atel, fvebmarn, galftetbobe.
* ©iefc ©*afer in ben £anf. (BeWfttBbt. VI (1876) -J^**v«
b«3eitfix. b. Hamburg. «,$.2, 143. - £ilbebranb, 100 W";*<>"*-
lieber «K 20 - b. ßiliencron, £iflor. SBoHBüeber III, ©■ 534, 9lt. 398. -
Ä. ©oebefe, ©tunbrifc II2, ©. 292, gtr. 72. fttaufe.
^Cdimamr. ©abriel Sß. bon ber ©ctjönau, laiferl. Dberft, t 1627. —
Unftreitig einer ber begabteren unb tücfjtigften Df freiere tm$ee« äöattenftem 8,
SSV einer rub^ unb er,renboüen friegerijc^en ßaufbafm bor tnelen Ruberen
Ken ! "ein aHju früher £ob auf bem ©c&>d)tfelb mar für bie faiferli^
©aXe ein ubnnbUrdertuft. ©eine £erfunft ift unbefannt. 3n ber ©dj ad)t
auf bemVeS Serge rümpfte er mit großer Satferteit auf ©rite ber borgen
©tänbe ©oV*alb nadfter fanb er mieber ©nabe am SBienei §ofe unb erlnelt
%% Mn ber ©djönau" unb «er eine8 confiBrixtm OuteB ba»S»«W «
fflöbmen Sann fo^t er in polnifcfjen ©ienflen gegen bie Surfen, ©djon 1623,
f Cember, empfing, er fein erfte8 |at ent - .18 faiferli d>er Ob« t »£e *axu«
bie potnifdje »eftaEung ausgeben. Site balb bar au! mi /^ 1?erl Dberf
uefcfjtoffen mürbe, mufcte % feine Gruppen abbanlen, blieb aber !ai ei O bei)
üon Lu8 au8." Sei Stellung einer neuen 2lrmee burcf, SMenftein mar
i "ein« ber Wen, bie mit Ctri^tunfl eine8 Regiments betraut mürben. 3>a8
&eite latent ba8 be8t)alb ausgefertigt mürbe, bahrte bom 4. 3um 1625. «
rier nenen ©JeEnng gab er Von Snfang an Semeife feiner au|erorbentticJen
Setwenbbaxfrit ©o nafmi er Dertiorragenben 2lntl)eil an ber einnähme bon
iXiftabt unb ^alle, in melier lederen ©tabt er aud, eine ßeit lang com»
manbite CbS (SntWeibunfläWMt am 25. Slpril 1626 bei bem Sruden=
op on 4au »te er bie lliantgarbe ber griebWnbiWen « ^mee unb trag
ierbnlicfe in fo au8giebiger äöeife 3um ©iege bei, bafe t^n m* nui : bei Dbex-
Mbtimlonbern auA bet Äaif« felbft mit überaus fc^meic^el^a|ten ©otten be»
San 8 Inb be" Ärtennung auMneten. « auf ber SBalftatt mnrbe jjm
eine biplomatifc^e Mfion an ben furfäc^fifc^en $of übertragen beten f Cnbitte*
aaetbinflä I*e texte , b e aber bennoc^ bie Seimigen flurfa* f en8 äum faiferli < n
SSer SrientliÄ fräftigte. Huf bie 9ta«ri^ ba^an8|elb bebeutenb bei=
f "nu lern «nfatt in ©d^lefien b«*e, ttutbe $. mit 50^21^^
adcfiidt biefe8 Soxftaben 3u l)inbexn. Srofc attet Slnftrengung ?edjmann 8 rar
Äfe'lb ^ richtig mit i^m in ©d^fien ein. & mu^te fid, baxaul bef^xanfen
bVm 4inb ben Uebetaanß auf ba8 Utile Dbetutet ju mehren unb i^n fo biel
mk Ä am »BefterSian* Sn *nbexn. J^»^ ^™toV™W
Wittein löfte er beibe Aufgaben nid)t ob^ne ©efc^idlidjfeit. «Dtit äüanen|tein
3T« Ä nac^ Ungarm - Sm hinter 1626-27 führte er m Söaüen=
310 ^djmann.
ftein'3 5Xbtt>efentjeit „als rjinterfaffener ©eneral" ba§ ßommanbo in ©crjleften
unb Behauptete fic£> bafelbft gegen einen numerifcrj merjrfact) überlegenen f^einb,
bi§ ber ©eneratiffimu§ im Suni 1627 fict) roieber mit itjrn Pereinigte. 23eibe
begannen bie 9tücferoberung ber öon bcn 2)änen befetjtcn fctjleftfcrjen ©täbte unb
begegneten Jobann bem geinbe im freien 5elbe, otjne itjn öorerft jum ©djlagen
fingen ju fönnen. 2lm 23. 3fuli mürbe ty. befetjtigt, mit 700O Leitern ben
gtücrjtigen nadjjufetjen, um beren (Sntfommen jut bänijcfjen «Jpauptmacrjt ju tier=
eiteln. 9tadj einem eilftägigen, überaus fütjnen unb befcfjroerlidjen , boctj ebenfo
flug berechneten 3hieg§3ug erreichte er bie Verfolgten eine 9tteile fübtidj öon
Söernftein in ber Dleumarf, beim SDorfe ©ranom , roo fie 5000 9Rann ftarf
lagerten. Sr fdjlug fie in einem nädjtlidjen treffen Pollftänbig, bejatjtte aber
ben ©ieg mit feinem Seben (3. Sluguft). 6r ftarb or)ne Ücadjfommenfdjaft unb
liegt in Örofegtogau begraben.
®. „Defterreicfcllngar. gteöue" (äöien), 1887, 2. £eft.
^jallro idj.
^Cdjmamt : Sbuarb ülitter ty. b. klaffen, f. f. ftelbmarfdjatltieutenant,
^räübent ber f. f. geograptjifcrjen (SefeUfdjaft «ju 9öien, geboren am 9. gebruar
1811 ju Seltomir, t am 23. Dctober 1885 ju ®örj, tjat fict) als Leiter
be§ öfterreictjifctjen lHititärer,jiet)ung5= unb Vilbungsroefenä, bann al§ 9Jcatt)ematifer,
©eograpt) unb Atartograptj ba§ 2Inrectjt auf eine bauernbe Erinnerung ermorben.
Seine ßrjietjung unb Slugbitbung gcnofj ^. in ben Sfa^ren 1822 — 1830 in ber
äöiener^Jleuftäbter ^Dlilitärafabemie , in roeldjcr er unter einer aufjergeroöljnlict)
großen Mnjatjl tüchtiger Zöglinge ben 9tang be§ ^toeitbeften cinnatjm. 21m
10. Dctober 1830 mürbe 5p. al§ Lieutenant jum Infanterieregiment 9h. 16
auSgcmuftert, 1834 aPancirte er jum Oberlieutenant, 1839 ertjielt er feine @in=
Teilung inä Infanterieregiment 9lr. 17. $n biefer Qtit ftanb er anfangt al3
Gompagnieoffijier , bann al§ 23ataitton§= , i3nt)aber= unb 2)iPifion8abjutant,
enblict) al§ (JonfcriptionSbepotcommanbant in 53erroenbung. ©djon 1840 trat
ty. au§ ©efunbtjeitisrücffictjten , nact) anberen eingaben in fyolge einer ritterlich)
burctjgefütjrten 5£)ueltangelegent)eit, melctjer er al§ ©ecunbant beiwohnte, in ben
9tut)eftanb ; im $. 1842 rourbe er jebod) roieber actioirt unb bem f. t militär=
geograptjifctjen ^nftitute <ju Söien augettjeilt. ^ecrjmann'ö nun folgenbe @r=
nennungen 1848 jum (Sapitäntieutenant , 1851 jum Apauptmanne im neu er=
richteten ^ngcnieur=@eograpr)encorp8, 1858 $um 9ftajor unb 1859 junt £)berft=
licutenant maren bie rootjlPerbientcn 9lnerfennungen für feine erfolgreiche £t)ätig=
feit bei ben geobätifctjen unb aftronomifctjen ßanbestiermeffungen , 1854 mar er
im Hauptquartiere be§ £$felbntarfct)attä (h^tjerjog Sllbredjt, fpäter al§ 35irector
beä ßalculbureaui unb 1860 alg Referent bei ber ©eneralbirection be§ ©runb=
fteuerfatafter§ im ginanäminifterium, in melctjer letzteren (Stellung er ficr) neben*
bei burdj organifatorifccjeS SOßirfen unb @infüt)rung mefentlidjer Reformen ganj
befonber§ bemerfbar machte. 5Damaf§ aöancirte er 1860 ^um Situlat», 1861 jum
mirflicrjen Oberften, 1866 rourbe er aber neuerlid) in ben 9tut)c[tanb Perfekt,
angebtict) toeil bie Leitung biefeä *poften§ burcr) einen Militär nidjt gerne gefef)en
murbc. $., melcr)er fctjon frütjer für bie gelungene Verbinbung ber öftcrreic|)ifcr)en
Ü^ermeffungen mit bem 2riangulirung§ne^e Pon ühifjlanb, Saieru unb ber ©d)meij
burcr) mehrere auStänbifccje Drben aulge^eicrjnet unb Pon Pielen geteerten ©ef ettfdjaf tcn
jum ©tjren1 ober ßorrcfponbirenben ^Dlitgliebe gemäljlt morben mar, mürbe nun
audj ber bfterreicrjifctje (Siferne Äronenorben III. klaffe unb ber 9titterftanb mit
bem »ßräbicate Pon Waffen Perlietjen. ^Rur jmei 3at)re öerblieb 5p. im 9luc)e=
ftanbe, benn fct)on 1868 mürbe er noctjmali actiPirt unb jum S3orftanbe ber
VI. 2lbtfjeilung im 9?eirf)§friegäminifterium ernannt, at§ meldjer er — Pom
s3toPember 1869 in ber Gfjarge eine§ ©eneratmajori — bie für bringenb nott)=
^edjmann. 311
roenbig exfannte Umgeftaltung bei gefammten 9Jcilitäxex3ietmngl= unb 23ilbungl=
roefenl botjunetjmen tjatte. ©tfüllt Dom xeinften $atxiotilmul unb bem Seftxeben
im SBege ber IJJcitttäxfcrjuIen bie 33xauct)barfeit unb ben Sitbunglgxab bct
Dietere im f. f. öftexxeidjifctjen ^>eere nad) tieften Ätäften ju tjeben, roibmete
et fidj nun aulfcrjtiefjlid) ber iljm getootbenen etjtenbotten Sturgabe. Energie,
bäbagogifdje Äenntniffe jotoie eine roeitteidjenbe toiffenfcrjaftlictje Sitbung förbexten
fein äöalten; all 3*^ Qa*t ^)m> oen ^adjroud)! bei -£>eetel etroa bil jum
15. Sebenljatjte bem tjäultidjen Setbanbe p fittlidjex, förderlicher unb geiftiger
ßntroieftung ju übextaffen unb benfetben erft bann in ÜJtiütäxafabemien für bie
militäxifdje SBeftimmung gefdjidt ju macfjen. <£üemit im (Sinflange mitbexte er
bie attjufdjaxfe Seboxmunbung ber 3ö8^n9e unb ext) ob jum ©xunbfatje, bafj
boxtoiegenb auf Stjxliebe unb ©etbftänbigfeit ju mitten fei unb bie Entfernung
ber Mittetmäftigen unb Ungeeigneten rccrjtjeitig ftatt^ufinben tjabe. Sie älnftatten
fetbft tourben ben 3e^bert)ättniffen unb bem geänberten 2Be£)xft)ftem geroäfj
organifirt unb 3um finanziellen Soxttjeile bei ©taatel eine nietjt unbebeutenbe
5tn3ar)t bilrjex beftanbener 9JHlitäxexjiet)unglinftitute buxd) ©tutung Don ©tipenbien
üBetflüffig gemacht. Sabei tjatte ober 5ß. übexfetjen, bafj bie beabfictjtige 9tebucixung
ber $Rititäxanftatten auf 5Jcilitäxafabemien allein ben .ßinbetn bet nut fetten
ftabiten Dfftciete eine bexfpätete Sexforgung bot unb bei ben #oxtfd}xitten bex
•Jlationatifirung ber Gibilfdjuten , ber fbrad)tid)en ©djroierigfeiten toegen, bal
Srreicrjen einet r)öt)eren 5tulbilbung in ben 9Mitärafabemien auf mannigfaetje
^pinbetniffe ftofjen mufjte. Unb fo fcfjeiterte benn an biefen Uebetftänben foroie
an ber nietjt immer glüdttd)en QOßatjt ber 2lnftattlbor|*tänbe *ßect)mann'l gegen*
märtig noctj ju ibeal get)altenel Softem, toeltjalb er fid) aud) 1874 jum 9tücf=
tritt in ben bteibenben Ürütjeftanb all $etbmarfcrjatl(ieutenant ad honores
genöttjigt fat). Sen 2Biffenfct)aften aber blieb er bil an feinen Sebenlabenb ein
nie raftenber, unermübtid) fdjaffenber Mitarbeiter. @r fdjrieb biete lictjtbolte
^Reflexionen über bie neuefien geograötjifcrjen unb naturroiffenfetjafttierjen gorfetjungen
unb roirfte mit roeit ferjenbem Stiele 1862—1863 all Sicepräfibent, 1863 — 1864
all ^täfibent bet t. f. geogtapf)ifd)en ©efettfetjaft p 2Bien. 3" feinen toettb>
bottften ^ublicationen jagten nacrjbezeictjnete SBerfe: „Sie geogxaprjtfdje Sreite
bon ^nnlbtucf", Söien 1859, eine für ben bamatigen ©tanb ber 2tnficr)ten über
bie 9Jcaffenattraction bex ©ebirge bebeutungsbotle Slbrjanblung ; fexnex „Sie
Slbroeicrjung ber Sotcjlinie Bei afttonomifdjen Seobadjtunglftationen unb itjte
Seredjnung all ©rforbernifj einet ©tabmeffung" , SBten 1863—1865, berüfnnt
all bat)nbred)enbe ©tubte; bann: „Oioti^en ijur ,§örjen= unb ^>xofittaxte, nebft
bem Sexjeictjniffe bex txigonometxifcrj beftimmten ^)ö^en ton lixot unb Sßoxaxl*
betg", SBien 1865, mittetft roelctjen et bie untet feinet Seitung üotttefflic^ aul=
geführten 8 Stattet bet .g)öt)en= unb ^tofitfatte bon 2itot unb Sotattbetg mit
einem fjöcrjft roettb.Dotlen Sejte betfat); unb enblict): „Sin päbagogifctjet Seittag
jux 9Jtaffenexäiermng in ben f. f. Militäxinftituten" , ^tag 1882, roelct)et all
eine geiftöolte, fein ©rjieljunglfljftem mafjbott bettt)eibigenbe ©cijtift bleibenben
2Bert§ tjat. Uebetbiel finben fi4 in ben „lütittfjeilungen bet f. !. geogtabtuferjen
©efeüfdtjaft in 2ßien", in „©txeffteuxl öfterr. mitit. geitfe^rift" unb merjteten
anbexn fyactjblättexn acrjtenlroext^e Referate unb Sluifätje aul ^ectjmann'l
gebex. 2tudj in feinem fc^xiftlic^en 5lac^laffe büxfte fid) mand)el, bex ©eleb^xten=
toett nid)t box^uent^altenbel Matexial boxfinben. Unb fomit fann benn bon
% gefagt toexben, ex tjabe txojj me^tfaetjen bittexen (Snttäufctjungen ftetl bal
Sefte gewollt unb jebexjeit bie Uebexjeugung Stnberex geadjtet fotootjt all
nreimütrjigex Soxfämbier mobexnex Silbung unb tjumanet Sefttcbungen all auet)
all nutjbtingenbet , felbftt^ätigex Seaxbeitex bex $axtogxabt)ie , ^tjpfomettie
unb ©eobäfie.
312 ^edenftetn — 5Peetet§.
Söurabad), Sötogr. ßer, b. Äatfert^. Defterr. 21. £f). 2öien 1870. —
SDeutfdje Ütunbfdjau für ®eograpf)ie unb ©tatiftif, 8. 3af)rg. äöien 1886. —
©boboba, bie oöglinge b. 2Biener=9ceuft. Militär^f abernte. SBien 1870.
— 2Bef)r=3eitung. men 1874. ©d).
^ctfcilftctlt: ßorenj s4>. (^eccenftein, s;>ed)enftein), geboren am
29. 2lug. 1549 au ©rimma a(8 ättefter ©ofm be§ Stafiuä 5p.( bierten Scrroalters
ber bortigen prftenfdjule, Slmtafd&öffer au ©djtieben unb ju ©at)ba im fäd^fifd^cn
ÄurfreiS, t ati biertcr beftellter furfächjifdjer §iftoriograpt) nad) 1618, fjat
^atjlreidjc ©djriften berfafjt, namentlich: „Ordinum equestrium tarn veterum quam
recentium relatio", Dresd. 1595 ; „Wittekindeae familiae prosapia, Libri IY';.
Jen. 1597; „Marchionum Brandenburgensium et Burggrafiorum Norimberg.
enarratio ad a. 1590 deducta." Jen. 1597; „Rerum Silesiacarum succincta ex-
positio", Lips. 1606; „Poliographia. £iftor. @raäf)lung ettidjer ©täbte in ©d)le=
ficn". Setpi. 1606; „Rerum Ungaricarum Status. Sefdvreibung ber Obriften
©. Saftrioti, Sfot). £uniabi8, Mattt). (Jorbini", o. D. 1606; „Theatrum Saxo-
nicum, Sefdjreibung ber fürnembftcn Könige, Sf)ur= unb dürften, ©rafen unb
Ferren in ber fürueljmen ^robina Cberfacbjen". 3 X\)U. 3en. 1608 ic lieber
bie ©djidfale feiner bjnterlaffenen Manufcripte bergt, ©rofd^uf, Nova librorum
rar. collectio Fase. 1 Sorrebe ©. 35 f. . glatt) e.
^cetera: Sonabentura ty., namhafter Marinemaler, au Antwerpen ge=
boren unb getauft am 25. 3fuli 1614, f in .\pobofen am 25. 3uli 1652. Sie
biogtapfjifdjen Angaben über bie Gntroirflung unb ©djidfale beä Meifterä finb
feljr fbärlidj. %m %. 1635 mürbe er in bie 2uca§gilbe au 2tntmerpen aufge=
nommen. Cb er Üteifen unternommen tjabe, roirb nirgenbs» erroätmt; feine ©e=
mälbe berratfjen un§ aber, bafj er nidjt immer in Antwerpen fifcen blieb, fonbern
fiel) in ber äöelt umgefefjen b>be. sJtur ift e§ nidjt möglief), feine sJtunbfaf)rten
au beftimmen. 2ll§ Marinemaler nimmt er in feiner 3"* bie elfte ©teile ein;
aud) tjat er fidj ein befonbereä gad) ertoätjlt. ©eine Vorgänger, wie Sruegbjel,
äßiüartS, ©talbent, malten aud) SBaffer, Ääljne, ©tranbfeenen, aber bei biefen
ift ba§ Meer bod) erft in ^rDciter 3ieil)e aur ©eltung gefommen; s^. hingegen
füfjrt un§ mit feiner ßunft in ba§ offene Meer ljinauS unb namenttid) finb e§
bie fürdjterlidjen ©cenen beS ©turme§, bie fidj auf offener ©ee abfpielen, unb
iljre folgen, bie ©djiffbrüdje ober ©djiffäbränbe, aud) ©cenen be§ ©eefriegcä,
bie er mit fotdjer ^aturroafjrljeit fcfjilbert, bafj man faft geawungen roirb, bie
gefd)itberten Sd)reden mitauempfinben. %n biefer 2luffaffung ber tobenben 9iatur
ftetjt er unübertroffen ba. Snbeffen berftanb er e8, aud) bie frieblidje ftatur
mit bem ifjr eigenen sJteiac aufzuraffen unb wieberaugeben. ©teid)fam um bon
ben gefäljrlicfjen gatrrten im ©eefturm auäauruljen, füfjrt er un§ in ben fidjeren
.§>afen, um uu§ ba§ gefdjäftige treiben be§ !panbet§ anaufeb^en, ober er aaubert
bor unferen Slicfen Dörfer am glufeufcr, üerfattcue £t)ürme, bie fidj im SBaffer
fpiegetn unb belebt biefe ©cenerien mit föftlictjen fleineu Figuren, bie öoCt ßeben
unb 33emegung finb. S)a^ ber Äünftter feljr probuetiö roar unb fid) cine§ ftarfen
sÄbfa^e§ feiner SBilber erfreute, bemeift ba§ 23orfommen fo öieler feiner ©emätbe.
4>arttjet) in feinem 5J3ilberfaal rechnet in beutfdjen ©ammlungen allein an
60 Silber, fjaft jebe größere ©ammlung befit^t bergleidjen. %n ©reiben finb
aroei Silber, eine Slnfid)t bon ©djebeningen unb eine bon ßorfu (?) bom Sab^rc
1652. $nt Setbebere au SGÖien ift bie ßrftürmung eine§ benetianifdjen gort§
burd) bie dürfen; beaeidjnet: B. P. 1645. 3lud) bie ©aterie 2ied)tenftein,
ebenba, fo roie Äaffel befttjen Silber bon il)m. ^n Sraunfdjmeig ift eine§
feiner feinften Silber, 5lnfid)t be§ belebten UferS eineä großen gluffeS bom
^afjrc 1636. Serlin befi^t 3toei Silber mit bewegter ©ee, ©crjmerin atoei ©ee=
ftürme unb einen ßampf awifdjen aUJei Ärieg§fd)iffen. S)er Meifter liebte aud)
$eet«§ — s4>eej. 313
bie ^oefte, öerfud)te ficfj auct) fetbft in berfelben, bodj braute fie ifjm Ungtücf.
3n einem fatnrifctjen ©ebictjte griff er bie ^efuiten in 2Intmerpen an, baß fie
irjm eine 6rbfcr)aTt entzogen Ratten, ©afür öerfoigten itjn bie frommen Sßäter
fo nacfjbrücflicrj , bafj er bie ©tabt öeriaffen mufjte. ßr fiebelte fict) in bem
nafjen Roboten an, reo itjn ber £ob ereilte. 2iuf feinem ©rabe beianb fieb
fein 33itbnifj, öon 21. Matijrjffen gemalt — jetjt in ber Äircrje — unb fein 23itb:
Schiffbruch be§ r). ^autu§ auf Malta. 2Iucrj bie tftabiernabeC rouftte er ju
cjanbrjaben; ö. b. Letten öerjeidjnet in feinem ^eintre = ©raöeur 9 23tätter,
©eeftücfe, öon itjm, bie fetjr gefctjätjt roerben. 9tact) feinen Silbern tjaben
^ottar (ber auetj fein SSilbnife rabirte) , Major, Brenner, le $eau u. a. m.
geftoetjen.
f. Jhamm. — o. b. Men. Söeffelö.
I^ceterö: San ty., 25ruber unb ©cfjiUer be§ Vorigen, Marinemaler, geb.
in 2intmerpen unb getauft am 24. 2Iprit 1624, t 1677. 6r matte, roie fein
Sruber, Marinen unb mufjte bas £eben ^ur ©ee gut ju fetjitbern, boct) erreichte
er in fünftterifetjer 2)uri)fütjrung feine§roeg§ fein 33orbiib. %m £$. 1645 mutbe
er Meifier. $n ©ctjmerin ift ein ©eefturm öon itjm, in 2tntroerpen eine 2lnfictjt
biefer ©tabt, öom @i§ ber ©ctjetbe aufgenommen, £>oItar tjat aroei gtufjanfictjten
nactj itjm rabirt, 2. SBorfterman Jim. fein 33iibnifj geftoerjen. 2tbr. öan 53loemen
mar fein ©ctjüter gemefen.
f. ^mmerjeel. SB ef feig.
^tty. 2Iuguft .£>einrictj $., Dr. med. unb praftifetjer 2tr,jt $u SÖies*
baben, geb. ju Main<$ 1786, t 3u äöiesbaben am 10. Mär^ 1847. (5r ent=
ftammte einer attmainjifetjen Seamtenfamüie unb ertjiett eine mät)renb ber
unruhigen ßriegSjatjre öielfadj geftörte 2}orbitbung auf ben bamat§ nactj fran*
jöfifcrjem Mufter umgeftatteten ©ctjitlen feiner 3)aterftabt, toibmete fict) aber feit
1803 auf beutfdjen Uniöerfttäten , ju SÖürjburg, föeibelberg, Srtangen , ^ena
unb Söien, bem ©tubium ber Mebicin. ^m 3. 1813 liefj er fict) als praftifetjer
Sir^t ju 2öiesbaben nieber, otjne toeber bamatä ben 2Iufforberungen feiner greunbe,
bie afabemifetje Saufbatm einäufctjlagen , noctj fpäteren Berufungen an beutfct)e
unb auüänbifctje £>octjfctjuIen ober an fürfttietje |)öfe ^u folgen; eine erfoigreierje
SBeiterbitbung feiner 20ßiffenfct)aft ermartete er öon einer umfaffenben ^rari§,
bie itjm bann auetj in reietjem Maafje ju ttjeii mürbe. (5r erfannte näm(ict),
roa<9 man öergeffen ju tjaben fdjien , baß bie Sinmenbung ber roarmen Cueiten
2öie§baben§ einer ©rmeiterung färjig fei, inbem in üieten 5äüen unb für manetje
Reiben eine iTrinffur evfprie^ticfjer fei at§ eine 23abefur. S)er Iitterarifci)en unb
praftifetjen 5ßermerti)ung biefer @rfenntni§ öerbanfte ber attberürjmte 53abeort
einen erneuten 2iuffct)roung, er fetbft neben ber äunerjmenben ^rajig auci) äußere
Sinerfennung : er mürbe 1818 jum $Rebicina(ratr), 1830 jum ©el). 6ot= unb
sDtebicinalratt), 1841 jum 35runnen= unb 33abearät unb im ^. 1829 öon ber
preufjifctjen Regierung jum Mitglieb einer ßommiffion jur genaueren llnter=
fuetjung iljrer «Heilquellen auSerfefjen ; boerj öereitette bie auäbrectjenbe ^uti=
reöoiution bie 23ermirf(ici)ung biefe§ $Iane§. SSon feinen ©crjriften erroätmen
mir bai in mehreren 2Iufiagen unb aueb, in fransöfifetjer , engtifeijer unb Iatei=
ntfe^er ©praeije erfctjienene Söert: „Söie§baben§ ^eüouelien." ©ie^en 1823.
Sinbere, fomie 3iuffäfee in ^^f^tten, finb öerjeictinet bei ©criba, biograprjifct)^
iiteräriferjes Sericon ber ©ci)riftftelter be§ ®ro^erjogti)um§ «Reffen, II, ©. 554.
21. ö. b. Sinbe, 2>ie naffauer Srunnenüteratur 3lx. 38. 77. 767—775.
©criba, a. a. £). ©. 552—555. — Menge!, ©tatftii ber 5ebens= unb
©efunbr)eitsöerf)äitniffe in 9taffau, ©. 107.
5- Otto.
314 5Pege(.
Regelt $onrab $. , ober nacf) Sitte ber 3eit ^egeliuS, ift bcr
Sekret ber Doftotfer Umüerfüät, ber fid) juerft ber Deformation <$uroanbte, an=
fdjeineub aber or)ne fiel) birect bi» 31t feinem fpäteren ßebenSenbe ju ir)r ju be<
fennen. Gsr flammte auä einer alten Familie in 2öi§mar, meiere feit 1428 im
Datf) unb mit ilonrabä ©rojjbater .ffonrab, 1425 immatricnlirt in Erfurt , in
geteerten ©tubien nadjmeiSbar ift. ©eboren am 14. 9lpril 1487 rourbe er in
Doftod 1505 immatricutirt unb ©cfjüler beS ljuffitiferjen üDocenten M. DicolauS
Dutje ober Du§, mie nod) fy(aciu§ ^llrjricuä angab; obmofjl er bem SBifdjofe
.ffonrab SofftuS bon ©djrocrin natje öernianbt mar. S)effen Butter mar eine
üflargaretfje ^ßegel. 1508 (nidjt 1500) mürbe er 9Jtagifter unb Degens ber
Degentie Porta Coeli, meldje etma ben fjeutigen ©rjmnafiatuntevricfjt in alten
©prägen l)atte. 5ßon ba berief ifjn -£>erjog -gjeinrid) ber griebfertige jur @r=
,}ie(jung feines 1509 geborenen ^rinjen 9Jtagnuä 1514 nad) ©djroerin , unb er
öerblieb in biefer ©tettung al§ fein 7 jähriger gögling 1516 jutn 33ifcr)of Don
©djroerin poftulirt mürbe. Dodj in bemfelben 3<*f)re roibmete er biefem feinen
Jractat de poenitentia. ber unter bem Xitel „Dialogus Theophili ac Archiae"
bei Ücicotauä 9Jcarfd)alcua £fjuriu§ erfdjien, aber nur im Slbbrud in ©djröber'g
s$apiftifd)cm 9Jcedlenburg befannt geblieben ift. ty. fannte banadj £)bib,
£>oraj, £eren<}, audj ßibiu§; ob £>omer unb $tato mag fraglidj fein. 2lu3
©opfjocleö' 2radjinierinnen unb 9lefd)t)tus' $rometl)eu§ f)at er überfetjte ©teilen,
unb baZ Fegefeuer, ober richtiger ein ^äuterung§berfarjren für bie ©eete, fdjitbett
er mit ben Werfen Verg. Aen. G, 741 ff. 9ludj .<pebräifdj fdjeint er 31t fennen
unb citirt fetbft al§ ..primus ethnicorum theologus" ben 3OToafiev- ®'e
„Penitudo" beftefjt nad) ir)m auS ber contusio, confessio unb persolutio ober
satisfactio, unb biefe fann erreidjt merben burdj donatio, jejunium (alfo gute
2öerfe) unb oratio (©ebet); er aber empfterjlt biefen letzteren reformatorifdjen
2£eg allein. 1521 im ©ommer mürbe er in Söittenberg al3 Doftoder Ifltagifter
immatricutirt, ob gerabe öou ■'perjog Jpeinrid) bortljin gefanbt, roirb faum ficfjer
anjuneljmen fein, {ebenfalls mirb er in (Jrfurt bocirt tjaben. £rotjbem blieb er
audj in fpäteren $atjren mit feinem früheren Zöglinge, nadjljer audj mit beffen
©emarjlin (feit 1643) (Slifabetf) bon 5Dänemarf, ber fpäteren ©emarjlin ^erjog
Utridjg, in eifriger ßorvefponbenj. Setjtere foll über 100 Briefe bon ifjm auf*
beroatjrt fjabeu. 1532, nadj bem ©iege bcr Deformation in ber ©tabt Doftocf,
finben mir iljn bort mieber als 2)ecan ber religiös gemifd)ten Slrtiftenfacultät,
eine 2Bürbe, bie er nod) oft befleibete. 1534 nat)tn er an ber reformatorifdjen
,5?irdjenDifüation £f)eil. $n ben böfen Safjwn ber faft erlöfdjenben llniöerfttät
fjiett er mit menigen ©enoffen au8 , roefentlidj inufste er bon ben fpärtierjen
antraben, anfänglicrj mie c§ fetjeint eine§ ©üftromer, fpäter eineg Doftocler
SomcanonicateS (eben. SaS Drctorat befleibete er 3meimal 1538, äroeimal
1546, 1547, je jmeimal 1550 unb 1551, 1552, 1556 unb 1565, alfo eigent=
lief) jmötfmal, ba man aber bie äufammenfjängenben i'erroattungen nur je ein=
mal jätjlte, fo merben meift nur fünf Dectorate angegeben. Unfraglicf) ift ifjm
bie SJulbung unb nacfjljer bie Ausbreitung ber Deformation buretj ^erjog
^peinriefj unb ben ^jer^ogbifcfiof Magnus mefentlid) mit ju öerbanfen. S)em
Se^teren fjielt er nad) beffen 2obc 1550 ju 2)oberan bie lateinifcfje Parentatio.
Dacfj bem 2obe be§ S)etfjleö 5Dandmarbi (f. 31. ©. «. IV, 725), 1556 mürbe
er aiZ letuer bifctjöflicfjer Cfftcial unb Doftocfer 2lrcrjibiafonu8 eingefetjt unb
ootljog bie biefem obliegenben cfjegeridjttidjcn ©efcfjäfte bi§ 1566 67, mo er unb
^ofjann 9Jtotinu3 bie Doftoder Sapitelgüter gegen eine (ebenstänglicfje Dente
ben ^er^ögen abtraten, melcfje nadj längeren 53erf)anbtungcn 1571 ein (Sonfi*
ftorium jur .gmnbfjabung ber fircf)enrecf)t(icf)en 5l'Q9en einfetten. 3n feinem
legten Dectorate ftarb er, immer nod) fjocfjangefefjen , am 13. Dobember 1567,
fegei. 315
rote bie 2lrtifienmatrifet (©. 72) am Stanbe bemerft, „senio admodum cou-
fectus", 801 2 ^arjr alt. üDa er bor ber 3"t ber UniberfitätSconcorbienformel
ba§ fßectorat befleibete, roar er unfragticb bom 9to|"tocfer föatbe , nicrjt bon ben
dürften, jum Sßrofeffov ernannt nnb befleibete bie aftronomifdj = mattjematifdje
^rofeffur. @r rjatte fid) fbät mit 2lnna Sötte auS äßi§mar bermäblt unb
binterliefs einen ©otjn 9Jcagnu§ (f. b.) ; bon feinen Stöcfitern toar 2lnna an
ben 9Jiebiciner 2ebinu§ 23attu§, 2tgne8 an ben bornebmen ^Bürger 2llbert ©tectjoro,
^cargaret&e 1572 an 2)abib 6bt)träu§ (in atoeiter ®t)e) unb Gstifabetr) an ben
fpäteren Serjrer ber (Srofjen ©tabtfcbute M. ^ot). $orfteru§ ober gorfiiuS ber=
beirathet. 9latban Srjrjträuä berfafjte itjm eine lateinifdje ©rabfcbrift.
©gröber, *pabiftifcbe§ sDlecf(enburg. — $rabbe, Unib. Ütoftod (roo
weitere £)ueEen). — Krabbe, üDabib Gbnträu§. — Ären, 2lnbenfen an bie
9toft. (Mefjrten 3, ©. 10 ff. — «Bettr. I. 141. 161 unb II, 56. — (Stf.
«JJlQtt. I, ©. 132. — Album acad. Yitemberg. p. 100 («DledEt. 3at)rb. 48,
©. 19 ftr. 48 unb ©. 21 9lr. 61). Traufe.
^cgcl: Magnus 5ß. ober $egeliu§, al8 ©objn ÄonrabS 1547 ju
Otofiocf geboren, tourbe bafelbft fcrjon 1556 bon feinem SSater at§ bamaligen
9tector immatriculirt, promobirte 1569 junt 9ftagifter, rourbe 1572 als SDocent
in bie bbitofobbifcbe gacultät aufgenommen unb folgte 1579 einem 9tufe al8
$rofeffor ber 93catrjematif nad) ^etmftäbt. 2lber fcrjon 1581 fetjrte er nadj
DtoftodE turnet , roo er jum Dr. med. bromobirte unb at8 SIrjt aufgetreten ju
fein fdjeint, {ebenfalls eine angefetjene ©teltung einnahm, ba er, fbätefteni» 1589,
eine £ocrjter be§ 23ürgermeifter§ ^arob ßembfe (2emmid)iu§ ; ju 3ftath getoätjlt
1576, Bürger meifier 1583, f 1605) tjetratt)ete. 2lm 30. ^Jcarj 1591 übertrug
ber Diatb bon tRoftocf ibm, bem „Dr. phil. et med." bie 5|)rofeffur ber 9Jcatbe=
matif unb 2lftronomte (Theorica planetarum), 1593 rourbe er fcrjon junt ^Rector
ertoäblt, im SBinter 1603 4 roar er jum britten vitale SDecan ber bbilofobbifctjen
g-acultät, fonnte aber roegen Ärantbeit nicrjt fungiren, unb bon biefer 3^t an
berfotgt itm ber gmfj ber Uniberfität. ©eine ^amilienberbinbungen ergeben ben
ftdjeren ©cfjtufj, ba$ er bon feinem ©cbroager, bem ^aracelfter SebinuS 33attu8
(f. 21. SD. 23. II, 135) in bie ÜJcebicin eingeführt, biefem aucr) in ber 9ücrjtung
t'trcana ju fucben unb ju erfinben folgte; ferner bafj er mit Srjctjo be 93rat)e
bei beffen 2lufentbalt in ütoftocE als ©tubent unb fpäter at§ glüdjtting nä£)er
befannt geroorben ift. SDtefe (Sinftüffe roiefen ibn neben feinen äöiffenfcbaften
auf bie 9J7edjanit bin, in benen er (Srofje§ an ©rfinbungen geieiftet rjaben mu|,
roa§ freilieb, bei ber (Sebeimtbuerei jener 3eit berloren gegangen ift. ©ebroertiet;
bat bie bamatige 3Döi8e*eWaiilfcü oer Uniberfität tbm folebe 2lrbeit ber^eirjen
fönnen, feine bombaftifefie ©d)reibroeife unb ©rojjtbuerei, fein 33er6rauc§ für
©jberimente unb Reifen bei mäßigen 5Jtittetn tiefe bie 5acuttät§berren auf ibn
berabferjen unb feine Srfinbungen, bie man nietjt berftanb unb nieb^t glauben
roottte, berlacr)en; ja man fuchte ben S)rucf feiner ©Triften ju binbern. 5tur
bie ^aebriebt bat ficr) erbalten, bafe er ..instrumenta mathematica ingeniosae
strueturae", alfo tootjt feine 5Jcefeinftrumente , ber neu erriebteten gacuttät§=
bibliot^ef jetjenfte. ©ie ftnb berfcfjollen, toie aueb feine ©ebriften jule^t 1766
gefeben ju fein unb feitbem berloren fcheinen; fie ftnb nur au§ 9teieraten noct)
äu beurtbeiten. 1586 erfctjten bon ibm „Universi seu mundi diatyposis, pro
lectionis, collationum et meditationum materia mathematum, physices et me-
dicinae adeoque naturae illius, quae complectitur omnia. candidatis proposita".
Rostochii exeudebat Stephanus Myliander. 68 ftnb nur 21 2 ©. 4°, alfo
nur ütbemata 3U 2lrbeiten. SBäbrenb er 1594 in einem ^ocbjeitsrounfcrje für
ben Äanjler Dr. SBorbing („Oratio de vita et contempiativa seu practica et
theorica") nod) bie Sielfcbreiber betfbottet, toeteb^e geroiffermafeen bie Uniberfität§=
316 5ßegel.
brutferei (©t. 9Jh)Itanber, 9)töttmann, 9Jiüttemanu) für fid) allein beanfprudjen,
rjatte er fdjon 1593 fidj ein faiferlidjeS , roeitreicrjenbe§ *)3riüitegtum gegen ben
••Jtadjbrurf unb bie 9tad)bitbung aller feiner rjerauäaugebenben (Schriften mit einer
gebeim gebliebenen, itjm fetjr roicbtigen ferneren SBeftimmung berfdjafft , meldje
letztere öon fpäteren für einen 91belsbrief gebalten rourbe, bti unbefangener 6r=
roägung bcr eigenen äöorte ^Jegel'S aber nur eine ^ritiilegirung unb ©idjerung
feiner foftfpieligen ©rfinbungen geroefen fein fann. S)en erften SL^eit biefe*
faiferlidjjen 93rief§ liefe er nun feiner 1604 erfcbienenen Slnfünbigung feiner (Sr=
finbungeu borbruden, roetctje feinen Flamen begrünbete in ©pott, .§afe unb 9ln=
erfennung: Thesaurus rerum selectarum , magnarum, dignarum, utilium, sua-
vium , pro generis humani salute oblatus Auetore Magno Pegelio Germano,
Megapolitano, Rostochiensi. vana et impossibilia ne pronuntientur media haud
perspeeta, tu meliora (eligeV). — Fronte capillata est, post est occasio calva.
Typis haec expressa Anno 1604. (4°. 1 2llpt)ab. unb 1k ©.) SDer 2)rurfer
roagte fid) alfo nid)t 311 nennen, mau fjatte üerfudjt, ben S)rucf 3U rjinbern, bie
©djrift , roetdje bem Äaifer Otubolf II. unb ben 9teid)äftänben geroibmet mar,
fcfjlug atlerbingS mandjen afabemifd)en Ötepflogentjeiten fjart in§ ©efidjt. S)iefer
,§aber ift eS roefentlicb , ber burd) fein ü£>ecanat 50g. 1605 tiefe er nod) eine
2)i§putation anfd)lageu: „Aphorismi de corporibus mundi totius, Respondente
Jo. Fabricio, Finnone", unb biefe fdjeint eä 3U fein, roelcfje auf 33efef)l beä
ßoncilä bom fdjroarjen Sßrette abgenommen rourbe, roeil s$. gegen 2Iriftote(e£
unb 'DJMandjtrjon (ben bie Ütoftocfcr ü)eologifd)e gacultät fonft berfetjerte) ber=
ftofeeu babe. 33ermuttjlid) mar ber s<>lrifto teurer unb Surift Wtcotauä SBillebranbt
(1594 bom Ütatb al£ ^rofeffor ber (Stbit berufen, f 1613) fein £>auütgegner.
1605 febeint $. fuepeubirt ju fein, benn feine ^rofeffur mürbe bem ©eorg S)afe
(Dasenius, Dassenius, Üiector 1611 unb 1635) berliebcn. 1606 legte er fein
2lmt nieber, naebbem in bemfelben 3fat)re gegen it)n „eine febroere unb bem
ganzen Sottegio ber Sßvofefforen niebt rühmlidje $lage angefiellt" gemefen, roe§=
megen ifom Ütector unb Goncil geratben, ben 9ftann afyufinben unb bon Rinnen
p geben. @3 febeint nid)t§ aU eine ©elbforberung gemefen 3U fein (bießeidjt
au§ ber Familie feiner erften 2h-'au - b<* ber alte Sembfe gerabe geftorben), bie
über ben bon feiner f5<^cu.Itä.t atg ©d)roinbler betjanbelten s3Jcann tjereinbrad),
märjrenb er auf bie sJtu$barmad)ung feiner (hfinbungen bcrgeblid) rjoffte, auf
bie er bertröftet rjaben mod)te. 9lad)t)er fmt it)n ftaifet Scubotf II. als 9Jlatt)e=
maticus bis" 311 feinem £obe (1612) bei fid) geijabt; ©eibc fjat er aud) in $rag
nid)t gefponnen. 1615 rjabe er, 68 $afjre alt, in sJtoftod faft tjungernb gelebt,
fagt eine 9tad)rid)t; nad) einer anbern 30g itjn «'perjog ^fnlipp oon Sommern
(bod) morjt s4ii)ilipp II., t am 3. Februar 1618) an feinen «£>of unb rjielt ibn
in Gbren biö 3U feinem in (Stettin erfolgten 2obe, ber alfo ätoifcben 1615 unb
1618 eingetreten fein mufj. ©einer Hinterbliebenen, 1595 oon ber jmeiten fixem,
Slnna ©tuüen (mütterlid)erfeit§ au§ bem reid)en £mufe SBcfelin) geborenen 2od)ter
?lnna naljm fictj ber bamalige Slbüocat (feit 1633 Prof. jur.) ^einrid) ©cbud=
manu (f 19. ©eptember 1656) als ein Sßater an, ber eine ©tedmm (£od)ter
ber eignes" s^eSe0 3ur 5'tou tjatte. 9ftorbof fief>t mit 3fntereffe auf 5ßeget'ä im
Sbefaurug nur angebeutete, nid)t befdjriebcne ©rfinbungen, ©eorg ^>afd) (Paschius)
get)t jiemlid) genau unb anerfennenb auf fie ein, in s«Roftod liefe ber ©eb,. Üiatf)
unb s4>voMfor oei' ^ebicin ^o^. @rnft ©d)aper (f 11. Januar 1721) nod)
1698 ben (Srnft «Ipeinricfj fieäjt (um 1727 ^)of= unb SeibmebicuS unb «^ofratb
31t ©cbmerin) über bie Quaestiones feinei Specimen medicinae curiosae biepu^
tiren, beren bierte: „quid de inventis et promissis Pegelianis sit judicandum':
abfprecbenb urttjeilte, unb ^Dtan^el erjärjlte, es" fei 3Semanb barüber üerrüdt ge=
worben. ^ad)bem üiete biefer „inventa unb promissa" bon ber Dceujeit mirftief)
«ßegel. 317
erfunben unb prattifdj eingeführt finb, meljrt fidj bie öergeblidje 9cadjfrage nadj
feinen Suchern unb änftrumenten. SRadj #. $. SCabbet, ber 1766 julefet ben
£tjefauru§ in ,£>änben gehabt zu tjaben fdjeint, unb nactj Georgii Paschii In-
venta nov-antiqua (2. 9(u§g. Seidig 1700) tjatte baä 58udj 4 Slbttjeitungen.
$n ber 1. „Schola seu docendi et discendi ratio puerilis" tjat ^ß. tjöctjft be=
adjten§Werttje SBerbefferungen für ben praftifdjen ©pradjunterrtctjt angeregt, aber
nidjt Weiter burdjgefüfjrt ; ebenfo eine praftifdje (JrzietjungSmettjobe, in ber bie
(ättjit fixerer eingepflanzt Werbe al§ burctj ba§ S)ociren ber äöiffenfdjaft. S)er
2. 5tt}eit betjanbelte ebenfo bie $uri§prubenz ; fo tjatte er bie Socenten be§
Sateinifctjen , ©riectjifdjen , £)ebräifcrjen , ber ptjitofoptjifdjen £)i§ciplinen unb bie
^uriften gegen fidj aufgebracht. 2)er 3. £tjeil tjanbette öon ber 9lftrometrie,
feiner fpecietten Sßiffenfctjaf t ; ber 4. „de philosophia tota et partibus illius et
de re dicta literaria tota". SDiefer letztere erbitterte wegen fdjarfer Stufbecfung
afabemifdjer Mängel in bem 2tbfctjnitte: „concordiae consilium urbicura, aca-
demicum, civicum" üorzugäweife, wätjrenb rjier audj feine ©rfinbungen angegeben,
richtiger wotjl au§geboten, werben, ©eine ©ebädjtnifjfunft, Waffen bon S)ingen
üorwärt§ unb tücfwärtä nadj einer furzen 9cotij (efformatio) aufjagen zu tonnen,
rjon 5pafdj nodj bewunbert, ift tjeute eine gewötjnlictje ©djauftettung geworben;
0. Kretin citirt fie, otjne ftdj genaue Äunbe babon berfdjafft zu tjaben. Stjirur=
gifctje 9Jcetfjoben, bon Stufen in ben 9Jtenfdjen gute Säfte hineinzubringen unb
fdjäbtidje auftreiben, finb fo üage angegeben, bafj e§ zweifelhaft bleiben mu^,
ob er (Sinfpritmngen in bie Sßenen (chirurgia infusoria) meinte. Sagegen bot
er ein auf=, abwärts unb feitwärtä zu tenfenbe§ ßuftfctjiff an, mit bem bemer*
fen§wertrjen gufatj, i>a§ bie fpecieÜen ^(norbnungen nodj zu erproben feien,
ferner ein SSerfafjren , gefuntene Schiffe unb anbere ©egenftänbe zu tjeben , bie
Äunft, unter SBaffer in beliebiger £iefe fidj aufzuhalten unb zu attjmen, alfo
ein £aucfiertierfarjren, bazu ein garjrzeug, ba§ in beliebiger Siefe unter SBaffer
fahren unb geteuft Werben fönne. Seibe Qrfinbungen feien brauchbar zu unter*
feeifdjen Sauten, gerner Einrichtungen, 9Jcenfdjen unb $ahe in ©djiprüdjen
unb 3Baffer§nottj zu fidjem; e§ fdjetnen aufzublafenbe Apparate zu fein ; fernerer
ZU errattjen finb (Sinridjtungen , wetdje audj zu <£>aufe ober zu Söagen böftig
fidjer madjen fotten. düine $ftafdjine für Seiftung irgenb metdjer Arbeit unter
33ebienung bon 2flenfdjen= ober ^ferbefraft, wetdje felbftänbig nadj 2tbleiftung
eine§ 2trbeit§quantum§ bie Sezatjtung bafür auswerfen foE, ift un§ etwa§ ©e=
wöfjnlidjeg , ebenfo ba§ Angebot bon .gjebelfraftmafctjinen zur Bewegung bon
Söagen, öon 35rem§borfetjrungen, Qüinridjtungen, ba§ Umfdjtagen bon Söagen zu
bertjüten, bon Defen unb ^eizborridjtungen zu fdjnetter Reizung unb Gattung
ber SBärme, fotoie beren grünblictje 2lu§nu^ung in allerlei ©ebrauet). ^exmv
tjatte er bie SBerecfmung aufgefteEt, roie ftdj bie Sänge be§ ©efdjü|e§ ^u feiner
Äuget ((Seroidjt ober Sßolumen?) bertjatten muffe, um ben fräftigften unb roeiteft=
tragenben <5ct)U^ zu ttjun ; unb tjatte erfunben , toie au§ einem ^anbrotjre 30,
50, 100 Äugeln nadjeinanber ober gugteici) gefeuert werben tonnten , alfo ba§
^rineip ber @§pignote. ßnblidj nennt er ein „Instrumentum Pantographicum
seu bolographicum", womit mehrere 2lbfct)riften ober 3ei^uungen zu gteidjer
3eit burdj) einen 5Rectjani§mu§ tjergefteEt Würben. S3on allebem ift rjeute nidjt§
metjr auffättig. *$. War ein großer , feiner Seit Weit borauf geeilter ©rfinber,
ber bie ^Rittet zur SßerWerttjung nidjt auftreiben tonnte, barüber bon ber
HDummtjeit berlact)t Würbe unb in gelegentlidje§ ©lenb geriett). ©urtt u. ^)irfct),
im 33iogr. ßej. tjerborragenber Slerzte, fennen itjn ebenfowenig wie SSland,
„^OtedEt. 5lerzte", unb Sonft. b. Söurzbadj im öeftretdj. biogr. SCßörterbud).
3Ba§ Krabbe bon feiner „Anregung" in Uniberfitätsfreifen fagt, ift ©erebe
otjne ©runb. $öct)er III, 9totermunb V, (ber itjn berfefjrt nactj äßittenberg
318 ^egius — ^etjem.
bringt) unb s$oggenborff , ©iogr. litt, ^anbroörterbud) ©. 387 nennen it)n
b,öd)ft fui'3.
^ad)toeife f. bei .ftrel} Slnbenfen k. ©tüd 4, ©. 45 ff. — $ret), SBet=
träge ic. II, ©. 288. — Krabbe, Unit). 9iofio<I ©. 736 f. — £auptquette
für fein Seben ift (Stronä ic. VI, ©. 615 ff. unb .£>. $. ütabbet in „Erneuerte
Senate bon ©eleljrten ©ad)en im 3. 1766." «Roftod. ©. 349—356.
Ar auf e.
'JkgiuS: Martin $., Sfurift unb Slftrolog, „florierte" nnd) Södjer um
1560. ©enauere ^ad)iid£)ten über fein ßeben fdjeineu jti festen, felbft 9ft. 2lbam§
„Vitae Germanorum Jureconsultorum et Politicorum" (<£>eibelberg 1670) ent=
galten ben Flamen nid)t. 6r begegnet un§ fofort al§ fürftbifdjöflid) fatjburgi=
fd)er ütattj, al§ meldjcr er über berfcfjiebene 9ied)t8fragen (©antredjt, (hbbauredjt
u. f. m.) in beutfdtjer ©pradje 3Ibt)anbtungen berfafjte. @r foll fogar eine lieber*
feiuing beä fuftininnifcljen ßobej angefertigt t)aben, unb iebcnfaHS fpridjt e§ für bae
Slnfefjen bei ÜJtanneg, bafj fein ütractat ..De servitutibus" nocl) 1733 ju 9tegens=
bürg nndjgebrudt tourbe. 33efannter nod) mürbe er aber burd) fein botuminöfe§
l'eljrbud) ber „miffenfdjaftlidjen'' 2tftrotogie, rocldjeä unter bem Xitel: ,,©eburts=
ftunbenbudj, barinnen eine§ jetlidjen 9Jlenfd)en Statur unb (£igenfd)afft aufj ben
gemifjen ßeuffen beren ©eftirn mit gutem beftanbt gcfunben merben mag", im
Ü$. 1570 bei ©ijt «gjenricpetri ju 33afrt Ijerauäfam. 3>n ber an ben tropft
sJteut)aufer bon ©t. ^eno (bei 9fteid)ent)all) gerichteten Einleitung entmidelt s$.
auSfüljrlidj feine päbagogifdjen Vlnfidjten : „&catt£unft" — bamit ift bie 2lritt)=
metif genteint — , „(Srbmefferet)" unb „©eftirenfuuft" foEen bie 23afiä beä ge=
tet)rten Unterridjtes bilben. ©o beginnt benn aud) baä SBerE mit ben bier
©pecieg, bann fommt bie eigentliche ©ternbeutefunft nebft jaljlreidjen aftro=
nomifdjen (Sinfdjaltungen , unb ben 23efd)lufj madjen dtjronologie unb
Änlenb er fünft.
3föct)er, ©eletjrten-Sesifon, 3. S3anb. — äöolf, ©efdjid)te ber Slftronomie,
©. 85. ©ünttjer.
^djeilt: Sofef 3ol)ann Dlepomuf $., (Snnonift, geb. 3u ©todad)
(bamalS 33orbetöfterreidj) im babifdjen ©eefreife am 8. Slpril 1740, t <ju SCÖien
am 17. 2Rai 1799. 6r machte Sßorftubien in ßonftan«}, bie juriftifdjen in
^nnSbrud unb SBien, erroarb an letjterem Orte bie juriftifdje 2)octormürbe im
3f. 1771, tourbe fofort ^rofeffor beä Ätrdjenredjte in Snnäbrud, 1775 aud)
©irector be§ abeligen GonbictS, 1777 faifertidjer Otatfj, enblid) im !$. 1779
nadj ©rjbel'S SSerfetjung al§ beffen 9cad)f olger ^rofeffor be§ .ttirdjenredjtS in
SBien mit bem Gtjarafter eines nieberöfterreidjifdjen 9tegierung§ratl)§. 5Die
3:b,eorie bon bem SBerrjältnifj be§ ©taat§ jur ^ird^e unb ben 9ied)ten beä erftern
in fird)lid)en fingen, toie fie 5ß. entmidelt, getjt batjin: ber ©taat entftanb
infolge beä SBebürfniffeä , meil bie Gnnjelnen für fid) aEein iljren 3toe^ n^t
erreichen fonnten ; ber 35eruf beö ^Uenfcljcn ift ©lüdfeligfeit, aur ßrreidjung ber=
felben ift ©taat unb ßirdje nötrjig, al§ jmei befonbere ©efeEfdjaften. 5Eie
Äirdje Jiat $u iljrem Dbjecte ba§ ©piritucEe, ber ©taat aüe§, moburd) bie
©lüdfeligfeit beförbert mirb. 2ln fid) finb beibe bon einnnber unabhängig; bie
^irdje fann itjre Slufgabe bem ©taate gan^ ober ttjeilmeife übertragen, fie tjat
für fid) in jeitlidjen Singen meber birecte nod) inbirecte ©emalt, bat)er aud)
nid)t ba§ 9led)t poenas civiles ju berl)ängen, il)r 6ibilred)t ift batjer beränber=
lid) unb ein firdjlidjer 2lct an fid) ol)ne bürgerliche äöirfung. «$?ird)e unb ßtevuä
fteljen in bürgertieben 3lngetegent)eiten unter bem ©efe^e unb ©eridjte be§
©taat§, mo foldje bem geiftlidjen ©eridjte factifd) unterfte|en , fönnen fie it)m
jeberjeit entzogen merben, meil biefe Gompetena lebiglid) auf ©nabe ruljet. S)er
$ef)tnöflei. 319
Sfürft Ijat als foldjer ba§ jus inspiciendi, impediendi et tollendi ea, quae civi-
tati sunt noxia, bie 2lbbocatie, barum ba§ 9fted)t ßoncitien ju berufen u. f. to.
S)a§ finb bie Sbeen, bon benen bie Üteformgefetje ber Äaiferin ^Jlaxia Üfjerefia
bereits beeinflußt toaren, unb toeldje in benen bon Sofepb, II. jum bollen 2)urdj=
brücke famen. ©ie Jjaben in ben Heineren ©djriften bon *p. itjren Söieberfjall
für ©inaelfrogen. Dbtoofjl ty. bon ben fog. „Sofefinern" unter ben bamaligen
ßanoniften jiemlid} ber ßonfequentefte unb ©elbftänbigfte ift, bebarf eS bod)
nur eines 33licfS in bie Sttteratur über baS lanbeStjerrlictje Äiräjenregünent in
ber broteftantifdjen Äircrje, inSbefonbere in bie ©djriften bon ^ufenborf unb
^ßf äff , um bie Quelle ber HDjeorie p finben. SDie SBerle bon *ß. leiben an
Steile, finb toeber bon miffenfcb,aftlidjer ©rünbtidjfeit, nod£) im ganzen meb,r als,
fotoeit bie fbftematifdjen betrifft, in rein toittlürlidjer Slnorbnung gemachte §8e=
arbeitungen an ber ^»anb bon SSan ©Spen, SSerarbi, 23artb,el unb föautenfiraud).
©djriften: „Jus ecclesiasticum publicum." P. I. 1781. „Jus ecclesiasticum
Universum", 1786. „Praelectionum in jus eccles. Universum methodo discen-
tium utilitati adcommodata congestarum partes duae." P. I. II. 1791, III.
1789, beutfd) 1803, 2 23be. „Disquis. hist.-jurid. de consensu parentum in
nuptiis filiorum filiarumque familias", ^nnSbr. 1771. „SBerjucf) über bie 9lott)=
roenbigfeit einer borpneljmenben Deformation ber geiftlidjen Drben unb baS
9tedjt ber Regenten, auS eigner tylafyt biefelben in allen ßanbern au reformiren,
ein3ufcr)ränfen unb aufgeben", 1782. „§iftorifd} = ftatiftifd)e 2lbt)anblung bon
(Srridjtung, ©in= unb 2lbti)eiiung ber 33iStt)ümer, SBeftimmung ber @rabiStf)ümer,
23eftätigung, 6intoeit)ung unb SJerfetmng ber 6rj« unb 33ifd)öfe, bom römifdjen
Pallium unb 6ibe, melctje bie ©ra* unb SSifdjöfe nebft anberen Prälaten bem
römifdjen ^apftc fcrjroören muffen, unb bon ben ©eredjtfamen ber Regenten,
in 2lnfelmng biefer ©egenftänbe" u. f. m. 1790 (anontjm). „Slblj. bon <$in=
füfjrung ber 33ol!sfprod}e in ben öffentlichen ©otteSbienft", 1783. Sitte außer
einer in SBien gebrucft unb erfdjjienen.
äöeiblid), SSiogr. 9iad>r. III, 235. — S)e Suca, Journal ber £iter. u.
©tatift. I, § 35. — «Dleufel X, 308. — b. SBurabadj, Ser, XXI, 428
(nennt noctj anbere). — b. ©crjulte, ©efd). III, 1. 259.
b. ©djulte.
^eJjmölIer: (Eljriftian 9ticolaS $., Kaufmann unb Senator, ©eboren
äu Hamburg am 2. gebruar 1769, ©otjn eineS bemittelten guclerfabrifanten,
gut unterrichtet (jebod) ben il)n fpäter ouSaeidmenben tjoljen 33ilbungSgrab feinen
eigenen ftets fortgefe^ten ©tubien betbanfenb), trat er 1784 in baS faufmännifcfie
<S5cfdt)äft eine§ ber bebeutenbften bamaligen ^anbel^äufer Hamburgs als 8elj)r=
ling, bann als GommiS. ©eine 5infteEigf eit , fein recbtfctjaffener gfjarafter,
feine 3uberläffig!eit ertoarb ib,m baS boEe Vertrauen feiner ^rincipate, bie
toidjtige ^ntereffen in feine |mnbe legten. S)ie für fie unternommenen ©efdjäftS*
reifen nad) ©änematf, ©ngtanb, granfreid), ©panien unb Portugal benu^te er
äugteid) aur Srroeiterung feiner Äenntniffe toie feine§ geiftigen ®efid)t§freife§
überhaupt. Sßoräüglid) frudjtbringenb tourbe iljm ein breijäiiriger Slufentb.alt in
ben ^Bereinigten ©taaten bon Dlorbamerüa, bereu .gmubtlmnbetgplä^e ex befudjte,
unb big an beren fernfte bamalige ©renje er borbrang. 3uföfltg be=
lannt getoorben mit bem größten ©taatSmann 2tmeri!a§, bem 5präfibenten
Söafb.ington, burfte er benfelben in feiner ftefibenä befudjen unb feiner ein=
geljenben Unterhaltung fiel) erfreuen, beren Sfnr}alt itjm lebenslang im beften
©ebenfen geblieben ift. 1799 roeilte er in (Snglanb, bon mo er in feine 2kter=
ftabt rjeim!er)rte, toeld)e bamals burdj eine foeben beftanbene große -gmnbelSfrifiS
empfinblid) betroffen mar. SDeffenungeadjtet unternahm er mut^ig mit feinem
greunbe k>- S)roop baS ©efdjäft feiner früheren ^rincipale unter eigener girma
320 ^efjmöUer.
unb roufjte bafjctbe balb ju 2lnfef)en unb @t)ren 311 bringen. ftunmetjr etabttrt
unb 33ürger feinet Sßaterftabt, roibmete er fid) aud) bem ©ienfte berfelbcn mit
bem regen ßifer einei Patrioten, alte itjrn übertragenen (Sfjrenämter mit ge=
toiffentjaftefter $flid)ttreue berroaltenb. — 2lti 9JUtgtieb ber 93anco=s-Berjörbe
errotei er fid) 1813 ali fütjner tapferer iBerttjeibiger biefei $nftituti gegen bie
tjabgierigen Eingriffe bei fran^öfifdien ©oubemementi, roetdjei ben ©ilberfcrjatj
ber S3anf (ein (Sigenttjum nictjt bei .Hamburger ©taati, fonbern ber 33anfinter=
effenten, alfo be§ ."panbetaftanbei) , ju confiiciren begehrte. 9Jtit Unerfd)roden=
tjeit trat er bem Verlangen ber franjöfifdjen ^ftadjttjaber entgegen, berroeigevte
bie 9luitiefcrung ber ©djlüffet unb roidj enblid) nur ber brutalen militärifdjen
(Bemalt, ali bie 3toiHSf)ei-*nm ben Staub bei (Silberfdjatjei ttjatfädjUcrj ausführten,
bem ©runbfatj Ijulbigenb : roenn ber ©taat ®elb braudjt, fo nimmt er ei, roo
er ei finbet. ©ie benfroürbigen Vorgänge biefei (Sreigniffei t)at iß. fetbft in
einer ©rudfd)rift (beutfct) unb franjöfifd)) bargeftetlt. — ©leid) nad) Apamburgi
^Befreiung, 1814, mürbe $. 311m ^Ritglicbc ber jut 33eratt)ung bon 33erfaffungi=
unb 33erroaltungireformen eingelegten Sürgerbeputation geroätjlt. Apierauf, bom
©enate mie bom publicum ali geeignetfter 9ftann für bie Söfung ber 93anffrage
erfannt, mürbe ty. mit jroeimaligen erfolgreichen ^Riffionen nad) ^arü betraut,
um bie Stütfgabe bei geraubten 53anffcrja|ei ober eine genügeube ßntfdjäbigung
3U bertangen unb burctjjufetjen. 2Bät)renb feiner Slbroefenrjeit 1816 ju attge=
meiner Q3eiriebigung ia ben ©enat geroärjlt, ertoiei ty. fid) feitbem ali einei ber
auigejeidjnetften , einflufheicrjften sJJtitglieber biefer oberften ©taatibefjörbe Apam=
burgi, je roirffamer feine tjerbotragenOen ©igenfdjaften fid) geigten ©enn er
bereinigte in fid) bie ftrengfte 9ted)tfd)affeuf)eit mit einficfjtib oller ©taatiflugrjeit
unb futctjttofer (Energie. @r mar unter alten Umftänben ein unabhängiger
Grjarafter, gegen 80b unb labet mie gegen frembe ©inflüffe böllig un^ugänglid).
(Somit rourbe 5ß. attmätjlid) 3um allgemein tjodjgeadjteten „@dt)art" bei ©enati
roie ber 33ürgerfdjaft. 2lui feinem amtlichen 2Bhfen ift ^otgenbri rjerbor*
3ur)ebcn. 1820 unb 1821 bertrat er in einfidjtibotlfter Söeife bie Apamburgifdjen
unb beutfdjen Apanbelüntereffen auf ber bon allen (Slbuferftaaten befdjidten
©reibener ßonferen^ befjufi geftftellung ber (Hbfdjiffatjrtiacte , abgefdjtoffen am
23. $uni 1821, beigleidjen auf ber Sonferen^ ju Hamburg 1824 roegen 9iebi=
fion berfelben. 2Bätjrenb feinei Slufenttjatti in ©reiben rjäufig an ben fönigl.
,pof gebogen, ermarb er fid) bai Sßoljlroollen bei ^rinjen 3tot)ann, bei nad)=
maligen Äönigi bon 6ad)fen, mie ber ^rin^effin 5lmatie, fpäter ali ©d)riTt=
ftetterin befannt gemorben. ©er itjm bertrautid) funb geworbenen 2lbfid)t einer
£)rbeniberleit)ung an itjn, mu^te er burd) bie förftäruug borjubeugen , ba| bie
9(nnab,me einer fotdjen ©ecoration unbereinbar fei mit bem ßtjarafter unb ber
Stellung einei ©enatori ber freien ©tabt Hamburg. — 3lti ältefter (Senator
beffeibete er mit bemfelben einfidjtibollen 6ifer bie 3lngetegent)eiten ber <£)am=
burger gelehrten ©djulen unb £3itbungianftalten. ©einer ttjatträftigen görbe=
rung ift ber Neubau ber ©ebäube bei ^otjanneumi unb bei afabemifdjen ©tjm^
naftumi, fomie ber ©tabtbibliotrjef 3U banfeu, beren Sinroeirjungifeier am
5. 9ttai 1840 ^etjmötler'i Siebe einleitete. S3alb nacr) bem Sranbe <!pamburgi
im 5Jlai 1842, roetdjer biefe auf bem ©runbe be§> bormatigen ©omftiftei fteb,en=
ben ©ebäube berfcrjonte, traten bie infolge einei fo raftloi trjätigen 2BirEeni
unabmeiitidjen 2ltterigebrecr)en audj bei bem tapfer bagegen anfämpfenben
5}3rotofenator tjerbor. 2lber erft im Februar 1845 trat er bon ben ©taati=
gefdjäften jurüd unb ftarb batb barauf ben 17. Slprit 1845.
6. bie bon ^ßrof. Stjr. 5ßeterfen bcrfa^te lateinifd)e ^emorie. 1847. fol.
33enef e.
Reifer. 321
Reifer: Sabib 5p., crjutfäcbfifcher Kanzler im 17. ^atjrbunbert. ®e&-
ju Seipjig am 3. Januar 1530, f 3U Bresben am 1. fyebtuar 1602 (nierjt 1601).
Xaüibs 33ater, 5fticotau§ 5p. 30g in feinet $ugenb aus ber fränfiferjen ,£)eimatr)
nacr) üüeip^ig , tief} fid) bafelbft at§ 5Jted)t3geter)rter bauetnb nieber, unb ftarb
bort im 68. ^abre feinet Altera. Aud) S)aöib§ ältefter 23ruber lebte als gefegter
Arjt in ßeipjig. SJaöib erhielt nacr) turpem 33efucr)e ber Sbomasfdjule mit
einigen Alterägenoffen 5pribatunterricr)t ; er geigte fdjon bamals eine glüdticr)e
Begabung, unb befunbete bei fleinen jbeaterborftellungen im elterlichen ©arten
eine für feine ^arjre überrafc£)enbe Auffaffung§gabe ; benn er raufste bie 9totte
bei „oerlocnen ©ofme§" trotj feines Knabenalters in ergreijenber Söeife ^u fpielen,
unb jene bei 6fierea§ im @unucf)en bes Seren} ganj richtig Wieberjugeben. 1544
fam er auf bie bon t^er^og 5Dcorit| neu gegrünbete ©erjutpforte ab. Saale, too
er jeboer) nur ein ©emefter blieb, Weil er bei ber Prüfung Seweife bofjer geiftiger
Sfleife ablegte. 2>ie 5Prüfungsaufgabe beftanb in ber SBegrünbung bes@a^es: bafj
Gicero's 2ßeTfe allen anberen ©cfjriften bes Altertbums borjuäieben feien. SBärjrenb
fiel) nun bie übrigen ©cbüter mit bogenreieben Ausführungen abmühten, über*
reifte 5p. ein einziges Statt mit bier lateinifcben Werfen, Welcbe, metrifd) unb
grammaticalifd) tabelfrei, bie Aufgabe in bünbigfter Söeife löften, unb fo 5p. ben
'.Jh-eis berfebafften. S)aöib bejog 1546 bie Seidiger ,£od)fd)ule, r)örte juerft
prjilofopbifcbe Sßorlefungen , erwarb mehrere Ausjeidjnungen , würbe 5)Jtagifier
artium, unb wanbte fid) bann unter ^ehus Soriotus (Pierre Lorioz aus dpernarj)
bem 9ied)tsftubium ju. damals rjatte ber ©panier Submig Abita, dritter bes
Alcantaraorbens eine ©efebiebte be§ fcf)malfalbifd)en Krieges gefebrieben , meld)e
ber 33rügger 2öilb. 9)iolinäus in's Sateinifcbe übertrug. Sa fte beteibigenbe
Ausfälle auf ben römifetjen König gerbinanb, «Dcoriij b. Saufen unb anbere
Oteicbsiürften enthielt, richtete 5p. ju beren Sbrenrettung an Abita ein ©ebicfjt
in Jamben , welcbei er auf bem SJceicfistage ju Augsburg (1550) gerbinanb
überreizte, ber ibn als Siebter balb barauf mit bem Sorbeer frönte. Um 5p.
ben brotjenben 5Rad)ftetIungen bes erzürnten Abita ju entrüden, würbe er ber
©efanbtfdjart beigegeben, welche bamals im tiefften Söinter unter bem faiferlictjen
Statte ©amian 5pflug an ben 5Polentönig ©igismunb Auguft nacb Krafau ab=
ging, unb bei biefer ©elegenbeit aueb bie benachbarten ©abwerfe bon Söielicäfa
befud)te, beren unerfeböpftiebe Ausbeute febon um bie IJJcitte bes 13. Sabrfjunberts
begann. 1555 ging 5p. über bie Alpen nad) ^Bologna, um bort als ©cbüter
bes Marianus ©oemus b. 3- unb getbinanb f8m in einem breijärjrigen dürfe
bas begonnene 9ted)tftubium ju bottenben. äBäfjrenb ber Serien bereifte er bie
größeren ©tobte unb tanbfdmftticb, ober gcfcr)ict)tiicrj bebeutenben fünfte ber
|jalbinfel, unb lernte tjieburd) bas bon 5ftatur unb Kunft fo reieb auigeftattete
ßanb grünbtid) lernten. 5Jcad) bem jweiten ^aijxe feines Solognefer Aufenthaltes
erwarb 5p., eben oon ^lorena 3urücEgc!eljrt , ben juriftiferjen S)octorgrab; nacr)
bem britten befudjte er im gtütjja^re 1558 5Reapel mit Umgebung, unb traf
über 5tftailanb, ben ©ottfjarbt, Safel, ©trafjburg unb 9Jlaina «Kitte Auguft
worjlbefjalten Wieber in feiner Söatetftabt Seipjig ein. @in Vorgang an ber
italienifcb/beutfctjen ©renje gab ^u einer äiemlicrj berben Anecbote Anla^, weterje
^öcf)er, audj 5)lotermunb 3lecb,enberg;§ Angabe in ber vita Peiferi nactjeräätjten ;
bie Anecbote bewerft, ba§ unfer ©eterjrter ein guter Seutfc^er aber ein ent=
fdfjiebener ©egner koms war. tiefer feinbfeligen ©timmung t)atte er fcfjon
früfjer in ber ßlegie: „Epistolae Ecclesiae afflietae ad Christum" Ausbrud
gegeben, worin bem 5papfttr)ume bie |>erabwürbigung ber ßbriftuslebre jutn
fdmöben ©ö^enbienfte borgeworfen wirb. — äßenige Söocben nacr) ber 5ftüdfer)r
aus Italien " berlor 5p. feine äärtlicb geliebte Butter, ©et Sater fcfilo^ m§
Mttgein. beuiiefie SBtoa:aJ)5ie. XXV. 21
322 $«fe*
fur^er $rift mit einer SBittme au£ ßeipjig einen ^weiten Sljebunb, welker bem
©ofme um fo meniger jufagte, als er ben Sob feiner Butter nod) tief Detrauerte.
6r bcrliefj baljer feine ©eburtSftabt, unb trat aU Statt) in bie 2)ienfte §et}0g8
Sodann albert ü. SJterftenburg. Stad) ©d£)tic^tunQ ber aroifdjen ben fütftlidjen
trübem ö. SJtedtenburg beftanbencn Sted)t£ftreitigfeiten, begleitete er feinen #errn
ju beffen Güibam, Albert b. ^reufjeu, unb fam nad) 33efid)tigung ber blüfjenben
.£>anbet§ftäbte an ber Dftfeefüfte bis» ÖiDlanb. 6ine in ber |?eimatt) beabfictjtigte
Verlobung errocdtc bei s$. ben äöunfd) nad) borgängiger Stürffpradje mit feinem
Vater. 3Der tjie^u nötige Urtaub mar um fo leidster (^u erhalten, als ber
Primas bon SJtagbeburg pr Austragung ber pnfdjen bem «frerpg b. S)tedlen=
bürg unb bem ©rafen b. SJtanSfelb beftetjenben -Raubet um jene &\t einen
©eridjtStag nad) Jpatle auSgefdjrieben tjatte, rooju Sofjann Gilbert feinen Statt) s}>.
mit 2 anbern 2)etegirten aborbnete. ty. reifte fomit äum angefeilten Sermine nad)
,g>alle, unb ba fid) ©raf 9)tansfelb innerhalb breier Sage nid)t ftettte , nad)
ßeib.yg, roo bie Verlobung mit Varbara, einer Sodjter beS d)urfäd)fifd)en 2eib=
arjteS VlafiuS ©rüneroalb, mit ben üblidjeu görmlidjfeiten gefeiert mürbe. SUbet
fdjon nad) wenigen Sagen mufjte er fid) Don ber Vraut trennen , »eil it)n 3U
Raffet , mo ber ^perjog gerabe meilte, neue ©efdjäftSreifen ermarteten. 3ue*ft
ging er trotj .statte unb äöinterftürme ju |)erjog Gilbert in Königsberg , bann
junt s4Jlolenfönig ©igmunb Auguft , ber fid) in bem pradjtboüen 5ürftenfd£)tofee
s4Jctromefot) (;}Hetrocobia) auffielt: bon ba oljne Verzug nad) ©djrocrin, um
feinem .frerrn über bie (hfotge feiner Senbungcn Veridjt ju erftatten. An
©igmunb Auguft mürbe 5ß. breimal abgeorbnet unb Don bemfelben ftetS feljr
tjulbboll entlaffen. Vei ber jroeiten ©enbung im Stobember 1564 befiel ben
König mäljreub einer Aubienj, in ber 5ß. allein zugegen mar ein fet)r fjeftiges, faum
ftittbareS Stafenbtuten, fo ba$ ty. für bes .WönigS ßeben bangte; bod) ging ber
Anfall oljne nad)tl)eitige folgen Dorüber. 3fm 3»uti 1563 feierte $. ju Seipyg
feine .«podjjeit mit Barbara ©rüneroalb. $n glücflidjcr @f)e mürbe fie SRuttex
Don 15 Kiubern (6 Knaben, '.» S)täbd)en), moDon nur fttnf ben Vater überlebten.
S)iefe Verbinbung Dermet)rte ^eifer'S Sßunfd), feine 5Dienfte feinem ©eburtslanbe
3U mibmen ; er bat bafyer beu •Oer^og um feine Qnittaffung, bie er jebod) Don
bem ijögernbcn griirften auf miebertjolte Sitte etft gegen Gnbe 1565 erhielt, als
iljm eine JpofrattjfteUe p 2)reSben in fixerer AuSfidjt ftanb. $rüf)ere Anerbieten,
nad) (Stettin ober Sljom, tjatte er mit Stücffidjt auf ben iljm geneigten
<&eiv$og abegtetjnt.
^n 2)reSben mar er anfänglid) mit ©renjbereinigungen , Beilegung bon
(Streitigfeiten unb miebertptten Steifen an ben faiferlidjen £>of betraut. 1572
berief if)n dtjurfütft Auguft in ben be^uf§ 33erat^ung ber fog. „constitutiones
Saxonicae" %u s)Jtei^en niebergefetjten ßonbent, meldjer auS 7 fäd)fifd)en «g>of=
xättjen unb 5 UniOerfitätlprofefforcn beftanb, unb ber bei ber grofjen fyütle be§
^JtaterialS — bie Sefdjlüffe erftredten fid) auf 249 9ted)t§fragen , — längere
3eit tagte. Dbmotjt ber urfprüngtidje SerattjungSjmed nur bei SSefeitigung bon
dontroberfen galt, erlangten bod) bie constitutiones in ber s45raj;iS aümäljlid)
©efctjeSfraft. 5Jtit feiner 1574 erfolgten Seförberung jum ©efjeimratt) muffen
Umfang unb Sebeutung ber ©efdjäfte. Steben ber Auffidjt über bie gelehrten
©d)uten unb bie djurfürfttidjen Sweater beftanb feine Sljätigfeit ^auptfädjUd) in
ben 93ert)anblungen mit fremben ©efanbtfdjaften. ß^uriürft Auguft genofj nid)t
Öto§ im 9teid)e, fonbem aud) au^er^alb beffen fören^en ljot)e§ Söertrauen unb
gro|e§ Anfel)en. AuS biefem ©runbe fd)idten 6f)urfürften unb anbere
3teid)§ftänbe , aud) bie Könige bon Spanien unb granfreid), bon Stabana,
(Snglanb unb 5|3olen, ja ber Kaifer felbft unb aufjer biefen fomor)l italienifctje
dürften al§ bebeutenbe ^anbetSftäbte jum Defteren Vertrauensmänner an ben
Reifer. 323
<i)urfäd)fifdjen <g)of ; unb fo jarjlreid) bie ©enbungen waren, bie fid) meift auf
bem gufce folgten, fo mannigfaltig waren beten anliegen, bei toeld^en nidtjt feiten
bie lateinifdje ober italienifdje Spraye gebraust werben mußte. SBurbe •£. bei
bi,-fen arbeiten aud) bon brci tüchtigen Ütätfjen unterfiüfet, fo tag bod) namenttid)
in ben legten Dtegierungsjarjren be§ Gtjurfürften , bie ,£>aupttaft auf feinen
©djuttern, unb geben tjierür bie in ben fäcb,fifd)en Slrdjiüen aufbewahrten Steten
bie bünbigften 23etege.
Sn ben ^arjren 1578 unb 1579 War $. ber ftreng futrjerifdjen ©efinnung
gemäfj im (Sinftange mit bem Stjurfürfien eifrig bemüfjt, ba§ enbtidje 3uftanbe=
fommen ber „formula concordiae" (bes legten tutrjerifdtjen ©laubensbefenntniBes)
311 förbern. (Sie würbe am 25. $uni 1580 auf bem ^Jtatftptatje ju Bresben
feierlidj berfünbet, man berpftidjtete auf fie 8et)rer, ©eiftlidje, felbft einzelne
Beamte, unb natjm bei 2infieüungen u. bergt, auf Männer biefer 9ticf)tung
bormiegenb ütüdfidjt. Slfletn nad) bem Sobe be§ (Stjurfürfien Stuguft (12. gebr.
1586), welchem ber jugenbtidje Gtjriftian I. in ber (StjurWürbe folgte, trat eine
grunbfätjlidjc Stenberung ber Äirdjenpolitif ein. Gtjrifttan I., metjr bem reformirten
Sefenntniffe augetfjan unb bafjer ein ©egner ber Goncorbienformel, rjob fofort
nacb, feinem Regierungsantritte bie 53erpftid)tung auf biejelbe auf. £rofebem
ernannte er $. am 9. ^uni 1586 pm banaler, Wetdjer bem jufotge an bie
©pike ber ©efdjäfte trat; in Sßirflidjfeit lag inbefj bie innere unb äufjere
^olitif in ben £änben bei Dr. fticotaus ^rett (f. 21. ©. 33. XYIL 116).
S/iefer, frütjer Sftentor be§ (Stjutprinäen, roar bon ßtjriftian fofort, im 5Rai 1586,
in ben geheimen JRatrj mit ber auäbrüdtidjen 33eftimmung aufgenommen worben,
immer um beffen ^erfon p fein, bamit ber Stjurfürft „in ben ©adjen , barin
er fein rättjticrjeä Siebenten begetjren Würbe", Dr. jhett ftetS fogteicr) jur ^anb
tjabe. Sedieret befafj fotjin feinei dürften botlfteä Vertrauen, unb neigte fid)
gteid) biefem bem reformirten 23etenntniffe ju. S)a fid) ÜJ5. in unlöätidjem SSiber--
fprudje mit ber neuen Regierung, unb um ben nöttjigen (Sinftufj gebracht fat),
bat er um ©nttjebung öon einem 2tmte, ba§ itjrn „nur Slergernufe" bereite. ©ie
erfolgte im 3uni 1589. $. tourbe pm Seifiger bei ben am S)re§bner Ober«
rjofgeridjte rjalbjätjrig ftattfinbenben $rocef3berb,anblungen ernannt. 2tn feine
©teile trat Dr. $reÜ, unb finb it)m in ber 33eftattungsurfunbe üom 25. i^uni
weitgetjenbe 33oümact)ten eingeräumt. 5)3. 30g mit ben ©einen auf fein Sanbgut
@offed (©offigt), unb berieb te bort nacb, langen Saferen aufreibenber Arbeit
gtüdlidje Sage ber 9tut)e unb ©rtjolung. Siefer ßmpfinbung berteitjt er berebten
9lu§brucf in einer ßtegie, „E Gossigiano Xonis Octob. MDLXXXIX% bie an
feinen ^ugenbfreunb ben dmrfürfil. 5tatb, 2tnbrea§ ©rftenberg gerietet, mit bem
SÜftidpn fdjtiejjt:
At tu Ruricolam Pyladis urbanus Orestem.
Displicet haec lauto si tibi vita, mone ! .
Socfj aud) biefe Sage füllten nierjt ungetrübt berfliefjen; im 9tobember 1591
t)atte 5ß. ben Job feiner treuen ©attin ju beflagen, welche unter großer 23e=
ttjeiligung bon ^at) unb gern auf bem £anbgute beftattet würbe. SBenige
SBodjen frütjer am 5. Dctober War ßtjriftian I. im nod) nierjt bottenbeten
31. ^at)re burd) einen frütjjeitigen Sob tjinweggerafft worben; ein Sreignifj bas
für ©acrjfen'i innere ^ßolitit bon ben gewidjtigften folgen begleitet War. 2er
93erlebte tjatte ju 33ormünbern feiner minberjäf)rigen ©ötjne ben ^erjog griebrid)
äBittjelm ju ©acfjfen = Slttenburg unb ben 2ftarfgrafen ©eorg b. 33ranbenburg
aufgeftettt. (Srfierer, ftreng luttjerifd) gefinnt, war gleid) ber fädjfifdjen 9titter=
fd)aft ein erbitterter ©egner ÄreH§, ber aud) fofort nod) bor SSeerbigung bei
ßtmrTürften am 29. Dctober auf bem Söege bon ber Äanjtei ju feiner SBotjnung
21*
324 5peiticfe.
burd) jwei Trabanten „bingfeft gemalt" unb in fidleren ©ewaf)rfam gebraut
würbe. (Sin gegen biefen eingeleiteter 3er)njal)riger ^nauifitionäprocefc mit alten
(Sdjretfen be§ bamaligen ©efängnifjwefenä fanb fein tragifd)e§ (Snbe in beffen
am 9. Dctober 1601 auf bem 9Jtarftptafec ^u 2)rcäben Ponogener öffentltdjcr
,<pinricr)tung. ßurje $e\t nacr) ÄrettS Sßerrjaftung, am 18. 3)ecember 1591 fd)rteb
griebricr) SBitljelm als ßanbeäabminiftrator an $. unb trug ifjm bie erlebigtc
Äanjlerftelle an. Sluf bringenbeä £ureben ber fäd)fifd)en 9tätt)e erftärte er fid)
enblid) &u beren 9tnna1)me bereit, unb erhielt rjtebei 500 ft. Umjug«s=
gelber. 2Iuf ben 4. gefcruar 1592 ju bem 2Ibminiftrator nacr) 3C1^ befdjteben,
nar)m er bort in beffen ©egenroart ben Pflichtigen ben 2reu= unb .gmlbigungäeib ah,
unb begleitete biejen jum nämtidjen Qtoed in bie #auptorte be§ (Surtanbtä; 1693
würbe er jur ©djticrjtung ber jwifd)en SBürgerfdjart unb Statt) aufgebrochenen
Streitigkeiten nacr) ßeipjig gefanbt. Sin paar 3fat)re fpäter ging er mit bem
Türftlidjen 2lbminiftrator auf ben 9teid)3tag nad) föegenSburg , unb beteiligte
fid) an ber Sßeratrmng über bie fd)Webenben 9teid)äangelegenl)etten. 2lm 24. ^futi
1601, alfo wenige 3Jtonate Por feinem 2obe, erlebte er nod) bie greube, bafj fid)
ber ättefte Sorjn, StiftSratt) Dr. 2)aPib $. jun. ju SGßuqen mit 3lgne8 0. SDrorjff
rjeic)eiTatt)ctc; im Januar 1594 ^atte ficr) feine £ocr)ter ^uftine mit $ammer=
gerid)t§affeffor Dr. ©eorg 9fteid) Perer)elid)t : bei metetjer (Gelegenheit ber Söater
ber 33raut Pon -^erjog griebrid) Söitrjelm mit einem foftbaren ülrtnfgefäfje unb
einem $afje eblen Dct)einweine§ befdjenfi Würbe, .ftaifer 'DJcarimilian II. ert)ob ty.
fammt feinen 9cadjfommen in ben 9reid)äabetftanb, unb beabfidjtigte beffen 6r=
nennung <jum 9teid)§l)ofratt) ; boer) ftarb ber $aifer öor Unteraeidjuung ber auf
feinen 33cfel)t bereits entworfenen 9lnftellung$urfunbe. Dbworjt unfern Staats*
mann bie £>ienftgefd)ä!te OoHauf in Slnfprud) nahmen, war er bod) aud) fd)rift=
ftetlerifd) tr)ätig. ?(bgefel)en Pon einer ^ugenbarbeit über £>0ib, überfetjte er
rjanbfdjriftlid) „Oppiniani venationes" auS bem gried)ifd)en inä tateinifdje, t>er=
fafjte unter bem 2itel: „Lipsia seu originum Lipsicnsium libri IV" bie erfte
©efd)id)te SeipjigS, (we(d)e Sßrofeffor Slbam 9ted)enberg mit einer SBtograptjie
^ßeifer'S 1689 au ßeipjig Verausgab); ferner „Epistolas Statum et ecclesiae et
reipublicae sub Augusto Elect. Saxon. illustrantes". beren üßubtication $. $r.
©otter beforgte (Siena 1708); enblid) „Historia de regni Pontificii ortu, in-
crementis et fastigio" (Lps.). Slud) als lateinifdjer 2>ict)ter War ber reidjbegabte
9Jcann gefdjäbt ; aufjer 2Bibmung§gebid)ten an befreunbete ^erfonen , an bie
fädjfifdjen fünften 2lbam ^flug unb *peter £aige, (meld)' Setjterer fid) $. als
fein teud)tenbeS Söorbilb erfor) an feinen 3fugenbfreunb (Jrftenberg unb 9lnbre
— Perfafjte er ein eöifd)--elogifd)e§ ©ebid)t: „Imperatores Turcici, seu de
eorum vita et rebus gestis" (Basil. 1550), Weldjeä fieb, audj im V. SBanbe ber
„Delitiae poetarum gerraan. hujus superiorisque aevi" ©. 31 — 57 abgebrutft
finbet. 1587 würbe- ju SCßittenberg hti $a<i)ax\a% Grato in eleganter 5lu§ftattung
eine wefentlid) öermet)rte Auflage gebrudt, in ber neben bem „carmine elegiaco
aliaque poemata Peiferi non minus jueunda, quam erudita" aufgenommen finb ;
barunter bie: „Elegia ad Germaniam", Welche auc^ in ÜteuSner'S coli. orat. et
consult. de bello Turcico", vol. IV. (Lps. 1595) ftetjt.
Slbam 9ted)enberg : curriculum vitae Dav. Peiferi Icti a. a. £). — ^Dtit=
tf)eitungcn au§ bem fäcb,f. ©taat§ard)io. — Södjer III 1346, gtotermunb V
1793. — Sfti^arb, ber fäc^f. banaler Dr. «Ric. Äretl ©. 75 ff. — Sranbeg,
ber Äanjler ^reH. 6ifent)art.
^CtUdc: 3»o^ann $v ^ilofopt) unb 3»urift, geb. in 3eife, t am 8. Sept.
1522 in Seipaig, würbe, nacr)bem er 1484 at§ ©tubent in Seipjig inferibiert
morben War, 1486 bafelbft Saccataureue ber $l)ilofopl)ief 1491 2)cagifter, bann
33accalaureu§ ber 9ted)te, unb War im SBinterfemefter Pon 1497 auf 1498
Sßein. 325
tRector ber Uniüerfität , im Sommer 1500 Secan ber 5lrtiftenTacuttät. ÄIS
unüereinbar mit biefen Srjatfadjen erfdjeint bie Angabe, bafj et felbft 1474,
fein 23ater, ber Setyn 53ürgermeifter 33artrjolomäus 5ß., 1453 geboren morben
fei. ßbenfo ermeift ficrj bie burct) feinerfei urfunblictje 9cact)ricr)t unterfiüijte
2)ermutt)ung als unhaltbar, bafj 5ß. in ber 3"t ätoifdjjen 1491 unb 1497 9tector
ber $att)ebratfcr)ule in beißen gemefen fei. Söenn er nämlicr) in ber Ueberfctjrift
eines it)m gemibmeten Epigramme öon ^ermann 23ufdjiuS (in beffen Epigrammatum
Liber Tercius, Lips 1504, 331. Fv vers0) ..misnensis iuuentutis Moderator" ge=
nannt rotrb, fo ift biefer 91usbrucf (ben eine alte b^nbfdjriftlidje 9tanböemerfung
in bem ber 3)reSbener 23iöliott)ef gehörigen Gremplar bes angeführten 23ucrjeS
öon SufdjiuS mit ben Söorten: „vel vt vulgo dicunt sed male Burse misnensis
Conuentori" erläutert) nict)t auf bie i^ugenb ber ©tabt IJJceijjen, fonbern auf
bie 9Keif}nifdj)e Nation ber llniöerfität Seipjig ju bejietjen. 2)enn nictjtS beutet
barauf f)in, bafj ty. Seipjig, nadjbem er fiel) bort niebergelaffen, mieber öerlaffen
tjabe. i2?m 3»aljre 1491 erfctjien bafelbft fein „Philosophiae naturalis compendiunr.
1499 unb nochmals 1503 unb 1509 feine SluSgabe ber „Libri metaphvsicae':
beS 2Irtftotetes, in meldjer er „pro Scholarum manuduetione" eine Sintfjeitung
in üraetate unb ßapitel öorgenommen rjatte. fteben bemjenigen ©tubium, öon
meinem biefe beiben Sucher 3eu9niB ablegen, betrieb er auef) bas ©tubium
ber föedjtStüiffenfdjaft, in ben fpäteren S^ren feines Sebens mibmete er ficrj
itjr, mie es fetjeint, böüig. (Einige Sage, nacfjbem er fiel) mit ßattjarina 3abel=
ftein, ju beren §eiratSgut ein ,!pauS auf ber ÜteidjSfirajje gehörte , üerr)eiratr)et
blatte, mürbe er 2)octor ber 9tecrjte. 3»m $arjre 1511 erfdjeint er unter bem
tarnen S)octor .gerjt} als deputiertet ber ^Dceifjnifcfjen Nation bei ben burct)
^erjog ©eorg üeranlafjten Sertjanblungen über Reform ber Unioerfität. 1512
erlangte er eine juriftifdje ^rofeffur unb gteicrjjeitig als ^roconful bie 9Jtit=
gtiebfdjafi im 9tatt)e ju Seip^ig, im %afyxt barauf mürbe er Seifiger im bortigen
©djöppenfturjle.
Conradi Wimpinae scriptorum insignium centuria luci publicae tradita
a J. Fr. L. Theod. Merzdorf, Lips. 1839, 9fr. LIV g. 61. — 6§r. ffr.
Gberfjarb im 2ltlgem. litterarifcb>n feiger 1801 9tr. 51. ©p. 481—486.
$. ©cbjnorr bon GarolSfelb.
^eilt: Sodann ö. ty., ©ob> beS furfürftticrj 9Jtain3ifcb>n Vogtes auf
bem ©teidjenftein in ü£r)üringen , mar geboren bafelbft am 10. sJMrj 1582.
9cacr) 2)oIlenbung feiner juriftifdjen ©tubien trat er in fäctjfifcrje Sienfte unb
mar im ^Beginn beS 30=jätjrigen ÄriegeS -gmfratb, in S)reSben. $n biefer Stellung
tjatte er ©etegcnljeit ficrj ben fcrjlefifctjen ©tänben mofytmoltenb unb nütjlicf) ju
3eigen, batjer berief iljn Breslau 1622 in baS 2lmt eines ftäbtifetjen ©nnbicus.
3n fdjmierigfter ^tit, buvcb, bie ganje üDauer beS 30=jäljrigen Krieges, bis an
feinen 2ob am 14. ©eptember 1649 t)at er feiner neuen ,§)eimatb, treue unb
erfolgreiche S)ienfte geleiftet. ^amenttid) tjatte er feine 2üdjtigfeit als Unter=
tjänbler in roieberb^olten 5Jliffionen ju erproben, in benen eS balb bie potitifcfjen,
balb bie firdjlicb^en 3ftec£)te Breslaus gegen bie neue ©taatsfunft beS 2öiener ^oies
3u üertb.eibigen galt, ^m 3f. 1629 mar er als Sefanbter in 2Bien, 1634 in Bresben,
1637, 1642, 1644—1645 in 2ßien, 1648 in $rag unb 1649 roieber in 2Sien.
S)ie testen 5Jciffionen galten namentlich ber gern^altung ber ^efuiten öon Sreslau.
©emanbtb^eit im 23erfet)r mit ben §öfen, ein ferjarfer 33licf für baS Srreicrjbare
unb entfctjloffeneS ßrgreifen ber günftigen (Gelegenheiten jeicrjneten ib^n auS unb
oeifcrjafften i^m in ber f$rrembe unb in ber Jpeimat^ tmljes Slnfeb.en. ©cb.on mit
ber töbtlictjen Äranlb^eit fämpfenb bemeift er noä) eine bemunbernsmert§e
SlrbeitSfraft. %m 3- 1639 marb er faiferlicrjer Statt), fpäter aucrj Äan^ler bes
fyürftenttmmS Breslau, obmob^l ber SSreSlauer ütatt) 1635 bie ßanbesl)aupt=
326 5ßetnltd&.
mannfcfjaft über baffelbe nacr) 30üjät)rigem 33efi^c "berloren t)atte. ©ein ^paupt=
amt blieb immer baS ftäbtifctje ©bnbicat. 21m 12. 51uguft 1625 roarb für it)n
bet alte 9lbet feines ©efctjtectjte erneuert, er unb feine 9tadjfommen nennen ftdj
feit ber 3eit b. *ßein unb UBedjmar ober auf Söedjmar, einem ber 'gamilie fdjon
feit ^arjrtjunberten äuftetjenben 23efitje im ttjüringiferjen 9lmte Otjrbruff. ©ein
ßnfet i^orjann (Srnft erlangte 1713 auet) ben bötjnufdjen greitjerrenftanb. @t
mar jmeimal bertjeirattjet, mit 9lnna «!peibecf b. s}>faffcnborf im Meifjnifdjen
f 1633 unb 1641, als er fetjon grau mar, mit $attjarina b. ©ebifdj au§ einer
ber erften Familien 33re£tau3.
5tuS gebrückten unb rjanbfdjrifttidjen Materialien ber SrcStauer ©tabt=
bibliottjef. Marfgraf.
^chtltd): Üiictjarb ^ß. , Sutturrjiftorifer unb paft oraler odjriftfteder,
23enebictiner beä ©tifteS Slbmont, geb. am 5. $ftai 1819 <ju ©raa, ertjielt in
ber £aufe ben Manien ©abriet, metdjen er fpäter in üblidjer Söeife mit bem
©tiftSnamen üiietjarb öertaufcfjte. 6r mürbe am ©ra^er f. f. ©taatSgrjmnafium
auSgebilbet unb trat am 2. Januar 1838 als 9tobi,}e in bas 53enebictinerftift
Slbmont in Dbcrfteiermarf ein. SJnaroifcrjen oblag er ben ttjeologifctjen ©tubien,
nietjt ofjne audj mit befonberer Vorliebe ftctj bem ©efctjictjtSl'tubium aujumenben,
unb legte 1841 bie DrbenSprofefj ab. 3u^rft ßeljrer am ©ängerfnaben^nftitut
ju Slbmont mürbe $. 1841 ^räfect im f. I. ßonbicte $u ©raj, 1848 mürbe er
als sJteligion3letjrer für ©rjmnafien approbirt. 9l(§ in bemfelben 3>at)re bie
ftürmiferje £eit für £)efterreictj tjcreingebrodjen mar, finben mir % als Kaplan
ber afabemifetjen ßegion ju ©raj, fpäter als ^elbcaptan beS fteirifcfjen greicorpS
in Italien. @r mirfte fobann als ^rofeffor ber beutfetjen ©pvadje am f. f.
©rjmnafium ju ^ubenburg, feit Dctober 1851 am fattjolifdjen Obergrjmnafium
ju Ofen, mofetbft er eine $eit tang Dtebactcur beS SBoctjenblatteS : „2)er fattjotifetje
Gtjrift" mar. %m $• 1854 mürbe er an baS f. f. ©taatSgrjmnafium ju
©raj berfetjt, an meterjem er 1861 bie 2>irection übernahm, 1863 ernannte
iljn ber gütftbifctjof bon ©eefau jum geiftlictjen unb Sonfiftorialrattje , 1870
mürbe er butdj ben SLitel eines f. f. ©ctjulrattjeS, 1875 burefj benjenigen eines
f. t. ÜtegierungSratljeS auSgeacicrjnet. (5r mar injmifdjen meljrfactj audj burdj
Söerteitjung bon SDecorationen bon ©eite beS ÄaiferS bon Oefterreid) unb beS
ÄönigS bon Söürtemberg geehrt morben, foroie it)m im $. 1874 bie f. f. öfterr.
ÄriegSmebaille ^uerfannt mürbe. 1878 fdjieb s$. auS bem ßctjrfactje, fiel) bon
ba an mit rjiftorifcfjen ©tubien unb arbeiten befct)äfttgenb. 6r mar sJJtitglteb
einer 9tcit)e miffenfcrjafttirfjer Vereine, tn§befonbere feit 1869 be§ Ijiftorifcrjen
Vereins für ©teiermarf, beffen 33orftanb§fteHe er feit 1873 befteibete. 3U
Anfang ber actjtaiger ^atjren mact)te ficrj ein ^erjteiben bei bem unermüblicr)
ttjätigen Manne bemertbar, meldjeä immer tiefere Söurjet fafetc unb am 29. ^uli
1882 feinen £ob bemirfte. ty. ftarb in feiner ©eburtäftabt ©ra^, bon atten
Greifen ber ©tabt unb be§ ßanbeä tief betrauert. 2Ba§ bie titterarifdje Stjätigfeit
^einlict)'§ betrifft, fo ift tjierbei bie ttjeologifcrje unb tnftorifcfje ©eite berfelbcn
,^u fct)eiben. 3n erfter Sejieb.ung beröffentttctjte er eine Üteitje bon ^rebigten,
bon benen t)ier: ,,^efu§ ber Sßerratb^ene unb 3fuba§ ber 5öcrrätt)er , 7 ^ßrebigten"
(1855). „Unfer {»eiliger ©laube im ©ebete be§ ^errn, 7 ^rebigten" (1860).
,rS)ie ÖBeitje be§ ßebenS bon ber Söiege bis jum ©arge, 7 5aftenPx'e^iSteu" (1861).
,,©ott ruft un§, 5afienbetracrjtungen" (1865). „ßfjriftlitfje 8eben§mei§l)eit eine§
getreuen ©eelentjirten, 55 populäre ^3rebigten" (1860) genannt feien, ©anj
befonbere Slufmcrtfamfeit aber ermeeften unb berbienten feine fleißigen unb genauen
tjiftorifctjen unb ftatiftiferjen arbeiten, unter benen bie ,,©efd)icr)te be§ ©l)mnafium§
in ©raV', beröffentlidjt in ben 3ar)re§berict)ten oes erften f. f. ©taatSgtjmnajiumä
©raj bon 1869 — 1874 als ein Sßerf riefigen ©ammelfleifjeS obenan ftetjt.
^elargu*. 327
Daneben üerbient rociter befonbere ßrmärjnung bie „(Sefdjidjte ber 5ßeft in
©teiermarf", 1877—1878. 2 Sänbe. SDtcfe beiben 28etfe enthalten roeit mebr
at§ irjr Xitel anbeutet, fie bieten 3a£)((ofe Beiträge in allen Dttdjtungen jur
©efdjic&te unb (üutturgefcrjicrjte ber ©teiermarf unb büben bai föefultat ber
5otfrf)ung eine§ tjalben Sebeni. SSeadjtenimerttj erfcfteinen ferner bie Beiträge,
roeltfje % ju 23iograpt)ie bei großen sJJcatf)ematiferi unb Slftronomen ^ofjannei
Äepter lieferte unb bie in ben „9Jcittb,eüungen bei rjiftorifdjen $eretni für
Steiermark" XVI. unb XXI. ^>eft enthalten forote in 3eitfctjriften öerftreut finb.
-JUcrjt minber r)at fid) y}>. um bie ©efdjicfjte ber Gegenreformation in ©tetermarf
burct) jaf)[rei($e quellenmäßig gearbeitete Sluffäfee öerbient gemacrjt, feine SSet=
träge jur CSefd^ic^te bes culturetten unb bei mirthfcrjaftlictjeit Gebens in Sraj
unb in ©teiermarf, junäcfift in ben ermähnten ^ftittrjeitungen be§ htftor. 33ereini
für ©teiermarf enthalten, finb bem Sulturtjiftorifer ber ©teiermarf unentbehrlich).
2lui >ß;einlicr)'i yeber ftammen roeiter mehrere DMrofoge öerbtenfttidjer Son=
öentuaten bei ©tiftei Stbmont, fo bei 2Tbtei Senno Äreil (1863), Xbeobor ©afjner'i
,1877) u. 31. m. Seine tabettarifctje ^nfammenftettung „Grjroniftifcrje Ueberfictjt ber
merfmürbigften 9caturereigntffe, Sanbptagen unb ßutturmomente ber ©teiermarf
öon 1000—1850" (1880), ift eine Arbeit unenbücfccn gteifcei. Sitte tjiftorifchm
3luff&§e s}Mnttcr)i berufen auf ber gemtffenr)afteften Cuettenforfcfjung, unermübüdj
r)at er bie 2lrcr)iüe im öanbe ©teiermarf burchgearbettet unb ein 9)cateriat ju=
fammengebracfjt, bai nocr) in feinem 9cadj)taffe öorliegt unb bie Serounberung
einer folctjen Xhätigfeit Ijeröorruft. 2tui feinem Dcacfjtaffe tjat P. glorian 6.
^innaft eine ©ammlung (jumeift geifiiidjer) Dichtungen tjerauigegeben.
23iograpfjie öon P. #lox. 6. Äinnaft in ber ermähnten 2uiigabe öon 9t.
$eintict)'i Dichtungen (®ra^ 1883). Dafelbft aucfj genaue Eingabe feiner
fämmtlicfjen Stuffäfee unb 2Berfe. — *$fran3 Slnwf'i 23iograprjie in ben 9Jcittrj.
b. fjift. Sßereini f. ©teierm. XXXI £eft, ©raj 1883. — Sßergl. auct) ©ctjloffar,
Bibliotheca historico-geographica Stiriaca (©raj 1886) im Otegifter vox:
Peinlich, Rieh. ©ctjloffar.
^darguö: Stntörofiui 5ß. (©torefj), Dominicaner, geb. in ber SBetterau
(mann?), f in Xrier 1557, mo er in ber Dominicanerfircrje beigefetjt mürbe.
@r fjatte in S3afel, bann in fyreiburg i. 33. ali 5Jtagifter bie Xfteotogie gelehrt
unb mefjrere ©djriften gegen ^roingli unb Defolampabiui öeröffentticrjt, als er
1534 nacrj Xrier Perfekt tourbe, mo er ali Domprebiger unb Cerjrcr ber Xtjeotogie
an ber Uniöerfität eine bebeutenbe zltjätigfeit entfaltete, 3m $. 154-6 entfanbte
ib,n (Sr^bifc^of 3of)ann IV. Pon Srier ali 5J)rocurator auf bai Jrienter ßoncil,
oor toelctjem er am 10. $ftai b. ^. eine große ftebe rjielt. @r ging in berfelben
Sigenfctjaft unb jugteictj ati Vertreter Äötn§ natf) Bologna : als 33ertt)etbiger ber
Verlegung bei Sonciti in biefe ©tabt 30g er ficr) bie llngnabe bei Äaiferi ju,
in ^otge beren itjm bie $rocuratie am 23. Utuguft 1547 entjogen mürbe. ®oc^
begleitete er feinen (Srä&ifcrjof 1551 nact) Xrient, ali bie ©pnobe bort mieber
jufammentrat. Unter feinen 3ah4reicrjen ©djrüten ift ber 1534 ju gte^m'S 9er
bruefte ©ammetbanb, toeldjer eine Dteilje öon gegen bie Deformation gerichteten
©treitfcljriften enthält, unb ber mit Graimui getoecrjfelte 23riefmecrjfet (Epistolarum
ad Erasmum bellaria), $ö(n 1539, tjeröorjurjeben. 5Rit festerem mar ty. feinerjeit
fetjr befreunbet, mie er benn öor ben übrigen Dominicanern fidj buretj eine ent^
fctjiebene 3Bertr)fctjäfeung ber rjumaniftifcr;cn ©tubien aui^eierjuete; fpäter griff er
einjetne 33et)auptungen bei ©raimui in ben „Annotationes in ea quae Erasmus
non orthodoxe scripsit" an. 2IuBer einigen weiteren polemifchen, ejegetifcfcen unb
aicetifdjen ©ctjriften („de morte non timenda") bei -^. ift bie 1548 öor ber Stierer
-^roöinciatfpnobe öon iljin gehaltene ütebe ju ermähnen, metc^e ficrj buretj ebten
greimutr) in 35efprect)ung ber Sdjäben ber .ßirc^e öortheilb^aft auiseicrjnet
328 5ßelatgu*.
(abgebrudt: £)arbouin IX 2063, .frarijtjeim, Cone. Germ. VI 398, £)ontt)eim,
Hist. dipl. Trev. II 121, 23lattau, stat. et ord. Trev. II. 106.)
2Jergt. Quötif et Echard, Script, ordin. Praedic. II. 158 f. — 9Jtarr,
Graftift £rier IV 444. fr 1. ÄrauS.
^elarguef : Gtjriftopt) $. (Störet)), proteftantifctjer 5L()eologe, geboren
am 3. 3luguft 1565 in Sctjmeibnitj, t am 10. $uni 1633 in granffurt a. £).
©ein QJater ^otjanneS $., roeld)er 38 %a§xe lang baS Pfarramt unb oie
Superintenbentur in Sct)roeibni|5 oerroaltete (f 1599), tjulbigte in ben con=
feffioiietten Streitigfeiten jener 3e*t e^ner bermittelnben 9tid)tung , in meldte
aud) ber Sot)n frütj öom Sater, unb fpäter auf bem ©rjmnafium in 93reSlau
gelenft mürbe. 2luf ber Uniüerfität granffurt aber, rootjiu er fid) 1583 begab,
um Geologie au ftubiren , fanb er baS fhenge Sutt)erttjum ber Soncorbien=
tormel aur .gjerrfdjaft gelangt, mie ein ©teid)eS bamalS nidjt btoS in ben
Warfen, fonbern aud) in bem beuadjbarten ^ommern unb Sactjfen ber galt
mar. üDiefer Strömung gegenüber tjielt ber junge £t)eologe mit feinen , au*
^JtetanctjttjonS Corpus doctrinae christianae fict) ftütjenben 9lnfid)ten anfangt bor=
fictjtig aurürf, geroaun aber burct) eine grofje ?lnaat)l geroanbt gefctjriebener
2)iffertationen, beren 80 er bereits 1593 in einer elften Sammlung bereinigte,
ben SSetfatt ftimmfübrenber ^'fönlidjfeiten, fo bafj er nid)t btoS ungemöfmlid)
fdEjnell bie Stufenleiter afabemifdjer Söürben erftieg (er marb 1584 9Jtagtfter,
1586 «profeffot ber ^bilofoptjie, 1589 fiicenttat unb 1591 ^Jrofeffor ber Geologie),
fonbern auct) jctjon in jeinem 30. £ebenSjatjre 1595, nacrj bcS (Jtjriftopt) GorneruS
£ob (f. 31. S). 93. IV, 499) aum ©eneralfuperintenbenten ber 2Jtarf 23ranben=
bürg öom Äurfürften ^otiann ©eorg ernannt mürbe. 9tod) günfttger für s|>.
fctjienen fid) batb barauf bie 93ert)ältniffe mit bem ^Regierungsantritte 3oad)im
griebridjä (1598) au geftalten (f. 21. 2). 8. XIV, 86). $enn biefer, in ber
Hoffnung, bie fd)roffen ©egeufätje unter ben proteftantifdjen Gonfeffionen au
mitbern, befdjlofj gemiffe Gerimonten, toelctje fiel) in ben märftjdjen Äirdjen noct)
aus ber fattjolifctjen v^eit ertjatten Ratten, mie bie 5Jkoceffionen auf ben &ird)=
tjöfen, bie (Siebation beS geroeitjten 23robeS unb .iMctjeS, abauf dgaffen ; boct) balb
nöttjigte it)n bie Seforgnifj ber Stänbe öor meiteren Gonceffioneu an ben 6al=
DiniSmuS 3U bem 93erfprectjen bas Suttjerttjum au fdjütjen, fomie bie Goncorbien=
formet als Worin ber märfifetjen $ircrje anauerfenuen. 2llS batjer ty. im $. 1603
(miebertjott 1609) ein Gompcnbium ber ctjriftlicfjen Setjre für Sdjulen (schola
doctrinae Christ.) tjerauSgab, beruft er fid) gleid) auf bem £itet als Cueüe
auf bie tjeil. Sctjrift, bie Äirdjenöäter , Suttjer unb bie (Soncorbienformel. 6in
gelehrter Sommentar aber, ben er über beS $ot)anneS 2)amaScenuS (t um 760)
Oier 23üct)er de orthodoxa fide unter bem ütitel einer „Epitome universae
theologiae" tjerauSgab (1605, 2. Slufl. 1607), enthielt foöiel Slnftänge an cat=
üinifdge Setjrcn , bafj feine ©egner it)n befjtjalb aur 23erantroortung Oor baS
^Berliner Sonfiftortum jogen. S)ocr) mürbe ber Sacr)e feine roeitere 3olge gegeben,
um fo metjr, als er fct)on 1606 eine Sdjrift „de fractione panis eucharistici"
Oeröffentlidjte unb bann gegen einen auS bem caloiniftifdjen Sager fommenben
Eingriff bes S)aniel ßanbibuS (pjeubontjm für 2)a0ib 5|}areu§) burdj) eine S>iffer=
tation Oertlieibigte, in meldjer er ben Oon ben 2utt)eranern beibehaltenen ©ebrauet)
ber Oblaten beim Slbenbmafjl als aus ben ätteften ^eiten ber ^irerje ftammenb
nacr)meifen mottle, eine 2lnfid)t, roeldje er freitid) fpäter mieber aufgab. SSemieS
^oadjim 5nebrid& nod) fura bor feinem 2obe bem 5ß. burcr) Ernennung aum
Sßifitator be§ 1607 in ^oadjimStljal eröffneten ©^mnafiumS fein Vertrauen, fo
ermarb biefer fict) aud) balb baS feines SotjneS Sodann SigiSmunb, (f. 31. 3).
93. XIV, 169) roelctjer itjn 1610 au fict) nact) 5Preu^en berief, als er bie bortigen
33ormunbfct)aftS= unb SucceffionSüertjältniffe 3U regeln oerfuctjte. S)em 5ß. blieb
$elargu§. 329
batjer un3loeifett)aft bie Hinneigung be§ Äurfürfien sunt calbinifctjen 53efenntniJ3
nictjt unbefannt unb ber entfctjeibenbe ©ctjritt, metctjen berfelbe am 25. Secember
1613 in 23ertin burctj bie Slbenbmatjtäfeier nactj reformirtem 9iitu§ ttjat, fonnte
itjn nictjt überrafdjen; aud) fud^te er ben Äurfürften nur üox übereiltem 23orgef)en
befonberi in 23e,jug auf ba§ 33rotbrectjen , prü^utjatten. 5Dabei mar e§ eine
befonbere Fügung, baf$ furj öortjer, am 31. Sluguft 1613, ber Pfarrer 2Ben,3eI in
granffurt geftorben mar unb nun ^. beffen 2lmt mit feiner ^rofeffur unb
ÖJeneralfuperintenbentur ju berbinben münfctjte, mie bor einigen S)ecennien auct)
Slnbreai 9Jcu§cuIu§ biefe brei 2Iemter betreibet tjatte. S)er 9)cagiftrat aber, et)e
er ficf) für feine äöatjl entfctjieb, forberte bon 5ß. eine öerbammenbe (Srftärung
gegen ben ßalbinismus, melctje biefer auctj gab. ©omit burfte er jefet feine
(Stimme nictjt ergeben ^u (Sunften bei Äurfürften unb jur 23efctjmictjtigung ber
burct) bie Vorgänge in ^Berlin aufgeregten ©emüttjer. SDafc er fict) aber nictjt
offen auf bie Seite ber tutr)erifd£)en ©iferer fteltte, erbitterte biefe auf ba§ äufjerfte
uub t>a in ber 9Jtarf ber ßurfürft burcrj bas ßbict bom 24. gebruar 1614 bem
öffentlichen ungebüfjrüctjen ©ekelten unb ©ctjmätjen 2tnber§gefinnter fteuerte, fatj
ftctj $. balb öon einigen jener ^etoten in ^ommern unb ©actjfen — bem
^prebiger ßramer in Stettin , bem ©uperintenbenten ©ctjlüffelburg in ©tratfunb,
bem .^ofprebiger b. £>oe in ©reiben — mit ben ärgften ©ctjmätjungen über*
fetjüttet unb, nictjt otjne ©runb , ber ^albrjeit unb Unb eftänbigfeit befctjulbigt.
SDie SInttoort, ju ber er fict) enblictj gebrängt fat), mar roürbig, aber jurüa*=
tjattenb; tjeftiger trat für it)n fein junger g«unb ^otjann 33ergiu§ in bie
©ctjranfen unb ber geberfrieg bauerte fort, fetbft nact) ber ©rftärung bei $ur=
fürften öom 5. gfebruar 1615, „bafj $eber im ßanbe, ber ba moEe, fönne bei
ber unoeränberten 3lug§burgifctjen Gonfeffion unb auetj bem ßoncorbienbuctj
öerbtdben". %a ber ,Horn loberte bon neuem gegen 5ß. auf, al§ biefer 1616
fein (Sombenbium bon 1603 mefentlict) in catbiniftifetjem ©inne geänbert mieber
tjerau§gab, fict) für biefe§ 23orgetjen fomie anbere 9tetractattonen auf 2lugufiin'§
SBeifbiel unb feine inamifetjen gemonnene beffere (Sinfictjt berufenb. Quin ^amptjtet
öon äufjerfier Heftigfeit, metetjei ber au§ Berlin enttaffene frühere ^>ofprebiger
©imon ©ebicte gegen ben „^um abfetjeulietjen 3Jiamtucf unb abtrünnigen Gal=
öiniften gemorbenen 5ß." fctjleuberte, befctjlofj im 3- 1617 auf gegnerifetjer ©eite
biefe ftefybt. $. aber, ber ba meinte, baf3 auct) bei abroeietjenben 2tnfid)ten über-
tragen, melctje nictjt ju ben gunbamentatartifetn gehörten, bie Sinigfeit im
(Seifte bematjrt roerben !önne, bromobirte am 30. $uni jene§ Satjrei fünf reformirte
üttjeologen p üDoctoren unb fungirte als ütebner am 4. 9tobember bei ber grofjen
©äcutarfeier ber tuttjerifetjen gteformation in granffurt. 5tttmät)tict) tief} auct)
ber in Sötjtnen entbrannte grofje Ärieg bie eOangeüfctjen ßonfeffionen ib)re
inneren ©treitigfeiten für einige 3ert öergeffen; ja 5p. erlebte ei noct), ba§ in
bem Seidiger (Eoltoquium 1631, mo auct) fein frütjerer 5Ritftreiter Sot)- 53ergiu§,
nunmetjr ^ofbrebiger in Serlin (f. 21. SD. 35. II, 385), unb fein tjeftiger (Segner
^oe fict) bie £)änbe reictjten, roenigfteni ber 23erfuct) gemaetjt mürbe bie öor=
tjanbenen ©egenfä^e auS^ugteictjen. 2tber balfetbe Satjr bractjte auct) für f.
Sage bitterer ^Rottj in §o!ge ber ©rftürmung ^ranffurti burdj ©uftab Stbolj,
nactjbem bie (Sinmotjner fetjon öortjer buret) Jflrieg unb ©euetjen tjart bebrängt
morben maren. 3luc^ Oielfactje Sobeifätte in feiner gamiüe trübten bei ty. letjte
Sebenijatjre. ©eine ©attin, eine Soctjter be» ^rofeffoxS ber Stjeotogie ßtjriftopt)
3Xtbinul, bertor er 1630, öon feinen Äinbern überlebten itjn nur brei 2öct)ter
unb ber jüngfte ©otjn ©ottlieb, melctjer at§ ^rofeffor ber 2;t)eotogie 1672
finberloi ftarb, fo ba| mit itjm bes 5p. ©tamm in männtietjer Sinie ertofet).
S)ie reictjtjattige 33ibliott)ef, metetje ?$. gefammelt tjatte, marb öon feinen dürben
ber llniberfität übergeben unb ift mit biefer 1811 nact) 23re§tau übergefiebett.
330 ißelatgus — 5peübvam.
SDie bvei Aemter, meldje er jugleicrj öermaltete, tarnen nidjt mieber in eines
(Steigen -Ipanb. 2)em 3U feinem 9tadjfolger im Pfarramt eimätjtten ©imon
llrfinus mürbe nur jögernb unb auf fur^e Qe\t (1639 — 40) bie venia legendi
in ber trjeologifdjen gfacultät ertt)eilt, ba biefe fid) immer mcrjr 3U einer reformivten
gemattete. 2)ie ©eneralfuperintenbentur ber 9Rarf toarb juerft öom Äurfürften
bem 3ot). Sergius angeboten; biefer aber fctjlug, bie üeränberten S3erl)ättniffe
berüdficrjtigenb, öor, ben roeltlidjen Sftättjen bes ßonfiftoriums in Berlin nocr)
einen refornürten unb einen lutrjerifdjen ©eiftlidjen für bie Angelegenheiten ber
beiben (ionfefftonen 3U3ugefellcn, als melctje (1637) fobann 33ergius felbft unb ber
^ropft ju 6t. ^etri, %oi). $od) ernannt mürben. ©0 fjatte ©eorg Söittjelm,
gan^ im ©tnne feines Katers, bie @int)eit ber beiben ©cfyroefterfirctjen bei boller
©emijfensfreirjeit gematjrt, mie biefe Union fid) gteidjjfam als erfter Sßeifudt) burd)
bie Kumulation ber Remter in ber ^erjon bes ^elargus öoll^ogen blatte.
Secman, notitia univ. Francof. 1706 p. 122 — 133. — ©piefer , ©efd).
ber IJtarienfircrje 3U granffurt a. £>. 1835, ©. 251 — 270. — |). gering,
■Jpiftor. ^ad)ricf)t ö. b. erften Anfang b. reform. Äirctje in 33ranbenburg 1778.
— gr. Sranbes, ©efd). b. firdjt. ^3otitie bes Kaufes Söranbenburg I. 1872.
:)i. Sdjroarje.
^clarguö: fticotaus 5p. f. etord).
^clftltg: ^orjannes $. (iJJctding), äöettjbifdjof öon s4>aberborn, geb. 1574
ju fünfter, f am 28. 2)ecember 1642 ju ^aberbom. 6r trat 1591 in ben
Drben ber 9Jcinoriten (gtanciscaner^ßonoentualen) unb mürbe 1599 jum s^riefter
gemeint. 6r mirfte namentlich als ^rebiger juerft in (Siebe , bann als ©uar=
bian 311 S)ortmunb, mo feit 1580 nur nod) in ben Ätofterfirdjen ber sDUnoriten
unb Dominicaner fatrjolifcfjer (Sottesbienft gehalten toerben burfte. ®as Auf=
fetjen, melctjes feine Gontroüersprebigten enegten, ötranlafctc ben 9Jcagiftrat, itjn
am 12. fjfebruar 1604 aus^uroeifen. 6r tarn am 24. September mit ber 6om=
miffion 3u\üd, meldje mit ber Ausführung eines üon Jfaifer Stubolf II. 3U
©unften ber S)ortmunber .ftatfjolifen erlaffenen sDcanbates beauftragt mar,
mufjte aber megen ber burd) fein Stfdjeineu rjerüorgerufenen Aufregung nad)
3roei ©tunben bie ©tabt mieber üerlaffen. 3in ber nädjften 3eit fdieint er
(Suarbian 31t fünfter geroefen 311 fein; 1610 unb 1615 mivb er als ^roüinical
ermätmt, 1617 unb 1U19 als ©uarbian in Äöln. ^m %. 1620 mürbe
er auf ben Antrag bes ßurfürften üon $öln, 5etoinanb öon 23aietn, ber 3U=
gteid) 33ifd)OT öon ^aberboru unb -gntbesljeim mar, 3um Sifcfjof bon Garbica
in partibus (in ÜHjeffalien) unb Söeitjbifdjof öon s$aberborn ernannt, ^ferbinanb
ernannte itjn jugleicr) 3um ©cneralüicar für ^aberborn unb ,g>ilbesr)eim. Als
fotdjer mar er eifrig für bie Sßerbeffevung ber firdjlicrjen ^uftänbe unb für bie
2)urdjfürjrung ber (in ^aberborn burdj ben Sifdjof X^eobor üon gürftenberg
begonnenen) öegenreformation tt)ätig; unter anberen fe^te er in Sügbe unb
Wörter bie Äattjotifen mieber in ben iöefitj ber .ßirdjen. Aud) ben ^ürftbifdjof
öon Dsnabrücf, £yran3 SBit^elm öon SGßartenberg, unterftüfete er mit 9tatt) unb
Jt)at , namentlich) bei ber ^öefi^narjme ber ifjm 1630 öerlterjenen 93istb^ümer
5)anben unb SSerben unb 1632 bei ber @rrid)tung ber Academia Carolina 3U
Qsnabrüd; öon 1638 an mar er beffen fteüüertretenber Sommiffar.
S. göclt, Sie 2Beif)bifd)öfe öon ^aberborn, 1869, ©. 68—102. 185.
fteufd).
^cUbram: Seopolb Sp. , Sifäof öon 2ricr, geb. am 3. «Dlai 1812 au
©d^meibni^, t am 3. 3Dhi 1867 3u 2rier. @r abfolöirte bie ©rjmnaftalftubien
3U ©lafe, bie trjeologifcrjen ©tubien 3U Sreslau unb Sonn unb mürbe am
5. April 1835 3U Breslau 3um 5priefter geroeirjt. ^ladibem er an mehreren
iPeflegtini. 331
anberen Crten in her Seetforge ttjätig geroefen, jute^t ali Pfarrer, @r,}priefter
unb Sdjutinfpector ju äBarmbrunn , rource er öon bem ^ürftbifc^of Siepenbrocf
am 1. 3utt 1850 pm ^ßropft öon St. -£>ebtüig in Berlin, mrftbifcrjöftidjen
SM'egirten für bie 9ftarf unb @t)renbomrjerrn ernannt. 1859 Dertaufcfjte er
biefen Soften mit bem bei fatrjolifdjen gelbpropftei ber SIrmee. 2lti pflid)t=
treuer, rjocfigebitbeter unb mitber ©fi|"tlid)er ftanb er in Serlin in rjotjem 3ln=
fefjen. 9tadjbem 21bt £>aneberg bie am 1. Sfuni 186-1 auf irjn gefallene 2Bafjl
jum S3i]c6)of Don 2/rier abgelehnt rjatte , würbe am 29. 5December 5ß. geroätjlt.
6r rourbe am 27. Wdx^ 1865 präconifirt, am 28. 5ftai ju 33reitau öon bem
ftürft&ifdjof ftörfter unter Slffiftenä ber Söeiljbifcrjöfe (Sberfjarb Don Ürier unb
SBtobariit Don 33reilau confecrirt, am 11. $uni 3U Srier intfjronifirt , Der=
mattete fein 23iitrjum aber nur jmei 3at)re. 9ft e u f dt).
^ellcgrint: ©iulio $., 33afftft, geb. am 1. Januar 1806 in 9JtaiIanb,
fiarb am 12. ^uni 1858 in 9Mncrjen. *ß. erhielt feine mufifaüfdt)e 2tuibübung
auf bem Gonferbatorium feiner 5Baterfiabt unb bebutirte in einer Dper Don
>ßacini 1822 mit großem Srfotg in jurin. S3atb barauf mürbe er für bie
itatienifctie Dper in 9Jcünct)en engagirt , nadj beren Sluftjebung er ati erfter
jßaffift jur bortigen beutfctjen Dper übertrat, Seit 1852 nafjm feine jhaft ab,
fo baB er fid) 1854 penfioniren liefe unb in ber Ütotte bei ißertram (Robert
ber leufel) am 20. Sluguft beffetben Starres Don ber SSütjne 3(6fc^ieb nat)m.
^eüegrini'i Stimme jeictjnete fid) aui burctj Jhaft unb SBiegfamteit , grofjen
Umfang unb Dortrefflidje Schule, ©eine grau Gtementine, geb. sDcoroft ige*
boren 1797 in 9Mncfjen, f bafetbft am 7. i^uit 1845), mit ber er feit 1824
Dermätjtt mar, genoB ben 9tuf einer guten ßontraattiftin, beren fdjöne Stimme
unb gebübeter, gefütjlDotfer Vortrag in ber tcjeatralifcrjen Söirfung noä) burctj
it)re Sctjönrjeit unterfiüBt rourbe. Glementine *ß. rourbe 1843 penfionirt.
Sofepf) Äürfd&ner.
^Cltcgrtni: $art Giemen i ©raf *ß. , bitter be§ gotbenen S5lic|c§,
®rofefreu3 bei URititär = ^Jtaria = Stjerefienorben^ , ^ntjaber bei f. f. Infanterie-
regiments 9h. 49, f. f. getbmarfdjatt unb ©eneralbirector bei gefammten ©enie=
unb 5ortiftcatton§rDefen§ , geboren am 20. 9lobember 1720 ju Verona, f am
28. Iftobember 1796 $u Sßien , entfiammte einer itatienifcfjen SlbetifamÜie.
Serjon 1735 fofl. er bei y}>rjilippiburg ati einer ber befähigteren D'ftciere bei
ben Sßerfcfjanjungiarbeiten Derroenbet roorben fein, 1737 — 1739 bemnb er ftä)
angeblich bei einer Sonaufiottitle, 1740 — 1748 beteiligte er ftdj ati 5Jcajor
unb fpäter al§ Dberftlteutenant an bem öfterxeicCjifctjen. Grbfolgetriege, 1756 —
1762 befestigte er — Don 1757 an ati Dberft — bai Infanterieregiment
3h. 59, Don 1759 an ati ©eneralmajor unb Gommanbant einer aui Srena=
bieren unb Garabinieri jufammengefetjten 3higabe — roärjrenb ber metften
kämpfe bei ftebenjärjrigen $riegei. S)er Sag Don Sreilau, 22. DcoDember 1757,
an roelc^em er ficrj .^tein=^ftocl)beri bemächtigte, brachte i|m bai ^tittetfreuj bei
5Jlilitär^sIRaria=2:t)erefienotbeni; bai Gommanbeurfrcuj biefer ferjr angefeb^enen
Sluijeic^nung rourbe ifjm aber Derlieb^en für fein erfolgreictjei 3}erb^inbern bei
ßlbeübergangei bei Götln am 3. S^ecember 1759, foroie in Slnertennung feiner
Leitung bei regten gfügeli bei ütorgau am 3. DtoDember 1760 an Stelle bei
Derrounbeten gelbjeugmeifteri ^er^og Don 3lrt)emberg unb bei in ©efangenfctjait
geratt)enen ^P^roarfc^alliieutenanti fyrettjerr Don 91ngern. sDlit bem ©efecb^te
bei üteptit; am 1. ?luguft 1762, 3U beffen gutem ßrfolge er laut te^, Seridjtei
bei getbmarfcfjatltieutenanti dürften Söroenftein „^ steifte" beigetragen, fcfjlofj
feine nenneniroertt)e 2f)ätigfeit jur 3eit be^ fiebenjäb^rigen Äriegei. ftun über=
nab^m $• bas sIftititärcommanbo Don Cberöfterreic| unb nacf)bem er, feit 1764
332 veuer.
gelbmarfcfjalllieutenant, aud) als ^nfpector ber Infanterie unb aU |)offriegsratf)
getoirft Ijatte, 1770 ba§ Gommanbo übet bai Ingenieur*, *Diineur= unb ©appeur*
corps\ 1778 bie Dberbiredion ber ^ngenieurafabemien unb 1780 bie ©eneral=
biredion über ba§ $ngenieurcorp§ u"b b&§ fjfortificationättefen. 3n biefer
v- >eit aöancirte er 1771 jum gelbjeugmeifter, 1788 jum Setbmarfdjall. 9kment=
lief) als Obcrbirector beä ^ngenieurcorpg roa* ^ettegrint'§ Üfjätigfeit raieber eine
feljr IjerPortretenbe. 6r feftigte nämlid) ben Seftanb be§ erft 1747 als felb=
ftänbig erftärten Sngenieurcorpö , inbem er bie Organisation beffelben in f)att=
bare Öoi:tnen braute unb mit reger (Sorgfalt bie Slusbilbung ber Dfficiere ju
erroeitern fudjte; Pont getbjeugmeifter dürften fixan^ Äinsft) unb öon 5ß.
ftammen jerner bie 1777 ausgearbeiteten ©ntroürfe jur (Jrridjtung einer bei»
einigten 3>ngenieur= unb Slrtillerieafabemie, „um reifere, tjintänglid) öorgebitbete
Jünglinge in tjörjeren facfjlidjen SBiffenfcfjaften 3u unterrichten" unb fomit
(Srunbfätje , roeldje bei ber 92 3(ar)re fpäter erfolgten Einlage ber tedjnifd)en
slJUtitäratabemic <}u SBien tt)eitroeife jur ©eltung tarnen; er förberte enblid) bie
Sefeftigunggerforberniffe mit erf)ör)ter Otütjrigfeit , fo bafj unter feinem Gnnfluffe
bie geftungen 2t)erefienftabt , Aiöniggrätj unb Sofefftabt jum Saue gelangten.
^ICö jeboef) ber Stürfenfrieg 1788 90 jum SluSbrucfje fam , begab fiel) «p. tro^
feineö rjotjen altera auf ben Äriegäfcrjauplaij unb unterftükte 1789 anfänglid)
öon StemeSöiir aus bie SelagerungSopcrationeu öor Seigrab. Se^üglid) feines
Sertjaltenä bei Setgrab felbft berietet aber g9tt. £aubon an ben $aifer, „bafj
er befonber§ ben (Sifer unb bie Stjätigfeit rütjmen muffe, roomit Jß. mäljrenb
ber Selagerung ber Sorftabt nid)t allein bie Sefdjleunigung ber ütrand)6e=
arbeiten unb bie Einlage ber Neboute befolgte, fonbern aud) nadj bem ©türme
in ber Nad)t öom 1. ^um 2. £)ctober bie nötfnge Arbeit in ber SSorftabt ber=
^eftalt burd) feine ÖJegenroart ju beförbern fucfjte, bafj ,jum roefenttidjen Sortierte
bie parallele auf bem ©taciS in gorm einer ßinic aw 50 Älafter Pom be=
beeften Söege angefangen mürbe unb bie sUcannfcb/aft früf^eitig ganj gebeeft
ftanb." $. mar eS aud) , ber im Momente beä ©türmet, alä £aubon buretj
ben ©djlag eines* Sferbeä bireet aufjer £t|ätigfeit fam , p ben üorberften
Kolonnen eilte unb beren roeitereä Sorgeljen teufte. (hft nadj 6d)tufj be§
Krieges unb auszeichnet mit bem ©rofjfreuie beä Militär = 5Raria = Xf)erefien=
orben« fetjrte *)). nad) Söien jurücf, mo er fid) al§ tüdjtiger 2trd)iteft auf bem
(Siebiete ber bürgerlidjen Saufunft bettjätigte. $m ipinblicfe auf bie fjödjft
Seltene breimalige Muljeidjnung mit bem rjöctjften mititärifdjen Drben unb auf
feine nur in ben ^aupt^ügen befannte ©influinafjme auf ba§ ^ngenieurroefen
mu^ eg aber al§ ^meifellog be^eid^net toerben, ba$ ^ellegrinr'ä bem ©taate
gemibmete, tangiätjrige Sßirtfamfeit einftmeiten nocl) nicf)t genügenb ergrünbet ift.
aBurjbad), Siogr. 2er. b. Äatfertf). Defterreicf). 21. Zf). SBien 1870. —
^epner, 2f)aten k. berühmter öfterr. gelbt). Söien 1808. — fteütü , Sio=
graprjien b. ber. ^etbl). Oefterreid)§. äöien 1813. — ^irtenfelb , ber Mit.
sJRax. Sljeref. Crben ic. äöien 1857. — ©cfjmeigerb, Ocfterreictjä gelben :c.
3. Sb. 2Buräenl854. — SBeingärtner, ^elbenbud). Xefcljen 1881. — ßujtig,
3ur ©efdj. b. f. f. ©enie-2Baffe in ©trefft. Oeft. milit. ^eitfdjr. Söien 1885.
— ©cfjrott, ©efd). b. 59. Sin.=3nft.«9lgtS. 2öien 1835. — 3i^n, S)er
^etbjug 1760 in ©acfjfen ic. in 9Jcittf). b. f. f. ÄriegSard)iö8. Sßien 1882.
©dj.
$elkr: Sljriftoplj 5p. bon unb ju ©et) opperSfjof , 9ied)t§gelef)rter
fftatt) merjrcrer 9teicf)s[tänbe, ^rofanäter Pon Slltorf unb pubticiftifcf)er ©d)rift=
fteller. 2>ie 5p. maren urfprüngticlj ein fer)r mob,lf)abenbee fränfifcrjeS Sürger=
gefd)tecf)t, bai fpäter im Nürnberger ^atriciate eine einflu^reidje ©teUung be=
|auptete. S)a3 5petler'fcr)e £mu§ 3u Nürnberg ift fjeute nod) ein arcf)iteftonifd)er
geller. 333
©djmud ber ©tabt; auf bem Srbfcrjtoffe ber gamitie ju ©djoperäfjof aber mur=
ben üon bem faifertidjen SSefe^tS^aber Dttam'o ^iccotomini unb bem fdjjroebifdjen
23ebottmäd)tigten ©rafen Cdjfenftierna bie Präliminarien jutn tjeifjerfeljnten tt>eft=
tätigen ^rieben unter^eicfinet. 5Jlartin ^ß. mürbe mit faiferiidjem S>iptom bom
8. Januar 1585 in ben erbtidjen Slbetftanb be§ 9teid)e§ erhoben, unb tjaben
fid) mehrere bon beffen 'Dladjfommen um ba§ ftäbtifdje ©emeinmefen berbient
gemalt, fo 3of)ann Sobft (f am 23. Januar 1711), Martin (f am 20. ge=
bruar 1720), Sfjriftopt) 3a!ofc (f am 16. Februar 1729), grjriftopl) ©ottlieb
(f am 29. Sluguft 1741); namentlid) aber ber ältere 33ruber be§ elftgenannten
3of)ann ^obft, unfer Srjriftopt), geboren ju Nürnberg am 28. Dtoüember 1630,
f bafelbft am 25. «Dtära 1711. — ©ein SBatet, 2obia§ $., Warftborftetjer 3U
Nürnberg, fanbte it)n nad) üoüenbetem ©rjmnafialftubtum 1649 nad) Tübingen,
mo ifm Sauterbadj in bie fRed^tStDifjenfcfjaft einführte ; 1651 ging er an bie
f)eimifd)e .Ipodjfdjule nact) Slltorf; bereifte fobann Gsifafj unb £)ottanb unb tjielt
fic§ in «Strasburg, befonber§ aber in lltredjt, ba§ bamatä in ^o^er lßlütt)e
ftanb, längere geit auf, um fid) an teuerem Orte bei Dr. 3ßaut ^oetiu§ auf
bie furiftifdje S)octortoürbe tiorjubereiten , toeldje er etma§ fpäter (1658) in
2Utorf mit ber 3naugural=3)iffertation: j?de diffidationibus" erttmrb. 1659
üermärjtte er fictj mit ber Äaufmann§tod)ter Slara (Sinmag au§ Mrnberg; bie
@t)e mar mit 14 $inbern gefegnet, bon benen feboct) nur eine Xodjter ben Sßater
überlebte, ^m nämtid)en ^atjre trat ^). in reid)äftäbtifd)e üDtenfte; tourbe 1659
©enannter be<? größeren Ütattjeg, 1665 ßonfutent unb Slffeffor am Untergeridjte,
1674 am ©tabtgerid)te, 1692 (nad) Diüdfefjr öon einer ©enbung an ben baie*
rifd)en ^of in ftäbtifdjen Angelegenheiten) Slffeffor be§ <!(ppeItation§= unb 35anco=
gerid)te§, jugteid) ^rofanjter an ber Uniberfität Sittorf- 2113 leitete ba§ *ßrit>i=
tegium erhielt, SDoctoren ber Geologie ju creiren, mürbe ber femeitige ^5ro=
fan^ter jum faiferlidjen ^ßfaljgrafen ernannt, unb $. mar ber Srfte, metdjer
biefe SOßürbe befteibete. S)a er ben 9tuf eine§ ebenfo erfatjrenen al§ unter=
richteten ©efdjiäjtgmanneg genofj, ermatten itjn 1683 gürft ^ofjann Slboipb,
0. ©djmarjenberg , 1685 Sanbgraf $ar( ju Reffen » Saff et , 1693 bie toeimara=
nifdjen -"perjöge , unb batb barauf ©raf $ot)ann Otto b. 2)ornbadj sunt befol=
beten Statt) unb Sonfutenten; feine Mitbürger aber bertietjen itjm in banfbarer
2tnerfennung feiner mannigfachen Sürgertugenben bie dfjrentitel: „Oraculum
Norimbergense , delicium principum, asyluni oppressorum." *ß. erreichte bei
öofler geiftiger unb förperlidjer 9tüftigfeit ein Sitter bon meb^r benn 86 Sauren;
bie ^Jtuleftunben mibmete er gerne ftaat§redjttidjen ©tubien, roobei er bon einer
auSgemäb.tten 33üd)erfammlung unterftübt mürbe, meldte 1717 jur Sßerfteigerung
fam. @r fdjrieb einige pubticiftifdje Slbrjanbtungen , bie tb^eit§ gebrudt, tt)eit§
tjanbfdjriftüd) bortjanben; fobann: „Tbeatrum pacis h. e. tractatus instrumen-
torum praecipuorum ab ao 1647 usque 1681 in Europa initorum" (2 S3be. 4°)
unb gab $afpar Mod'Z „tractatus de aerario" mit 5lnmerfungen b^erau§ (1671
got.). ®en |>auptgrunb ^u einem tarnen in ber Sitteratur legte er inbefj
burd) fein 2Bertdjen ,,Politicus seleratus impugnatus, i. e. compendium poli-
tices novum, sub schemate hominis politici etc. etc.", in bem er bie Xfyeorien,
meldte ty}H\pp Stnbreaä Olbenburger (51. 2). 33. XXIV, 261), ein feister (Sompi*
tator , unter bem ^feubontjm Pacificus a lapide in feinem 33udje : .,bomo
politicus" aufgeftettt blatte, mit bietem ©efdjide gu miberlegen mu^te. S)a§
Söerfdjen mürbe juerft 1663 in Nürnberg in 12°, bann ebenba 1664, 65, 69,
jutetjt 1698 cum Ameloti commentario berlegt. —
Södjer. — Ütotermuub. — äßiE, mxxib. ®e(er)rtert- Serif. 2^1. III.
129, fortgef. b. ftopitfd) 2f)I. VII. 114. (Hfentjart.
334 ^3eüet — spettifait.
fettet : 3b a $., Sdjaufpielerin , geb. 1838 "in ©raj, ftacb am 10. 3utt
1863 in ßeip^ig. 3>ba Iß. , bie 2od)ter beä früheren SdjaufpietbirectorS $.,
bereitete fid) in £in,j (ba§ meljrfad) aud) als i$te (SeburtSftabt bejeidjnet mirb)
jux SBütme tior, bebntirte 1853 in Nürnberg, ging tion ba 1854 nad) Sitij, im
folgenben 3af)re nad) äBien an§ $arltr)eater , im 3- 185^ nad) Stettin unb
roirfte 1858—1861 in SBteSbaben, fd)on bamal§ im tragifdjen 5ad) anerfannt.
^m Sommer 1861 gaftirte fie mit aufjergemöljnlicrjem (Srfolg als Jungfrau öon
Orleans, Stulie unb Allärcfjen am £>0Ttf)eater ju Sßertin unb geborte nun feit
September 1861 biefem ^nftitute als Mitgtieb an. 1863 gaftirte fie in
s4$rag unb Seipjig unb ftarb tjier unermartet nad) turpem Jh'anfenlager. ^Ijr
Setjrer ©mit 5£)etiricnt liefe irjr auf bem ßeipyger griebtjof ein einfaches ©enfmal
erridjten. *ß. mar tion großer Sd)önf)eit unb tiieltierfpredjenber Begabung ; fie
(eiftete trotj itjrer $ugcnb in Dtoflen mie bie genannten, ebenfo als 2Inne ßiefe,
(Sretdjen, Marie Stuart, aber aud) als (Sljriemfjilbe u. bergt, fo SeadjtenSroertfjeS,
bafe if)r £ob tt)atfäd)tid) einen ernfttid)en Serluft für bie tljeatratifdje $unft
bebeutete. Sofept) ßürfdjner.
jßettifatt: Gonrab ty. (ÄurBnev), ^ebraift unb Mitarbeiter bei ;Heforma=
tion, geb. ju Üiuffad) im (Jtfafe am 8. Januar 1478, v als ^rofeffor in ^ürid)
ben 6. 2Ipril 1556. tiefer merfroiirbigc Mann tjat für ben ©efd)id)t§forfd)er
ein um fo größeres 3fntcreffe, meil er eine Setbftbiograpt)ie fu'ntcrlaffen t)at tion
größter 33ebeutung für bie ßenntnifj beS vmmauiSmuS unb ber Deformation
(baS (£t)romfon beS *pettifan, herausgegeben öon bem Unterjeidjneteu 1877).
Seine ^ugenbjeit tiertebte sl]. in feiner fleinen Saterftabt, öon melcfjer er am
"Xbenb feineg SebenS für bie .ffoSinograpfyie feines 3^unbeS unb Sdjülers
Sebaftian fünfter eine an^ieljenbe f)iftorifd)e unb topograpf)ifd)e 33efd)reibung
bearbeitet I;at. Seine Gltern maren fo arm, bafj fie if)m feines ber in Ulm
gebrudten Sjemplare beS 2)onat anfdjaffen tonnten. Gr mufjte fid) baS be=
rüdjtigte Sd)utbud) mit bieler Mülje abfdjreiben. Seljr lebenbig tfjeitt s}>. bie
Erinnerungen feiner .Rinbfyeit mit : ben ütob beS größten ülfjeitS feiner 9lnget)örigen
bei brei $eftepibemien, bie ."peimfeljr ber Solbaten tion ber ^Befreiung beS in
Srügge gefangenen $aiferS Maximilian unb bie tion bafy? entftanbenc üoderung
ber Sitten, bie ihinbe tion bem Sdjidfal beS «gmnS 2Balbmann unb ein 23olfs=
tieb auf bie @ble tion £mngerftein , bie itjren ©atteu ermorbet rjattc , in SBafel
t)ätte foüen ertränft merben unb Dorn genfer liftig mar gerettet roorben. *ßelli=
fan's Stubicnjcit in ^eibelberg mar tion furjer SDauer (1491 — 92), ba fein
Dtjeim ^obocuS ©atluS, meldjer it)n nad) <£>eibelberg ()atte fommen Haffen , tion
bort als 3ßrebiger nad) Speyer berufen mürbe. 9}on ^oboeug ©aüuö gibt ^.
in feinem Grjronifon auf ©runb tion beffen 2agebüd)ern eine ^iemlid) tioüftänbige
Siograptjie unb bamit ein anfd)aulid)e§ 53itb tion bem täglichen Seben be§
t)öll)eren Äteru§ jener 3c»t mit feinen 2id)t= unb Sdjattenfeiten. Son «f)eibetberg
nad) 9tuffad) äurüdgeferjrt, naljm $. bem Scrjulmeifter einen £Ijeit feiner Slrbeit
a^), um bafür tion biefem meiter unterrichtet ju merben. Unb at§ er mit beffen
SOBiffenfdjaft gar balb fertig mar, trat er in ba§ ftranjiSfanerflofter, jmar gegen
ben äöitleu feiner Sltern, aber mo fonft Ijätte ber arme Jüngling t)offen bürfen
für feinen 2öiffen§burft fernere SBefriebigung 3U finben al§ bei ben ^ttöndjen1?
Unb mirflid) fotlte er unter bem Sdjutj be§ Zeitigen ^ran^ ein gelehrter 9Jiann
merben. 5lad)bem er 1495 in 33afel bie nieberen 2Bei^en erlangt, erfjiett er
tiom ^rotiin^ial bie (Jrtaubnifj, 3U feiner meiteren Sluebilbung in ba% Sübinger
Softer überjufiebeln. 2)iefeS Softer ^atte bamal§ jum ©uarbian ben gelehrten
$aul ScriptoriS , ben g^unb unb Mitarbeiter ber r)ertiorragenbfteu Ser)rer an
ber jungen Unitierfität. 3U feinen güfjen fafeen mit ^ßeEifan 2t)oma§ Sötjttcnbad),
,,tunc Sclnvitzerus dictus", ber 3üvd)er ^or)ann Mantel unö tion nadjmaligen
!JMifan. 335
Setütjmtfjeiten unter anbeten ©taupitj unb @d. Scriptorie mar ein llniöexjat=
genie, öon irjm erfnelt jf$. nidjt nur prjitofoprjifdje SBeletjrung unb reformatorifdje
Anregungen , bei iljm tjörte er auct) 9Jtatb,ematif unb Aftronomie. 3>n feinet
Begleitung befugte er öfter ben berühmten ^tatrjematifer 3fot). ©töffler in
Suftingcn unb eine Anjafjl öon Gapitelöerfammlungen feineS DtbenS. Am
einet biefet Steifen roat eS, bafj et mit bem gelehrten jübifctjen 3ßrofelöten 3ot).
$auli äufammenttüT. tiefem' eräätjlte er, toie er all $nabe einmal bem Disput
eines (Streiften mit einem jübifdjen Srjepaar beigeroofmt unb jjur ©djanbe ber
Grjriftenrjeit tjabe rjören muffen , tote nidjt nur ber ^ube , f onbern f ogar bie
$übin mit Argumenten auS ben ©Triften beS alten SunbeS ben (St)rtften aus
bem %dbc gefdjlagen. 93on ba an Jjabe eS ifjm fiet» im ©inne gelegen, ob er
nidjt baS alte Üeftament fönnte in ber Urfpradje lefen lernen, er Ijabe jeboct)
bis jet|t btofj einiger Gommentare fönnen rjabfjait roerben , auS benen er roenig
Sidjt empfangen. 3n golge biefeS ©efprädjeS öerfdjafftc itjm Solj. $auli einen
©ober, enttjaltenb bie sßropfjeten; $onrab ©ummentjart abet, ber greunb feine»
SeljrerS ©criptoriS, lieb, ifjm ein (ürremplar beS 33ucfjeS Stella Messiae, wo ber
©runbtejt einer Üteifje altteftamenttidjer ©teüen in Üranfcription mit barüber=
ftet)enber beutfdjer Ueberfetjung abgebrudt mar. Unb mit biefen jtoei auSfdjliefj-
lidjen Hilfsmitteln Ijat $• nic^t nut Ijebräifdj geletnt, fonbetn im 3. 1501
fofott eine fleine tjebräifdje ©rammatif 3ufammengeftettt , S>eutfdjtanbS erfteS
2erjt= , ßefe= unb SSöttetbudj bet Ijebräifdjen Spraye (1877 öon Dr. Dteftle
auS ber Söergeffenljeit ber Margarita philosophica tjeröorgejogen unb oermittelft
beS ^IjotograpfjiebrudS in bet utfptünglictjen ©eftalt öon 1504 herausgegeben).
Audj mit Üteudjlin ftanb ty. roäfjrenb feineS lübtnger Aufenthaltes in regem
33exfet)r , butdj itjn rourbe et mit bem geteerten ^uben 9JcatttjäuS AbrianuS
befannt , unb langete 3"* atbeiteten biefe S5tei gemeinfdjaftlidj an 9teudjlin'S
r)ebräifrf)etn SBörteröudj.
SJon 1502 an treffen mir ty. als Sector ber Ideologie pro fratribus
studiosis im granjiSfanerftofter ^u 23afet. ©ofort roufjte ber SSudjbruder 3otj.
Amerbadj ben gelernten jungen 9flann für bie Mitarbeit an feinet Ausgabe bet
äöerfe AuguftinS 3u gewinnen, unb roie je|t et, fo öetftanben eS fpätet groben,
Ab. $etri unb grofdjauer ö ortreff lidj , bie umfaffenbe ©eleljrfamfeit unb ben
eifetnen gleiß beS fetbftlofen $. ju benutzen unb — roenn man an bie aaf)l=
lofen ^nbiceS unb (lottecturen benlt, bie er für bie ^reffen ber grofjen ©rüder*
tjetten gegen gar feine obet minime <£>onotare anfettigte — auszubeuten. AIS
im Sftai 1501 bet Satbinal Ütatjtnunb ö. ^etranbi auf ber 5)urdjteife öon
einet metjtjätjrigen beutfdjen Segatut nadj Bafel fam, cteitte er ?$., bon $ob. ©attuS
barum etfudjt, pm Sicentiateu ber üttjeologie mit bet auSbtüdtidjen 33emettung,
ba^ et nacl) öottenbetem bteifjigften Sa^re oljne SöeiteteS ben ütitel eineS SJoctotS
ttagen bütr'e. 5>ocfj ^at 5|}. öon biefet ßttaubnifj nie ©ebraud) gemacht, ^ierju
mögen iljn aufeer feiner perföntidfen 23efd)eibenf)eit nodj anbere ©rünbe beftimmt
fjaben. ^m ßlofter mürbe ib,m bie 6ifetfud)t feiner Oberen unb fpäter fein
reformatorifdjeS 58erou^tfein nid)t ^ugelaffen tjaben, bie öon einem Garbinal,
mithin öon ber ©nabe beS römifdjen ©tufjtS erlangte SBürbe ju gebrauchen.
Sagegen lie| er fid) öon Garbinat 9tatjmunb gerne auf f orbern, itjn nad) 9tom
ju begleiten. @r fam jebod) nietjt meit über bie je^igen ©renken ber ©d)toeij
tjinauS. %n ^aHanja am Sago maggiore ergriff if)n ein IjeftigeS fyieber, unb
ber Garbinat, fo gern er ifm mit nad) 9tom genommen rjätte, falj fidj öer=
anlaßt, itjn ju öerabfd)ieben. ßr t^at bieS mit ben Söorten: ,.Malo te scire
Basileae vivum quam Retinae mortuum.'1 ^n SSafel blieb ^. nodj einige
^aljre. ^n biefer Qnt öerfe^rte er mit bem ganjen anregenben Äreife ber
greunbe AmerbadjS. damals unterrichtete er unter Anbeten Subroig Ser, ben
336 ^eütfan.
geteerten ^reunb bei SraSmuä in ben 2Infang3grünben ber fjebrätfdjen ©pra^e
unb fdjrieb ein Gompenbium ber 2)ogmatif Tür feinen ©önner, ben treffttd^en
23ifcf>of Gtjr. u. Utenfjeim. Sßietleidjt finb bie fetjr intimen SBejietjungen s$elti=
fan'3 ju biefem fjoctjberjigen $irdjenfürften fogar ber ®runb gemefen, warum ty.
im 3. 1508 plö|$lid) in ber nämlichen (Sigenfdjaft at3 ßector nadj 9tuffad)
öerfetjt mürbe. Uebrigenä futjr er aud) bort für 2Imerbacby3 treffe ju arbeiten
fort, unb unter feinen neuen ©djülern befanb fidj ein ferjr banfbarer: ©ebaftian
fünfter, ber bei $. in bie beiben SBiffenfcrjaften eingemeitjt mürbe, benen feine
fpätere 8eben§arbeit galt: ba§ .gjebräifdje unb bie $o3mograpb,ie. 9tudj mit
ber Sßerbefferung be§ Orbenä befaßte fid) 5)3. in jenen ^afjren eingetjenb. 3üJav
tieröffentlidjte er ein bejügtidjeä Memorial an feine DrbenSbrüber nid)t , au§
Sfurdjt, mie er naiti jugeftetjt, in ein -£>orniffenneft ^u langen. Sfnbeffeu fetjeint
bod) gerabe biefe ©eite feiner SBeftrebungen , befonber§ mätjrenb feine§ nun
folgenben ®uarbianat§ su ^forjljeim 1511 — 1514, bie 9tufmerffamfeit ber
Crbenäobern erregt $u rjaben, fo bafj ber feine§roeg§ unbebeutenbe ^robtn^tat
.\lafpar Safeger irjn ju feinem ©ecretär ernannte unb in ben brei 3fat)ren 1514
6i8 1517 auf feine 33ifitation§reifen burdj bie gan^e fübbeutfdje ^rotiinj unb
auf feine Steife ju ben beiben GSencratcapiteln nad) Ütouen unb nad) 9tom mit*
narjm. Stile biefe Steifen befdjreibt $. mit grofeer Sebenbigfeit; bie beiben
grofjen Querfuge burd) 2d)roaben, Saiern unb Oefterreid) gematteten fid) für
if)n faft ungefueb^t \u miffenfd)aTttid)en Reifen im ^ntereffe be§ rjebräifdjtn
StubiumS. Söei ber fran^öfifdjen Steife intereffirt un§ befonberä ba§ ^ufammen*
treffen mit Araber ©taputenfiä unb mit ben portugiefifcfjcn Srübern ex novis
insulis. 93ei ber tebenätioften 23efd)reibung, bie $. tion Italien, Don Stom unb
beffen .^eiligttjümern gibt, erflärt er augbrüdtid), ba§ er lieber bie ©puren be§
claffifdjen 9tom§ gefetjen tjätte als bie ©puren tion allerlei nie gefdieljenen
9Jltta!cln. 9tod) betior er nact) Stom abreifte, tierbradjte er toieberum einige
Senate in 33afct, um ba3 .(pebräifcrje für bie £>ierontimuSau§gabe gtobenS unb
all Slppenbij baju ein psalterium quadruplex unb eine turjgefafjte tjebräifdje
©rammatif ju bearbeiten unb ^ugtetd) feinem bamalä in 33afet meitenben $reunbe
Sapito bei beffen titterarifdjen arbeiten betjitflid) 31t fein.
Oladj feiner Stüdfefjr tion Stom mürbe er ©uarbian in Stuffad), bod) erhielt
er fdjon im 3- 1519 baS ungleid) micfjtigere ©uarbianat in SBafet. ,£>ier mürben
bamalS bon £K*oben unb, nadjbcm biefer tion SraämuS eingefdjüd)tcrt morben
mar, tion 3lb. s$etri bie ©djrüten ßutb^erl emfig nacb^gebrudt. ^ietürtidj rourbe
5ß. , jumat beim ftadjbrutf ber ^falmenerftärung , tion ben ©rudern ju Statte
gebogen unb fam fo unüerfefjenS ju fet)r eingef)cnber 33efd)äftigung mit ben
©djriften be§ 2Bittenberger§, ju beffen 23erftänbnif} er burd) ba§ if)m tion
©criptoril empfor;lene unb fpäter im 3fntereffe ber Safler 2lu§gabe fortgefe^te
©tubium ber Äircb^entiäter trefflictj tiorbereitet mar. ©erjon im %. 1512 blatte
er fid) in einem ©efprädje mit dapito über bie firctyiicrje 8et)re unb ^rajiä fetjr
fritifer) auSgefprocb^en , unb at§ naä) bem 9tetc^§tag tion 2Borm§ ber berühmte
faiferlic^e Sftatb, granj ti. 9lngeti§ 3U it)tn fam, ba fprad) er aucr) gegen biefen,
ber roärjrenb 3toei Sagen fefjr freunbfcrjafttid) mit ir)m tierfeb^rte , fiä) beutlid)
über feine ^Infdjauungen au§. Slttein fetbft tion einem fotd) eblen ^umani§mu§
mar el bi§ 3ur Deformation nod§ meit, ^umat für ben unpraftifdjen , auf
anberm al§ bem litterarifdien ©ebiete fdjmerfattigen $. Sroti SSeranlaffungen
nötigten ib^n, entfdjieben ©tettung p nehmen. 3tt§ e§ aßen ^Jlinoriten foHte
»erboten roerben , 2utt)er§ ©crjriften ju (efen , ba trat er energifer) gegen ein
fotcr)e§ 2tnfinnen in bie ©crjranfen; ifjm galten öutrjerä ©djriften biet al§
3eidien „jum Stufftefjen aul bem tiefen ©djtaf". Unb als ber 5prebiger feinei
Ätofterö, ber unerfeb^rodene ^anS ©ünbti, genannt Süttjarb au% Sujern, mit
$eEif<w. 337
folgern ©rfolg in reiormatorifcrjem Sinne prcbigte, bafj ber 5Jtatr) im 3>uni 1522
ein -Tftanbat „be3 ßDangeliumi fjalb" erliefe, ba rooüte fidj 5P. miebcrum nicfjt
pm Schergen unb .ffefcenicrjter gegen feinen angetccrjtenen £rbensbruber tjer=
geben.
3tn ber Erbitterung gegen bie 5)Jtacf)inationen ber 5priefter würbe nun fogar
nacr) Dftern 1523 ein erfter entfctjiebener Schritt p ©unften ber üteformation
getfjan. £)ie 5profefforen ber Geologie, meldte mit Satjger gegen 5p. confpirirt,
mürben abgefegt unb Cefolampab unb 5p. mit beren Sefjrftürjten betraut. 5p.
rjatte 3tIIe§ gettjan, biefen Gonflict p Dermeiben. 6r rjatte ben DrbenSobern
unter anberm mieberfjolt ben originellen SJorfdjlag gemacht, man möge alle
altgläubigen Dibensbrüber Don Bafel teegnet)men unb irjm bafür alle lutrjerifcr)
gefinnten pmeifen , fo fülle er im ^rieben feinet 2lmte§ märten. SDaxauf ging
natürlich ber Drben nictjt ein, 5p. mürbe feinet ©uaxbtanat» entfetjt, bocr) lief
man irjn rutjig im Bafeter Älofter. @r ging ja in feiner 2ßeife aggreffiD bor
unb concentrirte ficfj gänjlicr) auf feine Borlefungen an ber Unioerfität unb auf
feine litterarifcr)en arbeiten ffit bie 2)ru<ferr)erren. 5Jcur einmal trat er p jener
3eit in bie Deffentlicfjfeit, nämticr) im ^btuar 1524 bei Stepfjan Stör§ SDU=
putation über bie 5priefterer)e. S)a erflärte 5p. unummunben, bie äöiebereinfütjrung
ber 5prieftererje fei notrjmenbig, um au» ben firtfjticrjen 5Dcif5Derb,ältniffen r)eraui=
jufommen. 2ll§ bann an ber ;p§i-*e3menbe p0n 1525 26 ein fJtuf Don 3tt,inSft
an irjn gelangte, bie burct) Seporiug' £ob erlebigte fjebräifctje Sßxofeffut in Syrier)
p übernehmen , mußte felbft Defolampab it)m pr Slnnarjmc ratfjen. Defo=
lampab rjoffte worjl, 5p. merbe, lo§getöft Don bem Drben, ber Saclje ber 9tefor=
mation in Sut^ größere £)ienfte leiften fönnen als in 93afet , mo orjnerjin
bamal§ ein ©tillftanb eingetreten mar. Unb in ber Ürjat fjat 5p. , fofort nadj
feiner Slnfunft in 3ürict) , im grürjting 152G bie Äutte abgelegt unb ftcb, aucr)
balb baraur üercfjetic^t. Seine erfte Borlefung in 3ur^ begann er mit ben
2Borten: „tet) banfe meinem ^erren, baß" er mict) au3 Slegnpten, au§ ber ägt)p=
tiferjen unb päpftlictjen ©efangenfetjaft befreit unb ba§ 5Äottje 5)Jceer gtütfliäj fmt
burcfjf freiten laffen." ^n $üxid) trmrbe ei ifjm Dergönnt , in rjarmonifcrjem
herein perfi nodj einige $af)xc mit 3lotri9tt uno 0Qnn mäfjrenb einer langen
fteitje Don Sauren mit Seo $ub , Sultinger, Biblianber unb anbern trefflichen
5Dcännern am Ausbau ber fJieformation p arbeiten. Unter feinen Wiffenfcr)aft=
licfjen Seiftungen fterjt obenan ber einige au§ ber 3teformation§3eit rjerDor*
gegangene Gommentar über ba§ ©efammtgebiet ber alt= unb neuteftamenttierjen
Scfjriften. Bon feinen linguifitferjen arbeiten liegen noct) ganje «Stöfje im
5Dcanufcript aui ben Bibliotrjefen Don Süricfj. äöefentticrjen Slnt^eil t)at er auet)
gehabt an ber geftftellung be§ reformirten ißefenntniffe§ in ber fogenannten
erften b,elöetifcr)en Sonfeffion bon 1536. $n ben 30 legten Siab.ren mar 5pelii=
fan'S Seben ba§ eine§ füllen ®elel)rten. ©egen 55u^er'§ Unionlmacrjerei rjatte
er einen tiefen äöibermillen , unb fo §octj er Sutljer feijä^te , fo roenig mar er
geroiüt, ben fpeeififet) reformirten Ser)rtrjpug aufpgeben. Sagegen fucfjte er
unter ben ^Reformirten ber Derfcfjiebenen 5)cationen lebenbige ^ejiefjungen au er=
galten unb übte p biefem 3roecfe bie grofeartigftc ©aftfreunbfetjaft; eine ftaunen§=
mertfje 5Dlenge ber bebeutenbften Männer auä ©üb unb 5)corb fjat , t1jeil§ Dor=
übergetjenb , tljeilg mäljrenb 5Jftonaten unb ^arjren in 3ürtcif) in feinem ^paufe
gelebt. 5K1§ itjn aug biefem fetjönen 2Birfung§freife t)erau§ fein 5reuno Sloutet
nact) Tübingen jierjen moüte , ba pg e§ 5p. , ber gänjlicrj octjmeijer gemorben
mar, Dor in 3üridj ju bleiben, ba§ ifjn unb feine Familie auf bie efjrenDolifte
3öeife inö Bürgerrecht aufgenommen. 3n 3üi'icb, ift er benn aucr) at« Taft
acr}täigjäfjriger ©reiä im ^. 1556 tiefbetrauert geftorben. Grjaraftertftifct) für
iJÜIgem. beutft^e Siogracljie. XXV. 22
338 *elt.
fein ganzes Söefen tote für fein (Stjronifon unb fdjtoerroiegenb für befjen äöertt)
tft ber Umftanb , bajj $. üon feiner Berufung nad) Tübingen im Gljronifon
gän^lid^ fdjmeigt. 9Jtit größtem tRed^te fagt fein ^reunb -fiönrab ©efjner öon
itjm : „citra ullum fucura aut ostentationem."
Sitte Sitteratur über ^ettifan finbet fid) angegeben in ber genannten
9lu§gafce öon Sß.'ä Gljronifon; ju öergl. ift überbteä ber %xt. ^etlifan üon
Jp. ©trad in ber Üteal = ©ncrjf topäbie für ürot. Jfjeot. u. Äirdje, 2. Slufl.
58b. IX. 93ernl)arb 9t iggenb ad).
^dt: Slnton ^ r i e b r i <i) ßubtoig '$., gelehrter ü£t)eolog. 6r mar
geboren am 28. Sunt 1799 in Stegengburg, mo fein Sater bamatS als fönigt.
bänifdjer ßegationäfecretär fid) auffielt. SDiefer, in .Uopentjagen 1764 geboren,
mar erft 5Jhofeffor ber 9tationatöfonomie an ber fönigl. 2lfabemie in ©oroe auf
©eetanb, bann in bie biülomatifcfjc Garriere eingetreten unb <}ulct}t 9Jlitgtieb
beä fönigt. $ifd)erei= unb t<panbeläinftitutä in Slttona, mo er am 3. Dtoüember
1805 ftarb, aud) atS ©djriftftelter in feinem ftaä) befannt. 33on feiner bänifdj
gefdjriebenen „©üjtematiff ^anbet^taere" erfdjien 1806 bie 2. Sluftage. S)er
©ot)n befudjte bie ©dmlen in ftegenäburg, SBücfeburg unb Stttona unb ftubicrte
banti SCtjeologie auf ben Uniticrfitäten in 3fena unb .fiiet. 91 m erftern Drte
^ogen itjn junäd)ft bie pljitofoülnfdien Sßoitefungen üon grieä unb ütcintjolb an,
fomie bie üon Dfen. 3fn $iel fetjte er ba§ ©tubium ber sl.UnIofoöf)ie fort unter
bem älteren 9teinrjotb unb (Sridj ü. 53erger unb mar juglcid) 9ftitglieb be§
ptjitologifdjen ©eminarö unter 2Bad)ämutf), marb aber fdjliefjlid) burd) SLrceften
unb Gtau3 .£>arm§ ganj für bie ütjcologie gemonnen. 1822 beftanb er mit
rüfjmüdjer 9lu§3eid)nung baS trjeotogifd)c 9Itnt§ej;amen in ©tüdftabt unb lebte
bann nodj, feine ©tubien eifvigft iortfetjenb, eine Jetttang at§ Ganbibat in 9lltona,
bis er 1826 nad) ^Berlin 30g unb, nadjbem er bort baS ßicentiatencjamen be=
ftanben, fid) aU ^riüatbocent bei ber ttjeotogifd)en ^acultät tjabititirte. ,£>ter
fanb er burd) ©d)leiermad)cr, Üteanber unb ^ugteidj burd) .<pegel biet Anregung.
9luf Eintrag ber Regierung ging er 1828 nad) ©reifSmalb unb marb balb
nad)l)cr fjier jum prof. extraord. ernannt, 3n Sßerbinbung mit Dr. 9tt)einmatb
gab er bamalS „Homiliarium patristicum" (1829) tjerauä unb gleichzeitig bie
beutfd)e lleberfetmng: „^omilienfamtulung auä ben erften 6 Saljrfjunberten ber
d)riftlid)en ßirdje" Vol. I t'asc. 1 unb 2. 3ugleid) erfdjien aud) öon iljnt ein
lateinifdjer Kommentar ^u ben 2t)effalonid)erbriefen: „Epiötolas ad Thess. per-
petuo illustr. commentar. et copiosiore expositionum c patribus eccl. collectar.
instruxit delectu". burd) 2fteifj unb ©cnauigfeit nod) immer mettljüott. 3>n feinen
tljeologifdjen Mitarbeiten IV, 2 Jjat er nod) bie 3ted)tt)eit be§ 2. £b/ffatonid)erbriefe£
gegen Äern'8 Angriffe in ber Stüb. tr)eol. 3eitfd)rift üertf)eibigt. 1830 marb er
Dr. theol. unb 1834 gab er eine ^rebigtfammlung unter bem ütitel : „|)orn bes
,£)eit§" t)erau§. 5lad)bem Stweften 1835 al§ 5lad)fotger Sd)teiermad)cr§ nad)
33erlin berufen mar, folgte ^. bem 9luf an bie Unitierfität $iet, al§ beffen
5lad)folger bafetbft. Söäljrenb feiner afabemifdjen äöirffamfeit t)ier narjm er ju=
näd)ft an ber bamalä bie SOßelt bemegenben trjeotogifdjen fyet)be über ba§ ßeben
3>efu t»on ©trau^ tt)eit , burd) bie ©djrift: „%tx kamp] au§ bem ©tauben
unb bie retigiöfen Parteien unferer 3eit" 1837. ftadj feinem Rumänen ©inn
mottte er aud) Ijier bermittelnb auftreten. 3^ar mar er, mie ba§ fo in biefer
3eit überhaupt nidjt ungemöb^ntid) mar, ftarf burd) bie £>egclfd)e ^f)iIofobf)te
angefaßt ber fpeculatiüen 9tid)tung jugetrjan, aber fein fromme^ ©etnütf; oertor
nie ben ©djroerbunft be§ ©tauben^ unb beg unmittelbar retigiöfen Sebenä.
Sluf ber einen ©eite biefe ^fn'tofobtne , auf ber anbern ©d)Ieiermad)er§ unb
9teanberg 2t)eotogie trieben it)n batjitt, bie alte Drttjobojie unb ben retigiöfen
9tationati§mu8 3U überfd)reiten, fie 3U einer Ijö^eren 6inl)eit in ber oermittelnben
$elt, 339
Sfjeotogie, gleich Uttmann , SDorner u. 3t. ju berbinben. ^n biefem Seifte
grünbete er mit feinen Sottegen in ber gacuttät: grantfe, Softer, 9ftau bie
3eitfdjrift Stjeotogifdje Mitarbeiten, bie bon 1838—1841 ersten unb nament=
tief) tüdjttge arbeiten be§ ,£)erau§geber§ enttjiett. SBir nennen u. 5t. feine
Slbtjanblung : 33on ber SLrabttton at§ ^rineip ber pxoteftanttfd^en SDogmatif,
moju fpäter III, 1, fam: 2)ie |). ©djrift im 9flittetpunft ber Ueberlieferung
unb Söerfjättnifj ber ütrabition ju ben frjmboüfctjen Süctjern zc. zc. 5Die 93e=
beutung ber Srabition auet) für bie ebangetifetje Äirctje gtaubte er niäjt genug
erfonnt, er mottle, iubem er barauf tjinmieg, ben gefcfcjidjtlictjen ©emeinfinn in
ber £tjeotogie beteben unb biefetbe al§ einen großen (Semeinerroerb unb ©emeingut
betrachtet toiffen. 2It§ tion bem 2lrctjibiafonu§ , nactjtjerigen ,£>auptpaftor an
©t. Nicolai in $iel, 2Botf, at§ 9iepräfentant be§ 9tationatismu§ ber offene
Äampf mit feinem ßottegen, bem bon s$. befonberä tjocrjgefctjätsten Dr. 6t. £>arm§
begann, gab ty. feine bier Sortefungen : „sproteftantiSmug, ©upranaturati§mu§,
9tationati§mu§ unb fpecutatibe £t)eotogie" 1840 tjerauä. ©ie fpecutatibe Srjeotogie
mar ber ©runb unb Soben, auf ben er fictj ftettte. — gür bie ttjeotogifctje 2Biffen=
fdjaft ift befonberg bon 93ebeutung feine Bearbeitung ber ttjeot. (Snctjctopäbie.
ü£)iefetbe, Marina bebicirt, erfdjien 1841: „ültjeologifcfje Güncrjctopäbie ati ©rjfiem
im 3ufammenr)ang mit ber ©efdjictjtc ber ttjeotogifdjen SBiffenfctjaften unb itjren
einzelnen 3toe'5en-" 2)iefe§ Söerf jeugt bon großem ftteifc unb umfaffenben
©tubien, tiefer Sitbung, geiftbotter Gonception unb tetjrreictjer 3tu§fütjrung. (Sr
tjätt an ber £)reitljei(ung ber ttjeotogifcfjen SCÖiffenfctjaft , at§ rjifiorifctjer, ft)fte=
matifdjer unb practifdjer feft. Sie tjiftorifcrje ift it)tn a) bibtifdje Xtjeotogie,
b) tirctjenrjiftorifdje, c) fir(f)enftatiftifctjef al§ 9tefultat ber gefctjicrjtlictjen 6nt=
roiefetung in ber ©egenroart. Sie frjftematifctje a) g-unbamentaltetjre, atigemeine
ttjeot. s}>rincipientet)re (2IpotogetiE unb ©tjmbotif), b) bie ttjetifetje ctjrifttictje
©tauben§= unb ©ittenletjre, c) tp^itofo^^te be§ Gtjriftenttjum§ , bie fbecutatiüe
gorm be§ bogmatifetjen ^ntjattS. S)ie praftifetje Stjeologie a) (jfftefiaftif,
J?irct)enorganifation§iet)re, b) Setjre bom ^irerjenregiment, c) Setjre bom $irct)en=
bienft; aufjer £>omitetif unb ^atedjetit, firdjtictje ^äbeutif. «gmgenbacfj fagt
bon biefem 35uctj: 9teictje§, aber bottftänbig geficfjteteS unb geiftig gelictjtete§
5ftateriat, ©treben nadj frjftematifctjer $neinsbitbung beö 9ftannigf attigen , ge=
fdjärfter ©inn auetj für bie fünftlerifctje ©eite be§ ttjeotogifctjen 23eruf§, toarme
Segeifterung für ba§ (Stjriftenttjum, gefunbeä unb billiget Urttjeit finb anertannte
Vorzüge biefei öuetjeg. $. urttjeitte über tit ^agenbactj'fcfje ßncrjctopäbie
(©. 69): fyürmatjr ein äctjte§ ©tubentenbuet). äöie fetjabe, ba|[ ber fanget an
©tjftem, organifeb^er Verarbeitung unb ptjitofoptjifcrjem ®eift noct) immer bm
äBunfct) nact) etroa§ feuern rege tjätt. liefern t>at er tjiermit enifpreetjen motten. —
^n ben ©tubien unb Äritifen 1848 erfctjien bon itjm: S)ie ctjtiftticcje dttjif in
ber tuttjeriferjen Äirctje bor Gatirt. 2tl§ afabemiferjer Slocent mactjte er fieb
befonberS berbient buretj bie Seitung be§ bon Smeften gegrünbeten, bon itjm fort*
geführten unb erroeiterten eregetifetjen ©eminar§. 3tts 9Jtenfctj mar er allgemein
tjoctigeacrjtet buret) Sefctjeibenb.eit, 9tebtict)feit, ©elbtofigfeit unb Sreue in ber
greunbfetjaft. 3tt§ Jüngling unb ©tubent in ^ena 1819 tjatte er fictj bon bem
ftubentifdjen Sreiben unb ben burfdjenfdjafttictjen ©rtrabagan^en metjr fern=
getjatten, aber boctj mar in itjm ein tebenbiger patriotifetjer ©inn angeregt, ben er
bi§ an fein (Snbe bematjrt fjat. S)atjer natjm er in Äiet an ber fctjle§mig=
tjotfteinifctjen ©rtjebung auetj ben regften 3tnt^eit. 1850 beröffentlictjte er feine
©djrift: „S)ie fctjtegtoig^fctjen s$rebiger im SBertjättnifj ju ber in ©ct)te§roigt)otfiein
eingefeüten S3erroattung§be§örbe. @in ttjeotogifctjeg ©utactjten." 2tnfang§ 1848
mar er bon ber bänifetjen Regierung noctj mit bem 9titterorben bee S)anebrog
22*
340 $eüanu§ — $elfcer.
becorirt roorben, am 4. $uni 1852 bei bet SBieberberftetlung bes bänifdjen
Dtegimenteä roarb er öon berfetben, feineä Politiken 93ett)alteng megen, mit neun
anbern Bieter ^rofefforen feinet 2lmte§ entlaffen. 2)ocfj blieb er nidjt lange
otjne 2lmt, benn fdjon unterm 3. Sluguft beffelben ^aljreS errjielt er bie 2?c=
ruTung ju bem >4>iarramt in Äemnitj bei ©reifäroalb, treldtjeS eine *ßatronatä=
öiarre ber Uniöerfität ift. 1857 warb iljm bier pgteidj) bie ©uöerintenbentur über=
tragen. 6r t)at fiel) balb in feine neue £eben§ftellung bineingetebt unb burd)
treue Eingebung an bie itjm anöertraute ©emeinbe, fidj bie bauernbe 2uhe unb
$oct)acf)tung berfelben erroorben. 6r ftarb bier am 22. Januar 1861. ©eine
fcbrijtftellerifcbe £t)ätigfeit fonnte er aud) Ijier noeb fortlegen, ßr mar fleißiger
Mitarbeiter an föeutcrä fteüertorium unb lieferte mehrere Slrtifel jur erften
Auflage ber .gjeräog'fcrjen föealencöcloöäbie.
Sögt. ßübfer=©cbröber, ©d)riftfteller(ei\ 3tr. 1502 unb ftacrjtrag ©. 748.
— Sllberti, Str. 1591 33b. II. ©. 143 — ßonöcrfationälericon ber ©egentoart
1840, 93b. IV ©. 78. — 2)orner in £crjog§ ftealencöcloüäbie 2. 2Iuft.
33b. XI ©. 50. Garftenä.
^cltQimS: £beobor Slnton fy., fo genannt öon feinem ©eburt§orte
spelte bei Süttidj, feit 1552 $efuit, t am 2. Mai 1584 ju SlugSburg. 6r
mürbe 1556 ßefjrer ber Humaniora im ^efuitcncoltegium ju ^ngolftabt, 1557
Sekret beä @Srie(f)if(f)en an ber Uniöerfität, 1562 Sßrofeffor ber Ideologie (ber
erfte ^efuit, ber in ^ngolftabt SDoctor ber ütbeologie mürbe). @r bocirte bi£
1572 unb mar in mebrere afabemifcfje ©treitigfeiten öermicfelt. SDie legten
jroötf Safyxe öertebte er in SlugSburg. 5ß. tjat mehrere ©tfjriften über (£ontroöer£=
lehren öeröffentlidjt (einige in ber <$orm öon Stjefen), u. a. „Doctrina catholica
de purgatorio" etc. 1568; „de librorom canonicorum numero, auetoritate et
legitima interpretatione", 1572; ..de nostra satisfactione et purgatorio 11 2", 1574;
„de originis peccato"', 1576. 9luf$erbem ga6 er eine 9teit)e öon (grofjentbeitg
bamatä nodj nidejt gebrückten) ©cfjriften griecfjifcrjer ÄircfjenfdjriftftelXer in (nidjt
immer genauer) lateinifdjer Ueberjetmng beraue, bie bem 53ictor öon 9lntiod)ia bejro.
bem £itu§ oon 23oftra 3ugefd)riebenen Gommentate (ßatenen) 311 Marcus be^to.
8uca3, ben ßommentar be§ Slnbreaä üon ßäfarea jur 3tpofalt)öfe , eine Gatene
ju ben ©brücken, bie (Srftärung be§ v4>rc^iSei'^ ÜOtt ®*egoriu8 Xr)aumaturgu§
unb be§ ^poljen ÖicbeS öon Micbaet ^ßfellus, neuteftamenttid)e Kommentare bon
Sbrt)foftomu§, auef) bie ©ejcfjidjte bc§ fticeniferjen (SoncilS oon ©etafiuS oon
ßtijicum.
6. ^rantt, @efdj. ber Subroig=Marimi(ian£=Uniüeifität 1872, I, 226,
243, 253, 331. — de Backer s. v. — £urter, Nomenciator I. 133. —
9t. ©imon, Hist. des comm. du N. T. eh. 30. üleufcb,.
^el$er : Soljann SLiltmann d. s^., furfölnifcb^er ©efjeimer 9tatb^, geb.
au 93onn 1739, trat früfie in furfölnifc^e Suftiabicnftc. 3lm 16. Mai 1763
mürbe er ©ctjöffe am tDeltltdcjen ^oigericrjte erfter 3nftan3, ant 4. $unt 1773
^ofratt) ; am 1. gebruar 1788 tt)ut ber Äurfürft IRarimitian ^ranj „!unb
unb 3U miffen ba| er auf untertfjänigfte Sitte feine§ gebeimen aud) <£>of= unb
Üregierung§ratben ^o^ann Siltmann -}}eltjer, fort bon ib^m erftattete ^roberetation
unb nacr) 33orfcbriit ber erneuerten ütebifion§orbnung auSgeftanbene münblicr)e
Prüfung benfetben ju feinem £)berapbellation§gericb,t§ratl) mit ©itj unb ©timme
milbeft erflärt unb aufgenommen fjabe." Unter ben 2lmt3öfKcl)ien finbet fid)
auet) ba§ Skrförectjen, baB er in ber ©tabt £öin S)ienfte bie Sage feineä 2eben§
nicf)t eintreten merbe; bagegen mar er al§ ©nnbicu^ ber ©rafeneurie feit 1773
bei ben Slngelegentjeiten unb Söerrjanbtungen ber furfötniferjen ©tänbe beteiligt.
2tm 4. ^uli 1792 mürbe er bon Äarl 2l)eobor, „^faljgraf bei Slbein unb
^eljeL 341
£>erjog in £>ber^ unb 9tteberbaiern , jur £eit Sffitfdjet unb Sßicariui in ben
£anben bei 9tf)eini, (gctjroabeni unb fränfifc^en fRecfjt^ aui 9teict)imcariati=
mact)tDoHfommenr)eit megen guten ^erfommens, abeüget Sitten unb 9tect)t=
fd^affen^eit in bei ^eiligen römifdjen Dteiclji aud) feines .fturfütftentfmmi 9lbel=
ftanb ertjoben unb ^mar fo, als menn er öon titer Sinnen öäterlictjer unb
mütterlicher ©eiti beftänbig in folgern ©taub tjergefommen märe." 2)iefe @t)re
mar in bamatiger 3"t meber fet)r fetten nocl) fetjr ttjeuer, gemätjrte aber
mancherlei Sortfjeile. 3Jlit einer geliebten förau unb einer einzigen Soctjter
lebte $. in ben glücftictjften 23ert)ältniff en , ati ber (Sturm ber fianjöfifctjen
Üteöolution öerfjeerenb fjereinbradj. Stm 4. Dctober 1794, ^mei Sage fpäter ati
ber Äurfürft, öier Sage öor bem Güütjuge ber fyranäofen, üertiefj $. feine 3)ater=
ftabt, um fiel) auf t>a$ redjte 9tt)einufer in bie «gmuötftabt bei mit Äurfötn
öerbunbenen -!per<}ogtt)umi Söeftfaten au begeben, motjin bai £)beraööettationi=
geriet feinen ©itj öerlegt ^atte. 2Kan glaubte, nur auf furje^eit; aber 3at)r
auf °$ai)X tierging unter üergebtict)en Hoffnungen. 2öät)renb ber langen Wb--
roefentjeit füt)rte s}>., fobatb bie S3erbinbung mit bem linfen Dtfjeinufer mieber
möglict) mürbe, mit feiner in Sonn jurücfgebüebenen %xa\x einen 23riefmect)fet,
melctjer öon ben 3uftänben im ^erjogitjum Söeftfaten unb inibefonbere in ber
bictjt an ber preufsifctjen S)emarcationitinie gelegenen ©tabt Arnsberg, jugteict)
öon ben friegerifcrjen Sreigniffen unb ben öolitifctjen 33emegungen am tinfen
Sirjeinufer eine fo tebenbige Slnfcrjauung giebt, bafj er für bie 3eiiQeicr)üf)ie eine
nictjt unbebeutenbe Cuelte bitbet. S£en tjeifj erfetjnten Sag ber 9tücffet)r t)at 5Jfc
nictjt erlebt; er ftarb ju Arnsberg am 21. ÜJtärj 1798, fur^ nact)bem ber
9ta|"tatter Gongrefj ber Abtretung bei tinfen 9tt)einuferi ^ugeftimmt rjatte.
Quelle: ^t)einifd)=2Beftötjätifct)e guftänbe jur 3eü &ei ftanaöfifäjen 9te=
öolution. Briefe bei futfötn. ©el).*9tatt)§ ^oljann Sütmann ö. üpettjer aui
ben Safjren 1795 — 1798 mit (Erläuterungen öon $. Buffer.
^ermann §üf f er.
^Cl^cl: Sranj Martin $., böt)mifcl)er ®efct)ict)tfcr)reiber , ©rammatifer
unb Sitterarfjiftorifer, geb. am 11. 91oöember 1734 p 9teict)enau in 23öt)men,
fct)liejjt fiel) mütbig bem Greife jener gelehrten Männer an, bie fict) in bei-
zeiten Apatite bei öorigen ^atjrtjunberti um bie fritiferje ©urcrjforfdjung ber
böt)mifct)en (Sefctjiäjte t)eiüorragenbe 23erbienfte ermarben unb meldten ati be=
beutenbfter Üiepräfentant ©elafiui £obner, bann 5ßubitfct)ta , 2lbauctui 3}oigt,
Ungar u. a. angehörten. S)a| ^etjet'i ^amitie urfprünglicrj tfd)ecrjifcr)er ^erfunft
mar, mie man in 23öt)men äiemlid) atigemein glaubt unb fidj fein ©rofjüater
noctj Äo^ilef (fpr. Äofcrjifcfjef) b. f). ^et^tein genannt tjabe, muffen mir be^meifetn :
beutfdje gamilien bei 3iameni ^d^el giebt ei noefj tjeutäutage nidt)t btoi in
Sötjmen fonbern auetj in Sdjtefien unb fo bürfte ei mar)rfdjeinticrjer fein, ba^
^etäel'i S3orfaf)ren in S3öt)men Cäectjifirt mürben unb ber ermätjnte tfcr)ect)ifcrje
Dlame einfatf) eine Uebertragung bei beutfd)en Diameni ^pelgel ift. Qx fetbft mar
^meifetiotjue ein Sfctjectje : „2IIi ein geborener 23ötjme, fagte er in feiner ,,Äur3=»
gefaxten ©efct)icf)te ber 33ör)men", erlernte ict) bai beutfetje erft in meinem
ermadjfenen Sttter."
©eine ©tubien begann 5p. in feiner SJaterftabt, fefete fie in ^öniggrätj
fort unb bejog 1754 bie Jpoctjfdjule in $rag, nacrjbem itnn feine ßttern, bie
aui irjm gern einen Söunbarjt gemacht rjätten, ferneren ^erjeni bie ©inmittigung
rjie^u gegeben fjatten. S)ie ttjeotogifctjen Stubien, bie er anfängtid) trieb, fagten
itjm jcboctj ebenfomenig ^u, mie bie juriftifct)en, benen er fiel) fetjon nacl) einigen
Monaten jumenbete. 1757 in ^otge ber friegerifetjen ßreigniffe, bie fiel) um
unb in >ßrag abfpietten, Don bort öertrieben, ging er an bie §oct)fct)ule nad)
iJBien, befcljät'tigte fict) jeboct) aucl) Ijier lieber mit füracJ)tict)en unb l)iftorifdt)en
342 $el3et.
al§ mit juriftifcfjen ©tubien. 1758 fetjrte er nad) s^rag jurüd, um biefetben
■ju beenbigen. 2)a errjielt er eine 9lufforberung , eine (Sraierjerftelle im .jpaufe
be§ ©rafen bon ©ternberg anjunerjtnen; s4>. natjm bie Stellung, bie irjtn ^eit
genug ju tttterarifcrjen arbeiten ließ, gerne an. «Radjbem er be§ franaöfifctjen
fdjon frütjer mächtig geworben, ternte er bon einem irifdjen ^riefter, ber fidj in
bem gräflichen |>aufe befanb, (Sngtifdj. 9118 er feine Aufgabe bafelbft gelöft
fjatte (1769), badjte er baran, fic£> bem ©tubium ber Mebicin ju wibmen, ba
erhielt er unter t»ortt)eil^atten SBebingungen eine @rjiet)erfteHe im -£>aufe be§
9ieid)§grafen fjfranj 9lnton «ftofiitj. s^. wibmete fid) mit (jifer feinem SSerufe,
boctj gewann er aud) tjiet nod) l^eit 3U feinen ©tubien , bie ficr) immer merjr
ber 8anbe3gefcf)icrjte Söfjmeng jumanbten. ftüx bicfelben fanb er in ber gräflichen
SötbliottjeC, beren Scrwaltung er errjielt, reicrjticrje Materialien. 2)er 9lufentf)alt
im £aufe beS ©rafen sJtoftifc bot irjm fo niete Söortrjeile, baß er einen 9iuf
a(§ ^rofeffor ber tfctjectjifcrjen ©pradje an bie «Jceuftäbter Slfabemie ebenfo
ablehnte (1773), tote etWag fpäter einen folgen nacr) Erfurt, Wot)in er atä
"Jtad)fotger Meufetä berufen mar. Mit bem $al)re 1773 beginnt bie ©tan3=
periobe feines 2öirfen§: nod) in bemfetben 3far)re evfdjien ber erfte 93anb ber
„Slbbitbungen SSöljmifdjer unb Mät)rifcr)er ©eteljrten unb Äünftler nebft furjen
s)cad)rid)ten auä itjrem Seben unb SGßerfen" (1 — 4. £1jl. «ßrag 1773—1782);
bag 3ai)t barauf feine „kurzgefaßte ©efdjid)te ber Söhnen" (2 £rjle. ^rag 1774),
ein 3Berf, ba§ er felbft ati „ein Hiittelbing ämifcrjen ben itjt jur Mobc ge*
morbenen (Sompenbien unb einer weitläufigeren Jpiftorie" bezeichnet unb baä,
burdjaug quellenmäßig gehalten, für ben beabfidjttgten 3wed nodj bleute nidjt
ob>e Wufcen ift (2. 2lufl. gkag 1779; 3. Slufl. 1782, mit ftortfetmng bon 3.
©djiffner 1817). $ier Sfa^re fpäter folgte bie 2lu8gabe öon (Sttcnrjarb'ä Srjronü.
3n ber näcfjften 3«t berfenfte fid) s^. in ba§ ©tubium ber ©efcrjidjte be§ $aro=
linifcfjen 3eitatter8 unb ließ at§ erfte ftrudjt beffelben im 3L 1780 ben erften
unb 1781 ben ^Weiten 33anb feine§ „,Uatfer $ail IV., JfTönig bon 33öt)tnen"
erfcfjcinen, benen bann (1788—1791) bie beiben SSänbe ber ßebenSgefcfjidjte beä
römifdjen unb bötjmtfdjen ÄönigS 2öen(}e3lau§ folgten. SDie beiben Stograprjien
finb ^eljel'8 rjcrborragenbfte Seiftungen, Söcrfe doü ber mür)famften gorfdnntg.
aber ebenfo trodten wie bie „Aufgefaßte ©efc^idjte ber SSörjmen". S3on einer
t)öl)eren Sluffaffung finbet fiel) Weber in bem erften nodj in bem jWeiten SBerfe
eine ©üur; mit unenblic^em gleiße wirb lirfunbe für Urfunbe ifjrem Snb^atte
nact) aneinanber gereift — aber ba§ fjeißt eben nodj nic^t ©efc^icf)te fc^reiben.
S>er panegrjrifctje 2;on, ber übrigen^ in feinem $arl IV. burctjflingt , ber=
witfette itjn in eine ^solemif mit ber beutfdjen Äritif, bie fid) mit feinem ©tanb=
punfte nid)t einberftanben etflärte. 3lt§ eine grud)t biefer ©tubien ift hk ßbition
ber ..Scriptores rerum Bohemicarum" anjufeb^en, bie $. in ©emeinf($aft mit
Sofepf) S)obroW§ft) beranftaltete (2 Sbe. «ßrag 1783—1784) unb bie außer ben
©efd)td)t§werfen be§ 6o8ma§ bon ^rag unb feiner gortfe^ungen noct) bie
6l)ronilen be§ 5Domb^errn Shun^ unb QBenefcf) bon 2Beitmül)l, fomie einige Heinere
b,iftorifd»e Senfmäler enthält. 1786 erfdjien fein SBerE „5Böt)mifd)e, Mät)rifd)e
unb_ ©dilefifc^e Öeleb^rte au§ bem Orben ber ^efuiten bom anfange ber ©efell=
fdjaft biä auf bie gegenwärtige Seit". 3»n tfcrject)ifd)er ©prad§e pubticirte er bie
„sJloWä i?ronbfa ceSfä", b. r). „9ieue bö^mifc^e Sb^ronif, in metdjer bie 5ßcgeben=
Reiten be§ 58örjmerlanbe§ bom 3lnbeginn bi§ auf bie ©egenwart bargeftettt
Werben" (3 2b>. «Prag 1791 — 1797). S)a§ SBerf Würbe iebodj nur bi§ 3"in
£obe Äarlg IV. geführt; ein bierter im Manufcript bor^anbener 2f)eil enthält
bie ©efc^ic^te ber |>uffitenfriege.
@§ War im ^. 1769, als ficr) eine Stnaarjt aufgeftärter Männer sur Stiftung
einer gelehrten ^Mbatgefeltfcrjaft bereinigte, bie fpäter (1784) $u einer föniglicr^
^entpttger. 343
börjmifdjen ©efettft^aft ber SBiffenfctjaften erhoben tourbe. 5p. gehörte ber*
fetben non Anbeginn an imb neröffentlidjte fotüot)t in ben Slbfjanblungen ber
^ßrit>atgefeHfd£)aft , al§ audj in ben Slbbanblungen unb ben „bleuen" 2lb=
tjanbtungen ber tonigt. böfjmifcrjen ©efettfd^aft ber SBiffenfdjaften eine Dieirje
ausgezeichneter arbeiten (ba§ üottftänbige SBer^eic^ni^ betfetben f. im Slovnik
naueny VI, ©. 212 — 213 unb barnactj in ßonftantin ö. SBurjbactj , 33iogra=
pbifcbeä ßerifon XXI, ©. 446 unb 447), bie un§ 5p. nicfit btofe at§ einen
fleißigen ©ammter, fonbern namenttictj aud) at§ einen begonnenen unb fcfjarfen
^ritifer jeigen. ^ßel^el'g ©tärfe lag eben mebr in ber ^fo^ung; bie Äunft
ber (Seftattung befafe er in minberetn (Srabe. 3U oen bebeutenberen 9Jtonograpbien
Sßelaet'ö getjöun bie „21br)anb(ung über ben $önig ©amo" (1775); „91bt)anbtung
com böbmifcrjen Äönig Ottofar II., ob itjm bie Äaiferfrone angeboten" (1776);
„SHplomatifcrje 5ftacbucf)ten, toie ba§ Äönigteictj Sötjmen an ba§ tujemburgifctje
,<pau§ gekommen" (1777); „£)iplomatifcrje SBetoeife, bafe $önig SBen^et IV. nicftt
brei fonbern nur ätoeimal gefangen toorben unb toann tft $aifer Äarl IV.
'Uttarfgraf öon lltäbren geworben" (1779); „©efdjictjte ber S)eutfcr)en unb itjrer
©pradje in Söfjmen" (2 Stbtfjeitungen 1788 — 1791); „lieber bie Jperrfdjjaft ber
Söbmen in ber 51JcarEgraffcf)aft 5IJceifeen" (1788).
blieben beut ©tubium ber Patertänbifcben ©efcbicfite betrieb 5p. mit (Sifer
ba§ ber tfdjecbifcrjen ©practje unb ßitteratur. ©crjon 1775 erfdjien fein „^>anb=
budj Juni ©ebrauct)e ber ^ugenb bei Erlernung ber beutfctjen, franjöftfcben unb
bötmtifctjen ©practje". $n bemfetben ^abre ebierte er SalbiuS „Dissertatio
apologetica pro lingua Slavica praecipue Bohemica" unb brei i^arjre fpäter:
.,Przihody Wacslawa Wratislawa swobodneho pana z Mitrowicz" b. t). „SSe=
gebenbeiten ba§ Söenjel äöratiätaw, Sfreifjerrn ö. 5ntitroWitj." (Sine umfaffenbere
STtjätigfeit entfaltete er auf biefem (Sebiete feit bem Safjre 1793, in welctjem er
bie ßetjrfanjet ber böftmifcben ©practje unb ßitteratur in 5prag ertjielt. (Sine gructjt
biefer ütbätigfeit War aunäcfjft feine „9lfabemifdje 2Intrittlrebe über ben 5ftut5en
unb bie Söictjtigfeit ber böbmifcfjen ©practje" (5prag 1793 4°), bann bie ©ctjrift
„Typus declinationum linguae Bohemica? nova methodo dispositarum" (5prag
1793) , bie „©runbfäfee ber böbmtfcben ©rammatif" 04>rag 1795; 2. 2iufl.
1798), fowie einige ©djriften, bie er im 51ttanufcript tjintertiefe. Sei ber tjer=
Dorragenben ©tettung, bie 5p. al§ (Beletjrter in feiner ^»eimat^ einnabm, fonntc
e§ itjm auctj an äufeeren 3e^en ber Slnerfennung ntdjt fetjlen. @r mar 9Jlit=
glieb ber !gl. bötjmifctjen (Sefettfctjaft ber SBiffenfdEjaften, ber gtanffuxtet unb ber
beutfctjen gelebrten ©efellfctjaft. 5Der (Srofefürft üon Äurlanb unb ßiütanb liefe
tt^m, al§ er im 3. 1798 in $rag üerroeilte, eine gotbene ^Jlebaille überreichen.
5)3. ftarb am 24. Februar 1801, ^u früb für bie SSiffenfcrjaft, mie man aui bem
9}er<seict)ni[fe ber Slrbeiten entnehmen fann, bie er entWeber ganj ober tbeittoeife
öollenbet im 5ölanufcript l)interliefj (ba§ ißeräeid^nife biefer ©djriften f. im
Slovnik naueny 1. c). ©ie £gt. böbmifclje ©efellfdtjaft ber äßiffenfdtjaften liefe
it)m ^u @t)ren eine ©ebäd^tnifetafel aufftetten.
S)ie Siteratur über 5petact finbet fidi öoEftänbig in 6. ö. Söuräbad?,
3Siograprjifd)e§ ßejifon be§ ^aifert^um§ Oefterteid) XXI. S3b. ©. 448. Sgl.
audj Slovnik naueny VI. 211 ff. Sofertf).
^cmff liltgcr : s)Jtarcu§ 5p., ^önig§rid)ter öon ^permannftabt unb als fold^er
jugleid) ®raf ber fäctjfifd^en Nation in ©iebenbürgen in ben Satjren 1521 — 1537,
fur^e 3eit binburc^ auct) ®raf ber fönigt. 5IRünäfammer in £>ermannftabt , ift
eine ber beröorragenbften unb anjie^enbften ©eftalten unter ben 2Jlännem,
meldte berufen maren an ber ©pitje ibreS S3olfe§ in bem auf bem Vertrauen ber
i?rone ebenfo toie ber Nation rubenben ©brenamt eine§ ©acrjfengrafen bie ©e=
fdtjide ifirer Sßolf§genoffen ^u leiten. @r war „ein 5Uiann flug im 5Ratb unb
344 «ßemffltnger.
toeife in ber 2lusfüt)rung, öott fjotjen ©eiftes unb nie ju erfcfjütternbcn 9Jcutb,es".
Obgleich nicfjt aus ber Wüte bes fäd)fifd)en Söolf© Ijerö orgegangen, üermudjS er
bennod) in fünfter 3eit fo fefjr mit bem gerammten fiebert beffelben, bafj er
als bie ebelfte Sßerförpcrung beffen angelegen Werben fann , Was fein 23olf im
16. ^arjrrjunbert au? politifdjem unb religiöfem ©ebiete gebadjt unb erftrebt Ijat.
5ß. mar, mie fd^on fein 9tame bemeift, bon ed)t beutfdjer Slbftammung. ©eine
gamilie nad) ber übereinftimmenben Slnnatjme aus ©djwaben ftammenb raanberte
im legten Viertel bes 15. 3at)rt)unberts in Dien ein unb beftanb aufjer bem
Sßater ©tefan 5ß. unb beffen ©attin aus brei ©ötjnen : ©tefan , ©ebaftian unb
Marcus, warjrfcfjeinlid) aud) nod] aus einer ütodjter Äattmrina, wetdje mit
Valentin %'öxöt öerljeirattjet mar. 23ieHetdt)t t)at erft ber Sßater ©tefan 5ß.
feine beutfdje ^eimatt) mit Ungarn üertaufcfjt , mo er baS ©djtofj 2)iofd)gt)ör
mit ber 33erpfXidt)tutig feiner Sertfjeibigung befafj, wenigftens erinnert in einem
23riefe uom 2. ©eptember 1536 ©teian ty. ber ©ofjn ben $önig ^erbinanb
baran, mie feine Gltern unb fein 33 ruber ©ebaftian in geüirjrbollen Reiten jenes
©djlofj oerttjeibigt rjätten unb mie feine Butter oon ben ^einben gefangen unb
Diele Monate im ©efängnif} gehalten morben fei, nur allein wegen jener 23urg.
3>n wieweit ber 33efit} bes ©djloffeS auct) auf bie beiben altem ©ötme überge*
gangen fei, läfjt fid) nidjt beftimmen, bod) tjt'S üLtjatfadje, bafj 23eibe in bem=
felben geftorben finb, ©ebaftian am 3. 5D(ai 1536, ©tefan am 21. sDtai bes
folgenben ^alvres. 2llle brei 23rüber rjaben übrigens itjr ganjes Seben tunburd)
bem ungarifdjen Ürjron treue üDienfte geteiftet, finb mit gan^ befonberer 2reue
ju getbinanb, bem Äönig aus beutfdjem .ftaus geftanben unb tjaben für beffen
^ntereffe in Ungarn rjingebungsüoll unb nadjtjaltig gemirft. St/r 9lnfef)en War
grofi; fie jätjlten unter bie Magnaten beö Üieicfjes unb befleibeten ^eröorragenbe
Remter, inbem ©tefan ©raf ber fönigt. ungarifdjen Kammer unb ©d)lofj=
öerWalter in Dfen , Marcus aber ©raj ber ©adjfen war.
Söann unb Wo Marcus 5ß. geboren würbe ift unbefannt, bod) ftanb er
bereits toor ber ütjronbefteigung £ubwigs II., — 1016 — in ber bebeutenben
©tellung eines Uuter'Ütocrjsfcbatmteifters. 5lts im $. 1521 ber ©ad)fengra*
^otjann Sulat) ftarb , fam 5ß. nad) Jpevmannftabt unb Ijeirattjete beffen SBittwe
OJlaria Sobiafdji. £urd) biefe ßtje, aus weldjer ein Jrcnabe „.panfrjfo" entfprang,
würben itjm mädjtige Slnüermanbte unb grofje abelige 53efitmngen ju Stjeil, auf
meldje unb wot aud) auf bes Königs ©unft gejtüfet er fid) eifrig um bie erlebigte
©teile bes ©acfjfengrafen bewarb. S)ie ©adjfen wollten nichts baöon wiffen,
bas tjödjfte ßtjrenamt in irjrer sJRitte, bas üon ib,rer freien Söafjl abtjing, einem
grembling, wenn er auetj ein Seutfdjer war, 511 übertragen. S)er Äönig aber
forberte, entgegen bem freien SBarjtrectjt ber Nation, fie foHten itjm geeignete
Männer in Sorfdjtag bringen, aus benen er bann Güinen beftimmen Wolle. £)6
fie fid) fügten ift ungewiß, bodj würbe *$• jebenfalls wefentlidj burdj bie 6nt=
fdjeibung ber föniglid;en 9Jlad)tüollfommenl)eit im 3- 1521 jum ^önigsridjter
bon -ipermannftabt unb bamit jugteid) jum ©rafen ber fäd)fifd)en Nation ein*
gefetjt. S)er eintritt biefes fjofjen unb einflu|reidjen 91mtes fomie bie weitere
gürjrung beffelben burd) 5p. fallen in eine 3eit grofjcr Bewegung auf fird)lid)em
Wie auf politifdjem ©ebiete. 21uf beiben ift er bem Solle, 3U weldjem er nun
gcl)örte, als ftürjrer bie SBege borangegangen, weldje ber ©enius beffelben öer=
langte. 9tts er in ber neuen |>eimait) fid) niebertie^, fjatte ber ©ebanfe ber
Äirdjenberbefferung anä) ©iebenbürgen bereits ergriffen unb öor aEem bie ©adjfen
in it)re Greife Hjineingejogen. 3lufeer ben ©djriften ber Reformatoren brachten
aud) ^rebiger, weldje aus beutfcfjen Sanben famen, ben neuen ©eift unter bas
S3otf. 3»n ^ermannftabt felbft erhoben fid) als foldje jugewanberte 5)5rebiger ber
neuen Sefjre 2tmbrofius ber ©djlefier unb Gonrab 2Beid&. 2)er ©efaljr, bie irjnen
JUemfflmger. 345
befetjalb öon ben ©egnem brorjte, entgingen fie nur burct) ^emfflinger;§ mädjtigen
©influfj. Umfonft befdjlofj ber im Aörit 1523 sufammentretenbe 9teid)§tag Zob
unb ©üteröertuft al§ ©trafen für „fefeerifdje" Anfidjten unb Se^ren; umfonft
erlief König Submig II. einige Sage barauf ein Schreiben an ben Dtatf) Don
■Jpermannftabt öofl. ftrengen Labels über ba§ Umfidjgreifen ber öeröönten Setjren;
umfonft fämpfte ba§ «gjermannftäbter (Sapitel mit 2Ict)t unb Sann gegen ben
©eift ber neuen geit. 5ß. tjielt feine nacb, oben unb unten einfiufjreicrje -£mnb
fcrjütjenb über bie Anhänger Sutrjer§ unb mit ü)tn [tauben bie angeferjenften
9tatf)§rjerren auf itjrer (Bette. 3)ie ßetjrer ber ©djulen , öor allem ber ftector
^o^ann 2Jl^Ibt, meldje öom 9tatt) in ib,re ©teilen berufen tourben, fmlbigten
bem neuen ©eift unb ber Sorn be§ geiftlidjen Gaöitel§gerid)t§ öermodjte itjnen
nid)t§ angaben. 3a fo getoalttg mar ber ©crjut} $emffünger% ben ba§ ®e=
toictjt feiner 5ßerfon bem öom Solfe gebilligten Söerf ber Kirdjenöerbefferung
gemätjrte, bafj ein früherer 2)ominifanermönd), nun eifriger eöangetifdjer ^rebiger,
öor ber Verfolgung be§ ©tabtpfarrerä 9Jtartin -£met im 2f. 1525 in ba§ |)au§ bes
©actjfengrafen ftdj flüchtete unb bort unangefochten blieb, obgleich $. p ber 3eit in
•Dfen beim 9tetctj§tage fid) befanb. Sei biefer offenen Parteinahme für bie reforma*
torifdje Setoegung ift e§ nidjt ju öermunbern, bafj bie ^ermannftäbter 9ttönd)e über
ben „Dominus magnificus" laute Etagen erhoben unb bafj fetbft Subtoig II. ftdj p=
lebt öerantafjt fatj , in jtoei (Haffen an 5p., beren lefcter am 21. Suli 1526
gegeben ift, biefem feinen UnmiHen funb ju ttjun mit ber ftrengen Aufforberung,
„bei Verluft feiner äöürben unb ©üter baljin ju mirfen , bafj ber fatr)olifc£)e
©laube miebertjergefteftt unb burdj Scftrafung ber abtrünnigen bie 9tutje ber
Kirdje erhalten metbe". SQ3ie toeit e§ bem Könige Grrnft mit biefer ©rotjung
mar, ift nic^t gemifj, bod) mar jebenfaES bie geittage für itjre üDutdjiüfjrung
nidjt günftig, benn bereits erbrötjnte ber Soben Ungarn! unter ben £$fuf}tritten
ber 200,000 Krieger, mit metdjen ©ultan ©oliman rjeranrüdte, bem ungarifdjen
9teidj Seimüftung unb Untergang bereitenb. $n ber altgemeinen Vermirrung,
meiere öor unb nad) ber Dcieberlage bei $ftorjatfd) Alles erfaßte, traten bie fird)=
lidjen Angelegenheiten immermerjr in ben ^intergrunb. 25odj ba% Söerf ber
Kitdjenöerbefferung natjm gteidjmol unter ben (Saufen einen gebeit) tidjen $ort=
gang unb al§ im 2f. 1529 ^ermannftabt in ©efaljr ftanb, öon feinen geinben
eiugefdjtoffen su merben, ba erhielt ber üDominifanerconöent öom Statte ben
Sefefjl, bie ©tabt ju öertaffen. Sß., bie treibenbe ^raft aEe§ beffen, toa§ bamals
in ^ermannftabt gefetjab, , ftanb natürtief) biefer IftaBregel nict)t ferne , burcrj
toeldje einige einflu|reid)e aber potitifd) nidjt guöertäffige Elemente au§ ber
©tabt entfernt toerben foEten. äöenn 5Jlarcu§ ty. ferjon in ben weniger bemegten
Satiren öor 1526 al§ ein sDlann öor un§ fterjt öon b^eröorragenber Stellung,
einftufereidjer äöirffamfeit unb großem öerfönlidjen ©influ^, fo tritt ba§ 2lüeg
nod) meit ftärter b^eröor in bem ftürmifdjen ^a^x^nt nad) ber Ungtüd§fd)(ad§t
öon SDtoIjatfd). ©cb.on am 10. Ditoöember 1526 mürbe ber mädjtige ©tatttjalter
öon ©iebenbürgen ^otjann 3aPott)a gegen bie befteljenben Serträge buret) bie
magtiarifdje ^ationatpartei in ©tu^tmei^enburg jum Könige gemault unb fofort
mit ber Ärone be§ b^t. ©tefan gefrönt. S)aburdj famen bie ©ad)fen, metetje bas
©rbfotgeredjt fyerbinanb§ anerkannten, in eine fd)mierige ßage. ©teidnuol nahmen
fie, öon ?$. geleitet, öon allem Anfang eine roenn aud) öorfidjtige bod) 3aöoIöa
gegenüber abletmenbe Spaltung an. Mittel pr Kriegführung , meldte er öon
ifmen öertangte, öermeigerten fie; auf bem Üteidjitag äu Dfen im grübjafjr 1527,
motjin er aud) 5ß. mit einigen ©enoffen eingetaben fjatte, erfd)ienen biefe nidjt
unb bie 1000 Leiter, meldte er im 9Jlai beffelben S^reS öon ber fädjfifctjen
Nation forberte, mürben nidjt beigefteHt. S)rei Neonate fpäter ianben ftd) tool
bie Vertreter ber ©adjfen, unter ib^nen aud) ber ©adjfengraT, bei bem Sanbtag
346 SPcmfflinaer.
in üftebtafdj ein, toetctjer oon 3aP°tyfl barjin berufen teorben tear, aber biefc
JXfjatfacfjc tear ein Srgebntfc bet äußeren 3loan9^a8e u°b nicrjt bet geänberten
Politiken ©efinnung. 2)enn ju berfelben 3"* bertjanbelte 5ß. im auftrage
gerbinanbs mit s£eter, bem Söotyteoben ber 9Jtotbau, im ©etjeimen, um ib,n ju
einem 33ünbnifj gegen 3opolrja <ju betoegen unb fur^e 3e^ nadj ©ctjlufe be§
Sanbtagg bebrotjte biefer bie ©act)fen teegen iljrer fortgefetjten SBiberfpenftigfeit
mit gänjlic^er Söernidjtung. Um fo fctjmerjlicrjer mußte eS für ty. fein, baß er
trotj alle bem tion ©eorg 3leicf)crftorffer, einem ©actjfen , teelctjer üon 9etbinanb
gefenbet im ©ommer 1527 nad) Siebenbürgen fam, um bie ©adjfen ^ur 9luf=
natjme be3 offenen $ampfe§ ju Bewegen, Perrätfjerifdjer ©efinnung bei gerbinanb
ge^ie^en rourbc unb baß fogar feine ßrmorbung üon bemfelben folt geplant ge»
teefen fein. 2!od) bie grunblofe 33efd)ulbigung blieb erfolglos bei bem beffer
unterrichteten Könige, ber mie au§ einem feiner Sriefe öom 15. Februar 1528
r)erüorger)t, nadj mie üor 5p. ju ben rjerüorragenbften unb juüertäßigften ©tütjen
feine§ sJted)t3 in Siebenbürgen jätjlte.
'Iftittlerteeile tjatte fidj bie politifcfje ©adjlage teefentlid) geänbert. getbinanb
trntrbe am 3. sJtoüember 1527 Pon feinen Stnrjängern auf einem ebenfalls in
©tufjlteeißenburgjufammengetretenen ühtdjätag jum ungarifctjen j?önig aufgerufen
unb gefrönt; fein ©egenfönig gefd)(ageu unb Perlaffen flob, nad) $o(en. £$ferbinanb§
Mnfjänger metjrten fiel) allenthalben unb e§ gelang bem ©atfjfengrafen 5ftarcu§
$., felbft einige rjerPorragenbe gürjrer beä ©jeflerüolfe§ für ben rechtmäßigen
Äönig günftig ju ftimmen. 2lber abgefeb/n üon ben ©adjfen fetjlte bie 23e=
geifterung unb Opferteitligfeit für bie ergriffene ©adje. gerbinanb3 5lbgefanbte
©raf Ütogarola unb ©tefan ^3., unterftütjt Pon 9Jcatcu8*ß. unb einigen Magnaten,
tearen nic^t im ©tanbe bie im 9lprit 1528 ju Jtjorba tagenben fiebenbürgifdjen
otänbe jju bewegen, einen fed)§monatlid)en ©olb für ein <£>eer Pon 4000 9ttann
JU beteiligen, ©clbft bie Parteiführer waren ju folgern ©elbopfer um fo teeniger
geneigt, at§ einesteils bie Iftadjt be§ Königs zu tjelfen bezweifelt, anberntfjeilS
üielfad) ba§ bögwillige ®eiüd)t auägefprengt würbe, ^erbinanb t)abe bie üöttige
Ausrottung ber magrjarifdjcn Nation unb ©pradje im ©inne. ©o lief benn baä
für ben „beutfcfjen Äönig" in ©ieben bürgen mütjfam zufammengcbracfjte Jpeer
nad) wenigen SBodjen wieber auäeinanber unb bie ©rjmpattjien ber 9Jtagt)aren
unb ©jefler für 3aM9a > welcher injwifd^en nad) Ungarn zurüdgefefjrt War,
gewannen teieberum bie Dberfjanb. — ©o bradj ba§ 3fatjr 1529 an unb mit
it)m errjob ber ©djrecfen be§ .Krieges teie in Ungarn fo aud) in Siebenbürgen
mädjtig fein blutiges Jpaupt. 2>ie ©ad)fen inebefonbere geriettjen in bie grö|te
'jlotf). 93on Dften fjer bract) ber 93lolbauer Söol^teobe ^eter teiebertjolt auf
eigene ^auft in§ 8anb unb zog Perteüftenb Pon Äronftabt burdtj§ ©zeflerlanb bi§
tjinauf nac§ Söiftvi^. 33on ©üben auä ber äöatadjei fam im Saufe be§ ©ommer§
ber Sojare S)ragan unb brang fengenb unb plünbernb bt§ äum 5Dorfe ®ro|au
nörbtict) Pon ^»ermannftabt. 25on Älaufenburg rjer famen teiebertjolt Sruppen
3apolü/a,§ bi§ üor ^permannftabt unb fugten beffen Umgegenb rjeim. ?luct) bie
übrigen (Segenben be§ ©adjfentanbe§ unb beffen ©täbte tjatten allenthalben mit
feinbtierjen ©cfjaren kämpfe ju befielen. >p. tear unermüblicr) , aW biefen 33e=
brängniffen abteeljrenb entgegen ju treten. $m 5Jlarz ließ er bie fäcrjftfcr)e
Uniüerfität eine Äriegefteuer Pon 17,000 ©utben, baju bie 9lufftettung Pon
1000 Süc^fenfctjü^en unb 1000 Leitern befc£)tießen. ^nt 3funi 30g er Pereint
mit SSatentin 2örö£ unb ©tefan ^Dcajlätb, ben ©jetlern gegen ben ^Jlolbauer
^eter ju ^ilfe. 2lm 22. 3{uni fam e§ jur ©d)ladjt bei 9Jtarienburg. ©ie ging
üertoren buretj ben Stbfall unb bie %[\id)t ber ©jefler, benen bie ^pilfe gegolten.
9ttit Wüfy rettete fiel) 1)3. naef) Jpermannftabt. Soct) bie§ 5Rißgefct)icf entmutl)igte
il)n nierjt. ^m Cctober jog er mit einem fäct)fifcr)en Aufgebot ber ©tabt
Sßemffltnger. 347
9ftebiafct) 3U -§>iffe; im Ütobember entfette et ba§ eingefctjtoffene 9Jtüf)lbact) ; int
2)ecember tnieber Bertrieb er bcn $einb au§ ber ©egenb bon 9Jtebiafcf) unb
©djäfeburg. 2lber alT biefe Ütüljrigfeit mufjte auf bie 2)auer erfolglos bleiben,
ba S^bütflnb DOn &en Surfen bebrängt toeber (Mb noct) ©olbaten für (Sieben-
bürgen übrig tjatte unb bie Gräfte ber ©acfjfen nictjt ausreisten, um ben 3atjl=
reiben 2Inf)ängern SaPolt)d'^ ©tanb ju fjalten. Qffir 9ftarcu§ *ß. Ijatte übrigens
bie§ untjeilboHe ^atjr auct) biet perfönüctjeS 9Jtif3gefcf)icf im (Befolge. (£§ tjatte
it)n faft jum ^Bettler gemactjt nictjt nur butdj bie bebeutenbcn ©elbfummen, roetdje
er für bie ©actje feine§ $önig§ au§ Eigenem ober au§ Stntefjen berau§gabt
tjatte, fonbern and) burctj ben Serluft feiner fiebenbürgifcfjen (Süter. 2öie er
fcfjon im $. 1524 bem Könige Subtoig II. jur Seftreitung feineg <g>oft)atte^
2000 ©olbgulben borgeftrecft blatte, fo tuaren bie ausgaben, bie er für 5"binanb
3U ÄtiegSatoctfcn leiftete, bi§ sunt ©ctjlufj be§ Saljreä 1528 auf 12000 ©otb=
gutben angetoactjfen. 3ur ©ntfctjäbigung für biefe ©umme bat er ben Äönig,
fctjon im $. 1529 um bie Serteifmng gennffer ©üter „in regno Germanke",
gerbinanb berücffictjtigte biefen SBunfcfj infotoeit, bafj er im genannten Satjr
feinem getreuen unb opferfreubigen 2Intjänger bie 33urg Sätbämmfd) im nörb=
tictjen Siebenbürgen unb ba^u noctj bie unter bem Flamen „3tnanäigft" be*
ftetjenben fönigticfien gou^mfiinfte in Äronftabt berfctjrieb. 91un aber mürben
bon 3aP°^a fämmtlictje ©üter ^emfflinger'ä im Dctober 1529 eingesogen unb
feine gamiüenbefiisungen an berfdjiebene Parteigänger 3flpolrja'i bertfjeüt , bie
23urg Salbäntjofctj bagegen bem 9JMbauer äBotjmoben ^3eter bergabt. S)amit
aber nictjt genug mar ber fdjmer fjetmgefuctjte 5Jlann burctj bie Vergebung be&
$ronftäbter 3ftmiW9ft aw§ m^ *>em Sftictjter biefer ©tabt, Suca§ §irfcf)er, in
fyeinbfcfjaft gerattjen, ba biefer wegen be§ genannten 3°tfeinfommen§, ttietctjeä
bie ©tabt gerne felbft befeffen blatte, bem £>aupt be§ eigenen Solfeä jürnte unb
S. bei gerbinanb als einen SBerrättjer, ber mit 3a£oh)a wnb oem 9ftolbauer
Söorjtooben geheimes (Sinberftänbnifj pflege, ju berbäctjtigen fuc^te. ©olctjen
teeren Slnfdjulbigungen gegenüber fonnte root)( 9Jlarcu§ feinem 33ruber Stefan
fctjreiben, eine 2Iu8fötjnung ätoifctjen itjm unb 3apotyfl f« unmögtictj, benn „ict)
tjab tool fo bil biber $nn bnb bt) feinigen berfctjulb , barc^ue mürben micfj meine
Sebttfdjen felber macjären". ©aju toeift er mit 9tedjt auf bie Stfjatfadje f)in:
„^JlolbnerSBatibarjat mier meine ©uetter, al§ Sätodntjof^, öerfangen onb b,att fn
auff ben heutigen Sag, barumb bit icfj bicb, molft ^. 9fl. unterricfjten , baß er
folgen 3uetutfei;tt Dunb luegnern nit [tat geb." Unb ba§ tr)at benn aucf)
gerbinanb, inbem er in einem 53rief an bie ©iebenbürger unb in einem ätoeiten
an 5Jlarcu§ 5ß., meldte beibe am 13. ^uti 1530 gefcfjrieben finb, e§ in feierlicher
SGßeife au§fprtc§t, bafj nichts fein Vertrauen auf bie fo oft erprobte Sreue unb
Sienftbereitfieit ^ßemfftinger^ ju erfcf)üttern im ©tanbe fei. S5a§ %al)x 1530
brachte ber mit fo unerfdjütterlirfjem ^annegmut^ bon bem ©acrjfengrafen
unterftütjten unb öertb^eibigten Sac^e gerbinanbS unerfetjücfjen S5erluft. S)a bon
ib,m, troij oft mieber^otter bringenbfter Sitten nun ftfjon im fünften ^afjr feine
^pilfe fam, toarb bie @ntmutt)igung unter feinen 3lnf)ängern immer größer, ©ine
fäc^fifcfje ©tabt nacb, ber anbern fcfjloB ^rieben mit 3aP°^a > f° i"1!
am ^Beginn be§ 3faf)re§ 1531 in ganj Siebenbürgen nur ^ermannftabt aüein
nocfj unter bem Sinftu^e ^emfflingerS auf 5ei-°inano§ ®"ie ftanb. 3)iefer
manfte aber feinen ?lugenbticf. Söätjrenb gapoltya grofec Lüftungen beranftattete,
um bie einzige nocb, toiberfpenftige ©tabt mit SBaffengemalt ju be^roingen , traf
biefe entfcfjloffene ©egenma^regetn unb am 1. Wai 1531 fcfimoren bie noct) treu
gebliebenen Magnaten mit bem ©actjf engrafen , bem 9tatb, unb ber gefammten
iöürgerfctjaft bon ^ermannftabt fictj gegenfeitig in feiertictjem Gibe, in ber S3er=
348 5pemffünger.
ttjeibigung biefer ©tabt treu ausharren, wie eS Ü)re ^flicrjt gegen {yerbinanb
3ni ©ommcr barauf ging 5ß. an baS ^>o|(aget nad) 2öien, um rafdje £>ilfe
für bie fd)Wer bebrängte ©tabt 3U betreiben. S)ie (Sorge um baS ©djicffal
feineö SßolfeS Ijatte itjn, nad) feinen eigenen SBorten, eisgrau gemad)t; aud) litt
er wieberljolt an fd)Weren gidjtifdjen Anfällen. Sie nädjften 3af)re finben wir
itjn fortwäfjrenb in {yerbinanbS 9tär)e, batb in 2Bien, wotjer itjn ber Äönig im
Cctober 1531 mit jtct) nad) ©petjer nerjmen wottte; balb in ^ßre^&urg , wofjer
er in wtebertjotten ^Briefen 5er^^nanb <}u fdjleunigen ©elbfenbungen nad}
^»ermannftabt für Srup^en unb .ftriegSbebarf brängte, ba fonft bie ©tabt otjne
ünterfiütjung batb falten muffe, ©ein drängen bewirfte, bafj enblid) .£>itfSgelber,
wenn aud) nidjt auSrcidjcnbe, unb fpäter aud) ein fönigtidjer ßommiffär, Safob
ü. (Jen, bafjin gefenbet tourben. Ob aud) 9JtarcuS ty. fetbft, nad) bem 23orfd)Iag
feine§ 23ruberS ©tefan, im $. 1533 fotd)e .gnlfSgelber nad) ^ermannftabt
bradjte unb auf fotd)e SBeife feine «gjeimatfj nod) einmal fatj , tä|t fid) nid)t
nadjWeifen. ^ebenfalls fefjrte er , wenn fotd)eS gcfc^at), batb mieber an ben
$o~] aurüd, benn als im 9Jlär3 1534 Äönig gerbinanb in 2Bien einen türfifd)en
©efanbten mit grofjem jjßomp empfing, ftanb aud) Marcus ty. mit feinen 33rübern
©tefan unb ©ebaftian unter ben in großer 3^^ öerfammetten Magnaten beS
ungarifdjen 9teid)S pr 9led)ten beS £fjroneS. — hieben ben öffentlid)en gab eS
übrigens aud) roidjtige berfönüdje Angelegenheiten, beren Austragung feine An*
Wefenljeit bei |>ofe bringenb erforberte. üDie ©djutb beS Königs an 5)3. mar in
ben legten Satjren ju einer fetjr bebcutenben Jpöf)e angeU)ad)fen. Aufjer ben
bereits erwätjnten 12,000 ©olbgulbcn Tratte biefer feit 1528 nod) weitere
20,000 ©olbgutben tb/itS auS Eigenem, ttjeilS auS entlehnten ©eibern für
gerbinanbS $ntereffen ausgegeben unb fudjte nun bafür eine gerechte (Jntfdjäbigung
ju erlangen. 3)iefc würbe irjm aud) geWäfjrt, inbem ber $önig am 1. Januar
1533 „in 33erüdfid)tigung ber unerfdjütterlidjen Sreue, Weldje Marcus $. itjm
unb ber tjeiligen Jhone beS ungarifdjen 9teid)S nid)t fd)onenb feiner ©üter, feiner
©efunbtjeit unb feines SebcnS" erroiefen r}abe, feinem getreuen Anhänger unb
beffen ßrben ben feierten Sfjeil beS reinen ©infommenS auS ben Diobnauer 23erg=
werfen berpfänbete, Wofür im gälte ber AuSlöfung itjm ober feinen Srben bon
ber Ärone bie Summe öon 150,000 ©olbgulben auSge^atjlt Werben fottte.
Aufjerbem übertiefe ber Äönig burd) Urfunbr Dom 11. Dtoöember 1534 jjur
(Jntfdjäbigung für bie weitere , in feinen 2)ienften üerwenbete ©umme bon
20,000 ©ulben itjm aud) ben 3tt>anäigft bon .^ermannftabt, ihonftabt, S3iftrit},
fowie baS fjatbe (Siufommen beS ^ermannftäbter SintöfungSamteS für fo lange,
bis bie uorgefdjoffene ©umme öottftänbig Werbe getilgt fein, ©ottte eS ferner
unmöglid) fein, bie 53urg Sdtövintjoid) ben Jpänben beS 5Jlolbauer SGßotjWobeu
Steter balb ju entreißen unb 5)}. jum fidjern 93efi^ ju übergeben, fo fotle berfelbe
berechtigt fein, aud) für bie frühere ©d)ulbforberung öon 12,000 ©ulben auS
biefen ©infünften fid) fdjabtoS ^u t)alten. ©o reidjltdj biefe 6ntfd)äbigungen
aud) gebadjt waren, in ben wir£ltd)en 23efitj berfetbcn ift ber 33elet)nte ebenfo
wenig gelangt, Wie ber Äönig in ben 23efiij beS £anbeS ©iebenbürgen. ^a bie
SSerpfänbung ber 33urg Sdlöantjofd) an ben ©adjfengrafen , wetdje gerbinanb
foeben erft am 11. ^)ioöember 1534 erneuert tjatte, würbe fd)on nad) jWei
^Jionaten rücfgangig gemad)t, inbem ber bebrängte Äönig, um ben 9)tolbauer
$eter bauernb an fid) jw feffeln, bemfelben am 17. Januar 1535 nid)t nur
biefe SBurg , fonbern aud) bie SSurgen ©SicSo unb ^otetburg fowie bie ©tabt
äUfiriij öergabte. S)iefe Vergabung, Weldje eine freie fäd)fifd)e ©tabt bem ebenfo
gefürdjteten wie gerjafjten barbarifd)en Surften ber sXltolbau in bit <£)änbe lieferte,
erwarb bem Äönig Weber einen 3ubertäffigen SunbeSgenoffen , nod) bie get)offte
aßemffltnger. 349
llnterftüfeung beffelben; bagegen mußte fie bie Sadjfen, unb inibefonbere bie
noctj fampfenben ipermannftäbter, über folctjen eigenttjümlidjen Sotjn antjänglidjer
©efinnung ftufeig mactjen. Ctmetjin toar in biefen bie Hoffnung auf enblictje
Jpitfe aufi tieffte gefunfen. $toar $« roar noct) immer unerfcböDflicr) in planen,
wie man Siebenbürgen aurütfgetoinnen unb ber 9totf) ber treuen ^ermannftabt
abhelfen fönne; er mürbe nietjt mübe bei gerbinanb baram ju bringen, bafj ben
•permannftäbtem auireictjenbe ,§)ilfigelber unb ein ftarfei ^peer nactj Sieben*
bürgen gefenbet toerbe; er felbft erbat fictj toieberholt bie öilfimittet, um in
Dberungarn ein .Speer anjutoerben unb nact) (Siebenbürgen }u führen: aber feine
9tattjfct)läge fctjliefjen je§t boctj immer mit ber Sitte, toenn eine 9Jtöglid)feit
rafdjer <!pilfe nietjt Dorbjanben fei, üergebtict)e Hoffnungen in ben -gtermannftäbtern
nietjt weiter ju nähren. S)enn bie ^Jlotr) toar tjier bereiti auf bai tjöctjfte ge=
fliegen unb fetjon begann unter ber auf ein Siertfjeit äufammengefcfjmoläenen
33ürgerfct)ait, ber ei an Sebenimitteln unb felbft an Srenntjotj fetjlte, bie
Unjufrtebentjeit über ben jahrelangen bergeblictjen äßiberftanb fict) 311 regen. S)a
nun bai ganje Satjr 1536 tjinburctj jroifctjen ben beiben ©egenfönigen 2öaffen=
ftitlftanb fjerrfc&te, ot)ne bafj feine äöoblttjat auch ben -Jpermannftäbtern 3U gut
gefommen toäre; ba gerbinanb offenbar nietjt einmal ju einer fraftboHen .tfrieg=
füfjrung in Ungarn bie nöttjigen Glittet befafj; ba unter folctjen Sertjättniffen
feber toeitere QBiberftanb einer bereinjelten Stabt nietjt nur erfolglos fonbern auet)
3roecflo§ toar: ba legten enblictj im gebruar 1536 auetj bie ^ermannftäbter nadj
einem fiebenjiitjrigen leibenüotten $amDf bie äöaffen nieber unb anerkannten
gteid) bem übrigen Siebenbürgen ^otjann 3ap°tna ali itjren ßerrn unb $önig.
tiefer Stuegang bei ebrenDotlen Äampfei für bai Dertragimäfjige 9tectjt bei
„beutfetjen" ßönigi, in toeldjem $ftarcui 5ß. eine fo tjerDorragenbe jftotte gefDielt
batte, Derfctjlof; itjm bie Ütücffetjr in feine |)eimatt}, in fein 2lmt, ju feinen
©ütern unb Scfifeungen in ^ermannftabt unb bem übrigen Siebenbürgen. 2tber
troö biefei fdjtoeren Schlages, ber it)n traf, tjörte bie Hoffnung unb bai Streben
in ifjm nietjt auf, Siebenbürgen boctj noct) für gerbinanb ju getoinnen. Seine
Briefe an benfetben auet) nactj bem Sertufte «vpermannftabt'i tjanbeln fort=
roäfjrenb Don ben fiebenbürgifct)en 2lngefegentjeiten unb er felber bielt fict) toätjrenb
bei ^atjrei 1536 batb in j?afct)au, balb in Seutfctjau bei bem ©enerat ^a^ianer
auf, um einen (Jimall beffelben in Siebenbürgen ju betreiben, bem auetj er mit
einem ftäbnlein felbftgetoorbenen ÄriegiDolfi fict) anfchliefjen wollte. 5ß, über=
lebte ben gatt öermannftabt'i nietjt lange. S)ie testen Neonate feinei Sebeni
toaren nietjt nur buret) biefen Kummer getrübt, fonbern auetj buretj Äranftjeit
unb fogar buret) materielle Sebrängnifj. .,Sum sicut avis et non habeo. quo Caput
meum jam senio confectum reclinenr' : fo flogt er bem Könige, bem er attei
geopfert tjaite. Sein tebtei Sebcni^eictjen ift ein Srie? aui Söien Dom 7. gebr.
1537 Doli äfjntictjer klagen: „M. V. me sine ordine et relatione dimisit; jam
non habeo, unde saltem cottidianum victum et panem expectem ; fortassis M. V.
vult, ex quo aliter a me separari non potest, ut fame moriar". Sctjon am
11. gelmmr anttoortete 5erbinanb aui Günni , baß er bie llebertragung einei
anbern ungarifcfjen 9teict)iamtei an itjn angeorbnet unb barüber auetj an feinen
Sruber Stemn $. gefebritben fyafo. S)oct) ber 33ittenbe beburfte nicht mehr
lange ber föniglicben ©unft. Salb nabm ifin ber 2ob bintoeg. Sßann unb
roo er geftorben ift, too er begraben liegt, ift unbetannt; boctj toirb am 8. Seb=
tember 1537 Don it)m aU einem nictjtmetjr (ebenben 9Jtanne berictjtet. %n ber
furzen gftiji Don 18 Monaten toaren bie brei SBrüber geftorben, fo gleictjfam
auef) im 2obe Dereint, toie fie im öeben brübertictj unb einmüttjig ^u berfelben
Sactje geftanben.
2)^arcui $. bintertieß eine Sßitttoe unb einen Sofjn ^obann. 2>er Sefetere
ftarb in jüngerem Sitter noctj bor bem 3fatjr 1551, otjne ettoai Don ben einge=
350 getiefter.
jogenen ©ütern beä 33ater§ je ^urürf erhalten ju rjaben. S)ie tfamiüenbe*
fitmngen in Jpermannftabt unb Umgegenb Würben bom Statte biefer ©tabt
Peräufjert, um mit bem Crrlö§ ©djulben ju tilgen, Wetdje $. ftlr feinet Königs
©adjc auf fid) gelaben tjatte. ©o fam fein £>au§ in ben 33efitj ber ©tabt, bel-
eg nod) rjeute alä 9iatb,i)au§ unb aU Qitxbt bient, in jeinem ftattlidjen alter=
tfnlmtidjen 23au ein fd)öne§ 2)enfmat einer grofjen 3eit uno eine§ großen
sJJtanne§. — 2)ie ©tabt aber , Weldje feine zweite -ipeimattj geworben, bewatjrte
ein treuem ©ebädjtnifj bem 5Jlanne, mit bem fie Pereint fo fdjwere ©efdjtde
getragen unb bon bem geführt [te einen fo ehrenvollen $ampf für einen erft
nadj ^atjrtninberten jum ßeben geworbenen ©ebanfen, bie .gjerrfdjaft be§
.IpabSburgifctjen -£mufe§ in Siebenbürgen, beftanben fjatte, STrotj feiner mer)r=
jährigen Slbwefentjeit öon -giermannftabt würbe er bi§ jum $arjr 1536, alfo
bi§ jur Unterwerfung ber ©tabt unter ^otjann 3ap°tt)a. ot§ .ftönig§rid)ter unb
©adjfengraf angefetjen unb in ben ^rotofotten als foldjer mit bem 3ufa£ :
..absens" aufgeführt. Unb bi§ in bie neuefte 3"* herein — 1854 — erinnerte
an ben grofjen ©adjfengrafcn eine ©ebenftafel , Welche an einem Pfeiler ber
eöangelifd)cn ^farrfirdje ^permannftabte angebradjt War unb auf welcher fid)
neben ben 93ud)ftaben C. M. P. („Comes Marcus Pemfrlinger") folgenbe
^nfdjrift befanb: Justitiae eultor, Scelerumque acerrimus ultor; Principibus
carus, Numquam dum vixit avarus.
©. Ungrifcfjeä Waga^in III. 23b. — ©. ffi. Seutfdj, ©efdjicfjte ber
©iebenbürger ©adjfen, 2. silufl., Seibjig 1874. — 2)erf. : S)ie üteformation im
fiebenb. ©adjfenlanb. 6. 2Iufl. £ermannftabt 1866. — %. <L ©djuHer, baö
f. f. getjeime <!pauß=, §of= unb ©taatSardjiü in 3Bien u. f. w.( ^ermannftabt
1850. — Serfelbe, @eorg fteidjerätorffer unb feine 3eit, äßieu 1859. —
Slrdjib beg 33erein§ für fiebenb. ßanbesfunbe, S3anb III 1858; IV 1860;
XIX 1884. £>. äöittftod.
^CHlflcr: Jp ein rieb, $ reib, er r P. s4>. würbe au SBien im $. 1699 ober
1700 geboren. sJtad)bem er in feiner 33aterftabt bie entfpredjenbe SJorbilbung
fid} angeeignet tjatte, trat er im Wlax] be§ ^atjres 1718 in faiferlidjc 5£>ienfte
unb reifte fdjon im 9ttai bei ^a^reö 1719 im (Befolge be§ faiferl. ©rofjbot=
fdjafterä ©eneralfelbjeugmeifterä S)amian £>ugo ©rafen öon 23irmonb aU ©pracl)=
!nabe nad) ßonftantinopcl ab. S)er Slufenttjalt bort white fetjr nadjirjeüig auf
5ßendter'§ ©cfunbrjeit. ©ein S)ienfteifer liefe itjn feboer) öon ber it)tn ertrjeilten
(Srlaubnifj , wieber mit bem ©rofjbotfdjajter nad) Sßien äurüdjuf ediert, feinen
©ebraud) madjen. @r blieb uietmetjr in (Sonftantinopel jurüd, in ber (Sanatei
be§ faiferl. Ütefibenten Sfoje^r) bon ©ierling fleißig arbeitenb. 6r erlernte in
Wenigen $at)ren bie orientatiferjen ©prad)en, erwarb fid) genaue Äenntnifi ber
©epflogen^eiten unb ^örmlicrjfeiten , Wetdje bamal§ im biplomatifdjen SBerfeljre
bei ber ottomanifdjen Pforte eine gar wichtige 9ioEe fpielten. Tillen feit bem
?lbfd)luffe be§ 5)3affarowifeer ftxitbenZ ^wifdjen bem faiferlicljen unb bem ottoma=
nifeb^en «g>ofe geführten 33erb,anbluugen beigejogen, gewann er frütjjeitig tiefe
dinfietjt in bie ©runbfäfee unb 2riebfebern ber türfifdjen ^ßolitif. Saft attjäl)r=
liii) Pon fdjwerer Äranfl)eit Ijeimgefudjt, Perlie^ er enblid) im ^. 1727 mit ber
gamilie be§ 9iefibenten b. SDierting ßonftantinopel unb traf im i^uni 1727
nad) mel)r al§ fecrjäiätjriger 2lbwefenb,eit wieber in feiner 93aterftabt ein, wo er
fieb, balb gän<}lidj erfjolte. Sötr bürfen Wol eine etjrenbe Slnerfennung be§
gleifje§, mit weldjem er feine 2ienftpflid)ten erfüttt Ijatte unb be§ erfolgreichen
33eftreben§, feine 33eruf§fenntniffe ftetig 3u erweitern unb %u Pertiefen, barin
erbliden, ba^ nod) in bemfelben i3at)re feine Ernennung jum faiferl. ^ofbolmetfd;
unb ^>offrieg§fecretariu§ in Söien erfolgte. @r arbeitete nun im Departement
für türfifd)e Slngelegenljciten, Warb ben im Saufe ber näcbjien ^afyxt au§ ber
^encfler. 351
dürfet unb aus Wxita nacb, SBien fommenben ©efanbtfctjaften als faiferticrjer
Gommiffariui beigegeben unb reifte miebcrb,olt an bie tüififdje ©renje. <So im
$. 1731, als er unterhalb Sctgrab ben türfiftfjen ©efanbten Muftafa ßfenbi,
ber bem «ßaifer £arl VI. bie £fyronbeftcigung bes (Sultans 93lat)mub notificirte,
übernahm unb füäter toieber an bie ©renje geleitete. Dlacb,bem ber SBiener £of
bie Abberufung be§ jum ©djutje bes türftfdjen ,!panbet§ unb ber türfiferjen
Äaufteute in SBien beftettten Sdjarjbenbers ober ©eneratconfuls £>mer 5lga burd)
feetjs Satjre üergebtieb, begehrt blatte, mujjte es 5ß. fo einzuleiten, ba£ Dmer
2Iga enbtid) abberufen unb fein Soften aufgelaffen mürbe. Sa bie ^orte ber=
langte, bafj Dmer 2(ga mit allen ßrjren bis an bie ©renje geleitet merbe, fo
machte fictj ty. im 5Jcär3 1732 abermals auf bie Dteife unb übergab it)n
bei 35ariafin förmlich bem türfifdjen Uebernarjmscommiffär. 33eftimmt bem
nacr) Abfdjlufc be§ SBelgraber Sriebens (1739) nacb, Gonftantinobel als faifer*
liefen ©rofjbotfcrjafter abgetjenben ©rafen Ulfelbt als Segationsfecretär ju folgen,
tourbe 5p. am 7. 2lüril 1740 in ben erb(änbifd2 = öfterreicb,ifd)en Dtitterftanb er=
tjoben. 6r feierte am 3. 9Jtai 1740 feine SBermärjtung mit 3for}anna (Slifabett)
ö. Göltet, ber am 30. 9Jcär3 1721 geborenen ;£od)ter bes faijerlicrjen Burggrafen
3U Sßiener fteuftabt, Stan3 6lia§ r>. (Sollet, unb trat am 18. beffelben Monats
feine Steife im (befolge Ulfelbt's an. Siefer Dertiefj donftantinopel toieber am
4. 2Jtai 1741. s}>. blieb, bem ©roBüejier al§ fönigtiefj ungarifetjer ütefibent
öorgefteüt, bort jurücf. Sa ©raf Ulfelbt ficrj befdjroerte , bajj feine ^eimreife
öielfad) geftört unb gerjemmt toerbe, ermittle *p. einen fdjatien 33efef)l bes <Sul=
tans naä) Slbrianopel unb einen offenen german an alle 33efeb,lsr)aber öon
Gonftantinoöel bis Seigrab , infolge beffen Ulfelbt nun unbehelligt feine Üteife
fortfetjen fonnte. Sie tjöflictje 2lufnar)me unb bie Stjrenbeieugungen, melctje $.
fictj bei ber Pforte ju öeifdjaffen mujjte, erregten in bem la^e bie 2Iuimerf=
famfeit ber übrigen eurobäifdjen ©efanbten in Gonfiantinoöel, ba£ fie atlerbings
erfolglofe ©egenüorftetümgen bei ber rjotjen Pforte anbrachten, ©atjen mir ifjn
forgfam alte äußeren Qrfjren beanföruetjen, bie ifjm als Vertreter feiner 9)conarcb,ie
gebührten, fo mar er nierjt minber bebacb^t, itjre ^ntereffen 3U toarjren, menn es
fid) um Scrjlidjtung öon ©renjftreitigfeiten unb ätmlictjen Stngetegenfjeiten r)an=
bette. (Sine mäfjrenb bes leisten Krieges bei 9tlt=9cobi über bie Unna erridjtete
türfifdje 9Jcititärbrüde mar aud) nad) bem 9Ibfct)tuffe bes SSetgraber ^rieben!
ftetjen geblieben. Sie barauf bejüglicrjen Unterrjanbtungen be§ ©rafen Ulfelbt
mit bem türfiferjen ©renjcommiffär maren erf, olgtos geblieben. Sen 93or=
fteüungen ^encüet'S gelang e§, ben getoünfctjten SBefetjl gum 5lbbrucr)e ber Srüde
öom ©rofjtDefir ju ermirfen. Sie 2tngelegent)eit mar nierjt ofjne Sebeutung ju
einer 3e^ ^a ^aria Xijerefia rings Don jhieg bebrotjt mar. Sie Scrjroierig*
teit be§ -^oftens, metetjen %s. in (Sonftantinobet inne t)atte , mar feit bem 2obe
Äaifer Äarl VI. erfjeblict) geftiegen. Sie ©efanbten ber §öfe, meldje bas feiner
großen Soc^ter jufallenbe 6rbe ju erbeuten gebauten, fud)ten auef) bie 2ürfei
für irjre 5Infd)läge ^u geminnen unb trugen ber ^forte eine 51Eianä mit granf=
reicr) unb ^reuf^en an. 5ß. nimmt als fein SBcrbicnft in Stnfprucrj , ba^ bie
^forte nietjt nur biefe Slllianjtoorfcrjläge , bie noer) buret) 3lnerbietungen bon
©elbfummen unb ©ebietserrcettcrung unterftüfet mürben, ablehnte, fonbern baß
oietmefir bie Se^ietjungen äroifcrjen ben «gmfen öon SBien unb donftantinopel fid)
freunblidier geftalteten. Äaiferin 5)caria Xfjerefia üerlier) tr)m fcb.on im 3. 1742
eine mirftidje «^offriegsrattjsftette. $m 5tuguftl746 erfjiett ^. bie drebentiation,
bie ib,n ats fai|erlid)en Internuntius unb beboümäcrjtigten DJUnifter beglaubigte.
Gr notificirte in biefer ßigenfcb.aft ber ottomamferjen Pforte bie im 3- 1745
erfolgte Stjronbefteigung bei Ä'aifers yranj I. (5r mürbe aueb, mit ber biplo^
matifetjen Vertretung bei ©ro^fjerjogttjums Soscana betraut unb füfnrte bie
352 pendlet.
33erfjanb hingen wegen ^ilbfd^tufe eines greunbfcrjaft'S» unb .ipanbeiSöertrageS ätot=
fcrjen loscana unb ber Würfel, desgleichen leitete ^>. auefj bie „Verewigung"
beS juerft auf 24 3at)re gefdjloffenen Setgraber ftxiebmZ jur öollften 3ufrieben=
rjeit ber Äaiferin 9Jiatia Jtjerefia unb itjreS ©emaljtS, ber ir)n mit 2)iplom dd.
SBien, 14. Cctober 1747 in „beS rjeitigen römifcfjcn 9teicrjS $reif)errnftanb cum
praedicato 2Bot)tgeboren" erfyob. %m $• 1755 erhielt "}}. bie erbetene Wh*
berufung auS Gonftantinopet unb fam mieber in feine üßaterftabt jurücE, ber er
na^e^u fecrjSjetjn Sfa^rc ferne gewefen mar. 2)ie $aiferin wies itm an, Sit} unb
Stimme im fjoffriegSrättjlicfjen Suftijcotlegio u j^. unter ben 9ftätr)en aus bem
sperren ftanbe einntnetjmcn. (h meitte in biefer Stellung nur fed}S Satjie in
feiner ,£)eimatf). @S waren ^acrjrid}ten nact) 3&itn gefommen , bafe ber ßönig
öon ^reutjen mötjrenb ber letjten AU-iegsjac)re nidjt nur getrachtet tjabe, einen
greunbjdmftS» unb ^mnbelsöcrtrag mit ber ottomanifetjen Pforte p Stanbe ju
bringen, fonbern biefe auet) jum Abfctjtuffe eineS Dffenfiöbünbniffes ju bewegen.
2)er 2Biener ^pof beforgte , am 23orabenbe eineS neuen JürtenfriegeS ju ftetjen.
£iefe brotjenbe ©efafjr abjulenfen, roarb ^encfter's Aufgabe, als er im 3. 1761
abermals jum faifertidjen Internuntius unb beöollmäctjtigten 'OJlinifter am otto=
manifetjen ,§ofe ernannt mürbe, (är trat am 1". SDtai 1762 bie befd)werticf)e
Steife an unb fanb in (Sonftantinopel etjrenöolle Aufnahme. @r tonnte fdjon
im Cctober befjelben 3at)ree beridjten, bat) ber Sultan in einer SBerattjung mit
bem ©rotjwefir unb iUufti bie auf ben Abfcrjlujj einer Dffenfiüattian} jielenben
Einträge ^ßreufjens üerworfen tjabe unb empfing im folgenben 9Jtonate berutjigenbe
üßerficfyerungeu ber Triebfertigen ©efinnungen öon Seite ber türfifetjen Regierung
gegen bie öfterreid)ifcrje llionavdjie. (Sr erWirfte auet) in ber Iljat ben SBcietjt
beS Sultans, bafe bie bereits bei s-öe(grab, SJßibbin unb an ber bosnifcfjen ©renjc
angefammelten türfifetjen Gruppen im fjfrüt)iat)re 1763 jucceffiüe jutücfberufen
unb entlaffen werben füllten. @S mar it)m 3um ^tnciten 5Jkte gelungen, ben öon
feinblictjen SBaffcn bebrängten $aiferftaat üor einem brotjenben türfifetjen (JinfaUe ju
bewatjren. 'ütacfjbem er noef) im 3f. 1766 bie erfolgte Xtjronbefteigung Sfofept) II.
bem Sultan notificirt tjatte, erhielt er enblict) bie roieberfjott erbetene Abberufung
unb trat, nactjbem ber neue Internuntius ö. Scrnnarb fetjon in (Sonftantinopel
eingetroffen mar, am 13. September 1766 feine 9tücf reife öon ßonftantinopel
an. Am 9. 2)ecember in SÜien angefommen, mürbe er am ftaifertjofe mit bieten
©nabenbejeigungen empfangen unb im Januar 1767 burd) Sßerteifjung ber
SBürbe eines mirttietjen geheimen 9latt)eS ausgezeichnet. @r bractjte ben 9teft
feines ßebenS in SCÖien 3U unb ftarb tjier am 16. '•Jioöember 1774 im Sllter
öon 75 ^aljren. — Seine ©emafjlin mar fetjon am 6. Slprit 1767 geftorben.
^mei 2öcfjter unb ein Soljn überlebten if)n. — 2)ie ältere 2octjter Jtjerefe,
geboren am 3. 3(uti 1742, öeretjeticfjte fiel) im 3. 1761 mit bem f. f. föegie*
rungSratfje Slnton grei^errn öon 2)obtf)ofT>2)ier (f. 31. 2). S5. V, 272) unb ftarb
im gebruar 1819. — £)ie jüngere lodjter (^lifabett) , geboren im $• 1753,
öermäljlte fict) 1771 mit bem f. f. 9teicf)sfjoiratr)e ^tan,} %o)e'] greiljerrn ü. 2Rünctj=
23etlingt)aufen unb marb bie ©rotimutter beS (SligiuS ^reib^errn ü. 5Jcüncrj=
^ellingtjaufen (griebrid) ^palm). Sie ftarb im $. 1840. — ^encfter'S Sot)n,
geboren 1751, trat in öfterreicfjifcrjen Staatsbienft. 2ßir finben it)n feit 1805
als f. f. wirfucfjen ^ofratt) bei ber f. f. bereinigten bö()mifcr) = öfterreicrjifcf)en
unb gatijifcfien -gwffanjtei, bann als Seifiger ber f. f. ^orcommiffion in 3Bot)t=
trjätigfeitSangelegenrjeiten unb ber f. f. Stubienfjofcommiffion. @r Würbe in
ben nieberöfterreidjifcrjen ^errenftanb aufgenommen unb war fpäter 3luSfct)ut3rat^
beffetben. 6r betrieb in feiner Sugenb auetj äftt)etifctje Stubien unb fcrjrieb
eine „3lbt)anblung Dom Scfjäfergebicrjte" (Augsburg 1767). Sr war mit bem
Slftronomen -öell eng befreunbet unb tiefe bemfelben in "äJtaria ©n^erSborf ein
l'enq. 35 3
©rabmal iefcen. Beine im eji- 1774 mit 5ov;a f^reiin D. loufiaint gejdjtotiene
&ft blieb finberles. 3 i IBtthoex, ftatb er am 22. ÄbtU 18
leeUroeiie nadi Oleten bes Caif. unb fön. \>aus=. §of« u"^ StaatBaH%ib8
in SBien. — Pferner lotitbc benutzt 3ofc| b. öammer, Bef$u$te be$
csnuniidum 9ceid)eS. 8b. B. — SBux£bai$, ©iogr £er. Ib. 21. — Slrnetf),
CU;it^ Rittet b., Befd jta'fi. Saab 4, 6( - u. 9.
9. ». Ivel gel.
$CBQ: Beoxg $., SRaln unb tfur , ftnbei jidj im 3- 152
jRftxnbexget SRalexbi i ..'.::r:;r eingetragen. 6t ft$erai fifixex'fi S
getoefen }it 'ein, beun bn :). 1524 beiratbete ,301g, E i ßnedjt" I
IDtagb unb mürbe als JRttxnbexget Bürger aufgenommen; btefei 3org rrire tool
mit $. ibentifdj fein, 3*bo$ in bem gleider: ^ahre truirbe 1>. mit ben trübem
Ol unb Sattel Gebaut (f. 8. D. 8. II. 279) biegen ixteOgiöfet unc< commtt*
- Infanten bar & 'teilt, ins Befängnifj gemoxfen unb bann bei Stobt
bexUriefen SHe betben $e$am 'dünnen übrigen! mehr bie Xnfü$xex gemeiert ju fein
unb iß. itjnen gegenüber jurüefvatreten. (** toai bamals eine roilbe ©abrang ber
©emütber eingetreten, unb bie $e$am gingen mit ben 3dbri;ten Ib. 'Piünjer's
unb ftaxlftabffi um. &afi i-r.ber unteres i;. lautete: „3oxg $eu| lagt auf
bafi fjrragftucf, ob er glaub, bafi ain gct fei: 3a, er embftnbfi |um teil. -
aber nrift, roas er nachäfft ;ür benfeCbeu got fol halten, miß er nit. — Bafi
er Den (irtftc haut? ,yult bon Stifte uidns. —Ob et bem fettigen
onb reort gottefi, 3« bex [grifft . : glauben.
— 8Bafi er Pen bem cacrament befj XHtaxfi I palt Dom faexamea
altars nidns. — SBafi er Den bi : '. -yult Den ber U tfi. —
Cb er ain koettlidje obexfait glaub bnb amen State }u Xuxnbexg ;t:v feim §exxn
erfenn, über fein leib, gut bnb tras euserlicb iü ! SBBi| Den fernem bem bann
allein Den got 8ei biefen Bxunbfa$eu, mdd-.e bie Xntorit&t befi 9tat$efi
leugneten, trat efi felbftbexjlanbli$ , bafi berfelbe unjem geilt aus
Olürnberg bexwiefi. 3b> ;elgenben 3o$xe, 1525, bat iß. ben ftatb. tbm bie
iRücffebr ju genauen, roorau' ihm erlaubt kbUtbe, u± in bem nahen 3täbtd:en
JBKttbfi$rim aiebetjulaffen, iebodj mürbe tbm bie Stobt viürnberg unb ihr Bebtet
badboten. Äudj braxbe er am 28. SRai 152S [eineä 8ftts unb aller
l-nid-teu entlebigt. Späterbin jebcd) burte ^ß, jurücf febreu . unb fogax \u
Snaben kontbe er miebei aufgenommen: im ^- 1582 erbu-it ex eine ^eüallung.
„einem rate }u getearten mit ieiner fünft )um reifjen, malen bnb biftxmadjea .
er reurbe bemnad) eine Sxt ftäbtijcijer iUaler, unb bajn betam er ein SBaxtc-
gelb Don 10 ©ulben, bafi ibm „aus ange^aigter not" Dorausbejablt nnnbe.
vJlljo bamalö fcfjon ftal ber limitier in b:r ^elbflemme; ttbxigenfi erhielt ev
audtj uir (ebc einzelne Arbeit, bie er uir ben Oratb macijte, eine Sxattficatura.
3ra 3- 1588 bexgotbete er bie Beißen |U ben im ft&btifd^en 8efi| beftnbtiaVn
(Semalben bon SMhcex, bie bin lemreramente, tDonir ber ftat^ i^m 15 Bulben
3abite. gtoei Dative [bätet [extigte er ;ür ben Äat^ eine 3na^nuttg befi S^toffefi
}U Sent um 1 Stttben. 3m 3- 1543 ßc| ber Raty burdi ilm unb SebaUi
i>ed „bie Stobt Oiürnberg Don anfen in gruub ieneu" unb eine Olnüdu ent=
mexfen, mofflt üe 261 Bulben s S^iEtnge unb 10 \B;uub alte Pfennig
bielten. \yiuv 3ol '•-' P- bem iHatb „ein fünülidn's 8em&l
Bt ^texonbmufi SSüb*; ber SRat^ [ä^entte ibm bafüx 80 Bulben. 5>afi %^iib
tjängt jeKt in bem Sexmanif^en SDhtfeum unb itellt ben .^eiligen in feinem
Belaufe" bar, roie er als ein memento mori au' einen £obtenf(^abel
(gemalt 1544». ^?ie 3bn bog» gebt anf Cuintiu SReff^fi ober eine;', aubexn
SÜbebextanbex juxttdj übrigens ift bafi SSift redn fleifjig unb tüdjtig gemalt,
'Mgem. beutid)e Siograp^ie. XXV. 8S3
354 $""!■
{ebenfalls beffer at» feine falten, italienifirenben 2afe(n. 3) er Äünftler ftarb
im 3. 1550 ju Nürnberg (?) unb tjinterlief} SBeib unb $inb in fo großer 2lr=
mutt), bafj ber ütatt) bie 60 ©ulben be<$arjlte, bie ty. einer 93ormunbfd)aft
fdjulbig war.
S)er geitgenoffe 9leubörfer urttjeitt öon 5ß.: „Dbmol roa» öon biefem
^enjen in .ttuöfer öorfjanben, genugfam anzeiget, roa» trefflidjen SSerftanb unb
©cift biefer 2Rann in ber Äunft getjabt, fo ift er bod) aud) be» ßontcrfetien»
frfjr ftcfjer unb im Fialen in ben Safein fetjr fleifjig getoefen, alfo bafj man
fnum erbenfen möd)t, ob bie garben aud) fjötjer motten gebraut Werben. 93ht
bem 5Durd)gläfen unb «Scheinen in ©läfetn, Söaffern, feuern unb (Spiegeln ift
er ferjr fünftlid) unb in ber sl>erföectiö fcrjr erfahren. Seiner <g>anbarbeit finbet
man f)ie bei ben erbaren ^Bürgern Diel." Unter bem „2)urd)gläfen" ift bie
©efdjicfticfjfcit unfer» sJJlalerö in £id)troirfungen k. gemeint, roa» man aud)
nod) an öetfdjiebenen 23ilbern beobachten fann. gür bie $enntniffe be» ty. in
ber ^erfpectiöe mufj ba» teiber ju ©ruube gegangene Söerf gezeugt Ijaben, roo^
öon ©anbrart in feiner „Seutfdjen 2lcabemie" berichtet: So ift aud) rütjmlid)
jU gebenfen , bafj unfer $ünftler in ermelbter Stabt '•.Uürnberg in be» ©bleu
.sperrn SBolfamer fdjönen ßuftgarten , ju @nb einer ©alerie ba» £)bertl)eit eine»
3immer» mit Celfarbeu gemalt unb reöuifentirt, ob märe ba» 3imme* nod)
offen unb unau»gebaut, bie ^immerlcute aber gefdjäfftig, bie ^roevgtjöljer, Bretten
unb Stamen einjujietjen, anbete finb in Arbeit, ben ladjftul aujpijeben , öer=
binben ben 33au, roeldje» alle» gegen Dem genialsten offnen Jpimmel mit 2Botfen
unb fliegenben Sßögcln alfo natürlid) crfdjeinet, ba$ üiel baburd) angeführt unb
ba8 ©emärjl öor roat)r unb natürlid) anfänglid) geurtljeilet, roie bann biefer
3rrtt)um fonberlid) öorgetjt, mann e» an bem Ort befidjtiget roirb, too unfer
Sorg ^eu» feinen .£>ori,jont öernünftig eingerid)tet l)at. 2)en r)l. |)ieront)mu§
öon 1544 nannten mir fdjon; anbere fyiftorifdjc Silber, bie im ©egenfatje ju
ber norbifdjen 2luffaffung oc» ^ieronrjmu» im öfeuboitalienifdjen Stile ber
beutfdjen 9Jtanieriften gematt finb unb burd) glatte falte 33ef)anblung ah=
ftofjen, befinben fid) u. 21. in ©djleifjljeim cHenu» unb 2tmor; früljer in ber
ÜJtündjener ^inafotfjef), ^ommer»felben (Utufe Urania, 1545), SBien (©alerie
£)arrad), darita», 1546), 2)re»ben (23rud)ftütfe einer 2lnbetung ber Äönige, brei
Stüde einer ^etfdjnittenen 4pot^ta?et >. ^ebeutenber finb feine SSilbniffe, bie ju
ben fdjönften Söerfen ber Nürnberger Sd)ule getjören. Sie finb, an S)ürer an»
ftingenb, nod) etroaä jeidjnerifd) aufgefaßt , otjne jebod) einer gemiffen freien
2luffaffung unb malerifdjen Äraft ju entbehren; ct)aracteriftifd) finb fie burd^
itjren grau^braungelben Jon. 3Drei baöon befitjt ba» berliner Wufcum: ^unQer
^icannöon 1534 unb bie beiben ©egenftüde: lltaler @rf)arb ©djme^er öon Nürnberg
unb feine 5^u» öa» elftere 1544, ba» jmeite 1545 gemalt. S)a» 33Ubntfj eines
jungen sDtanne» öon 1543 ift in ber faifert. ©alerie ju 2öien. Setjr djarafteriftifdj
ift ba» Porträt be» ©eneral» Sdjirmer öom $. 1545 im ©ermanifetjen sBlufeum.
2lud) an anbem Orten gibt e» Porträt» öon sl)., fie merben jeboef) übertvoffen
burd) ba^ prächtige männliche 33ilbni^ eine» ©eteljrten in ber ^arl»ruljer ^unft=
fyaüe. 3m %• 1544 malte ^ß. ba» ^orträt be» berüfjmten ßarbinal» ©ranöella;
er lie| baffelbe burd) feinen ©ol)n auf bie £ofung»ftube bringen, um e» ben
^'ofungsrjerrn ju feigen ; berfelbe eitjiett bafür ein ©elbgefdjenf. 2)a» 2Berf
fdjeint nidjt meljr erfjalten ju fein. 3>m Stidje ift nod) erhalten ba» 33itbntß
be» Nürnberger Senator» 6f)riftoöf) ßoter, ba» % im 3f. 1536 gematt t)atte.
2lucij ben öon unbefannter -gmnb geftodjenen Söilbniffen beg sIRaler» unb feiner
grau mögen Driginalgcmälbe öon biefem felbft ju ©runbe liegen. Wagler
(s3Jconogrammiften III, 5lr. 238) ftöfjt fid) mit Unrecht an ber fehlerhaften
2luffd)tift biefer (Stidje „©regor ^ein»" ; e» ift \a bod) gan^ jmeifello» ba» be=
'4!enbel. 355
fonntc Sonogramm bei 5(J. barauf, unb bie £rad)t bet bargeftellten ^erfonen
entfptt«f)t audj bet 5ßencyfcr)en 3e^- ®er Äünftler erfdjeint ba ali ein sUcann
etroa Pon 30 $at)ren, roärjtenb er in bem 1574 geftod)enen ""Dtebaitlonporträt
bebeutenb älter erfdjeint. ©anbrart'i djaraftertofer ©tid) ift Pielleictjt aui
bem letzteren fjetaui „ibealijirt". ^ebenfalls fteüt ir)n bas fd)öne Jünglings*
porträt Pon 1544 in ben Uifijien 3U 51oren3 nicfjt bar, roie man bort behauptet;
aEerbingi ift >ß. ber Sßerfertiger beffetben.
SSefannter ift ty. ali $upferfiedjer. Dbroofjt ben beiben Serjam gleichaltrig,
fdjeint *ß. fiel) bod) ali ©tedjer nad) biefen gebilbet ju tjaben; jebenfattö ift ex
biefen ferjr Perroanbt, unb jäfjlt ebenfo jur ©ruppe ber fogenannten „$lein=
meifter". Uebrigcni ^ierjen mir trotj ber unleugbaren f5feinr)eit unb ^iertict)fett
beä ^encj'fctien ©rabfticrjeli bie arbeiten ber Serjam öor. Offenbar rjat er audj
bie arbeiten ber römifdjen ©d)ule ftubirt unb ift (eiber baburef) in eine gemiffe
©berfläd)tid)feit bei ßopjtrjpui Perjallen, unb ei fxet)t ifjm oft genug aui ben
angelernten römifetjen formen bie beutfdje Spröbigfeit unb $norrtgfeit IjerPor.
Ob ber unleugbare italienifcfje (Sinflufc burdj eine Steife nacr) 2öelfd)tanb <ju
erflären ift, barüber finb bie 2lnfid)ten Perjd)ieben; ©anbrart unb bie meiften
nehmen ei an, 9tofenberg leugnet ei. 2ßir muffen bie ©adje batringefteßt fein
taffen, bemerfen aber, bafj in biefer ^rage bie ^arjre 1526 — 1532 fjauptjäcrjtidj
3U beachten finb; aud) fäme bai 3»af)r 1539 in 33etradjt, mo *p. bie Pt nudle
Sompofition bei ©iulio Romano, bie Ghftürmung Äartrjagoi, möglicher 2öeife
in Italien gefictfjen rjat. 2)iefe platte ift ^enc.j'i umfangreidjftei Söerf, über=
Ijaupt einer ber größten (Stiche bei 16. ^at)rb,unberti; ber römifdje Äunftrjänbtcr
©alamanca ermarb fie <jum 2lbbrucfe. ©onft rjaüen fid) s$encä'i SBtätter in
befdjeibenem 9Jcafjftabe, ja ei finb diele gan^ fleine baiunter, bie ifjn eben ju
einem ber „ßleinmeifter" fiempeln. ©ein erfier batirter ©tid) ift Pon 1535; biefe
3af)t befinbet fid) auf bem 9tegului, ber ju einer go^e bon 4 Stottern aui ber
römifdjen Sefrijicrjte gehört. Ob er überhaupt Piel früher geftod)en r)at, ift root
fragiler). $• arbeitete nad) bem alten unb neuen üeftament, ferner eine
ganje Sfteifje gef djid)tlid)er , mrjtrjologifcrjer unb atfegorifdjer SDarftettungen; öon
^eiligen tjielt er fid) ferne, ©eine mt)tf)otogifd)en unb allegorifdjen 2)ar=
fteÖungen befriebigen ö'ter ferjr toenig, ba ifjm bie 2)urd)bitbung bei 9catften
unb bie fdtjöne (Jleganj ber gormen abging, jebod) mufj man geftetjen, bafj er
ttotjbem manchmal burd) feine römifd)en ©tubien in ben ©tanb gefegt mar,
au<| eine gemiffe ©cfjöntjeit ber ftoxmtn unb 9teint)ett ber Sompofition ju er=
Rieten, ©ein 1543 geftodjenei porträt be§> Äurfürften Mann gfttcbtt^ Pon
©ad)fen riPalifirt in ber £reff(id)feit ber SSerjanbtung mit ben 35. 23efjanvfd)en;
ei fdjeint übrigeni nad) einer Vortage Pon Granad) auigefütjrt ju fein.
$. Perbiente eine eigene 33erjanblung ; feine $upferftid)e finb im 8. SSanbe
bei Peintre-Graveur te^> Sartfd) befd)rieben ; fonft üergleidje nod) 31. 9tofenberg
in 9t. S)ob,mei Äunft unb ßünftlern, 1877, unb ben betreffenben ^affui in
2öoItmann=SCßörmann;i ©efd)id)te ber ^Raterei.
Söitb,. ©d)mibt.
$ettbel: Sodann ©eorg Iß.. SSitbb.auer — geboren unbefannt mo —
fam 1650 ali fdjon fertiger Äünftler nad) ^5rag, ermarb fid) nod) im gleiten
^ab,re bai SSürgetredjt in biefer ©tabt, infolge jeinei erften monumentalen
äöerfei aud) ben Zxttl einei faifert. fönigt ^>ofbi(bb,aueri. S)en Auftrag für
biefei nod) immer ali 3ierbe bei ^rager sTlttftäbter 9tingi Beftetjenbe SDßet! gab
irjm Äaifcr gferbinanb III. — roie er babei auifprad) — aui ©anf&atfett für
bie (Snettung ber 3lltftabt Pon ben ©djroeben (1648). (Sine b^odjaufragenbe
fogenannte 5)carienfäule umgeben, entfpred)enb ber auigebet)nten quabratifdjen
23*
356 ^cnnaüaire.
söaftä, bier fampfgerüftete ßnget. S)em ©efdjmaife ber $eit angemeffen in
flotter 33arocfe gehalten, jeigt fotoot bie ©efammtanorbnung, tote bie Figuren*
bilbung ben geiftreidjen unb gutgefcfmlten ^3taftifer. SDaö ttmrbe um fo äugen*
fälliger, alä e§ galt, bie roäljrenb ber ^Belagerung bon s}kag im %. 17 57 burctj
eine preufjifctje Äugel jertrümmerte Gmgetgeftalt neu ju erfetjen. (Srfeijt rourbe
fie, aber tocber im (Seifte nodt) in ber f^otm ^enbel'ä.) 33ei fo rafctj erworbener
faiferlictjer ©unft gelang e3 *ß. aunädjft audj ben mittlerweile aufgebrochenen
(Streit awifdjen ber 9)ta(erbruberfcr)aft unb ben 23ilbl)auern , bie biö batjin im
gemeinschaftlichen 33erbanbe ftanben , burcl) bie erwirite Genehmigung für eine
gejonberte Sßerbünbung ber SBilbtjauer beizulegen. — SBeitere Söerfc bon irjm
finb bie in ber ^agabe ber ©alöatortircfje (am Äreuafjerrnptafce) angebrachten
Figuren ber ßircfjenbäter, bie wol urfprünglid) Tür anberweitige , ber ^orijont*
linie närjer gelegene Slufftellung beftimmt waren. 5Denn für bie, in Welcher fie
jetjt tjoc^j oben ju finben finb, mangelt bie erforberlicrje 3lu§bet)nung beS £)ör)en=
mafjeä. — ©ine rectjt tüctjtige Slrbeit ift Wieber bie im weftlictjen ültjeile be§
«gjrabfctjiner ©ct)lojjgartenö bcfinbtictje ^>erfule§ftatue. 2)tabacj weif} nocrj bon
^lltarbeväierungen in ber — aufgehobenen — ©t. *Dtartin§firct)e in ber 2llt=
ftabt ; begglcidien in einer nidjt metjr ejiftirenben 5Jluttergotte§firc|e ju berichten,
iöeibe finb alfo ber 93eurtb,eilung entzogen, ©leid) uubeftimmt Wie ba§ ©eburt§=
jaljr ^enbel'S ift bae feine§ SlblebenS; fidjer nur ift, bafj er in $rag geftorben
■ — im Jpinblitfe auf eineä feiner legten 3Berfe bürfte ba§ Sfa^r 1665 al§
Üobesjaljr anjuneljmen fein.
Slabaca, 3tög. tjiftor. Äünjilct-ßejifon. — Ofü^ti'S äug. $.=2ej. —
^ammerjd^mieb^ Prodrom, glor. Pragensis. Eigene ^coti^en.
ftub. füllet.
^cmtQüairc: fßeter b. fy., preufjtfctjer ©enerallieutcnant, 1680 alg ber ®ot)n
eine§, au§ einem au ©aint=2lntoniu in ©utienne anfäffigen ©efdjlecfjte ftammenben
Slbbocaten am Parlament an Üouloufe geboren, welcher infolge ber 2luft)ebung be8
ßbictä bon 5Rante§ mit feinen bier «Söhnen auämanberte, biente juerft bei ben
Grand-Mousquetaires , mit benen er am 11. ©ept. 1709 bei sJftalplaquet fodtjt,
Warb 1712 ßieutnant beim ßeibregiment au ^ferbe (Äüraffterregiment 9tr. 3),
mit welctjem er 1715 am getbauge in Sommern tl)eilnat)m, unb mactjte fpäter
alä Dberft ben jroeiteu fdglefifctjen $rieg mit. 2>afj fein Äönig mit feinen
2)ienften aufrieben mar, beweift bie 33erleit)ung be§ Drbenä pour le mörite,
Weldjen er im ^uni 1747 empfing, unb bie ein ^atjr fpäter erfolgte ber 2)roftei
(SfenS in Dftfrieälanb. 9Jctt letzterer erhielt er bie Gürlaubnifj, ba§ (Sefct)en! 3U
berfaufen; er trat bie S)roftei baf)er 1749 an einen <£>errn b. ©teetjoto ab; er
felbft wirb |>err auf ^eiligentljal im $Ran§fetbifcf)en genannt. Sll§ ber fieben=
jätjrige Ärieg auibradtj, roar er ©eneratmajor unb 6t)ef be§ 2eibcarabinier=
regimentä (Äüraffiexregiment 91r. 11). S)em gelbäuge beS Sa^eä 1756 toolmte
er in ©actjfen bei, nad§ Seenbigung bcffelben marb er im gdwnar 1757
©eneratlieutenant unb mit bem ©crjmarjen Slblerorben begnabigt. 2lber bem
tapfexn 9teiter§mann fdgeinen Umficfjt unb Sftafcfj^eit be§ ©ntfdgtuffeä gefetjtt ju
liaben; bieEeictjt Ijatte fein tjorjeä Sllter i^m biefe für feine (Stellung unentberjr=
liefen (Sigcnfdjaften geraubt. ©0 fam e§, bafj er mitfcrjulbig marb an ben
Urfadjeu, roeldtje am 18. 3fnni 1757 ben Serluft ber ©djladjt bti Äolin ^er=
beifügten. @r rjatte ben 33efeljt erhalten, mit ben iljm unterftettten 20 ©crjröa=
bronen Äüraffiere am 5u|e ber ^ötje bon SSrjiftrot) ftetjen p bleiben, bi§ bie
Infanterie be§ linlen ^tügel§ unter hülfen unb 2Jtoritj bon ©effau, auf roelcrjer
bie Saft be§ ^>auptangriff§ lag, bie nötrjigen Sortfdjrttte gemacht tjätte; in
feiner S)i8pofition tjatte ber $önig ber ßaballerie empfohlen, bei ber ^panb an
fein um einbauen, menn e§ gälte beu ©ieg ju berbollftänbigen. S)a§ $ufj*
$enninc. 357
öolf tjatte folcfje ^ortfdjrttte gemalt, bafj e§ fic£> nur nod) barum fjanbette,
feine ©rfolge auszubeuten, aber ty., an ben söudjftaben beS legten iljm juge=
gangenen SSeferjlS fief) ^alienb, tilgte fidj nidjt, fonbem blieb rutjtg an einer
©teile, wo er nidjtS tfjun ober roenigftenS gar nidjtS fetjen fonnte. Sa oradjen
bie öfterreidjifdjen Steiler gegen bie preufjifdje Infanterie öor; ty. fotlte .grilfe
bringen, ber Äönig fanbte itjtn ben SSefe^I bap , aber ftatt bemfelben auf bem
füraeften Söege nadjäufommen, madjte er einen roeiten 28eg um bie ©etjöfte öon
SBr^iftrot) tjerum, roo er aufjerbem nodj burdj eine ©djtudjt aufgehalten roarb.
SBietleidjt tjat bie fogenannte ©djroebenfdjanäe , toeldje in jener 5fticfjtung tag
unb nodj bleute eine anfetmttdje $örje fjat, ifjn bap beranlajjt; ber bemttleibenS=
roertrje ©reis ttmjjte aber auf ^Befragen nadj ber ©djladjt roeber hierüber 2luS=
fünft 3U ertfjeilen, nodj erinnerte er fidj be§ bom Könige ausgegebenen aÜge=
meinen Angriff SblaneS ober ber 5lrt unb SBeife, roie er überhaupt auf ben
Äambfplat} gelangt mar. SeijtereS gefdjar), meil er auf ben 33efetjt gemartet
unb benfelben, als er ir)n erejatten, nidjt auf bem fürjeften 2öege ausgeführt
f)atte, biet <ju füät. £)'2)onnel'§ ßatmlleriebibifion ftanb ir)m bereits in atoei
Sinien gegenüber. 3lbec, toenn itjtn audj ber moralifdje 90tuttj, etwas otme
auSbrüdtidjen 33efetjt ju trjun, unb ber geiftige Ueberblid gefehlt tjatten, an ber
ötjtjfifctjen £abf erteit mangelte eS itjtn nidjt. ©obalb 10 ©djroabtonen aufmar=
fdjirt waren, ftür^te er fidj auf ben geinb. SSeöor er itjn erreicht Ijatte, widj
berfelbe. S)ann aber gerietfjen ^ßennabaire'S berfofgenbe Leiter in baS geuer
ber gegnerifdjen Infanterie, madjten ferjrt unb flutteten jurüd. 9todjtnatS
fürjrt er fie bor, als bon neuem öfterreidjifdje (Saöatterte baS eigene $uf3tiotf
bebrorjt, aber toieber fommt er in jenes tierfjängnifibolle $euer auS bem @icr)=
Wälbdjen, wetdjeS £)ülfenS (Brenabiere einige ©tunben borrjer befetjt aber wieber
öerloren tjatten, unb in nodj größerer Sluflöfung jagen feine föüraffiere rüdwärtS:
bie fonft fo braben Seute finb für biefen £ag nidjt ferner ju gebrauten, $m
,<perbft beS nämlictjeu ^atjreS ging er mit ber 2lrmee beS ^erjogS bon 23raun=
fdjWeig=33ebevn nadj ©djlefien; in ber ©djladjt an ber Sotje am 22. Diobember,
Wo feine beiben Äüraffierregimenter (Dir. 6 unb 9, 33aron ©ctjönaicfj unb ^rinj
©djönaidj) , ber (Solonne be§ ©eneralS ©djulj jugetfjeilt, bie über bie Sofje
gegangenen Oefterreidjer üergeblidj jurüdauroerfen öerfudjten, marb er fdjtoer
üertounbet. 2lm 19. Januar 1759 ift er ju Sßerlin im 80. SebenS= unb im
65. S)ienftjaljre an einer Sungenentjünbung geftorben. Stuf griebridjS beS ©ro^en
5Denfmal unter ben Sinben in ^Berlin fte^t audj 5pennat)aireJS Dlame öer=
3eidjnet.
Strdjib beS preu^tfdjen J?rieg§minifterium§. — ^. Äu^en, Soor rjunbert
^aljren, 1. Slbtfjeitung, Breslau 1857. 33. ^oten.
$enniuc, ein niebertänbifetjer ©idjter, öerfa^te ben Vornan „Dan Söaleroein",
öor 1250, \)a ^laerlant im Sllejanber barauf anpfpielen fdjeint: eben btefe
3eitbeftimmung getjt au§ ber 9teinf)eit ber ©pradje unb ber SSerSfunft Ijeröor,
meldje fidj mit ben 23erljältniffen be§ 91einaert Dergleichen (äffen. S)er Vornan
umfaßt über 11 000 5ßerfe, bie legten 3300 finb öon einem gfortfetjer, Bieter
3}o§ftaert, tjinjugefügt, meldjem ber (Snttourf ^enninc'S borlag. Seibe 2)id)ter
maren offenbar 5a^e^be; ber 9tame ^enninc erinnert an ^etbling in einer
öfterreidjifdjen ©atire auS bem Günbe be§ 13. ^ar):l)unbert§ : eine fleine ©elb»
mün^e bient jur SSe^eidinung beS geringgefdjä^ten ^oeten. 2lber ?fi. öerbient
alles %oh fotool roegen feiner flie^enben lebhaften ©rjäljtung, als megen beS
überfidjtlidjen ^laneS, nadj toeldjem er bie gülle ber tounberbaren, öon äöate=
mein natürlidj ftetS glüdlidj beftanbenen Abenteuer georbnet Ejat. 2)er <g>elb
jagt juerft einem fliegenben ©djadjföiel nadj , erringt, um bieS bon Äönig
äöunber ju erhalten, baS ©djtoert mit ben gtoei fingen, unb getoinnt enbltdj
358 ^enninf.
eine ©eliebte, ^tfabetta, bie « urfprünglicb gegen baä ©d)mert ^atte eintaufdjen
fotlen. Zahlreiche eingefdjobene SIbenteuer finb auch, anberämo befannt: ein
golbner 23aum mit Sßögelu, bie burd) 33lasbälge aum ©ingen gebracht werben;
ein tobtev bitter, ber banfbar für bie SSeftattung beut gelben £)ilfe bringt u. a.
S)er 9toman bon 5ßerccbal ift beuttidj benutzt, rote anbrerfeit§ ber 9ttoriaen auä
unferm ©ebidjte fdjöpft. äöateroein erfc^eint nidfjt nur al8 tapfer unb treu, auch
als" barm^erjig; moralifdje Srjietjung empfiehlt ber SDidjter 4838. 9luf eine
franjöfifdje Quelle roeift nur ber gortfetjer bin, toätjrenb *ß. fie abäutetmen
jdjeint. 5)ie Uebereinftimmung mit einigen Werfen eine§ fonft berfdjottenen
©aumain fönnte jufättig fein.
2Iu§gabe bon Sfonibtoet nach einer guten «gmnbfdjrift bon 1350 in ben
Werken uitgegeven door de Vereeniging ter bevordering der oude Nl. letter-
kunde, Seiben 1846. 48. — Fragmente Don 6. $. ©errure in De Eendragt
1850. Sgl. auch ^onrfbloet, Gesch. d. Mnl. Letterkunde2, (1852), 79 bti
111; Gesch. d. Nl. Letterkunde I (1884), 325—332.
Martin.
^CHlÜltf: Gorb $., Obrift unb Otitter. — Ctjne groeifel mürben bie in
bie erfte .gmtjte beä 16. 3abrbuubert§ fatlenben ©chtdfate unb SHjaten biefeS
ehrbaren Jh-ieg8mann§ ba§ an^iebenbe 3eit= unb (Sbaraftergemätbe eines ber
lebten ßanbsfnedjtfütrrer gemäbren , menn genauere 2)aten über ihn borlägen.
®ie SInbcutungen, meldte bie 3fnfdjrijt feines ©rabbenfmats in Hamburg funb=
gab, beranlafjten ben 2lrd)ibar ßappenberg ju eingehenben sJlad)forfcbungen,
beren (Srgebniffe jebod), obfdjon fie aus gleid^eitigen beutfcrjen, bänifcben, engtifdjen
u. a. Oueflenmerfen gefloffen finb, feinesroegs genügen. 2ötr miffen nidjt ein=
mal, mann unb mo er geboren, bermuthen aber, in s.Rieberfacbfen, etroa gegen
@nbe bes 15. ^abrbunberts. 2)afe er einem üornebmen ©cfdjlechje entfproffen
fei, mie bie ©rabfd)rtft angicbt, bürjte als eine geroöbnlidje «£>öUid)feitsflosfet
aufoufaffen fein. Unter meteben Jahnen ex 0Qg jfriegshanbtuevf erlernt, ift im«
befannt. 6r mirb juerft genannt unter ben beutfdjen £)auptleuten , meldje ber
S)änenföntg ßfyriftiern II. für ben ßrieg gegen ©chmeben gemorben , ba§ gegen
feine Srjrannei unter ©uftab SBafa aufgeftanben mar. ty. febeint fobann bem
entthronten ,Wönige um 1523 nad) ,£>ottanb gefolgt ,m. fein, aber beffen S)ienft
quittirt ju haben, als ßhriftierns fernere ^olitif feinen ©runbfätjen nid)t ent=
fprad). @r trat bielmetjr in bie SDienfte ber Nachfolger bes Königs, griebridjsll.
unb ßbriftian III. ßefeterem half er in ber fog. ©rafenfehbe bie ©djladjt bei
3tffens auf gübnen (1535) geminnen unb ftanb in beffen Airiegsbienft nod)
1536 öor Kopenhagen. Um 1540—42 finben mir ibn als Anführer eines
beutfdjen föeiiergefchroabers , roeldjes Gbriftian III. bem Röntge fjfranj I. bon
granfreidj jufchjdte; bie§ nöttjigte ^ß., feine Söaffen gegen 2)eutfd)tanb§ ^"aifer,
Äarl Vv in ben 9tteberlanben ju tragen, mag ibm be§ J?aifer§ Ungnabe ju^og.
S)enn, aU er nad) bem ^rieben (1544) feinen Söobnfife in (Jette nehmen mottle,
beftimmte ber Äaifer ben C>er^09 öon 23raunfchmeig Lüneburg, bie§ nidjt au
bulben. 5p. fam nun nach Jpamburg , mo er ©runbeigentbum erroarb unb fich
t)äu§licf) nieberlie^. Salb barauf aber (1545) begehrte ^»einrid; VIII., @nglanb§
Äönig, $enninf'§ ®ienfte, mogegen fid) einige Ütattjgeber bei $önig£ ertjoben,
meld)e ^3. berbädjtigten, jebod) erfolglos, benn ber „dapitain Sourtpennb,!", mie
man il)n in (Sngtanb nannte, ertjielt feine SBeftallung unb zugleich bie Sditter»
mürbe. 9Iud) feine 3lu§fbbnung mit bem Äaifer bermittelte ^einrid) VIII. ?($.
erhielt nun ben Auftrag, etma 4000 SanbStncchte in S)eutfchlanb anjumerben
3U einem gegen ©chottlanb gerichteten ^riegSjug. 9lad) beffen 35eenbigung 30g
$. mieber nad) Hamburg, roofelbft it)n nun (1546) ber ©enat als £)briften in
Seftaltung nafjm , eine 3lnftettung, bie ber ©chmallalbifche Ärieg beranla^te.
^emtinf. 359
gunäcbft 30g er mit einet ©ötbnertruppe nact) 9Jcagbeburg, jut Unterftti^ung
bicfer ©tabt gegen «"perjog 9Jcori£. $m SSotjaljr 1547 [teilte $. mit anbetn
Slbgeorbneten ber proteftantifdjen ©tänbe 9cieberfad)fenS ben ^elbjugSplan fcft
gegen bie Krpebition ber fatr)oftfcr)en Partei unter bem iJerjog Qmd) b. 3Braun=
fdjmeig unb bem Dbriften öon äöriSberg, melctje mit etroa 29,000 9Jtann bie
SunbeSftabt SSremen belagerten unb tjart bebrängten. Homburg ^atte ^mar
bereite burd) ©enbung einer Kriegsflotte SBtemenS Söafferjeite gebecft unb bie
3ufutjr bon SebenSmittetn gefid)ert, bod) galt eS nun, baS SBetagerungStjeer ju
Sanbe ju befiegcn unb Sremen, foroie baS gan^e protefiantifctje 9ttebetfad)feu
öon ben UnterbrütfungSberfudjen ber fatljotifctjen gartet -$u befreien. Unter
bem Oberbefehl beS ©rafen b. 9JtanSfelb tarn bei bem £>ot)a'fci)en ©täbtdjen
S)ralenburg an ber Söefer ein ftattlictjeS SunbcStjeer aufammen , bem fidj bie
23elagerungSarmee gegenüberfteflte. 5£)aS Hamburger Kontingent (8 gäfjntem
£5fuf3*)otf nebft 7 ®efct)üt$en unb 1 gäf)nlein ^Reiter) räcfte in bie ©ct)lad)tlinie
unter feinem Dbriften . bitter Korb ty. , bem aucr) bie Kontingente anberer
SunbeSftäbte unterteilt waren. %n ber am 24. 9ttai 1547 bafelbft ge=
lieferten blutigen ©djlactjt mürbe bie fattjolifctje Hrmaba aufs -gmupt unb in
bie gluckt gefctjlagen, eine SSictoria ber proteftantifd£)en ©ad)e, meldje bem tDot)t=
angelegten unb tapfer ausgeführten ©eitenangtiff beS sßenninFfctjen GorpS 3U
öerbanfen mar, unb bemfetben mie feinem friegSfunbigen getbobriften ju grofjer
(Stjre gereichte. 33remen mar mie 9cieberfad)fen gerettet, ty. 30g mieber juiücE
nad) Hamburg. 5lber noct) gönnte ber greife §etb fiel) feine ;Rut)e. 2)enn nod)
einmal liefj er fiel) bemegen , einer fönigl. Berufung in ben engtifdjen Kriegs*
bienft ju folgen, moju er bom Hamburger Ütattje Urlaub erhielt, ber ifnn auf
fein briefliches 2lnfud)en 1550 unb 1551 berlängert mürbe. (3ju btefen Briefen
unterzeichnet er feinen tarnen f)od)beutfd) : „(Stjunrab Pfenning , Dbrifter unb
Ütitter".) sJcad)bem er ju 23erroid: in ©nglanb bie Lüftungen ju einem aber*
maligen Kriege gegen ©dmtttanb botlenbet , bielleid)t aucr) an bemfetben tt)eii=
genommen, fefjrte er nad) Hamburg jurücf, um nunmerjr auSjurutjen, bermutt)*
üd) auf einem länbticrjen (Sefjöfte in §amm hä Hamburg, meld)eS feiner @t)e=
frau Slnna (beren Familiennamen toir ntdfjt fennen) ßigenttmm mar. 21IS ber
alte KriegSmann fein 6nbe t)erannar)en füllte, berer)rte er (1554) ber ©tabt
Hamburg einen namhaften ^Beitrag ju ben Soften eines neuen ^ftungSroerfS
beim ©teinttjor. S)ann mappnete er fid) mit geifttietjer Lüftung unb berfd)ieb
am 5. 5c^tuar 1555. @r mürbe tjierauf mit großem (Sepränge in feinem
©rabgemölbe in ber ©t. ^acobifircr)e feierlich beftattet. ©eine Söittroe lieft it)m
bafelbft ein ''JJcarmorbenfmal errictjten, beffen ^nfcrjrift in tateiniferjen S)ifticr)en
ber gleicrj^eitige 5Did)ter unb ^ratfjSfecretär üti^enberg berfa^t tjatte. 2lnfprect)en=
ber lautet in ifjven einfaerjen heutjer^igen Üteimen eine ju berfetben 3"t ent=
ftanbene beutfetje Uebertragung , melct)e un§ aufbemar)rt ift. ©ie erjaratteriftrt
ben „alten Aperrn Korb ^enninf lieb unb mertt) im ganzen ©actjfenlanbe f)oct}=
geetjrt" — all einen etjrbaren, tugenbfamen, treuen Ärieg§= unb ^itterSmann,
beffen Japferteit unb Krieg§tunft in bieten ©cr)lad)ten S)änemarf, ©ctjweben,
23rabant, grantreict), Kngtanb, ©ctjottlanb, unb jumal 9cieberfacl)fen erfahren
tjaben , bem er , burd) ben ©ieg bei 2)rafenburg, ben ^rieben§ftanb gefiebert.
^jerborgetjoben mirb, bafe er, „beff man fo menig 2lct)t tjat", niemals miber
©otteS 5Jcacr)t in einen Krieg gebogen fei, unb ftetS fromm nacr) (SotteS 2öort
gelebt fyabt, mie ßorneliuS ber Senturio , ben bie tjeilige ©ct)rift preift. —
S)ieS Spitaptj, meldjeS 1617 auf Koften ber ^acobifirct)e reftaurirt mürbe, unb
noer) 1663 bor^anben gemefen fein mufj, ift feitbem fpurloS berfctjmunben, biet*
Ieid)t erft 3U Anfang be§ je^igen ^a^rtjunbertS , als man in Hamburg mit ben
Sltterttjümern ber Kird)e banbalifd) aufräumte. 5}on ^enninf'S äöittwe Slnna
360 $enäf)om.
roiffen mir nod), bafs fie, einige 3a$re nadj feinem üobe, einen feinet ihieg§=
genoffen, ben Hamburger Hauptmann ÜitcEet *ßlate tjeiratljete, nad) beffen Slbleben
(1568) fie it)r ©cljöfte in £>amm öetfaufte.
ßappenberg, „ber £>brift (Sort 5J5ennint" im 5. Sanbe ber 3eitftf)rift
be§ SSereinS für £>amb. ®efd)id)te, ©. 32 — 45. — £)ie gleichzeitigen «£>amb.
6f)ronifen in ntebeibeutfc^cr ©pradje IjerauSg. bon Sappenberg. — 5Die
lateinifdje unb beutfdje $nfd)rift ift gebruiit in Sofftui : Epitaphia principum
(1580) ©. 125. S5ie tateinifdje in «mfclmann'ä Jpamb. Snfcriptionen (1663).
33 e n e f e.
^klläljoni: 2>abib üß., legtet fjamburgifdjer ©uperintenbent, mar ein
©otjn bon 9Jcagnu§ $., ber mit feinem 23ruber St)liacu§ <jur 3eit ber 9tefor=
mation in Hamburg lebte. 5Da§ erfte fidjere S)atuin au§ feinem Seben ift, bafj
er am 2. 2luguft 1553 in Söittcnberg infcribirt warb; batnad) mirb er etma
um 1533 geboren fein. Um ^orjanniä 1562 roarb er in Hamburg 5ßaftor am
,§ofpttal jum rjeitigen ©eift. 21 lä ber .gmuptpaftor ju ©t. Nicolai ^or). £>einr.
3ariu§ im $• 1565 an ber $eft geftorben mar, mürbe 5ß. ju feinem yiaä)=
folger ermäl)lt unb roärjrenb ber äJacanj ber ©uperintenbentur bom ©enior
^oadjim 2Beftpt)al eingeführt. 6§ mar bie 3eit, m metdjer in ber lutfjerifdjen
Äirdje ernftlidje 33eftrebungen gemalt mürben, bie eingeriffenen S^vroürfniffe
unb ©treitigfeiten ju befeitigen unb eine llebereinftimmung in ber ßecjre Ijcrju»
ftellen. sJiad)bem ^acob Slnbreae, ber fyauptfädjlidjfte Qförberer biefeg (Soncorbien=
mcrfe§, jum erften sJJtal im ^erbft 1569 nad) Hamburg gefommen mar, um bie
^ßrebiger tjier für biefeä Söert ju getoinnen, finben mir neben 3oa$im Söcftptjat
bor allen befonberi 5(J. für baffelbe trjätig. deiner mürbe bann fo oft mie er,
fei c£ allein ober mit einem Kollegen, jur Vertretung ber Ijamburgifdjen Äirdje
auf auömärtigen ßonoenten beputirt. ©o mar er fdjon ju bem im 2Rai 1570
in 3"bft gehaltenen Gonbente mit bem ^rebigcr ©tapljorft entfanbt; unb al§
SOßefipfjal im $. 1571 ©uperintenbent gemorben mar unb unter 2Beftpr)al'ä
5lad)fofger in ber ©uperintenbentur Grjriacuä ©imenS (1574 — 76) t)atte $.
beinatje alle Verfjanblungen mit ben au§märtigen Geologen, auS mcldjen bann
fdjliefjtidj bie Sünnarjme ber (Sintradjtäformet (Formula Concordiae) refultirte,
namen§ ber Ijamburgifd)eu ©eifttidjfeit <$u führen, ©o mürbe er benn aud) am
22. fjtffouar 1575 jum 2lbjutor beg letjtermäljnten ©uperintenbenten ernannt
unb nad) beffen am 13. 9Rärj 1576 erfolgten £obe aunädjft am 24. 9tobember
1576 ^um ©enior be§ sIRinifterium§ unb fobann am 17. Sluguft 1580 jum
©uperintenbenten ermärjtt. 2113 ©enior tjat *ß. al§ erfter unter ben rjambur=
gifcijen *ßrebigern ba§ ßoncorbienbud) unterfdjrieben ; ifjm folgten bie fämmt=
lid)en ©eiftlicrjen bi% auf einen, ber bann Hamburg berliefj unb au§märt§
reformirter ^prebiger mürbe; in ber Wnnaljme ber @oncorbienformet burd) bie
tjamburgifcf)e Äird)e bürfen mir ganj befonberS mit fein äöerf fe^en. ©djon
alg -gmuptpaftor unb cjernad) als ©enior unb ©uperintenbent mar 5jß. aud)
beteiligt bei bem 33erfar)ren, ba§ gegen bie nad) Hamburg gefommenen fremben,
meift nieberlänbifdjen, nid)t tutt;erifd)en ßrjriften eingefdjtagen marb; e§ finb
nod) eine 9reit)e bon 2lbf)örungöprotocoIlen bortjanben, bie 5|5. grofeentcjeilö felbft
gefdjrieben t)at; fie Ijaben erfidjtlid) nur ben $wd, ba§ ßrgebni^ ber borge=
nommenen SSertjöre feftäuftetlen. ©in befonbere§ SSerbienft ermarb fid) ty. nod)
um bie 3lmt§etntünfte ber Sanbpaftoren im cjamburgifdjen ®ebiete; bon itjm
nad) eingetjenben Untcrfuctjungen über fie borgenommene 2lufjeid)nungen finb
nod) bon grofjem SfTitereffe. @r ftarb am 29. ©eptember 1593; fein ©arg
marb bon ad)t ©eifttidjen getragen. 6r r)interlie| brei ©öljne unb bier 2öd)ter ;
fein ältefter ©ot)n, aud) S)abib ^5. genannt, geboren 1570, marb im 3- 1621
©enator in Hamburg unb mar ^Dtitgtieb ber ©efanbtfdjaft, meld)e bie .£mm=>
^entertteber. 361
Bürger im %. 1654 nact) >ßari3 fcfjicften unb bie bort am 10. 9Jtai 1655 mit
Submig XIV. einen ©ee= unb .gmnbetstractat abgefcfjtoffen tjat. 2>er 6ppen=
borfer 9ßafior 2)aöib ^enltjorn (t 1628) mar ein jüngerer Setter unferei
©uperintenbenten, ©otjn bes Gptiacuij $.
(Sine Sebengbejcfjreibung ^enirjorn'i eriftirt nod) nidjt. — Voller,
Cimbria litterata I, ©. 483 f. — Serjton ber £>amb. ©crjriftftetter VI, ©. 17 f-
— Sßitfenä, .gmmburgifcrjer (Stjrentempet, 2. 345 f. — Utöncfeberg , S)ie
(5t. 9tifotai=Äirct)e in Hamburg, ©. 130 f. — {Joerftemann, Album Viteberg.
p. 283. — 3eitftf)rift beö 23erein§ für -üpamburgifdje ©efcrjicfjte, VI, ©.317 ff.
u. ©. 345 ff., ätoei 5luffä^e Pon £)tto 23enete: „3ur ©efct)ict)te ber nic&>
lutfjerifcrjen ©tjriften in Hamburg 1575 &i§ 1589" unb „2)ie 2tmt§einfümte
ber f)amburgifcr)en Sanbpaftoren in älterer 3eü" ; bgl. ^ier auct) befonberi
©. 355 ff. Angaben über bie ^familie ^en§f)orn. — Fabricii memoriae
Hamburgenses VII, p. 270 ff. 1. u.
"^CHtcrriebtcr : Srjrifioprj gretfjerr ö. $. , fRetdt)st)ofratt) , nieber=
länbifcfjer 9tatt) , tt)irf(icf) geheimer Statt) , ©efanbter ,ßarl§ VI. in $ari§. 5ß.
entftammte einer gamitie, meiere erft mit feinem Sater ^ob^ann ßtjriftopr) am
25. gebruar 1662 geabelt roorben mar. SDanf feiner raftlofen Stjätigfeit unb
feines mit unbegrenztem (Stjrgeiae gepaarten ftaatimännifdjen 2öiffen§ gelang e§
irjm, eine Jpötje ju erflimmen, roetetje bamati für ©otcfje, bie fidj feiner langen
unb gtänjenben Sltjnenreitje rürjmcn tonnten , faft unerreicr)bar mar. ©tücfticrje
3ufattigfeiten tjatfen jeboct) aucrj mit, feine ßaufbatm eben ^u geftalten. ©o
mar itjm s^5rinä (Sugen Pon ©aPopen befonbers geroogen, mal nierjt menig baju
beitrug, ifjn fctmelter öormärt§ ju bringen, ©ein -ftame rourbe erft jur 3e^t
be§ fpanifd)en (£rbfotgefriege§ fo red)t eigentlich befannt. 6r narjm an ben
grieben§öert)anbtungen 3U Utrecht al§ faiferlidjer ©efanbtfcf)ait§fecretär unb 9te=
gierungsratfj tfjeil unb getoann öon bem (Sänge bei ^riebenegefcrjäfteä genauefte
.ftenninifj. 2>e§r)alb erbat fict) -^rinj Sugen auebrücflicf), baß itjm bei feiner am
26. ftoöember 1713 ftattfinbenben 3ufammeitfunTt ***** oem franjöfifctjen 2flar=
fdjatt 33iHar§ ju gtaftatt % atö ©ecretär beigefellt roetbe. 31m 7. max$ 1714
erfolgte ber Slbfdjtufj bei g^benS Pon üiaftatt, unb am 7. September besfelben
3af)re§ mürbe -}u SSaben in ber ©djroeij ber Sfteicrjsfrieben gefctjtoffen , an beffen
Sertjanbtungen s£. ebenfalls teilgenommen blatte. 9tact) bem £obe £ubroig£ XIV.
mürbe *ß. orjne befonberen (Stjarafter nact) ^ßariS gefdjictt , roofelbft er am 8.
SDeccmber 1715 eintraf, um hi% jur Ütütffe&r bee 33otfct)arter3, ©rafen Äoenig3=
egg, melcrjer jur Qtit in ben ftiebertanben meitte, bie öfterreidnfetje Regierung
ju öertreten. Saut faifertidjer ^nftruetion üom 23. Cctober 1715 tourbe %
„aui befonberem Vertrauen ju feiner 2reue, ßapacität unb in publicis erroorbenen
ßrfarjrenrjeit" für biefen mistigen ^often ausliefen. 3uS^e^ erhielt er ben
Auftrag, auf bie 2lusfüt)rung einiger SBcftimmungen ju bringen, melctje aui bem
9taftatt=babifcf)en , meftfälifct)=nimmegifct)en unb rrjeroicfifctjen ^rieben noctj au§=
ftänbig mar. ftadj gefctjloffenem Sarrin-entractat mit ben ^poüänbern , mclctjer
im 2lnfct)lu^ an ben lltrec6>9taftatter ^rieben ftetjt, mürbe ©raf Äoenigiegg,
biifjer beöotlmäcfjtigter 9JHnifter in ben 5lieberlanben, öon ba abberufen, um fict)
al§ SSotfdjafter auf feinen neuen ^often naef) ^ari§ ^u begeben. Sie 5lbberu=
iung 5penterriebter'g erfolgte am 12. Sluguft 1716. %m 14. ©eptember reifte
tß. öon $ari§ ab, traf am 19. in S3rüffel ein, mo er bem ©rafen -ßoenigsegg
bie nötigen 5lact)ri(i)ten mitteilte unb fict) fobann jum $aifer begab, ©rai
^oenigiegg felbft langte am 20. Wäxfr 1717 in ^arii an. 3lli gegen Gnbe
be&^af)re§ 1716 bie 55ert)anblungen über bie Quabrupetattianj Cefterreictji unb ber
brei 2Beftmäct)te ifjrcn Anfang narjmen, mürbe fy. 3U öfteren Fialen mit mictj=
tigen 3Snftructionen nacr) <£>annoöer unb Sonbon gefct)icft, unb er entlebigte fict)
362 S-Pen|3.
ftetS feiner Aufträge jut öottftcn 3ufriebenljeit feines taiferlidCjen £)errn. 9lacr)
abermaliger Abberufung ÄoenigSeggS erfolgte am 23. «September 1719 bie
jmeite ©enbung s4>enterriebterS rtad) ijSartS; juüor mürbe irjm jebodj „auS befon=
öeren 33emegurfad)en" ber $reib,crrnftanb üerlieb/n. 2>aS SMptom felbft trägt
baS S)atum Dom 25. September. Am 8. sJtoüember 1719 fam 5ß. nadj $ariS,
mofelbft er bis jum 7. gebruar beS SfarjreS 1722 üerblieb; benn in ber 3roif<^en=
jett — am 30. 2>ecember 1721 mar er als ©efanbter ;mm griebenScongrefje
511 ßambrarj ernannt morben, auf meldjem megen ber Anfprüdje ©panienS auf
üalienifcfje ©cbietStljeile unterrjanbelt toerben follte. s3)carcuS fyreiljerr ü. gf°n=
feca mürbe mätjrcnb ber Anmcfenljeit ^enterriebter'S in ßambraü, mit ber 2ei-
tung ber ©efdjäftc beauftragt. Am 28. October 1723 erhielt !p. jebod) bie
SBeifung, mann immer er eS für nottjmenbig eradjte unb ofme üorerft anju=
fragen, fid) nad) sßariS ju begeben, ba eS ber aHerb,öd)fte 3)ienft erforbere, „einen
metjrerS auttjorifirten ^tinifter, als ber 33aron be gonfeca ift, ju ein ober anberer
3eit am franaöfifdjen £)ofe ju tjaben." S£)aS 2Biener (Sabinet erblicfte in s|s., melden
man aud) in Gambrat) „nid)t fo Icidjtlidj" entbehren tonnte, denjenigen, meld)er
im $atlc beS ülobeS beS .^er^ogS üon Orleans unb barnad) folgenber 93eränbe=
rung im 9Jcinifterium in üerläfjlidjfter äßeifc über ben ©ang ber franjöfifdjen
^>otitif berid)ten tonnte. sJtad) bem ©d)eitern ber unfruchtbaren s.23erl)anb(una,en
beS GongreffcS <}u Gambrat) mürben u. 3. am 30. April 1725 bie ©efanbten
üon bort abberufen. ;3m 3fuli 172<i mürbe ©raf ©teptjan ßurölij an ©teile
beS ©rafen .^oenigSegg jum 23otfd)after in s4>ariS ernannt, inämifd)en fdjon jc=
bod) s^. baljin beorbeit. «Seine Anmefenb/it in 5p<mB mar um fo midjtiger,
als ber £ob ©eorgS I. üon Gnglaub unb bie fortgefetde Belagerung ©ibraltarS
üon Seite ber Spanier bem Sujammentritie beS neuen GongreffeS ju ©oiffonS
langen Auifdpib bereiteten. Gnbe beS 3»al)reS 1727 ertjielt s|>. ben befonberen Auf=
trag, beim franaöftfdjen Jpofe auf bie Gröffnung beS GongreffeS ju bringen, au
bem er laut ^nftruetion üom 27. 2)ec. neben bem Jpof tangier unb sJJcinifter ber
auSmärtigen Angelegenheiten, ©rafen Sinjenborff unb ©rafen $inSft) als britter
SBeüollmädjtigter gefd)icft mürbe. ^njroifd}en tjatte s}>. nod) bie 2ßürbe eines ge=
Reimen ÜtattjeS erhalten. Söäljrenb be« GongreffeS ftarb s4>. p SoiffonS, am 20. ^uti
1728. SBie jd)tner(üid) fein plötjüdjeS .pinfdjeiben ben $atjer traf, beroeifen
folgenbe 3c^en/ üjeldje biefer am 5. 2luguft beefelben Sa^reS an Sinjenborff
fdjrieb. „S)er Söexluft eines fo getreuen, rütjrigen unb guten üDienerS märe mir
ieber^eit nid)t menig empfinbüd) gemefen, ift eS aber bermalen um fo met)r, als
berfelbe ju gar unbequemer 3eit fid) zugetragen Ijat." S)ie furje .^ranfb^eit,
meld)e ^>. befallen, mar mol aud) burd) ben Sd)merj nod) gcfät)rlid)er gemorben,
ben 5ß. barüber empfanb, ba^ ©in^enborff ob,ne itjn ju öfteren *Dtatcu mit bem
ßarbinal gteurü, geheime Seratljungen pflog. ©d) litt er.
V^CH^: ^onrab Süber ü. ^- ober ü. s4>enj, aus altem medtenburgifdjen
©efd)led)te, Sotjn eines Hauptmanns, geb. 1728, lebte als früherer b.oüänbifdjer
ßieutenant in befd)eibenen Söer^ältniffen. in ber ©tabt ^enjlin als s|>nüatmann
unb ftarb im gftfiljlittg 1782. 5luS feiner <St)e mit ^ba iBenebicta ü. b. ßü^e
b/interlie^ er brei Uinber. 6r befd)äftigte fid) eifrig mit ben ©enealogien beS
medlenburgifdjcn Abels auf ©runblage ber Sammlungen beS roarjrfdjeintid) (Snbe
1746 üerftorbenen jüngeren Sodann ^einrid) ü. ^oindt)ufen, bie itjm 1766 üon
ben @rben auSgel)änbigt maren, unb bereit Sefferung unb 9}ermel)rung er unab=
läffig betrieb. 3Bat)rfd)einlid) lebte er mit üom ßrtrage ber Lieferung geneato=
gifd)er 9^ad)meife an abtige Familien unb üon iljm ftammen mal)rfd)einlid) alle
foldje Arbeiten aus feiner Qtit ©0 fidjer bie Sefdjreibung beS ©efd)led)tS
ü. SSülom, meld)e ber medl. = ftreli|ifd)e ©el). .^ammerratb, ^. g. ^oad)im
ü. SBülom auf Älaber rcüibirte unb 1780 bruden lie^, ebenfo baS „3}eräeid)niS
^enael. 363
beS mecflenburgifctjen SlbelS", baS unter beS 9JHnifterS t>. ©atnm Flamen getjt.
*Pen^'ö Rapiere finb enblid) in baS grofttjerjogiictje 2lrctjiü in ©ctjmerin gelangt.
©. Sifctj, Satjrbb. 29, ©. 35—44. Traufe.
^engel: Slbratjam Safob $., ^tjilotoge unb ^olrjtjiftor, 1749—1819.
<£r ttmrbe als ber ©otjn beS reformirten Pfarrers 3otj. °$at. ty} am 17. 9io«
ttember 1749 in bem SDotfe Störten bei SDeffau geboren unb juerft tjier, bann
feit 1757 in Seftnitj, rootjin ber 23ater öerfe|t roar, meift priüatim unb plan=
loS unterrichtet. 1762 tarn er auf ba§ reformirte ©rjmnafium in ^)atte, geriete)
aber balb fo in gerftreuungen uno WictjtSttjun, ba§ ber 9Jater itjn roieber nactj
.gmufe berief, um itjn felbft ^ur UniPerfität öorjubereiten. SDurctj ben Rabbiner
ber jübifetjen ©emeinbe in ^efeni| in baS ^ebräifetje eingeführt , befctjtoft s}>.
morgenlänbifctje ©pracfjen ju ftubiren unb be^og ^u bem 3roecfe 1766 bie llni=
Perfität ©Ölungen, trieb tjier aber, fo roeit er übertäubt arbeitete, öorroiegenb
bie norbtfetjen ©pradjen; er ternte, mit aufterorbentlictjem ©practjtalente begabt,
lafcf) fctjtoebifctj, bänifetj unb iSlänbifctj. Um itjn feinem unorbentlictjen ßeben
j$u entjietjen, tjiett itjn ber 23ater Pon 1767 an roieber 3U |mufe; er arbeitete
öiel, aber SllteS otjne rechten ^lan; balb betjerrfctjte er 5et)n tobte unb lebenbe
©pradjen. @in <^eftct)en ©ebicfjte „an bie 2)enuS drrjcina", roelctjeS er 1769 in
33erlin bruden lieft, erroarb itjm bie ®unft $r. 9licolai'S. 1770 ging er nactj
fieiüjig, um bie unterbrochenen UniPerfitätSftubien roieber aufzunehmen; 9£eiSfe
intereffirte fictj für ifjn, er tourbe Mitarbeiter an ben Acta eruditorum unb ber
£eipjiger getetjrten Leitung, tarn auetj in SSerbinbung mit Klotj unb anberen
namtjaften ©eletjrten. 2luf 9teiSfe'S ©rängen, fictj einem beftimmten ©ebiete ju*
•mroenben unb baS Vielerlei jju laffen (er Tratte in Seipjig u. 21. auetj noctj
üßolnifctj gelernt), befctjtoft er, fictj auf bie alte ©eograptjie ju befctjränfen. 3luf
Ktofc'S 9tatt) ging er nactj §alte unb ttmrbe tjier am 9. September 1771
^ftagifier mit einer SDiffertation „de Barangis in aula Byzantina militantibus",
tjabititirte fictj auetj in bemfelben <g>erbfte mit einem Programme über bie ^prj=
perboräer. 2>urctj ©ctjutben bebrängt, tonnte er fictj in -gmtle nietjt tjalten, fanb
auetj in ^ena, rootjin er geroanbert roar, fein Unterfommen unb fatj fictj fo ge=
nöttjigt, roieber jum Sßatertjaufe prücfyufetjren. <£)ier begann er fleißig an einer
beutfetjen Ueberfetjung beS ©trabo $u arbeiten; etje biefe aber öottenbet roar,
öerlieft er 1774 bie ^eimattj unb ging nactj SBürjburg, fanb tjier auetj am fürft=
btfctjöftictjen ^ofe Slufnatjme unb Unterftüt$ung , fo lange er bie UnitterfitätS=
bibtiottjef fleißig befuctjte. 2)er größte S£t)eit ber „Pomona franconica" ift tjier
unter (Sibfen'S Leitung öon itjm aufgearbeitet roorben. 2Iber bie Unregelmä|ig=
feiten feines SBanbetS ttertrieben itjn üor Slbtauf eine§ 3atjre§ öon Söürjburg;
in {£ranfen planlos umtjerirrenb , faftte er ben @ntfctjluft, 9torb=@uropa ju be=
fuetjen, um fictj bie für feine geograptjifctjen ^läne unentbetjrlictjen lettifetjen
unb flaöifctjen ©praetjen anzueignen. 3U biefem Qtoedt ging er nactj Nürnberg
unb lieft fictj f)ter öon preuftifetjen äöerbern für ben f. pr. $rieg§bienft anroerben,
in ber Hoffnung, auf biefe SBeife nactj Königsberg ^u fommen, roo fictj baS
Söeitere fetjon ^nben roerbe. 2lm 28. Slpril 1775 fam er in Königsberg an:
SltteS fctjien nactj äöunfctj ju getjen. S5on allen ©eiten unterftü^t, fonnte er fictj
gang feinen ©trabo*©tubien roibmen; bie Pier 33änbe ber Ueberfetmng erfctjiencn
öon 1775 — 77 in Semgo unb fanben, namentlich toegen ber beigegebenen @r=
flärungeu unb Karten , öielfactje 9lnerfennung. Dbmot)l bie Verausgabe ber
Königsberger 3e^un9 ^,n eine nietjt unanfetjnlictje Sinnafjme bot, er auetj ©ol=
batenbienfte nie ^u leiften brauctjte, öerfctjroanb er nactj brei ^atjren aus unbe=
fannten ©rünben auS Königsberg; er tauctjte bann in SBarfctjau auf, muftte öon
bort flietjen, roar 1780 engtifctier ©pradjletjrer in Krafau, bann Sirector ber
bortigen 3lfabemifctjen 93uct)bruderei unb 33ibliottjefar im ©t. 5petri=©eminare,
364 5ßen3lin.
tiertot biefe ©teilen aber fcrjon 1781 unb trieb ftdj bann mehrere 3far)re lang,
burcl) einen ©rafen ©otttjct in ®ombroroa noct) tiielfacl) unterfiüj3t , in allerlei
Stellungen in ^ßoten, ßitttjauen uub ©djtefien tjerum, bis er 1793 eine Stellung
al3 Setjrer ber ^oetif in Saibact) fanb. <§ier fetjte er bie 1786 begonnene
Ueberfetjung be§ 2)io ßaffiuä fort, mar aber noct) nidjt bis jur 33ollenbung be§
feiten 33anbeS gefommen, al£ er feine ©teile tierlor; er fudjte fid) nun in
Stieft roteber al§ ©tiractjleljrer burctjjufctjtagen ; aber aud) tion t)ier 1812 tier=
trieben, toanbte er fiel) auf ©djlictjtegrolTä (Jinlabung nad) ^Jtünctjen unb be=
forgte tjier eine 3lu£gabe ber 9ieifebefct)reibung be3 9)tünd)enei3 ©Rittberger;
erje ber 2)rutf tioHenbet mar, mie§ itjn jebodj bie bairifdje tpoliact au§. 2?m
9totoember 1813 fam er nad) ßeipjig, um nunmerjr feinen 2)io SaffiuS ju tiott=
enben, im £5feDt"ar 1814 fiebette er nad) feaUt über unb fanb t)ier bei 9tie=
merjer unb £iefttunf Unterftütuing unb aud) ©d)u| gegen neue tiolijeilictje 33er=
folgungen. SDie 9lott) trieb ben alten ©eletjiten mieber in «gmuSletjrerftellungen ;
©treit mit feinen Verlegern tiefe it)n nid)t jur föutje fommen; enblid) 1816 be=
lam er burcl) ba§ 9Jtitteib beS ©rofjtjerjogS tion Söeimar , ben §r. Jacobs für
s4>. inteteffirt tjatte, eine Heine 3lnfteltung al§ Sector be§ @nglifd)en an ber Jenaer
Unitierfität mit 100 Itjtrn. 93efotbung; er gab ^ßritiatunterrictjt unb fcr)rieb altertet
Strtifet, namentlich für bie ^enaifdje Sttteratur^eitung, tierfam aber immer meljr in
ü£runffud)t unb llnfauberfeit unb ftarb am 16. 9Jcärj 1819. 33or feinem lobe mar
er tion ber tatljotifcrjen $irct)e, bei er fid) in "^oten jugemenbet tjatte, mieber jum ^ro«
teftanti§mu§ übergetreten; in feinem Seftamente toermadjte er „feine ©crjulben
bem ©rofeljeräog Äarl 9luguft, feinen 2eict)nam bem anatomifeljen üLtjeater, feine
33üd)er ber afabemifdjen 33tbliott)ef". 33on ben jatjlreictjen ©djriften biefe§ reierj»
begabten, aber toötlig r)alt= unb auctjttofen 3lbenteurer3 finb aufjer ben fd)on et»
mahnten ju nennen: „Vernünftiger 33erfuct) über bie ©runbmarjrtjeiten be§
latfjolifdjen ®(auben§" 1782 („greuettjaft" nennt Nicolai biefe ©ctjrift); ,,©amm«
lung merfmürbiger unb midjtiger Briefe tion angef ebenen unb berühmten Männern
.... an it)n gefdjrieben." 1798; „Triga observationum numismatiearum."
1780; „De arte historica ad Stanislaum Comitem de Soltyk libellus." 1782.
33on 1794 an gab er metjrere 3ar)re rjinburd) bie „allgemeine gelehrte Leitung
Steutfdjtanbä für bie öfterreietnfetjen ©taaten" in JHagenfurt t)crau§.
33. 9töfe unb ft. 31. (Stfftein in @rfd) unb ©ruber'ä gnetictopäbie lirr
33b. 16, ©. 132—39. — Gr)r. @. ©d)ü|'8 Seben, 93b. 1 ©. 315 ff. —
gr. $acob§, s$erfonalien, ©. 172 ff. — 9tud) ©eume berietet im ,,©tiajier=
gang nacl) ©t)rafu§" über *ß., ben er in Srieft traf.
91. ^odje.
^en^lin: 33arbara ^utiana $. (^enjel), 2)ict)terin be§ &irten= unb
23lumen=£)rben§ an ber ^egnife. ©ie ift eine Sodjter be§ £$ot)ann Gt)riftopt)
9Jtüttner, 9tatt)fdjveibetä ju Nürnberg, mofelbft fie um 1640 geboren mürbe,
©ctjon tion Ttüfjefter $ugenb für ^oefie fetjr emtifänglicl) , mürbe fie nacl) iljren
Briefen an ©iegmunb ti. 93trlen (f. ?(. ©. 33. II , 660) burd) bie ©ebic&^te tion
£)piü, metelje i^r befonber» gefielen, ermuntert, it)re ©ebanlen in 93erfe 3u bringen.
3lm 17. $uli 1667 l)eiratl)ete fie ben S)iafonu§ unb fpäteren tjoljentolje'fcljen
ßonfiftoriatratl) (Sonrab ^enjet ju s^febetbacl) ; bie itjt tion ^>egnt^fcl)äfern ge=
mibmeten ^octj^eitSgebic^te laffen tiermuttjen, bafe fie bereite bamal§ mit bem er=
mahnten Sictjterorben in nätjerer 33ejieljung geftanben. S)ie mir!lict)e 9lufnal)me
in benfelben erfolgte im näctjften ^aljre (1668) unter 93irfen'§ 33orftanbfct)aft,
ber fiel) tior feiner förljebung in ben Stbelftanb 93etuliu§ nannte unb im Otben
ben Flamen „gloriban" führte. Waü) ben ©afeungen biefer ©enoffenfcljaft,
meiere ©eorg ^l)ilititi §ar§börffer unb Sodann Älaj (©trepb^on unb 6taju§)
1644 in Nürnberg grünbeten (f. 31. 25. 33. X, 644 u. ff., bann XVI, 50 u. ff.),
$e|mfd&. 365
erhielt jebeä 2Rttßlteb eine 23(ume nebft ©djäfemamen — beibeä auf ein Seiben=
banb geflicft, — unb mäfjlte eine „SBeifdjrift" (Sinnfprudj) mit „Erläuterung",
tooburd) bie embtematifdje ^oefie im Drben reidje görberung erfufjr. — Unjere
2>idjterin entfdjieb ftd) für ba§ Sorbeerf raut , ben Flamen „Stopfme" unb bie
S3eifcr)rift : „@mig gefrönt p merben", ber jte folgenbe „Erläuterung" beifügte:
©etjt (Suren Sorbeer auf, if)r Sieget biefer ßrben!
%i)x tragt bteft filetnob boct) nur eine furje Qtit,
3rcf) fieg' in 3@fu firaft; bie firon' ber (ftoigfeit
SBirb nad) bem ©laubensfampf mein fctjönfter <2iege.5=.ßran3. —
2Bie fctjon au§ biefer Erläuterung erfidjtlidj, roaren itjre 2)id}tungen meift reli=
giöfen ^ntjaltei* , geiftüdje ßieber unb 5le^nlt(f;e§- SineS berfelben finbet ftct)
in 0. Sirfen'3 „2;obes=©ebanfen unb £obten = 2lnbenfen" (Ocürnb. 1670, 12°),
ein anbereg in beffen „G-uelfis ober 9tieberfädjfifd)er Sorbeertjain" (ftürnb. 1669,
12°) (9fc. V. be§ Efjren=3uruff ber ©djätetgefellfd&ait). ferner tjat fie bie 76.
Slnbacrjt au§ ben „SJcüfler'fdjen Srquidftunben" in Skrfe gebracht, unb in bem
äu 21ttorf unter bem Site! „Dceuertoedte >!pimmel=fcr)attenbe ßieberfreub" (12°) er=
fd)ienenen ©efangbudje finbet fidj ein beliebtet Sieb au§ itjrer geber. 9Reiften=
tfjeilg maren itjrc ©ebtdt^te einzeln unb fjanbfctjriftticr) im SSeft^e bon greunben
unb Drbengmitgliebern, mürben auf biefe äöeife jerftreut unb gingen allmätjtid}
bertoren. „Site ^en^lin" ftarb fd)on im 7. $a|re i^ver Stje (1674), r)odjge=
fctjätjt unb getoürbigt bon ben ©enoffen be£ 23lumen=£)rben§. ^rofeffor ^auttini
(mit bem Drbensnamen Uraniu§) bemerft bon il)r in feinem Söerfe „£)odj= unb
mof)tgeIet)rte beutfdje ^rauenjimmer" (©. 101): ©te mar eine ftattticrje ^iftorica
unb gefrönte Poetin *c. ie. unb 35r. £)mei§ ju Stltorf (Siamon), ein befannter Sitte=
rarfritifer jener 3eit, rütjmt fotoorjl in feiner Dissert. de claris quibusdam in orbe
literat. Norib. (pag. 15 j mie in feiner „Anleitung 3ur beutfdjen 9teim= unb 5Did)t=
Äunft" bie Slnmutf) unb fjorje Äunftfertigfeit irjrer Sieber. Sludtj ber ©efd)icf)t=
fdjreiber beä „löblichen £)irten= unb 231umen=£>rben§ an ber ^egnitj" , $of. £>er-
begen (Stmaranteg) , gebenft in anerfennenber äöeife unferer 2)id)terin, mäfjrenb
Sigmunb b. SSirfen ifjr in einem ©djäfergebicrjte (S)er norifdje SJcetellue) einen
marmen 9cad)ruf mit bem (unerfüllt gebliebenen) SBunfdje einer «Sammlung
itjrer ©ebictjte mibmete. „Sie am Seit meibenben ©djäfer" aber fingen 1675
äu efjrenbem Slnbenfen eine 3itt)er an eine ©äule unb fetjten barunter:
S)apt)ne toer 3)ein 2tntli£ fietjt
©ief)t auf Seinen 3tofen=aBangcn
^ßerlen-SIanj unb l'iljen bangen.
-Reinem aber, 2Balb=Si)rene
Btrb Sein boUer ©lanj & ©d)öne
Surcb ein bloffeä ?lnfc^aun funb;
2er fietjt Saptjne fyalb nur fc^ön
2er fie börenb nie gefeben!
SPauIIini unb Dmei§ a. a. £). — 2lmarante§, fjiftor. Dtad)r. bon be§
löblichen ^>irten= unb 231umen--£)rben§ an ber ^egni^ Anfang u. Fortgang iz.
(5. 348—351. — SBia, Nürnberg. @ri.»Scj. £^l. III, ®. 133.
6 i f e n t) a r t.
^Uf^: Soljann Sljriftopfj %., geb. in 23erlin 1667, f in ßonbon
am 20. $uli 1752. ©o fetjr fid^ bie ©nglänber aud) fträuben mögen, anjuer=
fennen, mag fie anberen Nationen äu berbanfen t)aben, fie muffen jugefteljen, ba^
fie ba§, ma§ bei itjnen nadj getoiffen 9tid)tungen , inebefonbere aber auf mufi=
falifd)em ©ebiete ©ro|e§ geleiftet tourbe, eigentlich au§ S)eutfd)lanb erhielten.
366 s4*cpuicl).
©inige wenige Manien abgeredjnet , waren bie meiften bebeuienben Jonfünftier,
weldje in (Sngtanb lebten nnb boxt ju Nutjm unb 2lnferjen gelangten, cingemanberte
üDeutfdje. ©Sie Waren ebenfo bie ßetjrer ber Sütten in ber mufifalifdjen $unft,
at§ diejenigen, weldje bie in itjren $irdjen, Goncertfälen unb Operntjäufern ju=
meift gefjörten SBerfc fdjufen. Ofjne baS fdjmälern ju motten, waS Italiener
unb granjofen itjneu mitgettjeilt , übertrifft, waS Männer beutfdjer Slbfunft in
ßngtanb geteiftet, gefdjaffeu, gegrünbet fjaben, weitaus Dasjenige, waS fie
öon Äünftlern anberer Nationalitäten empfingen, ©efjr biete fjodjbebeuteube
Xonbtdjter baben in Söritannien eine jroeite .^eimatt} , ein jweiteS SSaterlanb
gefunben, finb borttjin gebogen , um eS niemals wieber ju öerlaffen. 2öie
ber große ®. $r. £>änbel , fo wanberte audj ein rjeiöorragenber 3^tgenoffe
öon itjm f. 3- nQü) Sonbon auS. 5p. mar ber ©otjn eines menig bemittelten
^Berliner proteftantifdjen ©eifilidjen. 2fn ber mufifalifdjen £r)eorie öon Martin
JHingenberg, ßantor an ber 5JJcarienfirdje in Berlin, im (£laöier= unb Orgelfpiet
öon einem ©adjfen, NamenS ©roße, unterrichtet, madjte ber ebenfo talentöolle
als emfig öormärtS ftrebenbe Änabe fotdj rafdje ^oxtfdtjritte in feiner ihinft, baß
er balb Sluifeben erregte. Äaum 14 Satjre alt, eitjielt er bereits bie grlaubniß,
in einem £)ofconcerte eine (Sängerin auf ber -Ijoarfe begleiten 3U bürfen. SD er
babei gegenwärtige (große) Äiuffirfi, Sriebridj äöittjelm, roarb öon feiner
£eiftung fo überrafdjt, baß er itjn fofort jutn Setjrer beS ^urprinjen, nadj=
maligen JJurjürften fjriebric^ III., ernannte unb itm balb barauf audj in feine
-pofcapelle aufnahm. SDtefe günftigen Srfolge eiferten ben jungen 5Dcufifer $u
immer unermüblidjerem ©heben an. @r betrieb jugleidj mit großer SluSbauer
baS ©tubium ber alten ©pradjen, namentlich, ber griedjifdjen unb gelangte, öer*
möge feiner Neigung <jur ©peculation in ber mufifaliferjen £fjeorie, balb ju über*
rafdjenben Nefultaten. l'lnfdjeinenb auf bem beften SBege fein ©lud in S3erlin
ju begrünben, legte er plötdidj alle ©teilen nieber unb fiebette um 1700 nadj
Sonbon über. 5Dcan fagt, bafj bie plöfelidje Sßerrjaftung unb -Ipinridjtutig eineS
ifjm natjebcjreunbeten OificierS, ber fidj burdj unbefonnene Neben gegen feinen
Surften öevgangen fjatte, ifjm foldjen ©djred öor ber bamalS in 5preußen ge=
tjanbrjabten ftuflij eingeflößt fjabe, baß eS itjm bafelbft unrjeimtidj geworben fei.
SBatjrfdjeinlicrjer als biefeS ©efdjidjtdjen, baS ja immerhin auf einem trjatfädj=
tidjen (£reigniß beruhen mag, erfdjeint jebodj eine anbere 5Dttttheilung , wonach,
5p. burdj einige im legten 3atjr<jefjnt oeö 17- ^atjrfjunbertS in 33erlin weiteube
Italiener jur lleberfiebelung nadj (Snglanb öerantaßt würbe. SDie ©öljne beS
©ioüanni 5)Jcaria 35uononcini (eigentlidj ißononcini), ßapettmeifterS an ber j?irdje
&an ©ioüanni in Volonte in 5)Jlobcna (1640—78): ©ioöanni 23attifta (geb.
1672, f um 1754 in Sßenebig?), öon 1702—11 fatferl. ßammercomponift unb
©oloceüift SeopolbS I., unb Slntonio (geb. 1675, f 1726 in 9tom) bilbeten um
1696 mit bem 2)ominifaner=5pater Slttilio 5hiofti aus Bologna, furfürfitidjem
(Sapettmeifter, ben sDhttelpunft ber mufifalifdjen Greife ber preußifdjen Nefiben^.
Sornefjmlid) ließ fidj bie Ämfilrfttn ©optjie bie Pflege ber 3:onfunft unb iljre
Uebung angelegen fein, ünb fie öeranlaßte beim aucrj bie ^Berufung 2lttilio'S unb
bie 2lnftetlung bei nadj ber Sluffürjrung feiner Oper „Gamilla" (1692) in 3Bien
rafdj berütjmt geworbenen ©ianbattifta als ^ofcomponift. Sie beiben 33uonon=
cini, öon benen Antonio ber begabtere unb tüdjtigere War , ©ianbattifta aber,
ber fid) bei jeber ©elegcnljeit ungefdjeut mit be§ SBruberS gebern fdjmüdte, ba§
latent befaß, fidj aUerWärtS ^ur ©eltung zubringen, fetjrten 1703 nadj Berlin
^urüd unb blieben bort fo lange, bis ber 2ob ber Äurfürftin aller mufifalifdjen
^errlidjfeit ein jätjeS @nbe bereitete. S3ei ifjrer gegenwärtigen 5lnwefentjeit feierte
©ianbattifta mit feiner öon ben tjödjfteu ^errfdjaften gefungenen unb bargeftett=
ten unb öon ben auSerlefenften ^nftrumentalfräften aecompagnirten Oper „5po=
$epujcf). 367
{nemo" bie größten Sriumptje. @s mar im %. 1696, at§ jtdj ber mufifatifcfje
äöunberfnabe @. $. £änbet mit feinem Sater einige §ät in SBerlin auffielt
unb ba ben Unterricht ber rjocfjangefetjenen Italiener genofj, ber $ünft(er atfo,
bie er, als fie if)tn jpäter in Sonbon gegenübergeftetlt mürben, in einer itjnen
gemeinfcrjaitlicb, gefteltten umgäbe fo glänjenb befiegte. Öianbattifta erhielt
nämlicb, ben Auftrag, ben erften, SIctitio ben ^roeiten unb £)änbet ben britten
2lct ber Oper „^Jcujio ScäPota" (1721) ju componiren. Ueberrjaupt fcfjmanb
ber Ütutjm ber Italiener, nadjbem -ipänbet in Sngtanb erfdjienen mar „wie ber
(Btanj ber 2Jcorgenrött)e cor ber aufget)enben Sonne" ((Seiftet), ißuononcini,
ber nacf) ©erber Bereit! 1700 in Sonbon gewefen unb feine Dper „Jomnris"
aufgeführt tjaben fott, gelangte bort ju 9tut)m unb 2lnfef]en erft, nacfjbem feine
„Gamilla" (bie burcfj Pier 3at)re mit größtem SBeifaUe im S)ruit)(ane=2t)eater
gegeben mürbe) in Scene gegangen mar. SBas bie 5cacf)rictjt bejügticb, ber Dper
„Xornnris" anlangt, fdjeint bie Iftittfjeilung GSerber's eine burcrjaus irrige p
fein. Slies Söerf mar ein ^afticcio aus Zonjätjen Pon Scarlatti, ^uononcini
unb anberen b?rüt)mten italienifcfjen iiceiftern, roie bergleicfjen bamals allgemein
"Dlobe mar, für ba§ f. Sfjeater flüchtig jufammengeftellt. 3ur ^nfcenirung
biefes ©emengfeli t)at man ganj gewiß 33uononcini nidjt nacf) Sonbon berufen.
33ie bem aber audj fein mag, er mar gemiB fcfjon im Stanbe, ben öon 28iß=
begierbe unb bem £range, fein ©tücf ju machen, erfüllten $. mit geroicfjtigen
Gmpfeljlungen bortrjin ju oerfefjen. Srmiefener üJiaßen fam 33uononcini unb balb
barauf aucfj Sttilio erft im $. 1716 nacf) Sonbon, erfterer, einem efjrenüollen
Ütufe an bas neugegrünbete DtonaUStjeater folgenb. 5ß. erhielt fofort nactj feiner
Slnfunft eine Slnftellung als ßomponift unb ^nftrumentafift im Srurntane»
Xfjeater. 6s- mar 3u biefer 3«* ©Ute, ältere Opern ober foldje, meiere fdjon lange
auf bem Repertoire ftanben, burdj neue Sonftücfe aufjufriferjen unb ifmen aui
biefe 2lrt immer eine gemiffe 3ugftaft p beroafjren. Sine ber elften Slrbeiten,
bit $. übertragen mürben, mar eine 2lrie für bie Oper „Somrjris" (How bless
is Soldier), melcfje, als er feine Stellung antrat, gerabe unjärjlige 2Jcale mieber=
rjoft mürbe, gtozi tjier in ber golge aufgerührte £pern feiner (lompofition:
„Venus and Adonis" (1715) unb „Myrtü", Scrjäfeifpiet (1716), Ratten nur
mäßigen Grfotg. Dbgleicf) buref) feinen Ifjeaterbienft oielfacf) beanfprucfjt, Per=
fäumte er boef) nicfjt, feine Stubien über bie 2Jcufif ber Sitten fortaufetjen. 9cun
mit ber griecrjiic&en Spraye ööllig öertraut, mar es it)m möglieb,, an ber ^anb
griecf)ifcf)er Tutoren tiefer in bas SBefen griecf)ifcfjer 2onfunft einzubringen, als
anbere ^Jtuufgelefjrte ; ja er oermocfjte bie Unterfucfjungeit unb gorferjungen bes
berühmten fjranciscus be Salinaä aus SBurgos (1512 — 90), 2lbts öon St.
^ancratius be Otocca Scalegna im Dceapotitanifcfjen unb -^rofeffors ber -llcuft!
an ber Uniöerfität Salamanca, ^ufammengeraBt in beffen grunDlegenbem 2Berfe :
..De musica libri Septem" u. (Salamanca 1577 unb 1592) fortjufe^en unb
ju ergangen. Seiber paffirt es S)enen, roelcfie ftcfj einfeitig unb mit aller Äraft
auf bas Stubium eine§ engbegren^ten öebietes roerren, gar oft, bafj fie ftatt ^u
erireutieben Dtefultaten, ju unerquicflicb.en unb fc^ieien Meinungen unb 2lnfcb,au=
ungen gelangen. So erging e§ aueb, %., ber fief) jroar ben 9tuf bei größten
Xtjeoretifers feiner 3eit erwarb, aber buref) fein leibenfc^aftlicb.es Srübeln fo
fet)r in fpiBfinbige Specutationen fiefj oerirrte, baß er enDlicrj ju ber miber=
finnigen unb Perfeljrten Seb.auptung fid) oerftieg, bie ionfunft fei, ftatt baß fie
fiefj im Same ber ^a£)rb,unberte Derüollfommnet b,abe, entartet, unb bas, was fie
in ber Xtjeorie unb i^raris erreicht, ftünbe in feinem SJerrjättniB ju bem, totö
fie öertoren unb eingebüßt tjabe. Siefe feine gewonnene Ueberjeugung tjinberte
iljn nun atlerbings nid^t, ganj in ber SBeife ber 2agescomponiften auet) ^u
fcfjreiben.
368 ^epufd).
2)ie bramatifdje ÜJlufif befanb fidj, al§ *p. nadj ßonbon fam, in ben bütf=
tigften Umftänben. ©ie war ber (Segenftanb ftetct Spöttereien unb fatrjrifdjer
Angriffe in ben öon 9iidjarb ©teele unb $°febf) 2Ibbifon IjerauSgegebenen feljr
einflußreichen 3citf(^ttften „Spectator" (1711) unb „Guardian" (1713). SDie*
jenigen ©ngtänber, weldjc (Megentjeit gehabt Ratten, italienische Opern ju feljen
unb italienifdjen ©cfang fennen ju lernen, waren fo bezaubert baöon, bafj it)nen
bie Sonfätje rjeimifdjer Gomponiften nidjt metjr jufagten, fie biefe alfo ^Wangen,
iljren SBerfen, wollten fie bamit einem fidj täglidj metjr öerbreitenben ©efdjmad
entgegenkommen, äljnlidje $orm 3U geben. s$. War ber erfte, ber ben Söerfudj
wagte, bie nodj neue, bodj immer metjr Stntjänger gewinnenbe (Sattung be§ 9te=
citatiöS auf bie s.)tationalbuljne ju öerpflanjen. $u biefem Qxoede componirte
er fedj§ öon ^otjn .gmgtjeä in mälfdjer Lanier gebidjtete ©antaten im ©tile
2lleffanbro ©carlatti'ä. 2)iefetben fanben foldjen 53eifall, bafj er ifjnen atebalb
fedj§ weitere auf Xejte öerfdjiebener 3)idjter folgen liefe. 3)on biefen jWöt} üton=
fäijen tjat fidj befonber§ einer, bie <$weite (Santate ber erften ©ammlung, „Alexis"
betitelt (See! from the silent Grove), lange at§ ein 8iebling§ftüd ber ©efang§=
freunbe erfjatten. ©ein 9tuf l)atte fidj nun beveit§ fo öerbreitet unb befeftigt,
bafj er im %. 1710 mit ^enrrj 9teebler, einem gebitbeten Dilettanten, ^oljn
(Srneft ©aittarb, einem angefetjenen IJJtufiter unb 33ernarb ©ate§, Setjrer ber
f. Gapcüfnaben (bemfetben, ber 1731 mit feinen ©djülern ."pänbelS Oratorium
„(SJfttjer" auf ber 33ütjne aufführte unb fo bie 2)erantaffung gab, bafj biefer
grofje 9Jteifter fidj bem Oratorium juwanbte), ben tylan jur ©rüubung ber
tjeute nodj in itjrer urfprüngtidjen ^orm befteejenben „Academy of ancien Music"
entwerfen fonnte unb im $. 1713 jjugleidj mit bem Organiften ber f. £)ofcapctte
ju ©t. SanteS, 2Bittiam Groft, einem ber bebeutenbften aeitgenöffifdjen engtijdjen
Gomponiften, öon ber llniöerfität £)$forb ^um Doctor ber 9)tufif ernannt würbe.
SDurdj bie ©rünbung ber „Academy", eine§ in feiner 2lrt einzigen ^nftitutö,
mit bem 1735 audj eine 93tuftffdjule öerbunben Würbe, Ijat fidj s£. ein bleiben*
be§ 5)enfmot in (üünglanb gefeijt. @r Ijat fidj tjier nidjt nur alä ein öeretjrung§=
würbiger, benfenber, öorurttjeüefreter ^Jcann, fonbern audj at§ ein uneigennütziger,
für feine Äunft opferfäljiger «JJtufifer bewährt, ba er bie «gjeranbilbung nötljiger
©efang§fräfte für bie (Jtjorauifüljrungen ber Slfabemie faft unentgeltlich übernahm.
2)iefetbe fudjte fidj baburdj itjrem ©tifter banfbar 5U erWeifen, bafj fie einzelne
feiner ßompofitionen, barunter ein feljr fdjöneS 531agnificat unb einige ^jalmen
ftet§ auf itjrem 9lepertoire tjat.
Um ba§ 3farjr 1715 baute fidj ber originelle ^ame§, £>erjog öon ßb^anboä
(unter ber Königin ?tnna 3a^meifter ber Slrmee), biefer öon feinen gdtgenoffen
beWunberte ©onberting, öon ben unermefelidjeu ©infünften, bie itjm feine ©teile
öon fonft geringer Sßebeutung abgeworfen , neun englifdje teilen öon ßonbon
entfernt, hei (Jbgware in ^Jiibblefej, eine pradjtöotle Söitta, bie er „ßannonä"
nannte, um tjier in ber 9tälje eine§ mädjtigen ^ofei, umgeben öon einem öoll=
ftänbigen £)offtaat unb befdjü^t öon 100 ©djweijergarben, wie ein fouüeräner
fyütft 3U leben. 2ßie in aüen anberen fingen, atjmte er audj baburdj ben
föniglidjen ^>of nadj , bafj er ber 93täcen aller tjeröorragenben Scanner würbe,
fo bafj man iljn ben ^rinjen britifdjer Patrioten unb ©idjter nannte unb bafc
er fiel) neben 2lnberem auet) eine bor^üglictje Sapelle engagirte, woburdj es itjm
möglidj Würbe, ben ©otte§bienft in feiner £>au§iirdje mit eben ber 3Bürbe unb
bem $omp einjuridjten, wie er in ©t. 3faute§ gefeiert würbe, lim 1720 tjatte
er alle erften $ünftler 6nglanb§ um fid) öcrfammelt. 2öa§ biefelben auf feine
Anregung fdjufen, cjat bielfadj irjre fonftigen SBerfe überbauert. ©ein erfter
Gapellmeifter war 5p. unb blieb e§, h\% itjm ber öom ^erjog im ^. 1717 enga=
gtrte ^)änbel, ber itjn balb in ben ^)intergrunb brängte, an bie ©eite gefetjt
3ßepufd). 369
würbe. S)oci) waren bie borgen* unb Slbenbmufifen, bie regelmäßig in ßannonS
aufgefüb/tt mürben, audj bann nod) arbeiten bon iljm, als er bereits beS «£er=
jogS S)ienfte berlaffen unb fid) einer bon 2). Serfetet) jur Ausbreitung beS
€t)rtftentf)umS auf ben bermubifcben unfein gegtünbeten ©efellfdjaft als 3JtitftI*
leerer angefcbloffen r)atte. 2tber baS ©djiff , auf bem bie Ueberratjrt gemalt
werben f ollte , warb fcfiabljaft unb baburdj würben bie üteifenben aur Umfeb,r
geäWungen unb ty. bor ber StuSrübrung eines täcberIidHbörid)ten Streikes, Wo=
3U it)n fein Q3erbruß über bie Vorgänge in GannonS gebrängt t)attc , bewahrt.
Sfin 3. 1722 beiratrjete %., bamalS 55 Sarjre alt, bie ©ignora DJlargartta be
l'Gspine, eine Sängerin, bie fid) wäljrenb ibrer £l)eaterlaufbal)n IOOOO ^umb
erfpart l)atte. @r fauUe fid) nun ein ,§auS in 23oSwellcourt, in 6aret)ftreet
unb bejog eS mit ibr unb feiner ©cbwiegermutter. @S War lange baburd) fennt=
lidj, baß ein am genfter tjängenber ^apagei unauSgefefet bie 3Irie au§ .gmnbel'S
,,^utiu§ Gäfar" : Non e si vago e bello, fang. s}>. konnte je£t auf großem
§uße leben, bod) unterbrad) er feine ©tubien nidjt. ©eine Ginnatjme bermerjrte
fid), als er 1737, auf (SmpTcfjlung feiner ©djülerin, ber ^er^ogin bon SeebS,
bie burcb ben £ob Stomas Sobe'S erlebigte Crganiftenftelle am ßtjartertjoufe
erhielt. Um 1746 ernannte ifjn bie f. Slfabemie, nacfibem in einer iljrer 2)er=
fammlungen fein 33rief an feinen greunb, ben bortrefflidjen ^cattjematifer 3Jcr.
2lbrat)am be ^Iciürc: .,0f the various genera and species of Music among the
ancients. with some observations concerning their scale" borgelefen Worben
war, JU irjrem ÜJlitgtieb. ©eine fr-reunbe unb bie ibm ir)te ©tiftung berbanfenbe
Academv of ancient ]\Iusic ließen it)m, auS Sanfbarfeit, nad) feinem im 85.
Satire erfolgten Ableben in ber Gapelle bon dfiarterrwufe ein ©enfmal erricfi*
ten. Vorausgegangen im £obe waren if)m (1740) fein einiger ©obn unb balb
barauf aud) feine grau.
Sßon feinen ©djriiten erfd)ien infolge einer SnbiScretion feines ©djülerS,
bei Sorb ^aiStet), nacfimatS Öraf Slbercorn, 1730 eine 2lbt)anblung über bie
Harmonie: „A short Treatise on Harmony, containing the chief rules for com-
posing in two. three and four parts, dedicated to all lovers of Music. By an
admirer of this noble and agreable science." 2)iefe obne fein äBiffen pubticirte
©cfirift war in einem miliaren, fd)ted)ten ©til abgefaßt unb ty. fprad) bon iljrer
!ßublication nur wie bon einer ©acbe, bie feinem gtubm unb Sortbeil gleiten
Slbbrud) getban babe. (Sr beranftaltete baber 1731 eine neue Ausgabe, bie, Wenn
aud) nur wenig beffer gcfdjrieben, ficb bod) burd) mefentlicbe Slenberungen unb
Ergänzungen, namentlich in bem mit großer 2)euttid)feit abgefaßten Gapitel bon
ben Tonleitern auszeichnet. $., ein eifriger ©ammler, batte in feinem langen
Seben eine große 3abl 33ücber unb -gmnbfc&riften zufammengebradit. 3)iefelben
ftettte er um 1730, nadjbem er fie georbnet, in einem |>aufe in gettertane auf.
Sex ßrbe biefer großartigen litterarifcrjen ©d)äfee foüte fein ©obn fein. 2>a
biefer aber ba§ 13. 3fa^r niefit überlebte, bermacfjte er fie feinen greunben
XrabevS, Drganift bei ©t. ^ßaul, unb .«einer, 9Jtufifer am Srurtitane^b.eater.
©eine «JJlanufcripte gelangten nad) feinem Sobe in ben S5efi^ ber Academy of
ancient Music.
sl>. war unftreitig ein febr gelehrter unb bodjgebitbeter ^ölann unb feb,r
tüdjtiger ^ufüer. 2öte alle (Eomponiften , bei benen bie Neigung aur ©pecu=
lation fid) borwiegenb geltenb madjt, ift aud) er mebr reftectitenb, fünftlid) unb
troden, als anmutljenb unb anregenb. (Sr §at baber aud) feljr berfd)icbene S3e=
urtbeilung erfabren, tt)eitS bewunbevnbe, tbcilS berlc^enbe. ©eine llnterfud)ungen
führten itjn niebt ftetS auf ridjtige 2Bege. ©0 bebeutenb er als Sebrer feiner
.«unft war, gab er aud) bier bem Sabmen eine fdjwanfenbe Ärücfe, ob,ne ib,m
SUigem. beutfiie Stograjj^ie. XXV. 24
370 $cpuf$.
öom &infen au Reifen. @r würbe atö ßompontft au nodj größerem Slnfefjen
gelangt fein, wäre nictjt $ftnbel, ber 2ltte§ neben fid) öerbunfette, in ßonbon ei=
fdjienen. ÜJJit ifjm Dermodjte fiel) ^., Wenn audj fein ©atj rein unb feine 6r=
finbung unb fein ©tfcrjid nidjt unbebeutenb waren, freilief) nidjt ju meffen. 6t
tietjid^tete fortan auet) auf Sompofitionsarbeiten unb befdjäftigte fid) nur nod)
bamit, bie Stemente ber Ecufif unb bie ©runbfätje ber Harmonie ju lefjren.
Werfwürbiger SBeife fefcte er fidj'8 in ben föopj, ein öeraltetcs unb glüdlidj ab=
getfjaneö ©tjftem , nämtid) baö bes ©uibo bon 2lrejjo , neu beleben p Wollen.
Sie 2Jtett)obe ber auf eine 9ieir)e tion fedjö ütönen gegrünbeten ©olmifation mar
nadj fjarten kämpfen enblidj öottftänbig übermunben, unb fo fetjr fid) *p. fträubte,
eine fiebenfiufige Tonleiter anauerfennen , bie öorwärts brängenbe S^ fdjritt
über feine ©djrutlen rürffidjtstoö IjinWeg. 2ludj feine ütonfatjübungen toaren
eigener 2lrt 6r war ein grofjer S3erer)rer bes audj als ütonfetjer berühmten
©eigerö Slrcangelo Soretti in 9tom unb fo eingenommen bon beffen ©onaten=
werfen, bafj er feinen ©cfjüiern für if)re contrapunftifdjen Uebungen faft nur
Söäffe aus benfelben aur Bearbeitung gab. 25er englifdje 9Jtufiffjiftorifer 3or)n
jpaWfing«, ber fdjliejjlidj in ben JBefijj ber ^.'fdjen SBibliotfjef gefommen unb
baburd) in ben Staub gefet$t war, feine grofje fünfbänbige s)31ufifgefcr)id)te (8on=
bon 1776) au f ^reiben, finbet bie (Sompofitionen SPejmfdj'ä troefen unb or)ne
s}Jcannigfaltigfeit. 2)em prjilofoptjifdjen ©eifte gefeilt fict) nidjt immer bie bent
ßünftler notrjwenbige lebhafte ^fjantafie. SDodj offenbaren bie fedjs erften in
©cartatti'ß Planier gearbeiteten Gantaten Diele 2lbwed)slung , unb madjt ftd)
aud) bei ifmen eine gewiffe Spröbigfeit in ber s)Jtetobie unb ©teiftjeit in ben
ßabenjen bemevflid), fo finb fie boer) leidjt, gefällig, ungefudjt, in Imtfidjt
auf 2)eclamation unb 9Jcobulation tabelloö; ja man fann fagen, bafj $. in
ben bret legten Gantaten fein SSorbilb nod) übertroffen fjat. Gtjtrjfanbet in
feiner |)änbelbiograpf)ie fällt nod) ein tjärtereä Urtfjeil über ben geletjrten *ßeban=
ten, beffen 9Jtufif nidtjt nadj ben (Sefetjen , fonbern nactj ben Regeln ber £on*
geftaltungen gemalt unb bei aller S)ürre fjin unb wieber mit unaiemlid)
munteren ßappen bedangen war, Wie man fotdje ^wiefpältigfeit überhaupt bei
unfruchtbaren Gomponiften fjäufig finbet. -jpänbel, ber ben Wufifbeftrebungen
unb ber 9lu§brucfßfät)igfeit feiner Äunft plöfclicrj neue ©eftalt unb Ütidjtung gab,
Würbe bon ty., obgleict) biefer ftetS feinen großen ütibalen nad) feinem Pollen
SSertrje au Würbtgen wu^te, öffentlich fcr)r füfjt beurtfjeilt.
kufyx ben beiben in ßonbon gebrueften 6antatent)eften erfdjienen ebenba
noer) einige ßieber unb in Slmfterbam fieben SonatenWerfe, Dp. 1—7 (70 (So*
naten für 3löte unb S3a^, SSioline unb 33afj, ftlött , Biotine unb 33afj ent»
Ijaltenb) unb 6 (Soncerte für 2 flöten ä bec mit Drdjefterbegteitung. 6« ift nun
fetjr intereffant, ba^ gerabe biefer ernfte ^Jtufifer an einem leichtfertigen Söerfe fid)
beseitigen foüte, bas eine über anbertljalb ^a^tjunberte r)inau«get)enbe Sebenö=
fäf)igleit bewäljrte unb feinen tarnen länger bem ©ebädjtniB crfjielt, als att'
feine wiffenfdiaftlicb.en Unterfudmngen unb fonftigen ßompofitioncn. Sineö bet
merfwürbigften ^robuete englifdjer S)ramatif, bas ältefte ber tjeute noer) gegebenen
ßonboner ©ingfpiele, gleid)erWeife eine politifdje ©atrjre, Wie eine ^erfiflage ber
bamaligen itatieniferjen €per , ift bie öon Mn ©at) gebidjtete , bon $. mit
einer luftigen Ouberture unb fonftigen entfpredjenben @efängen öerfeljene „the
lioggars Opera". SDiefe, am 29. Januar 1728 jum erften ^öcale unter S)irection
3ot)n 9tidjs auf bem 2:t)eater bon 2incotns=;3nn=#ett>s gegebene x$axcc gewann
einen aufjerorbentlidjen SBeifaE unb ßrfolg, bie rafdjefte unb Weitefte Verbreitung
in ganj ©nglanb unb ift, wie gefagt, tjeute nodj nidjt tiöHig bon ber Süjjne
berfdjwunben. S)iefe§ ©ingfpiel entfjält, au|er ber Ouberture, 69 ©efänge, faft
fämmtlid) bem reichen (&dja|e englifdjMdjottifdjen Söolfsgefange« unb ben popu«
Sßepufä. 371
täten Sänken, 9Mrfd)en unb ©efeltfdjaftiliebevu ber bamatigen 3ei* entnommen
ober nad)gebilbet. liefen Dolfätfjümlidjen 9)lufifftüden, biefem 2lu§ftuffe eine»
in nacftefter unb übermütfjigfter ©eftatt fid) äufeernben, ben (Sdjroutft, Sombaft
unb Flitter ber italienifcrjen Oper fo gtüdtid) öerfpottenben -gmmorS, öerbanft
bie§ <BtM rjauptfädjtidj bie auf}erorbenttid)e unb bauernbe Sßitfung, bie e§ er»
hielte. Sie 5Dicf)ter @ngtanb§ fatjen fid) um biefe Qe\t üon ben ©rofjen unb bem
englifdjen publicum äufeerft rüdftdjt<jto§ unb geringfdjätjig betjanbelt. S8ebür|=
nifi unb Neigung, itjnen 33eadjtung unb ©aftfreunbfdiaft ju fdjcnfen , roaren
ganj entfdjtounben. 2>ie üpoeten fanben fid) üöttig an bie £uft gefegt unb ge=
rabe bie beften unter itmen empfanben e§ am fränfenbften , bafj man nur nod)
an ©djaufteltungen, Safetfreuben, tärmenben heften, tujuriöfen Äunftliebtjabereien
unb üerfdjtoenbexifdjen Sauten Vergnügen fanb. 2tber bie tjerbotragenbcn
©elfter fudjten unb roujjten fid) ju rädjen. Sjonatfjan <Stoiit fdjrieb 1726:
„Steifen ©utliber§ au öexf^iebenen ftemben SBölfern", (Bat} furj barauf bie
„33ettler=Dper", SItejanber 3ßope im gleichen Saljre bie brei elften Südjer feiner
„Sunciabe". ©at) Ijatte fütjn in ba§ ifm umgebenbe Seben gegriffen unb ge*
fcfjicft Oper, fiaict unb Satiabengefang 3U amatgamiren geraupt. 6§ mar ba=
matä ein getoiffer $on. 2BUb (üötytbe), ein gefürd)teter 2>ieb§fänger, Unterauf=
fetjer im 9tett)gategefängnif3. üDiefer 2Bäd)ter ber ©eredjtigfeit ftanb aber pgteidj
an ber ©pitje einer mit erfiaunlicrjem ©efdjid organifirten Diäuberbanbe. (b mar
in feine £)anb gegeben, toetdje üon ben eingefangenen ©püjbuben Dom ©atgen log,
toetdje baran tommen fottten, unb babei getoann er bei jeber <g)intid)tung nod)
40 5ßfunb baar. Sinft liefe er feinen beften 2ttann, einen getoiffen State
(53tue£fin), einen füljnen, trotzigen ©efellen aufgreifen, unb al§ biefer in ber
legten ©erid)t§fitmng ernannte, bafj iljn fein bisheriger S)iebsgenoffe nidjt retten
toottte, fprang er in rjödjfter Söutt) auf itm fo§ unb üerfetjte itjm mit feinem
gebermeffer eine gefäfyrtidje -JpatStounbe. ^e^t erft erfannten bie Stifter, mit
meld) leibhaftigem teufet fte bisher ju tfjun gehabt unb beeilten fid), ben nod)
lebenben, 24. 9ftai 1725, rafd) rjängen ju taffen. S)ie§ (Sreignifj bot bie ©runb=
läge für bie „Sett(er=£)per\ ©at) roufjie, anfcrjeinenb in ber 2Ibfid)t bie italienifdje
Oper p üerr)ör)nen, bie einflufjreidjften, an ber bamaligen englifctjen Scrjanbroirtf)*
fdjaft fdjulbigen ^Rinifter in ber fdjonungsTofeften SBeife in feinem (Stücfe blofr»
jufteßen unb itjr ©ebab^ren unb ir)re ^mt^füfjtung unheilbar ju geijjetn. Söitb Reifet
bei i^m $ead)um (^Robert SBatpote), fein SSruber, ber ©cfjliefjer oon 9lerogate,
Socfit (£6,arteä Sotonj^enb, ber ©atte Oon Sorotb^ SQöatpoIe, Roberts SdjroefterJ.
33eibe nafje Oerroanbte ^Jlinifter, äöalpote unb £otonft)enb, rjafeten unb öerad)=
teten fid) gegenfeitig grünbtid). ^b,re 5"nbfd)aft butdjbrad) aGe ©djranfen, at§
fte fid) in einer grofjen, Oom Dbetften ©elrotjn getabenen ©efeüfdjaft, jum aüge=
meinen ©canbal ju raufen begannen. 3m Jtoeiten SIct ber „23ettler=£5üei"
ürügetn ftd) 5pead)um unb Socfit ebenfalls. 2)od), ba fie genug Oon einanber
triff en , um fid) an ben ©algen ju bringen, finb fte fo flug, fid) mieber ]\i
DerföC)nen. S)er terebette State Reifet im ©tücfe ßapitän 3Jtact)eat , eine Strt
9lobin §oob, ber tjeimtid) ^ead)um'§ fd)öne 2od)ter, ^ottrj, geb,eiratt)et tjat
unb, atS er in ^etogate gefangen fi^t, 2odit'§ b^übfdje £od)ter, Suct), öerfüt)it.
Slufeer beiben fjat er nod) Oier Sßeiber mit Dielen Äinbetn, bie i^n alte toe§=
Itagenb jum 3ftid)tüta^e begleiten, roo er jebod) begnabigt roirb. ©in %an$ ber
Räuber mit itjren Sirnen unb bes fie begteitenben ^öbet§ bilbet baö ^inole,
bem e§ an unflätigen Sßorten unb gtoeibeutigfeiten felbftOcrftänbtid) nid)t fetjtt.
S)a§ ganje (Stücf, in bem atte§ roa§ 2tbfd)eutid)e§ unter ber |>efe be§ 33olte§
borgest, jur <5d)au geftettt roirb, bie fdjmutjigften Cafter entt)üßt roerben unb
bie 2Roral be§ ®affenb,auer§ in rjanb greif liefet 3)erbb,eit mattet, ifi ein ^mar
24*
372 yep\)n.
mibermärtige§, aber tjödjft djarafteriftifdjeä 23ilb bes Treibens unter bem ßonboner
^öbe( b. t). unter bem 2Iu§murf ber menfdjlidjen ©efcttfdjaft. 2)ie |)etbin ber Dper,
bie fd)öne ^ottl), nmrbc bon 9)tij$ genton, eigentlid) 33e§toidC, borjüglid) gespielt,
©ie roarb baburd) bie Jpetbin be§ £age§, mürbe mit ßobgebidjten, -gmlbigungen unb
iöeioerbungen überhäuft unb it)r ©efang fetbft bem ber ßu^oni unb gauftina, ja
bem be§ ©enefino borge^ogen; ü)r ^orhät mürbe gefiodjen. ©te ließ [ictj fdjon
im folgenben 3at)te bom ^erjog Molton (biefem „großen Xölpet") entführen
unb balb barauj tjeiratljcu. Srotj be§ 2lüßfd)ciben§ biefes1 belicbteften 9Jtitgliebe§
ber 9tictyfd)en ©efellfdmft, natmt bie 23ettler = £)per ungeftörten Fortgang. 2)er
pecuniäre (hfolg mar ein gan^ außerorbenttidjer; er mad)te 3tid) gay (fröljiid))
unb ©ab rieh (reidj). Uugeadjtet ber berbften ©emeinbeiten, bie tjier ben 3U=
fdjauern geboten mürben, ianb man bae 2Bcrf außerorbentlidj rei^enb in feiner
9Irt, uid)t megen feinet 9toI)t)cit, fonberu megen ber 3Bat)rt)eit , mit ber e§ ba§
treiben tjodjfteljenber s4>erfoncn bloäftettte, unb fetbft biejenigen, metdje bon
biefer giftigen ©atrjre ^umeift getroffen maren, Ijielten fiuger SBeife mit bor=
brängenbem Slpplauä nid)t aurüd. 2)ie „s-8ettler=Dper" gab baä ©ignal ju
einem allgemeinen 2lu3brud) mufifaltfd) = bramatifd)cr 9iot)t)eit. ^m nädjften
3far)räelmt entftanben über ljunbert äfjnlidje ©ingfarcen, bie aber roeber in ber
SBebeutung nodj im ©rfolg iljr Sorbilb erreidjten. 2)a§ Reifte madjte ©antuet
$ot)nfon au§ Gtjefljire mit feinem ©pectafelftütf „Hurlothrumbo ober ber lieber*
natürlidje", 1729. — ^epufdj'ä moralifdjer Gljarafter mirb a(i bödjft liebend
roütbig gefd)ilbert; befonberS mot)lmoltenb unb menfdjcnfreunblid) erroieS er fid)
gegen beutfetje ßanböleute, bie ftet§ beg beften 9tatf)§ unb $3eiftanbe8 unb tt)äti=
ger -£>itfe feinerfeitä fidjer maren. ©o glän<}enb übrigens fein unb bieler
anberer beutfdjen Äünftler 2oo§ in (Snglanb fid) geftattete, merfmürbiger SBeife
Ijaben bie l)erborragenbften unter iljnen feine 2eibe§erben Ijintertaffen , feine
Äinber, auf bie itjr Vermögen unb itjr Stüfjm übergeben fonute. (B fcr)eint,
baß ba§ oft riefenmäßige fingen um bie ©jiftenj unb bie ©uperiorität unb ba§
fonftige Ziagen nad) ©ctoinn unb 9fteid)tt)um alle förpertidjen Gräfte aufgejefjtt,
ba§ ganje ©innenleben betnid)tct unb bie ^Ballungen beö ^er^en§ bertrodnet t)at.
9Jiit ben Prägern berühmter tarnen erlifd)t faft immer aud) beren ©ef(i)ted)t.
©djletterer.
^C|)1)U: starten ty., ^)iftorienmaler au§ ^tntmerpen, geb. 1574, baä
2obe§jat)r ift unbefannt. ©ein ®eburt§iat)r ergibt fid) au§ ber Unterfdjrift
feine§ s4>ortraitS, baä 31. öan 5Di)d gemalt t)at S)iefe tautet: Me Pictorem
Pictor pinxit I). Ant. van Dyck 1632 Aet. Me. 58. äöer fein Setjrer inberßunft
gemefen, ift unbefannt; man mottte it)n einen ©djüter bon 9luben§ fein laffen,
mag aber fetjt 3meifelt)aft ift. dagegen ift anäunet)men, bafe itjn beffen Äunft
beeinflußte. @r ljielt fid) eine ^tit in 9iom auf , mo er fid) burd) feine Som^
pofitionen unb beren Kolorit einen geachteten tarnen ermarb. |>oubrafen er^äcjlt,
9luben§ märe auf ^ebtyn'S rafci) gereifte^ Talent eiferfüdjtig gemefen , fo baß er
fid) ärgerte, al§ er bernat)m , $. motte s«Rom bertaffen unb nad) SSrabant
äurüdferjren. 3II§ er aber bernafjm, berfelbe t)abe in 9tom eine gniu genommen,
bie it)n bafelbft fefjle, fott er gefagt t)aben: 9t un 5p. ge^eirat^et t)at, t)abe
id) feine 3utd)t, baß mid) t)ier ^emanb übertreffen ober mir über ben Äobf
madjfen foll. S)a§ ©an^e fdjeiitt eine jener erfunbenen Stnecboten ^oubrafen'g
3u fein, bie feine Ijiftorifdje ©runblage t)aben. GürftenS mirb 9tuben§ faum einen
s3tebenbut)ler gefürchtet I)aben unb bann mar 9tuben§ tytpxjn'i greunb, benn al§
biefer bennod) um 1630 nad) 2lntroerben jurüdgefebrt mar, ftanb Sfabetta S3rant,
bie erfte grau be§ 9tuben§, al§ ©ebatterin bei feiner älteren SLodjter -Utarttja,
ma§ bod) nät)ere freunbfd)aftlid)e Scjiefjungen beiber gö^itien befunbet. S5om
^abre 1637 ift fein .ipauptmerf : S)er t). s3torbert betet \)a$ ©acrament an, bann
«Pctanbi. 373
matte er eine f). ©tifabetf) , bie irjre ®üter unter bie 2(rmen betttjeilt. 63 be=
ftnbet lief; in ber Kapelle üon ©roote ©afttjutS ju Antwerpen; in Brüffel eine
t). SInna mit ^Jlatia unb bem Äinbe, a(3 Patronin ber 23aifen. 3fn ber ©aterie
be§ pcr^ogl bon 3(renberg in Brüffel ift ein Bitb feiner §anb, ba§ eine fitjenbe
junge S)amc in Sebenägröfje üorftetit. ®iefc SRalerei wirb fcljr getobt. s£eter
Baittiu tjat nadj ir)m eine ©ufanna im Babe geftodjen ; ba§ Bilb unb beffen
©tanbort ift nidjt nadjiutoeifen. ©ein Bilbnifc fommt aueb, in üan ©ij«f 3
^conogvaprjie, üon Boläwert geflogen, bor. $n ber ©ternberg'fcfjen Äupferfticb,*
fammtung würbe bon %xtn?>ü iljm eine ütabirung jugefcfjrieben : eine faft naefte
#rau im Babejimmer empfängt einen Brief, ben i§r ein Änabe, f)alb bom
Borrjang gebebt, rjinreicrjt. Ob e§ wirflid) eine Criginatarbeit be§ 9Jteifter§ ift,
(äf$t fiefj nidjt mit ©ictjerljeit angeben, fjrenjet, ber SBerfaffcr be§ 9Iuction3=
catalogS, r)at feine Beweife beigebracht.
©. ^mmerjeel. — Äramm. — ^oubrafen. Söeffeln.
"^cranbt: 9Jtarco öiufeppe <p., ein Körner, fam äWifdjen 1651 — 1656
in bie furfürftlicr) fäd)fifcf)e Gabelte, unb jwar burdj ben Bicecapettmeifter
grjrifiopf) Bernljatb, ber if)n au§ Italien mitbrachte. 1663 roirb er in ben
ßiften ber furfürfttid)en @apette at§ Bicecapettmeifter angeführt. 3n bemfetben
3atjre liod) warb er an Bincenao SUorici'ö ©teile wirflictjex Sapcltmeifter unb
ftarb atS fotäjer am 12. Januar 1675 in S)re§ben. SRattfjefon nennt ifjn in
feiner „ßtjmipforte" (©. 18) ben berühmten „Slffectenawinger'', «pxintf lobt
itjn al§ „fürtrefftictj in Gompofttione ber (Sonderten, in roelcijen er bie ©cmüttj§=
Bewegungen über alle Waffen Worjl au§gebruc!et". 3m ber Xfjat fmt er eine
Stenge fotdjer Äirdjenconcerte gefdjrieben , roie er benn überhaupt in Srcgben
aU Äirctjencomponift fetjr tfjätig geroefen ju fein fdjetnt. Unter ben größeren
©aetjen werben befonberä „bie Jpiftoria bon ber ©eburt be§ £>errn unb <£)eitanbe§
3efu Sfjrifti" unb bie „Sßafjton beä Süangeliften ©t. 'UlarcuS" erwähnt, ©onft
werben bon itjm noctj angeführt: ftür bie Äirctje: 6 Neffen p 5 Stimmen mit
Begleitung (2, 4, auef) 6 trompeten ober Rauten), 3 Ifltagnificat ju 5 unb
9 ©timmen, unb 15 Goncerte p 3, 4, 5 unb 6 Stimmen mit Begleitung,
gür bie Safelmufif : 15 ^Jlabrigale ju 2 , 3 unb 5 ©timmen mit Begleitung;
3 „Symphoniae" : hit erfte für 2 trompeten unb Raufen, 2 Biotinen ober
Fagotte; bie zweite für 4 trompeten, 4 Biotinen ober gfagotte; bie britte für
2 trompeten, 2 Biotinen ober gagotte. 3n ber fönigticfjen Bibliotfjet ju
Berlin unb in ber fönigticfjen 5Jtufifatienfammtung ju S5re§ben befinben fief)
folgenbe (Sompofitionen bon 5p. : «ölifcxcre für 3 ©oprane, ?l(t, Senor unb Baf^
mit ^nftruwenten; 3Jliffa (Ätirie unb ©toria) für 4 ©ingftimmen mit ^nftru=
menten; 2Jtiffa für 6 ©ingftimmen mit ^nftrumenten ; 18 tateinifetje unb
beutfdje ^irc^encompofüionen mit unb oljne ^nftrumente. Sfntcreffant ift fein
im Berein mit bem furfürft ticken Gapeltmeifter Bontempi componirte§ „SDrama
ober 5Ruficatifcr}e§ ©ct)au=©piet bon ber S)afne" , beffen erfte 2tuffü£)rung in
SJresben im ^. 1672 ftattfanb. Beibe ßomponiften waren ber Bcrbinbung
itatienifdfjer unb beutfe^er 5Jtufif nicfjt fern geblieben, wie tlmen benn auc^ ftetjer
bie gleichnamige Oper itjres ätteften Soltegen ©djüfe, Wetter erft 1672 ftarb,
nidjt unbetannt gewefen fein wirb. 2tufjerbent mag it)nen bie ßompofition
beutfcr)er BaEete, foWie mancfjer Äirdtjenftücfe mit beutfdjem 2erte, bie
Sprache itjreä äWeiten Batertanbe§ geläufiger gemacfjt rjaben. „^afne" tritt
übrigen^ (wenn man bie fogenannten Dperabattets aufnimmt) mitten unter ben
itatienifetjen Opern jener 3ftt auet) am S)resbener £>ore, gteicl) iljrer älteren
©ctjWefter bon Opife unb ©d)ü^, wieberum ai% gana bereinjelte (Jrfdjeinung auf
unb ift besrjatb bon boppeltem ^ritereffe. gine beutfe^e Oper barf man fie wobt
besfjalb nennen, weit fie beutftfjen 2ejt entfjätt unb beutfdjen Berfjältniffen an=
374 sperrffjatmer — ^erger.
ge^a^t war. ©elbft in mufifatifdjer Beaielmng, obgteid) fie botlftänbig italiemfdjen
duftem nadjgebilbet ift, enthält fie 3u9e» welchen beutfdjen (Sinfluf, namentlich
ben beä Bolföliebeö, berrattjen. 5Die Oper ift im Befifc ber fönigtidjen 9Jtufifa=
lienfammlung ju Bresben; eö bürfte bie§ bie ältefte borljanbene Partitur einer
Oper mit beutfdjem ütejt fein. 2>ie fönigtidje 5Jlufifalienfammlung befifct audt)
ein gefdjriebeneä Stejtbud) bon 1678, in meinem iSatjre bie Oper abermals auf=
geführt würbe. 2)er SDicrjter ift unbefannt geblieben, warjrfcrjeinlict) mar ber=
felbe ber belannte (Megenrjeitöbictjter 2)abib ©djirmer, furjürftlidjcr Bibliotljelar
unb .gwfpoet. 35a8 Bud) ift nur eine Bearbeitung ber ü£)aplme bon Dpifc. 2)ie
.gmupttjanblung ift biefelbe mie bei biefem , unterbrochen burcfj mandjerlet @pi=
foben poffentjajten ^nrjalteö, reid) bermeljrt mit bem bamals üblict)en ©ötter=,
2)ecorationö* unb 9Jlafd)inenpomp. $n ben -gmuptfcenen finb fogar beö fcbleftfcljen
©idjterä SBorte beibehalten, gteilidj erfetjeint bie Bearbeitung bem Originale
gegenüber rot), plump unb gefdjmadloö. 9Jt. dürften au.
^Crtfljn'uiicr : äßoljgang $., ein Gomponift beö 16. 3af)rl)unberts , öon
bem fidj nur eine Sammlung bier=, fünf= unb fedjöftimmiger |>t)mnen erhalten
Ijat, bie 1591 in 9Mnd)en bei Slbam Berg etjctjien unb öon benen bie ©tabt=
bibliotl)ef ,^u Breslau ein boUftänbigeö ©jemplar befitjt. S)er fonft unbefannte
Gomponift nennt ftdtj auf bem Jitel „Aquipolitanus" unb mibmet baß 28erf
ben 9tatb,öt)erren berfelben ©tabt. Bei ber Unterfdjrift ber äßibmung fügt er
feinem Warnen bie ©tabt „Aquiburga" bei. Betbe tatinifirte ©tabtnamen be=
beuten bie ©tabt SBaffeiburg in Oberbaiern unb fdjeint eö faft, aU menn er
in feiner Üteburtsftabt auet) gelebt unb gewirft l)abe.
9tob. ßitner.
^crtflUQIjr: Üieginbalb $., Benebictiner, geb. 1679 (?), f am 18. ©ep=
tember 1742 ^u 2lug§burg, mo er, nadjbem er eine 3?it lang s4>ro"teffor ber
*4tf)ilofopt)ie gemefen, ©ubprior feines ÄlofterS mar. 6r l)at (in beutfdjer
©pradje) polemifdje Söerfe über bie ©acramente ber Bujje unb beö 2lltars
(1725) unb über bie Slbläffe herausgegeben, ferner einen „breijadjen cattjolijdjen
GatedjiSmuS", 1731, ein ,,©efc£)id)t= unb *ßrebig = Bud)" in brei ftoliobänben,
1737. 6r fammclte Material für eine Polyantbea amplissima (sJJtaterialien=
fammtung für ^rebtgten), bie 10 — 12 Folianten füllen foUte, unb für ein
Söerf über alle Orben; beibe finb aber nidjt erfdjiencn.
3iegelbauer, Hist. rei lit. Ord. S. Bened. III, 621; IV, 162, 385.
9teufd).
^CVgcr: Bcmtjarb $. b. ©tanj ober ©tenj, t um 1502, artiftifd)cr
5ftagifter, Otector unb ©uperintenbent ober Gurator ber Söiener llniüerfität.
©ein £>eimatt)äort Wirb ber ©djWcia «jugefprodjen , aber aud) in ber ©teiermarf
gefudjt, wojelbft wir gleichnamigen Orten (©tanj im 9Mratt)al, ©tain^ in 5Rittel=
fteier, ©tanj bei 9Jtured) begegnen unb auetj anbere UnibcrfitätSgenoffen rjcimifdj
waren. 2llö Magister arlium Perger de Stanz begegnet er uns aunädjft im
$. 1464, unb las 1464, 1466 unb 1467 über ben Guflibes, 1465 über bie
allgemeine 5ßerfpectibe. Ob er bann in Italien tjumaniftifdje ©tubien aufnahm
ift nidtjt erwiefen, aber burd) feine jpätere, befonberS ber Pflege ber lateinifdien
©rammatif unb ben Glaffilcrn (insbejonbere Birgil unb ©aHuft) ^ugewanbte
wiffenfcrjaftlic^e S^ätigfeit watjrfdjeinlicr) gemadjt. Söä^renb ber juriftifd)en
©tubien (feit 1476) war er 2)ecan ber artiftifdjen gacultät unb würbe am
13. October 1479 9iector ber ^od)jct)ule. @r erfdjeint bamals aueb, mit bem
Xitel eines „Baccalaurcuö" beö „päpftlicl)en" (b. i. canomfdjen) 9tcd)te§ unb
9lectorä ber ©tabtjdjule ju ©. ©tepl)an, bie wir gewiffermafcen alö Borftufe
jur Uniberfität^fdjulung an^ufeb^en tjaben. eine fet)r einflufereict)e 5perfönlic^feit
5Betg«. 375
würbe <B feit 1490 , ba ibn ßaifer griebrid) III. aum ©uperintenbenten ber
Unitoerfttat befkcttte, unb ber Sbronfolger ßaifer «ötajimitian I. bie Deputation
ber ßoAfefcute anwies, ibre Segebren ibm ober bem „Wagifter Sernbaro
ö ©tana" fdiriftlid) einzureichen. 2ItS lanbeSfütftlither SetWefer ber Uniöerfitat
hatte er bie (SJebabrung mit ber Dotation ber £od)f<hule 3» überwachen unb
äwedmäfeige Neuerungen anäubahnen. 2ln biefen liefe $. eS auch nicht teilen.
<£r war bemüht, bie fdjolaftifdje SehanblungSWeife ber gemeinen nur nach
(Smenbatoren unb ©loffatoren trabierten Glaffirer, wie: 2lriftoteleS , (SultibeS,
£ippofrateS, @alenu§ auf ©runblage ifyceS Wenngleich lateimfchen Nestel burch*
aufefaen, unb, als ßaifer ffllajtmilian I. bie Regierung Oefterreicb> übernahm,
«B. in ftolge beffen bie Seitung ber $ochfcfcule mehr benn früher tn Rauben hatte,
üerfthiebene Neuerungen nach bem Sorbilbe italienifcfcer Uniberfitäten, fogar
öffentliche (SoEoquien unb ©iSpittationen Dor ber Slula an ©ommerabenben
einzuführen. Siefe „conversationes plateales" würben jeboc£) in golfle nach>
ItAer ©tubentenejeeffe nur 1493 üerf ud)t , bann Wieber abgeftetlt. SebenfattS
befteibete $. bis ju feinem £obe bie ©tettung eineS ©uperintenbenten ber Um»
öerfität- ba ihm barin 1501 (EufpinianuS folgte, fo mufe % um btefe £eit ge=
ftorben fein, ©ein bebeutenbfteS Sßerf , „Artis grammaticae introductorium in
octo partes orationis, in construetiones , in epistolas conficiendas fere ex
Nicolai Perotti grammatici eruditissimi traditionibus a magistro Perger trans-
latum", worin bie Rudimente grammaticae beS (SrjbifchofS «JttflaS Serottt bort
©bonto (1430—1486) bie ©runbtage bilben, erfchien als Sncunabel ohne bafc
mir ben Srudort rennen, ©ie erlebte als erfter Serfucb , bie gortfdjrüte ber
italienifchen ßumaniften im »ereile ber lateinifchen ©rammati! barjulegen, eine
9teihe öon ausgaben, beren bierte in äöien im $. 1500 bei bem erften namentlich
befannten Suchbruder biefer ©tabt, Sodann SBinterburger ober äBtnterburg,
erfchien. 3n biefer Officin war auch 1493 unb 1494 $ergerS Srauetrebe auf
ben £ob Äaifer griebrichS „Obitus et exequiae" — „Kayszer Friederichs
begencknus" (4 5811.) öeröffentlicht worben.
2>eniS, SBienS Siichbrudergefcbichte bis 3. 3. 1560 (Sien 1782). -
2lfchbach, ©efefe. b. SBiener Unit). L (1865). — Slnton «Woher, <3efch: bet
geiftigen Sultur in Weberöfterreich 1. S5b.; 0. bemf. ®ie Söiener ©tefanS»
fchute (Sil. beS »er. f. 8. «JtieberöfterreichS 1880 II, u. m ©ep.=2I.) unb
beffen Suchbrudergefchichte S3ienS, 1. £albbanb (1882). ®\°le*:
Waer ©igmunb fterbinanb ö. S. , «Kater, Beichner unb Äujjer»
ftecberT geb. Su 2öien am 17. Sluguft 1778, wo er 1841 ftarb. ®en frühften
Unterriebt erteilte ibm fein Sater, welcher felbft im Seltnen Dilettant war,
bann befudjte er bie Slfabemie. 3m 3- 1798 fanb ber iunge «Wann eine ; «Kn-
ftellunq als Seiebner in ber faiferlichen «BoraeHanfabxif , in ber er elf ^abre
tbätig war. Siele figurale Secorationen für bie ©efäffe würben naih feinen
Entwürfen auSgefübrt. Dbwol man ibm febr günftige Weitere Offerten machte^
entfcfelofe fieb ber Äünjltex 1810 boeb jum Seraicbte, trat eine ©tubtenreife nad)
Statten an unb begann nach feiner £eimfunft eine emftge Jbattgfeit als
Äiftorienmaler, Seichner unb Äupferftecher. einige Sferbebitber, bie et tm M]-
traqe beS laiferlichen DberftftattmeifteramteS Oollenbet batte , beschafften ibm
1817 bie Ernennung jum faiferlichen |)oftbiermater. 3Rit bem Serleger (L&aaS
begann er 1821 baS grofce Söerf : „St. Ä. Silbergalerie im Selöebere 3u Sien ,
4 Sbe mit 240 öon Saffini, floüatfcfc, Slafchfe, ßrepp, ^anLafS^*eS
©rieben woau «B. bie Originale en miniature copirt batte. 2)aS «Bert lag 18dd
üoEenbet Oor. ^m 3. 1825 erbielt er bie ©teile eines atuetten SuftoS an ber
laifertichen ©emätbefammtung. — >Berger'S arbeiten finb febr mi™%- öu
Den befferen geboren bie Oetgemätbe: (SufteS berttinbet ben ©leg bei «Marathon.
376 ^Pcti — Rennet.
(®eft. in 2lquatinta.) — £omero3 Bei ben Sltfje-nern, 1834. — S)a§ grofje
^ferberennen bei .Uoöcfan, 1816. — (Sin -Oofjmauer <5d)iff3fned)t an bei- 3)onau,
1831 (faiferlidje (Salerie). — 2)er Raub beä ©anr;mebe§. — S)ie billige @äcilia,
«Miniatur nad) ©djeffer ö. ßeonartätmff. — ^orhäte 9kbe&fr/§, be£ ^alerä
fetbft. — Äaifer ülubolf I. Beim $rönung§mat)le, 1835. — 2ttarfgraf ßcoöolb IV.
fdjlägt bie ftaiferfrone au3. — SBitrjetm öon Sllbonacf unb feine Södjter.
Slufeerbem malte er fefjr biete 3lr)ietftücle : $ferb öon einem 2iger öetfolgt. —
(5in «Pfexbeftaü, 1830. — Äämöfenbe sterbe, 1820. — (Sine 3agb auf
-gmfen IC. 3n Slquatinta gab er bie 3>arfteHungen ju ber ^ublication : „<5cenen
auä ber BatertanbSgefd)id)te", äöten 1813, tjerauä. — 3:t)ierftubien , Rab.
1813. — 2)ie Sllbertina befitjt öon ü)tn eine Suite getufdjte gebeqei^nungen
jur Stiabe. (Sin aubere§ fd)öne§ ^(quaiett , 3ittertt)a(er Sauern, im 5ßriöat=
befit;. — ©etbft rabirt unb geftoctjen finb öon $. bie Blätter: Romutu» unb
ftemuä mit ber SBölfin. — ^orträt beä tfaifersi ^ranj I. u. 91.
5lnton ö. $., be§ Vorigen ©otjn, geb. in Sßien am 20. STecember 1809,
ftarb bafelbft am 14. 2Ibril 1876, mar gteicrjjatte, namenttid) in feiner früheren
3eit, als vitaler unb geidmer ttjätig. (Jigentlid) mar er in allen (Sätteln gerecht,
menn feine Begabung it)n aud) gerabe «ju nidjtä 2Iu3gejeid)uetem befähigte, <So
mürbe er föäter (1845) ^ßrofeffor ber Anatomie an ber 9lfabemie, bann feit 1853
6ufto§ ber $uöferftid)fammlung an ber ^ofbibtiottjef , gab öerfcfjiebene Büd)cr
populär beletjrenben ßtjarafterä fjerauS (barunter bie beutfdjen „^flanjenfagen"
1862), fd)rieb antiquarifdje 9lbt)anbtungen , ferner ba§ mit öieten <5ta()tftid)en
auägeftattete SBerf: „2>ie ßunftfcfjätje 2£ienS", Stieß 1854, „$er 2>om ju
6t. Stefan" (ebb.) ic. Bon feinen fünfilerifdjen Seiflungen finb t)eröorjut)eben :
ßaifer ^ofepb, II. im Sdjlofj Sajcnburg. — 2>ie Speifung ber günftaufenb
(faiferlidje ©alerie). — (gtartjembcrg unb Bifdmf ßotlonits auf bem ©tefanStrmrm
(geft. öon 2. 33el;ev). — 5Eer Befjagticfje. — %n Aquarell unb ^eidjnung f)at
^. öielel tjinterlaffen , fo eine Dieirje 2J3iener Botfefiguren, bie (Eröffnung ber
©emerbeaugftetlung 1845 (ftftbt. Bibliottjef). 91. ^Ig.
%kl\: .g> t) a c i n 1 1) *p., Benebictiner in ©t. £ambred)t in ©teiermarf, über
roeldjen biograpfjifd)e £)ata nid)t aufjufinben finb, üeröffentlid)te 1719—32 ju
©tcrjct fünf goüobänbe „Quaestiones theologicae in I et II partcm Summae
S. Thomae Aquinatis". lieber feine ftreng ttjomiftifdjen Slusfüljrungen berichtet
#. Söerner, ©efd). ber fatt)o(. 2t)eol. ©. 96 ff., 106 ff. fteufd).
Rennet: Soadjim ty. tourbe am 20. ßctober 1765 ju 2öien aU ber
'5o()n eines Kaufmanns geboren, erhielt eine t)öd)|t mangelhafte @riiel)ung unb
mud)S, meift fid) fetber übertaffen , rot) unb unroiffenb auf. S)ie i|m öon ber
s)tatur öerliel)enen reiben ©aben fdjarfer Beobachtung unb fdilagfertigen 2öi^e§
bitbete er leiber in Äneiöen unb (Sdjenfen unb in ©efeüfdiaft itjm gleid}gefinuttr
Äameraben au§. 5)lit befonbercr Vorliebe öerfafete er ©ebid)te, Heinere öro=
faifdje unb fomifetje Sluffäije sum Vortrage unb beteiligte fid) atg sFiitmir!enber
an ben in jener 3"t |o äaf)(reid)en £>au§= unb Siebb,abertb,eatem, ja mit
19 3arjren übernaljm er in ©emeinfefjaft mit 2lt)(en unb ©emet) baä Xljeater
am s3teuftift „3um gaftm", too fie mit mefirereu Dilettanten „unentgetttid)e"
33orfteHungen gaben. ®a§ mar ^eriuet'§ bramatifdje 3Jorfd)u(e. ©üäter !am
er an ba§ priöiteghte Sweater in ber fieoüotbftabt unb banad) an jenes im grei=
l)aufe auf ber SBieben, too er überall Beifall fanb unb ba§ Repertoire mit feineu
£)riginalfd)nurren ober Bearbeitungen frait3öfifd)er Stücfe bereicljerte. 2>er 2ob
feinet BaterS fe^te 5ß. in ben Befi^ einc§ 33ermögen§ öon fed)§taufenb ©ulben;
aber fdjon nad) fed)§ Söodjen toar e§ bi§ auf ben festen Pfennig öergeubet unb
er mie frütjer ein Bettler, ber nun mieber 2Bien mit feinen poetifd)en Bettel=
äßmfietuS. 377
Briefen überfcrjmemmte. %m 3f. 1789 terjrte er at§ ©äjaufpieler unb Jrjeater*
bitter äur Seopotbftäbter 23ufme jutfidt, natjm 1798 ein Engagement bei ber
©ctjitaneber'fdien 2uippe an unb folgte 1803 bem Stufe -öenslerS , ber nadj
2HarineuT8 2obe ba§ Scopotbftäbter 3:f)eater gepachtet fjatte. Sin biefer 9ßürjne
blieb er nun, mit Slu§nafjme eine§ ©emeficrs im $. 1807, mo er in 93rünn
fpiette, big ju feinem 2obe, ber am 4. {yebruar 1816 erfolgte. — Sllä ©c£jau=
fpieler mar ty. bon untergeorbneter 33ebeutung; obgleich in mannen fomifdjen
Collen beim publicum fefjv beliebt, mar er bocf) eintönig, of)ne (Seftattungäfraft
unb, mie im Ccben, fo auct) auf ber 93ürjne, gemein, ©lüctlicrjer mar er in
feinen bramatifcrjen arbeiten, in melden er ben bamat§ eben nid)t fetjr geläu=
terten ©efctjmact be§ -publicum^ ju treffen berftanb. Saju gehören: „SerSremit
auf govmentera", ©cfjaufpiel in 3 Sitten" (1790); „Ser $age, Suftfpiel in
3 Sitten" (1792); „Sie jmei ©abot)arben, ©ingfpiel in 1 Sltt" (1792); „Sie
©djmfftern bon *prag , ©ingfpiel in 2 Sitten" (1795); „Sa§ luftige Sieilager,
©ingfpiel in 2 Sitten" (1797); „Ser gagottift ober bie 3aUDer5^et» ©ing=
fpiet in 4 Sitten" (1792); „SJittotia 9tabeHi, ber meiblictje Otinalbo, ©d)au=
fpiel" (1808); „Sa§ Sleufonntagstinb , ©ingfpiel in 2 Sitten" (1806); „Sie
neue ©emiramig, traöeftirte Oper in 2 Sitten" (1806); „Sie neue Sllcefte,
Dper" (1806); „£>amlet, ßarricatur mit ©efang in 3 Sitten" (1807); „3ba§
unb SJtargiffa, Cper in 3 Sitten" (1808); „^umpfjia unb ßulifan, Cper in
2 Sitten" (1808); „Ser getbtrompeier, ober Söuift miber SBurft, ©ingfpiel in
1 Sltt" (1808); „Sluguft unb (Suftabine, ©cfjaufpiel in 3 Sitten" (1805);
„Äora, bie ©onnenfungirau, Dper in 3 Sitten" (1815); „9ftegära, bie fürdjter=
ticrje «Ipeje, 3au&eroper in 3 Sitten" (1816); „Sie Belagerung bon SJpfilon,
ober (Sbatatfjet unb ©ctjnubi, ©ingfpiel in 2 Sitten" (1804) u. b. a. 3u
mehreren ber ©ingfpiete tjatten irjm bie ©tücte beg SJßienet }>offenbid)terg $t)ilipp
£afner (f. Sl. S. 33. X, 323) alg SJorlage gebient. Sluci) ein 93änbcf)en ,,©inn=
gebidjte" (1788) unb berfcrjiebene anbere, für bie Sitteratur aber nicrjt bebeutfame
©Triften beröffentlicrjte 5ß. 33iele feiner Sieber in feinen ©ingfpielen , bie bon
Söen^el Füller ccmponht mutben, tjaben i^re 23olfettjümticfjteit big auf ben
rjeutigen 2ag bematjrt. |>offmann b. ^atlersleben fütjrt alg folcfje 3. 93. auf:
„2£ag ift bcg Seben« rjöctjfte Suft? Sie Siebe unb ber äöein." — „Ser Senj belebet
bie 9catur, bie ©cfjöpfung mirb ung neu." — „Sie 'ütäbctjen, bie Hieb' unb ber
SBein begeiftevn ben ^ftenfdjeri allein." — „%<$) bin ber ©dmeiber $atabu." —
„SBenn blüijenbe Simen in§ Sluge mir fet)en, fo ift eS gefcfjminb um irjr -Jperjdjen
gefcfjefjen." — „2öer niemals einen kaufet) gehabt, ber ift tein braüer t)cann."
äBurabacrj, 93iograpr)ifc£jeg Sejiton, 22. 23b., ©. 20.
ftran^ 33 r um m er.
^crtftcrilö: SBolfgang ty. , (uttjeriferjer £t}eolog beg 16. ^all^unbertS,
geb. 1532 auf feinem bäterlicrjen ©ute bei 3Mbenburg in ^reufjen, f 1592 ju
Sanbsberg an ber äBarttje. — Slu§ einer preufjifctjen Slbele^amilie (bon ber 2aube,
be 6olumbi§) abftammenb, mürbe er bon feinen ßltern, melcr)e „ber aufgetjenben
ebangelifc^en Se^re ficr) rjerdtid) freuten", jum ©tubium ber itjeologie beftimmt,
befugte bie ©cljulen p ©Ibing, Stjotn unb San3ig, be^og 1545 bie neu=
gegtünbete Uniberfität .ftöniglberg, mo er bon bem Üiector Öeorg ©abinu§, bem
©cr)roiegerfof)n 3JteIanci)tt)on§, immatriculut mürbe unb bem ©tubium ber ^ßrjilo=
logie, $I)ilofopt)ie unb 2r)eologie ficrj mibmete, feijte feine ©tubien auf beutf($en
Uniberfitäten fort unb machte gro^e Oteifen burc^ berfcrjiebene europäiferje Sänber
(^oüanb, ßnglanb, granfreief), ©cljmeia, Italien). 1552 mürbe er in Dtcftoct
^ttagifter, 1554 ^^ofeffor ber giiecf)ifcrjen ©praerje in Königsberg, mo er fein
Serjramt mit einer Siebe de laudibus graecae linguae antrat. -]iücrjbem er 1564
Äönigeberg bevlaffen, mürbe er bon S. (5r)r)träu§ 3U Sroftocf äugleicr) mit Suca§
378 5Petiaoniu3.
Sacmeifter aum Dr. theol. promobirt (j. ßrabbe, ©efd). ber U. 9toftorf II, 638)
unb balb barauf 1565 bom $er£og bon 9)tedlenburg }utn 2)omprebiger unb
©uperintenbeuten in Sd^tocttn ernannt. 93on ba ging er 1571 als ©uperintenbent
nad) äöiämar, mürbe aber Ijier nad) wenigen ^abren 1575 wegen beifdjiebener
©treitigfeiten, in bie ibn, Wie e8 fdjeint, tbeilä fein eigenes reizbares Sempera*
tnent, tb>il8 bie Unberträglidjteit feinet grau berwirtelte, entlaffen. ftadjbem er
längere £eit an betfd)iebenen Orten (in föoftotf, S)anjig :c.) pribatifirt batte,
wutbe er 1580 bom Äutfütften Sobann ©eotg bon 23ranbenburg jum .$of=
prebiger am tfölnifdjen £)om in 23erlin, 1583 ^um $aftor unb ^nfpector ju
\:anb8berg a. b. Sßartbe ernannt, wo et nad) neunjähriger Söirfjamfeit fein
rued)felboUeä ßeben befcb/lofj. — ©eine aahlreidjen, aber niebt febr bebeutenben
^djriften finb tbeitS pbitologifdjen unb pbilofophifdjen (j. 33. „$rolegomena jur
o.riecbifdjen ©rammatif 9Mancb tbonV, „ßrflärung ber (Stbif bc§ SlriftoteleS",
„ßeben (iiceroß", „de necessitate philosophiae", „de ordine studiorum"),
t^eitö tbeologifdjen ober religiöä=erbaulidjen Snbaltä (3. 33. „über bie 9lbenb=
mafilälehre", „tjer^lid^eö unb ftanbbafteä 23efenntniä bon ben bornebmften Kritteln
beä djriftlicbcn ©laubenä" 1568, 2. 2Iufl. 1573, 3. Sluft. 1620, „©ermon bom
allgemeinen 33eruf jum 9teid) ©otteä", „ßob* unb 2roftfdjrift bom beiligen
ßbeftanb" , „Slntibotum wiber bie <ß.efi" ic). — ©iebe ba§ Söerjeicbnifj feiner
©dniften bei 3öd)et, ©t. III, 1392; ftotermunb V, 1908; ftaebriebten über-
fein ßeben ebenbafelbft unb bei 2tinolb, ©efduebte ber U. Äöuigäbetg II, 366;
«BlftHet, alte« unb Weues 33etlin I, 101, 1004; 3eblet, Ußer. XXVI, 460.
SOÖagenmann.
$Crt50tliu9: SInton <p\, bebeutenber reformirter Ibeolog, ftammte bom
©efcb/leebte ber ^erijonii her, beffen ©lieber fid) bielfach befonbere wiffenfcbaft=
liehe 23erbienfie erwarben. 2)urd) feinen 93ater, weiter £ofprebigcr ber ©rafen
bon ßippe unb nadlet Pfarrer $u Gaffel war, wo er 1645 ftatb, erhielt er
eine forgfättige (haichung unb wutbe für ba§ ©tubium ber Geologie beftimmt.
3öo er biefe ©tubien gemacht unb ba$ 2)octorat für £beologie erhalten hat,
ift nicht befannt. (*8 mag biclleid)t ju ©röningen gewefen fein. Wo ber UnU
berfitätärector feinen ©cfchtedjtgnamcu „SJoorbroef" fonberbarer SBeife in Speri-
3oniu§ bergriechifebte, inbem er „broef" (alb. ber ob. ba§ 23ruoch, b. h. ©umpf=
ober Woorgrunb), für£>ofen (altb. bie 23ruoch) nahm. Um 1650 trat er ba3 ütectorat
31t 2Ippingabam an unb würbe 1655 in |>am jum Sßtofeffot für Geologie unb
bebräifche ©pradje ernannt, wo er auch v4>hilofophie bocirte unb baS prebiger*
amt berfah. ©echs $ahre fpäter erhielt er bie <ßtofeffur 3U Siebenter, in
Welker er bis 3U feinem Zobe 1672 auf löblidje SBeife wirfte. 33on feinem
fd)tijt|tenerifd)en 5iad)laB, Welcher bodj nur bon geringem Umfange war. Warb
ein „Tractatus de ratione studii tbeologici, ad ejus emendationem praeeipue
speetans", Dav. 1669, befonberä gerühmt, ©ein früfjjeitiger Zot> war {eben*
faüö ein wahrer 33ertuft für bie SBiffenfdjaft. 6r tjintcrliefj brei ©öb,ne, bon
Weidjen befonberS ^afob ^- oen 9iu^m feinet ©efd)led)te§ mehrte.
23gt. 33riemoet, Athen. Belg. p. 626 — ban ber 21a, Biogr. Woordenb.
unb ©lafiuS, Godgel. Nederl. ban © t e e.
^CrtJomuS: Sa! ob $., ^bilologe, 1651—1715. @r würbe aU ber
©obn be§ Slbeologen Slnton $. in 2)am in ber s4>vobin3 ©röningen, wo fein
Siater 9iector ber ©cfiule War, am 26. Dctober 1651 geboren; ber eigentliche
^came ber au§ ber weftfälifdjen ©raffdjaft 23entbeim ftammenben Familie war
Sjoorbroef, Weidjen man aber fdjon früb, gräeifirt blatte, ©eine 33itbung erbielt
fy. juetft in S)am , bann in Siebenter unb Utredjt ; ba ber 33ater in^wifd}en
nadj Siebenter berufen worben War, febrte er 1672 bortbin prüd. S)urd) ben
2ob feine§ 3Jater§ würbe ibm bie 5Jtöglid)feit geboten, bie Geologie aufjugeben
Sßerlefc. 379
unb ftd) gana ber !J3£)itotogie $u roibmen; 1674 begab er fidj ^u biefem 3ü>ede
nad) ßerjben, wo itjm Xfyobox 9tt)diuS oornebmtid) förberlidj rourbe. SJietfadje
SBerfudje ber nädjften 3fat)re, an einer ber nieberlänbifdjen Uniberfitäten eine
©tettung ju erlangen, fdjtugen febt; erft 1681 routbe er Sonrector in 2)elft, im
Januar 1682 ^rofeffor ber ©efdncbte unb Serebtfamfeit in ftranefer. §ier ent=
faltete er nun eine reidje lebrenbe unb fdjriftftellerifcrje Stbätigf eit , namentlich
auf bem ©ebiete ber römifdjen Sitteratur unb (Srammatil. 2ßieberbolte gläna
jenbe Berufungen, bie fid) ibm balb barboten, tebnte er ab, ba ba§ (Kuratorium
ber Unitoerfität ir)n burct) meljrfadje ©etjalt3ert)örmngen ju feffeln fudt)te; 1693
jebod) folgte er einer nnebercjolten Slufforberung, aU ^rofeffor ber (jloquenj unb
©efcrjicfjte an bie fiebbener Uniberfität überzugeben. $m Sfult 1693 trat er
ba§ bortige 2lmt an, übernahm aud) 1702 al§ Nebenamt bie ^rofeffur ber nater=
länbifcbeu ©efd)id)te unb bebielt biefe§ SJoppelamt bis ju feinem nad) längerem
träufeln am 6. 9tbtit 1715 erfolgten £obe bei. ©ein bebeutenbeä Vermögen
bat er jum größeren Steile ber Umoerfitä't in Serjben bermadjt. — 35on feinen
^ahtreidjen ©Triften , toetcbe bon einem ganj lmgemöhnticben Umfange feiner
Jhnntniffe 3eugnifj ablegen, finb au nennen: „Dissertationum trias", 1679, u. a.
über ba§ jübifcbe unb griedjifdje Srbrecrjt, bie lex Voconia unb antife 9Jtün3en;
„Animadversiones historicae". 1685, bornebmtid) über öerfdjiebene 5raSen ^er
römifdjen (Sefdjidjte OUebubr, 9tömtjdt)e ©efd)id)te, $>orrebe jum 1. £beite:
„^eri^oniul' meiftert)afte gorfcbungen , ein 2Berf, roelcbeä . . . unübertroffen
ctaffifdj in ber 2ltt ift, morin e» ba§ erfte mar"); ferner eine Sfteibe fteinerer
©cfiriften: „de Augustea orbis terrarum deseriptione", 1682; „de usu vocum
Praetoris et Praetorii", 1687; „de Praetorio", 1688, unb eine gtänjenbe
hieran anlnüpfenbe ©treitfcbtift gegen Utr. ^nber : „ Abstersio censurae Huberiauae",
1690; „de censoribus pop. Rom.", 1697; „de aere gravi", 1713. Umfang*
reidjer ift baS äßerf: „Origines Babylonicae et Aegyptiacae", roelcbeä in jtoei
Seiten 1711 erfdjien. — äöeniger 2lnerfennung al§ bie tjiftorifcben baben bie
grammatifdjen arbeiten ^erijopiuS', bie fid) an feine Bearbeitung ber „Sanctii
Minerva" (4 Auflagen 1687—1714) anfcbtoffen , behauptet; feine 3luffaffung
ber ©pracbe mar bie, bajs er in berfelben nur ein menfcblidjeg ^unfttoerf fat),
bei bem ber 3ufatf eine grofje ÜtoIIe fpiele; „ben tebenbigen 3ufammen^an9
ätoifdjen 3)en!en unb ©üredjen öerfennt er ganj". ^Jtidjetfen (|>ift. Ueberfidjt
be§ ©tubium§ ber tat. ©ramm. ©. 50) urtrjeilt befonberS bart über ^eriäoniu^
grammatifctje ©tubien: „IRir erfcbeint -$. alz berjenige, burdj roelcben ba§ bon
©anctiu§ angeregte tjöbere grammatifctje ©tubium attei Seben bertor, fo bafc
ba§ tobte 5°^f^lebben ber grammatifcrjen Se^ren burctj ba§ 18. 3fat)rrjunbert
rjinburct) befonbere burd) it)n eingeleitet tourbe ; in irjm fel)e ictj bie sIJlatjnung,
roie ©anctiui nidjt öerftanben roerben mufj." 33on alten ©d)riftftellern t)aben
folgenbe ben ©egenftanb feiner ©tubien gebilbet: Aeliani var. hist., bie er
1701 in ätoei SSänben IjerauSgab; gtoruS, 2)ictt)§ 6retenfi§, 6urtiu§ (Curt.
restitutus 1703), ©uetoniu§, ju toetcrjem er Adnotationes fd)rieb, bie St). ©.
Zöllner 1725 IjerauSgab. 2Iuct) ©ebidt)te bon fy. fyahen ficf) erljatten; ebenfc einaelne
©treitfd)riften, bie er unter bem Ißfeubonrjm S3aleriu§ 2lccinctu§ t)erau§gab.
2lnt. ©crjutting, oratio fun. in obitum J. P., Lugduni B. 1725. —
©. Gramer, Elogium Perizonii. SBerlin 1828. — |)ofmann=^eerlfamp, Bibl.
crit. nova V, 545 — 552. — fj. 21. (äcfftein in Sifd) unb ©rubere' @nct)H.
III, 1—17, ©. 108—113. — Sine Vita ^ß.'S ftnbet fid) aud) bor ben opuscula
rainora, Setjb. 1740, unb bor ber -gmrte^fdjen 2lu§gabe ber Animadversiones
hist. 9t. ,£>od)e.
Verleb: Äorl S"liu§ $., geb. ju Sonftanj am 20. ^uni 1794, f am
8. ^uni 1845 ju ^eiburg i. 58t. , mar «ßrofeffor ber 5^aturgefd)id)te ju grei=
380 ^rlet.
Burg, SHrcctor bes botanifdjen ©artens unb bcs afabemifd)en sJlaturatieucabinets.
2)urd) feine auf bic ©rjftematit' bes ^flanjenreidjs be,}üglid)en ©Triften bat er
jur ö^rberung einer natürlichen 9fteti)obe ber ßintbeiluug ber ©ewädjfe bei=
getragen. "Diadjbem er im $. 1818 eine bcutfd)e Ueberfetjung ber 3toeiten 2luf=
tage bes Söerfes bon % fy. üDecanbotte : Essai sur les propriötös medicales
des plantes comparees avec leur Classification naturelle, unter bem Xitel:
„Sßerfucr) über bie Sürjneiltäfle ber ^fian^en, bergtidjen mit ben äußeren O^'mcn
unb ber natürlidjen ßlaffeneintbeilung berfelben", toon 3u|äfeen unb ?lnmerfungen
begleitet, batte erfd)eiuen (äffen, öeröffentltdjte er 1826 ein „Sebrbud) ber 9catur=
gefcbidjte bes ^Pftanaenreidjs", in meinem er fein bon ifjm aufgehelltes ^flanjen*
frjftem enhoicMte. Saffelbe fcbtiefjt fief) im toefenttidjen an basjenige bon 21. %
S)ecanboüe an, fudjt aber buret) eine anbere Umfdjreibuug ber (Staffen, fotoie buidj
@infütjrung befonberer $)littelgruppen jtoifcr)en klaffen unb ^amitien (Orbnungen)
eine größere Heberfid)tlid)feit p fdjaffen. 9tud) bat ^ß. bereite burd) Xfieitung ber
CalyciHorac üDecanbolle's in foldjc mit bertoad)fenen unb mit getrennten Blumen*
blättern, bie 3ab)l ber Unterclaffen um eine bermebit. ©ein berbeffertes©rjftem legte
er bann in ben biaguoftifcf)en Ueberfic&tstafetn }tt ©runbe, bie er unter bem tarnen:
„Clavis classium, ordinum et familiarum atque index generum regni vegetabilis"
1838 fjerausgab. Xie ©djrift bejtoedte, ben Slnfänger in ber 33otanif auf
leidjtc unb fidjere 2öeife , bebufs bes praftifdjen }>flan]enbe|"iimmens, mit ber
9Jtetbobif bes natürlichen ©t)ftcms befannt ju machen. 5ßon ben nieberen ju
ben böberen ©etoädjfen fortfdjreitenb, tjebt ber 33erfaffer bic biagnoftifc&en ^Jlexf«
male ber einzelnen ©nippen tjcröor, bie er, nad) Oiarj's Vorgang, in Säbelten*
form gegenüberfteHt. 28as feit bem (Jrfdjeinen feines Sebrbudjs burd) bas
^»injufommen neu entbedter ober neu aufgehellter Familien au feinem ©rjfteme
beränbert toerben mufjte, t)at er getoiffenbaft berüd|ict)tigt( fo bafj in 53ejitg auf
SßoUftänbigfeit feine roefentlicfte £üde beftetjt. %a er bat and), ben Qlnforberungen
eines natürlichen ©rjftems gemdfj, bie ytebenc&araftere, bie Uebergänge unb ?lus=
narjmen überall beadjtet, um baburd) fd)on bem Anfänger bie Sßcrfatülität ber
ßtjaraftere unb bie baburd) begrüubeten ^ertoanbtfcbaitsbe'jiebungen anfdjaulid)
ju madjen. vJcad) einer Srftärung ber gebrauchten tUbfürjungen unb 3ei$eN
folgt ber clavis classium, beren 9 angenommen Werben, bann ber clavis ordinum,
beren 48, unb ber clavis familiarnm, beren 330 aufgcftetlt finb. 2)ie S)iagno=
fticirung ber Gfjaraftere ift präcis unb erftredt fid) auf alle toefentlidjen SJtetf»
male. @in toottftänbiges 9tegifter ber angeführten Gtaffen, Drbnungen unb
Familien , bas aud) auf bie ©rjnontjmie tßüdfidjt nimmt, erleichtert ben ©e=
braud) ber Zatttten aufjetorbenttief), ebenfo ermöglicht ein äfmticbcs Ütegifter ber
^ftanjengattungen burd) bie ju teueren gtfcijteu Stummem ein (eiebtes Sluffinbcn
ber entfpredjenben Familien. Ueber ben ^tiftanb bes botanifeben ©artens 3U
greiburg publicirte s^. 1829 eine afabemifdje geftfdjrift: „De liorto botanico
Friburgensi/' 5)urd) le^tmillige 33erTügung überlief er uid)t nur feine SSibtiotbef
unb fein Herbarium ber Uniüerfität, an ber er genrirft, er tjinterliefj aud) iljrer
SBermattung eine ©elbfumme , beren 3infen trjeils ,}u (Sunften ber llniberfitäts=
bibtiotfjef, ber äoologifdjen unb botanifetjen ©ammlungen , tfieils ju fReif e=
ftipenbieu für junge ©etct)rte aus bem fta&jt ber ^aturtoiffenfdjaften, mit 3lus=
fdjlu^ ber DJcebicin, bertoenbet werben fottten.
Qr. SSunfdjmann.
perlet: griebtic^ Gbriftian ©otttieb ^., $bilotog, ber ©ofin eines
aus Otjrbrui ftammenben 5lmtscommiffärs ^obann ©eorg ^. in SBerningsbaufen
(©ad)fen:©otba) unb am 8. 2luguft 1767 bafelbft geboren, befud)te bas
©otfiaifdje ©tjmnafium unb bic llniberfität $ena - n^0 e1-* fid) tbeologifdjen unb
ptjilotogifdjen Stubien toibmete. Waü) feinem Abgänge bon ber .£>od)fd)ule errjielt
5permaneber. 381
er 1790 bie ©teile eines Gonrectorl am önceum in Dbtbruf, worauf er 1806
all 5ßro?efjor unb ©ubconrector an bas ©rjtnnafium in Qj-ifenacr) Berufen würbe.
Öier fucr)te it)n bier $ab,re nadjtjer fctjroeres UnglüdE Ijeim, inbetn feine Söobnung
bei ber befannten (Jntjünbung fran^öfifdjer «pulDerroagen am 1. ©eptember 1810
in 33ranb geriet!) unb fein Apausratfj unb feine 33ücber in flammen aufgingen-
©djmeralidjet nod) War itjm ber Sßerluft eines iertiggeftellten '»Dtanufcriptes unb
einer (Srcerptenfammtung in 3 iöänben , ber ftiudtjt eine» 3roanjigjät)ttgen
Öleifces. ^rjn fclbfi warf bie Srfdjüttetung gu 33oben unb überbecfte ibn mit
Krümmern, bie ihn berrouubeten. S)od) blieb er bei Sefinnung unb bermoctjte
fiel) burd) einen Sprung auf bie ©trafje ju retten , roätjrenb hinter ihm bas
Apaus 5U brennen anfing. 1824 mit bem £ite( eines ©ctjulrat^es geehrt, ftarb
er am 18. «Ropember 1828. Um bie 2tnfialt, an roeldjer er 22 ^ahrt lang
eriolgreid) gemirft blatte, machte er fiel) noer) baburcrj berbient, bafj er als 33ei=
trag ^ur ©rünbung einer l'etjrftelte für 5Jiatt)ematif unb $r)t)fif ein Segat bon
1000 Jfjalern ausfegte, ©eine felbftänbigen arbeiten unb feine ^Beiträge tu
3eitf Triften finb faft otjne 21usnar)me ptjilologifdjer 3lrt unb bef duftigen fictj üor--
nerjmticr) mit bem römifdjen Siebter iterenj, um beffen Verausgabe, Erläuterung
unb ttjeilroeife Ucberfefeung er fictj eifrig bemürjt t)at. ,3m einzelnen ift bon iljm
folgenbes beröffentlid)t Worben : „Slusfüfyrtictjer Kommentar über bie Slubiia,
nebft £ert unb Einleitung in ben ganzen 2erenj" (1805); „Christ. Yict.
Kindervater Posthuma. seu Orationes inaugurales aliquot scholasticae uua cum
vita atque indice scriptorum ipsius. Adiecit orationem suam'; (1807); „De
Cicerone, an et quatenus sophista possit putari , Commentatio'- (1811, ?Pro=
gramm); „lieber beutfetjen 23eugungsmangel unb beffen Slbbülfe" (1815);
..Terentii Comoediae ad codd. mss. et optima? editiones recognovit, varietate
lectionis, commentario perpetuo et indice instruxit" (1821, eigentlich^ 1820;
Ed. nova 1827); „2)as 'JMbcben bon Slnbros, ©djaufpiel in 5 Sitten, aus
bem Sateinifcfeen überfefct, mit Sßorrebe unb furjen 5lnmerfungen" (1825):
„Gratii Falisci Cynegeticon ober $agbgefang , lateinifdj unb beutfdj" (1826);
;.Animadversiones in P. Terentii Afri Comoedias. Editionis Terentii anno
1820 evulgatae Supplementum" (1827). Stujjerbem Sluffäfce im „9ftorgenbIatt
für gebilbete ©täube" (3abrg. 1809 unb 1810), foroie in ©. ©eebobe's „£ri=
tifeber 23i6tiothet für bas ©d)ut= unb llnterricfjtsroefen" unb „2Irchip für ißbilo--
logie unb ^äbagogif".
Teufel, ®. X. - Üc. «Jlefrolog 6. ^abrg., 1828, ©. 974. (plfcblid)
ber Vorname „©uftab" ftatt „©ottlieb".) — 91. SSecf, Srnft IL, ^er^og au
©acbfen=@otha unb 2lltenburg, Ctfotha 1854, ©. 136. — ©oebefe, ©runbrifi,
3. m. 2. 2tbtb. ©. 1297 u. 1339. Qrttg 1778 als ©eburtsjalir.) —
2}gt. auch, geriet's Sluffah: „Güifenadj in ben fctjroerften Slugenb liefen" im
„Börsenblatt" 4. $al)rg. 1810, Dtobember, 9tr. 273, ©. 1089a — 1090b.
© d) u m a n n.
^ermnneber: 5 tan 3 IDtich aet *p. , fatbolifefier Xbeolog unb ßanonift,
geb. 12. Sluguft 1794 in Xraunftein, t 10. Dctober 1862 in 3tegensburg. @t
ftubirte in £anbsbut juerft Ideologie, bann bon 1815 an bie Ütectjte, rourbe
1818 jum $ rieftet geroeibt, im folgenben $aljre Sebrer am «progtunnaftum,
1822 ©bmnafialprofeffor am ©rjtehungsinftitute au 2Jlünchen. 3m $. 1824
erhielt er eine ^rofeffur am neuen ©rjmnafium bafelbft, im 3- 1834 bie *Pro=
feffur ber Äird)engefcf)ic§te unb bes ^ircbenredjts am Stjceum in Sfteifing, 1847
bicfelbe fprofeffur an bet tb.eologifcben f^acultät in 9Mncrjen. SSereits 1843
rourbe er ^um erjbifdjöflid^en geiftlidjen Statt) ernannt , in 9Mnd)en mar er jju=
gleidg Seifiger bes geiftlicljen ©ericijts. Son ber t^eologifcben fyacultät in «präg
rourbe er 1848 beim 500jäbrigen Jubiläum 3um Ebrenboctor ernannt. 5ß. wirb
382 5petmofer.
üon allen, bie itjn genau fannten, als ein in jeber £)inficf)t oortrefflictjer "Utenfd)
gefcfjilbert , ebenfo als ein guter £>ocent. (Sr mar milbe, objectiü , ein guter
$atr)olif unb roarmer Patriot, geinb jebeS 6j:tremen. 2)aS jeigt auct) fein
•pauptroerf. <S(i)Ttften : gortfetjung ber „Annales Ingolstadienses", sDiünd).
1859. 4. „Bibliotheca patristica" 1841, 44. 2 33be. (Patrologia generalis,
specialis, letztere uiiüoÜftänbig). „.(panbbud) beS gemeingültigen fattjol. fiircr)en=
recfjtS in fteter föücfficfjt auf baS fatrjolifd)=fircr)tid)e Serritorialrectjt in Oefter«
reid), s4keuf$en, dauern, ©adjfen, ^annotier unb ben übrigen beutfdjen Staaten
bearbeitet". 1846 in 2 93ben. , 1858, 1856 in 1 , 4. Slufl. ßanbSt). 1865
tjerauSgeg. bon 3fib. ©ilberuagt nad) beffen f)interlaffenem 9Jtanufcript. 2)iefeS
fein -frauptroerf ift mit großem gleifj unb ©efdjid gefdjrie6en , berechnet für
ben praftifcfjen ©eiftlictjen unb ^uriften. 33eiben genügte eS für bie ge=
tüötmttdjen 23orfommniffe. 2Biffenfd)aftlid) leibet eS an bem ^Ränget grünblidjer
CueHenftubieu unb infolge baöon aud) ber ©enauigfeit, foroie an bem Abgang
jeber Originalität. (Gearbeitet an ber .£>anb ber £ef)rbüd)er üon Söalter unb
Otictjter befterjt fein eigentliches $erbienft in bem ttjeüroeifen Grrgänjen beS
Stoffcö jener für ben practifdjen ©ebraud), ganj befonberS in ber gröfjern, für
baS bairifd)e ^articutanedit bind)roeg auSreicljenben, Jperanjietjung ber pofitioen
particutarredjtlicfjen ^eftimmungen. sJteu im SBergleicrj ju ben beiben genannten
33üd)ern unb ben beutfdjen überhaupt ift bie fleißige (Kompilation über ben
firdjlidjen ^rocefj. 2)ie tjiftorifctje Seite tritt ganj jurücf. 2Die beiben 2)louo=
graptjieen „5Dic firdjlidje SBaulaft ober bie Sßetbinblidjfeit ber baulidjen ©t»
tjaltung unb SßiebertjetfteHung ber 6ultuS=®ebäube. 9luS ben Quellen beS ge=
meinen canonifdjen unb barjrifd)en s}Jarticu{ar=sJtecr;tS bargeftellt", 1852, 1856
unb „2)aS ©efetj, bie Sicherung, girjrung unb ^blöfung ber auf bem ^crjntrectjt
taftenben fhd)lid)en 93aupflid)t betr., Dom 28. «ücai 1852 erläutert" (3. £eft
ber „©efetjgeb. beS S\. SBatjern feit 5Jtarimilian II. mit (Erläuterungen") tjerauSg.
bon (5. ft. 2)oHmann. Sri. 1852 ff. betjanbetn ben ©egenftanb nact) allen
9tid)tungen erfctjöpfenb ; bie erftere barf als bie befte unb auäjürjrltdjfie ber
neuem ©Triften ü6er bie Saupflicrjt be^eidtjnet merben.
29aier. 3eit. 9Jlorgenbt. Wr. 283 öon 1863. — ©tabtbauer, gtectoratä«
rebe ö. 27. Sunt 1863 ju 3Rtind&en. — b. Spulte, ©efd). b. Quellen u.
ßiter. III. 1. ©. 356. b. Spulte.
s^crmo|er: 33altl)afar $., 23itbf)auer, rourbe auf bem Otemair'fdjen ©ute
3U Kammer im ©ericfjte Sraunftein, tnetdjeS bamalS ju Salzburg gehörte , am
3. 2luguft 1651 geboren. Wad) ftü&li'S Angaben fott jroar bie Snfdjrift
fcincS ©rabfteincS auf bem gfriebrictjftäbter ©ottcSatfer in 25reSben als ©ebuitS=
ort Äammerau im ^fälaifctjen ^fleggeridjt ffä^ling unb baS ©eburtSjarjr 1650
angegeben l)abenf jebod^, obige 5>aten flammen auS ben ^farracten unb finb
bottftänbtg correct. 211S armer Hirtenjunge begann er inftinettb bem iljm inne=
rootjnenben fünftlerifcrjen triebe 31t folgen, fcljni^elte in £>ol3, am eigenen
©ctjäferftabe, als tfjn ein Sorf maier feiner .Ipeimatr), ©urfenbieler, ju ftc^ naljm,
um il)m einigen Unterricht ju erteilen. S!ann fam er in ©aljburg p bem
bamalS oielbefdjäftigten S3itbt)auer SCßilfjelm Söeifeftrctjer in bie Setjre, toelcljer
am 2)ome unb anbettoärts gro^e Aufträge beforgte. SDaS Siroler Äünftler»
ßejifon betjauptet, bamalS fei ^orj. sJticoIauS 5KoH, ber fpätere ©djüter ytapfyael
2)onnerS bei s^. in Salzburg getoefen, aber biefe Eingabe t)at in ber Gb,ronologie
it}re ©cr)toierigfeiten, benn ba jener 5RoE erft 1709 geboren ift, fo mü^te er in
einer 3eu nadt) Salzburg gefommen fein, roo s^. fdjon lange nietjt metjr bort
roeitte. 3}erfdjiebene Tutoren laffen ty. nac§ feiner ©djuljeit bei Sßei^ftrcrjer
nun nact) 2Bien jietjen, roo er bie betütjmte ©tatue beS ^rinjen (higen fertigte,
hierauf aber nactj Italien, yjiix fetjeint baS Umgefeb^rte roatjrfctjeinlictjer, inbem
5permofer. 383
qu§ ©rünben beä ©tile§ anzunehmen fein bürfte, bafj ber Künftler früber ben
ßinbrucf 33ernini;fcher SBerfe erhalten haben muffe, bebor er eine für biefe 9tict)=
tung fo djatafteriftifdje Seiftung fdjaffen tonnte. 9Jcöglicbertoeife aber toirfte er jtoeU
mal in SDßien, nämlich, bor unb nach, bem italienifdjen Aufenthalte, benn einmal
toirb erjätjlt, baf$ in ber Äaifetftabt an ber SDonau ein getoiffer Knacker fein
ßetjrer getoefen fei. Sa ber junge Künftler bie 23efteltung eine§ fo bebeutenben
Söetfeä tote bit ©ugenfigur aber getoifj nicht at§ Setjrjunge ermatten baben toirb,
fo toäre füglich, notf) an einen ätoeiten, fbäteren 3Xufentl)a(t in SBien ju benfen.
Uebrigen§ ift unter „Knacfer" getoifj ber bürgerliche S3ilbt)auer Stbam (alias £obias)
Krafer p berftehen, bon bem toir toiffen, bafj er an ber ^eftfäule auf bem
©raben, am castrum doloris Sfofeplj'S I. 1711, ferner für bie faifeiliche ©ruft
arbeiten lieferte. Snbeffen ift bie ©ugenfigur toeber bamalä noch fpäter in
SGßien gemalt toorben, fonbern erft nadj 1710 in SDreäben. %n Italien blieb
$. bierzehn 3ahte, toabtfdjeinlich bon 1665 an, er fanb an bem ©rofjber,}og bon
io§cana einen befonberen ©önner unb tjatte biel ^u ttjun. An ber 2ljeatiner=
firche in £$rto"n3 machte er bie ©tatuen jtoeier £)rbensbeiligen in ben ftifcben
ber SflQabe, biele Kleinarbeit ferner in Elfenbein unb D0I3. i^m 3- 1704
folgte er einem Stufe griebrichä I. nach Serlin, too eine Anzahl religiöfer fotoie
mnthologifcher ©culpturen entftanben. gür Gtjarlottenburg fertigte er einen
§erfule§ mit ber &t)bxa, bann einen Amor aU Sogenfcfjnifcer, für ben ©raten
&eufj eine ©rubpe Abam unb @ba, für bie ^etersfirdje baZ (gtottafir) beö
9Jtebailleur§ 9c. x$cl% (geft. bon SSlafenborr) unb bit Kanjet, — beibe 1730
im geuer p ©runbe gegangen. 9lach fechSjäbrigem Aufenthalte in SSerlin be=
rief ben Künftler ber König Auguft II. 1710 nach 2)re3ben, aber auch
ber ©rofjheraog bon Soäcana bot tbm 1000 2baler bahreggehalt , toenn ei-
nriebet nach ^lorenj fommen tooltte. Unter Auguft II. tourbe er ^ofbilbtjauer.
S)re§ben befifet — ober befafj — fehr biele arbeiten ^ermofer'g. 3m großen
©arten ftettte er bie giguten ber Mutterliebe, ber Malerei, ber ©culptur, eine
^Jtofjrin mit einem Kinbe, einen sDtobren mit einem 3?ifche auf, fte tourben im
fiebenjähngen Kriege jerftört. $üt bie fatbolifche Kirche madjte er über bem
Saufftein ein Ecce homo au§ fädt)ftfdt)em 9Jcarmor unb einen fjeil. ^orjanneg ;
in ber ©rotte be§ 3öunger§ Apollo, 3Jtinerba unb 2knu§, 1716. An bem
©ärtner'fcrjen .§au§ fjinter ber gtauenfirctje eine ^ortalgruppe, an bem 93tauer=
fcrjen in ber fteuftabt einen ©aturn, im Srtel'fdjett ©arten ©aturn, S3enu§ unb
Slmor, für ben 2ljel;fcr)en ©arten in ßeipjig bie ßotoffalfiguren ber S5enu§,
^uno, ^ubiter'S unb 5Jlar§, bie rjoljgejclmifete Kanzel in ber SDreSbner fatt)o=
lifdtjen Kirche, Slpollo unb 2Jtinerba au§ einb.eimifc^em Marmor, fein eigenes
©rabmat mit einer Kreuzabnahme, im grünen ©eroötbe ift eine fetjr fct)öne @lfen=
beingruppe §erfute§ unb Dmptjale, be^. Balthasar Perm. inv. f., 31 cm rjoct),
£>ageborn befa^ ein Sletief bom felben 3Jtateriale, ^Jiercur unb 2lrgu§, enblicf)
fab 33erf. biefe§ bor einigen Sabren im Sefi^ einer SDame , toeldtje im ®eburt6=
ort beä KünftlerS lebte, ^toei feiner @tfenbeinrelief§, ba§ eine 2lbam unb @ba,
ba§ anbete König Sluguft borfteHenb. (änblicfj entftanb ^ermofer'S auigeäeicb=
netfte§ SBerf , bie jeüt im S3elbebere ju SBien aufgefteEte tebenägtofee 531armor=
grupbe be§ 5ßrinaen Sugen in S)re3ben. 3öir entnebmen bieg au§ ber 5Mo=
grap^ie be§ S3itbbauer§ ^ofeöt) äöinterbalter , roeldt)er bei feiner 2tnfunft in
äöien eben zugegen mar, al§ ba% SQ3erf bon Sterben anlangte unb bon bem=
felben, befouber§ bon feinen tect)nifct}en SÖotjügen, begeiftert mar. S)a§ 5]}. einer
rjotjen Artung ficfi erfreute, gebt aucfe barauS rjerbor, ba^ ber berübmte Otabbaet
Bonner beabftcb,tigte, ficb, au ibm nac^i ©reiben }U begeben; ob er e§ auägefübrt
liabe, toiffen toir übrigen^ nicbt. S)ie ©ruppe ift äu^erft baroct* in ßrfinbung
unb SluSfüb.rung, toie atte ©ctjöpfungen be§ Künftler§ bon einer beinabe wilben
384 5peuteber.
Mentalität. SDer £>elb fteigt auf Söolfen empor, roobet it)n amei grauen, ber
9tut}m unb bie llnfterbltdjfeit, umfdjroeben, unten liegt ein belegter 'ftein'b, beffen
$opf ber ©age nad) t>a% Portrait be§ AfünftlerS jein foll. ©a bie Sfnfd^rift
fdjon $arl VI. nennt, fo ift baS äöerf nad) 1712 entftanben. Sflßer ber 33e=
[teuer mar unb mann eö in ba£ 93elbebere fam, ift unbefannt.
$. ftarb au 2)re§ben am 20. gebruar 1732. SDie ©d)ule feinel ©eburtä»
ort§, meldte er 1692 mit einem Kapital Don 1000 ft. gegrünbet tjatte, beroar)rt
nod) fein Portrait; fein fetter 9)tid)ael 'OJlofet folgte itym als fönigt. polnifdjer
unb fädjiifdjer .gmfbilbljauer nad) (f 1751). $. mar ein geiftreidjer , t)öcrjft
origineller Üjtfaftiter , bott bom geuer be§ SarocfgeifteS unb al§ 9Jtenfd) bott
bon 2Bunberlicf)feiten. <5tolj unb eigenfiunig l)at er eine geroiffe 9let)nli<$fett
mit sDtefferfd)inibt, aud) bon ifym roirb erjagt, bafj er fertige arbeiten jetfdjtug,
menn ber sJßrei§ ju tjod) befunben murbc. $art XII. bon ©d)toeben bereljrte er
befonberä; al§ man fragte, marum er ben $önig nod) burd) feines feiner SOßerfc
t>erf)errlid)t tjabe , jroeifelte er , bafj ifjm berjclbe fitzen mürbe , beim er fei fo
eigenfinnig roie er felbev unb jroar mit sJted)t: ,,©cnu er ift Äönig unb id)
Äüuftler!" ©egen bie 93tobe feiner 3eit tvu9 cl* exnen langen 23art unb foH
fogar eine ©djrift jur 6t)renrettung be§ 2Jarte3 gefdjrieben fjaben, meld)e aber
Slnbere bem Ulrid) ßflnig (f. 21. ©. 33. XVI, 51 G) jufpredjen.
2)a§ 2lußrüt)rlid)ftc in 3tg'S Sluffafe: 93altt)afar ^ermofer, 9)tittf)eit. ber
ß. $. 6entral=Gommijfton für @rl)altung ber flunftbenfmate, SBien 1878,
©. lxvii ff. «. 3 lg.
^erneber: 2lnbrea§ ty. (^ernoeber), bairifdjer ^urift unb fruchtbarer
©djriftfteller au§ ber erften Hälfte beä 16. 3aljrf)unbert§ , über beffen ßebeuä=
umftänbe nur bie 33orreben 3U feinen fjiuterlaffenen SÖcrfen einige jerftreute
91uffd)lüffe geben. — ty., gegen ©d)lufe be§ 15. ^aljrljunbertB 3u 9tieb in 2ltt=
baiern geboren, mürbe am 3. SRärj 1518 an ber Uniberfität ^ngolftabt im*
matriculirt, bann 3um llnterrid)ter in SJtttndjen ernannt, unb etma biet 3>aljre
fpäter aum lateinifd)en unb beutfdjen ©ecretariuä, audj jum ^ojratf) bei ^er^og
2Bilt)etm V. t>on 33aiern beförbert, metdje ©teile er bi§ 3u feinem £obe ;über
16 3{at)re befleibcte. yiaü) einer alten Slufjeidmung im cod. germ. N. 1594
fjfol. ber 9Mud)ner ^>of= unb ©taat§=23ibliotti)ef ftarb „^ernöber ben 19. 2)ecem=
bri§ 2lnno 1543 jur 9Jtünd)en unb mürbe in ber ^arfüffer=$ird)en begraben."
s}s. mar bertjeirattjet unb beffen 6t)e mit ßinbern gefegnet. ©eine i£od)ter 21 u n a
(mit ©eorg sJteitmor au§ Seutenfjofen, beS Innern 9tntl)e§ 311 5Jtünd)en öer=
tjeirat^et) fdjeint t)öc)eve S3ilbung genoffen ju f)aben. 3§x berbanft man bie Rettung
unb ©rt)altung bon 2fürg Äajmair'ä ^Jlündjner ©ebenfbud), einem ber menigen
t)i|"toriograb^ifd)en Ueberbleibfel biefer 2lrt, — „melctje alte unle§lic^e gefd)rifft
?lnna 9Jeitmorin (taut ifjrer Reibung) an einem unjimlidjen bermorfen ort!)
funben unb mit groffer mulje abgefdjriben." Slu^erbem befa^ fie neben bieten
alten ©ruefeu, bie fie an bie „fürftliclje ßiberel) abgeben", audj bie bon itjrent
3)ater überarbeiteten |)anbfcf)riften feiner berfdjicbenen SBerfe. ©ie betjänbigte
Untere i^rem ©d)miegerfol)ne, £)ctabianu§ ©djrenf, d)urbairifd)em 9tegiment§rat^
ju Straubing, fpäter fürftbifdtjöflidjem ju Söürjburg, roel(i)cr 1573 eine neue
Auflage ber SBerfe ^erneber;§ beranftaltete. — $. mar ein tüdjtiger, gelehrter
^üraftifer, ber fid) mit bem ©ebanfen trug, ba§ gefammte 9tec|t (ißribatredjt,
(^nftttutionen) 6ibiIproce^, 2e^en= unb ©trafred)t fammt Notariat) nad) 2lrt
beS Saienfpiegel§ unb an beffen ©teile für feine gad)gcnoffen unter befonberer
93erüdfid)tigung ber in 33aiern geltenben 9ted)te unb ©emol)n^eiten in $orm
bon (iompenbien ju bearbeiten, jebod) burd) einen bor^eitigen %oh abgehalten
mürbe, bie einzelnen 2;l)eile 31t einem fbftematifdjen ©anjeu ju bereinen unb
brudfertig 31t madjen; benn ©djrenf bemerft in ber SSorrebe 3ur Watefiaorbnung
^extteber. 385
auSbrütflidj) : „unb tjat fie öom Tutore fetbft a(§ ber mit bem jeittic^en £obt ju
frür) fommen nit fönnen in ein recfrjt Nicfjtigfeit gebracht roerben." 2)er 3ingot=
ftäbter 5profeffor unb nacrjmalige banaler bon greifing äßolfgang junger (f. 31.
S). 23. XIII, ©. 414) gab trjeiltoeife nacf) ungenauen 9Ibfcrjriften unb tjanb=
fd^iiftlid^ert Fragmenten 1544 5perneber'§ gefammten litterarifdjen Nacfjtafj rjer*
au§ unb öerfat) bie einzelnen ütrjeite mit 2Bibmungen unb längeren SBorreben.
^erneber'S brei -gmupttoerfe ($nftitutionen , 5procefj unb 5fltaiefi<j=£)rbnung ) ge-
hören ju ben bieigebraudjteften unb beften ©Triften boöutarifirenber 3iicf)tung;
fie finb trotj fftabifcrjen Slnfcrjluffeä an bie fremben 5Redjt§quetten ber erfte 33er=
fud) eine§ in ber 5ßrarj§ mofjlbemanberten 9flanne§ , eint)eimifd)e§ unb au8tän=
bifdje§ Necrjt in einem ber ßegatorbnung berroanbten ©rjftem ju berbinben. 3u=
erft erfdjienen: „Justiniani Institutiones, ba§ ift ein 5Iu§äug unb Stn^aigung
etlicher gefctjriebener fetjferlicfrjer u. be§ fjerjligen 9teid)§ Steckten, roie bie gegen*
mertige Qtit in Übung gehalten roerben" k. u., tf)eil§ Ueberfetuing tb>il§ 3Se=
arbeitung unb ©rgänjung ber ^nftitutionen burd) -gnnmeiS auf „gemeinen ©e=
braud)", ba§ bairifdje ßanbrecrjt, bie Söormfer, Nürnberger unb greiburger
üteformation. junger toibmet in ber Sßorrebe (geben ju Sngotftatt ©ambftag
nad) Nidjarbt ben 9. gebr. 1544) ba§ SöerE „fo tuet meb> bem Herzog ?llbrectjt,
al§ irjm tticfit 3tr>etfelte , too 5p. länger im Seben blieben er mürbe if)m felb§
feinen anbem Patron gefutöt b>ben." 3)er Herausgeber bemerft nod), er fjabe
„au? Sefetd) be§ 2)urd)lauct)tigen dürften SBUrjelm, 2l(brect)t§ SSater, ©. $.
©naben Herzog Sllbrecrjt näc£)ft-öerftf)ietie§ ^arjr (1543) bie Snfiitutionen jutn
guten tb,et)t inn offener ©ctml (ju ^ngolftabt) möglich gteif; öorgetefen"; nun
aber tjabe fie 5p. „mit fürbinbig reiner, äierltdjer unb öerftänbtictjer ©bradj
berteutfctjt, — unb feien bie bisher ertaubten 33erboImetfd)er biefen fo
menig/al§ ber ©djatten einer lebenbigen 5perfon ^u bergteidjen." SDen Snfti=
tutionen folgte nad) einer 1532 bon 5p. überarbeiteten Hanbfd;rift ber au§ fecb>
feilen beftetjenbe „(Sericrjttidje 5procefe, in roetcrjem bie gemainen getriebenen
melttidjen unb geifttid)en Nedjt auf alle unb jebe 2lrtiful attcgirt merben" :c. ic.
SDa ber 3)erfaffer bie bairifdje 5Prarj§ unb bie $ammergeridjt§orbnung berüdficfj=
tigte, fanb ba§ Sud) bei ben 5praftifern rafd)e unb günftige Slufnatnne, unb
bientc beffen ^nfjatt ben ©ericrjtöljöfen bei iljren Grntfcrjeibungen pr 5Jtid)tfd)nur.
Nact) ber SSorrebe "tjatte ber Herausgeber ba% 5Jianufcri|)t bon 5Jlagifter ©imon
sMnerbiu§, Unterridjter ju 9Jtüncgen unb 5perneber'§ bertrauteftem greunbe, er=
Ratten. ©tma§ fpäter tjeröffenttic!)te HutlÖer ^nc „Serteutfcrjung be§ 2et)en=
red)ti", mobei bie libri feudorum unb bie bamatige ßitteratur benu^t finb.
liefern SSudje rourbe irriger Sßeife „bie Ha^Sex^t§01;onunS °^er öon ©traff
unb 5peen atter unb jeber 5Utatefiä^anbtungen ein fur^er S3ericf)t — " angereiht,
mä'fjrenb fie Dom SSerfaffer al§ ^n^ang ber ^nftitutionen gebaut mar. S)iefe
H- ©• C, toelctje (nach; 2öäcqter, 3lrc|. beg 6rim.--5R§. Neue gotge ^rg. 1842
©. 82 u. ff.) unter bem Xitel „tractaet Crimineel mutlima^tic^ öon ^acob
©almäcb^ter aucb^ in§ ^oEänbifdje übertragen mürbe, nimmt in ber iuriftifctjen
ßitteratur= unb 6riminatred)t§=©efcr)id)te einen tjeröorragenben 5pia^ ein. ©ie
ift nicQt bIo| ba§ erfte nact) ber Carolina in S)eutfd|tanb erfctjienene ©Aftern
be§ ©trafrecb;t§ , fonbern blieb bi§ in§ 17. Mrl)unbert bie fjaubtfäcglic^fte
©runbtage ber juriftifdien 6riminal=ßitteratur. ©obler'S 5procefe= unb 9recfjten=
fpieget, 3raucf)born§ Practica, ebenfo bie äöerte bon S)ornedf, Äönig unb ©awr
Ijaben grötitent^eil§ unmittelbar au§ 5perneber gefd^öbft. daneben übte biefe -£>.$.£>.
einen meitreicgenben, t)autotfäcötid9 über ©übbeutfctjlanb fic^ erftrecEenben ©influ^
auf bie 9£ecrjtfürect)ung unb liefert fomit ein treues 23itb ber bamaligen ©traf=
red)t§brai-i§. ®ie ^erneber'fcfie H-®-Ö- utnfafjt ©trafrecqt fammt 5proce^ nacf)
2Wgem. beutfdöe »iogta^te. XXV. 25
386 Demeter.
sJJlafjgabe bes römifcrjen Stedjteä unb ber italienifdjen ßitteratur; nebenbei finb
baS bairifctje £anbred)t, bie goldene 33ulte unb bie tiroler ^ftalefi^orbnung be-
nutzt. üDer SJerfaffer tjinterliefj öon biefem SBerfe jroei üerfd)iebene 9Jtanu=
fcripte; ein älteres, etroa 1530 öoüenbeteS, metcfjeS baljer bie Carolina nicrjt
fennt; biefeS legte junger feiner s4>ublication }u ©runbc. (Später nad) Sßer=
fünbung ber Carolina tjat 5J3. betreibe nochmals burd)gefet)en, unb burd) 3}er=
meifungen auf bie Carolina unb Gitate aus berfetben ergänzt. 5)iefe§ fpäiere
(Sj-emplar benutzte (5d)renf bei ber Ausgabe öon 1573; jugleict) ttjeilte er-
bau Sud) in setjn Slitel, b. t). in numerirte 2lrtifel, unb öermeljrte e£ natjeju
um ba§ doppelte. GS ift tjödjft bead)tenStoertl), bafj bie .gmnger'fdje 9luSgabe
trok sJlid)tberüdfid)tigung ber Carolina bis 1573 in äafjlreidjen Auflagen gebrueft
rourbe; ein neuer 33eleg für ben Umftanb , bajj teuere nur fel)r langfam unb
altmätjlid) bei ben ©wtdjtSljöfen Eingang mnb. 2tlS SIntjang ju öorfteljcnben
üier 2öerfen gab junger nod) tjerauS: „Summa Rolandina, baS ift: ein furj
58erid)t öon allertjanb Xractaten unb Xeftamenten" ic. k. „Item Bartholomaei
Socini ü. J. D. Regulae juris, ein Uractat ber Siegeln — fampt ben baöon
ausgenommenen Rollen ober fallenden B. Socini." SlolanbinuS ülobutpljini
s$affagerii, erfter ftotar 31t Bologna, mo er 13< »0 im 80. SebenSjatjre ftarb unb
fotdjjeS Slnfetjen genofj , bafj it)m bie Slepublif eine eigene £eibroad)e Ijielt, öer=
fafjte als £)auptroer£ bie „Summa artis notariae" für let)te ^Bitten , Verträge
unb ©crid)tSüerfat)ren. 2>a fein Wotar üom 14. — 17. 3al)rl)unbert biefeS 23üdj=
lein entbehren (m tonnen glaubte, beftetjt eS in <}aljtreid)en Jpanbfdjriften unb
Auflagen, mürbe audj roicberfjolt comiuentirt. Unfer Slutor gibt eine beutfdje
Bearbeitung einiger freigeroätjlter Stüde, bie er äugleid) erläuterte. — 2Befent=
lid) umgeftaltet öertiefj ^ernebcr'ö Summa Rolandina juletjt bie treffe nod) 1725
unter bem apofrtjpljen Sitel: „^lubr. ^erncber'S öottftänbige sJlactjrid)t öon £efta=
menten unb Gobiciüen — nad) beS 9lutorS Job burd) unb burd) öerbeffert —
öon 2B. junger, J. U. D. u. ^rofeffor (ut ^ngolftabt" (Qfranff. u. ßeip^ig). —
2)ie lange $eit fel)r gefd)ätjten Regulae juris mürben bem gefeierten sJled)tStel)rer
Bartholomäus ©ocinuS pgefdjrieben , ber 1436 in ©iena geboren, 1507 als
^riöatmann geftorben ift. sJlad) junger folt inbefj SocinuS nid)t nur gegen
bie Urljeberfdjaft beS BudjeS Ginfpradje, fonberu gegen ben SDruder fogar $n=
jurienflage erfjoben Ijaben. 5ß. übertrug biefe regulae juris frei inS SDeutfdje
unb fügte iljnen praftifdje (Erläuterungen an. — GS ift bereite Ijeröorgerjoben
morben, baf} ^erucber'ö ©d)riften grofje unb rafdje Verbreitung fanben, bafj fie
allmät)tid) in ben £änben ber meiften ^raftiter mareu, unb ba§ fie öon ben
©eridjtStjöfen bei bereu 6ntfd)cibungen öorjugäroeife ju Slatt) gebogen mürben.
^)icrburd) erftärt fid) aud), ba^ .Ipunger'S 5lu§ga6e öon 1544 bi§ 1571 min»
beftenä 16 mal aufgelegt rourbe ! «ipirfd) (Millenarius IV. typis exscriptorum
librorum, pag. 71) ermätjnt berettS auö beut bem ^ublicationejalire folgenben
(1545) eine britte, bei Sltej. 2öei^ent)orn in ^ngolftabt gebrudte, unb tneran
reiften fid) jene öon 1546. 1547. 1549. 1550. 1551. 1555. 1556. 1559.
1561. 1563. 1564. 1567. 1571 (golio). 1573 öeranftaltete ber bereits ge-
nannte D. Dctaöianuä ©cljrenf mit Jpilfc ber bom S3erfaffer felbft burd)gefet)enen
9^anufcripte (totlfyt er öon feiner gleichfalls früher ermärjnten ©djmiegermutter,
Slnna Sleitmorin, erhalten) eine reüibirte 2lu3gabe ber ^erneber'fcrjen ©djriften,
tooüon brei Auflagen befaunt finb (1573. 1578. 1581). (Sine weitere britte
3lu§gabe beforgte bie 6berJfd)e £)fficin ju ^ngolftabt 1592, moüon 1600 unb
1614 neue Slbbrude erfd)ienen. 5luf bem Sitel ber ^nftitutionen=3lu§gabe ift
ber fürfttid) baierifd)e Slatl) Dr. 9lod)U§ ^retimann ö. Cbernl)aufen genannt;
allein biefer mar fdjon 1583 mit 2ob abgegangen, unb mürbe öon bem S3er=
leger nur beit)alb auf ben Xitel gefeüt, um buret) einen befannten unb gefeierten
5Petmce. 387
©etetjrten=9camen feinem Unternehmen fjötjeren ©fan3 unb einen gröBeren 3lbfat$
3U fiebern. — (S§ ift in ber Jtjat ftaunenlroertrj , bafj *$. , roettfjer im befielt
9)canneealter Dorn ütobe ereilt mürbe , §z\t fanb , neben bem taufenben SDienfie
unb ben rjier aufge3äf)tten juriftiferjen arbeiten als öertrauter Siener -öerjog
2ttbrecf)t§ toieberfjott aucrj noctj micrjtige ©enbungen unb aueroärtige ©efetjäfte ju
übernehmen unb aufjerbem gefdjidjtticrje Slnnalen über bie ^at)re 1506 bis 1529
3U fd^reiben. öetitere befjanbeln auf 48 Stättern fjauptfädjltcb, „roa§ ftcfj im
33auernfrieg in 3?arjern, bem tiixftfcfjen 3ug unb ben SBiebertauffern begeben",
greifen aber aucrj auf ben Sanbsfjuter Grbfotgefrieg u. bergt. 3urücf. £a§
93canufcript fam öom Ätofter 23enebictbeuren au? bie DJcünctjner ipoi= unb ©taat»=
bibliottjef, tt>o es als 2rjeit be§ eingangs ermähnten cod. germ. 1594 auf=
betoarjrt mirb.
2B. jüngere 3)orreben b. 1544 unb jene bes Cctab. ©djrenf ö. 1573. —
Beiträge 3. fritiferjen -üiftorie ber beutfdjen Spraye 2c. 9. ©t. ©. 151—156.
— Äobolt, £aier. 6el.=8ej. I. ©. 507. — äßäcfjter im 3lr& f. 6rim.=9tecf)t.
%. 5. 1836. ©. 120—126. — .£>älfcrjner, baä preufj. ©trair. 1. 3$l.
119 u. 120. — ©tintjing, ©eferj. b. beutfefj. Üte(fjt§miffenfdjaft. l.Slbttj., 573 —
579. — ©tobbe, beutfetje Üt.--£uetten. I. 2. ©. 173 9h 3. — ©eib, Serjrbucfj
be§ beutfcfjen ©teaf=Sft'8. I. ©. 286 u. 287.
(lieber 2Inna üteitmor) Gfjronifen b. beutfcfjen ©täbte. 33b. 15.
S. 456 — 61. Gijenfjart.
^crittCC: Subtoig SÖiltjelm Slnton 9ß. , namtjaiter 3urifi, geb. am
11. 3uni 1799 3U «gmtte, au§ einer au§ Dberitalien cingetoanberten yamitie,
befudjte ba§ 9ßäbagogium feiner Sßaterftabt unb töibmete fiefj feit 1817 am ben
Uniberfitäten 3U £mlle , Berlin unb ©öttingen juriftiferjen , in»befonbere recrjte*
gefcfjtcfjtlicfjen unb ftaat§recrjtlicfjen ©tubien. Dcacfjbem er 3U ©ötttngen bie
ptjilofopljifcfje unb juriftifcfje 2>octormürbe erlangt, tjabilitirte er ftcfj 1821 3U
-Spalte in ber juriftiferjen {yacuttät , too er SBorlcfungen über bie ^nftitutionen
unb über Orectjtigefcfjictjte , fomie über ©taat§= unb 23ölferredjt fjielt. Slucfj las
er ferjon bamals über Sefjnrccrjt, für roetcfjeg er fein gan3ei ßeben fjinburcfj mit
Vorliebe trjätig blieb. 33alb ertjiett 9p. eine aujjerorbentlicfje unb 1825 eine
orbenttietje Sßtofcjfur. ©eit 1826 begann audj feine publicifttfdje Sfjätigfeit, Por
altem als Sßerttjeibiger ber feit 1806 mebiatifirten dürften unb ©raten. 9p.
warb 1827 Unterbibliottjetar an ber UniDerfitätsbiblicttjet, 1830 Senfor ffa
jurifitfetje, 3eitgefcf)icrjtlicrje unb prjilofoprjifcrje ©cfjriften, 1832 9Jtitgtieb be§ afa=
bemifcfjen ©prucfjcollegiums , beffen Sßiceorbinariat er 1833 übernahm. Sinen
9tuf naefj ©öttingen 1838, an älBredjt'S ©teile, letjnte er a1), ebenfo 1840 ba§
anerbieten beg 6er3og5 <g)einricfj öon Äöttjen , at§ Söirtt. ©etjeimratrj unb 9te-
gierungöpräfibent in beffen Sienfte 3U treten. 1844 erfolgte 93emice;5 Ernennung
3um aufierorb enttictj en -Jtegierungöbeüollmäcrjtigten unb Kurator ber Unioerfität
Jpatle mit bem Xittl eine» ©erj. 9tegierungiratt)5 , ein ^al)r barauf bie 3um
Sirector be§ rjaüefctjen ©crjöppenftutjls. ©erjon bortjer (1832) mar i^rn bae
Drbinariat bes ©prucijfenat§ übertragen morben. Söegen tiermerjrter 8ctu|8=
arbeiten fat) ftctj 93. um biefe 3eit genöttjigt, feiner afabemifetjen Serjrttjätigfeit
ju entfagett, bie er jebodt) im $. 1849 toieber aufnatjm. 1852 begann mit feiner
SBatjt 3um Seputirten für SBittenberg feine partamentarifetje Stjätigfeit. ©eit
1854 lebenslängliccje§ 9Jlitglieb b£§ ^öerrenljauf e§ , öertrat er bie Slenbensen ber
yeubalpartei. v^luf 33efer)C be§ Königs öon ^reu^en Perfa^te er (1851 1 ein
©utacrjten in ber fcrjlesroig^rjolfteinifcrjen Srbfolgefrage, fctjrieb mehrere ©utactjten
in ber attenburgifcfjen Somänenangetegenrjeit , mar ftecijtsconfulent ber an§al=
tifdjen Sanbfctjaft (bereu Sefcljmerbefcrjrift an ben Söunbesratrj bon irjm |ct=
25*
388 ipernftcin.
rüf)tt) u. f. m. $. ftarb am 16. 3uti 1861 ju \!patle. Seine miffenfcf)afttid)e
■fmuptleiftung ift „®efdjicf)te , 9ittertf)ümer unb $nftitutionen bei römifdjen
«Rcd^tS" (1821; 2. Stuft. 1823). SBon feinen publiciftifctjcn ©Triften finb bie
midjtigften: .,Observationes de principum comitumque imperii germanici imle a
MDCCCVI subjectorum juris privati mutata ratione" (1827); „Quaestiones de
jure publico Germanico", 3 |>eftc Chatte 1831); „Commentatio , qua de jure
quaeritur, quo principes Hohenloenses tanquam comites Gleichenses duci Saxo-
niae Coburgensi et Gothano subjecti sint" (1835); „Codex iuris municipalis
Halensis" (1839); „De sancta confoederatione" (1855); „Commentatio de
singulari dynastiae Schauenae iure" (1854). Unter Sßcwice'S 5)tecl)tigutad)ten
unb fonftigen Staatifcrjriften tft befonberi bie Strbeit über „2)ie ftaatSxedrjtttd^en
3}ert)ältniffe bei gräflichen .fraufeS ©iecrj" (1859) Pon "Bebeutung für bie
Äenntnifj ber SRedjtiPertjättniffe be§ beutfdjen fprjen Slbeti. Sgl. Sßemtce,
SaPignp, <5tat)l (1862).
33 i c t o r 91 n t o n Herbert 5p. , jmeiter Soljn bei Vorigen , geb. am
14. Stprit 1832 in £>atle, erhielt feine 53orbtlbung auf ber ßanbeifdjule 5pforta
unb mtbmete fid) feit 1851 erft auf ber Uniberfität feiner 93atetftabt , bann ju
53onn unb Sertin pfjttotogifdjen unb juriftiferjen Stubien. 'Dcacfjbem er mit
feiner Uebetfetjung unb Sluigabe ber „gröfdje" bei SUiftoptjanei (1856) unb
burdj brei iuriftifdje ^reisjfcfjriften pon feinen ausgebreiteten ifenutniffen groben
abgelegt unb foroob/l bie ptjitofoptnfcfje (1854 au Seipjtg) mie bie jurtftifcfje
Soctorroürbe (1855 jit spalte) erlangt, tjabilitirte er fiel) 1856 ju Berlin für
römifdjei Otecrjt. 23ereiti gegen ©nbe 1857 folgte er einem 9tufe ali 5profeffor
ber föecrjte nact) Ööttingen. -frier mar er Por3ugiroeife aui ben berfdtjiebenen
(Gebieten bei StaatSrectjti ttjätig, tai aber auef) über ©efctjictjte unb ^nftitutionen
be@ römifetjen flledjti, foroie über Gibitprocefc. 1862 mürbe er juni IHitgtieb
ber rjannoberfdjeu Kammer ernannt, infolge ber (heigniffe bei 3at)rci 1866
gab 5ß. feine 5profeffur auf unb trat in bie 2)ienfte bei Äurfürften Don Reffen,
atS beffen 23ePottmäct)tigter er 1867 in ^Berlin befdjäftigt mar. 33on feinen
pubticifttfc£)en arbeiten finb tjerboqufjebeu : „Senffcfjrift über bie anljattifdje
SJcrfoffung" (1862) unb „3ur SBürbigung ber P Söarnftebt'fdjen Sdjrift:
Staate unb Gürbrecrjt ber frerjogtrjümer Scbjteiroig^otftein, u. f. m." (1864).
5)t(S Söerttjeibiger ber gottorpifetjen sJted)te ift 5p. AÖauptPerfaffer ber „Otbenburger
Staatifdjrift" (1864) fomie ber „$ritifdjen Erörterungen äur fd)teimig=t)otftei=
nifd)en Succeffionifrage" (2 SSänbe. 1866). 2)aju famen fpäter „Sie 5Jcr=
faffungirectite ber im Üteidjirattje Pertretenen Äönigreictje unb Sänber ber öfter«
reicf)ifci)=ungarifc^en 9Jconardjie" (1. «g>eft 1872). 2)on feinen romaniftifdjen
Schriften finb p nennen: „Commentationes iuris Romani duae" (1855) unb
„Miscellanea pr 9iecr)t8gefct)id)te unb Sertfrtti!" (freft 1 1869). (Sr ftarb ju
£affc auf einer Steife am 21. 2lpril 1875.
23gt. Srodtjaui' 6onPcrfationitci\ 12. Stuft. (5Rad) gütiger «mittejeitung
ber Dtebaction ift bie 9iict)tigfeit ber Angaben feiteni ber gamitie controtirt. )
v^cntftriH: ^o^ann X., $reit)err P. 5p., faifert. unb fönigt. getbjeug«
meifter, geboren matjrfcfjeinlict) 3U Söötjmen in ber ämeiten frälfte bei fedjjelmten
^atjrfjunberti, gefallen bei Raab in Ungarn am 29. September 1597, mar ber
Sofjn be§ 1587 Pcrftorbenen ®ro|fan3ler§ Pon 23öfjmen unb OberftftaltmetftcrS
breier ^aifer, SBratiStaro IL, gfrei^errn P. 5]}., metetjer at§ t)itfreicf)er ©öuner feiner
Untergebenen, fomie at§ ^ö^berer Pon Äunft unb Söiffen in groBem Stnfefjen
ftanb unb bei Pon ir)m betriebenen 3tufmanbe§ megen „ber 5pracl)ttiebenbe" ge=
nannt mürbe, ^ofjann b. 5p. merben bagegen biete, namentlich matb^ematiflle
Äenntniffe, bann bie 6igenfcf)aiten bei perföntict)en illuttjei, ber ©efinnungi«
Sßetnfiettt. 389
tücfjtigfeit, £t)atenluft als auct) bes Strebens nadj) einem in $ampf unb ©efatjr
ju erreidjenben tjor)en Qide nachgerühmt. 5Diefes fuctjte ex in faiferlidjen ihiegs=
btenften, in toeldjen er 1591 unter feinem '9)ceifter unb 23orbitbe Sllejanber
garnefe bon *parma bei ber Sefämpfung bes Slufftanbes in ben 9Heberlanben
eine 5lbtt}eilung fpanifäjer Gruppen befestigte. Serjon bamals mürbe er bem
$aifer als fetjr entfcrjloffen unb in iebmeber .^e^ierjung bertoenbbar bejeidjnet,
roorauf it)n biefer nebft Satentin b. Nienburg unb bem ©rafen bon ber Sippe
3u ©efanbten ernannte , meldje mit ben 9iieberlänbem ein Slbfommen ju ber=
mittein tjatten. 9lls biefes Unternetjmen aber ofjne ben geroünfcrjten Erfolg
blieb, ba trat *ß. toieber in ben Äriegsbienft unb befanb fiel) 1593 auf bem
3uge nad) ber £)ife unter 9ttansfelb ftets in ben borberften üteitjen. «Später
mürbe itjm bie felbftänbige äöegnatjme bes Sdjloffes 9leuüiEe übertragen. 9Jlit
nur jmei beutfcrjen 9tegimentern, jjmei päpftlicijen Sctjmabronen unb jmei Kanonen
ofrne Munition magte es ty. , bie 2lufforberung pt Uebergabe ju ftellen. 2lucf)
an ben nädjften jmei gelbjügen fott er fo ausgejeicfmeten 2lntc)eil genommen
tjaben, baf$ ber probiforiftfje ©enerat=©ubernator ber 9Ueberlanbe, ber manncjafte
©raf guentes, fictj 5ß. jum Begleiter unb 9lebenmanne erlor, als er im Dctober
1595 jein Sßolf jum ^auptfturme gegen bie bor Gambrai gelegte Srefdje fütjrte.
Bei biejer auf neueren gorfctjungen berurjenben Eingabe mufj aber angenommen
merben, es feien bie 5ftittr)eilungen irrig, melcrje 5ß. im $. 1595 bei ber Sin»
natjme ber Befte ^octjern (Zobern) unb beim (Siege bon ©ran am 4. Sluguft
trjätig erflären. ©emifj ift bagegen ^emftein's boranteuctjtenbes Behalten 1596
bei $eresates (tateinifcrj Agria) am 23. unb 24. Dctober , ' melcfjer Ort längere
3cit Ijinburcr) bon ber ©efcr)ictjtfcr}reibung mit 9lgram bermectjfelt tourbe. S)ort
t)at er als gelb^eugmeifter unb nact) bamaligem ©ebrauctje SHrector aller ©e=
fcrjütje unb Äriegsmafcijinen mit toieler Einfielt unb Äriegserfacjrung geroirft unb
jum günftigen Ausgange bes erften ütages roefenilicf) beigetragen. 9coä) tjeibor*
tretenber war aber feine SEIjatfraft unb Unerfct)rocfenf)eit am ameiten Sage bei
bem mifjglücften 35erfucf)e , bie burct) Beutegier boEfommen in Unorbnung ge=
ratljenen Scrjaaren im Berein mit ^ßalffrj unb bem 9Jtarfgrafen bon Burgau ju
fammeln unb ben neuerlichen Angriff ber Surfen abjumeljren. ©ine befonbere
Erinnerung fnüpft fidj ferner an feine £t}ätigfeit im gelbjuge 1597, mätjrenb
melcrjem er bei 2)otis am 19. 9Jtai bie iljm in ben 9tieberlanben befannt ge=
toorbenen ^etarben in 2lnmenbung brachte, ber dürfte auf ber Sturmleiter ftanb
unb ben ^afctja fammt beffen 2lnget)örigen ju ©efangenen machte. Seit biefer
3eit foüen auct) bie ^etarben „s^ernftein'f(j§e SJlafdjinen" genannt roorben fein;
nact) anberen eingaben berfertigte jebod^ biefe S5orricr}tungen ^um Sprengen bon
Sttjoren ber faiferliclje gelbjeugmeifter unb Slrfenalbirector ju SCßien ^orjann
Gilbert greiljerr bon Sprinjenftein unb famen biefelben erft 1598 bei ber 6r=
oberung bon 9taab in 2lnn)enbung. 3ln biefem Kampfe l)atte aber $. feinen
2lntf)eil meljr; er fiel getroffen bon einer 30pfünbigen «Stüdffugel fcljon ben
29. September 1597 bei Otaab gelegentlich feiner täglichen S5tfitirung ber 23e=
lagerung^arbeiten unb mürbe fein Slbleben im ganzen Sanbe tief betrauert. üDenn
mit $. erlofcrj für bie näct)fte 3eit ber altes förbernbe Unterner}mungsfinn im
Speere unb berloren mar ber ©influjj, ben er felbft in ben bebenftidjften Sagen
auf bas 2lusr)arren feiner Sc^aaren ^u netjmen roujjte. 3fa, es mürbe fogar bie
Belagerung bon Ütaab aufgegeben, metcrje jur ©ictjerung bon SBien unb ber
faiferlidjen ©rbftaaten unternommen roorben mar unb in $., bem fcrjarf finnigen
unb füljnen Streiter gegen bie Stürfenbebrängniffe, iljren eifrigften Vertreter
l^atte.
Scrjmeigerb, Defteneictjs gelben unb ^eerfütjrer. 1. Xf). Seipjig 1852. —
SBolnt), 2af(fienb. f. b. ©efdj. 9Mtjrens ic. S3rünn 1826. — Jpormat)r,
{$90 fettet — $evfiu8.
lafdjenb. f. b. üaterl. ©efd). 2Bicu 1827. — (Srfd) u. ©ruber, 2111g. Snctj»
flopäbie ic. 3. ©ect. 17. If). ßetöjig 1842. ©d).
Zerret: $obocu3 $., ^ejuit im 17. ^arjrljunbert, öeröffentlid)te ..Epitonie
philosophiae recentioris", 9Mndjen 166B, „Placita veterum philosophorum" ,
Siltingen 1671. fteufd).
}>crfd)fc: Gtjriftian ©ottlieb X'- warb ge6oren 1756 ju ^nfterburg
in ^reufjen, üorgebilbet auf bem öribericianum 311 Königsberg unb bem ©nm=
najium 5U Sandig, [tubirte in ©öttingen 5£t)eoIogie unb ^Ijilologie, mürbe 1777
£ei)rer in Kloftcr Serge bei 'DJcagbeburg , mufjtc aber biefe Stelle nieberlegen,
ttJeit er öon feinen Safeboro'fdjcn pt)ilantr)vopiniftifd)en ©rillen nidjt laffen mottle,
^tadjbem er eine $eit lang in sDcagbeburg als ^rioatgelerjrter gelebt , warb er
1780 ffiector einer ©djule ^u ©ulau in Dberfdjtefien. 1782 errichtete er eine
neue Sef)ranftatt au SBeiffig. 3luf bem Titelblatt feines Söerfes über «pfalm 110
(f. unten) nennt er fiel) „Ütattj u. ^rebiger" (1788). SBotjer bieje ^räbicate
flammen, mar für uns nidjt ju ergrünben. (£r ftavb am 16. 5löril 1808. —
@r fdjrieb ein ßefebudj für Kinber in fedjs Sänben , betitelt „ber 3fugenbbeob=
achter", 1776—1780; ferner üeröffeutlirfjte er 1779 feine in Ätofter Serge ge=
tjaltenen 9teligionsborträge , aufjerbem eine Schrift über ben Stfjeologen
&. 2. 3acrjariae 311 ,ttiet 1777, aa'tjlreidje ^luffätje im ^Dtattljiffon'fdjen gfrei*
benfer, 1781, eine „Drtrjometrie" für foldje, roctd)e bie SIbfidjt tjegten, 2>idjter
3U roerben, 1808 (erfdjienen aus feinem sJtad)laffe). ®ie SBiffenfdjaft bes Sitten
Ücftaments nerbanft iljiu einen Gommentar über ben ^roptjeten imbafuf nebft
beutfcrjerUeberfetiungl777,roeld)ernunmel)r3ur5!Jtafulaturr)erabgcfuntenift. 2tufjer=
bem üeröffentlidjte er eine üolemifdje ©djrift gegen sDceubetsfot)n's Auslegung
bes 110. ^falms nebft $errn ^rtebfänbctö Gommentar barüber, 1788, in met=
djer er 9Jtenbclsfol)n's tjiftorifdje Deutung bes ^3fatm§ auf bie (Srbauung öon
ftabba (ügl. $f. 110, 6; 2. ©am. 12, 26-31) üermarf unb bemfelben eine
meffianifdje Se^ieljung gab (ügl. tjieju Sidjtjorn , allg. Sibl. ber bibl. ßitt.
Sb. 2. ©. 349—351). — ©onft f. allg. (Sncttft. III, 17, ©. 291, mo aud)
bie genauen 2itet ber übrigen ©djriften unb in Slnm. 8 anbere biograüljifdje
Cuellen angeführt finb. 6. ©iegfrieb.
^erjutö: Sfriebridj ßubtoig^., Slrdjiteft, mürbe am 15. fyebruar 1803
3U sl>otsbam geboren unb ftarb bafelbft am 12. Suli 1845 als Dberbauratt),
'DJlitglieb ber £)berbaubeüutation unb .gjofardjiteft bes Königs griebrid) 2öil=
tjetm IV. S)ie mätjrenb feiner fuqen Sebensbauer entftanbenen Sauten unb
©ntmüric bezeugen ein energifdjes ©treben, begleitet öon einer gefunben unb
üornefjmen Kuuftanfdjauung. 2)en ©runbjug feiner fünftlerifdjen 2t)ätigfeit be=
ftimmte ein öormiegenb malerifdjes Ijkincip. ^m eigentlid) ardjiteftonifdjen
©inne folgte er im SInfdjtufj an bie burdj bie Slntife überlieferten Sau'ormen
unb ©djmudbetaits ber burd) ©djinfel öertretenen 9tid)tung bei fteter Serüd=
fidjtigung moberner 3werfe. SGßo ba^ SCßefen ber Aufgabe, ber SBiüe be§ Sau=
Ijerrn ober ber (Stjarafter ber ©egenb e£ gebot, tiefe er aud) ben Gnnftufj anberer
43auftite, altdjriftlidje ober romanifd)=itatifd)e , gottjifdje unb 9tenaiffancc=9Jlufter
gelten, beren ^»auptelemente er in mannigfachen (Kombinationen ju öermertb^en
öerftaub. 9cod) in jugenbtid)em Sllter übernahm fy. feit 1821 nad) ©djinfel %
Entwürfen bie 3Iu§füc)rung be§ ©djlofj= unb ßirdjenbaueS auf ben ©ütern be§
©rafen 5Potodi bei $rafau. 5ßon bort nadj feiner £)eimatf) jurüdgeferjrt, leitete
er feit 1824 ttjeil§ nadj ©djinfel^, tr)eil§ nadj eigenen planen bie bautidjen
Anlagen p Ätein=©lienife , SabetSberg unb ßtjarlottenrjof. Site begeifterte
Äunftliebe be§ &önig§ ftetlte bem jungen Saumeifter eine 9teitje neuer 2luf^
gaben. ?p. mürbe auf bem ©ebiete ber 3lrdjiteftur balb ber Sertraute unb ftetS
$«fiu§. 391
e
aetoanbte «Boüfttedet bei- 3been feineS funftfinnigen fcettn. Sin grofceieS Snteiefl
als feine «Botgängei toanbte ftiiebri* 2Bitrjelm IV. bem ßti*enbaue au. Gr beam
traatc sunä*ft SB. mit bet Ausarbeitung bet ©*inferf*en Gnttoütre tut ben übet
bet Äteuaung aujfteigenben t)ot)en Kuppelbau bet «Ricotai=©tabtfti*e m «BotS*
batn mit bet geeigneten Abänbeiung, bafe bie (Selen beS Unterbaues öerltarft
mürben. Angeregt bur* ben Sefu* Stalten* fafcte bet Äönig eine befonbere
«Borliebe für bie fjorm bet alt*tiftti*en SBafüifa. @tne tn bet ^httittf*en £>al=
tuna bettoanbte Anlage ift bie 1841 bon SB. begonnene etnldjimge Ältere ju
©actoto bei «BotSbam, ein «BacEfteintofjbau mit «oitjo'f anläge unb offener- ttngS
um bie ganäe &ir*e fi* jiefcnbet 56oget*alte, toet*er fi* mit bem ■Witten
©tocfent^iim maleiif* an bet meiten 2öajierfläd)e bet §£*£.«***■.*«
2iebtinqSf*öpfung Stieb«* äöittjetm IV. ift bte 1845 am fuboittt*en fcnb^be*
«Batted bon ©anSfouci ertötete neue 3tiebenSfii*e, beten (Sntwutj tn leinen
aMcfli* getroffenen «Dtaaisbeirjättniffen ben geläuterten ©ef*macf be§ Wet|ierS
Leuqt. SDie Anlage beS Innern toeift auf baS «Botoitb bet alten 93a|tttfa bon
© Elemente in 9tom fjtn. «mit bem gefonbetten £tmrme unb bem bur* bte
btaftif*en ©ruppen bon Drau* unb 9tietf*el gef*mücften ©äulenatrtum, mit
ben «Bogengängen tängS beS SBaffetS unb einem 3meiten fpäter rjtnjugeTugtett
öof mit fiatle, ben Söofmg-bäuben unb einem (SingangSttjor btlbet bte gtiebenä«
fir*e in ftimmungSbotler tanbf*aftli*er Umgebung eine fjarmontf* tn u* a^
qef*loffene mannigfa*e ©ruppe bon «Baumelten. Au* feine jbee ju einem
m'oteftantif^en Borne in SBetlin liefe Stiebti* «ctm IV. but* SB. ^ntttetjn.
«Bon «Btof anbauten leitete «B. jeit 1840 untet bet ftegteiung be]fetben
Königs ben (SttoeiteiungSbau beS ©*(offeS 3" ©anSfouct, forme ben Um= unb
Neubau bet 3uget)ötigen «Jtebengebäube für bie .öof^attung Jet tetetjet unb
ftattti*er enttoicfelte 2f)eit beS ©*toffeS auf bet roalbtgen «n^otje bon 33abeI8=
betq toel*ei bon bem utfptüngli*en «plane ©*infet§ abweist, toutbe na* ben
SßetWfcfien Riffen, jebo* in ftiliftif*er Uebereinftimmung mit ben bereits au§=
aefübrten Partien bur* ben «Baumeifter ©ottgetreu ausgeführt. _ gur bte
nnniqe Belebung bet Sanbf*aften but* Sauten betftanb SB. ganj tut ©etfte
©*intel'S fottjumitfen. ©eine etfinbungSrei*e, fi* ben gegebenen Söet$altmtfen
leiefet anf*miegenbe Auffaffung ermöglichte irjm bte fünftlenf*e Umgeftaltung
fetbft öetaltetet gotmen in bie eleganteren baulichen <5tf*einungen , tote u. a.
bte £ofgärtnet ©eOVf*e ©ienfttoofmung unb bie ÄabinetS^aujet ju ©anSfouct
W-ei*e gebauten, 3. 35. bie im bottigea SBitbpat! maleiif* gelegenen
«Normungen bet ftöiftei, fteinete Sanbrjäujer im neuen ©arten unb bte am
äufteiften ®nbe beffelben umgebaute «Dietetei in engltfct)=gotf)tf*em ©ttte, fomte
bie teiAüotten fyafanetiegebäube ^intet (^attottenW wurben öon^- 0m &£*:
lidier Abmec£)§tung mit forgtic^em ©efcl)macf in ben «Rahmen bet 8anbl*ait
eingepaßt, ©ut* Anmutfi unb ebfe «Bettjättniffe finb ferner bte «emeten SSau=
roeife bon SB. befonberS anste^enb , röie bie na* bem *oragtf*en «monument
beS ßuRfaateS componiite „«Rotunbe" bot bem ©*tofe 3U ©tientte mrt)tete be=
beefte «Rutieplä^e, Duelteneiniaffungen, Sauben unb Srjoietngänge. Au* baS an
ben Ufern beigäbet, in bet «Mfje beS «BabetSbeiget ©*tofie§ gelegene ©ampf«
ntaf*inenl)auS in mautif*em ©til, bem fi* in günftiger ©rupptrung ein ^urm
mit bem SSaffemferboir unb eine ©ärtnerroofmung anf*ltefeen, lomte baS toeitet
im Smtetn be§ 5Barte§ gelegene «)Jlatrofen^au§ unb mehrere als mWÜ*
«Bauten *arattertfitte gjtititdtmagajine am ^ufee beS «BrauljauSbergeö bei «Botö=
bam finb na* planen üon 5B. erbaut, ber fogar für Autgaben, tote bie bereits
bon ftiiebti* b. ©t. beabft*tigten gtofeattigen ^ontainenantagen tn ben ©arten
öon ©anSfouci unter SSeiratt) bon Seit, bie paffenbe Söfung lanb. 3" laft
392 ^crjono — ^Serttjater.
fämmtlidjen nadj feinem lobe unter ber Dtegierung 5rieot^ SBüljelm IV. in
bet Umgegenb üon ^otßbam nod) jur Slusfüljrung beftimmten Sauten, nameut*
lief) aud) für bie £>rangerie--®ebäube -m ©anefouci, tjatte 5ß. bereits merjrfad)
s$täne unb ©fi^en aufgearbeitet. Sor allem aber bilbete s$. bie Sillenarcb>
teftur im ©inne ©djinfers roeiter. fobaß feine baulichen Anlagen mit ber nädjften
Umgebung auf eine finnige äöeife in gegenteilige Se^ierjung treten. £)ie auf
Weiteren Sebensgenuß gerichtete Saumeife, roie fie in bem leidsten unb anmuttjigen
Sittenftil ber itatienifdjen 9tenaiffance jur Slnroenbung gelangt ift, biente irjm
naturgemäß als Sorbilb, roobei aud) s]Jtotiüe, meldte bas antife 2Bo]l)nt)aus ber
®ried)en unb Körner barbietet, jur ©eltung gelangten unb namentlich bie 3In=
beutungen bes jüngeren ^linius in ber Sefdjveibuug feines Suscum unb Sau*
rentianum jum £f)eil maßgebenb maren. Seifptele berartiger Sauten bon $.
finb u. a. bie Sifla ^afobs unb bie reicher gruppirte Silla ©djöningeu an
ber ©üenifer Srücfe bei 5ßotsbam.
3n Sertin erbaute 9ß. auf Anregung 2rxiebrid^ äöitfjelm IV. bas befannte
Ärott'fdje (Stabliffement an ber SBeftfeite bes Äönigsptatjes im Tiergarten (nad)
bem Sranbe üon 1852 üon 6b. £ietj neu erbaut) unb mehrere ^riüattjäufer.
2tud) bem üon ©tein 1845 — 1847 ausgeführten Sadfteinbau ber $ird)e üon
Settjanien, einer fteinen breifctjiffigen ©äulen= unb 5ßfeiler=Safitifa mit -gjofäbetfe
unb atoci (Jmporen liegt eine ^eic^nung üon s$. ju ©runbe. ©eine £l)ätigfeit
mar enblid) für mannigfadje Sauten auf ben Sefijjungen bes ^rinjen ft-iiebrici)
ber ftieberlanbe , bes dürften *)3üctter=9ttusfau u. 2t. in Slnfprudj genommen.
Son einer Äunftreifc aus Italien im ^rürjiarjr 1845 rjeimgefeljrt, fetjte ein
früher Job feinem inr)altsretd)en Seben ein 3^-
Äönigt. üriüitegirte Serlinifdje 3eitun9 bon Staate unb gelehrten
©adjen. 1845. 9ir. 162. 15. 3fuli. StrdHteftouifdje Entwürfe für ben
Umbau üorfjanbener ©ebäube, tjrsg. üon 5jtaftus. ^otsbam 1843. — 5IÜg.
Sau^eitung, reb. u. tjrsg. ü. Gtjrift. ftriebr. ßubro. ftörfter. 10. ^afjrg. 1845.
2Bien. ©. 275- 284 u. 344—359. — SUfreb Söoltmann, bie Saugefd)td)te
Scrlins bis auf bie ©egenmart. Stalin 1872. — Sertin unb feine Sauten.
|>rsg. ü. 2lrd)itetten=Serein ju Sertin. Sertin 1877. ü. 2)onoü.
^crfoiia: f. (sjobclimiS, Ä. ©. S. ix, 300.
s}kvtl)alcr : Colins Sltois $. mürbe am 31. October 1816 im Sörfdjen
Clang im <ßuftertf>ale geboren, roo fein Sater bie Stelle eines f. t. 2)iftricts=
ar^tes befleibete. ßefeterer mürbe im ^arjrc 1S27 in gleicher (Jigenfdjaft nad)
3Jlurau in ©teiermarf* üerfetjt, fein ©olm -gmnns aber trat 1828 in bas ©rjm=
nafium ju ^ubenburg, mo er fid) balb burd) feine außergeroörjntidje Segabung
bemerkbar madjte unb über ben Äreis ber (SJümnafiallerjrgegenftänbe fjinaus auf
bem ©ebiete frember ©pradjen unb ber ©efctjidjte fieb^ $enntniffe ,^u ertoerben
trachtete. Sine ungemein poetifd) angelegte 9latur, begeifterte er fid) an bem
Sorbitbe beS S)id)terfe ber ^WQenb , ©dritter, unb oljne ben ^auptmeg feiner
eigentlichen ©tubien au§ bem 2luge ju üerlieren, erging er fid) auf romantifdjen
©eitenpiaben ber ^oefie. 9tacf) auige^eicrjneter 3lbfolüirung ber tjumaniftifd)en
ftäcb>r im ^ab,re 1835 oblag er in ^nnäbrucf bem ü^ilofoüfiifc^en unb juri--
bifdjen ©tubium, meldje§ er üom |>erbfte 1838 an in Söien fortfe^te unb bafelbft
1840 beenbete. 6§ ift befonber§ erroärjnenäroertf) , ba§ ^ß. üon «pauä aus an
^äßigfeit unb beferjeibene Serb^ältniffe gembb^nt, fieb^ mäljrenb feiner 2ef)rjaf)re
unb aud) noer; fpäter ber größten ©infacfjcjeit befliß, orjne fid^ rjierbei üon
fröb^lidjen unb ,}ugteicrj litterarifdjen 3ufammenfünften gteictjftrebenber £anbßteute
auejuf fließen. S)ur4 fie angeregt, üotlenbete er im Mre 1839 eine Sragöbie
„5lriftobem" unb bas ^afjr barauf bie 9loüette „gjleeresteudjten". ©eine
^ertfjaler. 393
©tubien au Enbe ber 30er unb ju Anfang ber -40er $af)re finb inibefonbere
ptjilofoptjifcrjen unb litterarifctjen Gtjarafteri, unb es !ann mol behauptet Werben,
bafj itjm mit Slusnafjme ber mebicinifcfjen unb reaüfti^en ©tubien fein ©ebiet
bei menictjticfjen 2Biffeni öollfommen fremb mar. °$n bem juribifdjen ©tubium
fut^te er öor 2ltlem bas tjiftorifc^e Moment auf , unb in biefem (Sinne gehörte
er ;ju denjenigen, roeldje mit Vorliebe auf bie ibeate 2luffaffung ber 9tecr)ti=
miffenferjaft tjinroiefen. 5Daju rjatten ib,n eben feine pl)itofopt}i|cf)en ©tubien
gefütjrt, meiere bie tjerrtidjften Üeime meeften, bie in ber fo fctjön angelegten
©eete bes ^ünglingi fdjliefen. Um balb auj eigenen güfjen fielen au fönnen,
entfdjlojj fid) ty. 1842 aur Stbbocaturprarii unb trat ali Goncipient in bie
Äanatei bei SIbüocaten Dr. Subinsfö, ein. 3n bemfelbcn ^arjre erfaßten feine
erfte jurifttfdtje ©ctjrift „lieber gamitie unb unetjelid^e Äinber". Unmittelbar
barauf folgte bie sroeite: „Sin ©tanbpunft aur 2)ermittetung focialer 9Jtts|"tänbe
im gabriisbetriebe". 1843 bie Srofdjüre: „9tedjt unb ©efcrjtctjte au* enctiflo*
päbifdjen Einleitung in bai ©tubium ber iuribifcb,=politifct)en Sßtffenfdj arten".
Siefe ber juribifetjen gacultät öorgelegte Slrbeit, über meterje ftd) ber ^Referent
Slnton f5freir)err öon iptje — ein ©egner .Ipegeli, öon beffen ©eifte jeboeb, ^er=
ttjatefs ©djrift erfüllt ift — in anerfenneuber Söeife äußerte, tjatte jur ftolge,
bafj 5ß. bie Srlebigung ber fcrjriitlicrjen fragen betjufi Erlangung bei 2)octorati
erlaffen mürbe, meiere Söürbe er am 30. 2>ecember 1842 ertjielt. S3alb einei
ber tjeröorragenbften 9Ritgtieber bei juribifctj=üolitifcrjen Sefeöereines geroorben,
trat 5ß. Anfang 1846 aueb, ber juribifdjen gocultät unb ©ocietät bei unb
lieferte in biefem äöirfungif reife mandje mertfjüotle arbeiten. 2)ai SJatjr 1848
warf itjn jeboer) mit einem 9Jtale in bie kämpfe bei politifctjen Sebeni; unb
öon ba an rjaben mir ei nid)t metjr mit bem 2)icr)ter, bem *pf)itofopfjen unb
bem fünften, fonbern mit bem Patrioten ^ß. au trjun. Unb jetjt erft begann aucr)
feine publictftifcrje Stjätigfeit roirflicfje Sebeutung au geminnen. (Söien. 3eitung:
„Ueber Defterreidji 2BeltfteHung unb über bie öfterreicfjifcfje ^arlamentifrage
öom grüfjjaljre 1848.") SJocb, toie ty. in ebler Segeifterung unb eblem 2b,aten=
brange ben 13., 14. unb 15. 9Mra ali „bie größten 2age in ber Sejd)icf)te
Defterreidji" pries, ebenfo erregten bie ©räuel bei 6. October in feinem £>eraen
unfäglictje Entlüftung. $Rit ©tola t)atte audj er bie Uniform ber Dcationalgarbe
getragen — jetjt toarf er fie öon ftdj unb öerliefj an bem Sage, an meldjem ber
ßriegsminifter ©raf Satour fjingemorbet marb, bie ©tabt, um in ifjrer *ftäf)e ben
Ausgang ber Octoberbemegung abautoarten. ©egen Enbe 1848 legte •$. mit
Slusaeictjnung bie Slböocatenprüfung ab, bennodj manbte er fiefj nidjt einer felbft=
ftänbigen ^raril, fonbern bem ©taatöbienfte au, unb mürbe Anfang 1849 öom
Suftiaminifter Stteranber 33ad) als 5}Hnifterialconcipift angeftellt. Snatotfcfjen
^atte ber grantfurtcr 9lei(^ötag äu t^tn begonnen, melcrjer 5Deutf($lanb eine
neue SBeriaffung geben foUte. 2In biefem großen SBerfe mitaub.etfen , ging nun=
met)i 5pertl)aler-5 ©innen unb £racrjten, unb feine Semütjungen , ein l^anbat
au erlangen, maren infofern öon Erfolg begleitet, als er öon ber äßiebener
©etneinbe aum Srfatjmanne bei Dberften grana öon 9)car)ern gemäfjlt mürbe.
Se^terer reftgnirte auf feine ©teile unb 5ß. reifte Enbe Januar 1849 nactj
granffurt, um an ben Serattjungen bei ^artamenti 2l)eil au netjmen. 3fn
biefem neuen 2Sirfungif reife öerfafjte *>#. eine ©ctjrift „£>ai ßaifertrmm Ätein=
S)eutfc£)tanb", meiere gegen ben SBetcter'fdjen Antrag gerietet unb öon ben
Sbeen ber gro^beutfcfjen Partei getragen mar. Sie Tcationalöerfammlung ging
refultatloi auseinanber, unb ip. trat Enbe sllcai 1849 abermali ini 3uftij=
minifterium. Salb barauf mürbe it)m ber Unterricht in ben ftaatsred^tlicrjen
SBiffenfc^aften bei ben Srafjeraogen gerbinanb l^cay unb Äart Subroig, Srübern
bei Äaiferi, übertragen. 21m 19. Sluguft 1850 mürbe er ber ©eneralprocuratur
894 Ikxttyi.
a(§ ©taatganroaltfubftitut augenüefen. 9llg am 18. gebruar 1S53 $aifer granj
Sofepr) einem rud)lofen Attentate faft jum Dbfer gefallen märe, toar e£ eigentlich
5p., ber 3m ©ütjne biefeö grebetg ben 33au einer 33otit>ftrcf)e anregte, tt>c(d)er
©ebanfe bei bem Sritjcrjoge 9Jloj fofortige begeifterte Mufnafjme fanb. 3fn ber
2f)at mürbe 5}}. 3um ©ecretär bei ilirdjenbaucomit^g ernannt. 3Iugn[t 1854
erhielt 5p. £itel unb Stang eineä 8anbe£gerid)tgratt)e§, unb balb barauf erfolgte
feine Ernennung ,]um ©taat§prüTung§commiffär für öfterreidjifdjeg ßitdjenrecrjt.
5Dtai 1857 trat 5p. ai% SJtinifterialfecretär in ba$ 5Dtinifterium beä Innern über,
boct) beftimmte ir)n ber Äaifer tjierbei auebrürflid) jur üDienftteiftung bei bem
©eneralgouberneur bon Üonibarbo=2)enetten( ßrjtjeraog gerbinanb "OJlar, mit bem
itm injroifcfjen aud) freunbfdmftlidje 93anbe betbunben Ratten. 2lm 19. 5)Jtai 1858
rüdte er pm ©ectionörattje bor unb am 22. sUlai bc£ nädjften $al)re£ rourbe
er jum Dber(anbeägerid)t£ratf)e ernannt, in toctdjjcm Stange er big ,}um @nbe
feine§ Scbenä blieb. 9iufjcr ben amtlichen $uftijgefdjäften roibmete fid) 5p. in
biefer feiner Stellung audf) ftaatSmännifdjen Aufgaben , fo ift ba§ am 20. 2)e-
cember 1860 erlaffene 9tunbfcr)reibeu be3 ©taat£minifter§ 2lnton Stitter üon
Sdjmerting an bie ßänberdjefg burd)gef)enb£ eine 2lrbett 5pertb/aler'§. SDie Söer=
faffuug§arbeiten, roelcrje 5p. entwarf, tjatten jux ^olge. bafj er im Januar 1861
3ur aufjerorbentlidjen SDienfteälciftung im ©taatsminifterium auf ein Sfatjr be=
urlaubt rourbe. Unb in biefem , feinem neuen unb eigentlichen Söirfunggfreife
fteßte 5p. fo feljr feinen 5)Jtann, bafj ©cfjmerling an bemfelben Sage, an rocldjem
bie SBerfaffung publicirt rourbe — 27. Februar — i{jm „ber au biefem Söerfe
einen fo entfdjeibcnben Slnttjeil genommen, au£ bolter Seele unb au§ roarmem
Im-jen" bafür banfte. 35er $aifer felbft öerttet) itjm in 5}lneifcnnung feiner
Skrbienfte, am 8. 5ütai ben Drben ber eifernen törone. %m 5)iad)laffe 5pertt)aler'£
finben fid) ©djriitftücfe, roeldje barauf rjinroeifen, bafj er ber 33erfaffer folgenber
arbeiten roar, bie bie 93erfaffung£reform ,jum 2?ntmtte tjabcu: ^toti^en unb 3U=
fammenftellungcu über bie ftinanjfrage. — 2)a§ faiferlidje patent bom
26. gebruar 1861. — S)ie faiferlidje £t)ronrebe bom 1. 5)Jtai 1861. — 2)ie
9tebc be£ dürften Sluergperg als ^räfibent be§ -gjerrentjaufeg. — 5Dte faifertidje
52lutroort auf bie s2lbreffe be§ Stbgeorbnetenrjaufeg nad} ber Xtjronrcbe. — @in
Gmtrourf ber faiferlidjen Stebe an ben 9teid}Stag. meld)c bie Spaltung be£ ungari=
fd)en ßdubtageS betrifft. — 5)JUttt)eilung be3 StaatSminifterS an ben 9teid)§ratl)
über bie 2tuftöjung be§ ungarifcfjen ßanbtageä. — .gmnbfcrjreiben an fixan^
£6af über ba* ißerl)ältniB 6roatien§ ^u Ungarn. — 2lbreffe be§ ®efammt=
minifterium§ an ben .Slaifer gelegentticrj ber Ueberreidmng beg 33crfaffung§=
entmurfei. — inmitten feinet unermüblicljen Strebend unb pflicfjtgetreuen
Söirfeng ereilte 5p. am 11 iHärj 1862 ber £ob , unb Defterreid) öertor an
ifjm einen 5Utann, meterjer feine letjtcn Äräfte baran gefegt tjatte, feinem 9?ater=
lanbe ein berläfjtidjer Reifer, feinem Äaifer unb -£>errn ein treuer SÜener
ju fein. ©d) litt er.
^crtljeö: griebridt) ßrjriftoptj ip., einer ber tjeröorragenbften unb ber=
bienftüoUften beutfcfjen ^3ud)l)änbler be8 19. 3arjrf)unbert§, rourbc am 21. 2tpril
1772 3u Ütubolftabt geboren, ©cfjon früf) lernte er bie 5)totf) beä Seben§ fennen,
ba er balb feineu Skter, ben fcf)roar<}burg=rubolftäbtifd)en ©teuerfecretär 6t)riftoprj
yriebrid) 5p., öertor unb feine 5Dtutter mit ttjrer geringen 5penfion bon 21 fl.
jätjrlid) ifjre Äinber nur aufä fümmertid)fte ernäf)reu fonnte. 6r befanb fict) beö=
^alb juetfi bei feiner ©rofjmutter unb bann, nad) bereit £obe, bei einem 23ruber
feiner Butter, bem fürftlidjen ©tattmeifter ^riebrid) ^»eubet. S)iefer, ein eifriger
93erer)rer beg claffifdjen 5}I(tertr)umg, roar eben bon ber Uniberfität jurütfgefefjrt,
alg fein ftebenjärjriger 5)teffe ju it)m in§ ^)au§ fam. .frier empfing er ben erften
llnterticfjt, ber fpäter bon !pauslerjrern berfduebener abeligen gamitien fortgefe^t
5ßextfje§. 395
rourbe. s3ladjbem er nocfj einige 3eit an oem Unterrichte ber fürftlidjen $agen
tfjeügenommen tjatte , tarn ^. mit feinem atoölften ßebenSjatjre in baS 9hibol=
ftäbter ©rjtnnafium. ©cringeS ©pracfjtalent , fcrjmadjeS 3a^enQebäct)tni^, babei
eine überaus lebfmfte 5pt)antafie, bie burdj eine roarjre Sefefudjt genährt mürbe,
erfctjmerten eine regelrechte Aneignung bon Äenntniffen, fo bafj ty. nicfjt 3U ben
Sctjütem gehörte, roetcfje eine grofje 3ufunft berfpradjen. 2)iefe eigen tt) umlief) e
©eifieS* unb ©emütfjSbilbung tjätte ifjn 3um Träumer roerben laffen muffen,
teenn er nictjt burct) einen narjen SSerroanbten feiner 9Jiutter, ben Dberfttieutenant
unb ßanbbaumeifter auf Sdjlofj ©djroaraburg ^ofjann 5Dabib -gjeubet eine anbere
9ticf)tung befommen blatte, üDiefer 9ttann roecfte burct) bieten 23erfef)r in freier
9iatur bie in bem Knaben fcfytummernben (Jigenfcfjaften unb ftäfjlte <jugteicf}
beffen fteinen fctjmäctjlictjen Körper. 9lact) 5pertt)eS' Konfirmation, mit 14 Satten,
mufjte ein SSeruf für itjn geroätjtt toerben: itjn ftubiren ju taffen, mar unmög=
lief), Kaufmann mottle er nictjt roerben, ba nun ber jüngfte 33ruber feiner 33aterS,
SuftuS *p., $ertagSbuct)f)änbler in ©ottja mar, fo badjte man an biefen 33eruf.
6r mürbe beSfjalb 1786 bon einem 9htbotftäbter 23uct)brurfereibefifeer jur 9Jteffe
mit nact) Seip^ig genommen, um bort einen Sefjrfjervn für it)n <ju finben. ftaef)
einigen bergebüctjen Söerfuctjen erftärte fict) enbticf) ber Seidiger 23ucf)f)änbter
5lbam griebrief) 53öt)me unter ber 23ebingung baju bereit, ifjn als ßeljrling an*
junetjmen, ba£ ber förpertict) fcfjroacf) entroicfelte Änabe, ben man noef) nictjt
jum arbeiten gebrauchen fönne, noef) ein ^afjr $u «paufe bleibe. ©0 trat er
bann am 11- September 1787, obgleictj fein SöacfjStfjum ingtoifcfjen feine großen
gortfcfjritte gemacht fjatte, feine Setjraeit an, bie fectjS $afjre bauem follte, meil
er fein ßetjrgetb entrichtete. Sein Sefjrfjerr, ein berftänbiger, reblictjer unb fitt=
liefj ftrenger, babei gutmütfjiger aber in fjofjem ©rabe iätjjorniger 9Jtann fjiett
ifjn fef)r- ftrenge, fo bafj fogar feine ©efunbtjeit barunter litt. Obroofjt er in
ben erften anbertfjalb Sßfj^n nur %u meefjanifetjen Slrbeiten berroenbet mürbe,
fo lernte er 'bti 23ötjme , ber ein ausgebreitetes ßommiffionSgefcfjäft befafj , bie
fitterarifcfjen 33ebürfniffe ber berfcfjiebeneu ©egenben 5Deutfcf)lanbS fennen, unb
mürbe fjier ber ©runb ju s$ertfjeS' fpäterer 33ebeutung für ben 33ucfjfjanbel ge=
legt. S)a er in bem SSerufe, in ber Söeife mie er if)n erlernen mufste, feine
53efriebigung fanb , fo mürbe fein lebhafter ©eift jum Stubium angeregt. @r
mollte juerft Sprachen erlernen, meil itjn aber feine Slrmutf) fjinberte, einen
Sefjrer ju nefjmen, fucfjte er burefj ßefen pfjitofoptjifdjer Schriften ^enntniffe unb
SSitbung fiefj anjueignen. 51ac§ Sßollenbung feiner 2el)räeit, im 3Jlai 1793, berliefj
5J}. Seipaig, um in Hamburg in ber 35. ©. ^offmann'fctjen 23ucfjl)anblung (f. 51. 25. 33.
XII, 573) al§ ©efjitfe einjutreten. §ier fanb er burct) reidjlidjen SQexfetjr mit
gebttbeten Seuten ©elegenfjeit, fiel) geiftig unb fittlictj meiter 3U bilben unb §um
großen Sfjeit bie Surfen feiner J?enntniffe auSpfüllen. 9lm 11. Suni 1796 eröffnete
er, ber orjne jeglictje bittet mar, mit Jpttfe einiger greunbe in Hamburg eine
SortimentSbuctjrjanbtung unter feinem tarnen. S)urcf) feine 9tüljrigfeit unb
2ücf)tigfeit, bie ficr) befonberS in bem ricfjtigen ©rfennen beS 23uct)ljanbetS unb
feiner Sebütfniffe äußerte, ermarb er fief) nict)t nur in fur^er 3^it einen äiemtief)
auSgebefjnten ÄreiS öon Äunben, fonbem auefj öon greunben, bie in liiterarifcr)er
unb miffenfctjaftttdier Sejiefjung fjodljbebeutenbe tarnen trugen, griebrief) ^einrief)
^acobi, sJ}lattfjiaS 6laubiuS, bie beiben ©rafen ©tolberg, beren Scf;mefter
Slugufte u. 21. aäljlten 3U feinen guunben in ber Umgebung Hamburgs, mäf)=
renb im IJJlünft erlaube ebenfalls ein treuer gmmbe§lfm§ fief) bitbete, beffen
^littetpunft bie gürftin ©allein mar. S)urd) feine greunbfdfjaft mit 9Jtattf)iaS
SlaubiuS mürbe er mit beffen ältefter, 1774 geborenen £ocf)ter befannt, rneldje
er nact) ber am 15. ^uni 1797 erfolgten Verlobung am 2. 2luguft 1797 als
©attin fjeimfü^rte. ^m SDecember 1798 fcf)ieben feine beiben ©efcfjäftStljeil=
396 $ett$e3.
netjmer auS unb sogen iljre ßapitatien aurüd. Mit 5000 üLljalern baar, bie
er burd) einen gtüdlidjen .gmuSfaur gewonnen tjatte, 10 000 £t)atern geliehenen
©elbeS unb 15 000 Sttjatem Grebit führte er baS ©efdjäft allein Weiter. £ro£
ber geringen Summe, roeldje er fein eigen nannte, gelang eS irjm auS ber 1799
bie Hamburger ©efdjäftSroett fdjroer fd)äbigenben ©anbetSlrife unberfetjrt unb mit
bem 93eroufjtfein, gröfjereS Vertrauen als üortjer errungen p Ijaben, tjerborjugerjen.
Um biefe $eit plante ty. eine 23erbinbung feines ©efdjäfteS mit bem englifdjen
23udjt)anbel feuv(^ ©rvidjtung einer Filiale in ßonbon. .frierju bebutfte er aber
eines fpractjenfunbigen Cannes, ben er bann aud) in äoljann -£>einrid) 53effer
(geb. 1775, togl. 31. 2). 93. 11,571 ) fanb. 33 elf ex roar ein fenntnifjreictjer, ruhiger unb
begonnener Mann, ber geroiffermafien bie ßrgänjung ju s4>ertt)eS' burdtjgreifenber
$raft unb ju beffen frifdjem unb unbefiegbaren 'ÖJiutt) bitbete. Dbgleid) bamats
bie 23erbinbung mit (Jnglanb nid)t in ber geplanten SBeife ausgeführt würbe,
oerblieb SBeffev bodj bei s4>. als beffen treuer Mitarbeiter unb rourbe fpäter fogar
burdt) 53ert)eiratl)ung mit s4krtr)eS' ©djwefter aufs engfte r>erWanbtfd)aftlid) mit iljm
öerbunben. S)anf ber glürflidjen gefd)äftlid)en (Srfolge fonnte 3ß. im %. 1805
ein eigenes £>auS erwerben. 9tad)bem er in jcljn forgen= unb arbeitSöotlen
;$ar)ren einen gemiffen 2Bot)lftanb fid) errungen tjatte, foüte berfelbe mit einem
©djlage untergraben werben. %m sJlooember 1806 rücften bie granaofen in
Hamburg ein, weldje jeben 3JerEet)r mit (Sngtanb bei SobeSftrafe berboten. 2)a
aufeerbem burd) bie 23efet}ung jebe gefdjäftlidje £r)ätigfeit Diotf) litt, fo roar
s4>erttjeä' blütjenbcS ©efdjäft bollftänbig Iajjm gelegt.
föüftig unb ttjatfräftig arbeitete er fict) aber auS biefer sJlieberlage empor
unb trotj beS franäöfifdjen SDrudeS, ber auf ganj 2>cutfd)lanb laftete, Wagte er
fict) mit einem Unternehmen tjertoor, bai beftimmt roar, beutfctje ©efinnung 31t
feefeftigen unb <}u bewatjren. %n 23erbinbung mit ben rjcröorragenbften beutfdjen
Männern auS ben toerfdjiebeuften tüiffenfctjaftlictjen ©ebieten gab er im ^xüt)=
jatjre 1810 baS „33aterlänbifd)e Mufeum" tjerauS, eine rotffenfctjafttictje 3eit>
fdjrtft, roeldje eine lebenbige 93erbinbung aller beutfd) gefinnten Männer erhalten
foflte. 3118 furj t>or 2öetl)nad)ten 1810 Hamburg bem franjöjifdjen sJteid)e ein«
öerleibt rourbe, mufjte $., bem S)range ber (Sreigniffe nacrjgcbenb, biefe 3eit=
fdjrift, roeldje bei ben bebeutenbften Männern 3)eutfd)tanbS tebtjafte Stjeilnatjme
gefunben Ratten, aufgeben. 9tid)t minber ftörenb roirfte bie franjöfifdje ßenfur
auf fein <SortimentSgefd)äft ein , bodj balb benutzte er auf fluge SÖeifc bie
fd)tr>ad)en (Seiten ber fran^öfifctjen ^ott» unb Genfuroerrjältniffe unb e§ glücfte
iljm baburd), ba§ fein ©efdjäft, trotj bicfeS 2)rucfe§, auf§ befte gebiet). Ueber
jroei ^atjre Ratten bie granjofen Hamburg befe^t, als bie 23ernid)tung ber großen
31rmee in Otufttanb Hoffnung auf Befreiung bom franjöfifdjen 3fod)e maci)te.
ty., in 3}erbinbung mit einigen gteictjgefinnten Männern, organifirte bie rjam=
burger 93ürgerfd)aft unb mit ^ilfe eines ruffifctjen ©treifcorpS gelang eS am
18. Märj 1813, bie franjöfifctje 23efatmng unb Sjerroaltung auS Hamburg ju
öertreiben. $., mitten in ber patriotifdjen 93eroeguug ftetjenb , roirfte, nadjbem
ber ^auptftreid) gelungen roar, für weitere 2Beljrl)aftmad)ung beS 33ürgerftanbeS,
burd) (Srridjtung einer 93ürgergarbe, ber fogenannten t)anfeatifct)en Segion. S)iefer
feiner erfpriefjlidjen , öaterlanbSfreunblictjen Stjätigfeit rourbe burd) bie 2öiebei=
einnähme JpamburgS burd) ©aöouft @nbe Mai 1813 ein fdjnelleS 6nbe bereitet.
Um nidjt bem gleichen ©d)idfal, roic fein 33erufSgenoffe $alm ju öerfatten,
mu^te ty. mit feiner ^am^ie au§ Hamburg flud)ten. S)urd) biefen Umfdjroung
ber 93ert)ältniffe berlor er atteS, roaS er befcffen rjatte. ©eine Jpanblung rourbe
uon ben gvanjjofcn öerfiegelt, fein übriges Vermögen mit S3efct)tag belegt unb
fein £)auS, nadjbem alle beroeglictjen ©egenftäube in bemfetben geplünbert unb
geraubt roaren, bon einem franjöfifdjen ©eueral belogen- 21ber tro^bem, ba^
Spettfcg. 397
feine gan^e (Srjftenj oernictjtet War, berlor bei; ttjätige Jftann mit feinem be=
neibenäwerttjen ©ottbertrauen ben $ftutt) nidjt. 2luf bem gräft. 9?ebenttowfcrjen
fteinen ©ute Slfdjau bei ©dernförbe tjatte er mit feiner in gefegneten llmftänben
befinbtidjen 3frau unb feinen fieben Äinbern eine notdürftige Unterfunft ge=
funben. 6r benufete bie unfreiwillige stufte ba^u, mit Hilfe feiner Hanblung§=
bücrjer, bie er borfidjtigerweife gerettet tjatte, feine gefcf)äfttid)en üßerrjältniffe ftar
3U legen, um bei gegebener ©etegentjeit feinen Sßerbftidjtungen nacrjfommen ju
tonnen. 9Il§ bie bänifdje Regierung üjm feinen weiteren ©djutj gegen bie 3*an=
3ofen gewätjren tonnte, berliefj er feine Familie unb Wanbte fid) nad) 9Jcetften=
bürg. Hier bilbete er im herein mit mehreren gleidjgefinntcn Männern ein
rjanfeatifcrjeS SDirectorium , metcrje§ bie ^Befreiung ber Hanfeftäbte bon ber fran=
jöfifdjen Herrfdjaft be^weefte. Unter unfägtidjen 5Jcüc)en unb SDrangf aten , bie
für ifm itjren Höfjebunft in einem ^ranfentager, tjerborgerufen burcrj einen 33ein=
bruetj unb Dcerbenfieber, erreichten, entwidelte er eine raftlofe Srjätigfeit. CbWol
er fein 9lmt unb feinen 9tang befteibete, mar er ber Sftittelbunft ber ©efdjäfte,
Welcfje fid) auf ba§ ©djidfal §amburg§ belogen, ©o forgte er u. a. für Her*
beifdjaffung bon ©etbmitteln jur Sinberung ber großen Dcottj, meterje bie Un=
menfdjtictjfeiten 5Daboufi§ in Hamburg tjerborgerufen tjatte. 3U Qft biefen
Sorgen um feine Mitbürger gefeilte fid) nodj bie nätjer liegenbe um feine eigene
Familie, bie fid) nod) im ©d)le§wigfd)en, in 9lfd)au, befanb. Diadjbem er im
Secember 1813 mit einigen SIbgefanbten 33remen§ eine 9teife nad) granffurt
am 9Jcain unternommen tjatte, um bei ben bort anWefenben 9Jconarctjen bon
Defterreid) unb 5)}reu^en für bie Befreiung ber Hanfeftäbte ju Wirten, fetjrte er
burd) bie ifjm geworbenen 3u1*^ei'unSen tjoffnung§freubig nad) bem Sorben
jurücf , um batb barauf burcrj ben ü£ob eine§ lieben $inbe§, ba§ er bei bem
äöiebertreffen feiner Familie ali Seictje borfanb, auf§ tieffte betrübt ju werben.
Gmblid), nad) einer einjährigen SlbWefentjeit, fonnte er am 31. 2Jtai 1814 ba§
befreite Hamburg Wieber betreten, ©ein ©efetjäft mar burd) 33effer§ gürforge
mit Hilfe eine§ treuen S)iener§ bor Zertrümmerung bewatjtt geblieben unb tjatte
nidjt fo bebeutenben ©djaben genommen al§ er gefürctjtet tjatte. @r fonnte
beätjalb, otjne fid) mit feinen ©laubigem -in einen SBergtetdj ein^ulaffen, ba§=
felbe fortfetjen , Junta! er berfbractj , in brei Sfatjren feine fämmttictjen 25erbinb=
lidjfeiten ju erlebigen. Sei biefer ©etegentjeit natjm er aud) feinen ©djwager
Seffer, ber jwar fdjon Sfatjre lang Stjeittjaber be§ ©efct)äfte§ gemefen mar,
mit feinem tarnen in bie $irma auf, bie ietjt 5pertl)e§ & Keffer lautete. Söeil
in Seutfctjlanb bei ber allgemeinen, burd) bie langjährigen Kriege rjerborgerufenen,
drfdjöpfung ba§ ©efdjäft menig 2lbfa£ ju berfpredjen fctjien, fo fudjte er eine
2tnbafjnung mit ©nglanb. ^m ^*ü^iar)re begab fict) SSeffer nacr) Sonbon , bod)
fdjon im 31uguft fefjrte er roieber jurüd , nadjbem er feftgefteüt tjatte , ba^ bie
gehegten Hoffnungen ficr) bort nidjt erfüllen mürben. Stropem gelang e&
beiben rührigen 5)cännern fdjon nadj einem i^arjre, an ber Oftermeffe 1815,
(Uim größten Sljeite itjren Sßerbflidjtungen naerj^ufommen unb fo ba§ Vertrauen,
mit bem itjnen itjre ©täubiger entgegen gefommen waren, aufs glän^enbfte ju
rectjtfertigen.
2Rit bem eingetretenen ^rieben entfaltete 5)ß. eine nidjt minber erfbrie^lidje
2r)ätigfeit wie frütjer in ben bewegten, friegerifdjen geum @r forgte nidjt
nur für ba§ materielle SBotjt ber burdj ben Ärieg fdjWer gefcfjäbigten SSeWofjner
Jpamburgi, fonbern aud) für beren feelifdje§ burdj bie ©rünbung ber Hamburg*
2lltonaifd)en SSibelgefeEfdjaft. 5Jtit bem üjm eigenen flaren SBIicfe erfannte erv
maZ bem S)eutfdjen in feinen botitifetjen SSerrjättniffen s)lott) trjat unb fudjte in
feiner SBeife batjin ^u Wirten. 3ll§ feine eigene gefdjäftlidje Aufgabe betrachtete
er e§, in ©emeinfdjaft mit bem gefammten beutfdjen Suc£)fjanbel ba§ litterarifdje
398 $«t$e8.
Sßebüifni^ bev Nation unb beten ein3elnet Seftanbtrjeile möglidjft fdjnell ju er=
fennen, er glaubte beßljalb, bafj bev beutfdje SSudjljanbel einer 9ceubelebuug unb
trjcilroeifen Umgeftaltung bebürftig fei, roelctje befonber§ feine Sdjeibung jrDifd^en
sJtovb= unb Sübbeutfcfjlanb eintreten (äffe. Um Oefterrcid), ba§ in litterarifdjer
Bejietjung SDeutfdjlanb entfretnbet mar, ju gewinnen unb um ben ähtnbestag
auf eine gefetjticrje Siegelung ber SSeftimmungen gegen ben 9tad)brutf aufmerffam
3U macfjeu, liefj 5ß. im Sommer 1816 eine SBrofdjüre unter bem Xitel erfetjeinen:
„2)er beutfdje SBudjrjanbel at§ 33ebingung be§ S)afein§ einer beutfdjen ßitteratur".
'Rad) bem £obe feiner geliebten grau, am 28. Sluguft 1821, füllte fid) $.
bereinfamt unb er befdjlof} befjljalb Hamburg 311 berlaffen unb feinen SCßorjnfi^
in ©ottja aufjufdjlagcn, tuo 3roei feiner 2öd)ter berrjeirattjet roaren. "Jim
20. 9Jlät3 1822 ftebette er bortrjin über, nadjbem er fein Hamburger ©efetjäft
feinem Sd)roager 33effer übertaffen tjatte, unb grünbete in ©ottja ein eigenes &erlags=
gefdjäft, baZ fid) nur auf ©efdjid)te unb ürjcologie befdjräufte, unb jroar in
testetet nur auf miffenfdjaftlidj--pofitiöe SBetfe. ^um großen StTjeil betbanften
bie 6rf Meinungen feines Verlages itjre Sntfterjung feiner eigenen Anregung.
So 3. 33. ba§ .£muptroerf feines r)iftorifd)en Verlages, bie ©efd)id)te ber euro=
päifctjen Staaten herausgegeben unter iKebaction bon Speeren unb Ufert. 2118
^idjtfdniur für bie Bearbeitung biefes großartig angelegten SBerfes ftellte ty.
bie 23cbiugung auf, bafj niemanb als" iMtitarbeiter 3iigelaffen roerben foUe, roeldjer
bie ©efdjidjte als ein Glittet betrad)te, bie Söatjrrjeit irgenb eines politischen
©IjftemS 3U bemeifen. 2ln biefes" Söerf fdjloffen fid) bann öerfd)iebene anbete
an, rocldje ein3elne beutfdje Territorien betjanbelten, 3. 33. Bommel, ©efdjidjte
bon Reffen; 53artf)olb, Sommern unb Ütügen u. 91. gerner ctfdjien bei it)in
eine Steige öon äöerfen über beftimmte ^eita&fdmitte, über bebeutenbe @r=
f Meinungen in ber ©efdjidjte: <5artoriu8, Urfpiung bet^anfa; 2lfd)badj, Äaifet
Sigismunb; Stoffen, ©efdjidjte be8 JpeHeni8mu§ ; ^puttet, $nuocen3 III.; Ütanfe
ferbifdje 9tebotution unb biete anbere. $n feinem tljeologifdjen Verlag nafjm
ebenfalls ein grofjes Sammelroerf ben sJJnttelpuntt ein, bie tljeologifdjen Stubien
unb ffritifen, tjerausgegeben bon Umbreit unb llttmann. Slufjerbem bettt)eilte
fid) biefe $ertagstt)äiigfeit nod) in bcrfdjiebene ©ruppen, bon beneu r)erbor3ufjeben
finb : Äircrjenrjiftorifdjc 2öerfe bon 9ceanbet, llllmann, sXUavtenfen, ^apencotbt,
Äommeutare jut tjeiligen Sdjrift bon Umbteit unb Sljolucf, ferner frjftematifctje
^atftetlungen bon Sroeften, 9ii{3fdj unb Sartoriiis.
lUit roenig 33etriebscapital unb gan3 allein arbeitenb, begann er fein
ißerlagsgefdjäft in ©otlja, in unglaublidj furser 3eit aber gehörte boffetbe an
Umfang unb ©ebiegenljeit 3U ben erfteu in SDeutfdjlanb. „^mrner raupte 5ß.
tuas er roollte, bie Soqüge be8 9ftenfdjen famen bem 93ud)ljänbler 3U ©ute,
unb roa8 er trieb, bas trieb er mit gan3er (Seele, barin lag ba8 ©eljeimniB
feineS @rfolg8". S)iefe SOßorte eirteS feiner greunbe fenn3eid)nen am Seften bie
S-Beruf8tt)ätigfeit be8 Cannes.
6§ ift bc^fjalb nidjt 3u berrounbern, bafe $. eine überaus1 einftufjreid)e
Stellung im 93ud)f)anbel einnahm unb niemanb fo bielfadj unb nactjrjaltig auf
ba§ ©an3e unb bie ein3elnen ©lieber einroirfte at§ er. 5ßon ber 2lnfidjt aus*
gefjenb, ba^ ber 23ud)f)anbel in S)eutfd)lanb eine einzige beutfdje 2lnfiatt fei
unb bie 'Olngeljörigen beffetben aud) fold)e biefer einsigen grofjen Sßerbinbung
fein müßten, gab er bie erfte Anregung 3ur ©rünbung be§ 23örfenberein8 ber
beutfdjen Sucrjrjänbler, ber im Saljre 1825 in§ Seben trat unb tjeute nod) bie
Vertretung bes gansen Staubet bilbet. kleben 9reinr)attung be8 Stanbes bon
fd)led)ten Elementen, meldje entfittlid)enb auf ba8 S3olf roirfen fönnten, mar
fein i>auptaugenmerf auf bie geftfetmng eine8 litterarifdjen 9ted)t§3uftanbes gegen
ben fein Unrocfen treibenbeu s3tadjbrud geridjtet. 2lu§etbem regte er bei bem beab=
5ßettf)e§. 399
ficfjtigten 33au einer 2?ucr)r)änbterbörfe im 3- 1833 bie ©rünbung einer 2et)r=
anftatt Tür Sucrjtjänbterterjrtinge unb eines DJtufeums Tür bie ©efcrjidjte bei ge=
fammten 33ücf)erroefens, ber Srucferei unb ber Ißapiermacrjerfunft an. 23etbe 2In=
ftatten traten aber erfi lange nactj feinem 2obe ins Seben, bie eine 3er)n 3>arjre
nactj bemfelben, bie anbere nadj merjr als öierjig ^atjren.
9Jtit junerjmenbem 2Itter unb ber immer größer roerbenben Stusbefmung
feines ©efctjäites fanb er an feinem ©otjn Stnbreas eine ©tüije, bem er in ben
legten i^aljren eine eigene SBertagstjanbtung unter ber ftirma griebricr) & Slnbreas
■^ertrjes begrünben r)alf, bie anbere SBiffenfdjaftsgebiete als feine eigene pflegte.
ty., ber am 13. 9Jtai 1825 eine jrDeite 6r)e mit ber öerroittroeten Stjarlotte £ornboftel
geb. üöetfer, eingegangen mar, erhielt bor feinem 2obe nodj manche Stjrung ffti
fein erfpriefjticfjes Söirfen. %m %. 1834 ernannte irjn bie ©tabt Seipjig, bei
ßetegenrjeit ber ©runbfteintegung ber SBuccjrjänblerbörfe, ju irjrem Gürjrenbürger,
ein $at)r barauf errjiett er bas ütitterfreuj be% fäctjftfcrjen Gibüoerbienftorbens,
184«.' machte itjn bie Unitoerfität $iet pm Stjrenboctor ber ^fjilofopfjie unb 1841
überreichte ir}m bie ttjüringiferje ©tabt griebricf)Sroba, reo er feit ^arjren feinen
©ommeraufentfjalt genommen rjatte, bas SEiptom als Stjrenbürger. üDoct) atti
biefe ßrjrenbejeugungen tonnte er nur noct) furje ^eit genießen; am 18. $ftai
1843 mufjte er biefes geben nacr) einem rooetjentangen, fc^mer^aften Äranten=
(ager üertaffen. 2ln feinem ©rabe ftanben fieben Äinber erfter unb toter ätoeiter
<5t)e fotoie biete treue greunbe, bie er ficr) roärjrenb eines rafttos tt)ätigen Sebens
ertoorben rjatte. ty. befajj einen grofjen, roeiten 23tid£ für atte 9)erb,ättniffe, be=
fonbers für bie rjiftorifcrje, gefeltfcrjaftticfje unb potitiferje Sage. Sabei mar fein
ganzes äöefen bon einer grömmigfeit burctjbrungen, roeterje, toeit entfernt bon
Äopitjangerei, tief im Gcjitfienttjum umbette, feinen Unterfcrjieb ber donfeffionen
tannte unb if)ren Stusbrutf in feiner praftifetjen ütrjätigfeit fanb unb auf bas
©egensreictjfte toirfte.
Siemens Srjeobor ^erttjes, grtebridj ^ertrjes' Seben, nadj beffen fcrjrifitidjen
unb münbtietjen 9JUttrjeitungen auTgejeicrjnet. 3 23änbe. 6. Stuftage. @otr)a
1872. — äSitfjetm Säur, (Stein unb ißerttjes, ber üteicrjsfreirjerr unb
ber Bürger in ber Qeit ber 23efreiungshiege. gtoiefau 1862. — SSittjetm
SSaur, griebricrj Grjriftopr) *pertr)es. ©in beutferjes eöangetifdjes 23ürger=
leben aus ber 3eit ber 33efreiungs£riege. 2. 2Iuftage. Sarmen 1879. —
(23ör)(au, .§.) 3ur Erinnerung an {yriebridj) 5ßertr)es. Sei Öetegenrjeit feines
rjunbertjätjrigen (Geburtstages. 2eip,jig 1872. ©eparat=2tbbrucf aus bem
^örfenbtatte für ben beutferjen 23ucf)rjanbet. — So. SIteris (2ö. <£>äring),
Ofriebrict) SJJertljeS. ^IJlit SUbniB- Berlin 1855. «p all mann.
v}krtf)e3: Siemens S^eobor «p.*).
s^crtl)CÖ: £) ermann griebrict) p.# ^^ilologe unb Sdmlmann , 1840
bis 1883, rourbe als ber @ofm öon Siemens Xtjeobor ty. in 5Sonn am
5. gebruar 1840 geboren , ertjielt feine ©ctjulbilbung auf bem ©nmnafium ber
SBatexftabt, beffen SJitectoi ©ctjopen auf bie 9ttct)tung feiner ©tubien bornerjmlid)
einrairfte. SBon Jperbft 1858 an ftubirte er aut ber rjetmatrjticrjen llniöerfität
^Ijilologie, befonbers bei gf- Siitfc^t unb C. 3far)n, unb fe^te bon 1861 an feine
©tubien in Berlin unter 8öc?fj unb ^Sl. ^>aupt fort. 3fm ^erbft 1863
promobierte er in S3onn als Dr. phil. mit einer Siffertation : „Quaestiones
Livianae". roeld^e tnegen einer treffenben Sntbecfung über bas Sntfterjen ber
öücfen im Sibianifdjen ©efc^icrjtsroerfe ein Tür eine berartige ©elegenb^eitsfcftriTt
*) Sic Ütebactton muri ju tfjrem Sebauern erf täten, ba% ti ifjren oielfaü^en 33e*
mütjungen nia^t gelungen ift, eine i^r genügenbe SBiograp^ie öon 6i. 2t). ty. }u erlangen.
400 SßwtyeS.
ungeroöbnliccjeS Sluffetjen in gadjfrcifen erregte. 9Zadj 9lbleguug ber ScbulamtS*
Prüfung trat er im ©ctober 1863 in bie erfte fdjulmännifdje Jbätigfeit beim
©rjmnafium in 2Befcl ein, ging aber bereits Oftern 18G5 als Sttbjunct an baS
3foad)imStbarfd)e ©timnafium in Berlin über, rourbe im grürjiabr 1868 Ütector beS
^rogtjmnafiumä in 9KoerS am 9cieberrbein unb nad) 2 3(abren junädjft auftragt
tneife, bann 1871 befinitiö ü£)irector beS Gymnasium Bugenbagianum ju Xreptoro a. b.
Ütega. Sdjon im |>erbfte 1873 gab er biefeS 9Imt jebodt) auf, um mit bem Sitel
eine§ ©ebeimen .§)ofratt)eS in bie ^rioatbtenfte beS ©rofjrjer3ogS Pon Saben über=
antreten unb einen Streit beS Unterrichte ber babifeben^rinaen ju übernehmen. Sin
immer ernfter auftretenbeS ßungenleiben nötigte ibn fcfjon Dftern 1876 jum
2luSfcbeiben auS btefer Stellung; er liebelte nad) SJaüoS über unb eröffnete bier
am 1. Sluguft 1878 unter bem tarnen gribericianum — nach bem ©rofjheraoge
öon 93aben benannt — eine Unterrichts^ unb @raief)ungS=2lnftalt für bru[t=
teibenbe Änaben. 2luch biefe neue SBerufStrjätigfcit mufjte er auf ätjjtlidbcn
Otatt) im ^uni 188U aufgeben; er übertrug bie Leitung ber 2lnftalt einem feiner
^ImtSgenoffcn unb betjielt fid) felbft nur bie Oberleitung üor, bie er öon Sonn
auS, fo gut eS ging, weiter führte. $m erlag er fetner ßranfbeit am 13. Siuni
1883. — Seiber bat ber begabte 9ftann feine mit fo erfreulichem Srfotge be«
gounenen ptjilologtfcheu Stubien in fpäteren fahren nidjt fortgefeht; aufjer
ber ermähnten Süffertatton bat er nur noch einen 9Utffafc über bie ^eletabcn
in SDobona unb eine ej;egetifche Arbeit über ^inbar beröffentlicbt. Sagegen
raanbte fidt) fein ^ntereffe mehr unb metjr bem rein fdjutmännifdjen ©ebiete 3u ;
öon 1873 bis 1876 üeröffentlicbte er fünf Prüfet „jur Reform beS lateinifctjen
Unterrichts auf ©nmnafien unb sJtealjchulcn" nebft einer Oicibe baju gehöriger
Schulbücher. Siefer mit einer geroiffeu 3uberfid)ttidjfeit auitietenbe Serfuch,
ben gefammten lateinifchen Unterricht auS ber gemöb,nlid)en Sahn herauszuführen
unb bie „äöortfunbe" jur ©runblage beffetben <ju machen, fanb in gadjfreifen
eine fetjr geseilte 9lufnal)me; 5ß. mar nicf)t mebr in ber Öage, mit feiner sJftett)obe
felbft eine $robe in größerem Umfange anjufteflen , bie irjn unb Stnbere tjätte
überzeugen fönnen, unb fo fetjeint bie 2luSfid)t auf meitere SBirtung ber öon
ihm gegebenen Anregung nicht bebeutenb ju fein, ^mmerrjin bleibt eS ein nam=
rjafteS Sßerbienft , bafj er ben Slnftofj ju einer fruchjbaren Prüfung unb 93c=
fpreebung beS altfpradjtidjen (HementarunterrtchteS gegeben f)at.
^crttjeS' ©etbftbiograörjie in ber geftfdjrift beS Gymnasium Bugen-
hagianum non 1881, S. 56 ff., ergänzt burch eigene (Erinnerungen.
9t. £odje.
^crtl)CÖ: Sodann ©eorg fyuftuS ty., ber Segrüuber ber befannten SertagS=
buchhanbluug unb ©eograpbifdjen Slnftalt i^uftuS ^ertbeS in ©otba, mürbe am
11. Sept. 1749 ju Ütubolftabt geboren. Son feinem 33ater, bem fürfilichen 2eib=
arjt, jum ÄaufmannSftanbe beftimmt, fanb er im 3. 1778 Gelegenheit, mit bem
fjeräogticlj fädjfifdjen ^ofagenten Atari SBittjelm Sttinger in ©otb,a unb mit ^orjcum
griebrictj S)ürfelbt eine „<gmnblungS=©ocietät" jur 2Beiterfü^rung ber bamalS
in grofjer 33lütt)e ftetjenben ßttinger'fcrjen ^Bucrjrjanblung in ©otrja ju grünben.
Dbfdjon biefer Vertrag auf ^n ^arjre abgcfdjtoffen mar, fcrjieb 5p. bereits im
September 1785 auS, um auf eigene Stedjnung ein SSertagSgefdjäft , roenn aucr)
mit fetjr befetjeibenen Rütteln ju begrünben. S3on ber dttinger'fcb,en S3ucr)=
tjanblung mürbe irjm ber Sertag unb ber Vertrieb beS ©otrja'fcfien ^offalenberS
unb be§ Almanach de Gotha auf 15 3abre bon 1786—1800, bod) unter Sei'
berjaltung ber girma Sttinger, padjtmeife übertaffen. liefern lebenskräftigen
SerlagSartifel mibmete $. mäbrenb ber erften Pier 3a^te beS Sefteb^enS feiner
girma feine ganj auSfdj)Iief}lid)e Sbätigteit. 9ladjbem er ben Äalenber in
fixeren Sabnen roufete, fing er mit Seginn beS ^abreS 1790 an, feinen Serlag
$ettfje§. 401
toefentlictj ausjubefynen. Sein erfter 33erlagsartifet mit feiner eigenen 5i*ma
auf bem 2itet: „Nürnberger, ^erftoürbigfeiten bei ber römifdijen ^önigsroaf)t
nnb Äaiferfrönung" toar Dom Slücf begünftigt unb erlebte brei fur<$ aufeinanber
fotgenbe Auflagen, (Sletcb^eitig bereitete er eine größere periobifcrje 5pubIication
öor, ben öon <5cf)ücr)tegrott rebigirten „9Mrolog, entrjattenb ütact) richten öon
bem Seben merftoürbiger üerftorbener SDeutfdjen", ber öon 1791 — 1806 bie
ftattlidje Steirje öon 28 Söänben erreichte unb jur 23efanntmac&,ung öon ^ßertfjes'
Vertag in erfter ßinie beigetragen rjat. Dbtootjl im Saufe ber ^atjre noctj eine
OJcenge ttjeologifdjer , ptjitofoplufcrjer, gefcrjidjtlicfjer Söerfe unb aufjerbem nocf)
fotdje bes öerfctnebenfien ^ntjalts bei itjm erfdjienen, ertjielt er erft im gebruar
1797 bie lanbesrjerrlicrje (Irtaubnifj jum betriebe einer „orbent!ict)en 3)ertags=
unb ©ortimentäbucrjrjanblung". 5Jlit SSeginn bes Sfarjrfmnbertä tourbe nicrjt
nur ber ^adjjtöertrag mit Güttinger auf toeitere fünfjerjn ^dfyxe öerlangert, fon=
bem 5ß. toanbte fid) fetjt auct) merjr einer einrjeitiidjen 9ticr)tung feines Verlags
3U. 63 toar bieg bie geograptjifdje, toetcfje tjeute nodj bie <£>aupttfjätigfeit ber
#irma ausmacht. Stacr) ber Verausgabe gtocicr größerer Söerfe, *pigaöetta;§
23efcr)reibung ber öon 9Dtagettan unternommenen erften Steife um bie SBett unb
ber ©efcfjicrjte Martin Serjaims, aus" Urfunben bearbeitet öon ßfjriftoptj ©otttieb
ö. OJturr, erfcrjien bei irjm im $. 1809 ein -gmnbatlas über alle befannte
Sänber bes (SrbbobenS in 24 harten herausgegeben öon Sotjann ^einrief) ©otr>
üeb Jpeufinger. (Sinige 3»at)re borrjer mar $. mit einem Üftanne in Sßerbinbung
getreten, beffen ütame fpäter untrennbar mit ber f$ftrma ^uftui 5jßertfjes üer=
fnüpft toar, nämticrj mit Slbotf ©tieler. ü)iefe 23erbinbung rourbe buretj bie
fjereinbreerjenben Äriege unterbrochen unb erft naef) erfolgtem ^rieben toieber
aufgenommen. Stieter beabfidjtigtc einen Jpanbattas fjerausjugeben, ber buretj
bequemes goi'iuat, begleitenben 2ejt ^u jebem Statte, bureb, mögtictjfte (Senauig=
feit, Seutüctjfeit unb Sßottftänbigfeit , babei aber buret) 3toecfmäfjige 2tustoafjl,
©teictjförmigfeit ber ^rojeetion unb bes ^Jtafjftabes, burdj fetjönes Rapier, guten
Srucf, forgfättige ^ttumination unb tootjlfeiten $reis fict) auszeichnen fottte.
>p. ging auf biefes SSerlagsunternerjmen ein unb ließ es fogteictj in Angriff
nehmen, fo bafj bereits im grübjafjr 1816 fünf fertige SSIätter üortagen. Seiber
aber fottte er bie 3}oUenbung beffetben nid^t meb/r erleben, benn er ftarb nacrj
turpem jfranffein am 1. Wlai 1816. 6r toar feit 19. ÜJlai 1784 mit ©abine
Srneftine S)ürfelbt (geb. am 22. Dctober 1765), ber (gctjtoefter feines ehemaligen
©efct)äftstt)eilf)aber§, öermärjlt getoefen. Siefer @fje entfproffen 15 Äinber, toeterje
aber faft fämmtlict) in jungen $af)ren geftorben finb, nur jtoei ©ötjne, Söittjelm
unb $arl überlebten i^n.
3uftu8 »Perthes in ©otfja 1785 — 1885 (geftfdirift 3um fmnbertjätjrigen
®efct)äTt§iubitäum). ^attmann.
"^ert^eö : SBilrjetm $., 6orjn bes Vorigen, rourbe am 18. Sunt 1793
in ©otfja geboren, befuctjte bafetbft ba§ ©^mnafium unb toar bann ^etjrling
unb ©etjitfe in bem ®efcf)äfte feines SSetters griebri«^ ^erttjes in Hamburg,
•öier toutbe er mit in bie patriotifetje SSetoegung gebogen, trat 1813 in bie
r)anjeatifdje Segion unb machte bereu ^etb^üge in SRecftenburg unb ^potftein als
Sieutenant mit. %m 3J. 1814 fetjrte er nact) (Sotfja jurücf unb trat at§ 2l)ei(=
fjaber ins öätertietje ©eferjäft ein. 9tacr) bem 2obe feines SSaters übernahm er
bas ©efetjäft auf eigene 9tedjnung unb ©efar)r. Sein Sßater rjatte für unge=
tjinberte ^ortfürjrung infofern geforgt, at§ er bas SBeitererfdjeinen bes .§aupt=
artifets be§ ©ef^äftes, bes $oftatenber§, geficf)ert blatte. 21 m 12. 2ecbr."l814
toar nämlicrj ber Vertrag mit ^abame (Caroline ßttinger auf 25 Satjre öon
1816 — 1840 öertängert werben, unb 5$. rjatte äugteidj) ba$ 9lecf)t erfauft, bie
ilUgem. beutfdje IBiogTQ^ie. XXV. 26
402 ^ertbjS.
üöltige Sßertagsabtretung jeberjeit oerlangen unb ermerben <m fönnen. Gbgleict)
bieg etft am 21. 3>an. 1828 erfolgte, fo roilligte bodj bie 33efikerin fc^oit 1816
barem, troijbem bajj bies nid)t im beitrage öorgefetjen mar, ba| ibre fjjitma auf
bem £itel üerfdjroanb unb bie oon $uftus 5}3ertt)es baram gefegt mürbe, hieben
ber SSerbefferung ber äußeren Slusftattung unb ber (hroeiterung bes Sfntjaltes
bes £)offalenbers galt $. als Hauptaufgabe bie meitere Musbilbung feines farto=
graprjifdjen 23erlags. 3(n Söerbinbung mit 6. ©. Dteidjarb mar ber Jpanbatlas
Oon ©tieler im 9)tärj 1823 mit 50 harten <m (Snbe gebracht morben. liefern
-Jpauptmerfe folgten bann oon 1823—1831 25 meitere harten in 5 (Supplement*
tieferungen. 2öar biefer Slttas aud) fein *Dtuftcrftüd äufjerlidjer (Sleganj, fo
befaß er eine politifdje unb ftatiftifdje ©enauigfeit , bie bis batjin nod) Oon
feiner äljnlidjen ßrfdjeinung erveidtjt morben mar. Slußer ©tieler follte nod)
ein jmeiter 5)iann ben SRttj ber girma $uftus Sßerttjes auf ©län^enbfte Oer=
breiten, Jpeinrid) 33ei-gr)aus, ber Oon 1832 — 1837 15 harten Oon Elften r)er=
ausgab , bie alles bisher (Seleiftete übertrafen unb ^uftus ^3ettrjes ju einer
3Beltfirma matten, tiefer ^ubücation folgte bann 33ergt)aus' ptjtyfifalifdjer
mitlas, ber nid)t minber, mie ber faft ju gleicher ^eit erfdjeinenbe £)iftorifd)e
9ltlas Oon $arl ü. ©pruner, bie erfotgreidje £bätigfeit Oon ^. beroies. 3U biefen
brei bie geographica SBiffeufdjaTt in bistjer ungefannter Söeife förbernben
Männern gemanu 5ß. nod) einen üierten, meldjcr ber fartograpf)ijd)en Grbfunbe
ein neues Gepräge aufbrüdeu follte: 6mil 0. ©nbom. 3m 33ercin mit biefen
Männern gelang es ^. burd) feinen rafdjen s-8litf , ber bas miffenfctjaitlidje unb
praftifdje :bebürfnifs eines Unternehmens fofort ftar erfannte unb burd) feine
getoiffeutjafte £t)ätigfeit fein ©efdjäft ju bem elften feiner 2lrt in Xeutfdjlanb ju
ergeben. *ß., ber fiel) am 12. ÜJiai 1818 mit Wgncs, ber älteften 2od)ter feinet
^öetterö unb ehemaligen ^rincipals Qfricbrid^ ^erttjcs, üerl)eiratl)ct tjatte, ftarb
am 10. ©eptbr. 1853 ju ©otfja.
3unt Slnbenfen an äöilbelm ^ertbes. ©ottm 1853. — 3uftus ^ertbes
in ©otba, 1785—1885 (geftfeferift jum bunbertjäbrigen ©efcbäjtsjubiläum).
5ß alt mann.
^ertljeS: 33ernt)arbt ty., ber ättefte, unb nad) bem frütjjeitigen 2obe
eines jüngeren 33rubcrs ber einzige ©ot)n bes Vorigen, mürbe am 3. 3>uli 1821
in ©otba geboren. 2>urd) ein vmlsleiben am regelmäßigen 23efud) ber ©d)utc
gebinbert, tjatte er aud) nod) im Sommer 1837 bas Unglüd burd) ein üer=
unglüdteß ©jperiment bas linfe Sluge ju bertieren unb mürbe baburd) gelungen,
bie ©djule ganj ju Oerlaffen unb fid) nur auf münbtid)cn Unterricht au be=
fdjränfen. IRidjaelis 1838 fam er ju Sßittjelm 23effer in 23ertin als ßefjf
ling, bod) mußte er fdjon nad) menigen Monaten auf 3lnorbnung eines 9lugeu=
arjtes feine £t)ätigfeit jur ©cl)onung bes itjm berbliebenen kluges untcrbred)en.
S3alb aber fjatte er bie ßeiben übermunben unb fonnte nad) jmei 3af)ren Oott=
tommen gefunb Oon Berlin nad) Hamburg überfiebeln, um feine bud)f)änblerifd)e
Slusbitbung in bemfelbeu ©efdjäfte fortjufetjen, in metd)em fein SSater biefelbt
begonnen tjatte. Sm Cctober 1842 oerliejj er biefc ©teHung, um nad) mel)r=
jäljrigem 3lufentl)alte im Sluslanbe am 1. Januar 1845 als 2r)eilt)aber ins
Oäterlid)e ©efdjäft einjutreteu. 5Jtit feinem Eintritt in bie £mnblung fud)te er
auf beffere 3lusftattung ber (Srfdjeinungen fiinjumirfen, mie er fiel) überhaupt mit
Vorliebe ber tedjnifdjen ©eite bes ©efdjäftes äumanbte. ©o mürbe unter feiner
Leitung bte ©aloauoplaftif für bie SSerbielfältigung ber ßupferptatten ange=
menbet unb bamit eine erljeblid) morjlfeitere JperfteEung erhielt, metdje itjrerfeits
mieber eine ^3reisminbemng fämmttid)er J?artenmerfe nacl) fid) jog. 3lußerbem
führte er, meit Äupferftid) unb ßupferbrurf nid)t met)r allein ^ur ^erfteüung
ber .Harten genügten, ben tittjograptjifdjen go^enbruef ein, ber befonbers bei
5ßertfd). 403
geognofiifdjen harten feine Slntoenbung fanb. ©ein SieblingSgegenftanb aber
War bie &rjemitt)pie, ein Skrfatjren, Welcb>§ bie Seroielfältigung ber hatten burd)
£o<$brutf, ärjulicij wie &eim £olafd)nitt, geftattete. 911g er burd) ben £ob feine!
StoierS im £erbfte 1853 alleiniger SBeft^er beS ®efd)äjts geworben mar, fudjte
er einen fdjon längft gehegten ©ebanfen au öerwirflidjen. ßr wollte nämlidj
bie 33e|trebungen beä großen ©efd)äfte§ mefjr auf einen ijJunft öcreinigen unb
burd) eine Miere Slnorbnung bie 2}erlagSt)anbtung in eine „©eograptuferje Sin»
ftalt" ummanbeln. 2IEe jene Männer, Weldje als ©eograptjen, Kartographen,
©tatiftifer u. f. w. bisher bem ©efdjäfte natje geftanben Ratten, fottten all
bauernbe Mitglieber einer inS geben au rufenben SInftalt rjerangeaogen werben,
einer Stnftalt, welche einen @inigungS= unb ÜRittelpunft für bie gefammte ©eo=
grapse in atten it)ren groeigen bitben foHte. 3n Sluguft ^etertnann, wetdjer
bie rein »iffenfdjaftiidje gcograpfjifdje ^orfdjung repräfentirte, unb in Gmü
öon ©öbow, bem praftifd) gefdjulten Kartographen, fanb er bie Seiter feiner
3tnftalt, welche burd) ib> monatlich erfd»einenben „Mitteilungen" unter ber
Ütebaction Don Sßetermann balb feften SBoben gewonnen fjatte. Ueber biefen
neuen ^eftrebungen würben bie alten bewährten SBerfe beS SerlagS nid)t ber*
geffen, fonbem im ©egentfjeil forgfältig gepflegt, eifrig fortgefefet unb öeröott»
ftänbigt. S)iefer wadjfenben 2luSbet)nung beS ©efdjäfteS tonnten bie alten
Dtäume, Welche eS feit 1822 inne Ijatte, ni$t metjr genügen, Sernfjarb $. liefe
befjtjatb in ben Sauren 1855 56 einen für bie bamaligen 33erf)ättniffe großartigen
Neubau aufführen, in welkem er aber nidjt metjr lange ferjatten unb walten
fottte, benn am 27. Dctober 1857 unterlag er einem tyartnäcfigen Stiptjue.
©eit 16. Sluguft 1845 War er mit Minna Zulaufe, ber 2od)ter feines ehemaligen
«principalS in Hamburg öer^eiratljet; feine gfje war ofjne männliche 9tad)=
fommen geblieben, bod) Würbe ifjm ein ©olm nacfjgeboren.
3um 2lnbenfen an 33ernb>rbt fßert^cS. ©otrja 1857. — 3uftuS ^ertrjes
in ©otb> 1785—1885 (fjefifdirift aum fmnbertiärjrigen ©efd^äTtsjubiiäum).
$ a 1 1 m a n n.
^ertjd): ^ofjann ©eorg 5ß. jun., taonift unb Äirdjenljil'torifer, geb.
au äöunfubel am 10. Mai 1694, f au £elmftäbt am 19. «ttuguft 1754. —
Sodann ©eorg $. jun. ftammt au§ einer angefetjenen Sljeologenfamitie beS
gürftentfjumS Sarjreutrj. ©er Urgrofitoater Sodann, ber ©ro&öater griebrid),
wie audj ber SSater Sofjann ©eorg fen. waren ©uperintenbenten, lefeterer über=
bieS taifertidjer gehonter Sßoet, ©octor ber Ideologie unb gefegter 5ad)fd)rift=
ftelter (geb. am 14. ©ecember 1651, f 1718). Unfer Sotjann ©eorg fam
1704 infolge 23eförberung feines SSaterS aum ßonfiftoriairatfj nad) ©era , öer=
braute bort feine $ugenb uno Beaog um Oftern 1713 bie bamalS blüt)enbe
Uniüerntät «£atte, Wo SrjomafiuS, SSöfjmer unb ©unbling, ftreil). ö. SBotf unb
,§einecciu§ gleidiaeitig lehrten. S5on biefen Männern Würbe $. in ba§ ©tubium
ber ^rjilofoprjie unb 9ted)tsWiffenfc^aft eingeführt, Worauf er im ©ecember 1716
unter 23örjmer§ ©ecanat mit einer SHSputatton : „lieber baS 9tec^t einer Äiidj*
^ofSantagc" bie ©octortoürbc erWarb unb fobann in ©era, 1719 in Satjreut^
aum gicgicrungäabüocatcn ernannt würbe. 3n teuerer ©tabt Per^eirat^ete er
fid) in biefer @igenfd)aft im «ftoübr. 1720 mit ber KaufmannStoctjter fftot^ au§
©era. — 1722 finben wir i^n als ^rocefjratf) beS Marfgrafen ©eorg 2Sit£)elm
öon S3at)rentt) unb nad) be§ Marfgraren unerwartetem 2obe gegen ßnbe bee
^ai)re§ 1726 als ^ofrattj bei beffen 3:oc^ter, ber ^rinaeffin ßb^riftine äöitljelmine,
Weldjer er bei ©ettenbmad)ung i^rer @rbfd)aTt§forberung burd) ©taietung eines
SergleidieS fe^r öorttjeilb^afte ©ienfte teiftete. S)er Uebertritt ber gfitjrm autB
Katt)oliciSmuS unb ber Söegaug einiger greunbe, beWogen i^n aur Aufgabe feiner
26*
404 SPettfä.
bisherigen Stellung. (£r ging im Jperbft 1728 nadj Sena mit bem @ntfd)luffe,
fidj t>on nun an ber afabemifdjen ßaufbarjn ju roibmen, unb begann ju "DJlid^aeli
feine Sßortefungen über canonifcrjeä iftecrjt, roeldje trorj mandjer Leiber — unter
ben Stubirenben grofjen 33etfatC unb toacrjfenbe ütrjeilnarjme fanben , ba er über
fmnbert 3ufjörer jjäfjlte. 3>n 9lner£ennung beffen errjielt er 1729 ben Jitel
cincä £)ofgericrjtäabbocaten unb ben 9tang eines SprofefforS ber 5pfnlofobrjie; rourbe
inbeffen bejüglicrj einer orbentlidjen Serjrftette an ber -^odjfdjute mit btofcen Sßet=
fprecrjungen Eingehalten. 2)effen überbrüjfig natjm er 1732 (nad) teufet unb
gifenfdjer 1731) bie erlebigte Stelle eines erften Srjnbifuä ber 9teid)§ftabt
,<pitbe§ljeim an. @3 gelang irjm nad) grünblidjen Stubien in ben reicf)--
tjaltigen ?lrdjiben ber Stabt mehrere ebenfo mistige al8 bermorrene ^Jroceffc ber
ßommune ,£)ilbe§rjetm fiegreidj burcrjaufürjren unb ben fdjon unter Äanjler
3immermann 1691 begonnenen Streit, bafj bie Stabt unter bifdjöTlidjer
£>errfcrjaft ftetje, ju beren ©unften beizulegen. — 5£iefe glänjenben (Jrfolge, ber=
bunben mit gebiegenen fd^riftftetlerifdfjen ßeiftungen merjrten feinen 9tuf al§ Sfurift
unb Sacfjmalter, fo bafj itjn im folgenben i^aljrc (1733) ber Äönig Don @ng=
lanb at§ Äurfürft bon -gmnnober jugleicf) jum .ipofgeridjtäaffeffor in .£>annobcr
unb 1738 nadj 'Jcieberlegung biefer Stelle ber Herzog bon SSraunfdjroeig juni
\!lffeffor am ,£>ofgerid)te in 2Bolfenbüttel ernanute, roelcfjc 2lemter er „öon JpauS
auä", b. t). bon Jpilbe^rjeim, bermattete, roärjrcnb er roegeu Vorliebe 3ur letzteren
Stabt anbere Slncrbietungen auSfdjlug. Ürotj biefer guten 93e,}iefmngen ju ben
Sßeroorjnern unb 33eb,örben «pitbeStjeimS geriete) er bort roegen llngültigfeit§=
erflärung einer ^>rebigerroarjt 1742 mit ben mafjgebenben s4krföntidjEeiten in 3ro\)t
unb mar ib.ni barjer fefjr roitlfommen, bafj i^n ber |>er(}og bon 33raunfcrjroeig
1743 al§ bierten orbentl. ^rofeffor ber föcctjte mit «£)ofratf)3crmratter nadj £>elm=
ftäbt berief, roo er im Dctober besfelben 3arjre§ mit einer feierlichen Dtebe:
„de Jure Imperatoris exigendi a Judaeis aurum coronarium . annuunique
censum etc." bon feinem ßerjrfturjte SBefitj ergriff; 1745 vücfte er jum Professor
juris canonici et feudalis, 1747 <jum Professor Pandectarum. 1748 zum
Professor Codicis unb pgleidj jum Drbinariuä ber $uriftenfacultät bor, roetdje
Sßürbe er bi§ ju feinem £obe befleibete. ty. mar ein ferjr fenntnifjreidjer Sfurift
unb ebenfo fleifjigcr mie fruchtbarer Scrjrif tfteller , beffen 2Berfe unb 2Ibrjanb=
tungen über iftrdjenrccrjt, Äirdjengefd)id)te unb bie sJlecf)tSberfjäUntffe bon §ilbeö=
fjeim, f. 3- in gadjfreifen biet 5Iuffet)en machten, unb roeldje autf) bleute nodj
brauchbar finb. Sein ^aubtmer! ift ber „SSerfucrj einer .tiircrjengefdjidjte'',
welcher in fünf ftattlirfjcn Ouartbänben bie erften bier Sarjrrjunberte crjriftlidjer
3eitredjnung befjanbette. (SBb. I. 6rfte§ 3arrrf>. Seibaig 1736 4°. — 23b. II.
3rocite§ Satyt)., ebenba 1737, 4°. — 33b. III. drittes 3arjrf). SBolfenbüttel
1738. — S3b. IV. «Bietteä Mrl). 1. Streit ebenba 1739, 2. St)eil ebenba
1740, 4°.) ^m erften 23anbe folgt auf bie äöibmung an ^erjog Äatl bon
35raunfcrjtoeig eine ferjr auäfürjrticrje S3orrebe , morin ber 33erfaffer feine firc£)en=
recf)tlid)en SBerfe, namentlid) über Seictjte unb Sann gegenüber ben rjerben 3ln=
griffen ber ihitif ferjr eingetjenb bertrjeibigt ; nebenbei erfarjren mir merjrere§ über
beffen 3ugcnb» unb ©eterjrtenleben (bi§ 1736). S)en @(^lu§ fsJh. XLIII— LIII)
bilbet eine Seben3befcb,reibung feines SöaterS, be§ gelehrten 2)octor3 ber $b^tlofobl)ie
unb Geologie Sorjann ©eorg $. fen., Superintenbenten unb ©tjmnafialinfpectorS
3u ©era. (lieber beffen aarjtreicrje tb.eotogifdien Schriften gibt giefenferjer in feinem
©eteb^rten ^ürftentlium SBarjreutrj Sb. 7 , S. 43 — 51 unter Slnfütjrung ber
Öitteratur (S. 43 5lotc 9) närjeren 3luff cl)lu^. ) S)iefer Sorrebe entnelimen mir,
ba| s£. jun. bon ^ugenb auf, ermuntert burcr) feinen 9}ater, ju tfjeologifcrjen
fragen, namentlicfj aber jum Äirdjenredjt unb jur Äircf)en^iftorie , befonbere
Neigung gehabt §ahe , bafe irjm iebodj burcrj biefe Stubien unb bie Schriften
Sßettfö - $erttj. 405
feietüber titele fteinbe erWad)fen feien. $. t>utbigte bet Ttetnnntflcren »t^tung,
unb [tiefe hierbureb bei ben orthoboren *proteftanten au] fdjarien ^tberfbruch.
einen Seteg hierfür liefern bie ftecenfionen in ben „llnfcbutbigen ftachrtefiten
bon alten unb neuen theologifchen ©achen" (einem ju Seip^Q im bongen 3ahr=
hunbert erfchienenen Organe confertiatitier Senbena), worin bie tabelnben j»mtö.
aenoffen «B. unter 5lnberem borwerfen, bafe er „hochhin tahre" , burch feine ©ehrten
manchen ©chaben ftifte unb irrige ^Behauptungen aufftette, weShatb lie mit
©ottei »etftanb auf feine Umfehr ftoffen! Sin Mitgrunb *u ben erlittenen »n-
feinbunqen febeint auch in bem leicht erregbaren, febr heftigen Temperamente be§
©etehrten gelegen Su fein, burch Welche er in feinen «ßtocelfänTten äuwetlen 3u
berben ia „pöbelhaften" Ausfällen hingeriffen würbe, ao*u ihn na$ Jetner Cnfr
fcbulbigung bie grunbtofen Angriffe ber ©egner reiben «u|et bet Archen*
Ärie beW" wir u. X. tion % „Stecht ber SSei^tftü^e Uifpinng unb
Äortaanq ber geheimen Seichte ic. k." (ein grflnbltfrg äöerf, ba§ bet ben Guten
bieten Seifaü, bei Zubern großen Slnftofe betborrief, ©alle 1721, 2. bermebrte
Ausgabe. Söotfenbüttel 1738, 2 99änbe). „Stecht be§ Äii^enbanneS, beften Ut-
fprung unb Fortgang tc.ic." ($atte 1721, 2., tiermefjrte 2lu§gabe. äöolfenbüttel
1738 4°) ,Elementa juris canonici et Protestantium ecclesiastici , commoda
auditöribus methodo adornata" (Francof. et Lips. 1731. Ed. II, aueta et emend.
ibid 1735 III. Ed., Vol. 1. und 2. Jenae 1741). „Äurje &tftorte be§ cano*
nifdjen unb ^irchenrechtä , befonberä sunt Gebrauch alabemifäer ^rfefungen
entworfen" (ßeipjig nnb »regtau 1752 gr. 8). (Sin boEtänbtgeä ■ »ege^m*
feiner ab4reid)en ©ctrifien bei gidenfeher SBb 7 ©. 54 ffljeufel, Sb 10,
k 317-325- aBeibtid), ®efd)id)te ber jefet lebenben 3ted)t§gelet)rten , 33b 2,
©' 212-224' hier mit litterarfritifchen «Bemerfungen. ©ein Stlbntfe, gejtochen
bon öaib finbet RA in SBruder'8 Sßitberfammlung, 8. 3ehenb, unb bor 2öern§=
botf'8 memoria ingolio; baffetbe in tierfleinertem fyormate (8()) al§ Sttetfupter
in ben oben erwähnten Elementa juris canonici etc.
°y © «Bertfä in beffen SSorrebe jutn Söerfud) einer Äirchenrjtftorte,
33anb 1. - Teufel, aBeibtid) unb gtdenfdier 0. a. 0. ne^eJ^ ^^
^crlfA^obann Heinrich $., Philologe unb Geologe (1776— 1844).
<Sx Würbe in Coburg als ber ©ohn eines 2anbfd)aft§confulenten am 20. $e=
cember 1776 geboren, ehielt feine ©d)utbilbung auf bem ©bmnaftum Saftmtrianum
feiner SBaterfiabt unb ftubirte bann tion 1795-1798 in 3ena unb ©ötttngen
iornehmlid) Geologie. ftachbem er fchon 1797 (Sanbibat be8 ^rebigtamte» gewor-
ben erWelt er im ^cotiember 1803 eine Stnftettung ale (Sottaborator am Soburger
Wnnaium; 1806 würbe er au&eroibentlie$er , 1808 orbentW&er Jwiefior ber
ÜJeWmtc, ber morgcnlänbifcben unb griechifchen ©prache an btefer bamal§ noch
halbafabemifcben Slnfialt. 3"W Dr. phil. war er 1804 in Erlangen auf ©runb einer
©iffertatton : „De reeta methodo bistoriae catbolicae in Gymnasns . . docendae
bromotiirt morben. 1811 würbe er $aftor an ber Äreuätircbe unb gleichzeitig
^iatonu§ an ber TOortsfir^e in ßoburg; fpäter würbe «V©»J«mte"5en* m
ftobacfi, wo er am 3. Detobet 1844 ftarb. - S3on feinen t ntd) fetjr aabtreteben
©djriften finb bier hu nennen: „ßebrbud) ber ^enfdjengefcbtcbte 1805; „gieues
aagemeineS litterarifd,=arti[tifd)ei Sertfon", 2 »be. 1807; ©runbttj ber romt-
feben aitert$um8tunbe* 1808. ffianernben 2Bertb baben btefe arbeiten nicht.
9t gtelrotog b. S). 1846, ©. 1030 f., ergäbt bureb ^rttiatmtttbettungen.
91. ^>od}e.
tetU- Sofeph 5lnton ^ajimitian «p. würbe am 17. ©ebtember
1804 in bem ©täbteben Drnbau im 5luSbad)ifcfien , Wo feine Butter )td} aur
»efudj befanb, geboren, ©te frühefte ^ugenb bertebte er in «Rötblmgen , wo
406 $«&.
fein 33ater Abminiftrator bei bet 3o^nniter=Drbeny=liommenbe $leiuerblingen
mar. 1809 mürbe (euerer sJtedjnung§commiffar im batyrifdjen SDienft unb 30g
mit feiner Familie nad) 9Mnd)en. ©djon at§ Änabe fammelte §p. bie ber*
fcf)ieben[ten Ülaturgegenftänbe unb benutzte feine SJhtjjeftunben, um fie fennen ju
lernen. Ein unroiberfteljlicrjer Strang trieb it)n, bie 9laturerfd)einungen ju beobachten
unb iljre Urfadje p erforfdjen. 9cad)bem er 1822 ba3 EJtjmnafium abfolbirt,
ftubirte er anfangt in $ftünd)en, fpäter in ßanb3t)ut 9Kebicin unb 9Zaturmiffen=
fdjaften. Srofcbem er fidj in ben Strubel beS ftubentifdjcn 2eben§ (türmte, fo
bafj fein Später feine «Ipanb Don itjm afyog, bernadjtäffigte er boef) fein ©tubium
nid)t. yiad) feiner Promotion in ber mebicinifdjcn unb fpäter in ber pf)ilo=
foptjifdjen fyacultät Ijabilitirte fictj 5p. at§ ^ribatbocent für 3°°i°9ie uno aü=
gemeine 9taturgefd)id)te in 'JJtündien unb mürbe 1833 at§ ^rofeffor ber 3ootogie,
*Pfbd)ologie unb Anthropologie an bie Afnbemie nad) 93ew berufen, meldte im
fotgenben ^afjre in eine Uniberfität umgemanbelt mürbe. $n biefer ©tellung,
entroidelte *p. eine ungemein rege litterarifctje Xtjätigfeit. 9Zad)bem er frfjon
fiürjer in: „Delectus animalium articulatorum Brasiliae" bie bon ©pir, unb
■jütartiuS in 33rafitien gefammelten 2>ufecten, fomie einige au§ ber ©ammtung
be§ ^erjogS bon i'eudjtenberg in Eidjftäbt unb beg Söicomte ©a ba SSanbeira
ftammenbe neue arten befdjrieben tjatte , beröffcutlid)te er aujjer jaljlreidjcn
Heineren Abljanblungen foigeube größere Söcvfe: „allgemeine "Jtaturgefdjidjte,
alä pljilofopljifdje unb £>umanitätsmiffcnfd)aft" , 1837 — 1841 unb ©upptement
baju: „sJieue Ergebniffc ber SBiffenfdmft" , 1844 unb 1845; „3ur Äenntnifj ber
fteinften ßebensformen" 1852; „ßetjrbud) ber fpecieüen Zoologie", 1855; ,,©runb=
jüge ber Etb,nograpr)ie", 1859; „2)ie mbftifdjen Erfdjeinungen ber menfd)tid)cn
Statur", 1861; „5)ie Realität ber magifd)en Gräfte", 1862; „Antf)ropologifd)c
Vorträge", 1863; „lieber ba§ Seelenleben ber Ilncre", 1865; „33licfe in ba£
berborgene Scben be§ 9flenfd)engeifte§", 1869; „S)ie Statur im 8id)te ber pt)ito=
fopl)ifd)en Anfdjauungen", 1869; „2)ie Anthropologie als 2Biffeufd)aft bon bem
förpertidjen unb geiftigen SBefen be§ 9Jtenfd)en", 1874; „®er jeiuge ©piritiämuö",
1877; „Erinnerungen au£ bem 8eben eineä sJtatur= unb ©eetenforfd)er§(" 1879;
„2)ie fid)tbare unb unfidjtbare 2öelt", 1881. Sitte biefe 2öerfe jeugen bon
einer ftreng miffenfcfjaftticrjen 3)urd)bilbung , umfaffenber ßitteraturfenntnijj unb
fdjarfer 23eobad)tungögabc; leiber aber aud), namcntlid) in ber letjten $e\t, bon
einer Hinneigung jum Söunberbaren unb <ju fpiritiftifdjen Anfd)auungen.
s}>. mar eine uniberfell angelegte Watur, roctdje ba§ ganje 2öettaü , ba£
unenblid) kleine mie ba£ unenblid) ©rofje ju erfaffen berfudite. ©ein gui mar
eine 9laturpljilofopt)ie. Au8 bem reidjen ©d)a^ feiner förfatjrungcn unb Jlennt=
niffe fud)te er ein ©tjftem äufammen^ufteHen , beffen ^tt'^fle Üd) jebod) in ben
©phiti§mu§ berlaufen. äöenn bab^er aud) ^. feinen entfdjeibenben 6influ| auf
bie (Sntmidelung ber 5iaturmiffenfd)aften ausgeübt Imt, fo berbanft it)m bod)
uamentlid) bie Zoologie eine ^Dlenge fpecietter Äenntniffe unb feine burd) ge=
manbte S)arftctlung auögejeicrjneten Söerfe b,aben roeiteren Greifen bielfad) 9ln=
regung gegeben unb nid)t unmefentlid) jur ftötb^'ung oei- 2ßiffcnfd)aften bei=
getragen. 5p. ftarb im Alter bon 80 Sauren am 8. Auguft 1884.
9Jt. ^ßertrj, Erinnerungen eineö ftatur« unb ©eetenforfdjeri. Seip^ig 1879.
20. ^efe.
fetiy. ©eorg |) einridj 5p.( geb. am 28. «ülärj 1795 ju ^annober at§
©otjn etneö ,g)ofbud)biubei-§ , beffen $8orfaf)ren |>ofbud)binber an ber Sibtiottjef
ju äöolfenbüttel geroefen maren, f am 7. Dctober 1876 in 9Mnd)en. !Rad)bem
er auf ber Uniberfität ju ©öttingen mit tr)eologifd)en ©tubien begonnen , bann
aber fidj bet ©efd)id)te mit größtem Eifer jugemenbet tjatte, erlangte er am
14. Dctober 1816 ben Doctorgrab, unb batb barauf aud) eine Anftetlung in
$er$. 407
pannoDer am 2trcr)iDe unb an bet 33ibliotrjef. %m %. 1819 erfcrjien feine Grfi=
linglfcfjrift : „S)te G)efcf)icr)te ber 9Rerowingifcf)en <!paulmeier", mit einer 33orrebe
Don beeren, worin biefer fie bezeichnete all „bal SGßerf einel meiner gurjörer,
ber mir unter wenigen lieb mar". Sie zeichnete [idj aul burct) umfaffenbe
Guetlenfenntniß, unb ganz Dorzügttcr) burd) bie treffticrje üDcetfjobe, inbem er ficr)
ftrenge nur an bie tauterften Cuetten fjielt; bie 3)arfteEung ift ftar unb ge=
brängt. Unzweifelhaft mar beeren berechtigt, fjieran bie oebeutenben (Jrwar=
tungen zu fnüpfen , weld)e er in ber Sßorrebe aulfbract). 5J}. fjatte bann bal
©lücf, fogleid) ju einer Aufgabe berufen p toerben, meiere gerabe tut feine
eigentr)ümlid)e Begabung ganz befonberl geeignet mar. ©erabe um biefelbe &\t
fjatte ber greifjerr Dom Stein ben großartigen Sßtan einer Sammlung ber
beutfcfjen ©efcfjicfjtiquelten bei Mittelalter! gefaßt, unb am 20. Januar 1819
bie ©efettfdjaft für ältere beutfcfje ©efd)icf)tSfunbe geftiftet. (51 tonnte nicfjt
fehlen, baß man naef) jener Sctjrift in $. einen Dorzügticfj geeigneten Mitarbeiter
ernannte, unb all SSücfjeler um jur £f)ei(nar)me an ben arbeiten aufforberte,
anttoortete er am 5. $uti 1819 mit freubiger 3ufümmun9 unb erbot ficr) zur
Bearbeitung ber micfjtigften Schriften aul ber farotingiferjen 5]ßeriobe. Stein
felbft Torberte itjn am 21. S)ecember nid)t nur zur Ueberna^me ber Scf)riftfteller
aul ber farolingifctjen -}>eriobe, fonbern aucr) zu einer Greife nacr) Söien auf zur
2)urcr)forfd)ung ber öofbibtiottjef. SDiefe 9£eife, roetetje aucr) nad) anberen Si=
btiotfjefen in Defterreicfj unb nad) Italien aulgebcfjnt mürbe, mar bie erfte,
roetcfjer ficr) eine lange üleifje weiterer gorfcfjunglreifen angefdjloffen t)at, nacr)
ben Derfctjiebenen 33ibliotfjefen 2)eutfd)lanbl, nad) Italien, granireief) unb Sng=
lanb. üDer macfjfenbe 5Rufjm feinel tarnen» unb feine bebeutenbe s4krföntict)feit
bafjnten ifjm bie 2Bege, weldje bamall noct) bem $orfd)er meit größere Sd)roie=
rigfeiten boten all föäter, unb mit unermüblicrjer Xtjätigfeit, fomie mit größter
Sorgfalt burcfjforfcfjte er bit fjanbfcfjriftlicfjen Sdjäfee, meiere nod) niemals ju
biefem 3^ecr aiiigefudtjt waren, ßafytreiclie Gmtbecfungen belohnten feinen (Sifer,
unb feine 2Xr>fdt)riften unb 33ergleict)ungen finb Don mufterfjafter 3uDerläffigfeit.
Siefe (Jigenfctjaften traten fcfjon in feinen erften Dteifebericfjten fo ftar fjerDor,
baß ifjm nad) feiner 9tücfferjr Don ber 9teife bie Ötebaction fomofjl be§ .£mubt=
merfel Wie bei SlrcfjiDl, ber 3eitf($rift, wetcfje baffelbe Dorbereiten füllte, über*
tragen Würbe. 61 ift buretjaul fein Sßerbienft, baß nun an bie Stelle unfierjeren
Jlaftenl bie rafetje zielbewußte 2lulfül)rung trat, baß 1826 ber erfte, 1829 ber
Zweite 93anb erfetjeinen tonnte, gtt bem Doüfommen richtigen ©efütjl, baß Dor
allen Singen ein wirflicf)er Anfang gemacht werben muffe, martete er nid)t, bil
bie Vorarbeiten für ben überaus fcrjmierigen ätteften Zeitraum ieT^g |ejn ^j^.,
ben — fie finb e§ noct) jettf nierjt — , fonbern bearbeitete bie farotingiferje
»periobe, für wetetje er rjintängticrj gerüftet war. 3um etften 5Jca( würben rjier
mittelaiterücr)e ©efcrjicrjtSquetten mit ber Dollen Dr)i(ologifcr)en Sorgralt be^an=
belt, welche bi» baljin nur claffiferjen Tutoren gewibmet war; feft unb ficr)er
wirb tjier fcf)on ber fpäter immer unberbrücrjlicr) feftge^attene ©runbfa^ befolgt,
nacr) Unterfucrjung aller ,!panbfcr)riften nur ben ätteften unb beften 2ejt, in
mancfjen gälten bie Urfc^rift felbft, ju ©runbe 3U legen, bie 2lbmeid)ungen ber
anberen «ipanbfc^tiften, bod) nid)t ol)ne Derftänbige 2lu§wa^l, anzugeben unb $u
berücfficfttigen ; ferner aud) für ben ^nr)alt, fo Diel Wie irgenb möglief), bem
Urquell nad)3ugef)en, unb jebe§ nad)wei§bar abgeleitete Stücf auefj all foldjel
ju bezeichnen, dagegen ift, wal für ben rafetjen gortfcliritt bei Söertel burc^=
aul notb,Wenbig ift, Don tiefer eingetjenben, tür ben näcrjften 3®^ nidjt erfor=
berlidjen facfjlicrjen Unterfudjungen abgefer^en. '$. §at rjiermit für bal ganje
Untemeljmen bal maßgebenbe sUtufter aufgeftellt; bie Sammlung ber ätteften
3lnnalen, meiere ben Eingang bitbet, ift eine, wenn man ben bamaiigen 3uftanb
408 $«&■
bet ^Jubticationen ermägt, erftauntidie £eiftung unb überragt alle früheren
arbeiten im t)5d^ften ©rabe. Saburd) erft mürbe bie 9Jcögtid)feit gegeben, nun,
unterftütjt burd) neue, zum £b,eil bon it)in fetbft gemachte gunbe , aud) roieber
barüber tjinausgerjen ju fönnen. 2)affelbe gilt bon ben barauf folgenben 3roei
23änben ber Leges, meldje jefet mangelhaft erfdjeinen , bamals aber ebenfalls
einen großen gortfdjritt barftettten unb lange 3"* ber gelehrten Arbeit großen
Rutjen gebracht fjaben. 3>n biefeu Sänben Ratten nur $lb. bon 2lr£ bie ©anct=
gatter Quellen, SDarjtmann bie Vita Anskarii, .\U\u\t ben Benedictus levita be-
arbeitet. 2Bar anfangt borjüglid) auf Uebernaljme bieler 2lusgaben burd) be=
fveunbete ©eleb,rte gerechnet morben , fo geigte fid) bod) balb , baß biefe ttjeils
nierjt bie richtige 9JMt)obe ju treffen mußten, trjeits itjre ^ufagen nidjt ein*
hielten; nur ßappenberg (f. 9t. SD. 93. XVII, 707) b>t in fortgefe^hr freunbfdjaft»
lieber 23erbinbung mit $. eine größere 2Injar)l norbbeutfetjer ©efdjidjtsquetten
fetbftänbig bearbeitet. Uebrigens aber ermies es fid) als nottjroenbig, jüngere .£>itfs=
arbeiter anjunerjmen, metdje Reifen für bas Unternehmen ausführten unb in ein*
beitticfjer 2öeife bie ausgaben bearbeiteten. 23eu)mann unb SBaitj eröffneten in
ausgezeichneter SBeife bie Reitje berfelben, benen 2Jßilmans, Äoepfe, Söattenbad), J3taffe
u. a. fid) anfdjloffen. 3fn enger fjfreuubfdijaft mar ty. berbunben mit $. 5- 23oef)mer
(f. 21. 2). 39. III, 76), tuetcfjer mit it)m nad) ©tein's £obe bie SDircction leitete,
fo grunbberfdjiebcn aud) it)re natürlichen 21nlagcn unb it)re ©eiftesrid)tung maren;
iöoetjmer tjatte bie 21bt()ei(ung ber $aiferurfunben übernommen unb tjat t)ier
burdt) feine Regeften epodjemadjenb gemirft, mätjrenb 511 21usgaben, mie fie für
bie Monumente bertangt mürben, Ü)m bie ptjitotogifctje ©djulung ferjtte.
giadj ber Rüdfetjr bon feiner elften Reife (1823) mar «ß. als 2hd)ib=
fecretär in ^annober angeftetlt, nad) bem ßrfdjeineu bes erften 23anbcs mürbe
er Sibtiottjelar unb 2lrd)iüratcj , bann aud) 9Jcitgtieb bes Dberfdjulcotlegiums
unb |)iftoriograpt) bes ©efammttjaufes 23raunfd)meig=£üneburg. $n biefer 6igcn=
fdjaft öorjüglid) manbte er fid) ben l)interlaffcnen Sdjriften bon Seibnij 3U unb
ermarb fid) ein großes 23erbienft , inbem er beffen Annales Imperii Occidentis
nad) langer Verborgenheit enbtid) ,uim SDrurf bradjte, ein fet)v bebeutenbes unb
aud) nad) meb,r als t)unbert 3»al)ren nidjt unbrauchbar gemorbencs Söerf. 3>m
2f. 1832 mar ^3. aud) ^Dtitglieb ber jmeiten Kammer ber tjannoberfdjen ©tänbe*
berfanunlung unb begrüubete bie £mnnoberfdje Leitung, in rocldjer er mit feinen
greunben bie 3bcen Steine jur ©eltung ^u bringen fudjtc unb für gemäßigten
^ortfdjritt auf conferbatiber ©runblage mit 3freimuttj eintrat; in Sarjtmann's
Seben bon ©pringer ift mandjeß barüber zu finben. sJJcit beut llmfdjmung ber
S)inge burd) Ghrnft 2lugufts Regierungsantritt 1837 mürbe nidjt nur folctjer
SBitlfamfeit ber 93oben entäogen, fonbem ty. aud) ber Stufcntfjalt in ber ^eimatr)
berleibet, fo ba§ er gern einer Berufung nad) 23erlin als Oberbibtiottjefar mit
bem Sitel eines ©et). £)berregierungsrau)es folgte (1842). £)ier trat er in
lebhaften freunbfdjafttidjen Söerferjt mit ©abignt), 9ftan!e, .^omerjer, ben ®ebrü=
bem ©rimm, unb ben übrigen Vertretern ber bamals lebhaft angeregten miffen=
fd)aftlid)en Stjätigfeit, mcld)er aud) politifd) liberale Seftrebungen nid)t fehlten.
Ülamentlid) beteiligte fid) $. an ben Semüt)ungen aur 33efferung ber s^eB=
berljältniffe, unb pr ©rünbung einer auf conferbatiber ©runblage bod) refor=
matorifdjen 3eitfd)rift, meld)e an ber 33ebenf(id)feit ber Regierung unb anberen
^inberniffen fdjeiterte. ty. mar ftreng conferbatib gefinnt, aber im ©inne bes
greit)errn bom Stein, meldjer ib^m immer bas rjer^lidjfte JBo^lmolIen bemiefen
tjatte, unb ben er im tjödjften ©rabe beretjrte. 6r betrachtete es besljalb aud)
als feine tjeilige tpflidt)t, baZ Seben beffetben ju befdjreiben, unb führte biefe
2lufgabe mit berfelben ©eroiffenb^aftigfeit burd) , meldje alle feine arbeiten aus*
jjetdjnete. Sangc freilidi blieb it)m bie Senufeung ber mid)tigften 2lctenftüde
$etfc- 409
üerfagt, unb et|"i ber übrigens üon itjm entfd^ieben üerwonenen 9teüotution üon
1848 üerbanfte er beten ungefunberte Senutmng. ftodj in bemfelben $arjre
üeröffentlict)te er Stein's S)enf|d§riften über beutfc^e , insbefonbere üteußifcrje
Söerfaffung, unb üon 1849 — 1855 erfdjien in 6 Sänben bie große Sebens*
befcrjreibung bei greirjerrn. Sie SBirfung berfelben war fetjr groß, weil bamals
notf) wenig autfjentifcfje Dcadjricrjten über biefen fjoct)Wict)tigen ^traum an§
£ict)t gebrungen waren, unb ty. mit rüfjmenswerttjem ^reimutfye allei mittfjeilte,
ot)ne ju Tragen, ob er fu'er ober bort 2tnftoß erregte. 3)aju fam bie gewaltige
*Perföntict)feit beZ Cannes , fein marfiger Stil. S)ie Verarbeitung bes Stoffel
freilief) mar nid)t feljr ju rüt)men, befdjränfte fiel) aber aucrj meifiens baraut,
bie 33rie»e unb 2tctenftücfe aneinanber 3U reiben , unb man blatte alten Srunb,
banfbar bafür }u fein, baß biefe fo unöerfür^t gegeben würben. 2öeit Weniger
befriebigte bie fdjon in leerem Filter unternommene SBiograütjie öon ©neifenau,
üon toelc^er 3 Sänbe in ben $ab,ren 1864 — 1867 etfä)ienen finb.
Sn jener geit ber 50er Safyxe ftanb ty. auf ber £)ör)e feine! Dtutjmes unb
2lnf erJens im ^nlanb wie im 2lustanb; Oon unermübltdjer 2trbeitsfraft, burdj
bebeutenbe neue Sntbecfungen in faft jebem neuen Sanbe ber Monumenta ben
Sdjatj ber ©efctjid£)t§queEen oermef)renb. üDurd) bie (äinjelausgaben ber wictjtig=
ften Cuettenf dritten in Dctaü fieberte er biefen eine ausgebreitete« SBirfung, unb
in nodj tjötjerem ©rabe erreichte er biefen ^xotd , aud) fjierin einen ©ebanfen
bes Stifters ausfüfjrenb , burd) bie Oon itjm betoirfte unb geleitete Sammlung
ber Ueberf etjungen ; benn üon ben auf bem Xitel genannten Männern ift er
allein für biefe Sadje wirflid) trjätig gewefen. 2lts Mitglieb ber Slfabemie ber
ÜJÖiffenfdjaiten t)at er eine 9teit)e üon Unterfudjungen , anfnüpfenb an neu auf=
gefunbene Socumente alter unb neuer §e\i, üorgetragen unb üeröffentlictjt. 2lud)
in bie üon $önig Mar üon SBaiem geftiftete ljiftorifdje Sommiffion mürbe er
1858 berufen unb befudjte beren Verfammtungen regelmäßig bis 1870.
Stein's £eben enttjätt audj bie ausgiebigften Ücacfjridjten über bie @nt=
ftermngägefdndjte ber „Monumenta Germaniae" ; biefe betrachtete 5ß. redtjt eigent=
lict) als ein 23ermäd)tniß üon Stein ; es ift unglaublid), was er bafür mit fetjr
geringen Mitteln unb mit rjöctjft befdjeibenem Grtrag für fidj felbft geleiftet
tjat; ju 3eiten tjaben fogar er unb Soeljmer nod) ^ufdjüffe ju ben Soften ge=
geben. 2lber er glaubte ficrj audj fonft an bie ©runbfätje be§ Stifters gebunben,
nierjt nur inbetreff bes üielfadj getabelten golioformates , fonbern aucrj barin,
baß üon bem gefammetten Material üor ber ^ubtication nicfjts mitgeteilt
toerben burite. So fam es, baß bie widjtigften gelehrten Sdjäfee ganjen ©ene=
rationen üorentfjatten blieben, unb baß unter ben fyacfjgenoffen, toeld^e bas
Unternehmen freuöig begrüßt unb nacb sJftöglitf)feit geförbert Ratten , eine ^u=
neljmenbe Abneigung entftanb. ©benfomenig tonnte er fiel) entfcrjtiefien , felbft
bem ifjm fonft am näctjften fteljenben SBai^ eine ©inroirfung auf bie Seitung
ber Saclje einjuraumen. 5Rit bem Sllter rouerjs bie ir)m üon 51atur fcljon eigene
Statrrjeit, unb üon bem äöunfcrje eriüllt, feinem So|ne ^arl bie 91acb/otge 3U
fiebern, fuctjte er bie biefem weit überlegenen Mitarbeiter in untergeorbneter
Stellung ^u galten. ^Jtamenilicb, fein SJertjältniß %u $affe fteigerte fid) bii jum
erbittertften ^>affe, unb fetjabete iljm in fjoljem ©rabe in ber Meinung ber
3eitgenoffen. 2lucr) in ber Seiluug ber fönigt. Sibliotl^ef , um toetcr)e er fidj
üiele unb große Sßerbienfte erworben l)at, trat boct) immer merjr ein autofra=
tifetjes 233efen Ijerüor, welctjes iljm bie Jper^en feiner Beamten entfrembete; nad)=
bem fidj bann auef) bie Sctjwäcrjen bes Otters in feiner 2tmtsfüt)rung fühlbar
mactjten, würbe er 1873 üenfionirt.
S)ie Sirection ber Monumenta Ijielt er nadj bem 2obe Soerjmer's (1863),
Welcrjer aber aud) feinen Sinfluß barauf geübt t)atte , altein in ber §anb , unb
410 5Pejatotriu§.
nur nominell bitbete er fid) autelt ein 2)trectorium otjnc mirflid)c Irjätigfeit
ober Sefugniffe. ©d)on lange war, anfangs nod) am SunbeStage, am eine
2lenberung bitfeS 5}er£)ättniffeS eingearbeitet Worben; nad) ber 33itbung beS
neuen 9teid)eS , Wetd)eS jur befferen $ortTüt)rung beS Unternehmens bebeutenb
größere ÜJlittcI jju gewähren bereit mar, mürbe an biefe ©ewätjrung bie 5ße=
bingung einer neuen Drganifation gefnüpft, welcrje nad) tangen SBettjanbtungen
unter QJermittelung ber Wfabemie ber 2öiffenfd)aften im $. 1875 jum 2lbfd)lufj
fam. äßaitj, ber anfangs ber tjertiorragenbfte Mitarbeiter gewefcn , unb immer
in freunbfdjajttidjen 33e^ict)unQen geblieben mar, audj fortwätjrenb nod) bebeutenbe
arbeiten für baS grofje 2Berf ausgeführt t)atte, übernahm ben 23orfit$ ber neu=
errichteten ßentralbirection , Weldjer aud) ty. angehörte, otjne jebod) fid) nodj
wirftid) beteiligen ju fönuen. %m 2f- 1876 wollte er nad) einem 2üif enthalt
in £egernfee nod) einmal mieber an ben ©itmngen ber f)iftorifd)en Gontmiffion
in Mündjen tt)eilnet)men, aber faum bort angelangt, würbe er Don einem
©djtagflufj betroffen, welcher am 7. October feinem Seben ein Gntbe madjte.
*ß. war in erfter Gf)e 1827 mit $ulia ©arttett t>ermat)tt, meldje er in
SpariS fennen gelernt tjatte; bon i()ren brei ©öljnen ift ©eorg, metctjer jwei
®ebid)tfammtuugen IjcrauSgegeben tjat, 1870 bor bent 23ater geftorben. 2)er
attefte ©otjn $arl, Mitarbeiter an ben „Monumenta Germaniae", 33ibtiott)ef=
fecretär unb ^tofeffor in ©reifSwatb , julctjt in (SeifteSt'ranfrjeit üerfatlen, tjat
eine 9Ibt)anbtung über bie ÄoSmograpfjie beS 2tett)icuS gefdjrieben unb bie
bon feinem ÜBater entbecftcu Fragmente beS ÖraniuS SicintanuS entziffert unb
IjerauSgegeben ; feine Ausgabe ber mevomingifdjcn ÄönigSurfunben beranlafjte
nid)t unbegrünbeten Jabel. 9lud) ber iüngfte ©or)n, ^»ermann, Weldjer als
^ngenieurmajor ben preufjifdjen .ftriegSbienft Perlaffen t)attc, ift fctjon am
11. September 1881 geftorben. ftadj bem £obe feiner erften £$fiau bermät)lte
ty. fid) 1853 mit Seonore Corner, meldje mit itjren 2öd)tern ifjn überlebte.
@. $. $erfe'S Seben unb litt. Söirtfamfeit, bon Äarf 5)3erü. SÖiffenfd).
Seilage ber fieipä. 3eitung 1882, 9tr. 65—67. -- SSriefe ber 33rüber 3acob
unb 2öilt)elm ©rimm an it)n, baf. Wr. 91—93. — Wefrolog öon SB. b. ©iefe-
bredjt, ©ifcungSberidjte ber Mund), «fab. 1877, ©. 65—74. — 2ö. 2lrnbt,
^m neuen Üieid) 1876, II, ©. 651—657. — 2ßaife, fteueS Skdjib , II,
3. 451—473, bor^ügtid) über feine SJerbienfie um bie Monumenta Germaniae.
äöattenbad).
^ciaroöillö : $aul s$omian *p., auS abiigem ©efd)ted)t, luitjerifdjer
2t)eologe, geb. ben 18. 5e&ruai: 1^50 äu 9cifolatfcn in Oftpreufeen, als ©ot)n
be§ ©eniorS ber preu|ifd)en ©eiftlidjfeit , Gilbert s^omian ty. , ber bei feinem
Sobc, im 103. 3at)re feines ÖebcnS, im 72. feineS ^rebigtamtee, 10 Äinber
unb 96 ßnfet t)intertie|. 9iadj tl)eologifcr)em ©tubium in AJönigSberg 1676
Magifter, 1678 ©ubinfpector am ttjeologifdjen (Sonbict, mürbe er 1682 infolge
tjeftigen ©treitenS gegen bie ©rjnfretiften feines 2imteS entrjoben. ßinige ^fatjre
fn'elt er fict) tb,eitS auf beutfctjen Uniüerfitäten , tb.eitS in Jpottanb unb (Juglanb
auf , bis er fid) in 9toftod nieberlie^. Slud) tjier erregte er ©treitig!eiten , fo
baf} gegen feine Ernennung jum ^ßrofeffor ber Geologie Söibcrfprudj ertjoben
würbe, infolge beffen er im ^a^xt 1686, flagenb über bie 33ebrüdung ber reinen
Setjre, Üioftorf berlie^. Vlaü) turpem ^lufentljalt in ©reifsroalb, SBittenberg unb
Seipyg, l)ielt er fid) wieber mef)rere Sfarjrc tu \gwHanb unb ©d)Weben auf.
3urürfgef etjrt , fötjntc er fid) mit ben Ötoftocfer s^rofefforen auS, uadjbem er
de paradiso infernali ber datirttner biSputirt, unb Würbe 1696 jum ©octor ber
Ideologie promobirt. 3>n bemfelben Si^re würbe er erfter Pfarrer am S)om in
Königsberg, Mitgtieb beS GonftftoriumS unb aufeerorbenttid)er s}>rofeffor. 3lm
18. Januar 1701 affiftirte er ben beiben 33ifd)öfen in ber ©djtofjfircrje bei ber
W%. 411
Krönung beä elften J?öuig» öon $reuj$en. -peftige Ausfälle auf ber .ßanjel
öerantaßten nad) öergebticfjen 3)ermai)nungen feine jeitroertige Slmteenttjebung.
jpeimtict) öeitiejj et im Shiguft 1707 feine ©emeinbe; obg(eicf) bei Äönig it)n
jur 9tüd:fer)r aufforberte, entfagte er öon Hamburg au» im fjfebruar 1708 feinem
2tmt. @r ging nad) Sctjroeben , too er jefm ^afjre als Prof. theol. honor. an
ber Uniöetfität öon llpfata befonber§ fdjriftftetlerifd) roirfte. 3m Satjre 1718
feixte er nad) Seutfdjtanb gurütf, um für feine erfctjütterte ©efunbtjeit in SSäbern
■Öeitung ju fudjen. 2tm 3. Secember 1723 ift er in Bresben geftorben.
24 Srutffcrjriften , meift bogmatifd)en unb potemifdjen ^nfjalts. 33gt.
3öd)er III, 1413. — ©ete^rtes «Preußen II, 6. St. S. 410 unb III, 4. St.
S. 202. — 9tanfft 's Sebcn fädjfifdjer ©otteigelet)rten. — Sammlung bon Sitten
unb "Keiien Sachen 1724, S. 977. — ©ebfer, ©efd)icr)te ber Somfirdje 2. 352.
Gart 2Ufr. ö. £afe.
$eflfj: ©eorg ^. ($efd)in), ein beutfd)er ßomponift au§ ber SJtitte beä
16. ^arjrtjunbertS, DDn oem tforfter in ben 4. 2t)eU feiner Sieberfammlung Don
1556 bas Sieb ,,©tüd, tjoffnung gib, ftunb roeit" unb in ben 5. Streit (1556)
ba§ Sieb ,,-)]cein .»petij fett tjin in großem teib" aufgenommen tjat. °$m erfteren
ift er ©. 5ßefd), im letzteren ©eorg ^efd)in gewidmet. SSetoeife für bie ^bentität
ber beiben Tanten tjahe id) nidjt, boct) liegt bie Sermutfjung fetjr natje, bafj e£
ein unb berfetbe ßomponift ift, mit beffen 9camensfct)teibung man e§ nid)t aüju
genau genommen tjat (f. toeiter unten). Seibe ionfätje finb einfad) contra^
punetifd) gefangreid) gefcrjrieben, roeid) in ber Stimmung unb öon rounberbarem
äßotjtftange, eine Sigenjdjaft, bie in ber (Jotftet'fc^en Sammlung nidjt attju oft
anjutreffen ift, benn bie 9taut)eiten unb «gärten finb in ber 3eit, auä ber gorfter
feine Sammlungen gufammenfteftte , nod) öorf)crrfct)enb. Sie 2Iet)ntid)feit ber
beiben Sieber in itjrer roeidjen metobifdjen Stimmung ift einer ber erften ©rünbe,
ben $efd) unb ^efctjin für ein unb benfetben ßomponifien ^u rjatten. Soci)
bamit finb bie Steten über benfelben nod) lange nid)t gefdjtojjen, benn es reit)en
fief) biefen beiben tarnen nod) brei anbere an, bie id) nid)t anftetje, bemfetben
Gomponiften ju^ufcrjreiben. gorfter tjat nämtid) im 1. ürjeite feiner Sieberfamm=
(ung öon 1539 jroei Siebet unter 9tr. 22 unb 113 aufgenommen, öon benen
er bas Sieb „öfraro id) &in euer) öon tjerjen t)ott" einem ©regor ^efttjin ober
v}>efd)in unb „Dtag ictj auftudjt in etjr unb .judjt" einem ©regor s$itfd)ner ober
i^eftrjin jufd)reibt; ferner öeröffenttidjt ber Stugsburger S)rucfer Ätiefeftein 1540
ein Sieb „5Jcic§ freist ungtücf fo öaft", tDetctjes er mit ©regor ^öfefun jeictjnet.
bann befinbet fict) in ber Staatebibtiottjef in ^tünetjen, im Gober 61, eine Üfteffe
öon ©regorio ißefdjin; ganj befonbers tjat aber ber Sautenift £ct)fentt)un in
•peibelberg it)n öereroigt unb in fein 1558 erfcrjienenee Sautenbud) 13 für Saute
arrangierte Motetten unb Sieber aufgenommen, bie fiel) unter gof. 38, 59,
61 — 65, 74, 79 unb 80 befinben. @r nennt ifm einmal ©regor ^pefctjin, bann
roieber ©regor ^etfcfcjin. Sa felbft Dctjfenftjun , ber it)n mutrjmafjticrj gefannt
tjat, ba er eine große 3)ortie6e für it)n geigt , in ber SctjreibtDeife be§ ^amene
roecr)felt, fo ift es rjeute nietjt met)r möglict) , roenigften§ öorläufig , ben eigent=
lict)en tarnen feftjufte'tten , boct) möcfjte ict) nod) rjin^ufügen, bafj nic£)t ©eorg,
fonbern ©regor roorjl fein richtiger Vorname ift, ba ber (etjtere öorioiegenb
gebrauetjt roirb. 53on ben beiben obigen Siebern au§ gorfter, fcr)lie^t fict) btä
leitete im 6t)arafter benen üon ©eorg ^efef) an , roäfjreno baZ erftere im
einfaetjen Srjoratftite gehalten ift, mit ben $aufeneinfct)nitten nact) jebem 35erfe.
Sie übrigen oben angeführten Gompofitionen tjarren noct) einer Prüfung. Dcur
über bas Sieb im .v?rie§ftein jagt Stmbrol: „Slusgejeicrjnet fctjön, ju fctjön für
ben bie SSerberbttjeit ber Sßelt bejammernben lert."
9t ob. Sitner.
412 $eföed.
^cfdjCCf: Gtjriftian 21 b o 1 f ^3-, toerbientet $rotnn(}ialf)iftoriter, ftammte
bon einet börjmifdjen ©rulantenfamilie aus ber ©egenb bon ßöniggrätj , bie
mit bem grofjen 9ted)enmeifter Grjriftian $efd)ed, feinem Urgrofjbater , in
ber füblidjen Oberlaufitj rjeimifctj geroorben roar, unb tourbe am 1. fyebruar
1787 -}u ^onöbotf als ©ot)n beS bamaligen Pfarrers (irjriftian gfriebrid) $.
geboren. sJ3iit ben Altern 1795 nad) ©rofjfdjönau , 1796 nad) Zittau über-
gefiebelt, roo nad)malS — 1816 — ber 33ater bis jum Pastor Primarius auf*
flieg, erhielt er pnädjft l)äuSlid)en Unterrid)t unb befud)te bann 1799—1805
baS ©tymnafuim unter 9tubolpl)S 9tcctorat. 2Bie fetjr ber 93atcr in bem ©otjne
fd)on batnalS ben t)iftorifd)en unb litterarifdjen ©inn getoedt t)atte , betoieS ber
letztere bereits als ©d)üler burcr) eine f leine Arbeit. Dftern 1805 bejog er bie
Uniberfität Söittenbcrg, um fid) nad) ben Slrabitionen feiner gamitie — aud)
bie Butter mar eine *PfarrerStoct)ter — bem ©tubium ber Geologie ju toibmen.
SBefonberS anregenb roirften t)ier auf U)n 5)3ölit$ unb Jpcubner. Dbrool er fid)
bem bamatS aud) in SBittenberg borroiegenben Nationalismus nierjt nnfdjlofj, fo
blieb er bod) 3eit feines £ebenS jeber intoleranten Sluffaffung abfjolb , roie es
feine milbe, tjcrföcjnlicrje Statur verlangte. S)er 9IuSbrud) beS Krieges bon 1806,
ber balb aud) SBittenberg berührte, nötigte irjn jur -jeitroeitigen Otüdferjr nad)
ber Heimat!). 9cad)bem er bann 1808 jum Magister lib. art. promobirt roor=
ben mar unb 5lbril 1809 in 55reSben baS (Jramen für baS geiftttdje 2lmt be*
[tauben tjatte, ging er nad) 3^ttau prüd unb fanb rjicr ^fult 1811 eine 2ln*
ftettung als Hilfslehrer, 5Rärj 1818 als Oberletrrer an ber neuorganifirten
©tabtfd)ule, übernahm aber fd)on im !£eceTnber 1816 baS Pfarramt in Süden*
borj unb Dtybin, bid)t an ber bötjmifdjen (Stetige. 9tad) aerjnjäljriger, rreilid)
oft red)t befdjroerlidjer ütfjätigfeit in ber ferjönen ©ebirgSeinfamleit trat er 1826
feinem greifen Sater als ©ubftitut an bie (Seite unb übernahm nad) beffen
balbigem £obe (im 4Jtobember beff. SatjtcS) 1827 bie ©teile beS $ated)eten unb
beS 3iid)trjaU2prebigerS. fQon biefer flieg er 1831 3um jroeiten, 1840 jum
erften 2)iafonuS, 1854 jum 2lrct)ibiafonuS auf, mobei er augleid) einige ^aljre
Ijtnburd) als 9teligionSler)rer am ©d)ullel)rerfeminar mirlte. ©ein 2Imt natjm
*ß. nid)t berattig in Slnfprud), bafj er nid)t reid)ltd)e $tit <}u roiffenfd)aftlid}er
unb titterarifdtjer 2;r)ätigfeit gefunben t)ätte , auf bie ttm eine alte unb tief
gemurmelte Neigung tjinroieS, unb fein glüd(id)eS Familienleben, baS er 1814
burd) bie Skrmärjlung mit Henriette 2lugufte ©öffcl, ber £od)ter beS Pfarrers
in ßnbau begrünbete, ertrielt itjm bie Apeiterleit unb 3rifd)e beS ©eifteS, bie
SöorauSfetmng foldjer Slrbeit. (5r mar ein 9Jcann bon umfaffenbftem Sintereffe,
in ben antifen Sitteraturen ebenfo belefen roie in ber mobernen, aud) beS
gfranjöfifdjen , @nglifd)en , 3ttalienifd)en unb etroaS aud) beS ßjedjifdjen funbig
— fein jagebud) führte er feit ber ©tubentenäcit in englifdjer ©pradje — ,
überaus fteifjig, ein bieneneiniger ©ammler unb babei bon ebenfo großer 2eid)=
tigfeit in ber fd)riftftellerifd)en ^ßrobuetion , mie erfüllt üon bem Söebürfntjj ^u
einer folctjen. @r ^at mit nidjt toeniger als 53 3"Md)tiften in Serbinbung
geftanben unb mürbe besrjalb aEmärjlid) in 15 gelehrten ober gemeinnü^igen
©efellfdjaftcn ein gefdjä^teS ^Jlitglieb , unterhielt aud) bis an fein Gmbe eine
ausgebreitete ßorrefponbenj , inSbefonbere mit bö^mifd)en unb fäd)fi|d)en ©e*
letjrten. 2lm näd)ften ftanb itjm natürlid) bie Oberlaufiteifdje ©efeÜfd)aft ber 9Biffen=
fdjajten in ©örlilj, ber er feit 1824 als roirilidjeS sFtitglieb angel)örte unb bereu
Organ, baS „9teue 2aufiüifd)e TOagaäin", er 1832—1834 felbft rebighte. 3u=
gänglid) unb gefällig roie er roar, obroorjl er eines gemiffen tjarmlofen ©elbft»
geiütjtS feiueSroegS entbehrte, unterftütjte er gern aud) bie arbeiten anberer.
©eine eigenen beroegten fid) in ja^Hofen Sluffäfeen unb felbftänbigen ©d)riften
beS Oerfdjiebenften UmfangeS auf einem ferjr auSgebetjnten ©ebiete, aud) auf bem
Werf. 413
tt)eologifcf)en unb päbagogifctjen — mir ettoä^nen öon folgen nur: „$efu§ unb
bie grauen. Sin 2tnbadjt§Duc£)" 3^tau 1819, bai audj ins ^ollänbifctje über=
fefct tourbe, „9flenfct)etitoertb,, in Scjatfadjen unb SBorbitbern bargefteüt. Gin
Sefebucb/', 3tttau 1820 unb „Äonfefftonifcüd&tein", 3ittau 1830 — aber am
tieöften concentrirte er feine toirflictj tüiffenfcfiaftUd^e Stjätigfeit, ju bereu görbe=
rung er trotj fctjmalen (5infommen§ felbft nicijt unbebeutenbe becuniäre Dpier
braute, botft auf bie ©efct)ict)te feiner rjeimattjticijen 2anbfcr)aft unb (Statt unb
30g auctj, toa§ bei ben rjiftorifdjen 33eaiefjungen ftcr) bon felbft ergab, bie be§
benachbarten 33öb,men, roenigften§ in einzelnen 9tict)tungen , mit in ben jhete
feiner ©tubien, toie er benn aucb, gern unb tjäufig bort toeilte , wo noctj fein
Dtationalitätenftreit ben friebtictjen Sßerfetjr beutfctjer unb cjecrjifcrjer ©eletjrter
ftörte, unb aatjfreidje Sßerbinbungen mit folgen anfnübjte, ju benen er fcfjon in
öücfenborf ben ©runb gelegt tjatte. ©anfbar t)at er namentlich ftet§ bie #ör=
berung anerfannt , toelcfje jatjtreid^e 9Jtitglteber ber börjmifcrjen Slriftofratie iljm
gemährten. 3>n Per ©efdjictjte 3^auS unb ber Cbertaufttj tjat er ficf) eine fo
umfaffenbe $enntnifj ertoorben, toie fie toarjtfcrjeinlicb, toeber bor ifjm nocfj nact)
ifjm irgenbtoer befeffen tjat. @r berfätjrt ntcfjt immer fritifct), in ber Inorbnung
be§ ©toffcä oft merjr fäjematifct) at§ tjiftorifcb, unb liebt e§ ptoeilen, in betmg=
lictjer S3reite ficf) ju ergeben, üerfällt toofjt aucfj in einen erbaulichen £on , too
er nicrjt gerabe fjingefjört , aber immer ift bie gütte be§ toorjtgeorbnetcn '»Fcate=
rial§ erftaunlidj, oft faft erbrücfenb, unb bie bebeutenbften feiner Söerfe auf
biefem ©ebiete fjaben trotj mancfjer Mängel bie gorfdjung nitfjt nur aufter^
orbentlictj geförbert unb toeiteren Unterfudjungen eine fidjere (Srunblage ge=
fcfjaffen, fonbern 3Utoei(en fie fo gut toie abgefdjtoffen. ©einem ©eburtSort unb
ber ©tätte feiner erften getftlictjen SBirffamfeit toibmete er mehrere fleinere Sit*
beiten („©efcrjidjite bon ^jonSborf bei 3ittau", 3- 1835, „©efdjidjte ber ^ird)e
ju Sücfenborf", 3- 1839); befonber§ aber regte itjn bie fjerrticfje 9ruine ber
Sölefttnerfirctje auf beut Drjbin, bie ^u feinem Sürfenborfer !ßfarrfprfnget ge=
fjört t)atte. ju immer erneuter gorfdjung unb 5Darftellung an, bie er bann in
ber ,,©efct)ic£)te ber Göteftiner be§ £)t)bin§" 1840 jutn 2tbfcrjlufe braute. Ser
CrtSgefdjicrjte 3ittau§, ber freilief) burcf) ben SBranb bon 1757 bie urfunbticfje
©runblage jum guten Stjeil entzogen toorben ift, toanbte er ficf) fdjon 1823
mit ber ©cfprift „betrug bon 3ittau" ju; 1834 unb 1837 erfctjien bann in
ätoei ftarfen SSänben fein „.gmnbbucf) ber ©efdjtdjte öon 3ittau", eine§ feiner
•Öaubtroerfe, ba§ ü£)anf ber gutle be§ ©toff§ immer eine ebjrenüoEe ©tette unter
ben beutfcfjen ©tabtgefcrjictjten einnehmen mirb unb ba§ itjm öerbienterma^en
ben Sfjrenbürgerbrief ber ©emeinbe eintrug (1839). ©0 rechte ©tjrcntage ^ür
ib,n mürben begfjalb auctj bie beiben @rinnerung§fefte , bie er noct) in f)öt)erem
Sllter erleben burfte, ba§ 600jä^rige Jubiläum ber ©rünbung 3^iau§ °ur(^
Äönig Dttofar II. bon Söfjmen im 2luguft 1855, ba§ bie ©tabt u. a. burcf)
einen großen bjiftorifdjen geftjug unb einen geftactuS beging, unb bie f)unbert=
jährige ©ebenffeier ber Störung ber ©tabt burct) bie öfterreicrjifcfje 23efct)ie§ung
am 23. $uü 1757. 33eim erfteren b>lt ty. in ©egenroart be§ bamaligen
jhonbrinaen albert bie geftrebe , bk bann auctj im S)ruc£ erf(f)ien („Äönig
Cttofar II. unb bie 33egnmbung ber ©tabt 3ittau", 1855), bei ber feiten bie
geftprebigt („^ßrebigt am tjunbertften Sßranbgebäctjtni^tage", 1857), aHerbing§
metjr eine fjiftorifctje Sarftellung al§ eine geftprebigt. S)er allgemeinen ©efctjic&te
ber Oberlauf^ gehören bann arbeiten an toie bie ^reisfctjrift ,,©efctjicf)te ber
Üioefte in ber £aufit}'\ ©örli^ 1836 unb mehrere bei feinem 2obe nur b,anb=
fcfjriTtüctj im Slrctjiö ber Cberlaufitjer @efetlf(t)aTt ju ®örli| bortjanbene, fo bie
„Siteratur be§ oberlaufi|. 3lbel§" 1835, „9tepertorium ber tjiftorifctjen Literatur,
bie Dbertaufi^ im allgemeinen betr." 1837, „Siteratur ber oberlaufi^ifctjen
414 »cd.
SDörfer" 1840 u. a. W\t befonberer Vorliebe roanbte fid) ty. fpäter ber @r=
forfdjung ber böljmifdjen (Gegenreformation unb itjrer sJiüd!roiruing auf bie
l'aufitj unb auf 6ad)fen 3m SBieS ifjn bod) auf bieje bie ©efd)idjte feiner
eignen Familie , bie er aud) metjrfad) in fleinen ®elegcnl)eitSfd)riften bcljanbett
l)at, roie bas bei feinem ausgeprägten Familiensinn natürtid) mar. %m 3.
1844 Veröffentlichte er in jtuei 33änben bie ,,©efd)id)te ber Gegenreformation
in S3öt)iuen", 1857 erroarb er fid) mit feiner Arbeit über „bie bötnnifdjen
Mutanten in ©ad)fen" ben 5ßreiS ber ^abtonoroSfi'fdjen ©efetlfdjaft, beibe*
SOßerfe, bie itjm einen baueinben tarnen fidjerten. S)er erfteren ©djrift roorjt
fyauptfädjlid) öerbanfte er bie @t)rc ber Ernennung jum Dr. theol. burd) bie
ttjeologifdje gacultät ber Uniüerfität Seip^ig an ßuttjcr'S breitjunbertjätjrigem
SobeStage 1846. — s$. blieb banf feiner überaus einfachen unb ftreng geregelten
SebenStoeife bis in fein fpäteS Wtter förperlid) unb geiftig rüftig, tljeUnebmenb für
bie öerfdjiebenftcn ^ntereffen unb unermübtid) ttjätig bis an fein @nbe. S)ieS tarn
bann rafd) über ifjn. (Sr tjatte nod) bie ^rebigt für baS sJteformationSfeft, baS in
©adjfen am 31. Dctober firdjtid) begangen mirb, niebergefdjrieben unb nod) am
24. Dctober einen Vortrag im „herein für roiffenfd)afttid)e Unterhaltung", ju
beffen eifrigften lUitgliebern er gehörte, gehalten, aber am uädjften Sage fdjon
erfranfte er an einer tjeftigeu öruftfellentjünbung, bie feinem £eben am borgen
beS 3. 9coobr. 1859 ein 3«! le^e. 1861 t)aben feine CanbSteute „beut raftlofen
gorfd)er in ber ß>efdjid)te beS $aterlanbeS, ber Jpeimatt) unb beS Drjbin" auf
bem a3erge fetbft untneit beS Eingangs ^ur Sölcftinerfirdje ein S)enfmal gefegt,
äu bem 2)onnborf bie SBüfte (in 23ronce) lieferte.
53gl. Jpird)e, tRebe jum IHnbcnfen beS Dr. theol. et phil. Gtjriftian
2lbolpt) *ßefd)ed, gehalten am 11. 3lpril 1860 in ber 115. Jpauptperfamm=
tuug ber Oberlauf, ©ef. ber 2Biff. Vlngerügt ift ein 3)er,jeid)nijj aller litte=
rarifdjen arbeiten $efd)eifS, 3. £1). nad) feiner eigenen sJtiebeifd)rift. —
4j>. Äaemmel, De vita studiisque Cbristiani Adolphi Pescheccii. Oratio in
gymnasio Zittaviensi habita 22. Decbr. 1859, beibeS im „bleuen £aufitj.
9Jtagajin" 93b. 37, 1860. — 9Ubum beS ©PmnafiumS 3U Zittau, l)vögeg.
bon £). f^friebricJ) (1886) <B. 110. 30. Einzelnes nad) gainilienmittt)eilungen
unb eignen Erinnerungen. O. Äaemmel.
iMdjctf: 6 fj r i f t i a n Sluguft 5p. mürbe am 29. SDecember 1760 3U
(Sibau bei oittau geboren, reo fein 33ater bamalS Pfarrer war. S)iefer folgte
balb einem Wufe nad) 3i"au^ Ull° fyer erfjielt ber ©oljn tl)eilS burd) ben Don
feinem alteren 33ruber unb bon Ganbibaten erteilten ^riöatuntcrridjt, ttjeilS
auf bem ftäbtifdjen ©timnafium feine 93ilbung. ©eine poetifd)e Begabung trat
fdjon tjier öielfad) 3U Sage, unb ber Sert ju ber Gantate, bie jur geier beS
SEefdjener griebenS in Qiüau aufgeführt warb, roar öon $. gebidjtet. @r müV
mete fid) in £eip,}ig unb nad)malS in 33ertin bem ©tubium ber sJftebtcin, empfing
1784 bie ©octorwürbe unb lief} fid) bann in feiner Sßaterftabt als Slrjt nieber.
2[m 3f. 1795 erging an itjn ber 9tuf, bie fäd)fifd)e 2lrmee als ^elbmebicue ju
begleiten. 6r folgte bemfelbcn unb tjatte fo Gelegenheit , bie fdjönen Ütl)ein=
unb 9Jiaingegcnben fennen 3U lernen, roäljrenb feine Familie einftmeilen in
SreSben rool)nte. 2lud) 1796 rjielt i^n fein Seruf in ber gerne feft. $. Ijat
in biefen getbjügen biel leiben, felbft baS gefätjrlidje unb tangmierige ßajaretl)=
fieber burdjmadjcn muffen. %\n %. 1798 roätjlte er 3^tflU wieber ^um Ort
feiner 2Birffamfeit unb übernahm t)ier 1802 aud) baS ©tabtp^rjfifat, baS er
bis 1825 befleibete. S)ann trat er in ben Ütutjeftanb unb taufte fid) in SBeiStit;
bei 2)ot)na ein Sanbgut, in beffen 23eroirtl)fd)aTtung er für bie Sage feines SllterS
eine angenetjme 93efcrjäTtigung 3U finben Ijoffte. £>od) überzeugte er fid) balb,
bafj bie Öanbroirtt)fd)aft aud) anbere «Seiten t)abe als nur poetifd)e, berlie^
WM- 415
batum SSeistiK unb 30g 1828 rtadj Shesben, 100 er ben ©tubien unb üttera=
tifdjen 23efct)äftigungen lebte unb am 29. ©eptcmber 1833 ftarb. — Sß. war
ein bielfeitiger ©djriftftelter. 33on feinen mebtcinifdjen Söerfen ifi fein „SBörter*
bud) ber -gmusatjneifunbe" (II, 180Ö — 1802) ba§ bebeutenbfie. ©eine Romane
(2)ie unbefannte Stonne", 1781 — „®as Sägermäbdjen, für @mpfinbfame unb
©pöttler", 1782 — „ftrifc Don S^appelwalb", 1783 — „£t)eobor, ober bie
Stadje bes ©djidfals", 1784 — „^tjitipp unb ^acobine", 1782) finb otS un=
reife Sugenbprobucte längfi ber 23etgeffeni)eit anheimgefallen ; bagegeu erregten
feine „©idjtetifdjen Äriegsgemälbe" (1782) eine um fo längere Slufmertfamfeit,
Weil bie poetifdje Sitteratur an SDidjtungen biefer ©attung eben nidjt reid) mar.
2>ie $riegsfcenen be§ baierifdjen ßrbfolgefrieges Ratten i|m ben ©toff baju ge=
boten. ©iefer 2>id)tungen wegen Warb er aud) in Berlin bem Könige gfriebtid)
bem ©tofjen porgeftettt. ©eine SJtonogtapfjie „©et Drjbin bei 3ittau ; Staub*
fdjlofi, Älofter unb Staturwunber" (1793) b>t biet jur 23erii^mtr)ett biefes
Ortes beigetragen, unb feine „Saufitüfdje S3tonatsfdjrift, ober Beiträge 3ur natür=
litten, öconomifdjen unb potitifdjen ©efdjidjte ber 2aufit$" (3 $at)rgge. 1791 ff.)
ift aucr) b,eute nod) für ben fyorfcrjer üon 2öertt).
Steuer SMrolog ber ©eutfdjen, 3at)tg. 1833, ©. 623 ff.
5- krümmer.
s^C|"d)Cl: $art ©otttieb $., ^ifiorienmaler, geb. ju ©resben am 31. SJtärj
1798 als ©oljn bes lurfürftlid) fätjfifdjen tfinanjcalcutators ©eorg ©ottlieb $.,
t ebenba am 3. ^uli 1879, tjat fidj auf bem ©ebiete ber religiöfen Äunft aus=
geaeicrjnet unb gehört in bie 3at)t jener beutfdjen Mnftter, meldte fiel) in ben
erften ^atjtäetjnten bes 19. 3al)rt)unberts in Stom jufammenfanben, um ficr)
fjier burd) bie Slnfctjauung fübüdjer Statut unb bas ©tubium ber alten ita=
lienifcrjen SJteifter baju au§3urüften, bie baterlänbifctje $unft neu 3U beleben
unb aus itjrem 3uftanbe ber 33erflact)ung emporheben. Grr bermenbete fein
geringes, aus ben ihiegsjeiten übrig gebliebenes bäterlidjes Srbitjeil, nadjbem
er bie ©resbener Sltabemie befudjt, auä) bereits bei 9tusfüt)rung ber SBogeFfctjen
©edengemätbe im ©djloffe 3U Sßittniij als ©etjütfe mitgeWirft blatte, jur Steife
nad) Italien unb berbrad)te üon 1825 — 26 ein gtüdtidjes ^afjr in Stom. ©ein
Segleiter auf ber Steife batjin War Slbotf 3iwmermann, in Stom fetbft empfingen
ifjn alte unb neue gfreunbe. SInton ©taget führte itm in bie tömtfdje Äunfttoelt
ein, mit Subtoig Stiftet fnüpfte fiel) ein 2?ert)ättnifj ber fjfreunbfdjaft an, bas
als ein überaus inniges wätjrenb ber ganjen Sebensjeit ber beiben S3tänner
fortbauerte. Stad) feinet Stüdfunft in bie Jpeimatl) falj fid^ ty. anfänglich ge=
nötigt, feinen llntetrjalt buref) bemalen öon ©ct)nupftabaföbofen ju Perbienen.
Slber fdjon ba§ erfte S3ilb, toeld^eö au§3ufür)ren itjm bie Stotf) bes Sebene ge=
ftattete, eine Stebeffa am SSrunnen, erntete Slnerfennung, würbe Pom fäcfjfifcfjen
^unftPerein angefauft unb ermöglichte i^m, eine feiner unwiirbige xljätigfeit
aui^ugeben unb gang jur Äunft 3urücf3ufe|ren. (Jr würbe nun bei Slusmalung
be§ .jpärterfd)en römiftt)en Kaufes in Seipjig neben ©enelli befcl)äf tigt , ber be=
fannte ^unftfreunb Sodann Öotttob Pon Quanbt lie| auf ©cjjönfjölje bei 3)it»
tetöbaef) unweit ©tolpen einen ©aal im Unterftod eines 1833 bafelbft errict)=
teten Sfmrmbaues bon ib,m mit grescogemätben nact) ©oetl)e'fct)en ©ebicr)ten
ausfcrjmücfen , unb als et an bet Stesbenet Slfabemie Stactjfotget bes im $•
1837 Perftorbenen ßljtiftian ©ruft ©töljet als brütet 3ei^enmeMier würbe, er»
öffnete ftä) i^m an biefer Slnftalt eine eb^renboüe 2aufbal)n. Sine Steige größerer
fünftterifetjer Slrbeiten entftanb wätjrenb ber langen ®auer feine! Sebens, bi§ in
fein t)ot)es Sitter fteigerte fictj nur, befonbers in feinen 3eic£|nungen, bie ©cr)ön=
Ijeit feiner ©atftellungsweife. Unter anberem malte er für bie ^iretje in Sluer^
bad) im 2)ogttanb ein Slttargemälbe , bie SStutter ©ottes mit ber Seictje bes
416 $eföcl.
.»peitanbeS; jmei Silber öon itjm auS ben i^arjren 1845 unb 1851, 2)em *ßatri=
arcfjen Siacob erfdjeinen auf feinem Su%t nad) bem gelobten Sanbe bie ©nget
©otteS unb kommet rjer ^u mir aße , bie iljr mütjfetig unb belaben feib , id)
toitt eudj erquiden , famen in bie 2)reSbener ©alerie. 5Durd) SSeröielfältigung
mürben öon iljm aufjer anberen SBerfen, meldte tljeitS öon if)tn felbft unb
$. Söittiarb titljograpljirt , tljeilS öon Jpanfftängl pljotograpcjirt mürben , eine
Jolge öon üDarftcttungen ju ütobiaS (1830) unb bie öon 3Inton jhüger in
Tupfer geflogenen greSfen öon ©djöntjölje befannt. (£in als Äunftroerf auS=
gewidmetes, öon £$friebrid) 8eon ^ßoljte gemaltes 33ilbnifj öon u)m erhielt gleid)=
falls bie 2)reSbener ©aterie.
.£>. ö. ^riefen , ^tüdjtige SSemerfungen über einige ^freSfogemätbc fluf
ber ©d)önf)öl>e bei ©itterSbarf), im £unft=33latt 1838 9tr. 64 u. 65 ©.258 f.
unb 259 f. — 3ot). Äarl ©eibemaun, Ueberlieferungen 3ur ©efdjidjte öon
6fd)borf, 2>ittcrSbadj unb Umgegenb, 2)reSben 1860, SBurbadj, ©. 166 f. —
2BÜ1). Raulen, greub' unb 8eib im £eben beutfdjer ßünftler, ftranff. a. Wl. 1878,
©. 163 — 167. — allgemeinem ßünftterlericon, umgearbeitet öon 31. ©eubert
35b. 3, Stuttgart 1879, ©. 53. — granj ö. 9teber, <$efd)id)te ber neueren
beutfdjen Äunft, 2. 31uft., 33b. 2, Seipjig 1884, ©. 216 f.
g. ©djuorr ö. GarolSfelb.
vl>c|d)Cl: £)Sfar <yerbinanb ty. , fjeröorragenber ©eograpt) unb Sßu&ticifi,
geb. am 17. 5Jlärj 1826 ju Bresben, t am 31. 31uguft 1875 ,}u Setb.jig.
5ßefd)et'S 33ater mar Cfficier unb £et)rcr an ber Gabettenfdmle ju Bresben, ein
5Rann non tjoljer 33ilbung, feine Butter, eine geb. ©teinacter, flammte auS
ßeip,}ig. s$. genofj nur bis ju feinem 14. 3far)re ben Unterließt beS ©nmna*
fiumS unb trat bann als Sefjrting in ein $aufnianuSrjauS ein, meldjeS er nad)
brei ^aljren öertiefj. 3rocUä^ifle ^riöatftubien befähigten it)u, 1845 baS 216=
folutorium ber Äreujfdjute ju SheSben ju erlangen, 3n ^eibetberg unb Seip^ig
roibmete er fiel) ber 9ted)tSgetet)rfamfeit unb beftanb fdfjon am 19. 3luguft 1848
bei ber ßeip^iger 3>uriftenfacu(tät baS Gramen pro praxi juridica et notariatu.
33e,jetd)nenb ift eS, bafj er nur roenige äßodjen fpäter, am 8. (September beS=
felben ^atjreS mit einer üDiffertation „lieber ben 33egriff beS üLragifctjen im
mobernen 5Drama. Sine ihitif ber 3lriftoteüfd)en $oetif" bei ber Uniöerfttät
$ena in absentia promoöirte. 3fn ber £ljat liegt merjr in bem bamit gemonnenen
ptjitofopljifdjen üDoctor als in ber burd) bie juriftifd)e Prüfung erlangten 35e=
fätjigung ^um ÜRidjter ober 3(ntuatt ber Slbfdjlujj ber UniöerfitätSftubien beS in
öielfeitiger litterarifd)er 33eü)ätigung fdjon in ben erften ©emeftern fid) er=
gerjenben Jünglings. *p. roar nidjt nur als „9tafeten unb ©ternfdjnuppen
fprüßenber" S)id)ter öon ^olterabcnbfdjer^en im Äreife feiner ffreunbe befannt,
fonbem tjatte fcr)on 1846 in ihtranba'S ©ren^boten ^oöellen öeröffentlidjt unb
fid) au^erbem im ßuftfpiel öerfudjt. 31ud) fdjeint nid)t erft baS ©turmjatjr 1848
itjm bie geber beS potitifdjen ©d^riftftellerS in bie £>anb gebrüdt ju daben,
benn er tritt unS in einer ßorrefponbenä ber 3lllgemeinen 3eitUIlS auS ©erlin
öom 9. 9toöember 1848 als ein auSgefprodjeneS publiciftifdjjeS Talent ent=
gegen. S)iefelbe befprietjt baS ßiftorifdje @reigni& biefeS iageS , bie 35ertagung
ber preufjifd}en ^iationalöerfammlung unb it)re Verlegung nad) 33ranbenburg in
bem ©tile eines fetjr toorjl informirten unb über ben Parteien fteßenben 5Berid)t=
erftatterS, melcrjem tiefere färben, als bie joumatiftifdje Palette ju tragen
pflegt, für baS (Srofee biefeS folgenreichen äBenbepunlteS in 5Preu|enS ©efd)id)te
jur Verfügung ftanben. 5p. mar am 22. October nad) Berlin gekommen, blatte
tjier burd) einen glüdlidjen 3u!aß < ber it)m einen Slbgeorbneten ber 9tational=
öerfammtung jum 3immerna<^bar gab , rafd) 3)erbinbungen in ben politifd)en
Greifen gefunben, unb in einigen ßorrefponben^en fo ferjr ^ur 3uiriebenr)eit ber
v-l*efäet. 417
Allgemeinen 3e*IuriS geatbeitet, bafj beten tftebacteur ©. Äotb if)m @nbe S)c=
eember eine Stellung bei ber 9tebaction anbot. 5p. mar um bie ^atjreSroenbe
felbft nad) Augsburg gcfommen , mo er eine 3ei^ang ben „beutfctjen Artifel"
beforgte, — bon Lettin au§ tjatte 5p. auctj gelegentlich über fäctjfifctje 2}ert)ätt=
niffe getrieben — um bann ein %al)x lang t>on Sßien aus ju correfponbiren.
6r feixte 1850 nact) Augsburg in bie SJtebactionsfiube jurücf unb berroeilte in
berfelben bis jum Auguft 1854. 2)as Stjolerajatn: blatte in ben Stab ber 3111=
gemeinen 3eitung Surfen geriffen. 5p. fjatrte au§ unb leitete eine geraume 3^tt
bie 5lebaction bes grofjen mistigen Blattei, greitjetr bon ßotta üergafe if)m
nie bie Dpfer. roetcfje er in bietet ferneren 3°^ gebracht unb als bie 9iebaction
beS mit bei Stilgemeinen 3eiIunS eng üericrjtoifterten „AuSlanb" im Auguft 1854
burctj ben Job bes öerbienten Dr. öbuarb äöibenmann eilebigt mürbe, übernahm
5p. bie bon 5JJtännern berühmteren Samens ummorbene Stellung bes ßeiterS
ber 3U jener $t\t einzigen beutfctjen 3e'tf^r^t füt 8änber= unb 5ßölferfunbe.
S)ie Kummer 48 beS 1854er ^atjrganges ift bie erfte, meiere er mit feinem tarnen
äeicrjnete. ^n biefe 3e^ oe* ^n publiciftifctjen Ifjätigfeit fällt 5pefctjers S3er=
mätjtung mit (Caroline greiin b. ßönitj im «Ipeibft 1852 unb bamit bie ©rünbung
eineg .«pauSftanbes, beffen Segen in Sein bamats nodj fteinen , an äußeren An*
regungen armen Augsburg boppelt rootjltljätig empfunben matb. (£ng befreunbet
mit ben geiftoollen unb öielfeitigen Seitern ber Allgemeinen 3^itung , in regem
SBerfetjr mit ben Mitarbeitern beS AuStanb , üon roelctjen bie meiften im Saufe
ber %a$xt (benn Augsburg mar bamalS noct) ein 5Dtittelpunft bes norbbeutfcl)*
unb öfterreict)ifcrj=fübbeutjc^en SBerfetjteS) bie ©aftfreunbfetjaft beS bielgepriefenen
5pefct)erfct)en Kaufes genoffen fjaben, bie eifrigen Stubien buret) jä^rtidt) roieber=
fetjrenbe Reifen in bie Alpen, an ben 9tt)tin, nactj granfreict), Snglanb, Italien
unb buref) bie betjaglictje Arbeit im ßausgarten untetbreetjenb , fütjrte 5p. in
Augsburg ein fctjöneS Seben, beffen ibrjliifctjen O^eoen in ben erften äetjn $atjren
nur bie Sorge um bie niemals fetjr fräftige (Sefunbtjeit beS arbeitfamen unb bis
jur Erregung lebhaften 5DcanneS einige ÜJlale umtoölfen tooltte. SSergeffen mir
nietjt nacbjutjolen, bajj 5p. ein tieferes ^nteteffe für $otfStoirtf)fct)aft tjegte, baS
in ber faufmännifetjen unb inbuftriellen (Jntmicflung AugSburgS manctjeS An=
jietjenbe fanb. 5p. mar urfprünglict) Sctjufe.jöflner , liefe fiel) 1852 in (Jnglanb
burdj) 5£önnigeS jum greitjanbel befetjren unb getjörte ju ben 53erttjeibigern beS
SolloereinS in ber fctjroierigen 3eü beS brot)enben 3"faÜe8. 5p. erlebte ben
Sriumpl), baß bie jäljeften ©egner beS 3°^üeteing ^n am ®noe oe5 -^ompfei um
feinen Statt) bei ber Stbfaffung einer Petition um @rtjattung be§ 3ottoeiein§ baten.
Saffelbe ^ntereffe mie für bie potitifdjen Angelegenheiten betb^ätigte 5p. jeitteben§
auetj für bie Dotfimirtrjfdjaftlidjen. 2tts er bereits bas StuSlanb leitete, fctjrieb
er nodb^ oftmals 9tuffäfee über ba§ ©olb , über fragen be§ SöeltberfetjrS , ber
StuSroanberung u. ätjnt. 3tls er bann ätoan^ig ^atjre fpäter in Seipjig SBor=
tefungen über (Juropäifctje Staatenfunbe |iett, famen auetj biefe Sorftubien
feiner prattifd)en unb roeitfinnigen Stuffaffung unb ^etjanbtung ber potitifdjen
©eograptjie ^u ©ute.
S)ie ßeitung einer 3eit?<f)^ft, metetje fo umfaffenbe ©ebiete mie ßänber=
unb 33ölferfunbe nic^t blofe toiffenfctjaftlict) gtünblidj, fonbern auetj ftar unb in
an^ietjenber go^nt ju beb^anbetn f)at, unb ebenbefetjalb nic^t auf fie ftet) be=
fct)ränten barr, fonbern auf alle jene 5Jcacf)bargebiete übergreifen mufs, auf benen
bie Sßorausjetmngen ber ^Beurtljeitung tänber= unb bölferfunblidjer fragen liegen,
erforbert bie ganje Arbeit eines 5)Jtannes. ^ßefdtjet'e Vorgänger in ber Üiebaction
bes StuSlanb maren ©etetjrte bon großem 9tufe gemefen unb befonbets Dr. 3Biben=
mann, beffen Srbfc^aft 5p. antrat, galt für einen ber meiftroiffenben Iftänner
Mgem. beutf^e Siograp^ie. XXV. 27
418 Wei-
bes» litterarifdjen 2)eutfd)lanbS jener Jage. s4tefcfrjers geograptjifcfye Bilbung toar,
als et bie 9iebaction beS 9luSlanb übernahm , etft im Sterben. 91uS ber gett«
gefd)icfcjte rjatte er bie Anregung 311m ©tubium ber ©efd)id)te ber Dergangenen
©efdjledjter gefdjöpft unb fdjon 1852 fammette er Material ju einer ©efctjicrjte
ber (Sntbedung ^ImeritaS. £)ie 4^u^ttcifti£ t)atte itjn ju ben Problemen beS
2Birtt)fd)aftSlebenS Eingeleitet, ©ein fdjöpferifdjer ©eift ließ itjn ferjr ftütje bie
2Bid)tigfeit ber ©tettung tt)ürbigen, xodäjt bie totrtt)fd)aTtlid)en fragen jeber^eit
im ßeben, in ber ®efd)id)te ber s]Jtenfd)t)eit eingenommen tjaben. £>ier baute fidj
bie Brüde, auf meiner ty. ben ©djritt auf baS eigentlid) geograprjifdje ^elb
toagte. Sr felbft bezeichnete bie llebernarjme beS ÄuSlanb als ben toatjren
beginn feiner roiffenfd)aftüd)en Saufbaljn. ^cidjtS ift inftructiber als bie ^er=
ausgäbe beS 5luSlanb , fctjrieb er an feinen sJtad)folger ö. -ipetltoatb. ty. befaß
ben 3le\$ unb ben SBiffenStrieb, toeldje nottjmenbig toaren , um biefe 3eitfdjrift
felbftänbig 3U leiten, ©eine fjfreunbe rüfjmen als ein „Clement in feinem
Ojrunbdjarafter" bie Siebe unb ben Srnft, bie er auf jebeS ©tubium bertoenbete.
„2Benn er burcrj irgenb einen 3ufaß barauf fam, oaß it)m bie $enntniß biefeS
ober jene§ 2öiffenS ferjlte , fofovt ftürjte er fid) mit aller s}Jtad)t barauf. Bei
großen (Sreigniffen unb 3eitfragen fudjte er ftetS am bie Anfänge jurucfju»
fommen, batjer fein in jeber Bejietjung flareS Urttjeil" ( tfamilienaufjeicfjnungen).
Bei ber ftebaction beS WuSlanb liefen ju jener 3e^ alle geograptjifdjen @r=
fdjeinungen ber beutfdjen ßitteratur unb Diele ber 'ranjöfifdjen, englifdjen u. a.
ein. S)ie Oteifebefcfjreibungen , toelctje eine ganj anbere , toictjtigere ©teile ein*
nahmen als jetjt, ba Diel ntet)t toiffenfdjaftticfjeS Material in itjnen Derarbettet
tourbe, lieferten in langen SluSjügen einen großen Üljeil beS ©toffeS , ber bie
©palten biefer 3e^tf ct>rift füllte. ^- legte fid) bie, roenn fie gut ausgeführt
toerben folt, nidjt leiste Arbeit ber 9luSlefe unb 5ßerbtd)tung großer 2t)atfacr)en=
mengen großenteils felbft auf unb bie 16 Bänbe beS 2luSlanb , meiere unter
feiner Öeitung erfdjienen, werben bis tjeute gerabe toegen ber conbenfirten 9teife=
befcr)reibungen, roeldje fie barbieten, befonberS gefdjätjt. 2)iefe Arbeit führte ben
jungen Herausgeber unmittelbar in bie befte geograprjifdje ßitteratur feiner 3^it
ein. 3t)r banfte er einen großen 2t)eil beS reidjen 2BiffenS, auf meldjem feine
toiffenfctjaftlidjen arbeiten rutjen. ©lüdlid)erroeife toar inbeffen baS 2luSlanb ju
jener 3^tt noef) meit entfernt, eine geograprjifdje 3eitfd)rift im engeren ©inn 3U
fein. (SS fdjloß politifctje, DolfSroirtljfdjaftlicrje, felbft f^öntoiffenfctjaftlidje Sei*
träge unb Betrachtungen nidjt aus. Bei biefen modjte ty. in ben erften $af)reu
feiner Üiebaction Ütutjepunfte ftnben. 3fn ben „^otitifcrp geograpt)ifc^en 9iüd^
btiden" fü^tt man bie Siebe burd) , mit ber ber einftige politifcb^e ©cfjriftfteller
jum ßeitartifel ^urüdfetjvte, ber freilid) unter feiner .^aub jum $beal Weit«
blidenber publiciftifdjer Erörterung fict) ert)ob. 2öenn mir nidjt irren, fo ift ber-
eifte felbftänbige Beitrag, roeld)en ty. feiner 3^tfd)nft .jumanbte, ber 9lüdblirf
auf bie öfterreidjifdje s$olitit im ^al)re 1854, ein glätueuber 3lmfa| , ber biet
3Iufmer£famfeit erregte. 2lber einige Hummern fpäter finben mir bie neue
9tebaction feb^on bereit, 31t einem 2luffatje über bie alte ©efdjidjte ÜJiejifoS, auS
ber 5eoei-' $arf ^InbreeS unb ^»ermann (5. Suberoigs, einige fritifc^e 5lnmer=
fungen ju geben, roelctje ^eugniß ablegen, baß bem jungen ©eograptjen eines
ber fdnoerfien Probleme ber Bölferlunbe nid)t fremb geblieben mar. @ine gleid)=
3eitige S)arftetlitng ber geograpt)ifd)en unb politifetjen Sage DtußtanbS unb @ng=
lanbS in 3lfien ift öon einer Sluffaffung ber politifdjen ©eograprjie eingegeben,
tote fie fo tief unb geiftbolt feinem ber bamaligen beutfd)en ^ad)geograp^en
eigen mar. üDiefe 9lüdblide maren nidjt bie einzige Neuerung, toelctje ty. im
2luSlanb einfütjrte. Biel einfe^neibenber toar bie fetjr piel auSgebeljntere 9)tit=
arbeit beS 9lebacteurS, beren ©puren man im ^atjrgang 1855 in einer großen
5PeföeI. 419
Anäatjt ber öerfc^iebenattigften Auffätje begegnet unb roeldje audj in aarjtreidjen
Anmerkungen ju ben eingefenbeten Arbeiten fid) funbgiebt. 58is 311 feinem
testen 3ftebaction^jat)r fdjrieb iß. einen großen £t)eil feiner 3eitfcr)rift felbft. Unb
feine ^Beiträge, gro^e unb fleine, roaren für bie Sefer ber geitfdjrift nie 3U ber=
fennen. S)ie JHartjeit ber Sarftetlung, bie imponirenbe, bodj oft ötelleidjt ju
mettgetjenbe Sidjerljeit ber Sefjauptung , bie (Hegan<$ ber Spradje ftecrjen fjetl
b,erbor. 5ß. mar fein fleifjigfter unb erfolgreidjfter Mitarbeiter. 5Die 9tebaction
bes Austanb unb biejenige ber Allgemeinen 3eitung roaren feit lange eng mit*
einanber üerbunben. SBäfjrenb jene Auffätje rjerübernatjm , meiere für bie Alt=
gemeine Leitung ju geograpfjifcb, gehalten roaren , mar ber ütebacteur bes
Auslanb Ütatrjgeber unb Reifer ber großen 3c^ung in Angelegenheiten , bie
feinem Oteffort nafje lagen. 3n biefer Verbinbung tjat iß. bis ju feinem 3Seg=
gang öon Augsburg politifcf) gefcrjriftftellert. Aber bk Aufregung biefer £t)ätig=
teit lief} itjn bie ruhigere beim Austanb audj gegenüber todenben Anerbietungen
borjietjen, roie fie öfter an it)n herantraten. Am roenigften berfütjrte i^n bas
1855 ergangene Anerbieten, ein in ißaris geplantes offieiöfes beutfetjes 33(att
ju leiten.
5Die „©efdjidjte bes 3e^a^ct§ öer ©ntbedungen" (1858) ift in tieferem Sinne
bie eifte roiffenfd;aTtlicrje Arbeit ißefcrjel's, benn an iljr rjat er feine jfraft nidjt
blofj bewährt, fonbern auet) geflutt. SDie Vorarbeiten ju biefem SBerfe jeigen
uns toeit über bie Sagesfdjriftftellerei bjnausreidjenbe ^ntereffen, melden fdjjon
im $. 1852, alfo lange öor Der Uebernatjme bes Auslanb, ber bielfeitig be=
fdjaftigte iftebacteur feltene iDcufjeftunben mibmete. S)te Vibliottjefen öon Augs=
bürg unb iDtünctjen mürben öon it)m mit einem ^leifs unb einer Sorgfalt burefj-
gearbeitet, roeldje in jjarjlreidjen fauberen ©rcerptentjeften unfere Verounberung
erregten. £)afür, bafj er bem bamatigen preufjifctjen ©efanbten s3fttnutoli am
fpanifdjen «g>ofe in ber 33ef orgung öon Gorrecturen betjilftid) gemefen, beforgte
biefer itjm Abfdjriiten in fpanifdjen Ardjiüen. 9Jtit bem Aufroanbe eines ge=
toaltigen Stf^Be* jufammengettageneS iücaterial fügte fid) ber in einzelnen Ab=
fcrjnitten fdron früb, üerfucfjten Ausarbeitung immer öon 9teuem an unb fdjob
bie Veröffentlichung bes Söerfes um fo meejr tjinaus, als ißefdjel's" Sorge fftx
ftiliftifdje Steinzeit, roomöglid} Scrjöntjeit ein leichtes (Jinfdjieben ober Angüebern
nidtjt auliefj. 2)er grofje Vo^ug biefes SBerfes, einrjeitlicb, angelegt unb nadj
einem fefjr flaren 5)3 taue in jebem Abfctjnitt twrmonifcb, burdjgebtlbet ju fein,
tritt bei bem natje liegenben Vergleiche mit A. b. .gmmbotbt's Examen critique
de l'histoire de la geographie du Xouveau Continent rafei) in bie Augen, -öier
ift nid^tö öon ben 2lbfcr)meifungen in tjunbert fragen, toelc^e biefeS teuere
2öerf ebenfo belerjrenb im ©inselnen mie überfdjüttenb , ja faft öermirrenb im
©anjen erfdjeinen laffen. i)3efcrjel'§ ®efcb,icr)te mirft al§ tjiftorifdjeS Äunftmerf
unb fo moüte er e§ aud) angefefjen toiffen. At§ ^iftortfer, nidjt als ©eograpt)
tjat er biefen großen Stbfd^nitt ber 3öeitgefd)ictjte betjanbeit. So fa^te er fetbft
jtdj auf unb at§ bie ^)iftorifcr)e Gommiffion itjm ben Amtrag erttjeilte , eine ©e=
ferjid^te ber (Jrbfunbe in ^eutfcb^lanb ju fdjreiben, ätoeifelte er, ob bie 9Innarjmc
3uläffig fei, ba er fid) bod) nur at§ ^>iftorifer, nierjt als ©eograp^ bemätjrt
tjabe. tiefes 33ud) rjat bas roeitere Verbienft, bie ^erföntidjfeiten ber 6ntbecfer
unb öor allem bes Kolumbus fetbft unbefangener p 5etcr)nen, als es bistjer meift
gefd)etjen mar. 5ftid)t überall gefiel es, ba^ einige gelben um einige Stufen
berabftiegen, aber bie Söa^rtjeit ber ©efdjicrjtsauffaffung t)at burdj ^efd^el's
Arbeit eubgültig nur gemonnen.
5p. empfanb nad) jebem neuen Söerf, auf beffen Sßoüenbung er jurüdbtidte,
eine Sdnuädjung feines Körpers, eine (Srtatjmung feiner Spannfraft. 6s mar
27*
420 $*föel.
it)m, als ob im ©heben unb 9hbeiten fein ©eift an bet fd)toad)en £ülle jubiet
gerüttelt fyabe unb als ob nad) jeber großen 9lnftrengung beibe nur in tiefer
SKulje inS ©leidjgetoidjt roieber fommen fönnten. 3ebeS ber bier ^auptroerfe
*ß,efd)el'S zeidjnet nidjt blofj eine neue ©tufe feiner tr>iffenfd)aftlid^en (Jntmidlung,
fonbern fdjeint mit immer größerer 2lnftrengung bem fd)road)en Körper abge=
rungen. 3m ffaürjiatjr 1859 ftettte fidj jum etften SJtal SBlutjpeien ein, baS
nad) einer $ur im appenzeller 23ab SBeiSbab botlftänbig fdjroanb. $aum nad)
SlugSburg zurürfgeferjrt , empfing *p. bie Alunbe öom 2obe feiner Butter unb
feines ©djroiegerbaterS. $>ie ©attiti treibt: „£>aS gab unS beiben ba§ ©efüljt
beS Alterns." 3n baffelbe Satjr faßt bie burd) £eopolb Stanfe übermittelte
9lufforberung, bie ©efdjicfjte ber Stfunbe in bem ©ammelmerfe ,,©efd)id)te ber
Söiffenfcfjaften in 2)eutfd)lanb" zu fdjreiben. 2)ie Otebaction beS AuSlanb ftellte
gleichzeitig errjöfjte ^Infptüc^c. 1855 roaren burd) Auguft ^etermann bie
©eograptufctjen Mitteilungen, 1862 burd) Äarl Anbree ber ©lobuS gegrünbet
roorben. 53eibe machten mit harten unb $ttufttationen bem AuSlanb eine fo
ftarfe Goncurrenj, bafe Sß. z" Steuerungen im Aeufjeren feiner 3eitftf)riU unb
in ber Ausroatjl unb Söe^anblung beS (Stoffes fid) gebrungen füllte. Sa in»
beffen bie beften 3e*ten für biefe 3"tfcr)rift fcljon »ergangen waren, fanb er nid)t
baS gefyoffte (Sntgegenfommen bei ber äJerlagsfyanbluug. @S fam zu einer
Äünbigung unb ju bem ©ebanfen ber Segrüubung eines (SoncurrenzunternerjmenS
unter (Sinfebung eigener Glittet, ty. reifte nad) fieip^ig , um feinen S^lan mit
©efdjäftSmännetn 3u befpredjen. (jnbltd) entfd)tofj er ficrj, baS AuStanb in ber
SCßeife fortzuführen, bafj er auS einer öom Verlage gefteüten S^aufdjalfumme bie
Honorare für Auffäfee unb ^Uufttationen beftritt. 5p. mar aber zu grofjmtttrjig
unb ju optimiftifd) , um in eigenen Angelegenheiten ein guter ginanzmann ju
fein; er fefete nur ju unb fetjrte enbtid) <ju ber alt erprobten gönn ber Leitung
beS in manchen ^Beziehungen bevjüngten Blattes jurüd. Aber er tjat bon biefer
3eit an baS ©efütjl nid^t überrounben, in biefer ebenfo gead)teten roie gealterten
3eitfd)tift eine fcrjroer zu betoegenbe, nod) fernerer umjugeftaltenbe SJtaffe bor
fid) ju tjaben. Als bie flatterigen grünen Umfdjläge befeitigt , Rapier unb
S)rud berbeffert, ^ttuftrationen befdjafft roorben roaren, machte ty. bie ©rfafjrung,
bafj bie (Erneuerung eines in alten ©eteifen fid) berocgenben Unternehmens oft
fernerer unb unfruchtbarer fei , als eine Steufdjöpfung. Unb bod), roaS madjte
er aud) nad) biefer $eit auä Dcm AuSlanb! baffelbe mar 1828 gleichzeitig
mit einem s}>arallelunternerjmen gegrünbet morben , meld)eS ben Stamen Sfnlanb
trug. S)em £itel entfpredjenb, ben e§ bis 1865 führte, mibmete eS ben größeren
Ztjeil feiner 9lufmeiffamfeit bem „geiftigen unb fittlid^en ßeben ber 23ölfer".
6S Oerfdjmä^te aud) beitrage beüetriftifc^er Statur nietjt ganz u^> war urfprüng*
lid) metjr ber Unterhaltung als ber S3eletjrung geroibmet. 2llS Sß. bie ßeitung
übernar)m, roar ber geograprjifcrje Gb^arafter fct)on ziemlictj bentlidt) auSgefprocb^en.
2)ie 3«tbert)ältniffe roaren bazu angettjan, il)n zu berftärfen, benn bie @rfor=
fdjung SlfvifaS unb ber Storbpolarlänber na^m mit ifrretn SSedjfel Oon ^ob^en
Erfolgen unb erfeb^ütternben Stieberlagen bie Jtjcilnafjme roeiter Greife in
Slnfprucr). Grine bänbereidje Sitteratur populärer Sarftellungen folgte ben ©puren
ftranflin'S, Siöingftone'S, SBart^S. Sine madjfenbe $at){ öon populären 3"t=
fünften fefete fic| baS $\d, geograp^ifdje unb naiurroiffenfc^aittic^e Äenntniffe
ju Perbreiten. 6S rjerrfdt)te eine geroiffe S3egeifterung für bie realiftifdjen ©tubien.
5)aS roar bie ©eburtSzett bei naturtoiffenfdiaTtlidjen UnterridjteS, aber aud) ber
neumaterialiftifdien Slufflärung. ^ür Spefdjet'S 3"funft mar eS oon ber größten
i;ebeutung, ba^ er gerabe jebt an ber ©pt^e eines SBlatteS ftanb, meldjeS biefen
Strömungen ftd) nietjt entziehen burfte. @r begann bie ^ortfdjritte ber Statur=
mifienfe^aften zu »erfolgen, Oertiefte fid) in einzelne 3roei9e berfelben , rote ®eo=
SPefd&el. 421
togie unb Stntrjropotogie, mit ber ganzen Energie feines aöitten§ unb überragte
burdj bie $tart)eit feines Ueberblicfeä unb bie 9turje feines Urtr)eil§. <5r legte
bamit ben ©runb ju feiner felbftforfdjenben £t)ätigfeit auf bem pr)t)ftEatifctj=
geograbrjtfdjen ©ebiete, weldje Eraft biefer Vorbereitung ftct) mit ber 3eit auf
eine nidjt öiel weniger au§gebefjnte Sitteraturfenntnifj ftütjen fonnte, al§ i!jm
für tjiftorifdje arbeiten längft ^ur Verfügung ftanb. ty. geid^nete öor nieten
gadjgelerjrten ber 33ticf für ba§ geiftig 23ebeutenbe aucr) in ber naturwiffenfdi)aft=
liefen ßitteratur au§. Sefanntlidj überwiegt in biefer baä ^robuet gelehrter
$anbwerf§arbeit an 9Jtaffe gewaltig bie geiftig Ijerborragenben (Jr^eugniffe.
$ettwalb behauptet, bafj ba§ 2lu§lanb unter alten beutfdjen Wiffenfäjafttidjen
geitfcrjriften juerft grünblid) 9totij öon 2)arwin8 Origin of Species genommen
rjabe. 3iebenfatt§ ift e§ erftaunlicr) $ü fetjen, wie ber gerabe mitten in ben S5or=
arbeiten jur ©efdjicrjte ber (Jrbfunbe ftet)enbe 9Jiann 3eit fanb, fict) in bie neuen
Stnfcrjauungen biefe§ SBerfe§ ju bertiefen, wetdjeS meljr al§ irgenb ein anbereä
in unferem i^atjrfjunbert umgeftattenb unb fruchtbar auf bie Meinungen bom
Söerben ber SSelt, öon ber ©djöpfung gewirft unb neue Söege ber 50tf^unS
geöffnet r)at. Sß. würbigte bollfommen bie Vebeutung ber neuen Stjeorie, lief
fict) aber Weber ju äkferjbung noctj Slnerfennung öerleiten, fonbern fpraef) ba§
Watjre Söort, Wetdje§ bi§ fjeute (Bettung bewahrt tjat: ,,©ie rotrb fiel) fcrjWer
beweifen laffen, weit baju eine fortgefeijte ^Beobachtung buret) ^afjrtaufenbe nött)ig
märe, ©ie läfjt fiel) aud) ntd)t böfiig miberlegen, meil baju rmnberttaufenbe
öon Satiren gehören mürben." *ß. tjat biefe borficrjtige Haltung gegenüber ber
einftufjreicrjften naturwiffenfdjaftlicrjen |>t)pott)efe unfere§ 3at)rlmnbert§ nie auf»
gegeben. SBürbe er am ßeben geblieben fein, fo rjätte er bie ©enugttjuung ge=
tjabt, rutjtg 2)enfenbe auf feine ©eite aurücfferjren ^u ferjen. *ß. nat)m
biefelbe ruhige Spaltung audj anberen ütidjtungen unb Veftrebungen gegenüber
ein. Um fo bemerfenlwertrjer ift e3, bafj fein geograprjifdjer <5inn ifjn bie
grofje 23ebeutung ber sJJcigratton§tt)eoric 9Jtori|5 2Bagner§ bott würbigen liefe.
S)ie (Sefdjtcrjte ber Gürbfunbe bis auf Stte^anber b. ^umbolbt unb Sari
fRitter ift ba§ gelefjrtefte ber SBüd&cr . welche $. ber Sötffenfdjaft gefdjenft r)at.
€3 enthält bie größte gftttte öon ©toff, eä rufjt auf ber 33afi$ ber breiteten
unb mannigfaltigften Vorarbeiten, unb erfdjwerte bie fünftlerifdje Slbrunbung
mel)r als jebeä anbere. @§ liegt ba§ in ber ©aetje felbft. S)asu fommt aber
eine ©teUung ber Aufgabe, weld)e ben ^eim be» 3t°ie!Pa^eS in fic^ felbft trägt.
6ine ©efd^ii^te ber @rbfunbe üermag beutfct)e§ Verbienft nod§ öiel Weniger öon
nicrjtbeutftfiem ju trennen, al§ bie ©efdjicrjte irgenb einer anberen SBiffenfdjaft.
5Jtan erinnere fic^ an bie ©jpebition, weld^e |)ornemann im Auftrag ber briti=
fd)en 3lfrifanifrf)en ©efeEfd^ajt au§fü^rte, ober an bie gemeinfame 9£eife öon SSart^,
CöerWeg unb 9tid§arbfon. ^Jian faun nic^t 2Uej;anber ö. ^umbolbt'3 unb
5Jlori^ 2Bagner'3 So^f<i)ungen im nörblictjen ©übamerifa öoCt würbigen , ol)ne
be§ äeitlidj äWifc^en beiben fte^enben 33ouffingault p gebenEen. ty. empfanb
lebhaft bie unwiffenfct)ajtlid)e unb äugleict) unfünftlerifcrje Sefcrjränlung, Welche
itjm auferlegt werben Wollte. Gr tjat fid^ berfelben fo wenig wie mögticr) ge=
fügt, fein 33anb jeigt in ber langen Üteirje ber ©enoffen bie umfaffenbfte,
Io§moöolitifcf)fte S)arfteHung unb ift ber leäbavfte öon atlen geworben. «Ulan
tritt wol)t feinem einigen ber berühmten Männer, bie mit $. jugtetdt) am
SBerfe Waren, 3U nafje, wenn man fagt, bafj ^efdiel'S ^öanb ber im ©inne be§
t)ot)en görbereri biefer „©efdjidjte ber 2ötffenfc§aften in ©eutfdjlanb" wtrffamfte
geworben ift. 6§ ift ein fdjwerwiegenbeS 3euÖn^ fur ben Sinflufe eine3 fo
Wenig an ba§ grofee publicum fid^ wenbenben 9Berte§, Wenn baffelbe na<^ jetjn
Satjren in ^weiter Sluflage erfdjien. 2Jcan barf betjaupten, bafe bie Mittel»
punttftellung ber ©eograptjie in ber SBiffenfdjaft unferer Sage fictj feit bem
422 SPeföri.
Grfcfjeinen beä Äoimog nicrjt mcf)r fo praftifd) beroärjrt Ijabe, toic in bcnt
lebcnbigen Sfntereffe, roeld)c§ bon allen Seiten biefer gefcf)td^t(i{^)en £)arftellung
entgegengebracht warb. ü£)a biefetbe fid) aud) im 3eitraum, ben fie umfpannt,
feine ©djranfen auferlegt — beim bev Veifatj teuere ^üt auf bem ütitel ge=
roinnt erft bon ©. 230 ab praftifctje Vebeutung — erfe^t fie natjejit eine ©e=
fdjicfjte ber allgemeinen (Srbfunbe, beten bie beutfctje Sttteratur bamalg nod)
entbehrte, ty. roufjte am tieften, roie biete Sßorftubien nodj $u machen toaten,
cfje bie ©runblagen einer foldjen Sarfteflung für gegeben eradjtet werben burften.
6r berfotgte , roa§ an bebeutenberen Veröffentticrningen jur ©efcrndjte ber 6rb=
funbe erfdrien, er t)at audj bie Umarbeitung bc3 elften 2>rittetö feineg Vudjeg
für bie ärocite Auflage nod) fetbft beforgt, aber fetbftfotfctjenb mar er feit bem
erften (Srfdjeinen beffetben nidjt mefjr auf biefem f^etbe tfjätig gcroefen. 2öa£
ein einzelner $Rann ju feiner 3e^ m^ ^em ^ufroanbe öon fefrt biet Äraft
leiften fonnte, tjatte ty. botlenbet. $n unabfefjbare Sßeiten jog fidj ba8 jum
Jlrjeil ferjr öbe falb, ba§ burcrjjupflügen getnefen roäre, roenn bem $beat einer
©efdjicrjte ber (Srbfuube fjatte nätjergefornmen roerben foHen. ^etjtt bodj allein
fetjon für bie ©efdjidjte ber 9ieifebefd)reibungen bie nöttjigfte bibliograptjifcfje
Unterlage unb ift fetbft an probinaielten Vorarbeiten für bie ©efctjidjte ber
SanbeSauTnafjmen unb Kartographie beutfdjer ©ebiete faft abfoluter fanget ju
conftatiren. (B ift bottfommen gerechtfertigt, roenn ^. nad) 9lbfd)lufj biefeg
Söerfeö mit fdjarfer Sßenbung ber ©efdudjte ben föücfen fetjrt, um ber Statur
ber 6rbe unb ber Völfer fetbft fid) jujuroenben. ©eine ©cfd)id)te ber Qsrbfunbe
leibet an Unbotlfommenrjeiten, roeldje 3. 33. in ber SDarfteüung ber roiffenfcr)aft=
lidjen Hilfsmittel, bie bag IG. 3iat)rt)unbert jur Drtöbeftimmung aufvoenben
fonnte, in ber lücfenrjaften Vetjanbtung ber Ütjätigfeit eineg ßrteliug, im Ueber=
gefjen fo tjerborragenber 9teifenber roie ©eorg lUarggraff» unb ^eter $otbg fid}
empfinblid) gettenb madjen. Vielleicht ift fetbft einem 6arl bitter nid)t genau
bie ©teüe angeroiefen, roeldje er in ber Sntroicflung ber (Seograprjie einnimmt,
©röfjete Unbotlfommenrjeiten liegen im *ßlan, bem Sß. fid) anbequemen mufete.
2lber trofebem gibt eg in feiner (lulturfpracrje ein auf gteid) engem föaum gleid}
intyattreicrjeg, bag Söefentlidje aug richtigen (Sefidjt^punften erörternbeg, ben mett=
gefd)ici)tlic^en 3ufammeub/ang geiftüoll burcfjfdjauenbcS unb, tro^ beS conbenfirten
GfjaracterS, an ben bebeutfameren ©teüen formüoüenbet barftetteubeg SBerf roie
biefeg. $n pietätbott burdigefürjrter, bietfac^ öerbefferter jtoeiter 3luftage erfctjien
baffetbe 1877. <sopr;u§ 9iuge in S)regben, toetdjen $. felbft jum SßoHenber
biefer 5leuauögabe beftimmte, fjat biefelbe beforgt.
Sine gnicfjt ber S3efcr)äftigung mit ben ^aturroiffenfd)aften finb bie 1869
juerft erfctjienenen unb feitbem mef)rmatg aufgelegten „Üleue Probleme ber 33er=
gteidjenben ©rbfunbe, als Verfud) einer ^torptjotogie ber (Srboberftädje". 2)te
Anregung ju ben einzelnen Sluffä^en über 5iorbe, Urfprung ber unfein, ®eo*
graprjifdje ^omotogien, S)eltabilbungen, Hebungen unb ©enfungen ber lüften,
roelcrje feit 1867 in ben Spalten be£ Sluetanb öeröffentlicrjt mürben, empfing üß.,
roie er felbft beridjtet, jroar bei ben Vorarbeiten ju feiner ©efcrjidjte ber (Srb*
funbe, befonberS ben .ffartenbergteietjungen , roetcl)e it)n auf bie ^taturroibrigfeit
Ureter ^änberformen in ben Äartenbilbern früherer ^aljrtjunberte b,infür)rten.
9lber ber ©eift, au§ bem fjerauS fie gefdjrieben finb, ift im ©tubium ber ©eo=
logie unb ptjrjftfalifdjen ©eograpljie gefdiult unb man erfennt ooraügtidj ben
Gnnftufj öon Stielt, S)ana, ©arroin. 5lud) Vernljarb b. 6otta'§ arbeiten, bie
auf ber Verürjrungggrenje bon ©eotogie unb Öieograptjie fteljen, unb bon benen
mandje im 5lu§(anb erfctjienen roaren, mochten nid)t otjne ©influfj geblieben fein.
°$n ärrei 9tid)tungen Ijaben allerbingg jene Vorbereitungen auf bie bleuen tßro=
bleme rjinfüfjren muffen, ty. mu|te bie gan^e SSßeite beS bracrjtiegenben ®e=
5ßcfa>t. 423
bietet ber ^Jtorbljotogie bei (Srboberflädjc überfdjauen , mit bem bie Geologie
in lanbläufiger 33efd)ränfung ebenforoenig fid) abgab , ttrie bic (Scograptjie
^RitterS. Sediere nannte fid) amar öergteidjenb , mar e§ aber bod) nur in
bem «Sinne ber 23ergleid)ung ber Sebeutung ber (Srbräume für bie (Sefdjidjte
be§ sUcenfd)en , nidjt in bem genetifdjen mie bie üergleidjenbe ^ftorptjologie,
meldje nun ty. anzubauen unternahm, ferner mußten aber bie au§gebet)nten
©tubien, meldje in ber älteren geograöf)ijd)en unb 9teifelitteratur %u madjen
maren , auf eine prüfte einjetner 3}erfud)e jur &öfung geomorbtjologifdjer
^Probleme fütjren. 9tennell'§ Arbeiten über ba£ ©angeebelta , ®ana's> geiftöotle
SBemerfungen über bie ^jorbfüften in ber Ijalbbergeffenen 35änbereit)e ber SBilfeä
(Sjöebition maren fidjertidj einem Äenner ber ßitteratur mie ty. nid)t öerborgen
geblieben, etngetjenb fjatte er $. 9t. fjoxftex^ unb ^allafc' Anfidjten über ba§
ftubirt, maä er bann treffenb geograpt)ifd)e Homologien nannte. $n ber £f)at
tonnten benn aud) bie ©runbgebanfen ber bleuen Probleme al§ gan^ neue @nt=
bedungen nur öon foldjen be^eidjnet roerben, benen bie eigene Gürfatjrung ber
SLtjatfadje mangelt, bafj auf allen (Sebieten ber Söiffenfdjaft bie überrafdjenbften,
geiftöotlften Anfielen einzeln in güEe borgetragen morben finb, fo baf} ©päter*
fommenben immer meljr nur baä Sßerbienft ber Ausprägung ober Segirung
übrigbleibt. 3ßefd)el'3 Sßerbienft an ben 5ieuen Problemen liegt benn aud) met)r
in ber jtdjeren gfragefiellung unb bem flaren met^obifdjen 5Borgef)en. 2)afj in ben
Unterfud)ungen, meldje mefentlid) auf bem 3ßergteid)e ber äljnlidjen Srfdjeinungen
an ber (Srboberftädje berufen, nid)t bie @rfd) einungen felbft in ber freien Statur
eingeljenb geprüft, fonbem itjre immerhin bod) nur fdjematifdjen Abbitber in
harten unb SSüdjern p ©runbe gelegt tourben, Ijat minber geiftöotte ^adjarjmer
baju berfüljrt, überhaupt blofj auf ber ßarte öeigteidjenbe dhbfunbe treiben ju
motten. S)ie Gürgebniffe foldjen sDtif5öerftet)en3 einer an fid) öottberedjtigten
^cetUjobe 5ß. jur Saft ju legen, mie e§ in berftänbnifjtofer SBeife öon übereifrigen
Äritifern öerfudjt »arb , ift ganj unbered)tigt. S)em 33atmbredjer auf biefem
©ebiete tonnte e£ geftattet fein, ju geigen , bafj bie harten eine ©pradje reben,
meldje ber ötjtyfitalifdje ober öergleidjenbe ©eograpt) öerfteljen fott. @r gab
biefe feuert Probleme nidjt für fdjmermiegenbe unb abfdjtiefscnbe miffenfdjaftlidje
llnterfudjungen aus», fonbem erfannte ifmen nur ben SBertt) öon anregenben
effatjartigen iBetradjtungen $u. 3ft)re f^orm, bie gerabeju elegant ift, öermeibet
eg, in Gnnjelljeiten fid) ju bertiefen , tann aber mot)l baju bienen , äaljtreidje
geiftbolle Anfidjten in rafdjcm Söedjfel jum Auäbrude <m bringen. *ß. ift in
anberen fällen bor fdjmierigen sJted)nungen unb einbringenben ^Darlegungen
nidjt uirüdgefdjredt ; t)ier motlte er metjr anregen unb tnnmeifen, at§ felbft
Sdjädjte anlegen. 9cur ungefdjidten 9iad)folgern fönnen biefe fdjöngeformten,
teffelnben @ffat)8 gefäb^rlid) merben, nur gefdjmadtofe ßobrebner fönnen biefetben
alö 2Jhtfter miffenfd)afttid)er 3Jionograbt)ien angreifen. 5Jlan follte fidj freuen,
bafe ein geiftboller gorfdjer feine ©ebanten, mit beren Aufarbeitung er Sänbe
füllen tonnte, in fo gebrängter faulte unb fo anäief^enber gorm bargeboten Ijat.
S)a§ S3üd)lein mirb in unfern ßitteratur feinen $la^ behalten, menn e§ längft
miffenfdjafttidj antiquirt fein mirb. ^nbeffen mirb eg aber immerhin nod) für
eine 9teit)e öon ^a^ren aud) ben <Sd)ülern unb greunben ber Srbtunbe jum
geminnreid)en ©tubium bienen tonnen.
@nbe ber fed)^iger ^aljre macfjte fid) an üerfdjiebenen beutfd)en ^od)fd)uIen
ber 2öunfd) , ßet)rftü^Ie ber ©eograbt)te 3U grünben , lebhafter gettenb. S)ie
2^eilnaf)me meiter Greife an ben geograbtjifdjen ^orfdjungen, öon ber mir oben
gefprodjen tjabtn, mar nur gemad)fen. @§ mar bie 3e^ i>et nationalen 3lfrifa=
unb 5J3otarejbebitionen, ju meldjen Jaufenbe guter SDeutfdjer il)re ©djerftein ju=
fammentrugen. Seitbem 3ltejanber ü. ^umbolbt unb ßarl dritter au§ bem
424 $efdjel.
fieben gerieben roaren, empfanb man ba* 93orr)anbenfein einer ßücfe im geiftigen
fieben ber Nation unb befonber* an jenen 9Inftalten , roo fünftige ©eograprjie*
lefjrer fjerangebitbet rourben. 55ie beutfdje Äartograpljie ftetlte fid) entfd)ieben
an bie ©pi^e, roo blieb bie 2öiffenfd)aft ? 6* gab einige *Profefforen ber @eo«
graprjie an beutfdjen <£>od)fd)ulen , aber leinen entfernt ebenbürtigen 9lad)folger
Gart bitter*. 2)ie ©efdjidjte ber (Jrbfunbe unb bie neuen Probleme jeigten,
bafe ^ß. an ©eift unb SBielfeitigfeit alle anberen ©eograpfyen überragte , bie ju
btefer $eit in 2)eutfd)lanb tt)ätig toaren. ^Olit 9ied)t fd)lofj man au* feiner
5)arftellung*roeife, bafj er ein anregenber Sefjrer fein metbe. (Sine ganje ^teilje
gelehrter ©efeüfdjaften , barunter bie 2Mnd)ener Mfabemie ber äöiffenfdjaften
unb bie Don ^Jtabrib , Ratten it)n mit tt)rer s3Jlitgliebfc^aft belehnt. üJltt bem
bamal* neu begrünbeten ^ßolrjtedmifum ju 5Ründ)en fnüpften fict) juerft 9}er=
Ijaubtungen, benen bie Untöerfität berfelben ©tabt fict) anfd)tof$, e§ fam eine
Pertrautidje anfrage au* ^Berlin, bann ein 9tuf nad) ©ra^, ber abgelehnt roarb,
unb enblid) ber 9hn nad) ^eipjig , ben ^. im ©pätjafjr 1870 annahm. 33ou
3Jlünd;en au* mürben aud) , nadjbem $. um Dftern 1871 nad) £eip}ig über=
gefiebelt mar, nod) 33erfud)e gemadjt, it)n ju getoinnen, aber nun üergeben*.
2}ort)er mürbe ^J. sJMnd)en üorge^ogen tjabeu , benn ifjm ruljte feit furjem ba*
liebfte -Rinb auf bem bortigen füblidjen $ird)f)of. 9tun blieb er, Pon ber
fäd)fifd)en Regierung mit bem £itel eines ©etjeimen ^>ofratt)c§ geetjrt , bi* an
fein frütje* (Snbe ber gerabe bamal* Ijerrlid) aufblül)enben Uniüerfität Seip<jig
erbalten.
ty. trat in bie afabemifcfje i'eljrtljätigfeit , bie itjm meitere Sahnen öffnete
unb jugteid) itjn mefentlid) entlüftete, nid)t mit triumptjirenben ©cfüljlen ein.
@S flingt mie ftefignation au» feinen Briefen, bie er ju biefer 3^tt an ^reunbe
rtdjtetc ©eine förperlid)en Tratte maren feit ber 33eröffentlid)ung ber ©e*
fd)id)te ber (Jrbfunbe gefunfen. ©in ©tur}, ben er im sUtärj 1858 tt)at unb
ber it)tn eine mehrere 9Bod)en anbauernbe ©et)irnerfd)ütterung ju^og , blieb toiel-
leid)t nid)t ot)ne (Sinflufj auf ein ßeiben, ba* feit 1864 in junetmienber ©ereiatljeit
be§ 'Jterüenfpftem* fid) anfünbigte. S)er $rieg be* Safjre* 1866 Brachte iljn.
ben entfdjiebenen 3lnr)änger fleinbeutfdjer ^?otitif, in fd)arfen ©egenfotj ju bieten
^freunben. (Sine gaiije ")teit)c nab/r Slnüermanbter maren im baierifdjen ,£>eere
in* fjelb gebogen unb bie £$familie feiner ©attin Ijatte ©efattene ju betrauern.
%a^u fam bie Serftimmung über bie inneren 23ert)ättniffe 33aievn§. 6in 3lrtifel
in ber allgemeinen 3"tung, meldjen er jur 53ertt)eibiguug beö arg befdjulbigten
^hrtnjen j^arl fd)rieb, mar ein 9luäflufj ber 6rregtt)eit feine* ritterlichen ©efüt)le§
über bie fdjmätjlidje S3erurtt)eilung, meldje t)or)er unb nieberer ^öbel ben 5üt)rern
ber befiegten Slrmee p Ütjeit merben liefe. S)er ^rinj berief itjn in* ^)aupt=
quartier nad) 9ln*bad), roo itjm @infid)t in fämmtlid)e Dperationljouruale unb
S)epefdjen berftattet mürbe, ftetbmarfdjatl ö. b. 2ann, bamat* ©eneratftabgdjei,
bemaf)rte it)m lebenslang treue fjfreunbfdjaft. 1867 unb 1868 tieften in
emfiger Arbeit ben ©runb ^u ben 9ieuen Problemen unb ber SBötferfunbe legen.
$. mar fidjer , bafe in nidjt ferner 3e^ bie ^Berufung in ein afabemifdje* ßet)r=
amt an itm ergeben merbe unb fud)te, tool mit im ^inblicf barauf, feine miffen=
fd)afttid)e Saft* befonber* nad) ber naturroiffenfdjaftlidjen «Seite t)in mit aui=
reibenbem 5^"^ äu berbreitern. %m grüt)ting 1869 bcfud)te er Sßenebig,
Slorena, 9tom unb Neapel, um ©tubien über ältere harten ju mad)en. Unb im
barauffolgenben ©ommer empfing er ben fdjroerften ©d)lag burd) ben 2ob
feine* jüngften ad)tjär)rigen 2öd)tertein*, mit meldjem befonber* feit bem
ftürmifdjen ©ommer 1866 ein innige* Setrjättnifj, ba* man faft ftreunb=
fd)aft nennen tonnte, iljn Perbanb. %ie äBitroe fdjreibt: „2Bar 0*far red)t
aufgeregt, fo natjm ifjn ba* nod) nidjt fedjsjäljrige Ü)cäbd)en an ber -gmnb unb
5ßefd&el. 425
fte roanberten miteinanber in ben ©arten unb ber SBater rourbe burdj) ttjr flugeä
(September unb itjre Aufmerffamfeit auf jebes Vtatt erweitert unb beruhigt."
Als biefe§ ßinb im Auguft 1869 geftorben mar, ertjolte ftd) 5p. niemals merjr
gan«} bon feinem rieten ©ämierje. <5x fdt)ricb an |>etlröalb : „2)er fjarte ©djlag t)at
mitf) tief gebeugt unb mäctjtig umgeroanbelt. 5Ran roirb fet)r ernft, roenn baS
Siebfte auf ßrben unroieberbringliä) berloren ift- 5JJHt bem feltfam begabten
ßinbe Beftanb ein ganj eigener Verfetjr, fo bafs mir ift, aB tjatte id) obenbrein
mein jüngftes ©djtoefterdjen nicr)t meljr." Sier Ort, roo biefes Siebfte ifjm ent=
xiffen roorben mar, blieb für 5p. nietjt merjr berfelbe. @r martere nur bie ©e=
legenfjeit ab, um Augsburg ju berlaffen unb tjatte bie ßeidje feines $inbes in
ein Familiengrab ju 5Dtüncb>n legen laffen. 2Beber bie 9teir)e efjrenbollfter S3e=
rufungen nod) bie greube über bie ©iege 25eutfdjtanbs im folgenben 3at)re r)ob
feine 3uberficr)t. 6r fcrjrieb bon ber trüben Stimmung, roelcrje it)n überroältige,
toenn eine 5Paufe in ber gefcrjidjtlicrjen ©pannung eintrete, toeil ber Vertuft, ben
er erlitten, nodj unberfdjmerjt fei.
25er antritt beS afabemifdjen Seljramtes braute neue Aufregungen. %üx
bie päbagogtfctje Seite bes neuen Verufes Tratte 5p. feine Vorbereitung in einem
Auffatje „S)ie (Srbfunbe als unterrictjtsgegenftanb", ber 1868 in ber beutfdjen
Vierteljarjrsfcrjrift erfdjien, glänjenb bezeugt. Aber bie Vortefungen, beren elfte
über prjrififdje ßrbfunbe 5p. im ©ommer 1871 rjielt, mußten ganj neu
gefdjaffen roerben. 5p. fdjrieb feine ausführlichen ßollegien nieber, bereitete fict)
aber p einem furzen Pietät ber .gmuptpunfte jeber Vortefung, roelcr)es er bann
frei erläuterte, fo forgfättig bor, bafj Älarrjeit unb ©idjertjeit als S3ot3Üge feiner
Vortragsmetrjobe aUfeitig gerühmt merben. ©ein Vortrag roar nietjt fcr)roung=
botl, blatte aber funreifjenbe Momente, bie ©djüter 5pefd}el's tjeute nod) nierjt
bergeffen tjaben. „2>a mar fein SBörtcrjen jwbie'l, feins p roenig, rote Grifialle
fcrjlofj alles fdjarf aneinanber; es roar leidet, üjm p folgen, bas ©efagte ju be=
galten." (3. Sömenberg.) 3n ben fpäteren ©emeftern arbeitete 5p. mit feinen
©djülern im elften geograptjifcrjen ©eminar, ba§ an einer beutfetjen Uniberfitat
errietet tourbe. ©eine Vorlefungen roaren ftarf befudjt , feine gufjörer un0
©ctjüter bereiten ir)n unb empfingen einen tiefen Gnnbrucf bon feinem SBiffen,
feinem tiebensroürbigen , offenen Gfjarafter. ©ie roaren bemunbernbe unb er=
griff ene geugen cmee aufopfernben 5PfIidjtgef ütjt es , mit roelcrjem fiel) 5p. in ben
legten brei ©emeftern, in benen fein ^tücfenmarfsleiben jum Ausbcuc^ gefommen
mar, jur Uniberfitat fahren unb 3um ^atfjeber führen tie^. 2>er Verb oll ftänbi»
gung ber SoHegienrjefte roaren bie testen Arbeiten 5pefcrjel'i geroibmet. 5Dem
2obe nat), beforgte er noct) bie Anfünbigung ber Vorlefungen für bas SBinter*
femefter 1875 76, roeldjes feinen Setjrftüfjl berroaift fat}. Vis p feinem Jobe
blieb er boEftänbig unb mit ber getoorjnten ©orgfalt angefleibet. @r tjatte ben
%ob fommen fet)en, feitbem alle Auren in ©aftein , am Vierroatbftätterfee , mit
ßlectricität ben gortfctjritt ber bom Otücfenmarf ausgel)enben 5JJtusfetatropb,ie
nid)t fjatten aufhalten fönnen. @r ftarb bei Veroufetfein gegen 5DUttag bes
31. Auguft 1875.
2)as2Berf ber legten 3a^re 5pefd)el's ift bie „Völferfunbe", meldte 1874 er=
fdjien unb bleute in feister Auflage bortiegt. Aud) bie Anfänge biefer Arbeit
reichen in bie Auslanbjeit jurüdf unb ein großer Xtjeil berfelben mar bei ber
lleberfieblung nad) Seipjig boUenbet. Xie erften Vorläufer maren jene Auffä^e
über bie „5Rücfmirfung ber Sänbergeftattung auf bie menfdjticrje ©efittung",
meierte feit 1867 bei itjrem ©rfcrjeinen in jener 233od)enfct)rirt nidjt geringeres 3fnter=
effe erregten als früt}er bie 5)ieuen 5probleme. 3n biefen tjatte 5p. ber pt)l)fifa=
lifctjen ©eograpf)te neue Sßege geroiefen, nun berfuctjte er bie fog. Ütitter'fdje Auf=
faffung ber ©eograptjie an ben bölferfunbticf)en Ibatfad^en ju prüfen. @s mar
426 ilJefäel.
Piel 5flif}braud) mit bcr 2luffaffung ber (Srbe als einer ©djule bes sUtenfdjen«
gefdjtedjtes getrieben morben. @arl bitter mar ju feiner ftarf jut Xeleologie
neigenbcn Ridjtuug in ber Qdt ber «£)crrfdjaft ber bentfcf)en Raturptjüofopljie
gefommen; es flebte i^r mandjcs UnElare an. (Scrabe biefer ©eite ber bitter*
fdjen üergleidjenben Qrrbfunbe bemächtigten fid) bie Radjtreter, meldje nidjt fctjr roeit
Don ber 23ef)auptiuig Ijielten , ba$ ber 9Jtenfdj baS Sr^eugnife beS Sobens fei,
auf bem er aufroadjfe. 2>ie Solneij'fdjc Slnfdjauung , bajj bie djaratterifttfdjen
ASüge ber mongolifdjen Raffe im .ftampf ber ©efidjtSmusfetu mit bem ©teppen=
ftaub unb ber Söüftenfonne fidj ausgebilbet Ratten, fdjien ifmen nidjt unbegrün=
bet. 2)afj öinflüffe ber äußeren Ratur auf bie Ratur unferes Körpers nidjt ben
©eograpljen, fonbern ben ^Ijpfiologen jm (hforfdjung jujumeifen feien, fiel itjnen
nidjt ein. Sie fdjmierigften Probleme mürben burdj Seljauptungeu im Stile
ber ßatus'fdjen Unterfdjeibung ber sIRenfdjen in 2ag=, 2)ämmerungs= unb ")cadjt=
toölfer erlebigt. ©o tarn es, bafe nadj Garl Ritter bas frudjtbare ©ebiet ber
Raturbebingttjeit gefdjidjtlidjer (Jrfdjeinungen ju öerroitbern brotjte. ^efdjel'S
fritifdjes Eingreifen gefdjab, etmas rafdj unb einfeitig. 9Jat Unredjt befefjbete er
(iarl 'Kitters Ideologie als bie |>aupturfadje ber ©rgebnijjlofigfeit beffen, mag
man fyeute antfjropogeograpljifdje ©tubien nennen mürbe. @r brang nidjt bis
jur Unterfdjeibung bor geograpljifdjcn unb ptjtjfiologifdjen , ber medjanifdjen unb
ftatifdjen Momente in ber Rütfroirfung ber Ratur auf bie Golfer öor, fonbern
blieb mefeuttidj auf bem 93oben feines Vorgängers fteljen , fudjte jebodj biefen
33obeu einzuengen unb ^uglcirt) fdjärfer \u begrenzen. Ittan erfennt tjier bie
©renken feines im tjödjften Sinne formalen Talentes, bem jmar mandje tieffte $ro=
bleute uerfdjloffen finb, bas uns aber gleichzeitig burdj bas felbftänbige combinircube
S3orgeb,en auf ben alleientlegenften ©ebieteu in Grftaunen fe^t. 5|3. gab bie
erfte flare, umfaffenbe ^Darlegung ber ©rgebniffe bcr anttjiopologifdjen ©tubien
in bem s^tbfdjnitte über bie Äörpermerfmate ber s]Jcenfd)enr äffen. 3»n bem ©treit
über ^Irtcinljeit , Sllter unb Urljeimatt) bes WenfdjengefdjledjteS nimmt er nadj
feiner ©eite Partei, fonbern legt bie üfjatfadjeu unbefangen öor ben £efer.
2)icfe beiben Slbfdjnitte tjättc unter ben bamatigen Slnttjropologen fo nur #. (5.
ö. S5aer fdjreiben fönnen. @S ift audj nidjtS SeffereS fcitbem erfdjienen. 2)aS
negatipe Refultat, bajj nidjtS in ben $örpermaten ju einer fdjarfen 3er^eÖunÖ
bcr sDtenfdjen in Waffen ^minge, gilt bis tjeute. %n ben 21bfdjnttten, metdje Pon
ben ettjnograpljtfdjen 'OJterfmalen ber 33ölfer , ©pradjen, 2radjt, Söirttjfdjaft,
^püttenbau, 22ßaffen, gefellfdjaftlic^er ©lieberung b.anbeln , tritt 5J3. euergifdj bcr
3lnnarjme entgegen, bafe in ber Wenfdjljeit ber (Segenmart Ur.iuftdnbe fovtbauern.
©o toie er ben ?lffenmenfdjen auf bem antljropotogifdjen 33oben jurüdmieö, be=
fämpfte er bie ^erfiften^ bee Urmenfd)en auf bem et^nograpb.ifdjen. 2)ie nur
fdjeinbar geiftreidjen, im tiefften ©runbc bilettantifdjen arbeiten ßubbodfs, teeldje
bamatö, mie aHe§ berartige, rafdj ©djule madjten, fanben an irjnt einen ftrengen
9tidjter. 2)er Slbfdjnitt über bie ©ntmidlung ber Religionen enttjält eine
feffetnbe, geiftöott unb fdjön gefdjriebene llcberfidjt ber gciftigen 6ntroic!tung ber
^enfdjb^eit. 6r ift, auf bem Soben ber 5lnnar)me äatjlreidjer felbftänbiger
®öben=, ©ötter= unb 'DJtptrjenfdjöpiungen ftetjenb, PieHeidjt nidjt ber tieffte, aber
{ebenfalls ber anjietjenbfte 21bfd)nitt beö Sudjeö , baö in ber bie ©djilberungen
ber einzelnen Golfer entljaltenben ^metten Jpätfte nidjt gan^ fo gleichmäßig ge=
arbeitet ift. ©djmerjlidj fütjlt man bei ben unöermutljct fidj aufttjuenben Süden,
mie bie forgfältig Potlenbenbe |>anb ermattete unb erinnert ficrj ber $lage be§
ßrfranften über ba§ fernere 33ud), mie e§ auf ifjm (afte.
?p. ftanb nadj Anlage unb miffenfdjaftlidjer 9tidjtung 21. P. £umbolbt
näb,er als Garl Ritter. S)en ©puren eines einbringenben ©tubiumö ber natur=
miffenfdjaftlidjen unb entbetfungsgefdjidjtlidjen ©djriften be§ elfteren begegnet
SPefäel. 427
man bei 5ß. überall. $n ber überreictjrn Öitteratur be§ 100 jährigen ©eburt3=
iage§ beä grojjen ©eograptjen überragt ^efctjel'g SBürbigung ber wiffenfcf)aftlict)en
33erbienfie 21. b. |mmbolbt'§ weitaus alteS, Was bon geiftbollfter unb wiffen=
fd^aftXtci) beredjtigtfter (Seite fonft borgcbrart)t Würbe. Äein 3c^genoffe war an
bielfeitigem 2öiffen unb litterarifctjem «können 31. b. £umbolbt fo nafje bcr-
Wanbt wie 5p., ber barjer unter ben ©elet)rtcn, Welctje fitf) 1869 unter gütjrung
bon $arl 3?rut)ne jur Verausgabe einer breibänbigen £)umbolbtbiograpt)ie ber=
einigten, fidjerlid) ber berufenfte roar. öS ift jju bebauern, bafj itjm nur ein
Heiner 21ntfjeil an biefem 2öerf betftattet roar, melctjer 1872, alfo bereits in
ber Qeit ber abnetjmenben Gräfte exfcrjien. 2BaS aber 5p. über 21. b. .Ipumbolbt'S
Verbienfte um dhb= unb 23ö(terfunbe, ©taatSwirtrjfctjaft unb (5tefd)ict)tfct)retbung
auf bem engen 9taum bon brei Sogen jagt, jeigt itjri als einen gewiegten Äennex
gerabe biefer ©eiten ber Xtjätigfeit 21. b. |)umbolbt'S. 5Jttan empfinbet fo rectjt
bie tiefere Steljnlicrjfeit ber Wiffenfä)aftlict)en unb litterarifdjen 9tict)tung, rnelctje
beibe Männer rote 5Dteifter unb ©cfjüter berWanbt erfctjeinen läfjt, trenn man
jtetjt, mit Welctjer ©ict)ert)eit fiel) 5p. auf ben gorfctjungSWegen be§ großen
9teifenben unb ©ctjriftfiellerS bemegt. $r)m mar bermöge feiner pubtieiftifetjen
Sergangentjeit auef) bie fiaatenfunblict)e 5Rict)tung beS bietfeitigen ©eifteS, roelcfje
in ben r)atb fiatifiifctjen SBerfen über sJftejiEo unb ßuba 2luSbrucf fanb , ber=
trauter als alten anberen Seurttjeilern. Sorpglicr) tjat aber 5p. über bie S3e=
beutung beS Kosmos SGßorte gefproä)en, bie nur aus ber tiefften ©elbfterfatjrung
gefctjöpft werben fonnten.
2ßir nennen jum ©ctjtufj einige rjerborragenbe 2lrbeiten SPefdjel'ä , welctje
in ber bisherigen 2)arftetlung noerj feine (SrWätjnung gefunben tjaben. (5Jemein=
fam mit 5Rid)arb 2Inbree unb unterftüfet bon feinen ©djülern ihümmel unb
^ufeger gab $. ben ,,5p{)toWalifctj = ©tatiftifcf)en 2ItlaS beS SJeutfctjen gteictjeS"
tjerauS, beffen (Jrfctjeinen (1876) er nierjt metjr erlebte, ^n gefunben Jagen
tjatte er ben 5ptan entwerfen tjetfen, bie Äranftjeit brücfte aber feinen 2lnttjeit
an ber 2luSarbeitung auf ein Minimum tjerab , unb er fonnte nur einige ber
harten felbft noctj prüfen. S5ie 1869 bei fünfter in Senebig erfct)ienene ©amm=
lung ber harten beS 2lnbrea Siancc berfafj er mit eingefjenben Segleitworten
in ber befcfjeibcncn ^orm einer Sorrebe. 2In ben großen Serien bon SolfS=
unb ^ugenbfcfjriften, welctje ber Sudjtjänbler Otto ©pamer tjerauSgab, tfjeitweife
aud) felbft berfafste, beteiligte fid) 5p. mit einigen Seiträgen ju bem „Sud) be=
rürjmter föaufteute". ©eine afabemifdje 2lntrittSborlefung „2>ie Stjeitung ber
@rbe unter 5papft 21Iejanber VI. unb ^uliuS II." erfctjien 1871 im ®rucf. (Srft
naef) feinem jobe erfctjien eine 2lu§watjl größerer 2luffä^e 5pefct)er§, welctje
$. SöWenberg al§ „2lbljanblungen pr @rb= unb Sölferfunbe" in brei Sänben
t)erau§gab. S)ie im erften 25anbe ftetjenbe größere 2lbt)anblung „®er Urfbrung
unb bie Verbreitung einiger geograptjifcrjer ^Rtjttjen im Mittelalter" ift eine 23or=
arbeit jur „©efctjidjte ber (hbfunbe", welct)e fetjon 1854 in ber S)eutfct)en 5Siertel=
jafjrsfctjrift erfctjienen war. 33on ©ctjülern ^efctjel'S nact) ßollegientjeften bear=
beitet finb bie „5ptjt)fifct)e grbfunbe", Welct)e ©. Seipolbt in awei Sänben unb
bie unboEenbete „6uropäifd)e ©taatenfunbe", Weldje £). krümmet tjerauSgab.
^efctjers ©eift war fein , fctjöpferifct) , fritifet) unb gebutbig. ©eine 23e=
beutung lag, Wie bei jebem großen ©eletjrten, in ber Vereinigung fo tjeterogener
Sigenfctjaften. 6§ ift fetjr be^eictjnenb, ba^ 5p. lange jwifetjen ber beEetriftifctjen
unb publiciftifctjen Sfjätigfeit fctjwanfte unb ba^ bieüeictjt nur ber piättig bei
it)in fetjr früfj auftretenbe SBunfctj nacl) einer feften ßebensftcüung ju ©unften
ber letzteren entfctjieb. ^n ben früt)eften 2lrbeiten , bie wir fennen, ber £octor=
biffeitation unb jener erften wotjl bezeugten Sorrefponben,^ in ber 2lttgemeinen
Leitung, bereu wir bereits (Jrwätmung ju ttjun tjatten, burct)glüf)t bas fteuzt
428 ^eföel.
einer jungen 2)idjterfeele ben gehobenen unb oft fütjnen Sluebrud. 2)ie 3öelt=
unb 9Jlenfdjenfenntnif}, bie überlegene SBeurtrjeilung üon Sreigniffen, meld)e ben
reiferen Sinn ergrauter Männer ju ummölfen üermodjte, mürbe uns nod) metjr
erftaunen, menn mir nidjt baran badjten , bafj ein intuitiücr ©eift biefe Sorre=
fponbentenfeber tenfte. ©eine gfreunbe glaubten , bafj $. red)t baran getljan
fjabe, fid) nid)t ber 2)id)tfunft in bie 2Jrme ju toerfen, ba feine Begabung irjnen
ju beuttid) nad) ber anberen Seite au roeijen fdjien. @r tjat jelbft feinen
äßertt) auf feine bid)terifd)en ©aben gelegt, benn er beroarjrte fein ßraeugnifj
feiner 9Jtufee auf unb es fanb fid) gar nid)ts ber 2lrt in feinem 9cad)laffe öor.
2lber mir »erfolgen bis in fein letjte§ großes» SBerf rjinein , in bie Söölferfunbe,
jmei 9lusftrat)lungen biefer fd)önen ®aht, roeldjc efcenfo mol ben fpcöben ©toff
jaljllofer Sfjatfadjen fürjn umjufdjaffen unb jum ^nicrjtboben blürjenber ©e=
banfen 3U mad)en, als benfetben in eine anjietjenbc , ja geminnenbe 5orm 3U
bringen üermodjte. SQßenn biefe poetifdje Einlage nidjt genügte, um grofje 2Berfe
ber SDidjtfunft au^ugeftalten, fo belebte ober berlebenbigte biefelbe ben fdjarfen
Sßerftanb bes 2)enfers unb gab feinen miffenfdjaftlidjen ^peroorbringungen eine
^orm, meldje glauben laffen fonnte, bafe aud) nad) Slleranber b. |)umbolbt ein
großer ©eograpt) bie 9lationattitteratur mit geteerten unb fdjönen arbeiten be=
reidjern roerbe. ^efdjel's 33ebeutung für bie ©eograprjie liegt batjer nur ttjeil*
meife auf ber miffenfdjaftlidjen «Seite , ein nid)t geringer 2fjeil berfelben fütjrt
auf bie litterarifd)en SÖerbienfte \\i\M. SDie rafdj tjintereinanber folgenben 2luf*
lagen, meldje einige Pon feinen Söerfen erlebten, fpredjen es beutlid) aus, bajj
nid)t blofe bas miffenfdjaftlidje publicum ftd) burdj biefelben angezogen füllte.
fy. tjat nidjts Unlesbares gefd)rieben unb pflegte bie $o*ni, mie et fetbft öfter
betont fjat, mit SSemufjtfein , im ©cgenfatj ^u ben meiften beutfcfjen ©eletjrten,
bie nad) ©oetfjc's Slusfprudj bie (8abe befitjen, bie 2öiffenfd)aften unjugänglidj
ju madjen 2>amit ift aber aud) fdjon ausgefprodjen , bafe *pefdjers miffen=
fdjaUtidje itjätigfeit tjauptfädjtidj auf jenen ©ebieteu ber ©eograpljie fid) be=
mäfjtte, meldje bem 23erftänbni£s bes ^ubticums nätjertiegen, meil fie roenig
SBorausfe^ungen madjen unb nidjt in ©pradjen Doli bunfler ^orme'n uno
^afjlen reben: ben gefd)id)tlid)en, bölfetfunbtidjen , polttifdjen unb nnrtfjfd)afts=
geograpl)ifd)en. 2öo er auf bas ©ebiet ber ptjrjfifalifdjen ©eograpljie überging,
bot er feine tief einbringeubeu , ju enbgüttigen Grrgebniffen fommenben Unter^
fudjungen, fonbern er fdjritt auregenb, anbatjncnb bor. s3ludj berufen biefe 9lr=
beiten alle nidjt auf unmittelbarer Seobadjtuug ber Üiatur. ©ie finb im ©tu=
bium ber ßitteratur unb ber .harten entftanben. Äeine t>on it)nen ift bto| für
ben gadjmann gcfdjrieben unb es legt feine einen ©djadjt an, ber bann oon
^lad)fotgern in birecter Ütidjtung auf bie tieffte ©tettc be§ Problems fortgegraben
merben fonnte. Sä prägt fid) überhaupt in aüem, maö ty. gefdjrieben f)at, eine
anbere Sluffaffung uon gelehrter Itrjätigfeit au§, aU fie in S)eutfd)tanb unb be=
fonberä an ben Unioerfitäten in ©eltung ftetjt. vJtie mirb bie ^ütjlung mit bem
gebilbeten publicum gan3 aufgegeben unb al§ bie größte Äunft gilt, grünblid)
ju fein , oi)ne langmeilig ober gar unöerftänblid) 3U merben. 9Zur ein üiel-
feitiger, ferjarffinniger, burd) tiefe unb au3gebet)nte ©tubien genätjrter ©eift
fonnte am biefer ©ren^e fid) bemegen, ofjne feicljt ju merben. 68 ift marjr=
fdjeintid), bafe Sß., menn er baö ßeben errjatten f)ätte , immer mer)r bem Steige,
2Bat)rrjeit ju fudjen , nachgegeben unb auf bie ^0*™ ber 2)arfteÜung nur ben
SBertf) einer (jigenfdjaft jmeiten Dtangee gelegt Ijaben, bafj er jule^t bod) metjr
ber 3Biffenfd)aft als ber ßitteratur angttjört f)aben mürbe.
$. fdjrieb in ben erften rein publiciftifd)en Sfarjren feiner 2l)ätigfeit einen
fetit, ben man blüljenb nannte. S)ie ©cfjätjung einer auögefdjmücften ©d)reib=
toeife mar bamali eine attgemeinere als bleute. 3fu ben ©palten ber allgemeinen
$efäel. 429
Rettung erfcfjienen auct) fetjr in^attteic^e unb flare gebaute Stbfjanblungen gern
in einer ftitiftifdjen Toilette, bet man ein toenig bie 2Ibfict)t, ju gefallen, an-
merfen burfte. 3)ie brutalen Jfyatfactjen rjatten bie fleinen 33ericr)önerungs!ünfte
nidjt gan3 Derbrängen fönnen. 3a , man geroinnt ben Sinbrucf , als ob nact)
1848 49 auct) im Stil eine ^eriobe ber 9teftauration eingetreten fei. 9ßefctjers
3fbeen toaren jebenfattS in ber erften ^älfte ber 50 er Safyre moberner als it)re
Grinfteibung. Unb boct) gewann itjm jjunäct)ft bieje met)r SeimH als jene allein
es Dermoctjt tjätten. ®er ÜJcann , melctjer in ein angelesenes 33latt , toie bie
Allgemeine 3eitung, fetjrieb, ftanb in immer fict) erneuernben Se^ietjungen mit
bem publicum. 6rfct)ien einer Don ^efctjet's glänzenben Aufjagen, fo liefen
Sßriefe Don allen Seiten ein, metctje 93eifaH unb 3uftinimung in ort cntt)ufiafti=
fd)en ßobesreben ausfpractjen , t)aupiiäct)tict) aber neugierig noct) bem tarnen bes
üßerfajfers fict) erfunbigten. Auct) abgehärtete Jageejctjriitfteller Dericfjmäfjen nictjt
bie fRet^e eines iolctjen Rapportes mit bem publicum, unb mir begreifen, baß
es ?p. rootjtttjat, als ber erfte felbftänbige Auffat}, roelctjen er im Auslanb nact)
Uebernafjme ber 9tebaction erfctjeinen ließ, eine Derartige SeifaHsjalüe tjerDorrie*.
(Sin großer üttjeil ber QJorjüge bes Stiles Don ^. rutjte inbeffen auf ber geiftigen
Seite. S)ie ftaren , fdjarf umriffenen ©ebanfen fctjufen fiel) eine entfprectjenbe
[vorm bes Ausbrucfes. @in onberer £t)eil gehört ber nerDös feinen ßmpftnbung
an, ber bie .prjpotfjefe einer afiatifct)en Abftammung ber altamerifani|d)en Sultur
„roibermärtig" erfd)eint , bie „mit UntoiHen" ben ©ebanfen eines öerabfteigens
ber Urarier Dom ^amtr jurücfroeift, bagegen bie Söatjt Jurfeftans all Urtjeimatfj
arifdjer 23ötfer „üeriürjrerifct)" finbet, aucr) mit Vorliebe Söorte mie geogra*
pfyijctjes „Söertjängnif}", „getjeimer Sinn" ber Ujertinien, u. bgl. anmenbet.
Safe bas genaue sDlaf} bei biefetn öeroortreten ber (Impünbung leietjt Derloren
geljt, ift faum ju üerrounbern unb man gemannt fidj an bie leichte Uebettreibung
bei Ausbrucfs, mit melctjer bie füblictjen Otorbjeefüften als ber Sctjauplatj ber
tjeftigflen 93ermüftungen bejeictjnet roerben , meiere gegenroärtig bie ©efctjictjte
unferes Planeten fennt u. bgl., als notljroenbiges 3ubetjör biefer inbioibuellen,
jeber <}eit lebhaft geftimmten, putfirenben Sctjreibroeife.
9Jlit atlebem tjat 5ß. bas grofee Sßerbienft, bie Stellung ber ©eograprjie als
äöiffenfctjaU neben ben Sctjrocftermiffenfctjaften befeftigt ju tjaben. 2)on feinen
ifteuen Problemen ging bie Anregung jur ©eminnung bes an bie (Geologie Der*
lorenen ©ebiets aus, unb bafj >p. bie fjiftorifctje unb bie naturroiffenfctjaftlidje
Seite mit gleichem ©eifte Dertrat, ift Dorbilbtictj für feine fjeroorragenbften Dcactj=
fotger geroorben. ty. t)at eine im 2)ergleict) ju ber $ürje feiner Seljrtfjätigfeit grofje
Anjatjl Don Scrjülern ausgebilbet unb eine gan^e föeitje berfelben ift roifienfctjait=
lieb, ttjätig getoorben. jDennoctj fann man nictjt Don einer Sctjule im üblichen
Sinne biefes Söortes fpredjen , benn eine fo eigenartige Sfnbioibualität fann ge=
rabe it)r 33eftei, bas, mas fie auszeichnet, nict)t übertragen. 5luctj fjatte % noc§
feine eigenen 9Jcetrjoben ausgebilbet, bie er toie fertige 2Berfjeuge feinen Scfjülern
fjdtte übeigeben fönnen. Schriften mie bie ßcipolbts über bie mitttere Aöötje @uro=
pas ober ^rümmels Morphologie ber 9Jceeresräume beuten inbeffen an , bafj ty.
planDoll Dorgegangen fein mürbe , um feine Scf)üier an bie ßücfen ber geo»
grapljifcfjen gorferjung rjin^ufüf)ren unb in ben 'Jteuen ^oblemen mie in ber
3)ötferfunbe maren Sffiege befcfjritien , meiere über 21. D. -öumbotbt unb bitter
r)inau§füf)ren mußten, ^efc^el'g Öerjrtoirffamfeit mar nicr)t ju furj bemeffen, um
äatjlreicije Anregungen ausjuftreuen , unb um bie begeifterte 2lnt)ängticf)feit einer
großen 3a^ bon Scrjülern fict) ]u fietjern, aber es mar iljm nict)t Dergönnt, bie
gtüctjte feiner llnterrocifung im heranreifen ju übermalen. @s trat einiges
Unreife jU läge, mas jufammen mit ben ungemeffenen Sobesergüffen Don nictjt
ganj Urteilsfähigen , bie fid) auf eigene 5Quft unter ^>ejd^et'ö Anhänger ein*
430 ***»"■
gereift Ratten, balb nact) feinem £obe eine trjeitroeife entfprecfjenb fidj über=
nerjmenbe Äritif fyerborrier. ßeiber fanb biefe aud) in bei* nicfjt immer ganj ge=
lungenen Art ber Verausgabe bon ^efdjei'S tjinterlaffenen ©cfjtiftcn einigen
Anlafj, fid) ju äufjern. SDiefe ©dtjroanfungen finb borübergegangeu unb ty. ftetjt
t)eute als ber näd)ft Sari ütitter um bie ©ntroidluug ber nriffenfd)aftlidjen ©eo=
graptjie in 2)eutfd)lanb üerbieiitefte ©eletjrte unb als ber roürbige s.Uad)folger
21. b. Apumbolbt'S auf bem ©ebiete geograpl)ijd)=litterarifcf)er X^ättgfeit ba.
2öir fjaben s$. öl§ eine fein empfinbenbe, fanguintfcr)e , betueglicfje sJtatur
fennen gelernt, tiefer ©runbton fcfjlofe bie jhaft nid)t auS. Sei aller Siebend
toürbigfeit fonnte biefeS Jperj audj t)erbe fein unb fdjvaf nie bor bem AuSbrucf
ber Ueber^eugung jurücf. @in tjeröorragenber ,°)Ug mar bie beutfdjpatriotifdje
©efinnung, roelcljer ^- bei jeber ©elegenrjeit Ausbruc! berliet). (geborener ©acfjfe,
in Saiern lebenb , burd) ©eift unb Söiffenfdjaft geredet gegenüber bem 3>nbi=
bibuellen in ©taaten, ^robinjen, ©täbten , wie er benn für fein Aboptibbater=
lanb Saiern unb befonberS Augsburg ftets ein auf tieferer .tfenutnifj begrünbeteS
Serftänbnife betnieS, ift s$. unter bie frütjeften unb entfcfjiebenften Vertreter beS
beutfetjen 9teid)Sgeban£en$ in 2übbcutfd)lanb )u rechnen. Drme mit biefer ©e=
finnung auf ben ^JJIarft \u treten , rjat er für biefelbe geroirft unb geftritten.
•^efdjel'S formen roareu im perjönlidjen Serfetjr unb in ber ©djrift bcrbinblicfj
unb eS ift be^eidjnenb, bafj, jo offen er aud) feine roiffenfdjajtlidjen unb potitifdjen
9Infict)ten bertrat, titterarifdje Serben itjm faft gau,} erfpart blieben.
9Jcittt)eüungen unb AuMetdjnungen ber SBitroc ißeJdjel'S, bon $. ßöroenberg
unb au§ bem Greife ber augsburger ^reuube unb ber leipziger ©ctjüter unb
3freunbe. — Osfar $., fein ßeben unb ©d)affen bon {Jriebrtcib, b. |>ettroatb.
1876. — 9tacf)ruT bon (Seorg ÖberS. «Dlittl). b. & f. (hbfuube ju ßeipjig.
1875. — OSfar $. unb bie örbfunbe. Sßon #einrid) $at)be (^rogr. 2Jttt§l«
rjeim a. b. fltutjr. 1879). — Äür^erc ßebenSbefdbreibungen bon 9iicrjavb
Anbree im Saljeini XII. ^arjrg., bon g. b. ^ettmalb im AuSlanb 1875,
9tt. 41 unb ber Allgemeinen Leitung 1875, *Jtr. 265 (Seit.), bon 28. in ber
üDeutfdjen JRunbfdjau f. ©eograpbie, VII. ^atjrg. $. 12. — $ur SBürbigung
feiner SBirtfamleit finben fid) roertljbotle Seiträge in 5- ö. föidjtljofcn, Gf)ina
I. unb in ben metljobologifdjcn SBeridjten Jp. Söagner 'S im ©eograpt)ifd)en
3{ab,rbucrj feit 1878. $n ben lebteren ift bie mit 5pefd)el's Anregungen fieb,
befc^äftigenbe ßÜteratut bis \ux ©cgenroart l)erab jufammcugcftellt. 33itb=
niffe ^efcrjel'ä finben fic^ in ben s-öiograpt)ieu bon 5- b. .^ellmalb, Üt. Aubree,
©. (Sberö unb %. Öömenberg. ^riebriefy -Tiatjet.
"^Cfi'iic : Anton (Antoine) s^., 23ilbni^= unb Öefcb/icrjtSmaler , rombe
geboren ju 5|3ari§ am 23. 9ftai 1683. 3)en erften Unterrid)t in ber ^unft
erhielt er bon feinem Sßater 2r)omai ty., einem 33ilbni^maler bon geringer 93e*
beutung, Steffen be§ buret) feine Stattet nacrj s)t. ^ouffin befaunten Alupfer=
ftecr)er3 Sfean s^., unb meiterrjin bind) feinen ®ro^ol)m, ben ©efd)id)t3maler
S^arXeS bc 2a üo\\e. 'Jtacr)bem i^m 1703 bon ber s4$arijer Alabemie ber erfte
s43reiS in ber Malerei ^uerfannt roorben, ging er um 1706 flu feiner ferneren
Auöbitbung nac^ 9tom, Neapel unb SSenebtß, roo er fid) bem ©tubium ber
grofjen lUeifter mibmete unb bei längerem Aufenthalte in lebter ©tabt angeblict)
unter bem perfönlidjen @influ§ beS 53tater§ Anbrea ßelefti ftanb. üDen erften
namhaften Auftrag ^u einem Silbniffe etttjeitte itjm 1707 ber gfreitjerr bon
Änip^aufen in Senebig. S)iefe§ ©emälbe gab bie Sßeranlaffung , ba^ Äönig
gviebridt) I. bon ^reufjen ju Anfang be§ ^ab,re§ 1711 an ©teße be§ eben ber=
ftorbenen Aug. Sermeften s^. al§ Hofmaler naci) üBerlin berief, ©egen bie
3Jcitte be§ ^at)re§ traf er mit feiner jungen x$xclü, einer ^octjter bc3 93lumen=
5peäne. 431
unb fttüctjtematers 3- S. ©anot Subuiffon aus Italien bort ein. 3ludj bie
beiben rolgenben Könige Don «Preufjen toanbten bem ßünjtler ibre bauernbe
©unft au. 3n bie «Regierungsacit griebridj äöilbelms I. ?äUt bie fteife (1723
bis 1724?) $esne's nacb (Snglanb. @r fci)eint feinen 2öeg übet «Paris genom=
men unb Bier bas Silbnifj bes fpäteren Stftectorä ber franäöftfc^en «Äfabemie in
«Rom, bes «malere 91. SleugBels gemalt ju Baben, roeldjes iBm bie «UUtglieb=
fdjaft ber «parifer Slfabemie eintrug. $n Sonbon, too ficb «P- nur furae Seit
aut^ieCt , malte er bie mit geringem Seifall aufgenommenen Silbniffe einiger
«J.Uttglieber bes föniglicBen -gmufes.
«p. roat in erfter ßime Silbnifcmaler: bie föniglicBe Familie, bie &of*
gefettföaft unb fonftige Ijetöorragenbe $erfönlitf)feiten Serlins finb burcb, tf)n
batgefteüt roorben. 3n ben föniglid^en ©ctjtöffetn ju Sertin, «potsbam unb
Gtjarlottenburg Befinben ftdj aa^heictje Delbilber feiner £anb, in legerem ©tflofie
bas befannte Silb «pesne's, roeld}es uns griebtief) ben ©rofjen als bretjärjrtges
ßinb mit einer Trommel neben feiner ©cbroefter «EßtlBelmine geigt (geft. bon
S>. Gunego unb %. (StdjenS). Sie föniglidje ©emätbegaterie in Serlin beroafvrt
biet Silber bes 3Jceifter§: neben ber Delffiaae au bem fefrt gerühmten, jcfet ber«
fcf)ollenen Silbe bes £errn bon (Srtacb mit feiner Familie, bas intereffante Silbmfj
griebricbs bes ©rofjen aus bem Safjre 1739, unb ferner bas treffticB burdj»
geführte ©emälbe, meines ben ÄupTerftecBer ©. g. ©dmtibt nebft ©attm bar=
ftellt Sic Sresbener ©alerte toeift fieoen ©emätbe öon «p. auf, unter btefen
bas ©elbfibilbnife bes ÄünftlerS b. 3- 1728 (geft. bon ©. g. ©cBmibt 1752).
Sie «DceBraar)l feiner Silbniffe ift bon betriebenen gleicBaeitigen unb fpäteren
ftupferftecbern roiebergegeBen roorben (ogf. 21. «itpell, $anbBucB für flupierftidj«
fammter). 2lucfi als öiftorienmaler mar «p. mit grfolg ttjätig. %n ben ge=
nannten ©cBlöffern, foroie im ©cBloffe au Heinsberg befinben ficB bon tfjm
mehrere 2Öanb= unb Secfengemälbe mit attegorifclen unb mljtfjologifäen Sar=
fteEungen. ©ein lefctes unpoHenbetes SBerf ift bas im «Marmorfaal bes «Heuen
Calais bei «potsbam aufgehellte, ben «Jtaub ber Jpelena barftellenbe grofee Oel»
gemälbe. Ser bebeutenbfte unter feinen aabtreicben ©Gütern, Serntjarb «Äobe,
führte baffelbe nacb bem Sobe bes «üceifters au @nbe.
Son feinen Beitgenoffen in SeutfcBlanb ift «p. als einer ber größten flünftler
geptiefen roorben. 3n ber erften &ätfte bes borigen 3atjrb,unberts blatte Serltn
feinen «Dealer aufautoeifen, ber ibm, auutat im «Porträtiacb,, gleic& au fcBäfeen toar.
Sie meiften «JJcalet, toeld&e nacb if)m bort tl)ätig roaren, finb feine ©cBüler ge=
toefen unb laffen feinen einftuB erfennen. Sie ßraft feiner ^arbengebung , in
toetäjer feine Setounberer bie benetianifetje garbenpraetjt toiebererfennen^roottten,
trug iljm au feiner 3eit allgemeine «änerfennung ein. hieraus erflärt ftcb,, ba^
gfrtebii^ ber ©rofje als Äronprina % in einem Begeisterten ©ebicfjte mit ßob
tiberljäufte (Oeuvres de Fre-d6ric le Grand T. X1Y). Sie fünftlerifdje Sebeutung
ber gro|en franaöfifd^en Silbnifemater unter ^önig ßubtoig XIV. erreid)t «p. tn=
beffen ni^t. ©einen ©emälben ift aber fetjon bureb, bie bargefteEten «perfönltdb,=
feiten ein bteibenber gefdiid^tticljer SBerttj gefriert, «p. ftarb als Sirector ber
fönigttdjen 2lfabemie ber fünfte am 5. Sluguft 1757 au Serlm.
Sgl. «Jiacfjri^ten bon ßünfttern unb £unft = ©a<$en. ßeipaig 1768. —
3f. Nicolai, Sefdjreibung ber Ägl. «Jteftbenaftabte Sertin u. «potsbam. . . .
«Berlin 1786. — f$. Nicolai. Na^ri^ten bon ben Saumeiftern . . . Serttn
1786 — giorillo, ©efd^id^te ber aeicb,nenben Äünfte, ©öttingen 1805. —
Pfeli, «HUg. Äünftler--Sericon. — «Jlagler, Neues «Mg. ^ünftter=ßertcon. —
Suffteur, Les artistes franqais a l'ötranger. «Paris 1856. — %. 3al, Dict.
critique" de Biographie et d'Histoire. «Parts 1872. — Ägl. «Dcufeen au
432 S-Mina — Wiotojjt.
«Berlin. SSefdjreib. SBerjeic&mfj b. ©emälbe 1883. — @. «Beliier bc la G$a«
bignerie unb 8. Sluorat) , Dict. gäneral des artistes de l'e*cole fran^aise.
«Port« 1885. «fficinifc.
$efft1ta: SBenjel «Dcidjael 5p. («pefdjina) »• ßaedjorob, ©om^etr,
geboten ju «Jieu=.$prabef in 33öt)men am 13. September 1782, f au «präg am
7. «üiat 1859, überging auS bem ©pmnaftum ju Höniggräfe inS Stubium ber
Jtjeologie au «#rag, tourbc 1807 jum ^tieftet gemeint, hierauf als Saplan für
«Polna beotbert; 1814 3um «piariet in Ätu,\enburg befördert, 1819 in gleicher
SBtirbe auf bie beffer botirte (Stelle 3U S8utfd£)tn in «JJtäljren überfefct, eticlgte
1832 feine @rt)ebung aum Domtjerrn an ber «prager «JJMropolitanfitd)e bei
St. SBeit. — Sin meiterer f5f°tQe jum Gonfiftotialratt)e unb DomcufioS ernannt,
mufete et in legtet ©igenfrfjaft gana befonberS erfolgreich, ber in itjm fdjon längft
tteibenben ^bee beS 2)omauSbaueS öorjuarbetten. Unb bie nact) biejer 9ttdjtung
entmirfelte Ibätigfctt ift es aud), meldje feinem «Kamen eine bleibenbe Stelle in
ber 6ultutgefd)id)te beS ßanbeS fieberte. Denn biefe feine Sfbee mittle augleid)
nad) aufeen, unb gemann ©eftaltung burd) ben int 3. 1857 tnS ßeben getretenen
Dombauberctn — beffen ttjatftäftigeS ^orgetjen betmfS ber «Bittelbefctjaffung
1860 id]on jut 33eftellung beS „DombaumeiftetS" in ber «Petfon bes auSge*
auSgejetd^neten ©ottjifetS Sofept) tfranner führte (f. 21. ©. «8. XVII, 88). SBie
nad) bem Sterbejahre «peffina'S erficptlid), erlebte er amar nid)t bie fjfreube
roetteten «Dtitttjuns, blieb aber bod) ber «Dcotor. ^BemerfenSroertt) ift tjierbei,
bafj, trotjbem er fein «-Bermäctjtnifj ben Ifdjedjcn anS |)etj gelegt tjatte, biefeS
bon ben Deutfdjen «Prags aufgenommen unb burd) fie in SBoU^uq gebracht
mürbe. — 2öae> er bagegen nod) als reidjlidje 6rnte ftitler «2luSfaat auf fjuma«
nitärem ©ebiete erlebte, mar eine ^ütle an (Jljren unb 'DluSjeidjnungen, bie itjtn
in gana befonberer «Dtenge aur freier feines fünfaigjätjttgen «^riefterjubitäumS —
13. September 1857 — aufam. Äaijev ftranj Sofept) berliet) it)tn ben Orben
ber etfetnen Htone 3. klaffe, ber feine (hljebung in ben «Jlbelftanb mit bem
geroünfdjten «Ptäbicate „bon Gaedjotob" nad) fid) 30g. Die Stäbte Höniggrät}
unb «Polna überfanbten ttjnt mittelft Deputation (Stjrenbütgerbiptome; ©lud»
munfeijabreffen unb finnige ©efd)enfe bon nafjc unb ferne famen l)tnju. Die
locale Jagcöfeier ert)öt)te überbieS eine fohnne firdjlidjc geier unter £t)eilnat)me
beS (5arbinalet3bijd)ofS dürften Oon Sd)roat3enberg, beS Honiggräser ^ifdjofS
Dr. £>anl, Oon Sßertretetn ber Regierung, ber ßanbeSf)auptftabt unb faft aller
Stänbe unb ftäbtifdjen Korporationen. — 3?m ^Befttje beS @t)renbiplomS eineS
Doctot ber ültjeologie üon Seite ber «prager Uniöerfität mar «p. fd)on feit 1848.
DaS 2t)un unb Streben «Peffina'S djatafterifiri fd)lie^lid) fein getinger «Jiadjlafe
an SBermögen unb finbet (Jrflärung batin, bafe er ben Ueberfdju^ beS Gnnfom=
mens jum Streit mot)ltt)ätigen ^roeden mibmete, gtöfetentl)cilS jebod) bem 2)om=
baufonbS aumenbete. SBetjufS Srrid)tung eineS feine ©rabftätte — auf bem $lein=
jettner 5riebt)ofe — aierenben «DtonumentS trat barum ßarbinat Sdjmaraenbetg
au bie Spi^e eines (SomiteS, burd) roeldjeS baffelbe ausgeführt mürbe.
«Rub. «JJlüller.
^Cftolojji: 3ot). ^einrid) «p. ift am 12. Januar 1746 in 3ürid) ge»
boten. Sein Sßater, ^otjann SBaptijt, ber Sob^n beS «Pfarrers SlnbreaS «pefto-
loaai in >&öngg, mar ßtjirutg unb tjinterliefe, als er im 3uli 1751 ftarb , bie
2Bittme mit Pier Hinbern, beten eineS balb nadjtjer ftarb, in bürftigen 5Berl)ält=
niffen; biefelbe, Sufanna Jpotj, flammte toom ßanbe unb mar mit bem befann*
ten 2lrat $o% in «Jtid)tergmt)l unb bem in öfterreidjifdjen Dienften ftet)enben
©encsol §o%e nat)e öetmanbt. «Dlit ^eintid) mud)fen ein älterer S3ruber unb
eine jüngere Sdjmefter auf; ber erftete, ^ot). ^aptift, ging in ben 9ld)tatgerjal)ren
«peftalojji. 433
aufs 50teet unb ift bo öexfdwlten; bie Sdjwefiex, Slnna SBaibaxa, an bet $.
mit gxofcex Siebe rjing, öexf)eixatt)ete ftd) 1777 mit einem Kaufmann ©xo|e m
Seipaig. «ölutter «Peftaiojäi flarb 1796.
$eintid) % roat Don ©ebuxt fcf)Wäd)lid) unb f ranntet). £>ie Süet-
Waifttjeit unb bie 31xmutt) ber gamitie waren aud) nidjt baau angettjan, bie
normale gntmicüung bei ßnabenattexs P beföxbexn. (Ss fehlte für bie graietj-
ung ber weitexfd)auenbe Stic! ber Däterlidjen ßeitung; aber was mütterliche
Sorge teilten tonnte, bas würbe % in reidjem <ma& ?u SÜjeil; unb bet
Butter sur ©ehe ftanb eine treue 9Jtagb , bas Sabeli , bie , wie jie bem ftex=
benben Sßatex oexfpxodjen, bexfelben in fjingtbenbex ixeue bie &aust)altung
buxcfibxingen fjalf. Sie Sdjattenfeite biefex Gxaiet)iing fdjilbert % fetbft im
©djtoanengefang" : „3d) wudjs an ber §anb ber beften Butter als etn 2beiber=
unb aJtutteifinb auf, wie nict)t batb eines in alten «Rütffidjten ein größeres fem
tonnte. 3$ tarn, wie man bei uns fagt, jafjiaus jahrein nie fjintex bem Ofen
tjexoox; Iura alte wefentlidjen bittet unb fteiae jur Entfaltung männtidier Äraft,
männtietjex @xtat)xungen , männlidjex ®enfungsfxaft unb männlicher Uebungen
mangelten mir in bem ©rab , als id) it)xex bei ber @igenf)eit unb bei ben
©djtoäc&en meiner 3nbiüibuatität ooxaügtid) beburfte." Unb in „gienfjaxb unb
©extxub" fdjilbert ex bei bex (Sraätjlung öon ben 3ugenböert)ättniffen bes Pfarrers
(Stnft feine eigene Sugenb, ^nn er fagt: „@s Ijätte 2lHes aus itjm werben
lönnen, wenn er in feiner Sugenb bie Wenfctjen öon 21ngefid)t m 2lngeft#t ge=
fefjen wie in ben Supern. 216er ex fat) nux feine «Mutter unb feine «Utagb, bie
tjimmelstxeu toax, abex ben «üben einfpexxte, bamit ex bex axmen «Uluttet wenig
©elb lofte." r.
Sie folgen biefex jugenblictjen Slbgefdjloffentjcit öon feinen Sllteisgenoften
(„bamit ex nid)t unnü^ex 2Beife Äleiber unb Sdmt)e öexbexbe") machten fiel) benn
aud) gettenb, als «Peftaloäji in bie Sdjule fam. „«öiit biefem $eftatoaat", ex*
i&%lt 1783 einex feinex 3eitgenoffen, harter 6d)ina (1745—1790), „ging td)
fetjon in bie aUexuntexfte Sdjule. 2)ex Sdjulmeiftex behauptete, es fbnne unb
werbe aus bem Knaben nie etwas 9ted)tes wexben, unb alle ©ctjülex Oextadjten
unb öexfpotteten ifjn wegen feinex unangenehmen ©efidjtsbilbung, feinex aufjer=
oxbentlid)en ^acfjläffigfeit unb Unxeinlidjfeit. 3n ben beeren Spulen befam
3ß ben 9tuf eines fonbexbaxen »Blenden, bex bei atlex beibehaltenen unausftet)=
lidjen äufcerlidjen Unxeinlidjfeit unb Unadjtfamfeit bennod), wenn esfeinmufcteunb ex
einmal öon feinex beftänbigen ©ebanfenaexftxeuung J» fictj felbft gebracht würbe,
genau ben ^untt traf, au wetetjem man iljn leiten mottle." Unb bamit ftimmt
txefftid) was ^eftaloaai in feinex Selbftfd)tibexutig öom Safjxe 1802 fagt: ,,3ä)
Wax öon Sugenb aui bex ftaxx aller Seute; meine Sugenbfüfjxung gab meiner
Sebljaftigieit in taufenbiadjen txäumerifdjen $been allgemeine ^a!)rung unb tiefe
midi augleid) in 2lHem, was bie «ötenföen ©ewöljnlic^es genießen, tonnen unb
trjun, genufeleer, ungeübt. 2)ie «üben in ber Sdmte fc^on fdndten mict), w_o=
^in fie nicfjt gern gingen; id) ging, wotjin fie nietjt gingen unb ttjat , was fte
wottten. Selbft beim großen grbbeben (es ift wol basjenige Dom 9. S)ecember
1755 gemeint), wo bie »ßräceptoren ben ßinbern fdjiex übex bie $ööie bie Stiege
tjerabgingen unb es deiner wagen wollte, wieber tnnaufaugefjen , ging ictj unb
brachte i^nen Wappen unb m$ex tjinuntex. 2lbex ictj fdjidte mict) bod) mc^t
äu i^nen unb Ijatte, ob ict) fdjon gut lernte, bennod) im ©ewötjnltcrjen unb £ag=
lidjen was öoxfiet gana unb gax nidjt bie ©ewanbtb^eit, bie bie Wg,<?xn unter
ben Slnbexn atte au§aeid)nete ; aud) lachten fie mid) alle aus unb gaben mir
ben tarnen „#eixi Söunbexli öon 2l>oxlifon". %d) fann es ib.nen nidjt ubet=
netjmen." ßingeb^enb l)at fic^i <p. im „ScfjWanengefang" übex bie ®igentt)um=
öligem. beut?*e ^iogtajjtjte. XXV. 28
434 Mtalojji.
ttdjfetten feinet 3n°imbualität/ mie fte fdjon in feiner jugenbtidjen Gntmidlung
fjerbortrat, ausgefprodjen. Wad) biefen fremben unb eigenen ^euguiffen treten
in bem jungen *p. Unbetjotfciifjctt, Ungeregetttjeit, Ueberroudjeru ber @inbitbuugs=
traft über bie geotbnete ^evftanbebilbung, geiftbotte (h-faffung beffen, roas itjm
pfagte, mit gänjlidjer 2)ernad)täffigung bon alle bem , toas feinem ©emüttje
feine Watjrung gab, als d)avafteriftifd)e 3uSe t)c*bor; alles bas berbuuben mit
getegenttid) auiblitjenber (Energie unb einer ©utmütl)igfeit, „bie alte 2Belt
roenigftens fo gutmütig unb (}utraulid) glaubte als fid) fetbft" ; enblid) aud)
barm bie 2lrt bei ©anguinifers, bafj es it)m nid)ts galt, roenn er aud) „mit
feinem .Hopf in fjunbert unb tjunbert ftleinigfeiten metjr als ein anberes $inb
an bie Söanb ftiefe". Suchen mir nod) einen 3lusbiurf, ber all bas 5ufammen=
faffenb be<$eid)net, fo tjat, mie in mand) ?lnberm, it)n iß. felbft gegeben, roenn
er bon ber ftarfen 3Iusbilbung feines1 „Iraumfinns" rebet.
tiefer Üräumerfinu taub nun in ben äußern $krl)ältntffen , in benen ba8
reifere ^ugenbalter ^eftatojii's fid) bemegte, reid)lid)e Rainung. S)te tjötjeren
Sdmten bon ^ürid), bie ^eftato^^i befudjte, um Ideologie ,511 ftubtren, ftanben
bamals nad) ^Mtalo.w's ausDrüdlidjem ^eugnife in miffenfd)aftlid)er 53ejiet)uug
ausgezeichnet gut. (So mar bie Qtii iBobmer's, ^reitinger's, ©teinbrüdjels. @s
mar eine 3eü ber ^erfentung in bie ^fbeale ber claffifdjen 3Belt. „Unabhängig*
feit, ©clbftänbigfeit, ißotjlttjätigteit, Slufopierungsfrart unb 33aterlanbsliebe mar
bas ßofungsroort unferer öffentlichen 23ilbung. 2)er ©eifi bes Unterridjtes, ben
mir genoffen, lenfte uns mit Dieter vJebenbigfeit unb rei^üoller 2)arftettung batjin,
bie äußeren bittet bes 9teid)tt)ums, ber @f)re unb bes 2lnferjens einfeitig unb
unüberlegt gering ju fd)äfcen unb beinahe ju beradjten. 2)as ging fo meit, bafj
mir uns in .Rnabenfd)ut)en einbilbeten, burd) bie oberflädjlidjcn ©djulfenntniffe
bom großen griednfdjen unb römifdjen Sürgerlebeu uns folib für bas Heine
SSürgerleben in einem ber fdjroeijerifctjen Kantone unb ifjren nigeroanbten Orten
borjüglid) gut borbereiten ju tonnen." 2>er bon ber Srbfdjroere fid) loslöfenbe
tbeatifdje ©eiftes^ug fjaitete aber nidjt blos an ben s4krfönlid)fciten , bie auf s|>.
unb feine Wlitfdjüler erjiefjerifd) eiumirtten; es mar bie Sltmofpljäre, in ber bie
23effern jener $e\t lebten unb roebten unb fid) über bie Äleinlidjfeit ber ©egem=
mart erhoben. 2öas biefe nid)t barbot, fud)te unb fanb man in ber Vergangen*
r)eit, in Sltljen, Sparta unb 9tom, unb bei ben biebern Slltborbern ber eibge=
nöfftfdjen .'pelbenjeit. ^eftalo^ji's (Jrfttingsarbeit „9lgis", bie bie ©röfje bes
alten ©partanerftnns bert)errtid)t (1765), £abaters Sdjmeijertieber, bie 33ert)anb=
lungen ber .'pelbetifdjen ©efetlfdjaft, sJJcüller's Scfyroeizergefdjidjte geben 3eugnifj
bon biefer ©eiftesridjtung. Ober man fdjmärmte mit Orouffeau für bie 9tüd=
teljr jur sJtatur; ©efjner's 3bt)Hen riefen fanfte ittütjruugen t)ert)or; ber alte
SBobmer bot feine $beale in ^atriardiabeu bar.
5lber mit biefen fittlidjen, focialen unb potitifdjeii s]sl)antafiegebilbcn ftanb
bie ©egenmart in fo fd)neibcnbem SGßiberfprud), baß ber ^ugenb nid)t ju ber
benfeu mar, menn fte an bem X'lnblide berfetben ifjre fittlid)e Ueber^eugung^traft
fdjärfen unb gelegentlich aud) ein menig 2Beltgericl)t fpieten mollte. 2>aju bot
it)r ber gefeiertfte 3üt'd)er jener Qüi, ber atte Sobmer, „ber 5öater ber 3>üng=
linge", ein s]Jiann bon fcfjarfem Solid unb fdjarfer 3un9e- ©elegentjeit unb 2ln=
regung auf feinen Spaziergängen int „^lalj" unb burd) bie Stiftung ber
t)elbetifd)en ©efellfdjaft jur „©erme". 35iefe uerfammettc fid) möcfjenttid) ein*
mal. Ausbreitung geläuterter Segriffe über bas fittlidje, politifd)e, gefeKfd)aft=
lid)e Sebcn mar ifjr (inb^med. ^äbagogifdje, gefd)id)tlid)e, moralifd)e, potitifd)e
Slbfyaublungen mürben ba borgelefen unö befprod)en. sJ3tit sJceujat)r 1765 grün---
bete biefes junge 3ul'idj (bie fog. „Patrioten") fogar ein moralifd)es 2Bod)en=
SPeftaloaji. 435
Blatt, ben „(hinnerer", ber im SLrucfe erfcrjien unb eS bis in ben britten See-
gang Ijinein brachte, bann aber obrigfeittictj unterbrütft mürbe.
5)er ^roptjet biefer jungen ©eneration mar SJtouffeau. 2luct) auf *ß. übte
et entfcfjeibenben ©tnflufe. ,,©o mie fein ©mit erfcfjien (1762), roar mein im
böcbften ©rabe unpraftifcber Jraumfinn öon biefem ebenfo im fjöcbficn ©rab
unprafttfdjen £raumbudj enthufiaftifcb, ergriffen. %<§ bergficb, bie (Sr3iet)ung, bie
icb im SBinfet meiner müttertidben äBotjnftube unb auch in ber ©dhufftube, bie
id) befugte, genofj, mit bem, maS Dtouffeau für bie ßrjierjung feines ©mit an=
fpracb unb forberte. Sic £augerjieljung, foroie bie öffentliche @r3iefiung aller
2öelt unb aller ©tänbe erfcfjien mir unbebingt als eine öerfrüppelte ©eftaft, bie
in 9touffeau'S f)oben $been ein allgemeines Heilmittel gegen bie @rbärmlidhfeit
ihres tDivflicEjcn ^uftanbeS finben fönne unb 3u fud)en tjabe. 2tucf) bas burcfj
gtouffeau neubelebte, ibealifch begrünbete grethettSfnftem erfüllte bas träumerifdje
Streben nach einem größeren fegenSreictjen SöirfungSfreife für baS SSotf in mir.
Änaben=Sbeen, maS in biefer gtücfjtdjt in meiner SBaterftabt 3U ttjun nothmenbig
unb möglief) fei, brachten midh batjin, ben ©tanb eines Seiftlichen , ju bem idh
früher hinlenfte unb beftimmt mar, ju öerlaffen unb ben ©ebanfen in mir auf*
feimen ju machen, eS tonnte mögtiefi fein, burch baS ©tubium ber JJtechte eine
Saufbabn ju finben, bie geeignet wäre, mir früfjer ober fpäter ©elegentjeit unb
ÜJtittet 3U öerfebaffen, auf ben bürgerlichen 3uftanb meiner SBateiftabt unb fo«
gar meines $atertanbes einigen ttjätigen (Jinflufj }u ertjalten." -£. rübrt alfo
feinen Uebertritt öon ber Ideologie ju redjtS» unb ftaatsmiffenfchaftltchen ©tubien
auf bie ©inmirfung ber ©chriften föouffeau's 3urücf; tbatfächticrj ift er auch aus
bem Garolinum, ber höheren Sehranftalt SürichS, nactj ben ©djülerüerieidjniffen
öor Dftern 1766 aulgetreten, b. t). ebe er in bie eigentliche classis tbeologica
übergegangen märe; fomit fällt root bie geroöhnliche Stählung, ein s)ftit3gefdhicE
bei ber erften ^rebigt fei Urfache beS SerufSroedhfelS gemefen , bie ^uerft .!pen=
ning auS ^öerbon mitgebracht, ofjne SöeitereS batjin.
Sfuctj nach einer anbem ©eite f)in übte ütouffeau einen bemerfensroerthen
iSinffofj auf 5ß. unb feine ^ugenbgenoffen auS. S)er Slpoftet ber 31atur fefilug
für biefe ©täbter bie 35rücfe 3um theitnebmenben Sntereffe unb 3ur tfjatfräftigen
©mupatrjie für bie Serhältniffe ber Sanbbeöölferung. ©ie gehen aufS Sanb
tjerauS, fucb>n 3u ergrünben, mie ber Sauer benft, maS ihn brücft. ©ie üer=
gleiten länblicbe unb ftäbtifche 3uftänbe unb finben erftere unberborbener, toer»
ben ©dhroärmer fftt Sanbleben unb Sanbbau. 3U bieltr s2lnnätjerung an ba§
SanbOolf l)atte <$., forool bei ben Sermanbten feiner Butter am 3üricl)fee, als
namenttief) bei feinem ©rofjtiater, bem tyjavtex Sßeftatoaji in §öngg, ©etegenljeit.
S5om ^iarrljauS aus lag eS nat»e. ben 'SB lief in bie ©cfjufe ju merfen, Sorjüge
unb ©ctjattenfeiten ber länbtidjen @qie^ung abjuroägen, bie Mängel be§ SBolfg*
Unterrichtes au erfennen. „ßS fiel mir frütje auf", fagt v^. bei Sefprecfjung
fetner |)öngger= Erinnerungen, „bafi ber gel)lerf)aftigEeit ber tänblic^en grjieb^ung
aEgemein in ifjrem 2öefen unenblict) leidjter ju Ijelfen fein fönnte , als ber=
jenigen ber ftäbtiftfien. ®abei mar mir baS Sanbtoolf lieb. $crj bebauerte ben
Sfrrtljum unb bie llngemanbttjeit, in benen feine noch, belebtere ftaturfraft unbe=
Ijolfen baftanb unb eS regte fieb fet)t früb^e in meinen jugenblicljen Safjren ein
tebenbiger ©ebanfe, icb fönnte mieb^ fäljig macl)en, bieSfaüS mein ©djerflein 311t
S3erbefferung ber länblict)en örn'etjung beijutragen. @S fcfjien mir fcf)on in
meinen ^ugenbjab^ren Reiter (bei 5JJ. fteb^enber 3luSbrud Tür: flar), biefeS muffe in
Äitnftbinficrjt burc^ bie böcbft möglicl)e 35ereinfacl)ung ber geroofmten ©cbulunter=
tidfjtSmittel beS SefenS, ©crjreibenS unb Diedf)nenS angebahnt merben."
@e mar mirftieb eine füb^ne ^ugenbgeneration , bie fidj um ^attater unb
28*
430 ^eftalojji.
güfeli als itjre Sßoxfäinpfer fc^aartc unb balb aud) s$. als begeifterten ©eftn»
nungSgenoffen unb ttjättgen SJtitarbeiter in iljre Greife 30g. %m %. 1762 Ratten
fie burd) eine anontjme Ätagfdjriit bie Regierung jur 23eftrafung beS SfunferS
gelir. b. ©rebel (beS (HbamS beS um ©taat unb SBiffenfctjaft tjodmerbienten
tegievenben SürgermeifterS £eu) genötigt, roeldjer 1758 — 61 Sanbbogt in ©tü=
ningen gemefen. 1764 brachten fie einen ungetreuen Verwalter jur ^lu^t; 1765
öerjeiflten fie einen fd)led)ten Pfarrer bem SlntifteS burd) ein anontjtneS 33ittet;
bei ber llnterfucrjung nad) bem ©djreiber beSfelben würbe aud) *ß. in 23ert)ör
genommen. "Jcocrj metrr fteüte biejen in ben 33orbergrunb bie ©ntbedung eines
r)anbfd)riftUd)en „23auerngefJ)räd)S", in bem bie Regierung bie Slufforberung an
bie Untertanen auf bem £anbe erbltdte, einem anfälligen Sruppenaufgebot nad)
©enf fid) 3U wiberfetjen (Januar 1767). ^Dtit aller Energie Warb auf ben un=
befannten Söerfaffer gefab,nbet. 5ß, rjatte eine richtige Sltjnung, wer ber üttjätcr
fei; er ging ju irjm, um ib,n ju bereben, ficf) ber Dbrigfeit ju ftellen; aber biefer
— eS mar ber cand. tbeol. gfjriftopt) freinrid) Füller (f. 21. 2). 93. XXII, 521) —
nochmaliger ^rofeffor in 33ertin unb .IperauSgeber bes Wibetungen — fiel), unb
nun fam 5ß. in ben 33erbacrjt, itm jur gluckt aufgemuntert unb itmt babei ge=
Rolfen ju rjaben. 6r roarb bter Sage in UnterfudjungSrmft gehalten. %m Ur=
trjeil Würben bie Soften foldjer |>aft itjm unb ben 9Jtitgenoffcn auferlegt, unb
angeorbnet, bafj benfetben — *ß. ift babei mit Flamen ermähnt — baS obrig=
feitlidjc sJJtif$faHen unter nadjbrutffamem 3uiPrU(^ fleugt roerben fotte. 3)aS
corpus delicti würbe öor bem ÜiattjfjauS feiertiet) uerbrannt. (Sine fdniftlid)e
Stufjeidjnung berichtet weiter über ben Ausgang : „Sitten Patrioten fott ernfitid)
angezeigt werben, bafj, wo fie fünftig etwas roiber ben ©taat reben fottten,
fie iljreS 23urgerred)t8 füllten üerluftig fein; bie brei Ätafter ,§013 müfjten fie
bem genfer bellen. UebrigenS fotte bie üommiffion ernfte Unterfudjung
mad)en, Wie biefem liebet ferner &u fteuern, aud) wegen ber gcfäirrlidjcn ©cfell=
fdjaften, unb ber „(Srinnerer" folt ntd)t metjr unter bie ^refe fonimen. NB. Vogel
trieb auf bem Ütatfjtjaufe ein ©efpött unb 2)ättifer unb ^eftalutj fpa^ierten mit
einer (iaöafo^feifen auf ber (benachbarten) sJJteifen=3inne, nlS man bie ©djriften
Derbrannte."
©0 fetjen mir ben Jüngling fy. auS ber ©d)ücf)ternf)eit feiner frühem
^ugenb mit einem sDtaIe, faft Dorjeitig, inS Seben ber Deffentlidjfeit rjerausge=
treten; unb roie tjier im $ampT gegen bie Mängel beS ©taatstebenS,
fo 5U gleicher 3^it auetj, getrieben üom £rang feiner genialen sJtatur bie litte=
rarifci)e Goncuirenä mit feinen Setjrern berfuetjenb. "Jtocb, im t)ot)en 2llter er*
äätjlt er barüber mit einer ficfjtbaren inneren 93efriebigung : „bitten inbem tet)
in einigen feilen eine§ beftimmten Unterridjtöfaclieg tjinter meinen ^titfdjülern
roeit jurürfftanb, übertraf icfj fie in einigen anbeten üLtjeiten beffelben in einem
fettenen ©rab. 2)a§ ift fo roar^r, bafj id) einft, ba einer meiner ^rofefforen, ber
feljr mot ©riedjifdj oerftanb, aber burd)au§ fein ltjetorifctjeö Talent Ijatte, einige
Üleben beS SJemoft^eneS überfe^te unb bruefen liefe, bie j?üb,nt)eit tjatte, mit ben
befdjränften Sctjulanfängen, bie icrj im ©ried)ifcf)fn befafe, eine biefer Sieben aud)
äu überfein unb am (Sramen al8 5)ßrobeftüd meiner bieSfätligen 33orfd>ritte
nteber^ulegen. 6in 2b,eil biefer lleberfe^ung mürbe im üinbauer Journal einem
Sluffafee, „2lgi§" betitelt, beigebrutft. Weine Ueberfefeung mar aud) unftreitig
in 9lüdfid)t auf geuer unb rebneriferje fiebenbigfeit beffer, al§ bie be§ ^>enn
s4Jrofeffor8, ungeachtet idj ob,ne alle äöiberrebe noeb, fo oiel als nicr)t ©riedjifd)
tonnte, hingegen ber |)err ^rofeffor roorjl." $. mar 3ur 3eit biefer fetner erften
litterarifcb,en Veröffentlichung (1765) 19 i^alrre alt unb eS Wirb menige ©c^rift»
iteller geben, bie burd) mef)r als 60 3fab,re tjinburdj — „©c^manengefang",
^eftaloäji. 437
„Sebenäfdjicffale" unb „tangentialer Diebe" batiren bon 1826 — ftdj bie f^rtfd^e
für litterarifctje $robuctionen ermatten tjaben.
S)a§ waren fretlidj) nidjt eben Sorftufen iür xafcr)e Seförberung im äürdjerifctjen
StaaMleben. 2lud) motten 2Inbere beffer ali ty. felbft bie Seratjren erfennen,
benen feine ^nbiüibuatität in ber jurifttfc^ = politischen Sau*baf)n entgegenging.
S)ai äöort einei fterbenben greunbei, bei tjodjbegabten unb ftarfdjauenben Sfab,.
Äafpar Sluntfdjli (geb. 1742, t 24. 9ftat 1767 ali cand. theol.) entfdjieb unb
^. Tafete nun ( „plö^tidj") ben (Jntfdjlufj, ftdj ber Sanbwirtrjfcfjaft ju wibmen.
Sdjon im £>erbft 1767 begab er fidj ju £fd)iffeli nadj Äirdjberg (Äant. Sem)
um ftdj in feinen Seruf einführen ju laffen. 3(m |>erbft 1768 fam er ^urürf
unb taufte bann, nadjbem ein jürdjerifdjei $aufmann§rjaui itjm bie bittet, einen
Serl'udj jur ihappcultur im (Broten ju madjen, borgefdjoffen blatte, auf bem
Sirrfelbe im ©ebiet be% bamaligen $antoni Sern Sanb ^ufammen; er nannte
bai ©ut, bai er fo am gujje ber Srunegg im „ßetten" bei Sirr ftdj erwarb,
ben „fteuljof" ; bis er ba% öon itjm gleichzeitig in Sau genommene Sanbtjaui
be^ietjen tonnte (grübjarjr 1771), wotjnte er in bem benachbarten S)ördjen
DMligen an ber Üteufc. £>ier grünbete er nun audj einen eigenen öauiftanb.
91m Sterbebette Stuntfdjti'i blatte itjn bie gemeinfame Seretjrung für ben tränten
ftreunb mit 91nna SdjultljeB. ber Jodjter bei -Pfleger^ Sdjultfjefj jum „^ftug"
nätjer (}ufammengefüljrt ; bai 2Inbenfen an ben Serftorbenen pflanjte gegenfeitige
greunbfdjaft, aui ber greunbfd^aTt warb Siebe, ibeale, fdjmärmerifcrje Siebe.
55iefe Siebe überroanb alle Sebenten unb odjmierigtetten, unb beren waren nidjt
wenige: ^eftalo^i war metjr ali fedji ^ab^re jünger benn feine Sraut; er war
arm, 2Inna'i Sater war reidt), 2lnna war fdjön unb gefeiert, 5ß. "fjä^ticf) unb
unorbentlidj. 2)ie Altern Slnna'i waren entfdjieben gegen bie Seibinbung.
5peftaIo3}i'3 Darlegungen feiner öconomifcben $lane feijten fie ein nur ^u be=
grünbete» ^Rißtrauen entgegen. Dcidjt nur Sermanbte unb ^ugenbfreunbe, felbft
rjodjftetjenbe ^erfönlidjteiten wie Sürgermeifter |>eibegger nahmen ftdj ber Sieben*
ben an. (Snbtid} erfolgte bie ginnnüigung, aber nur fo, baB bie Butter Sdjult=
tje& erftärte, fie wolle ftdj ber Serbinbung nidjt mit (Gewalt entgegenfetjen ;
fie liefjen bie £od)ter jtet)en, bodj oljne 91uifteuer. 21m 30. Cctober ober 2.
October 1769 — btä S)atum ift nidjt poüftänbig fidjergeftetlt — fanb bie
ütrauung in (Sebiftorf bei Srugg ftatt.
3»n inniger Üteintjeit entfaltete ftdj baB gowilienleben. SDai Sagebudj, bai
bie beiben ©atten gemetnfdjafttidj führten, jeigt itjr innerftei Seelenleben in
Dotier Offenheit; bie ruhige, fromme JHarljeit ber §rau, it)re Sererjrung unb
jarte Sorge mr ben „©eliebten", feine wectjfetnben Stimmungen, bie oft an
^npodjonbrie ftreifen, Doller Seelenfampfe. 3lm 19. 3luguft 1770 würbe
IMtalojjt'S einziges «ßinb, ein Sotjn, geboren, ^ani ^afob ober „^afobli" wie
er nadjrjer im öaufe Ijiefj, in ber ßeH, all bie finanzielle Unternetjmung tye\ta=
to35i'§ bereit! bem Untergang berfatten war.
Sie Butter Sd^ultb^eB tjatte 2lnna mit ben Söorten enttaffen: „£u wirft
mit SBaffer unb Srob aufrieben fein muffen!" ftod) et)e bie junge ^ausbaltung
in ben „^eub^of" Ijerüber äieb)en tonnte, begannen biefe Söorte ftdj 31t erüllen.
^>. b^at in fpäterer $tit feine Seibenegefdjictjte auf bem sJieut)of in rjerjergreren=
ber 2öeife gefct;ilbert, fcrjon im „Scbweijerblatt" Don 1782 in feinem „"ftadjnr
an 3fclin" unb bann wieber 1826 im Sctjmanengefang. 2Iber wir beft^en
barüber aucr) einen Seridjt öon brttter §anb, ba§ Urtljeil eines in feinem
Naturell oon ^eftalozji gänjlicr) öerfdjiebenen !üt)l unb praftifdj benfenben
greunbei, in bem Sriefe bei -^farreri Sdjinj, in metdjem berfelbe, ber jubem
ali fadjfunbiger Srperte ©elegentjett gehabt, einen unparteiifdjen Slid in bie
Serljaltniffe ju tb^un, unterm 12. SXprit 1783 einem {yreunbe über bie $erfönlidj=
438 sl¥ia(03ji.
feit beg 53erf affer» tion „£ientjarb unb ©ertrub" ^luffdjtu^ gab. 2)iefer 33ertd^)t
rjätt beutticfjer als ^eftato^i'S eigene Xarftellungen bie öerfdjiebenen ©tabien
bei Unternehmung auf bem 91eu^of 1769 — 1780 auSeinanber unb mag batjer
in ben ^pauptpunften fjier feine ©teile finben:
„?p. taufte ju 23irr bei 40 borgen SanbeS, ließ ein ju feinen 9lofid)ten
äroedlofeS, fonft jetjt gefdjmadöolleS £au£ unb anbere ©ebäube, gegen mein unb
alter 5*eunbe Ütat^ unb 3ute^en aufführen unb hoffte auf ber ©rappflanjung
alle SluStagen roieber <ju geroinnen. 2>ie Gkappftanjung gebiet) übet. ty. tonnte
nid)t Otedjnung Ratten, rote er foltte, roeit er fid) nie mit ben Äteinigfeiien beS
SJledjnungeroefenS belaben roollte, fonbern nur im ©roßen e8 burd)bad)te. Satjer
entftanb in feiner Cefonomie eine SBerroirrung. bie roictjtiger mar all er felbft
glaubte. Üon bem üornerjmen ßaufmanne, ber feine Pielen taufenb ©ulben
äugleid) mit ^eftatojjr'g eignem jugefctjten ©elbe in ber größten Öefafjv faf),
roarb id) jum Mittelmann erbeten, roeit berfeI6e fid) auf meine etroetrfjen burd)
grfaljrung erroorbenen, Ianbroirtt)fd)aftlid)en Äenutniffc fcerließ. ^cf) unterfudjte
unb bradjte eg jur ßiquibation, bei roetdjer ber Äauhnaun auf ca. 5000 (Sulben
freubigen Üerjidjt tljat, roenn bamit bem unerfahrenen ©peculanten getjol'en
roerben tonnte. sJcad) mißlungenem 33crfud)c in ber ©rappcultur unternahm Sß.
eine ©ennerei, für bie er feine gelber in Öfparfcttenbau öerroaubelte. (Snbtid)
gab er nad) bicsfätligen, ebenfalls fd)tedjten groben feiner gelbbauprariS auä)
biefe ^bee auf um fie mit einer anbern JU öertaufcfjen, nämlid) aur feinem Wüte
eine (Srjiefjungsanftalt für öertaufene, rjeimattjlofe, üon lieberlidjen (Sttetn fd)led)t
beforgte 23ettelfiuber }u errid)tcn. 9cad) bem (h^ietjungöplan mußten bie $inber
bei gutem SCßettcr auf ben gelbem arbeiten, bei fdjledjtem Söetter aber unb im
SBinter iljr 33rob mit 33aumroolle fpinnen geroinnen unb öerbienen lernen. s^.
gab einen weitläufigen, burd) feine 33erebfamfeit tjinreißenben "^lan biefer Wnftalt
im SJrucfe IjerauS, rooburd) er bermittelft einer jiuetofen ©elbeutljebung aui ge=
toiffe ^afjre bei feinen greunben bie ^u biefem Sfnftttut nötigen gfonbS famuuite.
gür ^ürtdj madjte 5p. midj jum ©ammter. — @in paar ^at)ie ging bie ©adje
gut; trefflid) roenigftenS roaren bie 9cad)rid)ten, bie in 3fe^inö (Sptjemeribeu unb
in anbern öffentlichen blättern barüber gegeben rourben. Mmäljlid) jog bau
©erüd)t Pon biefer 2tnftatt bem ty. mehrere greunbe auä ber ÜBerfammlung (ber
fjeluctifdjen ©efetlfdjaft) ju ©djinpad) ju. 5E)iefe tarnen, nadjbem 5ß. jitoor
in Äentttnifj gefegt roorben mar, in großer ^tnjatjt ju it)m aufö SBinfelb. 9ludj
id) roar babei unb fanb tjier einen fdjictlidjen Einlaß, bem ^. bie mir auffallen«
ben getjtcr in fteunbfdjaitlidjer unb Pertraulidjcr Unteirebung nad^uroeifen.
Jpicvauf ging e» etroag beffer ; aber ber roeife unb fdjarifiditige JrjeoreticuS, babei
rjödjft unglüdlicrje s^racticu§, ließ fid) eine anbere ©peculation beifallen. @r
ber mit ©elb nietjt umjugerjen mußte, ber ben Mittelroeg jroifcfjen bem leictjt=
gtäubigften 3utl'aueu un& einem uubebingten Mißtrauen gegen bie Meufcfjen
niemals fannte, ber jum ßatculiren unb ©cripturiren, jum gemeinen Jpanbel
unb 23erferjr Piet ju gut roar, bet)nte feine ©pinneieien auf Äauf^anbel mit
SBaumrooltbüctjern, aur 33efuctjung ber Meffen u. f. ro. au§. Xabuvdi tarn bie
@räief)ungäanftalt in 2tbgang, bie ,!pauärjattung in SBertuft unb er felbft in foldje
©efatjr feines Söermögen» unb feines etjrlidjen 5tamcnS, baß er nur burd) ööllige
9}ad)fidjt feiner ©laubiger unb mit |)ilfe unb Unterftü^ung feiner gveunbe üon
33erjroeiflung unb gänjlidjem Untergange ju retten roar. @r roar in ber
bringenbften "Jlott) unb t)atte gar oft in feinem fonft anmutigen ßanbljaufe roeber
©elb nod) SBrot, nod) ^olj, fid) Por junger unb J?ättc ju fetjätjen. %a&u tarn
nod) eine traurige langwierige Äranftjeit feiner ftxaü, Ssrud unb Unterbrüdung,
3ertretung Pon Snnen uno 2(ußen."
fragen toir unS, roetd)e ©tellung biefe erfte ^eriobe bei praftifdjen SöirtenS
Sßeftatojat. 439
1769 — 1780 auf bem fteufrof in *Peftalojji's öeben einnehme unb roas fie au
feiner päbagogifcfjen (Jntroicfiung beigetragen, fo ift nor Slttern, rote fdron s3Jlöri=
fofer richtig gejet)en. Teftjutjalten. baß junac^ft burefjaus nicfjt ©ebanfen pdba=
gogifdjer v^trt % naefj bem Steutjoi geführt tjaben. Unb roenn $. ficrj ju Anfang
ber Siebjigerjatu-e auf bem Sceutjof päbagogifd) befcfjäitigt tjat, fo roar bies bie
Sßefcrjäftigung bes liebenben Saters mit jeinem einigen Sötjntein, über ben er
ein nadjtjer üon lieberer in $rucf)fiü(ien öcröffentlidjteä xagebuef) führte. 2Bir
geroinnen aus biefer $eit buretjaus ben Sinbrucf eines Cannes, ber mit feinen
Unternehmungen in erfter ßinie bie (Sxiftenj feiner fjfamilie ftdjer [teilen roitt
unb Don biefer Sicfjerüellung bie üJlögLid^feit abhängig macfjt, feinen ebelbenfen=
ben Sinn audj für weitere Äxeife ju betätigen. Slnbet« gematteten fiel) freilief)
bie SBertjältniffe, als $. 1774 baju tarn, jur Hebung feiner öfonomifd)en 53e»
brängnifj eine Slrmenerjietmngsanftatt am bem Steubof ju begrünben unb burdj
biefe Unternehmung baju geführt toarb, feine Srjietjungsibeen auet) tfjeoretifd}
Hat }u [teilen, 3n ber ipauptfacfje getoifj rictjtig t)at OUeberer — jroar ntdjt
Slugen^euge, aber nadjmali öon *ß. ju feinem SBiograptjen beftimmt unb root
auc§ inftruirt — ben ©ebanfen biefer 9ln[talt fotgenbermafjen präeifirt:
„^eftatojai's erftes biesfaös in feinem Sebensgange (Jpocfje madjenbes Unter»
nehmen, roar ein im eigentlichen Sinne öfonomifcb/päbagogifcrjer SpecutationS*
Perfuct). $m 5Befi|e eine« beträct)rLict)en £anbgutes roar er überbies 9Iffoci6 einer
SBaumiDOÜemabrif unb eines .öanbelsfjaufes. Sein 2anbeigentt)um toar cuttiPir=
bar, aber burerjaus unangebaut unb oerroitbert. ßr rooüte es burci) 33enut3ung
ungebrauchter, ebenfo oernactjläffigter menfcrjiicfjer ßtftfte anbauen unb in %w=
nai)me bringen. ©ei Srunbfatj Don bem er aulging, beftanb auf ben fürjeften
3lusbrucf jurücfgeiütjrt, barin: bie einen buref) bie anbern gegenfeitig fo ju be=
nutzen, bafc ber SJcenfcf) bie Statur, bie Statur rjinroieber ben SJcenfdjen eultitire.
©et tfabrifationserroeib unb öanbetsbetrieb, ben er bamit öerfnüpfte, feilte
einerfeits bie Subfifien^mittet "ber finita It öermetjren unb fidjern, anbrerfeits'
felbft roieber als Uebungs= unb v£ilbungsmittel ber menfcfjlicrjen ßxfifte benüfct
unb [o bie prjtjfifcfjen 2Öebürmiffe ber ftinber mit ben fjorberungen ber gabrifatton
unb bes Jpanbels, biefe mit ber Anregung unb öenütjung ber menfdjtidjen
Gräfte in Uebereinftimmung gebracht roerben. 93on Seite bes (Semüttjes [tütjte
fidj ba§ Unternefjmen aw ben menfct)enTreunbIici)en £rieb ber ?(rmenr)iüie.
Settelfinber f Otiten bem Zettel entriffen roerben, ttjx S3rot felbft öerbienen lernen
unb babei bie Soften itjrer (h\ttet)ung fogar mit öfonomifctjem SBorttjeit, für ben
Unternehmer Pergüten, ©et ®ebanfe roar neu, großartig unb oerfüubete einen
dürften im ©ebiete ber Sioiüfation". Stoct) merfroürbiger aber unb folgenreiche:
als bie praftifcfje Surctjfütjrung unb bie fpecietl pdbagogifetje Seite bes Unter*
netjmens roaren bie ttjeoretifctjen 3been, auf roeltfje ty. buret) btefes Unternehmen
gefürjrt rourbe unb roetetje er in feinen „Briefen über bie Srjietjung ber armen
^anbjugenb" 1777 in ^felins (Jpt)emeriben niebergclegt t)at. Dticfjt burci) 2Sor)I=
ttjätigfeit fonbem burci) Sntroicflung ber in ben SJcenfcfjen, auci) in ben ärmften
liegenben Gräfte ift ber Sftenfcfjfjeit ju tjet'en. 3lUc Solfsbitbung ift fomit
Sitbung jur ^nbuftrie, b. t). Anleitung jur richtigen GntTattung unb 9}erroertt)ung
ber im Sßolfe liegenben ?lrbeitsfiäite. £aburct) fcfjafft fiel) bie Strmenerjierjung
bie ^>ütfsmittet unabhängiger (Jriften,^ unb fo ^ugleicf) bie SJtittet itjrer eignen
unenbticljen gntroieftung. Um bies $\e[ ju erreichen, ift aber notrjroenbig, bie
2Irmutr) in ber 3ltmutt) unb Tür bie Stimutt) 3U crjietjen; bie Grjietjung ^ur
(Srroerbsttjdtigfeit ber trjeoretifctjen iBitbung öorangetjen ju taffen unb bann Den
Unterricht mit ber Arbeit ju öerbinben; als Slrbeitsbrandje bie extragfdtjigfic
aus^urod^ten unb barum ^um minbeften bie geroerbticfje ^Q^ntaiion ber öanl: =
roirtr;fcr)aU an bie Seite ju [teilen; enblict) biefe Arbeit in großem SJtaMtabe ju
440 Wtalojji.
organifiren ; in biefer Organifatton ber Arbeit auf ©runb einet ©rroeiterung ber
Familie als (Sotlectibgenoffcnfcfjaft aller betätigten 2lrbeitSfräfte ju gemeinfamen
(Hnfaü irjrer Xrjätigfeit für baS ©cfammtarbeitSljauS bämmein bereits bie focialen
3ufunftStbeen bcS 19. Satyrtjunberts herauf.
@S ift bereite gejagt roorben, bafj aud) biefeS Unternehmen äußerlich, miß=
lang unb warum es mißlang. 5Die 2lnftatt, bie 30 — 40 .tttnber beherbergt Ijatte,
mußte fid) 1780 auftöfen. *ß. felbft f Gilbert biefes ©rgebniß fur^ unb flar in
ben einfachen Söorten: „Wein Sßerfud) fdjeiterte auf eine Jjerjjerfdjncibenbe SBeife.
Weine £$frau ^aite *m U ebermaß it)re§ (Jbelmutrjes irjr SSermögen beinahe ganj
für mid) öer^fänbet. (Jfje id) mid) berfat) , ftetfte id) in unerfdjroinglidjen
©djulben unb ber größere Xtjeit beä üßermögenS unb ber (Jrbtjoffnungen meiner
lieben $rau mar gleid)fam in Stauet) aufgegangen. Unfer Unglütf mar ent=
Rieben. 3fd) mar jejjt arm." ^eftato^ji'S $erroanbte fauften it)tn ben 9teur)oi
ab, bamtt er bie bringenbften ©laubiger befriebigen fönne ; Don nun an rjatte
er nur nod) bie 9tut}nießung, nid)t mcljr ben S3efit$ bes ©utes. 2lber biefe
SlrmenerjteljungSanftalt ift bod) bie 2Biege ber bäbagogifdjen 3been ^eftato^i'S
geroorben unb l)at bind) irjn ber Wenfd)f)eit ben reichten ©eminn gebracht. 9tid)t
bevgeblid) blatte er auf bie 3tut)e feines Familienlebens üerjidjtet um ber 6r=
3i?t)ung armer Äiuber ju leben, unb mit biefen armen Äinbern roie ein SBettler
gelebt, um fie roie Wenfd)en leben 3U madjen.
SDod) roaS fotlte er jetjt anfangen, mittellos, crebitloS roie er mar"? ©eine
£w*eunbe, bor Slüem ^felin in Söafel, roiefen iljn auf bie ©d)riftftetteret. Unb
nad) einigen fleiuern arbeiten ( AUbenbftunbe eines (SinfieblerS", „lieber 'Jlufroanb*
gefetje in einem fleinen tjanbeltreibenbeu greiftaat") entftanb fein 2)olfsbud)
„£ienl)arb unb ©ertrub", in bas er feine pft)d)ologifd)en @rfat)rungon nieberlegte
unb bas irjn mit (Jinem Wal }u europäifdjem Üvutjnic emporhob. SDiefes tounber*
bare iöud), beffen elfter Jljeil auf bie ovütittng^ineffe 1781 aunädjft anonym
erfd)ien unb in ben $af)ren 178:», 1785, 1787 roeitere üljeile als 50ri?etJunQen
erhielt, ift burdjauS ber geniale 2Burf eines Wutobibaften. „S)ie ©efdjicfjte floß
mir (erjäl)(t ber Söerfaffer) id) roeiß nid)t roie auS ber geber, unb entfaltete ftdj
bon felbft orjne ba^ id) ben geringften ^lan babon im Äopfe rjatte ober aud)
nur einem foldjen nad)bad)tc. ®aS 53ud) ftanb in roenigen 2Bod)en ta, oljne
baß id) eigentlich nur mußte roie id) ba^u gefommen." 2)en ©d)lüffel 3U ber
SBebeutung beS 2BerfeS aber gibt er felbft, roenn er Die (Situation nad) 2luf=
löfung bev ?lrmener^el)ungSanftalt fd)ilbert: „5)aS (Sntgegenftreben gegen mein
Unglüd fül)rte jetjt ju uidjtS mel)r. Steffen tjatte id) in ber unermeßlichen
2lnftvengung meiner SJcrfudje unermeßliche 2öat)rb,eit gelernt unb uncrmefelid)e
(Jrfabvungen gemadit unb meine lleberjeugung Don ber 2öid)tigfeit ( 9tid)tigJeit 1)
ber {yunbamente meiner 5lnfid)ten unb meiner U3cftrebungen mar nie größer als
in bem ^eitüunft, in bem fie aufjerlid) gan^ fd)eiterten. 2lud) roallte mein ^er^
immer unerfd)ütterlid) nad) bem nämlidjen ^iel, unb id) fanb uiid) je^t im
Glenb in einer Sage, in ber id) einerfeitS bie roefentlidjen 23cbürfniffe meiner
^tefrfe, anbrerfeitS bie Sltt unb Söeife roie bie mid) umgebenbe SBelt über ben
©egenftanb meiner 23eftrebungen in allen Stänben unb ^erl)ältniffen mir!lid)
benft unb rjanbelt, ertennen unb mit -Oänben greifen lernte. %6) fage es jeut
mit innerer (Jrtjcbung unb mit Sianf gegen bie ob mir roaltenbe 33orferjung :
felber im (Slenb lernte id) bas (5lenb bes S>olfS immer tiefer unb fo fennen,
roie fie fein ©lüdtidjer fennt. 3>d) litt roas bas 9]olf litt unb bas 9}olf geigte
fid) mir, roie es roar unb roie eS fid) 9ciemanb geigte."
Sie ©runbgebanfen bon ßienl)arb unb ©ertrub finb leid)t IjerauS ^u finben;
toir fdjließen uns in unfrer Darlegung berfelben in ber £muptfad)e an bie 3IuS=
einaubetfetjung , bie Wann bon benfelben gibt (in f. Einleitung ju 2. unb ©.)
5ßeftaIo33t. 441
©ertrub jagt : SBenn e£ nichts al§ 9lrbeit unb 33erbienft brauchte bie Sirmen
glüdtid) au madjen, fo würbe balb geholfen jein, aber ba§ ift nidjt fo : bei
Sfteidjen unb bei Sinnen mufj ba§ ^>erj in Orbnung fein, Wenn fie glüdtid) fein
foEen. 2)er ajtittelpunft ber @raie()ung ift bat)er bie fittlidje unb jtoar bie
religiöMitttidje Sraietmng; aber btefe ©elbftaufraffung be§ 9}tenfcl)engefct)led)t§
fann nict)t befohlen ober gefd)enft werben, fie mu| öon Snnen t)erau§, öon unten
tjerauf warfen unb e§ gilt für bie greunbe ber *ötenfdjt)eit nur, biefer ©elbft=
entwidtung .gmnbreicrjung ju ttmn.
3ene ßmportjebung öoflaiefjt fi<$ nun in «pcftaloaai'ö 33ud) in concentrtfdjen
Greifen, junäd^ft in ber d:inaelfamilie, bann in ©emeinbe unb Staat, unb itjr
Jpauptjactor ift bie 9Jtutter, i>a% dentrum be§ t)äu§lidt)en UreifeS. ©ie ift bie
erfte unb natürliche Seherin ber Äinbcr; fie fnüpjt alle 2ec)ren an iljre näcfjften
SSerfjältniffe, aud) bie Serjren ber Religion, bte itjr Queue ber ©itttid)feit ift.
3n ben ©aben, bie fie ben $inbern gibt, ä^ißt fie itjnen ©aben ©otte§, in itjrer
Siebe ©otte§ Siebe; bem SDanf ber $inber gegen bie (Jttern gibt fie bie gtidjiung
auf ©ott unb fo grünbet fie auf ba§ j?tnberöert)ättnif} in ber Familie ben
©tauben an ©ott, bie Siebe p irjm unb bem 9tädjfien. 3fn bem engen $rei3
ber gamitie liegt aud) ber natürliche 23oben für bie @infid)t§bitbung unb bie
Uebunggftätte für ba§, mal ba§ äufjere ©lud fdjafft, Stjättgfeit unb £reue
im kleinen.
9Zun ift aber ber ttjatfädjlidje 3"ftanb ber 5Dinge berart, bafj ba§ ©lud
ber Qsinaelfamilie burd) bie allgemeinen guftänbe oer ©emeinbe mitbebingt ift;
tjier tritt Slrner tjelfenb ein; aber fetbft ein Slrner barf nidjt rechnen bie ©eneration
ber @rwad)fenen umauWanbeln. SDie ©orge rietet fiel) batjer öor 2lltem auf
bie ^ugenb, unb ba ba% im allgemeinen tief gefunfene Familienleben nidjt bie
Äraft f>at, ben Neubau ber fociat-fititierjen Reform au§reid)enb unb gefiebert ju
tragen, tritt jum (Srfafc unb aur ©rgänjung bie ©djule ein. „S)a man nicf)t
baran finnen fann, ba| bie öerberbten ©pinnereltern ttjre $inber ju fo einem
orbenttid)en unb bebädjtlidjen Seben anhalten unb auferstehen werben, fo bleibt
nichts übrig, at§ bafj baä @lenb biefer ,£)au§f)altungcn fortbauert, fo lang ba§
SSaummoIlfpinnen fortbauert unb ein Sein öon itjnen lebt", fagt ber 33aum=
WoHenmerjer, „ober bafj man in ber ©ctmte 6inrid)tuugen mad)t, bie itjnen bas
erfetjen, wa§ fie öon itjren Altern nidjt befommen unb bodj fo unumgängtid)
nöttjig tjaben." 2)er ^xoed ber ^bealfcfjule ^eftalo^i'ö ift alfo ©raiefjung ; @r=
äietmng ^u ben 6itten ein ^auptftücf ber öon ib^m gejeicljneten ©ctjule im Apaufe
ber ©ertrub", buret) bte ©djule miß er bie 5Renfd)cn bitben, beren ^>anb, ^>er3
unb .ff'opf gleictjmä^ig unb itjrer eigentt)ümli(f)en Seben§Iage entfprecljenb ent=
tt)iifeln. ©cljulmeifter ift iljm bab^er nicljt ein 5Jlann öon ©eletjrfamfeit, fonbern
ein ^Jlann, ber jufolge feiner frürjern 5ßefdjäftigung bie Söelt gefetjen, bie
SJlenfcljen lennen unb bei) anb ein gelernt, ber Sieutenant ©lüptji (Sieutenant: mol
mit S)oppelfinn, „Unterofficier" unb „©tellöertreter" ^cftalojai'ä), ein ^Jlann, mit
Harem 33licf, marmen ^erjen unb fefter ipanb, unb i^jm geb^t ©ertrub, bie
Butter, Ijetfenb jur Seite. Sie ©raie^ung ber |)anb ift Ijier tljeoretifclj nod)
bargeftellt toie fie s^3. auf bem 9teut)of prattifcb^ geübt, aU 6raietjung auf ©runb
ber Anleitung ju beruflicher unb gemerbtietjer 2l)ätigfeit. ©o t)at benn auefj
ben erften ©ebanfen einer foletjen ©d)ule ber Saumwotlenmerjer, ein ^ann ber
fiel) burd) 33ebäcljtücl)feit, ptattifdjen ©inn unb ©parfantfeit au§ ber Slrmutb
3um 2Bol)lftanb emporgearbeitet, in metcl)em Dertt)irftidjt ift, mo^u $. bie 23e=
Pölferung eraieljen will. %n ber (Srjieljung be§ ^perjen^ Ijttft ber Pfarrer Srnft,
ber in 35erbinbung mit bem Sieutenant fidj bemüfjt, bie i?inber auet) bon ©eite
ber Üteligion au§, ju einem füllen, arbeitfamen Seruföleben ju führen, burd)
fefte Slngemötjnung an eine weife Seben§orbnung, bie Cuellen unebler, ferjanb^
442 *eftolo33t.
barer unb unorbentlidjer (Sitten 311 Perftopfen, unb auf biefe Söeife ben ©runb
ber füllen, roortteeren ©ottelanbetung unb ber reinen trjätigen unb ebenfo roort«
leeren 9Jcenfd)enltebe ju legen. Unb ju biefem $id ju gelangen, binbet er
jcbeg Sßort feiner furzen ftetigionöteJjre an ba3 Üf)un unb ßaffen ber Äinber,
an it)re Umftänbe unb baä Berufsleben i^xeö Kaufes alfo, bafj roenn er mit
itjnen öon ©ott unb Sroigfeit rebet, el immer fdjeint, er rebe mit itmen Pon
Söater unb Butter, öon £>auä unb ."peimatt), fur.j öon Sacfjen bie fie auf ber
2ßelt natje angefjen.
$)ie Sorge für ben Äopi bagegen ift bie auäfdjtiefjlidje Domäne ©lüpr)i§,
b. fy. ber Sdjule. ©lüpt)i roirft, ba& roaä in ben Äopf t)inein muffe, tjeiter unb
flar fei, rote ber ftiüe "Dtonb am Fimmel. Er beugt bem Äopfoerbreljen bei
feinen ^inbern babuvctj üor, bafj er fie tior Slüem au§ genau fetjen unb tjören
letjrt, burd) Arbeit unb ftink bie faltblütige s)lufmerffamfeit übt unb jugleid)
ben reinen ^taturfimt ber in jebem 9)ienfd)en liegt, in irjnen ftärft. fyür s$. ift
bie 9lnfcfjauung nidjt bloä ein ^Rittet fid) irgenb einen Uuterridjtssgegenftanb
feidijt unb fietjer anzueignen, fie ift il)tn 3unäd)ft ein Mittel jur Stärfung ber
©cifteSfraft felbft, it)r 3rocd ift Tür i£)n rjauptfädjlid) ein formaler: bae 21n=
fetjauen an unb für fid) ift alfo 31t üben unb 311t ihaft aus^ubilben; benn
„red)t fetjen unb rjören ift ber erfte Sdjritt <$ur Söeistjett be§ 2Jtenfd)en". 3n
einer foldjen Sdjule regiert ber ©eift ernfter Siebe unb eine auf überlegene
©eiftesfraft fid) ftütjeube Autorität, nid)t bas „'Diarrentjol^'. 3ladj ben Er=
Tatjrungen be8 Weufjof oerbinbet y. mccrjanifdjc ^anbarbeit (Spinnen) mit bem
llntenidjt. Unb aud) barin ftüüt fid) iß. auf bie Erinnerung an feine Firmen«
erjietjung^anftatt, bajj er an bie ÜJtöglidjfeit glaubt, eine fo einfache UntcrrictjtS«
mcttiobe 311 finben, mit roeldjer ein jeber red)t öetftänbige Bauersmann, roenn
er nur fdjretbeu unb rechnen tonne, in ber .pauptfadje ebenfooiel ausrichten
roürbe roie ©lüptji. „E3 brauchte nidjt einmal, baß ein s)Jtann nur felber
redjnen tonnte, unb iri) t)abe mit meinen klugen einen OJcann gefel)en, ber feine
StedjnungStabctten mit einer ganzen Stube ooll tfinber gebraucht tjat unb bamit
fortgefommen ift.*
S)ie pft)djologifdjen unb focialen $been roie fie $. bei bem 2öerle ber Botf§=
reform norfdjroeben, t)at er in „SltnctS ©efetjgebung" niebergelegt. S)ie £mupt=
punlte berfelben finb etroa fotgenbe: 1. SDer "DJtenjct) mufe au§ einem sJtatur=
menjcijen jum fittlidjen INenfdjen erft erlogen roerben. 2. 2>a§ fann nur ge=
fdjetjen öon 3»nnen tjerauS burd) bie Entbinbung ber in it)n gelegten Gräfte.
3. S5iefe Gräfte fommen jur gefunben Entfaltung auf ©runb ber Uebung in
ben nädjften ^fnbibibualfreifen (Segen ber 2Bot)nftubc). 4. ^u il^rer roeitem
Entroirfluug ift nottjroenbig, ba§ burd) bie Sorge ber ©emeinfetjait redjtlid) feft=
geftellte 3]er^ältniffe be§ ftaatltdjen ÖebenS bem 9Jtenfd)en ber feine s^fltd)ten er=
füllt, eine bürgerlich er)rent)afte ©jiftenj unb Erroerbsfäfjigfeit, unabhängig Pon
ben Saunen unb ©nabenerroeifungen ber 9ftad)tt)aber, garantiren. 5. S)er Staat
t)at nidjt nur bie $flid)t unredjtlidjen Uebergriffen ju roeljren, fonbern oon fid)
au§ eingreifenb feine 9lnger)örigen ^u bürgerlidjer El)ren^aftigfeit unb Erroerb§=
fäcjigleit 31t er^ierjen, unb ben Unorbnungen bie läljmenb einroirfen fönnten,
proprjplaftifd) entgegenzutreten. 6. 3»nbem bie ©emeinbe burd) Drganifation
ber gegenfeitigen ."panbbictung gleid)fam bie gamilie im ©rofjen 3ur S)arftettung
unb biefe§ fjimilienberou^tfein burd) gemeinfame ^rüfung§ftunben unb finnbilb=
lict)e geftfeiern jum 2luibrurf bringt, leiftet fie für ba§ 33olf§leben, roa§ bie
Einjelfamilie für beren 2lnge^örige : fie Perbürgt bie 21ufred)tt)altung einer feften
unb roeifen £)rbnung unb jeglidjen 3fortfd)ritt. — 7. ®ie Bilbung be§ 5Jcenfdjen
baut auf feinen Äopf, auf feine «g)änbe unb ftüfc unb nidjt auf fein ^erj auf.
8. Sie beginnt bamit, bafj bie TOenfd)en angehalten roerben, in Sadjen itjteä
Wtalojai. 443
Srobforbä ifjre 2lugen 311 gebrauten unb rennen ju leinen unb befielt barin,
bafc bie SSilbung unb (Jrtjebung afler roarjren Gräfte unferer "Jiatut begünfiigt
unb ifjre ^bfcrjroä'crmngen, fotoie ifjre 23erroilberung öertjütet roerbe; öeraidjtet
barjer auf alle abftracten Sltlgemeinljeiten unb tritt allen 2Irten ber £räumer=
ftitnmung entgegen. 9. 2>ie $opfbitbung ift fomit aueb, unabhängig öon ber
9teligiongleb,re burdjautürjren ; letztere — bie übrigens ftrenge öon allen tt)eo=
logifdf) gelehrten fragen frei 3U galten ift, — bilbet nierjt bie ©runbtage,
fonbern ben Sdjtufjftein ber 2Mfgbilbung, bie „auf ba§ gunbament ber feften
unb öollenbeten dauern einer toeifen bürgerlichen S5itbung gebaut" ift. 10. 3lber
bie Gnibjroecfe einer roarjrfjaft roeifen ©efeijgebung ftimmen mit ben (Snbjtoecfen
einer tüafjvfjajt roeifen Religion überein unb bie ^Rittet, unfer ®efcr)lecrjt buret)
eine gute bürgerliche ©efetjgebung ^u oerebeln, finb innerlict) gleictj mit ben
Mitteln baffelbe buref) ben ®ienft be§ Merfjöcrjfien ju oerebeln.
Solche 3n>ecfe toie fie Sirner mit bem 5Dorfe 33onnat öerfolgt, tonnen nur
bann auf bie üDauer mit (hfotg erftrebt toerben, roenn ber Staat fie fanetionirt
unb aboptirt. @§ gilt barum, bie beiben SSorurttjeile ju toiberlegen, bajj bem
S3olte ju r)elfen eine Unmöglidjfeit fei unb bafc 2Jolf3bitbung bem (Staate ge=
fäfjrlidj toerben fönne. S)iefer SBibettegung ift neben ber pofitiöen principieÜen
Darlegung ber 4. (lefcte) Sfjeit öon ^eftalo^i'ä „Sienfjarb unb ©ertrub" ge=
roibmet. S)a§ 23uctj enbet bamit, bafj ber iperjog bei feinem SSefuct) in 33onnat
bie $beale feiner Sugenb toirflict) erfüllt unb bamit erfüllbar finbet. ßrjaraf*
teriftifd) ift babei, bafj $. jenen Vorurteilen ^roei 2lnfc£)auungen entgegenfteüt,
bie bem ©ebanfenfreiä ber ganzen öorreöolutionären geit angehören, aber hti
ifjm ju befonberer Scfjärfe ficrj ausüben unb funbamentale SSebeutung geroinnen.
Sobalb bie 9reformen in§ ©rofse gefjn, roie bei ber llmroanblung be§ 2)orf§ unb
bei ber gefjofften Umroanbtung be§ 3ßolf3teöen§ überhaupt, ift e$ Aufgabe unb
SBorrecfjt ber obrigfeitlictjen lütacfjt, ber ruhigen Umgeftattung öon unten tjerauf,
burtf) ifjr Singreijen öon oben tjerab einen befccjteunigten ©ang ju geben unb
geben ju tonnen; biefer ©laube an bie sDlacf)t be§ aufgeflärten £efpoti§mu§
tritt un§ forool in ben fpätern Streiten öon „Sientjarb unb ©ertrub" als in
feinem (Somnientar „ßrjrifiof unb @lfe" in un^roeibeutiger 2öeife entgegen, unb
toir finben un§ audj bei »JSeftalojji'S Darlegungen lebhaft an ba§ 2Bort ©cfjilterä
gemannt: „3öo fid) bie Wolter felbft befrein, ba fann bie 2öof)tfar)rt ntcr)t ge=
beifj'n." S)afe aber bie Dbrigfeit, bafj bie fjöfjem ©cfjicrjten ber ©efetlfcrmft p
ben öon 5ß. für bie Sßereblung unb £>ebung ber 9Jtenfcrjf)eit geplanten Reformen
roirflid) bie .£>anb Bieten, ba§ tjängt nietjt öon zufälligen ©utmütf)igfeit§erregungen
ab; bai tootjlöerftanbene ^ntereffe ber Jperrfc^enben felber fann ib,nen geigen,
ba^ bie Sidjerftellung tt)rer eigenen ^Dtactjt unb 9tecf)te abhängig unb erft er=
reicrjbar ift burdtj bie ©idjerfietlung ber ütectjte be§ gemeinen -JJtann§ unb eine
öernünftige, ben Gräften freien (Spielraum gebenbe örbnung be§ 53olfsteben§;
eine foletje ©taatspolitit ift bie befte unb bie einzige Serunmöglicrjung ber
9teöolution; ber ftarbenfenbe @goi§mu§ unb bie Humanität führen auf ben
nämlicfjen SBegen bem nämlid)en QieU entgegen, unb barjer gilt es nur, ba§
^ntereffe be§ @goi§mu§ biefem felbft ftar ju ftellen unb i^m bie 9)töglict)feit ju
beroeifen, ba$ mit 2trner§ Mitteln matb.ematifc^ ficfjer im ©rofjen unb 2tüge=
meinen ju erreichen fei, roa§ Slrner in 23onnat ertetc£)t b,at. ©0 etflärt e§ fiel),
bafe be§ £>er3og§ 9tat^ge6er 33t)lif§tt) ba§ ßrgebni^ feiner SBeratfmngett mit ben
^Jtiniftern ber ^inanj unb ^uftij über bie 9Jlittet bie ber Staat anjuroenben
rjabe, um 2tmer§ Reform ju aboptiren unb im ©ro^en burdtjjufütjren, in bem
Vortrag an ben Surften barjin 3ufammenfaffen fann: „2öir tjaben bie ©aetje
geprüft unb fcfjen feine anbeie ?aft, bie baburd) auf ben Staat fallen fann,
öorau§, al§ bie (hricfjtung eine§ neuen Ser)rfiutjl§, um 3r)re ©belleute mit ben
444 Mtalowt.
©runbfätjen einet befferen 33olfs?üt)ruttg befannt ju machen, unb einer £anbes=
commiffion, um ^ebermann, ber Neigung ^eigt, met)r ober weniger Pon biegen
©runbfäben auszuführen, mit Matt) unb ßeitung an bie |>anb ju gefjcn."
@s finb tuatjrlidj Reformen umfaffenbftet 5lrt, beren ^becn ^. „in feiner
ßinfiebetei träumenb" erfaßt unb bie er in „ßientjarb unb ©ertrub" niebergelegt
fjat. 33on ber füllen glitte ber ©ertrub auö ermeitert fid) ber S3ticf auf ©e=
meinbe unb ©taat, auf bie ganje ciüilifirte 9ttenf djtjeit ; öon ber Drbnung bes
Kaufes auf ^olitif, ütedjt unb Ütetigion, auf bie fämmttidjen Sfbeenfrcife ber
tftenfdjtjeit. $n feinem ©eiftc faf) fid) ty. als ber benfenbe ©djöpfer einer
ibeaten ©efeügebung ber 9ttenfcrjt)eit gleid) ben größten £)enfern bes Sllterttmms,
gleid) Männern, bie im 9)iittelalter burdj ein toeife ©rbnung ber nationalen
löertjältniffe itjr 23olf ju Äraft unb SBotjlftanb emporgefütjrt; unb es ift für
5]3eftato33i'ö Senfart überaus be^eidmenb, bafj er in bem Greife gleidjgefinnter
gteunbe, ber roie er felbft bie 53egtütfung ber 9Jtenfd)t)eit fid) jum Sitte gefegt,
als $Ritgtieb bes 3>Uuminatenorben§, fidj „91(freb" nannte, b. t). fid) ben tarnen
jenes großen angelfäd)fifd)en dürften unb ©taatsorbners t)at beilegen taffen, ben
eben in jener $eit Jpaüer als ^bealbilb eines conftitutioneÜen ©efeügebers bor
klugen geftellt (31. D. £>aller, 9llfreb Äönig ber Mngelfadjfeu. ©öttingen unb
33ern 1773). Ser ütraum mar göttlid) fd)ön, aber es mar eben nur ein ütraum,
mit bem bie Söirflidjfeit in immer grelleren ßontraft trat. SDer (Sntfyufiasmus
ben ber erfte £tjeil öon „ßientjarb unb ©ertrub" erregt, minberte fid) fcfeon beim
äroeiten, unb ber britte unb öierte, bie fo red)t eigentlid) mit ^ieftaloju's <g>et3=
btut gefdjrieben maren, liefen Eatt unb fanben menige Sefer. 9tid)t minber traf
biefes ©efeitffat ^eftalo^^i'ö jtoeiteS Sottsbud) „ßtjriftof unb @lfe" , in roeldjem
er bie 3ibeen, bie in „ßienfjarb unb ©ertrub" ju ©runbe liegen, eingetjenber
befprad) (1782). ^cftalo^i'e .poffnung als ©djriftfteller einflufereid) 311 roirfen
unb fo abgefetjen Pon ber SBeftreitung feines ßebensuntertjaltes aud) feinem
©emütt) unb <£)erjen Sßefriebigung ju berfdjaffen, fdjmanben fo ju fagen mit
jeber s4>ublication mefjr batjin. ©eine 2JÖod)enfd)rift „(Sin ©djroeijerblatt" (1782)
bradjte es nidjt über einen 3af)tgang heraus. Sie umfangreiche ©djrift „lieber
©efetjgebung unb $inbermorb" (1783) fdjeint bei ben ^citgenoffen menig ©inbruef
r)eröorgebrad)t ju traben. Sie umgearbeitete Ausgabe öon „ßienfyarb unb
©ertrub" 1790 — 92 öermod)te bas ^ntereffe für biefes 53udj fo menig auf§
neue ju beleben, bafj ty. bei ber brüten Ausgabe 1804 mieber auf bie urfprüng=
lictje ©eftaltung jurücfgriff. 311« 5j}. bann in ben sJieunjigerjat)ren angcfidjts ber
großen Söcltereigniffe fiel) ber 33efpredjung politifd)er 5va9e" juroanbte unb im
Februar 1793 ein größeres sJJlanufcript abfdjlofe : „3a ober 9iein, 9leufeerungen
über bie bürgerliche ©timmung ber Suropäifcrjen 9Henfdjt)eit in ben obern unb
untern ©tänben, Pon einem freien 9Jtann" Bradjte es fdjon ber Sfnljalt mit fid),
bafe er baffelbe ungebrueft in fein ^ult legen mufjte; erft üor einem ^atjrjetjnt
ift es ber ßefermelt unter oeränbertem Jitet im S)rud äugängtid) gemacht morben
(©epffartb,, 5ßeftalo5ji's ätferfe «Bb. XVII, 311 ff. „lieber bie llrfadjen ber fran=
äöfifdjen Üteöolution"). ©benfo erging es ben politifdjen unb nationalöfonomifdjen
2)enffd)dften, bie er antäfjlid) ber 5ßegebent)eiten im Ganton 3ündj, b& ©täfner
Stufftanbes 1795 unb ber Oor 1798 Tiefe neu entroidelnben ©ätjrung in ben
3ürct)erfd)en ©eegenteinben entmarf (gebrudt in 3e^noei'=^tn^lin ®- ''üb ff.).
S)as einzige 23ud), mit bem ty. einigermafaen ben ©efdjmad feiner 3<?it getroffen
unb bas baljer einige Safyxe fpäter eine jrueite Auflage erlebte, finb feine
„fabeln" ober mie fie in erfter Auflage ^eifsen „Figuren ^u meinem 2193 6 =
f&üd)" 1797.
Wbn bie fd)limmfte ©rfaljrung madjte iß. mit bem äßerfe, beffen 5ptan er
anberttjalb Sib.rjerjenbe in fid) tjerumtrug, unb in melcfeem er ben ganjen ^n^alt
^eftaloaai. 445
feinei £)enfens über 9Jtenfcr)entt>efen unb ^JcenfdjenrDorjt ijufammenfafjte unb an
toelcrjcm et brei Safyxe lang „mit unglaublicher 9Mf)feligt;eit" fdjrieb. @s ift
bas ein Verfuctj, feine ^been in prjilofoptjifctjer Darlegung ju begrünben unb
ausjugeftalten. £>as Vucr) erfcfcjien ebenfalls 1797, unter bem Xitel: „steine
9cad)forfcl)ungen über ben ©ang ber 9htur in ber ©ntroicflung bes sIRenfcr)en=
gefctjlecfjts". SJaffelbe ift burcfjbrungen öon ber SBetjmutrj, tfjeüroeife aucf) oon
ber Verbitterung eines nuijlofen jertretenen Safeins. Unb roenn er bann im
Verlauf feiner 2luseinanberfetmngen feine 3ettgenoffen bittet, feiner Cffenljeit
bod) roenigftens itjre Sluimerffamfeit, feinem ^rrttuim irjre SBiberlegung au
gönnen, fo geftefjt bie Slnmerfung ber ©efammtausgabe feiner SBerfe ,ju biefer
©teile: „Siefe Sitte ift nicrjt ertjört roorben; es t)at beinahe s}liemanb Don bem
©afein biefer 9lad)forfd)ungen, bie fdjon öor metjr als (jroanjig ^a^ren im
publicum erfcrjienen, 9?oti3 genommen."
-Jftan begreift, baß unter biefen Vert)ältniffen Äummer unb ©orgen ben
Dceufjof nicrjt öerlieBen. ^mmercjin trat gegenüber ber 3öt ber 9luilöfung ber
Slrmenanftalt eine Vefferung ber äufjern Sage ein. 6s ift befannt, bafj bas
Verbienft biefe angebahnt <ju t)aben, jener Sienfimagb „Sifabctrj" ( ©lifabett)
9cäf öon .ftappel ät. 3^"$) gebührt, in ber bie 3eitgenoffen bas Urbitb ber
„©ertrub" farjen unb etjrten. Sann fjalien 35asler ^reunbe ( ^e£ir Vattier,
©otm) finanziell nacr), fo baf; bas ©ui roieber otbentlicf) bebaut roerben tonnte,
©elbft ber gcibrifationsbetrieb mürbe roieber aufgenommen, nicfjt meljr auf eigene
JRectjnung, fonbern inbem ein benachbartes ©efctjäit (Saue £ Go. in äöilbegg)
Arbeit gab. ©egen Snbe ber 9ceun,$igerjaf)re erfcfjten ty. fogar nominell als
Grjei eines ©eibenfjaufes in gluntern bei pürier)- inbem er als ©täbter bas
bürgerliche Monopol bes gabrifationsbetriebes buref) Uebertragung feines 9lamens
einem trjatfädjlicr) öon Sanbberoofmern (^einrict) ftotj jur platte in gtuntern)
geführten ©efetjäft gegen eine — tote bie Srabition get)t bebeutenbe — jäl)r=
licfcje ©elbleiftung juroanbte. ©eit 1790 ftanb *ß. für ben (hroerb ber £yamilie
fein ©otjn ^acob auf bem 5ieutjofe jur ©eite; 1791 öertjeiratete fict) berfetbe
mit 8. $ftagb. TJrötjlict) öon Vrugg; mit einer Snfelin Wcarianne (geb. 1794,
f 1802), ber fpäter (1798) ein (Snfel ©ottlieb nachfolgte, 30g neues junges
Seben in ben 9teuf)of ein. Einzelne greunbe fuctjten ben Verfaffer öon „Sientjarb
unb ©ertrub" auf bem 9ceutjofe auf, roie ber nadjmaltge Staatsrat!) ©eorg
■Ipeintict} Subroig Dcicoloöius (1767 — 1839) unb traten mit ifjm in bleibenbe
freunbfdjaftlictje Vejietjungen. 5ß. felbft unb feine 5l'flu fonnten fictj roieber
freier beroegen. 2Bie letztere oft längere 3^it bei it)rer greunbin, ber ^rau öon
^attront fict) auffielt, fo ferjen mir $. 1792 feine längft in 2lusficr)t genommene
Steife nactj 2}eutfd)lanb jum Vefud) feiner ©crjmefter in Seipjig unternehmen ; ten
Söinter 1793 — 94 bringt er bei feinen mütterlichen Vertoanbten in OtictjterstDtil
3U; t)ier 6efuct)ten ttjn gernom, Vaggefen unb üid)\e. Vefonbers mit letzterem
trat er in nätjern ©ebanfenaustaufert ; beibe trafen ftcr) in i^ren Slnfctjauungen
unb i^ren ^ntereffen für bie fran^öfifetje Steöotütion ; es ift mol eine f^olge bes
3ufammentreffen§ mit gierte, bnf$ ^>. fictj nun entfc^lo|, in ben „^caäjforfcfjungen"
feine eignen ^been ju öt)ilofopf)ifcl)er Darlegung ju bringen, unb anbrerfeits r}at
gierte feiner .!pod)acf)tung für ^eftaloj^i's Srjietjungsgebanfen, nactjbem fie
mitttermeile in 2t)atleiftungen übergegangen, burd) bie „iReben an bie Seutfcrje
Nation" ein unöergänglidjes Senfmat gefefet. %n ben Verfammlungen ber
ijelüetifdjen ©efettfdjaft nimmt ^ß. jefct roieber regern 3lntrjeit, nunmehr bereits
inmitten einer jungem ©eneration; feine 5"unbe finb getegentlicr) nirfjt otjne
Veforgnifs, baf3 feine §anb bei ben politifdjen Unruhen in feinem -Ipeimat^fanton
mit im ©piele fei unb iürcfjten Tür feine ©idjerrjeit (^eftalovjiblätter 3. ^ar)rg.
1882, ©. 25 ff.).
446 SMlaloaai.
2lber bei allebem füllte fid) s4$. nidjtS roeniger als gtürftidf). .fträufltdjfeit
feiner grau, ^er ie^)r üngftlidje ©efunbl)ettS,}uftanb feinet ©ofjnes — berfelbe l)atte
fd)on als Setzling in einem ,<panbelSt)aufe in söafel epileptifdje 3ufatle gehabt, bie
fid) fpäter roiebcrfyotten unb 1801 feinem Seben ein früfyeS @nbe madjten — roaten
ein ©ruub für fotdje (Stimmung; ber nnbve beftanb baiin, bafe s$. immer
bringenber nad) einem praftifd)en (Srprobungsfelb für feine 3>been fid) fefjnte.
$n ber ©djmei,} roaren bie Verljältuiffe 311 flein unb enge, als bafj er je rjoffen
fonnte, J)ier feinen SöunfcE) erfüllt ju fet)en; fein 93riefroed)fel mit Sfelin, mit
beutfd)en ^Huminaten, mit bem ^Jiinifter $arl öon ^iiueuborf in SBien legen
^eugnifj baüon ab, bafj er feit 3lnfang ber 2ld)t5igerjat)re fid) in fteigenbem ^lafee
mit ber Hoffnung trug, in SBien, bei 3ofepl) 11., ober burd) ©rofjt)er<}og Öeopolb
Sßeitoenbung ju finbeu. 2US biefe 2luSfid)t fid) mit bem lobe SeopolbS II.
gänjlid) jerfdjtug, manbten fid) feine 33lide nad) f^^öiifr-etdC). Von ber franko»
fifd)en Wationaltierfammtung in einet tfjret lebten Sitzungen (26. Sluguft 1792)
511m 6t)renbürger granfreid)S ernannt (neben ©djtfler, Gampe, SBilberfoice u. a.),
bad)te er roäfyvenb bev (5d)rcrfenSt)errfd)aft 1 71+3 ernftlid) baran tmd) granfreid) p
gel)en, aber aud) fjier fd)eint tljn — 311 feinem ©lüde — eigentlid) ittiemaub
ernftlid) l)erbeigett)ünfd)t <}u l)aben; fo unterblieb bie Steife, bamit fd)tuanb aber
aud) biefe lebte 9Iusfid)t. 2öie unglüdlid) fid) s$. über biefe „"Jiutjtofigfeit feines
vertretenen 2)afeins füllte, baoon geben bie erften feiner „gabeln," bas sJtad)ioort
ber 9iad)forfd)ungen unb ber „Srief über ben Wufenth-alt in ©tanS" 3eugnifj;
am tiejften läfjt in feinen bamaligen ©eeleujuftanb ber 33rief bliden, ben "#.
öon ©tanS auS an feine greunbin üon Oallmt)! fdjricb : „Gs getjt, eS gel)t in
aUen Itjeilen; id) Iöfd)e bie ©djanbe meines l'ebenS au»; bie lugeub meiner
$ugenb erneuert fid) mieber; roie ein s]Jlenfd), ber läge lang im Dtober unb
Äottj bis au ben £>ats berfunfeu, feinen lob nat)e fiel)t, unb bie Volleubung
feiner bringenbften sJicife oereitett ficljt, alfo lebte id) 3at)re, üiele Sab-re in ber
33eratoeiflung unb im Olafen meines unbefd)reiblid)cn GlenbS; id) l)ätte ber ganzen
äöelt, bie um mid) tjerftanb unb mid) alfo fatj, nur ins ©efid)t fpeien mögen;
tuoran fonnte id) mid) met)r tjalten? 5lber jeüt fefje unb fül)le id) mid) mieber
aufjer meinem $ott) ; id) felje unb füt)te mein ©djirffal mit bem ©d)idfal anbrer
9flenfd)en gteid), bin aud) felbft mieber ein sDlenfd), unb berfötjne mid) fo gern
mit meinem ©efd)led)t unb felbft mit benen, bie unermübet maren, äßaffer in bie
©rube meines GlenbS ju leiten. ,S"bred)et ben 53ed)er meines GlenbeS unb trinfet
mit einem 9Jtenfd)englaS auf meine Grrettung, auf mein 2öer£, auf meine Sefferung!"
3ß. t)atte bereits fein breiunbfünfjigftes Sebensjat)r angetreten unb mar Don
bem ©efül)l bcS naljenben Filters nieberv}ebrürft, als bie l)elüetifd)e <5taatS=
umtoät^ung beS ^acjres 1798 bie alte ($ibgenoffenfd)aft ber breijetjn Orte
in krümmer marf. S)ie SSeften ber Männer, bie nun anS Ütuber gelangten,
flauten ^u ib,m als it)rem s^lltmeifter in pietätöoüer ^>od)ad)tung empor. Unb
fy. felbft fat) in ber ©taatsumtuäljung bie ^Jtorgenrötrje, ja baS kommen eines
neuen JagcS unb mad)te au« feinen ^ubelgefü^len barüber fein -öecjl.
Sauf jtueierlei 2Beife fonnte er, an bie neue (JintjeitSregierung fid) aujd)lief$enb,
bie ßrfüHuug feiner 2öünfd)e für 9}otfsbegtüdung anftreben, als ^olitifer unb
(Sräierjer. Sfm erften galt mufjte er barauf ausgeben, baS Vertrauen ber sIRänner
ber Regierung baburd) ju gewinnen, bafj er mit ber l)Jlad)t feines SöorteS
3mifd)en fie unb bie SJolfSftimmung öermittetnb unb Derjtanbigenb trat unb ba=
burd) aud) fid) felbft bei jenen ©etjör für feine (Sutturibeen öerfd)affte. 9Bie
SBenige fd)ien gerabe er baju geeignet eine fold)e Vermittlung toirffam burd)=
3ufül)ren unb ber ©ebanfe baran tjatte nid)t nur äußern, fonbem aud) innern
Steij. ^eftalojji'S 2BettöerbefferungSpläne toiefen if)n gerabe^u biefen äßeg unb
er f)at jücrfl aud) biefen betreten. 6r fd)rieb SBrofd)üren, glugfd)riften, um baS
«Peftatoaji. 447
iiolf für bie neuen Cnnricbtungen ^u fnmmen; et natjm bie 9tebaction be£
„«pelüetifdjen 93olfsbtattee" an, eines ojficiöfen Organe, bas bie Dtegierung fdjuf,
um 33etet)rung fttttidjer unb üolitifdjcr 2ht Don Staatsmegen ju Derbreiten, unb
es ift merfmürbig: bei allen iolgenben Söenbefcuuften ber (Bcfjitffale ber oater*
tänbifdjen ©ejd)itfe, bat ty. ber 33erfud)ung nid)t wiberfterjen fönnen, bie 23af)n
eines öotitifctjen 9iatt)gebers p betreten; fo 1802, al§ er feine „Slnfidjten über
bie ©egenfiänbe, auf Wetd)e bie ©efefegebung £>elöetiens ifrr Slugenmerf üor=
jüglid) ju richten fjat" fd^vieb unb fid) als Slbgeorbneten jur (ionfulta nad)
*patis toätilen tiefe; 1814, ats" er ber üteaction mit feiner umfangreichen ©djrift
„9tn bie Unfdjulb, ben Srnft unb ben (Sbelmutb, meines 3eitatters' unb meinet
33aterlanbes" entgegen %u treten fudjte; unb nodj 1826 ift bie „9tebe bie id) als
^präftbent ber Ijelüetifdjen ©efettfdjaft ju ßangentfjal gehalten Ijabe" im 2öefent=
lidjen eine ^ufammeniaffung üatriotifdj=öolitifd)er 33etradjtungen. 6s geigt fid)
tjierin bei 5ß. eine 2lber äd)t rettublifanifdjen SinnS, ber an ber %bee fefttjält,
bafe <5taats= unb 3)otfs1eben nictjt jwei auSeinanberfallenbe Greife ftnb, unb ba$
Wer für ba§ $}olfsteben eintreten will, gegenüber bem 2öol)t unb Söet)e be§
©taate§ nid)t gleichgültig bleiben barf.
2tber ebenjo merfroürbig ift: fo gefeiert ber Dcame speftalo^i's mar unb
mürbe , f o tjat bod) jebesmat ber ^nftinct ber öffentlichen Meinung fjerausgejürjtt,
bafe tjierin nidjt 5peftato3ji'§ Öebeutung liege; ber Strom ber (Jntmidtung
raufdjte über biefe feine Äunbgebungen baljtn, otjne bafe fie einen nennenswerten
©inftufe auszuüben öermodjt fjätten, unb iljm blieb, menn er anberes gehofft —
unb wie fjätte ein foldjer ©anguinifer nidjt anberes hoffen fotten ! — auf biefem
©ebiete nictjt^ all mef>r ober meniger bittere @nttäufd)ung. ßum Sbeatpolitifcr
mar er mit bem Oteicfjtrjum, ber £iefe unb ber 9teinr)eit feines ©emütijeä ge=
f Raffen; jum Ütealöolitifer fehlte iljm bie Dtub> unb Unüoreingenommenljeit ob=
jeetiöer Prüfung, bie Unabtjängigfeit öon bem momentanen Ginbrud ber it)n
umgebenben ^erfönlidjfeiten unb 93ert)ättniffe, bas Ijeifet nidjt biet meniger
als Stflei!
Unb fo ging e3 benn audj bie* erfte 9Jtat. 2)on ber allgemeinen 2ln=
fdjauung aus, bafe bie gufunft auf ber IDtögtidjfeit ber Sonfolibation ber neuen
©taatsöerljättniffe beruhe, tiefe er ftd) aur Ütedjtfertigung öon fingen Ijinreifeen,
bie faum burdj bie 9tott) ber %ät entfdjulbbar maren, unb fdjneEer at§ er er=
fannten bie ftreunbe, bafe er bei längerer politifcfjer <8ett)ätigung nur fid) felbft
rafdj abnutzen werbe. 6r felbft freilid) fat) barin llnbanf unb 33erfennung, unb
Wunberlidj mifdjen fid) baljer Slnflagen unb ©etbftgeftänbniffe in bem Urteil,
baä er 1801 über bie Männer ber ^jelöeti! in feinem 33ud)e: „2Bie ©ertrub itjre
ßinber letjrt" nieberlegte: ,,^dt) irrte mid) nidjt nur in jebem ©djtauen, id) irrte mid)
in jebem 9carren, unb traute Gebern ber öor meinen 3lugen ftanb unb ein gutes
äöort rebete, aud) eine gute Meinung ju. 3lber bennod) fannte id) ba§ 9}ol! unb bie
CueHen feiner Sermilberung unb (Jntroürbigung öietteid)t wie 9liemanb; aber
id) wollte nid)t§, gar nidjts als ba§ ©toöjen btefer Duellen unb bas 3lufljören
it)rer Uebel, unb ^elbetien§ neue 5Uenfd)en (novi homines), bie nid)t fo wenig
Wollten unb bas S5olf nidjt tannten, fanben natürlid), bafe id) nid)t ju ib^nen
öafete; biefe 9Jcenfdjen, bie in il)rer neuen (Stellung wie jdjiffbrüdjige SBcifiet
jeben ©troejejalm für einen sDcaftbaum anfaljen, an bem bie 9teüublif fid) an
ein fidjeres Ufer treiben tonne, ad)teten midj, mid) allein für einen ©trofjtjalm,
an bem fid) feine Äatje anfdjliefeen tonnte. <Sie wußten e§ nid)t unb Wollten
ei nid)t, aber fie traten mir ©ute§; fie traten mir meljr ©utes, als mir je
9Jienjd)en ©utes getl)an b>ben. ©ie gaben mid) mir felbft Wieber unb tieften
mir im füllen Staunen über bie Umwanblung if)rer ©d)iffsöerbefferung in einen
448 ^cftolojji.
©dtjiffbrud^ nichts übrig alz taZ 2ßort, baZ icfj in ben erften Jagen ifjrer 33er=
totrrung auSfprad): $d) will ©djulmeifter werben! bafür fanb icfj Vertrauen."
Unb fo betrat benn ty. ben anbern, ftittem, müfjfamern, aber für ifjn
allein richtigen 2Bcg, bie Erfüllung feiner 'OJcenfdjfjeitspläne bon unten herauf,
al% ßrjie^er, ]u üerfucfjen. de fcfjeint, i>a$ $ob. SucaS Scgranb, ^räfibent be§
fjeiDetifcfjen 2)irectorium§ (geb. 1755, f 1836), ein äufjerft molwollenber sUcann,
ber aber gtetcf) ty, als s$olitifer nicfjt eben in feinem ©tementc war, auerft s.ß.
in biefen ©ebanfen beftärfte; alz bann $fj. 2Ilb. ©tapfer (geb. 1766, t 1840)
fein 2fmt at» 9Jttniftet ber fünfte unb SBiffenfdjaiten autrat, fanb ty. ju feinem
SBorfjaben bei ifjm bie treuefte unb unerfcfjütterticfje Unterftüijung ; aud)
Dr. 21. 9tengger (geb. 1764, f 1835), frürjer ber <<pofiueifter be§ jungen
*ßfj. 6. fteflenberg, jefct s))tinifter beä Innern, fjalf mit. ©tapfer bot 5p. ju-
näcfjft bie Leitung eineS neu (}u begrünbeuben fjclüetifdjen Sefjrerfeminarä an ; Sß.
lefjnte aber ab, mit bem 23emerfen, er motte feine ^been für eine beffere @r=
3iet)ung erft in einer .siinberfdjule erproben unb ifjre JHefultate fieser fletten.
©ben alz er baran gefjen Wollte, biefe 2lbfid)t au^ufürjren, ereignete fid) bie
$ataftropfje öon ©tanS (9. ©eptember 1798). „2)a3 Unglütf öon Unterroalben",
erjätjlt 5ß. jetbft, „entfcfjicb über baö Socal ba«s id) wätjlen mufite. ^d)
ging gern. '•Dcein föifer, einmal an ben grofjen 2raum meincä Gebens* ^)anb an=
legen ju tonnen, tjdtte midi bafjin gebracfjt, in ben fjöcfjften 2ttpen, icf) mödjte
fagen, otjue fteuex unb SBaffcr anjumngen, wenn man miefj nur einmal fjätte
anlangen taffen."
2lm 5. üDecember 1798 warb v4>. vom Xirectorium mit ber Leitung beS
SBaifenfjaufeä in ©tanä beauftragt. 2>ie 2lufgabe mar, ben $inbern ber Unter=
malbner, bie burd) ben (Einfall ber ^van^ofen Altern unb £)eim üerloren , öon
©eiten ber Regierung Dbbad) unb (Jraierjung ju üerfdjaffen. 5Die Regierung
gewährte mit einer bei ifjrer fcfjlimmen finanziellen ßage boppelt anerfennen§=
Werttjen Seveitwilligfeit bie notfjwenbigen Glittet. 2lm 7. S)ecember fiebelte %
naef) ©tanä über — feine fyamilie blieb auf bem 9leut)of 3urüd; am 14. Januar
1799 tonnten bie erften Söglinge aufgenommen werben; ifjre ^at)l flieg batb
auf 50, im Cauf be£ ftrüfjjafjrä auf 80. 21m 8. $uni mufcte bie 2lnftalt fid)
auflöfen, ba taZ -gjerannatjen ber 2llliirten bie Gmidjtung öon ßajaretfjen im
dürfen ber franjöfifcfHielöetifcfjen 2lrmee notfjwenbig macfjte, unb baä «Softer in
©tan§, ba§ btefjer alz ßoeal für ba§ Söaifentjauä gebient, bafür gut gelegen unb
geeignet fcfjien; *)J. T etbft war öon*ber 2lnftrcngung au]Z äu^erfte erfd)öpft unb
fpie 53tut; aber aud) nadjbem ber Äriegitärm nerrauferjt War unb $. fid) crtjolt
t)atte, warb biefer nid)t jurüdberufen; er fjatte in ©tanö geleiftet, wa§ eben nur
ein SPeftaloaji leiften fonnte ; unb roaZ man nun für bie Söeiterfürjrung ber 2ln=
ftalt nöttjig rjatte, baZ fonnte jeber gewöfjnlidje Verwalter ober Cefvrer minbeftenS
ebenfogut jur ^ufriebenfjeit ber Sentralbefjörbe burd)füfjren al«s ^cftalojji.
3ßa§ fjat ^. in ©tan§ geleiftet? sDcan barf cor altem nicfjt üergrffen, bafe
bie gan^e 3eit feiner bortigen Söirffamfeit auf fünf Monate ^ufammengefjt.
5)tan barf nicfjt öergeffen, ba§ $. at§ ^roteftant in ein fattjotifd)c§ ßanb, als
Drgan einer burd) frembe SBaffen unter allen ©räueln beg JhiegS wieber jur
Autorität gelangten Regierung nad) ©tan§ fam. 5)can barf aud) nicfjt Ocr=
geffen, bafe bie praftifcfje Drganifationsfraft für ba§ SSerwaltungöbetait if)m
abging unb bafj er nicfjt mit feften metfjobifdjen ©runbfäfeen für ben llnter=
ricfjt, fonbern redjt eigentlidj um biefe erft ^u finben unb ju prüfen, bie ©teile
angenommen. 9tid)t§ befto weniger fann conftatirt werben, bafj fy. auefj in
biefen SSejiefjungen auf ben Slufentfjalt in ©tane mit 93efriebigung jurüdbliden
burfte. ©erabe biejenigen , bie feinem 33}erfe am näcfjften ftanben unb au§
perfönticfjen unb principietlen ^ntereffen am meiften berufen waren , Ärittf p
sMtaIoaji. 449
üben, liefen iljm am meifien ©eredjtigfeit roiberfatjren. „fjrreunb, fannft bu
glauben", fcfjtieb et unmittelbar nad) feinem Abgang üon ©tans an ©efcner,
„bie größte ^)eiälid)£eit füt mein SBerf fanb id) bei ben Äapuäinern unb
.Rlofietfiauen. SLt)öttQe§ ^ntereffe an bei ©adje nahmen menige aufjer 5txutt=
mann (neben biefem , bem bamaligen iftegierungscommiffät , maren es laut 33e=
legen bor allem bie Pfarrer 23ufinger unb £)betmatt). 2)ie, Don benen id) am
meiften tjoffte , maren fo fet)r in politifctje 23erbinbungen unb ^ntereffen üer=
graben, bafe biefe Äleinigfeit it)nen bei itjrem großen üöirfungstreis nidjt be=
beutenb fein tonnte." 9lm ©cftlufc feiner Sljätigfeit fat) fid) 5ß. im ©tanbe,
Don ben 6000 Tanten , bie er erhalten , 3000 mieber jurüd^ugeben ; bas
mar bod) mol ein SBeleg bafür, bafj er es Derftanben , mit ben ötonomijdjen
Mitteln tjausautjalten. Unb mas bie geiftige Anregung, bie Don itjm ausging,
betrifft, fo barf auf bie ^Briefe Sufinger's unb jtruttmann's tnngemiefen merben,
Don benen ber letztere im §ebruar an 9tengger folgenbetmafjen fdjrieb: ,,^m
2liment)aufe getjt es gut, Sßater ^eftato^i arbeitet Sag unb Dladjt über |)als
unb $opf. äBirfttdj fpeifen unb arbeiten 62 $inbet im ^aufe. ^um ©djlafen
aber bleiben nur 50, aus Mangel an Selten. SDa ift es jum (hftaunen, mas
ber gute 9Jtann leiftet, unb mie meit bie ^öQÜnge, bie öoll 2Bipegierbe finb,
in biefer furzen 3e^ ftf)°n Dorgerüdt finb." 2lber ber rtämlictje Siuttmann
brängte nacrjljer bei ^eftalojji foroot als beim 9Jttnifter barauf , öafj eine fefte
JDtganifation unb ein georbneter ÖetjrDtan eingeführt merbe, unb traf bamit ben
sJtaget Dötlig auf ben ÄoDf , menn er fdjrieb : „$dj bemunbere ben Eifer bes
Sürgers 5ßeftaloaäi unb feine raftlofe Stjätigfeit für biefe 5lnfiatt; er nerbient
Etjre unb 2)anf; aber id) fefje ein, bafj er bie ©adje, menn fie bis auf einen
gemiffen ©rab gebracht ift , tn Orbnung unb mit gutem Erfolg burd)3ufüt)ren
unb feine ^foen jU realifiren aufjer ©tanbe ift." $üx ben Sltttagsmedjanismus
einer ^luftalt mar 5ß. nietjt gefdjaffen; bas iebod) , mas bie erfte 3eit einet
folgen 2lnftalt brauchte, felbfttofe Eingebung ber ganzen !J5erj öntid)feit , um
^per^en au geminnen, Gräfte ju merben, bas tjat ber alte ^eftalo^i in ©tans
in einer einzigartigen äöeife geleiftet. SDafe er ben ^inbern alles in allem, Serjrer
unb Sßater unb SJiutter augleid) mar, bafj er audj t)ier mie auf bem Sfteutjof
fid) feinen 21ugenblid befann, mit feinen armen JHnbern arm au fein, um iljnen
alles ju merben, bas ift ^eftalo^i's emiger Sftutjm, ber fid) nietjt nad) ber üDauer
feines 2lufentb,alts in ©tans mifct. Saturn t}at fid) aud) für bie 3"tQenoffen,
mie für if)n felbft, bie Erinnerung an feine bortige äBirtfamleit berflärt, unb
erfdjienen itjm nodj im föäten ©reifenalter bie Sage in ©tans als „bie rjödjften
©egenstage feines ßebens".
S)enn ty. blieb fid) feinerfeits bemüht, bafj er biefen Sagen in ©tans
Unermefjtidjes öerbanfe. ©ie Ijatten it)m bas Semufjtfein feiner Äraft mieber=
gegeben; fie t)atten it)n in aller ^lotrj unb gerabe um biefer 9iott) miHen in=
ftinetib 5U ben Quellen gelangen laffen , an benen irjm bie (Srfenntnifj ber
5Rögtid)feit aufging , ba^ unb mie Unterricht unb fittlidje (h'dierjung auf il)re
Elemente äurüdgefütjrt merben tonnen; „es mar eigentlid) bas ^utsgreifen ber
Äunft, bie id) fudjte — ein ungeljeurer ©riff — ein ©etjenber tjätte ir)n nidjt
gemagt; id) mar jum ©lud btinb, fonft tjätte idj it)n aud) nid)t gemagt. 3$
mu^te beftimmt nid)t mas id) ttjat, aber id) mufete, mai id) mollte, unb ba§
mar: £ob ober S)urd)fe^ung meines groedes." ©o fanb 5)3. in ©tans ben 2Beg
ju bem 3^e. oem i"n &xi to^e "n niädjtiger ©trom fdjon feit ben Jünglings*
jafiren entgegen gemallt mar, bie Duelle bes Slenbs ju ftopfen, in bas er
bas Sßotf um fidj Ijer berfunfen fat). S)iefe Ueber^eugung belebte tt)n aud), als
er ferne öon ©tans für feine gefdjmäd)te ©efunbtjeit im ^eunbesljaufe auf bem
Stagem. beutfd&e aSioflto^ie. XXV. 29
450 Mtatojji.
(SJurniget Leitung fud)te : „GrS mar nidjt mein liier, es mar tüte ein ©tein im
Meere, auf metdjem idj ruljete , um roieber ju fdjroimmen. 3<*) bergeffe biefe
ütage nid)t, fo lange id) lebe, fie leiteten midj, aber id) tonnte nidjt leben ofjne
mein Sßerf, fclbft in bem 2lugenblicfe, ba id) auf beS ©urnigelS Dötje baS fdjöne
unetmefjlidje Sttjat ju meinen ^üfjen fatj, benn id) t)atte nodj nie eine fo raeite
^luSfidjt gefetjen, unb bennod) badjtc id] bei biefem 9lnbticf meljr an ba§ übel»
unterrichtete 33olf, als an bie ©djönljeit bcr 2lu§fid)t. 3d) tonnte unb roollte
nidjt leben, otjne mein 2Betf."
yiaä) leinet 9?ücftef)r Oom ©urnigel fanb $. burd) Vermittlung beS rjel»
betifcfjen CbertidjterS ©djnetl (Gelegenheit, in Vurgborf an einer ßlementarfdjule
feine Verfudje Tortjufeijen (mafjrfdjeinlidj Sluguft 1799). lieber ^eftalo^i'S
©djulljalten in Vurgborf befitjen mir nun bie SDarfteüung eines Slugenjeugen,
SotjanneS ftamfauer (1790-1848), beS nachmaligen Mitarbeiters ^eftaloaji'S,
roeldjer in jenen ^aljren tä ©djüler bei *ß. mar; biefe ©djilberung erflärt
rjinlängtidj, marum ^eftalojji'S Unterridjt aud) in ©tanS bon benjenigen, bie
nid)t in beu $ern ber ©adjc öorbrangen , Ijattc mit Mifjtrauen beobadjtet
merben muffen.
Hub bod) trotj allen biefen äußeren Unbotlfommentjeiten trat aflmärjlidj ju
£age, bafj ^. ficf) nidjt bergeblidj abmüfjte. 2US ju @nbc Märj 1800 nadj
adjtmonattidjer SSirffamfeit bie Prüfung ftattfanb, legte bie ©djulcommiffion
öon Vurgborf itjren Vefunb in einem 3ell9^ffe nieber, baS üjr fclbft ju nidjt
minberer ßtjre als ty. fetber gereift. „2fn bem 9ltter bon 5 — 8 $aljren, in
roeldjem nad) ber bisherigen marternben Mctfjobc bie Äinber bie Vudjftaben
faum fillabiren unb lefcn gelernt, Ijaben Sfljre ©djüler nidjt nur biefe ^enfen
in einem biStjer ungcrooljnten ©rabe ber Vottfommentjeit (}U (Jnbe gebracht, fon=
bem bie fälugften unter itjnen ^eidjnen fid) bereits als ©djönfctjreiber, Qnifymx
unb Ütedjner aus. 33ei bitten tjaben ©ie bie Neigung jjur ©efdjid)te, 5tatur=
gefdjidjte, Mefefunft, Ghbbefdjreibung u. f. m. ^u ermerfen unb ^u beleben ge=
roufjt, bafj itjre fünftigen ßeljrer, menn fie tton biefen Vorbereitungen üernünftigen
©ebraud) ju madjen miffen, ifjre Arbeit ungemein erleichtert finben muffen.
5luS 3t)ren £mnben ober auS ben #änben eines nad) 3>ljrer Metljobe 3U SBerfe
getjenben SetjrerS merben fünftig bie oberen ©dnilen nidjt mel^r mit Äinbcrn be=
fe^t merben, an meieren ^di)xe lang gearbeitet merben mu^, nur an jenen erften
ßlemeuten nadijupflaftem, fonbern mit ßinbem, bie bon biefer ©eite nid)t§ öer=
miffen laffen unb beren ftöpfe fd)on mit reellen .^euntniffen angefüllt finb. —
sJJtöd)te fflx glüb.cnber ßifer für bie bvattifdje ?lnmenbung 3t)rer trefflich auS=
gebadjten unb auf bie menfdjlidjen Sebürfniffe fo genau beredjneten i^eorie
nid)t etma mieber in bebrängten ßagen unferS VaterlanbeS, in ©iferfueb,: mie
anbern ßeibenfdjaften ober in Mangel an öffentlichen ,^)ülf8mitteln ^inberniffe
autreffen — möchten ©ie burd) feinerlei llmftänbe üon %z)xem ßiebtingSgefdjäft,
ber 33itbung unb ber Vereblung ber Äinberroett, abgezogen merben. 5Röd)ten
mit nid)t ju tlein fein, um etmaS <ju biefem großen ^}tane beizutragen." —
3ß. freilid} betradjtete aud) 35urgborf nid)t als feine bleibenbe ©tätte.
6r bad)te baran, auf bem 9teulmf eine ©räietjungSanftalt 3U grünben ; aber bie
rjeloetifdje Regierung tonnte itjm bie gemünfctjte SSeifteuer an .^otj nietjt bieten
unb bamit jerfdjlug fid) ber ^3tan. 3lbcr nad) anbern ©eiten geigte fid), bafe
bie 3e^t ber Prüfung für itjn i^rem @nbe nat)e fei. S)a§ allgemeine ^ntereffe
begann fid) feinen Verfudjen jujumenben. ©tapfer t)atte aud) in ben fdjroerften
©tunben ben ©tauben an itjn nid)t finfen laffen; er öeranlafjte nun, ba§ ber
tjelbetifdje VoEjietjungSratl) (bie bamalige Srecutibe) ty. burd) eine ^luteitie üon
1600 $r. ben S)rurf feiner ©lementarbüdjer ermöglichte; ber Vefdjlu^ ertolgte
etnftimmig. Slber ©tapfer manbte fid) aud) an baS ^ntereffe ber gebilbeten Greife
$ePa!oa|L 451
überhaupt; burcb, feinen Sdjmager ©cfjnell roarb 3U anfang Sunt 1800 eine patrio*
tifcfje (Sefettfcljaft Don (Jriieinmggueunben in Sern gebilbet, in ber beftimmten
Slbficfcjt, bie Seftrebungen ^eftalo^i'ä baburcb, ju unterftüijen unb ^u allgemeiner
Slnerfennung ^u bringen. Grine @ommiffion au§ ib,rer IDcitte — *ßaut Ufteri
toon 3ur^ uno Sofept) Süttu' öon Solottjurn maren babei mit betätigt —
erhielt ben Sluftrag, $eftalo33i'e Mettjobe an Drt unb ©teile ju prüfen; ber
33ertc^t, ben fie im Jperbft abfiattete, fiel aufjerorbentlictj günftig aus.
^namifcrjen mar aber in ^eftato^ji's perfönlictjer Stellung eine gro&e unb
entfcfyeibenbe Seränberung öorgegangen. 2ßir erinnern un§ jene! planes öon
Stapier im $• 1798, ein tjelöetifcfjeg ^etjrerfeminar su grünben. £er Serfucrj
einer folctjen Sdjulanftalt mar, nad^bem *ß. unb Rubere abgelehnt, burcb, ^orj.
9tub. {yifdjer ö°n Sern, Stapferg Secretär, unternommen morben: bie fjelöettfdje
Regierung rjatte irjm bafür bag Scrjtofj Surgborf eingeräumt. S)ie Dcottj ber
3eit mobificirte ben urfprünglicrjen -£lan; mit ^pütfe ber morjttjabenben Familien
Surgborig gelang e§ #ifd)er, Tür eine Sdjaar armer Mppenjeüerfinber in Surg=
borf unb Umgebung Cuartier ^u finben; ftifcfjer rjatte babei erfuctjt, ben Äinbern
einen jungen Mann beizugeben, ber öuft tjabe, Scrjulmeifter ^u merben, er motte
bann feine Slugbtlbung übernehmen. £)er ßinbertrangpott, 19 Knaben unb
7 Mäbcrjen, fam am 26. Januar 1800 in Surgborf an, mit ifjm ^ermann
Ärüfi, ein junger Setjter mit offenem $opfe unb gutem SJerftänbnifj für bie
Äinbermett, aber öon tjödjft mangelhafter Serufgbilbung. $rüfi furjr in Surg=
borf fort, feine SIppenjetterfinber 3U unterridjten , roätjrenb er felbft trjeoretifdj
unb praftifcf) gfifd^exS £ef)rfct)üler geworben mar. 3m übrigen geriete) bie 2tu§=
fütjrung beg $lang einer Seljrerbilbungganftalt ing Stocfen; gifdjer fieberte fdjon
am 2. 2tpril nad) Sern über unb trat bei Stapfer roieber alg Secretär ein ;
feine £raft mar burcrj bag g-eljlfcfjlagen feiner Hoffnungen gebrochen; am
11. Mai 1800 ftarb er, erft acrjtunbaroanäig 3aljre alt. *ß. toar eg, ber perft
Ärüft bie Xobegnactjricrjt mittr)eitte unb fie zugteidj mit ber freunblidjen Gnn*
labung begleitete, ftrüfi möge feine Sctjule mit berjenigen ^eftato^i'g öeretnigen.
3« Ärüfi fanb nun 5ß. einen Mitarbeiter, mie er irjn unter £aufenben nierjt
beffer rjatte ftnben tonnen. 6t befafj, mag *>#. abging, bie Äunft beg praftifdjen
Scrjutfjalteng, in tjofjem Mafje, unb mar äugleidj einficrjttg unb befetjeiben genug,
um fidj öott unb ganj ber getftigen öeitung 3ßeftalo3äi'g ^u unterbieten. £urcfj
Ärüfi berebet fcrjloft fidj noerj im Sommer ber Sljeologe Nobler , ebenfalls ein
Slppenjetler, bem Unternerjmen an; biefer feinerfeitg berebete ben mürtembergifetjen
Sucrjbinbergefetlen Sufj, ifjm unmittelbar nachfolgen. Die ^elüetifcrje Otegie=
gierung gab für bie Slnftalt, bie grjieb.ungSanftalt , Seminar unb SBaifenbaug
in fieby fetjüe^en füllte, unentgeltlich bie nöttjigen ßoeatitäten im Sctjloffe, baju
|)olä= unb ^flanjlanb. 3>m Cctober 1800 marb bie Slnftalt eröffnet; iljre @nt=
roiertung atg Srjietjungginftitut brängte aber batb bie anbern 3roe^e in ^en
^intergrunb. 3>n bemfelben gelangte %. baju, bie praftifdjen ßonfequenjen
feiner ©runbgebanten ju ^ieljen unb mit ipülfe feiner brei erften Mitarbeiter itjre
Sermert^ung für bie Unterric^tSpraiig in Angriff ju nerjmen. 9Zacf)bem er be=
reitg 1800 in einem 23eridjt an bie gommiffion ber Graietjungggefeüfcrjaft
beu Serfuctj gemaetjt, ben fict) in itjm geftaltenben ^been 2lu§brucf ^u geben,
arbeitete er nun eine größere Sdjrift ju biefem gxoede au§: „2öie ©ertrub itjre
Äinber leljrt", bie 1801 erfdjien unb in ä^nlidier 2öeife mie „Sienljarb unb
@ertrub", aber meit Tolgenreictjer, ba§ ^ntereffe ber gebitbeten SBelt für ben 33er=
faffer unb feine Sfbeen in Slnfpruct) nab,m. S)iefe§ Sucb, , bag ben (Sinfluf}
^eftatoäät'g auf bas Scb.ulmefen bei 19. Sarjrtjunbertg begrünbet b,at, befteb,t
in 14 Briefen an feinen gteunb ©efjner (Su^änbler in Sern). %n ben brei
29*
452 MtattWi.
crften SBriefen fcrjilbert er bie Vorbereitung , bte er felbft , Ärüfi unb 33ufj,
— Nobler mar bereite toieber au3 ^ßeftalojji'g Greife gefd)ieben , fefjrte aber
später in benfelben roieber jurütf — ju bem 2Berfe mitgebracht; in 23rief
4—11 bie 9tefultate feiner ^Beobachtungen unb ber gemeinfd)aftlid)en Sirbett
für bie Denfbilbung (intettectuetteä ©ebiet), in 33rief 12 biejentgen für bie 23it=
bung ber gertigfeiten (auf prjt)fifc£)em unb fittlicrjem ©ebiet); 33rief 13 unb 14
befpredjen bie Slnroenbung biefer ©runbfäüe auf ba3 gentium ber 5JJlenfd)en=
bilbung, bie 23ilbung ^u fittlidjer Steligiofttät. Der Sitel entfpridjt bem SSnrjalt
toonig, eS fei benn, bafc man in bem 9tamen „©ertrub" baä einfadjmenfdjlicrje,
rurjig beobacrjtenbe , päbagogifdje Denfen perfonificirt fierjt; baä 3^1» auf ba§
bie Darfiettung rjinfteuert, ift, p geigen, bafj man burcrj ridjtigeä ©lementarifiren
beä 2Biffen§ bie fd)lict)tefte ÜJlutter in ben ©tanb fetjt unb ifjr bamit 9ted)t unb
5J3ftid)t auferlegt , itjre Äinber felbft richtig ju er^ierjen ; alfo f önnte etroa ber
üutel bem ^ntjalt in ber fjaftung angepaßt roeiben: „bafj ©ertrub ifyre Äiuber
erjierjen fann unb barum aud) fott!"
5ß. tjat fpäter nodj au roieberljolten Fialen feine sUtetrjobe im 3ufammen=
fjang bargefteüt: 1807 in ben „3lnfid)ten unb Erfahrungen, bie ^bee ber
©lementarbilbung betreffenb"; 1809 in ber „Diebe über bie (Slementarbilbung",
bie 5ß. bei ber Sßerfammlung ber ©efettfdijaft ber (Sraietjungäfreunbe in Senjburg
tjielt ( „fienjburger föebc"), bie aber nur in ber Don 5ß. üeraulafjten Ueberarbeitung
burd) sJliebcrer im Drud erfdjienen ift; 1818 in ber „Siebe an mein -£>auä" ;
1818/19 in „Briefen über (Slementarbilbung an 3- 5J}. ©reabeö Esq.", bie
bis jeüt nur in englifdjer Ueberfetjung befannt finb (letters on early education),
1826 im „6djroanengefang" unb in bem „Verfudj einer ©fi^e über baä äöefen
ber $bee ber ©tementaibitbung", ben er für bie <£>elüetifd)e ©efettfdjaft au§=
arbeitete (^eftalojjibl. 3. ^afjrg. 1882, ©. 49 ff.). 2öefentltd)e Umbitbungen
ber ©runbgebanfen fanben aber nidjt merjr ftatt unb ba e§ im 3ufammenrjang
biefer Arbeit nur barum fidj rjanbeln fann, bie ©runbjüge Don 5ßeftalo^i'§
päbagogifctjein Denfen au geben, bie in bem Sudje „2Sie ©ertrub k." in ifjrer
fjiftorifdjen SntroicEtung bargeboten finb, fdjliefjen mir t)ier einen furzen Umrijj
berfetben an-
Der ©runbgebanfe 5ßeftaio33i'§ ift bie 5ßft)crjologifirung bei Unterrichte unb
ber ©eifteäbilbung , b. i). Unterricht unb ©eifteäbitbung fotten bem geiftigen
5affung£bermögen angepaßt merben. SBenn e8 nun gelingt, ben 33ilbung§ftoff
in feine (SIemente ju ^erlegen, fo ift e$ flar, bafj bie ©tementarbitbung mit ber
(Hementarenttoicflung beS Äinbeä, b. t). fdjon im ©äuglingäalter beäfelben fid)
berbinben unb beätjalb in bie £>anb ber 9Jtutter gelegt roerben fott. 6d)on biefe
elften Simoirfungen finb ber Äunftbilbung , b. t). beroufeter 5)3lanmä^igfeit ju
untertoerfen.
Iftun ift alle Äunft nur bann toarjrrjafte ^unft, menn fie bem ©ang ber
5latur fid) anfdjliefjt unb itjre gan^e ßraft rufjt auf ber Uebereinftimmung mit
ber pr)t)fifcf)en 5Ratur. Die 5Jtatur aber jeigt mit ^larb.eit in it)ren Sdjöpfungen,
roeld)en ©ang aud) bie Äunft ber geiftigen 93ilbung in§ 3luge ju faffen t)abe.
Denn ber 5Dted)ani3mu§ ber finnlidjen sUienfcr)ennatitr — unb auf bie ftnnlidje
fömpfinbung unb Slnfdjauung baut ja bie geiftige Sntroidlung auf — ift in
feinem 2ßefen 'ben nämtidien ©efe^en unterroorfen , burdj metelje bie pf)t)fifcr)e
Statur allgemein itjre Gräfte entfaltet. 9cad3 biefen ©efetjen fott aller Unterricht
baS SBefentlid)fte feines @rfenntni|fad)§ unerfdjütterlid} tief in ba§ äßefen bee
menfdj liefen ©eifteS einprägen , bann ba§ roeniger SGÖefcntücrje attmäliticb, , aber
mit ununterbrochener «ß'raft, an ba§ Söefenttidje anfetten unb alle itjre Jrjeile
biö an ba§ 3leu^erfte bei gad)e§ in einem lebenbigen, aber t»erl)ättni|mäf3igen
^ufammenfjang mit bem SSefentlidjen ertjalten: roie bie§ im Sfteictj ber 5)latur
SPeflotojai. 453
betfpielätoeife ber EinÖlic! in bie Enttoicflung be§ 33aumc§ letjrt. daraus
leitet $. im nähern feine ftaturgefe^e für bie funftmäBtge Enttoicflung ber
geifiigen Gräfte ober bie Eqietjung ab: für§ erfte finb bie Slnfcfjauungen ju
orbnen unb ba£ Einfache 3U bottenben, etje man jum Enttoicfelten fortreitet;
bann gilt c§ äße toefentüdjen 3ufammenget)örenben Einbrücfe bon SHngen (sUterf=
male) im ©etfte in eben ben 3uTarnrnen^an9 5U bringen, in bem fie fidj in ber
9tatur toirftidj befinben; röeiterfjin fie burctj möglicrjfte§ 3ufammentoirfen ber
berfdjiebenen Sinne allfeitig unb öoüftänbig jur SBarjrnerjmung ju bringen;
ferner fie otme Einmifdjung unferer äöitlfür al§ unbebingt nottjtoenbig auf un§
eintoirfen $u laffen ; unb enblidj burcrj 9teicrjtt)um unb SHelfeitigfeit in Sfteij unb
Spielraum un§ jur freien Sefjerrfdjung berfetben ^u errjeben. — *ß. nennt biefe
©efetje prjrjfifcfrmecrjanifcrje ©efe^e unb leitet fie nadjträglidj auf eine breifadje
Gueüe aurücf, b. cj. er begrünbet fie burcrj brei pfrjctjologifcrje Erfatjrung§ttjat=
fachen: 1. bafj ba§ ©eifte§(eben feiner sJlatur nacfj bon bunften Slnfctjauungen
ausgebt um ju beuttidjen Gegriffen 31t gelangen; barauö ergibt fidj bie 9cottj=
toenbigfeit, biefe 2lnjci)auungen in bie einfachen ©runbtrjeile 3U ^erlegen, au8
benen fie beftetjen unb bie bteibenben Söeftanbttjeile iljrer Erfdjeinung§form bor
ben toedjfelnben tjerbor^uljeben ; fo toirb ba§ 35orftettung§leben bor i^rrtoegen be=
rjütet unb buräj Eine ftare 2lnfdtjauung bie leiste Slufnatjme ganzer 9teitjen
bertoanbter Slnfcrjauungen bermittelt; — 2. ba§ mit bem 2lnfcfjauung§bermögen
bie (in iljrer unmittelbarer Sßetfjätigung ber üläufctjung unterworfene) Sinnlictj=
feit ber menfdjlictjen 9catur allgemein bertooben fei; barau§ folgt bie 9cott)=
toenbigfeit eine§ attmätjlicrjen (angfamen ©ang§ ber Erfenntnifj , bamit biefelbe
bon finnlidjen Trübungen abgeflärt 3U aEfeitiger 2lu3reifung gelange ; — 3. bafc
für bie SDeutüctjfett ber 3lnfdgauung „ba§ 23errjäftnif3 ber äußern Sage beä ju
erfennenben ®egenftanbe§ mit meinem Erfenntnifjbermögen (b. t). bie räumtictje
Entfernung be§ £)bject§ bom Subject) mafegebenb fei , barau§ folgt bie 91otrj=
toenbigfeit, bie ©egenftänbe bem Erfenntnifjbermögen natje 3U bringen, unb bat:
«Rädjpegenbe, ja ben OTtelpunft biefe§ ÄreifeS, ba§ Äinb felbft, al§ erften
UnterrictjtSftoff 3U bertoenben. — 9llfo getjt unfere Erfenntnifj bon 2}ertoirrung
•jur 93eftimratrjeit, bon 53eftimmtt)eit ^ur .fftartjeit, unb bon .ßfartjeit jur 2)eut=
lidgfeit über.
2Betd)e§ finb nun , fragt *ß. , bie Elemente be§ benfbilbenben Unterrichts ?
3unäct)ft bieten ficg bafür bie Qetüörjnltctjen Elementarfäctjer bar, unb e§ toären
alfo biefe nun toafjrtjaft elementarifdj , in pfrjcfjotogtfcrjen 3r ei f)en folgen , ju ge=
ftatten. 2lber fofort ^eigt fidj , bafj jene nictjt elementarer 5latur finb ; ba§
©crjreiben ift eine Unterart be» 3eiögnen§ unb btefe§ berutjt auf ber $unft be§
^Reffenä; ba§ Sefenfönnen ift bem Ülebenfönnen untergeorbnet unb bie 9catur
fdtjveitet erft attmät)licf) bom ©djatt burcl) Saut unb 2öort l)inburcr) .jum 9teben=
fönnen empor; man toirb alfo auf jene ©runbfräfte , auf bie Urformen ber
menfcrjücrjen ©eifte§enttotd;lung jurücfgetjen unb biefe funftmä^ig au§bilben muffen,
toenn man burcl) bie Srjielmng bie ©eifte§enttoicflung ficfjerfteÖen toitt, unb biefe
Urformen ber ©eifte§enttoicflung werben ben ©runb= unb <g)auptformen ber
SMnge entfprecljcn. S)a tauctjte $. intuitib ber ©ebanfe auf — er felbft fagt :
„toie ein deus ex machina" — : bie 9Jtittel ber S3erbeutlicgung aller unfrer 5ln=
fctjauung§erfenntniffe getjen bon 3a^^ fjo^m unb Spradje au§. 3a^- 5orm
unb Sprache (bie ^eftalojjift^e £ria§) finb gemeinfam bie Stementarmittel be§
Unterric£)t§, inbem fidj bie ganje Summe aller äußern Stgenfcrjaften eine§ ©egen=
ftanbeä im Greife feine§ UmriffeS unb im SSertjältnijj feiner 3a^ bereinigt unb
burdi Spractje meinem Seroufjtfein ^u eigen gemacht toirb. Unb toie fie fo bie
Elemente be§ Objecto bilben, fo aucfj biejenigen be§ erfennenben ©eifte§; unfere
gan^e Erfenntnife entouiüt au§ 3 Etementarfräften : au§ ber Sdjallfraft, ber bie
454 SBefkloaai.
©pradjfätjigfeit entfpringt; auS ber unbeftimmten bloS finnlidjen 93orftettungS=
traft, roetcrjer baS 23eroujjtfein aller ^formen entfpringt ; auS ber beftimmten,
nidjt inefjr bloS finnlidjen Sßorftellungsfraft , auS roeldjer baS SJeroufistfein ber
(Sinrjeit unb mit ifjr bie 3d4)tung§= unb 3ted)nungSfäf)igfeit hergeleitet werben
mufj. „od) urteilte alfo , bie $unftbilbung unfereS ©efdjledjteS muffe an bie
erften unb einfachen Stefultate biefer 3 (Srunbfrcnte, an ©dmH, gorm unb
3af)t, angefettet merben, unb ber Unterricht über einjelne Srjeile fönne unb
roerbe niemals ju einem, unfere Ttatur in irjrem ganzen Umfang befriebigenbeu
Erfolge fjhitenfen, roenn biefe brei einfachen Stefultate unferer ©runbfräfte nid)t
als bie gemeinfamcn , öon ber Statur felbft auerfaunten 2lnfangSpunfte alles
Unterrichts anerfannt unb im ©efolg biefer 2lnerfennung in formen eingelenft
werben, bie allgemein unb fjarmonifd) öon ben erften 9tefultaten biefer brei
Stementarfräfte unferer Statur auSgerjen unb roefentlid) unb ficrjer batjin nrirfen,
ben gortfdjritt beS Unterrichte bis ju feiner 23otlenbung in bie ©cfjranfen einet
lürfentofen, biefe (Hementarfräftc gemcinfam unb im ®(eid)gemid)te befdjäftigenben
S^rogreffion ju U-nfen bamit finbe id) aber aud) baS Problem : einen
allgemeinen Urfprung aller Äunfimirtel beS UnterridjtS unb mit itjtn bie gorm
aufjufinben, in melier bie 2luSbtlbung unferes (5tefd)(ed)teS burd) baS Söefen
unferer Statur fetber beftimmt merbeu fönne.'' sXlfo aui bie Otefultate ber brei
©runbfräfte beS SpredjenS, SJteffenS unb 3ät)tenö muß ber Unterricht aufgebaut
roerben. S)ie Sprachlehre mufj batjer aufbauen auf bie SÖortlerjre , b. t). auf
bie SJtittel einzelne ©egenftänbe fenneu ju tefjren unb biefe auf bie ütonlerjre,
b. f). auf bie SJtittel bie ©pradjorganc 311 bilben ; unb fie fetbft, bie Spiad)=
ober ötelmefvc Spredjleljre , ift nidjtS anbereS als bie 3ufam,nenfaffung ber
SStittel, burd) toeldje mir bafjin geführt roerben , uns über bie unS befaunt ge=
morbenen ©egenftänbe unb über atleS, maS mir an ifjnen (}u erfennen öermögen,
beftimmt auSbrürfen 311 fönnen. üDic 5ormle£)ie , beten praftifdje 23etf)ätigung
3eidjncn (unb 3d)reiben) ift, berurjt auf ber SJtejjfunft, biefe l)inmieber get)t auS
öon einer frjftematifdj geleiteten 2lnfd)auungSfuuft; unb roie bie Jonlerjre auf
ein 2135(5 ber ülöne als bie ©runbtage alter Sautcombinationen fjinfüfjrt, ebenfo
mu| aud) ein 2UBS ber 2lnfd)auungen als bie ©runbtage alter gormcom6i=
nationen gefunben merben fönnen. Unb ebenfo berurjt bie Stedjenfunft barauf,
bafj ein folctjeS 21936 ber Slnfdjauuug (}u ©runbe gelegt merbe , roelctjeS für bie
Operation mit ganzen 3ttf)len in ben angefdjauten Kombinationen ber @inf)cit,
für bie ^ertfjeilung ber (Sinljeit am übtlfommenfteu in ben £()eitungScombina*
tionen beS CuabrateS 31t fudjen ift. (S^eftatojjifdje (Sint)eiten= unb 23rud)tabellen.)
S)ie Stidjtigfeit ber 33itbung unfereS 93orftetlungSbermögenS , beffen ©runbhärte
3äl)len unb Steffen ftnb , rjä'ngt baüon ab, bafj bie Slnfdjauung ba§ abfolute
gunbament aller (Srfenntnifj fei, mit anbem äöorteu, baß jebe (hfenntnifj öon
ber 2lnfdjauung auSgefje unb auf fie muffe jurücfgerüfirt merben fönnen. —
(Sana in gleicher 3Beife nun mie baS trjeovetifdje ©rfeunen elementariftrt, b. tj.
auf ein 2153S fei eS ber Saute (©praetje), fei eS ber Slnfctjauung (3arjl unb
fjorm) jurüdjufüfjren ift, mufj aud) bae (Sebict ber ^ertigfeiten, b. tj. beS praf=
tifdjen ÄönnenS, etementarifd) gebitbet merben. Unb ba§ be^iefjt fiel) fomol
auf bie förperlictjen f^ettigfeiten (2193(S ber Äörperübungen, als ©runbfage eines
metfjobifdj=allfeitigen 2urnunterrid)te) als auf fcte fittlictjen (21936 ber fittlidjen
gertigfeiten); unb ^eftalo^i »eift am ©d)Iuffe beS 93ud)eS „2öie ©ertrub ifjte
$inber leljrt" in begeifterter Älart)eit nad), mie bie tjöc^fte SSegrünbung be§ fitt=
lierjen SSerljattenS , bie retigiöfe, if^re ©runbfräfte auS bem naturgemäßen in=
ftinctiüen 33ert)ältniß jmifcfjen SJtutter unb .^inb tjerauSjuentmidcln öermöge, fo
baß bie jur 33eftimmtc)ett gebrachten unb ftjftematifdj gemedten ©efütjte bet
2hbe , beS 33etttauenS, ber 2)anfbarfeit , beS ©etmrfamS beS ÄinbeS gegen bie
$eflatoa§i. 455
Mutter getoiffermafjen bat, 5133® bitben mürben, auf bem fid) bei* gan^e 23au
beS ©emüttjä* unb 2Gßitteniteben§ ergeben fann.
2)a§ finb bie pjtjd^otogiftijen ©runblagen ber Mettjobc ^eftaloaji'S. %n ber
2ect)nif ifjrer 2)urdjfüf)rung ertoieS fid) für $. unb ben s#eftalo33iantSmu3 bte
©crjranfe, bie alles Menfd)lid)e nur attmätjtid) 3ur Sotffommenrjeit freiten
täfjt. $. felbft ift ficb, tjier aud) gar nitfjt immer gleid) geblieben; bie 2lnmen=
bung be§ gegenteiligen UnterridjtS, bie gleichzeitige SBefdjäftigung ber Äinber
burc| Unterricht unb S9ett)ätigung ber |>anb tritt 3eitroeife in ben ^orbergtunb,
3eitroeife roteber böttig 3urücf; ber 33erfud) bie Slnfdjauung be§ Äinbeö juetft an
feinem eignen Körper 3U üben, erroieS fid) als entfdjiebener Mißgriff. üDafe ber
Mettjobe als foldjer, b. 6,. nidjt irjrer pfrjcrjotogifcrjen ©runblage unb ^bee, fon=
bem ber (hfdjeinungSform berfetben, bie fie burcr) bie päbagogifdjen Srperimente
^eftaloäji'i unb feiner Mitarbeiter erhielt, Unfetjtbarfeit 3ugefcr)rieben unb ba=
burd) baS Med)anifct)e biefeS MettjobifirenS anftatt ber freien geiftigen SJermer*
tfjung jener ©runblagen als baS unbebingte |)ilfS= unb Heilmittel ber menfdj*
licfjen Gmttoirftung fjingeftetlt ttmrbe, rjat fiel) im 2tuSgang ber praftifetjen (Sr3iet)ungS=
unternefnnungen Sßeftaloaji'S unb in ber £rjatfadje aufs bitterfte gerächt, bafs bie
öäbagogifctje (Snttüidtung, bei aller ^ocrjadjtung für 'Jßeftak^i, fe^r rafer) über ben
5ßeftato33ianiSmuS feiner unmittelbaren jünger jur SageSorbnung gefdjritten ;
aber auf ben geiftigen ©runblagen, bie ^p. für feine eignen öäbagogifdjen (hüerimente
mit ber ganzen ©djärfe unb Eingebung feines ®eifteS aus ben liefen ber
Menfdjennatur IjerauSgegraben, baut bie Menfdjrjeit immer nodj fort unb toirb
biefelben fid) nidjt metjr 3ufd)ütten laffen. 2tud) biefe (Srunblagen finb nidjt in
altem detail ber Darlegung unanfechtbar ; aber fie maren ein rebtietjer unb geift=
Polier ^erfud), fid) über bie pftydjologifdje ©eftaltung aEer Menfdjenbitbung inS
Älare ju fefcen; biefer Serfudj 30g barum bie allgemeine 9Iufmerffamfeit auf
fid) , roeit er bem fingen ber $eit , bte Menfdjennatur ju ergrünben unb ju
rjeben, berebten SluSbrud Perlieb, unb toeil ber Mann, ber ifm tfjeoretifdj getrau,
3ugteidj auf bie praftifetje Surdjfüfjrung, bie er unb begeifterte Mitarbeiter in
SBurgborf ber Söett bor Slugen fietlten, Ijintoeifen tonnte, unb biefe 23egeifterung
tjinroieberum, toeldje bie Mitarbeiter an baS gemeinfame SBerf feffelte unb reelle
Pon itjnen auS aud) auf bie jarjlreidjen 53cfudjer überging, mar bie SBirfung einer
^erföntidjfeit, in meldjer ber (SJrunbfatj ber Ijingebenbften SSegeifterung für Menfdjen=
roorjt: 2lüe§ für Rubere, für fid) ftidjtS! gleid)fam eine lebenbige Skrförperung
gefunben.
©0 mütjebott $. fid) ju einem enbtidjen Gelingen rjatte emporringen
muffen, fo fdjnell boösog fid) nun in Surgborf ber tlmfcb,toung : fetjon 1803
3ab.lt ba§ Mtitut über 100 3öglinge, 5ß. fter)t auf ber £ör)e be§ 2öeltrul)m§
unb bon allen ©eiten pilgern ©djaaren päbagogifcrjer jünger b.eran um irjn
fennen 3U lernen, ba§ ^nftitut 3U beftc^tigen, bie Metfjobe 3U ftubicren. ®i ift
eigentlich ein rounberfameS ^änomen: ber Mann, ber seitlebenö nic^t ortr)o=
grapb.ifc^ unb ftilgeredjt fd§reiben tonnte, tnirb ber ^ropb.et für bie Metl)obe be§
Unterrichts; ber Mann, ber in feiner Dtaioetät ben greunben geftanb , er ber=
berbe (burd) feine blinbe ©utmütt)igteit) atte bie, mit tneldjen er 3U tl)un tjabe,
ber ^}ropt)et ber @r3ieb,ung ; ber Mann , ber nur in ber ©egenteart lebte unb
beffen geiftigeS Seben nad) 9tieberer'§ treffenbem SluSbrud eigentlich feine ©e=
fcb.ic^te blatte, eine 5perfönlic^feit bon centraler cutturgefcb.iditlic^er SBirff amf eit ;
ber Mann, ber fo3ufagen nie über bie ©re^en feines fleinen S5aterlanbe§ tjer=
ausgefommen, siebet bie SSerounberer auS aüer Söelt 3U ftcr) b/ran; ber Mann,
ber fid) fetbft ber abfotuten 9tegierung§unfäfjigteit auflagt, mar ber fjerrfdjenbe
Mittelpunft unb ber ©egenftanb einer Eingebung, bie ba% Unmöglictje um feinet^
megen mögtidj 3U machen fudtjte. 3So man funfieijt, ftefjt man öor lauter 2Bibei=
456 sMtaIoä3t.
förttdjen unb ftnbet bie ßöfung faum anberiroo unb anberiroie ali in ^eftalo^i'i
etgenem 9Iu§faru<f) : „Man Ijat mir in meinen $nabenfcr)uf)en fctjon geörebtgt, ei fei
eine tjeilige ©actje um bai öon unten r)eraur bienen; aber icrj fyabe jefct erfahren,
um 2Bunber ]ü leiften , muß man mit grauen Jpaaren öon unten rjerauf
bienen."
SDie Säuberung bei einfachen naturöotten Slnftaltilebeni, tt>ie ei in s$efta=
lo3<ji'§ *perfönliä)feit feinen ©emütt) unb SBitten tief anregenben Mittetpunft
t)atte, bie 5)arfteÜung bei Unterricrjtigangi , ber religiöi=ftttlitf)en 9lbenb= unb
Morgenuntertjattungen, bei unge^mungenen Verferjri }toifcrjen ßefjrern unb 3ög=
lingen, — t)ier ini nätjere auieinanberjulegen mürbe ju roeit tütjren unb ift,
feitbem bie bieifätttgen 2luieinanberfe£ungen Don Sotjaur. , ©runer, Dtamfauer,
ütürcf, £or(iij u. a. in ber neuen ^cftalo^ilitteratur roieber allgemein jugäng=
Itd£) gemacht morben finb, audj nict)t metjr notljmenbig. 3Bir roenben uni batjer
abfdjließenb bem äußern ©ang ber ©cfyiclfale ^eftalo^i unb feiner Unter*
netjmungen ju.
2luf ber «g>öt)e , bie s$. gleirf) in ben erften ^atjren in SSurgborf erreichte,
bermoctjte er fict) unb feine (Sr.jietjungiunternebmungen ein öottei SirjrjeCjnt
3u galten unb eigentlich, erft öon 1817 an beginnt bie lieber ^eugung ftdj au%
gemeine Satjn ju brechen, baß ei Mbenb merben motte. 3n ber 2Bittroe feinei
einigen ©oijuei (bie fict) fpäter mit einem .§errn ßufter oeretjelictjte) erhielt *ß.
eine öor^üglictje, itjm treu ergebene Veforgertn bei meitläufigen Jpauitjaltei.
S)ai 3»at)r 1803 brachte Ujttl in lieberer unb Muralt jroci Mitarbeiter, bie an
ßücfenlofigfeit t)5t)erer Vilbung ilm überragten unb mit ber gleichen Eingebung,
mie ber eimadjc Ärüfi , ftd) an feine Unternehmung anfäjloffen , in feine $been
einlebten. 3lli '$. 1804 Sd)loß Vutgborf räumen mußte, ba bie neue Mebia=
tioniregierung bei Äantoni SBern bai ©ebäube für ftaatücfje ^toede )u bebürfen
erklärte, magte biefetbe ei bodj nictjt. tro^ alter Voreingenommenheit gegen ben
(Jmporfömmling ber Üteöolutton, it)n fo gerabe^u ]u öertrciben; fie bot ttjm bai
$or)anniterl)aui in Mündjenbudjfee für feine oroecfe an; auct) roaabtlänbifcfce
©täbte tuben ifjn ein, in iljren Mauern bie s31nftatt fort,}ufet$en. *p. ging nact)
S3ucr)fee. — 6ine SBiertelftunbe öon Vudjfee liegt ber 2önlt)oT ( „öoTroöl"), too
ebenbamali ber *ß. öon ^ugenb auf betannte unb mit beffen ©otjn gleichaltrige
5|}. (5m. ö. 5ettenberg (1771 — 1844) bie ©runbtagen feiner großartigen 6r=
•jictjungiinftitute legte, au $ar)ren um ein Vierteljatjrlmnbert jünger ali '$., ein
Mann öon eiferner dnergie, reichen Mitteln unb tjofjem Drganifationitalent.
2öai lag näljer, ali eine Verbtubuug beiber nact) ben gleichen fielen fttebenber
Männer, bie fid) in fo gtücflidjer Söeife in i^ren @igenfd)aften ergänzten'? ©o
urtljeilten öor allem ^ßeftalojü'i Mitarbeiter lobler unb Muralt; fte fnüöiten
unter ber Jpanb mit Wellenberg an; v^. felbft ging auf ben ©ebanfeu einer 33er=
cinigung ein unb fo entftanb ber ^}tan, ein sJici3 öon 6rjiel)ungianftalten ju
grünben, beffen Drganifation Wellenberg leiten, beffen Seele ty. fein füllte. S)ic
2lnftalt in Sudjfee trat unter %eUenheT%% Sßerroaltung ; ^. felbft ging junäctjft
nact) uferten, um bort bai brüte ©lieb biefei Crganiimui ini Öeben ju rufen;
aU öievtei mar »ßatjerne ober Slöenctjei in 2luificrjt genommen. 91ttein bie mit
fo großen Hoffnungen angefnüöfte Veibinbung mar nidjt öon S)auer. ty. unb
Wellenberg maren beibe ju fdjarffantige originale Naturen , ali baß nicfjt Miß=
öerftänbnifie unb Reibungen bätten entfielen muffen; ba^u tarn, baß Wellenberg,
eben bamali föröerlicr) leibenb unb jubem noclj in ber jugenblicrjen Sßotttraft
feinei ebenfo rüctfict)ti= ali rücft)altilofcn SöoKeni, ^eftalo^i'i Mitarbeiter ftcfi
burcl) feine launenhafte Haltung grünblicl) entfrembete. ©dion im fyrü^ja^r
1805 töfte fiel) bie Vereinigung, nidjt oljne fjerbe gegenfeitige Vefdjutbigungcn ;
£ef)rer unb ©diüler öon Vudjfee 3ogen ju ?ß. nad) Herten b'nüber; im ^u^
Sßeflal03it. 457
mar ba§ ganje £>aus bafelbft roieber bereinigt. Unb bie nädjften Jftnj ^aljre
blüfjte nun ba§ j^nftttut in ^fetten ju fiets rjötjerem ©tanje empor, 3öglinge
au§ aller ßerren Sänbern ftrömten ifjm 511 ; junge (Srjierjer unb Sefucfjer eilten
gerbet, um tjier fürjere ober längere 3«* bie „9Jtetfmbe }u ftubieren. ftufj*
lanb unb ^reufjen fanbten öon Staatäroegen Jünglinge at§ (Heüen 3U biefem
3mecf, let$tere§ bie brei fpäteren Schulmänner Äaraerau, Steift unb jpenning.
lieberer leitete bie tittetarifcfje Srjätigfeit, gab ^eftalo^ji'i Satfiellungen bie
SBeitje eines" in ber gelehrten 2öett rjoffätjigen Stils unb rebigirte 1808 — 1812
bie „Sßodjenfdjrift Tür 'IRenfctjenbilbung, herausgegeben öon ^einricrj 5*eftalo33i
unb feinen greunben", bie bie $been *ßefta(o3ji'3 als pubtiäftifcrjes Organ öer=
breiten fotlte; man fam fdjliefjlidj auf biefem ©ebiete fo roeit, bafj nadj bem
Vorgänge Salsmanns in Scfmepfentljal unb bes äöaifenfjaufes in ^>aüe mit bem
^nfiitut eine eigene 5hicf)brucferei unb '-Buctjfjanblung öerbunben mürbe, hieben
bie ihiabener$ter)ungsanftalt trat eine 2Jiäbcr)enpenfion, oon grau dufter geleitet;
unter ber teueren mirfte ütofette Äaftfjofer ffpäter ftieberers" ©attin), bie 1813
bas 1Iftäbcr)eninfiitut auf eigne 9tedmung übernahm, ^eftalo^ji'i £f)ätigfeit nadj
allen Seiten mar eine faft übermenfctjticf)e. 5öHt fettenen s2lusnarjmen mar er
leben borgen um 2 Ufjr roadj unb begann feine fcfjriftftetlerifcrjen arbeiten;
Bei bem ©eroütjl be§ Sages jtütfcfjen Zöglingen, Sefjrern unb ©äften fagte er
root einem befudjjenben greunb mit bem 2lusbrucf innern ©lücfs: „@s gab
ung'rjür!" ©teilen difer erroartete er aucf) öon ben Setjrern, jumal öon ben
in feinem <£aufe gebitbeten Untertefjrern ; „es" gab %a.f)xe" , erjagt IRamfauer,
„in benen feiner öon uns nact) 3 lltjt 5)cotgens im Seite geiunben mürbe, unb
man arbeitete Sommer unb Sinter öon 3 — 6 Uf)r". 9lber eben ber ©lan3,
ben bas ^nftitut öerbreitete, barg audj bie $eime ber 3erfeüung in 1«$- S)«
Sage bes ^nftitut§ an ber ©ren-je jmeier Sprachgebiete trug 3ur SSermefjrung
ber 3ögünge bei, aber fcr)äoigte bie @inf)ett ber erjiefjertfdjien (Sinmirfung unb
3wecfe. 9Jtan mottle eine 2lrt liniöerfalinftttut roerben, narjm bie alten Sprachen
in ben Unterridjtsplan auf unb öernacrjläfjigte barüber bie (Jlementarbilbung.
Sie (Säfte öerbreiteten ben 9tur)m bes ^nftituis, aber ir)r beftänbiges kommen
unb ©etjen machte geregelte Slrbeit unmöglich) unb feijte ber ©eiaf)r aus, au* ben
Scfjein Einzuarbeiten. Sie titterarifdje Jfjätigfeit mar eine notrjmenbige @r=
gänjung für bie Verbreitung ber $bee , aber fie jerfplitterte 3eü, J?raft unb
Stimmung ^eftato^ji'i unb Dcieberer's unb fctjäbigte baburcf) ifjre erjieijerifctje
Sßirffamfeit. S3ucf]brucferei unb 33uct)l)anblung roaren eine ftänbige SBerfucfjung,
bie Slrbeit barjin 3U tieften, um biefem ^eben^meige 35efcr)äftigung 3U geben,
unb bei ^eftatojji'i unb Dtieberer's (SefcfjäftsunfenntniB ein jetjrcnber Scfjaben
für bie ginanjen. Set ^nftitut§organismus mar nactjgerabe ju groti geroorben,
all bat3 ^efialo^i'S ©eift allenthalben in feiner ftitlen ßraft tjätte mirfen
fönnen, unb menn ba§ nid£jt meb^r ftattfanb , fo maren ^ß. unb lieberer am
roenigften geeignet mit feften Crganifation^formen nact)iut)elfen. Sie Ser)rerfct)aft
toar bis über bie 3<i|t öon 30 Sefjrfräften angeroacfjfen ; bie älteren ÜJtitar6eiter
fonnten ftc^ in bem burct) ifjre ^ittjilfe gemonnenen 9tufjme§gtan3 , mürben in
ber SrfüKung ifjrcr täglichen ^fficfjten bequem, unb alle glaubten, öon ber Un=
fef)tbarfeit, bie ba§ ^nftitut in ber öffentlichen Meinung behauptete, aucl) einen
2tntf)eil genie|en 3U fönnen; ba§ fdjuf Siffonanjen. Sfofepf) Scfjmib , unter
^eftalojji's Jüngern Sefjrern fein befonberer Siebling, ein tüchtiger sFcatfjematifer,
aber ofme jureicfjenbe 3ltlgemeinbilbung, öerlieB bie 2inftatt 1810; im
gteicfjen 3af)r folgte bem Stufe all reformirter ^rebiger naef) Petersburg sUluralt,
öon beffen 3Bitbung unb rubig praftifcfiem Qöefen bie Dcäcf^ftftcfjenben am efjeften
erroartet fjätten , er merbe im Stanbe fein , bie auleinanberftrebenben (Slemente
5ufammen3uf)alten. Sängft fct)on f)atten aber ha unb bort Stimmen öerlauten
158 Wtolojji.
(äffen, aud) in ber ^rejfc, e§ ftc^e in uferten nid)t atteä fo gtänjeub, roie öon
bort au§ öerbreitet roerbe. Um btefen Angriffen ein Ombc ]a machen, liefe fidj
<p. burd) ben ^iatt) ieinev Mitarbeitet 1809 bemegen, öon ber £agfakung eine
officielte (Jjpertife ju »erlangen. 2>ie Jagfafcung ging auf ba§ ©efud) ein unb
ernannte P. ©irarb in ftreiburg, s$rofeffor Jrädjfet in Sern unb IRattjsrjcrrn
Merian in 33afel ju $rüfung3commiffären. «Sie famen , blieben brei Sage in
uferten ; ifjr 93eric|t , öon ©irarb öerfafjt , roarb im fotgenben 3fat)re ber Iag=
fafeung üorgetegt unb gebrueft. @r lobte , raa$ er nur immer loben tonnte,
fabelte in ben mitbeften formen, fprad) mit ber f)öd)ften @f)rerbietung öon ty.,
aber burd) att ba§ tonnte unb füllte nirfjt öerfjütlt merben, bafj bie ®ruub=
anfdjauung ber Gommiffion baf)in ging: ißieteä ift im einzelnen gut unb finnig,
aber es greift nidjt ju einem bem 33ebürfniffe ber 3°gfinge entfprccfjenben,
roorjtburd)bacr)ten unb abgefd)toffenen ©an^en jufammen, — ober mit anberu
Sßorten : e3 roirb üiel ju berjaglid) erperimentirt unb man rut)t ju fetjr auf ben
Lorbeeren einzelner gelungener (Srperimente au§ — ; unb bas ©anje ift nicfjt
bnyi geeignet, bafj bie öffentlidt>e Sd)ule burd) 3lnfcf)tufe an baä $n|"titut einen
mejentlicfjen sJtutjen öon bemfelben jierjen tonnte. Dbgleid) bie lagfatmng ty.
auf biefen 25ericf>t bin ben $anf bcS iSaterlanbes ansfprad) , mar mit eben
biefem 33eridjt baS Urtfjeit über bas ^nftilut gefprodien ; bie Hoffnung , bajj
baffelbc ber ^luägnnaspunft für bie jufünftige (Jntmicflung beg fd)roei($eüfd)en
Scfjulroefene merbe , mar abgefdmitten. St8 Sßrtoatinjiititf freilict) moct)te eS
roeiter mitten, unb auet) mit (£t)rcn fottbeftetjen, unb ^eftalojji'ö Qebenäabenb
fid)er fteüen unb erfreuen. Silber nun mar ba§ Söetfyängnife, bafe bie teitenben
"Jüerfonlidjfeiten, ftatt ftcf) ber innern iReorgauifation ju roibmen, glaubten, auf
pubticiftifdjem äßege unb buref) neue päbagogifdje (Sntberfungen für bie @f)re be§
i^nftituteS einftetjen JU foüen. Mit fieberbaTtem Stfer marf Tief) 4$. auf bie
Anmenbung ber Metfjobc für bie alten Sprachen , lieberer auf bie litterartfcfje
^otemü, an ber fict) aud) 5ß. burd) feine ;J,nfcr)rift „an -£)rn. ©etjeimratfj
5)elbrücf" unb „Srflärung gegen <prn. Sfjottyen SBtjmi" 1812 13 betfjeiligte.
Sie ^inan^en gcrietfjen tu immer l)eillofere ^müttung; aße§ festen auB 9tanb
unb Sanb getjen ju foüen. y. rief nun auf yJiieberer'ö drängen 1815 ©djmib
jurücf , ber ein grofjeS otganifatotifdjeä Talent befajj ; mit gewaltiger ^panb griff
ba§ iöorarlberger ,/Jiaturtinb" ein; man erroacfjte ]u neuer Hoffnung. 2)a ftarb
im 2)ecember 1815 ^eftalojjv'ä treue ©attin , bie in ber lebten $eit nadj bem
Xobe ber ftxau ,\lufter buref) bie allgemeine 2l<f)tung, in ber fie ftanb, bat öer=
föfmenbe Mittetgtieb geroefen. 3ln iljrem Segräbnifetag, bem lti. 5£)ecember 1815,
brad) ber offene Streit unter ben Mitarbeitern au§; 1816 fctjieben Ärüfi unb
Slamfauer; 1817 fagte ftd) lieberer öon s^efta(ojäi'ä ^nftitut los\ Sei bem
Mangel au £etjrern (burd) metjrfad)e Maffenaultritte üeranlafet) roaren bie Unter»
teurer überanftrengt unb reüottirten nun (%üti 1817): ty., öon all ben Aufregungen
überreizt, mürbe öorüberget)enb gemüttj^franf. @in 5ßerfud) be§ fran^bftfdjen
©eneralinfpectorS ^üüien , eine neue 3}erftänbigung beg in ber ©enefung be»
griffenen ©reife§ mit Wellenberg fjerbeijufütjten, Ijatte ben gleiten Verlauf mie
baä ©rperiment be§ 3far)re§ 1804: juerft öoÜftänbige Einigung, bann immer
größere ©ntfrembung, unb enblid) — unter Sd)mib'§ Sinflujj — gän^lid^e @nt=
jtoeiung mit beiberfeitigen SSormürfen. % warf fict) nun üottftänbig Scljmib
in bie 2lrme, ber burd) einen günftigen Vertrag mit Sotta über bie ^erau§=
gäbe fämmtlidjer 2Cßerfe ^efialojäi'ä, beffen 2llter forgenfrei geftettt. süloä) ein=
mal jd)ien ^eftalo^i^ Stern aufauleudjten. 1818 grünbete $. in ber 9tätje
öon Sfctten, in gleubt), eine 2lrmener3ier)ung§anfta(t, bie jebod) fdjon im brüten
^ab^re irjreä 53eftet)en§ mit ber 5lnftalt ju ^fetten öetfd)motjen tourbe. 5Da3
^nftitut mar buref) Sd)mib, ber $. nunmehr unbcfdjränft befjerrfdjte, finanjiett
'Mtalo^i. 459
gerettet; aber ^eftalojji'» Seift, unter ©ctjmib'ä 2}ormunbfct)aTt gefiettt, bermoct)te
nidjt metjr baffelbe mit feiner fctbfttofen Eingabe ju burd)teuct)ten unb 3U er=
Wärmen; e§ trieb 3ufefjenb§ ber 5Iuitöfung entgegen, bie burct) tjäfjtictje ^roceffe
3tDtfcrjen ©djmib unb ^. einerfeitä, lieberer unb ßrftft anbrerfeiti, oefdjteunigt
Würbe. 1825 mufjte 0. bie Stnftatt fdjtiefjen unb 50g ficrj 3U feinem Gmfet auf
ben 9ceut)of äurücf. Sebenibotl wie immer , rafttoä ttjätig in fcrjriftfteEerifdien
Seiftungen (1826: „©d)Wanengefang", „Steine 2cbenefd)icffate at§ 5ßorftet)er
meiner (S^ietjungeinftitute in ©urgborf unb uferten", „Sangenttjaler 9tebe")
unb mit großen $rojecten betreffenb bie 23erwertt)ung feiner Metfjobe mr ba§
©tubium ber alten ©bracfjen befctjäftigt, trat ty. in ba§ neunte SDecennium
feinet Sebeni ein , al§ ein fiel) blötjlict) berfdjtimmernbei (Steinleiben itjm in
25rugg, wo er är3tliet)e ^»ilie gefudjt, am 17. gebruar 1827 ben Hob bractjte.
©ein ©teibebett mar 3eufle meiftertjafter ©tanbrjajtigfeit im ßeiben , flarften
SSemufetfeini unb feinet unbegrenjten 5ßettrauen§ 3U bem Mann, um beff enteilten
ftd} feine treuften unb älteften jünger bon ifjm getrennt, ©ctjon am 19. gebruar
warb ty. in 23irr beftattet; e§ mar ein faltet Söintertag, ©ctjnee fiel; i>ie ent=
fernteren SSefannten tjatten nidjt frürjjeitig genug benacrjrictjtigt werben tonnen;
baä Seictjengeteite mar Kein; Setjrer unb ©djüter ber Umgebung fangen itjm
in§ ©rab.
SSon feiner gamitie überlebten ttjn fein Snfet ©ottlieb (t 1863 in pürier))
unb beffen ©attin, ©djmib'ä ©djwefter $att)arina (geb. 1799, cob. 1822,
t 1853) unb fein Urenfel $art (geb. 1825, gegenwärtig ^rofeffor am Sibgen.
*polt)tect)nicum) ; ebenfo bie meiften ber in feine 2ebensgefd)ict)te eingreifenben
Mitarbeiter: Hermann Jhüft, geb. 1775, f 1844 al§ ©eminarbirector in ©aii:
©uftaö Hobler, geb. 1769, bon 1800 an 3U berfcfjiebenen diäten ^eftalo^^i'i
Mitarbeiter, f 1843 3U ftbon; 3otj. Gtjriftopt) S3ufc, geb. 1776, 1800-1805
6ei ^eftaloäji, f 1865 in Sern; 2fot). b. Muratt, geb. 1780, t al8 ^rebiger
ber beutfetjen reformirten ©emeinbe in Petersburg 1850; $ot). lieberer, geb.
1779, f 1843 als Sorfteljer eine§ £öd)terinftitutes in ©eni, unb 9tofette
lieberer geb. üafttjofer (1779—1857); ^otj. Sftamfauer, geb. 1790, f 3U
Olbenburg 1848; Sofebfj ©d)mib, geb. 1785 ober 1786, nacrj 1825 $ribat»
lefjrer in s4}ariä, f 1850.
fyür ^eftatoäji§ Seben finb bor altem au§ mafjgebenb feine eigenen
©djriften, bie in fotgenben ©ammetwerfen pfammengeftettt finb: 1. 5pefta=
toä3i'§ fämmtticfje ©d)riTten 33anb 1—15, Stuttgart bei ßotta, 1819-1826
(bie Mängel bitfer Sluigabe finb befannt). — 2. ^eftalojji'e fämmttictje Sßerfe.
©efictjtet, berbottftänbigt unb mit erläuternben (Sinteitungen berfetjen bon
ß. 2B. ©enffartt), 18 2t)eite in 9 Sänben, 23ranbenburg bei 5t. Mütter,
1869-1873. — 3. 3. #. $eftato33i's ausgewählte SSerfe. Mit ^eftato^
23iograb£)ie, t)r§g. bon fyr. Mann, 4 SBänbe, Sangenfalja bei £. Serjer,
1878—1879. —
©eit ber Verausgabe ber Sßerfe ^/§ burct) ©erjffartt) finb in ben ,,^efta=
to^jibtättern", Ijreg. bon ber ßommiffion für bas ^eftato^äiftübetjen in 3ütictj
(juerft im ßorrefbonbenjbtatt bei 2lrcl)ib§ ber ©ct)W3. perm. ©ctjutaueftetlung,
1878—1879, bon 1880 an fetbftänbig) , an ©ctjriften 5?eftato35t's , bie in
jener 2lu§gabe fetjten, erfctjienen: 1878: 2ln bie greunbe ber Menfctjen unb
an -ipelbetiens greunbe. — 1879: allgemeine begriffe bon ber ©efettfdjaft
ber ^lluminaten. — 1880: $been 3u e. ctjrifttictjen Sieb für eine 3lrbeit§=
ftube meiftenS armer tfinber. — 1882: 3}erfud) einer ©fi33e über ba§ SBefen
ber (Hementarbübung (1826). — 1885: Memoire über bie 33erbinbung ber
SScrufSbitbung mit ber 35olf§fct)ute (1790). — 1886: 3uvuf an bie Sewotjner
bei bormatg bemofratifeljen 6anton§ (1798). — Sin ^pefbetieni 5Solf, 9lr. 1
460 Sßefteloajfc
(1798). — lieber bte ^tebetlaffung ber ^roteftanten im Söelttin (1790). —
2)te (Sutadjjten 5ß'8. über bie üolfäroirtbfdjafti. 93erbäüniffe im ßant. ^ürtd^
ftnben fid) bei 3ehnber=©tablin, i*eftatojji. ©otba 1875. — (Sine Iftetlje 3. £r).
umiangreidjer Slctenftücfe au8 ^eftalo^i'ä 5eoef ftnb jum etfteu IDlal in
3Rotf'8 33ud) „3ur 93tograpf)ie ^eFtaloaji'S" öeröffentlicftt.
©ammeimerfe öon 2lu^tigen au§ s4$eftalo3ji'8 ©djriften: 1. 9i. <5tjrtftoffel,
^epaloaat'8 Seben unb 9lnfitf)ten. $üxiü> 1846. — 2. Dr. 91. 93ogel , ffiie
^äbagogif 3- <£>• S+V3 in roortgetreuen 9lu3pgen. 33ernburg 1882. —
3. Dr. 91. Sßogel, ©öftematifdje $aifieHung ber $äbagogif 3ob. £>. «p.'8 mit
burebgängiger Eingabe ber quellenmäßigen 93elegftellen. Jpannober 1886.
S)ie 9(u3gabcn einzelner 2Berfe mit ©peciateinleitung unb ßommentar finb
jarjlreid) in 93e,}ug auf ßienbarb unb ©ertrub 1. u. 2. %t)l. u. 2Bie ©ertrub
ibre .ftinber tebrt. 3)a8 ^eftato^iftübcfjen bat tjerauSgegeben : ßienfjarb unb
©ertrub, 1. u. 2. Jtjeil „Jubiläumsausgabe ^ürid) 1881. dritter u. öierter
£t)eit 3^tic§ 1883. — Steine 'ftacbjorfcbungen über ben ©ang ber Statur
u. j. ro. ßüricfj 1885.
Urtbeile unb 93ericr)te öon 3eitgenoffen über ty. unb feine ^tettjobe :
1. ©runer, »riefe aus 23urgborf 1804; 2. 9lufl. ftranffurt 1806. — 2. ©orjauj,
^eftalo^i, jeiue ßefcatt unb feine 9lnftatten. Seipjig 1803. — 3. 2ö. ti. lürcf,
»tiefe au8 s3Mnc6enbucf)fee. ßeipjig 1806. — 4. §. lieberer, ^cftalo^i's ®r=
jidjungsunternetjmung im äkrhältnifj jur geitcuttut. 2 33be. Stuttgart
1812, 1813. — 5. #etbatt, ^eftalojji's $bee eines 91331V ber 91nfcbauung.
(Hattingen 1804. — 6. lorlitj, Steife in bie ©djroeia, öeranlafjt burd) ty. unb
beffen v'etjvanftalt. .ffopenbagen u. ßeipflig 1807 (9Ibbrutf ber auf ^. be^üg.
»tiefe ^eftatoäjibt. 3ab>g. 1884). — 7. Senffdjtift auf ©. #. 2. Wicolo*
biu8. 53onn 1841 i9lbbrucf ber auf $. be',üg. ©teilen ^eftalo^ibt. Sabrg.
1885). — 8. Henning, s)Jlittbeitungen über ty. im „©cbulratb, an ber Dber"
1816 1817 (9lbbrucf ber au? $.'8 Sugenb bej. ©teilen tri ^cftalo^ibtätter
1885). - 9. ©egenfcrjrift gegen $.'8 ßebensfcbicffale : @. SBiber, Beitrag jur
33iograpt)ie .£>. %'i. ©t. ©alten 1827.
Memoiren öon Mitarbeitern: 1. $. 9tamfauer, $ur,}e ©fijje meinet päba=
gogiftfjen SebenS 1836. 2. 9lufl. Dtbenburg 1880. — 2. Ütamfauer u. 3al)it,
^eftatojjifd^e Blätter 1. Jpert: Memorabilieu $. Ütamfauers. (Slbeifelb
1846. — 3. 4peft : Ärüft , (Erinnerungen aus meinem päbagogtfdjen Seben.
Stuttgart 1840. — 4. $. lieberer, ^eitalo^ifcfie »lättet. Slawen 1828, 1829.
sJlue ber übrigen £itteratur über ty. , bereu (bamal8) annatjernb tiott=
ftänbige§ 93er3etd)nife baS Sorrefponbenjbtatt be§ 9lrd)iö8 ber ©djroetj. ©d)ul=
au§|teüung II. ^atjrg. 1879 sJtr. 3 (auf 16 ©eiten) enthält, tjcbcn mir t)er=
öor: 2ötod)mann, k. %.. |>einrid) $efta(o^i. ßeip^ig 1846. — gfyaöanneä,
Biographie de H. P. £aufanne 1883. — ©uittaume, $., Pestalozzi im
Dictionnaire de Pedagogie öon 5- Suiffon, lere partie (pages 2283 — 2358).
}sari3. — 9tog. be ©uimpö, Notice sur P. 1843 (in8 S)eutfcfie überfebt:
■0. 5p. nadj feinem ©emütt), ©treben unb ©crjiclfa(en. Olarau 1844). —
jpunjifer, ■£)., ^eftalojji unb 5eüenberg. ßangenfatja 1879; — Speftalojföi
(in |>unaiter'§ ©efcfcid)te ber fcbwei(v 93olf§fd)uIe II ©. 73 ff. gttridj
1881); -- «Peftoloaji unb Dtouffeau. SBafell885; — ^eftato^t'ß $been über
^rmener^iehung auf bem 9teubof (in 33üblmann;i ^rarie ber fdjroei,}. Sotf§=
unb «mittelfcfiute 1. 3a£)rg. 3üric& 1881); — ©lüpbf, ber ^bealfcbulmeifter
in Sienfoarb unb ©ertrub (ib. 2. Sabrg.) — Ärüft , -jp., Pestalozzi . his life,
work and influence. 9leto=?)orf 1875. — $r. 9Jtann, 35iograpbie $'§. (in
58b. I ber auägeroäbtten äöerfe 5p.'8). — Mörifofer, ^eiurid) jpeftalojji (in
ber ®efd)icBte ber fdjroeiä. ßitteratur beg 18. 3&b. ßeipjig 1861). — $. «ötorf,
3ut «iograpbic ^eftatojji'i. Sanb I— III. Söinierttntr 1868, 1885. —
Wtel. 461
3- Weberei, ^ßeftaloaai, in ben ^efialojaifcrjen blättern 1828, neu abgebrudt
als „"JSeftalo^i nad) ftieberer'S ©djilberung" in ben „speftaloaaiblättern"
1880. — 5ßaro<j , 3- < Pestalozzi, sa vie, sa möthode etc. 23ern 1857. —
^ßeftalo^i, fein ßeben unb äßhfen einfad) unb getreu erjät)tt, l)i'Sg. Don ber
3ürcfj. ©djuIfDnobe (öetfafet öon £$. 33är). 3ürid) 1846. — ^eftalo^iblätter
IjerauSgegeben Don ber ßommiffion für baS ^eftalojjiftübcfien in 3U1^-
1.— 8. Mrg. Sütic^ 1880—1887. — SDaS $eftalo3äifiübd)en in 3üridj.
3üricl) 1886. — 5)3omp6e, Etüde sur la vie et les travaux de Pest. ^ßariS
1850, 1878. — ©erjffartl), ß. 2B. , ^eftalojji. nad) feinem ßeben unb aus
f. äBerfen bargeftellt. 6. 9luft. ßeipjig 1876. - 3el)nber=©tablin, Sofepfnne,
^eftalo^i; 3bee unb 9Jlad?t ber menfd)l. gntmidlung. 1. 23b. ©otfja 1875.
-^un^if er.
gefiel: grieb rid^ 2Bilf)elm *p., 9ted)t§gelet)Tter , geb. am 7. Januar
1724 in Rinteln; f 16. Dctober 1805 in ßetjben. ®ie gamiiie lebte frütjer
in (üngtanb. Samfon ^., ein 2lt)nrjerr griebrid) 2BilI)elm§ , florj roäfjrenb ber
s$roteftantenOerfolgung unter Königin 9Jcaria aus ©nglanb nad) ^jolianb, roo er
als Hauptmann unb Gommanbant beS ©djloffeS Duisburg fein ßeben enbete.
5Deffen Wadjfolger mähten insgefammt bie juiiftifcrje ßaufbafm, unb hielten fid)
im Jpeffifdjen ober in ben benachbarten 23e3hfen auf. ©amfon'S ©ofjn (ber Ür=
UrgrofjDater gviebrid) 28itf)elmS), 3»ot)anne§ 5)3., war ftatljSfjerr in preufjifd)
IDttnben; beffen ©orm (UrgrofjDater ftriebrid) 2öilt)elm§) 2)aüib «ß., julefet (1662)
^rofeffor beS @obe$ unb beS ßetjenredjteS 3U Rinteln, morjnte 1648 als gräfl.
büdeburgifd)er ©efanbter bem roeftpl)ättfdjen ^riebensfdjtuffe bei, unb ftarb am
20. SDecember 1684 im 82. ßebenSiatjre als ©enior ber Uniüerfität. 6r Derf afite
23 2)iffertationen, bie bei Stotermunb 53b. V, ©. 1974 aufgejätjlt finb. —
2)aDibS Snfet, ber 3)ater unfereS ©etctjrten , griebrid) Utrid) ty., geb. am
25. Januar 1691 in Rinteln, rourbe nad) betn 33efud)e ber bortigen Unioeifität,
bann jener 3U granffurt a. £). unb ju ßetjben auf Anregung feines OnfelS,
beS ^ropfteS $., UntDerfitätSprof effor ; erhielt in Rinteln (Jnbe 1716 bie ^rofeffur
ber 9Jtoral, fpäter 1727 — nadjbem er am 21. 9ftai 1722 als Doctor juris
promoDirt t)atte, — jene für ^anbecten , unb ftarb — feit 1730 Primarius
feiner gacultät — Ijocf)gefd)ät)t am 3. 'Dcoöember 1764 mit ^interlaffung einer
großen Sln^acjl Don üDiffertationen unb Programmen, roeldje bei Teufel 23b. X,
©. 325 unb bei ©trieber 33b. X ©. 291 fetjr auSfütjrlid) aufgejagt finb. 2luS
feiner am 22. Sßlai 1722 mit ber 33ürgermeifterStod)ter (Slifabeti) Helene ßenberfing
auS Rinteln abgefdjloffenen Stje ftammen jroei ©ötjne.
griebrid) äöilrjelm, ber ältere bon beiben, ift am 7. Januar 1724 geboren,
fam fdjon 1739 auf bie ,g>od)fd)ule feiner 33aterftabt Rinteln, unb bejog fobann
©öttingen. SDort öerfal) er jugteid? bei bem älteften ©orjne be§ ©e^eimrat^|e§
Sßfjttibp 5lbolpt) ö. 3}lüncr)tjaufen bie SDienfte eines JpofmeifterS. S)anf feinem
gteifje unb raftlofem @t)rgei3e erroarb 5ß. in ©öttingen gebiegene Äenntniffe;
1745 rourbe er ßicentiat, 1747 S)octor beiber 9ied)te unb s^rofeffor ber 3florat
in Rinteln, nadjbem fein 93ater, ^riebrid) lllrid), 3U ©unften bei ©otjneS auf
btefe ^rofeffur öerjidjtet tjatte; bann im folgenben ^at)re (1748) au^erbem
orbentlidjer ^rofeffor ber ^ed)te, forjin ein ©pecialcoüege feinet 33ater§, roeldjer
ben ßefjrfturji für s$anbecten inne fjatte. 1763 folgte ftriebrid) äöil^elm bem
9iufe als ^ßrofeffor be§ natürlidjen unb beutfrtjen ©taatSved)teS mit anfet)nlid)em
©erjatte nadj ßettben; 1769 ertjielt er jugleictj ba§ ©ecretariat beS ©tolpifdjen
ßegateS für ©tubierenbe. 9ll§ eifriger 2Inl)änger beS Srbftatt^atterS unb ber
Oranienpartei berbr er roä^renb ber 9teOolutionSperiobe feine ©teile unb lebte
in äiemlidj fnappen 33erl)ältniffen bei feinem £>nfel , bem £)berappetlationS=
gerid)tsratr)e ^uftin ^erbinanb griebrid) ty. in ©eile. — Einige ^arjre fpöter
462 qßetcr, £>. t>. Äutlanb — ^eter, 58. t>. 2tug3butg.
rourbe er jebodj ruieber in feine ©teile eingefctjt, meiere er bis ju feinem £obe
(16. October 180-"») berfat). S)er 23erftorbcne mar aud) litterarifd) ttjätig. 93on
feinen meift flcineren — (Schriften, fanben bie „Fundamenta jurisprudentiae
naturalis" (Leidae 1773) nieten Entlang unb erlebten niedrere Auflagen (2. Leid.
1774; 3. Ultraj. 1775; 4. Leid. 1788). M) bet 2. Auflage erfd)ien eine
franjöfifdje lleberfetmng (Utrecht 1775), nadj ber britten eine rmttanbifdje bes
Slbbocaten gfriebridt) ban SSreba (Utredjt 1783), enbtidj 1806 eine beutfctje bon
Äonrab ffciebrid) sp, (Reiben), Oludj feine „Commcntarii de Ilepubl. Batava"
(l.eidae 1782) mürben unter bem Stitel: „33oüftänbige sJJad)ricr)ten bon ber
9tepubli£ <<potlanb" (Berlin 1784) bon Stegicrungsratt) "Ulebeg in« 2)eutfd)e über=
tragen, ©trieber liefert im 10. 93b. feiner tjeffifdjen ßeletjrtengefctndrte ©. 302
bi§ 308 ein erfcbopienbeö 5Berjeid)niB jämmtlidjer ©cfjriften nebft Eingabe ber
einfdjtägigen Otccenfionen. 33on feinen ©öt)nen ftubirten g^'c^^i^ Stanj
tf u b tu i g unb .Uarl gfetbinanb fy x i e b r i d) , 9lecr)teroiffenfdjaft , unb er=
roarben 1786 bejm. 1789 (teuerer unter feines Katers 33orfitj) ben 2)octorgrab.
3öd)er, III, 1417 u. ff- - - föotermunb V, 1971—1975. — ©triebet,
tjeff. ®et.=©efd). X, 283—308. - 3fntett. 031. b. ßpjg. 8iter.=3t. 1806,
3. 122. - lieber Stieb«. lUr. fß. noct) befonb. Teufel X, 324—328 unb
bie bafclbft benannten. ßifentjart.
sl>ctcr, ^etjog b. Äutlanb f. &. 2). 03. VI, ©. 290—291.
^etcr bon ©djaumberg (©ctmumburg), (51.) 5Bifdjo? bon Olugsburg,
bon 1424 -1469. 2lud) bas Olugsburger 93ißtrmm litt an bem Uebel jener fyit,
an ber fd}ismatifcf)eu SBaljt, im t)ödt)ften Örabe, bis ^apft Martin V., um ben
äöirren ein ßnbe 31t madjen, bie biffentircnbe 2öaf)l bes 5£>omcapitets bom 3far)re
1423 umftiefj unb aus eigener sDtad)tboHioiument)eit ben Ganonicus bon 2öürj=
bürg unb Bamberg, N|>. b. ©djaumberg jutn XÖifctjof ernannte 1424 (53utle bom
1. IRör^). %, beffen ©eburtsjalvr unbetannt ift , entflammte einem fränfifdjen
©efd)led)te (©djaumburg bei ©djaltau, Jperaogtfmm sJJteiningen). 2)urd) äBiffen
unb ©emanbttjeit ausgezeichnet mürbe er nidjt nur mit (Srnrcn übertjäuft, fonbern
aud) mit erjrenbotten Einträgen bon ^äpften unb ^Mten betraut; roenigcr gut
roareu auf it)n bie Stugsburger, mit benen er um allerlei 9ted)t unb $reit)eiten
öfter in ©treit geriet!), ju fpredjen. (Sinmal „roas alter ftag ftud bei 60".
SDie £anb= unb ©tabtbogtei, bie ©eleitsgered)tigfeit, bie ©d)ut}= unb ®aften=
bogteien über bie Älöfter, bie ©eridjtsbarfett über Die gebröbeten Shener unb
bas ©efinbe, bie Itjorfcrjlüffet ber ©tabt, ben ^flafterjotl unb anbere ^ölte, bas
2öein= unb anbete* llmgelb unb nod) anberes, behauptete ber 23tfd)of, tjätte bie
©tabt miberred)ttid) an fid) geriffen. 3tber 9tatt) unb 03ürgerfd)aft waren ent=
fdjtoffen „att ee (zu) fterbeu unb berlieren leib unb guet unb mit im friegcn . . .
umb ir freitjait, bie fie tjetteu bon fünigen unb faifern rjerpradjt". 2)ie ein=
müttjige tycftigfett ber 23ürger zwang ben 23ifd)of enblid) nachzugeben, ^reunbtid)
mürbe befjljalb bas 23ert)ättnifj nie. 1451, als 5p. nad) 9tom ging, bat it)n ber
9tatt), „baö er bie [tat berfpred) gegen bem bapft, ob fie berctagt mürben. 3)a«
bertjiefe er in, aber er tjietts nit." „@ö toär mager, man tjett mit im friegt."
llebrigenö giebt itjm fogar bet ßtjronift Söurlarb 3inf bas 3eu9n^: ,M*
tegiett alfo ba« 93iftumb tjerlid) unb fribtid) unb madjt bas 03iftumb reid)er,
bann es bor in 50 jaren nie gemefen roer, baö ift mar". 3tn ber £f)at fud)te
er mit grofjem @ifer bie Slngelegenb^eiten feines 53istt)ums in Crbnung ju bringen.
S3or 9tttem tte^ er fid) angelegen fein, ber eingeriffenen 3uct)tlofigfcit feines
äöettftetu« mie ber ßlöfter mirffam entgegenzutreten. $u biefem $Xoed rjielt
er jmei ©t)noben , auf benen er genaue Söorfdjriften übet bie ^flid^ten ber
©eiftlidjen erlief;. SSemeifcu biefelben aud) an itjrem ^fjeit ben 35erfatt ber ©itten
$eter, 58. ü. 2lug*burg. 463
unb bie Serroeltlidjung be£ Gterus, tote eä faft überall ber ftaH mar, fo erregt
befonbere§ ^ntereffe 3. 5?. feine 50t&etun8- ^aB feiner bie Drbination erlangen
folle, ber nicbt juDor über miffenfcbaitlidie (Segenftänbe geprüft roorben fei, ferner
bafj jeber ^riefter bei ©träfe oon einem (Bulben rtjeinifd) menigftens bie Summa
rudium ober bie Summa Mag. Joan. de Aurach befitjen muffe. 3)em flöftertidjen
SSefen fucbje er burcb bie Gthrübrung einer entjpred}enben Deformation mieber
aufjubelten. £iefe§ ©heben fam borjüglid) bem SBenebütinerEtofter 3U ©t. Ulrictj
3U gut, roo unter feiner 9Jtitmirfung ber gelehrte unb fittenftrenge sUtetcbior Don
©tamrjam jum 2lbte gemäb/tt rourbe (f. Prüfet 9JWcbior bon ©tamfjam) ; letzterem
berbanfte bieg Softer einen ungeahnten, roenn aud) nur furjen 2Iuffd}tt>ung.
SGßar in ben fcbümmen Reiten, roelcbe feit ben Jagen bon 2lbignon über bie
ganje j?irdje gefommen maren, überall Unorbnung unb 3)ermirrung eingcriffen,
fo betrachtete e§ 5p. als feine oornebmfte ^flicfjt biefem llnmefen 3U fteuern, ben
emigen ©treitigfeiten unb 9ted)t«rjänbetn ber geiftlicben (Sorporattonen ein Snbe
3u madjen , fftedjte unb ßompetensen feftjufteCtcn , 2ftifjftänbe aller 2Irt ab^u=
fdjaffen. Unleugbar befaß *)3. ein bebeutenbeg Serroaltungetalent, bas ent=
fctjeibenb unb bortbeilbaft in bie 9]iißftänbe feiner üDiöcefe eingriff. 2)iefe
Energie fcbeint ibn freiließ berlaffen 3U baben, wenn er, ber fränfifdje Jtitter,
gegen ben 2Ibel tjätte borgeben follen. Gr beroirfte ntd^t nur, bafj bon ^3apft
$iu§ II. am 15. gebruar 1465 ba§ alte öon ber ©tabt al§ Seleibigung
empfunbene unb beftig befämpfte ©tatut be§ (?apitet§ beftätigt mürbe, roornad)
nur 5Ibclige unb Stitterbürtige ober ßicentiaten ber Geologie unb üteebte nadj
ftrenger Prüfung in ba§ dapitet geroäfjlt merben burften, fonbern er gebot
feinem Oteformationseiier aueb ftittäuftetjen, al§ e§ ftd) barum fjanbelte bas au§=
fdjliefjlid) abelige Älofter bon (SCtmangen 3U feiner orbnungegemäfjen 3u<^t
äurüd^ufübren. ©elbft Sraun , ber ©efcbid^tfdjreiber ber 2lug»burger SBifcböfe
(f. Sitter. ) , befennt : „25a§ Ätofter @Hmangen 3U reformiren batte ^. meber
9.ftutt) noeb ernftlicben Sßillen." — ©onft forgte er in feiner Siöcefe aud) für
fromme ©tütungen unb für gleichmäßige Söerttjcitung ber ^funbationen unb
Dotationen feiner jatjlreicben ©otte§bäufer. üDie 9teftauration§arbeiten am
Slugsburger S)om fetjte er fort, inbem er ben öfttieben Gljor erweitern unb
roölben liefe. Site ber 2lbt ^Relcbior bon ©tamt)am bie Ulridjefirdje neu ju bauen
befcblofj 1465, meitjte ber SBifdjof bie§ ^Beginnen burcb eine feierliche ©runbftetn=
legung unb crttjetlte berfelben einen Slbtaf; am ©t. ©impertustag für alle, meldje
an biefem {yefte bußfertig fidj beteiligen unb jur Unterhaltung ber $ird)e
belebe, SSücber ober anbere Singe beitragen mürben. @§ unterliegt gar feinem
3tüeifel, bafe ty. unter bie tücbtigeren .ßiretjenfürften feiner 3eit 3U tedjnen ift.
©eine erfolgreiche 2t)ätigfeit wie feine ähauebbarfeit in öffentlichen ©efebäften
ernteten beib^alb febon bamat§ bie berbiente Slnerfennung. ffaifer ©igi§munb
fetjidte it)n unter Ruberen als ©efanbten bon feinet= unb bes üteiebe megen auf
ba§ (Soncit ju 33afel, ba§ toieberum ib,n als" feinen Sebottmäcb,tigten nadj Söb^men
aborbnete, um mit ben Utraquiften ju berbanbeln. Äaifer griebrieb 30g ibn über
bie miebtigften iReicrjgangetegen^eiten roiebertjolt 3U 9tatb^: bie .fjerjoge bon
Saiern tjörten gerne auf ifm, felbft bei ben Königen bon (Snglanb unb granfreidtj
geno^ er tjotjes 3lnfeb,en. 6§ tonnte nierjt festen, ba^ bie päpftlicbe (Surie ber
Söirffamfeit biefei Sifdjofs gereebte SBürbtgung 3U tt)eil merben liefj. ©djon
5Papft Martin V. etjrte ib^n mit ber SBürbe eine! $ämmerer§; Sugen IV. er»
nannte itjn jum ßarbinal »propter grandia virtutum merita" burdj bie Suite
bom 19. December 1439, mätjrenb er ben 6arbinalsl§ut erft 1450 bei feiner
Üxomfatjrt bon DKcolaus V. ertjalten 3U b^aben fdjeint. 2ll§ 1-467 megen be§
2ürfenfriege§ ein 9reicb§tag nad) Nürnberg au§gefcrjrieben mürbe, ernannte ib,n
Sßapft >}3aul IL 3U feinem ßegaten a Latere burdj ganj S)eutfdjtanb. äöegen
464 $eter, (grab. t>. «ÜJagbebutg.
juneljmenben ÜUters gemährte ifjm ber ^apft sJHus II. 1463 auf feine Sitten
einen @oabjutor in bei *ßerfon be§ ©omcapitutats Sodann öon Söerbenberg.
*ß. entzog fid) übrigen« besfjalb nod) nidjt ber Stjätigfcit, bis it)m am 12. Sljjril
1469 ber tob ein 3iel Hte.
&gl. ^lacibus Srauu: ©efcljidjte ber Sifdjöfe bon Augsburg. — 2)ie
Gfjronifen ber beutfdjen ©table. 2öilrjelm Sogt.
^Ctcr oon Srünn, ©ribifdjof öon s}ftagbeburg (1371—1381), gelangte
unter ^uftimmung $aifer j?arl§ IV., ber in itjm motjl einen frörberer jeiner
."pauspotitif erbliche, unb bes s33apftes burd) kaufet) mit bem (Srjbifdjof Sllbrcdjt,
weldjer itjm in feinem SBiStfmm xieutomifdjl folgte, in ben Sefitj beä (StjflifteS
*Dlagbeburg. 2>ie 3e't feines ßpifcopats ift reid) an ^erwihmiffen äWifdjen
itjm einer-- unb bem 2)omcapitel unb ben ©tobten s]Jcagbeburg unb Jpalte
anbemfeits ; audj an Jetjben ntit ben benachbarten dürften fetjlt es nidjt. ty.
mar ein sDcann öon großer Älugtjeit, ber bie eqftiftifdjen ^ntereffen überall
Warjqunetjtnen roufjte, babei aber menig fcrupulös in ber äßafjt feinet bittet,
un^uoerläffig unb tjabgierig. 2)as Ch^ftift öerbanft itjm mehrere mistige @r=
Werbungen. %\t burd) ben lob ifjres legten Sefitjers erlebigte .fcerrfdjait
Jpabmeretebcn wufjte er baburd) beim Steift ju ertjalten, bafj er bie Slnfprüdje
eine§ ©eiteuöerwanbten mit Selb abfaufte. ferner ermarb er oon bem ©rafen
©ünttjer ö. Sarbt) bie ©tabt ©djöneberf unb öon benen t>. Söanjlcben bas
.paus SBandcben. 9Jiit ber 9teuftabt=s}Jtagbeburg bereinigte er bas baranftofeenbe
SDorf ^rofe unb trug Daburd) nidjt menig 3U einem weiteren 9lu?fdjwunge biefer
©tabt bei.
5Rit |?alle, ber jweilwidjtigften ©tabt bes (Sraftifts , überwarf er fid) be*
reits 1373 wegen ber er^biidjöflidjen ©efälle Don ben ©atjgütern. SDajii famen
im fotgenben Sfa^ve neue ©treitpunfte , bie fd/liefelid) batnn rührten, bafj ber
$aifer auf Setreiben bes Grabifdwfs bie ©tabt in bie Wdjt erflärte. 3lls bie
©tabt bem @r(jbifd)or eine namtjafte Summe be^atjlt unb baburd) bie Sluffjebung
ber 2ld)t erlangt Ijatte, bradjen neue ©treitigfeiten aus\ Weldje beibe £tjeile
öerantafjten , fid) nad) JRom ^u wenben. 9lodj et)e aber eine enbgiltige Sei*
legung bes ©treites ju ©tanbe fam, gab 5ß. fein ©rjfitft auf. — 3lud) mit ber
©tabt lütagbeburg fam es ju 3"Würfniffen. 2)as im anfange feines (Spifcopats
äiemtict) leibliche Serfjättnifj jmifdjen itmi unb ber ©tabt erlitt baburd; (Sinbufje,
bafj Sp. bie ftecfjte bes bifdjöflid)en Diftcials auf Soften bes ©eridjtes bes S)om=
propftes, woburd) bie ^ntereffen ber Sürgerfdjaft üertei^t würben, ju erweitern
ftrebte. S)aju famen nodj anbere Differenzen, weldje ben 9tifj awifdjen 2anbes=
fürft unb ©tabt noef; tiergrö&erten. gräbifc^of unb ©tabt wanbten fid) beibe
an Äaifer Äarl IV., weldjer fid) bamals in ber SUtmarf auffielt. 5tad) langen
Serrjanblungen fam am 12. ^uni 1377 ein Vertrag auf brei Saf)re 3Wifct)en
beiben Parteien ^u ©tanbe, weldjer bie ftreitigen fünfte fdjlidjtete unb jur
Beilegung ber innerhalb biefer &\t etwa entfterjenben ©treitigfeiten tiier ©d)iebs=
ridjter, je ^roei bes @rjbifd)of§ unb ber ©tabt, ernannte. SÖenige Sage barauf
madjte ber .Haifer ber ©tabt einen Sefud) unb würbe tjier fefttid) empfangen. —
Sar)rs barauf fam es ju einem 3e^tt)ürfniB awifdjen bem @rjbifd)of unb bem
SDomcapitel. ©er ßrjbifdjof üerfufjr eigenmddjtig unb gewatttrjätig gegen baä
©omcapitel, erpreßte ©elb öon itjm unb natjm einige feiner ^Jlitgtieber gefangen.
@r wanbte fid) nadj 9tom, um tjier gegen bas ©omcapitel flagbar 3U werben.
9l(s aber in biefer 3cit burd) ben 2ob bes ^apftes ©regors XI. (27. «Ulai
1378) unb Äaifer Äarl'8 IV. bie ganje ßage fid) änberte, audj ba§ ©omcapitel
in feiner Dppofition betjarrte, öerjidjtetc er, wol metjr unter bem $£rurf ber
jet}t eingetretenen politifc^=fird)lid)en Sertjättniffe als freiwillig, auf fein ßtjfttft,
bas ber 5papft ^Jtarfgraf ßubwig öon 3Jtei^en, ber bereits früher 5um 6rjbifd)of
5peter, <5r3&. o. Wa\x\$. 465
bon Üftainj ernannt war, bcrtief), wogegen 3ß. baS SiStfjum Dlmüfe erhielt
(2Rai 1381).
Gesta arehiepiscoporum Magdeburgensium bei 3ßer|$ , Mon. Germ. bist.
Script. XIV, ©. 444, 8, 9. — Iftagbeburger Sd)öppend)ronif (== 2!eutfd)e
Stäbtectjronifen 33b. VII) 6. 207, 261 ff- — ». Sreöljaupt, Saal=Grenf} I,
@. 84 ff. — Sagittarius, Hist. ducat. Magdeburg. Bei SBonfen, fjtffor. 9Jlaga=
jin IV, ®. 36—48. ^anirfe.
^Cter oon^lSpelt, Grjbiicfjof bon9Jcain,j (1306—1320), entflammt ent=
meber einer Trierer Sütgcrfamitie Samens 2lSpelt, 2ld)tfpatt, 2lid)fpatt, ober einer
bürgerlichen Familie in bem bei 2uremburg gelegenen Rieden 2lSpett (peibemann,
$. 0. 21. als Äirdjemüvft unb (Staatsmann). Sßon feiner ^ugenb unb Don bem
©ange feiner Wiffenfdjaf tlidjen SluSbilbung ift nictjtS 9cäI)ereS bef annt. S)a er hn feinem
erften auftreten (1286) als Slrjt beS Königs Üiubolpt) bon -£abSburg be^eid^net
wirb unb eine 9teit)e fird)lid)er Remter in feiner Sßerfon bereinigte, fo nal)m
man an, er tjabe fein 53oranfommen rool feinen mebicinifcrjen Äenntniffen ^u
öerbanfen gehabt. Gr mar bereits GanonicuS in Ürier, ^Jcaina unb Speier
unb ^ßropft an ber (StiftSfird)e in Singen, als er in Begleitung einer ©efanbt=
fd)aft 9tubolpt)'S nad) Dtom fam unb bei Sßapft 9UfolauS IV. bie Ernennung
jum tropfte in iXrier bürdete, worüber ein tjeftiger (Streit 3Wifd)en 9tom unb
bem biefe SBeförberung nidjt anerfennenben Trierer Gapitel auSbrad). 2Bol
burd) 9tubolpb/S Gmpfetjlung lam $. nad) $rag ju Äönig Söenjet IL, als
beffen $rotonotar unb ^an^ler er lange 3e^ °ie ^otitif 23ör)menS leitete. Sin
fcfjarffinniger Äopf, auebauernb in ber Verfolgung feiner 3iele, geWanbt in ben
öffentlichen ©efdjäTten, wufjte 5ß. in gefd)idter 9luSnütmng ber itjn umgebenben
Sßerrjältniffe fid) nad) oben unentbeljrlid) ju mad)en. S;ie S|3ropftei auf bem
2örjfferjrab, bie ©teile eines börjmifdjen Scanners (1296) unb enblid) bie 2Bürbe
eines 33ifd)ofS bon Bafel Waren ber Soljn für feine ausgezeichneten S)ienft=
leiftungen. Severe S3eförberung banfte $. wefenttid) feiner Eingabe an baS
JpauS ^abSburg, auf beffen (Seite ber neu ernannte 3Mfd)of im Streit 3Wifd)en
2ltbtecb,t öon Cefterreid) unb Slbotpr) bon 9taffau ftanb. 21ud) nad) beS Vetteren
ü£obe fuljr ^>. nod) fort, im »Sinne ber öfterreid)ifd)en ^olttif }u roirfen, bis
nad) bem Ableben beS ÄönigS SlnbreaS III. öon Ungarn bie 2Bege ber öabS=
burger unb jene SßenselS , beffen <Sotm am 26. 21uguft 1301 als i?önig bon
Ungarn gefrönt mürbe , fid) freujten. Bon ba an t)at $önig 2llbred)t feinen
entfetyiebeneren unb gefährlicheren ©egner gerjabt als ben böfjmifcrjen Äanjler.
3»! begriffe, nad) feiner üDiocefe Bafel fiel) ju begeben, um bon bort auS bie
3mifd)en bem fran3öfifd)en unb böfjmifcrjen Könige eingeleiteten Berfjanbtungen
3U förbern, fiel ^3. in bie ©efangenfetjaft ^roeier Slnfjänger SllbrectjtS (^uni 1304),
auS beren .pänben er etft im fjfrübjaljr 1305 nadfj gafjlung eines fctjtoeren 2öfe=
gelbes befreit rourbe. @ine 3^1 lang fd)ien 5ß. öon bem ©ctjaubla^ feiner biS=
^erigen 2rjätigfeit berfdjroinben ^u foHen, als nämlicr) nac§ Söenjers II. £obe
ber (Sinflu^ ber SDeutfcfjen in ^3rag befeitigt mürbe. 2)a fügte eS fid), ba§ in
2Jtaüt3 nad) bem 2obe ©erljarbS IL bon dppftein bie Somljerrn über einen
9cad)foIger beffelben fid) nid)t einigen fonnten, meld)en 2lntajj ißa^ft SlemenS V.
benu^te, um auf bem Söege ber ^robifion ber 55accnj ein (5nbe ju madfjen;
beS ^JapfteS SCßaljl fiel auf ben S3aSler SSifc^of, ber als gförberer beS franjöftfdj^
böl)mifd)en SBünbniffeS unb als ©egner beS audj bem ^apfte PerljaBten 2ltbred)t
ein ©egengemicljt gegen bie Habsburger SBeftrebungen im 9teicrje bieten fotlte.
Otac| einer @rääb,lung beS 5Jtagbeburger Ciijronograpt)en feilte ^. unter gan$
anberen Umftänben ©rjbifcfjof Pon 2Jtain3 geworben fein. GS fjätte nämlicb,
©raf ^einricl} oon Suremburg ben SSaSler 3?ifd)of erfudjt , bei bem in ^oitierS
Ütttgem. beutiäje SiograiJfjie. XXV. 30
466 Ureter, (hjb. t>. SJiamj.
bamals meilenbeu ^apfte bie (Srrjebung Vatbuins, bes Vrubers bes ©rafen, auf
ben <Stut)t bon ^ainj 311 befürworten unb Z" betreiben; ber ^ßapft Ijabe bie
^ürfpradje abgewiefen, fei bann in eine fdjwere AUanft)eit öerfatten, öon Weldjer
er nur burcrj bie $un[t bee 23ifcfjo?3 tjätte befreit werben fönnen; jum ü£anfe
hierfür tjabe ber ^Japft bem SBaSler 93ifd)ofe bie für Valbuin nacr)gefud)te SÖürbe
erttjeilt. Slls ber Suremburger , ber einen 33erratt) bermuttjete , über ben 3Ius=
gang ber Slngetegenljeit in 301-'n geraden, foH $. ^ur Vefänftigung beS 6nt=
täufdjten bem Valbuin ]um erzbifdjöilicrjen <Stul)l bon Stiel bertjolfcn fabelt.
2118 ßrzbifdjof öon 5Jiainj (10. ftobember 1306) rechtfertigte 5ß. bie 6rwar=
tungen S)erer , bie an feiner Veförberung Slntb/il genommen, ^mar beftätigte
Sllbrectjt ju Golmar am 15. Sluguft 1307 bie 2öal)t jpetet'8 burd) bie Ver=
leitjung ber Regalien, morauf Veibe in ifnren gefctjäftlicrjen ^Beziehungen auf
gutem gufee mit einanber berfeljrtcn; als aber Sllbredjt öon feinem Steffen 3fo=
tjann ö. ©ctjmaben ermorbet würbe (1. 9Jcai 1308), trat Iß. ben ©ötmen bc§
grmorbeten entgegen. Gs fehlte bamals nidjt an (Stimmen, wetcfje ben ^ainjer
(Srz'bifdjof , ber in ben klugen ber Oefterreicfjer für einen „£rugner" galt, ber
Slnftiftung ju biefer 9Jtiffetfjat befd)itlbigtcn. 5ß. war e§, ber nun bie 9Bat)t
.'peinridjü öon fiujemburg jum .Uönige burcrjfetjte (27. 9coöember 1308). 3Bie
er öon ba an ber Leiter ber ^ßolitit bes ©rwätjlten in 5Deutfd)lanb rourbe, fo
mürbe fein SBiEe aud) in Vötmien mafjgebenb , alä er bem ©otme $einridjs,
Sfotjann, bie bötjmifdje Jhone öerfdjaffte unb biefen in 5ßtag frönte (7. Februar
1311). SBiebcrum trat ber in feltener IRacfjtfüUe baftetjenbe (Srzbifdjoi öon
9ftainz ben ."pabsburgern entgegen, als peiuridj öon iiujemburg auf feiner Jpeer=
fatrrt nad) Italien öerftarb (24. Sluguft 131:'.). ®tft empfahl $. ben Äönig
Ssofyann öon Vörjmen zur 'Jtacb/otge, bann aber, als biefer äöafjlöorfdjlag aus=
fidjtslos' erfdjien, entfd)ieb er fidj mit Valbuin öon Stier, So^nn öon S9öl)iuen,
Söolbemar öon Vranbenburg unb ^oljann öon ©actjfen für ben Herzog Öubmig
öon Vaiern, wätjrcnb bie übrigen dürften ben Herzog ^riebrid) bon Defterreid)
erwäfjtten (19. Dctober 1314). 9tn bem wegen biefer zwiefpältigen SBatjl bem=
nädjft ausgebrodjenen Kriege natmi (h'zbifcrjof 5ß. infofern Slnttjeit, al§ er ßünig
ßubwig ©elb borftredte, für itjn warb unb bie 2Balbftätte gegen bie Habsburger
aufftadjette. 9hn einmal treffen wir .itju in bes Äönigg .«riegslager, als biefer
2Bie§baben unb ben ©djarfenftein belagerte. 2)a§ dnbe bes Kampfes erlebte er
nicfjt mct)r, inbem ty. am 4. $uni 1320, Ijod) an Qarjrcn, öerftarb.
ütrotjbem ty. ben ©c^Werpunft feiner Iljätigfeit in bie Verfolgung feiner öoli=
tifdjen Saufbarjn öcrlegte, war er eiirigft beftrebt, feinen $flid)ten al§ Äircrjenfürft
geredjt ,ju werben. 3n 23afel brang er auf ben ©rjnoben öon 1297 unb 1299
auf äöieberrjerftellung ber ^irctjenaudjt, freilid) ob,ne befonberen ßrfolg. 91ud) al§
ßr^bifdjof öon 'DJlain^ war ^3. unabläffig bemüljt, burd) gewiffenfjafte unb ftrenge
Söifitationen ben in ber (hjbiöcefe eingefd)lid)enen slicipräud)en entgegenzutreten;
mit aüer ©trenge, aber audj mit aHer Ü5ercd)tigfeit üerfolgte er fein Qid, ben
(EleruS ju Qüdjt unb Orbnung äurüdaufüt)ren. £)aubtfäd)tid) bem tehtereu
3wecte war bie ©tmobe öon 1310 beftimmt. Stuf berfelben foE SBilbgraf
|>ugo, $omtf)ur ju ©rumbac^, mit 40 Drbensrittem erfd)ienen fein, um feier=
lidjft Verwahrung gegen bie bem Crben 3um Vorwurf gemadjten Vergebungen
einzulegen. Stuf bem im Dctober 1311 zu Vienne abgehaltenen (Soncile, meterjem
5ß. mit (JrlaubniB bes $abfte§ fernblieb, erfolgte bie Slufrjebung bes Stempel*
tjerrnorbeng, beffen ©üter unter 3"3ier)Un9 oeö Grjbifcb.ofS bon 9Jlainz unb ber
33ifd6)öfe bon $rag unb Olmü^ auf bie ^otjanniter übergerjen fottten. 5Dem
ganjen Söefen be§ 6rzbifd)ofs, ber bei allen Unternehmungen bas eigene ^ntcr=
effe zu Wahren berftanb, entfprad) e§, baft er für bie Hebung feinc§ ©rzftiftes
beforgt War. Vei ben Söaljten bon ^einrid) VII, unb Subwig bem Vaier liefe
^}eter, Jp. t>. Ctbenburg. 467
2ß. fic£) bie {yreifjeiten unb ^rioitegien ber 9flain3er £irct)e beftätigen unb ficf)
@rfa£ teiften für alle erroacrjfenen Auslagen unb 8cf)äbigungen, fetbft füt foldje,
bie mit ben Angelegenheiten bei; grmärjlten in feinem 3ujammen^ange ftanben.
Snebefonbere liefe er fid), im SBibevjprudje mit einer ^mifctjen «ffönig Albredjt
unb (Srabifdjof ©erlaäj öon ^ftaina roegen be§ 3ofte8 in Dberlarmftein unb
roegen anberer unrechter $öKe getroffenen Vereinbarung öom 20. SJtärj 1302,
öon Äönig -£>einrid) VIL ben 3oß 3U Safmftetn jurütfgeben, toorauf ber (ix)*
bifdjof öon Äötn mit ärjntidjen Anforberungen auftrat unb burctjbrang. Audj
bei ©rrjebung Sofjannl öon Cujemburg auf ben börjmifdjen 2f)ron bebang er
fidj errjeblidje Vortrjeite; als ©efdjenf be§ $önig§ erhielt er bamali u. 21.
auct) ben gotbenen Stutjl, ber lange 3e^ 3U oen ©djätjen be§ -Fcainjer
Somei äätjtte (Joannis. ßer. mog. I 97). Qu ben Vefujungen bee (Jrä*
ftt?te§ fügte er eine Üteitje öon neuen ßrroerbungen rjin^u; für bargeliefjenel
(Mb erfjiett er öon Subtoig öon Vaiern eine Anjarjl öon (Stätten unb
Rieden in $fanb , roäfjrenb er anbererfeitS Gelegenheit fanb, etnjetne ©ebiets*
tfjeite, bie öerpränbet roaren, roieber auiplöfen. ©ans befonbcrl erhoffte er (5jr=
roeiterungen feiner Üftadjt in Reffen nad) bem £obe be§ Sanbgrafen ^ofjann öon
«Reffen burcf) ben @rroerb ber freigeroorbenen 2eb,en unb in gleicher Sßeife in
tfjüringen burd) 2Bieberertangung ber ^tain^er Selben. Somit fam er nun
ntcfjt ju bem erftrebten 3iete. 2öa§ er iu feiner langen, mit ©lud gefrönten
Saufbafm für fid) erwarb , baöon geben bie öon irjm errichteten Seftamente
(©ubenue, Codex dipl. III, 160— 179) 3eugnifj; ein großer Sfyeil feiner Sd)ä£e
fam ber Sflainjer ßircfje ju gut. „sFiit Renten unb ®efd)enfen groß, mit
©cfjmutfgerätr) , bas ju ü)m ffofj, ber j?irdje er 2Kad)t unb fteidjtfjum er)rt,
t)ielt ftcfj öon Saftern unöerroefjrt. ftromm unb freigebig in ber £f)at, mar er
aud) fdgarrfinnig im SRatij." 9JHt biefen frei übertragenen äöorten rüfjmt Meters
3Birfen bie Umfdjrnt um ba§ fjödjft bead)ten§roertlje , im Cftdjov be§ 9Jlainjer
SomeS befinbfidje Senfmal be§ @rjbifd)ofs, ber nadj feinem ganzen SBirfen unb
Auftreten ju ben fjerOorragenbften 5Rainjer ßirdjenfürften jäfjtt.
Votfenfjeimer.
^3cter ftriebrid) Subroig, ^erjog öon DIbenburg, geb. 17. Januar
1755, f 21. 9Jlai 1829, mar ber ^toette ©otjn bei <£)erjog§ ©eorg Subroig öon
,j?o[ftein=©ottorp (f. A. ©. 23. VIII, 698) unb ber £erjogm ©opfjie 6f)arlotte,
einer £od)ter bei ^rin^en griebrid) SBitrjctm öon ^»otftein^Secf, meld}e in erfter
etje mit bem Surggrafen Ateranber ^u Sotjna öermät)tt gemefen mar. Sein
@eburt§ort mar Ütiefenburg in Cftpreufeen, roo ba§ öon bem Vater 6ejerjtigte
Regiment ipolftein in ©arnifon tag. Scfjon in feinem neunten £$af)re öertor er
bie Butter unb roenige SBocb.en fpäter (7. ©ept, 1763) aud) ben Sßater. 2>er
Sorge für feine unb feines älteren Sruberi, 335itfjetm Auguft, Srjietjung unter=
jog fid) bie Äaiferin ^atfjarina IL öon 9xu|(anb, inbem fie in (Semeinfdjait
mit bem Dfjeim ber ^rinaen, bem fyürftbifdjof öon Sübed, ^er^og griebrid)
Auguft öon ^otftein=©ottoip, bie Vormunbfcfjaft übernahm. Unter Leitung bei
ruffifdjen Dberften ö. ©taal lebten bie ^rinjen in 5öern (1764—68) unb Vo*
logna (1769 — 73) unb begaben fidj bann nadj Petersburg , mo ber öftere in
ben S)ienft ber ruffifctjen 9ftarine, ber jüngere in ben SÜenft ber Sanbarmee
trat. ^Srinj *J). natjm an bem gefb^uge gegen bie Surfen mit 2Iu^eidjnung
Sfjeü, öertiefe aber, aU ber ©ruber burd) einen ©turj au§ bem Waftforbe bei
ßronftabt ben £ob in ben SBeüen gejunben fjatte (14. %uli 1774), ben 9Mitärbienft
unb tiefe fid) nad) einem längeren Aufenthalte in ßnglanb al§ ^riüatmann in
Hamburg nieber. — Sn^mifcljen roaren bie ©raffd^aften Dtbenburg unb S)elmen=
tjorft burd) ben Vertrag öon 3ar§fc*8eto öom 20 31. 9Jtai 1773 öon Sänemarf
an 9tu£lanb abgetreten unb öon bem ©rofjtürften ^3aul an ben dtjef ber jün=
30*
4(58 5ßeier, <&• ö Dlbenburg.
geren Sinic beö ,£>otftein=©ottorö'fd)en Jpaujes, ben gürftbifdjof öon ßübed,
•perjog Oftiebvid^ 9tuguft, übertragen (14. jDecember 1773) unb üon bem beut=
fd)cn .fiaifer jum ^erjogt^um erhoben. 2)er ©ot)n bei ^erjogi, (hbürina $eter
grtebrid) 2öitf)elm, ßoabjutor ju ßübedC, tuar gemüttjifrauf. -^erjog ^riebrid)
Sluguft ernannte baljer burdj SEeftament öom 4. 2lüül 1777 feinen Neffen, ben
^rin^en 5p. , dum Sanbeiabminiftrator bei .gjeraogtljumi Dlbenburg unb üeran=
lafjte bie Söatjl beffetben jum Goabjutor in fiübecf an ©teile feines üon ber
Goabjutorie <mrüdtretenben ©ot)nei. — ^ßrin,} ty. nafjm öon nun an feinen
©ommeraufenttjalt auf bem in ber 9tät)e ber ©tabt Dlbenburg belegenen ©djtoffe
,5u 9taftebt unb üermätjlte fidj am 26. ^uli 1781 mit ber ^prinjcfftu grtebcrife
Stifabett) Slmalie öon Söürtembcrg , üEodjter bei ^jer^ogS f^riebridj (lugen , bie
it)m aber fd)on am 24. 9toöember 1785 burdj ben Job entriffen mürbe, nadj=
bem fie itjm atoei ©öfme, ben nadjmaligen ©rofjtjeraog *ßaut Sriebridj 9luguft
(f. 21. SD. 33. I, 667) unb ben ^rinjen ^eter ftriebridj ©eorg (f. 91. ©. 8.
VIII, 683) geboren tjatte. — 9tad) bem 2obe bei .<periogi griebridj Sluguft
(6. i^uli 1785) übernahm ^er^og ty. bie Regierung bei .£>er,}ogttjumi Dtben=
bürg ali ßanbeiabminiftrator, biejenige bei 33iitfjumi ßübed im eigenen Flamen \
erft am 2. 2fuli 1823, mit bem £obe feines gemütljifranfen 33etteri, fiel ujm
aud) bie felbfteigene Regierung bei Jperjogtljumi Dlbenburg ju. ©eine lange
Ütegentenjeit mar eine öielbemegte. sJiad)bem er in ben erften 3>at)rcn, unterftütjt
öon bem auige^eidjneten 9Jtiuifter ©rafen Volmer, auf allen ©ebicten ber 33er=
mattung bie beffernbe £mnb angelegt , aud) infolge bei 9teid)ibeüutationit)auöt=
fdjluffei öom ^aljre 1803 ali (Sutfdjäbigung für bie 9luft)ebung bei einträgt
ticken Söeferäoltei (}u ©tsftettj eine bebeutenbe Gürmeitcrung ber ©renken bei
Jperjogtljumi burdj (Jrmerbung bei tjannoücrfdjen Slmti Söilbcitjaufen unb ber
münfterfdjen Stemter Sßcdjta unb Gtopüenburg , fomie ben bauernbeu SBefty bei
SBütljumi ßübed ali einei mettlidjen @rbfürftentf)uinö erlangt tjatte, mürbe feine
üEfjätigfeit in bem etften S)ecennium bei neuen $at)rt)unberti üorjugiroeife burdj
bie infolge ber geograpljifdjen Sage bei Sanbeö eingetretenen fdjmierigen üoti=
tifdjen SBerljättntffe in lUnfürud) genommen, toetdje fdjon im $. 1806 ju einer,
menn aud) nur furjen , SBefeüung bei Sanbei burdj bie ,!poltänber führten , im
$. 1808 ben Seitritt bei .gjerjogi junt Üitjeinbunbe üeranlafjten unb enbtidj
im S- 18H bie Sinöerleibung bei ^erjogt^umi in bai fran^öfifdje $aiferreidj
jur ^otge tjatten, nadjbem ber ^er^og jeben itjm öon sJtaüoteon angebotenen
ßänbertaufd) ^urüdgemiefen tjatte. 2)er ^er^og begab fid) nad) ^tu^lanb , mo
er an ber (jrridjtung ber ruffifd)=beutfd)en Segion ttjätigen ?lntt)eit natjm. $m
^oöember 1813 fetjrte er in bie .£>eimatf) jurüd. S)urd) ben Söiener 6ongre§
mürben ilnn, abgeferjen öon einer geringen 2erritoriat=(5rmeiterung bt'i Jper,,og=
t^umi, aui bem ehemaligen franjöfifdjen ©aarbepartement biejenigen ©ebieti=
tfjeile ^uerfannt, aui benen nadjmali bai ^ürftenttjum 93ir!enfelb gebilbet ift unb
ber gro|l)er5oglid)e Sitet beigelegt, ben er febod) nidjt annahm. $m $. 1818
gelangte er burdj ßeffion öon ©eiten bei $aiferi öon 9ftu^tanb aud) in ben
Sefitj ber (Jrb^enfdjaft ^eöer. Ütadjbem er eifrig unb erfolgreich bemüht ge=
roefen mar, bie bem Sanbe burdj bie ^mbtjerrfdjaft gefdjtagenen Sßunben
3U feilen, mu^te er ei in ben testen 9tegierungijat)ren feine Stufgabe fein taffen,
bie ©dtjäben ^u milbern, meldje 2Bafferflutt)en unb 3Jli^madji bem ßanbe öer*
urfadjt Ratten. 2lm 21. 2flai 1829 ftarb er ju SBieibaben, mo er miebertjott
\viäUigung gegen bie fidj einfteltenben ©djmädjen bei Sttteri gefudjt ^atte.
•Jperjog % „mar eine ernft unb nüdjtem angelegte rjolfteinifd;e s^atur, ein £)err
üon ftarem SSlid, feftem äßitten unb ftrengftem $flid)tgefüt)l, ali Regent ein
©efdjäftimann erften 9tangei, jebem 35erbienft geredjt, gleidjmäfiig unb mor)l=
rooltenb in feinem Urttjeit über 5)lenfd;en unb 2)inge , unerbitttid) gegen
Sßeter, .£>. ö. Clbenbutg — Sßeter, St. ö. Ühifclanb. 469
Unmat)rt)eit unb £euct)etei, ein beutfd^er gürft in bei SBortei Bcftcr Sebeutung.
etilem äußerlichen ©cfjeintDefcn , allem prunfboHen Streiten abtjolb, mar ber
§erjog in jeinem ^riöatleben faft bürgertict) einfach ; it)m mar fein &aui feine
äßelt, ber fürftticlje SSeruf ber 3nt)alt feinet SDafeini". So f Gilbert ifn Raufen
(2lui bergangenen Sagen, S. 123), unb fo lebt fein bolfitt)ümtict)eS 3Mlb noct)
tjeute in ber Erinnerung bei £anbei, mit beffen ©efctjtcfen bie feinigen in fturm=
boller 3eit mätjrenb einer 44 jährigen Regierung berbunben getoefen finb.
9Jt u tj e n b e cf» e r.
•ßctcr: ßonft antin $ rieb riet) 5|3eter, «^er^og bon Dtbenburg, geb. au
Saroitam am 26. sjluguft 7. September 1812, j au Petersburg am 2 14. ^tat
1881, mar ber Sotm bei ^rinjen $eter griebrict) ©eorg bon Dtbenburg (f. 2t.
£>. 53. VIII, 683) unb ber ©roßfürftin ^attjarina 5pamlotona, ber Sdjroefier
bei JJaiferi Sltejanber I. Don föußtanb. 9iact]bem er feinen SSater fctjon im
erften Sebensjatjre bertoren tjatte, ftebelte er, als feine 5Rutter fict) mit bem
.ftronprinjen SBittjelm bon Söürtemberg bermät)tte, mit feinem älteren SBruber
SUejanber nactj Stuttgart unb nact) bem im 3- 1819 erfolgten Stöbe ber IDtutter
nactj Dtbenburg über, roo bie ^rinjen unter ben 2tugeu itjrei ©roßbateri, be§
.•perjogi 5|3eter griebtictj Submig, erlogen mürben, ftactj erreichter Söoüjätjrigfeit
unb nactjbem ber 33ruber geftorben mar, begab ^»er^og $. fict) nact) Petersburg,
um in ben ruffifctjen 9Jtititärbienft ju treten. @r mürbe Dberft im >Preobrafct)en5=
fifct)en ©arbercgiment, fpäter ©eneral, ging bann aber in ben SSienft ber S3er=
mattung über unb entfaltete borjugimeife auf bem gelbe bei Unterrictjti , ber
tSrjietjung unb ber Söotjlttjätigleit unter allfeitiger Stnerfennung eine erfprießüct)e
äßirffamfett. ©einem Stammtanbe bematjrte er auct) in ber gerne fieti bai
lebenbigfte ^ntereffe. 2öie er in Petersburg bie 9tect)tifct)ule ini ßeben rief,
fo berbanft itjm Dtbenburg bie ©rünbung ber Säcilienfctjute.
5JI u fe e n b e et) e r.
tytttt griebrictj Söittjelm, (Srbprina bon £otftein = <5k>ttorp , geb. p
<5utin am 3. Januar 1754, mar ber einige So|n bei ^perjogS griebrict)
2tuguft, gürftbifd)oii bon Sübecf, nochmaligen £>eräogi bon Dtbenburg. 9iact>
oem er 1769 70 in Äiet ftubirt tjatte, trat er eine längere Steife an, toetd)e
baburet) bon Sebeutung gemorben ift, baß $. ©• £>erber ber Begleiter bei *prin=
jen mar unö auf berfelben nact) 2)armftabt unb $u ©oett)e nactj Straßburg ge=
fütjrt mürbe (1770 71). %m %. 1773 mürbe ber $rina bom SDomcapitet ju
£übecf äumgoabjutor bei ipoctjftifti getoätjltunb nat)m imS)ecember beffetben ^atjrei
an bem Sinjuge feinei Skteri in bie ^auptftabt ber ber jüngeren t)olftein=got=
torpifetjen Sinie cebirten ©raffetjaften Dtbenburg unb 2)etment)orft Sttjeit. 2tber
eine ©eifteSfranftjeit , beren Spuren fict) fct)on früljer gezeigt Ratten, bie inbefj
auf einer 9teife, metct)e ber beabfic^tigten Sßermätjtung bei üßrinjen mit ber
^rinjeffin dtjartotte bon |)effen=S)armftabt galt, jum bölligen 3tu§bructj fam,
fütjrte bie 9cotr)menbigfeit tjerbet, ben ^rin^en nietjt nur auf bie 6oabjutorie in
SübecE, fonbern auctj auf bie ^Jlactjfotge in ber Regierung be§ ^erjogtliume
Dtbenburg beraictjten ju taffen (14. gebruar 1777). 9iactj bem Stöbe bei Katers
(6. 2fuli 1785) übermiei i^m ber ^önig bon üDänemarf bai Sct)loß ju 5ßlön,
mo er am 2. 3uli 1823 ftarb. «mufeenbeetjer.
v^Ctcr (Äarl $eter Utrid» ) , ^erjoa bon ,£>olftetn*@ottorp , als
^aifer bon Sftußtanb: 5JJ e tex III.; geboren am 21. gebruar 1728 auf
htm Sdjtoffe ju ^iet ali ber einzige Sotjn ^erjog Äart griebrict)''i bon
£)olftein=©ottorp unb ber ©roßfürftin 2Inna bon IRußlanb, ber älteften Stodjter
^aifer ^eteri bei ©roßen. Äaum ein 2?a^r alt, berlor ber ^rin^ fet^on
bie Butter; bie 3at)treict)e meibtietje Söebienung, metetjer er nun überantmortet
470 yetex, R. ö. Üiufelanb.
roarb , übte buret) itjrc übertriebene 2lengftlid)feit einen fcrjäblictjen Gnuflufj auf
feine (Sntroidtung, beffen folgen Ü<^ ^unädjft in einer geroiffen fdjeuen gurd)t=
famfeit geigten. Wuct) ben Söatcv öertor ber Rheins fd)on mit et? ^atjren. ©e=
fchmifter tjatte er nie gehabt, ftnnb fomit jetjt gan^ uereinfamt ba.
2öir muffen einen 9iüdblid auf bie ©djidfale bes Sßaters merfen. Äari
tVriebrict) mar ber ©ot)n ^er^og ftriebridj IV. (91. 2). :**. VIII, 21) unb ber
fdjroebifcfjen ^pebmig ©opfjie, ber älteften ©djroefter .ftömg Äart XII. ?lud) er
mar in Trümer $inbrjeit Söaife geraorben; aud) er rjättc mie später fein ©of)n
aus eigenen Gürfatjrungen „bie Reiben eines Knaben" fd)reiben tonnen. %n $x--
innerung an bie eigene traurige Äinbtjeit tjatte er in 93etreff ber (Jrjietjung feines
©ot)nc§, ber er befonbere Sorgfalt juroenbete, letttroitlig 2ltles bis ins .ß'leinfie
georbnet. 3U feinem SBormunbe tjatte er ben Sßrinjen grieori^ Sluguft bon
•<potftein--(55ottorp, britten ©of)n S3ifdt)of» Gfjriftiau sJluguft, oeftettt, ber in ©ot«
torp'fctjen 3)ienften ftanb unb bas befonbere Vertrauen be§ -gjerjog« genofj.
liefern tjatte er an« -gjerj gelegt, bie Umgebung feines ©oljnes oorfidjtig ju
roätjten, auf feine Slusbilbung, aud) auf bie förperlidje, bie gröfjte 2lufmeiffam=
feit )u berroenben, unb oor Gittern barauf ^u fetjen, bafj bem Knaben eine tieb=
reiche ^etjanblung 311 £tjeit roerbe. S3on a liebem gefdjatj gerabe bas ©egenttjeit.
21(3 tfarl ^friebrid) am 18. 3uni 173"» ftarb unb nun ber elfjährige ©otjn ifjm
als ^erjog oon ©ottorp folgte , beburfte es bemnadj ber Ernennung einer oor=
munbfdjafttidjen Regierung. 9Iuf ben jungen £er,}og gingen jugleidj bie @rb=
aufprüdje feines Söaters an bie fdjroebifdje $rone über. 2)enn als $art XII.
oon ©d)meben am 14. 9toDember 1718 Oor griebridjst)all fiel, ot)ue ßeibeserben
<ju tjintertaffen , tjatte itjm $arl griebrictj als ©ofjn feiner älteren ©djmefter
folgen fotten, mie iljn benn aud) Äart XII. immer als feinen sJcad)fotger be=
rjanbelt tjatte. ©eine Jtjronbeftcigung märe inbeffeu gteidjbebeutenb gemefen mit
einer ^yox-tfeijung bes Krieges gegen 35änemarf 311t ©ettenbmacfjuug ber (Sottorp*
ifd)en 2lnfprüdje an ©djlesroig. 2)esmegen mar eine jpefpartei unb bie Slrotee
feiner üttjroncanbibatur entgegen. 3)ie Slrmee pronuncirte ftatt feiner bie jüngere
©djmefter bes berftorbenen .Königs, Ulrite Eleonore, ©ematjttn bes Öanbgraren
griebridj öon Jpeffen (fL 35. 53. VII, 522), <jur Königin bon ©djroeben, unb
bie ad hoc einberufenen ©tänbe beftätigten biefe SBatjl. Ulrite (Sleonore lebte
aber in finberlofer 6tje. ©omit mar, menn fie ftarb, $arl ^ßeter Ulrid) ber
lebte ©pröfjling bes alten fdjroebifdjen $önigstjaufes , roätjrcnb itjm 3ugteictj als
Cmfet s$eter'§ be§ ©rofjen 2lnfprüdje auf bie £tjronfo(ge in Ülufjlanb pr ©eite
ftanben.
Stuf bie sJtad)rid)t öom 2obe ^er^og Siaxl 3friebrid)'s nafjm nun aber ber
bamatige 53ifd)of öon ^übeef, ^perjog Slbotpt) griebrid) (s3t. 35. 33. I, 114) als
ältefter 2Ignat tie SJormunbfcrjaft unb bie 9lbminiftration bes C'anbes für fid)
in ?lnfprud) unb trat fie mittetft latentes Oom 21. ^uni 1739 an. ©ein
jüngerer 33ruber, ber obengenannte Sßrina ^iebrid) Sluguft, oerjidjtete auf bie
il)m teftamentarifd) übertragene Söormunbfdjaft, natjm feinen Stbfc^ieb au§ ©ot=
torpifc^en S)ienften, ging in§ ^tustanb unb überliefe ben itjm fo roarm ans .g) er j
gelegten ^flegebefofjlencn feinem ©djidfal. 2)a3 Seftament bes feiigen ^er^ogs
marb einfad) ad acta gelegt. 3um ^pofmeifter bes jungen ^erjogs roarb ©raf
93rümmer ernannt; ein früherer ßabatterieofficier , ben ber fclige ^peijog megen
feines anftö^igen ^ebensmanbels bes Öanbes tjatte öermeifen motten. „II est
bon pour dresser un cheval mais non pour ölever un prince" äußerte über it)n
^profeffor 5Rilbt, ber fran^öfiferje £et)rer bes ^3rinjen. @in im grofjrjeraoglicr)
olbenburgifc§en <^aus= unb 6entralarcf)iü aufberoatjrtes Memorial enthält eine
3ufainmenftetlung ber bem ©rafen krümmer jur Saft gelegten 9)lifsgriffe in ber
ßrjiefjung bes ^»er^ogS: Qux Orefiben^ mar biefem bas ©dilofj Äiel angeroiefen.
$Peter, #. ü. ^ufjtanb. 471
SDev Unterticrjt, in bem bie fremben ©pradjen natürtictj eine Hauptrolle hielten,
bauerte bon Borgens bis 2lbenbS fpät; Dort (Srrjolung, Bewegung in freiet
Öuft, Anregung im Umgang mit 2ltterSgenoffen mar feine 3tebe. ßrmübet unb
ermattet bon ©djulftunben mußte ber $rinj oft ftunbenlang auf baS @ffen
toarten, roenn fiel) ©raf 23rümmer eben auf ber ^yagb ober im Salon ber grau
b. 53rocfborff ergötzte. Unter ber Safet liebte eS (Sraf 23rümmer, ftcf) in platten
unb friboten ©cfjerjen ju ergeben. 2lbenbS mutete ber s4kinj in Uniform ben
©efetlfctjaften beirootmen, bie SSrümmer in ben tjerjoglicfjen ©emäctjern beranftat=
tete, unb am Sanje ber Gürroadjfenen üttjetl nehmen. Söenn feitenS ber Cetjrer
geflagt roarb, baß ber $rin<j menig ©iun für bie ©rammatif ^eige , gab eS t)ef=
tige Auftritte unb unpaffenbe Strafen; fo lief} ir)n (3raf SBrümmer an feinen
SlrbeitStifct) binben, mit entblößten .^nieen auf @rbfen liegen ober ftunbenlang
mit einem SfelSbitb um ben -£>a(S jum öffentlichen 2lergerniß urntjergetjen. Sää
mag als "£robe auS einer langen !Jteilt)e bon ät)nlict)en Sefcfjroerben genügen.
3)aS Slergfte aber, toaS bem Sßrinjen roibcrfufjr, mar bocr) bie 9lrt , roie man
ben üreligtonSunterridjt betrieb: je nactjbem bie 2luSficb,ten auf bie £f)ronfolge
in Sftußlanb ober in ©ctjtoeben mel)r in ben SSorbergrunb traten, warb er in gried)ifctj=
fattjotifcrjer ober in lutrjerifctjer Gonfeffion unterrichtet, mobei fanattfctjc ©eifttidje
ftcrj bemühten, il)m Mißtrauen unb i>aß gegen bie Seljren ber gerabe hei ©eite
gefdjobenen ^Religion einzuflößen, ©o roarb ber religiöfe Rieben oe§ J?naben
jjetftört unb ib,m gegen ben griecrjifct)=fatI)otifcrjen SultuS ein Sötberroitten bei*
gebracht, über ben er auct) fpäter nie boltftänbig rjat Jperr roerben fönnen. $n
roie rjotjem ©rabe SSrümmer'S 33eljanb(ung baS ©emütr) beS ^rin^en berbittert
rjat, feilte fictj fpäter geigen. 35er einzige Sicrjtbticf in biefen trüben JHnbertageu
mar ber $etfel)r mit ber Jungfrau 2lliniuSf feinem .^inbermäbcfjen , bem nodj
ber $aifer fpäter feine SDanfbarfeit bezeigte.
1741 ^atte bie jüngfte Softer $eter beS ©roßen, @[ifa6etl), ben ruffifcfjen
Sfjron beftiegen. ©ie roollte bem ^rinjen 5p. , als bem ©oljn itjrer älteren
©cfjroefter, bie '•Jtadjfolge auf ben ruffifcfjen Stfjron fiebern unb roünfcfjte beSroegen
feine Ueberficblung naef) Petersburg. 3>n Äiet, roo er ber ©egenfianb inniger
Stjeilnafjme mar, macrjte man 9Jciene, fiefj feiner Ueberfüfjrung ju roiberferjen.
Gür toarb aber nädjttidjer Söeite an 33orb eines ruffifcfjen ÄriegSfcfnffeS gebracht,
baS gleict) barauf in ©ce ging. $m Februar 1742 fjielt ber Sßrtnä feinen @in=
sug in Petersburg, bon ber Äaiferin in f)er,jticf)er SDßeife empfangen unb unter
enblofen geftticfjleiten. 2)ie Äaiferin roanbte nun feiner SutSbitbung if)re be=
fonberc 2lufmer!famEeit ju. ©eine ^räuflidtjfeit aber, roieberfjolte ernfttietje
Äranlfjeiten unb bie unter biefen Umftänben boppelt ermübenben Slnftrengungen
be§ Jpofteben§, benen er fidj trofebem nicejt entjieljen burfte, roirften auf ba§
©törenbfte ein. 2lm 7. 18. 9lobember 1742 trat er jur griecfiifcli-fatfjolifc^en
Äirctje über, unb roarb als $eter Sßetroroitfdj „ex jure sanguinis" ^um ©roß=
fürften=3:ljronfotger erflärt.
Salb nacb,l)er am 4. Januar 1743 fanb fiel) in ^ülosfau eine fcbtoebifcb.e
©efanbtfcrjaft ein, um bem ^rin^en im Flamen be§ fcrjroebifctjen 9teict)§iatl)§ bie
fdjroebifdje Ärone anzutragen. Um be§ bereits erfolgten UebertrittS jiir griect)i=
ferjen Äircr)e roiüen roar bie ©aetje tjinfällig , fie fetjeint aber auf ben ^rinjen,
ben man über feine SluSfictjten auf ben fctjroebifcr)en 2§ron nie genügenb auf*
geftärt Ijatte, einen tiefen SinbrudC gemacht p tjaben. @r gab feinem ©djiner^
über ben SSerluft ber fcb,toebifct}en Ärone in einer 2öeife 2lu§brucf, welche bie
2lltruffen, bei benen feine Sfjroncanbibatur biele ®egner fjatte, berletjte. S)ie
Sactje roarb ausgebeutet, um u)m bei ber Äaiferin ju fetjaben unb iljn beim
33otfe unpopulär ju macljen. ©cf^on t)ier liegen bie {feinen Anfänge ber großen
472 $et"' & ü- ^"Blanb.
^Bewegung, bie fpäter gegen ifjn in8 2Berf gefegt tourbe; es ift ,.le commen-
cement de la fin".
3Jm -gjerbft 1743 erfranfte $ß. fo fdjmer, bafj man für fein Seben bangte.
2)ie8 üeranlafjte bie $aiferin, Weldje ba8 3lu8fterben ber 9lad)fommcnfd)ajt
v4>cter's be8 ©rofjen befürchtete, bie Vermählung bes 16 jährigen s4.Utnjen gegen
ben bringenben 9tatf) ber 3lerjte in ßrmägung ju nehmen : itjte 2Bab,l fiel auf
bie bem £)olftetn=©ottorpifdjen £>al,fe oerwanbte 5ßrin3efj öon 3lnt)alt=3erbft, bie
jpätere Äaiferin Äattjarina II. ©ie traf mit iljrer fluttet im Februar 1744
in 9Jco8fau ein, trat am 9. ^uni b. %. jur grtedjifdjen Äirdje über unb erhielt
ben Warnen $atl)arina 3llertewna. 3118 im .£>erbft 1744 bie ^efibenj öon
sDlo8fau nad) Petersburg öerlegt würbe, erfranfte ber ©rofefürft auf ber Steife
batjin in <5t)otilotno an ben SSlattem. 2>ie Äaiferin mar Sag unb Olad^t an
feinem 33ett „dans une consternation excessive". mie ber preufjifdje ©efanbte
unter bem 12. Woöember 1744 berid)tete. Ser ©rofefürft crtjoltc fid) ämar;
g(eid)Wol aber mürbe ijjm bie Äranffjeit öerfjängnifjöotl. 3u"Ä^ft fjörten, bamit
bie Öteconöalesceu,} nid)t geftört werbe , feine ©tubien auj. 3)aun aber entftett=
ten bie s$odennarben fein ©cfidjt bergeftalt, bafj $atf)arina bes petnlidjen 6in=
bruds nidjt ^>err werben fonute. 3ludj itjm fetöft entging bie8 ntdtjt , unb es
liegen f)ter bie Anfänge einer 93erftimmung , bie Jpäter fo fdjwere folgen nad)
fid) jiefjen folltc. (£s fam aber nod) (Sines t)in<}u. Söäfjrenb ber Sage, wo man
ben Job be8 ©rofjfürften fürdjtete , waren 3lUe , unb bie Äaiferin nidjt am
wenigften, öon ber %xaqe ber •'Jcadjfolge im ftcidj tief bewegt. 3m ©taatSratf)
brad) fid) bie 3lnfid)t 33af)n, bafj in biefem 5flüe feine Verlobte, bie ©rojjfürftin
$atrjarina ju feiner Wadjfotgerin ^u ernennen fei. (Js blieb bie8 fein ®et)eim=
ntjj; wer öermag ^u fagen , Welche ©ebanfen bamit in ber Seele ber jungen,
ehrgeizigen gürftin aurgefeimt finb?
Sie 9Jermäf)tung erfolgte am 1. «September 1745. 2)a8 etjelidje 2}erf)ätt=
nifj War balb unb oft getrübt. 6s fdieint fogar, bafj ^attjariua fdjon frürj an
ÜJcadjinationcn gegen ben Stjronfolger lljeil genommen I)at.
3lts ^)er^og Don £olfteiu erhielt *$. am 11 $unt 1745 öom beutfdjen
#aifer veniam aetatis. 2)ie Regierung über ben ©ottorper 3lnttjeit am ^er^og*
tt)um ^polftein Tüfjrte er öon Petersburg aus mit «jmei Gonfeitä, beren eine8
feinen ©itj in Petersburg , ba8 anbere in Atel tjatte. 6r nabm nun (£infid)t
in bie unöerantmortlidje 3lrt unb SBeife, wie wäljrenb feiner IJcinberjäfrrigfeit
bie Dtegierung geführt worben war, unb eine tiefe sIfttfjftunmung erfaßte ifjn
unter ben klagen unb gegenfeitigen sJ(ufd)ulbigungen, bie jeftt öon brüben Ijer
ju it)m braugen. SDer ©ottorpifdje ©efanbte in ©tocfljotm, ©ebetmrattj ü. -§>ol=
mer, Welcher IDcttgtieb be8 Gonfeils in $iel gewefen war, würbe fofort ah=
berufen. Ser bis batjin, audj in Petersburg, öielöermögenbe ^pofmarfcf)aIl ©raf
33rümmer warb in länblid)c ßinfamfeit nadj Srittau öerbannt. S)ie .Uieler
Äanjlei Warb neu georbnet unb bem ^räfibenten ftrenge üDisciplin etngefdjärft.
S)er Vieler üßoftmeifter, meldjer ba8 SriefgetjeimniB nid)t geachtet tjatte , warb
jur 9tedjenfd)aft gebogen. S)er ^uftiäöftege , ber Verwaltung, ber Untöerfität
wanbte ber .jperjog feine 3lufmerffamfcit ju unb ging überall otjne 3lnfetjen ber
5|3erfon öor, wie öerfdjiebene üteferipte an ba8 Bieter ßonfeil beweifen. |>atte er
frütjer auf ba§ 3tnbrängen be§ ^offan^leri ^edjtin ju ber berüchtigten Sßer»
folgung bes ©etjeimrattjs SBeftpljalen (f. b.) fetbft bie .gmnb geboten, fo geigte
er fidj je|t, über ben maljren Sad)Dert)att aufgeflärt, bemütjt, ba8 an 2öeft=
ptjalen begangene Unredjt wieber gut ju maetjen.
1754 warb bem ©rofjfürften ein ©ot)n geboren, ber nadjmatige Äaifer
^>aul, burdj Wetdjen er ber Stifter be§ in 9ru|tanb regierenben ^>aufe8 warb.
Sßetet. 473
21m 25. Secember 1761 5. Januar 1762 ftarb Äatferin (Slifabett) unb
q3etcr III. beftteg ben £t)ron. Seine ferneren Saaten unb Sdjidfale gehören
gana ber ruffifdjen ©efd)id)te an, unb fönnen §ier nur pd)tig angebeutet toerben.
er begann feine Regierung bamit, 20000, unter (Stifabeitj nad) Sibirien Ser=
bannten bie ©veitjeit ju Renten. Reformen füllten auf alten ©ebieten fofort
inS Seben treten. Die tjeimlidje Äanjlei toarb abgeftfjafft, jene StaatSinquifition,
bie feit ben Seiten $toan'S beS ©rojjen fo biel Unglüd über föufjlanb gebraut
tjatte. 2lnwenbung üon Tortur unb Änute warb Oerboten. Unterm 27. «Dtärj
7. Slpril 1762 legte ber £aifer bem Senat fein nationalöfonomifdjeS ^ro=
gramm üor: Sie äöatbungen füllten gegen SluSforftung gefd)üfct toerben, ber
£anbel mit ßorn unb Sieb, freigegeben, JpanbelSfactoreien errietet, ber SßreiS
auf ©ata fjerabgefe^t »erben. Sine üerbefferte Drganifatton ber ^Rechtspflege
toarb in 2tuSfid)t genommen unb ein fogenannter aBorjtTafjrtSauSfdiufc ernannt
mit ber Aufgabe, baS allgemeine 2Bot)l ber Untertanen ju übermalen. Sie
@infub,r üerfd)iebener ßuruSgegenftänbe toarb Oerboten. 21ud) ^peer unb flotte
füllten reorganifirt toerben, baS §eer nad) preufjifctjem , bie flotte nad) eng=
lifdjem «Dtufter. Sogar auf bie grtedjifc&e üirefie unb itjve Älöfter erfiredte fidj
biefer tjaftige fteformeifer beS ßaiferä. ^riebrid) ber ©rofje bemerfte au? bie
9tad)ricf)t tjierüon: „attaquer ces archimandrites et ces popes c'etait se faire
des ennemies irreconciliables." SIber aud) auf üieten anberen ©ebieten füllte
man fidj in feinen berechtigten toie unberechtigten ^ntereffen bebrotjt unb beeinträdj*
tigt. 9todj amregenber ütetteidjt mirfte beS $aiferS auStoärtige fßolitit. 6r toar be=
fannttid) feit lange ein begeifterter Seret)rer griebrid) beS ©rofjen, mit bem er
in intimem Sriefroecfjfel ftanb. %n ber 2t)at toar eS ein füt)ner @riff in bas
ftab ber 2Beltgefd)id)te, als ber Äaifer plö^lid) bie europäifetje Koalition fprengte,
burd) meldte griebrid) II. jt<$ auf baS Sleufjcrfte bebrofjt fat). 2tm 16. 9Jtär3
1762 warb jnrifd&en 9tu^Ionb unb ^reufjen ber äßaffenftittftanb gefdjloffen, am
5. gjlai ber ftriebe, in toeld)em bie eroberten unb faft fdjon incorporirten
preufjifcfjen s$roüinaen toieber herausgegeben mürben, äöenn 3u gleicher geit ber
ßrieg mit SänemarJ auSaubred)en brof)te — bie £eere toaren bereits in 2Jtarfd)
— , fo toar biefer Ärieg, in bem man nur bie Verfolgung ©ottorpifdjer Jpaus=
intereffen fat), nidjt minber unpopulär.
Sie forgfältig üorbereitete üteüoiution fam am 28. 3uni 9. 3uli 1762 3um
9luSbrud). Äat^artna tourbe jur Äaijerin ausgerufen, $eter III. oerb^aftet unb
nad) ftopfdja gebraut. £ier toarb er am 6. Suli 17. 3uli in brutatfter SBeife
meud)lingS ermorbet. 5- *>. Ärogtj.
^eter: f. aud) ^ctruö.
^Cter 0. (Soblena, Saumeifter. Ser «Käme „SJlaiflet $eter Slainme£
üon tobten^" tritt unS juerft 1482—90 in ben ©teuersten üon Stuttgart
entgegen, hierauf toirb ber 5Jcann 1501 nod) einmal urfunblid) genannt als
au Urad) fe^aft unb als Weifter ber S. 2lmanbitird)e ba, beren Sau 1499
üollenbet toar, nad^bem er 1479 begonnen blatte. Son biefer Äirdje b,er fennt
man fein ^ei[teraeid)en unb ift banad) im Stanbe, feine toeitere 2:t)ätigfeit au
üerfotgen. Sa§ 53ilb, ba§ fid) üon berfelben ergibt, ift folgenbeS:
Sermutb^tid) blatte ber ÜJleifter in ben 70 er Sagten als fürfttid^er 93au=
meifter in bem Uradjer 2f)eit beS getrennten äöürttemberg bie Sauten geleitet,
toetcb,e ©raf @berr)arb im Sart bort ausführte (Sdjlofe, 5)cönd)S^of, StiftS=
firdje). Sei ber Verlegung ber ütefibena beS roieberüereinigten Sanbe« nad)
Stuttgart 1482 folgte er bem ©rafen bab^in, um, toat)rfd)einlid) an ber Stelle
beS 1470—78 genannten, im legten 3at)r geftorbenen ^arliers ^>anS , bem
Stuttgarter fürfttidjen Saumeifter 2ltbred)t @eorg als ©eb,ilfe bei beffen weit«
474 $£tcr-
öcrjroeigter 23autf)ätigfeit, bie in Stuttgart insbefonbere bamats bcn gortbau an
ber ©tiftßfirdje unb ©pitatfird)e umTa|te, ju bienen. $XDti ^afjre bor beffen
2ob Ijattc 9Jlcijlex 5p. 1490 ben 'Dttittetpunft feinet Xfjätigfeit toieber nad)
Urad) öerfegt unb roirfte bon bort aus, meift burd) Untermerfmeifter, an einer
fteitje ftxc^lidjer bauten ( Anfingen um 1487—95, 2öeitt)eim unter %ed 1489—
1517, ©etttngen, £>&. Urad) feit 1494, ^eutingsfyeim feit 1487, ©dmneber=
bingen 1495, Sltingcn, Äartrjauje ©ütetftein). $m Ätofter £irfd)au rjat er
1491 ben nörbüdjen ^lügel bes Atreujgangs, mar)rfd)einiid) auef) anbete, jetjt
nid)t met)r erhaltene 33autt)eile rjergefteüt ; in 33laubeuren bie gan^e JHofter*
firdje 1491—1501, tjier untetftütjt öon bem äuglcid) als 33itbt)auer ttjätigen
©teinme^eu 9lnbo (? = 5Inton). sJftit ?Ubred)t ©eorg, beffen ©djfiler er früher
geroefen fein modjtc, ttjeitte s$. bie Vorliebe für bas .gnneinjictjen ber ©trebe=
pfeiter in bie 2ßänbe bes fiangrjaufes. ©eine §eimatt) fann ebenforoot)t bas
2)orf ßoblenä bei 3uvjad) in ber ©dirocij, als bie ©tabt ßobtenj geroefen
fein. 3für teueres fpridjt bas SSorfommen eines 9Jteiftets $eter öon ßatjn in
äßaiblingen unb fteUbad) 1487 — 1519. ©ein 33itb mögen mir mit iöeisbartr)
an bem Uradjer sülar!tbrunnen finben. Iftäfjeres f. in meiner ©djtift: SBürtt.
23aumeifter u. Silbtj. , ©tuttg., ß'ofjirjammer 1882 (©eparatabbrud aus ben
SBürtt. ^ierteliat)iäf). f. ßanbesgefd). 1882, £eft I— III). ,u(emm
s4>ctcr t>on ® reiben, ein ^eitgenoffe üon 3>otjann |>ufi, föunte, roenn
ber if)m augefd)tiebene, burd) bie bisherigen ^orfdjungen jeboer) nod) feinesroeg«
fjinreidjenb beroiefene ^ntrjcil an ber fjuffttifdjen 33erocgung begiünbet märe, in
feiner SÄrt eine roettgefd)id)t[id)e 33ebeutung beanfprud)en. 2ßirb er bod) als
einer ber Urheber ber ßefjre üom ?lbenbmar)t unter beiberlei ©eftaü (sub utraque)
unb als eifriger Sefämpfer ber ßeljre öom ^gefeuer genannt. O^net mirb
U)m ein nadjtjaltiger ©influfe auf bcn befannten $afob OacobcHuS) öon 9Jties
•jugefdjrieben. ©idjer befannt über fein ßcben unb 2Birfen ift nur golgenbes :
sJiad) bem 3eugniB bes 2Iencas ©rjlöius tjat ty. , als beffen .freimatb, , toie
fcr)on fein SSeinamc bezeugt , Bresben ober ein biefer ©tabt benachbarter £)rt
anzunehmen ift, im $at)re 1409 bie Uniöerfitätsftabt ^rag, roofelbft er iat)te=
lang als afabemifdjer Setjrer tt)ätig geroefen, infolge ber befannten Äataftroptje
mit bcn s$rofefforeu unb ©tubenten jugteid) öerlaffen unb ftet) in fein 33atertanb
jurüdbegeben. $n bie uädjftfotgenben ^atjre fällt bann bie angebliche 2t)ätig=
feit $eter'§ an ben geterjrten ©djufen ju Sfjemni^ unb 3ro'idau. 5Rad)geroiefen
ift feine 9lnmefent)cit in S)resben im 3f. 1412, roo er mit einem gemiffen 5Jlifo=
lau<c (jufammeu an ber ©djute jum 1)1. Äreu^ a(8 2et)rer mirfte. SCBegen S3cr=
breitung fefeerifdjer Seljren nad) 2Irt ber öon Söiftif unb ben börjmifdjen Neuerern
aufgeftettten, mürben beibe Männer fdjon nad) etma jmeiiäb^riger Serjrtrjätigfeit
burd) ridjtertidjeS Urtrjeit irjrer geifttidjen Dbcrbefjörbe au§ ber iltei^ner SJiöcefe
auigemiefen. 3fn Segteitung feine§ ©djidfalSgenoffen fet)rte ty. nad) i|3rag
jurüd, grünbete in ©emeinfd)aft mit ©rfteiem eine ©djute (bursa) bafelbft unb
t)at in ber golge mit bem öorerroafmten Sncobettu§ (ju Qmbe bes ^ar)re§ 1414)
ba§ 3Ibenbmat)t unter beiberlei ©eftalten inöger)eim auszufeilen begonnen; ein
Vorgang, ber befanntlid) bic SBittigung beö bamats bereits in Äonftanj ein»
geferferten Jpufj gefunben ^at. ty. ift fdjtiefjlid), ba er bie öon if)in — an^
fdjeinenb mit mefentlicrjem Srfotg — öerbreiteten SOSiftif fdjen Setjren nidjt miberrief,
1421 auf bem ©djeitertjaufen geftorben. 9iär)ereg über ba§ tragifdje Snbe bes S5or=
rcformatorS tjat ftd) nid)t ermitteln (äffen unb mufj tjierüber fomie über feine
äßirffamfeit unb Sebeutung aU fotd)er überhaupt, weiteren llntcrfud)ungen öor=
betjatten bleiben. @in befannte§ Äirdjcntieb, in meld)em tateinifdje unb beutfdje
3ei(en gemifd)t finb, mirb $. ot)ne ausreidienben ©runb jugefcfjrieben.
$eter. 475
ftlatbe, ©efcbicbte öon ©adjfen (©otlja 1867). 33b. I, @. 348. —
£eraog/S «Äeal-enc^clopäbic II, ©. 394 u. XIII, ©. 218. — O. M&er, bie
vtveuäfd^ute in Bresben b. 3. Sinfütjr. ber ^Reformation (1539). 25reSben
1886. 6. 33 u. ff. $aul «Pf 0 tenbauer.
*Pcter öon Duisburg f. SuSburg (21. S. 35. V, 492).
$etcr öon «ßilicfiSborf, fprofeffor an ber SCÖiener Uniöerfität, GanonicuS
ju ©t. ©tep^an unb Pfarrer öon ^iticbSborf, einem nid)t unanfebnlicben Crte am
nörblicben 9tanbe bei 9Jtarcbfelbe§ in «ftieberöfterreicb , nacb welkem er aud) be=
nannt mürbe. ®ie «ftachrichten über ibn fliegen fefjr föärlidj unb eS läfjt fidj
auS ben älteren SDocumenten ber Söiener Uniöerfität nur eruiren , baf? er auS
JpöberSborf (|>ebetiSborf) in «Jtieberöfterteicb gebürtig mar unb mit feinem
Familiennamen Gsngetrjarbi (seil, filius Engelhardi) biefj, bafi er im $. 1388,
roo er nod) ber Slrtiftenfacuttät angehörte, jebod) fdmn baccalaureus formatus
auS ber 2rjeologie mar, baS 9tectorat befteibete unb in ben 3fat)ren 1398, 1399,
1401 unb 1402 fünf 9ftal als S)ecan ber tbeologifcfjen ^acuttät, an meldje er
mabrfcrjeinlicb, balb nad) feinem Sftectorate übergetreten mar, fungirte. $on ba
ab öerfebminbet fein «ftame auS ben UniöerfitätSacten. ®er ^efuit 3fafob
©reifer entbedte jmei ©ebriften öon ibm in mehreren (SobiceS, öon benen jeboer}
nur ber £egernfeer ben tarnen beS 2lutorS enthielt, unb ebirte beibe 3U ^ngol=
ftabt 1613, unb ^mar bie erfte berfelben: „Contra seetam Waidensem über" ober
.,Obviationes s. scripturae contra errores Waldenses" — ein niebt unmidjtiger
Sßeitrag jur $ircbengefcbicbte — ganä in 36 Sapitetn; bie jroeite bagegen:
.,Tractatus contra pauperes de Lugduno" nur fragmentarifdj, tbeitS meil ber Gober
einen 5U febterbaften, oft finnlofen üEejt bot, ttjeilS toeil itjm einige 2Inficbten
unb Sleufjerungen be§ SöerfafferS ju läöbifcb fcrjienen. ©ie finben fieb aud) in
ber ©efammiauSgabe öon ©retferS SBerfen («JtegenSburg 1734 — 41) im 2.
üfjeite beS 12. SBanbeS unb in ber Maxima bibliotheca veterum patrum (Lug-
duni 1677) im 25. 33anbe ©. 277 u. 299. S5ie erfte ift aud) nod) Ijanbjdjrift»
lid) auf ber f. t äöiener £ofbibtiotbef- im 6obe? 4219 (£beol. 216, ©. 212 a
big 232 b) öorhanben. ftad) ber ©djtufjfcbrift berfelben Expliciunt obviationes . . .
1444 rüdten bie älteren Siterartjiftorifer Gaöe , gaöriciuS unb nod) ^ödjer bie
C'ebrtbätigfeit beS SlutorS in bie SUtitte beS 15. ^abrbunbertS hinauf, obroobl
febon ©reifer in feinen ^rolegomeuiS baS ^abr 1395 als GmtftebungSjeit ber*
fetben auS einer Stelle beS 30. ßabitelS nactjgemiefen batte. Obige ©cblufj=
formet unb Slatirung ift bemnad) nur als 3ufa£ eines SlbfchreiberS ju nehmen,
^ödjer madjt ben Slutor überbieS nod) jum ^Jrofeffor ber Kölner Uniöerfität,
be^üglicfi melcber Angabe bier bie Slnmerfung genügen mag, bafy %o]. |>artp
fjeimS bibliotheca Coloniensis (Col. 1757), bie alle fötner ©djviftfteller mit
irjren Söerten öer^eiebnet, nidjtS öon ibm toeifj.
Sgl. 5lf^ba<^, ©efcl). ber Söiener Uniö. im elften ^abrb. ibre§ SBe=
fteben§. Söien 1865. ©. 124 u. 586. — äöappler, ©efeb. ber tbeolog.
^acultät ber f. f. Uniö. ju 2Bien. 1884. ®. 364 u. 468 unb bie oben*
genannten Tutoren. P. 91 nt. 2Bei§.
^Ctcr öon «Jtofenbeim, ein Beiname, ben er öon feiner ©eburtSftabt
am ^nnftuffe fütjrte, febeint im Sabre 1403 a(§ ©tubent bem «Jtector ber
Sßiener ^pocbfdjule, «Ricolau§ ü. \Dtaa3en, in bie ginfamfeit öon ©ubiaco ge=
iolgt 3U fein. $m ^abre 1416 febrte er in Segleitung beffetben nacb 2)eutfd)=
lanb prüd unb mürbe 1418 3U Äonftanj öon tyap)t Martin V. mit anberen
3ur s5teformirung be§ 3Senebictinerorben§ au§gefenbet. $• 9^9 äunäcbft nad)
^clf, wo er balb als $rior erfefeeint, unb befucrjte nun eine 9teibe gröfjtentbeilS
bairifeber ßlöfter, um bie eebte Dtegel ©t. SenebictS toieberberauftellen. %m
^. 1432 reifte er im auftrage ber SoncitSöäter, bie ju 35afet tagten, nacb
476 5p«tet.
Sööljmen, too er ber ljuffitifdjen Bewegung (Jinljatt tljun foüte. 58on ben 6r=
folgen jetner ütljätigfeit ift nid)ts befannt. ©ein Reinigung erfolgte tt?at)i^etn=
lid) am 5. Januar 1441; bas £obesjaljr i[t nidrt ööllig fidjer. Sritljemius
fpridjt fid) über itm mit großem Sobe aus. ©ein £>auptroerf : „Roseum merao-
riale divinorum eloquiorum". roorin jebes Kapitel ber ©djrift in einem 2>iftid)on
gegeben ift, erlebte niete Auflagen.
Äeiblinger, ®efd)id)te be« S3enebiftinerftifts «Dtett. I, 489 ff. — Äobolt,
®etet)itenlej:ifon unb ftadjträge. ©. SBefterm an er.
^3ctcr öon ©adjfen, einer ber roenigen abtigen sperren, bie fid) nod) in
ben testen 2)ccennien bes 14. ^arjrljunberts in beutfdjer ßrjrif öerfucfjten. ©inen
SSarant jum Sobe ber 9ftaria , bas einzige fieser irjm gehörige ©ebictjt, bas er*
tjalten ift, überfanbte er bem gelehrten ,!pt)mnenbid)ter unb =überfeher, bem
9J!öncrj öon ©atjburg (f. 21. 5D. 23. XII, 165), ber bie ®ahi burd) ein latei«
nifdjes Sieb ätjntidjen 3>nt)att«S unb gleicher (freitief) öereinfadjter) gorm er*
roiberte. Meters Sieb, in einer reimreidjen öerfünftelten ©troölje öerfaßt, rjäuft
in meifterlidjer 2Irt Sobesepittjeta auf 9Jtaria: ben bitter öerrätf) 9iid)ts. ftür
ein in berfelbeu gortn abgefaßtes ^D^ailieb fteljt tyttrti SBerfafferfdjaft nidjt feft ;
abroeidjenbe 23et)anbtung bes Sluftafts jeugt gegen fie. 9cod) bie 2>id)tcrfatatoge
beä 16. ^atjrtjunberts fennen *p. Oon ©adjfen unter bem entftettten tarnen
SJJeter ober ^etetlein ©adjs.
ajleiftetlieber ber Äotmater ^panbfdjrift , fjrsg. ö. 33artfd), ©tuttg. 1862,
©. 6, 7, 90, 184. Ütoetfje.
v4>Ctcr bon3ittau, ber einige ©efd)idjtfd)rciber, roetdjer über bie Anfänge
unb erften ^atj^erjnte bes luyemburgifdjen Kaufes in 2jöl)tnen ausfüfjrlid) berief)*
tet, ber bebcutenbfte ©efd)id)tfd)reiber 23öf)mens im 14. Safyrfjunbert überhaupt,
rourbe um 1275 in ber ©tabt , nad) roeldjer er genannt roirb unb bie bamals
ju 23öljmen gehörte, geboren, ©eine Sebensoertjättniffe fennen mir erft Don bem
2lugenbtide an, ba er in bas Giftcrcienferflofter .ftönigfaat (Aula regia) eintrat,
roeldjes ber $önig SJßenjet II. ein Satyrjeljnt pbor geftiftet unb reid) begabt
Ijatte. ©ein Eintritt büifte faum öor 1303, nadjbem er fid) jjuöor öergebens
bei ben Äreujrjerren um 2Iufnafjme beroorben, erfotgt fein. Um 1308 beenbete
er fein ^obijiat ; ad)t ^aljre fpäter rourbe er 2lbt bes iflofters. 3fn ber 9ieit)en=
folge ber Siebte mar er ber ©ritte, ©eine Verwaltung fiel in eine fetjr fdjroere
3eit, benn bie ©teuern, bie ber unterner)mungsluftige Äönig $ofjann bem .ftlofter
auferlegte , fliegen aHmätjlid) iuS lluerfdjroinglidje , unb fo mar bas ©tift um
1338 fo rjerabgefommcn, baß feine Sluflöfung roegen bes ©rucfes ber ©djulben
beoorftanb unb ber 9Jtar!graf $arl üou IWcärjren bemfelben 3000 ©djorf 5ßrager
©rofdjen borjuftreefen genötigt mar. s#. entfagte unter biefen Verfjältniffen
gern feiner äßürbe (1338). ftitfjt lange b>rnad) — toat)rfd)einlid) 1339 — ift
er geftorben.
2Bäf}renb feiner ^um Jtjeil aufreibenben 5tr)ätigfeit alg 2Ibt fanb ty. nod)
Wufc ju fd)riftfteEerifd)er Sfjätigleit : er glänzte als $an,}elrebner unb l)inter=
ließ einen 93anb ^3rebigten; feine ©d)rift — ein Setjrgebid)t - über „bie @r*
bauuug einel angel)enben ßlerifer«" rourbe feinerjeit gern gelefen unb fanb
große Verbreitung. 2lm roidjtigften aber roar e§, baß er einen £r)eit feiner
5Jtuße t)iftorifd)en ©tubien ^uroanbte. 2ln eigenen gefditd)ttid)en 2luf<jeid)nungen
roar ^önigfaal bei ber furzen 3"t feine§ 33eftet)en§ arm. (Sinige Dloti^en über
bie roid)tigften fünfte ber böfjmifcfjen ©efd)id)te mürben roofjt balb uad) 1292 au§
befannten GueÜen jufammengefteÜt (bie fog. Annales Aulae regiae). 9Ils bann
3Benjet II., ber 3?it feines Sebens bem Älofter geroogen roar unb fid) gern als
^titgtieb beffetben betradjtete, 1305 geftorben toar, ging man baran, fein 3In=
benfen burd) bie Stbfaffung feiner Sebensgefd)id)te ju öereroigen, unb biefe ?luf=
$eter. 477
qabe würbe bem «J)cöncb> Otto, genannt oon 2fjüringen , ber ftüb>r, freilief)
nur auf furje Seit (1297—98), baä Äloftet geleitet, einem fränflicfjen fct)üd)=
lernen «Wanne, übertragen. Serfelbe, feiner Aufgabe wenig gewactifen, fcfjneb
SBenjel'S Öeben bis äum 3ab> 1296 im ©Ute mittelalterlicher Segenben, üer-
febwieg Pieleä unb berichtete manches burd&auS fef)lert)aft. «Jtacf) £)tto;ä 2ob
iorberte ber 2lbt Mann III. Pon SBatbfaffen feinen ftreunb % auf, bie 33io=
qrapbie äBenael'8 äu beenben unb biefer folgte bem «Jtattje; boct) [teilte er ftd),
e8 war ba§ in ber 3eit, ba er aum 2tbt gewählt würbe, fem 3tel biet f)öf)er:
3* werbe" fagt er in ber SBibmung an ben «Abt Pon 28albf äffen , „ntd)t
btofc öon bei ©rünbung bon Äönigfaal unb öon ben Äönigen SötjmenS , bte
in meiner Seit gewefen finb , fpre($en, fonbern auef) Pon anberen Äömgtetjen
unb Sänbern, geifttic£>en unb weltlichen dürften, Don öerje^ebenen Gtetgnttfen,
an benen fiel) beä SeferS ©inn erbauen tann." (£8 finb alfo tm 2£ef entließen
feine (Srleoniffe, bie er fd)ilbert unb bie man feine «Dcemotren ju nennen gemotjnt
ift — nietjt ganä richtig, ba er feine «Jlacf)ricb>n äiemlicf) gleichzeitig mit ben
greigniffen niebergef ^rieben.
2)afc er ju biefer Arbeit in t)ot)em ©rabe be|ät)tgt war, t]t ftetjer: er führte
eine gewanbte unb toer^altmfcma&ig gute fteber unb fjatte für ba8, wa3 er et*
tablt, wofern er nidtjt «Augenzeuge war, ftetS ausgezeichnete Quellen, ©e^r mel
banft er bem erften «Abte öon ßönigfaal, Äonrab bon ßrfurt, einem tüchtigen
©taatsmanne, ber p äöenjet IL, 2öenäet III. , «Rubolf L, bem Äatfer ©ein-
ri4 VII. namentlich aber ju $eter P. «Spelt, bem (gra&tfäot Pon SKatn^ m
naften «Bedungen ftanb. ©einem «Abte tjatte er e3 auef) äu banfen, ba* er
fetbft bei bebeutenben ©taat§actionen, wie j. SB. bei ber Hebung be8 aurem-
burqifcfien ßaufeS auf ben böfjmifcf)en £f)ron fettig fein tonnte. 3m 3-1297
mar SB. 3euge ber Ärönuna, 1305 be3 «BegräbniffeS «ffiensel'S IL; er falj naef)
bem £obe Söenjel'S III. bie anarct)ifc£)en Suftänbe in «Böhmen unb begleitete
1309 feinen «Abt na$ £eilbronn, Wo bie testen 33erf)anb hingen ftattfanben, bie
3obann, bem ©of)ne be3 $aifer§, bie flrone «Böb>en3 fieberten. 1310 war «£.
mit feinem 2lbt in fjfranffutt, 1313 im Begriffe, mit bemfetben nad) Stalten
m geben, als bie Ülad)rid|t Pom £obe be3 ßaiferS ^einrieb, VII. eintrat, eben»
fo natte er ©etegent)eit , einzelne ßreigniffe, bie fiel) bei ber Äömg3wal)l lub-
toiq'8 abfpielten, nät)er m beobachten. 2113 HM genofc er ba3 Vertrauen ber
Königin @lifabetl) in ^ot>em ®rabe; wir finben it)n in ber tfolge al3 £l)txi-
netimer bei Pieten ftejtlicfcfeiten unb wichtigen (Sreigniffen innerhalb ber fontg-
tieben gamilie. 3m 3. 1317 wol)nte er als 5lbt Pon Äönigfaat bem jkager
2anbe§tage bei, Wetter bei ©t. Stement abgehalten Würbe. 33on ber JoniS"t
beauftragt ben Äöniß in Sujemburg aufaufucl)en unb 3ur ^eimte^r nad) Söö^=
men m bewegen, traf er benfetben in Srier. 3n ben fotgenben Sauren war
er Seuge ber 3wiftigfeiten im föniglic£)en ^)aufe unb ber wirren Smtanbe beS
«anbe§; 1320 fat) er bie «Belagerung ber «Ältftabt %xao, bur($ ben Äontg. 3n
ben Sauren 1323—1325 finben wir itm in ber Umgebung ber Königin, al§
biefelbe, entzweit mit it)rem ©emaljl unb fern pon biefem, m Äamb tn 33atern
lebte 1328 weilt er in «fltal>ren, im fotgenben 3a$re legte er tm «Kamen ber
Königin ben ©runbftein au einer neuen Äitdcje inÄbnigfaal; 1331 finben Wir : ttm
in «JtegenSburg in ber Umgebung be§ ßbnig§ ^am, ber bafelbft mit Subwtg
pon üBaiern Untert)anblungen führte. Um 3- 1333 ift er in flömgfaal mit
bem Sau einer toftfpietigen «löafferleitung befc^äftigt; 1334 ^iett er nc^ aur
ber Keife m bem DrbenScapitel in «Jöürjburg, Xrier, ©lairbauj, Stjon «partä
n a. D. auf. 1335 wohnte er in 3naim ber £ocb>it Otto'8 Pon Oefterreic^)
mit 3lnna Pon «8öt»men bei. 1337 machte er feine lefete «Reife pm ©eneral«
capitet. S!aS SBi^tigflc ift , ba£ er auf folgen «Reifen, ju benen er als Abt
478 $eter-
öerpflicbtet mar, eine Stenge ^totijen fammette unb fie fofort nieberfdvrieb. 23on
befonberem SBertbe finb bie aaf)Ireid)en 23riefe unb Ihfunben, meldje er in feiner
ßfjronif mittt)eitt. 2Bie uns biefe rjeute üorliegt, befielt fie aus bvei 23ücbern
öon ungleichem Umfange: baS erfte umfafjt nämlicb 120, baS jmeite 34, baS
britte nur 15 ßapitel. SDiefe Stntljeilung rJHjrt baber, bafc *ß. feine ßbronif
in brei 23änben öon ungleichem Umfange nieberfcJjrieb- 2IuS biefem Umftanbe
erflärt fidj aud) baS 23orfommen öevein.ieltev 23änbe , öon benen fieb tjeute ber
erfte in 5)onauefd)ingen unb Ütaubnit} unb ber jroeite (^lutograpb) in ber
Vaticana befinbet. 2Bie bie einzelnen 23ücber iljretn Umfange nad) üerfebieben
finb, fo ift bieS aud) nad) ibrem inneren 2Bertrje ber fiatt.. $ür bie erfte 3eit,
ba, mo er bie Slrbeit feineö Vorgängers iortfefct, fprid)t ^. nid)t als klugen*
aeuge, fonbern nur bom Jpörenfagcn. ^eitgenoffe unb für baS meifte, roaS er
eraäblt, aud; 2lugenjeugc, ift er öon ben testen 3|afjren SBenaelS II. angefangen,
ftür bie Regierung 2Benacl'S III., föubolf'S öon Defterreidj , .speinrid)'« öon
jfärnttjen unb £jiobann'S bietet fein SBerf eine midjtige ^unbgrube. ^)ie unb ta
etruaS ju febarf — oft etroaS öoreilig — in feinen lltttjeilen, läfst er fid) bod)
öon ber Seibenfdjaft niemals au roeit tjinretfjen; baber entfpriebt benn aud)
feine 5£arftettung ber Singe in 23öf)tnen feit bem Ausgange ber nationalen
SDrjnaftie im 2Befentlicben ben tljatfäcbticben 23erb,altniffen. 2öaS bie for=
meüe Seite beS SöerfeS betrifft, ift fie eine ber merfroürbigften, bie mir im
14. ^abrljunbert finben; einem jcben Kapitel läfjt ^. 2)erfe (leoninifebe Jpej:a»
meter) folgen, meld)e bie ©efüfjle beS ©d)reiberS bei (Gelegenheit ber Sarftellung
einzelner tnftorifdjer 2t)atfad)en enthalten unb bie ^anbtungeu, roeldje eraäblt
roerben, mit ßob unb tabel begleiten. 5ß. fjatte bie XUbficbt , baS ganje Söerf
in bie ftorm öon 9teimdjronifen umjugtftatten , ift aber ju biefer Umarbeitung
niemals gefommen. 2)ie ßönigfaater (Stjronif erfreute fid; in 23öbmen großer
Beliebtheit. ©ebon brei $abre nad) fßetet'S 2obc mürbe fie öon bem 2)omt)erru
gtanj öon $rag üollig abgefebrieben unb mit einigen gufäken unb einer tfoxt-
fetjung bis 1351 öerfeften; aud) nodj baS ©efd)id)tSrDerf bei 23enefd) ö. 2Bcit=
müfjl, eines 3e*r3enolTcn ÄarlS IV., fnüpft an ^etcr'S Grjronif an.
2)rude: 1. $n Q-veljerS SS. rer. Bohemicarum , Hanoviae 1602 (enthalt
nur baS äroeite 23ud) nadj bem in 9tom, bamatS nodj in .sjeibclberg bcfinblidjen
9lutograpt)); 2. i^m V. 33b. öon SDobner'S Monumenta historiae Boemica,
ißrag 1784, bottftänbig nad) ber ^gliucr .^anbfdjrift. 3. 9JUt Senü^ung
aller .^anbfdjriften t)rSg. öon fiofertt) unter bem 2itel „S)ie Äönigfaater ©e=
fcb,id)tSqueHen mit ben 3ufä^en unb ber goi'tfevjung beS SJomcjcrrn fixan^ öon
^vag" im VIII. 33b. ber Fontes rer. Austriac. 1. 2lbtt). Scriptores. 4.
9Jtit tfd)ed)ifcr)er Einleitung unb flöten eb. öon ßmler im IV. 33b. ber Fontes
rerum Bob. ^l*a9 1882. — S)ie gefammte Sitteratur über ^ßeter ö. 3- *n
0. Sorena, ©eut^lonbä ©efc&idjtSqueaen im «öl. 21. I, 292—303. — Sögt,
ßofertlj, bie $önigfaater ©efd)id)tSqucllen. Ätit. Unterfucbung über bie @nt=
ftebung beS Chronicon Aulae regiae im LI. 23b. beS 3lrd). f. öfterr. ©efet).
Sofertb.
tytttX: ßbriftopb %, ßomponift, geb. 1626 au Söeiba im S3oigtlanbe, fam
1650 öon ©ro^enbain nad) ©üben als ßantor unb Sebrer an ber grjmnafialen
©tabtfebute. £)ier entmidette er, namentlid) bureb ben ßieberbiebter %ot). %xand
(51. 2). 23. VII, 211) angeregt, eine lebbafte Sbätigfeit, aunäcbft bureb, Verausgabe
eines mot für ben firdjticrjen ©ebraueb ber ©emeinbe beftimmten ©efangbudjeS, beS
erften in ber Ütieberlaufit} ; eS erfebien in fjfreiberg in ©aebfen 1655 unter bem
Xitel : „2lnbadjtS=3t)mbeln ober 2tnbäd)tige unb geiftreiebe . . ©ef änge . . in öier
unb fünf Stimmen öon Gbriftopt) Metern ©angmeifter au ©üben" (23gl. ßaufitj.
53lagaain 23b. 50 ©. 131 f.). §iur brei ©jemplarc finb ermittelt. Unter ben
5ßeter. 479
274 ©efdngen tjerrfdjen bie Sutljerifdjen bor; bie 5tufnaljme neuerer ßieber neben
biefen wirb im 2)orwort auäbrüdlid) begrünbet. Unter letzteren finb am %a§h
reiften bie feineä greunbe§, bei genannten ©ubener 33ürgermetfter§ grandl,
•m beren 16 er (Sompofitionen geliefert r)at (Ijier noef) nidjt al§ bie feinigen
gefennäeidjnet). (Sine jtoeite Auflage bereitete er 1661 bor; fte ift aber bi§
jetjt nid£)t nadj)Wei§lict). ßiturgifdje ßombofitionen enthält fein 1659 beröffent=
lidjteä „Precationum thuribulum". 1667 erfdjienen feine 24 „geiftlidijen Strien"
mit Snftrumentalbegteitung, barunter 6 neue 2Mobien grand'fdjer ßieber; 18
weitere p foldjen finb in be§ 2)idjter8 „(Seiftlidjem ©ion" 1674 ljerau§gegeben.
@r ftarb am 4. 2)ecember 1669. Sljaraftcriftifdj für feine (Sombofitionen ift
ba§ gafetidje unb ©efäßige berfelben. ©ein Sonfai ift bem bon £. albert,
£. ©djein, ©efiu§, befonberä aber bem bon 3olj. Grüger ä^nttd^ , bon S)iffo=
nan^en nidjt gan3 fo frei, wie ber bon ©djein. 3m firdjlidjen ©ebraudje ljat
fid) feine feiner Gelobten erhalten.
9tod) in b. (Suterbe, 1857 ©. 146 ff., 1863 ©. 170 f., 1874 ©. 169.
£• Sentfd).
^etcr: $oane§ 2öenceätau§ $., 9Jtaler, geb. ju ÄarlSbab (23öfnnen)
(laut 2aufbud)) am 9. September 1745, f au 9tom am 28. ©ecember 1829,
toar ber legitime ©oljn be§ 3?arl§baber 23ürger§ unb SSfidjfcnmadjerS $ol). ©eorg
*ß. SSorgebilbet im bätertidjen £>aufe, bann ju einem tüdjtigen ©rabeur in bie
Selire gegeben, mürbe $. tjierauf ©etjitfe eine§ äöaffenerjeugerg» bei bem er fidj
burdj forgfältig ausgeführte ßifelirungen Ijerbortljat , unb in $otge babon ba§
befonbere ^ntereffe be§ in ber ßurfiabt toeitenben ©rafen ^ofebt) b. ftauni|,
bamatigen faiferlidjen öfterreidjifdjen 23otf^after§ am bäbftttdgeu £>ofe, auf fidj
30g. ©erfelbe fjielt iljn nämtid) für bie 33itbl)auerei berufen unb bemirfte
barauffnn unter woljtwotlenbftem 33eittjun feine Sßerfetmng nad) 9tom. S)ort
gan^ befonber§ intereffirt für bie äßerfe ber ^laftif au§ claffifdjer 23or3eit, burdj
fie audj befangen für bie 23ilbljauerei, mar eben in 5°lQe babon — mie fein
9Wrologift Ijerborljebt — $eter§ erfteS 2Serf in biefer ßunft ein 23a§reüef bon
3Wan3tg giguren au§ gebrannter ®rbe, weldje§ bon Sorb 33rifiol gefauft tourbe
unb jtdj gegenmärtig in ßnglanb befinbet. ^nbefj bom Erfolge auf biefem
©ebiete nidjt befriebigt, metjr unb metjr fjingeaogen auf ba§ ber 9Jlaterei, unter=
30g er fidj biefer 9ftidjtung nadj eingeljenben ©tubien an ber 9lfabemie, fudjte
namentlich S3erbottfommnung im Sluäfüfjren beS Warften 3U erlangen, bie itjn
aber merfwürbigerWeife auf bie ££)iermalerei len!te — bie er fortan mit ebenfo
bieler Vorliebe al§ facf)Iid)er Begabung übte. 2>a§ seitgenöffift^e Urteil t)ter=
über tautet: „©uidj unermüblidje» ©tubium mar e§ i^m gelungen, nicf)t nur
bie Färbung, ba§ %eU, bie 9Jtuefel, bie einem jeben SL^tere eigen finb, auf ber
ßeimoanb mieber^ugeben ; fonbern er fteüte aud) beutlidt) mabrne^mbar ben
SudjS unruhig, ben Siger grimmig, ben ßöroen gro^mütfjig bar; furj er mufjte
feinen ©emälben ein foId^eS Seben mitjuttjeiten, ba§ man nid^t allein bie 501>
men, fonbern aud) ba§ eigentljümlidje ber bargefteEten ©efdjöpfe in ©tellung,
^ßemegung unb 9taffe genau erfannte." SCßäljrenb biefer Ummanblung, bie
boEen tünftlerifdjen Erfolg nad) fid) 30g, gemann ^. augteid) einen neuen,
einflu|reid)en ^ßrotector im dürften 3Jiarc=51ntonio 33orgl)efe. ©ingefü^rt burdj
iljn unb embfol)Ien im Weiten Greife ber römifdjen Äunftfreunbe , gab e§ in
ber bamotS nod) Weltbel)errfd)enben 2:iberftabt balb feinen gefudjteren unb be=
fdjäftigteren ^Diäter wie ben fdjtidjten „^ßeter bon ÄarlSbab". — gortgefe^t
befteHtc Silber nahmen iljren SCßeg in bie ©ammlungen be§ Duirinal, be§
$ala33o Sorloni, nad) Neapel, glorenä, ^Jlailanb , nad) granfreid) , ©banien,
SJeutfcljlanb unb Söljmen, fRu^tanb, Slmerifa, bor allem nadj) Snglanb, Wofjin er
befonber§ biele ©djilberungen bom Seben unb treiben SfegtimS 3U malen fjatte.
480 Veter.
— 3fn einem .öauptbilbc groften Umfangeg, bag irbifd^e ißarabieg barfteltenb,
bereinigte iß. enbtid) aüe feine ßieblinge au§ bem 95ercicr)e ber Söierfü^tev, 9tep=
tilien unb 33öget in einem reijenben ©arten alg friebXicfje ©cfett^rfiaft bei erften
iUtenfcfjenpaareg. 2)ie 9)ottenbung beffelben öerjögerte fid) aber big natje an
fein 8eben§enbe, unb gelangte bann in ben 33efit$ ber ßucag=5lfabemie, an met=
djer iß. aud) lange 3eit alg ißrofeffor roirfte. — Sin mir befannt geroorbeneg
2Berf öon iß. (ber ißroptjet SDaniel in ber ßömentjötjle — 3 ©djutj tjocrj , 4
©djuf) 2 3°ü breit) befanb fid) öormalg in ber ©emälbegalerie patriotifetjer
Äunftfreunbe <}u ißrag. 2U§ jugenblid) fetjöne ©cftalt mit erhobenen Firmen
unb nad) Oben gerichtetem 23licfe, im Greife öon fünf ftattlidjen Jörnen bar*
geftettt, lieft fid) ber Pon ber ßegenbe gefctjilberte Vorgang tcidjt errattjen. 33e=
äeicfjnet mit ber 3arjrcg5af)t 1798, mar ber ftar angeorbneten, auf gute Stubien
bafirten, farbenfräftigen Slugfütjrung mal anjufeljen, baft bag üßtlb ber iötüttje*
jeit feineg ©djaffeng angehöre, ^wei anbere, in iRom fjodjgerjattene ©emäfbe,
in melcfjen iß. iülenfdjen = unb ütfjiergeftaltungen glücflid) ju öereinigen muftte,
maren £>erfuleg unb SDiana. — 33on nidjt geringer ibebeutung ift, baft aud)
©oetfje in feinem (Jntrourf einer @efd)id)te ber $unft beg 18. ^arjrfjunbertg
ißeterg mit ben Sßorten gebentt: „SDiefer trefftieße Üljiermaler Pereint in feinen
sbarfteflungen mit iRaturfinu nod) bie toefenben (Jigenfdjafteu einer fd)önen mar=
figen 53cl)anblung unb glänjenben fjavbe. SOöieroobl bie Xtjiere alg bag £>aupt=
fad) unfrreg Uünftlerg ,ju betrad)ten finb , fo Ijat er bod) nebenher aud) nid)t
orjne 2oh tjiftorifdje 3)arfteHungen unb 23ilbniffe öerfertigt." — (Svroäfjncngroertrj
ift nod), baft in $arlgbab bem Äünftler ju Stjren ein ©tabttljeit „ißetergberg"
benannt murbc.
Safjrbüdjer b. böf)m. 9Jtufeumg. 1. 23. 1830. — Stuttgarter ÄunftM.
Dir. 48. 1830. — 93erietd)n. b. ©emälbe=©alerie Patriot. Äunftfreunbe. ißrag
1835. — Teufel, Äünfll. 2er. 33. 11. — «Ragler, neueg attg. Äfinfll. ßer. -
Mütter-- .Utuujinger, Äünftler aller Reiten unb 93ölfer. — (Sigene ^orfdjungen.
Dtubolf Füller.
"]>ctcr: üftargaretfja iß., geb. am 25. SDecember 1794 in SBilbenfpud),
Äantong 3ütidj; f ebenbafelbft am 15. ÜRär} 1823, mar bie jüngfte Stocrjter
eineg motjlrjabenben 23auerg in bem oben genannten f'leinen äöeiler an ber
3ürd)erifd)=fdjaffl)aufifd)en ©renje. ©eiftig begabt, ber Siebting beg 93ater§, itjm
unb itjren ©efcrjroifteru überlegen, gewann fte fcfjon frütje groften ©influft auf
biefelben unb mürbe fid) beffen rootjt beroufjt. Unter bem ©ctjein ber 93cfd)ei=
bentjeit übte fte auf ifjre näctjfte Umgebung eine ^errfdjaft, bie ifjr fdjmeidjelte
unb itjr ©elbftgefüt)l ftärfte. Dtad) bem 6onfirmation§unterrid)te (1811) itjrer
eigenen 2Beitetbilbung überlaffen , burd) natje üßerroanbte in ißerütjrung mit
^erren^utern unb mit fcctirerifd)en Greifen gebradjt, begann fie fidj öorpg§=
meifer 93efd)äftigung mit religiöfen 33etrad)tungen unb ber Seetüre mpftifdjer
(Sdjriften b^injugeben, raatjtte fid) aber aud) auf biefem ©ebiete PoEe ©elbftänbig=
feit unb erlangte Ijierburdj , unb ba fie fid) geläufig unb fräftig au§3ubrüdfen
muftte, bei itjren iMdjften unbebingteä 3u^'auen unb Slnfetjen, für fid) unb iljre
3lnfdjauungen. 33alb traten anbere 33efannte ju bem .Streife , in bem fie galt,
©ie mürbe Pon JpetlSbegierigen aufgefudjt, mit ©leidjgefinnten im ©djafft)aufifdjen
brieflid) unb münblid) befannt, Pon grau Pon ifrübener (31. SD. 23. XVII, 196) bei
bereu (Srfdjeinen im natjen 93abifd)en (1817) auSgejeidjnet ; öon einem fröm=
metnben ©djmärmer, 93icar ©ana in 33afel, mit Briefen beehrt. $n üJtar=
garettja felbft, in itjrer gamilie, unter itjren greunben entftanb unb befeftigte fid)
bie Srroartung, baft fie ju aufterorbentlidjen SDingen beftimmt fei. S)ie un=
gemeffene ßitelfeit, bie bieg in itjr entfad)te, unb ber SBatju , baft an iljrem
Seiten unb Jtmtt ba» %>e\l bietet ©eelen tjänge , Perleitete fie nun aud) , itjre
5ßetet§. 481
nöcrjfte 5ßflid)t treuen 2tusr)arrens in ber ir)r öon (Sott angemiefenen S5ctuf§=
arbeit aufjer 2lugen ju feijen. ©tatt bem Vater unb ben ©efdjwiftern beim
Verrieb ber fianbtuirt^f<f)aft bei^uftetjen, gab fie fid) — freiXid^ mit 3uftimmung
unb Sßotjt^ub biefer öon U)r Verjerrfdjten — öon 1821 an gän^lid) nur fromm*
fdjeinenbem Müjfiggang ^in. Vrieftidj unb münbtid) unb in Vefudjen bei aus=
»artigen ^reunben, jutetjt mit einer ©djmefter fiel) bei einer -gmnbwerferfamilie
in ^llnau , Kantons Qüxitfy , für metjr als Satjresfrift einlageinb , befdjäftigte
fie fid) nur mit Verfünbung itjrer Meinungen über bie watjre Seljre Erjrifti unb
itjrer rjodjmütrjigen Erwartungen öon ber itjr beftimmten ^luSjeicrjnung unb
wichtigen Aufgabe in ber einfügen Votlenbung feines Söerfes. SDie natürlichen
folgen eines foldjen Verhaltens, fittlidjer fiaU unb geiftige unb moralifdje 3er=
rüttung tonnten nietjt auebleiben. anfangs 1823 in's öäterlidje £>aus jurücJ=
gefetjrt, brachte 9Jlargarett)a bie Sfyrigen, bie nod) immer unbebingter ©laube
an fie bef)errfd)te, erft p ben auffaEenbften -gmnbtungen abergläubifdjer £rjor=
tjeit, Wobei, angebltd) p Vertreibung bes Teufels, eine förmliche 3eitrümme=
rung eines Stjeites bes Kaufes begann. Unb al3 bie ^olijei biefem ©ebatjren
ein ßiel 5U fetjen fudjte, erfolgte, ein paar Sage fpäter, am 15. ^Diär^, bie
blutige $ataftropb,e, in Welcher unter ,,)Jtargaretb,a,s mitleibstofem Slntriebe ^uerft
if)re ©djWefier Etifabetr) freiwilligen £ob ju Rettung ber ©eelen it)res Vaters
unb Vrubers unter ben ©treiben ber 2lnwefenben erlitt, bie fie aufs ^>aupt
fdjtugen, unb bann Sttargaretrja felbft -gmnb an fid) legte unb nad) it)rem be=
tjarrlidjen Vefet)t förmlich gefreujigt Würbe, bie SLtjäterin , it)te öettrautefte
greunbin, babei immer Don steuern antreibenb unb otjne je <ju juefen. £$für
bas ^)eit ber äöelt wollte fie fterben. Es ift ferner au fagen, in meinem 9ftajje
tfjeils wirttidje fdjwärmerifdje Erwartungen, ttjeits bas Vemufjtfein eines" natjen
Enbes it)rer bisherigen Stellung unb 9toEe unb bas Verlangen, in berfelben
entfpredjenber auffatlenber Söeife aus ber Söelt ju getjen, bei Sftargarettjens
Entfdjluffe mitwirken, ©ewifj ift, bafc itjre ©djwefter unb bie Vottftreder ilirer
Vefefjle bei ber graufen £t)at nur itjrer als göttliches ©ebot angefefjenen 2Iuf=
forberung folgten, in gutem ©tauben tjanbelten unb bas SBieberaufleben ber
beiben ©etöbteten nad) brei Sagen erwarteten. 2)er fdjredlid)e Vorfall unb
ber fiel) baran fnüpfenbe Eriminatprocefj erregten nic^t nur weit unb breit bas
gröfjte Sluffetjen, fonbern tjatten aud) itjre 3tacr)wirfungen in bem Kampfe, in
welchem bamalö eine unter ber ^>errfcl)a|t bes abfoluteften 3ftationalismuö
ftetjcnbe ©taatsftrcrje mit berechtigten unb mit gan^ ungefunben Veftrebungen
ftanb, bie fid) gegen feine ausfdjtiefjlidje ©ettung richteten.
Quellen: ^argaretb.a fyettt, Sluffa^ öon Earl ^eftalojäi in Jperjogö
9lealenct)ctopäbie für proteft. Geologie, Vb XXI. 507 unb bie bort (in ber
beften S)arfteHung unb Veurtljeilung beö ©efdjet)enen) aufgezählten äat)lreicf)en
äeitgenöffifc^en glugfcfjriften. ©. ö. SB^fe-
Leiermann: 2luguft 5ß., f. bie gtacfjträge p biefem Vanbe.
^etcrö: 5lbolf ty. würbe am 9. gebruar 1803 ju Hamburg geboren
unb ber friegerifdjen Verljättniffe wegen öon feinen Eltern ^u einem mütter=
lidjen Ob^eim nad) Hameln gefdjicft, wo er feine Erjietjung erhielt unb audj
ba« ©tjmnafium befudjte. ©djon l)ier entwidelte fidj in itjm — Was fetten
genug öereinigt gefunben Wirb — eine gleid) lebhafte Neigung für ''Dtat^ematif
unb 5ßoefie. <ftacrjbem fid) ^)3. auf ben äöunfct) feines Vaters einige 3*it in
gtecrjnungs3 unb Vermeffungsgefdjäften geübt, be^og er im ^erbft 1822 bie
Uniöerfität ©öttingen, um $t)ilofopr)ie, befonbers aber ÜJtat^ematiE unb 9tatur=
Wiffenfd}aften ju ftubiren. ©eine Neigung jut ^oefie erhielt neue 91aljrung burd)
ben freunbfd^afttidien Verferjr mit ^t). ©pitta, beffen ©ebidjte „^falter unb
-^arfe" aud) öon 5p. fpäter (1833) herausgegeben würben. Veibe bilbeten ben
em. beutfäje IBmxatäu. XXV. 31
482 ^etet*-
9Jtittelpun£t einer freien Poetiken ©enofjenfd^aft , ber audj £). |)eine eine 3eit
lang näfjer trat. %m 3fat)re 1825 ging 3ß. nadj £eipjig unb folgte 1826
einem 9tufe aU Setjrer ber sUtatt)ematif an ba§ Stodjmann'fdje (5raiet)ung8=
inftitut in 2)reäben, mit metdjer Stellung er bie eineä ^etjrer§ am S3t^tt)um'=
fd)en ©rjmnafium perbanb. SSeibe Remter gab er $Rid)aeli§ 1843 auf, um
9Jlufsc für poetifcfje arbeiten, foroie für mattjemattfdje ^orfdjungen ^u gewinnen.
"äudj unterrichtete er feitbem bie brei föniglid) fädjfifdjcn ^rin*,en unb bie
^rinjeffin eiifabett; in ber 9Jtatljematit. Sm Mre 1851 mürbe 5JJ. ^rofefjor
ber Äatljematit unb sJtaturroiffenfd)aften an ber föniglidjen ßanbeäfdjule ©t. 3lfra
in SJteifjen unb in biefer ©tellung mirfte er big ju feinem Uebcrtritt in ben
föuljeftanb 1873. 2)ret ^al)re fpäter, am 5. ^uni 1876, ftarb er in sIReifeen.
— £>ie facljmiffenfcrjaftttcrjen ©driften Meters' („lieber ba£ ©tubium ber 9Jta=
trjematif auf ©rjmnafien", 1828; — „9teue 6uröenlet)re. ©runbjüge einer Um»
geftattung ber tjörjeren ©eometric burd) it)re urfprüngltdje analtjtifcfje sJJlet^obe",
1835; — „Sie fnmmetrifcrjen ©leidjungcn mit jroei llnbefannten. (Sin 9Jiett)oben=
ftjftcm aus ber cjöfjeren 9llgebra", 1851. — „lieber bie 9tott)roenbigfeit ber @in=
rictjtung jroedmäfiiger matr)imiatifd)»naturroiffenfct)afttidjer Jöilbungöanftalten an
beutfdjen UniPerfitäten", 1854) rennen mir nid)t, bod) Ijat bie .ttritif eine 33e=
reiche amg ber 2Biffenfd)aften barin gefunben. 9118 SDidjter trat $. perft mit
„®efängen ber ßiebe" (1840) an bie Oeffentlidjfeit; fie offenbaren ein für bie
Ijeitere erotifdje Sprif fetjr befähigtes Xaleut, ia% fid) in einfachen, funftlofen
äßeifen am beften augfpricrjt. Unbebeutenber mar „Sie inä 2)cutfd)e überfetjte
9tt)einfrage ber granjofen ober ber umgefeljrte ©piefj" (1841), ein fltegenbeä
SBlatt, mit bem aud) er in ber $eit beg 33ederfd)en sJtt)eintiebeg auftrat. sJiad)
längerer *J3aufe erfdjienen bann „Statur unb (Sottrjeit. s4keiggefänge" (1859),
in benen feine 9ftufe einen tjötjeren ©djmung nat)m. ,,©ott in ber 9tatur, bie
Statur in ©ott au finben unb fo bie ftättjfel beg ©afeing ju löfen unb feine
Söiberfprüdje ju Perfötjnen, ift bag Seftreben beg SDidjterg, ber mit einem leb»
haften unb innigen ®efüt)l augleidj eine tiefe ptjilofopljifcrje '-öitbung unb eine
feltene ©pradjgemanbttjeit tierbinbet".
§. Aura, ®efd)id)te ber beutjegeu 3tationaltitteratur, IV. 23b., ©. 172. —
SBitt). -ipaan, Säd)fifd)eg ©ct)riftfteller=8cj;ifon, ©. 257. — ßarl ®oebc£e,
Teutfd)Ianb§ 2>id)ter üon 1813 — 1843, ©. 237 unb 404. — ^nefdjfe unb
Wtoltfe, Seutfctje Örjrifer feit 1850, ©. 520. ftranj Srümmer.
^etcrS : «nton be $., «Ulaler, geb. 1723 ju ßöln, mar ber ©ot)n beg
9Jtiniaturmaterg ^ot). 53artl). ^eterö. SBäljrenb legerer fein ^fact) nur alg
tjanbmerfgmäfjigcg (hroerbgmittel betrieb , offenbarte fid} in bem ©otjne fdjon
frütjaeitig ein latent, bas au £)öt)erem Sluffdjmung beftimmt mar. ©in in Äöln
ju üorübergetjenber 33efd)äftigung anmefenber franjöfifcrjer 2Raler manbte bem
Jünglinge fein 2Botjtmoüen &u unb natjm itjn mit nad) 5Pari§, roo er it)n
einige $tit unter feiner gürforge behielt unb in ber Qelmaterei unterrid^tete.
2luf feine fünftterifdjc Sntmidlung unb bie sJtid)tung, meldje er einfcrjtug,
toaren bie sUteiftermerfc beä bamalg in ber SSlüttje feine§ 2öirfen§ ftetjenben
3ttaler§ ^. 33. ©rcu^e Pon bauernbem Güinflufj. (5r entfc§ieb fidt) für bie
^otjere ©enremalerei , melier fiel) burd) ©reuje'S portrefflidje äöerfe ber S^:
gefcfjmad mit Vorliebe ^ugemanot tjatte — nur bafe *ß. fid) nid)t fetten in
metjr ober meuiger lüfternen S)arftellungen gefiel, motjingegen bie 33ilber beä
ebel empfinbenben franaöftfdien 5Jleifter§ nie bie guten ©itten Perlenen. S)urc^
feine auggejeicrjneten gätjigleiten gelangte s$. felbft in ^anfreid)ö ^auptftabt
3U grofjem 5lnferjen; er mürbe Pom Könige in ben 3lbelftanb ettjoben unb
genofj beö befonbern ©dju^eö mehrerer ertaudjter ^Perfouen, unter anbern be*
ÄönigS ßtjrtftian VII. Pon S)änemar! unb be§ ^rinjen Äart Pon ßottjringeu,
Cetera. 483
Statthalters ber «Rieberlanbe , raetd^e it)m ben £itel irjreS Hofmalers üerüetjen.
fteben feinem -Ipauptfacrje , baS itjn jeine ©egenftänbe aus bem tjäuSlidjen unb
geiettfcgajttiögen Seben wählen r)ief3, trat $. audp ^weiten mit gefc^ict)ttidt)en
unb religiösen Sorfieltungen int tjöfjeren ©tue auf, in meldgen ftct) bie 23egabt=
tjeit beS ÄünftterS nidjt verleugnete. 2tudg bie nieten Silbniffe, wetdje er, jum
Xtyit auf Segetjren fet)r Ijodjgeftettter 5|3erfonen, matte, finb bon großer 33erbienft=
itctjfeit. ©ine befonbere Sorgfalt wanbte er feinen 9Jtiniaturgemälben ju , bie
äubem fetjt fetten finb. %m Sefüj eines Kölner ÄunjifammlerS befanb fidj um
1840 ein foIdjeS SSilb öon feiner <£anb , auf einer 6 3°^ l)ot)en unb 4 3°ß
breiten (Hfenbeintafel ben £ob ber Cleopatra barftettenb, non fo anwerft jarter
SluSfürjrung unb $ractjt ber färben, baß bie SBirfung auf jeben Sefcljauer
warjrtjaft be^aubemb war. ©eine Delgemälbe seicfmen fict) burctj ein reines,
tjeitereS Golorit auS, wetct)eS baS 2tuge fogleict) gewinnt ; baju gefeilt fidj baS
Sßerbienft einer fleißigen 2luSfüt)rung. 5ß. War wätjrenb feines 2lufentt)alteS in
$ariS im Sefitj einer ©ammtung f oftbarer ©emätbe älterer 9Jteifter; fo befaß
er baS 23ilb öon Serburg, wonactj 2Bitte 1765 ben gefdjä^ten Äupferfticr) „In-
struction paternelle" auSgefüfjrt t)at , waS auf bem Statte bemertt ift. S)er
SluSbrucf) ber franäöfifdjen iRebotution entriß $. bem ©djooße ber Ueppigteit
unb führte itjn in feine rfjeinifctje ©eburtSftabt äurücf. «£>ier mußte er burdj
bie Ungunft ber 3eübert)ältniffe bie SBanbelbarfeit beS SrbenglürfeS erproben,
inbem it)n, bem eine lange sJ£eit}e bon ^atjren t)inburdj ber bolle 9teij be§
2Bot)tlebenS entgegengelädjett r)atte, am 6. October 1795 im 73järjrigen ©reifem
alter ber £ob auf bem Sager beS StenbS antraf. Unter ben Silbern auS feiner
legten 3eit befinben fict) biete, welche fein im 2ltter immer mefyc äuneljmenber
fanget an 2IuSbauer in einzelnen ü£t)eilen unbollenbet getaffen t)at. SDaS
ftäbtifdje sDcufeum ^u Äöln bewahrt inetjrere ©emälbe unb außerbem eine fefjr
große Sln^ar)! bon 9tquarellarbeitcn bon ifjm, bie Söattraf , ber ©tifter beS
9JtufeumS, auS feinem 9tad)taß erworben r)at. $. t)at fict) audj mit ber sJtabir=
nabet berfudjt unb bieleS ift nad) if)m in Tupfer geftocfjen worben, bon 23reiten=
ftein (Silbniß beS Pfarrers $et. Sinti)), Gtjebillet (L'amour maternel, La jeune
Devideuse), 6. Sorbutt (L'amour maternel) unb £e Saffeur (La petite mar-
chande de carpes, La jardiniere en repos, Le vigneron galant, Tarquin et
Lucrece). S3on einigen ©djriftfteltern wirb biefer 9Jtaler „Peters de Bruxelles"
genannt, weil er fict) einige ^atjre in Srüffet aufgehalten t)at.
9Jterlo, 9ladgrict)ten b. Äöln. ßünftlern. 3. 3- 5Jterto.
^ctcrö: 2luguft ^., unter bem ©dgriftfteHernamen ßtfrieb bon^aura
betannt, würbe am 4. DJcätj 1817 ju £aura, einem Sorfe bei ßt)emni^ in ©atfgfen
al§ ber ©o^n eine§ ©trumpfwirterS geboren. 2>ie Sltern fiebetten nadt) einigen
^aljren nad) bem regeren ©ebirg§ftäbtcrjen ^Dtarienberg im Qh^gebirge über, lebten
aber tjier trot} aHe§ gteißeS, alter ©parfamfcit unb ©infdjränfung in fo armfeligen
ißer^ältniffen, bafe ber Sater fogar ^eitweife feine gamitie berlaffen mußte, um
auswärts (in Slnnaberg, in Söhnten) für biefelbe 23rot 3U erwerben. Sluguft $.
befugte erft bie Sotfsfdgule in 53carienberg, bann bie bortige lateinifcfje ©dgute,
war ba^Wifctjen eine 3^t lang als ©cfjreiber in Bresben unb als £>anbelS=
te^rting in 5ßirna ttjätig, frequentirte nacljmalS nod) bie ©bmnafien ju 2tnna*
berg unb ßtjemni^; boct) gcftatteten it)m feine ärmlici)en Serrjättniffe nidt)t, ben
©bmnafiatcurfuS ju bcenben, unb fo trat er am 4. 2>ecember 1834 in ein
gufjartitterieregiment ein, um beim Militär eine feinen Äenntniffen angemeffene
©tellung ju erringen. S5oct) bie friegerifdjen Sorbeern, bon benen ber Jüngling
geträumt unb bie er fict) als Dfficier ju erwerben tjoffte, ließen alt^utang auf
fictj warten, unb feine junetjmenbe ^ur^fidcjtigfeit madgte fctjon nadt) Wenigen
31*
484 Cetera.
Sauren feinen Sluätritt auS ber Slrmee toünfdjenätoertr). äöir finben in ber
ftolge *p. als gorftfecretät auf bem ehemaligen gforft^ofe Dlberntjau unb fpäter
alz 33ranbfaffenfecretär in 2lnnaberg. 2>ajj bem begabten , ptjantafiereidjen
Manne bie £l)ätigfeit eineä Sureaubeamten auf bie SDauer nidjt genügen
fonnte, toar nur natürlich, unb fo ging *p., nadjbem er fid^ burd) ein 23änb=
djen ,,©ebid)te" (1844) in bie litterarifdje SBett eingeführt rjatte, 1845 nad)
Seipaig, too er fid) bi§ 1847, tt)eilg fdtjtif tfleßernb , t^eilö ftubirenb , auffielt.
$n biefer 3eit erfdjienen bie elften feiner ßraäfjtungen unb noöelliftifdjen 2lr=
beiten, bie er alä Mitarbeiter ber „3}aterlanbsblätter", ber „©onne" unb an»
berer 3eitfd)riften beröffentlidjte. ©eit bem Mai 1847 lebte er in Berlin, too
er bie 9tebaction be§ öon ,£>elb gegrünbeten „Solfeöertreterä" übernahm, bann
in 3öt)ftabt, 3ittau, SDreäbcn, grünbete öon tjier au§ (grüf)jat)r 1848) in
Meißen „bie Sarrifabe", ein SBodjenbtatt mit bemofratifd)er £enbena, unb
begab fid) bann in feine |>etmatt), ba§ (Sragebirge, um in ©adjfen unb 33ör}mcn
(2lnnaberg, Äaaben, ßommotau) für bie 6ac^e ber @inl)eit unb greit)eit be§
SSatertanbeä agitatorifct) au toirfen. SDarauf rebigirte er in Marienberg „Sie
SBergglorfe", ein 23tatt, baä in öolfstt)ümlid)er ©pradje bie bemofratifdje ©ad)e
öerfodjt. 23on tjier au§ trat ty. im Januar 1849 feiner fpäteren (Gattin ßuife
Dtto jum erften Male perfönlid) natje, obgleid) er fcfjon feit längerer 3eit mit
Ufa brieflich öerfefjrt r)atte. % gehörte bamalS jener gemäßigten sJüdt)tung ber
©emofratie an, meiere baä Minifterium Cberlänber lieber ftüfcen al§ ftürjcn
mottle, in ber 23orauäfid)t, bafj fein freiftnnigereä an feine ©teile treten mürbe.
2ll§ aber bod) ber ©tura beffelben erfolgte, unb al§ in SDreSben ber Slufftanb
loäbrad), jögerte aud) $. nid)t, au ben äöaffen au greifen. @r tjatte öom
Kampfe abgematmt, toeit er öoratjnenb beffen unglücflidjen 2luögang öorauöfal) ;
jefct aber mottle er nid)t jurüdbleiben toie fo öiele <pt)rafent)elben, bie fid) feige
öerlrodjen, als bie 3eit be§ ,£>anbeln§ gelommen mar. gr ftettte fid) an bie
©pitje einer ftreifdjar, bie er über greiberg nad) Bresben führen motlte; bod)
löfte fiel) biefelbe, ba in SDreäben ber 2lufftanb bereits niebergemorfen mar, unter=
toegä auf, unb *p. begab fiel) nad) ber Sßfala unb nad) 33aben. Sott marb er ber
güt)rer einer öon it)rem Hauptmann öertaffenen ftreifdjar , fodjt al§ fold)er mit
in ben öerfcrjiebenen kämpfen be§ babifdjen SnfurgentetifjeereS unb bitbete
fdjtiefelid) mit feiner ©djar einen 2t)eil ber Sefatjung ber fteftung Sftaftatt.
9lad)bem biefe nocl) in bemfelben ^aljre (1849) ben au #ilfe geeilten preufeifd)en
Gruppen in bie #änbe gefallen toar, tourbe s£. in ben ßafematten ber geftung
internirt unb Ijarrte t)ier nun be§ Urtljeitgfprud)eg be§ ©tanbgeric^tS. 3tnbeffen
blieb er bem Seben ertjatten, ba er gleid) öielen feiner Mitgefangenen öom
2t)pl)U§ befallen tourbe unb feine ^ranffjcit länger toäl)rte atä ba§ ©tanbgeridjt.
2lli er genefen, öerurtt)eilte it)n ein orbenttid)c§ OJericfet au 8 Sauren 3uc^tl)au^
bie in 6 3at)re @inaell)aft umgeroanbelt tourben, unb fo tourbe er im Mai
1850 in ba8 3etlengeiängnifj a" *rud)fat übergeführt. SDie S3e^anblung be§
befangenen mar fel)r |uman; anfänglich mit 33rettert)obelu befd)äftigt, erhielt
er balb bie SSergünftigung au fc^reiben unb au ftubieren, burfte auc^ monattid)
ätoei 23riefe abfenben. 3ll§ befangener öertobte er fid) mit feiner gleidjgefinnten
ftreunbin ßuife Otto. %m 2luguft 1852 toarb $. öon ber babifdien Regierung
begnabigt, bod) nur, um nact) ©adifen ausgeliefert au toerben. ^>ier abermalg au
8 ^aljren 3ud)tt;aug öerurt^eilt, tourbe er um SPfingften 1853 nad) Söalbljeim a^
geführt. @§ mürbe itjm balb erlaubt, fid) litterarifd) au befdmftigen, ba (Srnft
ÄetI, ber ©rünber ber „Gartenlaube" fid) öerbürgt tjatte, ben 2Qßertfj feiner baburc^
auäfallenben 3lrbeit§leiftung au erfeüen. gür ben Gefangenen begann nunmehr
eine ftitte 3eit geiftiger 6infel)r unb Umfdjau, bie, fo eratoungen unb unfreitoittig
fie auti) fein mochte, bod) öon fjeilfamem ginfluffe auf bie Läuterung feines
$eter§. 485
tjeiftigen unb ©emüu)SlebenS tt>ar. S)a 5)3. aber unter feinem tarnen nidjtS
Peröffenttidjen burfte, fo rodelte et fid) baS 5ßleubont)m (Slfrieb Pon 2aura.
3unäd)ft beseitigte er ftdj bei einer Dom ,,.£>annörjerfd)en Kuriet" auS=
gefdjriebenen 5ßreisbetoerbung unb ging mit feiner 9coPette, „3)ie ftitte 9Mtjte;
dne ©efd)id)te auS 2)eutfd)=Vör)men" (1856) als Sieger aus berfetben tjerPor.
Sann folgten „Sine reicrje (Srbin. 5ftoPeHe" (1856); „^friebricr) ber gteubige.
6in <£)elbenbilb in freien ßiebern" (1857), baS ftd) befonberS burd) ganj Por*
äügüdje Gfjaraftcrtftif beS gelben auszeichnet; „3Jtutt)ige ^er^en. ftooelle"
(1858) unb „2)ie Softer beS SBilbbiebS. (Sine @räät)tung nad) 2f)atfad)en"
(1858), toorin ber 2)id)ter in lebenbiger (Säuberung bie traurigen guftänbe
im fädjfifdjen ©rägebirge beleuchtet unb uns eräätjlt, toie ein junger ©eifttidjer
burd) 5Uuttj unb SluSbauer bem fittticrjen Verfatt 6int)alt tt)ut unb bie Ve=
Pölferung für frtafc unb ^Jcäfjigfeit getoinnt. 2)ie fjfortfetjung biefer gebiegenen
©räätjtung, „Sie Täterin öon Bresben" (1859), tritt bagegen bebeutenb ^urücf.
2lm toertt)PolIften öon Meters' arbeiten finb feine „ßrjgebirgifdjen ©efd)id)ten"
(II, 1858) unb feine 9toPellen „2luS £eimat§ unb ft-rembe" (II, 1860).
„<!pier übertoiegt eine ßrjrif in 5ßrofa, roeldje an ben Vlütfjenübeifdjtoang ber
öfterreidjifcfjen Sidjterfdmte erinnert. Sennod) läfet ber gebiegene Untergrunb
eine§ beftimmten SofatS unb feines 5Ratur= unb VotfStebenS feine ju toeitget)enbe
Verflüchtigung ber bidjterifdjen (Srgüffe p." ^natoifdjen toar 5ß. am 8. %uü
1856 plötjlidj begnabigt unb it)m bie ^ätfte feiner (strafe ertaffen toorben. lim
ftd) eine Sjiftenj ju gninben, begab er fid) nad) 9lnnaberg, fpäter aber nad) $rei=
berg, too er bai ©emerbsblatt ,,©(üd auf!" inS ßeben rief. 2tm 24. 5JtoDember
1858 fanb feine Vermahlung mit Suife Otto im £>ome ju sDcei^en ftatt; beibe
fiebelten 1860 nad) Ceipjig über , too 5ß. juerft bie ürebaction beS „®enerat=
an^eigerS" übernahm, fpäter im Verein mit feiner (Sattin bie freifinnige „2JUttel=
beutfcfje VolfSaeitung" tjerausgab. Seiber mürbe biefe ibeale @t)e fctjon nad)
jedjS S^ten burd) ben £ob beS erft 47 $at)re atten ©atten getrennt: 5)3. ftarb
am 4. %uü 1864 an einem ^er^Ietben. Von feinen Romanen feien nodj er=
toätjnt „3atoic3 Pon ftofenberg" (III, 1860), „Sie Söitfometje" (III, 1863)
unb „2)er fting ber Kaiferin (II, 1864).
|mgo 9töfd): ©lud auf! Sin ^atjrbudj für baS Ghrjgebirge unb feine
Srreunbe; IL ^a^rg. 1886, S. 66 ff. — Zuleitungen auS ber ftamilie.
^tanj Stummer.
Cetera: (Sr)tiftian grriebxidtj 5luguft ^>., Slftronom, geb. am 7. Sep=
tember 1806 in Hamburg, f am 8. 9Jcat 1880 in Kiel. ©ot)n eine§ J?auf=
mannä, fonnte 5)3. butc^ bie Sorgfalt be§ 23ater§ feine natürüd)en matt)ematifd)en
Einlagen öoü unb ganj auöbitben, fo ba^ it)n ber 2Utonaer 2Iftronom ©djumadjer
fd)on früt)jeitig jur 2t)eitnat)me an feinen geobätifcrjen unb afironomifcrjen 2Ir=
beiten !tjeran3Uäiel)en in ber ßage toar. %m Stlter Pon 19 ^atjren bett)eitigte
er ftd} bereite tebt)aft an ben Vorbereitungen für bie Äartirung be§ Hamburger
ßanbeS, aud) fing er jetjt fdjon an, Strtifet für bie „3Iftr. 5tactjr." ju fdjreiben.
S)ann erft bejog er bie UniPerfttät Königsberg, an metdjer bamatS Veffel lehrte,
unb promobirte mittelft ber üSiffertation „Disquisitio de motu penduli in aere
resistente" (Slftr. 5lad)r. , 12. Vanb). Von 1834—1838 prafticirte er in
Hamburg, fjauptfäctjud) mit bem bortigen 5Paffageninftrument Pon 9ftepfoIb
befdjäjtigt, unb öom 1. Dctoberl839 an fernen toir 5ß., ber ftd) injtoifdjen einen
eigenen |?au§ftanb gegrünbet t)atte , als S)irectoriaIaffiftenten bei ber ruffifd)en
SfteidjSfierntoarte in 5Pulfotoa tl)ätig, 1842 tourbe er 5lbjunct, 1847 au|er=
orbentlidjeS 3Jlitglieb ber (St. Petersburger Slfabemie. 2lm 4. September 1849
folgte er einem erjrenPollen Dtufe als ^rofeffor ber Slftronomic nad) Königsberg;
486 $eter3.
bie 2)irection ber ©ternWarte war jwar au biefem geitpunfte nid)t mebr, wie
frütjer , mit ber üßrofeffur tierbunbcn , bod) erhielt ty. ju feiner befonbern 33er»
fügung baS berühmte 23effelfdje Heliometer. 2}erfd)iebene bebeutenbe 9lftronomen,
wie sJJtartt) unb 9iabau , tjaben fid) in Königsberg unter sJkterS' Seitung auS=
gebitbet. 9ltS jcbod^ nadj ^ßeterfen^ £obe (f. u. ©. 495) gleichseitig bie ©tern=
warte in 9Iltona unb bie ütebaction beS angefetjenften 5ad)blatteS tierWaift
Waren, tiefe fict) *ß. bereit finben, nadj Jener ©tabt überjufiebeln. @r tjat in
251 2 S^ren 58 23äube ber „2lfir. ftadjr." herausgegeben, bod) f)at ficf) , toie
nidjt geleugnet werben fann , gegen feine 2lrt ber ©efdjäitSleitung mancherlei
Dppofition geltenb gemad)t. ^n 2krbinbung mit ^ape (f. o. ©. 139), fei-
nem Slffiftenten unb ©cfowiegerfobn, gab *$. aud) bie „3eitjdjitTt für populäre
9JtittIjeiIungen auS ber 9tftronomie" IjerauS, tion metdjer iebodj nur brei SBänbe
erfdjienen finb. 2)er *ßlan einer Verlegung beS 9lltonaer DbferoatoriumS uud)
ber Unitierfitätsftabt Kiel warb üon ^. unmittelbar nad) bem Kriege tion 1864
ber preufeifeljen Regierung borgetegt unb üon biefer künftig auigenommen; im
Starre 1872 tierlegte er felbft feinen Sßoljnfit} nad) Kiel unb wieber jwei ^arjre
fpäter mürbe er bafelbft ^um orbenttidjen Sßtofeffot in ber ptjilofoptjifdjen t5a=
eultät ernannt, boct) liefe itju lange unb fchwere .Wranfljeit in biefem Slmte nidjt
melrr vcrfjt heimifdj werben. @in ©ofjn tion ty. ift üüttig in beffen ftufetapfen
getreten unb befleibct gegenwärtig bie frütjer tion feinem Sßater »ermattete *pro=
feffur an ber Bieter .$od)fd)ule. — 2luS Meters' s^nlfomaer 3eit finb befonberS
bie 1 s ii» erfd)ienene ©djrift „Numerus coustans nutationis ex ascensionibus
rectis stellae polaris in specula Dorpatensi annis 1822 ad 1838 observatis
deduetus" (Petersburg 1842> unb bie „llecherclics sur la parallaxe des etoiles
fixes-' (ibid. 1832) ^u ermähnen; für beibe Mbljauölungeu erhielt beren 3Jer=
faffer bie Dcebaille ber euglifcrjen aftronomifdjen ©efeUfdmft. %n ^ulfoma fteüte
er aud) intereffante Unterfudjungen an über bie Slblenfuug, meld)e bie 53lafe
ber SibeHe unter ber attractitien (Sinwirfung tion ©onne unb IJJtonb erleibet
OpeterSb. 9Ibljaubt. 1845); in ©emeinfdjajt mit feinen (Sotlegen ti. $ufe, ©abter
unb 2)öüen lieferte er bie erften fdjärferen DrtSbeftimmungeu für ben neu ent=
bedien Neptun (9lftr. Wadjr., 25. s-üanb). ©pätire felbftänbige arbeiten waren
bie „33e[timmung ber 33aljn beS Kometen tion 1585" (2tltona 1848) unb bie
jur iu'rttjeibigung ber 23effelfd)en SInfidjtcn gegen ©trutie gefdjriebene ©djrift
„lieber bie eigene ^Bewegung beS ©hiuS" (Königsberg 1851). SDie natura
forfdjenbe ©efeUfdjaft ju Sandig frönte Meters' Wefentlidj gegen ßetierrier ge=
richtete ^lonograptjie über bie 2lbweidjungen beS tion Srablet) gebrauchten
©reenwidjer ^affageninftrumenteS mit ibrem greife. 5ßon ^eterS' aarjlreidjen
9luffät$en in feiner eigenen ^eüfcrjrift regiftriren wir nur feine ttritif ber 5Räb=
lerfdjeu £rjpotl)efen über bie ßigenbeweguug ber gijfterne unb bie ptjt)fifalifdjen
SSeobadjtungen wätjrenb ber totalen ^inftenüfe tiom 28. ^uli 1851 (2lftr. 31ad)r.,
28. 33. S3anb). ©eit 1855 befdjäftigte fid) % unaulgefeijt mit ber tfetiifion ber
bänifd)cu (Srabmeffung; biefem Seftreben tietbnnfen bie tion irjm inS 2öer£ gefegten
galtianifdjen S3eftimmungen ber ßängenunterfdjiebe geWiffer |)auptfternwarten fowie
bie llnterfudjungen über bie Sänge beS ©efunbenpenbelS auf ©djlofe (5Jütben=
ftein (Slftr. 9cad)r. , 40. 93anb) i^r Safein. S)er europäifdjen ©rabmeffnngl=
fommiffiou getjörte 5pt. in ber fpecieEen (Sigenfctjaft cineS Vertreters itjreS 35or=
ftanbeS, beS ©eneralS ti. Saetjer, an. Ser $tan, gemeinft^aftlid) mit 91. Dtepfolb
ein umfaffenbeS ^anbbucr) ber praftifeften 2lftronomie ^u liefern, gelangte leiber
nidjt jur SluSfüb^rung, bod) 6at fid) 5p\ um bie wiffenfdjaftlic^e Sitteratur buret)
feine ©bition beS ©aufe=©d)umact)erfd)en ^riefwec^fefS (6 SBänbe, Slltona
1860 — 62) ein nidjt gering au fdjä^enbeS 33erbienft erworben.
$eter§. 487
äiierteliatjrSfdjrift ber aftronomifchen ©efetCfc^aft, 16. $ahrg. ©. 5 ff . —
SBolf, ©efchichte ber Siftronomie, ©. 483, 490, 521, 544, 743, 767.
©üntljer.
$eter$ : g rieb rieh % ($etrt), geb. p &aEerfbring im gürftentbum
^atenberg am 10. 9Jtär5 1549, f p 23raunfd)Weig 1617, befugte feit 1561
bie ©chule ju <£)ilbe§heim , 1565 ba§ 'Ucartineum p 53raunfd)Weig unb ging
1569 auf bie JHofterfchule ju Stfetb über, mo er big 1571 bei Sttichaet 9tean=
ber tüdjtige Äenntniffe im ^pebräifcr)en ftct) erroarb. Ütadjbem er bann noch,
einige geit ™ ^er Sohanniäf chule su £>alberftabt gemefen mar, be?og er bie
Unibeifität SBittenberg, Wo er am 9. ^lära 1574 bie 9Jcagifterwürbe errang.
Iftoch in bemfelben $ahre trat er ba§ ßonrectorat am 9Jtartineum 311 S5raun=
fchmeig an, ba§ er bi§ 1578 inne hatte. 3jm 6. 9tobember 1578 mürbe er
^rebiger an ber 2lnbrea§firche bafetbft. Sine ©djrift, welche er 1586 gegen ben
Söucrjer toerfafjte, erWecfte irjm manche $einbe im 9tatf)e ber ©tabt, bie itjm bei
berfdjiebenen (Belegenheiten ju fchaben fugten, ©o nodj in bemfelben Sfarjre,
aU ihn in§befonbere ber |>etmftäbter SJJrofeffot 5Daniel ^ofrnann toegen feiner
2et)re über bie Ubiquität Sfjrifti — ty. hatte für Shemnife gegen 5Danäu§ eine
©djrift „de unione hypostatica naturarum Christi ic." berfafjt — heftig angriff.
S)ann um ben Anfang be§ $• 1588, al§ er eine Söittenberger ©djmähfc|ri!t
gegen ben bon äöittenberg nact) SBraunfdjweig überfiebetnben ^otrjcarp ßerjfer
mit einer Segrüfjungäfdjrift für benfelben beantwortete unb bie Sehrer ber
bortigen -gwchfctjüle fich Darüber befchwerten. 23eibe 9Jtale aber mürbe e§ $.
nicfit ferner, fid) gegen bie wiber ifin erhobenen Anflogen p rechtfertigen. %n
tt)eotogifcr)er Sßejieljung mar $. ein eifriger Anhänger be§ ftrengen ßutherthum§,
ein $reunb unb ©efinnung§genoffe bon ^ßottjcarü Serjfer, mit bem er fdjon bor beffen
Aufteilung in SBraunfchweig in 93erfer)r geftcyjbcn hatte; gegen bie fog. Salbiniften
hat er berfchiebene beftige ©chriften berfafjt. 3m 3- 1598 tourbe ^ß. ©enior
be§ geiftlichen 9Jtinifterium§ in Sraunfchweig unb am 15. ftobember 1605
ßoabjutor beö bortigen ©tabtfuberintenbenten. 2lt§ foldjer bat er neben feinen
^rebigten öffentliche SSorlefungen befonberS über bie bebräifche ©rammatif gehatten.
$m 3. 1609 mürbe er auch S)ecan be§ $alanb§ ©t. IJJtattbäi in Sraunfdjmeig.
©ein micfitigfteg Söert ift für un§ „ber £eutfchen äöeifjheit", eine äufjerft reich=
hattige ©prid)Wörter=©ammlung. SDiefelbe erfchten in brei Reiten nebft Slbpenbij,
mie bie ©rucfeinridjtung aeigt, pfammen 1605 in Hamburg, wenn aud) ber-
eitet be§ ätoeiten £^eit§ nod) bie ^abre^abl 1604 trägt. S)a§ Sud) enthält
etma 20 000 ©bricbmörter, Hameln unb 9teimfptücbe ; eine furje SSorrebe bat
$. Set)fer bem äöerfe borau§gefd)idt. ©ie lefete Seit feineä 2eben§ batte 5ß.
nocbmat§ beftige ©treitigfeiten ju befteben. ®er Unfug, ber mit bem SSerfauf
bon ©tift§Ieben getrieben mürbe, battc ibn 3U mißfälligen Aeußerungen hierüber
berantafjt. ©egen fcharfe Singriffe, bie er be§halb erfuhr, bertheibigte er fich in
feinem „©rünbtlid^en Seriefit . . ., ob Shumherrn ober ihre Slbjuncten, bie
gemeiner Seute unb 23ürger Äinber finb ... ber ©tift§tehen mit gutem ©e=
miffen genießen fönnen". @r entfdjieb biefe f^rage im berneinenben ©inne. S)a§
erfcheinen biefeä Suchet hat 5p., ber am 21. Cctober 1617 berftarb, nidtjt mehr
erlebt; e§ mürbe erft 1618 bon feinem ©cfiwiegerfohne M. SSarth. Sölterling
^erau§gegeben. SJoctj ber ©treit ging auch nach 0eter§' 2obe Weiter. 3)ie
Sraunfchweigifchen Stiftet ©t. Slafi unb ©t. ß^riaci beflagten fich, al§ ihre
SSefchWerben bei bem 9tatbe unb bem geiftlichen 2Jlinifterium nidjt ben geWünfdjten
(Srfotg hatten, beim ^erpge griebrich Ulrich, ©iefet hat ba§ 35ud) in einem
patente bom 9. SDecember 1619 confileiren laffen, boch weigerte fich ber 9tatfi ber
©tabt Sraunfd)weig baffetbe an^ufd) lagen. @ine umftänblicfie bom S)ecan be§ S3lafien=
ftifteä Sßalentin 2R5Üer berfaßte ©egenfe^rift, Vindiciae canonicorum, ift im
488 Cetera.
S)rucfe nidjt erfdjienen. — ty. ift breimal üert;ctrat^et geroefen. 2tm 30. Slpril 1577
bennätjlte er fid) mit (Jäcilie glotfroebel, bie ib,m fünf ©öt)ne unb jerjn Södjter
gebar unb am 9. $uli 1596 geftorben ift; am 11. 3uni 1598 mit bcr SBitttoe
beS 9tatf)Sl)errn 3of|. ÄruberS, (Stifabctt) geb. ©ötjen (t 14. SXuguft 1599), unb
äulefct mit ber äöitttoe beö *PaftorS Sot)annc8 |>ennid)iuS Pon ©t. ^acobi in
Hamburg, (Slrriftine, geb. ßampabiuS.
23gt. über itjn 9tet)tmerjer'S ber ©tobt 23raunfd)roeig $ird)en=.£)iftorie
2t). IV. ©. 267 ff. u. a. a. D. ip. Zimmermann.
v^cterö: $arl gerbinanb ty-, ^3rofeffor ber Mineralogie an bcr UniOer=
fität @raj, oerbienftöolter ©eologe, geb. am 13. 2luguft 1825 auf ©djlofe £tebS=
Raufen im böfjmifcrjen Mittelgebirge als ©orjn eines gebilbeten £anbtoirtt)S unb
®utSbirector3, erhielt eine forgfättige ^ugenberjiecjung unb geroann frürjjeitig
burd) ben Umgang mit feinem ©rofjOater, bcm berühmten Mineralogen $ran,}
9lmbroS. 9teufj ju iöilin unb mit feinem £)t)eim, bem als ©eolog unb ^ßaläontotog
auSge^eidmeten ^rofeffor Sluguft 6. Sreiifj eine befonbere unb nacfjljaltige Vor-
liebe ^ur mineratogifd)=geologifd)en SBiffenfdjaft. *ß. befud)te baS ©pmnafium
foroie baS Üedjnifum in s^rag unb roibmete fid) nadj bem SBunfdje ber ©einigen
auf ben UniOerfitäten <prag unb Söien, wo er im $. 1849 baS 3)octorbiplom fid)
ermarb, bem ©pecialfad)e ber Mebicin, betrieb jcbod) jugleictj aud) erft in *ßrag
unter beS Mineralogen 3tppe Leitung, fpäter in 2Öien, angeregt burd) ben regen
33erfer)r mit 2ß. 0. ,£>aibinger unb $}. ö. £>auer, eifrigft mineralogifd)=geologifdje
©tubicn. $aum nadj ^rag jurüdfgeferjrt, um am bortigen -Ipolpitale fid) Weiter
in ber Mebicin auS^ubilben, mürbe er als Sefjrer ber 9caturgefd)idjte an bie
Oiealfdjute ju ©ra^ berufen. Gine GrftlingSpublication im 3-1852: „lieber bie
SagerungSOerljältniffe ber oberen .ttreibeformation ber öftlidjen Mlpcn" lenfte
bie 3lufmerffamteit ber öfterreid)ifdjen ©eologen auf biefe fjoffnungSPoIle jugcnb=
lidjc Äraft unb ^. erhielt fd)on 1852 bei ber bamatS neu errichteten geologifdjen
9teid)Sanftalt in Söien eine 93erWenbung. ^n biefer ©tetlung burdjforfdjte $.
Dberöfterreidj, ©aljburg, ben ^Börjmcrroalb, Äärntljen foroie Dberfrain unb
fammelte einen reichen ©djatj geologifcfyer Erfahrungen, über bie er in flaljl*
reichen Sluffä^en (3faW&- *>• Qeol- vJteid)Sanftalt.) Mitteilungen madjte. 9tamcut=
lid) ift bie 9lbrjanblung über bie ©aljburger Sllpen im (Gebiete ber ©at^adj
Pon ljoljem wiffenfdjafttidjen ^ntereffc 1855 würbe s4>-, nadjbem er fdwn
früher an bcr UniPerfität in SBien fid) als ^rioatbocent für ©eologie l)abilttirt
ijatte, al§ s}kofeffor oer Mineralogie nad) *ßeft berufen, mufjte aber fdjon 1801
in 3folge ber eingetretenen politifdjen Scrljältniffe biefe ©tellung mieber aufgeben
unb fiebelte äunädjft an bie Uniöevfität äßien über. <§ier roibmete er fid) eingeljenb
mincralogifctjen unb geologifdjen Unterfudjungen , namentlich ridjtete er feine
gorfetjungen auf bie paragenetifdjen S3ert)ältniffe ber Mineralien, ^m S- 1864
burd)forfd)te er im amtlichen auftrage bie 2)obrubf<f)a unb bas (Gebiet ber S)onau=
müubungcn geologifd), roorüber er eine Portrefftidje Sefdjreibung lieferte. ?luf ben
£et)rfturjl für Mineralogie unb ©eologie an bie llniüerfität ©ra3 berufen, fetjte
er bann feine geologifdjen unb paläontologifdjen tlnterfudiungen mit unermüblidjem
6ifer, fomeit ib,m bicS eine, in 3f°^9e erlittenen ©tur^eS eingetretene Särjmung
ber ©liebmafien geftattete, fort ©djätjenSroertrje arbeiten über bie ©cr)iib!röten=
unb ©äugetrjierarten Pon 6ibiSmalb, über .ipalittjerium Pon <^ainberg, über
2>inotrjerium u. f. ro. fteüte er trofc feiner ^ranf^eit in PoHem ©djaffenSbrange
fertig. S3on 5ßeterS' Meifterfdjaft in ber Seljanblung roiffenfc^aftlic^er ©toffe unb
Oon feinem umfaffenben SBiffen legt inSbefonbere baS 33ud) „bie 3)onau unb i^r
©ebiet" ein glänjenbeS 3fugnife ah, baS als erfte umfaffenbe 5Darfteüung beS
grofjen S)onaugebietS nactj neuerer 3luffaffung gelten fann unb ebenfo leicht Per=
ftänblid) unb flar »ie ftptiftifd) Portreffticb, geft|rieben ift. 39iS ju feinem 2ebenS=
5Peter§. 489
enbe am 7. 9toöember 1881 Blieb $ß. geiftig frifct) unb fd^riftfteÜerifd^ nact) bielen
9ticr)tungen ^in u)ätig, tüte sa^Ireicfje Sluffätje in ber 2Iüg. Leitung betoeifen.
ftefrotog im Sarjrb. b. ©eol. 9teid)§anft. in Söien XXXI. 425.
ö. ©ümbel.
^Ctcrö: SBütjelm Äarl £arttoig 5p., 300*09 unb ^Reifenber, 23ruber
be§ Slftronomen «gjeinttd^ griebriäj Gtjriftian 5ß.( tourbe am 22. SIpril 1815
3U Äolbenbüttet im fübtoeftltdjen SdjteStoig geboten, too jein Söater als Pfarrer
lebte. $m ahnten SebenSjatjre ftebelte er mit ben ©Item nad) Flensburg über;
auf bem bortigen ©rjmnafium blieb er bis ^um .Iperbfte 1834, ftubirte bann
ein «gmlbjatjr in $openl)agen unb Dom §rüt)ling 1835 an in SSerlin 9ttebicin
unb 9laturtoiffenfcl)aften, legte t)ier fein ärätlictjeS Staatsexamen ab unb mürbe
im 2)ecember 1838 jum Dr. med. promoöirt. Sldjtjetjn 2Jtonate tjielt er fiel)
bann am 2Jtittelmeere auf in anregenber ©emeinfctjaft mit .£>. 9Jtüne=(5:btoarb§
30ologifct) fammelnb unb forfcrjenb. Sie toefentüctjen (Ergebniffe biefer Stubien
finben fiel) in ben gemeinfct)afttict) öeröffcntlicljten „Zoological notices", 1840,
niebergetegt. 9lacl) Serlin jurüclgefelirt tourbe er, toie fcljon frütjer, $• sDlüHer'S
2lffiftent unb rüftete ftcrj nunmetjr auf feine grofje 2lfrifareife. Qtoti Heinere
arbeiten über „Anatomie öon Sepiola" unb „Seuctjten bon SamptiriS" gehören
biefer 3tt)if(^enäe^ an- — Anfang September 1842 begab ^3. fiel) über
^otlanb unb ßnglanb nact) ßiffabon unb fctjiffte fict) tjier am 24. SDecember
1842 ein, um an 93orb eines Serbrect)er=2;ranSportfcl)iffeS nact) 2ftoffambique ju
fegein. ßrft am 16. 9Mi'3 1843 lanbete er pnäctjft auf ber SOßeftfüfte in
Soanba unb nad) fünfwöchigem 3Iufentr)alt in biefer Stabt enblict) am 17.$uni
im §afen bon 2Jtoffambique. Set)r balb folgen bie erften 9tecognoScirungS=
fatjrten, bom 23. 3uli bis 20. Sluguft füblictj nact) ßueltimane, bann norbtoärtS
ein flüchtiger SSefuctj ber 3ufetn Sanfibar unb Slnjouana öom 18. September
bis pm 26. Cctober 1843. — 3U oer geplanten großen 3ambefercife brad) er
am 12. 9Jki 1844 öon Iftoffambique aus auf, bod) fcljon am 8. $uli, 8 Sage
nactjbem er QueÖimane öerlaffen, dtoang itjn ein IjeftigeS lieber jjur Umfetjr.
2luf bem englifdjen ßriegSfctjtff SIeopatra ertjolte er fiel) langfam; bie erft am
10. Sluguft toieber beginnenden 9coti<5en beS SagebuctjS laffen fcljon auf ein ber=
tjältnifjmäfjtgeS SBotjtbefinben fdjliejjen. Qnn fur^er 21ufentrjalt im fübtoefttietjen
9JiaöagaScar (10. bis 14. Sluguft) unb ein längerer bei ßapftabt (24. 3Iuguft
bis 4. October) fteHten ^eterS' ©efunbtjeit fo toeit t)er, bafj er am 8. 9loöember
jum jtoeiten $ftate ben 3atubefe auftoärtS inS innere Slfrtta'S öorjubringen
öerfuefen fonnte , bieSmal mit größerem Srfolg , toenn aucr) nietjt otme bem
gefürdjteten Ätima feinen ülribut ^u joHen. S5om 9. S)ecember 1844 bi§ jum
1. September 1845 fet)en toir it)n öon Ijäufigen fc^toereren ober leichteren Riebet*
anfallen geplagt, f)ier raftIo§ bie naturtoiffenfctjaftlicb, öööig unbefannte llm=
gegenb Stette'S soologifcr), botanifc^ , geograptjifcl) , fprac^lirf) burdjforfcljen unb
feinem Skterlanbe bie toertrjüoEften Sammtungen fidjern. 2Iuf bem 9iücItDeg
blieb 5($. äu gteidjem 3tt)ede je 4 Monate in Senna unb in GueEimane. —
^iacb, lurjet 9taft in gjloffambique öom 19. 9)cai bi§ jum 7. Sfult 1846 wanbte
er ftcb, bem entlegeneren Süben gu, öertoeitte öom 19. $uti bi§ jum 19. Dctober
in ^uljambane, öom 26. Dctober bi§ jum 15. 5Roöember an ber ©elagoabarj
unb fe^rte auf ber 9lücfretfe toieber ^nljambane, bann Sofala unb Oueüimane
berüljrenb, ben 7. gebruar 1847 nac^ 3Jloffambique jurücf. Sin 2Iufentb.aU in
bem 40 geogr. leiten norbtoärt§ gelegenen ^bo, öom 4. SIprit bi§ 25. ^uli,
toot)in er 4 Sage unb 9täd)te lang in offenem 58oote fub.r, fc^to^ ba§ fSrorfdjung^
toerf. 2lm 7. Sluguft 1847 öerliefj ty. SRoffambique um über ^nbien
(Dloöember, 2)ecember) unb ©g^pten nac^ ßuropa (Slnfang 1848) rjeimäu=
feliren.
490 Cetera.
2118 ^rofector be§ anatomifcrjen SnftitutS 911 Berlin (feit 1843), bann
gleidjjeitig at§ SDocent (|?erbft 1849) unb feit 1853 al£ aufeerorbcntlid)er s^ro=
feffor ber mebicinifdjen fyacuttät unb fett bem ^arjre 1851 als «Dtitglieb bet
Slfabemie ber SBiffeufdjafteu mar er rjauptfädjltd) mit ber SDurdmrbeitung fetner
(Sammlungen befestigt. @nbe 1857, nad) bem ülobe ßid)tenftetn'§ , bem er
fdjon feit Secember 1856 aU 9Jcitbirector be§ 3ooIogifcl)en IDcufeum* jjur ©eite
geftanben , mürbe er beffen s.ftad)folger in ber 1)cufeum§birection , in ber tyxo*
feffur für Zoologie (5. gebruar 1858), fomie a(d 2>irector be§ joologifcrjen
(Batteni.
(Seit 1858 lebte $. mit Henriette geb. t>. .ttöfjter in gtücf tiefer @f)e unb
unterliefe bei feinem £obc am 20. 2lprit 1883 fecb> Äinber. 3m S- 1870
bereite traten gid)tifd)e (Jrfdjeinungen auf, beren Duette feine Siebte in ben ge=
funbrjeitgfdjäbUdjen ©inflüffen be§ tropifdjen Slujentrjaltä eiblicften. 2)ie meitere
(Jntwitflung ber Jhanfljeit fetjte feinem fdmffenäreidjen Seben ein Snbe, beüor
er bag 68. ^atjr erreicht tjatte.
C$ntfd)eibenb für tyeiexz' Beruf unb toiffenfdjaftlictje 9tid)tung war ber
mäctjtige Sinflufe Pou ^ocjanncs Füller. 2>iefer grofee Seifter mar e8, ber
feine Stubien leitete unb itjm bie glanäüotte wiffenfdjaTtlid)e fiaufbatjn eröffnete ;
au§ bc§ Be^terS priPaten Mitteln mürbe ber SUitienttjalt in >Jü,ya befhitten,
3- Müller in Berbinbung mit (Jrjrenberg unb £>umbolbt ermirftc bie (Staate
unterftüfcung für bie Üropenreife. 5ß. tjat gezeigt, bafe itjm biefe§ freunblid]e
(Jntgegenfommen nid)t unperbient ^u £t)eil mürbe. @r äätjtte nad) 3Jtüller'8
£obe 3u feineu Wadjjolgeru in bem geseilten föeidje. 9lid)t nur nad) aufeen
übernahm er jetd in Berlin bie entfdjeibenbe Stellung im ©ebiete ber Zoologie,
er betonte audj iu sUcülter'3 ©eifte im ©egenfafe ju feinem 2lmtePorgänger ttn
engen 3ufammen^)Qn9 ätr>if d^en Zoologie unb Anatomie, nad) aroei sJtid)tungen
t)in, einerseits ben Slnatomen, anbrerfeitä ben beferiptiöett oool°9en gegenüber
baftir eintretenb. 5Der fyotje SluffdjWung ber r)iftotogifd)en Slnatomie fällt in
bie 3eit, wo ty. fern unter ben 2)rangfalen beS tjeifeen Stfrita für bie 2Biffen=
fdjaft Äraft unb ßeben einfette unb barauf burd) feine muftertjafte Bearbeitung
ben SGßertt) ber erbeuteten Sd)ätje Pcrboppelte. So barf e§ benn faum befremben,
menn er an ben Eroberungen, bie mit ^pütfe be» 9Jctfroffop§ auf einem Weniger
burdjjorfdjten Boben oft mit leidjtercr sJJtüt)e gemad)t mürben, geringeren Slntrjeil
naljm; tjatte er bod) für fein fdjarfel Sluge überreichen Stoff, um .mit ben ein=
fadjften ^nftrumenten, fiupe, «Keffer unb »ßincette, eine gütle öon Sttjatfadjen
feftjuftellen, £t)atfad)en, bie ju ergrünben ben jüngeren gjcifrotedjnifern mitunter
nicfjt gelang.
2)ie ^rajiä eineö grofeen, nur unjureidjenb mit Slrbeitsfräften bebadjten
9)lufeum§ bringt e§ mit fid) , bafe Stubien unb ^ublicationen ein mofaifartigeä
3lnfe^en gewinnen. 5Jian möge iubefe nict)t glauben, bafe burdj biefeS ^»emmnife
bei *$. baS (Streben jum ©anjen erftidt morben wäre. Waü) fauniftifdjer 9tid)=
tung bilbete fein 9teifewerf, nad) ber ftjftemattfdien eine grofee Sonographie ber
glebermäufe, für bie er 70 forgfältig rebigirte 2afetn b^intertäfet, beren Stert
tjer^uftellen itjm aber nicfjt metjr befdjieben War, ferner feine arbeiten über
Ctjrenrobben u. f. W. einen etjrenben SBeweiS für fein SBollen unb können. 3u
beflagen ift, bafe bie auf ©etbftforfdjung gegrünbete £arftellung ber SBirbcltrjiere
im ,,.g)anbbud) ber Zoologie" bem orange ber ©efdjäfte ^um Dpfer fiel. sJZad)=
bem fd)on über bie Hälfte ber ©äugetejiere jum S)rud gefommen, mufete s|>.
feine Slrbeit äurücfäietjen unb feinem Mitarbeiter (£aru§ bie SluSfüllung ber Surfe
überlaffen.
©erabe in Meters' 3ett fällt ber geiftige Sturm , ben £arwin'3 Origin of
species entfeffelte. %n Harmonie mit ber fritifdjen, ffeptifdjen 9tidjtung ber
«PetetS. 491
^Berliner äöiffenfdjaft ftanb audj) ber .gjauptoertreter ber 3°oIogie ber neuen
ßeljre anfangs füt)l unb abtoartenb gegenüber, auct) fpäter l)at er 3U beren 53ei=
fedjtern nie gehört, aber ebenfotoenig ju beren Angreifern; er tjat aud) nie
©elegenljeit genommen, jetnen Stanbpunft jur üDeäcenbenjtfjeorie ftarptegen.
3fm allgemeinen galt er für tfjren (Segner (ßenber). 3nbefe bie auctj bon irjm
(1861) anerkannte Raffung in ßaruä unb ©erftäcEer'S ^anbbud) ber 3°°togie,
©eite 13, fotoie fpäter jein 33ert)alten gelegentlich 3)artoin'§ Ernennung <jum
(Sljrenmitgliebe ber ^Berliner Slfabemie Betoeifen anbrerfeitä, ba| er, toie
bu 33oi8=9rerjtnonb iljm (Si^ungäB. ber Slfab. b. SBiff. 1885, <S. 622) Befugt,
nictjt „bie Sebeutung bess bon Karmin eröffneten unermeßlichen 3lu§Btict§ öer=
fannte". 33ei feinen SIrBeiten entfpract) e§ offenbar feinen Neigungen, fiel) met)r
an bem 33au foliber f^unbamente, al§ an bem ber luftigen, fernhin fidjtbaren
3innen ^u Bettjettigen.
S)ie 2lBtl)eitungen , benen er feinen gorfdjerfleifj fjauptfädjticr) jutoanbte,
unb in benen er unter ben (Mehrten fotoot)l nad) S^ o.U SBertt) feiner SSer=
öffentlidiungen in erfter 9teil)e ftetjt, finb bie (Säugetiere, Amphibien unb ^ifdje,
fobann 2lract)ntben, ^JJi^xiapoben unb (Sctjinobermen. (Seine f feineren 2lb§anb=
hingen, mef)r als 300 an ber 3a^t mit faft 150 £afeln, füllen allein 5 ftatt=
lictje DctabBänbe. fünfte, in meieren fein staute audj außerhalb ber Srjftematif
genannt ju toerben pflegt, finb bie morpljologifcrje SBebeutung beS <Scrjilb£röten=
pan^erS (üDiffertation) , bie (SefdjIedjtSberfdjiebentieiten ber Seeigel, bie £>omo=
logie ber ©eljörfnöcljetcljen, bie 9Jcofdju§brüfe ber Sdjilbfröten.
2lt§ Befonbere Sebeneaufgabe galt it)m bie Pflege be§ äootogifetjen -JUtufeumS,
ba§ iJ)tn eine ebenfo f dm eile at§ gefunbc (Snttoicflung ju banfen t)at. ^n ber
2lBtl)eüung ber 2lmpl)ibien unb ^ifc^c Beifpietstoeife fdjnelten bie Hummern be§
ÄatalogS Beäügtid) bon 3706 (im $. 1860) unb 4708 (1861) auf 10 465 unb
12 103 (Bei feinem S£obe) empor. @§ gelang itjm, ber berliner Sammlung
einen $la{3 unter ben elften ber SBelt <}u erringen. Unb toie Bei ben Erfolgen
auf feiner 9teife, fo ift auet) Ijier ber Sluffdjtoung tebiglid) auf 9ted)nung feiner
S£t)atfraft unb Umfielt ju fefeen; benn Ijier toie bort ftanben bie it)tn gemährten
Mittel böltig außer Sßerljältniß p bem (Stielten. 2)aBei tjatte $. nodj einen
£l)eil feiner 2lrBeitStraft anbern 3>nftituten, toie bem 30°togtfc^en ©arten (Bis
1869), beffen 9teorganifation unb neueS (Srbtütjeu er einleiten tjalf, unb bem
beutfdjen gifdjereiberein ^u toibmen.
2US Uniöetfität§lel)rer mar ty. eifrig unb pünlttidj , bod) geBrad) eS itjm
im drängen ber bielfacljen anbertoeitigen Obliegenheiten unb in 9Jiitte beS
grofjftäbtifdjen Treibens an ber nötigen geiftigen Sammlung, um gteidje @r=
folge toie in ber 23ertoattung beS 9JcufeumS auetj nact) biefer 9ttct)tung t)in
erringen ju fönnen. ^n richtiger (£rfenntnijj ber Unmöglicljfeit , bon eines
9Jcenfc£)en Äraft beibe Seiftungen gteic^3eitig p forbern, ^at man benn aueb
nact) ^eter^ 2obe 3U einer Sonberung ber 5Jtufeum§teitung bon bem Seljramt
fdjreiten muffen.
Sem größeren publicum ftanb er fern, Weber in toiffenfct)aftlicl)er noc^ in
fonfiiger ^inficljt rechnete er ju ben populären ©röfjen ber Ütefibenj; too^l aber
öerfe^rte er in ben t)öl)eren unb tjöcljften Greifen ber ©efettfetjaft unb fanb bottfte
SÖÜrbigung Bei ber ©eletjrtentoelt be§ 2lu§lanbe§, mit ber er enge perfönlidje
Schiebungen unterhielt.
6ine getoiffe 3utücfl)attung unb ©emeffentjeit , roo^l auetj Schroffheit im
amtlictjen SSerfeb^r unb im getoöljnlicljen SeBen , bie 3äl)igfait unb Energie unb
ber Sinn für ba§ (Sefcljäfttictje, mit benen er feine ©ebanfen ju bertoirflietjen
ftrebte, anbererfeitg bie Eingabe, ßieBen§toürbig!eit unb ©aftfreunbftfjaft , toelcfje
ben 9}ä£)erftel)enben, bie aufopfernbe 2reue, toeterje ben greunben ju %\)i\{ tourbe,
492 Cetera.
finb Gharafterjügc, bie er feiner norbifdjcn ^>eiraatcj ^u banfen baben mag; bie
©^rfurc^t üor ber Religion mar eine 5Jtitgabe beS 23atert)aufeS. 6r freute
ntdjt ben $ampf, menu — unb jumeift war eS tjier mieberum baS ^ntereffe
feines 9JiufeumS — eine micbtige Angelegenheit irjn ju erforbern fc^ien , ober
wenn eS galt, ungerechtfertigte Angriffe abjuroebren. — ©o feben mir in feinem
ßeben baS 33ilb eines 9)canneS, ber mit greube fein ganzes Söirfen in eifrigen
treuen 2)ienft feiner Söiffenfcbaft geftettt tjat.
S)a eS bisher, wie an einer ^Biographie 5ßeterS', fo an einem Söerjeidjnifj
feiner Schriften fehlt, fo laffen mir hier roenigfienS über feine Hauptarbeiten ge=
uaue Angaben folgen, ©elbftänbig erfdjicnen: „9hturroiffenfd)aitlidje 9teife
nach. 5Jloffambiciue". 4°. I. ©äugettjiere 1852, (II. Söögel , nur bie Stafeln
fjergefteüt), III. Amphibien 1882, IV. ftlufcfifche 1868, V. Snfecten unb «Dl^ria»
poben 1862, VI. 33otanif 1862 u. 64. S)te Säugetiere, Amphibien, fttufi=
fifcbe unb 9Jtt)riapoben öon Cetera felbft, bie Sfnfecten öon Älug, £oem, ©cbaum,
.fragen, ©erftacfer, -gmpfer, bie 33otanif öon JHohfd) unb Anberen bearbeitet.
SDie übrigen Itjeile ber '•ßetcrS'fcben ©ammlungen finb anbevn Orts öon ihm
felbft, ber Dteft öon ö. kartend (Wollüsten 1860, 1879), tfarjch (Arachniben
1878), .fritgenborf (ßruftacecn 1878) meift in ben 53crid)tcn ber Afabemie be=
tjanbett. — ..Observationes ad anatomiam comparatam Cheloniorum" (S)iffert.).
1838. 4°. — „De serpentum l'amilia Uropeltaceorum" -(.frabilitationSfcibriTt).
1861, 4°. — „lieber SÖotpien unb äßanbern ber S£t)iere" (ißopul. Vortrag).
1867. — AIS Abfjaubtungen ber Afabemie b. 2ö. unb äugleid) in felbftänbiger
Ausgabe: £). fiicr)tenftein unb 20. ^eterS, „Ueber neue merfroürbige ©äugettjiere
beS f. jool. IfltufeumS" (1854) 1855, 4°. 2ß. ^eterS , „lieber bie an ber
$üfte öon 9ftoffambique beobachteten ©eeigel unb inSbef. über bie ©ruppc ber
SDiabemen" (1853) 1855, 4". „Ueber bie Gtjiropterengattungen sDtormopS unb
^rjtjüoftoma" (1856) 1857. 4". „lieber einige merfmürbige ©äugettjiere beS
f. 300I. ^lufeumS" (1860) 1861, 4U. „Ueber bie ©attung DhjctophiluS" (1860)
1861, 4°. „Ueber Gercofaura" 1862, 4U. „Ueber bie ©äugetbiergattung
6biromr;S" (1865) 1866, 4". - $n ber gfeftf^rift ber ©cfcttfch. naturforfch.
greunbe ju Serlin 1873: „S)ie Wagergattung 2)inomr)S", 4°, in ben Transact.
Zoolog. Soc, Sonbon (1870) 1871, 4U: „Contribution to the lounvledge of Pec-
tinator", in Ä. 6. ö. b. S)ccfen'S Üteife, III, 1 bearbeitete *$. bie ©äugethiere,
Amphibien unb ftifd)e, 1869.
S3on ben übrigen .joologifcfjen Arbeiten belieben fiel) auf ©äugettjiere 126,
SBögel 14, Amphibien 145, gifefce 48, ©liebertbiere 12, SBürmer 11, ©tachel*
Ijäuter 6, sDtolluSfen 3, ßölenteraten 2; paläontologifer) ift eine Arbeit (je 1
neue 3:ifcr)= unb gfrofcfjg.). $ux 33eröffentticrjung gelangten biefe ©cfjriften in
«mütter'S Archiü für Anat. u. ^ftol. 1839-50, meitauS bie meiften in ben
Monats- u. ©ifeungSber. ber Afab. b. SBiff. 1844—83, im Archiö für Statur*
gefetj. 1849 — 56 u. 62, in ben ©ihungSber. b. ©efettfeb. naturf. fjfteunbe in
Berlin 1849, 1877—83, in Proceed. zool. soc. ßonbon 1861, 63, 65, 66,
71, 72, in Annales museo civ. Genova 1872, 74 — 78, 82, im Journal für
Ornithologie 1863, 64, 68, 81, Sorrefponbbl. naturm. 53er. f. ©achfen u. £fjür.,
Hatte 1867, Öfvers. af k. Yetensk.-Ak. Förhandl., ©tocffjotm 1869, Jornal
de sc. math., phys. e nat. (Lisboa) 1870, in 2. 2)eutfche ftorbpolfahrt, IL 1872.
3fn ben erften fahren erfctjienen öfters Ueberfetjungen feiner Arbeiten in Hn-
stitut Paris, Aunals and Mag. n. bist. London, the Edinburgh new philos.
Journ., too auet) bie „Zoological notices" 1840 ju finben finb.
©eine 9ieifeerlebniffe febilberte ty. in anfprechenben SRcif ebrief en : 3JtonatS=
beriete über bie Serbanbt. ber ©efettfd). für ©rbfunbe, Berlin, 33b. I, ©. 97,
262; III, ©. 84, 97, 234; V, ©. 125 unb in einem furzen sufammenfaffenben
JPetersbotff. 493
SBertd^te V, ©. 261, 1843—48; „^Beobachtungen über gjleere§= unb Sufttem»
peratur im atlant. Dcean", ebirt öon 9Jtat)tmann, ebenba I, ©. 250. $. lieferte
ferner einen ausführlichen 9luS,}ug aus einem portugiefifetjen SBerfe, eine @jpe=
bition öon Seite nach. Sunba betjanbetnb , mit eigenen flöten, Beitfdjr. f. aüg.
Srbf. Berlin VI, ©. 257, 369, 1856. — ©eine fprachtichen ©tubien bitben
bie ©runblage t»on: SBteet, The languages of Mosambiqoe, Sonbon 1856,
Quer 8°. 403 ©.
Sgl. Vita in ber 2)iffertation. — ^urjer ßebenSabrifj öon feinem 5lrjte
Dr. Senber, SDeutfdjer Sfteid^ganaeiger 18. $uni 1883. — S)ie oben citirten
9teifebriefe. — SDem SSerf. ftanben außerbem 5U ©ebote baS naturtoiffenfcfjaftlidje
9teifejournat (5R.=@.) unb perföntid)e Sefannifchaft. 5. ^»ilgenborf.
^Ctcröborff: Ghriftiangriebrid) (Snget ö. *{*., preufjifdjer ©enerattieutenant,
toarb am 3. ^uni 1775 3U -gmnau geboren, ©ein Sßater toar bamalS .!paupt=
mann im furfürftlich braunfd)toeigifcfj=lüneburgifdjen 1. Infanterieregiment öon
©cheitljer, toetcheS als ©chu|}= unb (jhrentoache ber öon ihrem ©emahl, bem 2anb=
grafen griebrich II. öon Reffen-- ©äffet, feit beffen llebertritt ^um ß'atholiciSmuS
getrennt lebenben ßanbgräfin 2ttaria, einer SaterSfdjtoefter Äönig ©eorg III.
öon Großbritannien, bort in ©arnifon ftanb. *ß. trat 1789 alSÄabet bei bemfetben
Regiment, toelcrjem fein Sater angehörte, in ben SJienft, toarb 1791 gätjmid), 1794
ßieutenant unb machte bie genüge gegen bie ^ranjofen öon 1793, 1794 unb 1795
in ben^tieberlanbenmit; in ber griebenSjeit befugte er bie 9Mtitärfchute <ju,g)annoöer
unb bie Uniöerfitat ©öttingen. 9lac^bem bie fjannoöcrfdje 9lrmee im $. 1803
aufgelöst toar, trat er im Slprit 1804 in ba§ preufjifche Infanterieregiment vac.
9lr. 30 ö- Sorrfe, toetcheS einen Stjeil ber Sefatjung öon ©tettin bitbete, nahm mit
biefem am getb^uge beS ^abres 1806 theit, toufjte ftch nad) bem ©ef echte öon
ßüberf ber beöorftebenben Kapitulation 3U entjiecjen unb begab fidj nach, 5ßommern,
too er am 13. Secember in ©reifenberg ju ©chitl [tiefe. SDiefer entfanbte irjn am
fotgenben Sage nach ßolberg, um mit bem Sommanbanten Dbrift ö. Sucabou
ben Gmttourf p einem gemeinfamen Unternehmen gegen bie ©tabt ©targarb 3U
befprechen unb ^gleich bie Drganifation beS ©chitl'fc&en ßorpS ^u förbern,
toetdjeS für feine 9luSrüftung auf bie allerbingS fetjr geringen «giilfSquellen an=
getoiefen toar, toeldje (Solberg bot. @r fanb toenig ©efjör; ber Sommanbant
ging auf feine§ feiner ©efudje ein, fonbern toieS 5ß. an in ber ^eftung ju bleiben
unb auS ben äuftrömenben gtüdjttingen eine Kompagnie für baS ©renabier»
bataitlon öon SOßalbenfelS 3U bitben- Waü) einiger 3eit gelang eS ibm jeöocrj,
toieber ju ©djtll nad) ©reifenberg 3U fommen. 21m 22. Januar 1807 erhielt
biefer bie föniglicfje drmädjtigung pr Silbung eine§ greicorp§. SSeibe madjten
fieb nun mit öerboppettem 6ifer an bie Drganifation beffetben; e§ follte au§
allen 2Baffen befteljen, um frember Unterftütjung entbehren unb ganj felbftänbig
Ijanbeln ju fönnen; ju feiner 2lu§rüftung aber fehlte e§, außer an 93lenfd)en,
fo äiemlid) an allem, toa§ nötf)ig toar. ty. befehligte äunädcjft bie ^wBiäQ^'.
3ll§ ©djitl am 17. gebruar in bem ©efetfjte bei 9taugarb öertounbet tourbe unb
nad) gotberg ging, übernahm er ba§ ßommanbo be§ 6orp§. 6§ follte jeht öer=
fudjt toerben burd) ©nglanb Stu§rüftung§gegenftänbe p erljalten unb biefe ffiadjt
ju einer Sanbung an einem fünfte ber Cftfeefüfte 311 ötrantaffen ; baju follte
ein Offtcier bortljin gefanbt toerben. Sßermuttjlich mit 9tüdfid)t auf feine £>er=
fünft als -!pannoöeraner unb toeit er englifd) fprad) , fiel bie SBahl auf 5|}.
2lm 18. Wäxi reifte biefer ju ©d)iff öon ßolberg ab, toar am 12. Slpril in
2onbon bei bem preufjifdjen ©efanbten ö. ^acobi^töft, reifte am 21. toieber
ab unb traf am 2. 9Jtai in ©tralfunb ein, ber reichen ©enbung an ÄriegSgerätf)
öorauS eilenb, toeldje ©nglanb jur Serfügung [teilte; mit bem ^toeiten Steile
feiner Aufgabe tjatte er nidjt fo öiel ©lud gehabt, mit ber tätigen 2l)eitnal)me
494 SPetetäborff.
am Äriege tjaperte eS rote geroötjnlidi). $ür bie gefdjirfte StuSfütjrung feines
SluftrageS rourbe er üom Könige belobt; für baS ©efedCjt bei ftaugarb erhielt er
ben Drben pour le merite. 2IIS nad) ^friebenSfdjtufj auS ber Infanterie beS
Sdjill'fcrjen GorpS baS leidjte Bataillon beS Leib^nfanterieregimentS 9tr. 9
gebitbet roarb, rourbe ty. bei bemfelben als Hauptmann angeftellt; Berlin roarb
feine ©arnifon. 9lm 28. sJIpril 1809 bradj ©djill bon rjier mit bem itjm unter*
[teilten 2. branbenburgifdjcn £)ufareuregiment au feinem betannten ^>uge auf;
am 4. ^ai folgte itjm Lieutenant 2lugu[t öon Quiftorp mit etroa 150 sDcann
beS SataitlonS. 3)er ©ouberneur L'Gftocq fanbte -p. tjinterljer, um Ouiftorp jur
Umfetjr jur beroegen. Bei ^Jceuenborf, ftfjon auf föniglid) fädjfifdjcm ©ebtete,
traf biefer juerft auf ben Lieutenant öon Btomberg, einen inactioen Dfficier,
roetcljer ©djitl ebenfalls sDcannfd)aften anführen rooEte unb Cuiftorp'S Borcjut
bilbete; $. behaftete benfelben; auf ben baburct) entftanbenen Lärm eilte aber
Cuiftorp tjerbei unb broljte, roenn $., tocldjer bie 6olbaten anrebete, ju fpredjen
fortführe, fönin geben p laffen, fobafj biefer unt>errid)tetcr ©ad)e nad) Berlin
^urücfferjren mujjte. 311S 1812 ber £rieg mit Üiufjlanb in Sid)t mar, bat ^s.
um feine Gntlaffung. Gr Ijatte feinem Bruber $art, roeldjer mit itjm im
tjannoocrfcrjen 1. Infanterieregiment geftanben Ijatte unb je^t ber englifd)=beutfdjeu
Legion angehörte (t atß rjannoüerfdjer Dberftlieutcnant a. 5). am 13. Wäx& 1834
ju SÖitjenijaufen), baS Berfprcdjen gegeben, nie für Napoleon 511 fämpfen- 2)en
erbetenen 2lbfd)icb ertjielt er als $Rajor mit ber Grlaubnifj feine Uniform fort=
tragen 3U bürfen; in ber betreffenbeu GabinetSorbrc Ijiejj e& , bafj ber ßönig
it)tn auci) ferner in Jpulb unb ©nabe ^ugetljan berbleiben roolle; fie roar in ben
fdjmeidjettjafteften SluSbrüdcn abgefaßt. Beüor ein 3»at)r 311 Gnbe roar, trat er
bon neuem in preufjifdje SDienfte. 2ltS ber Aufruf üom 3. f5rcbr. ergangen roar,
trug er in ©emeinfdjaft mit Lütjoro (f. b.) bem Könige fdjou am 9. beffelbcn
Monats bie Sitte oor, ein greicorpS erridjten ju bürfen; am 18. b. 9fl. roarb
itjnen biefelbe geroätjrt ; Lütroro rourbe Gtjef, <p. Gommanbeur beS GorpS. Letzterer
blieb junädjft in Breslau, um bie ^)erbeifd)affung ber Mittel unb bie 2lnnatjme
ber gfreiroiHigen, foroie bereu G-inttjeitung <ju leiten. %m ©afttjofe ^um ©olbenen
Szepter t)atte er fein Söerbebüreau aufgefdjlagen; öon allen (Seiten ftrömten bie
greitoiUigen tjerbei; bafj bei iljrer 9lnuat)me ntdjt immer mit ber roünfdjenS=
roertljen ©orgfamfeit öerfatjren rourbe, Ijat bem GorpS mandje unlautere unb
ungeeignete Gtemente jugefütjrt unb fid) batb fütjlbar gemacht. 2ludj ift ben
Grridjtern beS GorpS nidjt mit Unrecht ber Borrourf gemadjt roorben, bafj fie
burdj ben ^lufenttjalt in Breslau fiel) beS iöorttjeitS begaben bon bornejerein
perfönlicl) unb unmittelbar auf baffetbe einjuroirfen, bie s)Jlitglieber fdjon in
^obten unb 9logau redjt grünblid) 3U erjietjen unb anzuleiten. 511S baS SorpS
nad) bem ÄriegSfdjaupla^e nufbracl), marferjirte auet) $. mit bemfelben. gür
bie un<$roedtnäfjtge ?}erroenbung in biefer ^eriobe beS gclbjugeS gebüljrt Lü^oro
bie Sßerantroortlid)feit allein. Um bie Glitte beS 9Jlai tjatten bie ©trcifjügc
auf bem linfen (Jlbufer ber ©djaar jab^treicr^e 9iefruten 3ugefüt)rt, ju bereu 6in=
reitjuug einige Üiulje nöttjig roar, gleictj^eitig füllten brei leiste ©efdjüt3e auS^
geiidjtet roerben. 5)3. fottte baS aüeS beforgen, roätjrenb Lü^oto mit ber ßauaHeric
3U feinem 3nge nactj 2^üringen unb ft-ranfen aufbracl). Elfterer ging 3U biefem 3toecf
am 20. 9Jcai nad) ^abetberg unb toar, nadjbem er benfelben erfüllt, bie Infanterie beS
GorpS auf ca. 2000 9Jlaun gebracht unb bie ©efdjütje marfcrjfätjig gemacht Ijatte,
im Begriff nadj bem ^>ax^ 3U geljen um, ben Slbfidjten ber oberften <£>eereSteitung
entfpredjenb, bon Ijier auS baS Lanb im Studien ber franjöfifdjen 2trmee ju
infurgiren, als ber ruffifdje ©eneral Söoronjoro it)n bringenb aufforberte, fid) mit
it)m 3U einem Unterneljmen gegen Leipzig 3U bereinigen. S)ie 3luSficrjt auf einen
glänaenben Srfolg lorfte iljn. 2lm 2. ^uni brad) er mit 900 9Jtann, roetetje
^etetfen. 495
auf SBagen beförbert würben, unb einer neu formirten Gsöcabron, auf; ber Dteft
bei SorbS foUte in einigen Sagen nactj bem ^arj abmarfdjiren. 2lm 10. 9Jtor=
geni ftanben bie Sßerbünbeten öor Seipjig, bon ben <£>ör)en bei ©otjtiö jaejen fie bie
©tabt bor ficr) liegen, bereits tjatte itjre Gaballerie ber franjöfifctjen ein gtütflidjeä
©efecfcjt geliefert; unb fdjon breiten fie ben bort coinmanbirenben ^erjog bon $abua
mit ber (Sarnifon für icjre fidjere 33eute, ba macrjte bie Äunbe öon bem gefctjloffenen
SQßaffenftittftanbe ben ^einbfetigfeiten ein borläuftgeö Gmbe. 5J). fehlte nacrj |>abeiberg
äurüct unb mibmetefictj bon neuem ben Drganifationöarbeiten, roeldje burefcj bie 9Jtifj=
griffe bei ber elften Sluffteüung, buretj bie bei Äiipen erlittenen 93erlufte unb burdj bie
Steumerbungen nöttjig geworben roaren. ©ie Ratten guten Fortgang unb günftigen
(Srfolg. 2lm 17. 2luguft begann ber $rieg bon neuem. S5em ^Jtajor b. $. gab
er ©etegenrjeit ju befonberer "üluöäeicrjnung, als ber Oberbefehlshaber ©enerat
©raf SBallmoben mit bem größten Stjeile ber it)m unterfteltten Srubben auf baö
linfe (Slbufer gegangen mar, mo er am 16. ©ebtember ben bon 9ttarfcrjall ®about
borttjin entfanbten ©enerat ^eetjeur. bei ber ©ötjrbe fdjlug, unb auf bem rechten
Ufer beö ©tromeö nur fcrjmacrje Gräfte jjurüdfgelaffen blatte, ju benen 1500 $nfan=
teriften unb 4 ©efdjütje beö greicorbö uebft 400 2Jlann Ijanfeatifcrjer üteiterei
unb 120 Äofafen unter $ßeteröborffs Sommanbo gehörten. S)about griff biefe
am 18. bei 3Qi;reni^n m& überlegenen Gräften an, roarf itjre SJorboften unb
brängte 5p. eine ©tretfe SBeges jurüc!; es gelang biefem inbefc fomol am 18.,
toie am fotgenben Sage, mo üDabout bon neuem borging, bemfetben burcr; feine
fefte Haltung fo ju imboniren, bafj er bon energiferjeren SSerfucrjen ben
©ctjleier, melctjen jener gebilbet Ijatte, jju jerreifjen abftanb. ü£)a Sütjom bei ber
©ötjrbe bertounbet mar, fo übernahm $. bis jum 25. 9iobember, mo biefer
äurüdfetjrte, bas ßommanbo beö ßorbs unb blieb mit ber ^»aubtmaffe beffetben
ben gran,$ofen im 2Jcecttenburgifcrjen gegenüber, gür baö ©efeetjt bei 3a**entr)in
ertjiett er baö (Jiferne Äreuj. 2ltö Süijoro am 25. £)ecember aus bem £>ol=
fteinifcfjen mit ber Gabatterie nact) ^ranheicrj abmarfetjirte, übernahm ty. baö
(Sommanbo bon neuem, ging bann aber, auf ©runb einer bom 14. SDecember
batirten (Sabinetsorbre, am 11. Januar 1814 bon |>olftein auö nacrj Gaffel,
um unter Settung beö Äurbrinjen SBilljelm ht\ ber Qsrridjtung ber tjeffifetjen
Srupben mitjumirfen, eine Aufgabe, melcfje er trotj großer bamit berbunbener
©djmierigfeiten, mit bielem ©efcrjicf löfte (bgl. $urt)effen feit ben 35efreiungö=
friegen bon (L 2ö. äöibbermann, Gaffel 1850). 3lm 25. 3Jcära 1815 mürbe
er jutn ßommanbeur beö auö ber Infanterie be§ ßü^om'fcrjen ßorpö gebitbeten
breu^ifc^eu 25. ^nfanterieregimentö ernannt; baffelbe in ben Ärieg ju führen
Ijinberte il}n ein im 1Dcär<$ erlittener Seinbrucl) ; jebocrj fonnte er balb roieber im
militärifc^en 35ermattungöbienfte tljätig fein; es gefdjal) 3uerft in S)üffetborf, bann
in 2lact)en. 2lm 12. Dctober 1815 marb er ^um Gommanbanten bon 53temel
ernannt, bertaufcljte biefen 3ßoften 1827 mit bem nämlicrjen ju Zittau, marb
1837 in gleicher ©igenfcfiaft nacl) Sl}orn berfetjt unb trat, nac^bem er inämifdjen
äum Generalmajor aufgeftiegen mar, 1842 mit bem Srjarafter at§ ©enerat=
lieutenant in ben 9lutjeftanb. 2lm 4. 5Jcai 1854 ftarb er ju ^[auentb^in
bei (£olberg.
2lrcf)ib beö b^eufeifcl)en Äriegöminifteriumö. — 3eitfd^rift für Äunft,
äßiffenfc^aft unb ®efcf)ict)te beö j?riegeö, 93. ^8anb 3. §eft, Berlin 1855. —
©efterreicljifcfjer ©otbatenfreunb bom 12. ^uli 1854. — ©taroittft;, (üefdcjtdt)te
beö 25. ^nfanterie=9tcgimentö, ^oblenä 1857, ©. 57. 33. $oten.
^CtCtfcn: 3lbotf (So melius 5ß„ Slftronom, geb. am 23. ^uti 1804 in
SGÖefterbau (5lmt Sonbern in ©c^lesmig), f am 3. gebruar 1854 in 3lltona.
ty. ftubtrte bie maü)ematifcf)en 2Biffenf($aften unb marb frü^eitig mit bem
Bekannten 5lftronomen ©cl)umad§er befannt, ber itjn juerft als ©etjilfen bei ber
496 speterfcn.
bänifdjen ©rabmeffung bermenbete unb itjm 1827 eine Stelle als Dbferbator an
feiner ©ternroarte in 9lltona tietfdjafftc. 9tad)bem ©djumadjer 1850 geftorben
war, führte $. bie interimiftifdje ßeitung ber ©terntoarte bis ju feinem eigenen
£obe; aucr) teilte er fid) bon jenem ^eitpunfte an mit -gmnfen in ©ottia in bie
ittebaction beS gactjjournatS, roetd)eS ©d)umadjer unter bent Stitel „9lftronomifd)e
Wactjricfjten" inS Seben gerufen unb ju t)ol)er Stütze gebracht tjatte. 2)iefe
3eitfct)rift enthält benn aud) eine grofee Oteilje bon ^Jlitttjeilungen auS ^eterfen'S
^eber über bon irjm angeftellte 93eobad)tuitgen unb Jöevedjnungen. @r mar ein
glütflidjer Äometenentbeder unb t)at bier biefer ©äfte unfereS ©onnenftjftemS
juerft aufgefunben (7. Sluguft 1848, 26. Dctober 1849, 1. «Utai 1850,
17. 2Jtai 1852). 2ltS £t)eoretifer ermarb fidj $. SSerbienfte burdj bie Angabe
einer berbefferten 2fletl)obe jur Sefiimmung ber 9totationSjeit ber ©onne unb
burd) ben ÜtadjtueiS, bafj Salanbe ben Planeten Neptun fdmn am 8. unb
10. 9Jtai 1795 beobachtet, itm jeboctj für einen ftijftern gehalten tjatte. UebrigenS
gehörte *p. aud) ju jenen, roelcfje juerft bie 53at)n beS neu entbedten SBanbelfternS
aufmerffam Verfolgten (Slftron. 9iad)r., 25. 33anb, ©. 98). Sie föaftloftgfeit,
mit toetdjer ber unermüblidje Wann troti förpertidjen ßeibenS fid) ber mütjebollcn
33cobadjtungStt)ätigfeit t)ingab, lief} itm biet ju frütjjeitig einer Sßruftfranf^eit
erliegen.
5poggenborff, ^anbmörterbud) <jur ©efdjictjte ber ejatten äöiffenfdjaften,
2. Sanb. ©p. 414. — «Diaebler, ©efd)ici)te ber #immel3funbe, 2. SBanb,
©. 275 ff. ©untrer.
^etcrfcit: Sodann 6t)tiftopt) Stuguft $., geb. am 18. ftobember 1808
in ßrfurt, t am 1. Wobember 1875 als ©eneralfuperintenbent beS ^erjogttjuinS
©ott)a. ty. tjatte frülj feinen SJater, einen Srfurter gabrifanten, burd) ben £ob
bertoren. @r mud)S unter ben 2lugen einer forgfamen fluttet unb toofylmotlenber
ßetjrer als ein überaus fleißiger unb gut gearteter i?nabe auf unb abfolbirte ju
Oftern 1828 baS ©rjmnafium feiner Söaterftabt mit bem fteife^eugnifj erften
©rabeS. s)Jtit ber ^bfictjt, claffifdje $t)itologie ju ftubiren, ging er nactj Berlin,
tourbe aber batb burd) ben (Jinflufj ©d)leiermact)er'S — roelctjem er fpäter, bei ber
100 jährigen SBieberfeljr feines ©eburtStageS 1868 ein fdjöneS litterarifdjeS
2)enfmal gefegt tjat („©djleiermadjer als Reformator ber beutfetjen SSilbung".
geftrebe. ©ottja 1869) — für bie Geologie gemonnen. S)ie 4 Satjre feines
berliner ©tubiumS finb für fein öeben entfdjeibenb geroefen. >,UlS ©ctjüter bon
©djteiermactjer, 9teanber, Sttjeremin, ©teffenS unb im perföntidjen Umgang mit
biefen tjerborragenben Männern, befonberS aud) burd) häufigen $erfeb,r im .<paufe
be§ ^>ofprebiget§ ©traufj, ben er feinen gciftlic^en Steter nannte, gemann er
jenen offenen ©inn für aüeä nienfcb^lic^ ©rofje unb ©cb^öne unb in unauflöslicher
Serbinbung bamit jene begeifterte Siebe jur ebangelifcbjen Äirdje, jene med)fe(=
feitige „©ureb/bringung beS SbangeliSmuS unb beS ^umaniSmuS", mie er fict)
tb.eologifd) auS^ubrüden liebte, buret) roetetje er Sielen jum ©egen geworben ift.
9Iud^ als ^)auSlef)rer bei bem ©rafen $arl bon ber ©röben in S3erlin brauste
er bon bem liebgetuoibenen S3ertef)r nidjt ju fcfjeiben unb getoann er überbieS
reidjlidje 'Jtab^rung fetner batertänbifcb/=d)riftlid)en ©efinnung. 9tad)bem er baS
erfte t^eologtfctje ßjamen „feb.r gut", baS jtoeite „bor^üglid) gut" beftanben
tjatte, fanb er in feiner S5aterftabt ©rfurt 1834 eine 3lnftellung als S)ia!onuS
an ber jLb^omaSfirc^e, mürbe aber fdjon im folgenben ^atjre als Pfarrer nad)
Sßuttelftebt bei SBeimar berufen, mo er 15 glüdlidje, arbeitS= unb fegenSbolle
Saläre bcrlebt ^at. ©eine ^auptforge galt ber ©emeinbe. @r mar ein ©eet=
fotger bon unermüblidjem (Sifer unb gemiffenljafter Sreue. 2lber feine 3lmtS»
pflicljten liefen irjm noct) 3Jtu|e genug ju fdjriftftellerifcrjer 2l)ätigfeit. ®urd)
eine feiner ßjamenarbeiten: „2luS meld)en Urfac^en mu^ bie GUntftetjung ber
5ßeteifen. 497
2)ifferenaen unb (Spaltungen swifcrjen ber lutl)erifcr)en unb ber reformirten ßirdje
abgeteitet Werben?" Ijatte er ben erften Slnftofj ju grünblidjer Vertiefung in bie
ßefre öon ber Äirdje ermatten. 2ll§ nun 1837 Olidjarb Sftotlje'S epocrjemacljenbeS
äBerf über „bte Anfänge ber crjrifilicrjen ßtrctje unb irjrer Verraffung" erfdjien,
fanb *Peterfen ficrj burd) bte genialen ©ebanfen biefe§ 23ud)e§ ebenfofetjr gefeffett
wie 3um SBiberfprud) gereift. $otf)e trug fjier gum erften 9Jcate feine üietjadj
mifjöerftanbene ßetjre öon bem Slufgeljen ber $irdje in ben (Staat üor. ^actj
it)m rjat QttjriftuS ba§ ®otte§reid), roeId)e§ er auf (Sirben gefiiftet, in feiner
VoHenbung nidjt unter ber gorm ber $irdje, fonbern als eine potitifdje
©emeinfdjaft gebaut. (StjriftuS rjat nadj 9tottje ein eigenttjümlidjeS geiftige§
Seben in ber 9)hnfdjr)eit ange^ünbet, weldjeg bap berufen ift, auf bem Söege
ber gef<$icrjtlid)en Güntwidlung fid) ber natürlichen gorm be§ tnenfcr)lict)eri
©emeinfcrjaft§teben§ immer merjr jju bemeiftern unb biefe öon ir)m befeelte
natürlidje §orm felbft, mithin ben djriftlidjen Staat, pm Organ für feine
weitere SBirffamfeit p macrjen. 2ll§ S3ebingung unb Mittel für bie ütealifirung
biefeä feine§ testen 3toetfe8 mufjte ber $nx audj eine $ircr)e wollen b. r). eine
rein unb au§fd)lief}lid) religiöfe ©emeinfdjaft. 2)enn ofjne fie würbe bie 6r=
füÜung be§ natürlichen ©emeinfcfjaitstebenS mit d)rifttidjem ©eift nidit erreichbar
fein. $e weiter aber ber gefct)icrjtiicf)e ^ßroce^ fortfdjreitet, befto met)r tritt bie
$ircr)e prüdE, bi§ fie in ber SSoHenbung gänjlid) aufgehört tjaben wirb, eine
befonbere gorm ber ©emeinfdjaft 3U bilben. (Sjine «gmuptetappe auf biefem
Söege ift bie Deformation. — liefern rütmen ©ebanfen trat ty. in feinem 23uctje:
„Sie $bee ber djriftlidjen Äirdje. Qm wiffenfdjaftlidjen Beantwortung ber
ßebenSfrage unferer $eit e*n trjeologifdjer Verfud). (Srfier analr;tifd)=critifcrjer
£fjeit." 1839, entfdjieben entgegen, inbem er bie Dotfje'fdjen 2lu§jüljrungen
©ctjritt für Schritt ju roiberlegen judjte. Seine Slnftdjt, ba§ bie ßirctje audj
im öollenbeten (SotteSreid) neben bem (Staate unb ber (Sultur unb auf's innigfte
mit biefen beiben Bereinigt ein bleiöenber S£fjeilorgani§mu§ fein werbe, entwickelte
unb begrünbete er ausfürjrlicfj in ber „Seljre öon ber Äirdje", beren erfte§ unb
3Weite§ aSuct) : „öon bem äöefen unb ber Drganifation ber JrHrdje" al§ ^Weiter,
frjntrjetifdj = bogmatifdjer ü£ljeit be§ ganzen 2ßerfe§ 1842 an ba§ Sidjt ber
Deffentlidjfeit trat, Wäljrenb ber britte, rn^torifct)=pragmattfdje £r)eit: „öon ber
düntwidelung ber $irdje" 1846, ba§ umfangreiche (Sebaube frönte. 2)iefer britte
£r)eil „unb mit il)m ba§ ©anje" ift ber ttjeotogifcfjen gacultät gu Qhiangen
gewibmet, welctje bei Gelegenheit ir)re§ 100 jährigen Subiläum§ 1843 5ß. jum
S)octor ber 2b,eologie creirt tjatte. ^n bem breibänbtgen SSerfe ftetft eine güEe
ttjeologifdjer ©eterjrfamfeit. SlUe mit bem ^aupttljema in Serbinbung fteljenben
fragen, ßerjre, 6ultu§ unb 5Di§ciplin ber Äirdje, ba§ 9lmt be§ ©eiftlic^en, bie
Äirccjenöerfaffung, $atr)olici§mu§ unb *ProteftantiSmu§, Deformation, ßonfeffion,
unb Union Werben unter forttaufenber SBerücfficrjtigung ber einfcrjlägigen Sitteratur
unb unter |)inwei§ auf ben 3utammen^inS mit fernerliegenben t^eologtfdjen
Problemen grünblict) erörtert. Seiber ift ber fdjWerfäHige gormaliSmuS ber .
2)arfteüung einer weiteren Verbreitung be§ S3uctje§ ^inberlict) gewefen. @in
fctjöner @rfotg für ben SSerfaffer felbft war bie <£er,$en§freunbfcr)aft mit feinem
äßiberfactjer 9ftotlje, bie, au§ ber eblen Gattung ber wiffenfdjaftlidjen ^ßolemif
geboren, im 33riefwect)fel unb perfönlidjen 35erfeljr fictj entfaltenb, 5ß. bi§ äum
Heimgänge Dotfje'S 1867 ^oc^ beglüclt Ijat. 2)a§ praftif^c Defultat feiner
©tubien aber war, bafj er bei allem äöedjfel ber 3e^en a^ ^n treuer ©oljn
ber lutfjerifcrjen ^ircrje äugteict) für ba§ gute 9ftecr)t ber Union mit mannljafter
Ueberjeugung eintreten fonnte. ©egen bie ßicrjtfreunbe einerfeit§ unb bie ljerein=
brectjenbe Deaction anbererfeitS fucfjte er in ben öierjiger Sfatjren auf fiürmifd)
3Utgem. beutle Siogro^ie. XXV. 32
498 ^ßeterfen.
betoegten fixd)ltc^en SBerfammlungen in Söeimar, 2lpolba, Äöfcn, SBittenberg baS
SSefenntnifj au ber ©ouüeränität Gtjrifti unb feines SöorteS als baS für ben
Sßeftanb ber Äirdje einzig sJlot^tnenbigc mit ffammenber 9tebe in bie ^er^en ju
pflanzen. 2lud) mit bet geber arbeitete et raftloS für biefen tjorjen groed.
sJcid)t metjr für bie ©eletjrten roottte er nun fdjreiben, fonbern für fein ttjeureS
beutfctjeS (Srjriftenöolf. ©röfjereS !anttte er nidjt, als — nad) bem immer
roieber öon ir)m citirten Utjlanb 'fernen SGßort — „für unfer Sßotf ein £erj".
3)iefe SiebeSroärme fütjlt man ber „bürgerlichen ©efdjidjte" an, roeldje unter bein
£itel: „2)er Sidjtfreunb ober bie ^inbtaufe" 1847 erfdjienen ift- w2Bie baS
23üd)lein öon einem gefd)rieben rourbe, beffen Qfreube unb ©totj eS ift, ein ©otm
beS beutfdjen SßolfeS <ju fein, fo fottte eS auS bem ^erjen beS 35olfeS tjerauS
gefdjrieben fein, um in'S £>erj bei SotteS einjugetjen. £) motzte eS bod) ein
beutfdjeS SBolfSbud) merben, ein Bud) für Sitte auS alten «Stänben, bie als edjte
2)eutfcfc)e aud) rechte ßtjriften fein motten!" 6in bieberer .tpanbroerfer, ber fid)
öon ber lieblofen ©trenggläubigfeit feiner Söerwanbten abgeftofjen fütjlt, mirb
auS ber ©efatjr, öon ben ftetjen ber greigeifterei umftridt ju merben, burd) ben
(Jinflufc eines beroäfjrten Gt)ri|"ten unb burd) bie .ffreuafctjule beS SebenS gerettet
unb jum redeten, in ber Siebe ttjätigen ©tauben gefütjrt- 3ln ben gaben biefer
(Jr^ätjUing merben als ,£>auptbeftanbtt)eit beS 33uct)eS ©efprädjc über bie religiöfen
^eitfragen aufgereiht. S)aS Sud) mürbe otjne 3toeUe^ me^r 2efer 'm Sotfc
gefunben t)aben, menn in ber ©efctjidjte metjr gefd)ätje unb roeniger gefproetjen
mürbe. 2)em gleichen 3wede, matjreS Gtjrtftentfjunt im 23olfe ju pflanzen, biente
bie Verausgabe einer faft öergeffenen geiftöotten ©ctjrift beS ©rafen öon 3in<jen=
borf, gemötjntid) furjroeg „ber ^affagier" genannt. üDer eigentliche Sitel lautet:
„©onberbare ©efprädje aroifdjen einem Oteifenben unb attertjanb anberen 5)3erfonen
öon allerlei in ber Dteltgion öorfommenben 28at)rt)eiten". S)iefe 6ct)rift, bie bei
itjrem erften anonymen ßrfctjcinen 1739 bereits brei Auflagen erlebt tjatte, ift
aud) in ber StuSgabe öon ■$■ jmcimal aufgelegt morben (1849 unb 1869).
SDie öielfeitigen SBerbienfte ^ßeterfen'ö unb fein fräftigeS auftreten tjatten
■mr golge, bafj er 1850 als sJtad)fotger 53retfd)neiber'S jjum Dberpfarrer ber
©tabt ©ottja geroätjlt mürbe, ^perjog (Srnft ernannte it)n unter Betätigung ber
2Bal)l alSbatb jum ©uperintenbenten, 1852 jum Oberconfiftorialratt) unb
©eneralfuperintenbenten beS .§erjogtt)umS. $n biefer Ijofjen unb PerantWortungS=
öollen (Stellung ift eS ir)m nod) gerabe 25 ^a^re ju mirfen öergönnt geroefen.
@r übte fein 2lmt mit 9JUtbe unb nab,m fict) mit roacjrtjaft öäterlidjer «Sorgfalt
ber itjm untergebenen ©eiftlid)en an. 2)ie ©eneratüifitationen gereidjten i^m ju
matjrer £>er<jerquidung, abgefe^en öon ben ftatlen, roo er tabeln unb ftrafen
mufjte, maS ib,m ferner mürbe. S)en in 2tjüringen feftgemur^etten 9iationaliS=
muS beljanbelte er fdjonenb, fudjte ilm aber eöangelifd) ju öertiefen. Um baS
SßolfSfdjutmefen ^at er fidj bureb^ Sluffteltung eines SetjrplanS, ben er felbft als
eine „©orgenarbeit bieler ^aljre" be^eidinete, burdj Bearbeitung einer gibel unb
eineS ßefebudjS unb namentlich burd) bie Drganifation beS SfieligionSunterridjtS
gro^e SBerbienftc ermorben. Sie 23o(fSfd)ute tjatte er befonbcrS lieb, unb eS mar
ein tiefer ©c^merj für itjn, als 1863 bei burdjgefüljrter Trennung ber Äirdje
öon ber ©d)ule im ^erjogirjum ©ott)a baS SBirfen auf biefem ©ebiete il)m faft
ganj entzogen mürbe. %n ber ^rima beS ®t;mnafiumS gab er mit ^euoen ben
9teligionSunterrid)t.
SSRan tonnte ty. nidjt mit Unredjt einen 3)irtuofen ber grömmigfeit nennen.
Sitte grofjen unb f leinen ©rlebniffe bienten itjm felbft jur Vertiefung beS
©ünbenberoufjtfeinS fomoljl mie ^u erneutem ßobpreis ber göttlichen ©nabe in
Gfjrifto. ©o maren benn aud) feine ^Jrebigten ausgezeichnet burd) bie einbring=
lic^e ftraft ber glaubenSöotten lleberzeugung, bie aus jebem Söorte 3u fpüren
5peterfen. 499
mar. Gin marmeB, üterlDattenbeB 6e^I, baB namentlu* Bei M^en ©cte9en=
beiten su mäcritigex SBeßeifketunfl fu$ fteigette unb bcn »ebnet übet fu$ felbtt
ÖoB ti? bie ©emeinbe mit flft fort- ©eine *ttbigter itoor^er «Warteiten
unb au memotiten toat einem Planne tote $. unmöglich ©« ! ttaten nacf,
boraufgegangener etnftet Griffes- nnb £eraen8arbeit ein freier : Ctßu| £*g™™*
©emüt,eS. SBenn ebenbeäfjatb au ßünPifi« ®t™be unb QBjffnÄ ?e"
Lbrucf ein bebeutenbet toar, fo tonnten fteitidj an öeroo^n^en ©onntagen
ober bei föxbextidjer SnbiBbofition aucf, bie Wange einet fotcfenWet^obe nu*t
ö borgen bleiben. §inter bet Uebexfcrjtoänglidjteit beB ©emr,lB blieben b«
Mufig toiebexlmlten unb nux locxex bextnübften Gebauten alBbann tootjt emtfnb.
?S gtirtÄ. ©iuaelue ^xebigten t,at 9- ™f ©»«[*. nafmJ\^ FÄ
für ben ©xucf aufgetrieben. Sie getefenen geben aucfj nid) boi. : lerne bie
Sirfung be§ ße^rten SBoxteS triebet. Söit fcbeu at8 Jataftm|ltW *erb°t
m : flnb GoteB Sott! ©ine Sanbbtebigt aum lOOOjaJttgen 3ube refle
®7tttWanb8.? 1843. (ffiiefe ^tebigt mufjte fid) in bet »5^f*en Intimen
Btebia xbibtiotbef eine fef,x abfällige unb ungerechte Seuttfeitung gemtten laffen,
roeSfbn bem »etfafTn alft „unbaxmfexaige «anb Jung ferne« ßubtuig«.
ftnbeB" WmetaXi* embfunben mürbe.) Sernet: „©otteB friebebringenber Segen
in ÄtieftBieit." 1866 unb: „Unfere ©iege§|reube." 1870. « bie treffe mb
ftebe am Stabe feines ftteunbeS gri* Deuter mag tjier ermahnt fem, abgebruett
in- ©in Anbeuten an fftife tatet'B ^Begräbnisfeier. 1874.
Sit 1858 ftanb an bet Spitje bet ©otr^en SanbeBßeiftti^it neben
$. ber ©berfjofprebiger D. Sari Samara, SBeibe fmtten fa aum Ses t i*t«
SntrittBprebig baB apoftolifdje SBort 2. Gor- 1,24 gemalt : „9tu$t, bafe mit
£e K fonbern mir finb «ilfen eurer Steube ; ; benn
|Aet im Glauben", unb berauben ft* , in ber Slnmenbung bief« ©runb^eB
auf ibte HmtBtMtigleit in erfreulicher Uebereinfttmmung. Son ^rt aber mären
rjSÄieben8 Sei 6<*toatJ »eigte W eine ^«^TÄ^^ntS
beB ©ebanteuB, ein tfldftd&tBiofeB Urteil, ein rafcfeS unb entfttebeneB «orgeln,
eine unüberminbtiefe Abneigung gegen iebe SM no Übermittelung »a^enbj.
auf allen Seiten baB ©ute fjerauSfanb unb anettannte gern bitatorifd) betfujt,
ftetB ben Stieben 3u 6etoar,ren ober toiebexferauftetten >d)te unb allem i SßoUe t-
mefen ab*rib mar.3 GS tft beiben, bem tapferen Streitet unb bem mitten »«-
mitttungBtrieologen, nierjt leietjt getoorben, fu$ m emanbet au finben. ©et
SotÄen 8anb Slird&e aber ^at biefeB fä «flänaenbe »ebeneinanbet ja
flcoSem Segen geteilt, ©qmata toar einer ber Stifter unb »et beB beulen
SeftantenberrinB. ?lu* ?. trat, menngteief, titelt o^ne fernere ©emiffenB=
S bem Vereine bei, beffen regten ^lügel er mit Wotje unbjöaumgatten
bilbete. Son feinen freien Steunben mufete er mand)eB bittere ober betrembete
2öort megen feiner 3uger,5rigteit au biefem Vereine ^ören «°nnt.^"/"^«
StuBbrucx beB »ebauemB, bafe er in eine feiner nic^t murbtge 8« t i»
geraden fei, efjrtid) etmibetn, et fei bielme^t rnnemgemajfen. . «u] bem etften
Itotetantentage in (Sifenadj 1865 mat % bet einige, bet fi* jegen bie bon
Sc^mata aufgeben unb öett^eibigten S^efen übet bie ptoteft antike 8e^ jxeijeit
etflätte meil iW bie bofitibe SteEung t^ ©ei«en 3ur fettigen «« H n«ftt
aenüaenb in b efen S^efen gemafet fc^ien. »ei ber gttebenBiiebe ^etetfenS
Arte gemi^ ein fe|t anettennenBmettfet aßa^eltBmutJ, »u bwf« ifoUtte«
Cppofition gegen feinen eigenen nähten Sottegen ber nicf,t gern ^ibe ifpru*
ertrug. ®iefe bon feinem ©emiffen gefoxbexte £^at unb feine Stellung au ber
öer^aSnbelten mistigen gtage *at ?. in einem iefenBmert^n Sc|ri ^e :» t er! a rt.
„©ie broteftantifefe 2efefreit)eit unb tt)re ©renaen. 6m offeneB SBott aum erften
500 5ßeterfen.
beutfcb>n iproteftantentage." 1865. 2)em *ßroteftantenberein ift *ß. bt§ an fein
@nbe unmanbetbar treu geblieben. 2)af$ ein folget 2Jtann mit feinem toarmen
.freien bott Siebe in feinem |mufe beglücft unb beglüctenb lebte, bebarf ber
23erfict)erung nidjt. ©eine ©attin ftatb fctjon im Siatjre 1857 naci) 18 jähriger
(Jtje, au§ meieret ijmei Xöctjter, gegenmärttg an ©ottjaifetje ©uperintenbenten
öerbeiratfjet, entföroffen finb. $• felbft feierte noct) im Dctober 1875 mit boller,
öielleirfjt ju tiefer 23ett)eiligung feines ©emüttjeS ba§ 25 jährige Jubiläum feiner
SQßirffamfeit in ©ottja. 21m Xage barauf erhanfte er unb entfctjlief fanft unb
fct)mer<}lo3 am 1. ^Roöember. @r bleibt im ßanbe ©ottja unöergeffen.
Otto 3)reber.
^Ctcrfdl: 23attf)afar $., geb. in ber ©tabt Xonbern in ©cl)te§mig=
..ftolftein am 7. 2ftai 1703 als ©otjn eines ©pitjenfabrifanten. 3Iuf ber tateinifetjen
Schule feiner 33aterftabt öorbereitet, bejog er 1721 bie llniöerfität $ena, um
Xtjcotogie ^u ftubiren. ©ein -frauptlctjrer mar fjier 3. 33. 33ubbeu§. $n Äiel
fetjte er feine ©tubien bann ein 3af)r fort unb roarb barauf .gmuäletjrer.
2V2 3at)re fpäter bot fidj it)tn bie ©etegentjeit bar, gütjrer ober |>ofmeifter
eines jungen Slbetigen ju werben, mit bem er auf Oteifen ging unb üerfctjiebene
Uniöerfitäten befucfjte. @r benutze biefe Gelegenheit treu ju feiner eigenen
2Iu§bitbung unb (jörte felbft juriftifdje unb mebtcinijct)e Soüegien. 1729 marb
er jum Jpauptpaftor in Secf gemäht unb 1739 jum tropft unb -gmuptpaftor
in ber ©tabt ©onberburg ernannt, Don too er 1746 in berfelben (Sigenfctjaft
nact) feiner 23aterftabt Xonbern beförbert marb. SDie ^äbagogif mar fein
fcefonbereS ^ntereffe unb er tjiett in feinem Jpaufe gemiffermafjen eine 9Irt
Stfabemie , inbem er feine Zöglinge öon ben erften (Jtementen an , er felbft
allein, unterrichtete, bis fie afabemifetjen Abiturienten gleictjgefteUt unb nact)
fiattgetjabter ^tüfung unmittelbar im ©taatsbienft üerroanbt mürben. 2118
fpäter borf) für biefe ein fur^er afabemifcfjer GurfuS »erlangt marb, gab er biefeS
Unternehmen auf. 2)a er jeboer) baS 33ebürfnife na et) metjr SBirffamfeit fütjlte,
toarf er fiel) nun auf bie 9lu§bilbung öon 33ottefd)ultet)retn, moju bamalS faft
alle ©etegentjeit fonft fehlte. 2)ie§ üerantafjte it)n einen roefenttietjen Xtjeit
feinet 23erm5gen8 jur (hrictjtung eines „©ctjulmeifterinftitutS" <ju beftimmen unb
baburetj ift er ber ©tifter beS noct) blütjenben £et)rerfeminar§ in Xonbern
gemorben, baä nact) feinem Xobe 1788 in'S ßeben trat unb fidj feitbem seit-
gemäfj entmictelt tjat. @r üermactjte ba^u feinen Apof ©örriämarf mit 209 2)emat
unb 28 000 «Warf bar. ®in öon if)tn üerfajjteS ßefjrbucf): „(SrfenntniB ©otteä
für ^ateetjeteu, Äüfier unb ©ctjultjalter", mürbe auf Soften feiner «EJlaffe 1788
gebrueft unb lange bem Untexxicfjt 3U ©runbe gelegt. Slufjerbem öerfafjte er
auetj ein ßeben 3efu (1781) in 4 33änben unb „bie ©eligfeit ber 9Xu§ertoätjtten
im emigen ßeben". 1784. 2 33be. 1779 feierte er fein 50 fätjrigeS Jubiläum,
fungirte aber im 2tmte noctj fort bi§ an feinen Xob, 1. Januar 1787, nact)=
bem er 58 $af)re baS 5)Srebigtamt öermaltet tjatte. ^Ijm mar ber 6t)arafter
als Sonfiftorialratf) öerlieb^en.
©.»$. ^roü.=33er. 1787, 3, 403. — «flteufel, ©et. SDeutfcf)lanb, s. v.
- galfs Slrctjiö III, 338. — ©.*©.-S. Äire^cn» unb ©ctjulblatt. 1883.
ftr. 13. SarftenS.
^Ctcrfcil: 6b;riftian «ß., ^tjitologe unb Sibtiottjetar, 1802—1872.
Sn Äiel am 17.3an. 1802 at§ ber ©ob;n be§ ©lafermeifterS Soactjim ^einrictj %
geboren, ertjielt er feine ©ctmtbilbung auf ber SSürgerfctjule unb feit 1816 auf
ber ©elet)rtenfct)ute feiner SSaterftabt . ftubirte bann öon Oftern 1821 an juerft
in Äicl, öon «mictjaeliS 1823 bi§ Dftctn 1825 in 33erlin, bann mieber bis
9)ticb^aeli§ 1825 in j?iet Slltertb^umSmiffenfctjaft unb erlangte am 14. 2)ecember
5ßeterfen. 501
1825 bafelbft burdj eine 23orlefung (Cleanthis in Jovem hymnus, quem denuo
recognovit . .) bie Facultas legendi. S)ie afabemifctjc Sefjrtfjätigfeit trat er
jebocf) noct) nidjt gleicB, an, fonbern übernahm -junächft ju Neujatjr 1826 eine
Se^rerfteHe am $ölmoVfcr)en @ir3ief)ungStnftitute in Wienftäbten bei ?lltona. S3on
Ijier auS fam er mit ben gelehrten Greifen Hamburgs in SSerü^rung , beren
5lufmertfamfeit bornefjmlidj burcb, feine beiben ©djriften über bie ftoifdje *pb>
lofopijie (^nauguralbiffertation : „Stoicoruni, inprimis Chrysippi de categoriis . . .
doctrina" unb ..Philosophiae Chrysippeae fundamenta", beibe 1827) auf ifjn
getenft mar; namentlich geroann ber bamalige ©rmbicuS $arl ©ieöefing lebhafte!
3>ntereffe für ben jungen ©eler)rtett unb beranlafete itjn Cftern 1828, ftatt nacb, Äiel
Behufs ber §aBilitirung 3urüdaufer)ren, bie feit ©urtitt'S Slobe (14. j^uni 1827) frei
geroorbenen pb^lotogifcf)en 33ortefungen am fjamburgifdjen atabemifdjen ©tjmnafium
ju übernehmen. S)amit mar über bie 3ufanft ^eterfen'S entfctjieben; er über=
natjm öon 9Jticr)aeliS 1828 an im toeitefien Umfange biefe neue SHjätigfeit, mit
ber er feit 1831 nodj bie ©teile eines SRegiftratorS an ber ©tabtbibliottjef ber=
Banb; 1832 tourbe er jum ^roeiten 23ibliot£)efar, baneben im Dctober 1833
pm ^ßrofeffor ber clafftfctjen Ätiologie am afabemifdjen ©rjmnafium ernannt;
1844 mürbe er junäd)ft probiforifcrj , feit 1851 befinitio alleiniger ©tabtbiblio=
ttjefar. ^n biefer umfangreichen üHjätigfeit als Serjrer unb S3ibliott)efar berBlteb
er Bis an feinen Jtob am 15. Januar 1872. — Sie Hamburger 33ibliott)e£
tjat gelegentlich ber burcB, ben Neubau bon 1840 öeranlafjten Neugeftaltung
toefentlicB, burcr) itjn ifjre jetuge Drbnung erhalten, burcB, beren Darlegung in
bem ausführlichen SBeridjte über bie neuen ©ebäube ( „^nficrjten unb Sauriffe
.... unb 9ßlan für bie fünftige Slufftetlung ber ©tabtbibtiotljef" oon
%. ©. 6. Seemann unb 6. ^eterfen, 1840) er eine für Neueinrichtung großer
33ibliottjefen überaus lefjneicfje unb nach, mancher Nüdficrjt muftcrgültige 9In=
leitung gegeben fjat. Sie (Sefdjidjte ber Hamburger SSiBliottjef tjatte er fdjon
1838 in ausführlicher Sarfieltung in einem eigenen SBudje BeB>nbelt. ©eine
miffenfcrjaftlidjen ©tubien, beren (Srgebniffe er meift in ben Indices scholarum
beS afabemifcrjen (SrjmnafiumS nieberlegte, beroegten ficr) anfangs auf bem bereits
oben erroätmten ©ebiete ber griectjifctyen Sitteratur („Cleanthis Stoici hymnus"
1830, „Phaedri Epicurei . . de natura deorum fragmentum" 1833, „Hippo-
cratis Coi de aere, aquis et locis liber" 1833, „Hippocratis nomine quae
circumferuntur scripta" 1839), menbeten ficr) fpäter aber auch, ber *pt)ilo=
fopfne ju (,,Johannis Saresberiensis entheticus de dogmate philosophorum
nunc primum editus et commentariis instructus" 1843) unb richteten ftc&,
piekt faft auSfchliefjlich auf griech^ifcBe 9Jlt)tl)ologie unb Äunft, auct) auf
beutfctje ©agen* unb ©ötterletjre. SSon feinen jatjlreicrjen arbeiten in biefer
Nichtung finb bie bebeutenbften : „3ur ©efcrjtchte ber Religion unb $unft Bei
ben ©riechen" 1845; „S)er geheime (SotteSbienft bei ben ©riedjen" 1848; „Ser
■IpauSgotteSbienft Bei ben ©riechen" 1851; „SaS 3^ötfgötter = ©tjftem ber
©riechen" 1853 u. 1868; „Sie gefte ber ^altaS 5It^ene unb ber grieS be§
Parthenon" 1855; „Sie ©eburtStagSfeier Bei ben ©riechen" 1858; „SaS ®t)tn=
naftum ber ©rieben" 1858; „©er belphifche geftchcluS beS SIpolton unb beS
©iontjfoS" 1859; „Ser Niobiben = 9Jh)tbuS" 1860; „S)ie ^ferbeföpfe auf ben
33auernl)äufem in 5lorbbeutf(i)lanb" 1860; „Sie SonnerBefen" 1862; „^>uf=
eifen unb 9to£[trappen" 1865; ferner bie umfangreiche Slrbeit „©riedt)tfd)e 93c^=
tBologie unb Religion" in (ärfet) u. ©ruBer'S (Snctjclopäbie ©ect. I, S3b. 82,
©. 1—380.
Nachruf bon 3. (9ft. 3§ter) im ^)amB. Sorrefponbenten öon 1872. —
^>amb. ©djriftftettei = ßejicon , S3b. VI, ©. 32 — 41. — Sericon ber fcb,leSto.=
Bolft. ©cfjriftftetler bon SllBerti I , S3b. 2 , ©. 184—190^ unb II, S3b. 2,
502 SPetetfen.
©. 125; nebft 9Jtitit)eitungen ber fjamilic. — 33ollftänbige SBeqeicrjniffe bct
©djriften ^ßetetfen'ä finben fid) in ben beiben (Srfjriftftettet^Sejiciö.
91. £odje.
^Ctcrfcil: Of riebxid^ ty., ©eiftlidjer, geb. im Rieden #ot)er (©d)te§roig=
Jpolftein) am 18. ?luguft 1807 als ©otm be§ bortigen ^ßrebigerä ßtjtiftian
^eterfen (f 1818), ftubierte feit 1826 Geologie in Äiel unb beftanb, nad)bem
er injtuijdjen mehrere I3at)re at§ .gmuälefjrer jugebradjt, ba3 tt)eoIcgifd)e 9lmt§=
ejamen auf ©ottorp 1837 mit Stugjeictjnung. 6t roarb barauf 1838 jum
^rebtger ber 2)orfgemeinbe llrf, bamalä <jur Spiopftei Sonbern getjörig, 1842 bet
Sßropftei Slpenrabe zugelegt, getnätjlt. ©ein ßeben tjicr tjat er fclbft at§ ein
ibt)llifd)es, in feinen (Srlebniffcn befdjrieben. 1846 tourbe er t>om £>erjog ju
Sluguftenburg pm 5ßrebiger ber ©emeinbe sJtotmar£ auf ber ^nfel Älfen ernannt,
roo er am 3. Slpril 1848, als pottttfd) mißliebig, pon ber bänifdjen Regierung
Dom 21mte fuäpenbitt roarb unb in bänifdje ©efangenfetjaft geriet!). Söieber
freigetaffen, roarb er Don ber fd)leäroig=f)olfteinifd)cn gemeinjamen 9tegierung am
3. Januar 1840 jum ^>rebiger in lltberup auf ©unberoitt ernannt, aber nad}=
bem bie bänifdje Regierung roieber in .Straft getreten, am 7. Januar 1850 öon
biefer roieber feines Stmteä entlaffen. hierauf roarb er bon ber fd)le§tt)ig»
t)olfteinifd)en Stattrjattevfctjaft 3um ^fetbprebiger ber fd)(e8to.=()olft. 9lrmee beftellt,
als tocldjer er bis jum 27. $ebr. 1851 fungirte. 6r getjört bemnad) ju ben=
jenigen ©eifttidjen, bie ba§ engere SBaterlanb notfjgebrungen Perlaffen mußten
unb aud) er janb, nod) Por Ablauf biefeä 3;at)iee, 2lnfteHung unb neue |)eimatt),
als elfter ©tabtpfarrer in ©ct. 3otjann=©aarbrütfen, ttl° er am ^- 9ftai 1859
geftorben ift. — 2U§ ^rebiger in Urf beseitigte er fidi junäd)ft an bem ©treit, ber
bamatä jroif djen Dr. 6lau8 .£>arm$ unb feinem (Joflegcn, bem bamatigen 51rd)ibiafonuä
SCßolf ausgebrochen, in Serantaffung ber SDinter'fctjeu ©djullefvrerbibel, t>urd) bie
Sörofdjüre: „gür .gmrmö, gegen äöotf, gemeiuPerftänbtidje SBinbigung beä entftan»
benen ©treiteä." 1839. 35ann gab er bie „bibtifdjen Senffprüctje für alte Jage
beS ^atjres" Pom ©encralfuperintenbentcn Satttfen in bänifdjer ©pradje tjerauS, bie
in 3. 2lufl. 1847 etfctjienen. 9ln bet fd)tcstoig=t)olfteinifd)en (htjcbung nat)m er
öon Anfang an ben regften 21ntt)eil unb getjört mit ju ben Söorfämpfern ber=
felben. @r Perfafjte: „3ur 9tfd)tfertigung RcnbfdjtegroigS. SBotum eines
yi- ©. s4irebigcr§." 1850. „2)ie fdjtcänngfdje <55eiftlid)feit unter ben roedjfetnben
©taatSgeroatten. 3ugleid) ein ^Beitrag -mr SBürbignng be§ Kampfes ber etoan=
gelifdjen Äircrjenjeitung noiber bie betriebenen ©eiftlidjen". 1851. Sefannttid)
tjatte s|>rof- ^engftenberg fid) ber Partei ber S)änen angenommen, meldjeä
mehrere ©cgenfdjriften Perantafete. ftnnex gab er rjeraus: „2)eö fönigtid^en
©tjnobi <ju 9lenb§burg 3Infprad)e an r)eimatt)lict)e Sefjrer ber ^er^ogttjümer
©djlesmig unb ^olftein Pon 1737 mit einem SBortoort unb 3eu9niB tuiber
^prof. ^engftenberg". 1855, unb barauj: „6rlebniffe eineä fdj(e§n)igfd)en
5|3rebiger§ in ben grieben§= unb ÄriegSja^wn 1848—1850". 1856. ©in
Seitrag pr 33eurtrjeilung ber bänifd)cn fird)(id)cn unb nationalen 3uftänbc.
SDiefe ©d)rift, barin ber SJerfaffer feine eigenen Gürtebniffe fcrjilbert unb bie gut
gefdjrieben ift, Perbient nod) immer getefen 3U roerben, fie fürjrt red)t lebenbig
in bie äkrtjältniffe jener 3e»t nn. 33eranlaf}t roarb fie ^unäcrjft burd) ben
Öefannten Dr. 9tubelbad), ber in feiner ©crjriit Pon 1851: „5Die <5aä)t
©d)te§roig=,g)olftein§ rjiftorifd), politifd), ftaatäred)ttid) unb tird)üd) erörtert", ju
bem 9tefultat gelangt, ba^ ©d)lc§roig gar fein 9ied)t auf eine Sßerbinbung mit
^olftein tjabe unb namentlid) bie fd)Ic§roigfd)en ©eiftlidjen be3id)tigt , ben
Slmtäeib felbft mit in bie ©ptjäre ber ^nfurrection hinübergezogen p tjaben;
fte ift alfo äugleid) eine 2)efenfion§fd)rif t , nur mit etroa§ reidjlid) paftoral=
ttjeologifdjen Reflexionen. S)iefer feiner <g)auptfcr)rift folgten nod): „5Der gegen=
^etetfen. 503
mutige 3*nb tax *«* »* .f*»«^* gStftÄ*Ä
S" if Ä Urin to «angel «Sm^ita.1. «" .Snwn« «*«
ßeimatf, g*leSn>ig.«olftrin WS an fein 6ni>e tautet lorigetu^t
* «, gÄarfejico« s. v. »ab bie oben anjelu^.W*^ .
Krtttfm ©eota »et«»., geb. am 16. SJebruat 1771 in ffllesn «itd).
.„„«&» <Ixeii SlenSbnrs in *******& «tauten* b«m
£ 21 Liefet n com 3. 1798, fuätet au* euatat gebtuctt mit bemann 8
sX 1801 8.1t i* um bie »to»in8 babut* jebt »etWent gem.djt,
• • ot 3 „v,™« s«>2 c^fn-pa 1819. Salut eiianen als \Un15ang aum ^uyi
TZ8\\?8 »°n i m bie^t^n t b t i^otmationlienet 1817 in ben bänden
Itaat» in 4 «3t« 1819. 3ebet Sahrgang »«alt »e.ttage bn »et-
Sieb nften «rt Mm «etauSge&er. «etbem fertafite et and, anbete g mm
KSmU »« *« b'S S»KeS äBobt am ««'3™ tag: .*»£«*« Unte -
ri&fefa fc CM«« am bem ftmb, , W99 S« S ob «Ue ,n«J
SÄ ti* an "igen s5 mit bl i aiUbau, ben man bamalS
fa riefen «emeinbe - ®ie BtoWn8ialfori*te mürben lotta/lefct oon »attn
«Ä*?Ä i" •*"&*•»«■ f übe^itbma;Wen W gebrn« l^W
+ nl8 ItafonuS an Set. «ölatien m StfenSburfl am 7. ©ct. 18-12), Dex cm o«
tlieStobetTt Seit Äönig griebridj VI. in ben ^erjogt^ümern m ©ang gekauten
Stesmig »nmaU iftÄ t am 16. ätngnft 1872) b,e ««jtenna-
fjotftetniföen Stätter fjeraue.
504 5peterjen.
$. @arften§ unb Dr. (Sari ßorenjen, Bieter unb Neue Vieler Slätter
1843—1845. — £. SBierna^ft, ©•=£>. 2anbe§berid)te 1846 unb 1847.
SarftenS.
^Ctcrfcn: .g>einrid) ty. , $upferftedjer , mürbe am 13. 2luguft 1806 au
Slltona a(3 ber ©oljn eineä MaufmannS geboren. S)a er fidC) ber $unft mibmen
roollte, be^og er, nad) Seenbigung fetner unter ^rotjmann gemachten Sorftubien,
im 3t. 1824 bie Äunftaf abernte in 2)rc3ben , mo er fid) im 3ei^nen unb
Zitaten üeröotifommnctc, befonbcrs audj ältere Silber in ber fgl. ©emälbegaterie
copirte unb baburdj ben ©runb ju feiner fpäteren Jlenntmfj alter 9fleifter legte.
Salb roibmete er fid) ganj bem J?upferftid) unb begab fid) 1827 in ba§ 2ltelier
$. ft. sJtof}mäfjter'§ (f 1858), mit bem er öiel auf Reifen, in granffurt,
2Jtünd)en, |)eibetberg ic. unb in beutfdjen Säbern mar. 211S %. am 3ofjanni§=
tage be§ i3af)re§ 1830 nad) Nürnberg gekommen mar, biefe ©tabt mit itjren
altertljümlidjen materifdjen ©trafjen burdjmanbert unb bon ber Surg au§ eine
©efammtanfidjt bcrfelben erhalten Ijatte, gefiel biefelbe it)m fo rooljl, bafj er
befdjlofj, in i£)r feinen bauernben 2öot)nfit} ,ju nehmen. 6r toerljeiratljete fidj
bafelbft im %a\)xe 1833 mit einer sMrnbergertn unb faufte (}eljn ^<x\)xt fpäter
bon ber SBitroe be§ 9lfabemiebirector3 ^roinger ba§ alte Ijöd)ft malerifd) am
s4>anier8pla^e gelegene, nad) feinem ßrbauer kopier benannte -£mu§, roeldjeS
allen Kennern ber Äunftgefdjidjte unb allen Sefudjern Nürnbergs root)l befaunt
ift. 5p. übernahm t% in fetjr oernadjläffigtem Suftanbe, uerfetjte e§ aber, fo öiet
it)m irgenb möglid) mar, mit größter Sßiei&t roieber in ben alten ^uftanb ^ÜXM
unb unterhielt e§ forgiättig. ($3 rourbe eine edjte $ünfttermot)nung, in roetdjer
*ß. mandje8 Stüd fdjöncn alten •lpau§ratb/§, befonberS aber eine geroät)lte ©amm=
lung Don .^upferftidjen älterer unb neuerer süleiftcr unb eine grofje Sammlung
älterer <g>anbjeid)nungen aufftelttc. Sp. lebte barin, im Greife feiner Familie, bon
Sitten, bie it>n fannteu, gead)tet, feljr glüdlid), unb t)at Nürnberg, eine im
$. 1869 in ®efeEfd)aft be§ Dr. b. Sne unternommene Steife nad) Italien au§=
genommen, nie metjr üerlaffen. 6r mürbe batb befreunbet mit bem Atupferftedjer
Neittbel, SHrcctor ber Nürnberger Äunftafabemie, mit bem als (Sammler be=
lannten Kaufmann Wertet unb bem Sluctionator Sörner, einem feljr mof)l unter*
richteten $unftfenner. Sei if)nen lernte er eine grofje 2lnjat)t älterer Äunft*
roerfe nätjer fennen, fdjätjen unb lieben unb bitbete im Umgang mit biefen
Männern feine grünblidjc ßunftfennerfdjaft au§. 3fn ben legten 3>at)ren feine§
ßeben§ mar er audj Gonferbator ber ftäbtifd)en ßunftfammlungen auf bem 9tatlj=
I)aufe. fy. ftarb nod) in boller $raft fteljenb, gan^ plötjlidj am 28. Dctober 1874.
*ß. mar al§ Äupferftedjer fetjr ttjätig. ©einen erften felbftänbigen Serfud) im
©tedjen mad)te er im 3- 1827 in s3Jcünd)en. 63 ift ein 5ßorträt, offenbar ßopie
nad) einem älteren ©tidje, beren 3lbbrüde er feiner SJtutter gemibmet l)at. @ine
jmeite äljntidje X^ailie mibmete er feinem Sruber .Q'onrab. ©d)on beffer al§
biefe, nod) feb^r fdjülertjaften arbeiten finb jmei anbete $orträt§, ©raf ©d)arffen=
ftein unb ^of)ann b. ©iffen, augenfd)einlid) ebenfalls Kopien, ©eine fünfte
platte, 1828 in 5Jlünd)en gefertigt, ^orträt nad) Saufe, jeigt fdjon gro^e tedj=
nifdje Sotlenbung. 3m %. 1829 fertigte er fünf «ßortr&tS (Dr. b. Seonb^arb,
Dr. ^udjelt, $f). ß. ©eiger, ©meltn unb ^)OTratb^ ^ret)^ig) toeldje mit sJiofj=
mä^ler'S Flamen erfd)ienen finb , unb ^mei fleinere Porträts , ^JJtarqui§ bon
55lonrofe unb Soltaire, bon benen ba§ teuere fdjon 55eterfen^ Flamen trägt.
3n ben Sfab^ren 1828 unb 1829 entftanben in ^eibelberg jroei flehte Sanb=
fdjaften. 5ll§ böüig felbftänbiger Äünftler ftad) ^. bann, roie alle borljer ge=
nannten Slätter in ßinienmanier, in trefflid)er Sotlenbung bier größere ^ßorträtg
(©raff Sülom b. S)enneroi^, Waxia Sfjerefia, sDlattt)ifon unb S. b. Seett)oüen)
für ein bon Hennings in ©otlja l)erau§gegebene§ 2Ber! „S)etttfd)e @f)renl)alle".
^eterjen. 505
SSon nun an entfaltete *ß. eine fetjr rege 2r)ätigfeit, arbeitete meift auf 23e=
ftettung ber 23ud)fjänbler. 3m 3. 1834 ftad} er ba§ Titelblatt au Stjibaut'S
Sperfpectibe, feit 1835 mehrere SBtätter für ba§ 23ib(iograbt)ifcf)e 3nftitut ju £ilb=
burgtjaufen , bann 3 23latt ©enrebitber für ben öfterreidtjifdtjcn Slotjb in trieft,
fpäter 5 platten ©enrebilber nactj 9totrjbart£), 2)aöib ic für 23udjtjänbter ©aj
in Stuttgart, bann 7 platten mit 2lnficr)ten au§ Wailanb, Senebig, Nouen
unb ©al^burg für 21. QaxtWbm in 25ubapefi, bann $ftetjrereä für 21. ,£>.
5ßarjne in Seipjig, aerjn 23tatt für ba§ Sanbe§präfibium öon 23öl)men in Sßrag,
6 23£att, barunter 3 für ein Missale Romanum, für ©. £>aafe in $rag, 2 SBlatt
für Sreujbaur in $art3ruc)e, 26 23lätter, meift £)eUigenbilber, für ©. 3- ^tanj
in fftegenSburg. 2tuctj für ba§ bei ©ctjrag in Nürnberg erfdjienene, au§ 100 ^ßlatt
befte^enbe 2Berf „Nürnberger ©cbenfbuc^" ftadj er mehrere platten nad) $ti<i)=
nungen öon 3. ©. SBoIff. 2Jon großem «platten ftadt) er 1839 SiflianS
„6t)riftu§ mit bem ginägvofdjen", bann ürafaelg „Iftabonna bella ©ebia" unb
für ben Äunftöerein ju Nürnberg „Sie $inber im SBatbe" öon 21. ö. b. ©rnbbe.
2luctj begann er einen großen, befonber§ forgfältig ausgeführten Stidj „$arl IX.
in ber 23arttjolomäu§nac£)t" nact) Söappere, ben er megen bringenber 23efteüung
jebocrj aurücllegen mufjte; erft roenige 2Bocr}en bor feinem £obe fam er bap,
biefe ir)m fetjt liebe 2lrbeit aufzunehmen. ®r t)at fie jeboer) nidjt öollenbet. 3n
ben ^al)ren 1840 — 74 rabirte er mehrere tjunbert platten, S)arftellungen älterer
funftgeroerblidjer ©egenftänbe , meift nact) Segnungen 3- ö. £efner§, für be£
Sedieren grofje 2ßerfe „$unfttt>erfe unb ©erättjfcrj arten be§ 9Jlittelatter§ unb ber
Nenaiffance", „Gnfenroerfe be§ 5Rittelalter§" unb „Äunftfammer be§ gfürflcn öon
Ijotjenjollern". 2ludj) fertigte er im auftrage be§ ^reitjerrn <§. ö. Stuffefj bie
gacfimilefiiclje nact) ben 3eiä)nungen eine§ alten 3Jteifter§, toelctje ba§ germanifetje
9ftufeum — ba§ übrigeng metjre 3aljre lang feinen ©itj in s$eterfen;§ ."paufe
tjatte — unter bem ütitel „9Jtittelalterlicrje3 «!pau§bucV tjerauägegeben t)at, forote
mehrere fyacfimileftid^e (3 platten mit 9 3eictjnungen) nact) älteren «£mnb,5eictj=
nungen ber Uniöerfitätgbibliottjef in Erlangen, meiere ber bamalige SSiblioitjefar
Nobler in einem befonberen 2ßerfe öubliciren rooftte , ba§ jeboct) nidjt über
5probebrücfe r)inau§ gebieten ift. 2lerjnlict)e gacfimUeftidje fertigte $. auetj für
ein SBerf Nubolf 2Beiget'§ unb at§ einzelne ftiegenbe glätter. 2lud) für ben
„2lnjeiger für $unbe ber beutfetjen SJorjeit" be§ germanifetjen ^Jlufeumä ftadj ?ß.
me^re ©tatjlölatten, foroie für bie 2lbt^eilung ,,.^ulturgefc§ic^te" ber jtoeiten 2luf=
läge öon 23roc£l)au§' „23ilberatta§ jum Äonöerfation§= Sejifon". 2lüe feine
23lätter geierjuen fic^ buret) treuc§ gefttjalten an ben c^arafteriftifc^en @igenttjüm=
lic^feiten bei Originals unb tiebeöotte Surc^bilbung öorttjetltjaft au§. ©anj
öorjüglidj finb feine ^faefimiteö älterer -gmnbaeictjnungen. ^n ben erften ^atjren
tjatte «ß. einige ©i^üter in feinem 2ltelier, fpäter arbeitete er jebocfj meift allein.
0. mar audj »ol)lgeübt im Neftauriren befc^äbigter Äuöferftidje.
N. 23ergau.
^eteifett: 3 o t)a nn c8 Sp., berühmter 6^toni[t. Serfelbe öeria^te: „ßt)ronica
ober geitbuc^ ber Sanbe %u ^olftein, ©tormarn , 2)it^marfc^en unb Söagrien,
toer biefelben Sänber regiert, mal ftcfj öor ©tjrtfti ©eburt unb fjernacl) bi§ Anno
1531 barin zugetragen; item öon Ujicm ©lauben, Sitten. ®emo^nl)eiten, Kriegen
unb 23eränberungen be§ Negimentä. 23on roem bie 23ifc^oftl)ümer bafelbft ge=
ftiftet, neben 23eräeic£)ni^ ber Nahmen ber 23ifcr)öfe ju Hamburg, Dlbenburg unb
Sübecf. 2luc^ öon 2lnfunft, 3une^munS un0 23efrerjung ber ©täbte «Hamburg
unb Sübecf. gerner roie ba§ ^erjogttjum ©ct)te§roig an bie ©rafen öon §olftein
getommen unb roa§ bie anfto^enben Nacf)ba^ren öon Kriegen barin gefütjret.
2ltle§ auf§ Gnnfactjfie unb für^efte in IV Reiten bef ^rieben." S3on bem ßeben
biefeS 23erfaffer§ ift attein bai mit ©ictjerrjeit be!annt, ba| er ^auptpaftor in
506 ^eterjen.
bet ©tabt Dlbenburg in -gwlftein gewefen. ^licCjt einmal bie 3eu feines 2ImteS
i[t mit üötliger ©ewifjrjeit anzugeben, ba jwei befjelben Samens als «!paupt=
paftoren angegeben metben. Söä^tenb Dr. Sübtert (ßirdjlidje ©tatiftif ..fwlfteinS,
(Slüdftabt 1837, ©. 359), ben atoetten £auptpaftor biefeS Samens, bev übrigen«
nidjt wie t)iet angegeben, eift 1565, jonbein beftimmt, wie actenmäfjtg nad)=
gewiefen, fdjon 1559 fungirte, unb 1568 audj nod) als Sßerf affer ber Grjronif
beäeicrjnet, nennt £)otlenfteTner (Gtjronifbilber au« ber SBergangentjeit OlbenburgS in
-£>olftein. Olbenburg 1884 , ©. 248) beftimmt ben erften biefeS tarnen« als
ben Serfaffer, unb bieS mag aud) baS Söafjrfcrjeinlicrje fein. 3Derfelbe mar ber
©otjn eine« ©dnniebS aus ©uftorff unb ber erfte eöangelifcfje *ßrebiger in ber
©tabt Dlbenburg. @r r)at bieS 2lmt angetreten, baju erwählt 1531, nadjbctn
ber letzte fattjolifdje Jpauptpriefter i^orjann ÜJJregel in biefem ^afjre fein 9lmt
niebergetegt. @r ift 1552 geftorben. 2)icfer Gtjronif ift fowot nad) ^nfjalt
als nad) Vortrag ber erfte ^.Uab juerfannt unter alten befannten in beutfdjer
©pradje üerfafjten, biefe ^roöinj betreff enben 6t)ronifen; fie ift bafjer ein SBerf bon
Sebeutung. 3Bat)rfd)eintid) warb fie urfprünglid) in niebeifäcfjfifcrjer ober platt=
beutfdjer ©pradje Perfafjt. 2)aS Original fdjeint aber burdjauS öerloren unb
finb ©puren baüon nirgenbS entbeeft worben. herausgegeben würbe biefelbe erft
nad) bem 2obe beS 95erfafferS juerft Don 2)ominicuS 2)räuer au? (SoSlar, granf=
fürt 1557, bann miebertjolt gebrueft ßüberf 1599, 1614, unb Rinteln 1627.
Dr. Jhufe, ber in ben fd)leSwtg=t)otfteinfd)cn ^roöinualbertdjten (1820, 2, 170)
axv biefeS Söerf ammerffam machte unb eine ^robe mitteilte, tjat bie Grjronif
„für unfere Reiten lesbar gemacht" neu IjerauSgegeben s2lltona 1827 unb 1828
in 2 33änben.
Molleri Cimbria etc. I. s. v. — 9Batt3, fd)leSw.--t)olft. (Sefdjidjte. ©ötting.
1852, II, ©. 106. — t>. äöegele, ©efdj. b. Seutfdjen ^tftoiiograprjic, ©. 305 f.
6 a v ft e n S.
^Ctcrfcu: Sodann 2Silt)elm %, ©djriftftetter, 1758 — 1815. %
muvbe im $. 1758 (nidjt 1760) ju SBergjabern als ©otm beS GonfiftoriatrattjS
unb -gwfprobigevS s#. geboren. @r mürbe am 9. Woöember 1773 in bie ÄartS»
afabemie jn Stuttgart jum ©tubium ber 9tcd)te aufgenommen. @r mar als
.tfarlSfdjüler unb in ben folgenben 3(ab,ren mit ©dritter nat) befreunbet; bie
Orveunbfdjaft mürbe erneuert, als ©d)iller 1793—1794 für ein tmlbeS ^atjr
wieber in vJubroigSburg unb Stuttgart fid) auffielt. Slm 15. üDecember 1779
würbe *ß. auS ber 2lfabemie enttaffeu unb als llnterbibliottjefar an ber rjev^ogl.
(fpäter fönigl.) öffentlichen Jöibliottjef in Stuttgart angefteHt; 1786 (nic^t 1794)
würbe er 2Mbtiott)efar unb war baneben oon 1789 bis ju ber 3lnfangS 1794
erfolgten 2luft)ebung ber ßartöfdjule SJJtofeffor ber üDiplomattf unb .peratbif an
berfelben. $m Sluguft 1794 würbe er, wie eS fdjeint wegen feiner freien poli=
tifetjen ©efinnungen, beS SlmtS enttaffen, aber im 9toPember 1795 wieber ein»
gefetjt. 6r ftarb ^u Stuttgart am 26. Slecember 1815. — fy. war nad) ben
©d)ilberungen feiner ^reunbe ein guter, gefettiger $amerab, aber etWaS äerfafjren
in feiner SebenSweife (ügl. SSagner, ©efd). ber ^potjen 6artS=©d)ule 1, 335;
2, 408; Gotta'S iörief an ©djillcr in itjrem Sriefwedjfet, ©. 485). S5or allem
wirb er als ein ftarfer Printer gefdjitbert; griebrid) «^aug, ber (gpigrammatifer,
worjt fein intimftcr $reunb, ift nid)t mübe geworben, itjn als Potator in @pi=»
grammen unfterbtid) ju madjen. 5Dlit £mug unb beffen ©eifteSüerWanbtem
griebrid) Sßeiffer Ijing ^. auc^ litterarifd) aufs engfte jufammen. (5r ift wie
fie böttig auf ber ©eifteSftufe beS 5lufflärungS,^eitalter§ fteejen geblieben , War
baljer aud) Mitarbeiter beS in feinen erften geünt Pon biefen beiben namentlich
geleiteten „9JtorgenblattS", ot)ne fid) aber, foweit fid) »erfolgen läfct, an bem
Don biefem Statte geführten Kriege gegen bie 9iomantifer ttjätig ju beteiligen.
3ßeterjeji. 507
Seine Sdjriftftetlerei beaierjt fidj jumeift auf cutturrjiftorifdje ©egenftänbe unb
gibt oft bon einet bebeutenben Setefenfjeit geugnifj; leibet ^at et feine Äraft
nie äu einem größeren SBerfe aufammengefafjt, fo baf} fict) übet bas Mafj feinet
ganzen Gombinations= unb SDarftellungsgabe fein genügenbes Urtfjeil falten
täfjt. — ^eterfen's fcrjriftfteüerifdje SBetfc fxnb nodj nirgenbs gana bottftänbig
aufammengeftettt ; idj ttjue es tut ftolgenben, fotoeit idj beten fenne.
A) Sefonbers erfcfjienen: ,,©efcr)ic6,te bet beutfct)en National = Neigung jum
Srunfe", 1782 (anonym); „2>ie ©ebicfjte Dfftans neuberteutfcf)et" , 1782 unb
2. Stuft. 1808 (anonym, in profaifctjer gorm); „ßitteratur bet Staatslehre.
6in Serfudj bon 3o. SBittjetm ^tacibus." 1. (eins.) Slbtfjeitung, Strasburg
1798 (bietmefjr Stuttgart, Dealer 1797? 1798?); „ßinige Setnerfungen über
bie Äönigl. öffentliche 23ücfjer=Sammtung in Stuttgart", 1811 (anontim).
B) 3u geitf cfjriften : a) 3m äBirtembergifdjen ütepettorium , bas $. mit
Sctjitter unb Stbel aufammen 1782 83 Verausgab : „Stu^ug eines Sdjreibens,
über Einiges im Scfiröäbifdjen 9taticmaKarafier" ; „gine (Sntbttfung in ber
teutfcfjen ßunftgef c^idjte , bas SHter ber ©tasmalerei betreffenb" ; „Seben 3otj.
Sßal. 2lnbreä*s" ; „fragen , bie ©efctjic^te ber Sitten , ber fünfte unb SBifjen»
fdjaften in Seutfdjtanb betreffenb" ; roatjrfcfieintid) audb,: „23on bet Semofjnfjeit
betriebener SBölfcr, bie wegen ©ebred)licb,f eit , 2tlter unb anbern gefallen, un=
brauchbare ^erfonen au tobten"; „33on ben attteutfäen 3rüeifämpfen amifetjen
Männern unb 2Beibern" ; „Dceue Erläuterungen, bie ©efdjicfjte bet gtofenfreujer
unb ©olbmadjcr betreffenb"; bietteicfjt enblidj: „@troa§ bon Äaifer Mar. I." ;
„Mifcetianeen jur ©efcrjicfjte bes teutfdjen fyrauenaimmers"; „lieber ben eckten
Äarafter bet teutfcfjen 2lusfpracf)e". 3ebenfatts ift $. bet £auptmitarbeiter
biejet furatebigen 3eitfärift geroefen. — b") 3u Sdjitter's Slntfjotogie fjat $.
mefjtete ©ebicfjte geliefert, bie fidj abet nicfjt mefjt beftimmen laffen. — c) 3u
ben Sdjriiten bet ßurf. 2eutfcf)en ©efettfdwft in Mannheim, 35b. 3 (1787):
„SBetctjes finb bie Seränberungen unb Crboctjen ber teutfcfjen öaubtfpradje feit
Äarl b. ©r.?" — d) 2In ©ratete Stagut foti ?ß. (naef) teufet unb @tab»
mann) Mitarbeitet getoefen fein; et ift bafetbft in bet SSorrebe au Sanb 3 als
neueingetretener Mitarbeiter aufgeführt, feine Mitroirfung fann fict) abet jeben=
fatl§ nut auf 9frtifet öon fleinem Umfang beaogen fjaben. — e) 3m #rei=
mutagen öon 1805: „Fragmente, Scrjitter's 3ugenbjafjre betreffenb". —
f) 3m Morgenblatt: 3af)treicf)e Slrtifel bermifdjten 3nfjalts unb berfcfjiebenen
Titels, au aUermeift culturtjiftorifcfje SInefboten u. ä. Ginaelfjeiten. Sötctjtiger
finb bie im 3g. 1807 berfelben 3eitjdjrift erfdjienenen grinnerungen an Scfutter.
— 3>aau nodj manche 9tecenftonen. — 51m befannteften unb intereffanteften
finb jebenfatts bie Mittfjeilungen über Schiller, ba fie üon einem bem SÜdjter
in feiner 3ugenb fet)r nar)e geftanbenen tjerrütjren; il)r ejafter SBertt) ift teiber
nicf)t gana 3tueiTeUo§. 5Da§ llmfangreicrjfte, toa§ $. fjintertaffen tjat, finb feine
naef) feinem 2obe bon 3- 2ft. Sotta ertoorbenen, bon beffen Snfel 1866 (mit
21u§nat)me eines Manufcripts au SctjiHeTS 3ugenbgef^icf)te) an bie fönigt. öffent=
tid)e Sibliottjef au Stuttgart gefeb/nften ßotlectaneen. Sic umfaffen in bieten
gascifeln Stufaeicfinungen aur Gulturgefd»idjte , befonberl bes beutfcfjen Mittet=
alters, aur mittelalterlichen beutfcr)en Sitteratur, jut ©efctjictjte ber ^olitif, aur
©efcfjictjte einaelner SBiffenfctjaften , Söürttembergica unb ÜJtiiceKen. Siefe 6ot=
leetaneen finb in feiner SGßeife aufammen Verarbeitet, fie beroeifen aber oft eine
bebeutenbe ginbigfeit unb finb nict)t fetten aus fetjt entlegenen, fc6,roet finbbaten
•Duetten gefctjöbit.
Sgl. Meufet. — Jpaugs ©etefjrtes äöirtemberg. — ©rabmanns ©eletjrtes
Scfjtnaüen. — Sctjiüer, tjift. = frit. Stusg., Sb. 1, S. 376 f. — Scfjitter,
Sßrieftoectjfel mit Sotta. — Söagner, ©efc^ictjte ber §otjen 6arls=Sct)ule. —
508 5ßetetfeit.
2Bürttembergifd)e 33tertetja^r§^efte 6, 104 unb 9, 14. — 3n ben Söerfen
über ©djiller ift $. öfterä genannt; f. jetjt inSbefonbere 2Beltrid)'3 ©djiller.
«Hermann $ i f d) e r.
'4>Ctcrfcit : DHclaS 9ttattt)ia§ *$., geb. auf bet ©djteiinfet SrniS (©d)le3=
wig=.£)olftein) am 15. üDecember 1798. 2)ie ©Item motzten als £anbleute
fpäter im 5)orfe ©teinfelb, Äirdjgemeinbe llt§nt§ in Slngeln. 6r befudjte baS
©tjmnafium in ber ©tabt ©djleSmig unb [tubierte bann s$rjitologie in Äiel unb
fieipaig, wo er 1822 jum Dr. phil. promoüirte. «Seine erfte Slnfteüung fanb
er barauf at§ Slbjunct an ber 8anbe§fd)ute in ©rimma unb fungirte jugleid)
al§ (Santor an ber ©t. 9luguftuäfhdje bafelbft. (Jr blieb an biefer ?lnftatt unb
rüdte an berfelben auf 5um Dberletjrer unb ^rofcffor, bi§ er im iSatrre 1860,
auf fein Slufudjen, mit s$enfion enttaffen warb. S)ann fiebelte er nad) SDreSben
über, sute^t nad) Hamburg, too er am 19. 9Jlai 1881 geftorben ift. 5llö s$t)ilolog
tjat er im ©rimmaer Programm üon 1842 gefctjrieben : „Cosmogoniarum quarun-
dam antiq. comparatio" unb 1852 : „Specimen comin. novi in Caesaris de bello
gallico et de bello civ. libros." ?yür ben ©d)ulgebraud) lieferte er eine „(Jtjronol.
lleberfidjt ber 2öe(tgefdjidjte". @r mar ,}ugleid) mufifalifd) begabt unb l)at $ur
mufifalifdjen Sittevatur einen nid)t unmidjtigen Seitrag üerfafet: „Verjeidjnifj ber
in ber SBibliottjef ber ©rimmaer ßanbe§fd)ule üorfyanbenen ÜJiufifalien au§ bem
16. unb 17. 3at)rt)unbert" im Programm 1861. %n feiner fpätern £)reäbener
«Dlufeejett f)at er fid) aud) als 2>iatect=S)id)ter befannt gemacht. 63 erfdjienen üon
itjm : „*ßlattbütfd)e gabeln, Verteilungen un Warfen" in Slngter Üflunbart, 1865.
tinter feinem mcfyr als 4<>jälyrigen Wufentljalt in ©adjfen l)at ber Verf affer bie
Siebe ^u feiner 9JUitterfprad)e fid) nod) immer beroal)rt. 2)aS Vüdjlein, 171 Seiten,
enthält 5 gabeln in keimen []ü 3 berfetben ift ber Stoff au* Weinefe gud)3
entnommen) , fünf (h^ätjtungen in !J?rofa unb 2 9Jtärd)en beSgleidjen. 6in
forgfältig gearbeitetes Söortregifter ift bem angefügt unb l)at für ©pradjforfdjer
SBettt). 1870 tjat er nod): „populäre 3l|"tronomie. ©efprätf) jmifdjen einem
plattbeutfd) fpredjenben Vauer unb feinem iljn t)od)beutfd) betet)renben ^aftor",
tjerauägegeben. 2Bie baä Vorwort befagt, mar bie Verantaffuug &u biefer ©djrifl
ber glüdlid)e Vcrfud), einen Vauer, weldjer bie populäre 9lftronoiutc üon ßittrow
bezweifelte, öon ber 2ßat)rl)eit biefer 2öiffenfd)aft ju überzeugen. —
Vgl. ©rimmaer Programm 1849, ©. 36; 1861 ©. II. unb 1882. —
Sltberti, ©djriftfteEerlcr, II, ©. 201. SatftenS.
^Ctcrfctt: 3fol>ann Söilljetm ^., ptetiftifdjer ©djriftfteller unb S)id)ter
beS 17. 3al)rf)unbert3, würbe am 1. $uni 1649 ju DSnabrüd geboren, wotjin ber
Vater als Vertreter ber ©tabt 2\ihed ber griebenSüertjanblungen wegen gefenbet
mar. ©eine sUlutter ^agbatena ^5rätorta mar eine „gro^c Veterin". ©ei
feiner Jaufe, erjä^lt $. in feiner ©etbftbiograpt)ie (f. u.), tjabe ber päpftlid)e
Nuntius , ber fpätere ^ßapft Sllejanbet VII. aufgerufen : tu eris filius pacis.
3»n ßübed mud)§ ber Änabe auf: frül) jeigte fid) feine SScgabung in Slbfaffung
lateinifdjer "Heben unb ©ebid)te. ^manjigiäb.rig ging er nad) ©iejjen; ^ß. £aber=
!orn (f. b.) unb anbere Verfed)ter ftreng lutb^erifdjer 9ted)tgläubigteit maren feine
ßef)rcr. %n Ütoftod, rootnn er fid) barauf begab, mürbe er in absentia üon ber
pl)ilofopl)ifd)cu gacuttät ju ©ie^en junt ^Ragifter beförbert. ©in ©tipenbium
beö ütat^eö ju ßübeef ermöglichte ibm Steifen, ©eit 1673 2)ocent in ber pt)ito*
fopl)ifd)en gacultät <ju ©ie^en , l)iett er Vorlcfungcn u. a. über ^)ugo ©rotiuS
de jure naturae. fdjrieb einen ütraetat Jappiter confutatus, „um ben ^>et)i)en
Sncian ju mibcrlegen," jugleid) „hydram Atheismi, Papismi Idololatriam" unb
,-Praedeterminatismum Reformatorum".
Sßetetfen. 509
2luf bem äöege ein eitler, biäputir* unb fireitjücfjtiger Drtfjoboj ju werben,
mürbe er buret) bie Begegnung mit einem firctjtictj , aber ebenfo menfctjlictj ge=
finnten £fjeologen fiutug. S)er 9tuf *pfj. %. ©pener'ä fjatte itjn beftimmt, nact)
^ranffurt <ju reifen. 6r fanb bei ©pener „ein gantj anber ^eben unb äöefen
als" insgemein". 35er Unterfdjieb marb it)m ftar „äroifctjen einer äußerlichen,
buctjfiäblictjen (Srfänntniß . . unb ber tniyviuoig tT]q dtlrjfrdag rj y.ar ciatßcmv."
SDutcf) ©pener mürbe er auctj mit einer „abliefen ^erfon" befannt, bie Portjer
an einem ^>ofe Kammern' äulein gemefen. ©ie ift fpäter feine fjrau gemorben.
@r übergab i^r eine 2)i3putaHon gegen bie @atDinifien. ©ie lobte jeboctj nietjt,
fonbern antroortete: „ictj tjätte ben ©ott ^etevfen barinnen geefjret; buret) foletje
äußerliche ©elätjrtigfeit, mit ber man ftcfj gemeiniglich, brüftete, fönne man nietjt
„5u ber göttlictjen (StnTatt ber tjimmlifcfjen SDinge gelangen", ©iefe Siebe „fiel
tief in fein <§>er<$". 2ln bem „Collegio Pietatis", ba§ ©pener in feinem §aufe
angefteHt blatte, natjm er £tjeil, tjörte tt)n oft über üDinge reben, „Pon benen er
auf UniPerfitäten roenig gehört blatte", „rooöon naetjgefjenbS ©pener in feinen
piis desideriis getjanbelt". SDie ©Triften öon $• 33ö£)me (f. b.), $. SSetfe (f. b.
21. ©. 35. II, 576), fjf. Srecfling, bie er fcfjon al§ ©tubent in £>änben gehabt,
merben bamat§ für itjn eine ert)ö^te 23ebeutung erlangt fjaben.
3n ©ießen fiel bie Seränberung feines1 SBefens auf; man t)öt)nte it)n „megen
ber Pietät"; er aber „fragte nictjtg banaefj". 3m $• 1676 begab er fiel) nactj
Sübecf: gegen bie ©eifttierjen nimmt er bort ©pener in ©cfjut}. S)en ©efatjren,
bie ifjm burd) ^änbel mit ben fattjolifetjen 5£>omtjerren bafelbft brotjten, — ein
IDcanbat 2eopo(b§ I. Perlangte öon bem Sübecfer ©enat feine Auslieferung —
entging er burd) bie Berufung aU >ßrofeffor ber 5ßoefie na et) 9toftocf. ©ein Amt
trat er mit ber 9tebe „de christiano poeta" an. 216 er auctj in 9toftocf Perfolgten
itjn „bie Sübecftfdjen ^efuiten". (Sern natjm er batjer bie ©teile als ^rebiger in
ber 2legibienfirct)e in |)annoöer an. Qtoax fctjütjte itjn fjier ber fatfjolifctj ge=
morbene ^er^og 3>otjann griebrictj öor feinen geinben, altein balb geriet!) er mit
ben 2lmtsbrübern in ©treit, bie feinen SBerjictjt auf Seicfjtgetb ifjm nietjt öer=
ijeifjen fonnten. 2)em Sifctjof ©teno, aus 5Dänemarf gebürtig, einem proteftan=
tifetjen Xleberläufer, gelang es „meber burd) 2>räuen noefj ^romeffen" itjn für bie
fattjolifcfje Äircfje ju gewinnen, ^leununbjmanjigjätjrig rourbe er ©uperintenbent
unb ^ofprebiger ju Chitin (1678) hti bem Herzog Äuguft griebrict) Pon £)olfiein,
ber äugleict) SStfcfjof öon ßübeef mar. 3e^n Sab.re blieb er tjier in gtüctlictjen
S3ert)ältniffen ; über bie ^ofintriguen, öon benen er berictjtet, fiegte er buret) feine
rectjtfctjaffene s)latur: in feiner äßeife fuetjte er ben SJcenfc^en 3U nüfeen unb fie
öon unreinen Söorten unb Stjaten aoautjatten, graufamem 33erbammung§eifer
immer ab|olb. S5ie ©efctjictjte, bie er öon bem ^anbtoerfögefellen $eter ©üntfjer
erjätjlt, ben er retten mottle, bem jeboct) feine Hinneigung ju Setjren ber ©o«
cinianer ben Job bractjte, ift be^eictinenb für itjn mie bie 3eWsenoffen. —
5|J. märe unöertjeirattjet geblieben, mie er erflärt, allein fein „lieber
SBater" mahnte jur @tje. @ine „fürnel§me ©efctjfectjterin" mar if)m in Sübecf
Porgefctjlagen morben. @r aber bactjte an ba§ ^räulein P. 2)lerlau: „entmeber
fie ober feine." 2luct) ©pener mürbe öeranlafjt, „fie ^u überreben". ^t)r Skter
mottle jroar bie Soctjter „nur einem öon Abel" geben, allein er füllte fict), mie
er an 5j3. fctjrieb, buret) eine SBeigerung beängftigt. 6t)arafterifttfct) für ty. ift ein
Söerictjt , er tjabe ©ott auf ben Änieen gebeten, menn bie ^eiratt) in feinem
SBitten läge , fo möctjte er ben Sater ängftigen , baß er feinem äöitten nietjt
miberftetjen fönnte. 3ll§ $. nun ben 5ßiief be§ $}ater§ getefen, merfte er baran,
baß ©ott itjn ertjört tjatte, „baß e§ bie märe, bie er mir öon Smigfeit ju=
gebaetjt tjätte". 1680 mürbe ba§ fünf %ctf)xe ältere yräulein P. 9JterIau feine
®attin. ©pener traute ba§ 5Paar: ben Sttjein bjinunter fufjren bie SSermäfjtten
510 spetetfen.
nad) <£oIlanb. 33on einer Äranftjeit, bie ir)n in Smben überfiel, erholte fid) *ß.
bei ben ©Item in Sübecf. ©eine 6f)e War eine glüdlidje. 2Iud) bie grau er=
ääfylt in iljrer ©elbftbiograprjie, fie ijabe einen lieben ©tjegatten, „ber i^r un=
gemeine Siebe unb Streue erzeiget". 9tadj jroei $al)ren würbe ifjnen ber erfte
©ofjn geboren. — 9Iudj in feinem SImte mar *ß. glürfltdj. ©eine 5ptebigten
waren beliebt; ein „©prud)fated)i§muS", gebrudt ju granffurt 1684, jeigt
mandjeä Eigenartige. siXuj bie 5ra9e 3 93.: „Stuf wie mandjerlei äßeife fönnen
roh ben s^äcf>ften tobten?" lautet bie Antwort: „SJtit ber £>aub, mit ber 3unge,
mit bem ©efidjt unb mit betn ^er^en." Sie Erläuterung geben Sibelfprüdje.
^eterfenö 9lnfel)en wud)§. $m $. 1686 ernannte itjn bie Unioerfität
Sftoftocf jum Soctor ber Jtjeotogie; jtuei $al)re barauf fam er al§ ©uperintenbent
nad) Lüneburg. Siefe ©teile, in ber er meljr 3eit 3u toiffenfd^aft lidjen ©tubien
ju erlangen fjoffte, erhielt er erft nad) langen (Streitigkeiten mit feinem 2Imt§=
üorgäuger 6. $. ©anbijagen. S)a§ ßeben in Süueburg war fein gtütf(id)e§: er
gerieft) burd) frembe ©djulb unb eigene^ ^anbeln in tfampf unb ©treit. S)ie
©tabtgeifttidjen waren it)tn ieinblid) roegen einiger Neuerungen — ty. nat)m audj
tjicr fein 93eid)tgelb — unb wegen feiner 2Infid)ten Dom taufenbjätjrigen Üteid),
„ba er mit ben $uben unb Söiebertäufcrn ein weltlid)e§ unb wollüftigeg 9teid)
glaube", ©ic öerftagten itm 1689 bei bem Gonfiftorium. iJier ^aljre früher
tjattc '4J., nad) feinem eigenen 33crid)t, jum erften 9Jtal bie Offenbarung be8 $of)anneS
gelefen. ©eine £$fl'au» bie fdjon al§ ad)tjel)njätjrige§ 9Jtäbd)en bie $at)l 1685
am ^immel mit großen gülbenen Ziffern gefetjen rjaben miß, l)atte „auf gleidjen
Sag unb in gleicher ©tunbe benfelben Irieb empfunben". 23eibe, fo behauptet
$., finb unabhängig ton einanber bind) göttlidje ßrleudjtung ju benfelben
©ebanfen über baä taufenbjäfjiige sJieid) gefommen. 3um erbitterten g^nbe
tjatte fid) ty. aud) btn „©tjnbifuß" gemadjt. 2113 nätnlid) 1689 ba3 Opernt)au3
in $opent)agen abbrannte, üiete 9Jtenfd)en tt)eit§ tierbrannten, ttjeifa erftteften,
madjte ber ©d)rerfen, bafj bie Hamburger itjre Opern einfteÜten. 2)te ßüneburgec
aber „liefjeu ärgerliche (Eomocbien fpielen". $. ftrafte auf ber ^an^el bie ßuft
an ben „tjeibnifdjen speetacula" ; er toufjte nidjt, bafi aud) „ber ©tjnbifug mit
feiner ^ouen" ein fleißiger £f)eaterbefud)er gewefeu mar. Siefer aber glaubte,
ty. fjabe bie ^rebigt, um ifjn au befd)impfen, gehalten unb mürbe fein eifriger
Verfolger.
3unäd)ft erreid)ten bie ®egner nid)t§. S)ae Türfttidje Gonfiftorium öerbot
beiben Streiten roeber für nod) gegen ben S^iliaSmuS ,\u prebigen. 2Iber 1691
rourbe $. mit ber fdjmärmerifdjen M. 3. 0. Slffeburg (f. %. 2). 33. I, 622) befannt,
bie in if)ren 33ifionen Offenbarungen ju erhalten glaubte. 5]}. reifte ju itjr nad)
sJJtagbeburg mit feiner grau; it)re „SÖejeugungen", bie er für göttlid) l)ielt, be=
ftätigten fein Lieblingsthema. @r naf)m fie in fein ^au§ auf unb tjeröffentlid)te
bie „Species facti tion bem abtidjen gräutein . . oon ber 9lffeburg", roobei er
bie 3l'a9e beljanbelte , „ob ©ott nad) ber Sluffartf) Sfjrifti nid)t mebjr tjeutigeä
jtageö burd) ®öttlid)e (h-ferjeinung ben sJ}tenfd)en=ßinbern fid) offenbal)rn toolte,
unb fid) beffen ganfe begeben t)abt" . S5or ba§ donfiftorium geforbert, mürbe $.
im Januar 1692 abgefefct: binnen Pier 2Bod)en fotlte er mit feiner gamilic
©tabt unb ßanb Lüneburg öerlaffen. @8 mar ein tjarter Söinter, 5ß. l)atte fein
Vermögen: er tröftete fid) aber, „ba| aüe S)inge benen, bie ©ott anbeten, jum
beften bienen". gunäcijft begab er fid) nad) Sraunfdjroeig, bann nad) Sßolfen*
büttel. ^>ier erhielt er balb, wie er Wörtlid) bevidjtet, einen 53rief öon bem it)m
früher ganj unbefannten Äammerpräfibenten ju SBerlin öon j?nt)pr)aujen (f. b.)
mit bem ^nf)alt, „ba^ er au§ ber Species facti bie ©öttlidjfeit ber ?lffeburgifd)en
93ejeugungen erfennete". 5ß. foEte mit feiner gamitie nad) Ü3tagbeburg fommen
unb fid) bafelbft nieberlaffen , ber ßurfürft griebrid) III. würbe if)n befd)ütjen;
^eterfen. 511
eine >$enfion bon 700' Stjalern rourbe it)tn gleich in SluSfidjt geftellt. %n 93erlin
Würbe bann 5ß. mit Änrjphaufen perfönlictj befannt- 23orne|me ©önner, barunter
and) (Sberbarb b. S)anrfetmann (f. b.), ermöglichten itjm, fid) ein fleineS £anbgut
bei 'iftagbeburg in 9tteber=:3)obeteben ju fanfen. ©eine „(Jtjeliebfte" war mit ifim
befonberS tfjätig, „baß bet burch. bie ^ac^tteute berWilberte Slcfer wieber in ©tanb
läme". ©eine Meinungen bertrat et nun etft redjt mit geueretTer. 3)ie ßeljre
bom taufenbjäbrigen 9teicf) fanb jwar biel SSeifatt, befonberS in -gwttanb unb
ßnglanb, aber auch „biete äßieberfprache". Sein „tateinifcheS erfteS Scriptum
Wiber ben Sßrof. Fleier in ^etmftebt" wibmete er ber 23aroneß b. ©erSborf. @S
ift bie ©roßmutter ginaenborTä, beS ©tifterS ber 23rübergemeinbe (31. ©. SB. IX, 55).
Unter jeinen getnben, bie iß. „bon 3ahr ju Safcr wiberleget", ftnb befonberS ju
nennen: (SalixtuS in #elmftebt; ber einflußreiche Vertreter ber lutbetifchen
örtboboien 3ob. griebr. datier in Hamburg (f. b.); ber als ftiebfertig geltenbe
3f. gedjt (f. b.) in 9tofio<f , ben ?ß. ben gtoftocfifdjen $et}ermac&er nennt unb
gegen ben er lateinifcfe fdjrieb: „Rana coaxans in furiosissimo haeretifice Johanne
Fechtio ..-."; enblicr) (Srbmann Dceumeifter (f. b.), ber auch als Sieberbidjter
befannte rechtgläubige Sfjeotoge, bem 5ß. bie ©djrift entgegenhielt : „3aum unb
©ebiß bem unseligen Säfterer ©rbmann 9teumeiftern inS OJcaul geleget." 2ÜS
2Jcat)er in Hamburg eine ÜtetigionSformel (1690) bertbeibigte, bie alle ©eiftlictjen
untertreiben follten, unb bie ben SbitiaSmuS, „er ferj subtilis ober crassus",
berwarf, berweigerten brei pietiftifdj gefinnte ©eiftlictje in Hamburg bie Unter=
fdjrift: ©pener, ber gegen s])larjer fctjrieb, erflärte fid) entfctjieben gegen bie Formel,
unb toie *ß. erjäblt, rietfi ©pener, man foltte mit iß. ein öffentliches ßottegium
galten, auf baß man erfahren fönnte, ob biefe Meinung in ber fieitigen ©ctjrift
©runb bätte ober nicfjt. 1695 erfctjien bon $. jju 2ftagbeburg feine „33e^eugung
bor ber ganfeen ©bangelifdjen Äircbe", baß feine Seftre nichts gemein fjabe mit
ben „^rrtbümern beS ßerintbi noch mit ben ^übtfc^en gabeln". 2IIS bie
Xfieologen SBittenbergS in ibrer „chriftlutberifcben 33orfietlung in beutticben unb
aufricbtigen ©äfeen" ©pener angriffen unb ibr Suthertbum, nach $art «öafe'S
SluSbrucf, atterSfchwach bertbeibigten, erfchien ^eterfen'S „greubigeS gujaucbfeen
ber erroe^lten grembtinge Ijin unb tjer über ben ©ieg D. ©penerS roieber bie
Ideologen 3U äöittenberg." SBerlin 1695 beb, $r. 9tübigern.
Srotjbem baß manche ^Regierung „bie Äetjereien" ^eterfen'S feineSWegS ber=
bammle, wagte boch feine, ben begabten 5Jcann roieber in ein 2lmt %u fefeen.
6r tjat fein noch übriges Sehen mit eifrigen ©tubien unb mit 2Xbfaffung feiner
ferjr äatjtreictjen ©ct)rijten Eingebracht — im S- 1717 Sätjlt er felbft fchon roeit
über 100 ©djriften auf. lieber 33erleumbungen unb niebrige DZacrjreben tröftete
it)n roie feine f^rau bie treue Slnbänglichleit ber ©önner in alten Greifen, häufig
machte er Steifen, meift im Sienfte beS ^ietiSmuS, aucr) nach ©übbeutf ertaub. 2luf
einem 3tuSfIug nac^ Nürnberg unb Slttborf würbe er bon ben ^rofefforen gut
aufgenommen, befonberS auet) bon bem „berühmten" OmeiS; biefer ^otnbiftor
leitete bon 1697 an ben bon ^arSbörjer gefluteten 33tumenorben an ber Sßegnife
(21. S). 33. XXIV, 347). ©ie nafimen $. toie feine grau „in bie 33lumen=
gefellfcc}aft ober ^egnib=©ct)äfer auf , ba ich. ben tarnen ^etroprjiluS unb meine
Siebfte ben tarnen ^boebe befommen bat". 3m 3- 1718 beftegte er mit 91. $.
grancEe ben ^efutten ©ct)met|er in mebreren 3religionsgefprächen, unb eS gelang
ifjnen, ben ^er^og 53cort^ Söilbelm bon ©acf)fen=3^ 3um tutberiferjen ©lauben
3urüdEpfüt)ren. ©ein ©ut bei 9Jtagbeburg Jjatte fy. wegen mancher mißlichen
SSerr)altniffe berfauft; er 30g fich nacl) ^tjrnern bei 3etf>ft ^urürf, too er bie
lebten S^e feines SebenS äubrachte. 6r ftaro am 31. Januar 1727. s)lur
brei Sfarjre tjatte er feine grau überlebt.
512 ^eterfen.
SDiefe tjat in ifjrer ©etbftbiograprjie (f. u.) türmet als ber ©ematjt über
ifjre ©cfjitffale berichtet. Sine ernfte, fräftige Statut, bie gegen Süerfladjung unb
$orjrjeit bet 3"t fidj auflehnte , mürbe fie burd) ^arte (Jrfatjrungen jur 5ßer=
fenfung in ifjr inneres getrieben, ju übertriebener äöetiöeradjtung : enbtid) Warb
fie eine überzeugte unb entfdjiebene SInrjängerin ber „^ietät". 9cid)t mit Ünredjt
fdjliefjt ©uftaö grerjtag au§ itjrer SSiograpfjie , bafj fie nid^t frei tum @t)Tgeij
unb nidjt ofjne einen Seifatj öon rjerber Strenge mar.
SJon zarter Äinbfjeit an, fo erzäljtt fie felbft, tjabe fie ben ©eift ©otte§
empfunben, aber itjm au§ Untoiffentjeit oft roiberftrebt, in itjrem 9lbelftanb
.gjinberniffe bereitet, bi§ ber SÖerftanb Ijerbeifommcn, „ba 1>a% tjeilfame äöort
feine fräfftige Ueber^eugung in mir gemürdet". Sotjanna (Heonore ö. 9Jcerlau
mürbe am 25. 2lpril 1644 geb. zu granffurt a. 9Jc. 2>ie geliebte Butter ftarb,
al§ fie in§ neunte Satjr ging. üDer 33ater begegnete itjr tjart , ftrafte oft un=
fdjulbig , „barüber id) foldje fnedjtifdje gurdjt befam , bafe id) äufammenfurjr,
roo id) nur eine ©timme fjörte, fo ber meinet SSaterS ätjnlid) mar". 3roölf=
jäfjrig öcrliefj fie fcfjon ba§ (JlternfjauS ; al§ „Jpofjungfer" tfjat fie in gräflichen
Käufern 2)ienfte. gulctjt fam fie ju ber Herzogin öon Jpotftein, einer geborenen
ßanbgräfin öon Reffen, ©ie erzätjlt , bafj fie an ben ©itelfeiten ber 2Selt
©ejaEen rjatte, al§ gefdjidte üLänjerin öor 5lUen ben :$>rei3 gemann: ein un*
glütflidjeä 2iebe3berrjältnifj mit einem Dfficier bradjte fie ju tieferem Wacfjfinnen.
©ie bemerfte, bafj „unter ßbclleuten großer IKipraud) märe, fo bem (Stjriften*
tfjum gantj unb gar ^umiber". i^ljre ©ebanfen „roenbete fie üom £)erjrat£)en
gan| ab". Quin ©eiftlicfjer in fjöfjerem X'lmte beroarb fid) um fie, fie überlief}
bem Später bie (Sntfdjeibung. ®a§ s3iein beffelben „naejm jener ©eiftlidje an
unb gab fidj aufrieben." $nbes rjatte fie am «g>ofe alö 23raut gegolten: „ba
tjatte id) mieber eine neue ©djmadj in meinem rjertjen."
2Bie in bem ßeöen ifjreS sJJtanne§, mürbe audj in bem irrigen ©pener öon
fjeröonagenbem Güinflufj. 5Denn auf einer Steife, bie fie mit itjrer «^errfetjaft
nad) @m§ madjte, mürbe fie mit bem „©ottegmann" befannt. Spener ift e§,
öon bem fie erzätjlt, bafj er fo grofje (Sinfidjt tjatte unb bi§ auf ben ©runb
itjre§ ^erjenS fefjen fonnte. S)er „2lbfdjeu öor ber 2Öelt" mürbe immer grüner
in ifjr. „XUd), bad)te id) offt, bafi id) bod) eineö Söiet)=^irten Sodjter märe, . .
eö märe fein 2luffer)en auf mid)." (Jeft entfcfjloffen begehrte fie enblid) itjre @nt=
laffung öon ber itjr lieben ^erjogin. S^^ ^^eD Ue n0(^ otei S^'e, Qu" „atte
öergänglid)e lvuft l)atte fie öon fid) abgelehnt". S)er 3}ater begehrte fie nad)
bem 2obe ber Stiefmutter. 2)a er jebod) ^ofmeifter bei ber fjütftin öon
$f)ilipp§ed tourbe, befam fie greirjeit, fid) bei einer öornetjmen, „gottfeligen"
äöittme „in bie ^oft ju begeben", ©o lebte fie fedjä ^atjre, ba bemarb fid),
ttie oben er^ärjU, 5p. um fie, „ber mid) etlidje '^ar)re juöor in ^anffutt
gefetjen".
S)te rjimmlifdjen Srleudjtungen unb „^Bezeugungen" famen beiben ßtjegatten
unabhängig öon einanber. 51od) im lebigen ©taub, erftärt fie, feien itjr mehrere
©et)etmniffe aufgefcfjtoffen ; befonbers beridjtet fie über einen £raum im ^. 1664,
bie S3efet)rung ber ^uben unb Reiben betreffend ©ie fonnte e§ öon itjrer früfjen
Sugenb an nidjt faffen, „mie @ott, ber bie mefentlidje Siebe ift, fo biel in bie
unaufrjörlidje 93erbammni^ öerbammen follte".
2Ba§ aber ift ber ßern ber Sefjren ^eterfen'S? 2)a§ taufenbjärjrige 9leid)
ftetjt nad) ttjm nod) bebor: in nidjt ju ferner 3?it tohb 6fjriftu§ erfdjeinen,
bann erfolgt bie erfte 5luferftetjung ber lobten. Söeiter aber fam 5J}. jux
(Srfenntnife ber „Söieberbringung aller Singe". SSorfjcr, fagt er, rjatte er ge=
meint, ba$ bie, fo in ben feurigen ipfufjt fämen, gar feine ©rtöfung barauä ju
gemarten fjätten. sJtun letjrte er, ba^ alle S)inge roieber in ben ©tanb fommen,
qpetexfen. 513
in toelcrjem fie bor bei* ßntftetjung beS SBöfen toaren. 2)a§ gan^e 5Jlenftfjen=
gefcrjlectjt toirb <jur ©etigfeit gelangen , eine SBufje bei Verbammten unb eine
Srlöfung bon ber £)öttenftrafe fei ju ertoarten. 3fn feiner ©ctjrift „Mysterium
Apocatastaseos ober ba§ ©etjeimniä ber SBieberbringung aller S)inge" ift er in
ber Vorrebe be§ 3. 33anbe3 überzeugt, „bafj biefe 2Bar)rt)ett fo roenig at§ bie
Sonne, mann fie auffgetjet in itjrer 9Jtacfjt, fann aufjgeblafen nocfj untergebrucfet
toerben". ©egen feine ©egner, i>h „,$?et}ermacrjer", tjebt er fjerbor (©. 39 ib.j,
er tjabe längfi nebft bem ^>errn Dr. ©pener feIig betoiefen , bafj bie Setjre bon
bem Stpocalrjptifcrjen gefegneten taufenbjätirigen 9ieicrj in bem 17. Slrtifel ber
2tug§bur giften ßonfeffion nicfjt berbammt fei, „toeit icf) toeber ein (Sertnttjifcfjeä
nocb, 9Jcüntjerifcf)e5 üieict) glaube".
Unter bem üDrucfe ber 3^ faßt |>etber, unter ber ©treitfuctjt ber 9Jcäcfj=
tigen toie ber ©eletjxten fat) man ba§ taufenbjäfjrige 9reicf) narjen. 3Jcan
toünfctjte unb berechnete feine Slnfunit. $., ein fjetter $opf bei einem fanften
^>erjen, fo urteilt er ferner, tourbe burcrj feine Verfolger batjingcbracrjt, bafj er
einer Hoffnung, bie itjm fonft angenehme ijttootrjefe geblieben toäre, ju biet Diaum
gab unb fie fictj ju natje einbilbete; itjre 3"t aber beftimmte er nie.
Ob an ty. übrigen^ biefe fcrjon öfters bor if)m angebeuteten Sefjren burdj
Ueberlieferung gefommen finb, ober bon itjm, roie er behauptet, fetbfitfjätig entbecft
finb, ba§ ift nicrjt ju entfdjeiben.
ty. toar ein $Rann bon ©emütr), ^fjantafie unb bon bicrjterifc^er Begabung.
(Gegenüber ben ftarren Vucrjftäblern toar er gteicr) Slrnolb, ©pener unb Stnberen
bon ber Ueberjeugung burcrjbrungen, bafj bie $ird)e eine Erneuerung nöttjig
tjabe, bafj bas Grjrifientrjum eine Religion be§ <g>er3en£ unb ber 2rjat toteber
werben muffe. Qsr gehört ju ben Vertretern beg älteren ^ietiSmuS, toelctje in
©el)nfuct)t nact) einem lebenbigen ©tauben, in ber tapferen Vetjauptung ber
eigenen fittlictjcn unb religiöfen 5perfönlicr)f eit , in itjrer SBeife einer freieren
3eit oorgearbeitet tjaben. SBeniger befonnen, toeltgetoanbt unb mafjbott als
©pener, aud) toeniger frei bon ©itetfeit, toar er itjm bod) gteicr) an ütecfjttictjfeit
unb ©utrjerjigfeit. (h t)atte toirflicf) eine „tiebreicfje ßompterton", toie er treu*
r)er<sig bon fid) fetbft fagt. Söenn er gegen feine ©egner jjuroeiten berbe 9Iu3=
brücfe gebraucht, fo mufj man an bie grobe ©pradje ber ttjeotogifd^en &topf=
fecrjter benfen, an bie ©ereijttjeit be§ böSticr) Verteumbeten unb Verfolgten,
©pener bezeugte nocr) Iura &or feinem 1705 erfolgten Xobe bon 5ß., bafj er irjn
für einen aufrichtigen unb frommen 5Jcann tjatte, ob er audj „mandjeS anberä
bon itjm gefd)er)en getoünfdjt , aud) mit einigen SÜngen jjurüd juljalten geraten
tjabe". ©etoifj, ©etbfttäufcb.ung , Söunberfuctjt unb Einbitbung, ba^ bie $or=
fetjung mit befonberer Vorliebe für ben Siebling in iebe§ (Sreignifj be§ ßebenö
eingreife, finb aucrj bei ir)m ju finben; „biet Söortgeflingel frommer 9teben§arten"
auctj bei itjm, toa§ $1. ^afe bon ber ganzen 9ticb,tung äußert. Slber in feinen
©ebanfen toie in feinen ^panbtungen finb ber menfd^enTreunbtictie Sinn unb ein
tiefeS üBerfiänbnife für ba§ 2öefentlict)e aEer religiöfen Smpfinbung nicb,t 3u ber=
fennen. i>at nicljt Seibni^, ^aben nicb,t ßefftng unb ^erber ficr) mit Ütectjt ber
„Snt^ufiaften" angenommen? Von ben ©ebrecrjen unb fogar ben Saftern beS
fpäteren 5pieti§muS ift ty. frei ju fprectjen. Söir fterjen auf feiner «Seite , toenn
er ben 33erfolgung§eifer ber t)oct)mütt)igen ©egner gei^ett, melcrje, ftatt ir)n geiftig
äu betämpfen, mit toeltlictjev ©etoalt i^n munbtobt machen toottten. ^n ber
genannten ©d^rift, 33b. 3, § 46, fprictjt er bon bem p^arifäifdgen (Seifte ber
Äe^ermadjer , bie mit furjcr ^anb abfertigen unb au§ ben ©renken bertoeifen:
unter bem ^>apfttb,um fetbft tonnte man feine gefcfjitfteren SBerfgeuge antreffen.
3Benn {yriebxidtj III., getreu ber Ueberlieferung feines ^aufeS, Sulbung übte
2lßgem. bcutfc^e Sioarapfiie. XXY. 33
514 ^eterfcn.
gegen ben als Äejjer Verfolgten, fo rjanbelte er nad) bem ©runbfafe, weld)em
fpäter jein großer Sntet im „Anti Macchiavell" 2Iu§brud gab: „laisser ä
chacun la libertä de conscience; etre toujours roi et ne jamais faire le pretre."
UJiit bemfelben Steckte aber, mit bem 5tiebridj III. ty. fdjütjte, trat ber grofje
griebrid) gegen bie Ausartungen unb bie ©treitfudjt be§ jur ^»cxr^aft gelangten
fpäteren ^ieti8mu§ auf, gegen bie ,,.!pallifd)en Raffen".
SDaS Verbienft VranbenburgS erfennt ber unbeftoctjene Berber, wenn er öon
jener 3«t rebenb unb auf 5ß. , brande, Slrnolb , 2)ippel fjtnweifenb, äußert,
Vranbenburg rjabe ftd) jeit ber ^Reformation in Anfetmng ber Religionen ebenfo
weife aU gerecht betragen, „tiefem (Seift ber 2)ulbung", fätjrt er fort, „ftimmtc
bamalS, wie immer, ber beffere Xljeil ber ^Jtenfdjen wenigftenä inägetjeim bei;
be§ alten 2Bu(te§ im SDogtnatifnen unb Verfolgen mar man mübe. 9lud) mo
fie unt>orfid)tig irre ging, natjm man an ber £cnben3 jum Reuen, jum 5te^n,
3um Verftänblidjen, jum Veffern in ben Sanbem VranbenburgS 2lntt)eit."
Jperber urtrjeilte aud) über s$eterfen'§ 2)id)tungen fet)r günftig, nidjt minber
ßeffing. Slufjer lateinifdjen .»prjmnen, Weld)e in beutfcrjen Ueberfejjungen aud) in
©efangbüctjer übergingen, üerfafjte s^3. eine „Uranias, de operibus Dei magnis . ."
(1720), angeregt burd) Seibnij, ben er in Vertin perfönlid) fennen gelernt rjatte.
6in s21rt poetifdjer Xtjeobicee unb ^ugteid) sDteffiabe , befingt biefeS (5ipo3 bie
Söerfe ©otte§ Don Veginn ber Söelt bü jur 9lpofataftafi3. 3fn ber Vorrebe
befennt ^- felbft , mie toiel er bem 9tatt)e unb ber Anregung magni illius viri,
illustrium eruditorum tacile principis ju banten tjabe. Rod) Rätter gebeult in
einer Otecenfiou ber djriftltdjen ©popoe ^eterfen'3 unb ber forgfamen fteile
ßeibnijen§. „Voll trefflidjer ©teilen", äußert Seffing, „ift s.J}eterfenä UraniaS;
unb roa§ fann man metjr ju itjrem £obe fagen, al§ bajj Seibnij fie ju öer=
bejfern roürbigte ?" ^eterfen'ä lateinifcrje ©ebidjte übrigens rjatten — wie Södjer
mittfjeitt — Ven^lt) in £alberftabt unb Lüfter in Berlin unter bem Xitel
Carmina Peterseniana IjerauSgeben Wollen , allein ba§ Vorhaben ift nidjt
ausgeführt.
Sieutfd) erfctjienen öon 5ß.: „SDer (Stimmen auS 3ion Qsrfter unb 3lnber
Stt)eil : $um Sobe beS 2lUmäd)tigen , im ©eift gefungen, unb nunmetiro jum
anbernmal herausgegeben" 1698 o. £). (2)ie erfte Ausgabe nad) ©oebefe 1696.)
gerner „Reue Stimmen auS S^on" 1701 o. £). S)iefe profaifdjen Sieber , roie
Seffing fie nennt, finb freie 2)id)tungen, nidjt etwa Bearbeitungen: ein jeber
Stjeü enthält 100 ^falmen, im ©anjen 300. lieber jebem eine Ueberfdjrift;
eine allgemeine IMobie ift bem erften s.J}falm beigefügt, „nadj ber alle anberen,
roie aud) bie ^falinen 5}atiib3, fönnen gefungen werben" (Vorrebe ^ßeterfenl).
©igene @rfaf)rungen unb ßmpfinbungen fprictjt er in einer fdjlidjten, burd)
fräftige Vilber belebten Spradje aus, tapfer für feine gottfetigen Vrüber ein»
tretenb. ©o beginnt gleid) ber -48. ^falm, mit ber lleberfcrjrift gegen bie
SDoegiter, bie fo freclj unb ftolj ftcrj gegen bie .ßinber ©otteö auflehnen: „2öa§
tro^eft bu, o Xtvcann, unb öerläffeft bidj auff beinen 2lrm? SBaö fdjnaubeft bu
gegen bie Stillen im Sanbe?"
^tandje feiner ©timmen au§ 3ion taffen ftd), fo fd)reibt ^erber, Wie
^btjtten lefen; „lieblidje Vilber öoE reiner ©mpfinbung unb tjorjer SBatjr^eit".
%n ^erber§ „6rjriftlid)en ^tjmnen unb Siebern" (©d). ä.ßitt. u. Ä. 4, 141 f.) finbet
fid) ein ©ebidjt: „®ie ©emeine be§ ^»errn. ^Rad) s$eterfen." $n ber jtt)at l^at
^erber ein ßieb beffelben mit nidjt wcfentlidjen Slenberungen unb Äürjungen benutzt
au§ 5peterfen'§ „CCC ©timmen au§ 3^on • • • nad) gewöhnlichen ^Jletobet)en in
förmlid)e ßieber überfe^et" 1721 o. £). Sie oben genannten 300 $faütien in
ungebunbener ©pradje ^at $. in Verfe gebracht : wie ber 3>nb,alt finb bie Uebev=
fdjriften ganj biefelben wie in bem oben genannten Söerfe. Berber r)at, wie
5ßetfum. 515
ict) ^ier nur Iura bemerfen fann, baä 13. Sieb 5ßeterfen'§ mit bet Uebcxfc^rift
„S)te rounberbare ®emeinfd^afft ber oberen $ircr)e mit ber $irct)e auf Srben"
u. f. m., ©. 41 — 44, bor klugen getjabt.
üDiefe „förmlidjen Sieber" öerbienen merjr SBeactjtung, al§ irjnen biätjer in
ber &itteraturgefdjicc)te ju Xtjeü geworben ift. hieben trefflidjen ©teilen fetjlt
e§ freiticr) büroeiten auctj ifynen nicrjt, roie ben pietiftifctjen fiebern überhaupt, an
©efcrjmacftoligfeit ; man tefe 3. 35. ^fatm 96 be§ 3. £rjeite§, entfprectjenb bem
profaifdjen ^ialm 96 be§ 3. £ljei(e§ ©. 217. 91ttein außer Berber Jat nod)
ein großer Kenner $. cor unt-erbienter (Seringfcrjätuing gefdjütjt. Seffing, ber
ganje ©teilen au§ «Pfalm 43 unb 82 ber 33eac|tung feiner Sefer empfiehlt, Der-
gteutjt s#eterfen'§ Sichtung mit Sßietanb'g „(Jmpfinbungen be§ 6t)riften" unb
meint: „Qöietanb ift retcfj an SBliimdjen, an poetifctjem ©efdjmätje, ^ßeterfen an
ftarfen ©ebanEen, an großen ©efinnungen, ofjne 3mang, °*)ne ©djtoutft. 33eibe
fjaben bie ©piacfcje ber t). ©djrift ju brausen gemußt, nur baß fie ^eterfen in
itjrer ebetn Einfalt gelaffen , Söielanb aber burcr) affectirte 2iefftnnigteiten . .
öerunftattet tjat. Unb gteictjroofjt ftnb SPeterfen'S Stimmen gar batb beracrjtet
unb öergeffen roorben. S)enn ^eterfen mar ein ©ctjmärmer!"
„2)a§ «eben 3o. Söit^clmi ^eterfen . . 1717 o. D. auf Äoften guter
greunbe." ^Set^eic^niS feiner ©djriften ©. 368—394. — „«eben grauen
3ot). ©teonora ^eterfen 1718 o. £). auf Soften guter greunbe" (68 ©.).
IL Auflage 1719 (idj fjabe bie erfte benutjt). Södjer, 2Ittg. ©etetjrtenter.
1751, III, 1421—1423. — <£xfd& unb ©ruber (oon Döring), III, 19. Sfjeil.
— ^erjogl 3tea(=gncr;f[., 11. 33b. (1883), ©. 499 f. — $od) , ©efd). b.
ÄircfjenUebS, I, 6. 33b. (1869), ©. 121 f. — Ättrfd&nex, Dr. $. 20. ^eterfen,
Qutin 1862, «ßrogx. — Ä. ^>afc, ßirdjengefcb,., 1877, 10. 2lufl., ©. 506 f.
— %. 9titfct)t, ©efä). b. «piettämuS, I, 407, II, 1, (1884) ©. 225 f. —
£irae(, #attex8 ©ebictjte, 1882, ©. 308. — ©uftaö grerjtag, Silber a. b. b.
23erg., IV (1879), ©. 27 f. — Berbers 2lbraftea, äöerfe, herausgegeben öon
©upfjan 23, 458 unb 491 f. — Sefftng'i SBerfe (Tempel) IX, 51 f. - ®ic
23ibiiotb,ef bes ^oacrjimStfjatfdjen ©tjmnafium§ bei Serlin enthalt, roie mir
Dr. Sßolte mitteilt, Sßeterjiana in 2 Sänben, bie Äfifter gefammett tjat. —
^Daniel ^acobtj.
^etfltm: (ibjarb Slbotf t>. s^., au3 DjifxicSlanb gebürtig, mar eineä ber
gefjaßteften SBcrfjeuge ber Regierung Äart Seopotb'3 (f. % 2). 23. XV, 308) in
sDcetftenburg, roarjrfcrjeinlicrj fogar ber SInftifter unb Urheber, toenn aucrj nicrjt ber
einzelnen (Beroaltttjaten, bocfj ber gangen fticxjtung. $ft auct) ba§ böfe Slubenfen,
roelctjeS ir)m ber nac§ ©etbftrjerrtictjfeit ringenbe, gegen ben ^per^og burct)au§ auf»
fäffige 2lbe( beroa^rte, in feiner 2Beife frei öon ©etbftfuct)t unb ißarteirjaß, fo fdt)eint
bodt) audj in 5ßetfum^ auftreten bei Sntlaffung be§ frütjeren ^ammerpräfibenten
S)ietricr) 3?oactjim b. Steffen unb beffen (Jrfetjung burctj ben in mißrattjenen
ginan^projecten berühmt geroorbenen ßammerbirector ßuben b. Söutfen 1715,
fomie in bem ÜteöerSoerlangen bom Slbet, nad) bem 3uge be§ Sjaren 5ßeter
burctj "Dtecftenburg, baß er am auftreten be§ offen fict) auftetjnenben nad) 9ta^e=
bürg geftotjenen „Sngeren 9tu§fct)uffe§ ber 9litterfct)aft" nictjt t^eittjabe, nodj
trjeitnetimen motte, ein befonbere§ SBotjtgefatten an ben tjerjoglicrjen Maßregeln
rjeroorjutreten. S)urcr} bie oftfriefifcr)e ©ematjtin 2Ibotf griebridg» mar ein ge=
toiffer 3U9 bon Oftfriefen nact) 3Jcecftenburg tjin fctjon frürjer eingeleitet. 2Iu§
oftfrieftfctjen unb bänifögen S)ienften mar b. $. 1699 aU Seöottmädjtigter be§
^)erjog§ 5IboIf tyriebtidt) in bie faifertictje ßommiffion eingetreten, roetctje bie
ärgerlictjen ^änbet um bie SBeerbung be» ^er^ogttiumS ©üftrom fctjlictjten fottte,
unb bractjte ben ^erjog batjin, ben Hamburger 33ergteidj bom 8. Wäx& 1701,
516 $etra — 5pettafd).
bet baä ^eijogttjum 2ttecftenburg=©trelit} fd^uf, anpne^men. @3 toirb behauptet,
er fjabe baö aui SBeftedjung burdj £?rriebridj 2Bilt)etm öon ©dfjtoerin getljan , ob»
tootjl er be§ j?aifer§ günftigere (Sntfdjeibung fcrjon fannte. 1704 bon 2lbolf
griebricr) in Ungnabe entlaffen, tourbe er bon Äarl Seopolb, ber mit feinem älteren
Vorüber, bem feit 1692 regierenben ^ev^og griebrid) Söilfjelm, ebenfalls im
Jpaber lag, in j)icnft genommen. 2lber aud) ber letjterc ernannte ifjn fetjon am
8. 2Ipril 1706 ju feinem ©ef)eimen föatf). ©a trofcbem b. $. ftetS im 23er»
trauen unb in ber ©unft Äart fieopolb'ä blieb, toirb if)m grabe ber für biefen
günftige Apanage Vertrag, ber „fürftbrüberlicfjc llniom?t>ergleidj" Dom 31. 3>a=
nuar 1707 ju banfen getoefen fein. 31I§ $art l'eopolb nacr) bem finberlofen
Stöbe feineö 33ruber§ am 31. $uli 1713 jur Regierung fam, blieb ty. fein
£>auptratf)geber unb fetjürte ben fcrjon unter ber Hörigen Regierung ertoacrjfenen
|>af3 gegen ben ritterfcfjaftlitfjen Mbet unb bie ©tabt ütoftoef um fo mefjr, alä
ber ^perjog in ifmen ben ^einmfdjuf) für bie (htoeiterung feiner ©infünfte er=
fannte, beren er jur Ginfütjrung ber geplanten ftetjenben sDtilitärmad)t bringenb
beburfte. 21 m •'!. 'iUai 1715 tourbe ü. ty. erfter 9Jtinifiet unb riett) nun <}u
ben rücffidjtälofeften ©etoaltmaferegeln. 2118 ber |>erjog enblid) Por ber faifertidtjen
(Jjecution 1719 baä Sanb Pcrliefc, fanbte er ty. Pon 93ertin auS an feinen
©enerat ü..23ütoto nad) ©üftroro p weiteren sJJcafjregeln. 2)a legerer aber fidj
ber faiferlidjen @ommiffion gefügt fjatte, ging aud) ty. an beren ©i£ nad) Ütoftocf,
Pon bort aber nadj ©d&lofjfelb unb feinen angeblichen ©ütern in Oftfrieälanb. 2118
er öon bort ju feiner gamilie, bie in 9toftocf geblieben mar, jutürtfeljrte, fiarb
er bafelbft am 2. «ölai 1721.
Soll, ©efd). DtecflenburgS, II, 201 ff. — £ifd), Safjrb. 13, ©. 207 f., 221.
ßraufe.
$etra: ^ermann be ty. (Dan ben ©teen), ßartrjäuf er , geboren um bie
2Jlitte be§ 14. Safjrfmnbertä ^u ©antborp in glanbern, t am 23. 2Ipril 1428
au 23rügge. @r mar 29 Sfatjre ber geiftlicfje Seiter ber Äarttjäuferinnen ju
©t. 2Inna bei 33rügge. ©ebrueft ftnb öon ifjm in einem goliobanbe „Sermones
quinquaginta in orationera dominicam" (Aldenardae 1480 , Lovanii 1484),
nidjt gebrueft Sermones de tempore unb de sanetis, De regimine monialium
über, Tractatus de immaculata coneeptione B. M. V.
ipaquot, Mömoires II, 604 sJteufd).
^Ctrofd): 3ofef ^ ret^err b. $., pf)itolog.=f)iftor.= litterar. ©dmftftefter
unb ^idjter, geboren <ju 93rob in ©labonten am 19. October 1714 al8 ©ob,n
beä bortigen ßommanbanten ©enerat 5Raj ftreitjerr ö. 5p., geigte fetjon in ber
Sugenb bebeutenbe Einlagen unb erhielt in ^olge beffen unb ber günftigen S3er»
mögen§umftänbe feiner Altern eine fet)r forgfältige (jrjiefjung unb Unterricfjt in
ber lateinifdjen ©pracf)e, in mobemen ©praerjen unb in anbem SBiffenfctjaften. dx
tarn hierauf mit feinen Altern nact) Ctmü^, ftubirte bei ben bortigen Sefuiten
^Ijitofoptjie, tourbe jum 2)octor ernannt, manbte fiel) fobann ber 9tect)t§geiet)r=
famfeit ju unb fetjte bie ©tubien barin auf ber Uninerfität ^u ßötoen fort. 9tact)
33o£tenbung berfelben machte er Reifen buref) bie tjeröorragenbften fiänber
(üsuropa'ä. %m 3». 1733 trat er in ba§ |)eer ein unb madjte einige f^elb^üge
am 9tt)ein al§ 2lbjutant be§ grinsen (lugen uon ©aöo^en mit. 2U8 ber ßrieg
äu @nbe toar, fefete er feine ©tubien fort, befud)te einige Uniberfiläten 2)eutfd)=
lanb§, mu|te aber, nacfjbem fein S3ater unb fpäter feine 2Rutter geftorben roaren,
nac^ Olmü^ jurücffefiren. ©päter öermätjlte er fieb^ mit Antonie ti. ^ettergborf
in äöüraburg. ©eine weitere SBcfd^äftigung toar ausfc^tiefelicf) toiffenfd^aftlicb^er
2t)ätigleit getoibmet, er erlernte bie griecrjifctje ©pract)e unb bereifte aueb^ ©rieben*
lanb über Italien äurücftetjrenb, too ifjn bie gelehrten ©efeUfctjaften ju 5*0l'eni
unb Sortona ^u ifjrem 3Jlitgliebe ernannten, ^m %. 1747 grünbete ty. in
5Pettofä- 517
Dtmüfe eine öelefrtengefeHfäaft untet bem tarnen: „Sie Unbefangen". SMj
TOalieber beritten berfafcten Staublungen, bon benen aüe Monate ein ©tu«
unter bem SLitet : „Wonatlicrje 2Iu§jüge alter unb neuer gelehrter &ad&en
(Dtmüfe, Stantfutt unb 2eip3iQ 1747-48) eifäien Sie nwjlen ^anb-
Jungen in biefer Seit^tiU, ber fl* namhafte (Mehrte be3 3n= unb HuSlanbe»
an&offen, finb bon $. fetbft in ber Sform bon fteccnfionen beiiafj unb be=
treffen bie toer^iebenften ©egenftänbe. Sie ©efettfcW tote bie 3eitWnTt be=
fan en übrigen? nief/t lange, bem bleibe, ber Kitgunjt unb ber t Umtrieben ej-
iegenb, unbV mW **«« ««! Wn «ut *eufd)lofc ^ «reu äurutf.
gr mürbe no*T öonben geteerten ©eTetlf^aTten 3u Kempten, Hltoti unb 2Iug§=
buta sum «ölitaliebe, üon ber testeten 1758 äum ^räfibenten ernannt, Hu$
Kur einer in SSien *u g?ünbenben «abernte .ber ^iffenf JaTten, Jatte
4 ber Huffotbetung be§ Winifterä griebr. 2Bil$. ©raf b. ©augwife lotgenb im
3 1750 ausgearbeitet. HUetbing« ftetüen ft<* ber ©tünbung biefer ^abernte
ßmbetniffe entgegen unb man naf,m babon «anb. .^-.ftarb am 15. Etat
1772 au 9leuf5loB. nod) in ben testen gebenden mit einer 9tetb> geteerter
gjlänner im regen Sriefmectjfel ftetjenb. -
Sie littetatifäe S^fttialeit <pettaf#8 jerfattt m eine ftreng geteerte unb
in eine üoetifcfje. 2Ba§ bie erftere «hing betrifft, o Jatte er betriebene
nifiotifcfce unb anbete ^uffä^e unb arbeiten, aufcet tn ben eben ermahnten
TOonatWn 2lu§3ügen", aucr, in anbetn beutfdjen fotoie m italtemföen 3out»
nälen beröffentütf) . Sie wenigften erfreuen unter feinem tarnen, er toaste
geSu?S baTlfeubonüm <pett»8 Ginetu. (*etet »). 3m % 1742 gab er
20 Ib^anbtungen unter bem Eitel: „Petri Cineri D-sertaüones htteranae
varia hebdomade publicatae." Florent. 1742 $etauB. SM r,otte ei : eine büho-
otanbifdie Arbeit eine „Bibliotheca bohemica" berjafet, melier bie ©enjuibe-
Sgung be t Sutbe ba aucr, bie Sötel üon ©Triften gegen bie fteltgum
nnb ben ©taatbavin üer^ei^net tnaren, ein mertmürbige* 3«$en to» *
tt*er Gntf eiaiflteit ber (Senfurberprbe. Sie boeti Wen »Berte f,aben attetbing
inen geringen äfit>etiftf,en Söertr,, finb aber immerhin tut ba8 beginnen* ©ei tr-
ieben Dejlettei*» Beaei^nenb unb baljer üon Xittetarrjtflottf^em »nteteffe 3uerft
ebenen: „SeS »rn Sofebr, üon <p. fämmtlicf,e Suitfpiele. fcraujg. üon
ber beutfd^en ^W ** ^borf». Nürnberg "W. bataun^ten: »g
©cfjaufpieie 5ur Seffetung ber beutfcfjen ©cfjaubütme. 3JI. e. »ottebe ^ ®. 91. JDha
3 ibe 1765 (!) 2lu§ biefen Suftfpieten feien etttm genannt: „Itejgnnobei
ba§ ©e^eimnifeboae" - „3>aä Silanb ber SBudH^ten" - „®et ©igtet -
„2)er l^etli^e ©rforfrf,er" - „Sie altüdtterifc^e eräiermng - - 5Det «eb
cfie" — „®et J&of ber ©c|aufüieter" - „®er Ungeiattige". — Sie ©turf
mürben auf ben «ü^nen 8u 2Bieu, ^refeburg, !ßtag , Dtmüfe unb »ninn mi
Seifatt 5ur 2luffüt)rung gebrad)t, einen befonbten poeti^en ©ettb, laben ]xe, ttie
Änt nic^t, unb bemegen fidi auf bem ©ebiete bet ©tutfe Sottftebd unb
aner%eitgenoffen. Saffelbe gilt üon $ettaf4'a „Sammlung üerfd^iebener
beutfVf «We eines ©claüonierS" 1767 unb 1768 «u. Dem ungebtudtei
Dlacfetaffe betraf ä)'Z feien uodi ein ©ebid)t „Sie Xräume", ein gtoman w«tjace8
freite für bie ^ugenb, fomie bie Ueberfetjung be§ SBetfeS yapzoqfo'l über
ben mäbrifd^en Slbet in bie tateinifäe ©Ütad^e angeluvt.
L.E «eljel, 9lbbitbungen bö^m. unb ntätjt. ©ehrten unb Mnft et
nebft Iurä. 9taÄ ü. it,r. ßeben. III. %t)l ?tog. 1777 - gf. $to<Ja8fa,
De saecularibus liberalium artium in Bohemia et Moravia fatis commentanus.
Pragae 1787. Pag. 405 f. - Dr. ß. £mei, 3o|eJ b. ^. »« .^VsBb
©tubium b. neueren ©brauen u. Sit. b. #erng. XXI. S^tg. 1866. 39. SBb.
©. 353 ff. - SBurabadj, biogr. Ser. 23b. XX. 51. ©d^Ioffar.
518 3ßeträu3 — 5petre}u§.
$ettält$: M. fticolauS % , t 5. Januar 1641 als ©upeiintenbent beS-
$ürftentrjumS, bamalS nodj 33iStb,umS Watjeburg, tjiefj eigentttd^ ^eterfen, mar
1569 in £)ufum geboren, fdjon als Änabe feit 1573 in SJlagbeburg, Söalfenrieb
(tt)o bodj feine ©djule mar), Slfelb unb Sraunfdjmeig gerocfen unb befudjte
bann Sdoftocf, .gjelmjiäbt, ßeib^ig unb 3fena, mo ex 1591 Magifter mürbe; ging
aud) nadj (Srfurt. 5)aS fdjeint nidjt öbttig mit einem ^eugntfj 3u ftimmen,
metdjeS ifjm am 11. 9loüember 1597 bie trjeologifcfje ftacultät <ju 9ioftocf auS=
fteEte unb roorauf fjin er am 6. SDecembcr 1597 als ©uperintenbent bom 2)om=
capttet in föaüeburg berufen mürbe. 2)anad) rjatte er länger als 8 3ac)re, atfo
feit 1589 in töoftocf gelebt; äöanbel, Äenntnijfe unb baS ©tubium ber ftorm
ber Geologie „mie fie bie $irdje als rccfjt aufftettt", merben auSnefjmenb gelobt
unb er für mürbig erachtet, „ben ausgeaeidjnetften $tat$ in ber Äirdje einju*
nehmen"; er gerjörte alfo ber ftarrcn Drtboborje ber mccflenburgifdjen Äircfje an.
Dftern 1598 trat er fein 2lmt an, nadjbem SucoS SSacmeifter itjn orbinirt rjatte;
1600 ernannte it)n bie Üioftotfer gacultät jum ®octor ber £r)eologie. S)ie ^txt
feiner ©uöerintenbentur mar eine ber müfteften im 33iSttjum. £)ie letzte ^eit beS
^er^ogS j?arl öon $Red(enburg als 9lbminiftrator unb SluguftS öon 33raun=
fcrjmeig»2üneburg erfaufte ©tcllung als (Soabjutor, barauf ber ©treit um bie
Slbminiftratton jtoifcrjen Sluguft unb ^er^og 3ob,ann SUbredjt öon Medienburg
zerrütteten baS gan^e ßänbdjen, über meldjeS nadjber bie ©eifet beS 30jäfjrigen
Krieges öon beiben fämpfenben ©eiten tjereinbradj. ty. t)at babei fein geiftlidjeS
?lmt mit 9tad)brurf unb SBürbe aufrecrjt erhalten. Gr fanb bie firdjlidjen 3u=
ftänbe burdj feinen Vorgänger, ben befannten ©treitttjeotogen Äonrab ©d)tüffel=
bürg aufS |)öd)fte zerrüttet bor unb überlief fie als georbnete feinem 9cad)folger
MitrjobiuS (%. 2). 58. XXII, 12), feinem äöirfen tjatte er bie medlenburgifdje
Äirdjenorbnung ju ©runbc (}u legen, eine Don ifjm entmorfene ratjeburgifdjc tjat
bie SBeftätigung nidjt erfjalten. dagegen mürben bie ber Aitrdjenöifttation bon
1699 bon ifjm angehängten „©eneralia ober gemeine heftete" beftätigt unb er=
hielten fo ß>ef eüeSf raf t ; ätjnlidje fdjloffen fid) aud) an bie föätcren Sifitationen ;
fie enthalten jumeift boliaeiticrje, 3. £fj. Ijarte ^eftimmungen, beren 2lufredjt=
errjaltung ben *J3aftoren unb Äüftern aufgetragen mürbe. SDie mäljrenb ber
^>rebigt auf beut Äirdjrjof fterjen unb ©efäjmätj treiben, ober öor geenbigter ^rebigt
auS ber $irdje laufen, füllen einige ©tunben anS <£)atSeifen gefdjloffen unb
au|erbem in ©etbftrafe genommen merben. 33on 3auc*ern. Sßiden, Söten unb-
ÄrrjftaUfeljen roirb öiet berboten; ber ©uperintenbent glaubte alfo aud) baran.
211S ber Slbminiftrator 3luguft am 24. ^uni 1622 ein „Gonfiftorium ober ©eift*
lidjeS ©eridjt" anorbnete, mürbe s43. um SBeiftber ernannt. sllcit feiner @t)efrau
Äotrjarina Söienfen tegirte er am 8. 3uli 1640 ein (Japital öon 1500 3R.
ßüb. 311m Seften ber Äircrje unb ber $ird)enbiencr, im 2)om ertjielt er ein
S)enfmal. 33on feiner £>anb Ijat ficrj bie ?lbfd)iift einer nict)t uumid^tigen djvoni3
califdjen Quelle, ber (bis 1574 fortgefetjten) „Lista episcoporum eccl. Race-
burgensis et eorum facta" in ber ißrobftcircgiftratur 3U ^Ratjeburg erfjalten. Mit
ber 9toftotfer ^o^ilie s4>etreiuS tjängt er nictjt ^ufammen.
65. M. 6. gjlafd), ©efd). b. SßiStt). 9lafeeburg. ©. VII, 20. 569 ff. 677 ff.
706 f. lieber bie bei ber 3fteftauratton nictjt entfernten Monumente f. ftt.
20. 3t- giidmann, bie S)omfirdje au 9tafeeburg. 1881. Traufe.
^Ctrejltö : Soljaun ^. (^anS 5peterlein), berühmter unb gelehrter
S3udjbruder Nürnbergs im 16. ^afyrfyunbert. ®r ^ax "m oa§ S»^ 1497 ju
Sangenborf bei ^pammetburg in ^ranfeu geboren, ift atfo jebenfattS mit ber in
Safet anfäffigen S3udjbruclerfamilie ^üxi (f. u. ©. 520) üerroanbt. 3u Söittenberg
tjatte er fidj bie SBürbe eineS Magister artium erroorben unb trat bann um
1524 ju Nürnberg als Sudjbrucfer auf, mo er nadj J^obergerS £ob als ber
<ßetreu§. 519
bebeutenbfte unb unterridjtetfte Vertreter feines gacrjeS Öa^- %ti$t nur, bafj
ifin feine tDiflenjc^afttic^e 93orbilbung tjierau befonberS Befähigte, famen ibm
aucb feine $enntniffe ber 93iecbanif ju ftatten, mit beren £>ilfe ex alle 3N"tru=
mente unb ©acben, bie er jur üErucferei nöt^ig fyatte, eigenbänbig anfertigen
tonnte. (Sr brucfte biete beutfcbe, lateinifcbe unb grtetf)if<he 23üc|er, \>it öon ben
©etetjrtcn fet)x gefdjäfet würben unb bie ibm bie greunofchaft manches berbor=
ragenben 9JtanneS, fo 3. 33. ^DtelancbttjonS, erroarben. Unter feinen 23erlagS=
werfen mären ju ermäbnen: fectjS öerfcrjiebene 23ibelauSgabcn, ein Corpus juris,
nach beut Florentiner Gobej öon ©regor .gmloanber berauSgegeben, ju beffen <&er=
ftettung (1529 1530) irjm ber 9latr) öon Nürnberg einen 3ufchuf$ geroäbrte,
ein 33itrubiuS, ben er auf eigene Soften ins Seutfcrje überfefeen unb unter 2tuf=
ficht feines ©chroagerS , bes 9tedjen= unb ©chreibmeifterS 3obann 9teubörfer
(2t. S). 23. XXIII, 481) im Sabre 1548 erfchienen liefe, &uch Etuftf werfe finb
aus feiner £>rucferei berborgegangen ; fo nodj 3U feinen Seb^eiten bie brei erften
Jfjeite ber berühmten Sieberfammlung öon ©eorg fyorfter (f. 21. 25. 58. VII,
164), bie Sieberfammtung öon SBolrgang ©crjtnelijet 1544, bie Trium
vocum cantiones centum a praestantissimis tliversarum nationum ac liuguarum
musicis compositae, 1541 ; bie Harmoniae poeticae Pauli Hofheymeri (@om=
pofitionen rjorajifcfjer Gben) 1539 u. 21. ^etrejuS Wotjnte feit 1533 in einem
eigenen £>aufe unter ber 33efte an ber alten ©cljmiebgaffe. ©ein 2)rucfer3eidjen
ift ein jroeifcrjneibigeS nacfj oben gerichtetem ©ctjWert öon glommen umgeben.
@r ftarb t)occ)geer)rt unb geactjtet am 18. 9Jcär3 1550, fein ©rabftein auf bem
SorjanniSfirdjrjof (9lr. 772) trägt bie in Gür^ gegoffene SJnfdjrift:
„Innumeras clarus novit Petreius artes,
Et coluit vera religione Deum.
Profuit officio multis et vixit ....
Nunc cubat hie corpus, spiritus astra colit."
Sie ©rueferei ging in ben 23efii3 feines ©chwiegerfobneS ©abriet £>at)n über,
ber fie unter bemfelben 3eichen fortführte.
9ceubörfer, ^lacbricfiten öon Äünftlern unb Sßerfmeiflern Nürnbergs,
fjerauSg. öon ©. 2B. $. Socbner. Söien 1875. (Quetlenfchriften 3ur Äunft»
gefchiihte 23b. X). — 2OT unb mopitferj, DcürnbergijcheS @elebrten=2ericon.
$a tlmann.
^CtrcUÖ: -^einrieb Sß., geb. am 1. Februar 1546 ju ^arbegfen, t 1615,
ftammte auS einer ^atricierfamilie jener ©tabt unb War ber ©otjn beS in
2)ienften ^er^og CmchS öon 23raunfdb/meig--J?atenberg ftebenben Hauptmanns
§eifo ^ßetreuS. (Jr befuebte bie ©chulen 3U Simbecf, $Rünben unb (niefit bor
1557) bie Älofierfchule 3U Söalfenrieb. darauf bejog er juerft bie Uniöerfttät
Sena, bann im ©ommer 1564 bie <$u Seidig, roo er insbefonbere ben Unter=
riebt bes fünften STiobefiinuS *ßiftoriS unb beS befannten ^olrjfu'ftor SamerariuS
genofj, unb fc&liefewcrj bie 3U 23afet, too er nach ber 33orrebe feiner Aulica vita
noch. 1575 Weilte. @r trat bann eine ©teile al§ ^ofmeifter groeier fränfifcher
(Jbelleute an, bie er auch auf Steifen in bie ©ebroeij unb in Italien begleitete.
Surch Vermittlung feines greunbeS ^06. Sicharb, ber ©tmbicuS 3U gtantfurt a. SSR.
mar, erhielt er 1577 öom ütatfje biefer ©tabt als üiector beS SBarfüfjergtjmnafiumS
eine 23eftaHung auf 6 ^abre. 2I6ec febon öor 2lblauf biefer 3"t öerantafeten
ibn ©treitigteiten, in roelcrje er als gtacianer mit ber granfiurter ©eifttiebfeit
gerietb, feinen 2lbfct)ieb ju nebmen, ber ibm unterm 13. 5)tai 1581 erttjeitt
mürbe. 23atb barauf toirb er an bie ©ebute in ©öttingen gefommen fein, an
roelctje ifin fefion ^ersog ßrieb, b. 3. (f 1584) beruien baben foü. 2IIS bann
biefe 3u einem ^äbagogium umgejtaltet mürbe, marb ty. am 28. 2Iprit 1586
feierlich als erfter 'Jlector biefer 2tnftalt eingeführt; er übernabm felbft bie ßebr-
520 y*ixi-
fädiet ber ßogif, 9ttjetorif unb be3 9ted)t§. Slm 15. Dctober 1590 erroarb er
•ju Harburg bie juriftifdjc 2)octormürbe. Da bie ©ötttnger Sßrebiger bie 2luf=
fid^t über ba§ 5päbagogium für fid) in 2lnfprud) nahmen, iß. irjnen biefe aber
nid)t jugefterjen moEte, fo mufete ba§ Sonfiftorium in SBotfenbüttct ben ©treit
entfdjeiben. üDie 9trt unb SBeife, mie t)ier 5ß. feine ©adje perfönlidj führte, ge=
fiel bem £>er,joge £>einrid) Julius fo gut, bafe er it)n balb barauf (im $. 1591)
atö ,£>of= unb ßonfiftorialrattj, fomie al§ ^nfpector ber ©djulen in feine 2)ienfie
nar)m. ?lm 6. Januar 1594 (1595?) erhielt er bon bemfelben dürften auf§
9leue eine 33eftatlung als 6onfiftorial=, ^>of= unb ßanaleiratt). 3n biefer
Stellung, in melier er für ©crjule unb ßitdje be§ ßanbe§ eine fegenärcierje
Sttjätigfeit entfaltete, ift er ju 2BoIfenbüttel am 22. September 1615 geftorben. —
5ß. ftanb bei feinen 3eitgenoffen al§ bietfeitiger ©ele^rter mie auet) als geroanbter
lateinifdjer 2)idjter in t)ot)em 2lnfctm. ©eine Schriften, bie juriftifdje, rjiftorifdje
unb anbere ©egenftänbe beljanbeln, finben fid) öerjeicrjnet in (.^eumannS) 3^tt=
unb ©efcrjidjtbefdjreibung ber ©tabt ©öttingen 93b. IV, ©. 33 ff., in 2)omeier§
©efd)icr)ic ber ©tabt ^arbegfen ©. 68 unb bei Södjer 93b- III, ©p. 1433;
ebenba ftnb aud) ftacrjridjten über fein ßcben au finben. ^etreu§' erfte ©emal)tin
gftagbatene geb. 3lbed, bie SBittme beä be!annten ftlaciuS StltoricuS (f 1575,
f. 21. S). 33. VII, 88), meldje er am 23. Dctober 1577 ju granffurt Ijeiratljete,
bradjte irjm aufjer bem Vermögen aud) bie an foftbaren .gmnbfdjriften reiche
23ibliotr)ef beä glaciu§ ju; fie ftarb bereite 1579. ^ene 33üdjerfammlung ift
bon 5ß. 1597 an ben |)eqog ^einrieb, Julius berfauft morben unb bilbet nod)
jetjt einen mertrjöolten 33eftanbtt)eil ber SSolfenbüttler 23ibliott)ef. ©päter ift
*P- eine ^roeite Stje eingegangen, über bie mir ntd)t§ meiter miffen, als bafj
feine Söittme tt)n bis in ben September 1626 überlebte, ©ein ältefter ©ot)n
^einrieb, 5p. jun., ber am 1. 2)ecember 1604 ein ßanonifat beä ©tiftS ©t. (Jrjriaci
bei 23raunjd)tt)etg erhielt, errang am 23. 3uni 1614 ju Harburg, mo er feit
bem 8. $uni 1613 ftubirte, bie iuriftifd)e 2)octormürbe unb mürbe ©rjnbicuS
ber ©tabt ©peier, baneben 1622 aud) föatb, unb ftbbocat beS .fjer^ogS Qfrtebrid^
Utrid) ju 33r. unb ßün. für feine 5ßroceffe beim ^eidjSfammergericrjte bafetbft.
IJJetri: 33ebeutenbe 33ud)bruderfamitie in 33afel. 2)er erfte biefeS ^RamcnS,
^an§ $., ftammte auS bem ©täbtctjen ßangenborf bei .gmmmelburg in ^raufen,
too er im S- H41 geboren mürbe. 3fm °$. 1488 mürbe er Bürger ju 33afet,
nadjbem er bereits bor^er, ungefähr feit 1460 fid§ in biefer ©tabt aufgehalten
rjatte. Um 1480 trat er in ©efcb.äftggemeinfcrjaft mit .£mn§ 2lmerbacr) auS
«Reutlingen (%. ©. 33. I, 398) unb $acob ö- ^for^en auS Kempten. (Sine fetbft=
ftänbige 33erlag8tl)ätigfeit lä^t fict) bon i^m nid^t naclimeifen, bodj mirb if)m
nachgerühmt, ba| it)m bie 33afeler 33ucb/brucfereiL,n biet berbanften, meil er burcr)
feinen fjlei^ unb ©efcCjidfltd^feit mehrere aufgemuntert unb meil er öerfctjiebene
33erbefferungen erfunben l)abe. Wad) bem ^luöfcb.eiben $acob bon $for^en§ au§
biefer ©enoffenfdjaft, um 1490 trat ^ßetri'S ßanbSmann ^o^anneä ^i-'ob'en
(21. ©. 33. VIII, 127) in biefelbe ein unb bcrblieb in berfetben bis 311 be§
ße^teren 2obe. $. mar ein fctjlauer, babei ttjatfräftiger 5Jlann, ber burcr) feinen
UnternerjmungSgeift, ben er auf 9leifen unb Neffen bettjätigen lonnte, bie ©eete
ber ©enoffenfcljaft mürbe, obmoljl er mitunter aud) etma§ bebcnftid)e ©efdjäfte
in Anregung bradjte. 93cr^eh*att)et mit einer 33afelerin, 33arbara 2RetIinger,
tjinterlief} er bei feinem um 1512 erfolgten 2obe fein ©efdjäft feinem Steffen
unb ^flegefo^ne Slbam $., ba feine brei ©ötjne früfoeitig geftorben maren.
2lbam 5p., im $• 1454 ju ßangenborf geboren, mürbe bon feinem Dt)eim
al§ fec^Sjärjtiger Änabe nad) 33afel gebradjt unb in bem S)rudgemerbe auf=
etjogen. 3m ^. 1507 ermarb er ba§ Siürgerrec^t unb jmei ^a|re fpäter trat
»4*etrt. 521
er 3um erftenmate felbftänbig als Srucfer auf. 9cacl)bem et bie Srucferei feine»
DtjeimS übernommen fjatte, entroicfette et eine bebeutenbe 2ßitffamfeit, bod)
meiftenS nur als Sotjnbrucler für anbete Verleger unb als eifriger Dlacljbrucc'er
üon 9teformationSfct)riften. 93on 1515—1519 ftanb er in reger Sefd)äitSüer=
binbuug mit 9Inton ßoburger üon Nürnberg 02t. 3). 33. XVI, 366), ber tljn
mit üerfdjiebenen Srucfaufträgen bebaute, ©eine 2)rucfroerte finb t^eittoeife mit
.Öoljfdjnitten nact) Segnungen .IpanS ^>otbein§ gefctjmücft. 2tbam $. ftarb
1525 unb rjinterliefj jroei ©öfjne, .ipteronrjmuS unb £>einricr), üon melden
ber leitete bie 5Drucferei fortfefjte. ©eine Söitroe 2lnna geb. ©über, Xocfjter beS
5^otar§ SirtuS ©., tjeirattjete fpater ben gelehrten ©ebaftian 9Jcünfter (f.
21. 2). 23. XXIII, 30). ©ein S/rutferaeictjen [teilt einen nactten Knaben bar, ber
auf, einem £öroen reitet unb in ber linfen erhobenen ^panb eine ÄreuseSfafme mit
ber ^nfdjrift IHS. unb ADP. tjält. 3U Reiben Seiten beS Söroen ranfen fidj
Dtofenjtoeige empor, bie bon einem 9tenaiffance=9tunbbogen, auf ©duten rutjenb,
umgeben ftnb.
^ ein rief) *>#., ©ot)n beS 23origen, geboren 1508, ftubirte anfangs 'DJtebicin
unb erroarb ftd^ ben 2)octorgrab. 9cad) bem 2obe feines 33aterS übernahm er
beffen ©efdjäft, baS er mit großem @ifer fortführte. 2llS ein befonbereS ,3eicr)en
feiner gefct)äftticr)en xtjätigfeit toirb ermähnt, bajj er 108 mal bie fyranffurter
9Jceffen befugt tjabe. ©ein auSgebetjnter 33erlag umfaßte biete fjtftorifctje unb
ptjilologifclje 2Berfe, unter benen befonberS bie 23üct)er feineS ©tiefüaterS ©ebaftian
fünfter: beffen breifpract)ict)eS SZBörterbuctj (öatetnifet), (Sriectjifct) unb ^ebtäifct))
unb beffen befannte ßofmograpfjia in itjren Perfctjiebenen ausgaben IjerPorragen.
6r mar aber nietjt nur als Verleger, fonbern auetj für baS öffenttttije ©emein=
toefen ttjätig, inbem er 3tatf)St)err, £Jreterf)err unb ^Deputat ber .ftiretjen unb
©ernten getoefen. $n teuerer ©igenfetjaft forgte er für 33ermet)rung ber llni=
PerfitätSbibliottjef baburcl), bafj bie ^rebigerbibliotfjef mit berfetben bereinigt
tourbe. ©eine 23erbienfte rourben Pon $aifer $arl Y. im 3f- 1556 butet) @r=
Hebung in ben 9titterftanb getoürbigt. 3fn ^olge beffen nat)m er unb feine
s3tacrjfommen jur llnterfctjeibung üon anberen ^etri'S ben tarnen |>enric=^etri
an. @r mar jroeimal Pertjeiratfjet, juerft mit 9Inna ^ütfdjin, einer ehemaligen
9tonne, bie it)tn jtoölf £öd)ter unb fünf ©öfjne gebar. 3*°" feiner ©ötjne
©irtuS unb ©ebaftian rourben ebenfalls "Sruiier unb eine feiner Xöct)ter
rjeirattjete ben Sucrjbtucfer ^ietonrjmuS Surto. ©eine jtoeitc fixan roar Sarbara
33rant, Xocrjter beS 33ürgermeifterS £I)eobor 33rant. Gür ftarb im $• 1579.
©ein jDrucferjeicrjen [teilt einen Reifen bar, bem eine auS SÖotfen IjerPorragenbe
£)anb mittete eines «Ipammer» fteun enttoeft, baS buretj einen gteicb^fattS aus
2Botfen ^etPotttetenben menfct)Iid§en Äopf angefaßt roirb.
©ijtuS 5]S. , fein ättefter, unb ©ebaftian ty., fein jüngfter ©or)n, be=
trieben gteicrjfallS ba3 SrucEgetoerbe, boc§ feb^eint ber erftere fiel) nieb^t lange
bamit befafjt ju ^aben, ba man nur roenige S)rucfroerfe Pon iljm fennt. 2)a=
gegen roirb ©ebaftian 5p., ber 1571 jum erj'tenmal als 23uct)brucfer auftritt,
ber 9lact)fotger feines 33atetS geroefen fein, ba er aucl) beffen S)tuder3eict}en führte.
S)ie bebeutenbften 2öerfe feines 33ertagS roaren eine beutfet)e lleberfe^ung üon
©eiler Pon ÄaifetSpergS 5Ratrenfct)iff, üerfcljiebene tfjeotogifct)e ©cl)riften üon
^acob ©rtjneuS, bie 23afeler ßb^roni! üon ^0-cob 2Bur[tifen unb bann nocl)
mehrere SluSgaben üon ©ebaftian ^Jtünfter'S .ffofmograptjie. Sr roar mit ©lifabett;
Söffet bertjeirattjet unb ftarb im ^. 1629. 9iact) feinem 2obe beftanb bai
öefctjäft unter ber ^irma <£)enric=5ßetrv'S (Srben nocl) einige S^1 fort, üon 1660
ah getjt baffelbe aümätjücb^ in ben SSeftti üon ^acob 33ertfcb^e über. Ser 93erlag
tourbe an bie befannte 33afeter 33ertegerfamilie ßönig üerfauft. S)ie 25rucferei
erroarb üon S3ertfcrje fyriebriel) Sübin, üon biefem fam fie in ben Sefitj ber
522 $etri-
gamitie ffiecfet (f. 2t. ©. 35. V, 4). 2)icfe Perfaufte fie mit 33eginn biefes 3afn>
Ijunberts an ©d)ött, ber fie fpäter Üljurneifen überlief, Pon biefem erroarb fie
tjierauf bie tjeute nod) befteljenbe ©djtoeigtjaufer'fdje 33ud)r)anbiuug. (Jin feltenes
ißeifpiel ber Vererbung eines 400 ^aljre alten ©efdjäfteS!
©totfmeper, %., unb 23altt). föeber, Beiträge jur 53afeler 33ud)brudcr=
gcfdjidjte. 93afel 1840. 4°. — gtecrmimgsbud) ber groben unb (Spifcopius
1557— 15G4. herausgegeben öon föubolpt) Söacfernaget. 33afel 1881. —
£>. £>afe, bie ^oberger. ^toette, neugearbeitete Auflage, fieipjig 1885.
!ß all mann.
v4>ctri : 33ernt)arb 5ß. , Defonomieratf) unb ©utsbefifeer &u Hjerefienfelb
in 2öiencr=sJteuftabt, berühmter ©crjafäüctjter, geboren am 2. 9Iprü 1767 in 3roei=
brürfen, f 1854 in SHjerefienjelb. 23eftimmt, einft am baierifdjen ^)ofe im
gadje bev Detonomie, foroie über bie £)ofgüter bie oberfte Leitung ^u übernehmen,
erlernte er ßanbtüittr)f(f)aft unb ©artenbau. SUsbann begab er fid) 5 3>a^re
auf Steifen nad) ßnglanb, ÖrranCreic^, ben 'Jtieberlanben unb 2)eutfd)lanb. Quxüd*
gefet)rt, richtete er in .Warlsfarg bei 3roeibrüden bie ^ofgärteu nad) engtifdjer
2trt ein. sjtadj 9lujlöfung ber tjerjogtidjen Regierung, jur ^eit ber franjöfifcrjen
SRePolutton, roenbete er fid) nad) Cefterretd), führte bafelbft bie ferjöne ©arten*
fünft ein unb mürbe ©üterbirector bes dürften Sotjanu Pon ßiedjtenftein, als
tt>eld)er er 1803 eine Steife nad) «Spanien unternahm, um Pon ba 9Jcerinofd)afe
auf bie 23efitmng beS dürften ^u bringen. 1808 fdjieb er aus ben iürftlidjen
S)ienften unb begab fid) nad) Üljerefienfelb, roo er 1804 Pier öerfdjiebene S3e=
fitjungen getauft fjatte, um auj jeber berfelben reine ;3n<}ud)t mit ben Pier
sDJeitnoftämmen ju betreiben, meld)e er aus! (Spanien für fid) mitgebracht t)atte.
2Ius biefen beerben Perfaufte er altjäfjrltd) anf efjnticfje Transporte in bie Per=
fdjiebenften Sänber. Srfdjrieb: „Sas ©anje ber ©d)af<}ud)t", 1815; „Aufruf an
alle <£)etrfd)aits= unb ©djäjereibefi^er bes öfterr, .ßaijertfjums, bie 3iegrünbung
Don SBoflmärften betreffenb", 1823; „33eobad)tungcn unb ©rfarjrungen über bie
SBirfungeu ber £örner= unb ^ärffeljütterung", 2. 2lufl. 1824; „$l)t)fiotogifd)=
comparatipe Skrfudje über bie Siatjrungsftä'ite unb (SigenfdjaTten fet)r ücrfdjicbrn*
artiger Jhitturgeroädjfe", 2. 2lufl. 1824; „£)ie marjre ^fjitofopfjie bes sMerbaus,
ober ein auf bie (Srfjörjung bes ©runbeigentfjums gcftüijteä ganj neues SDünger«
ftjfttm", 1825; „£>as ©anje ber ©d)ajjud)t für £eut|d)tanbs Siüma unb bas
itjm äfjnlidje ber angren^enben Sänber", 3 £t)le, 1825; „$ftittt)eilungen bes
^ntereffauteften unb Sceuefien aus bem ©ebicte ber tjötjercn ©crjaf= unb 2öoH=
funbe", 1829; „33erg(eid)enbe S)arfteflung bes 5probuctionstoerif)cs t>erfd)iebeu=
attiger ©eroädjfe gegen einanber", 1833; „lieber *ßflanjenernäl)rungs=©runb=
fäfee", 1829; „9Jiittf)eilungen über eine nadjfjaltige 2öertt)ert)5f)ung bes ©runb=
eigcntfmms", 1840; „lieber bie 2t)ercfienfetber sJJtufterroirtf)fd)ait", 1841; „lieber
bie bfonomifdjen Aufgaben, bie in ber Stfjerefienfelber lanbroirtrjfcfiaitlidjen 3Jtufter=
anftalt jur rationellen Söerbefferung ber Sanbmirtljfcrjajt praftifd) bet)anbe(t
morben finb", 1841. ßöbe.
v^Ctrt: @ Ott Trieb (5rbmann5p., Dr. ber STfjeofogie unb ^^i!ofopt)ie,
äuletjt Äird)en= unb ©djulratf) bei ber iheisbirection in Sauden, eine um bie
Jpebung bes S3otfsfd)utroefen§ in ber Dberlaufit} Pcrbiente -p^jönltcrjfeit, geboren
au 33aufcen am 30. 3imi 1733, f am 22. Cctober 1850 in ©d)toerin. ^.
mar ber iüngfte ©ot)n bes 1818 als 2lrd)ibiafonus an ber ^aupttirdje ju
©t. $petri in 33aufeen Perftorbenen ßtjriftian 3lbrar)am ty. S)en erften llnterridjt
ertjielt er Pon feinem 33ater; feine ©pmnafialbilbung empfing er in feiner 93ater=
ftabt in ber unter bem als trefftidjen ^äbagogen betannten 9tector ©ebide öor=
toaltenben realen 9iid)tung. 1802 bejog $. bie llnipeifität Seipjig, mo er fid)
bem ©tubium ber £t)eolegie toibmete; tjier roaren feine Setjrer in ber ^ßrjilo«
^ßetri. 523
fobtjie Sptatner unb (Sarui, in ber griecrjijcrjen ßitteratur .^ermann unb Schott,
in ben trjeotogijcrjen gäcrjern 23ecf, JMger, Äeit unb Sittmann. %m .IperBft
1804 ertoarb er ficr) bon bet bt)iiofobt)ifcb,en gfacultät ju ^ena bie £)octorroürbe.
©eine Neigung jutn ßetjrerberuf beroog ifm in bemfelben Safjre in bie päbago=
gifctje SBirffamfeit einzutreten, inbem er ehe Serjrftefle an beut in Slttenburg
unter 33ergnei§ Leitung Befterjenben ßrzierjungiinftitut annahm, too bie S5e=
fdjäftigung mit ber bäbagogifcrjen Sitteratur unb bie Obliegenheiten bei (Srjierjeri
itjn mit Stfjeorie unb 5prajii ber ^äbagogif beitraut machten. 9cacrj feinen
berfönlictjen 2luf<jeicrjnungen Brachte er t)tcr zroar bie müfjeboitften, zugleid) aBer
aucrj für fein fpäterei SBirfen ftudjtfcarfien 3>ar)re feinei Sebeni 311. 9cocf) bor
ber 1807 erfolgten 9Iuftöfung jenei ^nftitutes übernahm Sp. an 2öeifmatf)ten
1806 bie g-ürjrerfteüe bei bem iüngften ©ofjne bei ©etjetmratfji ftreifjerrn b. SSeuft
auf ^Reufalja, ben er auf bai afabemifcrje ©tubium borbereitete unb auf bie
Unibetfität Begleitete. 5Jcacrj bem fctjon 1808 erfolgten £obe bei jungen 2ftannc§
befanb 5p. ficb, noä) einige Monate in gleicher ©tellung Bei einem jungen ©rafen
bon ber ©cfjufenburg, erhielt bann aBer im 5Jtobember 1808 eine ^Berufung in
bai 5prebigtamt feiteni feiner Sjaterftabt, roo er 1809 ali fuBftituirter ßatecrjet
unb 5prebiger ju ©t. 5Rarta unb 9Hartt)a fein Slmt antrat unb baffetbe Bis
1811 befteibete. £ie 91usfid}t auf einen größeren unb befonberi aucf) auf bai
©ebiet ber ©cfjule ficb, erftvecfenben Söirfungifreü Beftimmte 5p. in biefem ^afjre
baZ 51mt einei ßatedjeten unb gucrjtrjauebicbigeii in Zittau anzunehmen, mo
eben bie ©rünbung ber allgemeinen ©tabtfcfmle jur Setrjätigung feiner bäba=
gogifcrjen Neigung bie erroünfdjte ©etegentjeU Bot; tjier unterzog er fidg in Sßcx=
Binburg mit bem ©tabtfcfjulbirector Ärug bem Auftrag ber Regierung bie @r=
ricrjtung einei SanbfdjuUecjrerfeminari burdjjufüfjren, beffen S£irection er bann
Bii äum @nbe feine« bottigen 9tufentr)alte§ führte. 1816 rücfte 5p. in ba% streite
unb in gleichem 3at)re in bai evfte Siafonat bor, roobei er zugleicfj bai *ßfarr=
amt in ,ßleinfcb,önau in elfjähriger SSertbaltung Beforgte. S!ai 3Ircrjibiafonat
befteibete er bafetBft bon 1827 bii 1830 unb rücfte 1831 in bai ^riinariat,
in toetcfjer (Stellung er bei ber 2tuffid)t üBer bai ©rjmnafium mitzumirfen unb
bai 5prebigeicoIIegium ber (Sanbibaten ali SBorftanb ju teilen tjatte. 1832 roarb
5$. afi JHrcf)cn= unb ©djulratfj Bei ber Cbeiamteregierung in Sauden Berufen,
toetcrjei 2tmt er Bii @nbe Styiü 1835 Bei biefer Regierung unb bom 1. 5flki
biefei ^afjrei Bii ju feinem am 1. Slbril 1849 erfolgten (Eintritt in ben 9hit)e«
ftanb Bei ber fönigl. ^reiibirection bafetBft berroattete. 5Jtactj feiner 5ßenfionierung
fiebelte 5p. nacB, ©cfjtoerin über 3U feiner bort berTjeirattjeten 5pftegetocr)ter, roo
ex am 22. CctoBer 1850 [tarB.
5p. Blatte roä^renb feiner Unibeifitätiftubien urfprünglicf) bie 2lbficf)t,
fidj jum afabemifcf)eu Ceb.ramt boräuBcreiten; eine am ©raBe feinei eTft=
genannten Sieben, bann eine fböter in StttenBurg bon it)m gerjattene unb
Beifällig aufgenommene 5prebigt Beftimmten ifm. jebocl) unter bem Ginftu|
unb mit ber Unteiftü^ung ber SJeuft'fdjen gamiüe 1808 feine ttjeotogifdöen
©tubien in fieibätg roieber aufäunetjmen unb 31t boKenben. 9tacr) feinem Qnn=
tritt in bai 5prebigtamt BlieB 5petri;i Sntereffe tro^ feiner eigentlichen biet=
Tadgen 2lmtegefct)äfte bocr) fteti ungeminbert ber ©dgute, itjten geiftigen unb
materiellen S3ebürfniffen augeroanbt. ©djon in 3ittau, roo 5p. ali Sirectot bei
bortigen Se^rerfeminari toirfte, tjatte er in ber 6rfenntni^, bat3 ber Serjrer nur im
geiftigen 53erfei)r mit feinen Slmtigenoffen unb in ber Aneignung ber allfeitig
gemachten Erfahrungen, bie für bie ©cfjule unentBer)rlicf)e gortentmidlung ge=
toinnen fönne, fidj bie SlufgaBe geftellt, folcfjei gortfdgreiten ^u förbern unb
ätoar B^auptfädjÜcf) burdg bai 23tittel ber feit 1812 bafetBft unter feiner berfön-
lictjen Seitung regelmäßig ju Beftimmten 3«tcn ftattfinbenben Konferenzen, woran
524 $«*"•
fid) eine grofje Slnjatjl bon ßer)rern freiwillig beseitigte unb Womit et aud)
bie ©rünbung einer päbagogiferjen SMbliottjef berbanb. Seine boEe '£ljeilnab/me
fonnte aber 5ß. ber Sdjule juwenben, als er 1832 mit feiner Berufung als
Äirdjeu* unb Scrjutratr) nadi 23autjen auS bem ^rebigtamte fdjicb unb nun bie
Pflege beS VolfSfcrjutwefeuS, fowie bie Skrbefferung ber focialen Stellung beS
ßerjrperfonalS unb beffen gottbUbung feine eigentliche 9lmtSaufgabe geworben
war. fjaft alte auf bem ©ebiete ber SBolfSfdjule in ber Dberlaufitj wätjreub
ber ^eit feiner bortigen Slmtlttjätigteit feiten^ ber Regierung getroffenen 53er«
befferungen finb auf feine Anregung unb 5ücitwirfung jurücfjuiürjren. So würben
feit 1832 in ber Cberlaufitj unb feit 1835 bcfonberS audj im Söe(\irfe ber ÄreiS*
birection j)U 23au|en bis 1844 22 neue Sdjulen gegrünbet, 61 neue Sdjut=
tjäufer gebaut ober eingerichtet , eine <demlid)e SXn^atjt erweitert unb 78 neue
Setjrerftellen erridjtet. Sine nad)b,altige ^örbetung fanben bie 53eftrebungen
5)3etri'S in bem am 6. sMa\ 1835 erlaffenen Slementar=S>olfSfd)utgcfe£ für bie
föniglid) fädjfifdjen ßanbc unb nod) gan^ befonberS burd) bie Sd)ulftiftung beS
1834 beworbenen Hauptmanns bon s3coftit} auf SöeigSborf, welcfje bie Glittet
p befferer 33efolbung bon ßetjrem unb jur Sdjaffung neuer Setjrftellen bot.
sJlebcn btefen bie äußeren Ü8ert)ältniffe ,}umetft berüljrenben Sinridjtungen War
$etri"S 9Iugenmerf fortwätvrenb jugleicf) aud) auf bie geiftigen 33ebürfniffe beS
SelrrerftanbeS gerichtet, auf bie Sßorbitbung für baS Seminar unb bie ?fort=
bilbung im SBeruf. 9cad)bem 5ß. fd)on 1836 jur Vorbereitung für baS Seminar
in Saufjen eine ^räbaranbcnanftalt ettidjtet tjatte, fdjuf er 1838, geleitet Don ber
gleidjen 2lnfid)t unb 2lbfid)t, wie normal in 3lttau, jur görberung beS geiftigen
Streben? ber ßetjrer nad) ©eneljmigung feiner in biefem Sinne gemadjten $Bor=
fdjläge für bie Sdjullefyrcr auf bem ßanbe unb in ben fteineren Stäbten 16
ßonferen^gefeüfcrjaften mit Xtjeilung ber größeren in ^artialbereine bon 5 bis
8 ßetjrern. Sie 3ufamnien^ünfte letzterer fanben alle 3 ÜEßocrjen ftatt, Wobei
ber 'Steige nadj bie einzelnen ßetner Üjt Verfahren, fowie it)re ütefuttate ber ge=
metnfdjaftlid)en 33eurtt)eilung unterwarfen unb bie Srgebniffe in einem 5ßrotocolle
aufgezeichnet würben ; aufjerbem würben iätjrlidj mehrmals nod) Sonferen^en
aller ßetjrer eines GonferenjbiftrtcteS abgehalten, wo bann bie Srlebigung ftrittiger
fünfte unb bie Sefpredjung ber jubor gefertigten unb in Eircutation gefegten,
päbagogifdjen Sluffäüe betjufS Ermittelung beS SlnWenbbaren ftattfanb. S)ic
Eonferenjgefetlfctjafr, beren VerfammtungSort Sauden War, leitete ty. perföntid).
9Jlit biefem ^nftitut war wieberum eine 33ibliotrjef päbagogifdjer SBerfe ber=
bunben, bie 5ß. feit 1839 in 14 ßefefretfen in Umlauf tjielt. 9llle biefe Ein»
ridjtungen übten itjren bon s$. berechneten Einfluß auf baS geiftige Streben beS
SeljrftanbeS unb baburd) auf bie £>ebung ber Solfsfdjule in ftetS june^menbem
unb erfolgreidjem 5üta^e. — 2lud) litterarifd) War 5ß. tljätig, Wenn aud} meb^r
auf firdjlidjein al§ päbagogifd)em ©ebiete ; eS mag t)ier Erwähnung finben ein
1827 erfd)ienencr SBanb „5prebigtcn über wichtige 3lngetegentjeiten bc§ ^er^enS
unb SebenS" jum SSeften be§ UnterftütjungSfonbS für bie Söitwen unb SBaifen
ebangelifdjer SBollSfdiuUerjrer in ber Dberlaufitj; bann beröffentlidjte er aufjer
mehreren Sieben unb einzelnen 5prebigten nod) Diele Wiffenfdjafttidje Slrtifel in
größeren encrjclopäbifcljen SBerfen, fowie ^luffätje in 3eit^r^ften unb in bem
„Sonntageblatt für rjäuiticrje Erbauung" in ben Sfarjrgängen 1829 unb 1830.
1839 erfctjien bon ir)m bie 5promotionsfd)rift „Quae desiderentur adiumenta et
praesidia ad augendam ebristianae religionis vim salutarem in civibus patriae
nostrae Saxoniae" unb in bemfelben %al)xe bie Scfjrift „S)ie fdjwerften Aufgaben
in ^irdje unb Sdmte." 2Bie $. ein bon ectjter £t)eilnar)me an ber ^ebung
ber SSoIfefdmle erfüllter unb geleiteter Crganifator War, fo war er aud) biete
Satire rjinburd) ein eifriger Seetf orger unb ein bon ber $raft ber eigenen lieber*
!|tetri. 525
ijeugung getragener ^rebiger. 2Bäfjrenb feiner 2tmtsfürjrung at3 JHrcrjenratcj tjat
er auc| auf Dem firdjticrjen ©ebiete öieCfacfje 33erbefferungen gefctjaffen. 9tad)
feinen perföntictjen Slufjeictjnungen erfdjeint ty. bei ollem fräftigen Srnft in ber
25urcrjfüf)rung feiner Üteformen als eine im 23erfet)r milbe, für jebeä @ntgegen=
fommen fefjr erfenntticfje, üon roatjrer 9tetigio|*ität unb üor alten üon roirftidjem
Sntereffe für bie <£>cbung ber SJotEsbitbung tief burcfjbrungene 5ßerf anlief) feit.
^erfönlicfje Slufäeidjnungen &. 6. *ßetri'§ im Äircfjenarcrjiü ju 8t. $etri
in Sauden in bem 23anb betitelt: „Catalogus membrorum societatis" ©. 28
unb 29. St.- @. Hergang, pbagog. 3ieal«<gncrjHoüäbte. II. 33b., ©. 455
unb 456. 33inber.
^Ctri: $acob |>einrid) 5ß. , Sfjronift ber ofierelfäfftfdjett ©tabt 2ftül=
rjaufen, ftammt au§ einer angefefjenen 23afeler ©etet)ttenfamilte. ©eboren am
7. 3)ecember 1593 Befugte er bie ©cfjulen feiner SBaterftabt, toibmete ftdj ber
9tectjtstDifjenfcrjaft unb bitbete ficrj burdj eine ütetfe nacf) statten 1615 unb burdj
einen Slufentfjalt ju ©peier am 3teici)sfammergericf)t 1616 weiter au§. 1620
erfnelt er bie ©tabtfdjreiberftetle in 9Mlfjaufen. 33ierjig $afjre lang bi§ j$u
feinem £obe am 23. sUlai 1660 mar er im £ienft biefer ©tabt tfjätig, ad)t^e§n
9flal üerfaf) er ba§ 5lmt einc§ 3Bürgermeifter§. QBiebertjolt üertrat er feine
©tabt auf ben Gibgenöffifdjen Sagfatmngen unb fremben -DMdjten gegenüber toie
3. 35. ben ©ctjroeben. 2öie er ganj in ifjrem Seben aufgegangen, ^eigt am beften
feine Gfjronif, bie fieben 23ücfjer ^ftülfjaufer <§)ifiorien, bie er im $. 1626
ootlenbete. ©ie führen in fdjlicfjter, ftarer ©pradje bie Gürjdfilung üon ben ®e*
fcfjicfen 5Jtülr)aufen§ mit toeiterm ^luiBIicf auf bie toeltgefctjtcfjtlicfjen 33egeben=
fjeiten bi3 jum Ululbrucfj bes breifjigiäfjrigen Äriegi, öor biefem ungeheuren
Greignifj erlafjmt feine geber. Gine Unterfuctjung ber Quellen unb ber ©taub=
roürbigfeit ber ^etri'fcrjen frtjronif ftetjt noctj au§.
SDer ©tabt iftültjaufen ©efdjicfjten bon %. <£>. $etri, t)erau§g. bon ©raf
1838, barin eine Sebenibefdjteibung ^ßetriS üon feinem geitgenoffen unb Sanb§=
mann 3- 23ranbmütler. — 21. ©töber, 2>ie bürgerlichen Slufftänbe in ber
©tabt Dlülfjaufen, 1874, barin Slu^üge aus »petrt'3 rjanbfdjrtftlidjem 9lotiaen=
bücfjlein. 2öieganb.
^3etri: Sfaaf ^acob Don *ß., preufjifctjer ^ngenieuroberft, ber jiingfte
2of)n unter üierunbjtcanaig j?inbern be§ preufjifcfjen ®enerat=Jh-ieg3commiffartu§
£> einriß 5ß. üon ©oomern, beffen 33orfatjren ber Oteligion roegen i^re Jpeimatf),
bie Dberöfatj, öerlaffen Ratten, unb toetcrjer, toeit bie bortigen ©üter ber 5a^iHe
oertoren gegangen waren, ben Flamen bon ©oomern abgelegt tjatte unb ft(i) nur
*p. nannte, mar am 17. ©eptember 1705 ju Söefel geboren, ©ctjon oor feinem
(Eintritt in ba§ ^ngenieurcorp§ naljm er unter feinem ©tfjtoager, bem bamaligen
^ngenieurmajor üon ^ori§, an .einer öeneralüermeffung ber 5}roüin<5 s^teu^en
ttjeil, roarb bann bei bem genannten 6orp§ Gonbucteur, fpäter Sieutenant unb üon
$öntg griebridtj 3Jßi(l)elm I. jum ^agbingenieur ernannt. i?önig Ofriebricl) II.
fcfjidte ib^n al§ Ingenieur üom ^lat$ nac^ ^agbeburg, roo gürft Seopolb üon
S)effau, ber bortige Souüerneur, felbft ein tüchtiger Ingenieur unb Don lebtjafteftem
^ntereffe für bie 23efeftigung§funft erfüllt, il)n pm Slbjutanten wählte. 2)er
Sieutenant 5|3. getjörte ju benjenigen Dfficieren feiner Söaffe, roelctje ber gfütp
bem Könige bei Stusbrucr) be§ 1. ©djlefifctjen Krieges al§ jur 23erroenbung bei
ber 23etagerung üon geftungen geeignet nannte; er rourbe inbc§ nictjt ba^u ge=
braudjt, fonbern blieb in ber Segleitung be§ dürften; 1742 tourbe er ßapitän.
9tad) Seenbigung jenes Äriegei beauftragte itjn ber Äönig mit 21u§arbeitung
ber (Sntroürfe für ia% in 33erlin rjer^uftellenbe ^nüa(ibenl)au§ unb betraute il)n
fpäter mit ber ©rbauung unb ber 2lu§ftattung beffelben; 1748 tjatte er fein
526 y*[xl
äöerf bollenbet. ^etjt würbe jetner £f)ätigfeit ein ganj anbereS $elb angewiefen :
er baute juerft ©djlcufen am ginnowfanal, Weldjer bie |>abet mit ber Ober ber=
btnbct, unb erhielt bann bie Eingabe, baS am Unten Ufer beS leiteten ©tromcS
liegenbe 33rud) ju regütiren, ein Unternehmen, meldjeS, ber bebeutenben feiner
23erwirftid)ung entgegenfteljenben ©d)Wterigfeitcn megen, anfänglidj auf grojjen
äöiberfprud) unb ei^ebtirfje Sebenten ftiefj, WeldjeS er aber fdjliefjtid) glüdtid) gu
ßnbe füfjrte. SS macrjtc eine weite ©treefe wüften 9ttoor= unb ;J?rud)bobenS ju
fruchtbarem 2Ider= unb äBiefenlanbe. %m 2. $uti 1753 tourbe ein £muptftücf
feinet SBerfeS, ber neue Dberfanal äWifdjen ©üftebiefe unb Dberberg, bem 93er=
fet)r übergeben. 9luS biefen fricblid)en 23efd)äftigungen rief if)n ber ftebenj ädrige
$ricg ab, Welcher einen Stjeil feiner ©d)öpfungen wieber ,}erftörte. ®r würbe
3uer[t uad) Siüftrin gefaubt um bie bortigen bernad)läffigten geftungSwerfe wieber=
fjerjufteHeu, 1758 aber in baS föntglidje Hauptquartier berufen, welchem er,
abgefeljen bon einer Gmtfenbung ju ber Sltmee beS ^rin^en .£>einrid) nad) ©ad)fen
im 3. 1761, bis ju @nbe beS Krieges angehörte. Reiben 7Jelbt)ciren leiftete
er SJienfte, beren äBertt) [ie miebcrljolt anerfannten ; 1758 mar er bei ber 23e=
lagerung bon ©djweibnitj, 1760 marb er bei Sorgau am gufje berwunbet,
wäljrenb feiner £>erftellung baute er bie (Slbbrücfc bei biefer ©tabt. Unmittel*
bar uad) 33eenbiguitg ber ^-einbfcligfeiten entfanbte it)n ber ffiflnig mieberum in
bas Dberbrud); er füllte ftd) alles anfetjen unb berieten, in meldjem 3uftan°c
bie bor bem Kriege ausgeführten arbeiten fid) befänben. %u] ®runb feiner
Reibungen erhielt er 23cfet)l rjevjuftellen, maS bie geinte unb bie 3«it bernidjtet
tjatten; ferjticfjtidj frönte er fein Söett bind) bie ©rbauung bon fieben proteftan=
tifdjen ßivdjen. 2llS ber Äönig baS ©efdjaffene befidjtigt t)atte, äußerte er:
„Hier ift ein $ürftentt)um erworben, Worauf icfj nid)t nötljig t)abe ©otbaten 31t
galten. " S)ie (Sommiffion, weldje auf ^etri'S Söunfdj beffen Üiedjnung prüfte,
fanb alles in ber beften Drbnung; bie Millionen, weldje burd) feine $änbe 9C=
gangen waren, fmtten fämmtlid) biejenige SJerWcnbung gefunbeu, für weldje fie
beftimmt waren. 2)er Äönig gebadjte nun ifjn au einer äl)ntid)en Slrbeit au
gebraudjen, inbem er baS 2Bartt)ebrud) in gteidjer Söeife umgeftaltete, wie eS it)m
mit bem ber Ober fo gut gelungen War. 9113 er aber baju metjr als eine 9JMH.
Srjaler fovberte, bertraute ber .Uönig bie SluSfüljruug bem (Mjeimen ginanaratt)
b. 53renfent)of (f. 91. SD. 35. III, 307) an, weldjer mit wenig meljr al§ einem drittel
biefer (Summe au^utommen unb biefclbe fd)on im erften ^aljre ju ber^infen
berfprad). S)ie golge babou war, bafi bie Anlage fd)tiefjlid) met)r foftete aB
s$. geforbert tjatte unb ba§ tro^bem bie 9tu£füt)rung biet ju wünfdjen übrig
liefe; in ber ,!pauptfad)e aber fjatten ^etri'S 5ßläne ber Arbeit ju ©runbe ge=
legen. (Srofjen %U\^ berwanbte er jeitlebenS auf bie Iwfidhmg bon harten
unb planen; biete berfelben berbrannten bei bem 33ombarbement bon Auftritt
burd) bie puffen, eine bon itjm t)erau§gegebene Äarte bon ©ad)fen erfdjien im
33ud)l)anbet. $. ftarb am 16. Slprit 1776 au greienwalbe an ber Ober. %n
ben ^cangliften bc§ 3ngenieuiC0i:ö§ ^efe ex ^m anfange feiner S)ienfttaufbat^n
Sß. II.; <p. I. würbe unter ^riebrid) 2Bilt)clm I. bie ©d)ulb beigemeffen, bafj ein
bon i^m erbautes ^ulbermaga^in einftürjte; ber ^önig befaljl (1. 9lpril 1737),
man foHe ben Ingenieur, Welcher fotd)eS refpiciret bei ben Orjren netjmen unb
Gapitdn ty. Warb infolge beffen berurttjeilt, ben ©d)aben, ba er it)n nid)t er=
fe^en fonnte, ju ßolberg „abaufarren". S)er Üönig befahl ben ©prud) in 33ott=
äug ju fe^en; als er fpäter auf 2ßalraweS 93erwenbung, welcher bon $. auS=
geführte arbeiten lobte, biefen begnabigen wollte (22. 9tobember -1737), war
er bereits geftorben.
(Äönig) 33iograpl)ifd)eS Sejüon aller gelben unb 5Jtilitärperfonen, Welche
fid) in preufjifdjen S)ienften berühmt getnad)t tjaben, 3. Zfyii, 33erlin 1790. —
5ßetti. 527
II. b. 23onin, ©efd)idjte bei SnQenieurcotps unb ber Pioniere in ^reufjen,
1. 2b>it, Berlin 1877. 35. $oten.
1J?Ctri : 9ticolaui ^ß. bon hartem (de Harlem d'Hollandia Almanus)
mar einer ber äarjlreictjen -ftieberlänber, roelcrje bie 53ucr)bruderfunft in ben crften
Sfarjrjetjnten nacf) it)rer Gürfinbung in Stauen aulgeübt tjaben. (£1 ift übrigen!
nur SBenigei, roai man bon itjm roetfj. 3unäct)ft ^eB et H<^ ™ ^>abua niebcr,
morjin itjn ofjne ^Weifet bie grofje Uniberfttät gebogen tjatte. $m $. 1475 mufj
er bafelbft eingetroffen fein; benn ber erfte Srucf, roelctjen man bon tf)m fennt,
bei {yutginaS ©entitii Kommentar Super prima fen quarti Canonis Avicennae
(£>ain 7565), ein größere! 2Serf, ift bom Februar 1476 batirt. 23ermutr)iicr)
aber mar ei it)tn nidjt mögiicr), mit ben anbern bereits in $abua borfjanbenen
üDrucfereien ju concurriren : fdjon im nädjfien 3tat)r, 1477, finben mir itjn in
23icen3a. SDort tjat er in biefem Satjr in Söerbinbung mit bem eben bamali ftcrj
bafelbft auf^attenben, namentlich als 3}enebiger Srucfer befannten ,!permann bon
2icb>nftein aui (Söln (f. 21- ©. 33. XYIII, 550 ff.) jmei Söerfe bei Antonius
Stnbreä tjetauigegeben, bai eine babon jebocr), mie el fcrjeint, nur in ber Sigen=
fdjaft ati 23erleger (|>ain 975, 991). Weitere £rucfe fennt man bon irjm nidjt.
9tur ber Guriofität tjalber fei ermähnt, bafj bie Vertreter ber Gofiertegenbe *p.
^u einem ber ©erjitfen bei angeblichen -gjarlemer drfinberl, \a ati 9t. ^ieterljoon
^u einem 2Inger)örigen feiner gamitie gemacht fjaben.
23gl. 5ß. (£. ban ber SJceerfct), Recherches sur la vie et les travaux de
quelques imprimeurs beiges, Gand 1844, p. 207 — 228. (Steif f.
^ctri: ©uffribul f. ^etruö u. ©. 539.
$Ctrt: 23ictor g rieb riet) Sebredjt $. , geboren 3u 23ernburg am
21. Februar 1782, j am 4. gebruar 1857, ©otm 3ob\ g*. ^etri'i, ber noct)
im ftobember 1782 bon 23ernburg ati ^rebiger ber reformirten ©emeinbe nad)
23raunfcb>eig überfiebelte (| 1830). ^pier befugte »ß. 1790—97 bai ©tymnafium
Gatfjarineum unb barauf baZ Gtottegium ßarotinum. ©o auf bai ©rünblicrjfie
borbereitet, bejog er betjufi ©tubiumi ber 2r)eo(ogie unb 5|3t)tlotogie bie Uniberfität
-jpelmftebt, mo er am 9. Slbril 1799 immatricutirt mürbe unb inebefonbere an
£enfe'i ©eminarübungen fid} beseitigte. 1801 ging er nacr) ©öttingen, mo er
ftdj borjüglicrj an Slmmon anfctjtofj. ftadjbem er bann bai erfte trjeotogifdje
ßjamen unb eine p£|t[ologtfc^=päbagogtfc^e Prüfung beftanben blatte, mürbe er
am 29. ©ebtember 1802 ati ßottaborator am ©rjmnaftum ju 33ernburg unb
pgteid^ ati (55et)ü(f5^rebiget ber Pfarre 2Balbau=^Ittenburg angeftettt. ©crjon
9Jlict)aeti§ 1803 ging er aber als Soüaborator an bas ©Qmnafium ju Siraunfctjroeig
über. 1806 beftanb er in Sernburg ba§ jmeite tcjeotogifcb^e Sjamen; am
21. SJlärj 1808 mürbe iljm auf eine eingereichte 2lbrjanbtung au§ ber orien=
talifctjen Sitteratur (in Saadiam Gaonem, Jesaiae Interpretern) bon ber btjilo=
fobb^ifdjen ^acultät äu petmftebt ot)ne münblict)e Prüfung bie Soctorroürbe ber=
lietjen. 3U Aftern beffelben SfarjrcS rüctte er jum orbentlictjen ßlaffenteb^rer auf
unb 1809 mürbe er auf 23erfügung bes nieberfäcrjfifdjen ©t)nobatberein§ orbinirt,
um feinen 33ater im 2lmte ju unterfiüijen. daneben fjielt er feit Oftern 1815
at§ ^ßrofeffor am doEegium Sarolinum 53orIefungen über |)ebräifc§ unb erftärte
auct) grie^ifd^c ©ctjriftfteEer. gu Dftern 1821 erhielt er ba§ 2)irectorat bei
^artini=©t)mnafiumi. S)er Sommiffton, meiere jur SJerbefferung ber Unterricr)t3=
anftalten in ber ©tabt SBraunfdjmeig burd) tftefeript bom 16. Januar 1827 er=
nannt mürbe, gehörte neben 23obe, ^»enfe unb griebemann audj ^ß. an, unb ber
unterm 6. S)ecember bei SatjreS erftattete 6ommiffionlberid)t ftammte aui feiner
3fcber. Dcactjbem bie ßommiffion bie ©djulreform burcr)gefüb,rt blatte, fdjieb ^ß.
mit ^teuiafjr 1828 ganj aui bem ©d)utbienfte aui unb befdtjränfte feine Seb^r=
tb^ätig!eit auf bai Kollegium darolinum, mo er fdjon feit ©cfjeffter'i Jobe
528 Sßetftna.
(f 21. $e&ruar 1825) bie 3a^ feiner 33orlefungen fiarf üermefjrt tjatte unb
Oftern 1827 9Jtitglieb beS 2)irectoriumS gemorben mar. (Seine Vorträge maren
fetjr mannigfaltig unb betrafen bie öerjctjiebenften ©ebiete ber claffifctjen *pt)ito=
logie, baneben tjauptfädjlicf) noct) baS £)ebräifdje unb Slrabifdje. 211S nact)
2Jtict)aeliS 1835 baS SoHeg umgestaltet unb eine tjumaniftifdje, tedmifctje unb
merfantilifdje Slbttjeilung gebitbet mürben, ertnett ty. baS SDirectorium bet erften;
3U Weujatjr 1836 mürbe er .frofrattj, ein $atjr fpäter 9JHtglieb unb am 16. £e=
cember 1813 ^rä[ibent ber (Sommiffion jur Prüfung ber Ganbibaten beStjötjercn
SdmtamtS; am 1. September 1853 enblidj mürbe it)m ber Uitet eineS geheimen
,£ofratt)S bertietjen. 2>ie Unioerfität (Söttingen ernannte itjn, ber ju roieber=
Rotten diäten (mie 1829 unb 1836) firdjlictje 5lmtStjanblungen in ber refor=
mirten ©emcinbe auStjülfSroeife übernommen tjatte, im 3». 1837 <jum 2)octor
ber Ideologie. Crben mürben itjm Pon braunfctjmeigifctjer nnb antjaltifcfjer
«Seite üerlietjen. Sein TünfjigiätjiigeS SlmtSjubtläum geftaltete fid) ju einer
$eier, toie fie faum je einem ©eletjrten in 33raunjd)meig ju ££)eit gemorben ift.
9todj bis auletjt förperlid) unb geiftig frifet) ift er am -4. Februar 1857 in
ißraunfctjmeig geftorben. — Seine ©attiu ßtjarlotte Soptjie, eine Stoctjter beS
Dberprebigerö 5ßauli in Söattenftebt, bie er am 8. Dctober 1812 tjeimgefütjrt
tjatte, mar itjm bereits am 3. September 1846 im Ütobe üorauS gegangen. 33on
fünf Söhnen tjaben öier ben 33atcr überlebt, ebenfo brei Stöctjter. — $. mar
ber letjte bebeutenbc Vertretet ber tjumaniftiferjeu Sßiffenfctjaft am Garotinum,
ein lUtann Pon fetjr ausgebreitetem äöiffen unb ftaunenetuertfjer Spractjfenntnifj.
9lid)t raeniger als öierjerjn Sprachen fott er ootlftänbig betjerrfetjt tjaben. Schrift3
ftetlerifctj ift er Oettjättni^mäfeig roenig tjerDorgetreten; auetj ift ber ßinflu^ feiner
SPerfönlicrjfeit unb feiner münblidjen Setjre meit bebeutenber gcroefen, als feine
33eröffenttictjungen erfennen laffen. 35ic Slnftalt, an ber er Diele S&^erjrite
mirfte, mar itjm feft an'e .£>erj geroadjfen, unb nic^t otjne innere (Sirregung trat
er ftetS mit aller (Sntfctjicbenrjeit ben Angriffen entgegen, bie miebertjolt gegen
bie tjumaniftifdje 9lbttjei(ung beS GottegS erhoben mürben, melctje feinen 2ob
alterbingS nidjt lange überleben foUte. Seine miffenfdjaftlictje Jtjätigfeit be^og
fiel) bor 2lltem auf bie altclaffifctje unb tjebräifctje Sitteratur; baneben tjat er eine
9teitje Pon ^rebigten unb ©elegentjeitSfcrjriften tjerauSgegeben, bie fid) jum Stjeit
auf bie Aufgabe unb ben ^roed beS GarotinumS belogen. 2reue Eingabe an
feinen ßetjrberuf mürbe itjm burd) innige 23erelnung banfbarer Sdjüter bergotteu.
5E)er ©runb.jug feines SBefenS mar eble Humanität, fein Söatjlfprucr) : si vis
amari, araa. %n religiöjer ,£)infictjt mar er ein Slntjänger ber ^etmftebter ratio=
naliftifdjen Setjute, ein abgefagter fteinb jeber mt)ftifctjen, fattjotifirenben Stidjtung.
2ro^ feiner fonft milben SDulbfamfeit fdjeute er im Kampfe gegen biefe, mie
feine Streitfdjrift gegen Dr. ©eibel in Sübed, ben 33atcr beS 25id)terS ©manuel
©cibel, bemeift, felbft eine fdjarfe ^olemif nidjt. Seine Schriften finb, jebodj
nidit öollftänbig, bei 5- Süpfe jum 2lnben!en an 23. f?fr. 2. $etri (33raunfc|meig
1857) öerjeidjnet, mo aud) ßebenSnadjridjten über itjn fiel) äufammengefteüt
finben, bie jeboct) tiadj Obigem ju berüollftänbigen finb.
$. 3immermann-
^Jctvina: Si-'anj 2lbam$ß. (fpr. ^etfe^rina), geboren am 24. S)ecember
1799 in Semit an ber %]ex in Sötjmen, f am 27. 3funi (nicr)t ^uti) 1855 in
^rag. 5petvina'S Lebenslauf ift Pon 3Gß. dt. SBeitenmeber in einer Por ber
23öt)m. ©ef. ber SCßiffenfdjaften gehaltenen Senfrebe gefdjilbert. S)emnact) tjat
fiel) 5p. auö ben bürftigften S5ertjättniffcn tjerausarbeiten muffen. Sein Söater,
ein armer Söeber, fennte ben fet)ntid)en SBunfd) feines Sot)neS, ftubiren ^u
bürfen, nietjt befriebigen unb ^. mufjte batjer baS ©efdjäft feines ätaterS erlernen
©rft nacrjbem er in feinem 17. Sebeneiatjre Söcbergefeß gemorben mar, fanb er
$etnt§ gtabennaä. 529
bie Unterftüfeung Junger ^reunbe, mit beren .gmlfe eg ifjm, roenn auctj unter
tjarten (Jntberjrungen, gelang, fidj pnäcrjfi eine gute ©djulbilbung $u ermerben
unb bann bie Uniöerfität 5ßrag befuctjen ju fönnen. 1832 mürbe er alg 2lb=
junct bei ber ^Profefjur für 9Jtatf)ematif unb $f)rjfif angcfteHt; 1836 promoöirte
er. SSalb barauf, 1837, mürbe er alg 3ßrofeffor ber iprjpfif unb angeroanbten
9ttatr)ematif am Spceum in Sinj angefteltt, in metdjer Stellung er big jum
2Iuguft 1844 Perblieb, um bann bie ^rofeffur ber $fjt)ft£ an ber UniPerfität
ißrag ju befleiben. @r mar feit 1848 corregponbirenbeg ^ftitglieb ber Sßiener
2tfabemie unb orbentücf)eg Sitgtieb ber 33öfjmifcl)en ©ef. b. äöiffenfdjaften. 5ß.
tjat fidj burct) @rj)erimentatunterfudjungen, roetdje faft augfdjliefjlid) bem ©ebiete
ber (Sleftricität angehören, öortljeiUjaft betannt gemadjt. Söieberljott befdjäftigte
er fidj mit ber elefhomagnetifdjen 9Jtafd)ine, an ber er üerfcrjiebene S5erbefferungen
anbrachte. 2fn einer feiner erften arbeiten,, über eine neue Sfjeorie be§ @tef tropf) org
unb ein neucg ^avafudjen^leftrofcop, ift ber tfjeoretifdje grjeil nitfjt glücflidj,
mogegen bag Porgefdjlagene föleftrofcop nodj jetjt SBeacfjtung öerbient. 33on
praftifdjer S3ebeutung mürben feine tlnterfudjungen über bie Senutmng öon
3meigftrömen in ber Selegraptjie unb über bie ÜJtögtidjfeit bitxcf) eine einjige
Leitung gleichzeitig t)in unb rjer ju tetegraprjiren. (Sin ^nftrument, burdj roetdjeg
5ß. fid) alg (Erfinber ber mufifalifdjen Seteprjonie eingeführt fjätte, ift fo mangel=
tjaft belannt gemorben, bafj fict) nidjt angeben läfjt, big mie meit bie Slnfprüdje
^ßetvina'g in ber ©efdjidjte ber SLelepfjonie genannt ju merben, reichen. ®ieg
^nftrument foE eine 9lrt 5ßt)p§f)armonifa fein, melcrje burdj (Sleftromagnetigmug
in Function gefegt mirb. $n einer Sümng ber SSölun. ®ef. bom 26. ^uli
1852 foE eg borgejeigt fein, mobei ermähnt mirb, bafj bie £öne rein
unb tjinreidjenb ftarf feien, ferner, bafj biefe Jone auf ein gleidjeg mit 5Drar)t=
teitungen berbunbeneg ^nftrument übertragbar fein füllten, ©ine befonbere
Sonographie beg Snftrumenteg foEte Pon bem ^Ibjuncten ^etrina'g, einem <£>errn
9tott>äf ^erau§gegeben merben, bodj ift bieg nidjt gefctjeJjen unb eg fdjeint jmeifel=
Ijaft, ob bag bon einem ^ftedjanifer ©pitra in 5ßrag perfertigte $nftrument nodj
bortjanben ift.
30. 9t. äßeitenmeber, SDenfrebe auf *)3rof. gr. 2tb. s4>etfina, gesotten
am 10. S)ecember 1855. — Slbrj. ber fön. böljm. @ef. ber SBiffenfdjaften ;
fünfte ftotge *Bb. IX. — Dr. ft. $. Stubnicfa, S3erid)t über bie matf)e=
matt)ifcr)en unb naturmiffenfdjaftticfjen ^ubticationen ber fön. böfjm. ®ef. ber
2Biffenfcf)aften, ^prag 1855. § 40. — Dr. gfr. 3lb. s^etrina ©. 290—299;
^oggenborff, biogr.=titter. ^anbm.=S5ud) II, 416. Äarften.
■JktntS Sftoöemia^, auef) ^ßetru§ Xt)omai ober £rjomafiu§ 5ßettu8
§ranci§cu§ unb beffen älterer ©ot)n 5ßincentiu§, Srfterer ^urift unb £m=
manift be§ 15. Saljrlj. s$etru§, naefj (Seburt unb 33ilbung Italiener, berbracl)te
feine ^ugenb unb ben größeren Stjeil be§ SanneäatterS auf italienifdjen 9lec^t§=
'deuten, ungefähr im 51. ßeben§|afjr fam er al§ UniPerfitätSprofeffor nact)
2)eutfctjtanb , mo er big 3U feinem 2obe oerbtieb. gfüt bie ©ete^rtengefc^ic^te
2)eutfd)Ianbg ift fomit nur biefe teuere ^eriobe Pon unmittelbarem Setange.
£>er Familienname beg betrug ift unbefannt; SSaltVjafar'g 35ermutljung, er l)abe
^oljanneg Sßaptifta ge^ei^en, ift ebenfo grunblog, alg ber Serfuc^, aug bem
Seinamen £r)omafi auf eine Familie „Srjontaftni" au fcf) liefen. Söatjrfcljeinliclj
rührte er alg bon geringer ^»erfunft, — „ex bassa platea", mie er fetbft im
Streite gegen ^octjftraten („alta platea") einmal lagt, — gleidj feinen ßltern
gar feinen ©efdjledjtgnamen. SBie mir aug feiner ©crjrift „de immunitate
ecclesiarum" erfahren, ift er in bem an meltgefcrjidjtticrjen SSegebenrjeiten fo
reierjen ütaPenna etma 1448 geboren, fjörte bei bem gefeierten 9ttejanber be 2ar=
Qtagem. beutfefte »iosra^ie. XXV. 34
530 SPettitS SRabennaS.
tagmi (nadj feinem ©eburtiorte „ba ^mola" genannt) fdjon frühzeitig bie Ütecfjte,
unb trat im 20. %al)xe ]u s^abua mit ber 93et)auptung auf, bas gefammte
corpus juris auimenbig zu miffen. 21 m Äatljarinentage 1468 lieferte er beiben
UniDeviitäten, ber ber ©djolaren unb ber ber 9Jtagifter, ben öffentlid^en 23croei£,
inbem er beliebige uom 23ifct)ofe, als bem Raupte ber Stuten, bezeichnete ©e=
fetjeiftetlen mörtlid) miebergab unb fte rjicrauf aui ben summariis bei 93artolus
mit allen Stoffen unb 91nfid)tcn ber Soctoren gleid) einem geübten römifdjen
sjted)tslel)rer aui bem ©cbäcfjtniffe erftärte. ©ein Setjrer 3»mola Ijörte anfangt
toie oerfteinert zu, bann fctjlug er, toie jut 9lbmet)r bes 93öfen , in ber ßuft ein
$reuz, mätjrenb bie übrigen fidj beeilten, ben beglücften Jüngling zu umarmen.
5ß. führte auct) roegen feine* ftaunensroertb,en $ebäd)tniffcs ben Beinamen „da
memoria-, nannte ftd) fetbft auf ben 93üd)ertiteln gern „memorabili memoria
praeditus" unb fctjrieb eine Einleitung -mr liebung unb ©ctjärfung bes ®e«
t>äd)tniffe§ mit ber 23ezeid)nuug : „Petri Ravennatis libellus de artificiosa me-
moria, Foenix dictus", melcfje 2lbl)cinMung am 10. Januar 1491 bei 93emar*
binus be (Stmrii in 2Jenebig, 1500 in Erfurt, in britter Einlage 150S zu @öln
unb bann mieberrjolt als iöeftanbtfjeit ber aurea opuscula gebrüht mürbe. @§
fctjeiut aucf) bas berounbernimürbige ©ebacrjtni^ öercint mit geroanbter ütebegabe
ber -gmuptgrunb bes ausgebetjnten iKutjmee gcroefeu zu fein, roelcfjcn er in ganz
Italien genofj, roäljrenb foldjer föutjm mit feinen fcrjriftticrjen arbeiten uid)t in
üollem ßinflaug ftef)t. Gitel geroorben burd) ben itjm uerfdjmenberifd) gcftreuten
2öeit)rauct) bereifte er fpäter mehrere Stäbte Italiens, trug ©dmuftücfe feines
©ebädjtniffeS bor, erteilte Wed)tsgutad)tcn, zeigte fiel) auctj als f)öftfcf)er S)id)ter
unb erntete oon dürften, Staatsmännern unb tjolben O^uen @unft> unb (St)ren=
bezeigungen- (Sine Hielte überrafcfyenbcr 93etfpiete ber unüevgleidjtic^en ©e=
bädjtnifjtraTt ^etrus' liefert ©irolamo Jiiabofdji in feiner Storia della lettera-
tura italiana, T. VI. P. II. p. 544 U. ff.
äöenige 2Bocfjen nad) bem ermähnten Vorgänge zu Sßabua mürbe *ß. bort
,^ur lectura institutionum ermät)tt, las üier Satyxe. als auditor juris unb ermarb
im 24. ;}at)re bie SBürbe eines Xoctors beiber Oiecrjte. ($tmas fpäter t)iett er
in 93olcgna, in Spaöta unb ^ferrota, aucf) in ^piftoja mit 93eifall Vorträge, biC=
bete bismeilen Scfjüler unb lehrte Pon 1477 bie (Sube 1479 gegen ein Stipen=
bium öou 355 (Bulben in Spifa, too er an 2tbfaffung bes 1. 93anbeS ber 1480
erfcrjienenen atabemiferjen Statuten mitarbeitete. 91m ©djlufj bes genannten
3M)res uerlieB er trolj inftänbiger 93orfietluugen unb lorfenber SBerfpredutngen
ber Sftectoren Sßifo unb ging mieber nad) s}$abua; feinen s]>ifaner greunben aber
erroiberte er auf ttjre ruotjlmeiuenbe 2lbmalmuug oon feinem unfteten 2ßanber=
leben, er rjabe ei leidjter als anberc, ba er ja aEeS, tuas er befifee, mit fiefj
trage; mobei er meuiger auf feine befdjeibenen ©tücfigüter, aU auf fein unöer=
gtcicr)licf)ei (Sebäctjtnife anfpielte.
2113 s^>. ]um zweiten sDtate in ^'abua, einer ^pocrjfcrjule ber Ütepublif
93enebig, bie ^rofeffur für fanoniferjee 9tecf)t betleibete, be^og er anfänglicr) ein
Honorar oon 80 S)ucaten, bas megen feiner Unjutänglic^teit 1484 auf 150 erbötjt
mürbe unb rooju mit 9tücffid)t auf feine nieten ©ötjne feit 1492 eine ^jarjreözulage
Pon 50 S)ucaten trat. — 3m 9toüembcr 1497 tjiett fictj ber ^}ommernl)erjog
SogiölaP X. (f. 21. S). 93. III, 48) auf ber .peimferjr au§ bem gelobten Sanbe einige
3eit in 93enebig auf unb rjörte im tjäufigen 9Jerfet)r mit ©eterjrten unb ®taatS=
männern baö Sob bei Söunbermannei, in melcr)e§ auctj bie Pon 23ogi£taP naclj
$abua entfanbten 93ertrauenimänner ■ — mar)rfcr)einlicfj tropft Martin ^?arit^
unb ©el)eimfct)reiber S)atmer — nact) itjrer -Xüdfetjr Pon bort cinftimmten. S)a
ber Herzog ber bamati t)errfd)enben Meinung b^ulbigte, bafe berühmte 91u§länber
ben ©lanz beutfetjer Uniöerfitäten ertjöljen (mefjrjalb mir bamali unb audb, fpäter
ißetrul ftaoennaj. 531
auf benfelben fetjr häufig franjöftfctjen unb toetfcf)en tarnen begegnen;, toar er
tion bem lebhaften Söunfcfje befcelt, %\ für feine junge, aber ber Hebung bringenb
bebürftige .£od)fcrjute in ©retfitoalbe 3U gewinnen. Ser toanbemeubige ^ro=
feffor fagte aud) fofori 311, macfjte aber feinen 2Begjug Don ber Srtaubnifc bei
Sogen abhängig. 2(gofio 23arbarigo trug anfangt Siebenten, einen ©eleijrten,
beffen 2ob in ganj Italien toibert)attte , Reiben ju (äffen; gab jebod) enbttcf)
ben üetfönlicrjen Q3itten bei -"peqogi nadj unb bie 8teHe tourbe §p. bis jur
:Jtücffeljr ini 33aterlanb offen gelaffcn. Sogiilao überfanbte iljm am 25. 5lo=
oember (1497) 100 Sucaten, „um ftdj bamit auiäuricfjten unb mit naä) bem
Sanbe Sommern ju reifen"; er felbft ging mittlerweile jum 53efucf)e bei ^apftei
nad) ftom. $m Sßorfrürjtutge bei näcrjften Satjrei (1498) 30g 5|3etrui mit feiner
itueiten ©attin, ber aärtlict) geliebten Sucretia, mit feinen ©ordnen: Sincentiui,
ber bereit! Soctor ber 3teci)te mar, unb bem jüngeren Sodann 23aptifta, mit
feinem Jödjterctjen IDtarieta unb bem Äoctje Gijrifioffero ba ^ftabiano, Pott bei
Sobei über bie |mlb feiuei neuen ©ebieteri nadj bem fernen ©reifitoalbe, Piel=
leicfjt ber „feltfamfte Sßoget 9JiinerPa'i, ber je über bie 2(fpen natf) Seutfdjtanb
geflogen". Sogtifaü ftanb bamati auf bem ©ipfel ber ^Jtacrjt unb bei 2ln=
feljeni; feine £)eimreife burd) Stalten unb Seutfdjtanb gticf) nacf) bem 2agebucr)e
bei ©erjeimfrf)reiberi Salmer unb anberen Stufjeic^nungen narjeju einem 2riumprj=
pge, toeit dürften unb ©täbte, toetcfje ber fjotje ©aft auf feinem SBege befudjte,
mit greubenfeften unb ©tjrenbeäeigungen toetteiferten, an benen •$., als im un=
mittelbaren ©efotge be§ Öerjogg, in ber Siegel trjeilnarjm. Seffen befonbere
grtebniffe erfahren mir aui ber 1508 ju 6ötn in ber Surfa Änt»cE
uerfaßten ..Criticomastix suae peregrinationis" bei ÜJlagifter Ortuinui ©ratiui
(f. 21. SD. 93. IX, 600), bamati ein begeifterter Slnrjänger 3ßetrui\ fpäter bie
3ietfctjeibe bei ©pottei in ben befannten epistolis virorum obscurorum.
Sie ßriticomafttr tft jur SBibertegung ber fölnifdjen ©egner bei % abgefaßt
unb überquillt auf jeber ©eite bom 2obe bei ©efeierten. (Sin 33rief bei £>rt=
min ©ratiui bilbet getoiffermafjen bie Sorrebe; er tft im gleiten £one tote bie
Griticomaftir felbft gehalten unb *ß. toirb bartn ali ber ebelfte unter allen
©eierten unb ati ber gelefjrtefte unter aßen @beln gepriefen! 9(m ©cfjlufj ber
Slbrjanbtung ift bai fef)r toarm abgerafjte grtoiberungifcfireiben unferei ©elefvrten
an ©ratiui angereiht. $. gibt ib,m rjierin bai ^eugnifj, gut unb richtig ge=
fc^ilbert ju ()aben ; „bocrj", fä^rt er fetbftbetouBt fort, „unfere Ueberfteblung
öerbient auc^ in ber 2l)at folcf)e 5(nerfennung". — Sie Srtticomaftir erjäfjlt
tn fefjr breiter Söeife , baB beim äBegjuge bi^ 5ß. in 33enebig toie ^abua unter
allen Männern unb grauen tieffte Trauer getjerrfcfjt fjabz unb bafj bie an letj=
terer ^o^fc^u(e ftubierenben Seutfcf)en i^rem sUleifter gefolgt feien. 2lli man
nacf) ä^nibrucf tarn, too eben sFCarimiliQn I. ^>of fjielt, tiefe ber ^önig, obmo(
unpäBticr), jeboc^ begierig ben Soctor fennen ju lernen, biefen noctj jur 3iactjt=
jeit rufen. % fe^te bie aui 9totabe(n, ©taatimännern unb ©cletjrten beftel^enbe
Q5erfammlung burc^ feine ©ebäcrjtnifjrunfte in ©taunen, befang fobann in
tateinifc^en Werfen be^ ßönigi ßob, mit bem er bai feines neuen ©ebteteri öer=
flodjt, unb fucf)te jule^t in feiner .^öftingitoeife aui ber ©loffe bie 2tbf)ängtgfett
ber europäifc^en Könige tiom römif($en ^aifer bar.jut^un, roorauT er mit @f)ren=
bejeigungen unb bem Sitet einei .,eques auratus" tjutbüott cnttaffen tourbe.
$. ^at fpäter bie in ©egentoart «Dflajimttian'i aur Ülac^tjeit öorgetragenen car-
mina a(i 33ei(agen öerfc^iebener feiner Söerfe öeröffentticrjt. Wü Sogiitaö ge=
langte er im SipriC 1498 nac^ Sommern unb ©tettin unb tourbe fobann bom
-iperjog felbft nac^ ©reifitoalbe geleitet, too er an beffen ©eite einrttt, öon ber
Gintoot)nerfd)ttft freunblic^ begrübt. 2Benige Sage barnadj (am 24. 3lpri()
34*
532 ißettttS 3tat>cnna#.
mürben ty. unb fein ©ohn 93incentiu8 immatriculirt; ber (Hntrag in ba§ Uni=
nerfität§album burd) ben SRector Sordmrb 23ecfeinann au§ ©tralfunb, (Sollegiat
in bcr 9Irtiftenfacultät, lautet: „Praestantissimus perceleberrimusque utriusque
juris interpres, dominus Petrus de Ravenna, intitulatus XXIIIj mensis aprilis,
nihil solvit.
Egregius ac eximius vir, dominus Vincentius de Ravenna, praememorati
domini doctoris Petri filius, utriusque Juris doctor; nihil solvit; qui quidem
domini Doctores per serenissimum principem nostrum dominum ac ducem
Bugeslaum non minimis expensis de Italia ad nostram almam universitatem
pro reformatione ejusdem Universitatis sunt adducti.
©leichjeitig mürbe auch ber $och 9flabiano , at§ jur uniüerfität3juri§=
biction gehörig, umfonft mit infcribirt.
2113 gacultätgcottegen hatte ber Sftaöennate aujjer feinem ©ohne ben 9lico=
lau£ Souroc au§ (Stettin , ben Sovenj 33oft)olt unb ^einrirf) 33uforo auS
©reif§te>albe.
©d)on am 3. 9Jtai beffelben ^of)*^ würbe s}>. "0$ bamatä befteljenber
Hebung, 9ieuberufenen ba§ 9tectorat anzutragen , jutn SRector erroäljtt , meld)e§
Stint er im grüijjatjt- 1501 abermals befleibete. 2ludj ber ©of)n 23inccntiu§
mar jroeimal mit ben 9ftcctorat£gefcbäften betraut; ba§ etfte 93t at im grühjaljre
1499, ba§ jmeite 93tat im ^rüt)ja^ve 1502, nun aU .ftanonifuö Bei ©anct
Nicolai bezeichnet. — Unmittelbar nad) ber ^mmatriculation begannen bie Qjor=
tefungen über beibe 9ted)te — ba§ römifche unb fanonifdje. 2Iuf mieberholteS
Slnfudjen herüorragenber ©reifgroalber Bürger, ein ©utadjten barübcr abraffen :
ob flüchtige 23erbred)er an geheiligter Stätte «griffen merben bürfen? fchrieb
s$. feine Stotjanblung: „de immunitate ecclesiae". 91m ©<f)tuf;e jagt er, im
33efihe roeniger meift neuerer 93ücb>r rjabe er ba§ Weifte au§ bem ©ebädjtniffe
fd)öpfen muffen; allein er miffe eben nebft bem corpus juris jroanjigtaufenb
©teilen gelehrter S)octoren unb fiebentaufcnb 23ibelfprüche auöroenbig. $ie Sl&«
hanbtung rourbc JU £übed 1499 in golio (50 581.) mit fchöncr 1Rönd)§fchriit
per niauistruni Lukam Brandis gebrucft. ^n ben erften Octobertagen 1500
fjictt ber daminer 23ifd)of, Martin ^arith, eine ©tjnobe ^u ©tettiu, auf rocldjer
neben liturgifdjen fragen bk Äirdjenjucrjt beljanbeit mürbe. $m auftrage be§
23ifcb,ofS üerfafcte ty. eine längere Ütebe, bie er bei Eröffnung ber ©imobe galten
wollte ; ha aber bieä au§ ifm unb un§ unbc!annten ©rünben nicht geftattet
mürbe, liefc er fie in feinen „opusculis aureis" brucfeu. 2)iefe Dtebe bilbet einen
fetjr anjichenben Seitrag jur ©ittengefd)id)te jener 3e** un0 tx> i x*f t ein grelles
Sicfjt auf ben bamaiigen loderen Söanbet be$ ßaminifd}en (Stents, ty. eitert in
feinem Vortrage gegen ba§ 3U= lin& 33ortrinfcn , gegen SBürfel unb 23ei*
fdjläferinnen, äugleid} marnt er hör Beherbergung hon £)tftrionen, hör mutf)=
miHigen ©djaufpielen unb bem auftreten berlarbter ©eiftticfjer bei ^irctjenfeften !
1502 erfcljiencn ju ßeipjig (in ducali oppido Liptzensi) bei 33accatarium
3Bolfg. 5Jlonacenfem bie „aurea opuscula" (54 33t. in Cuart). ©ie enthalten
1) bie oben ermähnte ©ljnobalrebe: „Sermo Dom. Petri de Ravenna etc. quem
habiturus erat de mandato domini Martini dignissimi Episcopi Caminensis
etc. etc."; bann 2) eine Sammlung ..argumenta et responsa juris" nebft einer
Slntoeifung über ba§ 33erfat)ren beä ©adjmatterS bei ©ericht. 3) £>en ©d)tu^
bilbet eine 9teih^e bon jetin lateinifcften ©ebidjten: 9ln bie ^eilige Jungfrau, an
bie guijörer, an ^erjog 33ogielab unb bcffen 9lät^e, an ben ^ropft hon Sübed
unb anbere namhafte ^ßerf önlidjf eiten ; mc^alb er bemerlt: ba§ 93üd)tein follte
eigentlich, libellus florum hjifjen.
33or Sßeröffentlidjung biefe§ 3Berfcl)en§ fmtte ty. auf (Jintabung Hamburg
unb Sübeci befud)t; bortfelbft Responsa erteilt unb ju Hamburg in einer
Petrus ÖiaDenncü. 533
(Siegte bett ftatt), ju Sübecf ben ^ropft 23orft)olt, unb, tvot} fetner ^atjre, bie
frönen {yrauen befungen. (^n ben aureis opusculis finb e§ bte ©ebidjte [III]
9fr. 3, 4 unb 5.) Um jene 3eü fdjrieb tf)m aud) ber Sänenfönig ^orjann:
SSeun fein (bes Königs;) 9tame bei ty. noci) trgenb toeCc^eS 2lnfeljen genieße,
möge et fofort ju itjm fommen; es tjarrten fetner mannidjTadje unb fdjtnierige
jurifiifcrje Sltbeiten, bte feiner fo roie er jtt löfen öermöctjte unb |üt beren Gr=
lebigung ber $önig fetjr banfbar märe. 2ludj bte Jperjoge öon ^Jtedlenburg,
Sodann unb Saltfjafar, fanbten Soten an 5ß. , bie bei it)m 9latr) erfjolten
unb it)n einluben in Ijerjoglidje S)ienfie ju treten. $. mar tnbefj burd) bas
bem öer^og Sogistaö gegebene 2Bort gebunben unb fonnte befcfjalb &en freunb»
liefert 2lufforberungen feine Ofotge geben.
Ürotj be§ gemaltigen ©egenfatje« aroifcfjen bem Weiteren füblidjen Fimmel
unb ber raupen Dftf eefüfte , 3roifd)en ben blütjenben ©tobten Dberitaliens unb
bem befdjeibenen ©retfSroalbe, ift in biefer Oticfjtung feine Älage bes 5ß. laut
getoorben; er ferjeint fid) in feiner neuen, norbifdjen £eimat balb unb leidjt 3U=
redjt gefunben ju tjaben, getragen burd) bie befonbere ©unft bes ^erjogs unb
ausgezeichnet burd) einen ungeroöljnlid) tjotjen ©efjatt. Severe Umftänbe mögen
für bie älteren ^rofefforen eine Duelle bes Leibes unb ber ©djeelfudjt getoefen
•fein; fie führten jebod) 3U feinem 3erroürfniffe. 5ß. ftanb öietmeljr mit ber
DJtetjr^arjt ber t)eT3ogtict}en Dtätlje in fetjr gutem Sinöernetjmen, namentlich roaren
er unb fein ©ot)n eng befteunbet mit bem ifjnen gefinnung§öerroanbten D. ^orjann
t). ßitfdjer aui ^Reißen, weldjen 33cgi§laö in ©adjfen fennen gelernt unb ju
fiel) als SSerattjer gerufen tjatte. Slber aud) *ß. toutbe fjäufig in organifatorifd)en
unb jutiftifdjen fragen ju ©utadjten aufgeforbert; fo toegen 3euSenDOi;tQ°un9f
ber s$rin,3effinnenfteuer, tuegen Ser)ent)eimfa£[g u. bergl. m., lueldje fünfte ber ©e=
fragte pm Sßerbrufje bes 2lbel§ ftets im (Sinne be§ feinen 23ortt)eil ausbeutenben
^perjog* entfdjieb.
Sine öerfjeerenbe ©eudje, toeldje im ©ommer 1501 2)eutfdjlanb rjeimfudjte,
unb im rolgenben ^al)re aud) in ^ontmern auftrat, betanlafjte ben 9tector mit
mehreren Uniöerfität§angel)örigen nad) bem nat)en SDöridjen SJerfefoto 3U fliegen,
too aud) •}>. mit ben Seinen bi§ jum Grlöfdjen ber ^ranfr)ett blieb unb erft im
Cctober 1502 nad) ber ©tabt aurüdfefjrte. £rot$bem fiel fein ütödjterdjen
^Jlarieta ber tüdifdjen $ranff)eit am 25. Cctober 1502 junt Opfer. 2)ergeblidj
tjatte ber fromme Später ben ©djufcpatron in ^eftjeiten, ©anet 9tod)u§, in einem
(in ben aureis opusculis abgebrudten) ©ebidjte angefleht. S5ie äman^igiäfjrige
2od)ter rourbe mit öielem ^3ompe bei ben SDominifanern beftattet unb mibmete
it)r ber SBruber SSincentiu» im Unit)erfität§atbum einen rüf)renben 3tad)ruf.
tiefer fctjmerjudje Sßerluft toedte bei ty. unb feiner ©attin Sucretia bie bisher
3utücfgef)altene ©el)nfud)t nad) ber fernen Heimat mit öotter 5Jtad)t. Umfonft
Uerfud)te S3ogislaü, umfonft üetfudjten bie befreunbeten 9tätl)e, befonber§ Sodann
t). ^itfdjer, ben gefd)ä|ten Saft aurütfpljalten , ber nad) ber Sriticomaftir in
©reifsroalbe „mehrere" Äinber berloren.
%m Slprit 1503 öerlie§ er mit feiner (Sattin unb feinen beiben ©öf)nen
(Skersroalbe. Ser .^er^og befd)enfte it)n mit einem eblen Ütoffe, rjunbert S)ucaten
unb lief} iijm ein rütjmenbeä @mpfel)tungsfd)reiben aufteilen. Äurfürft griebrid) öon
©acr)fen rjatte eben bie tjotje ©d)ule ju Sßittenberg gegrünbet; at§ er unb fein
S3ruber Sodann öon bem 53efd)luffe bes berühmten Italieners rjörten, luben fie
il)n burd) abgefanbte 53oten jum S3efud)e Pon Söittenberg ein, empfingen itjn
nad) Grtroins 3Serid)t fd)on öor ben 2r)oren ber ©tabt unb geleiteten ifjn mit
QToBem ^pompe in btefelbe. .ßurj barauf, am 3. 9ftai, tjielt er an ber Unioer=
fität einen ferjr intereffanten Vortrag: über bie ©etoalt bes $ßapfte§ unb be§
römifdjen Äaifer§ (de potestate summi pontificis et Romani Imperatoris), morin
534 5Petru3 9iar»ennag.
er u. 91. £etjterem bie 33efugnifj einräumt, oijne 9JHtwirfung bc* sJ>apfteg Uni*
Perfitätcn ju grünben.
Salb entfpradj er aud) bem Wunfdje ber dürften, an ber neuen ^odjfdjute
SefjrPorträge 3U galten. Sod) fdjeint er toaljrjdjeinliclj aug 5RüdEfid)t auf leine
bisherige ©teile bei 93ogigtaö fein orbentiid)cg 8er)ramt — feine lectura ordi-
naria — übernommen 3U Ijaben; beim er ift Weber bei ber Uniüerfität im»
matricuürt, nod) ift er irgenbmo atg Ordinarius Witebergensis auigefürjtt.
dagegen finbet fidj Sincentiug im Winterfemcfter 1503 4 atg Vincentius de
Thomais Ravennas U. J. Dr. Paduensis in ber "üJlatrtfel eingetragen, unb würbe
nidjt blofj jum ^rojeffor ernannt, fonbern am 23. Wai ober 1. i^uni 1504
fogar 3unt Slector ermät)It. Sod) bewerft 23altf)afar in feinen f)anbfd)riittid)en 3u=
fätjen 3U feinem „Öeben ber ©reifgmalber Suriften" : ber fturfürfl Ijabc balb
wahrgenommen, bafs 33incentiug in feinem Wanbct fein fo öor^ügtidjer $ftaun fei,
wie er bem Äurfürjien buref) beffen Statt), 2>octor lötattinug ^o'ttidjiug 9)cetter=
ftabtiug, bargefteüt roorben. 9ilg D. «RicolauS «Dtatfdjalf öor Oftern 1505
Wittenberg Pcrlieft , erlangte 33incentiug bag Drbinariat beg Gober. unb behielt
e3 big 311 feinem Wbjuge im Spiitfommer ober .sperbft 1506. Um Watpurgiö
1507 erhielt beffen ^rofeffur Dr. .Oieronljmug «Sdjüvpf- —
Ter äJater ty. f)ielt, raie bereitg ermäl)nt, nur auftcrorbentüdie Sortefungen,
inbem er an ^efttageu in ©egenwart ber fflfftlidjen SSrübei feine „sermones
extraordinarii" bortrug , bag finb 24 Dieben über öerfd)iebene religiöfe unb
moralifcfje fragen, meiere (nad) ßöfetjer) bereite 1505 ju Wittenberg in officina
Trebelliana im 2>rude crfd)ieneti unter bem litcl: „Sermones extraordinarii et
pulcherrimi cum multa rerum et liistoriarum copia clarissimi, — — miranda
memoria praediti Doctoris Petri Ravennatis Itali . quos diebus festibus suis
auditoribus pronunciavit in Universitate "Wittebergcnsi assidentibus serenissimis
principibns lllustrissimis Saxoniae dueibus Frederico Electore et Joanne
fratribns." 9fufjerbem teerte ty. nad) eigenen Gompenbien tömifdjes unb fano=
nifdjeg Ütedjt. Sag compendium juris civilis erfd)ien fdjon 1503 (Albiburgi. 4°);
ber erfte 3:t>ei( beg compendium juris canon. „in cpuo innumerabilia auiea et
elegantia dieta continentur" cbenbn am 20. 9Iprit 1504 mit einem Jpulbigungs=
fdjreibeu an ben Äurfütften fdjliejjenb; am 26. 2ljml 1506 folgte 31t Seidig
bei SCÖolfg. sDtonacenfig ber jroeitc Xfjeit biefeg umfaffenben Werfeg, an beu fidj
nod) ein britter anreihte. — 3>n einer fpäteren Gölner s.Huggabe ift bag com-
pendium in 3 partes geseilt unb finb bie sJ3taterien alptjabetifdj georbnet.
Pars 1 umfajjt bie Sucrjftaben a big h; P. 2 i big p. ftol. CCX beginnt
P. 3 bujus utilissimi compendii, jutefet: conclusio, b. f). 9lnrebe an bie Qu=
fjörer. betrug aätjtte in Wittenberg mannen ^reunb; 31t biefen gehörte aud)
^ticotauä s)Jtarfd)atf , ber bie Söorrebe 311m compendium juris civilis »erfaßte,
bann Äitian Leiter aug 9ttetterftabt unb Jperman Srebetiug aug Sifenadj, weldje
bie Sßeröffentltdjungen it)re§ ©önnerg mit ©ebidjten fcfjmüdteit , wätjrenb Ijin*
wieber biefer bebadjt mar, bie fädjfifdjen dürften unb bereu erfte ^Beamte in
roof)tgefebten Werfen 3U befiugen.
©0 günftig fid) tjiernad) für $. bie Singe in Wittenberg gematteten , fo
mar bod) aud) fjier feines 33(eiben§ nicf)t. 3m Sommer 1506 brad) bie 5J5eft
au§, roefrfjalb bie Uniöerfität am 4. ^nti (naef) ^Jcutr)er am Utrid)itage, beut
7. 3Iuguft) naef) bem £aubftäbtd)en ^er^berg berlegt mürbe, mo fie big Anfang
Secember beffelben ^afrreg üerbtieb. ?lud) ty. fd)(o§ fein Kollegium über
(iiüifredjt im Quli mit ben Worten: „Wie id) ferje, liebe 3U^^» üertreibt
ung bie s4>eft.. Bo ©ott roütt, gebenfe id) feiner 3^it bas begonnene Werf 311
üoüenbeu!" Siefer iöorfafe fam jebod) nie jut 2lugfüf)rung ; benn $. 30g, an
mehreren beutfdjen tf)0cfjfcf)ulen öorfpred)enb , auf Umwegen nad) ßöfn , beffen
^etrus jRaDcmtas. 535
UniDerfität ficf) gerne bal „beutfcfje >ßaril" nennen fjörte, obroofjt beten roifTen=
icfjaftlicfje Stiftungen auf biefen fjoctjftrebenben tarnen bamall feinen Slnfprucf)
mefjr öerücfjen.
S)octor äHncenttuS fdjeint ben Sätet nidjt begleitet, fonbetn SBittenbetg
fpäter öerfaffen 3U fjaben, unb öon t>a unmittelbar nacf) Italien jutücfgefetjtt
3U fein. 33afb bataui routbe er Ütubitor bei Garbinall öon <&t. ©abina in
9tom, unb toar nacfj 23erficfjerung bei Ratete eifrig bemüfjt, allen Seutfcfjen,
bie ficf) am päpptidjen «£>ofe an ifm toanbten, fulireicrje §anb ju bieten. £ter=
mit fcfjliefjen bie ^tacfjricfcjten über 33incentiul unb ift uns" über beffen fpäteve
©djicffate nicfjtl befannt. —
5ß. mar na et) J?ötn ein gtänjenber 9tuf öorangegangen unb man faf)
feinem öffentlichen 2luitreten mit größter Spannung entgegen. 3Benn mir ben
übertteibenben ©djilbetungen bei Crtroin ©ratiul Stauben beimefjen bütfen,
fonnte bei ber erften 33ortefung ein jefjr geräumiger Saal nidjt bie sDJlenge
ber ^lerbeiftrömenben i äffen. £icf)t gebrängt ftanb man bil roeit über bie
2tnne fjinaul noef) im freien. 3Jcand)er fucfjte ein ^lärjdjen auf ben tieften
ber öor ben {yenftern befinblicfjen Säume; anbere im Sparrenroetf bei Sadjel.
2em gemaltigen ©ctöfe , buref) bie Stnroefenfjeit fo Vieler entftanben , folgte
plöt?lid) lautlofe ©title. s4>- t001' erfefnenen unb fmtte ju fpredjen begonnen.
3Bie ein majeftätifcfjet Strom ergofj ficf) feine fftebe. 2lüel laufd)te mit ungeteilter
3tufmerffamfeit. Unb all er geenbet, ertönte ein gematiiger Seiialilfturm,
mie man ifjn ju ßöln faum noef) gefjört. — 2)er ütattj ber freien 5Reid)lftabt be=
eilte ficf), ben ©elefjrten für bie Uniöerfität 311 geminnen unb 5ß. übernahm gegen
ein jiemlicf) befcfjeibenel Honorar ben Vortrag in beiben Otecfjten, morauf er am
3. jtecembeT 1506 immatticulirt unb ifjm ..ob reverentiam personae" bie üb=
ticfje ^nfcriptionlgebüfjr nacfjgelaffen mürbe. 5£a er auef) feine sermones extra
ordinarii jum ©egenftanb einer 23otlefung macfjte, beforgte er im SBinter 1506 7
eine neue Slulgabe berfelben unb reifste an fie brei roeitere , fefron früher öer=
öffentticfjte SBerfe , bie „Repetitio C. inter alia de immunitate ecclesiae". ben
..libellus de potestate Papae & Imperatoris", enblid) ben „Clypeus contra
doctorem Cajum impugnantem suum consilium", ber bereite 12 Cal. Julii 1503
3U SBittenberg in -i0 bie treffe öettaffen tjatte. 2lm ©cfjluffe bei SBucfjel
tfjeitt ber Sßerfaffer bem Sefet bie biograpfjifd) roicfjtige >Jtacf)ricf)t mit, bafj er
unb feine ©attin in ben Drben ber Jertiarier öon ber 9tegel bei fjeiligen fjfran=
jigcul getreten feien. 2>m folgenben ^afjre (1508) üeröffentlidjte 5ß. fein be=
fanntel ..Alphabetum aureum'- ( Alphabetum aureum famatissimi Juris utriusque
Doctoris et equitis aurati dni Petri Ravennatis itali. quod ob publicam
Scholasticorum utilitatem ac ut multa ex tempore in utroque Jure tum
opponendo tum respondendo tum etiam determinando memoriter pronunciare
possent. in lucem edidit, atque amplissime Germanorum universitati coloniensi
nuneupavit); nacf)- ber Slntage unferen juriftifcfjen (Jncnflopäbien öergteicfjbar,
aber an Umfang unb 2iefe bei ©efjaltel roeit fjinter biefen jurücfftebenb , benn
bal SBucrj entfjält eine ftjftemlofe Slneiimnberreibung jutiftifetjer begriffe unb
Dtecfjtlf vagen, fammt beren (Erläuterung in alptjabetifcfjer Drbnung, bereichert buref)
einen grofjen Gitatenfram unb beftimmt, öon ben ©djüleru aulroenbig gelernt
}U merben. 9tur buref) ben grofjen 5Ruf bei 3}erfafferl ift cl etftärticf), ba§ biefel
äöerf in öerfjältniBtnäfjig rafcfjer öfofge öier Auflagen erlebte. Sie 3roeite
erfcfjien in bem nämlicfjen ^afjte mie bie etfte, 1508 (impressum Rotbomagi
per P. Olivier); bie britte am 6. Februar 1511 ; bie oierte beforgte Dr. ^ofjannel
2f)iererj ju Srjon 1517. S)em 9Ilpfja6ete finb noef) beigegeben bie iroenige
SSlätter umfaffenben) ..Dicta quaedam notabilia quasi extra vagantia sine ordine
alphabeti" ; bann bie ..Allegationes et conclusiones in materia consuetudinum" ;
536 Petrus JRabennal.
toeldfje unter beut 2itel: „Enarrationes in titulum de consuetudine'' audj in
befonberem ©tucfe ausgegeben mürben. $n ber 3. unb 4. Kurtage ift bie merjr
erroäfmte Griticomaftir beS Ortroin ©rattuS angehängt , nebft befjcn 93rieie an
ty. unb bem 9lntmortfd)reiben beS 9tabennaten, roeldje beiben (Sd)riftftütfe fd)on
früt)er fura bcfprodjen rouvben. — 2>ie günftige Slufnatjme, meldje ber 2lnfömm=
ling fofort bei feinem erften (Srf djcinen in $öln gefuuben rjatte, [inerte itjm
unter ber 33ebölferung jar)(reicf)e 9lnr)änger, bereu tarnen mir au§ ber 6riti=
comaftij erfahren; mir finben unter bieten anberen beu *protonotar beS apofto=
Iifd)en StutjteS, ^ropft 91nbreaS be 33enroeb, bie SßÜrgermeiftcr ©erwarb b. Söefet
unb ©ertjarb SGßaffer, ben erjbifd)öflid)en fiscal Urban be 33ierfen, 3of). 9ftincuS,
ber SßettuS malen unb befjen 33ttb in feiner SBotmung au'tjängen liefe, ben
©nglänber -gmrifiuä, ber gleid) einigen g^niben beS $. megen nact) $öln ge*
fommen , unb mehrere Slnbere.
216er aucr) an ©egnern fehlte eS bem roelfdjen ©afte nidcjt, an bcren (Sbitje
fein ©cringcrer ftanb a(S ber üDominifanermönd) $acob .ipodjftratcn (f. 31. 3). 23.
XII, 527), einer ber einflufjreid)ften Männer beS tt)eologifd}cn 2)eutfd)lanb, boct)
fdjlimm gefennjeicfjnet in jenen epistolis obscurorum virorum; mit itjm unb
feinen 2lnl)ängem geriet!) s4». in eine miffenfdjaftlidje getjbe , bie beiberfeitS mit
großer 3ät)igfeit unb fteigenber Erbitterung geführt mürbe. (Dr. 9ttutt)er l)at in
feinen Söorträgen „9IuS bem UniberfitätS* unb ©etetntenleben im Zeitalter ber
Deformation", <S. 99 u. ff., unter bem £itel: „9luSgang beS }}etruS SiabennaS"
ben Verlauf unb bie (Jinaeltjeiten biefeS r)ötf)ft unerquirflidjen (Streites fer)r
auSfürjrlid) gefdjilbert.)
Um ^ofjanniS 1507 erfdjien bie arbeite Ausgabe beS Jus canonicum; auS
iljr entnehmen mir 2 (Streitfragen , roeld)e jmifdjen s$. uno oen Kölner 2tjco=
logen 311 s3Jteinung§bcrfd)iebenr)eiten geführt blatten. SS)ie crfte (Streitfrage betrifft
bie "Jtatur beS Qetynim. ^. tiertritt in Uebercinfttmmung mit ben Äanoniften
unb gegen bie 9luS|ül)rungen eines ungenannten 2)octorS ber £r)eologie ben
Sat} : bajj bie 3cr)cnten nictjt juris humani. fonbern juris divini, fotjin unber=
järjrbar feien. 2)er jroetten ßontroberfe lag ber concrete ftatl ju ©runbe: bafj
bie Verausgabe beS ßeicrjnamS eines reuig am ©atgen berftorbenen 93crbred)erS
betjufS fird)tid)en 23egräbniffeS berlangt mürbe, ty. rjatte bie 2Intmort erttjeitt,
bafj bie iUerroeigerung biefeS Verlangens gegen göttlidjeS, menfd)lid)eS unb
natürliches Atedjt öerftofee unb forooljt guter Sitte mie 2lnftanb miberftreite! . .
(Segen biefen SluSfprud) richtete nun |)od)ftraten anfangs 1508 ober 1509 bie
(Streitschrift : Justificatorium prineipum Alamaniae a Jacobo llochstraten com-
pilatum , dissolvens rationes P. Ravennatis (s. 1. e. a. '). daneben beröffent=
tid)te ©errjarb tion 3ütpt)en, ber freien fünfte unb ber Ideologie ^rofeffor, ben
„Tractatum de cadaveribus maleficorum morte punitorum ad considerationem
Alamaniae Prineipum et aliorum Judicum.'" (Colon. 1508. 4Ü.)
S)a $. unb bie Kölner Xrjeologen übereinftimmenb ber papiftifd)cn 9ticrj=
tung rjutbigten unb bie erroärmten dontroberfen als tr)eologifcrje im ftrengeren
9ßortfinn nidjt beacidjnet roerben fönneu, mirb man faum fel)l getjen, menn man
bie eigentliche llrfad)c beS 3lr)'fte§ jmifdjen ^ß. unb feinen fölnifd)eu 3Gßiber=
fadjern auf gan^ anberem ©ebiete fudjt. Zweifellos erregten bie burctjfdjlagenben
(Srfolge beS roelfdjen ©afteS ben 51eib unb bie ©d)eelfud)t ber @inl)eimifcr)en, ju=
mal %y, bon Ueberrjebung unb (Jitelfeit nidf)t frei, mit einem berletjenben ©elbft=
gcfül)le aufzutreten pflegte. 21uctj DrbenSeiterfüd)teleien mögen eine beadjtenS=
roertt)e Dotte gefpielt tjaben ; menigftenS maren bie 2)ominifaner fetjr ungeljalten,
i>a% ^}. unb feine grau Sucretia Sertiarier geroorbeu. 211S bie Sractate bon
|)od)ftraten unb ©erwarb erfdjienen, mar ^. gerabe bamit befdjäftigt, einige
„dieta uotabilia': ju feinem alphabetum aureum jujammenjuftellen. @r benü^te
Petrus ftaberma?. 537
biefe ©elegenfjeit, in ben dictis bie 3Weite Streitfrage ,}u berühren unb 311 feinen
©unften bie fctjwerwiegenbe SCnfid^i bei gefeierten fünften $8atbu§ be llbatbis
in£ treffen 3U führen, $aft gleichzeitig trat er mit einer jjtoeiten ©crjrift gegen
£)oct)ftraten auf, Welcfje ben Xitel fütjrt: „Yalete cum perpetuo silentio ad
clarissimum tbeologiae professorem magistrum Jacobum de Alta platea, ordinis
predicatorum . Petri Ravennatis J. U. Doctoris de bassa platea etc." ; ^etrus
nennt ftdj t)iex im Söortfpiele mit ^odjftraten's latinifirtem tarnen (de alta
platea) „de bassa platea" (öon ber nieberen ©tra|e , b. t). Pon geringer ,!per=
fünft), unb Perttjeibigt feine atterbings berbe ßampiweife mit bem fwcbjafjrenben
©egner burd) bie ironifetje Sefjauptung: er jei eben plump an Äörper unb
(Seift, muffe barjer plump öorgefyen, Weil plumpem plumpes gezieme. Gr motte
fid) inbefc bei bes ©egneri 3llbernf)etten nid)t länger aufhalten; er werbe bas
öon Jpocrjftraten ausgegebene SBüdjtein nebft feiner Entgegnung in Italien bruefen
taffen, bie italienifctjen Sloctoren mögen bann über biefe Umgereimttjeiten
urteilen.
$. ftanb in ber Ijeifjen fyetjbe nidjt allein; er fanb in Crtmin Pon ©raes
tränige llnterftüfeung, welctjer in ber mefjrgenannten (Sriticomaftir (ad Petr.
Ravennatem suae peregrinationis Criticomastix ift ber bolle Name ber 2lbr)anb*
lung) für ben angegriffenen in bie ©djranfen trat, beffen 23anberfd)aft recb>
fertigte unb in atterbings ftarfer Uebertreibung bie Seiftungen unb Serbienfte
bes ty. fjerPorrjob. Drtmin's Sßerfjalten bleibt jebod) ebenfo rätfjfeltjaft als auf=
faßenb; benn wäfjrenb er 1508 jene, man barf fagen, begeifterte (Sc^n^fdtjrift Per=
öffentlid)t , finben mir ifm 1511 im Sager ber ©egner bes Petrus, ba er ber
1511 erfctjienenen britten Slulgabe Pon ^octjftraten's „Protectorium prineipum
Alamaniae" ein lobenbei £)iftid}on üorausfe&te unb bem 2)ominifaner ©erarbus
be ^utpljania eine rjöcbjt flosfetreicfje ©rabfdjrift roibmete. — (Sbenfo rätfjfelfmft
unb auffällig bleibt es, bafj bie bekannten epistolae obscurorum virorum, weldje
an 3tuei ©teilen (33tief 20 unb 50, SSanb II) bes 3taPennaten gebenfen, unb
Ortwin als ..poeta, orator et pbilosophus, nee non theologus et plus si vellet"
Perfpfmen, Pon jenem sFieinungswec£)fet feine (Srroäfjnung tf)un, obtoot er für
ben Skrfaffer ber 23rieie eine fefjr brauchbare SBaffe gegen ben 9ftagifier ge-
rn efen wäre.
Sie beftänbtgen Nörgeleien unb Eingriffe bon ©eite ber Sominifaner Per*
leibeten $. atlmäbjicf) ben Slufentljatt im „gtücf ticken, beiligen £ötn, ber be-
rütjmteften ©tabt 2)eutfd)lanbs", unb er rüftete fid) jur 3lbteife nadj ber erf efmten
£eimat. 2lm ©onntag ^atmarum, ben 16. 3lprit 1508, fjielt er Por einer
grofjen 9Jtenge in ber ^Rinoritenfirctje feine Slbfcbiebsprebigt über ben 2ob unb
Perliejj unter Ijet^en Spänen bie Äanjel. 3lm Sonuerftag nad) Dftern
(27. 2tpriO beftieg er ein ©ctjiff unb fub> einftmeiten nad) ^Jlaina ; benn bie
fofortige 9tüdfef)r ins SSatertanb mar untlmnlicf) , weil an s$o unb Slbba ber
$riegslärm tobte unb gerabe bas ^abuanifdje ©ebiet mit feinbtidjen Xruppen
überwogen mar. 3n ^Jlain^ mürbe bem grembting warmer Söittfomm. SBenige
Sage nad) ber Sanbung fpradj er in äatjlreidjer ©eletjrtenüerfammlung (welcher
aueb, ber päpftlid)e Segat Pom ^eiligen Äreuje anmofjnte), unöorbereitet über
einige itjm angewiefene ©teilen be§ .gjebräerbriefes unb bie ©eWalt einel
Segaten a latere. worüber letjterer fic| feljr beifällig äußerte. S)ie Uni=
oerfität übertrug irjm alebalb bie lectura ordinaria in jure canonico unb er
la§ nod) gegen (änbe bei ©ommerfemeftere 1508, wie wir aus ber Stu^eidmung
eines feiner 3ut)örer, ^of)aune§ ©orbiüo , erfahren. 3m Same bei ©ommerl
öoltenbete er fein ju Äöln begonnene! ..Compendium breve in materia con-
suetudinum feudoruni etc." 2)ie SBibmung 1 praefatiuneula) an $aifer 5Jlaji=
mitian ift batirt aus Äöln am 13. 2tprit 1508 unb flo^ aus ber fteber feines
538 '.JJettn* MaDcnnac-.
©d)ü(cr3, be3 6ng(änber3 ©uilelmu3 £arifiu3, jur. wtr. baecalaureus, ben mir bereite
in $ötn fennen gelernt fjaben. — % bejeidjnet im Eingänge biefe3 2Berf au3=
brücflid) ali fein (et$te3, ba er nad) Pieleit 9Jlütjen enbtid) ju rutjen münfcfjc.
^nbcffen merbe er nid)t üerfäumen , bem Sfacob £)od)[traten ju antworten , ber
tiott #odjmutlj, 2)reiftigteit unb (Sigenbünfet, in großer Sgnorana über 9ied)t3=
matericn getrieben tjabe, obtoot er jmifdjen ben Stementtnen unb bem über
sextus faum unterfdjeiben tonne unb niemals £örer be3 9ied)t3 geroefen fei!
Setjtever entgegnete auf ba3 ^öüdjtcin „Valete cum perpetuo silentio etc'
mit ber „Sd)otafiifd)en Sßerttjeibigung ber dürften 2)eutfd)lanb§ barin, bafj fie
bie Sßerbrcdjer unbeerbigt am öalgen laffen", ma()rfd)einlid) nur ein ctroa3 Per=
mehrtet SBieberabbrud be3 1508 erfdjienenen Justiticatorium Principum Ala-
maniae, ba3 1511 mit einem £obgebtd)te Drtroin'3 in brittcr Auflage erfdjien,
nadjbem ,<pod)ftraten mitttciroeile jur rotdjtigen ©teile eine§ inquisitor haereticae
pravitatis ernannt roorben mar.
2Bäljrenb aljo -£)od)ftraten ben Kampf fortfetjte , fudjt man bergebenS nad)
ber tion ty. im comp, feudoruni in SXu3ftd)t gefteltten @ntgegnung3fd)rift ; er
fd)eint burd) ben Job baran öettjinbert morben ju fein. 3lut eine fefjr triftige
.Cunberung3urfad)e tonnte bie Gmüttung ber fe|r beftimmt gegebenen ^ufage
bcreiteln. — S)a mir nad) bem Sommer 1508 jebe ©pur unfereS ©etetjrten
Pertieren, ift mit ©tunb anmnetjmen, bafj er in ber jroeiten <g>äCfte biefeS ober
anfangt be3 näd)ften ^atp-'cö bae 3eittidje fegnete. SBir tjaben über ben 2ob
bc£ $. feine unmittelbare 9tadjtidjt; Pon Gelang ift ein iörief , ben 9teud)tin
am 1. 9toPembcr 1518 an ben Sarbinat 9Id)ilte* be Graffi3 riäjtete. 6r fprid)t
tjierin bon ."podjftraten , ber fid) rüfune, $ettit8 Wabenna3 au3 Köln beitrieben
ju tjaben, unb fdjreibt bann mörttid): „£cr göttlid)c <ßetru8 föabcnnaS ging
burd) biefe3 Ungeheuer bon Wenfcrjen, Aschthrata I. R. VII (benn fo mirb auf
Sljalbäifd) aud) ber Xeufel genannt), unter — au3 Kummer (prae maerore)".
*p\ tjatte 1508 baS 60. Sebensjarjr überfd)ritten unb burd) feine unftäte,
aufregenbe SebenSmeifc einen guten ll)eil feiner fttäfte berbraud)t, mefjljalb ifm
aud) £)rtmin at8 fef)r gealtert unb geored)lid) fd)ilbert. 63 ift batjer nidjt un=
roaf)rfd)eiulidj, bafc er otjncbtefj burd) Sßerbrufe unb SIerger über bie beftänbigen
kämpfe Porjeitig aufgerieben mürbe unb au3 Kummer über bie erlittenen Kram
fungen unb böSmittigen Angriffe ftarb. SÖenn it)u ^uttjer in feinen „Resolutiones
de indulgentiis" unter bie Beugen ber cPangelifdjen SBarjrrjcit fetjt , metd)e um.
biefer mitten üon ben Slntjangem ber römifdjen (iurie mit ©eroalt unterbrüdt
mürben, fo Ijat fdjon Jpugo in feinem ciPitiftifdjeu 6mfu3 (VI, 183) bae 3frr=
tt)ümlid)e biefer s43et)auptung bargettjan, meil v|>. bem papiftifd)en ©pjteme rjutbigte
unb ber 5f^be nid)t ttjeologifdje sJ3tcinung3Derfd)iebent)eiten( fonbern ganj öor=
miegenb perfönlid)e ©et)äffigteiten ju ©runbe tagen.
Zxofy uuftäteu 2Öanberteben3 mar unfer ©eler)tter ein fet)r fleißiger unb
nntctjtbarer ©ctjüftftetter. 6r tjinterticfj ad)tjet)n 2Berfe, Pon benen ba3 com-
peudium juris canonici mehrere üt)eile umtafet. Sein nun fetten gemorbeneß
@rftting§mert ift bie eigenttidj au3 Dtei Sftcben beftetjenbe „Oratio pro patria
ad illrhum Principem Nicolanm Trunum Venetum Ducem", metd)e am 14. Februar
1472 pon 9ticolau3 ^enfon ^u 93enebig in gotio gebrudt mürbe, ßange nad)
feinem £obe erfd)ien bie „Constitutio de statutis", juetft 1574 in Königsberg, bann
10 ^at)re fpäter 1584 got. in ^enebig. Sie mehreren feiner Söerte. beigegebenen
lateinifdjen Carmina äeugen Pon bid)terifd)er Begabung unb fidjerer Seb,errfd)ung
ber ©pradje. *|3rof. Dr. 5Jcutt)er t)at at3 9Inrjang ju feinem oben ermärjnten
Vortrage: „3tu3gaug be§ ^ehu3 9taöenna8" (Seite 95 - 128, bann 370 — 395),
fämmttidje Schritten beffetben forgfältig jufammengeftettt, unter genauefter 3ln-
$etru§. 539
gäbe bei- einzelnen Site! , be§ Snfjaltes jeben Sanbes unb ber öerfctjiebenen
Slusgaben.
Ueber bie «periobe in Italien bie in ©aöignn's @efä. bes röm. 913. im
Mittelalter 33b. VII @. 253 Silierten, bef. gabronius, Hist. acad. Pisanae
T. I — 1t. @. Xirabosctji, Storia della letter. italiana VI. P. III, 544—55. —
lieber bie ©reifsroalber ^eriobe: Äofegarten, ®cf$. b. Uniöerf. ©reifste, k.
8. 154—162. — Ueber bie Kölner unb 5)tainäer 5ß,eriobe: Dr. «ötutyet,
9h. III, „Ausgang bes Petrus Sftaöennas", ©. 95—128 n. 370—395 in
bellen Vorträgen: 2tus bem llnitoerfität§= unb ©elef)rtenleben iE. — Gin öolt=
ftänbiges Sebensbilb gibt §f. SB. Sßartt)olb , ©efefj. ö. öligen u. Sommern,
%$l. IV, 23b. II, ©. 7—17 u. 51—63. ©ief»e aud) 31. Vatttjafar, \itae
J.Ctorum Gripisw. u. beffen t)anbftf)riftl. Sufärje. gifentjart.
^Ctniö: $. Srjeobori, Slftronom, geb. (um bie «ötittc be8 XVI. 5a$t*
fombettS?) in gmben, t am 1. September 1596 auf bem ©djiffe (im inbifäen
Ocean). $., ber in bem ©riginalbericf)te über bie öon ifjm ausgeführten Steifen
ben «Kamen $eter ©ird#a Äerjfer Türjrt, fcfjeint früfj in ben nieberlänbifdjen
©eebienft getreten ju fein unb ben Unterricht be§ Stmfterbamer 9Jtatt)em atifers
^lancius genoffen ju tjaben. dt befanb fidj auf ber ftlotte, toelcrje bie erfte
fionänbijdje (Srpebition natf) £interinbicn braute, unb erfreute fiel) bes ftufes
eines befonbers erfahrenen Quoten. 53ei ber Dtüdfefjr ber (SScabie tourben bie
aftronomiftfjen Slufjeid&nnngen bes 33erftorbenen bem ^tancius übergeben, ber bie
barin enthaltenen aftrognoftifd)cn Neuerungen rjotlänbifd)en ©lobenöer'ertigern
(#onbius u. f. tt.) mitteilte unb es fo bettirfte, ba& aud) ber Seutfdje «Bapev
Don jenen für feine „üranometria nova" «Jtufcen &tyn tonnte. Q3aöer bettelt
ebenfo toie £outman unb Gaefiue bie Vejeicfjnungen bes 5ß. 2t). bei, ber
mithin afö ber eigentliche SBegrünber ber Slftrognofie ber ©übljalbfuget gelten
barf. Sm ganjen tjat er bie ^ofition öon 121 Sluftratfternen mit ber in jener
^eit überhaupt crreidjbaren ©enauigfeit beftimmt.
Recueil de voyagea qui ont servi ä l'etablissement de la compagnie
des Indes Orientaux, 1. 93anb, »mjietbam 1717. — Dtbere, Ueber bie
neueren Stembilber, ©cfjumaerjers ^fironomifdjes Sarjrbud) für 1840. ©. 239 ff.
© ü n t t) e r.
$dtH8: ©ufftibuS $. <©joerb $pieter§a), friefiferjer £ijtorifet, geb. am
15. 3uni 1527 in Seeutearbai, [tubirte in Sötten, tturbe 30 Satjre alt ^rofeffor
ber gricdjifäen unb tateinücfjen Spraye in grfurt; 1562 Sicentiat unb SBiblio*
tr)cfar öon ©ranöellc, teofmte fpätcr in Sötten, tto er Sicentiat ber 9tecf)te tturbe
unb bann bas canonifdje 3fce$t bocirte, unb ftatb naef) merjrfacrjem 2Bof)nttecfjfel
in Äöln tto er öorfjer ^roieffor bes ©riecf)ifd)cn gettefeu ttar, at3 Ganonicus
ber Slpoftelfircrje am 23. Januar bes »es 1597. «p. ttar feiner 3«t ein
angefeljcner (Belehrter, ber eine gettaltige 3af)l öon titterarifc^en, jurifiifdjen unb
tjiftorifctjen SBerfen gefct)rieben fjat. 3lber it)m fehlte flriti! unb nod) mefir Siebe
äur 2Batjri)eit. ffim namentlich öerbanfen bie öieten tollen unb fmnlofen fabeln,
ttelcfje bie friefifetje (Befd)id)te entftellen, Ujie Verbreitung, benn er rebete ber
berüchtigten Stjronit be§ 2lnbreas GorneliuS ba§ SBort unb fc^rieb ein eigenes
Söer! ..He Frisiorum antiquitate et origine libri tres," Colon. 1590, um
allen Unfinn, toetdjen biefer au§ feinen angeblichen Cueilen t)eröorgebrac^t Ijatte,
ju öertljeibigen unb bie gctjttjeit jener CueHen 3U betteifen. ßm 3a^t fpater
fügte er bemfelben noc^ ein Seben m\o'Z ä« unb bef^ättigte fid) nod) turj öor
feinem 2obe mit einer „Apologia pro antiquitate Frisiorum', gegen Ubbo
gmmius, tteterje 1603 öon gfurmeriuS beenbigt unb herausgegeben tturbe. dinen
etttas befferen ©tenft leiftete er ber @efd)ic^te buref) feine ..De senptonbus
540 3Jetfö - fettet.
Frisiae decades XVI et semis", Col. 1593, in toeldjem ©ucfje er $toar über
aüc bie 40 angeblichen alten £)iftorifer , auS roelctjen (SornetiuS u. f. ro. irjre
gabeln f)erborge3ogen ju tjaben berftdjerten, mie roenn fie mirftid) bageroefeu
wären, rebet, bod) über fpätereS tjie unb ba einigen nütjlidjen 2luffdjluf} gibt,
©eine gortfetmng bon ©efa unb <$eba unb feine „Gesta Episcoporuni Leova-
nensium" foroie bie 21uSgabe ber Grjronif beS 9Jtartinu§ £ßolonuS unb feine
„De illustribus Ecclesiae scriptoribus auctores" geben feine ©cronlaffung 3U
Etagen, tote feine Söerfe über friefifdje ©efdjidjte, roeldje einem berbienftboüen
©elefyrten ben unauStöfd)lid)en 3JtafeI ber galfcrjung unb £üge unb ber ©er=
breitung bon ßügen unb gälfdjungen aufgebtücft Ijaben. 3ebod) berbient ßineS
babei als Sutlaftung angeführt 31t roerben. Iß. glaubte atleS roaS er fdjrieb,
unb bertrjeibigte auf itjm unroiberfptedjlicf) fd)einenben ©rünben bie gabeln ber
2tutoren, bie er bertrjcibigte. @r meinte geroifj ein sUieifterftüd ber rjiftorifdjen
Ävitif geliefert 3U fjaben, unb roa-:- faft tnet)r fagen roitt, baS tjaben aud) feine
3eitgenoffen genieint; unb noer) in biefem 3tarjrt)unbert fyaben biete friefifdje
namtjafte ©elerjtten , ©pradj* unb ©efdudjtSfotfdjer fid) nicfjt entfdjliefjen
fönnen , einem fo gelehrten unb fritifdj berfarjrenben 2lutor nidjt roenigftenS
tfjeilmeife ©lauben 3U fcfjenfen. SlaS fjat ber $ampf um baS Oera Linda Bok
beroiefen.
©gl. ©otrjuiS van 3"burgl), Kritick der Friesche Geschiedssehrijving I.
— be äßinb, Bibliotheek van Xederlandsche Geschiedschrijvers. — 2)ie ßifte
feiner Söcrfc fterjt bei bau ber 2la. — Sf. $. 2). SRöfdmann, flrttif ber
friefifdjen ©efd)id)tsfd)reibung u. f. m. ßmben 1863, ©. 38 ff.
$. 2. Füller.
s^Ctfd): $or)ann griebridj ty. ift ber Siebter „eines fdjönen crjrifttidjen
SiebeS, bon bem efjrroürbigen .freuen, 2)octor sDtarttno ßut^ct, unb feiner ßefjre", baS
im $. 1546 balb nad) Sutfjer'S £obe 3U SBittenberg bei ©eorg Üttjaro erfdjien.
SDer SHdjter ift bermutrjlid) ibentifd) mit bem 3>orjann griebridj s43et}fdj , ben
ÄUiffttfi Sofjann griebridj bon ©adjfen am 14. üDccember 1545 Sutfjer unb
9JManct)tf)on in einem ©riefe an fie 3ur 2lnfteflung in einem $ird)enamtc empfafjl ;
mir erfahren auS biefem ©djreiben, bafs s^- fvutjer bom .fhufürfteu llnterftütmng
3U feinem ©tubium erhalten rjatte, bamalS sUcagifter mar unb fidj um eine
2Inftellung ober meitere ©eifteuer 3U feiner Unterhaltung an ben ßurftitften
Qemanbt rjatte. $m 2llbum ber ju SBitteuberg ^mmatricultrteu fommt fein
'Jtame, mie e§ fdjeint, nid)t bor; hingegen ift im Slpril 1543 ein ©eorg
^etfd) aus SBeimar infertbirt, ber bieüeidjt ein ©ruber beS unfrigen ift. (3ui
^. 1539 ift GaSpar ^etjfdje auS Älaufenburg inferibirt).
Söadernagel, baS beutfd^e ^?ird)enlieb I, ®. 423, 9lo. 78. III, ©. 975
s)lo. 1159. — ©urftjarbt, SutfjcrS ©riefmedjfet ©. 485. — goerftemann;
album academiae Vitebergensis. p. 203b. (unb 177a.). I. u.
^Cttcr: Slnton $ß., .^iftorienmaler, geb. am 2. 2lpril 1781 ju 2Bien als
®lieb einer gamilie, meldje eine 9ieit)e Ijerborragenber ßünftler auf^uroeifen ^at,
ertjiett feine erfte 2IuSbilbung in fetner ©aterftabt, inSbefonbere burd) ben GuftoS
ber faiferlidjen ©alterte, ßatl iftufc, mit bem ir)n aud) in ber golge ein gleidieS
Streben berbanb. «^aum 25 3fab,re alt erhielt Sp. für fein grofjeS ©emälbe:
„2)er tobte 31riftibcS" ben 9teic£jet'fd)en ßunftpreiS juerfannt. ©eine meitere
2luSbilbung betrieb er in Italien, inSbefonbere in 9tom unb mürbe 1814 3um
9Jlitglieb ber 2lfabemie ber bilbenben fünfte ernannt. 2)ic 2Ifabemieen p sIRaitanb
unb ©enebig tjatten 5|3. 31t intern @r)reumitgtiebe ernannt. 2llS Srjtjeriog ^or)ann
bon Defterreid) ju Einfang biefeS ^afrrrjunbertS ber baterlänbifd)en öfterreidjifdjen
f?unft feine befonbere 2lufmerffamfeit 3uroenbete, richtete er auetj feine 2(itTmer!=
5ßettti$. 5 41
famfeit auf $., beileibe malte eine Dteifje bon Silbern ffit bas ©d)loß £t)ernberg,
in bem ber gffitfi weilte, fein großes Silb, bie Segegnung ber Brautleute «Dlaj I.
unb Sftaria bon Surgunb barftellenb, welches am ber 9lusftellung bon 1816 bc=
fonberes ?lu<fe£)en erWrcfte, laufte ber (Sr^eraog unb fdjenfte es ber ftänbifdjen Silber
gatlerie in ßraj. ßr War e§ aud), metdjer ben ^Raler aneiferte, ©toff e aus ber <Sefd)id)te
Defterreid)s jum SorWurfe feiner Silber 311 wäf)ten. ©0 entftanben im 3. 1822
bas großartige ©emälbe, roelc^e§ ben Sriumpbjug Etarmiilians I. in ©ent bar=
fteEt, wärjrenb beffen bie ©emalin bes Äaifers itjm ben injwifdjen geborenen
©orjn $t)itipp entgegenbringt, im 3- 1824 bas Silb: 3of)anna bon Siragonien
mit ifjren ßinbern an ber ßcidje $t)itipp5 bon Oefterreid), im 3- 1828 einige
©emätbe, meldte ©cenen aus ^nrfers 9tubotpr)iabe barftellteu u. a. m. _2>as
große Silb, roetd)es Otubolf Don ^absburg an ber Setcfje Cttofars barftettt,
rourbe Don Stafius ^»öfet in Tupfer geftod)en. $. würbe im 3- 1820 ^rüfeffor an
ber Stfabemie ber bilbenben fünfte in 3Bien, an meinem Snftitute er 1828 jum
Sirector ernannt rourbe. <£r ftarb am 14. 9Jtat 1858 fjod)betagt ju Söien.
qj. geborte burd) feine Silber ber fjiftorifdjen Dtidjtung ber Äunft Cefterreidjs
an, unb jroar ift er ben Segrünbem biefer Äunftridjtung beipäärjlen. ©eine
(Sompofüionen jeigen allerbings nod) bie ©tciffjeit unb &ärte jener 3eit, allein
eine bortrefflidje 2ed)ni£ unb effeetbottes gotorit weifen trorjbem in allen Silbern
feine bjerborragenbe 9fteifterfd)aft. Sie Silber: S)et ermorbete SMcager, SHci*
biabes, «ßfjaebra, Sais unb Slriftipp, unb anbere beroeifen be§ ßünftlers tüd)tige
©tubien aud) auf bem ©ebiete ber ®efd)id)te bes claffifd)en 2lltertf)ums. 9Jtef)rere
feiner ©emälbe entnehmen if)re ©toffe ber bibtifdjen unb öeitigenfjiftorie, fo:
ipagar, Äönig ©aul bei ber ßeje üon gnbor, eine Sftabonna, bie heilige ganulie.
Son ben großen l)iftorifd)en ßotnpofitionen fei nod) bes Silbes : dr^erjog £art
in ber ©d)lad)t bei Slfpern, gebaut. (Sine große 3af)t bon Silbern, Porträts,
©cenen aus 2)id)tungen, Slltargemälbe ic. aus Retters ^infet geigen ben außer*
orbenttid)en gleiß unb bie ©emanbujeit bes unermübtid)en ^eifters, ber m ber
£unftgefd)id)te Defterreid)S fid) einen bleibenben Tanten errungen f)at.
qSur^bad), Siogr. 2er. Sb. XXII. — £)eficrreid)ifd)e ütationat^ßncrjclo*
päbie. So. IV. ©• 196 u. a. £). sdjloffar.
^ettrtd) : 8 r a n 3 3 0 fj a n n 51 e p 0 m u t % (aud) $etrid) ), Sitbfjaucr, geb. am
">9. ?luguft 1770 (laut 2)catrifel) 3U ^rebni^ in Söfjmen (^eitmer^er Ärei§),
f 3U Bresben am 23. Januar 1844, roar ber ©oljn eines ehrbaren unb Wegen
feiner fadjticfjen Stüd)tigfeit biet befcfjäitigten 2ifd)terö, ber es juglcid) üerftanb
ft^ im „jungen" einen brauchbaren ©el)itfen für bie crforberlidjen ©c^ni^
arbeiten lieranäubilben- mt biefer ßer^cit ift außerbem eine Srabition oerfnüplt,
roeld)e barauf r)intoeift, baß fid) bei 5ß. fdjon frfilje ber ureigne xneb für bitb=
nerifd)e ©eftaltung äußerte, ©ehalten, bie jutn ßaulftanbe gehörigen ßub^e
unb Riegen beim ©rafen ju überroaerjen, öertrieb er fid) babei am tiebften bie
3eit, feine ©d)ürjliuge auf mitgenommenen Srettdjen ju porträtiren. S)iefe tnel=
fettig bemerfte Salentäußerung führte enblid) aud) baju, baß ber Sater öon
feiner Sortjerbeftimmung abließ unb ben ©oljn einem 2eitmeri£er ©temme^
91amen§ SBifüp in bie Serjre gab, roo biefer bis ins 17. %ai)x üerblub, um l)ier=
nad) als „freigefprodjener ©efelte" behufs roeiterer 5lusbilbung bie «Jöanberjett
antreten 3U fönnen. ©ein 2ßeg führte ib^n junädift nad) $rag, bort ju einem
3toar untergeorbneten Silbljauer Samens 5]lolinsft), ber febod) red)tfd)affeu genug
mar, bem begabten unb ftrebfamen Jünglinge beb^itflid) ju fein Tür ben Ueber=
tritt an eine angemeffenere Sitbungsftätte. $. roanberte m yolge baoon 1.89
nad) Srcsben, fud)te t)ier 2lufnab;me in ber Slfabemie, Oerüolllommnetc lid) unter
ßafanoba im 3eid)nen unb 3)lobeairen, geroann namentlid) burd) feine gertig^
feit in legerem bie Zuneigung bes aofbilbf)auers Sorfd), ber if)n bercitmiUig
542 ^etttid).
tu feine SBertftätte aufnahm unb bei feinen eben im ^uge bcfinbltdjen 2luö*
fiifjrungen für ben ,°>mingerbau mitbefdjäftigtc. — SDie tjierbei an ben 2ag
gelegte üieiftuugöfäfjigfeit ruirtte bcnn aud) entfdjeibenb für bie nädjfte 3ufunft
^ettricb/ö. ^turttäge für felbftftänbig atiöjufüljrenbe Söerfe erfolgten, eine eigene
SBerfftätte fouute eingeiidjtet merben, unb maö er faunt nod) ab,nte, üoll^og fid)
nad) furjet SBirffamfett: .ftönig ftriebrid) 9luguft I. ernannte iijn 1795 <jum
.pofbitbrjauer. - gafl ju tuet beö ©lütfö! buvfte er fagen, benn fein planen
mar mittlerroeile ein anbereö. Widjt biubeu rooflte er fid) fo friitje au bie
Sd)oIle, fonbern borerft feine Reifeprüfung in Italien befterjen. — %n aller Offen-
heit biefe 3lbfid)t betn tjulbooltcn 5)tonard)eu bortragenb, unb auf Verneinung
gefaxt, übetrafd)te itjn berfetbe mit bor bollen ^uftimmung, überbieö mit ber
bollen ^ufidjevung jeber erfotberlid)en 33eir)ilfe. JBoIlfommeu beruhigt bermodjte
alfo Sß. 1801 bie Steife nad) Italien anzutreten. — SBefannt mürbe bon bort,
bafj er fid) beut gleicbjärjrigen 2l)ormalbfen anfdjlofj unb bereiut mit biefem
unter (Sauooaö Leitung 9Jceifterfd)ait in ber 5ßet)anbluug beö sDtarmors ju
erlangen fud)te. 3n(mnfd)eu aud) intim geroorben mit 9lömuö 6arften8, ber
jene neue .Hunftridjtuug, bie it>re Sluöläufer fanb in 3öädjter, ©djtcf, .Wodj,
Dberbed, Cornelius k. k. , anregte, tjatte fid) ty. 'n oa* lei^x 3e^ öom
frifd)irbf)üd)ften fünftlerifdjeu Schaffen belebte sJiom berart feft cingefpomten, bafj
ein 2fat}Tjf^nt barüber (jinging, bebor er an bie Mütffeljr nad) Bresben bad)te.
3)ie ©emafjnung baran mar freilief) eine äufeerft rautje — bon ber 2)eutfd)lanb
fdjmer tjeiinfudienbeu .ffriegöturie auögerjenbe. $n bie allgemeine 93emegung jur
33atevlanböbertl)eiöigung mit einbezogen, beburfte es bann aud) für itjn jur
2Öieberaufnal)tne fünftlerifdjer Jtjiitigfeit beö Sßaiife? tJfxiebenäfdjluffeS , nad)
meinem infolge ber '.Heugeftaltung ber ßunftafabemie, p. mit Diaet bom
6. 3)ecember 1815, an Stelle bes t 35orfd), in bie Sßrofeffur für iMlbfjauerei
einberufen mürbe. SBirffam in biefer bis ju feinem Ableben, nützte er ^ugteid)
bie itjm befd)iebene, feiten gtütflidje i'ebeusfteltung mit betn .^evborbringen einer
üufjerft ftattltcfjen Steige bon Söerfen au%. 33ebauerlid), bafj uirgenbö ein bot!»
fiänbigeö Sßerjeidjuifj feiner ©djaffenSfrttdjte borfinblidj. Srft burd) oitfatt
mürbe mir eine Wn^a!)! aubetmeitig nid)t ber^eidjneter befanitt. So in ben beutfd)=
börjmifdjen (Srenjftäbten 3hunburg unb Sd)öntinbe. 33efonberö bielfad) beauf-
tragte il)tt letjtere Stabt. ^lufjer einem lebenögvofjen (Srucifiruö mit aubetenben
(Engeln jtt Seiten (in lUctattgufj) auö bent 3- 1818, auf ber Plattform ber
$ird)cnftiege angebracht, enthält ber atte, bie Stabtfirdje umgebenbe [yviebljof noct)
fecf)ö, burd) fünft(cvi}d)en 3Bertl) Ijerborragenbe ©rabbenfmate. 3)as bebeutenbfte
ift jeneö ber grau ütömifdj, bie ibeate ©eftatt ber 23erblicf)enen auf einem Sar=
fopI)ag ru^enb, l)ä(t mütterlicher ^nnigfeit ba8 s^lbbilb i^)re3 — au biefer Stelle
mitbegrabenen — Üödjterleing umfdjlungen. 5Die übrigen berttjeiteu fid) auf bie
©rabftätten ber Marianne 5Jtat), sJlpoflonia ^Jlic^el, 2oni 3tö§ler, ber .£>anbel§=
leute ^adjariag Vogler unb l'lbalbert SÖünfdje. — SDie Slabtfird)e ju 9tum=
bürg befi^t mieber ein intereffante^, l)öd)ft originell componirteS Jaufbeden.
S)affetbe gelaugte laut beö Äird)en=vlUemoriale am Ö"l)arfamftage beö 5- 1822
bas erfte *JJtal in 33raud), unb ift bamit auf feine Gmtftetjungsjeit t)ingeroiefen,
bie übrigen* nod) burd) ein borliegenbeS üDresbener „sjlrtiftifct)e§ sJcott3enbtatt"
sJlr. 20, bom 31. Dctober 1822 (herausgegeben: 6. 31. Zottiger) ertjärtet mirb.
£>er ©enannte berbreitet fid) im -gmuptartifet : ,,^rof. ^ettricxjö Jaufftein" bor=
netjmtid) über bie Gonception beffetben, unb fagt u. 21. ,,^id)t bie 5)reifuftgefta(t als
©eftetle beö ÜaufbecfenS ift eö, toeterje alö finn= unb bebeutungöbotl in biefer $orm
gelobt 31t merben berbient . . . baö ©etftreidje ift bie beiierjungsboEe^lnmenbung beö
uralten £)rafelbrad)en auf baö djttftltctje Sogmaber ©rbfünbe, meldjer bie SBeilje beö
Ätnbeö buret) baö Sacrament ber £aufe entgegentritt". $n ?lntoenbung gebracht ift
qSettricf). 543
nämlicrj bie am 2ftittelftücf steiften bem 2)reifuti fidj nacb, abmärtg ringetnbe
$arabiefe§fc&,tange, gefennäeidmet burct) ben im Stachen gehaltenen 9löfet. 2)en
2tbfcr)tuf$ bei- güfce nacfj Oben bitben anftatt ber antifen Sutranien, geflügelte
6ngel§f opferen mit bem Äreuaeäjeicfjen an ber SBüfte — entföreetjenb bem am 33ecfen=
f reife angebrachten Sejjte: „3m tarnen bei Sater*, be§ ©orjne§ k." <£>er ur=
fprüngticfc, mit 2tfantrju§ gezierte SDedfet fctfufyi fpäter eine Stenberung burdj einen
2tuffatj mit ber trefftiefj in ^ctj gefctjnitjten unb öergotbeten ü5)arftettung ber
Saufe ©Ijitjit. 3)i-eifuB unb Seelen finb bronjirt. — ®re§ben felbft befitjt am
9ieuftäbter SegräbniBptaise i>a% fdjöne 9Jtonument bei ©enerafä d^riftiani ; am
fatrjotifcfjen griebrjofe bie üDenfmate für ben Äriegsminifier ginjenborf unb für
ben Slfabemiebirector ßafanoüa. 25on feiner ^>anb ift ferner ba§ at§ foloffates
Relief aufgeführte, mettrennenbe ^^eigefpann an ber neuen Sresbener Üteitfcrjute.
Setannte unb gewürbigte 2öerfe öon ib,m finb noeb, „S)ie öon ber ©otttjeit
gefdjütjte ©erecr)tigfeit" ; „J^efeu§ ftnbet ©ctjmert unb ©djurje feinc§ Söater§" ;
„5Der ©etbftmorb be§ 5ßnratno§ unb ber Stjisbe". Sin Srjriftuä am $reuje öon
befonberg fetjöner 2tu§mt)rung in ber fyrieb^ofefa^elle ju Srebnitj. Sefonberes
Stuffetjen burefj 9catutmarjrrjeit erregte bie naturgrofje ©tatue „@ine f$fifcr)erin"
benannt ; burct) geniale (Sonceötton wieber ba§ .§ocrjrelief „Um einen ßanbelaber
tanjenbe $inber". — Sebeutenb mar aueb, fein, jetjt in öerfcrjiebene ©amm=
lungen <$erftreuter 9tactjlaf; an hobelten alter formen fowie an 3e^uungen. —
S5on *p. finb, wie mir jüngft mitgettjeitt mürbe, aucr) bie Entwürfe Tür ben
,!pauötattar in ©ctjöntinbe, unb für brei Elitäre unb bie Äanjet in ^ainSbacb,,
(Seitmeriijer SBejirf). 3uÖ^e^ ^eg^ ei°e Angabe öor öon mehreren für ©ctjfefien
aufgeführten ©rabbenfmaten. — 2)ie in unb nacr) statten gejdjaffenen Söerfe
^ettricb/S ermeifen burctjweg jene 2Bejen3täuterung, bie faft an alten Mnfttern
warjrnefjmbar wirb, meiere in Serbanb traten p ben Seitern ber neuromantiferjen
SeWegung, bie wätjrenb ber erften ^afjrjerjnte biefe§ $ar}rr)unbert§ — eben öon
9rom au§ — über 9Jcüncb,en uacb, 2)eutfcr)tanb ifjren 3US nafjm. $ür S)re§ben
mar $. at§ ^taftifer jebenfallä ber erfte unb würbtgfte Oteüräfentant biefer ben
^leng§:fcr}en 6ftefticismu§ au§ bem gelbe fcrjlagenben Üunftreform. ^erüorragenbe
©cfjüter öon irjm waren fein ©otjn gerbinanb, unb Srjriftian ©ottlieb Äütjn.
$., in erfter (Stje öermä^t-t mit Caroline S)ittricr) au§ Sauden, in jtoeiter mit
Juliane ©ottfcrjaE au§ treiben, befa^ öon erfterer jmei £öcb,ier unb einen
Sorjn; öon ber anberen eine Socrjter. Sie ältefte Xocr)ter rourbe ©emab^lin be»
1843 f S)resbener S3ilbt)auer§ ßtjriftoöb, ^eub.äufer. 3}on Söget öon Sogetftein
ejiftirt ein SitbniB ^ettricb.'g au§ bem 3- 1813.
9JteufeI§ Äünftlerlej. — Magier, neue§ altg. ^ünftterlej. — 9JlüHer=
Ätunjinger, Äünfttertej. — SDlabacj, 5tttg. b,ift. Ä. ßej. — Güigene goTicb.ungen.
gerbinanb S., 33itbb,auer, ©or}n bei Vorigen, geb, ju treiben 1798,
t ju 9lom 1872, ging au§ ber Sorfdmte be§ Sater§, unb nacb, Slbfotöirung
beS St)ceum§, 1816 an bie ßunftafabemie über, öon wo er unter befonberer
Segünftigung, 1819, in bie ©efolgfc^ait be§ Königs Sinton öon ©aeftfen für
beffen 9teife nacb, Italien aufgenommen mürbe. 2)e§ Söeiteren, bi§ 1835 in
9tom ©erjüler 2f)ormaIbfen§, folgte er noer) in biefem ^ar)re einem 9tufe nacrj
äöaf^ington behufs einer bort neujuerricrjtenben ^unftferjute. ©ein erfolgreiche^
SBirfen, wie fein allgemeine Semunberung ftnbenbe§, fünftlerifct)e§ ©Raffen
erregten inbe§ ben 9teib unb bie Ütactjfucfjt ber etnrjeimifcrjen Silbljauer, bie
fcb.lie^lic^ nicfjt§ Geringeres wie feine gemaltfame SBefeitigung ö^anten. 9ted)t=
jeitig baöon unterrichtet, entflor) ^. nad) Srafilien, Wo fiefj if)m unerwartet ein
neue§ gelb für frud)tbare 2t)ätigfeit eifcrjlo^. S)enn er fanb in 9tio be Janeiro
nic£)t allein bie gaftticrjfie Slufnaljme, fonbern jur 2öertt)fcf]ätmng als ßünftler
aucrj bie einer folgen entfpredicnben Stufträge. SSeften Sewei§, mit welcrjem
544 Sßettfäadjcr — ?Jk&ef.
25ef)agen er jeijt jugletc^ Otcbcnaietc »erfolgen formte, geben bie ju einer ©amm=
lung angeroacrjfenen 9lad)bitbungen inbianifdjer ßfjarafterföpfe, bie irjn benn
aud), als er fid) jeiner gefätjrbeten ©efunbfjeit roegen, 1865, jur Üiütffefjr nad)
9tom bemüßigt füfjlte, für ben ÜKeft feineS £ebenS forgloS [teilte, unb jtoar ba=
burd), bafj bie ©ammtung gegen eine Leibrente öon ber bäbftlidjen Oiegierung
erroorben rourbe. 33on ben anberen überfeeifdjen äßerfen *pettrid)'ö ift feine
nähere Äunbe ju unS gelangt, befannt finb bloS mehrere, toäbjenb bcS erften
SlufentljaltS in Sftom ausgeführte ©ebilbe, fo baS ,,^läbd)en mit ber 91ngelrutrje",
bie beiben föeliefS „Sag" unb „Wad)t", (1823): „53etifar", „GrjriftuS", „£obeS=
enget" (1828). — 3fn bie näd)fte f5rotöe,ieit batiit feine sIRitarbeit an bein, ringS bie
ganjc SBanb umaieljenben ^JcarmorfricS in ber 2Ball)alla (bei JHegenSburg), nad)
ben ßntmüvfen öon $Kart. SBngner. — (Sin befonberS intcreffanteS äöerf beS
MnftlerS, batirt 9tom 1826, befitjt bie ©tabtfirdje in ©djönlinbe als (Jbitapljium
beS öerftorbenen ©tabtbedjantS 3fof. ßubro. ,£riibner — in ©eftatt bei auf bem
Äreuje fdjtummernben 2(efufinbeS, rounberfcfjön ausgeführt in carrarifcfjem SRcmnox.
— S)ic SBerfe "JMtrtd)'* fennjeid)uet überhaupt Wnmutf) ber gorm unb ebler,
öon sJcaturroat)rf)eit burcfjbrungenev ©tit.
sJJtütter=^Iunjinger, sJt. -ß. £er. — 9Jceöer, Sonti.«8es. — eigene fjfor«
fd)ungen. ftttb. Mütter.
^ett|d)rtd)Cr: Senebict $., Söenebictincr, t am \lb. 'Dtärj 1701 in ber
Abtei ©t. l'ambredjt in ©teiermarf, roo er am 8. 5luguft 1654 bie ©etübbe
abgefegt fjatte. 9tad)bem er einige ^eit in ber 2tbtci xHbmont ^£)itofopf)ie ge=
tefjrt fyatte, mürbe er 1666 2)octor unb Sßrofeffor ber 2f)eologic ju Salzburg;
1673 — 81 mar er föector ber bortigeu 33enebictineruniöerfität, auletjt ^3tior in
©t. ßambredjt. @r üeröffentlid)te unter anberem: „Tractatns de incarnatione",
1673; „Tractatns de sacramentis", 1675; „Tractatns speeulativo-practicus de
restitutione," 1676: „Opusculum de jure in comroani et in specie", 1677. $m
auftrage ber ©afjburger Unibcrfität orbnete unb öeröoliftänbigtc ber Senebictiner
Dbo ©uetratf) bie gebrueften unb ungebrueften Xractate öon ty. <w einer „Theo-
logia universa speculativo-practica", roetdje 1743 ,}u ©aläburg in brei 5°^°-
bänbeu erfd)ien.
Historia Universitatis Salisburg., p. 304. — Bibliotheque des ecrivains
de 1' Ordre de S. Benoit II, 379. — jgmrter, Nomenciator II, 617.
fteufd).
"^Ctjcf: 3>ofept) 21 u ton ü. 5ß.( 3>urift, geb. 1745 ju Xrautenau, t am
19. ^ult 1804 ju Söien. 6r madjtc feine ©tubien ju Dtmütj unb ^rag unb
rourbe 1778 s4>rofeffor beS ÄirdjenredjtS ju greiburg im 33reiSgau, la§ bort aud)
jefm Sfatjre ö[terreid)ifd)eS $J)ribatrcd)t unb mar 15 ^atjre Süd)ercenfor, rourbe
1791 aud) 2Ippettation8gerid)tSratf). 2US 1799 bie granjofen einrüdten, toerliefj
er greiburg unb rourbe bann 1800 als sJ>rofeffor in 2Bien angeftettt unb ge=
abelt. @r öeröffentlid)te 1781 „Synopsis juriam communium ad titulos in
alphabeti ordinem redactos aecommodata", 1783 eine Süffertation „De potestate
ecclesiae in statuendis matrimonii impedimentis" unb 1787 eine 5?ertf)eibigung
berfelben („Yindiciae dissertationis" etc.), 1788 eine f leine „Unterfucfmng, ob
ber Äircfjenablati eine 9tad)taffung ber göttlichen Strafen fei", fpäter ,,©runb=
fät^e beS borberöfterreid)ifd)en 5pribatred)tS"f 3 ©änbe 1792—94, ,,©t)ftcmatifd)=
djronotogifdje Drbnung aller ©efet^e unb 9)erorbnungen für bie borberöfter=
reid)ifd)en Sanbe", 5 35änbe, 1794 — 97, aud) einen „Äatalog ber 1783^-94 in
Defterreid) berbotenen Sücfjer" (1794).
(5. .«lübfel, Necrologium. p. 292. — Sßur^bad), Sej-ifon 22, 150.
üreufd).
Sßefcl. 545
$e^I: 3fofep§ 5p., £)iftotien= unb ©enremaler, Würbe al§ ©olm einei
fönigl. ©eometerä an ber ©teuerratafter=@ommiffion am 23. ©ecember 1803 ju
$Ründ)en geboren, befudjte bi§ ju feinem 18. 3at)re ba§ ©tjmnafium unb trat
bann unter ^otjann spetet bon Sänger in bie Sllabemie, um fid) ber #iftotien»
maierei ju tribmen. 2lu§ biefer geit flammt ein Slltarbilb 311 £ad)ing unb bie
gtiefenfigur eineä ^eiligen am $ird)tt)urme au Xrubering. Nebenbei machte 5p.
fleißige Slbftedjer nad) ben altbaierifdjen Sergen unb nad) Xirot, mo er ba§
SotfSleben ftubirte; er mar einer ber erften, meiere bie t)äu§Iidfc)en ©cenen, tänb=
litten 3lu!äüge, gefte, ©cr;ü£enbilber matte, unb bag Hochgebirge mit feiner
©rofjartigfeit, bie ftreuben be§ fennigen Sotfeä bei 3ttb>rfbiel unb Sltmentiebern,
aber aud) bie ftätjrlidjfeiten ber 3agb unb bie ©djreden ber 2Bitberei 3ur ©ar*
ftettung braute. 5p. 30g mit ben klugen eine§ 6utturt)iftorifer3 butdj bie Serge
unb Bannte burd) feine farbige ßunft ba§ bamalige ßeben unmittelbar in feine
«einen, balb bielbeget)rten Silber. ©0 Waren bie ,,©orfgefd)id)ten" fct)on längft
erfunben unb gemalt, efje bie ©idjter an foldje ©toffe bauten; bie anregenbe
Söirfung ber Malerei auf bie 5poefie ift in biefem gälte fogar titterär=l)iftorifd)
nad)$utoeifen. «Dterfwütbiger SBeife fd)tug 5p. einen gana anberen SOßeg ein als
bie meiften feiner geitgenoffen; wätjrenb biefe bamalS au§ allen ©egenben nad)
5ütünd)en brängten, toenbete er gerabe ber alten Sfarftabt unb bem bafelbft neu
anrjebenben Äunftleben ben Dtürfeu, unb roanberte gana allein, nad) bamaliger
©Ute mit bem üränjel auf bem 9rüden, nad) Säumen, ©adjfen unb «Jtorbbeutfdj*
lanb, au§ ©rang au lernen unb bie SBclt au fetjen. längere 3eit weilte 5p. ju
Serlin, Wo er 1827 Ui 5profeffor $art SegaS einige ©enfation§bilber malte:
©emfenjäger, 2iro(er=Sanbe§bertt)eibiger unb gried)ifd)e «palifaren — ledere
natürlich, nod) otjne bergleidjen gefetjen ju b,aben, gleid)fam inftinetib für feine
fpätere Xtjätigfeit, marjrfdjeinlid) burd) Söitfjelm «ütüttet'8 „©riedjentieber" an=
geregt unb begeiftert. 5Jcad)bem 5p. beinahe ein 3arjr lang aud) au ©reSben
geweilt, bafelbft namenttid) in ber ©alterie ftubirt unb au feinem 2Beiter=
fommen neue Silber gemalt rjatte, ,30g er über §annober nad) ©djteäwig, blieb
längere 3eit in ßopentjagen, wagte aud) einen 2lu§ftug nad) ©d)Weben unb
lehrte bann über Hamburg unb ©üffelborf, überall malenb unb mit ben fieften
tarnen in berföntidje güljlung tretenb, nad) 5Dlünd)en aurürf (1831). §ier
malte er 3Wei grofce Silber: eine „2tuction" (im Sefi^e bedürften bon Xfjurn
unb £ari§ au gtegen§burg), woju bie „2eftament§eröffnung" bon ©abib Söilüe
fid)tlid) ben 3mpu(§ gegeben l)atte, unb aU 5Jlad)Ilang feine§ Aufenthaltes in
^orbbeutfdjlanb, ba§ wot combonirte, gleichfalls figurenreidje ©enreftüd: „(Sin
SSillfommen an ber breufjifdien ©renje aur Seit ber Stjolera" (lit^ograp^irt Don
Dt. Seiter), ein föftlid)e§, l)öd)ft d)arafteriftifd)e§ Sitb. ©ie dontumaa b^at in
ber mit ®l)otera=5)lffid)e begangenen 2öirtl)§ftube bie öerfd)iebenften Seute sufammen=
gebracht; im Sewu^tfein feiner Autorität ft^t mitten im breiteften Otaume ber
äöirtr), in ^embärmeln, ben ©dmra unb bie Dtaftrferbiette öor, befd)ienen bon
bem fetten, burd) ba§ gfenfter einfallenben ©onnentidjte. S)er Sarbier, ber
hinter ib^rn fterjt, ein Äraftgenie unb bei ber brorjenben ©efatjr bie wid)tigfte
5perfon im Drte, Wci| fd)on im öorau§ atte§ Sebentlidje, toa^ ber alte ®orf=
fd)ulmeifter eben au§ ben 3eitungen bortieft unb berfdjüttet ba§ ©eifenwaffer,
inbem er fid) mit bro^etifetjer ©elbftgenügfainfeit 3U bem erfdjrodenen 5Rad)bar
menbet. °$m ^intergrunbe ^eidjnen ©tubenten unb ^ünftter bie Ütoute nad)
Serlin auf ben £ifdj ; einige ©en§barmen forbern bie ©efunbl)eit§bäffe bon ^ol=
nifdjen ^uben unb «g>anbwerf§burfd)en ; ein ©eemann im Sorbergrunbe labt fid)
an 2Bein unb ©djinfen, I)inter il)m ftetjen einige gtafdjen mit 6t)olera=5präfer=
batiben. 3)ie grau unb ^inbev be§ SBirtb^eS unb ber unbermeiblid)e £au§ined)t
magern, bcutfdje SßtoQra^ie. XXV. 35
546 W-
beroegen fid) jiemlid) gleichgültig ^toifd^cn allen biefen ißerfonen unb ber .§au3=
fpife fjolt in aller ©title bem lefenben ©djulmeifter fein 33rob aui ber 2afd)c.
3)iefe tjeitere ©cene rourbe bas Sorbitb einet ganzen ßlaffe bon Silbern, meldje
balb bei 2)onnetroettern in bcn 2llpen, balb in (SifenbatjmSBärtefälen u. bgl.
fpieten. 23efonber§ incifterrjaft mar bie ©onnenbeleudjtung lammt bem ©chatten
bei genfterfreuaftodei, ber mit bem babor fjängenben luftfdjtoaufen ßaubmerfe
auf ben brei mittleren Figuren gittert. — ftad) Sotteubung biefei mit aufjer»
orbent lidjem glcifje burd)gefül)rten 23ilbeä ging s}>. im £)erbfte 1832 nadj Stalten,
©dmn fyatte er fiel) für längere ^eit &u ütom eingerichtet unb ©tubien ju malen
begönnert, ati fiel) bie bertodenbe (Gelegenheit bot, im (Befolge bei .fiönig Otto
naef) ©riedjenlanb au reifen unb nad) bem bamatigen ©pradjgebraud) „ba§ jur
öoHen greiljeit erroadjte ßeben eineä eblen 93olfeä in ben erften ^freubentagen ju
fdjauen". ©leidjjeitig mit Ißetet "£>efc. ®™ft bon ßafaulj unb bieten anberen
futjr ty. bon Neapel über bae '•Dteer unb mar am 30. Januar 1833 ein 3cu9e
ber Sanbung unb bei (Jinjuges ju 9tauplia. Sanb unb öeute padten irjn unb
riffen irjn fjin jU üCarftettungen, meldje bamali ein f)öd)ft banfbareä publicum
fanben unb un§ tjeute noef) eine faft unbegreifbaie ffot bor klugen führen,
©leid) in ben erften äBodjeu begann % ein 23ilb mit „griedjifdjen Häuptlingen,
bie fief) im 2)iban (}u s.Rauplia bie *Proclamation ifjreö neuen AiöntgS bortefeu
laffen". 'Me Äöpfe maren £ßotttatt8 unb mU getungenfter Gtjarafteriftif mieber=
gegeben. Den ^ftittelpunft bilbet ber greife 9iotti3 Solaris, iljm junädjft fterjt
tm ferjöner blonber Jüngling; bie anberen it)re pfeifen raudjenb fjören aufmerffam
3U. 2)er Ort ber SBerfamntlung ift bag alte Gafi.' ; Söafferpjeifen ftetjen auf bem
©efimfe, Äoranfprüdje an ben gfenftetn. 2Ute«i, fctbft ba§ fleinfte Seimerf, mar
mit größtem ftleifje gemalt; bei boÜem fjfarbenretcfitrjum mattete bie fd)önfte
Jparmonie. S)aö SBilb (im Sefife beö Jperrn Sänifdj 3U Hamburg) fam nod) im
ßaufe bei 2fal)reg 1833 nad) 9Mndjen unb erregte bann 1834 auf ben $unft=
auiftettungen in SBerlin, ^annooer u. f. to. unb <mlekt nodj 1858 auf ber
großen rjiftorifdjen .Uunftaueftetlung ju 9Hündjen, ba§ berbiente ^ntereffe.
5)er bietgefeierte 9teati§muä mar fdjon längft ba, etje bie 9leujeit alfo lärmenb
feiner gemafjr mürbe, b. I). mit anberen Söorten, bie fogenannten „alten
Ferren" berftanben fidj fdjon früher barauf, machten aber unter fid) fein fo
grofjes -gmttorj barüber, berfeinbeten fid) nod) nidjt auf 2ob unb ßeben, tjielten
fid) t)übfd) einträdjtig in bem s}tal)men ber ßunft unb Überliefjen e§ ben 6pij
gonen, bie Änoctjcn beö graffen Oiaturali^mui in confequenter SBeife ^u benagen.
— Söeitere gat)rten unternahm ty. uad) ßatonien, ^ttifa unb @uböa, burd) bie
5)laina, "Jlrfabien unb nad) ben (Jöclaben, über ^ßatmoä unb Spfara jum
SBeiramiiefte nad) Sonftantinopel; obmot)t er eilig reifte, l)ielt er boer) bieleg in
fet)r fauberen 3^id)nungen feft. ©0 brachte % im Het^fIe 1834 einen 9teidj=
tl)um bon ©ti^en ^urüd, meldje er al§balb fünftterifd) berarbeitete unb bamit
ba§ publicum an feinen tarnen feffelte. $m bunten 2öecf)fct fcr)uf ty. balb
©cenen auä bem gried)ifd)en, balb auö bem türfifdjen Scben. 66 folgte bae
„gried)ifd)e Qrraucnfeft", bann bie itjrcö 23räutigam§ tjarrenbe ©riedjin (,(?unft=
blatt 1834, ©. 19, im Sefibe ber ^ürftin (Sagarin in ©t. ^ßctergburg unb
fpäter miebertjolt für bie gürftin föabäimitt ebenbafelbftj, ferner bie „fd)ad)=
fpielenben Surfen" unb „Surfen unter einem 3dt" (1835). (Sine ©ruppe
attifdjer Ofi'ouen am Senfmal be§ St)fifrate§ beim Sinjug bei Äbnigi Otto,
„gefangene ©ricd)innen bor einem ^afetja" u. f. m. 5£)a§ 3»afjr 1838 brad)te
eine italienifdje 23olf3fcene: bie „Unterjeicfinung eineö H"l'a^§conii:acteg"-
?tnbere fteinere S)arfteilungen maren mieber bem beutfdjen ober ungarifd)en
SBotfileben entnommen, ju lebteren jäljlte eine „ungarifd)e ^>odt)3eit", ^u erfteren
ein „tbroler ßanbegbertt)eibiger", ein ,,©ebirgefd)ü^", „^affetjerer Sauern auf
«pefcmaijer. 547
ber äöacfjt", „ftücfjtenbe £broler" (littjogr. Don 3immermann), ber „^nbalibe"
(littjogr. bon £orje), bann baä figurenreicfje ©enrcbilb: „tote ein gorftmeifter feine
entführte £ocl)ter bei einer Sdjaufpielerlruppe roieberfinbet" (1837 unb 1841)
unb ein grofje§ ©enrebilb : „nrie ein Sftabenfjänbter einem Safdja brei 2Jtäbcrjen
borfüljrt" (ftofenftein bei Stuttgart), Seit 1837 gtücflicf) berfjetratrjet b>tte fictj
5ß. <\u 9ftüncrjen betjaglictj feftgefetjt unb arbeitete mit Suft unb Siebe, mobet
iljm bie Weitere Saune gerne bie £>anb leitete, unb fein fcfjatftjafteä fctjarffinnige§
2luge immer neue Stoffe entbecfte. 2lufjer mehreren Slbftedjern naerj Sübtirol,
mo er biete ^nterieurä aß Stubien ju fünftigen, teiber nie ausgeführten Silbern
matte, natjm ty. 1844 einen faft fjalbjäfirtgen Slufenttjalt in Senebig, mobet
burcr) roettere Delffijjen unb 3eic§Itun8en bie ^ftenge feiner nocf) jur Slus»
fütjrung beftimmten ^rojecte errjeblictj bermetjrt rourbe. Sefonbere Slufmerffamfeit
mibmete er bann ber Don Süffeiborf auägefjenben S)icfjtung unb ber neuan=
tjebenben belgifctjen Malerei, ^nbem er bie Soqüge biefer Sdjulen fiel) anju=
eignen trachtete, ba fie feiner längft angeftrebten Smpfinbung nad) möglicfjft
cotoriftifdjer SBirfung entfpradjen, tjaite er fein (Senüge metjr an feiner Arbeit.
Söätjrenb er bie berfdjiebenartigften Stoffe aujnal)m, 3. 33. bie beiben Seonoren,
ben ©ang <ju einer Äinbtaufe, (Sinftcibung einer ^loöi^e (geflogen bon Dfaab),
Seidjte einer Römerin, ein grofje§ ©tfjü^fnfeft (littjogr. bon Sorum), ftetlte er
boct) bie meiften Söerfe unbollenbet tei Seite unb fdjliff mit bem Simsftein
unbarmherzig über bie auf baß ^einfte empfunbenen Stellen; unbefriebigt unb
unjuirieben mit fiel) unb feinen Seppfungen, fetjte er bie meiften feiner Silber
^urüct bis auf »eitere Drbre, melcfje nimmer fam. 6s mar lein Stiflefietjen,
fonbern ein fortroätjrenbes 2Beiter|"treben, feine garbe berfeinerte fictj, aber tk
llnluft, nichts meljr ju bollenben, ober bie ßigentjeit bas Sotleubete roiebet ju
jerftören, gemannen nur ju tjäufig bie Dberljanb. darüber rourbe s$. ieboct)
fein Äopftjänger unb 2Jietandjotifer, fonbern blieb ber launigfte ^»umorift unb
Sedjerfdjroenfer, ber befte 5l'eunb ber „güegenben Stätter" unb bie Seele aller
früheren, roeltbefannt unb fpridjroörtlidj geworbenen "Iftüncrjener Äünftlerfefte,
beren ^nfeenirung $. mit einer faft leibenfctjafttidjen ©eniatität, mit bem Opfer
feiner beften 3"* un& Gräfte betrieb, fo bafj tjeute nocl) bie Srabition ba^on
3u berichten roeijj. 5Da,}u getjörte jenes „2Sattenftein= Säger", bas grojje „Sürer*
feft" (1840), bie aierlictjen Darren* unb «Dcasfenfdjer^e, bie «Ulai^uf.jüge, „Sar=
baroffa's (Srroadjen" (1848) u. f. ro. — 21m 2. Dctober 1864 lätjmte ein
Sdjlaganfalt bie eine Seite bes Körpers unb bie tiebeboltfte Pflege fcfjien |>off=
nung auf Sefferung ju geben, *>$. ertjotte fiel) noctj foroeit, bafj es iljm noct)
einmal gelang, bie 9tunbe ju madjen bei allen feinen greunben unb (Senoffen,
bie itjn einmüttjig liebten unb efjrten, gleitijbiel roelcfjer JRicrjtung ber ßunft fte
angetjörten. Slber bie bleierne <g>anb ber ßäljmung griff weiter in fein ©ebäcfjtnijj,
e§ mar ein tangfameS traurige^ Srlöfcrjen, bi§ er am 24. 3lpril 1871 bötlig
entfd)lummerte. 5J$. mar in feinen Silbern immer geiftreief) unb genial, anmuttjig
unb <jart, ernft unb launig, ftet§ ftreng in gorm unb geidjnung, oljne je fteinlictj
unb fnuifig ju toerben, bamit berbanb er ein anfänglict) etcoaä IjarteS , balb
aber gtänaenbeS Kolorit, toelcf)e<s tro^bem nie bunt unb fcrjreienb mürbe.
Sgl. 21. Semalb, Panorama bon ^üncljen 1835. II, 45. — DtacjtjnSfi,
1836. I, 357. — Vogler, 1841. XI, 197. — S. EtüUer, £anbbttd) bon
DUtündjen. 1845. S. 164. — Seit. 118 Sltlgemeine Leitung bom 28. Slprit
1871. S. 294. — 3Bocf)enberid)t ber Suropa 1871. S. 294. — (Sottfdjall,
Unfere S^- 1871. VII. S. 430. — «Fcüncfjener Äunftberein8=Sericrjt für 1872.
S. 67. -&tjac. |)otlanb.
^Cßmo^er : S o§ ann $., ^ittjerbirtuos unb Somponift, geb. 18. Januar 1803
3U 3^er§borf, bon mo fein Sater nacr) 2Bien überfiebelte unb in 'Jteu^SerdjenTelb
548 SPefcmaljet.
eine SöirtcjfcrjaTt betrieb. 5Da§ ^au8 mar mit einem „rjeiligen ^otjanneS" Bemalt
unb fjiefj be£fmlb furameg auf 2Bienerifci)=£odjbeutfdj „jum £)eiling 3»ean". 2)er
Sunge, gteicfjfatlä $ean gerufen, fottte ba§ ©efdjäft weiter führen; er fpielte
borerft au§ eigenem Ingenium bie Violine, big er, fedjäerjnjärjrig, zufällig eine
3itf)er unter bie <§änbe befam. 3rjre Sßetjanblung lernte er fcrjnett unb btjan«
tafitte barauf otme Stolen, btojj nad) bem ©efjör unb ma§ itjm ba3 |)er3 eingab.
2)a3 rourbe balb rudjbar unb ba§ ,!jpau3 bie (Stätte gemüttjlidjer, frofjfinniger Reiter»
feit. 5Da3 längft in 5llt6aiern, £irol unb inäbefonbere in ber ©teiermarf rjeimatt)=
berechtigte ^nftrument ber Sllbenaitrjer mar barnalä nod) ein boppett gefdnueifter
länglicher ©djallfaften mit t)ot)en ©eitentoänben (3argcn) unb einem mit brei
©tafjlfaitcn bekannten ©riffbrett; f)ier fbielte man, mittelft eineg eigenen an
ben Daumen ber redeten £)anb beifügten „©d/lagiingeä", bie bon ben 5in9"-'n
ber £infen ejecutirte 3JMobic, roätjrenb bie übrigen bier Ringer ber Ütedjten bie
jur Begleitung unb Harmonie bienenben näd)ftgereit)ten 10 bi§ 12 Saiten bear=
beiteten unb toetften. £et$tere toaren, etroa biö -jur fiebenten, üDarmfaiten, bie
übrigen überfbonnen, benen <$ur ©ctabe be§ 33affe8 eine 9fleffingfaite beilief.
ü£er fdjrille, burct) bie Q3ergeinfamfeit roeitfjin fctjatlenbe ülon madjte baS t)öd)ft
bvimitibc ^nftrument ^um cfjarafteriftifdtjen ßieblinge ber 9llpenbemotmer, rccldtje
mit ifjren fcfjmeifäEigen £änbcn bocf) äufjerft fubtil unb luunbeibarlid) barauf
ju fingern toiffen. s^., bie Sßorpge unb S^ler biefeS ^nftrnmenteS erfennenb,
trug feine äöünfctje unb Erfahrungen bem ^nftrutnentenbaucr Atinbl, einem
SJteifter feineä fVadt)e§, bor unb beibe fctjufen nun bie fiebenaefmfaitige 3itt)err
roelcrjc nicbere ©eitenroänbe ( Margen) ertjiett, nur einfeitig gefdjmeift mar unb
bie Sßeiboppilung beä 33affe§ burd) s3Heffingfaiten berlor, bafür aber an
mufifalijdjer Stimmung gemann. gerner erfanb 5p. bie bon itjm benannte
„©treidjäitrjer", ein gan,} einfad)e§, faum rjalbmeterlangeä ^nftrument, mit einem
tjeräförmig gematteten ©cfmtlförper, beffen oberer unb unterer 23oben (erfterer mit
xunben offenen ©djafltöcrjern berfctjen) fladj ift; in ber 9Jcttte läuft ba§ ©riffbrett
mit brei ©tafjlfaiten, roelctje mie bie brei oberften einer 23ioline geftimmt merben.
Stuf bem unteren ©djaEboben finb brei furje güfee angebracht, roorauf baä fleine
Sfnftrumcnt jur Serftärtung be§ JoneS rjofjl auf ben £ifd) gefegt mirb. 5JUt
einem getoötjnlicrjen 33ogen geftridjen, fam ein fo jarter, lieblicher unb bocfj um=
fangreidjer, ju einer übcrrafdjenben ©tärfe anfcfjmetlenber unb ebenfo leid)t mieber
berftingenbcr ü£on, rocldjer, jumal mit gebätnpitem ©cigenquintett begleitet, eine
feinem anbercn 3lnftrumcnte genau ju öergtcict)enbe 2Birfung übte. 9Jtit einer
aEe 3"t)örer erftaunenben ^ertigfeit jauberte 5p. Iang=au8get)altene 2öne tjerbor,
bafe man unroillfürlid) badjte, fo muffe ber <5cf)n)ert=5iebetbogenftricr) be§ auS
bem sJUbelungenliebe befannteu ritterfidjen ©pielmanneä 33olfer gelautet Ijaben;
bann ätüitfcrjerten minnefingertidie 2Beifen mit bebenben ©djtoingungen, fjimmelcjodj
jaudj^enb, jum 2obe betrübt — baä gan^e fangen unb Sangen einer liebenben
©eele mit toedjfelnbem (£re§cenbo unb ®eficre§cenbo, bi§ jum feiig geliipelten
.^)aud) bei 3arte[ten @eftänbniffe§. |)atte er rjier alle ©efüljte in Slufruljr unb
mieber jur 9tul)e gebracht, fo griff er jur ©djtag^ittjer unb fpielte fjer^erfrcuenbe
ßänbter unb tieifjpulfirenbe Söal^er, mie (ie nur ba§ edjte 3Biencr=S3lut ju erfinben
bermag mit bem nedifdjen 6mft, ber fcfjmadjtenben ©cijalfljeit unb ber fbrüfjen*
ben ©lutf) be§ roaljren 2Bolfätrjum§. 5£)er 9iuf biefer unerhörten ©rfdjeinung
lodte eine Sln^al)! bon ©äften nadj bem |)aufe be§ „^eiling^ean", beffen "ftixina.
al^balb bem neuentberften Sirtuofen beigelegt mürbe, melcrjer biefen 3ufa|5 oer
§au§marfe ju feinem 5am^ifn,iamen toirflidt) eine 3e^ ^an9 annatjm unb auf
feinen «ßunftreifen al§ „^orjann 5Pefemat)er, genannt £>eiüng 3can", nad) einer
übrigens aud) im Mittelalter üblidjen ©itte, fürjrte. SBalb lub ber 2Ruftf
liebenbe Slbel ben jungen S3irtuofen in feine ©aton§; bon ba führte ber Söeg,
SPe&maget. 549
-nat^bem 5ß. fcfjott 1826 bei alten Erjtjerjogen unb it)ren gamitien ftdj tjatte
tjören laffen, 1827 in bie 3Ippartement§ be§ ^aifetS fixan^. 9hm toagte fidj ber
^caeftro auct) auf ßunftreifen : 1828 nadj ©raj unb <ßeft, too er 1830 mit
feinen ungarischen ftattonat-IDMobien unb =2änäen bie ftol^e Slriftcfratie jju
4)b,renetifctjem ßntfmiiaämuS rjinrif!, bann nadj Sinj (1831), Srünn (1833) unb
ßrafau, bon too au§ ber „neue 2trton" feinen S3irtuofen=2riump£)iug über
Sreglau nact) Sertin unb burcrj ganj 9corbbeulfcf)Ianb au£bet)nte. Stnfängticb,
ftuijte ba§ publicum über ba§ biStjer nierjt fatonfätjige Sfnftrutnent, braef) aber
alibatb in $ubet au§, toeterjer an ber ©pree unb (übe bem magrjariferjen Seifatt
bie ©bifee bot. ftacrjbem <ß. im berliner „CperurjauS" feine Sorbeern gefammelt
tjatte, mürbe er am 4. Februar 1834 in ba§ „$atai§ ber Sßrtn jeffinnen" befohlen,
mo in ©egenroart be» $önig§ griebrict) SBilfjetm III. unb be§ ganjen §ofee bie
©ctjtoeftern £t)erefe unb $annt) Sinter oberöfterrcictjifctje Sänbler unb National«
Sän^e aufführten jmm ^ittierfpiete ^efemarjer'g, metetjer fictj, mie auf biefer ganzen
j?unftreife, bon feinen Söiener Sanbäteuten x^xau^ £>eftner auf ber Sioline unb
bon '3t. ©ctjmutjer auf ber ©uitarre begleiten tiefe, ^fannb, 6(feter'§ rtmttjmifctje
©rajte, getragen bon ben feetenbolten, tjeimifctjen Stangen bei faitenfunbigen
3auberer§! Einige ätoanjig Satire fbäter fdjmebten auet) ©efiora 5ßebita;3
@lfenfü^ct)en in granffurt ben ganbango ju ^etsmarjer'ä 3^et^^^ — £)amat§
ejiftirten noct) feine Sompofitionen für bie gitb.er. ©eit ben 33efreiung§friegen tmtte
bie ©uitarre mit einer un§ !aum metjr ertnnerlictjen Omnipotenj get)eirfcrjt; für
fte tourbe gefctjrieben, gefegt unb gebruett. 2ln bie Qxt^n bactjte früher 9ciemanb,
ebenfomenig toie an ba§ 9tufaeict)nen bon SSotfäliebern unb 9Jtelobien, ober an
ba§ ©ammeln ber eckten $otf§märct)en unb = ©agen. Erft mit bem ftetigen
Ermactjen unb Erftarfen be§ beutfetjen 3Sotfsbetoufetfein§ toar bergleidjen mögtict)
geworben unb roieber in weitere Erinnerung geraten. 5ß. bereinte bie Eigen*
fetjaften be§ ©ammter§ unb Eomboniften, foraie be§ 2trrangeur§ unb Sßirtuofen.
33orfict)tige ßritifer erachteten e§ für ein fieser faüixenbeS Söagnife, mit bem
„fimblen Ätimberfafien" in einem großen Eoncettfaate aufzutreten. 5ß. ber=
nictjtete aber mit feinen aße§ eleftrifirenben Erfolgen bie bagegen borgebractjten
SBebenfen. £)ie ©ctjtagäittjer (fettfamertoeife tjaftete noct) an biefem Keinen
Sßerfäeug ber tecb.nifctje 2erminu§ be§ ,,©cb,tagens", mie an bem getoattigen
Sau ber Drgel) blieb ber Eiebting unfere§ 5Jieifter§; bie ©treictjjitljer bagegen,
5pe^marjer§ unbeftiittene Erfinbung, ba§ ecbjte Äinb feiner ^ßrjantafie (toenn man
toiE bie Oboe neben ber ßtarinette) beb.anbelte 5j5. fpäter aU 3lfcrjenbröbel. Unb
boer) tjatte er aueb, mit i^r feine SBunber gemirft unb bie ^erjen ber 3Henfcb,en,
oft noct; tjärter aU Stein unb Sein, getoeeft unb erfreut, gerührt unb erferjüttert.
©rofeei Tutore ermerfte immer fein unnadjatjmtictjer Vortrag auf einer ©aite
ber ©treicrjjitrjer , roepalb §ß. aueb, ber ^agantni feinet ^nftrument§ genannt
mürbe. — 3}on Serlin bereifte ty. noct) ba§ übrige ^Deutfdjlanb nacrj 5iorb unb
Söeft : ^n Hamburg, ^annober, 9ttain3, Seidig, 3uiau' "i>ra9> Erfurt — überalt
fammette er 1836 neue Lorbeeren, ^m Seginn be§ näctjften Satjre§ ging $.
in bie 9Jtittelftaaten unb concertirte ju ©otfja, Eoburg unb ^Bamberg, ^n
teuerer ©tabt taufcb.te feinem ©biet am 22. unb 26. Februar 1837 aud^ ^erjog
5Jtarimitian bon Saiern, toetetjer fo biet ©efalten baran fanb, ba§ er 5ß. alö
£efjrer annahm, unb ^u feinem ^ammerbirtuofen ernannte (17. Januar 1838;
unb in ber 5°lse 5um Begleiter auf alten Reifen toätjtte. SBie ernfttieb, ber
^jer^og ber Pflege biefeS ^nftrument» oblag, betoeift ber llmftanb, ba^ ein großer
X^eit feiner in ber Deffentticrjfeit ebirten Sombofitionen für bie S^er gefegt
unb erfunben finb. 5Der tjotje ©cb^üter fpielte mit feinem ßefjrer batb meifterlic|.
fogar auf feinen Steifen im Söagen unb tiefe ficr) im engeren Greife feiner ©^mbofien
^ören. 2tuf bieten bureb, 2it^ograpr)ie unb ©atbanograptjie roeitberbreiteten $or=
550 «Pejjmatjet.
traitä bon (SorvenS, SSiej, ©djöninger, £>anfftängl, Söibenbauer unb 2Bötffte ift
ber £>er<}og 3i^ev fpiclenb abgebilbet. ^. trat aud) im ©cfolge feinet mit
iürftlidjem ßbetmutt) immerbar itjm gleicf) geneigten .frerrn unb 'Dtaeccn, als
berfelbe 1838 bie nad) (Jgtjpten, ^aläfttna, .Wleinafien unb ©ricdjenlanb pro=
jectirte Steife antrat; fein 3M)erfpicl erflang am ftufc ber ^tjramiben, berbufct
t)ordi)te ber alte 23ater 9til auf bie ju feinen @r)ren benannten 2öatjer beS
beutfcfjen ütonmeifterä ; ^efcmarjerS funftreidje Söeifen gitterten burd) bie bom
träumerifdjen 9Jlonbli<i)t berfilberten Xempelruinen bon ßuror unb .ftarnaf; er
brad)te ben beiben $ftemnon'§ eine ©erenabe, fpielte auf ber 3fnfcl ^ptjttae unb
über ben Äataraften ; felbft an ber ©rcn^e 9lubien§ äußerten bie braunen ©ötjne
ber Sßüfie freubigeä (hftaunen unb Gmt^ücfen über baö ©piet beä „beutfdjen
$afd)a" unb feineä Gapettmeifter§. 9taci)bent 5p. im Jperbfte 1837 bor ber
glän^enben Sfürftenberfammlung ju £egernfee mit ungeteiltem 53eifatt gefpielt
unb einen borttjeittjaften Eintrag feine§ eben in ^art§ unb Sonbon bcfdjäftigten
3rcunbe3 ©traufj abgelehnt tjatte , rourbe bie Qityn ju Wündjen ßieblingg
inftrument; nidjt allein bie ©lieber bcö itluftren unb balb mit europäifdjcn fronen
berfdjroägerten tjerjogtidjen -gmufeä übten biefe ihinft , fonbern metteifernb
bannt [tritt fid) bie r)or)e 2lriftofratie um ben sIReificr, roelcr)er ben an ttjn
gefteHtcu äBünfdjen alä 8e$tei faum mrr)r genügen tonnte. 9Jtit Goncerten
würbe ty. rüdfyaltcnber, aufjer menn er mit feinem gnäbigften $etat au§wärt£
uadj Stuttgart, (Sannftatt, 5van^'ul't a- 9Jt., 2ßieebaben, ^iffingen ober 9tegen§=
bürg ging; in 53tünc^en liefj er fid), trojj bieten 23itten3, immer nur nad) ,jmet=
jätjrigen Raufen ju einem öffentlidjen, ftetö mit ftürmifdjem Srfotge gelohnten
auftreten tjerbei. dagegen bot er bei ctjaritatiben ^eden Se™c °'e "S^nb; fa
grünbete er beifpielöweife mit bem botlen Ertrag eineä Goucertä einen f^veipla^
im 33linben=3>nftitnt. ©päter raufd)ten feine äBeifen nur merjr im ^ribat= unb
greuube§freife, wofür s^. jebe§mat bei feinen bertjejten Serben eine fdjlaflofe
9tact)t eintaufdjte. ty. gab, wie jeber ectjte Äünftler, fein ganjeS innere unb
legte feine ganje ©eele in fein ©piet; fein unnad)arjmlid)er, unbefdjreiblidier üton
ergriff unb feffette alle 3uf)örer in wirflid) magifdjer SBeife. ©anj in feinem
(Clement War ty. mit ben edjten ©ebirgSliebern unb Jansen, mit ben feden,
netfifdjen, lebenäluftigen, oft aud) elegifd) flagenbeu ^Jietobien au§ ben SBergen
rton ©teier unb Jirot, foroie au§ ben metandjotifcrjen ^ufjten. 2ßenige Jafte
genügen unb toie burc^ ein s33tärc^en ftetjen bor un§ bie reijenbften SSilber auS
ber ?Upenmett mit tannenbuftigen Sßiübern unb Wattengrün, mit jaudi^enben,
tan^tuftigen ©ennerinnen unb eiferfücfjtigen „SBuben", mit £>eerbcngeläute unb
©onntag^morgenftitle. Unb toie birtuoS rou|te er bie einbringenbe ©etuatt ber
btbrirenben ©aiten, ben berfdjtoimmenben Oladjftang, ben lauten 3lnfd)tag
berfetben mit bem gefüt)t§reinen, mor)(berftanbenen Sluffaffen feine§ Irjema§ ju
bereinen. 2Infänglid) lie^ er ficr) nur buretj ©uttarre unb Biotine begleiten,
bann erweiterte ty. ba§ Slccompagnement ^u einem f leinen Drdjefter, jületjt
fc^lo| er fid) an ben Apoforganiften S. 33lumfd§ein, in roelcf)em er ben fein=
fü^ligften Slccompagnateur auf bem ^ianofoTte geroann. — 9lacr) einer 1878
gezogenen Silan^ getjörten ju 5pe|mat)er§ Repertoire 27 grofje „Goncertpiecen",
75 gtomanaen unb ßieber, 58 „?l(penlieber", 34 SESa^er unb 18 meift felbft
componirte „Cänbler", ba^u tarnen nod) jab^tlofe Potpourris, Variationen,
iDibertiffementS u. f. tb., mit benen er, ebenfo roie mit feinen freien ^tjantafien,
einen gefeierten Flamen errungen rjatte. — lieber s^cbmat)er8 ©piel befifet bie
^ünc^ener ©taat§bibtiot^ef einen ganzen Folianten bon 53erid^ten unb Referaten,
au§ roeld)en t)ier beifptel§roeife einige ©timmen <)ur weiteren Gtjarafteriftit folgen,
©o tjeifjt e§ über ein im Sluguft 1844 ju (iannftatt abgel)altene§ ßoncert
(meld)cm ber berühmte Söiolinift ^)enri SßieujtempS beiroo^nte unb entfmfta3mirt
$efcoIb — «ßefcolt. 551
mit $. ©reunbfctjaft fcrjtoß) : „Süe dgentlicrje ©runbfarbe bon *petjmat)er'§ Spiet
ift ein ibrjltifcrjer ,£)umor, betfdjmotjen mit einer elegifdjen *Dtelanct)otie; ex enttodt
feinem unfctjeinbaren Snftrument Jone, beten Sieblidjfeit, Snnigfeit nnb Seele
allen jum <g>erjen brang; feine 5Mobie ift ©efang, ty. raubt un§ unfer ^>erj
nnb bannt e§ in fein ^nfirument. 9lur ein Sirtuofe bon tiefftem ©efütjl fann
biefe gfiorattonen, biefeS Schleifen ber "Jone, biefen berfcrjtoimmenben 9tadjttang
unb biefe nur öon ber menfdjlicrjen (Stimme erreichbare Sefeetung tjerborbringen."
SDiefe Sorjüge raaren e§ aud), roeldje ben für alte§ Sottfommene fo empfänglichen
Äönig 2Jtajimilian II. berantaßten, feine -gmlb bem ^ünftter aujutoenben. —
©aßt man atte§ aufammen, fo liegt ein Sergleict) mit gerbinanb Staimunb nab>.
Seibe repräfentiren bie alte öfterreictjifdje ©emütcjtidjfeit, biefe gleichmäßig leidjt*
lebige $röt)lict)feit, gepaart mit einem ect)t melancrjotifcrjen ßrnft unb Sieffinn;
beibe finb Slutobibaften mit allen Sor^ügen unb (Scrjattenfeiten eine§ folgen;
beibe gleich große 9Jteifier in ganzer SBiebergabe be§ inneren 9Jtenfdj)en, ectjte
2)idjter, toarjre Äünftter. 9lur baß bem Sinen ba§ «Sctjitffal ben 2eben§faben
früher äerfcrjnitt, toätjrenb ber Stnbere benfelben roeit in ein r)ot)e§ ©reifenatter
fottfpann, bi§ aucfj biefer am 29. SDecember 1884 fein Snbe erreichte. Qatyxnüjt
s$ortrait§ tjaben feine äußere ©rfdjeinung fefigetjalten, fo bon ^einrictj b. 9Jcarjr
(s$. mit bem arabifdjen ^e^ unb ber türfifct)en pfeife auf einem ^ameel bie
SCßüfte burdjreitenb), 9ticf)arb Säubert (1854) unb Sobo SBinfel; (SorrenS äeicx)nete
unb littiograptjirte (1849) ein Portrait in fjatber i$\$m. Siele Silbniffe erfreuen
in &otjfct)nitt (3. S. in 3tr. 542 ber ßeipj. Stfojh. £tg. bom 19. ftoöember 1853)
unb *pt)otoQTap^ie (bei Gilbert, ^öffenbacrjer, Secrjteitner unb Lüfter).
Sögt. SBurabad), Siogr. Sejifon 1870. XXII, 152 ff. — Seit. 43 2lttg.
3tg. bom 12. Februar 1885. §t)ac. £ottanb.
$e$ott>: Stjriftian $., geb. 1677 ju ^önigftein in (Sacrjfen, wirb fcb>n
1697 al§ lurfürftl. fäcf)fif$er unb fönigt. polnifctjer Drganift mit 50 Spater
Söartcgelb ermähnt unb tourbe 1709 jum ßammercomponift unb roirtticrjen
Drganift beförbert. @r toirb bon 9Jtattrjefon in feinem boEfommenen $apett=
meifter unter bie bezüglichen £)rget= unb Stabierfpieler feiner 3eit g^ärjlt.
ftür biefeS Urteil fpridjt ber Umftanb, baß itm sÄuguft ber (Starte mit einigen
feiner berüfnnteften (Sottegen bon ber Gapette 1714 nact) $ari§, 1716 nact) Sene»
big reifen ließ, tfjeilä um fiel) bem ©efotge be§ jhtrprinaen ftriebricrj 2Iuguft
anjuf et) ließen, trjeilS um fiel) roeiter ju berbollfommenen. Sludj al§ Öetjrer
6. §. ©raun§ toirb er genannt. 3lußer mehreren Sachen für ba§ ßtaüier,
unter benen 25 ßoncerte befonber§ 3U ermähnen finb , componirte üp. aucl)
einiges für bie Kammer unb ^tre^e , toobon inbeß menig ober nict)t§ ge=
bruett morben ju fein fc^eint. Unter anberem fc^rieb er bie 9ttuftf ju
bem bom ^ofpoeten ^önig terfaßten ©ebictjt, roeld)e§ bei Gfinroeitmng ber bon
©ottfrieb (Silbermann in ber <Sopl)ienürcrje ju S)re§ben neu erbauten Orgel am
18. 9lobember 1720 aufgeführt rourbe. 3Iußer feinen (Slabierconcerten befi|t bie
^ufifalienfammlutig be§ ÄönigS bon ©acljfen nod) folgenbe ^Jtanufcripte bon
ib^m: 1 Suite unb 1 Soccata für ßtabier, 1 SLito für Sioline, £)boe unb
Saß, 1 2rio für Biotine, ©töte unb Saß unb 1 ©uite für Viola d'Amour.
5p. ftarb al§ ßammercomponift unb Organift an ber ©opl)ientircl)e in Bresben
am 2. ^uli 1733. ©ürftenau.
^olt: C>an§ % , neben unb nadj äöenscl Sammler ^ ©. sq. XIII,
691) ber bebeutenbfte ©olbfctjmieb in Nürnberg, 1550 geboren unb 1578 pnf=
tig. S)a er feine fietjräeit nietjt orbnungSmäßig beftanben tjatte, toar er nur
„au§ ©naben unb nit au§ ©eredjtigteit" jum SKeifterftüä 3ugelaffen roorben.
3n ben 3o.b>n 1595—1614 ^at er biet ütattjefilber geliefert (18 3tnana§=
pofale, 64 biö. fötale, 2 ©al^f äffer unb 16 ©abetn) , melcrje§ aber äerftreut
552 ^eucet-
ober berloren ift. ^Dagegen finb etroa 20 üetfc^iebene Xrinfgefcrjirre mit feinem
©tempel, einem SÖibberfopf in ^ßrofit , nod) tjeute nadjauroeifen. ©eine präd)=
tigften ©tüde befiuben fid) im 23efifce ©r. ^LRaj. beS beutfd)en $atferS unb in
bet Sammlung beS beworbenen 33aronS $arl b. Nott)fdnlb in gfranffurt a SDK.
ßinen befonberen CUjaralter erhält feine Äunftroeife baburd), bafj er, in ber
bellen Nenaiffance^eit lebenb, ben alten gott)ifd)en $8utfelbed)er beibehält unb
Hjn mit ben neuen formen berbinbet. Heber feine üttjätigfeit als ^Jlebaitteur
rjat man übertriebene SBorftellungen gehabt. IJNeljrmalS in ben Natb, geroärjlt,
ftirbt er 1632.
Nürnberger ©ilberjettct, ©tabtard)ib Nürnberg. — Nürnberger ©olb=
fctjmiebemeifterbud), Äunftgeroerbemufeum 33erlin. — 5Doppelmat)er, Nadjricfjten
1730. — Nofenberg, Samni^er unb ^efcott im ßunftgeroerbebtatt 1885. —
(grmami, sDtebaitleure. Nofenberg.
"^CUCCr: Caspar ty., ber ©djrotegerfotjn 9Neland)tt)ouS unb ßoufeffor beS
^eland)tt)oniSmuS, 3lr^t, s;ßolt)l)iftor, 5Did)ter unb $ird)enpolitifer, ebenfo be=
fannt burd) fein bielfeitigeS Söiffen tote burd) fein tragifdjeS ©efd)td, ift geboren
am 6. Januar 1525 ^u Sauden in ber Dbertaufit}, f am 25. ©eptember 1602
p 2)effau. ©ein Sßater roar ©regor 5ßeucer (33euber, Seufer, Reuter), ein rootjl*
Jjabenber Bürger unb «gmnbroerfer, feine 9Jtutter Ottilie geb. ©imon (f. bie
lateinifdjc ©rabfdjrift, bie % feinen eitern fefjte, bei £offmantt, Scriptt. rerum
Lusatic. I, ©. 448). 9llS förperlid) gartet, geifttg begabter .Wnabe jum ©tubium
beftimmt, befud)te er juerft bie ©d)ule feiner üöaterftabt, bann baS unter feinem
berühmten Nector SJatentin ^'iebtanb bon Irobenborf btütjenbe ©tjmnafium
äu (Mbberg in Nieberfd)lefien unb bejog fünfjermjärjrig im %. 1540 bie Uni=
oerfität SBittenberg (immatriculirt als 6aepar Seither f. görftemannS 3llbum
©. 202). 33on feinem Öeljrer £rot$enborj an '•JJcclandjtljon empfohlen, teurbe
er beffen begeifterter ©d)üler, |)auS= unb lifdjgenoffe, erroarb fid) unter feiner
Leitung, aber aud) im 93erfer)r mit £utt)er unb ben anbereu bamatigen SBittenberger
5ßerül)mib>iten eine bietfeitige tjumaniftiferje, pt)ilofopl)ifd)e, f)iftorifd)e unb tt)eo=
logifd)e 33itbung, roibmete fid) aber mit befonberem (Sifer bem ©tubium ber 5Jlatt)e=
matit unb Slftronomie, ber Naturroiffenfcrjajten unb ^Jlebicin (worin bie ^rofefforeu
sJJtilid)iuS, NtjäticuS, Neinl)olb, ©tiefet u. a. feine ßerjrer roaien). Nadjbem er
1545 9Jtagifter geworben, 1552 pro liceatia biSputirt tjattc, begann er mit bielem
Seifatt au lefen, rourbe 1554 orbentlidjer s$rofeffor ber sIflatt)ematif, 1559 aber
nad) 3Jliüd)ius' Job ^rofeffor in ber mebicinifetjen gacultät unb Dr. med.
(30. 3an. 1560), in bemfetben $af)r aud) Nettor ber Unibevfxtät. ©d)on am
2. 3uni 1550 rjatte er fid), 25 3ab,re alt, mit ber bamals 19 jährigen jüngften
2od)ter 9Jteland)t{)onS «ötagbalena (geb. 19. 3uli 1531, f 12. ©ept. 1576) ber=
rjeirattjet. Sr roor)nte in feine§ ©d)roiegerbater§ £>auä, fpäter, als für bie
roadjfenbe 3am^ie ^er ^Kflum ju eng rourbe, in einem angebauten .gnnterljaufe,
mit bem bon ifjm rjodjberefjrten Seb.rer unb ©djroiegerbater in innigfter S3ex=
binbung, als beffen bertrautefter f^reunb, 3lr^t, Seratljer, Neifebegleiter unb
£f)eilnet)mer an feinen t)äu§lid)cn ©orgen toie an feinen roiffenfd)afttid)en unb
firdjlidjen arbeiten bis an beffen SebenScnbc (18. 5lprtl 1560), roie er benn
aud) bem Seiftorbenen als bamatiger Nector eine alabemifdje ©ebädjtni^rebc
^ielt unb ib^m burd) Verausgabe feiner SBerte unb Briefe (Opera. Mel. 2öttten=
berg 1562 ff.; Epistolae 1565; ftortfefcung feiner (SI)ronif 1562 u. 65) ein
SDenfmal fe^te.
S)urd) 3Jleland)t^onS bieljäf>rtgen ^«rtnb, ben furjürftlid)en Natb, Utrid)
9Norbeifen, fotoie burd) ben banaler ^ieferoetter unb ben ©e^eimfdjreiber ^enifd),
rourbe % an ben ^urfürften 3luguft bon ©ad)fen empfohlen unb trat balb ju
biefem toie ju feiner ©ema^lin, ber Butter 3lnna, unb ju bem ganzen S)reSbner
5ßeucer. 553
£of in bie intimften SSe^ieljungen. ü£er $urfürft ernannte ttjn ju feinem ßeib=
ar^t, bebiente fid) feine§ 9tatrjeä aber aud) in bieten anbern, befonberä firctjlidjen
unb tüiffenfd^aftlid^en 3ftaScn» mie bei 33efetumg ber ßetjrftütyte an ber Uniberfität
SBittenberg, bermetjrie auf feine 3m*fPracie bie (Sinfünfte unb Stipenbien ber
Uniberfität, beauftragte itjn mit ber Dberauffidjt über ba§ ©eleJjrtenfdjutmefen
$urfadjfen§, tiefe it)n rjäufig <m fid) nad) 5Dre§ben fommen, befudjte it)n 1570
mit ber Äurfürftin in Söittenberg unb bat fljn fogar ^u (Bebatter bei ber Saufe
beS üprinjen 2Ibolf 1571. $. mar ju 2lnfang ber 70er Statjre eine ber etnfluf$=
reidjften ^erfönlid)feiten am furfürftlidjen £>of unb benutzte feinen ©influjj, mie
aud) bon ben ©egnern anerfannt mürbe, in uneigennütügfier Söeife trjeitä jum
33eften ber Uniberfität unb feiner afabemifdjen (Sollegen, mit benen er in freunb=
licrjftem Sinbemetjmen lebte, tfjeitä aber alterbing§ aud) <jur görberung ber
pt)iüppiftifd)en ^artei in ^urfadjfen b. f). ber an 9Jteland)trjon fid) anfdjliefjenben,
ümifdjen bem ftrengen ßutljertr)um unb bem (Salbtni§mu§ bermittetnben fird)=
tid)en unb miffenfdjafttidjen 9ttd)tung, mie er benn in§befonbere bie tf)eologifd)en
Set)rfteEen in Wittenberg mit entfd)iebenen ^Ijilippiften (mie ^e^el, ßruciger,
Dotter, SBibebram u. f. m.) ju befetjen, ftörenbe Elemente fern <ju Ratten fuctjte.
6inftuireid)e 35unbe§genoffen rjatte er bei biefen SBeftrebungen an bem ©er)eim=
ratt) ßraco, bem (Sdjmiegerforjn 23ugenr)agen£, fomie an bem furfürftlidjen «!pof=
prebiger Sctjüij, mufjte fid) aber bamalä aud) im mefentlid)en (Sinberftänbnijj
mit bem Äurfürften Stuguft felbft, ber, ofjne tieferes 23erfiänbnifj für tljeologifdje
fragen, bod) feinen Stolj barein feilte, feinem ßanbe ben 9luf be§ reinen ßutb,er=
tf)um§ ju magren, bie beiben ifjm gleid) berrjafjten ejtremen 9lid)tungen aber,
ben $laciani§mu§ mie ben SatbiniämuS, gletdjmäfiig fern ju rjalten. Safyxt lang
gelang e§ benn aud) ber pljitippiftif djen Partei, aU beren eigentlicher gürjrer
üßeucer galt, ben Ihirfürften bei bem guten ©tauben ju ermatten, bafj bie in
feinem ßanbe borljerrfdjenbe, 1569 burdj bie ©infürjrung be§ fog. Corpus
Doctrinae Philippicum, 1571 burd) ben fog. SBittenberger $atedji§mu§ offteiett
fanetionirte 9Jlelandjtrjonifdje ßetjrmeife mit bem edjten ßutrjerttjum ibentifd) fei
unb eben jene richtige 3CRitte amifdjen ben Sjtremen be§ Satbini§mu§ unb $la--
ciani§mu§ repräfentire. «Seit Anfang ber 70er Sfarjre aber ging, ^roar nid)t
in ben Slnfdjauungen $eucer'§, moljl aber in benen be§ Äurfürften eine 3öanb=
lung bor, ba bie (Bnefiolutljeraner in 9lorb= unb Sübbeutfdjlanb immer lauter bie
furfäd)fifd)en Sfjeotogen, befonberS megen jenes bon ^ßeucer bebormorteten unb em=
pfot)lenen SBittenberger Äatedji§mu§ bon 1571 unb ber pr 33ertt)eibigung beffelben
herausgegebenen fogenannten „SBittenberger ©runbfefte", ber Slbmeidjung bon
bet reinen tuttjerifdjen ßerjre unb ber offenen ober tjeimlidjen Hinneigung jum
6albini§mu5 befdjutbigten unb aud) bem ßurfürften biefen Sßerbad)t beizubringen
fud)ten. 58on ber im Slprit 1574, au§ 3lntafe ber offen calbiniftrenben 2lbenb=
mab,t§fd)rift Exegesis perspicua, über bie pt)itippiftifd)e Partei ptö|tid) t)erein=
bredjenben ^ataftroptje mürbe aud) sp., obmot er tangft erttärt tjatte, bafj er
mit tb,eotogifd)en ^^aQen fid) nidjt befaffe, bod) at§ einer ber tjeroorragenbften
Seiter ber Partei, mit am fdjmerften betroffen, ©er Dftatt) ßinbemann, ber
6ecretär Senifd), ber ^rebiger ßiftt)eniu§ unb anbere (Segner ber ^tjilipbiften
mußten bem Äurfürften (Sorrefponbenzen bon $• in bie |)änbe zu fpielen, au§
benen ber Äurfürft ben offenbaren 2)errattj ber brei ^arteib^äupter ju erfennen
glaubte. 3lm 1. Slpril 1574 mürbe 5ß. in Wittenberg behaftet, feine Rapiere
meggenommen, er felbft nadj ©re§ben gebrad)t unb it)tn ber 5ßrocefe gemacht
unter ber Slnftage, bafe er fid) fortmätjrenb tro^ ber turfür[ttid)en SSermarnungen
in t^eotogifdie |)änbel gemifd)t, bafj er mit |>ofprebiger ©d)ü^ unb (Seljeimratlj
Sraco fid) berbünbet tjabe, um burd) geheime ßonfpirationen unb ^raftifen
frembe facramentirerifdje ßetjren in $urfad)fen einjufü^ren, bafe er au biefem
554 SPeuccr.
groecf gefährliche ©djriften berbreitet, einfyeimifdje unb aufituärtige Geologen
beleibigt, anbere gegen bie fädjfifdje ^trdje aufgeb/kt tjabe u. f. ro. ty. lehnte
biefe Befdjulbigungeu bon fid) ab, liefe fid) aber bodj bap beftimmen, eine Sr=
flärung an ben Äurfürften ju unterzeichnen, in ber man ein ^ugeftänbnifj feiner
©djutb fat). S)a§ milbc Urtfjett be§ Sorgauer £anbtag§, ber lebiglid) beantragte,
bafj Iß. auf bie ©tabt SBittenberg unb auf bie 9Iu3rid)tung feiner mebicinifd)en
^rofeffur befdjränft, fernere ßinmifeffung in fird)lid)e S)inge irjm »erboten roerben
fotte, rourbe Don bem leibenfdjaftlid) erregten Äurfürft caffirt, 5ß. üielmcrjr nad>
toiebctt)olten Betören oljne red)t§fcäftigen Urirjetläfprud), trofc ber Betreuerung
feiner Unfdjulb unb trotj ber bon feiner gamilie, feinen greunben, roie bon
auStoärtigen dürften für itjn eingelegten Fürbitten unb Berroenbungen, ju
föod)lifc, geiü, fpäter auf ber ^(eifjenburg in Seipjig in äroölfjärjrigem garten
©efängnifj gehalten. 6r berbrad)te feine 3eit ttjcitö mit eifrigem ©tubium ber
rjeiligen ©d)rift, tljeilä, foroeit itjm ba§ bei ber (Sntjjiefjung aller Schreibmaterialien
mogtid) mar, mit ^Ibfaffung bon ©djriften unb ©ebidjten, blieb aber trok alter
Berfudje, itjn jum 2Biberruf feineä angeblichen SalbiniämuS unb gut ?lnnatjme
ber 1577 berfafjten (Soncorbiemormel p beftimmen unb, trotj aller auf Beran=
laffung be§ ßurfürften bon feinem ßerfermeifter, bem Bürgermeifter 9taufdjer
bon 2eip<$ig, roie bon ben beiben Goncorbienmännern 2Inbreä unb ©elnerfer
über ifm öerrjängten Quälereien unb Befetjrung§berf ud)e , ftanbljaft bei feinen
pb,ilippiftifd)en Ueberjeugungen. ©eine ^rau, bie aUeS gettjan it)m bie greiljctt
ju erbitten, ftarb au£ ®ram am 12. ©eptember 1576, feine Äinber rourben
Zerftreut. Qhft nad) bem iobe feiner unDerfötjnlidjen f$feinbtn, ber .Uurfürftin
Slnna (f 1585), bie c§ irjm nid)t ber^eitjen tonnte, bafj er in feinen Briefen
fid) fpöttifcfje Bemerfungen über bie am 2)re«sbner .§of Ijerrfdjenbe ©tjnäfofratie
erlaubt Ijatte, fd)lug enblid) für s^. bie ©tunbe ber ©rlöfung. 2llä ber GOjätjrige
$urfürft roenige sDtonatc nad) bem ü£ob feiner elften ©emafjlin am 3. Januar
1586 mit ber 13iäf)rigen üßrinjeffin 2Igne3 -"jpebmig, £od)ter beä dürften ^ioadjim
Srnft bon 9lnt)alt, einen neuen (Jfjebunb fdjlofj, gelang e§ ben getneinfamen
Fürbitten ber Braut unb iljreä Bater§, bie greitaffung be8 unfdjutbig (Befangenen
3U erlangen, nadjbem biefer unter Bürgfdjaft feiner ©öljne unb Berroanbten
einen eiblicrjen 9teüer§ ait§geftettt, roegen ber ifpn roiberfarjrenen Beljanblung
roeber öffentlid) nodj fyeimtid), roeber münblid) nod) fd)riftlid) an bem ^urfüften
ober feinen Wienern ftdj räd)en p moüen. 3lm 8. gebruar 1586 rourbe ^?. au§
bem ©efängnife entlaffen, brei ütage barouf, am 11. 3e^l*uQ1-* ftai& Äurftirft
Sluguft; fein sJiad)f olger ßurfürft ßtjriftian I., entbanb ib,n feineä 3<leberfe§ mit
ber Bitte, irjn nid)t entgelten p laffen, was» er bon feinen ©Item tjabe erleiben
muffen. £ß. ging naetj S)effau, rourbe fürftlid) antjaltifdjer 9tatt) unb öeibmebicu^,
bertjehattjete fid) am 30. 9ttai 1587 im 63[ten ßebengjarjre jutn jroeiten ^Dtal
mit einer SanbSmännin, ber roorjtb.abenben Söittroe be§ BürgermeifterS Bergmann
au§ Bautjen, um feinen ^inbern eine zweite Butter ju geben unb feinen, burdj
bie lange ©efangenfdiaft jerrütteten BermögenSbertjättniffen aufzuhelfen, unb öer»
lebte, tfjeilä in treuer Slrbeit, ttjeilä in root)lberbienter 9iub,e, bon ben ©einen
geliebt, bon eitlen geadjtet, aud) bon au^roärtigen dürften unb (Bonnern mit
(Sljren unb (Sefdjcnfen überhäuft, aber aud) feinerfeitg gerne bereit 5lnberen ju
Reifen, mit alten unb neuen greunben in regem perfönlid)en unb brieflichen
Berfeljr, nod) fedjze^n gtücflidje ^atjre bi§ p feinem, im 78ften SebenSjaljre am
25. ©eptember 1602 ju S)effau erfolgten Job. Bon feinen 10 Äinbern au§
etfter Q^e roaren 4 frü^eitig geftorben; bon ben übrigen 6, pm ©ötjnen unb
4 Södjtern, erlebte er 41 @nfel unb 7 ©rofeenfel.
5p. ift, roie fein ©d)toiegerbater 5)teland)tb,on, bon ber Parteien £af$ «nb
©unft in alter unb neuer 3^it fetjr berfd)ieben beurteilt roorben. ®en Slurjm
5ßeucer. 555
eine§ SonfefforS, eine§ 9Mrtrjrer§ für feine Ueber3eugungen mufjte auctj «ffurfürft
2luguft irjm 3ugeftef)en. fanget an SBorfic^t unb 9ttenfdjenfenntnifj, Heber-
fdjä^ung feines @inftuffe§ auf bie *ßerfon be§ Äurfürfien, Unbefanntftfjaft mit
ber ©prjäre ber £ojluft ift nicfjt ba§ ©äjlimmfte, toaä man irjm bortoerfen !ann ;
audj bon bem 23ortourf ber 3toeiäüngigfeit in feinem 35ert)ältnif$ ju bem $ur=
fürfien, ber Unreblicrjfeit in Verfolgung feiner ^axteiätoedEe, ber (Jitelfeit unb
(SelbfiüberhYbung ift er nicrjt freisufprecfjcn. 2öie aber audj ba§ Urttjeit über
bie 2Irt unb ba§ -Dtaf} feiner SBerfdjulbung ausfallen mag, {ebenfalls unterliegt
e§ feinem 3to"fe^ ba§ bie 33er)anbtung, bie itjm getoorben, bafj inSbefonbere baS
perföntidje 35enetjmen be§ Äutfürften unb ber ihirfürfiin, toie ba§ ifjrer £>elfer§*
Ijelfer gegen itjn in einen Slbgrunb bon Ungerechtigkeit, 9rorjeit unb S3ö§artigfeit
tjineinblicfen täfjt, bie nur um fo toiberlidjer unb empörenber finb, je metjr fie
in ba§ fjeucrjterifdje (Betoanb ber religiöfen ^3c)rafe unb beS firäjticrjen ©iferi fidj
rjütlen. £rot$ alter 23efdjönigung§berfucrje alter unb neuer Drttjobojie bleibt bie
(Sefdjidjte ber fogenannten crrjptocalbiniftifctjen (Streitigfeiten unb mit itjr bie
(Sefdjidjte ^eucer'S eine§ ber bunfelften 33tätter in ber ©efdjidjte ber luttjerifdjen
Äirdje toie in ber (Sulturgefdjicrjte beS XVI. 3at)rtjunbert§.
*ßeucer'§ 3at)lreictje ©Triften finb bei3eidjnet hd 3öcrjer = 9totermunb III,
1475; V, 2115; bei 9töfe ©.454. ©ie finb tljeil§ matljematifcrj-aftronomifcrjen
(3. 58. „Logistice regulae arithmeticae, quam Cossam et Algebram vocant" ; „Ele-
menta doctrioae sphaericae" ; „Theoria planetarum" etc.), ttjeil§ mebicinifdjen
(3. 55. „Practica s. methodus curandi morbos" ; „De ratione discendi medicinam'" ;
„De dignitate artis raedicae"; „De peste, asthmate, febribus, morbis conta-
giosis" etc.), trjeitS t^eoIogifcr)en ober religion§gefctjidjtlidjen (3. 93. „Doctrina
fidei justificationis", „Tractatus historicus de Ph. Melanchthonis sententia de
controversia coenae Domini", „Comm. de praecipuis divinationum generibus"
SGßittenberg 1553 unb in toiebertjolten Auflagen), ttjeili enblici) fnftortfdjen unb
autobiograpf)ifdi)en ^ntjaltS, 3. 58- „De origine Mysorum", „de Friderico Land-
grafio Tburingiae", „Chronicon Carionis Lib. IV et V", befonberS aber feine
„Historia carcerum et liberationis divinae" tjerausgegeben bon feinem greunb unb
ehemaligen SBittenberger Sollegen Sljriftopb, ^el, 3üridj 1605. 12°, mit bieten
Slctenftücfen, toorunter audj fein im (Sefängnif; gefcrjriebene§ Seftament. Slufjerbem
finb lateinifdje <S$ebicf)te bon itjm (3. 35. „Idyllium, patria sive historia Lusatiae
Superioris", berfafjt 1583 im ©efängnifj, gebrucft Sauden 1594) unb 3atjtreidje
33riefe bon itjm unb an ifjn tt)eit§ gebrucft (3. 55. im „Corpus Reformatorum"
23b. VII, VIII, IX, bei ©trobel in feinen «miscetl. lit. ^ntjaltS IV, 73 u. 110)
tfjeitS rjanbfdjriftticrj (3. 33. auf bem S)reSbner <gmupt=©taat§arcr)ib, in ber
9tbebiger'fcrjen 33ibl. in 35reSlau, in ber 23ibl. be§ 9Jticrjaeli§flo[ter§ 3U Süne=
bürg, jetjt in ^annober u. a, a. £>.) bortjanben.
dben biefe feine ©ctjriften unb 23riefe bilben aucfj bie £>auptquette für
bie (Sefdjicrjte feines SebenS, ba§ bielfadje monograprjifctje 23earbeitungen in
alter unb neuer geit gefunben t)at, fo: 23renbel, 2eid)ent>rebigt 1603; —
Stenii Oratio de P. 1603;— ßeupolb, £eben 5J}eucer;§, 35autjen 1705; — gictj*
ftäbt, narratio de C. P. 1846; — £eimburg, de C. P. ^ena 1842; —
6. ftöfe, 6. $eucer 1844 unb in @rfd) unb (SruberS 3lHg. (5nc. III, 19,
©. 435 ff.; — gtettberg, ebcnbaf. ©. 457 ff.; — Äocb,, de vita C. P. 3Jlar=
bürg 1856; — g. ^enfe, 6. ^eucer unb Ücic. Ärctt, Harburg 1856, aud)
abgebr. in beffen Sammlung bon 33orträgen jur neueren $. ®efii). Harburg
1866; hattet in ber 3ieal=@nct)ft. f. brot. ^eol. unb ^ird)e 2. 3lufl. 35b. XI,
©. 548 ff. Slufjerbem bgl. M. Adami vitae Medicorum Germ. ©. 376 ;
— Softer, Historia motuura II, III; — ^pianif, ©efcr). be§ prot. SeljrbegriffS
35b. V, 2 ; — (Salinidj, ^ampf unb Untergang beS 2Relan(f)tr}oni§mu§ in ^ur=
556 ^eutfer.
fachen. 1866 bef. ©. 191 [f.; — ©tuet, (Jratö bon Srafftfjeim unb feine
ftreunbe. ftranffurt 1860; — 3ofj. Sfanffen, ©efd). be§ beutfd)en Sßotfg.
33b. IV, ©. 343 ff. ; — ßlucfrjorjn, ©tur^ ber Jhpptocalbiniften in ©adjfen
in ©pbel'g tjiftor. 3eitfd)r. 18, 77 ff. 9Mnd)en 1867; — Ueber <p_eucerS
rjiftorifdje arbeiten f. SCßegele, ©efd). ber b. .guftoriograprjie. ©. 209 fg.
Söagenmann.
^cutfer: ßbuarb P. $. , preufjifdjer ©enerat ber Infanterie unb preufji*
fdjer ©taatämann, geb. am 19. Januar 1791 ju ©djmiebeberg in ©djtefien,
f am 10. gebruar 1876 in SSerlin, fjat fidj in ber ^ugenb roärjrenb ber fjfrei»
fyeitäfriege in r)ot)em ©rabe mititärifdj ausgezeichnet, in reiferen ^aljren mit
grofjer Umfidjt für bie ftänbige Solijäljtigfeit ber preufjifdjen SBaffen geforgt,
in ben beutfdjen (SinfyeitSbeftrebungen bon 1848 eine rjerüorragenbe , fdjroierige
»tolle gefpielt unb im SUtet mefentlidjen (Jinflufj auf bie geiftige unb miffen=
fdjafttidje 2Iu§bilbung beö preufcifcfjen .§eere§ geübt. sJtad) 9lblegung ber 2lb=
gangöprüfung auf bem $ftaria='9Jtagbatena=©i)mnafium in 23re3tau ftanb er mit
18 Satjren im Segriff, betjufö ©tubiumä ber 9ted)te bie Uniüerfität ju bejietjen,
aU er im £mufe eine3 Sermanbten ben ©eneral ©neifenau Pon ben planen für
bie SBieberertjebung beä SatertanbeS reben fyörte. &er tiefe (SinbrudE be8 ©e=
rjörten mürbe entfd)eibenb für feinen SBeruf unb auf Anregung ©ncifenau'3 trat
er 1809 alä gvciröiniget bei ber fd)lefifd)en ?lrtitteriebrigabe ein. $u feiner
Seftürjung mufjte er aber bie erften 5Dienfte in ©emeinfdjaft mit bem geinbe
be§ ßanbes mad)en. sJcad)bem er 1811 pm ©econbelieutenant ernannt tuorben,
mar feine 58attetie bie einzige, meldje au§ ©djlefien jur 33ilbung be£ preufjifdjen
,!pUfäcorp«S für bie franjöfijdje tllrtnee bermenbet mürbe unb 1812 am ^elb^ug
gegen Stufjtanb SEtjeil naljm. 9Iuf bem Otücfyuge mürbe er jum sJIbjutanten be3
5öefet)tö^abet§ ber StrtiHerie beä sJ)orffd)en GorpS ernannt. 3113 fotdjer führte
er im 5etbiuge bon 1813, fuq bor ber ©djtadjt an ber Äatjbadj, einen fd)roie=
rigen Auftrag megen öefdjaffung bon ©ctjiefjbebarf für bie fd)lefifd)e 3lrmee au8
bev geftung sJleiffe in fo augge^eidjneter SBeife au§ , bafj s^ßrirt3 3Iuguft bon
s4keujjen am 29. ©eptember 1813 fein Seifpiel als dufter auf [teilte. 3iud)
in 9)orf'ä Seridjte über bie ©djladjt bei *Dcödfern rcurben ^eutfer'S roidjtige
SDicnfte fo feljr tjerborgetjoben , bafj er ba§ eiferne $reua 2. Stoffe unb ben
ruffifdjen Sßlabimirorbcn 4. klaffe erhielt. $ür jeine Sökffamfcit in ber ©d)lad)t
bor s43ariS am 30. 5Jlärj 1814 roarb itjm bas eiferne Äreuj 1. Glaffe ju üttjeil.
91ad)bem ferner in einem 53erid)te über ib,n gefagt mar, bafj er fidj burd) Un=
erfcrjrocfentjeit in ber größten ©efatjr unb burd) äufjerfte ^uberläffigteit in 2Iu§=
füfjrung ber 33efet)[e itjrem ©inne nad) bie 2Id)tung bc§ ganzen 1. 3lrmeecorp3
ermorben rjabe, mürbe ber am 7. ^uni 1815 jum ^remierlieutenant be=
förberte $. am 16. sDtai 1816 in ben Slbelftanb erhoben unb im 3imi in bai
Äriegäminifterium Perfeijt. Sei beffen Umbilbung mürbe er am 4. $ebr. 1822
jum sDlaior ernannt, 1825 jum Sorftanb ber sÄrtilIerieabtl)eiIung beS allgemeinen
$rteg§bepartementä beftettt unb mit ber Seitung einer burdjgreifenben 9ieugeftal=
tung bei roidjtigften Steige ber |)eere§bemaffnung nad) einb/itlidjem ©t)ftem be=
traut. $n biefer ©tettung entmicfelte er eine fetjr erfolgreidje SCßirffamfeit be=
^üglid) ber arttÜeriftifdjen 2Iu§rüftung ber Ölungen, ber Serbottfommnung be§
SlrtiHeriemateriali , fottrie ber ©infütjrung be§ 3üubnabelgettierjre§ bei ber $n=
fanterie unb legte fo ben ©runb ju ber in fpäteren ^^ügen ju £age getretenen
Ueberlegent)eit ber preu^ifdien Sßaffen. ^nibefonbere Ijat er bie ©infütjrung be§
3ünbnabelgeme^re§ unb , fpäteren anbermeiten S3erfud)en gegenüber, beffen 2luf=
red)tevr)altung fid) angelegen fein laffen. 1834 mürbe er aufjer ber 9veilje jum
Oberftlicutenant , 1836 ^um Oberft, 1842 jum ©eneralmajor ernannt, im
Januar 1843 ^ur Verfügung be3 Ärieg8minifter§ b. Sopen geftettt, im Wpril
Relief er. 557
1843 bet Gommijjion zur Ausarbeitung eines neuen SienftregtementS beigeorbnet
unb, nadjbem er im Januar 1844 ben Slang eines ArtillericinfpectorS errjalten,
am 4. Wlai 1848 jum ^ilitärbebollmäcrjtigten bei bet SunbeSberfammtung be=
ftellt. SSalb baraui fdjiieb er „53eiträge zur SBeleudjtung einiger ©runblagen
für bie fünftige 30ßeb>berfaffung SeutfdjlanbS" (1848). Auf SBunfdj beS 9teicb>
bertoeferS trat er mit Genehmigung feines -ftönigS am 15. 3uli 1848 bie
Stelle eines «ßrieglminifterS bei ber probiforifdjen beutfdjen Gtentralgetoalt an.
AIS foldjer beanttoortete er in ber 9lationalberfammlung eine grofje 3at)l öon
anfragen über mititärifdje Singe correct unb madjte bort 9Jcittrjeitungen über
ben Stanb beS beutfdjen JpeermefenS, ben Ärieg mit ü£änemarf unb bie £ienft=
bertjältniffe ber Seeleute. (Sifotgteict) macrjte er baS Anfetjen ber ßentralgetoatt
geltenb gegen mititärifdje Anorbnungen beS ÄönigS bon SBürtemberg ; bagegen
mürbe feiner Aufforberung, toonact) am 6. Augufi 1848 aüe beutfdjen 33unbes=
truppen im SBaffenfdjmud aunücfen unb burd) ein breimatigeS <£)odj bem 9teicf)S=
bermefer rjulbigen füllten, tfjeilS unbotlfommen, ttjeilS, mie namentlidj in ^reujjen,
gar nid)t ©enüge geleiftet, infolge befjen $. fdjon am 5. Auguft jurücftvat. 3n
23efämpiung beS SeptemberaufftanbeS ju granffurt a. 9ft. entfaltete ty. eine
große 6ntfd)iebenr)eit unb am 18. (September narjm er aufSSunfd) feines ÄönigS
baS ir)m mieber angetragene Amt eines OteidjSfriegSminifterS an. Am 8. 2ftai
1849 äutn preufjifdjen ©eneraltieutenant beförbert, trat er nad) ^reußcnS Ab=
lefmung ber 9teid)Sberfaifung, am 10. 5ftai mit ben übrigen SJtitgliebern beS
ÜJlinifteriumS b. ©agern 3urüd. ^eucfer'S minifterieße 2Birffamfeit tjat überall
bie günfligfie 53eurtt)eilung gefunben, am meiften bei fiaube (b. b. ^arl. 33b. 2.
Seipj. 1849). Am 10. 3uni 1849 tourbe er zum commanbirenben ©enerat
beS in ©emeinfdjaft mit jtoei preufjifdjen GorpS unter bem Cberbefeljl beS
5ßrinjen bon *)3reujjen jur SBefämpfung beS babifetjen AufftanbeS beftimmten, auS
berjd)iebenartigen 9teid)Struppen gebilbeten „ÜtecfarcorpS" ernannt. 9iad)bem er
burd) tit treffen an ber 33ergftrafje unb bei Sabenburg bie Aufftänbifdjen auf
Jpeibetberg jurüdgetoorfen unb nacrj einem 9Jcarfd)e burrf) ben Cbentoalb biefetben
aud) bei ,ipirfct)tjorn unb anberen Orten beS oberen 9lecfar in fjartnätfigen ©e=
fedjten erfolgreich, befämpft r)atte, bewirf te er burd) feinen $u8 an 0*e 9Nurg
unb bann burd) ben Sdjtoarjtoatb bis Gonfianj bie böttige Gnnfdj tiefjung ber=
felben aud) bon ber ©ftfeite unb tjinberte, bie 2Beifungen ber 9teicr)Sregentfd)aft
in Stuttgart unbeachtet taffenb , bie Sßeiterberbreitung beS AufftanbeS nacr)
SBürtemberg. Sei ©ernsbad) tourbe er leicfjt bertounbet. Iftit Ütürffidjt auf
biefen gelbjug ertjiett er Drben öon fieben betfjeiligten Staaten. Am 20. Ccto=
ber 1849 tourbe er <jum Sfjef beS ©eneratftabS beS ^rinjen bon ^ireufeen als
^Rititärgouberneurs ber ütfjeinprobinä unb äöeftfalenS, am 19. 3anuaic l850
an Stelle b. 9tabotoit$'S probiforifcf) unb am 31. 5Mtj enbgiltig jum erften
preuBifc^en ^Ritgliebe ber nad) Abberufung beS SleicrjsbertoeferS bon 5]ßreu^en
unb Cefterreid) eingefe^ten ißunbeScentratcommiffion ernannt unb am 30. 9tobbr.
1850, unter 33eiberjattung biefer Stellung, infolge ber ^unftation bon Dlmüfe
bon SJtanteuffet als aufeerorbentlicfjer SeboHmäct)tigter ^reußenS unb feiner 33er=
bünbeten, jeboef} ofjne nähere Snftruction, naef) Uur^effen gefanbt 3U einem 3>er=
fuetje, in SJerbinbung mit bem öfterreidjifcfjen SBeboKmäcrjtigten , (Srafen b. Sei=
ningen, bie bortigen 9]erfaffungSflreitigfeiten beizulegen. Stfefei Aufgabe t)at
fid) $. mit großem ©efebief unterzogen, bie £urcf)füt)rung berfelben ift i|m
aber burd) bie ^olitif beS dürften Sdjtoarjenberg unmöglid) gemadit. ©eftü|t
barauf, baf$ eS fid) infolge ber Clmütjer Abrebe lebiglidj um 53efo(gung ber 3ln=
orbnungen ber burd) bie beiben SBebottmädjtigten bertretenen ©efammtrjeit ber
beutfdjen ütegierungen fjanbele, fudjte er im Secember 1850 bie SSefjörbcn in
Reffen, unter ber guiidjmmcj. ba| alsbann ber toeiteien 23efet$ung beS Sanbel
558 ^euerer.
burdj bie baierifc^en Gruppen Ginrjalt getrjan toerbe , jur bortäufigen tr)atfädj=
lidjen Befolgung ber ©eptemberüerorbnungen $u bewegen unb ba£ tjödjfte ©eridjt
ging in ber 33orau3fetmng gemeinjamen ^>anbeln§ ber beiben 33eüottmädjtigten
barauf ein. SBenn barauf ßeiningen, unter 3)e3abouirung aller 3ufagen s}kuder'8,
fid) als ben allein berechtigten Vertreter beä 23unbeötag§ erf Carte , fo rourbe
ßrfterer burd) ba§ 2)cmütf)igenbc, roeldjcS für s4keufjen barin tag, perfönlidj
empftnblidj mitbetroffen. @r errjob gegen bie öfterreidjifdje 23cfetmng Äaffelä
äkrroatjmug; rourbe aber, nadjbem ÜJlanteuffel fidj ber ©ctjroaraenberg'fdjen 9lus=
legung ber lUbrebe Don Dlmütj gefügt, angeroiefen, bie 2)urd)füf)rung ber 6je=
cution befdjleunigen \u fjelfen. Jebod) am weiteren ©djalten &einingen§ in
«ipeffeu ift ty. oljnc silntr)eil. Jnbem er in ber Stellung auStjarrte, fudjte er
baä (Jrniebrigenbe berfetben baburd) ju nüiibern, bafj er mit feinem perfönlicrjen
9lnferjen ben 2lusfd)reitungen be§ üebermuttjä in ber 9Iuäfürjrung ber 9lnorb=
uungcn bes 33unbe§commiffar§ entgegentrat. 3)ie 23eoölterung |>effen§ jottte
itjm 2)an£6arfeit, blidte aber mit "Dtitleib auf bie 9toü.e, au roetdjer er ber=
urttjeilt roar. Bürger Oon Äaffei fpradjen itjm roiebertjolt ba§ 33ebauern auä,
bafj er ju einer fotdjen Aufgabe mifjbraudjt roerbe. Jm ^ebrnar 1851 mürbe
er abberufen, um 0. Uljbeu s$lak &u macfeen, aber erft am 5. Juli tonnte er
jeine Functionen in Frankfurt a. SIÜ. an ben nunmerjr erft oon ^reufjen an=
erfanntcn 33unbestag abgeben, hierauf mürbe 5ß. roiebcr jur Verfügung gcfteüt,
bis er nad) föaboroitj'S ütobe am ti. Slpril 1854 jum ©eneralinfpccteur beg
preujjifdjcn ^ititärerjierjungS* unb s.J3ilbungsroefenä ernannt rourbe. 2113 fotdjer
tjat er bie burd) föniglidjen (htafj öom 19. 2luguft 1858 angeorbnete Um*
roanblung ber ben üeränberteu 33ert)ältniffen nid)t mct)r geuügcnben neun 2)iüis
fionsfdjuleu in Jftriegßfdjuleu bcroirtt, in roeldjen bie Äatrjebcrüorträge burd)
appticatorifdje Uebungen begleitet merben. Jn biefem ©inne bearbeitete er aud)
bie 33orfdjriften öom 20. sJJlat 1850 über sDcett)obe , Umfang unb (SinUjeilung
beö Unterrichte auf ben Jhieggfdjulen unb ließ im 2lnfdjtuf$ rjieran „(Senetifdje
©fijjcn be8 ÜerjrftoffesS für ben Unterridjt" in ben einzelnen $ädjern ber sJJlilitär=
roiffenfdjaften bearbeiten, um bie freie £rjätigfeit ber ^u 2et)rern berufenen Dfp=
eiere in großen 3u9en äu regeln. sÄm 22. 9iooember 1858 rouröe ty. jum
okneial ber Infanterie ernannt, $ür fein auf umfafjenben Stubien berutjenbeä
Söerf „S)a§ beutfdje ßriegSroefen ber Urjeit in feinen 2Bed)fe(be,jief|ungen unb
33erbinbungen mit bem gleidjjeitigeu Staate unb 23otfsleben" (3 2;tjle. 1860 —
1864) mürbe iljm ber bei ber Jubelfeier beS Vertrags oon s^3erbun üom Könige
für 2öer!e jut beutfdjen ®e)d)id)te auögefetjte ©rjrenpreis juertannt unb 1860
oon ber pt)ilofopl)i}d)en gacultdt ^u ©erlitt bei ber Jubelfeier ber bortigen Unt=
Oerfität baS 2)octorbiplom ju 2l)eil. *Bei ber ®ebdct)tniBfeier ber (Srtjebung
$reujjen3 mürbe it)m am 17. Wäxfr 1863 ber Sd)mar3c Slbterorben Oerlieljen.
y3eim 150iät)rigen Jubiläum beS JlabettencorpS in 33erlin am 1. (September
1867 mürbe er ä la suite beffelben gcftetlt. sJtadjbem er am 24. Juni 1869
feine 60jät)rige actiüc ^tilitärbienft^eit gefeiert, mürbe er balb barauf burd) bie
(Ernennung jum au§roärtigen ^itgliebe ber fd)roebifd)en 3ttabemie ber Ärieg§=
miffenfdjaften au§ge^eidjuet. sÄuf fein S-Jlbjd)ieb§gefud) mürbe er am 21. sJioöem=
ber 1872 burd) eine „ben üoEfteu 3)anf unb bie märmfte s}lnerfennung" aus=
fpredjenbe fönigl. Orbre mit ^enfion jur Verfügung gefteltt unb jum ßtjef beS
fd)lefifd)en $elbartiHerieregiment§ s}lr. 6 ernannt, audj am 24. ^Roüember 1872
in ba§ JperrentjauS berufen. 6r ftarb am 10. gebruar 1876 in Serlin unb
rourbe, nad)bem ber $aifer unb bie ^rin^en beg fönigüdjen ^aufeS ber @infeg=
nung ber fieietje beigeroorjnt , am 13. 5ebi'uar auf bem S)orottjeenftäbtifcr)en
Äirdjtjofe beerbigt. @r rjinterltefj umfangreidje ^Jlemoiren, roetdje jebod) Oon
!pm. 0. ©djentf auf 5^^^"9en nod) üertoatjrt merben.
beuget — 5ßeurbad\ 559
£arjm, b. b. 9cat.=23erf. 33b. 1 (3frif. 1848) 6. 94. — £öuffer, ©enfw.
a. ©efä. b. bab. ftebol. (£blbg. 1851). — ^reufc. 2miitar«2Bo<ienM. 1876
9lr. 17 u. 18. — Sucftoik, 2)enftt>. a. m. öff. Seben (Bremen 1877). —
©. ftunbfdbau b. SXprü 1877, ©. 135.— ©lafenapp, (Sigänj. j. @en.«StaB8-
tDcrf b. 1866 u. 70 71 (8fg. 1. SBerl. 1879). — ©. ftepue 1881. 33b. 1.
(Srinn. a. b. 9toon'§ Dtadjlajj übet b. bab. [H&3U9-)
ÜÖHppermann.
beuget: 23enebict 5ß. (audj »Jtoiger gefcbrieben), fatboüfdjet ©eiftticfjet,
geb. am 17. 2luguft 1755 au Äeffen, t nad) 1828 in *Dtündjen. 9Iu§ ben
augenfcrjeinlid) bon ibm fetbft gefdjtiebenen gtott^en bei gelber=2öaifcenegget II,
93 ift #olgenbe§ 3U entnehmen, ©ein £auTname mar 3fot)ann 23aptift, 1765
nafjm ifin ein geifttidjet O^eim in ©alabutg au fidj. @r würbe bort 1774 9Jcagifter
ber *pbitofopbie, ftubirte bann bort unb in ^nnebrucf $ura, trat aber 12. SIprit
1777 in ba§ ©tift ber regutirten Gborb/rren ju ©t. 3eno unb erlieft ben
Crbeninamen 33enebict. 3m £>ctbft 1778 toutbe er au ©atjburg jum ^riefter
gemeint. Gr war bann juerft ^>rofeffot unb 33tbüotbefar, feit 1781 Pfarrer in
feinem Stift, 1791 — 94 Sßrofeffor ber 5pfiilofoptjie am Srjceum in llcüncrjen,
1796—1800 ipfarrötcar in Neffen, bon 1800 an «Plattet in Äircbborf (1803
rourbe bal «Stift ©t. 3eno fäcutarifirt), üon 1812 an ^fartet au ©t. Slnna
in s]Mndb,en. «5r tjat eine beenge Don fteinen unb jetjt betfetjottenen ©ctjriften
beröffentlidbt. $n ben ermähnten ftotiaen beraeietmet er bie JÜtet Don 22, bie
gebrueft roaren, bon 12, beren 9Jtanufcript bei einem 33ranbe Pertoren ging, unb
t>on 13, bie er feitbem gefefirieben. (Sinige anbere roerben in bem Thesaurus
librorum rei catholicae beraeiefmet, barunter einige (u. a. @ra§mu§ ober gotbener
©pieget für Scjeotogen unb ©eiftüctje), bie et 1824 untet bem tarnen ty. (Superg
berau§gab. S)ie letjte ift: „Sie götttiefie Sinfetmng ber fatbotifeben Sifctjöie",
1828.
Cberbeutfcfie Sit.=3tg. (©aljbutg) 1788, 753; 1791, II, 1090.
9teufd>.
v$eurbadj: ^olbann^., Slftronom, geb. am 30. 'Dftai 1423 in bem ober=
öfterreicrjifcrjen S)orfe ^euerbadj, t am 8. SIpril 1461 in SBien. 3>en gamilien*
namen be§ Cannes, ber aueb, rool all *purbacfc, ober 23urbacrj in ber laren
$ecbtfcr)reibung jener 3e*t un§ entgegentritt, fennen roir niefit; ebenfo ftnb mir
über ben Verlauf feiner ^ugenbjafire nur ferjr mangelhaft unterrichtet. S)ie bei ben
geadjtetften ©crjtiftftettern au finbenbe Angabe, eg babe ty. bei ^otjann b. ©münb
in Söien getjött, fdjeint nacr) neueten Unterfucfjungen fiel) ntcfij batten au taffen.
$. fetbft etroarb ftch in Söien 1440 (?) ben pbitofopb.ifdjen 9Jcagift ergrab unb
bamit ba§ aftedjt, 33ortefungen in ber SIrtiftenfacuttät au Ratten, bod) macfite er
bon bemfetben aunädjft noch, feinen ©ebraucr), fonbern trat erft eine gelehrte
Steife nac^ Italien an. .Ipier fcb.to^ er fyreunbfcfi.aftebünbniffe mit atoei berbor=
ragenben ü)catbematifern, mit 23iancf)ini in 5er,;ai:a un0 m^t bem beutfcr)en
Garbinat 5Rico(au§ Gufanus, ber feit längerer 3eit in 9tom lebte. g3ianct)ini
nötfiigte ibn fogar baau, an ber fteinen, aber burcr) energifcb.es ©treben au§=
geaeiefineten llniberfität fyenara ©aftroüen au Scl^en utl° eini9e 33otträge über
Slftronomie au galten. «Racfi, Söien 1450 autücf gefebrt , begann "Iß. in üblicher
Söeife 93orlefungen unb llebungen al§ 9Kagtfter, b. b,. fitenge genommen als
^pribatbocent, abaub^alten; ^rofeffor ift er nie geroefen unb fonnte e§ aueb, ntd^t
toerben, ba erft ^aifer ^IRajtmilian I. orbentlidjie Se^tfanjeln Tür 5Jlatt)ematif
unb Slftronomie an ber SGßiener ^ocfi.fcb.ule begrünbete. Uebrigens mar aud)
IJkurbacr/3 afa'öemifdje Sebrtb.ätigEeit meb,r eine pbüotogifcbe , er erf Carte mit
SBorliebe bie ©c^riftfteller be§ ?ntertb,um§, unb lebiglid) ba§ Kollegium über
560 5Peutbad).
baS ,,«£)orarium" ober „JMenbarium" gehörte ins ©ebiet ber ejacten 2öiffen=
haften. 9iur burd) 5ßribatunterrid)t roirfte er aud) nad) ber letzteren ©eite t)in
auf einige feiner ©djüler ein, fo (laut 'ütatrifelbud)) auf Sodann Reibet aus
ßubferberg unb nod) roeit meb,r auf Soljann Mütter au§ Königsberg i. %x.,
nadjmatS SftegiomontanuS genannt. 3>n bem biefem 2ttanne geroibmeten 5lrtifel
ift bereite auf bie jroifdjen ifjm unb 5ß. obmattenben innigen SSe^ie^ungen 9tüd=
fid)t genommen, unb cbenbott marb eraätjlt , bafi 5p. in bemfelben Slugenbtitfe
Don einem blötjlidien Stöbe ereilt mürbe, als er fid) %u einer in ©emeinfd)aTt
mit föegiomontan unb SBeffarion ju unterneljmenben jmeiten SBelfdjlanbtaljit
borbereitete. Füller Ijat fid), roie mir toiffen, ber iljm als Chbfdjaft äugcfaHenen
5ß.flid)ten aufs reblidjfie entlebigt unb tootjt nod) mctvt getfjan , als fein Setjrer
felbft äu boHbringen im ©tanbe getoefen märe.
©o furj 5p.eurbad)'S £eben aud) mar, fo t)at er bod) reidjtid) matfyematifcrje
unb aftronomifdje Söeife berfafjt, bie ifjrem 21utor ein bolteS lUnredjt barauf ber»
(eirjen, unter ben SBiebererroedern ber 2ßiffenfd)aften im Üvenaiffanceaeitalter mit
an elfter ©teile genannt ju roerben. 3unäd)ft tbä™ 5U nennen bie nur aerjn
golioblätter umfaffenbe ©djrift „Quadratum geometricum", meldje erft lange
nad) ^eurbacb/S ütobe, im $. 1516, burd) ben faiferlidjen .gmfmatljematicuS
©tab ju Nürnberg ljerauSgegeben mürbe. ^>ier IBft *p. bem ©inne nad) üöllig
richtig bie Aufgabe bie lineare Entfernung jroeier fünfte aus (Sinem ©tanbe
ju meffen , eine Aufgabe , an beien berbotlfommneter unb bercinfactjter ßöfung
bis jutn heutigen Sage, jumal feitenS ber 2Rilitäimiffenfd)aften, gearbeitet mirb.
S)ie ba^u nötige 9tedjnung letjrt s}>. aEerbingS mit einigen Umftänben auS=
äufüljren, benn ba eine mögticbjt einfache 23erjanbtung ber ©ad)e ben ©ebraud)
ber trigonometrifd)en 2angentcn erfovbem mürbe, 5p. aber nur über ©inuS ber=
fügt, fo mufj in jebem einzelnen $aüe eine .<pilfSrcd)nuug borgenommen merben,
bie bann eben ütegiomontan burd) Gonftruction feiner „Tabula foecunda" be=
feitigte. 5peurbad)'S ©inuStafel fteEt fid) un« als eine eigentfpimlidje Sßerbinbung
ber bamalS mit einanbcr um ben Sßorrang fämbfenben 58rud)trjeilung«ft)ftcme,
beS beciiualen unb beS fejagefimalen, bar; eS ift bort als „ÜtabiuS totuS" auf
bem Sßege beS CombromiffcS bie ^atjl 600000 angenommen, unb erft 5Regio=
montan berr)alf ber reinen Secimaltrjeilung jum 2)urd)brudje. ©inen guten (Sin*
blit! in Sßeurbadj'S Trigonometrie gemährt baS ebenfalls boftrjume SBerf „Trac-
tatus Georgii Purbachii super propositiones Ptolemaei de sinubus et chordis,
item compositio tabularum sinuum per Joannem de Regiomonte" (Nürnberg
1541). 3unäd)ft aeigt fid) I)ier 5ß. jiemlid) bertraut mit ben DläljerungSroertljen,
meld)e bon berfdnebenen £$fad)mänuern für baS Serfjältnifj beS ÄreiSumfangeS
,]um 2)urd)meffer borgefd)lagen maren. 3Bctterl)in ift bemerfen§roertr) , roie er
bie 3?ered)nung ber ©inuS auf benjenigen einer „Karbaga", b. t). eincS 2?ogenS
bon 15 ©raben, jurüdjufüliren fud)t. S)ie fyormeln ber mobernen Goniometrie,
foroeit fie blo§ bie 5ultcii°nen ©inuS unb ßofinuS betreffen, finb itjm burctjauS
geläufig. — Gine f leine ©d)rift „Elementa arithmetices" marb 1536 ju S33itten=
berg auS ^eurbadj'S 5Rad)laffe herausgegeben.
3öenn mir unS ^u 5peurbod)'S aftronomifdjen ©d)riften roenben, fo ift ju=
näd)ft ber „Tabulae eclipsium super meridiano Viennensi" ^u gebenfen, melcrje
bereit ju ben aÜerfeltenften Sit'cunabeln gehören. Sie bon s$. unb feinem
grofjen ©d)üler gemeinfam bearbeitete „Epitome in Almagestum Ptolemaei"
marb erft 1496 in Sßenebig gebrudt. 6inen gerabe^u burd)fd)lagenben Srfolg
aber errang $. als bibaftifdjer ©djriftfteEer burd) feine „Theoricae novae pla-
netarum, id est Septem errantium siderum, nee non oetavi orbis seu firmamenti" ;
baS S3üd)lein, in roeldjem nid)t ob^ne ©lud bie ^erfteöung einer ßoncorban^
5mifd)en ben rjomoccntrifdjen ©ptjären ber älteren ©riechen (ßubojuS, SIriftoteleS)
^eutinger. 561
unb ben gpictjcetn bei $to!emaeui angeftrebt wirb , erlebte Taft unjätjüge Auf-
lagen unb warb nocfj lange 3at)re nad) bem grfdjeinen bei mit all biefen <g>r;po=
tiefen cnbgittig aufräumenbeu .ftauptmerfi Don (Eopernicui ati ©runbbud) bei
afabemijdjen llnterrid)ti in beeret 2lftronomie betrachtet. -gmnbert ^afjre nad)
i§rer ßntftebjung buxfte nod) ber 2Bittenberger 3reinb,otb bon biefer ^arapfjraje
jagen: .Jncredibile dictu est, quam clariores reddidit sententias dividens eas geome-
trarum more, ut et apertius intelligerentur et facilius commendarentur memoriae
et tenacius haberentur." — 3n ber 25erjertigung Don £oro(ogien, Sonnenuhren,
äfirotabien unb mancherlei ^üfämitteln jur Söeranfdjaulicfyung ber f)immüfd)eu
Setoegungen fott nad) aeitgenöfftfc^en unb fpäteren Scripten fic^ $. ebeniatti
fetjt auigejeicb.net tjaben.
©affenbi, Georgii Peurbachii et Joannis ßegiomontani Astrouomorum
celebrium vita. £aag 1655. — äBeibler, Historia astronomiae sive de ortu
et progressu astronomiae, ©. 301 ff. — 2Ifd)bad) , ©efc^te^te ber äBiener
Unioerfität im erften ^afjrtjunbert ifjrei 33ejtet)eni, ©. 479 ff. — SBolf,
®efd)ict)te ber Slftronomie, ©. 86 ff., 108, 121, 126, 129, 211 ff., 365. —
Äaftner, ©efc^idjte ber 9Jcatb,ematif, 1. 23b. ©. 529 ff.; 2. SBb. ©. 319 ff.,
g. 526 ff. ©untrer.
Renting er : ßontab $., Stabtftf>xei6er ju Slugibutg unb öumanift, geb.
am 15. Octobet 1465 ju Slugibutg, f bafetbft am 28. Xecember 1547.
$. ftammte aui einem, feit bem Sab,« 1288 3U Augsburg angejeffenen 23ürger=
gefd)led)t. Cbroofjl fein «Bater, Sofjann $., frü^eitig ftarb, mürbe bem Knaben
bod) eine bortrefftidje graietjung au Stjeit. Merbingi teilen uni über bie 3eit, bte
er lernenb in ber SBaterftabt berbradjte, jegücrje Angaben. Sagegen ftet)t ei nad)
einer eigenfjänbigen rjanbfcf)riftatf)eTi SBemerfung ^eutinger'i feft, bajj er im 3.
1482 fidj au 5ßabua auffielt, um bort 3uri§prubena au ftubiren. ©eine Serjrer
maren bafelbft unter anbeten >Dcattf)äui Gottatiui, ^etmotaui Sarbaru», ^ettui
Marcus unb ^afon be SJtaöno. SSon $abua manbte er ftcf; nad) Sotogna,
too er ^bjlippui SBeroalbuS rjörte, unb nad) fttorena, too er ficrj an peui
o. «ölitanbula unb Stngetui 5ßolitianui anfdjioj. 3n Stow gehörte er au oen
©djülern bei ^omponiui Saetui unb mürbe offenbar burdj ifjn füt bie Sefdja^
tigung mit ben 3nfd)riiten gewonnen. Studj gelang ei ifym, ben bamatigen $apft
^nnocena VIII., fomie ben jpäteren $apft SUeranber VI., roeldier in jenen Mren
nod) Garbinat mar, „anaujpredjen". Sßann er nad) ^ugiburg jurürffet)rte , ift
nid)t mit ©idjerfjeit au beftimmen. Sebeitaüi mar er im $• 1488 roteber in
£eut|d)(anb, ba mir it)n im ^uni biefti Mrei ati in 2Iad)en befinblidj nad)=
meifen fönnen. #icr tjötte er, bajj Äönig «Dcar. Don ben bürgern au Srügge
aui ber #aft enttaffen fei, unb metbet biefe fteubige Üiadjridjt fomrt bem Äanaler
bei beforgten Äaiferi fjfriebridj III. 33alb barauf trat «ß. in bie ©ienfte feiner 23ater=
ftabt, inbem et am 11. S)ecbt. 1490 aunädjft auf bietete ali ber „©tobt Wiener"
auigenommen mürbe, unb a^ar gegen ein ^ab^rgetb öon 100 ft. 9cad) SSerlauf
berfetben mürbe er auii «Reue angefteEt, man meit3 nieb^t, in rocldjer eigenfdjajt.
©eine eigentliche Berufung aum ©tabtfdjreiber auf Sebeniaeit erfolgte nämttd)
erft am 9. ©eptembet 1497. 6t etfjiett für feine Semütjungen einen ©otb unb
^auiaini bon 240 fl. x^n. „fampt bem, mai mit bon SStiefen au fd)teiben ge=
jatten mitbet." ©eine S^dttgfeit in biefer ©teüung mar eine ungemein um=
Taffenbe, r)arrt jebod) nod) immer einer cingefjenben Sarftettung, toeterje ob^ne
eine erneuerte SurdjTorfdmng ber 3Icten im Slugiburger 5Ratb^iard)ib md)t aui=
iütjrbar ift, benn bie fleißige Arbeit Jperberger'i berührt nut einen Ztyxi bet=
fetben, fomeit nämlid) 5ß. im Sicnftc ber ©tabt mit Äaifer «ölartmttian I. tn
33eaie§ung trat. 2lii ©tabtfdjreiber blatte 5ß. junäcbjt bie «ftat^protofolte au
beforgen, bie bieten in Drbnung au fjatten, bie eingetaurenen ©^reiben au
atUgem. beuti^e SBiogta^^ie. XXV. 36
562 ^eutinger.
beantworten unb bie $auf= unb ©ctjutbbriefe auS3ufertigen. Aber aud) bie
fctjwierigeren 9ted)tSTälle gingen burd) feine -Ipanb. Sin ber im 3at)re 1507
neu erlaffenen Orbnung bes ©tabtgerid)ts batte er 3. 33. ben größten Anttjeil.
.^etöovjufyeben ift aud) fein warmes ^ntereffe für bie gerabe in Augsburg 3U feiner
3eit immer bebenftictjer werbenbe £K'a9c ber Armenpflege, ©r befunbete baffelbe
unter anberem burd] bie im $arjre 1524 oon ü)m beforgte Ueberfetjung einer
©djrift beS Cecolampabius über bie Vertljeilung ber Almofen. (Von bfjet)=
lung bes Almufens , erftmalS öon Joanne Oecolampabio in Satin befdjribben,
ünb tjetj burd) boctorn Srjunrabum ^eutinger öon Augcpurg oertütfcrjet . . .
M L» XXIIII. Vafel, burd; Andreum Cratandram M D XXIIII 8°. Sie
r)öd)ft fettene ©djrift befinbct fid) auf ber fönigl. öffentl. VibtioUjef 3U Bresben.)
SBidjtiger nod) als biefe Srjätigfeit ntr bie inneren ftäbtifdjen Angelegenheiten
erfd)eint ^eutinger'e Vertretung ifvrer ^ntcreffen nad) aufjen tjin. ty. führte
fowotjl im Auftrage beS sJtatl)eS als in bem bes fd)wäbifd)en VunbeS eine Stenge
©efanbtfdjaften au«. ©0 mar er im $arjre 1491 in 9tom, um Don bem päpft=
lid)en .s^ofe bie (Srlaubmfj, Vürgerfötjne in baS 2)omcapitel aufzunehmen, ju
ermirfen. 2Bal)rfd)einlid) erlaugte er auf biefer Steife ^u ^tabua ben Soctorgrab,
ben er jebeSfaüS nidjt fdjon am ©djluffe feiner italienifdjen Stubienjeit erworben
rjatte. 2)a feine Miffion ofjne Grtolg blieb, ging er nad) £in3, um bei Maximilian
.f)ülfe 3U fud)en. 1496 lourbe er auf ben iReid)Stag nad) Siubau gefdjidt. 1499
war er Abgefanbter beS fdjwäbifdjen Vunbes 31t iulungm unb Üteuttingen.
lieber ben Verlauf beS im gleichen 3iat)re abgehaltenen VunbeStagS 3U Solingen,
auf welchem bie Orbnungen beS Vunbes neu feftgeftettt mürben, erftattete er
einen eingetjenben Vertcfjt, ber nur wenigen rjodjgeftettten ^erfönlid)feiten ju=
gängiid) gemadjt mürbe. 3m folgenben 3at)re taufte er für ben ßaifer bas
Meutingfdje £muS in Augsburg, mätjrenb er itjtu 1502 bei Srridjtung bes
$ammergerid)tS beigegeben mar unb in feinem tarnen bie ©efanbten (Spaniens
unb ber Wepublif Venebig 311 begrüben Tratte. Als Maximilian 1504 mieber
nad) Augsburg fam, nal)m ^. bereits eine foldje VertrauenSftelluug bei it)m ein,
bafj er magen burftc , Ü)u burd) fein PicrjälrrigeS Södjterlein Juliane in einer
lateinifdjen Üiebc begrüben 3U laffen. 1505 folgte er bem $aifer im Auftrage
bes 9tat{)cs 311m ÜteicfjStag nad) $ö(n. 1506 finbeu mir itjn mieber bei Mari=
mitian in @ra3 , üon wo er il)n nad) 2Bien unb Ungarn begleitete, ©eine
bamalige Aufgabe löfte er in überaus glätnenber SBeife, inbem er brei mid)tige
^rtbtlegien für Augsburg 3U gewinnen wujjte : bie #reic)eit de non appellando,
bie gw^eit, baf$ aud) bie faifcrlidjen Siener ber ©tabt 3inspflid)tig fein füllten,
unb bie greUjcit, bafj biejenigen, weldje baS Vürgerredjt aufgaben , in 3atjres=
frift itjre liegenben ©üter oerfaufen unb brei Wadjfteuetn be3at)len mußten. Als
Maximilian im 3- 1^07 Don ben $au?(euten 3U Augsburg, Nürnberg, Mem=
mingen unb Otaüensburg ein Ijofjes Anleljen 3um 9tom3uge bertangte, gelang
es 5]3. , fie roenigftenS gegen ätjnlidjc f^orberungen für fpätere $e\t fidjer 3U
ftellen. Uebertjaupt fcfjeute er fid) nidjt, gelegentlich ben Äaifer, ber ein fäumiger
Sdjulbensa^ler mar, an feine Verpflichtungen 3U mahnen, unb feinen ©influfj
bei ib,m 3U ©unften ber großen AugSburger ^anbelsl)äufer, nainentlid) bes it)m
Permanbten ber 2Belfer, gelteub 3U mad)en. 1513 reifte er in bie Taeberlanbe,
um auf Vefetjl bes fd)Wäbifd)en VunbeS beim ßaifer bie Veftrafung ©ötj'S öon
Verlid)ingen 3U beantragen. 1517 war er in Mündjen , Wo cS ü)tn gelang,
ben (Streit, ber 3Wifd)en Augsburg unb Vaiern Wegen ber ßedjuferbauten ent=
ftanben war, 3U fd)lid)ten. hieben biefen Reifen im Sienfte ber ©tabt Per=
wanbte it)n jebod) ^aifer Maj ebenfo häufig in feinen eigenen Angelegenheiten,
inbem er ^eutinger's ©efd)idlid)feit nidjt nur für feine politifdjen ©efd)äfte,
fonbern aud) für feine priöaten !ünftlerifdjen unb wiffenfcrmftlidjen Neigungen
tpeutiitger. 563
in Anfprudj nafrn. ©o fjatte $. für bie großen ^rad)tiDerfe , meld)e 3Jtart=
mitian'S 3tur)m in aller ©elt öerbreiten fottten , iortroärjrenb bie nötigen
Mnftter ju begaffen, toäfjrenb ib,m übet bie Ausführung be§ faiferlicfjen ©rab=
malS ju 3nnSbrud gerabeju bie beauffic^ttgenbe Oberleitung anbertraut mürbe.
(SS mar bafjer nur eine bittige Anerfennung feiner Serbien fte unb ber ent=
fpred)enbe AuSbrutf beS tf)atfäd)lid)en ©ad)berb,altS, menn ifjn 2flarimilian 3um
faijertidjen föatb, ernannte, um fo ntefjr, als $. niemals feinen eigenen 3Sort|etl,
fonbern ftetS nur ben ftu^en ber ©tabt unb bie ©adje fetbft im Auge t)atte. 9fterf=
mürbiger SSeife aber tjat ty. fid) biefeS XitelS roeber in feinen ©djriften nodj in
feinen Briefen jemals bebient, mäfyrenb er eS nie unterlaßt, bon feinem Soctortitel
Sebraud) ju machen. ßineS ätjnlidjen Anfef)enS erfreute er fid) aud) bei ben
übrigen dürften beS föeidjeS; bor allen aber erroieS ftd) itjm ber Äutrürft bon
©ad)fen, Srxiebric^ ber Söeife, ftetS als ein moljtmoUenber ©önner.
©er 2ob Äaifer SJcarimüian'S bebeutete bafjer für $. einen ferneren Ser=
tuft. S)od) mar er nidjt in ber Sage, ftd) ben $flid)ten feines AmteS au ent»
jiefjen, fonbern fat) fid) bielmeljr unter ben immer fdjmieriger merbenben Ser=
rjältniffen erft redjt in Anfprudj genommen. 3unädjft befdjäftigten if)n bie
Angelegenheiten beS fdjmäbifd)en SunbeS, me(d)er fid) gegen bie Uebergriffe beS
.£>erjogS Uiridj bon SSürtemberg aur äöetjr fe|en mußte, in ungemöt)nlidjem
lUaBe. Salb baraui empfing er bie Söetfung, ftd) au bem neuen Äaifer Äarl V.
nad) Srügge ju begeben, um benfetben im Flamen ber ©tabt au begrüben unb
itjm für ben ber ©tabt betreffs bei StutbanneS erteilten greif)eitSbrief 3U
banfen. gix ben föeidjStag ju SSormS unterbreitete er bem hälfet eine Üteifje
bon Sorfdjtägen, meldte ben ©tänben beS 9teidjeS borgelegt »erben füllten.
Gr mar fetbft auf bem :)teid)Stage anmefenb unb erhielt am 21. Sttai 1521 bom
Äaifer nid)t nur bie Seftätigung aller bereits beftefjenben Sßriöüegten ber ©tabt
Augsburg, fonbern aud) bie Serleitjung einer neuen «IJcünageredjtigf eit , gegen
roetdje ber Stfdpi ©tabion bergeblid) bie ^nterbention be§ fd)mäbifd)en SunbeS
in Semegung fetzte. Söeldje bebeutenbe SOBirffamfeit 5ß. in ©adjen ber bon
Suttjer ausgegangenen Deformation mätjrenb biefeS 2Bormfer 9teid)Stage§
ausübte, unb mie er Suttjer aurn Söiberruf au bemegen fudjte, braudjt
t)ier nid)t meiter ausgeführt au merben. ©eine öermittelnbe Gattung trug tfjm
jebod) nur Unannefjmtid)feiten au. 3n Augsburg erregte biefelbe bie gröfjte
Unaufrieben^eit unb man eraäfjlte fid), s£. fei bon ben ^äpfttidjen beftodjen
unb fjabe als Sofm eine gute ^frünbe au 2Bege gebracht. Sie Unruhen beS
SauernfriegeS unb bie in engem ^ufammentjang mit biefer Semegung ftefjenbe
3ufammenrottung ber rabicaten «Partei in Augsburg, brachten $. eine neue,
nur fdjmer au bemältigeube Saft bon ®efd)äTten , ba bie peinliche Unterfud)ung
gegen bie 23erfd)mörer größtenteils in feinen <!pänben lag. (Sin officteEer S3e=
rid)t ^eutinger'S über ben üon bem Sariü&ermönd) $ot)ann ©d)illing in ©cene
gefegten Aufftanb beS S^teS 1524 befinbet fid) im AugSburger 9tatb,Sbud) ad
annum 1524. Sgl. fyriebrid) Dotb, , AugSburgS 9teformationSgefd)id)te 1517
bis 1527, »ndjen 1881, ©. 127.) ©ana ätjnüct) erging eS ib,m einige 3afj"
fpäter, als eS galt bie 2öiebertämer, bie fid) in Augsburg bebenftid) ausgebreitet
Ratten, au öefämpfen. Auf bem Deid)Stag a" Augsburg im 3cd)re 1530
bradjte '£. im tarnen ber ©tabt bie entfdnebene (Jrflärung gegen ben befannten,
ben ^roteftanten feinblid)en 9reid)StagSabfd)ieb öor. £od) tonnte er ftd) einige
^ab,re fpäter nid)t entfd)ließen, ba§ etgenmädjtige Sorgeb^en beS 9tatb,S in 3telt=
gtonSfad)en gut au b,etfseu. (Sr be^anbelte bie ib,m üorgelegte grage , ob bie
©tabt berufen fei , in 9tetigionSfad)en Aenberungen boraunefjmen , in einer um=
faffenben 3)entfd)rift im öerneinenben ©inne, inbem er bie ungebutbigen teuerer
auf ein allgemeines Goncilium öermieS. Sa feine Sorfd)läge fein ©ef)ör mef)r
36*
564 ^cutinger.
fanben unb er auct) fonft mancherlei 3urüdfet3iing erfahren mufjte, entfd)Iof$ er fiel),
tion einer weiteren ©ettjeiligung an ben öffentlichen ®efd)äften abzufeilen. 2>er
erbetene Slbfdjieb mürbe itjm im ^atjre 1534 in allen (Stjren bennttigt , inbem
er mit einer 33eret)rung tion 600 ft. in ©olb entlaffen mürbe unb ben 5ort=
bejug feines bisherigen (SetjalteS jugefidjert ertjielt. 6ine meitere ^luSjeidjnung
für feine ©erbienfte mürbe it)m im $• 1538 buret) 23erteit)ung beS ^ßatriciateS
ju Stjeit. ©eit feinem austritt auS bem ?lmte lebte *ß. nur noct) feinen miffen*
fdjafttidjen ©tubien, tion beren 2öeiterfüb,rung irjn ber Stob am 28. 2)ecember
1547 abrief. 2öenige läge tiortjer t)atte itjn nod) .ffaifer A?arl V. burd) Gr=
tjebung in ben erblichen 2lbelftanb erfreut. (2)ie barüber ausgefertigte ürfunbe
tiom 1. S)ecember 1547 ift mitgettjeitt tion 3oPt tn ben ßitterarifdjen
Stottern, Nürnberg 1803, Nr. V, ©p. 64-78.)
©o umfaffenb unb erfolgreich aud) s}kutinger'S 2t)ätigfeit im SDienfte feiner
ißaterftabt mar, fo berutjt bod) fein Nutjm nidjt in erfter ßinie auf il)r, fonbern
auf bem, maS er als Immaniftifd) gebildeter ®elet)rter für bie SBiffenfdjaft unb
$unft feiner $e\t geteiftet t)at. 3lber aud) auf biefem ©ebiete mufe eine ©djil=
berung feiner 35erbienfte untiollftänbig bleiben, tior allem befjfjalb, meil nur ein
Heiner £t)cit feiner miffenfdjaTtlidjen arbeiten burd; ben 2)rucf befannt gemorben
ift, mätjrenb ber anbere größere nodj ber Söeröffentlidjung tjarrt. 2Bir befifeen
nietjt einmal eine tiottftänbige Sammlung feiner ausgebreiteten ^ritiatcorrefpon*
ben3 unb muffen annehmen, bafs eine folct)e nicljt nur eine iltenge biStjcr über=
fetjener toiffenfd)aftlid)er Sejietjungen auibeden , fonbern überhaupt ^u ben
letjrreidjften ber 3^tt gehören mürbe. ,£nelt fid) bod) 5ß. in feinen ©riefen mög=
lidjft frei tion bem s4>t)rafentljum feiner Inunaniftifdjen 3eÜ9enoffen , ba eS itjm
roeniger um ben motjlgefäHigcn SluSbrud, als tiielmetjr um bie ©adje fclbft 3U
tl)un mar. 6r t}atte fiel) für feine amtlid)en ©djreiben einen trodenen, ge=
fdjäftSmäfjigen üton angemötjnt unb übertrug bcnfelben aud) auf feine tiritiaten
©riefe, an benen ber reidje $ntjalt mot)ttt)uenb beiütjvt. ^eutingcr'S ^ntereffe
für bie Söiffenfdjaft galt a6er nidjt etma nur einer einzelnen 2>iSciplin berfelben,
fonbern erfiredte fid) auf faft alle it)re 3roe^9e- W% SSurift Ijattc er fid) eine
tüdjtige ßenntnifj beS römifdjen NedjteS ermorben. Ulridj 3Qfiu3 3äi)lte itjn
batjer ju ber geringen ^a\)i berjenigen , bie mit richtigem Sßerftänbnif} in baS
SBefen beS römifdjen NedjteS eingebrungen mären unb erfolgreid) für beffen
Sßerbinbung mit bem eintjehnifetjen gemirft t)ättcn. ®teidjmot)I mar *|3. im
©tanbe, ein breijäljrigeS sUtäbd)en lebenbig begraben unb einen jmölfjäljrigen
Knaben cntljaupten ju laffen , meil gegen fic bie 9lnftage beS NtorbeS erhoben
morben mar. (Sine bisher überfetjene ©d)rift s4>?utinger'S ^ur (Sefdjicfjte ber
^uriSprubenj, bie otjne eigentlichen Xitel 1529 ju Söien erfdjien, finbet matt
abgebrudt im Neuen litcrarifdjen 3lnjeiger 1807, Nr. 50, ©p. 790—797.)
Sßiel met)r als bie ^uriSprubenj feffette jeboct) $. bie S3efd)äftigung mit
gefctjidjtlidjen unb antiquarifdjen 5oi*fct)ungen. S)iefe gemeinfame £ieblingS=
neigung mar eS tiorneljmlicb, , bie it)n mit 93tarimilian I. berbanb. ty. Ijatte
bei feinem 9tufentt)alt in Italien bie ©ebeutung ber 3fnfd)riften für bie gefd)idjt=
licije 6rfenntni| fennen gelernt, ©eine 23aterftabt Augsburg bot it)m t)in=
reidjenb 5Jcateriat in biefer ©ejietjung , unb er lie^ fid) eS angelegen fein, alle
nur erreichbaren Fragmente attrömifdtjer ^nfdjriften ju fammetn unb fie in
einem befonberS baju beftimmten ^ofe feines ^aufeS aufpftellen. 3fm 3f. 1505
erttjeitte itjm 5Rarimitian ben Auftrag, biefe ^nfdiriften ^u tierbffentlidjen, unb
fo erfdjien benn im gleidjen $ar)re bie erfte bei Srtjarb Natolb gebrudte ©amut=
tung biefer ?lrt in S)eutfd)lanb unter bem Xitel: „Romanae vetustatis frag-
menta in Augusta Vindelicorum et ejus dioecesi". 3lKerbingS umfaßte baS
SBert nur 22 ^nfdjriften, boctj fe|te 5p. feine ©ammtung unermüblid) fort, mobei
SPeuttnger. 565
er burdj ben Äaifer beftänbig unterftütjt rourbe, bei* ib,m 3ar)lreidj)e ^Rün^en unb
3snfdt)i*tften , nidjt minber aucf) atte <£>anbfdt)riften aU „Q3eutepfennige" sugetjen
liefj. Sic ä^eite, öermerjrte unb fceffer auSgeftattete 2lu§gabe btefer 3nfcrjriften=
fammtung eiferten 1520 bei ©cfjöffer in 2Rainj, roätjrenb bie fpäteren Sluegabeu
Don 9Jtatj SBelfer beforgt mürben. S5g(. Corpus inscriptionum latinarum, vol.
VI, pars I (Berlin 1876), p. XLV1I unb vol. III, pars I, p. XXXI, roo auf
bie b^anbfcfjriftlicr) öon $. tjinterlaffenen Snfdjriftenfammtungen, bie fitf) meit
über ba§ 2tug§burger ©ebtet rjinauS erftreefen, f)ingemiefen ift.
2ll§ $. ficrj 1506 bei 9Jtajimilian p ütofterneuburg auffielt, ertfjeitte ib,m
biefer ben Sluftrag, in ©emeinferjaft mit ben faiferlidjen Stätten bie alten Briefe
be§ £)aufe§ Oefterreictj 3u Berichtigen unb einen 2Iu§3ug barau§ ju öeranfialten.
3u biefem groeef rourbe ib,m ein eigenes ©emacb, in ber äöiener ^ofburg ein*
geräumt, rootjtn „fein 9Jiaiefiat öon allen orten Gronica önb Ijiftorien bringen
taffen". $. öertoanbte brei Monate auf biefe Aufgabe, fab, fid) aber buret)
bringenbe üotitifcfje ©efcfjäfte an irjrer ®urcrjfüt)rung öerrjinbert. (Sbenforoenig
tarn ba§ Unternehmen be§ fogenannten „ÄaiferbucrjeS", einer 2lrt bon 9tegefien=
fammiung, ^u ©tanbe, obmol *ß. auf feinen bieten Steifen unb buretj jab^treierje
jcfjrifttidje Slnfragen eifrig für baffetbe ttjätig mar. 6s bjaben ficrj nur einzelne
auf ber Slugsburger ©tabtbibtiottjef aufberoab.rte Fragmente erhalten. 3Batjr=
fdjeinticb, b,at 3ß. auetj 2luf5eicb,nungen über bie ©efcrjicrjte feiner 3eit, namentlich
über bie (Sretgniffe in feiner Baterftabt, tjintertaffen, moju itm ja fdtjon feine amt=
lidt^e ©telutng öerantaffen muffte. Unter feinen greunben menigftenS tjatte ftdj
bie 5lact)ri(f)t baöon öerbreitet, roie eine ©teile in ©djeurl's Sriefbucf) beroeift; boer)
bebürfen bie öerfctjiebenen ^. jugefcrjriebenen ^anbfdjriftlicrjen unb gebrückten ßb,ro=
nifen noct) eingetjenber Unterfuctmng, et)e feine 2Iutorfct)aft als gefiebert gelten fann.
@S mar natürlich , bafj $. audj auf feine nähere Umgebung anregenb
für bie gefcrjidjtlict)en ©tubien mirfte. Sr braute in 2lugSburg nactj bem 5)cufter
ber rfjeinifctjen geterjrten ©efetlfcrjaft eine äb,nticb,e ju ©tanbe, beren -ücitgtieber
fidt) auS ©eifttierjen , 9tatfjSt)erren unb rjerüorragenben Bürgern pfammenfefeten.
(öeibex liegt itjre ©efcrjicfjte noctj fetjr im 2)unf et ; man f ennt nur bie gatjt unb
bie tarnen fljtet erften IDcitgtieber, meifj aber nictjtS über bie SDauer itjreS S3e=
ftanbeS, nod) über bie Männer, melcfje il)v etma fpäter beitraten. Sotter, ber
Biograprj ^eutinger'S, blatte einft bie Slbfidjt, itjrc ©efd£)id£)te ju feb^reiben, mu|te
fie aber au§ fanget an Material mieber aufgeben. 35gl. 3^bi im ^enen
literarifdjen feiger 1807, 9lr. 8, ©b- 113—118.) S^e Jpaubtaufgabe be=
ftanb in ber Verausgabe unb Bearbeitung wtcl)tiger CueUenfct)riften. ^. befa^ fetbft
eine reiche ©ammlung beutfeb^er ©efdjicfjtSquelten unb mar mit ^itfe ber ©efeüfcfjaft
auf it)re Sbition bebaut. 3m ^. 1496 blatte er bie Urfperger 6l)roni! ent=
becEt, beren erfte 2lu§gabe im ^. 1515 bureb, feinen greunb $ob,anneg ^Dlaber
(goenifeca) beranftattet rourbe. 5ln ber Srudtegung be§ öon 6ette§ aufgefun=
benen Sigurinu§ (1507) blatte $. einen mefentlicb.en Slntb.eil, märjrenb er Seatu§
Stb.enanuS ju ber gbition be§ $rocobiu§ anregte. 1515 erfdjien, bon ib,m treff=
lieb, bearbeitet, „Jordanis de Rebus Geticis" unb nocl) in bemfelben Sfafjr eine
2lu§gabe öon „Pauli Diaconi historia Langobardorum". dagegen feb^eint feine
2tu§gabe be§ 5Jcacrobiu§: „de somno Scipionis'" nicf)t fertig gemorben ju fein,
ßbenfo fdjeint bie 2iu3gabe be§ 3lntoniu8 ^Jcufa unb be§ SlputejuS (5etfu8
„de herbarum medicaminibus", mit ber fieb, $. bereits im $. 1513 befeb^äfttgte,
unüottenbet geblieben 3u fein, obrool ^iicfjaet ^ummelberg noct) im S- 1525
an 33eatu§ 9if)enanu§ metbet, bafj $. biefe ©Triften öetöffentticfjen roerbe.
(5ßgl. aueb, «gjummelberg'ä ©^reiben an 9tf)enanu§ oom 29. ^uni 1531.) 2>afj
bie öon SetteS entbeefte unb ^. gefc^enfte tabula Peutingeriana erft fpät nac|
feinem £obe öeröff entließt mürbe, bari all befannt öorausgefe^t merben. S5on
566 SPeutingcr.
tjotjem ^ntereffe für bie 33euttf)citung öon ^euttngn'ä fritifdjer s.8efät)igung finb
feine 1506 öeröffent lidjten „Sermones convivales de mirandis Germaniae
antiquitatibus". 3Die umfangreidjfte Unterfudjung in biefer ©d)rift beljanbelt im
2lnfd)tufj an 2Bimpfeling'S gorfdjungen bie ^rage nad) ben alten ©renken
©allienS unb ©ermanienS, als beren ßrgebnifj bie 33et)auptung erfdjeint , baft
bie ©tobte bieffeitS beS DtjeinS öon fäöln bis ©trafjburg unb einige anbcre
©täbte öon Gäfar'S 3eit an uno idj°n frütjer nidjt ben ©afliem, fonbern
beutfdjen Königen unb nadjtjer ben römifdjen ifaifern unterworfen waren. 2llS
beweis bienen jumeift ©teilen römifdjer Tutoren, in benen fid) 5ß. fefjr beWan=
bert jeigt; gleichzeitig muffen aber aud) mobemere ©efd)id)tfd)reiber tjettjalten,
wobei eS paffirt, bafj aud) bie Autorität beS fatfdjen SBerofuS angerufen wirb,
hingegen jweifelt $. ftarf an ber Gdjttjeit beS öon feinem 5l'cunbe £ritt)emiuS
aufgebrachten ^unibalb, unb ©aguinuS erfätjrt bie itjm gebütjrenbc 3lliedjt::
weifung. ©elegentlid) fefjrt fid) $. aud) gegen feinen ehemaligen ßeljrer $om=
poniuS SaetuS, beffen 23et)auptung, bafj bie iöudjbrurferfunft tängft ben Italienern
befannt gewefen unb öon ben 25eutfd)en nur neu entbcdt worben fei , feinen
patriotifdjen 30in erregt. 23ieL fürjet wirb bie [yrage erörtert, ob ber ?lpoftel
^autuS öertjeirattjet gewefen fei. sJß. entfcfjcibet fid) unter Berufung auf eine
©teile in bem 33riefe beS ^gnatius sEiartt)r an bie ^(jilabelpfjier für bie S3e=
jafjung berfelben, mar alfo fütjn genug, feine eigene Meinung ber Jrabition
ber $ird)e entgegen ju fetjen. 9ltlcrbingS mufjte er um biefeS i5orget)enS willen
ben Angriff eines 5ftönd)eS erfahren, was itju jebodj nidjt fjinberte, fid) in bem
©treite Deucrjlin'S unb ipfefferforn'S auf bie ©eite beS elfteren ju ftetlen.
ßbenfo jeigte er ein ungemein tebenbigcS ^ntereffe für bie ©ad)e ber Defor=
mation unb bie firdjtidjeu fragen ber ^eit. sDtit ftifet tag er patriftifdjen
©tubien ob, WaS bie jarjlreidjcu Daubbemerfungcn ber in feinein Sefitje beftnb=
tid) gemefenen ausgaben ber Äirdjenöäter bemeifen. Offenbar fjielt ßaifet
9Jlajimilian aud) in biefer öe^ietjung grofce ©türfe auf 5J}., beim als er auf ben
Einfall tarn, in befonberen, für baS Skrftänbnifj beS gemeinen Cannes geeig=
neten ©djriften bie ©etjeimniffe beS djrifttidjcn ©laubenS barlegen 31t laffen,
ertjiclt aud) s.p. ben Auftrag, fein ©utadjten über biefen s$(an abzugeben.
(JS ift baljer nidjt ju öermunbern, bafj p. baS auftreten ßutrjer'S anfäng=
lid) mit greuben begrüßte. Wan Weif}, mit weldjer greunMidjteit er jenen bei
feinem 33efud)e in SlugSburg im $. 1518 aufnahm. (Jbenfo unterhielt er ju
CefotampabiuS eine 3e'ltang freunbfdjajtlidje Se,}iel)ungen , bie aud) nod) fort*
bauerten, als biefer 9lugSburg ben Dürfen gefefjrt t)atte. 35od) mürbe man fefjl
getjen, wenn man s}>. für einen cntfdjiebcnen ^Infjänger ber Deformation anfeb^en
Wollte, (ürr gehörte ju ben Männern , bie mit einer Deformation im ©inne
beä ßraSmuS jufrteben gcWefen wären, war aber nidjt entfdjieben genug, öolt=
ftänbig mit ber römifdjen Ähdje ju bredjen. 25iefe ©cfinnung tritt am beut=
lidjften auS feinem üermittelnben Datr) an Suttjer wätjrenb beö SBormfer 9teidj§=
tageä öon 1521 Ijeröor. ©0 wenig 5p. 53ebenfen trug, in einzelnen fünften
öon ber Setjre ber Äirdje abpweidjen, fo wenig war er gewillt, einen befonberen
SBerttj auf feine eigenen 3tnfid)ten 311 legen; ütelmetjr öerfidjerte er auSbrüdlidj,
ba^ er burdjauS nid)t§ gegen jene betjaupten wolle unb baljer t)offe, ©ott weibe
tt)m etwaige ungebüljrlidje 3teu^erungen in feiner ©nabe nadjfetjen. S)en
ÜJlännern ber burdjgreifenben Deformation crfdjicn er baljer fdjon in ben 2ln=
fangen ber Bewegung als un^uöertäffig ; Ijeifjt eö bodj bereits im „getjobelten
6d" öon itjm, ba§ er öeränbertidjer als ein Stjamäteon fei.
3sn feinen Neigungen für bie rjumauiftifdjen SQßiffcnfdjaften aber blieb fid)
5p. bis an baS Snbe feines SebenS treu. 2)a er in feiner ^ugenb feine ©e=
legentjeit getjabt rjatte, ©riedjifd) 3U erlernen, mad)te er fid) auf ben Datl) feines
Sßeutinger. 567
fjfreunbei üteudjlin noct) im Sitter öon mefjr all öierjig $at)ren an biefe fct)roie=
rige Slufgabe unb erroarb fidj aucf) auf biefem ©ebiete tüchtige Äenntniffe. 23ei
biefer ausgeprägten Neigung für bie Stubien formte ei ty. ali einen befonbers
©tücf öerrjeifeenben Umftanb anfet)en, bafj er an feiner ©attin 2)targaretr)e eine
gteicfjftrebenbe ©enojfin ianb. £iefelbe roar als £ocrjter bei 9Jcemmingifcf)en
Stabttjauptmanni Söelfer am 14. >)Jcärj 1481 geboren , öermätjtte ficfj am
27. jxecember 1499 mit ty. unb überlebte irjren (Satten um \&a] Jatjre, ba fie
erft 1552 fiarb. Sie brachte iljrem ©atten nidjt nur ein anfet)nlicf)ei Vermögen
3U, fonbern jeict)nete fidj audj burd) eine fjütle rjäuilidjer lugenben aui. ©leid)=
jeitig mar fie Bemüfjt bte Stubien it)rei ©emafjli ju jörbern, ju roeLdjem ^toecf
fie bai £ateinifct)e erlernte. Sie fcrjrieb felbft lateinische SBrtefe unb t)at fiel)
fogar mit einer eigenen 2lbb,anblung antiquarifdjen 3nt)atti öeriudjt. (Marga-
ritae Velseriae , Conradi Peutingeri Conjugis , ad Cbristophorum fratrem epi-
stola multa rerum antiquarum cognitione insignis. Quam primus typis ex-
scribendam curavit H. A. Mertens. Augustae Yindelicorum 1778, 8°.) 25ie
mit iljr erhielte Tiact)fornmenfcrjaft peutingeri roar fet)r ^atjtreict). Sßon feinen
2öd)tern finb ätcei in ber ©efct)ict)te befannt geworben : Juliane , bie im Stlter
Don öier Jatrren Äaifer 5Jcaiimilian mit einer lateinifcfjen Slnrebe begrüßte, aber
bereite ali Äinb ftarb, unb Gonftantia, oon Jputten, bem fie am 12. Juli 1517
bei ber 2)ict)terfröuung burci) Äaifer 9)larimitian ben Sorbeerfranj geflochten
fjatte, ali bie ferjönfte unb tugenbrjajtefte ber Slugsburger Jungfrauen gepriefen.
S)a§ @rbe öon $eutinger'i 2lnfet)en unb ©eletvrfamfeit trat fein ältefter Sob,n
Gtaubiui $iui, geb. am 28. Cctober 1509, f 1551, an. 3luf bai trefflidjfte
öorgebilbet, ftubierte er in Orleans unb fjerrara Jurisprubena, um nact) feiner
9tücfferjr als Srjnbicui in ftäbiijdje SJienfte ju treten, in roetetjen er eine ätjntict)
roeitöerjroeigte Srjätigfeit roie fein üßater als tjäufiger Stbgefanbter ber Stabt unb
fpäter als Slffeffor am 9Jcatrimonialgerict)t enttoicfelte. 2lucf) Gt)riftopt)orui, ber
jroeite Sorjn 3ßeutinger'i, geb. 1511, f am 11. 2lprit 1576, trat in ben 2>ienft
feiner 23aterftabt Augsburg unb bradjte es bis jum 23ürgermeifter unb SSorfitjer
bei 3ratt)es. SBeniger bebeutenb roaren bte beiben anberen Söfjne ^eutinger'i:
Jotjannei Gfjtrjfoftomus unb ftarl. liefen Söfjnen öermadjte iß. in feinem
unb feiner @r)efrau Steftament bom 29. ÜJcärj 1538 (abgebrueft in ben 2itte=
ranfct)en blättern, Nürnberg 1802, Dir. XX, Sp. 445—460) feine ieic£)r)attige
58irJtiott)ef unb feine fonftigen Sammlungen öon Äunftgegenftänben unb 2tnti=
guttäten. S)ie 23ibtiotr)ef ging im J. 1715 burci) ©efdEjent bes letjten Sproffen
bes ©efcfj(ect)tei , bes Ssnatj ^eutinger, in ben SSefi^ bei Slugiburger Jefuiten=
ftofteri über (Gt. ©. b. sBurr'i Journal ^ur i?unftgefcf)ict)te unb jur allgemeinen
Sitteratur, tljeil XIII, Nürnberg 1784, S. 311—318: ..Index codicum manu-
scriptorum bibliothecae Peutingerianae in Collegio Soc. Jesu" . . Augustae Vin-
delicorum) , nad) beffen 2lufl)ebung iljrc Sctjä^e pm 2t)eit in bie Igt. £)of= unb
Staatibibliott)ef nact) 5Jcünd)en, ^um 2t)eit in bie neu begrünbete J?wi«= unb
Stabtbibtiotljef 3U ^lugiburg famen. 21ber auct) bie SBiener |)oibibliotf)ef unb
bie fgl. ^ßibtiot^et ju Stuttgart befi^en $eutinger'fcf)e ^Dtanufcripte. S)oef)
mögen auct) fonft noc^ in ^riöatbefife mancherlei öon iß. t)errüt)renbe ober auf
it)n begüglidtje Scljriitftücfe ju finben fein. Sögt. 3. 35. ben Äatalog ber Biblio-
tbeca Foeringeriana, t)rg. 0. ß. fyr. ^caner, ÜMnct)en 1880, S. 122, 5ir. 3229.
Sai ^auptroerf über ^. ift immer noct) bie Historia vitae atque meri-
torum Conradi Peutingeri. Post Joh. Ge. Lotterum edidit Franc. Ant.
Veith. Accedunt Conradi Peutingeri et aliorum eius aetatis eruditorum
epistolae ineditae LI. Augustae Yindelicorum MDCCLXXXIII. 8°. 2luf
söeitt) ftü^t fid) im roefentlict)en ber bistjer nur Don 53öcting in feiner £)utten=
ausgäbe beachtete umfangreiche 2lrtifet oon Ä. Stfermann in ber 5tltg. Snctjft.
568 ^eutinger — ^erjer.
bon (hfdj u. ©ruber. — 3Sefenttidj DteueS bringt bagegen SLtjeobor .Iperberger,
6. ^euttnger in feinem 23ert)ättniffe jum $aifer ^Jtajimilian I. 3lug§burg 1851.
— Sögt, ferner: ^tterfroürbigfeiten ber 3a^ftf<f>en 33ibliott)ef. 58b. I. 3lug§burg
1 788. 8°. ©. 261—263 ; 288 - 301. — ©. 38. 3abf, 3lugäburgifd)e 33ibtiott)ef .
33b. I, II. 3tug3burg 1795. (ftegifter.) — $. 31. (Srrjarb, ©efd)id)te bcä9Bieber=
aufbtüt)en§ miffenfdjaftl. 33ilbung. 33b. III. «JJtagbeburg 1832. ©.394—411.
— $. SDöfttnger, S)ie Deformation. 33b. I. 2. 3luft 9tegenö6urg 1851.
©. 571 — 573. — $. 31. Sier, 2)er 3lug3burgifd)e -Ipumaniftenfreiä. (3eitfd)rift
b. Jpift. 35er. f. ©djroaben u. Weuburg. 3Iugsburg 1882. VII. ^atjrg. «g>e?t 1.
©. 72 ff.) — ß. ©eiger, Denaiffauce unb ^umani§mu§. (3lltg. 30ßettgefd)id)te,
bon 2B. Oncfen II, 8. SBerlin 1882. ©. 370—372.) — 2Segele, ©efd)id)te
ber 3)eutfdi)en £)iftoriograbt)ie. (©efdjid)te ber 2Biffenfd^aften in SDeutfctjlanb,
33b. XX.) SMndjen 1885. ©.110-116. &. 31. ßier.
^CHttligcr: Ulrid) ty. , 33enebictiner, geboren am 8. $uni 1751 -JU
^nningen bei 3lug«burg, f 12. 2funi 1817 ju $rrfee bei 3lugsburg. @r legte
22. Wobember 1772 in ber 33enebictiner=3lbtei ^\x]n bic ©etübbe ab, rourbe
1776 jum -^riefter geroeirjt, toar einige Qi\\ s$rofpffor ber *pt)ilofobt)ie in 3rrfee,
1793—1804 33rofeffor ber Dogmatil in ©aljburg, 1804 in bem ©tifte 2öib=
lingen unb fefjrte bann nad) 3Jtrfee ^urüdE. 6r bat gefdjrieben : .,-y.iuyoaqi'u
universi juris canonici", 1779; „Religion, Offenbarung unb $ird)e in ber reinen
33ernunft aufgefud)t", 1795, „@cftf)id)te ber $ird)e", 1. (einiger) 33anb 1802
unb einige 2)iffertationen, bon benen bie „De mutata theologia et immutabili
ecclesiae fide", 1797 bie intereffantefte fein roirb.
ßinbner, ©d)riftfteÜer beg 33enebictiner--Drben§ 2, 174. — SBerner, ©efdj.
ber fatf). Itjeol. ©. 252. Deufd).
^Ctjer: 3>ot)ann Äonrab 53., 3tr^t, einer bornetjmcn gamilie in ©d)aff=
Raufen entfproffen, ift bafelbft am 26. 2>ecembcr 1653 geboren. (Jr fjatte juerft
in 33afe(, fpäter, unter Smbernerj, in tyaxtä 9)cebicin ftubirt, mar bann jur
Qjoüenbung feiner ©tubien nad) 33afel jurücfgeferjrt unb tjat tjier 1681 bie
SDoctorroürbe erlangt. 6r tjabilitirte fid) barnad) aU Slr^t in feiner 33aterftabt,
befteibete gleichzeitig ber 9teit)e nad) bie 2ef)rftüt)le ber sJtt)etorif, Sogif unb
^ßljbftf unb ift, bon feinen 3eitgeuoffcn rjodjgeetjrt, bafelbft am 29. gebruar 1712
geftorben. — 5ß. nimmt unter ben 3lnatomen feiner 3^it eine fetjr ad)ten<sroertrje
Stellung ein. 3lm btfannteften ift er burd) bie ©djrift : „Kxercitatio anatomico-
medica de glandulis intestinorum, earumque usu et adfectionibus etc." (1677).
in toeldjer er bie bon itjm entbecften unb nad) itjm benannten (33erjer'fd)en)
©d)teimi)autfoIlilet bei 3)ünnbarm3 befd)reibt; roeitere anatomifcfje (Sntbedungen
t)at er in ber bon itjm unb $ot). 3af. färbet gemeinfdjafttid) unter bem Stitel :
„Paeonis et Pythagorae (bic tarnen, roeldje beibe gorfdjer als \Witglieber ber
ßeobolbimfdjcn 3lfabemie trugen) exercitationes anatomico-medicae etc." (1682)
IjerauSgegebenen ©djrift, unb in „Parerga anatomica et medica VII" (1681,
1682) niebergelegt, ferner in ber „Merycologia s. de ruminantibus et rumina-
tione commentarius" (1685) intereffante bergleid)enb=anatomifd)e unb =pt)t)fio=
logifctjc Unterfudjungen über bie 33erbauung§organe ber SBieberfäuer mitgetl)eilt,
fobann in „Methodus historiarum anatomico - medicarum etc.1' (1678) bei ©e»
legentjeit ber 33efd)reibung einer anatomifd) unterfud)ten ^crjerfranfung 3}or=
fdjriften über bie 3lugTür)rung patr)ologifd)=anatomifd)er Unterfudjungen gegeben
unb eine größere 3a¥ anatomifdjer, batt)ologifd)=anatomifd)er unb tcrato=
logifdjer 33cobad)tungen in ben 3]erl)anbtungen ber Seobotbtnifdjen 3lfabemie
beröffentlidjt.
<£Iot) , Dict. histor. de la möd. «öconi 1778, III, 536. — £atler,
Bibl. anat. I, 640: Bibl. med. pract. III, 420. 3t. &irfd).
Sßeljpug - 5ße3. 569
$el)jM3: griebrid) % (aud) S3eüfu3, 2lrtemifiu3), ein geteerter
SBudjbruder unb einet ber erften ©ortiment§bucl)f)änbler ju Nürnberg, folt 1485
ju <g>errnftabt (©djlefien) geboren fein unb teufte ju Nürnberg bon ungefähr
1510—35. (Sr rjatte bie 53eftänbe ber ßnbe be3 15. SaljrtmnbertS etlofdjenen
Sreufjuer'crjen ©ruderet erroorben unb befaf; aud) Supen ber 1504 bon Äobetger
aufgegebenen SDruderei. 3im $• 1515 erwarb er ba3 Sürgerredjt ju Nürnberg
unb in bemfelben 3ar)re finbet er fidj al3 Sefttjer eine3 23ud)laben3 am SJcarfte
im Sßiobentjofe. ©eine ütljättgfeit als SDruder beftanb trjeüS im SBerfbrud für
Äoberger unb Seontjarb 5U ber 2lid) in Nürnberg unb für 2ufa§ 9ltantfee in
äöien, trjeilS im Nadjbrud bon NeformationSfcrjriften. SDurdj biefe miberrecrjtticrje
33efdjäftigmtg trug er biet jur Verbreitung ber Sbeen ber Deformation in fronten
bei. ©o brudte er u. 31. bereits 1518 orjne (Maubnifj be§ NatrjeS auf S3e=
getjren ber Nürnberger 2Iuguftinermöncr)e Sutr)er'§ beutfdjen SLractat gegen ben
Slblafj. 3fm 3f. 1524 brudte er 2utb>r'3 Ueberfer^ung bom bleuen Seftament
nadj, bem er im fotgenben ^atjre ben 5ßfalter folgen tief*. Slufjerbem gab er
nodj öerfctjiebene (Schriften bon Sutrjer, 3Mandjtljon , 23ugenr)agen f)erau3.
©ein ©ignet beftanb in einem äßürfet mit ber Sluffctjrift : Ratio vincit.
2öitl unb Nobitfd), Nürnberg. (Metjrtenleriton. — «g)afe, Sie Äoberger.
2. 2Iuft. Seidig 1885. $ all mann.
S$C$: Semrjarb 5]}., geb. ju ^ßfö in Nieberöfterreidj am 22. Februar
1683, f int Ätofter Welt am 27. ^ärj 1735, ®efctjid)t3forfd)er. — ©ofm
eine§ bemittetten ©aftroirtr)3, an ben ©rjtnnafien in Söien unb Ärem§ gefault,
bertor 5ß. früfj ben Sßater, fanb jebocrj an ber Butter bie ©tütje 3ur SSoüenbung
ber .gmmanitätSftubien unb fafjte bann ben Güntfdjtufj , Äloftergeiftltdjer ju
roerben. «Ulit 16 Sagten trat er in ba3 Ätofter 3Mf,"0. S. B., al3 Nobile
ein, um tjier pgteidj im §au§ftubium ben prjüofopfjifdjen 6ur3 ju boEenben
unb 1703 am ©tiftSgrjmnafium al3 Setjrer ber erften ©rammatifalclaffe 35er=
roenbung ju finben. Slufjerbem berlegte er fid) mit bietetn (Stfer auf ba§ ©tubium
ber lateinifcfjen unb gnedjifdjen dtaffifer, ber rjebräifcfjen unb ber franjöfifdjen
©brätle. 1704 rourbe er in bie trjeotogifdjen ©tubten nacr) 2Bien entfanbt.
25en 29. 9ttai 1708 IaS er al3 ^riefter feine erfte «Dteffe. äöie begeiftert er für
ba§ SInfetjen unb bie (Rettung feine§ £)rben§ mar, jeigt am beften feine $ugenb=
arbeit, ba§ „Protrepticon philologicum", aber ebenfo ferjr atrjmet batin ber
(Sifer für bie Pflege ber Satinität. ®er innerfte SDrang jur ©efd^icrjtSforfdmng,
— al3 ©efdjidjtfdjreiber berfucrjte fidj $. bereits früt) genug, inbem er unter-
beut Namen SernarbuS 3ftpontanu3 1709 ju Söien bei ©eorg ©crjteget ba3
58üd)lein „De irruptione bavarica in Tirolim anno 1703 a Gallis et Bavaris
facta", libri III (12°), erferjeinen lie^, — geroann an bem ©tubium ber bafjn=
brecr)enben SBerfe ber franäöftfd^en £)rben§brüber (^Nauriner), inSbefonbere eines
^Jlabitton, <!palt unb Nahrung unb beftimmte itjn, bem ba§ 2lmt eines Ätofter*
bibliottjefarS übertragen morben, jur raftlofen Slufnatjme arcijibaUfc^er ©tubien
in ben Ätofterbücrjereien, fo äunät^ft in 9Mf unb Söien. @r mar e3 aud), ber
feinen teiblicrjen 23ruber unb jüngere Ätoftergenoffen tjierfür geroann. 2lbt
Söerttjolb geröät)rte it)m 1715 einen Urlaub. (5r toanbte fiel) nact) ©eitenftetten,
bann nacl) Dberöfterreict), in bie Älöfter ©arften, ©leint, ©. Florian, Ärem3=
münfter , Sambacrj unb Saumgartenberg , um , roie bie3 bie >fltauriner für itjre
Bibliotheca ttjaten, "üftabitton buret) fein Iter Germanicum narje legte, bie l)anb=
fcrjrifttii^en ©djätje ber öfterreicrjifcfien Senebictinerftöfter aufjufpüren unb jjut
©eltung ju bringen, mie fid§ bie3 in feiner „Epistola encyclica ad omnia
ordinis Benedictini monasteria . . . .'; (Acta erudit. Lipsiens. 1716, Sept.)
au3gefprod)en finbet. 2ln biefem ©treben tjatte audj bie ärotferjen bem 33enebictiner=
unb 3fefuitenorben längft borrjanbene Niüalität iljren 2lntf)eit. — ^m S« 1714
570 $e3-
mar ju 2Bien auS bcr %e\>n eine§ ^ejuiteu ein Söüdjlein unter bem Xitel
Cura salutis, sive de statu vitae mature et prudenter deliberandi methodus ....
erfdjienen. SDeffen ^n^alt erfcijien unferm *p\ fo berauäforbernb , bafc er nidjt
fäumte, im $. 1715 eine ausführliche Apologie be§ 33enebictinerorben3 nierjt
Mofe, fonbern aud) ber ßiftercienfer unb ^rämonftratenfer unter bem ^feubontjm
„ty. 9Jtellitu3 CratiuS" alä „^erausgebersi" ber „Epistolae apologeticae pro ordine
Sancti Benedicti R. D. P. ßernardi Pezii Benedictini et Bibliothecarii Mellicensis,
adversus libellum »Cura salutis ju febreiben . . . ." 3n biefer (303 Dctaöfeiten
ftarfen) SDrudfcbrift erfebeinen aunäcbft ber 33rief eines geroiffen SlntoniuS ftlorbert,
ber in ba§ 23enebictinerflofter 5Retf aU sJcoöije eintrat, aber nad) ber 1Rü(ffec)t
ju ben SBiener tbeologifeben ©tubien burdj bie £cctüre be§ 33üd)leinS Cura
salutis für bie 33ertaufd)ung br§ 33enebictinerorbcnä mit bem ber ^ejuiten Qc=
toonnen rourbe unb bie törünbe biefeä <5tanbe§roecbfel§ bem Helfer $rofeffen
unb 23ibtiotbefar 5ß. funbgab unb ba§ beroufjte U5üd)lein feinem ©d)reiben (batirt
nom 1. %uü 1714; beifd)lofj, fobann bie 10 Briefe ^ej'ä gegen bie äntofttfe
ber 3jefuiten, mit erläuternben Slnmerfungen auägeftattet. ty. ,\eigt fid^ ba al§
belebter unb fadjfunbiger 33ertt)eibtger bcr i^cnebictiner unb ber anbern alten
grofjen £)rben, foroohl in ^infiebt ibret 33crfaffung alö aud) ihrer £hätigfeit
auf allen ©ebieten gcift(id)en SBirfenfc. S>etl ©d)lu§ biefer Apologie bilbet juni
SBeroeife be§ unentroegten roiffcnftf)aittid)en ©trebenä ber 58enebictiner ber „Cata-
logus scriptorum. qui ab anno 16« »0 usque ad hoc tempus in ordine S. Bene-
dicti claruerunt". 2118 ßpilog hat bie ,.Epistola XU" ju gelten, roorin jener
glorbert erflärt, burdj) bie Sltgumcntc jpeg'8 über baä Wichtige ber 3»efutten=
ftrategie roiber ben 33enebictinerorben belehrt unb für ben urfprünglichen @nt-
fchjufj, beffen ©enoffe ju roerben, geroonuen ju fein. — @ä ift begreifttd), bafs
bie Siefuiten biefcä 23ud) unfere§ $. nid)t unbeantwortet liefen. SBir roerben
feinerjeit barauf ju fpredjen fommen. 3|m $. 1716 rüftete fid) *$., um in ®e*
meinfefjaft feineä SSruberg Jjpicronpmuö bie nieberöftcrreidjifdjen Älöfter ju burcr)=
Torfchen. £)a§ gorfdjerpaar begann mit ber 2)onaufarjit nach, Äloftemeuburg,
einer üteife, bie zufolge eine§ fürdbtertieben ©croitlerfturmeä bei ütüUn (eid)t einen
tragiferjen 9lu8gang finben tonnte, begab fid) bann in bie 9Jtaucrbacber .War=
tfjaufe, nacrj ^eiligenfreuj, Älein'ÜJtariajeU, Stlienfelb, roo fie 2lbt GfjrrjfoftomuS
mit offenen Firmen aufnahm unb eine reierje gunbftätte fidj erfdjtojj, ferner nad)
©öttroeig, 3roettt, 5Utenbura, unb s^ernegg.
Stoifdjen biefe unb bie nädjfte ^orfdjungSreife fallt, abgefeb.en öcm bem
oben bereite angeführten sJtunbfd)reiben an alle Senebictinerflöfter jur Unter=
ftü|ung beg öon iljm geplanten litterargefcrjidjttidjen SöerleS unb ber ©djrifi:
„Triumphus castitatis s. acta et vita venerab. Wildburgis, virginis reclusae
Samt-Florianensis" (1715), bie „Generalis Bibliotheea Benedictina" unb bie 33er=
öffenttierjung beö 33ud)e§: „Bibliotheea Benedicto-Mauriana , seu de ortu, vitis
et scriptis Benedictinorum e celeberrima congregatione Sti Mauri in Gallia
libri II", roorin 5ß. ben Sßerbienften ber fran^öfifetjen Drbenggenoffen unb it)re§
litterarifc^en 33erbanbe3 9iecijnung trug , um bie öfterreidjifdjen ^Jtitbrübcr für
eine gleiche 2tjätigfeit ju geminnen; anbterfeitS gab $. ben „Anonymus de scrip-
toribus ecclesiasticis" au§ ber Helfer SSibliotbef beraub, ^ie nädjfte gorfcbung8=
reife ber ©ebrüber s4>e3 galt ben ^löftern S3aiern§ unb be§ ®crjroabcnlanbe§;
boerj fottte aueb ber 2Beg burd) Dberöfterreid) unb (Salzburg nidjt obne 3trbeit
unb ©eroinn bleiben , roclcrjen insbefonbere bie Älöfter ?ambacb , 5)tonbfee,
anbrerfeitS ba§ <5t. ^3eter§tlofter unb bie er^bifcrjöfticije S3ibliotbe£ in Salzburg
abwarfen, lieber Xraunftrcijin ging e§ nun in3 Saiernlanb , junädift in ba§
^lofter ©eon, nacr) ßttal, 9tot. 93eibartingen unb 3öet)ern. Ungemein lorjnenb
roaren bie ßrgebniffc in Xcgernfee unb SBenebictbeuren, gering in SBernrieb unb
$«3- 571
Rötung, bebeutenb ju äöefjobrunn. Heber Slnbecfjs ober -öeüigenberg erreichten
bie gorfcfjer 9Mnct)en, um t)ier bie furfürftüctje Sibtiotfjef in 2tugenfct)ein 3U
nehmen. 2)em erften Sefucfje #reifing3 fdjtoB ficfj ber SBefucf) 2öeir)enftephans
an unb öon r)ier eüten fie nad) yfreifing jurücf, in ben -gjanbfctjriftenmuft bei
ßapitelarcfjiög. Sann befuchte ^}. bas '^rämonftratenferftift ^eu=3e^ - über
SBeirjenfteprjan baö Ätofter ©ctjenern unb fcblug bann bie (Strafte nact) 9Iug8-
bürg ein, bie ibn über £f)ierr)aupten fübrte. Namhaft war bie 2Iusbeute in
ber Sombibtiotfjef Augsburgs unb im bortigen 23enebictinerffofter ^um r). Ubatridj.
Cbfdjon s£. öor Segierbe brannte, bie ©chä^c öon Sßeingartcn, Cttobeuem,
Sfteidjenau unb insbefonbeie öon ©t. ©allen ju befeften, fo nötigten ihn bod)
förperticbe ©ebrechen, ÜJcagenteiben unb ©djwtnbelanfäü'e , an ben ^eimmeg ju
benfen, welchen er in ©efettfchaft feines Sruberi über -Ipoi^en, ©d)Wäbifctj=
SBerbe, SBettenburg, Ütegcnsburg, $riftingen, Cberattaicfj, SSinbberg, ^Retten,
3cieberaltaich, ^affau, J-ormbacrj unb öon Sßaffau aus" in§ -Ipeimatfjtanb einfchtug.
Sen ©djtuß" ber ergiebigen ^orfcrjungsreife mactjte ber 2Iufentha(t in ber 2}ater=
ftabt tybhZ, wo er feine Butter begrüßte, um bann am 22. September wieber
in 5)celf einzutreffen, baS er ben 3. 2Jlai öertaffen.
Um biefe $eit mufjte 5ß. eine titterarifcrje ^e^e ausf echten, bie irjrn feine
-Dcitttjeitung in ben „Acta erud. Lipsiensium" (Januar 1717) über ben öon
ty. im Siftercienierflofter 3ö3ettt eingefefjenen Codex Udalrici Babenberg. episcopi
}U}og. 5$. hatte in jener 2JcittheUung über ben Snfjalt biefer jpanbjc&nft
alle Urfunben, 33riefe u. f. to. , bie itjm als noch ungebrudt erschienen maren,
Don ben anbern, bie er al§ befannt wujjte, burcfj ein ©terndjen unterfchieben
unb baS Vorhaben geäußert, ben ganzen 350 Hummern umfaffenben Gober
herauszugeben, ©er bamaüge 2)orfteber ber faifertichen <£>ofbibtiotrjef in SBien,
^enebict ©entitotti, bem ein zweites" Gremötar biefer <§)anbfchrtft öorlag unb
bereu ttjeilmeife 23enutnmg burch ©reifer unb 2engnagel befannt War, öer=
fdjanjte fidj nun hinter einen angeblichen 93rief feines SanbSmanneS unb ©tubien=
genoffen „Stngeto f^fontejo" auS Verona, an -}>rof. Ssof). Surfharb 9Jcentfen in
Öeipjig, worin fict) 3(ngeto gontejo PjJcai 1717) in 3weiütid)tungcnüber jenen 2tufjah
unfereS *ß. abfällig äußerte. Grfifid) habe ty. öiete Urfunben, ^Briefe unb anbere
Senfmater in bem bewußten Gober burd) ©ternchen als noch, nicht üeröffentticht
bejeicrjnet, bie e§ thatfädjtich längft bereits wären, unb fürs zweite fei fchon au£
biefem ©vunbe ein 2lbbrucf ber ganzen .ipanbfcbrift überflüffig. ^3. beeilte fid)
nun, in ber fyorm eines SrieieS an ©entilotto, eine auSfürjrtictje ©elbftöertr)ei=
bigung (1717) ju öeröffentüctjen unb ©entilotto gemiffermaften at§ ©crjiebsridjter
anjurufen. ©entitotto antwortet barauf mit einem langen 33rieie be§ 3lnge(o
{yontejo unb einem Vorworte an ^. , ba§ bei atter 35erbinbüd)feit unb ©tätte
ben eigentlichen 3ad)öerrjatt Wofjt burcfjfctjimmern täftt.
Söic au§bauernb unb rafer) unfer $. ju arbeiten öerftanb, beweift bie 2bat=
fad>e, bafj er bie fyrüctjte feine§ (Sammeleifers für fein namtjaftefte§ Cuettenwerf,
ben ..Thesaurus aneedotorum novissimus, seu veterum mouumentorum. prae-
cipue ecclesiasticorum, ex Germanicis potissimum bibliothecis adornata collectio
recentissima", bereits 1721 (1. — 3. 53anb) ber getetjrten 28e(t unterbreiten
fonnte. Äaifer ^art VI. berief irjn unb feinen Sruber .pieronrjmuS naefj SBien
unb nabm bereu beiberfeitigen 9Berfe mit freunbtierjer 2tnerfennung entgegen.
bitten in biefe rafHofen unb aufreibenben $ub(icattonen in öerfcrjiebener
9iicbtung (1722 — 23 erjctjien ber 4. 55anb be§ Thesaurus unb 2 33änbe einer
..Bibliotheca ascetica. antiquo-nova . . . .") fällt bas SBieberaufftacfern ber
53enebictiner= unb ^efuitenfetjbe. 2t(S Äämpe be§ fe^tgenannten CrbenS trat
bamalS ber atterbingS fenntniftreicfje unb ftreitbare CrbenSmann 5Jcarcu§ ipanfiä
unter bem s£feubonrjm „5Jcobeftu§ iaubengatt" auf. 1723 erfdjien nämlid; unter
572 la-
bern jLitet Modesti Taubengall Apologet icus ädversus Umbras Oratii Melliti
pro fama A. R. P. Gabrielis Hevenessi et universae Societatis Jesu in causa
libelli, qui „Cura salutis" inscribitur , praecipiens methodum de statu vite
niature ac prudenter deliberandi . mit bem angeblichen 2)rutforte 33erona , ein
jiemlid) umfangreidjeg 23üd)tein , ben £)rben§genoffen gemibmet. üDarin mürbe
al§ Sjerfaffer jenes „beftgemeinten" äBcrleS Cura salutis ber SSorftanb bes SSiener
^rofefjtjaufes, Gabriel .»pebeneffi (f 1715), ein unfäglidj fleißiger ^oltjtjiftor,
entbüüt unb in aüerbings überfcrjroänglidjer SÖeife gegen jeben Anrourf ber=
tljeibigt. Hatte ^. ben 93enebictinerorben tCjunlid^ft t»ert)errlid>t , fo läfct es
„2aubengaH" an einer faltigen Apologie bev ©efettfdjaft 3fefu nid)t fctjten.
£ß. Derjicbtete, auf biefen aiemlid) tätigen Singriff ^u antmorten, inbem er blofj
bie ßrtlärung abgab , bafj er an bem iljm fälfcrjtictj jugemutljeten Libellus
pro defensione Status Petrini ädversus anonymum Jesuitam Viennensem editum
(gegen bie Cura salutis gerichtet) cbenf omenig ttjeilrjabc a(§ an ben bezüglichen
©treitfdjriften be§ ^otj. 23artb- Söerbinger. Glitten in feine meiteren Arbeiten
(1724 — 26 erfduen ber 3. — 10. 23aub ber Bibliotbeca ascetica, 2 93änbe ber
Bomiliae be§ Abmonter Abtes ©ottfrieb , ber 5. unb 6. SSanb bes Thesaurus
unb bie Ausgabe ber Opuscula philosophica be§ Abmonter A6tes Engelbert)
fällt ein (heignifj bon entfdjeibenber Siebeutung. *ß. erhielt nämlict) bie 6in*
tabung , ben ^offanjlet ©rafen bon ©iujenborf , sJJIanbatar töaifer $arlS VI.
3um (Songreffe öon ©oiffong, nadj 3ranfreidj, bem £anbe feiner roiffenfcrjaftlicfjcn
©etjnfucbt, ju begleiten (1728). Hier erfdjloffeu fieb, itjm fruchtbare 93efannt=
febaften mit roiffenfdjaftlicr) bebeittenben Drbenäbrübern unb anbern ©eletjrten,
einem s)Jtontfüucon, Marlene, 3)uranb, gfratiQOiS le Sedier, Aug. Galmet, 3>aque§
9Jtattin u. 21. Alle Orbenäbiblioirjefen , bie er befudjen rooltte, ftanben itjm
offen. Auf ber ütüdreife au§ granfreidj bcfudjte ty. aud) beutfdje tölöfter , fo
ba§ ^roiefattener, (^ur Grrgän^uug feiner $orfd)ungen. @s mürbe itjm aud) balb
bie etjrcnbe Aufgabe ju XfyH, bon bem .^offanjler nad) SGÖien eingelaben, feine
Meinung über ba§ feit £eibnifc, (f. Artifel) im ^uge befinblidje , aber unöer=
mirftiebt gebliebene ^rojeet ber Srridjtung einer faiferlidjen Afabemie ber 2üiffen=
fdjaften abzugeben. Sßon Sßien in fein Älofter tjeimgefommen befdjüftigte fictj
s#. mit ber Ausarbeitung ^roeier 2)iffertationen in Briefform. S)ic eine an ben
Siefniten P. 9Jt. Hanfij (ben unter bem ^feubonrjm £aubengaU berftedt geroefenen
aBiberfadjer) gerichtet (9Bien 1731), mütjte fid) mit ber ©t. Ütupertuäfrage ab unb
ftiefj auf beffen rjerben äBiberfprud), bie anbere mar bem Hofländer ©inienborf
3ugcbad)t unb betjanbelte ben 9iamen unb Urfprung ber Habsburger (SBien 1731).
3mei litterarifdje Angelegenheiten bereiteten unferm $. empfinbücrjen 33er=
brufe. 2)ie eine betraf feine ©d)rift: „Vita et revelationes Venerab. Virg.
Agnetis Blanbekin" (Ceben unb 93ifionen einer SBiener 9ionne , gtitgenoffin
ber erften Habsburger), bie bon ber Senfur unterbrüdt rourbe , meit man
barin Anftöfjigeä für gläubige ©emütc)er entbedte. S)ie jmeite tjing mit bem
öon Sp. im Älofter ^tüief alten gemachten <}unbe ber Acta St. Trudperti be§
6rd)anbalbu§ jufammen, unb jroar mit ber barauf fu^enben Sdjrift unferö ty .
über ba§ 3eitalter beS Ijetligen Otupert, beren oben gebadjt mürbe. JpanfU ber=
öffenttidjte nämlid) 1731 eine Responsio ad epistolam P. Bern. Pezii Bened.
et Biblioth. Mellic. super vita Sti Trudperti . . . , worin er junädjft evflärte,
ba$ er baburd) in feiner Annahme Don ber 3eit ber sIRiffion beS tjeitigen Oiupert
burcr)au§ nidjt erfd)üttert merben fönne, unb überljaupt bie ßombinationen be§
ty. jiemlict) erfolgreid) anfod)t. 2öär)renb 5ß. nadj feiner 9tüdfet)r üom Sefudje
beS JllofterS ©öttmeig an einer au§füt)rlid)en ©egenfd)riTt ober Apologie arbeitete,
überrafd)te ben Unermüblidjen am 24. 9Jtär,j 1735 ein cjeftiger ^ranl^eitSanfatl,
ber aller är^tlictjen £)ilfe fpottete unb irjn am 27. b. 9Jt. im 53. ^ab,re auS
einem ber 2Biffenfd)aft gemeinten ßeben ri§.
$ea- 573
2luS bem ftatttictjen ftactjlaffe erfcrjien noct) ju Nürnberg 1736: „Francisci
Tagii, Physici et equitis, descriptio, seu liber de obsidione urbis Papiensis et
de captivitate Francisci I Regis Galliae, e Bibl. Mellicensi". SaffentjafteS
ÜJlateriat tt>ar für bie Bibliotheca Benedictina Generalis, für baS Museum
historico-tbeologico-asceticum etc. botbereitet, beSgleidjen eine 2lu§gabe ber
Comm. allegorici beS Slbmonter SlbteS ^rinbert unb ja^Iteid^e 2lbfct)riiten mittel
alterttd^er 5Denfmä(er.
©eine litterarifctje SSebeutung rutjt bornerjmticrj barin, bafj er mit ungemeiner
2trbeitStraft unb bielfeitigem 33ticfe begabt, baS Streben ber Sautinet nadj
Defterreict) ju berpflanjen bemüht roar, eine $ülte rjiftorifcfjen SaterialS ju Sage
förberte unb bie ©efcf)tct)tSfunbe beS SittelalterS in Oefierreicr) butct) itjn einen
neuen unb nachhaltigen 2lnftof$ erfutjr, abgefetjen babon, bafj er für fie feinen
jüngeren SBruber «gueronrjmuS, ben getreuen SlrbeitSgenoffen, bauetnb gewann.
Jhopf (fein jüngerer ^loftetgenoffe unb 23ibltott)efat), Bibliotbeca Melli-
censis, s. Vitae et scripta inde a sexcentis et eo amplius annis Benedictorum
Mellicensium .... Yindobonae MDCCXXXXVII, p. 545—656. — 2lrct)ib
f. @efdj., ©tatiftif u. f. to. t). b. #ormarjr 1810, ©. 416—17. — <£rjd& u.
©ruber, gncnjtop. III. ©. 20. 21)1. u. bem ©tfjlagtoort. — äBurjbad) im
biogr. 8er. XXIII. (1870) 145—148. — 2t. Sarjer, <8ef<$. ber geiftigen
Suttur 9cteb.=Defierreict)S , 1. 33b. $gt. auefj bie Sit. bei .sMerontjmuS 5]}e3.
<£ieronrjmuS ty. , ber jüngere 53ruber, Äloftet» unb 2trbeitSgenoffe beS
23orgenannten, geb. ^u 2)bbS am 24. Februar 1685, f am 14. Detobet 1762.
2ßir fjaben in ber biograptjifctjen ©ftjjje SSernljarb'S iß. bie gamUienoerrjältniffe
bereits angebeutet unb ebenfo ber gemeinfamen ftorfcfmngSreifen gebadet, unb
fönnen biefe biograptjifcrje ©fi3<$e um fo fürjer Ratten, je geräufdjlofer, otjne
litterarifctje s$otemi! baS Seben biefeS ©elerjrten, trotjbem eS ungleich, länger
ttmfjrte, berlief. $n ©emeinfdjaft mit feinem 33ruber 311 Söien unb ÄretnS (an
(euerem Orte bon bem ^efuiten f^ranä Söagner) als Srjmnaftaft gefetjutt, ab=
fotbtrte 5p. bie prjüofoprjifcrjen ober ßfjceatcurfe in Sinj 2tm 26. SDecember
1703 legte er als ^tobijc beS Helfer ÄtofterS bie >ßrofeJ3 ab, rourbe ^tieftet
bafetbft (8. September 1711), nadjbem er brei Satjte im ©tiftSgrjmnafium unter»
richtet unb ein Sarjr 'm grftetf, brei $at)re in SBien SLtjeologie ftubirt, unb ioib=
mete feine ganje Sufje, auet) ba Apanb in -gmnb mit feinem 93ruber, rjtftorifdjen
©tubien unb rjiftorifctjer gorfetjung. Dlact) bem £obe feines SBruberS Biblio-
tbecarius primarius, 1733 (ab et nut füt ein $ar)r) Üiobt^meifter geworben, lebte
unb toebte ty. nur in bem ©ebanten, ber baterlänbifcrjen ©efdjictjte eine quellen*
mäßige ©runblage 3U geben , unb in biefer SSe^ieljung roar feine , innerhalb
engerer unb fefterer (Stehen fiel) betoegenbe $orfcr)ung an ^lanmäfjigfeit unb
nadjtjaltiger 23ebeutung ber auf teeiter 9rläcrje fid) beroegenben, toafjrtjaft maffen=
tjaften 5|3robuction feines älteren SruberS, bet um breifjig £$ar)re frütjer, mitten
in feinem rafttofen, bietfeitigen ©ctjaffen baljingerafft rourbe, überlegen, roie eng
berroanbt unb einanber ergänjenb aucl) fonft bie arbeiten ber Srüber roaren.
©ie boten ein nierjt eben IjäufigeS SBeifpiel inniger unb fruchtbarer 2eben§=
gemeinfdjaft. ©eine erfte titterarifd^e Arbeit fnüpft fiel) an ba§ S- 1713. @S
finb bieg bie ftitifer) erläuterten Acta S. Colomani. SDa£ leüte Sirudroerf, 1746
(16 S<*l|te bot feinem Ableben), ift eine Sonographie über Sarigraf Seopotb
ben Jpeiligen bon Defterreict). 3^!^^ bie beiben fällt bie ^aubtarbeit, fein
eigentliches ßebenSroerf, bie „Scriptores rerum austriacarum veteres ac genuini",
beren 1. Sanb ju Seibäig, bei ©lebitfdj), im ^. 1721 erfcfjien. S)aS 3iä unb
bie Setfjobe biefer tt)atfäcl)licl) batjnbrect)enben CueEenpublication finbet fid) in
ber I. borangefteEten SDtffettation erörtert. 23efannterma^en feien, tjeijjt eS Ijier,
bie 3lngetegenljeiten OefterreicrjS mit benen ©efammtbeutfd)lanbS feit mehreren
574 SN-
$ab,rf)unberten fo innig uerfnüpft unb üermoben, bafj eine erfcfjöpfenbe Äenntnife
ber letzteren nid)t otme umf affenbere (SrforfdEjung ber erfteven glüde ; baljer Ratten
bie Weimer biefeä ©ad)Derf)altes bie Ueberjeugung geroonnen, btefer <Sd)trriprigEeit
fönne nur baburcr) abgeholfen raerben, menn öon einem ber 2>inge nidjt Un=
funbigeu, gemiffentjaften unb red)tfd)affenen Wanne eine ©pecialfammtung ber
älteren ©efdj)id)tfd)reiber £)efterreid)3 üeranftal-tet mürbe. s-öiä jetjt fei bieä nod)
nidjt gefdjerjen, mie fefjr biee aud) üon einem Öambed unb SDaniet Steffel 311
hoffen mar. ©ein geliebter unb ücretjrter trüber Sernrjarb fei benn in it)n fo
lange gebrungen, big er bie eigenen 23ebeufen übermanb. — St l)abe fid) alfo
entfd)loffen , bie ©efd)id)te Ccfterreicb,§ im Spiegel lauterer, jeitgenöffifcfjer unb
urfprüngticfjcr Cuellcn öorjufüfjren unb ju biefem ^mede es an ber 2)urd)=
forfetjung öfterreid)ifd)er unb bairifdjer s.8ibliotf)efeu nid)t fehlen laffen. Sr fommt
bann auf bie Wirten feiner CueUen 3U fprecfjen, öermeift aur bie 2Bid)tigfeit ber
^affauer Grjronifen unb Kataloge, ber Vitae et acta SS. bei 3., 4., 5., 11.
unb 12. ;3at)rt)unbert§ , ber Gfjronifen , ©eneatogien, Dlefrotogien, Oh-'GSMente,
ber Urfunben, ^rimlegieu, Sdjenfungcu u. f. tu. 6r betont fobann bie 9totr)=
roenbigfeit fritifd)cr (Erläuterungen unb ridjtet einen Vlppetl au bie Äloftetöor*
ftänbe, feine fcfjmierige Arbeit tf)unlid)ft ju förbern. Sin befonbercs (i)emid)t
legt er auf bie Codices traditionum (©albücrjer) , bereu 5?enutumg ib,m au§=
giebigft gcmäbjrt merben möge. SDann folgen 5 ©iffertationen unb jmar :
(I) über bie üerfd)iebene Benennung Cefterreid)§ im 2öed)fel ber Reiten,
(II) über bie älteften 33emob,ner Defterreidji , (III) über bie erften djriftlidjen
©laubenäboten in biefem l'aube, (IV) über ben (Eintritt be§ erften 33abenberger§
in bie ©efdjidjte £)efterreid)§ unb (V) über bie angeblichen unb rein fabelhaften
^Jliffetl)aten ber Sabenberger: £eopolb be§ ©cfjönen unb feinet 33ruber§ 9tlbrecf)t. —
Dbfcrjon bie ©rgebniffe fämmtltdjer 2lbt)aubtungen üon ber ^eit unb 5o*fd)ung
übertjott, üeraltet finb, fo läfjt fid) bod) an fid) ebenfomenig ber rjiftorifcfje
äöafvrfjeitötrieb alz bie umfaffenbe 23etefeuf)cit be§ Tutors üerfennen. 2)ie in
biefem 53anbe aufgefpeidjerten Duellen, 44 an Qafyl, fjaben 311m ©djmerpuntt
bie Helfer, Älofterneuburger uub ;-;raettler, anberfeitl bie Saljburger ßlrrono*
graprjie ober 2lnnatifiü\ fobann bie Gljronif bei 2Siener§ ^attram 23aüo , ben
fog. Anonymus Leobiensis (in ber bamalä nod) uncrforfd)ten 5ßerquidung mit
ber Gtjronif 3fol)aun§ Don ^iftring), bie (beutfdje) Grjronif Ccfterreid)3 be§ fog.
sJJlatf)äu5 ober (Tregor ^pagen uub 9lrenpeds Cbron. Austriacum. @in Index
rerum et verborum macf)t ben Sd)luf;. ®d)on nad) ,}mei 3fafjren (1723) mar
ber 2. Sßanb ber Scriptores erfdjicnen. (Er enthält 57 ©tüde; baruuter aU bie
retatiü namtjafteften : bie 9Ibmonter Gljronif , bie ©aljbuiger Wnnalen be§
©t. 9iupertu8ftifte§ , ben ßreiä fleinerer CueUen jut ©efcrjicfjte «ßaifer ^rieb»
rid)§ III. unb cor aEem bie grofje ßb.ronif 6benborfer§ in 5 23üci)ern (bi§
1463), abgefebjen Don ber bötjmifdjcn (St)ronif be§ 9leptad)o , ber beutfdjen
„Stjronic ber ^eb^emen" u a.
Wad) längerer gvift erfdjien 1745 in einem anberen Verlage, @. g. S3aber
3U föegenäburg, ber 3. S3anb ; er befcfjcerte un§ bie ganje üieimdjronif DttofarS.
SBemeift fcfjou biefer 33erlag3med)fel bie ©djmierigfeit, fold)e ^ublicationen unter bie
treffe ^u bringen , fo begreifen mir eben fo Ieid)t , ba§ eine gortfetmng be8
llntemer)men§ , in melcliem ^arjr^eljnte raft= unb fetbftlofer Arbeit ftafen, an
metjr aU einer flippe fcb.eitern mu^te. ^mmertjin boten bie brei goliobänbe
ber Scriptores ben ©runbftod ber ©efcljidjtfcrjreibung in unb für 2)eutfd)=Defter=
reid), unb menn aud) bann bie fieb, tiielfad) mit ^ej'fdjen Scriptores berüb^renben
unb bedenben Rerum austriacarum Scriptores. t)erau§gegeben öon Slbrian 9taudj
(1793 — 1794), erfdjienen , menn enblidj bie Monumenta Germaniae im
11. (9.) Sßanbe bie öon äßattenbadj in neuer ?lnorbnung unb ©eftalt ber
SPejel. 575
SGßiflenfc£)aft befdjeexten Annales Austriae exfcbloffen , fo muffen mix bie ^'fcrje
(Sammlung nod) immer jut -grnnb nebmen, falls eS ftcb, um bte öfterreidjifcbe
Gtjronif £)agen'S, um Strenpecf, Sbenborfet unb bte 9tetmdjroni£ Dttotax'S ban=
belt. SDex banbfdjriftlicbe Dtacfjla^ ber 93xübex, moxin bte „Ephemerides rerum
in Monasterio et Austria uostra gestarum a die 31. Juli 1741, quo Serenissi-
mus elector Bavariae Passaviam occupavit" unfexm <!piexonrjmuS angebölen,
3eigt am beften, mie bielfettig üjxe gemeinfame ©ammlexaxbeit toax.
Sgl. ßxopf, Biblioth. Mellic. (f. o.) p. 677—682 (bis j. 3- 1746). —
SBuxjbad} 149 — 150 unb bte anbexn bei 23exnb,axb $. 'angefügten SGßexfe;
fexnex Scriptores ordinis S. Benedicti qui 1750 a. a. 1880 fuerunt in Im-
perio Austr. Hungarico (Vindobonae 1881) p. 340 (23exnt)axb $. fet)lt
boxt.) — ©in genaue^, djronologifdjeS SBexjeicrjnijj bex äöexfe bex ©ebxübex
^ f. b. Ätotf a. a. £). u. 3. a) beS SSexnfeaxb $p. ©. 602—608. (2lufeex=
bem brucEt $xopf (©. 609—656) ab: eine Sfugenbatbeit 23exnf)axb'S , baS
Protrepticon philologicum seu disceptatio literaria in qua tria potissimum
examinantur: I. utrum viri eloquentes in ordine Si. Benedicti ab eo condito
usque ad a. Domini 1400 floruerint ?, II. quibus ex causis cultura latinitatis
ab bujus ordinis scriptoribus neglecta videaturV, III. Sitne decorum a
Monastici instituti sectatoribus splendorem orationis, et latini sermonis coli,
ac illius in sacris elucubrationibus rationem haberi '? quae singula eo fine
proponuntur, ut intermissum latini sermonis Studium in bujus ordinis civibus
bac maxima aetate redintegretur. — Personae in dialogo colloquentes :
Synegorus: latine defensor Benedictorum; Polemonachus : Oppugnator
Benedictinorum ; Hieronymus: Interlocutor et fautor monachorum.) — b) beS
£uexonr;muS *ß. ®. 679—682. — lieber ben ftadjtafc bex ©ebxübex f. inS=
befonbexe &oxmaüxS 5lxd)ib 3. 1821, II, @. 516—518; 3. 1828, «Rr. 148
bi§ 155. ÄxoneS.
^qel: ßtjxiftoprj 5p\ xefoxmixtex £b>ologe, Segxünbex beS xefoxmixten
23efenntniffeS in 9taffau unb Sxemen, geb. 3U flauen im fäd)fifd)en 33oigttanbe
am 5. Wäx% 1539, f in Sternen am 24. gebxuax 1604. ©eine ©tubien
machte ex in $ena, mo 33tctoxin ©txigel, unb in äüittenbexg , too 9Jtelanct)tb,on
fein ^auptlefexex roaxb. hierauf rouxbe ex Sebxex in feinex 23atexftabt, 1567
abet ^xofeffox in Söittenbexg, mo ex bte tbeologtfdjje Doctoxmüxbe annabm.
©amalS xegte fidj untex ben 2b/ologen äßittenbexgS jene xefoxmixte Üticfjtung,
roeldje man mit bem 9Iusbxucte ihrjptocalbiniSmuS begeic^net b>t. Stuct) 5ß. fiel
bexfelben ju. 9118 im 3. 1574 Äuxfütft Sluguft auf Slnxegung bex lutbexifcf)
gefinnten £fjeotogen gegen bte 2lnr)ängex biefex faxtet exbittext auftxat, rouxbe
$. mit feinen ^xeunben gxicbxid) SBibebxam, £einxid) Pollex, ßaSpax Gxucigex,
äöotfgang (SxclliuS fofoxt Oexbaftet, einem peinlichen 3Jexböxc in Sorgau untex=
jogen unb bann übex atoet ^abxe an bexfcb,iebenen Orten in gefänglicher <g>aft
gehalten. 3ux SBiebexexlangung feinex (Sefunbbeit begab ex fid) nad) feinet
©nttaffung mit feinex gamitie nad) @gex in 23örmten. $m gxübjatjxe 1577
folgte ex auf (Smpferjtung &xeE'S, bex fd)on 1574 ^nfpectox in ©iegen gerooxben,
einem 9htfe beS (Sxafen ^obann beS 9leltexen bon 9taffau--$a|enelnbogen. Siefex
§exx, ein 23xubet beS «prinjen Söilrjetm öon Oxanien, bereits burdj M. ©exbaxb
ßobanuS ©elbenbauex, genannt ftobiomaguS (f. 9t. ©. 35. XXIV, 47), ben
ex 1568 aus Reffen in fein Sanb gebogen, unb buxd) ©xaf ßubmig äu ©atjn
unb SBittgenftein, öoxbem ©xo^bofmeiftex grtebrt^S III. bon bex ^ßratä, für baS
xefoxmixteSBetenntniB gewonnen, fucbte jux ginfü^rung beffelben in feinex ©xaf»
fcb^aft geeignete ^exföntictjfeiten. ©oldje glaubte ex in $. unb feinen gxeunben,
fomie in einigen buxd) bie lutbexifdje 9teaction SubtoigS VI. auS bex ^fata öex=
txiebenen «ßrebigetn 3U ftnben. 3tn -^etbfte genannten Sfa^reS folgte nocb
576 SM«
Söibebram, ber ^nfbector in 3)iej rourbe. $. mofjnte übet ein 3iafjr am Jpoü*
ju 2)iüenburg unb nafjm mit Söibebram im Wäx& 157S an bet ©tynobe ju
sJteuftabt a. b. ^paarbt tfjeil. 21m 2. OloDember genannten ;$ar)res rourbe et in
Seifein beä Runter Ctto Don ©rünrabe ]um s$aftor in ^erbotn eingelegt. %n
bieget ©tabt fütjrte et feineä Sorgängers s3coDiomagus Süctf rotiter, befonbers
fudjtc et burdj Seleljrung übet baS Srobbred)en beim ?lbenbmarjle auf feine
ourjötet einjutoitfen. 2lm midjtigften i|"t jebod) feine s#bfuffung bes fog. naffau=
ijcfjen Sefenntniffeä , roeldje« bie am 8. unb 9. Sinti 1578 pt Sitlenburg Der=
fammelte ©eneralfmtobe acceDtirte, rooburd) bas reformirte Sefenntnifj tuet ju
£anbc eingeführt roatb. 25iefc Gonieffion crfd)ien 1592 im 2)rude untet bet
Ueberfdjrift : „Sluf richtige 9tcd)enfdjaft Don £e$t unb Geremonien, fo in bcn
(SDangelifdjen föeformirten Äirdjen, nacrj bet s«Kid)tfd)nur ©öttlicrjen 2öort§ an=
geftellet." Gä füllten batin bie Jpauptunterfdjiebe bet reformirten unb tutt)e=
rifdjen Serjte bon Gtjrifti ^etfon unb bem ^Ibenbmafjle etöttett unb bie liebet*
einftimmung bet reformirten .ßircfje "Jlaffauä mit alten tefotmitteit ßirdjen in
unb aufeer 5Deutfd)lanb nadjgeroiefen roetben. 2lbcrgläubifdje Geremonien , mie
Ginfegnung bet 2Bödjnerinnen , bet Serftorbenen , ba3 ©idjbefteujeu u. a. roie
aud) bie Elitäre, ^erjcn, Gtjorrötfe werben abgefd)afft, ^vebigtterje freigegeben.
SBenn auct) feine fpecieüe Uebeifdni't über bie s}käbeftination3lerjre Dorfommt,
meil über biefe fein (Streit f)icr obmaltete, fo ift biefetbe bod) als grunblegenbe
2et)re barin enthalten , roie u. a. bet \>lrtifel bon ber Äirctjc biefe befinirt als
bie Scrfammlung ber "Jluerrroäljlten unb berer, bie ber $ert ifjm fammelt aus
bem menfdjlicfjen ©efd)led)tc füt unb u'tr. S)ie btftt Erläuterung rjaben mit
abet in bet fog. Grflärungsfdjrift ju unfern Gomeffton, bie in intern lebten ober
2'.i. Mrtifel bie ^räbeftinationslctjre mit atten it)reu Gonfcquenjen enthält.
Slttf SÖunfcf) ber (Gräfin 9Jtuttei Juliane, metdje fefjr biet auf fy. Ijielt,
mufjte biefer alle IHittrood) , roenn er jum Gonfiftorialbertjöte nad) 2)illenburg
fam, bafelbft prebigen. 2lud) follte er nad) einem (schreiben beS (trafen an
feine ütätfje, bat. 2lrnt)etm ben 17. Dctober 157'.', nad) beren Sefinben bie
gräflichen Iöd)ter unterrichten, ,,bamit fie ben Stticul Dom "Jcad)tmat)l unb
mas ümiferjen ber ^lugsburger Gonieffion unb unferer , ber reformirten ^Religion
^ür Unterfd)icb unb bie redjte "lUeinung fei, reetjt öerfteejen möchten", ?lus
fotdjem Vertrauen fomie au$ bem Umftanbe, ba^ it)n ber calDiuiftifdj gerichtete
@raf 3fof)anu (^um ©eueialfuperintenbenten feines fianbeö gebrauchte, getjt eDibent
(jetbor, ba^ ty. bereits 311 bcrfelbeu ^)iid)tung getjorte. s]Jcef)rere Socationen
Don aufeen toaten tjiet an ir)n ergangen, toieber()olt Dom Wagiftrate ^u 33remen.
2)er @raf fctjlug itjnen anfangt ibre Sitte aus Detfdjiebenen ©rünben ab , bar*
unter aud) ber, bajj $. rjier 3U fianbe bie 9leformation in jiemlidjcn Fortgang
gebrad)t unb barjer unentbetjrtid) märe , in Bremen aber mären nod) Silber,
GrorcismuS unb anbere abergtäubifct)e 05ebräud)e. Söoltte s^3. bagegen prebigen,
fo mürbe er großen Unbanf Ijaben. SDoct) motte er irjnen s^>. auf einige Söodjen
überlaffen, menu fie itjre papiftifdjen Ueberrefte aus ben Äitdjen entfernen
toottten. 5)er ÜJtagiftrat begnügte fict) bamit, jumal ^}. mit SBibebram eintraf.
9Kü Meiern ift er bann in angebeuteter 2Beife in Sremen ttjätig unb fdjlidjtet
mehrere unter ben ^rebigern ausgebroetjene Setjrftrcitigfeiten, befonbers ben buret)
^obocu§ ®laneu§, einen ftrengen SJnljänger ber Goncorbienformet Ijerborgerufenen,
roelctjer auä ber ©tabt meiert. 5iact) feinet 9iüdfet)t in 5laffau r)ielt bet
^tagifttat Don Sternen abetmalö unb jtoat mit allem 9iact)btud um ^3. an.
^in 5^ür)ling 1581 Derabfolgte benn enblid) ©raf ^orjann bcn fo fetjr Begehrten
ber Stabt Sternen, beten ©ebiet betfetbe feine ttjatfräftigen S)ienfte nun bi§ an
fein Gnbe mit Slbmeifung Derfcr)iebener el)tenDoller Berufungen al§ Seiter ober
©uperintenbent ber btemifc^en ®emeinben unb als ße^ret ber üfjeotogte, ©e=
jpejolb.
Ol (
fdjictjte unb Sttjif an ber am 14. Cctober 1584 eröffneten öodjfdjule mibmete.
2ftit Umfielt orbnete er bas Äirdjenroefen unb ftxirte bie ßefjre in ber Don itjm
»erfaßten, auf ftreng calDinifcfjer ^tnftfjauung bafirenben 35remer (Eomeffion,
betannt unter ber Slmfctjrüt: Consensus Ministerii Bremensis Ecclesiae oon
1595. gür bie Solfsfctjulen bearbeitete er ben fog. Bremer Äatecßismus , ber
in ber £et)re mit bem .fteibetberger, meierten man aus Sßorfictjt nictjit fofort ein=
fütjrte, fonbern erft um 1621, übereinfiimmt. 9ftü großer @ntfctjiebentjeü trat
et feinem £anbsmann, bem Sßaftor Sofepb, 9cafo ^u Sremen , melctjet in
ber iau?e mennonitifetje, im 2tbenbmatjle tjnperaminglifctje Slnfctjauungen oertrat,
entgegen. 2luctj in Scfjriüen trat er polemifctj auf, roie gegen -öamelmann,
öefetjus , ßgibius ^»unnius , Selnecfer unb $tjilipp ^Dcarbactj. gür bie refot=
mirte itiretje tremens rjat '#. ben ©runb gelegt, auf bem bie nactjTotgenbe 3eü
roeiter bauen tonnte. Sinex feiner Sötjne, Tobias, f am 4. 2tprit 1631, fjat
ftdj als ^aftor unb $roieffor in Sremen einen nietjt unanfetjnlictjen tarnen er*
morben. Sie große 3a^ °" Schritten $e&el'§ t)at Steubing a. a. £. auige=
äätjtt. Sie meiften finb apologetifetjen unb potemifetjen Gtjaracters, bie nur [fix
it)re 3eit bebeutungsoolt roaren.
Steubing, SBicgr. ftacfjrictjten aus bem XVI. 3>atjrt]. ©ießen 1790. —
Öerjog, üteatencncl. — Sante. — Dtotermunb, Sremifcfjes @eletjttenterifon. —
Söremifctjes ^atjrbuctj, 9. Sb. 1877. — '^rinfterer , Archives I. 7. 23b. —
Suno, %ot). ber keltere Don 9caffau=5Diüen6. -öatle 1869. — |>eppe, 53e=
fenntnißicfjriiten ber rtf. fttrcfje Seutfcfjl. (£16. 1869. — Guno, Blätter ber
(Erinnerung an Dr. Gasp. Cleoianus, S. 110. Guno.
v4?C30lb : Äarl # rieb rief) '#. , geteerter Sctjriftftetter, geb. JU Cttenbori
bei $irna, nactj Stusmeis bes bortigen .ftiretjenbuetjes am 27. 9Rat 1675 < nietjt
1678), t in Seipjig am 30. 2Jcai 1731, mürbe, nadjbem fein 33ater, 31. ©eorg
fyriebrict) %, 1686 als Strctjibiat'onus in lorgau geftorben mar, Don beffen
2(mtsnactj?otger, bem nachmaligen ißirnaifct)en Superintenbenten %ofy. Xao.
Sdjmerbner, erlogen, ber itjn , auefj als er 1692 bas 31mt eines gelbprebigers
3u Derfetjen tjatte, in feiner ftätje behielt unb als (yetbcantor Dertoenbete. Später
mürbe $. aui bie Schule }u 2Jcerfeburg getieft. %m %. 1695 fam er als
Stubent nactj Ceip^ig, tjörte tjier tr)eo£ogifct)e unb pfjilofoptjifcfje SSorlefungen unb
rourbe am 25. SJtai 1696 SSaccalaureus öer ^fjilofoptjie, am 27. Januar 1698
9Jcagifier. Sann erhielt er ebenbort 1703 (nactj ber Angabe bes Unioerfal*
lerüons 1701 1 bas 31mt bei brüten Gotlegen an ber »Jticolaifctjule, 1704 bas=
felbe 2lmt an ber 3;tjomasfcfjule unb mar eben jum Gonrector an ber legieren
Sctjule ernannt morben, als er ftarb. Sctjon 1710 tjatte er bie SSürbe eines
Slffeffori ber ptjilofoptjifctjen gacultät in Seipjig erlangt. Siejenige tüterarifcfje
3ltjätigfeit, buretj melctje er fictj befannt gemaetjt tjat, fnüpü fic^ an bie mätjrenb
ber ^afjre 1716 — 1723 Don itjm beforgte .perausgabe ber in ^roölf £änben
erfctjienenen ..Miscellanea Lijjsiensia ad incrementum rei litterariae edita"
unb tjängt mit feiner Stellung in bem 1655 begrünbeten, fpäter Don 6t)r.
f5frbr. S5oerner geleiteten Collegium Anthologicum ^ufammen, beffen Senior er
Dier ^atjre lang mar. 21ucf) bie „©eiefjrte gama" (68 itjeile, 1711—1718)
fotl Don it)m tjerausgegeben morben fein. Seine ^roölT buret) ben SrucE Der»
öffentlictjten Siffertationen jeigen in ber SSatjt itjrer 2t)emata mie in beren
S3et)anblung einen mit ©eletjrjamfeü unb gleiß fammelnben iColrjtjiftor , bem
jeboef) ber Sinn für eine in fictj jufammentjängenbe , nactj 35ertiemng ftrebenbe
miffenfctjaülictje gorfetjung abgetjt.
UniDerfat=2ericon, 33b. 27, Öeip^ig u. .§atle, 3e0^r 1741, gel. Sp. 1162
bis 1165. — Gilbert üD^biger, SSeitr. ]. GJeictj. ber gtitotaifctjule, ßief. 1, 21bttj.2,
ßeipjig 1826, S. 19 — 21. g. Scfjuorr Don Garolsretb.
«Ilgem. heutige SBiofitotiöie. XXV. 37
578 W-
Ißejjl: ^o^ann ty., ptjilofoptnfdjer , topograptjifdjer unb belletriftifdjer
©ctjriftftetler. lieber bie Sebenäbcrfjältniffe btefes merfmürbigen Cannes ift
biätjer wenig befannt geworben. 6r würbe ^u 9Jtotlersborf in 23aiem im 3-
1756 geboren, ftubitte in ©aljburg ^uriäpiubenj , lebte fpäter in ber ©djweifl
unb bon 1785 in 2Bicn, wo er bie ©teile eineg ©ecretärä unb SBibXiot^efarö
beim ©taatßfanjter dürften Äaunitj inne tjatte unb wo er fid) aud) bermätjlte.
$m $. 1791 mürbe er bei ber (Stjiffrenfanjlei in äöien angeftettt. £>b *ß., wie
ju bermuttjen, wirflid) fid) einige $tit lang in einem Ätofter befanb , worauf
feine 1780 erjcfjiencnen „Briefe au§ bem sJcobi<}iat" fdt)üe^en laffen, ift nidjt
erwiefen. 6r ftanb iebeufattö bem Greife bon SBiener ©djjriftfteltern unb S)icrj=
tem, bem aud) 23tumauer angehörte , natje unb War biefem 2)idjter felbft
befreunbet, Wie beffen 1785 berfafjte „Spiftel an tyiföl auä ©aftein" erweift,
aud) bürfte er in Sejierjungen ju ber Söiener £facimaurertoge „<}ur wahren
6intrad)t", meldje im ©runbe genommen otjneljin eine %xt gelehrter ©efeUfcrjajt
war , getreten fein. 9tid)t einmal ba§ 5Lobe8jat)r ^e^t'3 ift mit 33eftimmtt)eit
nadjgewiefen, Döring in @rfd) unb ©rubere 6ncl)ctopäbie feljt 1838 an, nacrj
^Inberen fättt ber 2ob ^t^Vi in ba3 ^atjr 1823. S)ie (Schriften biefeS 2ttanneS
finb ber ßitteratur beS fog. „Sluiftärungäjeitalterö" in Oefterrcidt) beijuaäljten,
fetjon bie erfte berjelben, bie erwähnten „^Briefe au$ bem 9tobijiat" (^üxidc)
1780 — 83), obwotjl iebenfattö nod) nid)t in Oefterreidj berfafjt, finb ganj öon
bem 2fojefinifd)cn ©eifte burdjwetjt, welcher fiel) nad) bem '.Regierungsantritte
beS großen $aifevS überall in beffen ßänbetn gettenb mad)te, biefe 23riefe Jollen
übrigens bem ?lutor eine gerid)tlid)e Unterfudjung juge^ogen tjaben. ©ie fdjil=
bem in ber jdjärfftcu fattjrijdjen Söeife baS sDlöndc)öleben unb liefern 33ilber
auS bemfelben , weldje atlerbingS biefeu ©tanb l)erab<}ufet}en in ber Sage finb,
bie jebod) aud) biet SBatjreS entcjalten unb unbebingt baS ßrgebnifj eigner 9ln=
fdjauung ober genauer @rfat)ruug genannt werben muffen. Sn bemfelben frei»
finnigen (Seifte berfafjt finb beS SlutorS „5Jcaroffanifd)e Briefe. 2luS bem
Slrabijctjen" ('Ofranffurt u. tfeipjig 1784), in roeldjeu nietjt nur gegen baS
sJRönd)tt)um geeifert wirb , fonbern worin aud) biele anbere (Sinridjtungcn unb
fociale ^uftänbe im ©taate, welclje bem 2Öefen beS gc'tgeifteä juwiber finb,
läd)ertid) gemadjt unb mit beifjenber ©atrjre betjanbelt werben. 9JconteSquieu'S
„Lettres Persanes" fdjeinen ty. bei ber sjlbjaffung biefer SBriefe borgefdjmebt
^u tjaben, weldje als bon einem 9-Ritgtiebe ber im $. 1783 in SBien anWefenben
maroffanifdjen ©efanbtfdjaft berfafjt in ber Sßorrebe erflärt werben. — 5ßon ben
er^ät)lenben äßerten ^ejii'ö oerbient bor allem ^lufmerffamfeit: „gauftiu ober bas
b^ilofobtjifdje ^atjrljunbert" (^ürid) 1783 unb fpäter berfdjiebene 3luggaben unb
Auflagen). SDaffetbe fdjilbert ben Sebenötauf eineö Jpelben 5auftm — in Wel=
djem ty. wob,l fid) felbft barftellen wollte — ber berfdjiebene 9teidje @uropa'S
buidjwaubcrt unb bon ben 53eobad)tungen , bie er in SSe^ug auf 53ci|bräudje
unb Uebetftänbe ber ©eiftlidjleit bemerft ijatte , i?uube gibt. g<n*ftin gelangt
äule^t nad) äöien, wo er fid) ju bleiben entfdjlie^t, Wobei er bie Regierung bee
aufgellärten ^Jionardjen ^ofepl) II. im ©djlufjcabitel be§ SSudjeS preift unb
ertjebt. ^ej^l'g „gauftin" würbe ein bielgelefeneS SSud) unb fo beliebt, bafe
fdjon im 2f. 1785 ein jWeiteö Sänbdjen unter gleichem 2itel erfdjien, ba§ aber
nidjt bon 5p. b.errüljrt. — S3on ben übrigen erjätjlenben ©djriften unb Otomanen
feien nod) angeführt : „©inceruä, ber 9ieformator" (granffurt u. ßeipjig [3üridj]
1787), „Ulridj bon Unfenbad) unb feine ©tedenpferbe", 2 £fjle. (2Bien 1800)r
„©abriet ober bie ©tiermutter = ^Ratur. (Sin jatrjr. = fomifd). 9toman", (2öien
1810), alle brei reid) an ©attjre unb in ätjnlidjem ©inne berjafjt Wie ^ejjl'g
übrige ©djriften. — S5a§ bebeutenbfte, Wit^igfte unb bead)ten3wertt)efte ^er^
Spcaal'8 ift jebod) feine „©£%: bon 2öien" (2ßien 1786—1790) 6 £efte.
Sßfaff. 579
©affelbe fdjitbert bie fftefiben^ftabt , itjre 33ett>or)ner, it)re fociaten 23erf)ä(tniffe,
bie ©ebredjen unb ßädjertidjfetten berfelben jur 3e^ bei* Regierung Sofepf) II.
in öortreff Ud^er , trjeilS fattjrifd^cr , trjeilS aber audj etnfter SÖeife, eS entwirft
©piegetbilber beS Söiener SebenS in fdjarfen llmriffen, eS madjt ben Sejer mit
bem äußeren 2tuSfer)en ber ©tabt ebenfo lote mit ben inneren Söertjältniffen,
mit ben djarafteriftifdjen (Sigenfctjaften ber 23ürger=, ^Beamten*, 2lbelS= unb fogar
ber .Jpoffreife befannt, eS läßt bie toirtr)fdjaftlic|e Sage, bie geiftige SluSbitbung,
baS befonbere ©efatlen ber 9lefiben3 an befonberen Unterhaltungen unb 3}er=
gnügungen Q$. 23. bie Srjiertjeije) erferjen unb erfdjeint batjer üon um fo rjötjerem
cutturge|^ict)tlt(f)en SBertl} , als ber Söerfaffer öoflftänbtg unbeeinflußt feine
©cfjilberungen entwirft unb feine oft ftrenge aber niemals ungereimte Äritif
ausübt. Sie „©ti^e öon Söien" erfuhr merjrfadje Auflagen unb jarjheidje
9tacr)at)mungen in ber ^ßroüina, fo bie „©fi^jen" üon $rag, ßinj, ©rä,} ic,
beren mandje üon miijigen Tutoren üerfaßt tourben, unter benen aber feiner an
Seift, ©cfjarffinn unb getoanbter SarfteltungSroeife ty. etreidjte. Später liefe $p.
eine „9leue ©fiäse üon äöien unter ber Regierung Sranj II." (äöien 1805—12,
3 Jpefte), erfdjeinen, roetcrje aber, roorjt Ijauötfädrjltcf) ber in<$roifcfjen ftrenge ge=
toorbenen Senfur roegen, bie 23ebeutung beS erften SöerfcS nietjt erreichte. 3lucfcj
als eigenttidjer £opograprj ift $. in feiner „Sefcrjreibung ber -!paupt= unb
gteftbenjftabt äöien" (Söien 1806 unb üiete folgenbe Stuftagen) aufgetreten,
©päter erfdjien: „Sie Umgebungen SöienS" (Sßien 1807) unb „SBien mit Um*
gebungen unb beffen 9Jterttoürbigfeiten" (SBien 1821). — 3)on äöertt) finb audj
bie biograptjifdjen arbeiten beS 2lutorS über ßaubon (1791), ^rtnj (Sugen (1791)
unb £aifer ^ofept) IL, le^tereS unter bem Stiel: „gljaraftertftif Sofepl) IL"
(äöien 1790 unb fpäter oftmals neu aufgelegt), fo rote bie „ßebenSbefctjreibungen
beS dürften $ftontetufuti, beS dürften äBen^et Sidjtenjtein, beS <ü?ofratt)S Sgnaj
öon 23orn" (SBien 1792). — 2)er SSoÜftänbigfeit roegen feien öon ben älteren
©Triften tytföl'i nod) angeführt: „3Mfen eines *pr)i£ofopt)en ober Semerfungen
über bie ©Uten öon Slfriia, Slfxen unb SImerifa" (©aljburg 1783), weldje
eigentlich nur eine ^Bearbeitung beS SöerfeS öon ^oiüre bilben; ebenfo tjat fictj
$. in ber „Steife nact) Dfiinbien unb Grjina" in ben $ar)ren 1771 — 1781 an
©onnerat'S franjöfifctjeS Original gehalten, fo roie in ben „Steifen buret) Sßolen,
Otußlanb, ©djtoeben unb S)änemart" (3ürict) 1785—1795) eine ^Bearbeitung
öon (£oir'S SBerf geliefert, ftoct) teuren mehrere berartige Bearbeitungen 3U
nennen, feine eigene Sluffaffung jetgt tytföl 'S „Steife burdj ben barjerifdjen IheiS"
(©alaburg 1784). — (Sin „Senfmal an Sftajimilian ©tott" (SDBien 1788)
^at 5U. Stumauer herausgegeben. — S3ei bem Gfjarafter ber ©Triften ^ej^rs,
bei feinem -£>ang jur ©atö,re unb feiner freifinnigen Sluffaffung ift eS begreiflicr),
ba| man it)n mit Voltaire öergtic^en unb biefem <mr ©eite geftedt Ijat. ^nS=
befonbere in ben Romanen f(f)eint fiefc) ber 5lutor ben großen ^ranjofen rohftict)
äum 9Jlufter genommen au tjaben. 3ttJeifeüo§ gebütjrt i^m eine nidjt unbe=
beutenbe ©tette unter ben ©^riftftettern beS 18. ^arjrrjunbertS unb eS ift feltfam,
baß bie großen Sitteraturgefctjicrjten (felbft ©oebefe) 5J}e^rs nietjt gebaut ^aben.
Döring in @rfc§ unb ©ruberS @ncr;ctopäbie , III. ©ect. 20. 3#eil. —
Defterr. ^ational=@nct)clopäbie. Söien 1836. 25b. IV. — SBuräbacl), S3iogr.
Sej. XXII. SSb. ©c^loffar.
$f<tff: 5lbam $., ^tftorifer unb ^ubtieift , geboren am 1. 5Jlär3 1820
3u Gaffel, f am 23. Januar 1886 ju ßarfötu^e. 6r mar ber ättefte ©ol>n
bes SBaffenfdjmiebS Slbam «p. ju Raffet, ©eine erfte 2luSbitbung erhielt er in
ber 33ürgerfdjule feiner 23aterftabt. Söätjrenb eines met)riät)rigen ÄranfentagerS,
öon bem er nad) ber (Konfirmation betroffen rourbe, begann er baS ©tubium ber
lateinifdjett unb griecejifetjen ©prac^e, ber ©efc^icl)te u. f. ro., trat nad^j gehobener
37*
580 Wti-
ßranftjeit als ©ypebient in ben ©ubaltembtenft beS ObergerictjtS ju Äaffel unb be=
nutjte feine freie 3eit fo forgfältig, bafj er 1843 bie ©rjmnafiat=9JcaturitätSprüfung
befielen fonnte. Auf ber Uniberfität 9Jcarburg roibmete er fidj ben ptjilologifcijen,
ptjilofoptjifcrjen unb gefctjictjtlictjen ©tubien. Anfangs 1848 beftanb er bie ©taat§=
Prüfung für bie Setjrer an ©etetjrtenfcrjuten, in bemfelben ^atjre mürbe itjm auf
®runb ber 2)iffertation über „bie ftaatSrecrjtlictjen Antiquitäten beS £>omer" bon
ber Uniöerfität Harburg bie ptjitofoprjifctje ©octorroürbe erteilt. 35aS ^afjr
1848 fütjrte itjn, roie fo biete begabte junge Männer, auf baS ©ebiet ber
s$olitif unb beS öffentticrjen SebenS, bem er bis ^u feinein Zote feine bottfte
Aufmerffamfeit unb fein tebljaftefteS ^ntereffe jugeroeubet tjat. SDurcrj atte
5ßtjafen ber Bemegungen unb Äämpie bon 1848 big 1871 getjörte er 31t ber
nationalbeutfctjen Partei, bie in ber AuSfctjeibung DefterreictjS unb in ber Qu*
fammenfaffung unb Bereinigung bei übrigen 5£eutfdj)lanbS unter preufeifetjer
©pitje bie einjig mögliche $orm für bie |>erftetlung ber beutfdjen (Sintjeit er»
blitfte. SMefe Auffaffung tfjettte ty. in boHftem s)Jtafje unb er tjat baS ^xti,
fobiel an itjm lag, in reblictjfter Söcife eijtreben tjelfen. £)aju gab itjm feine
(Stellung als 9iebacteur ber im $• 1848 öon griebr. Detfer <ju Raffet gegrün-
beten, biefem 3^ gemibmeten sJteuen .freffiferjen 3c^un9 uno a^ bk]t infolge
beS UmfiurjeS ber furtjeffiferjen Söerfaffung bon 1831 unb ber roüften 33unbeS«
ejeeution, bie 1850 über ^urtjeffen bertjängt rourbe, unterbrücft mar, feine
Setcjeiligung an ber 2)eutfctjen 9teicrjS,}eitung ju Braunfdjroeig unb an ber nact)
2Biebert)erftething eines leiblichen föectjtSjuftanbcS in Äurtjeffen um 1860 bon
fjriebr. Detfer inS ßeben gerufenen ^peffifetjen 9Jtorgenjeitung reidjlictje ®etegen=
tjeit. 5p. mujjte gleictj fjriebr. Cetfer, bem er bis ju beffen £obe ein treuer
greunb unb $ampfgenoffe getuefen mar, (Jnbe 1850 infolge bei über baS ßanb
bertjängten $riegS<}uftanbS unb erhobener Anflogen fein Saterlanb mit bem
düjil bertaufetjen. %m -fperbfte 1851 fiebelte er nactj 33rüffel über, mo er neben
angeftrengtefter journaliftifctjer unb litterariferjer Xtjätigfeit fein Söerf über bie
beutfetje ©efctjictjte begann, bon bem bereits 1852 ber erfte 33anb erfetjeinen
fonnte. 3m grürjjarjr 1855 mürbe er als ^rofeffor ber ©efcrjictjte unb ©eo=
graptjie an baS ÄantonSgrjmnafium ju ©cfjafftjaufen berufen ; er natjm , um
roieber in eine fefte geregelte üEtjätigfeit ju gelangen unb eine neue Jpeimattj ,ju
gcroinnen, ben 9luf an unb tjat biefe ^rofeffur, ber 1857 audj noctj bie über
fdjmeiaerifctjeS ©taatSrectjt tjin^utrat, 23 Safyxe befleibet. 2Bie er biefetbe be=
fleibet tjat, mirb motjl am beften buret) bie 5£t)atfact)e bejeicfjnet unb bezeugt, ba§
al§ er jmei auäroärtige Berufungen abgelehnt tjatte, bie <2ct)afft)aufer Regierung
buretj befonbere Stnerfennung ber au§gejei(^neten ßetjrerfolge unb buref) 23er=
leitjung beg @rjrenbürgerrecf)tg itjn au§jeicr)nete. Auct) mätjrenb biefer 3^it mar
iß. neben feinen S3erufigefdl)äfteu unauägefetet journatiftifetj, unb ftet§ im üDienfte
jenes oben ermätjnten 3iel§ ttjätig. @ine befonbere ©enugttjuung mar eS itjm,
als er im ^rütjling 1878 auf ben 2ef)rfturjl für (Sefdnctjte unb Sittetatur=
gefctjict)te an ber polrjteclmifcrjen ^>ocr)fct)ute ju Äarlärutje berufen mürbe. %xo^
28järjriger Abmefcntjeit mar er mit ganzer ©eele ein treuer ©otjn feine§ beut=
ferjen Baterlanbes, für ba§ er gelitten unb unauSgefebt gefämpft tjatte, geblieben;
er natjm ben 9tuf an unb, natje bem Abenb feines ßebenS , erreictjte er bie @r=
füHung eine§ ^>er jenSmunfctjeS , inS Baterlanb jurüdfetjren unb itjm feine tefete
Äraft mibmen 3U fönnen. 5ln ©crjriften ^at s£. tjinterlaffen : S)ie bon ber
Uniöerfität Harburg preiSgefrönte Arbeit über „bie £)omerifcrjen Stubien beS
AriftoprjaneS" auS 1847 ; bie fetjon ermätjnte Soctorbiffertation über „bie ftaatS=
rectjtltcr)en Antiquitäten beS Corner" auS 1848; „S)aS ^rauerfpiet in Äur=
tjeffen"; bie „^eutfetje ©efcrjictjte", bon ber 1852 ber erfte unb 1864 ber bierte
Sßanb, ber bis in bie Anfänge beS 30 jätjrigen JhiegS reidjt, erfctjienen ift, mätj=
SPfoff. 581
renb für bie fpätere geit nur ttjeiltüeife ba§ Manufcribt borliegt; „©dt)ut$roef)r
<jegen bie ©ociatbemofratie in Belgien" ; Bearbeitung ber 21. Auflage ber Ent=
bedEung 9lmerifa§ bon Sampe, au§ 1868; über „ba§ (Staatsrecht ber alten Eib=
genoffenfdt)aft bi§ in ba§ 16. 3far)rt)unbert", au§ 1870; „föeben unb Strjaten
ber grande nation", au§ 1872; „8eben§gefd()idt)te Mofer'ä, Bauted)nifer§ ju
©cfjafffjaufen", au§ 1875; ,.,3ur Erinnerung an gvtebrid^ Oetfer", au§ 1884.
#. Detfer.
^foff: SllejiuS Burfljarb Immanuel ftriebrid) *ß. , namhafter
Mineralog unb ©eotog, ^rofeffor ber Mineralogie an ber llniberfität Erlangen,
toar als ©or)n be§ MattjematiferS 3orj. Mief;. »nbreaS $. (f. u.) am 17. 3uli
1825 ju Erlangen geboren unb roibmete fict) nact) botlenbeten Borftubien an ben
llnterrict)t§anftalten feiner Baterftabt ben mattjematifctjen unb unter b. 9taumer'§
Einftuffe ben mineralogifctjen ^äctjern, erlangte ben 3)octorgrab in ber ^t)ito=
foptjie unb tjabilitirte fict) 1853 al§ 5ßribatbocent an ber llniberfität Erlangen
mit ber ©dtjrift: „©runbrifj ber mattjematifctjen Bertjältniffe ber Ärrjftatte".
Stuffetjen erregte ty. juerft burct) fein Budt) : „2)ie ©ct)öpfung§gefci)icr)te mit be=
fonberer Berüctfictjtigung be§ biblifctjen ©ct)öbfung§bericf)te§", 1855, in roelctjem
er berfuctjte, bie $orfct)ung§refultate ber geotogifd)en 2ßiffenfct)aft mit bem ^nljatte
ber Bibel in berfötmenbe Uebereinftimmung ju bringen. 2luf gleichen ober ät)n=
lictjen ©tanbbunft [teilt fict) ber Berfaffer auct) noct) in ber 1882 erfdjienenen 3. 9luf=
tage feiner „©<$öbfung§gefct)icf)te'' unb in ber ©ctjrift: „Sie Entroicflung ber SBelt
auf atomiftifctjer ©runbtage", 1883. 3u9^icf) beifügte er aud) bie Untjattbarfeit
ber Sarroinifcrjen Setjre ju erroeifen. Slnbere ältere fct)ät}en§roertt)e arbeiten ^faff'S
betoegen fict) metjr auf bem ©ebiete ber birecten Beobachtungen unb llnterfuctjungen
tote: „lieber Dolomit be§ fränfifdfcjen 3ura" («Poqq. Sinn. 82, 1851); „lieber
ben fränfifcQen ^urabotomit unb bie llmtoanblung ber ©efteine" (baf. 87, 1852);
„Beurteilung ber 2Beifrfct)en ©runbgefetje ber mectjanifctjen ©eologie" Oft. ^atjrb.
1856 ©. 513 unb 1857, 415); ,,©eologifct)e Bebenfen gegen annodt) ttjätige
Monbbulfane" (baf. 101, 1857); „lieber bie Meffung ebener Är^flatttotnfel
u. f. tu." (baf. 102, 1857); „lieber eine fetjr fläct)enreid)e ©d§roerfbatt)Combi=
nation" ; „Unterfudjungen über bie 2lu§bet)nung ber Ärrjftatte bürde) Söärme"
(baf. 104, 1858 unb 107, 1859); „lieber ben Einftufj be§ S)rut*3 auf bie
obtiferjen Eigenfct)aften bowelfcbredjenber Abflaue" (baf. 107 u. 108, 1859);
„Ueberfictjt ber geognoftifdjen Bertjältniffe ber llmgegenb bon Erlangen" (Mittt).
b. brjtjf. =meb. ©oc. in Erlangen 1, 1858). ^njroifctjen mar 5ß. 1859 jum
Sßrofeffor ber Mineralogie an ber Uniberfität ju Erlangen ernannt tnorben , an
toelctjer er bi§ 311 feinem am 18. $uli 1886 bafelbft erfolgten £obe erfolgreich
roirfte. 5tuf bem ©ebiete ber Mineralogie finb unter ^faff'8 fbäteren *}}ubli=
cationen ber 1860 erfcrjienene „©runbri^ ber Mineralogie" unb eine 9teif)e
roicrjtiger arbeiten über ifrt)ftaftbl)t)fif („lieber ba§ obtifetje Bertjalten ber fyelb=
fbatb^e unb bie £fd)ermaFfct)e 2§eorie" im 31. ^ab^rb. 1879 ©. 584) , nament=
lid) über bie Qäxie ber Mineralien, für beren ejacte S3eftimmung er finnreideje
^nftrumente conftruirte , anäufütjren. ®iefe 5lb^)anblungen ftnb 3. 2t). in ben
©itmng§bericr)ten ber f. b. 5lfabemie ber äöiffenfcrjaften in München erfct)ienen,
roeterjer er feit 1879 al§ au|erorbentlicr)e§ Mitglieb angehörte. 3luct) über bie
dt)emifdc)e äöirfung bei rjob^em S)ruc£, über ©dfc)idt)tenftörungen fomie über bie
©letfeljerberoegungen unb über bie Beränberung ber Sagen ber 9lpfibenlinie ber Erb=
batjn unb il)ren Einfluß auf bie Älimate ftettte $. intereffante llnterfucfmngen unb
5Beobact)tungen an. 93efonber§ toicrjtig finb feine arbeiten über ©egenftänbe ber
©eobljtjfif , roeldt)e er namentlich) in ber ©crjrift : „2)er Mecr)ani§mu§ ber ©ebirg§=
bilbung", 1880, betjanbelte. hierin erltärte er fiel) nacrjbrüctlidt) gegen bie fog.
©d)rumbfung§tr)eorie unb gegen bie bon £>eim erfonnene Slnna^me einer latenten
582 SPfaff-
^lafticität ber ©ebirgSmaffen unter cjotjem 2)rud unb baburdj bemirfte 9lu§=
mafyung ber ©efteinSfdjicfjten, moburd) man bie ßntftetjung ber ©ebirge bei
iortfcfjreitenber (Haltung ber @rbe 3U erflären berfudjt r)at. dagegen glaubte er
tjierfür eine (Srflärung in ber 2öirfung beö 2Baffer§ in Verbinbung mit iener ber
Sdjroere finben ju fönnen. Von fonftigen <Sd£)tiften geotogifdjen Sfn^attö finb
3U nennen: „S5ie bulfanifdjen Cürfcrjeinungen", 1872; „allgemeine ©eologie als
eracte Sffiiffenfdjaft'', 1873; „©runbrifj ber ©eologie", 1876; „^etrog. Unter*
fudjungen über bie eocänen £b,onfd)iefer ber ©tarner Sllpen" u. 31. ty. mar
aud) im Sinne ber djrifttidj = focialpotttifdjen ^Ridjtung befonberä ttjätig unb
fud)te burdj Slbmffung unb Verbreitung fog. gemeinnü|$lid)er Sdjrifteu biefe
Veftrebungen ju förbern. 2)at)in getjihen 3af)lreid)e *publicationen unb natur»
roiffenfdjajttid)e Vorträge („3fji bie SDßett bon jctbft entftanben, ober ift fie gefdjaffen
morben" ; „Einfang unb @nbe unfercr Sonne" ; „2)ie @rcn3en ber 9caturerfennt=
nifj" ; „Ueber ©rbbeben" ; „Ueber ben (Jinflufi bc§ 25armini§mu§ auf unfer
ftaattirfjeö Ceben" ; „2)aä 2Baffer"), fomie enblid) aud) feine Vettjeittgung an ber
Verausgabe ber Sammlung bon Vorträgen für ba* bcutfdje Volf, me(d)e er mit
einer 9lbt)anblung : „Ärafi unb Stoff" eröffnete. ö. ©ümbel.
^faff: Sf)riftobt) £ einrieb, $., geb. am 2. Wärj 1773 in «Stuttgart,
f am 23. Slbril 1852 in Äiel (Vorname nicfjt Ü'fjriftian, mie bei ^ogg. im bio=
grapfüfetjen .gmnbmörtcrbud)).
5ß. ftammte au« einer alten bürgerlichen gamitte, bereu Stammbaum fid)
biä jum 2lnfang be§ fed)63ef)nteu 3tatjrfjunbert3 auf einen Sdjroei3er 3urüdfütjren
läfjt, ber, mie e§ fetjeint au§ 9teligion§rürfficfjten bon Slarau nad) aißürtemberg
überfiebelte. $faff'8 Vater mar ber ©er). £)berfinan3rattj ftriebrid) Vurftjarb ty.
in Stuttgart, feine Butter bie 2od)ter beS .tthcfjenratt) Vranb. 2lu§ biefer (Stje
gingen 12 $inber tjerbor. Unfer $• mar ber fectjfte ber Söfjne, er mürbe auf
ber .Wartgafabemie, bie er bon 1782 — 1793 befuctjte, erlogen. £)ier fnüpHe er
mit bem bier $atjre älteren ®eo. ßubier bie für itjn bebeutungsbott gemorbene
^reunbfcfjaftäberbinbung , metcfje 3unäd)ft nad) bem Abgänge ßubier'ä bon ber
Slfabemie bnrd) einen lebhaften Vriefmedjfel mad) gehalten mürbe (f. Vetm,
Vriefe (Subier'3 an «jjfaff au§ ben Sauren 1788—92, Äiel 1845). 3luf ber
?lfabemie blatte fid) ty. in ben legten brei $at)ren befonberS bem Stubium ber
9Jcebicin gemibmet. (Sr beftanb Dftern 1793 ba§ fog. examen rigorosum unb
fdjrieb für feine SDoctorpromotion , angeregt buvd) bie bamatigen großen (5nt=
bedungen ©albani'e unb Volta'ä eine 5)iffertation : „De electricitate sie dieta
animali", meldte ein unermarteteS ©lud mad)te. j£>emnäd)ft begab fid) ty. 3ur
3luöbilbung in fetner VerufSroiffenfcfjaft, mit melctjer eä nad) feiner eignen 9ln=
gäbe nicfjt befonberä ftanb, nad) ©öttingen, mofetbft er big ,^um £)etbfte, nament=
tid) unter 2id)tenberg, Dfianber unb Jpal)nemann ftubirte. ^n biefer $eit madjte
er aud), auf einem 3lu§fluge nad) ^elmftebt, bie Vefanntfdjaft bon Veirei§,
bon meldjem er in feiner Selbftbiograbt)ie eine ergötjlidje Sdjilberung entmirft.
3[m Spätfjerbft 1794 ging ^. nad) ^opentjagen, mo er fid) bis 311m Spät=
fommer 1795 auffielt, um an ben fünifdjen ^nftituten ju arbeiten. 2ßäb,renb
beg 3lufentf)alte§ in Äobentjagen mürbe er in bie Familie be§ ©rafen Ücebenttom
3u Smfenborf eingeführt, maS für feinen fotgenben ßebenggang entfd)eibenb
mürbe. 3unac*)ft toa^ er oer ärjttid^e Vegteiter be§ ©rafen auf einer Steife
nad) Italien unb mätjrenb be§ 2lufentb,alteg bafelbft bon 1795—1797. 3n
bem te^teren %afyxt lie^ fid) *|3. al§ 9h-3t in §eibenb,eim nieber, bradjte
eö aber nidjt meit in ber ^ßrartS unb gab biefetbe gern auf, at§ il)m burd) bie
Vemüb^ungen feiner ©önner, be8 ©rafen Siebentlom unb be§ 2lrd)iatcr Jpen^ter
eine Verufung als au|erorbentlid)er ^rofcffor ber 9Jtebtcin, borerft ob,ne ©eb,alt,
an bie Uniberfität Äiel 3U 3:t)eil mürbe. ®iefe Stellung trat er im ^rübjafjr
$faff. 583
1798 an, bod^ fctjien e§, bafj er biefelbe fcfmetl rotebet aufgeben foüte, ba er
eine Berufung nact) SBürtemberg aU Sßergtatt), an Stelle be§ berftorbenen
Sßiebemann erhielt , ju beren 2lnnar)me er bon feiner Familie gebrängt mürbe.
5Ea trat abermals ber (Braf Stebentloro ein unb beranlafjte ty., mit guten (£m=
bfefjlungen berfefjen, ficb, erft nod) in ^openfjagen borjufteflen. (Sr mürbe bort
fetjr günftig empfangen, unb errjielt ben Auftrag jur Unterftütmng bei bamatigen
$ßrofeffor§ ber $f)rjfif in Äiel, be§ alten @tat§ratfj Slcfermann, bie Borlefungen
über Sßrjrjfif au übernehmen, toomit augteicb, ein ©efjaft bon 300 9tdt)§tf). Sour.
unb ber Eintritt SPfaff'S al§ orbentlicrjer ^rofeffor in bie pfjilofoprnfcfje gacultät
berbunben mar. Selben biejem Slmte behielt inbeffen $. aunädjft nod) feine
ärjtlicfje 2f)ätigfett unb mar namentlich bei ber bamalä eben üon Renner em=
pfotjtenen SBlatterninocutation mit großem (Jrfotge ttjätig.
35et bem b,of)en Filter be§ ^rofefforg ber Sfjemie in Atel. $erften§ , mürbe
5ß. bie 2Iu§fitf)t eröffnet, nact) beffen £obe bie ^rofeffur ber Hernie ebenfalls ju
erhalten. 5ß. füllte ficr), obmotjl er ficb, biet mit ber Stjemie befcfjäftigt t)atte,
bocr) ber Aufgabe nid^t gemacfjfen, roenn er nictjt jubor (Gelegenheit getjabt
fjätte, fiel) praftiferje Uebung au ermerben unb bie Süden feiner $enntntffe au§=
jufüüen. ipierju fdjien ein 9lufentrmlt in $ari§ am ametfmäfjigften ju fein,
meil bamal§ bie ßfjemie bort in befonberg fjorjer SSlüt^e ftanb, unb $. burd)
bie Vermittlung 6ubier'§ erroarten tonnte, fdjneE bei ben bebeutenbften 25er=
tretern ber Sßiffenfdjaft eingeführt au merben. Siefe Steife trat nun aud) *ß. im
grübjatjr 1801 an. 2Jtan braucht nur an bie Flamen ber franaöfiftfjen 5tatur=
forfdjer Jener Qdt ju erinnern, um 31t begreifen, in roie rjofjem 93caafje ein
•D.lcann bon ber geiftigen (Smpfängticrjfeit unb bem raffen Serftänbnifj , mie 5j5.
e§ mar, angeregt unb geförbert merben mufjte. 2lufjer an Guoier, ber ir)m in
jeber Seaierjung hie Söege ebnete , benfe man an Sabtace , (Stjaptal, 9Jconge,
SSiot, |>aurj, £fj<marb , SBertbolIet , (Subton = 9Jtorbeau, gaujal be St. gonb
u. b. 21.
3ur Sluäbilbung in ber ßfjemie bereinigte fidj $• mit einigen jüngeren
granjofen jur Einrichtung eine§ eigenen Saboratoriumä, in melcf)em eifrig ge=
arbeitet mürbe, unb bie Stjeilnerjmer abmecfjfetnb, um 3llle§ grünblicf) fennen ju
lernen, fetbft bie fonft ben gemöfmlicrjen Wienern 3ufommenben .gmnbleiftungen
übernahmen. Bon befonberer äBidjttgfeit mar il , bafj $. Gelegenheit errjielt,
31t. Bolta perfönlict] fennen au lernen, ba biefer aur Borfüfjrung feiner @nt=
bedungen bamal§ nact) ^ariä gefommen mar. $. fmtte ei Subier unb Bolta
felbft ju berbanfen, bafj er p ben ©i^ungen ber (Jommiffion äuge^ogen mürbe,
metetjer bie Prüfung bon 33olta'§ Sntbectungen übertragen mar. — %m ©pät=
tjerbft 1801 berliefj %. ^ari§, um auf ber 9rücEreife nocl) bie miffenfc^aftticfjen
^njtitute S3rüffet§, SeijbenS, ^>arlem§ unb 2lmfterbam§ fennen ju lernen, bei
melier SSeranlaffung er bie Sefanntfc^aft mit ban $Ron§, S3rugman§, Soer=
tjabe, ban ^Jlarum unb ban ©minben machte.
Sei feiner Utücffefjr nact) $iel 1802 übernaljm $., ba $erften§ insmifetjen
berftorben mar, bie 5ßrofeffur ber ßfjemie unb trat bamit äugleicf) in bie mebi=
cinifcb.e gacuttät ein, melier bamal§ bie ßljemie jugerecljnet mürbe.
3m 3- 1804 mürbe ein <Sanitä't§coItegium für bie ^erjogtliümer errichtet
unb §. trat in baffelbe al§ 5Hitglieb unb Secretär ein; 1828 mürbe er SDirector
biefe§ @ottegium§. ®ie micfjtigfte Aufgabe biefer neuen Sefjörbe beftanb in
einer burdjgreifenben Organifation be§ s2lbotf)efermefen§. ^n feiner Stellung
al§ S)irector be§ 6ollegium§ i)at 5]3. bie 1831 erfdjienene Pharmacopoea Slesvico-
Holsatica berfa^t.
Söier Berufungen — |>alte jmei 9flal für tfjeoretifct)e sBcebicin unb für
Srjemie, Tübingen für ßljemie, Sonn für materia medica — lerjnte 5ß. ab, ba
584 ^Pfaff.
tl)tt feine Xfjätigfeit in $iel , treidle allgemeine 9lnerfennung fanb , beiriebigte.
5iad) einer 9lnbeutung in feiner ©elbftbiograbtjie fdjeint c§ aud), bafj *$. fdjon
früt), roof)t fdjon 1806, eine 9lbnaf)me bei ©etjbermögenä bemerfte, nnb e§ audj
au§ biefem ®runbe fdjeute, in neue Söertjältniffe %u treten.
SBenn *)}. nun aud) bi§ ju feinem (Jnbe in Atel berblieb , fo t)at er bod)
roiebertjolt Steifen jur Pflege ber alten Sejietmngen , unb um neue Anregungen
ju gewinnen, unternommen. %n ben ^a^ren 1809 — 18 reifte er merjrmalä
nad) ©übbeutfdjtanb , rcobei er u. 91. in SJerfetjr mit Dlberö , ©ömmering,
©eljler , 33er,}eliuä , ©itbcrt trat. (Später madjte er eine Steife an ben Sttjein
unb in bie ©djmei,}, bie i^n mit Rietet unb be la Stibe in 33crüt)rung brachte.
©et)r toicfjtig mürbe eine Steife nad) ^ßarii unb ©nglanb im °$- 1829, too
namentlich ber 9lufentr)alt in fionbon burd) ben Serfetjr mit fyarabat), Sranbe,
^irout , ^»ottanber u. 91. für itm Don befonberer miffenfcfjaftticrjer 9lnregung
mürbe. s_Uad)b?m er fiel) nod) 1830 an ber SBerjammluug ber beutfdjen Statut"
forfdjer in Hamburg lebhaft bettjeitigt tjattc, natmt feine 9lugenfd)roäd)e ftarf 3U.
^)tmlt) in ©öttingen erfannte aud) ben beginn einer ©taarbilbung unb berorbnete
ty. ben (Sebraud) beö 2Jßaffer3 bon .Vi if fingen. 2)iefe SBrunnenlur unb eine fid)
baran anfctjliefjenbe Steife in bie ©djmeij ftärfte ^. fo , bafj er fid) 1833 nod)
im 60. 2eben3jat)re ju einer \meiten S8ert)eiratf)ung entfdjtofj. 9lu§ biefer @t)e
entfbrof; ein Sorjn , ber fictj fpäter bem juriftifd)en Berufe mibmete , jetjt aber
bereits berftorben ift. — sDtit feiner ^^au unternahm 5ß. eine größere Steife,
beren ßnbjtet 9Bien mar, mo er fid) 1841 einer 9lugenoperation untermarf.
3)iefe rouibe ^mar bon Säger infofern glüdtid) botljogcn, als bie (Entfernung ber
getrübten 9lugenlinfeu gtücftid) gelang. 2fnbeffen erljielt !ß. bie ©efjfraft nid)t
mieber, benn e§ jeigte ftcf) , baf? bai Uebel feine tiefere SBurjel im ©etjnerb
felbft tmtte. 1843 feierte ^ß. fein 50 jäljrigeö 2)octorjubiläum, bei metd)em ifjiu
bon allen (Seiten bie reidjfte 9lnerfennung entgegengebracht mürbe. sJiod)mat3
fud)te er bann in 9Jtarienbab unb £eplit3 ©tärfung für feine 9lugen, mufjte
aber bod) 1845 fein Serjramt aufgeben unb fonnte aud) nid)t metvr ttjätigen
9lnttjeil an ber in $iel 1846 ftattfinbenben Scaturforfdjerberfammlung netjmen.
sJiad) einer testen Steife, 1847 nad) ßiffingen, bertebte ty. ben 9lbenb feines
£cben3 rut)ig in $iet. Xrotj feiner gänjtidjen ©rblinbung blieb ty. bod) nod)
miffenfdjaftlid) tfjätig. IRit lebenbigfter £b,eilnat)me berfolgte er bie 50rtfd)ritte
ber 2öiffenfct)a?ten , über meldje er fid) beriefen ober burd) bie ^reunbe 9Jtit=
ttjcilung machen lief;. 9tod) 1851 erfdjien nad) feinem 2>ictate eine ©djrift
über bie afiatifd)e ßfjotera in Atel, ju meldjer ftatiftifd)e8 Material nad) feinen
9lnorbnungen gefammelt mar. 2(n ben leüten 2eben§jar)ren befdjäftigte ifjn feine
©elbftbiograpljie, metdje nad) feinem 2obe üon feinem 5"imbe, bem ^rofeffor
Statjen öeröffeutlictjt morben ift.
SBenben mir un§ je^t ju ^faff'i fd)riftftellerifd)er unb 2el)r=2l)ätigfeit. 3>n
beiben SBe^iefjungen ift bon einem ungemein reidjen £eben ju beiid)tcn. S)te
ßntroictlung feineä öebenägangeö bradjte ei mit fiel), bafj ty. al§ ßetjrer ber=
fctjiebene äüiffenfd)aften beitreten mufjte, für beren jebe cinjelne jetjt minbeftenS
ein Söettreter an jeber Uniberfität nottjmenbig ift. ^. flagt felbft in feinen
2eben§erinnerungen barüber, ba§ er gleidjfam, oljne bie redjte SBet^e bafür bor=
t)er erljatten ^u b,aben, auf bai Äattjeber gefetjoben morben fei. Ucberblidt
man bie Sorlefungen, meld)e 5)3. feit 1799 gehalten t)at, fo ergibt fid) iolgenbei
ftauuenimertlje SSerjcicfjnifj. 5ßorlefungen über 5pf)t)fti unb Gf)emie tjiclt er un=
untevbrodjen, rjäufig über beibe 3Biffenfd)aften in einem ©emefter , fomoljt über
biefelben im ©anjen, all aud) über einzelne 2f)eite berfelben , namentlich über
(55albani§mu§ , 5Jcagneti§mu§ , 6lectromagnetiemu§ , (Hectricität , Meteorologie,
S)ampfmafd)inen. 5£)ann bon 1821 an über anattjtifdje 6f)emie, bf)armaceuttfd)e
Wf. 585
Eljemie, Erjemie ber materia medica, £ojicotogie, ©efcfjicfjte bet neueren Efjemie.
3fn ben etften Sagten laS er auct) Mineralogie unb ©cotogie. 33iS jum $arjre
1828 tjielt ex fortbauernb 5}orlefungen über allgemeine unb fpccielle *pt)rjfiologte.
<§)ier,}u tarnen Vorträge über ©alt'S ©crjäbetletjre unb über trjierifdjien ,Iflagne=
tiSmuS; ferner üon 1820 bis jum ©cfjlufj feiner üttjätigfeit foldje über 9Jtafro*
biotif. — ^ßfaff'S Vorträge roaren üöllig frei unb er üerftanb baS ^ntereffe ber
3ut)örer in tjotjem 9Jcaafje ju ertoeden unb ju feffetn. 5)ieS tourbe it)m burct)
bie v>lnt)ängüdt)feit feiner ©dfjüler gelohnt, roelcrje itjre üDanfbarfeit nocf) beim
Jubiläum $faff'S aufs ©ctjönfte betätigten.
kleben biefer gewaltigen ßetjrttjättgfeit t)at $., ttrie fcfjon oben ermähnt,
auct) nod) eine 3eii lang als üraftifcr)er Slrjt geroirft unb bie jeitmeife redjt
umfänglichen ©efdjäfte beS ©anitätScoltegiumS ettoa 30 ^afjre lang geleitet.
ftictjt minber umfaffenb finb aber bie Seiftungen $faff'S als tt>iffenfcr)aft=
lieber ©ctjriftfteller unb nidjt nur umfaffenb, fonbern aud^ bebeutenb. Sltlein
üon fetbftänbig erft^ienenen ©Triften järjlt 3ß. in feiner iBiograptjie 34 auf, üon
benen fictj übrigens etnjetne auf anbere als fadjroiffenfdjaftlidje üEfjemata bejtetjen,
3. 93. eine ErftlingSarbeit öon 1792 über neuaufgefunbene ©ebidjte OffianS unb
Jpotitifd^e Sluffätje aus ben Satjren 1815 — 20. ©ana aufcerorbenttidf) grofj ift
aber bie $av)\ ber in üerfcfjiebencn 3citfc^tiften üeröffentüdjten 2l6rjanb hingen,
rooju bie 9tebaction unb 2Ritarbeiterfd§aft an mehreren 3e^f(f)rtften unb Encrj=
flopäbien fommt; üon ben erfteren fei 3. 35. bie 9tebaction beS s3torbifcf)en
3lrcr)iü'S für 9Mur= unb Slräeneitoiffenfdjaft mit feinen gortfetjungen , öon ben
letzteren bie 23ettjetligung am neuen ©ei)ler'fcr)en SBörterbudje genannt. — $faff S
bebeutenbfte arbeiten liegen auf bem (gebiete ber ^öfif. SDßic er flcf) burct)
feine ©iffertation über bie fogenannte trjierifcl)e Electricität glüdlid) eingeführt
tjat, ift bereits oben ermähnt, ©eine Unterfucrjungen auf biefem gelbe mürben
fofort öon 51t. ö. ^umbolbt in feiner ©djrift: „lieber bie gereifte 93hiSfet* unb
ilieröenfafer" anerfannt unb finb föäter eingetjenb öon E. bu 33oiS=9terjmonb in
beffen berühmtem SBerfe: „Unterfuctjungen über ttjierifctje Eleftricität", geroürbigt.
SDen etectrifcrjen Erfcfyeinungen roibmete % üoraugSroeife feine Slufmerffamteit,
roaS um fo begreif lidjer ift, als in bie Seit feines Eintrittes in bie toiffenfdjaft=
lidje Saufbatjn bie grofje Entbedung 33olta'S fiel unb bann föäter bie nidjt
minber bebeutenbe Entbedung beS it)tn befteunbeten Derfteb gerabe in ben ^a^ren
erfolgte, in benen '$. auf ber $tye feiner toiffenfc&afttidjen STtjätigfett ftanb.
©0 befiijen mir üon itjm gegen 40 9lbt)anblungen über ©atüaniSmuS unb
ElectromagnetiSmuS. 9ftan barf über bie meiften biefer arbeiten bie befetjeibene
©elbftfritif Sßfaff'S citiren, toetd^e folgenbermafcen lautet: „^dj ^be nie fo fetjr
nact) Originalität geftrebt, als gern auf bem ©runbe ben 5lnbere gelegt, fort«
gebaut unb immer ben rjiftorifdjen ®runb für ben jebeSmal abgetjanbelten @egen=
ftanb feftgeljalten. 25er tiefer Sinbringenbe mirb ba^er leictjt erfennen, bafe ber
33erfaffer metjr empfangen, aber boctj auc^ baS Smöfangene öerarbeitet unb bei
ftdj georbnet, als fetbftfd^ööferif($ erzeugt fyahe." S)ieS ift ritf)tig; funbamentate
Stljatfadjen tjat $. in ber 5p^t)jtf nic^t entbeeft, aber mit großer 2lufmerffamfeit
alle goTtfdjritte öerfolgt, für fid} unb 3lnbere fritifc^ öerarbeitet unb baburetj
bie SBeiterenttottflung ber SBiffenfcfjaft ungemein geförbert. ©0 brachte er öon
feinen Reifen ftets eine ^Jlenge neuer Erfahrungen mit, bie er fofort bearbeitete
unb allgemeiner äugänglidj madjte. S)ieS mar 3U feiner Qtit mictjtiger als
tjeutjutage, mo jebe neue Sntbectung fogleicf) überatt befannt mirb. Ein IjübfdjeS
Seifpiet liefert feine Zeitteilung nac^ ber Sonboner 9teife 1829. Er braute
öon bort bie Sljatjadje öon ber träftigen Zlagnetifirung beS öon einem gatöa=
nifegen ©trome umfloffenen EifenS mit, eine Stjatfactje , toeltijc bereits 1826
586 Waff-
üon SBrewfter nadjgewiefen war, aber anfdjcinent) auf bem kontinente bis ju
^faff'S lUittfjeilung unbcfannt blieb.
2IIS eine fcljr gut burdjgetüfjrte Arbeit auf einem anbern (Gebiete ber ^t)r)fif,
ber Qptif, ift feine gegen ©oettje polemifirenbe ©djrift: „lieber Wewtorr'S
5arbentt)eorie" ju nennen, lieber bie 2tufnarjme, meldje biefe Slrbeit bei ©oet^e
fanb („idj legte fie gut Seite, bis auf fünftige Sage, wo id) mit mir jelbft
üollfommcn abgefd)toffen rjätte" ), äußert fid) ty. *n l^nn Siograpfne ferjr
rjutnoriftifdj.
^arjtreid) finb bie anatütifctVdjemifdjen arbeiten ^faff'S. ©ie bejiefjen fid)
nun großen Sljeile aui Slnatrjfen anorganifdjer .Würper ober auf Ülnmenbungen
in ber £>eitmittettcf)re unb finb f aft fämmtlid) in ben Journalen Don ©etjler
unb üon ©djmeiggcr üeröffentlictjt. ©ein in jwei Auflagen erfdjieneneS „<!panb=
bud) ber anall)tifcf)cn Grjemie" ift bei ben fdmetten ftortfdjritten ber (Stjemie
balb üeraltet. 5Daffelbe gilt üon bem umfängticfiften SQßerfe ^ßfaffS, bem „©nftem
ber materia medica nadj djemifdjen ^rineipien", weldjeS er in 7 SBänben üon
1808 — 21 Verausgab.
$ftan mürbe aber nod) fein üollftänbigeS S3ilb üon ber aufjerorbenttidjen
2eiftungSfät)igfeit ^iaff'S erhalten, menn man feine lebenbige irjeilnarnne an
bem öffentlichen Seben unberürffid)tigt laffen mollte. ©d)on in feiner Sfugenb
natjm 5ß. an bem ©taatSteben ein befonbereS 2(ntereffe. 35er ©runb lag üor=
ÄÜgtid) bavin, bafe ber 5lnfang ber franjöfifd^en fficüotution mit bem 3e^punfte
feinet ßebenS , roo bie $ugenb nad) bem Sbeale ftrebt , pfammenfiel. 5Da<ju
fam, bafj fein eigentliches ^aterlanb , Süürtemberg , fid) bamalS beS SßorjugeS
eine§ gemiffen ^JtaafjeS üon conftitutionellen ÜRecfjten erfreute , moburd) ber
Staatsbürger jur ütrjeilnarjmc an bem potitifdjen £cben aufgeforbert mürbe.
*ß. nat)m feine ferjr entfdjieben liberale ©efinnung in fein neues 33aterlanb
tjinüber unb folgte allen öffentlichen ©reigniffen , üon ber 50T*füt)rung ber
bänifdjen f^totte burd) bie (Jnglänber unb ber 33efeijung £wlfteinS burd) bie
©djmeben bis ju ben Anfängen ber ©djeibung ber bänifdjen unb beutfdjen
3fntereffen mit ber größten ifjcitnaljme, unb natjm burd) Sßort unb ©djrift
(j. 35. burd) Slbljanblungen in ben „AHeter '-Blättern" ) an ber SageSpolitif
tfjeit.
3fn feiner überfprubelnben Öcbenbigfeit unb Offenheit tjat er mit üieten
9lnbern, um nur bie 2>at)lmann, f5ratcf, OtSfjaufcn, ^pegemifd) ju nennen, gewifj
nid)t wenig ^u bem frifdjen potitifdjen £eben beigetragen, burd) WetdjeS fid)
,tfiel auszeichnete. 23on ber Unbefangenheit unb Offenljerjigfeit mit ber er feine
©efmnung äußerte, aber aud) üon ber richtigen äöürbigung, wetdje man bamalS
in Sänemarf für freifinnige Steuerungen t)atte , giebt bie (jübfdje Stnefbote
3luSfunit, meldje 6. 9Jc. 9irnbt (in ber 33rofd)üre: Slnflage einer «DtajeftätS=
beleibignng tc. ßeipjig 1851) üeröffentlidjt b,at. 3>er betreffenbe Vorfall üertief
nactj ^faff'S ßrjätjlung fo. V*ci feiner 2lnroefenrjeit in S3onn gab er in 33er»
anlaffung ber berüchtigten Semagogenüeriolgungen öffentlich feinem llnmutt)e
gegen bie preufjifd)e Regierung fräftigen SluSbrud. S)arauf erfolgte eine S5e=
fdjroerbe beS preufjifdjen ©efanbten in ^openl)agen beim Äönig ^yriebrief) VI.,
roeld)er aber nur ermiberte : ^Rein lieber ©raf , ©ie muffen baS bem guten ^.
nidjt weiter anrechnen — er glaubte in meinem ßanbe ,^u fein. — (B ift fel)r
ju bebauern, bafj üon bem umfangreichen 33riefmed)fel ^taff'S nur ganj üer»
einleite Sriefe üeröff entließt finb (im 3lnf)ange jur Sctbftbiograpt)ie), man würbe
baburd) erft eine jutreffenbe SJorfteüung üon bem aufeerorbentlid)en öinfluffe
gewonnen rjaben , welcfjen ber fo üielfeitig begabte unb liebenSWürbige 5Rann
ausgeübt ^at.
Gr. G. Xitzschii memoria Chr. Ilenr. Pfaffii. Kiliae 1852. — 2eben§=
erinnexungen bon ßbriftoptj ^einridj Spfaff. ßiel 1854, enthält jugteict) bie
erftere Sct)xift. — ftefrotog, 2öef er -- Rettung 2tprit 1852 unb SUtonaer
«Dlerfur 1852 ftr. 104. — SJoigt, Steuer 9iefro(og ber £eutfä)en, 2öeimar
1854. — Sübfer unb Säjröber, Sertfon Sct)testü. = ,öolft. = 2auenb. Scfjrift*
fteüer nebft ftacljtrag , 2Iltona 1829 — 31. — 2Uberti's Sejifon, gortfetpng
bee bongen 2Berfes II, 203. — Saltifen, flttebicin. S<$riftftetter = 2erifon,
^opentjagen 1830 — 45. — ©ergborj , Seipä. Ütepertorium 1843 — 60. —
Teufel, 3)as gelehrte 2eutfctjtanb , Semgo 1796—1834. — Sßoggenborff,
23iogr.=litter. -gmnbroörterbuct) II, 418. Warften
"^faff : G t) r i ft o p t) $ft a 1 1 1) ä u § ^ß., einer ber getetjrteften unb angefetjenften
proteftantifctjen 2t)eotogen bee 18. Satjrtmnberte, Äan^ter ber Unioerfitäten
Tübingen unb (Sieben, geb. am 25. S)ecember 1686 in ber St)rifinacr)t <ju
Stuttgart, f am 19. Dcobember 1760 in ©iefjen. — 2Il§ Soljn bei bamatigen
5prebiger§ an ber St. 2eonl)arbsfirct)e in Stuttgart, naerjmaligen 2übinger 5ßro=
feffors 3ot)ann Stjriftopt) *ß. (f. b. 2Irt.) unb jetner grau 2lnna -Fcaria geb.
Stutber, einer Grnfetin bes jdjwä&ifdjen 3teformator§ ^attbäus Slulber (f. #. ®. 53.
I, 178), getjörtc er fctjon burc^ feine ©eburt juieien ber geactjtetfien fct)rüä&ifct)en
£t)eologenTamitien an. 2lugge3eict)net burct) eine gtücfücbe unb bietfeitige 33e=
gabung unb frütjreife (Seifteiertttoicffung, genofj er juerft ben Unterricht bes in
feinem ©eburt§jal)re errichteten Stuttgarter (Sbertjarbsgrjmnafiums, feit 1697 ben
ber anatoüfctjen Sctjule in Tübingen unb rourbe fctjon im breijetjnten ßebens=
jatjre, 1699, ins Uübinger Sttit aufgenommen. s7leben bem Stubium ber
£t)eo(ogie, in tuelcrjer fein Sßater, fjörtfc^, üteuctjtin unb $äger feine Setjrer
roaren, befctjäftigte er fiel) befonbers mit biblifct)er *ßt)ilologie unb orientaIifct)en
©prägen, tjiett als 16jäl)riger Stubent 1702 eine Siebe im Stift in famaritanifetjer
Sprache, rourbe am 6. September 1702 9Jcagifier, öoEenbete im 18. £eben§jal)r
fein Uniberfitätsftubium, beftanb 1704 mit ©tan^ bie ttjeotogtfctje Prüfung,
rourbe SBicar in Suftnau unb 1705 im neunzehnten Sebensjabre Repetent in
Tübingen, -öerjog @bert)arb Subroig öon Söürtemberg (1677 — 1733), ber ibm
frübe feine befonbere Öunft juroanbte, bertiet) itjm ein anfet)nüct)es 9teife=
ftipenbium, junäctjft ju bem 3toecE, um in orientatifct)en Sprachen unb $irct)en=
gefct)ict)te fiel) weiter ausjubilben. 6r roeitte juerft 1706 längere 3"t in spalte
unb Hamburg, too er bei ^otj. ,£einrict) 9Jtict)aelis unb S. Grbjarbi bem Stubium
ber rabbinifd)en Sitteratur fiel) roibmete. S)ann befudjte er Sübecf, SRoftocf,
©reifsroatb, 2)änemarf, ^otlanb unb ßngtanb, too er befonbers- in Drforb unb
Gambribge längere 3eit berroeüte unb auf 33ibtiott)efen toie im perföntietjen 33er=
fet)r mit ben ausgejeietjnetften ©etetjrten reietje 2öiffensfct)ärje fammette. £aum
mar er öon biefer breiiätjrigen Stubienreife nad) ^>aufe jurücfge!et)rt (1709), fo
rourbe er bom ^erjog jum Begleiter unb 9teifeprebiger bes roürtembergifcl)en
(hbprinjen griebrict) Subroig (geb. am 14. S)ccember 1698, f am 23. 9tobember
1731.) aueerfeljen. DZacljbem er in Stuttgatt bie Drbination jum ^rebigtamt
empfangen, traf er mit bem ^rin^en in Saufanne jufammen unb begleitete it)n
junäctjft nact) 2urin, too er brei %a$xe bertoeilte am ^of be§ bamaligen -öerjogs
bon Saboljen Sictor Slmabeus IL ^Reben aüen ^"ft'-'euungen eine! giänzenben
§ofleben§ fanb 5]S. boct) auet) geit ju roiffenfcl)aftIict)en Stubien auf italienifct)en
33ibliott)efen ; insbefonbere gelang e§ iljm , unter ben roenig beachteten Scljä^en
ber Muriner Sibliottjef einige ungebruefte patriftifetje Stüdfe bon Sfvenäui,
Sactanj unb ßt)rrjfofiomus) auTjufinben , bie er fpäter ttjeits fetbft tjeraulgab,
tt)eil§ anbern ©etetjrten mittt)ei(te. 1712 fetjrte er mit feinem ^rinjen über
2flaüanb unb ^nnsbrud nact) Stuttgart jurücf, um fofort im fotgenben $at)re
588 Wf-
eine neue fteife nad) £>ollanb unb ^'anfreic!^ anzutreten, ©djon mäf)ienb ber*
felben, im 3- 1714 mürbe er üom £">erjog jum v$rofeffor ber Geologie in
Tübingen ernannt, trat aber feine ©teile etft nad) feiner 9tücffec)r nad) äBüttcm«
borg im $. 1717 an unb ertoarb fiel) in bcmfelben %at)x bie u)eologifcf)e
5£>octormürbe. 9tad) bem inbeffen erfolgten Xob be* s$rofeffor $. 91. §ocijftetter
trat er als britter Orbinariu« neben feinem Sater unb bem .ftanjler 3f äger in
bie gfacuttät ein, jcbod) mit £)ispenfation öon bem mit biefer Stelle fonft öer=
bunbenen «prebigt« unb Pfarramt (f. 2öeijfäcfer ©. 99). 3m 3. 1720 rourbe
er öon ber Uniöerfität 3um ftector gemäht unb in bemfelben $atvr nad) bem
£obe feinet 25ater8 (t am 6. Februar 1720) unb be§ ßanjters Säger (f im 9Ipril)
jum erften tl)eologifcr)en sßtofefloY, tropft unb ßanjler ber uniöerfität ernannt. 23eim
eintritt biefes 21mtes tjielt er eine föebe, in meld)er er bie bamal« rjerrfd)enben
s)Jtifjbräudje bes llniüerfitätslebene in braftifdjer SSeife fdjilbert unb 93orfd)täge
jur SBefferung maerjt unter bem litel „De universitatibus scholasticis emendamlis
et pedantismo literario ex iisdem eliminando", Tübingen 1720 (aud) in beutfdjer
Ueberfetmng; 9tu8jüge barauö bei ftlfitfet, ©efdjidjte ber Uniöerfität lübingen,
©. 146, 186). (Sinige 3fal)re fpäter erft entfdjloft er fid), in ben (Sfjrftanb ,}u
treten mit einer ^lugeburger ^atricierstod)ter illaxia ©ufanna b. 9tauner: bie
6t)e blieb finbertos.
3n Tübingen entfaltete ty. , ein Jtjeotog öon umfaffenber ©elefjrfamfeit
unb allgemeiner 33ilbung, öon imponirenber ©eftalt unb öorncrunrn lUanicreu,
öon grofjer ©cmanbtbcit im münblidjen Vortrag mie in fdjriftlidjer 2)arftelluug,
faft öierjig %at)xe lang eine aufjerorbentlid) reiche unb öielfeitigc afabemifdje
unb (itterarifdje Söirffamfeit. ©eine infjaltöreidjen unb formgemanbten, frei öor*
getragenen unb gern gehörten Söorlefungcn (»gl. bie lUnfünbigung ^[aff's für
baö Satjr 1722 bei äöeijfäcfer ©. 111) mie feine fdjriftfteHerifdjen Slrbeiten
erftreeften fid) fafl über ba« gaujc ©ebiet ber ujeologifcrjen 2öiffenfd)aft : er las
über Gregefc, ^otemif, 2)ogmatif, 'Etoral, $ird)engefd)id)ti\ .Wird)eurecr)t, "JJaftoral«
unb Gafualtrjeologie, tl)eologifd)e Iftettjobologie unb ßitterärgcfd)id)te. 9Iud) an
Äußeren 3eid}en ber Wncrfennung fehlte cö if)m nid)t: fo rourbe er 1724 burd)
Eaifertid^eS 2)ip(om jum Comes Palatinus. 1727 öon feinem .^er^og <jum 9Ibt
beS At (öfters Cord) unb sJJcitglieb beö roürtembergifd)en £anbtags, 1731 jum 9Jtit*
glieb ber berliner 'ülfabcmte ber 2öiffenfd)aTten ernannt unb ftanb mit ben aue*
gejcicrjnetften (Belehrten beö %n-- unb iHuölanbe«, mit A?att)otifen unb 9teformirten
mie mit ^uujeranern im brieflichen 53erfel)r.
©ein trjeologifdjer ©tanbpunft mar nid)t berjenige ber ftrengen lutr)erifd)en
Orttjoboyie , beren 8e$rf&fß er in Dielen fünften mobificierte unb abfd)mäd)te
ober bod) nur „cum mica salis" annehmen mollte. 3.Uelme1)r jjeigt fid) bei itjnt
beutlid), pmal in feiner früheren ^eit , ein ßinflufj beö ©pencr'fd)en unb mür«
tembergifdjen Pietismus, in beffen Greifen er aufgemad)ftn mar, fo befonber« in
feiirem tb,eologifd)en .'paubtroerf, ben ..Institutiones tbeologiae dogmaticae et
moralis" 1719, fomie in bem mer)r populär unb erbaulidj gehaltenen „.ffurjen
91brife öom magren 6t)riftentl)um" 1720 unb „.^eraenöfatecrjismuö" 1720. 3u
fpäteren 3at)ren aber öerrätb, er, ba fein ftorfdutngshieb unb Untcrfudjungögeift
ir)n meb,r ju Jbomafius als ju ben ^aüe'fd^en ^pictiften tjinjog, eine immer
ftärfere Hinneigung jur 2lufflärung, obgleich er bie öon Ceibniü unb 9Bo1t aui*
gegangene, in Tübingen burd) 33ilfinger unb Sonj repräfentirte 9tid)tung öon
feinem merjr empiriftifd^'ffeptifd^en ©tanbpun!t aus befämpft l)at. Sr mirb bat)n
öon ben ©inen ju ben sJpietiften, öon ben 91nbcrn ju ben 2luiftärern, öon ben
dritten 3U ben fogenannten Uebergangö= ober 23ermitt(ung3tt)eologen be§
18. Sa^'tjunbertö gerechnet. Otitfdjl fierjt in ib^m einen ftepräfentanten be*
„meltförmigen Pietismus", ©eine 3eitgenoffen meinen: er „inftinire am meiften
$faff. 589
pm SfeütiaiSmui unb ßtBertiniSimtS, aum ©atantiämuS unb SingutanSmuS".
^ebenfalls fjaben bie üietiftifctjen Ginbrütfe leinet ^ugenb bei if)m fid) me$r unb
mefjr üerloren, unb er bat bem Stanbpunft ber Slufftärung tfjeotetifd) unb
üraftifdj immer fiätfer fid& angenähert: „bie gefäf)ttid)e Union üon ftletfcb, unb
©eift §at bei if)m", toie fein Beitgenoffe unb Canbemann % 3- Etofer ftd)
aulbrüdt, „einen fcbUmmen SluSgang genommen". Mebm erregte $. neben
feinen fircb^ngefcbjcbUitfjen unb tfjeologifdjen arbeiten befonberä bureb. ^eiertet:
för§ erfte butd) feine fircbenrecbUidjen 2Infd)auungen als Vertreter (md)t Urheber)
be§ fogenannten SottegialfoftemS, b. fj. berjenigen firdjenredjtltdjen 2f)eorte
meiere in ben Äircben freie, bem Staat nid)t unterroonene Vereine (collegia)
fielst meiere bie fitcbenregimentticfjen 9ted)te (jura in sacra) burd) einen au§=
brücflidjen ober fiiiifdjtoeigenben Vertrag (ein fogenanntes Umone* ober Sub=
iectionSüactum) bem SanbeSbmn übertragen fjaben (f. feine Scbnit: „De
originibus juris ecclesiastici", Tübingen 1719; „Institutiones juris eccles
1727: „Slfabemifdje fteben über ba§ proteftantifetje ßircbenrecbj" 1742), unb
mefjr noctj burd) feine unioniftifd)en Neigungen unb »eftrebungen, b. 1). bie ju=
näcbft üon feinem (SoHegen unb Sd)tr>ager, bem Sübinger ^rofeffor 3- S. ßlemm,
ausgegangenen, aber bon 5ß. (befonberS in feiner Scbnft ,Alloqumm irenicum
ad Protestautes" 1720 unb in einer 9teit)e üon toeiteren Sänften unb (Sorre=
fponbenjen) befürworteten $8orfd)täge w einer roenigftenl tt)eitroeifen Vereinigung
ber Sutberaner unb fteformirten, - Vorfrage, bie üon Seiten protetfanhföer
ßöfe unb (Staatsmänner üietfacb. gebiEigt, fogar üon ben Vertretern ber eüan=
aetifeben ßirebe auf bem ftegenäburgec fteidjstag, bem fogenannten Corpus
Evangelicnm, emüfobUn, üon ber Werjrjab,! üroteftantifeber unb befonberS
tutberifeber Geologen aber (Güürian, Softer, SBeiSmann, ftembeef, SBetnabotT,
Vattbafar, fteumeifter u. a.) aufä entfötebenfle befämpft würben unb bie jeben-
faüö nacb ber bamatigen Sage ber Verfjältniffe au feinem ürafttfeben ftefultat
fübren tonnten (f. befonberS $?af?'S gefammelte Schriften, fo aut Vereinigung
ber proteftantifcfjen Äircfjen abmieten, £aEe 1723; GtymanB VrieTroecbfet mit
dbr 9Jc Spfaff in Vereinigung ber eüangelifdjen unb reformtrten Religion l/^l
unb bie übrige ßitteratur pr ©efd)id)te ber fircb.ticb.en Untonsüerfuc^e).
^tber nicfjt blo& biefe unioniftifd)en unb irenifdjen, au? ^btdjroadmng ber
confeffionetten ©egenfäfee anritten ßut&eranern unb 9teformirten rote atmj*en
2hote tauten unb Antritten unb auf allgemeine retigiöfe ^oterana gerateten
Snfcbauungen unb Veftrebungen waren eft, toetdje ben 9tuT unb bte JStrflamfeit
beä bin* feine üietfeitige ©etefrrfamfeit unb burd) feine afabemifeben (Snotge
bocbberübmten fotogen beeinträchtigten. 6S famen nod) tälunmew Singe
bimu bie feinen guten Ruf untergruben unb aulefet feine Xubmger Stellung
unmöqtid) matten. @r galt, trob beä pietiftifcb.en 5lnftrid)§, ben et n* |u
aeben rou|te, in feiner Umgebung a» ein toettfinniger »mann als jenuj-
fücbtig unb geizig, red)tf)aberifcb. unb unüerträglid) ; ja ein fitttidjer tfeb tritt,
bellen er fä na$ i>em Jobe feiner gftau (t 1755) fd)utbig madite nötigte
itju fd^tieBlid) Tübingen 3u bertaffen (ügt. barüber bie «nfiabe Dettnger t im
einem Söcief an ben ©rafen Saftett bei (Sämann, Cehngerö Setbltbiograpb,ie
S 611- ütitfcbl S. 59). Sd)on feit längerer Seit lebroebten SBe^anbiungen
äroifd)en>. unb bem b^nnoüerfcfjen 3Jlimftet üon üJlün^aufra, ber ^niwj
W^eimä 2ob für ba§ ßanjleramt unb eine tb^eotogifc^e sptoiejjut m ©ottmgen
m aeroinnen fud)te. % roar im 5loüember 1755 bereit, ben Uu] anaunefjmen,
ba serfcbhigen f^ pl&m bie Ver^anbtungen, entroeber roeit % ^orberungen
aufteilt auf bie man in |)annoüer ni^t eingeben f onnte , ober, nad) anbeten
roabrfc&einüd)eren «rieten , roeit man bort aus pberläfnger Cuelte bureb
"nen »riet \ % 3Rofe?S an ben «ofiat^ Scb.eib in Äannoüer, ungumtige
590 $foff-
9tad)rid)ten über $. erhalten fmtte (f. 23üfd)ing III, 287; Ütitfdjl 6. 60; bie
bort erroärjnte Angabe Don Qftanf flammt auS ,£>. 6. ©. $ßauluS' Üteifejournal unb
berufjt auf blofjem ^pörenfagen). Dbgleid) fid) biefe 2luSfid)t jerfdjlagen, bertiefe
s4). bennod) Tübingen, roo er für baS ©ommerfemefter feine SBortejungen metjr
angefünbigt t)atte, am 9. gebruar 1756, nidtjt otjne bort burdj bie ©rünbung
eines Stipendium Pfaffianum tt)eitS für ©tubirenbe, ttjeitS für ©tabtarme, fein
unb feiner üerftorbenen $rau ©ebädjtnifj bereinigt ju fjaben, unb überfiebelte in
ber 2lbfid)t, fid) tnS ^iribatleben ^urücfju^ietjen, nad) granfiurt am Potain.
Unterwegs aber erhielt er ganj unbermutljet (ober, wie er felbft meint, „burd)
eine wuuberbare göttliche Fügung") üon bem ßanbgrajen ßubwig t»on Reffen
einen 9tuf nadt) (Sieben als ^rojcffor ber Srjcologie, ©eneratfuperinbentent,
SDirector ber tfjeologifdjen gacuttät unb ß'anjter ber Uniberfität. Sr folgte bem=
felben, obrool jdjon fieben,}igiät)rig, unb befleibete feine neue (Stellung nodj
4 3faf)re lang bis ju feinem am 19. sJtoöember 1760 infolge eines ©djtagfluffeS
erregten £ob (bgl. über bieje ^eit 9titfd)t ©. 60).
S)ie f<$riTtftellcriid)e Jtjätigfeit ^faff *ä mar eine foloffale; bie wid)tigften
feiner ©d)rijten finb bereits genannt; ein botlftänbigeS Süerjeidjnijj berfelben
fiel)e bei 9Jceujel, ßejitoit X, ©. 353—373; 3öd)er=9totermunb V, 2154;
.gnrfdjing ©. 80 — 98. sJcad)rid)teu über fein £eben geben: ßtjr. ty. ßeporin,
sJiadt)r. Don ^iaff'S Seben unb ©c^riften, 1726. — $• $. Sftofer, Serifon ber
jetjtlebenben £t)eotogen II, 642 ff. — 9tatt)IeT, ©efd)id)te je^tlebenber @5e=
letzter II, 302 ü. -- 23üfd)ing, Beiträge U3b. III. — §ftfdjing, Jpanb&udj
Ob. VII, 2, 73 ff. — ©trieber, £eff. ©etcl)rten=©eftf)icf]te X, 322 ff. —
£. ©bring bei <Jrjc&, u. ©ruber unb Sei. 2£)eol. beS 18. Sfarjif). 33b. III. —
©efd). ber Uniberfität Tübingen bon 33öf, ßifenbad), tötüpjel, SBeijfäder. —
9tömer, SBürtemb. Äirctjengefcf). — ftranf, ©efet). ber prot. Xtjeol. II,
©. 216 ff. — ®af$, ©efd). ber prot. SDogmatif III, ©. 74 ff. — 9titfd)l,
®efd)id)te beS ^ictiSmuS, Sb. III, ©. 42 ff. — ^reffet unb ßtüpfet in ber
«Proteft. fteat^ncpflopäbie, 1. u. 2. Stuft, 33b. XI, 450 unb 554 ff.
2Bagenmann.
^faff: ^p einriß Subwig s^., geb. am 3. SDecember 1765 in bem
gotrjaifcfjen 9Jtarftfleden .»perbSleben, wo fein Qkter ^ot). ©amuet ty. feit 1757
SDiafonuS mar, empfing ben erften Unterricht bon bem bortigen Drganiften unb
©djultetjrer 21. 2. ftagel (nierjt Sinbernagel), ber, claffifd) gebitbet, itjn augleid)
in bie latcinijdje ©pradje einführte, wäfyrenb fein Sßater bie .ttenntnife berfelben
baburd) förberte, bafj er ib,n bie ,,©ottjaifd)e politifd)e 3cüung" überfein lief}.
3luf biefe äöeife mit ber ©praetje ber sJtömer jrütjjeitig bertraut geroorben, be^og
er ba§ ©ijmnafium in ©ottja , roelctjes bamatö bon bem trefflichen Otector
5. 21. ©trott) geleitet mürbe. Jpier ^eictjnete er fid? buret) ungemöcjnlid)en ftUik
au3, ba er fiel) bereits mit titterarifdjen 3u^unilgplänen trug, jdjmäc^te aber
aud) buretj fortgelegte nädjtlictje ©tubien feine ofmefjin niefit fefte ©efuubtjeit.
Ücactjbem er bie ©cfiule burd)laufen rjatte, mibmete er fiel) feit 1784 in $ena
ber 2t)eotogie unb baneben ber liebgewonnenen 2lttertt)um§miffenfd)aft unb trat
jugleict) in baS bon 3f. 6§r. S)öberlein beauifiefitigte ^rebigerjeminar, fomie in
Ä. fj. 2Öalcb/3 lateinifd)e ©ejettfdjaft ein. ©eine für crftcrcS aufgearbeiteten
^rebigtentmürfe betunbeten fetjon bie bon il)m immer feftgerjattene 9tid)tung auf
ba§ ^olfStljümticrje unb ©emeinüerftänblicf)e ; ben Anregungen ber lateinifdjen
©efeUfdcjaft entfprang als gfruc^t ein Kommentar über bie 4. otrjmpifdje £)be
v4>inbar'S („Pindari Carmen IV. Olympicum. Graece, perpetua aunotatione
illustravit", 1787), eigentlid} eine 33atetfd)rift an einen bie Jpoct)fcf)ute ber=
laffenben gi-'eutib , beren ,3nf)alt infofern bon ber bistjer üblidjen afabemifetjen
©itte abmid), als er ftatt einer roertfjtofen poetifcr)en ©pieterei eine gebiegenere
5Pfaff. 591
miffenfdjafttict)e ©abe barbot. Site 5p. nadj bretjät)ttQem Aufenthalte tn^ena mieber
tjeimgeferjrt mar, erteilte er aunädjft 5prit>atunterricf)t, bis er bann eine befol=
bete AnfteEung an ber gotliatfdjen j?nabenfct)ule erhielt unb aumr infolge einer
öom ©eneralfuperintenbenten 3. $. ßfjr. Söffler getroffenen Einrichtung, monacrj
fünfttg nidjt mefjr ftänbige Setjrer, fonbern (Eanbibaten ber Geologie mit bem
Unterrichte betraut »erben foEten. Bon ba an gab er fidj ber freilief) nie
unterbrochenen fdjriftfteEerifctjen ü£f)ätigleit mit berührtem Eifer tjin unb ber=
öffentliche mäfjrenb ber U)m nodj befdjiebenen menigen ßebenSjarjre in rafdjer
golge bie nacrjbenannten ©Triften: „Berfuctj einer furjen Betreibung beS
3uftanbeS ber ©itten unb ©ebräucrje ber Hebräer für Ungeteilte" (1792), ein
SluSaug auS umfänglicheren facb>iffenfc§aftlict)en Söerfen biefer 9lrt; „Unter*
f)altenbe§ Jpiftorienbudj für Bürger unb Bauersleute" (1793; 5fteue Ausgabe
1800), eine AuSmarjt Oon 97 ©efcf)icb>n mit fitttidjem ^intergrunbe unb nactj
ben SDarfteEungen ber bamalS beften BotisfcljriftfteEer, roie 9t. 3- Betfer, Gampe,
b. 9lod)otD, ©alamann, 3enenner u. 21.; „kleine auSerlefene liturgifdje Biblio=
it)d" (1. u. 2. Bbdm., 1793), eine Sammlung bon Formularen für geiftlidje
AmtSf)anbtungen bei ber Saufe, in Betftunben, am Äranlenbette u. f. m.;
„3eitung für Sanbprebiger unb ©crjuEefjrer" (2 ^a^rgänge, 1793 — 94), ein
Unternehmen, baS, ebenfo mie baS bortjergenannte , nacf) 5PfaffS ütobe toon bem
©arnijonprebiger ßtjr. ßubto. @t)regott ßrebner in (S5ott)a nocl) einige ^afyxe
fortgefefet tourbe, unb: „©ebetbuä) für Bürger unb Bauersleute" (1794; 2. Aufl.
1802). Aufjerbem mar er Mitarbeiter an $• 9t. ®. Berjer'S „Allgemeinem
Magazin für 5prebigec" unb an ben „®otf)aifcf)en geteerten geitungen". —
äöaS er im ©ctjulbienfte unb burdj feine Bücher üerbiente, teilte er mit feiner
©djmefter unb feiner unterbefj öermittmeten 5Ututter; unter ber beftänbigen
geiftigen Anftrengung aber litt feine ©efunbljeit immer merjr, fo bafj er bereits
am 9. gebruar 1794, erft 29 Safjre alt, auS bem Seben fctjieb, aum aufriß
tigen Bebauern AEer, bie feiu anfprudjSlofeS SSefen unb feinen anregenben
Umgang fdjäfeen gelernt Ijatten.
5i. ©cf)licf)tegroE'S 5)tefrotog auf b. 3. 1794. 2. Bb. ©. 286-289.
- Inrfdjing, ^iftor.=Utterar. £anbbu<$. 7.Bb. 2. Abtf)l. ©. 99. — ©. Baur,
5)teueS £iftor.= Biogr.= Siterar. ^anbrnörterbutf). 4. Bb. 6p. 321. — Teufel,
Sejifon. — 9totermunb au 3öd)er. - £>. ©bring, Sie geteerten Geologen
2)eutf$lanbS im 18. u. 19. %a1)xl). 3. Bb. ©. 267 f. — @x|(f» u. ©ruber'S
ßnctjftopäbie. 3. ©ect. 20. Zty. ©. 103b— 104a (&. ©bring). — 31. Beet,
(Srnftll., £eraog ju ©acb>n=©ott)a unb Attenburg. ©otrja 1854. ©. 137.
- Bgl. aud): ^nteEigenabtatt b. «Reuen altgem. beutfdjen Bibliotfjet. 1794.
5ftr. 16. ©. 131. ©erjumann.
^foff: Sodann Sfjriftopt) 5p., lut^erifctjer S^eolog beS 17.— 18. Mr-
rjunbertS, ber Bater be§ ÄanalerS Sb^r. «ötattt). «Pfaff , ift geboren am 28. Wlai
1651 au spfuEingen im |)eraogtb;um äBürtemberg, f am 6. Februar 1720 au
Tübingen. — ©ein Bater mar ^orjann Silljelm «Pfaff, geboren in Ura$, feit
1649 ©tabtpfarrer in 5ßfuEingen, f 1663 als ©pecialfuperintenbent in ®5p«
pingen. (3)ie Familie mar im 16. 3fab;rb;unbert aus bem Aargau in Söürtem«
berg eingemanbert; ber ältefte befannte ©tammbater mar (SaSpar 5p., Äupfer=
fämieb, aus Aarau; fein ©ob,n 2öilt)etm 5p., ©eric^tSbermalter in Urad); fein
(gnlel Sodann 5p., ©uperintenbent in VLxaä), aule|t 2lbt bon tönigSbronn, aur
Seit beS brei^igiäl>rigen Kriegs ; fein Urenfel 3fo|ann Söil^elm 5p., ber Bater
beS 5profefforS, ®ro|bater beS ÄanaterS.) 5)tac^ feines BaterS frühem £obe
burc^lief S^riftopl) bie $tofterfd)ulen au ^irfcljau unb Bebenfjaufen , ftubirte
1670 ff. im ©tift au Tübingen, mürbe 1673 5ütagifter, bann 9tepetent, 1683
©iaconuS in Urac^ , 1685 S)iaconuS an ber ©t. Seonf)arbS!irc^e in Stuttgart,
592 SM-
1697 orbenttid)er 5J3rofeffor ber s4}l)i(ofopc)ie (ßogtf unb 'DMapfjöfif) in lübingcit,
1699 Dr. theol. unb aufjerovb entließet ^3rofeffor in ber tt)eologifd£)en gacuttät,
aud) 9lbenbptebiger an bei* ©tiftäfird)e unb ©uperattenbent beö tr)eologifd)en
©tipenbtums, 1705 2)ccan unb exfter ©upetattenbent. 3fn bietet Stellung blieb
er, öon feinen (Sollegen geachtet, öon feinen ©djületn rjod)öerer)rt wegen feiueä
gebiegenen ttjeologifdjen Söiffenä unb wegen ber tfauterfeit jeineö Gtjarafter*,
big ju feinem £ob, nadjbem er wenige ^arjre juöor (1717) norf) bie greube
erlebt, feinen einzigen ©ot)n (Strriftopt) s.Dtattf)äuS junt ßoüegen im afabemifd)en
£et)ramt ju ertjatten. ©eine £od)ter ^otjanna, bc8 Äanjletä ältere ©djmefter,
War bie ©attin bcsi Tübinger ^roieffors Sotjann Gtjriftan Ätemm (r 1754).
s}}faff'a afabemifdje 2el)r= unb fdjrifftellerifdje ütrjätigfeit erfttetfte fid) auf öer»
fd)iebene tf)eologifd)e 3)iäciplinen, inäbefonbere auf (Jrftärung be§ Sitten unb
bleuen Seftamentä, auf 25ogmati! unb ttjeologtfdje ^olemit. ©o fd)rieb er
2)iffertationen über baS ©öangelium 'Dtatttjäi, 9lnmerfungen jjut ©tynopfe beä
Tübinger £t)eologen 2t). I|umm, eine „Sylloge controversiarum". 2lbl)anb=
lungen de theologia mystica , de ubiquitate , inibefonbere aber einen 33emei3
für bie 2Batjrt)eit ber eöangeüfdjen Ajirdjenletjre auö bem canonifdjen Üied)t
(„Dogmata Protestantium ex jure canonico comprobata" 1712).
ßine furje £ebenebefd)reibung öon il)m lieferte fein ©ofjn, ber Äanjter,
Tübingen 1720, 4U. Slufcetbem ögl. : ©toll, Sßüttemb. lHagiftetbud)
©. 297. — Seporin, geben ber ©etef)rten ©. 770 ff. — Bibl. Brem. IV,
772 ff. — #irfd)ing, £anbbud) VII, 1, 99. — 3öd)er=9totermunb III, 1484;
V, 2156. — S3öE=eifenbad)^lüpTel=2öei3fäcfer, ©efd). ber lübinger Uuiüetfität
unb ttjeol. ^acultät. SÖagcnmann.
1>fflff: 3otjann gtiebtid) s.p-, 'DJlattjematifet, rourbe am 22. 2)ecembet
1765 at§ ^Weitet unter ben fiebcu ©ötjnen beä ©et). Dberfinanjrattjg g. 58. öon
*Pfaff in Stuttgart geb., f am 21. ^Iptil 1825 in JpaHe. W\t 9 Saroten rourbe
*P. al§ ©otm einer rjod)gead)teten Seamtenfamilie in bie tjerjoglidje $atl6=
afabemie aufgenommen, an weldjer er baä juribifd)e ©tubium öoüenbete. ©eine
eigentlidje Begabung war aber eine mat£)ematifd)e, was ben ßeljrem ber Slfabemie
nid)t entging, unb auf bie tjerüorragenben Särjigfeiten bes jungen Cannes auf=
merffam gemacfcjt, fd)icfte itjn $crjog $arl 1785 nad) ©öttingen, um fid) bort
unter .Uäftuer unb 2id)tenberg, ben weithin berühmten £et)retn ber sUtatrjematit
unb ^Ijrjfif, weiter au^ubilben. 9cad) etwa jWeiiäfjrigem 2luientl)alte begab fiel)
%, immer bem 2ßunfd)e feines fürftlidjen ©önners cntfpredjenb, ju S3obe, bem
berliner s^ftronomen , öon ba nad) 2üien , unb bort erreichte ben eben erft
22jäl)rigen jungen ©etetjrten eine Berufung als orbentlid)er s^rofeffor ber 9Jtatfje=
mati! nad) Jpelmftäbt an bie ©teile bes ju Dftern 1788 nad) £atte überfiebeln=
ben Flügel, *p. war nämtid) jetjt fd)on at§ bas anerfannt, ali wa8 wir it)n
bezeichneten, ©eine „Commentatio de ortibus et occasibus siderum apud auetores
classicos commemoratis" War 1786 öon ber pt)itofopr)tfd)en gacultät in ©öttingen
mit bem greife gefrönt worben, fein in ^Berlin öevöffentlictjter „Söerfud) einer
neuen ©ummationämett)obe nebft anbeten analt)tifd)en 3?emerfungen" Ijatte
getabe^u ^uifeljen erregt. Jperjog Äart öon äßürtemberg Willigte barein, bafj
^P. in bie it)m eröffnete ©teile eintrete, unb öon nun an gefjötte *p. ungefähr
ebenfolang al§ fein ftüfjetcä ßeben gebauett tjatte, big ju bet 1810 erfolgten Sluf=
tjebung ber llniöerfität |>elmftäbt, bem Seljrförper berfelben an. Sine Berufung
nad) SDorpat lehnte er 1802 ah. 3m $. 1800 üerfebte i^n bie Weftfälifd)e
Regierung an bie llniöerfität -^atte, an ber er bi§ ju feinem Sebenöenbe witftc.
Männer Wie ^oüweibe, ©erling, 33artelö gehörten ju feinen banfbaren ©d)üleru.
©aufj war it)m in bet Jpelmftäbtet 3eit befonbeti natje getreten, wenn auefj öon
einem Sßettjältni^ wie öon ©cfjület au ßefjrer bei biefem frühreifen ©eniu§ nid)t
SPfaff. 593
bie 9tebe fein fann. tpfaff'ö totffenfd^aftlid^c ££)ätigfeit äußerte fidj auct) jc^rift=
ftellerifcfj meiter. @r öeröffentlic^te 1797 ben I. (einigen) 93anb ber „Disqui-
sitiones analyticae maxime ad calculum integralem et doctrinam serierum per-
tinentes", in roelcrjem unter Slnberem audj lineare 2)ifferenttalgteid)ungen 3roeiter
Drbnung berjanbelt finb, eine Vorarbeit für bie gleich, nadjrjer ju nennenbe t)er=
borragenbfte £eiftung ^pfaff'g. @r mar eifriger Mitarbeiter an |)inbenburg'S Slrdjib
ber ^ftatfjematif, für roelcrjeS er 3at)treictje ^Beiträge in bem combinatorifdjen
©eroanbe lieferte, roeldjeS gleictjfam bie Uradjt jener uniformirten 3eüfci)rift
bitbete unb biefelbe bem tjeutigen ßefer fa[t ungenießbar madjt. @r beseitigte
fictj 1810 bon ^atte aus in gadj'S 9Jtonatlicr)er ßorrefponbenj an ber ßöfung
ber bon ©auß aufgeworfenen grage ^a(f) °^' <Sttipfe größten ftläffyznxaumZ,
roeld)e einem gegebenen Sßierecfe einbefcfjrieben roerben fönne. @r legte enblid)
1815 ber ^Berliner 2I£abemie feine bebeutenbfte Slbtjanbtung bor: „Methodus
generalis aequationes differentiarum particularum, nee non aequationes differen-
tiales vulgares, utrasque primi ordinis, inter quoteunque variabiles, complete
integrandi". äBie rafdj bte Sßicrjtigt'eit biefer 5tbt)anblung in 3)eutfcf)lanb erfannt
rourbe, ift fdjon barauS 3U entnehmen, baß Sofy £obiaS 9Jtarjer itjrert £)aupt=
intjatt bereits 1818 bem II. *8anbe feines SBollftänbigen SetjrbegriffS ber rjötjercn
2lnatt)fiS eintiertei6te. Gjuropäifcfj befannt mürbe fie fveifict} erft nacrj 5)3faff'S
Sobe, unb jmar feit 1827 burd) <L &. 3- 3acobi'S 2lbfjanblung in GreüYs
Journal II, 317: Ueber bie ^fafffetje ^Jiettjobe eine geroörjnlicrje lineare SDiffe=
rentialgteicfjung sroifcrjen 2 n SÖariabetn buret) ein Softem bon n (Steterjungen
3U integriren. 2>aß ty. fdjon meit früher bon ben Slfabemien in Petersburg, in
©öttingen, in 23ertin, in $ariS tfjettS jum Gorrefponbenten, ttjeitS jum 9Jtit=
gtiebe ernannt mürbe, muß, mie eS fdjeint, auf 9tect)nung feiner fonftigen Seiftungen
gefegt merben. 5Die ^erfönlictjfeit ^faff'S mar außerbem nacr) allgemeinem Urtrjeile
©egenftanb innigfter, meiteft öerbreiteter ^octjadjtung. @r mar feit 1803 mit
einer Goufine, Fräulein SBranb, berrjeiratrjet, roeldjer er ^roei Sötjne hinterließ,
©ein äiemlid) umfaffenber SSriefmedjfel ift 1853 tjerauSgegeben, unS aber teiber
nietjt 3ur Verfügung.
S3gl. CmuYfdje Sitteratur^eitung 1825 9lr. 112. — Steuer ftefrolog ber
SDeutfdjen III. Safjrgang (1825) S. 1415—1418. — ^oggenborff, 33tograpt).=
litterar. ^anbmörterb. 3. (Sefdj. b. erbeten Söiffenfdj. II, 424. Santor.
^faff: Sofjann 2Bilrjetm SinbreaS $., 9Jtatt)ematiier. Süngfter
SBruber üon ^ol)aun griebriefj ty. (f. b.), mürbe am 5. 5December (nacr) anbercr
Angabe am 8. Secember) 1774 in Stuttgart geboren, t am 26. $uni 1835
in (Srlangen. Seichte Sluffaffung, ßebenbigfeit beS ©eifteS, baneben eine gemiffe
llnbeftänbigfeit, bie ntc^t jugab, baß bie gleiche 23efcr)äftigung irjtn lange genügte,
maren feine fennjeicrjnenben 'Dfterfmate. S3or Sottenbung bei 17. Seben§jatjre§
mürbe er au§ bem Stuttgarter ©tjmnafium jum fog. Stift in Tübingen entlaffen.
S}on bort üromobirt, ma<f)te er einige Steifen. 3m 3- 1800 mar er Stift§=
repetent. %m 5luguft 1803 ertjiett er einen 9tuf an bie neu errichtete Uniberfität
5Dorpat, bermutb^lid) auf (Smpfe^tung feines 33ruberS Sot). ftxxtbx., ber eben 3U
jener Qixt bie itjm angebotene ^rofeffur ber Mattjemattt bafelbft auSgefctjlagen
blatte. Söenn ty. aueb^ allen ©runb gehabt blatte über bie frürje Seförberung,
über bie Stellung bie fidj itjrn fomoljt als ^ofratl) unb Sternroartenbirector, als
feit September 1804 als ©emat)l bon ^autineb. ^8atful auS bem berühmten tiblän=
bifd§en 2lbe(Sgefd)lecf)te öffnete, rjocrjbeglütft ju fein, fo 30g eS ifm boct) uumtberfte^lic^
nadj feinem beutfetjen Süben. j$n SBürtemberg fetbft unter3ulommen gelang ib^m tro^
roiebertjottcr Semerbungen nidjt. @r erhielt aber einen 9tuf an baS 9tealinftitut
in Nürnberg, mob^in er im Sluguft 1809 überfiebelte. 1817 ging er bann als
Stiigem. beutfd&e SioaraD'öie. XXV. 38
591 $fßff.
UniPerfitätäprofeffor ber DJlatfjematif nad) SÖürjburg, 1818 nad) (Hangen, ^u
Nürnberg üertor 5ß. am 15. 9Jiärj 1816 feine ©attin. 3lnbertt)alb 3faf)te barauf
fdjlofj et eine jtoeite gtüdlidje unb mit .ftinbern gefegnete Grrje mit i'uife *ß(anf,
ber Söittroe eincö ®eiftlid)en. 3lu3 bev etften Gtje mar übrigen§ aud) eine £odjtcr
am Seben, bie aber nod) unücitjeiratljct 1832 ftatb. ^faff'3 2ob raurbe 1835
unter met)rmonatlid)em fd)mcren Seiben butdj fid) miebertjolenbe (Sdjlaganfätlc
rjerbeigefürjit. 5ß. mar 9Jtitglieb ber 3lfabemieen ju Petersburg unb 9Mnd)en, ber
pf)r)fifattfd)=mebicinifdjtm ©efeEfd)aft 31t 3Jto§fau, unb fragt man nad) feinen eigent=
lidjen miffenfd)aftlidjen Stiftungen, fo tjält e§ fd)rocr Jperüorragenbeä auäfinbig jju
madjen. 33atb feffelten ifyn <5an§fritftubien, balb ,!pierogU)pt)enbenfmate, balb
marf er fid) gar auf 3l|"trotogie, bie er in bie Oteifjc ber 2Biffenfd)aften mieber cinju=
führen beabfidjtigte. 3lm merttjpollften finb nod) aftronomifdjc 3lbtjanblungen
3ur ©törungSredjnung, tueldje *$. für t)crfd)iebene ;}eitfdjriften (Lobe'S Sarjrbuä),
üon 3ac*)'3 sUJonat(id)e Gorrejponbenj, Senffd)riTten ber fRündjenet 3lfabemie)
betfafttf.
Sgl. Wen« «Hefrolog ber Seutfdjen XIII. Sfaljtgang (1835) ©. 575—578.
— s4?oggenborff, 53iograpr).= titterar. .£>anbroörterb. 3. ©efd). b. eracten SCßiffen»
fdjaft II, 428—429. Kantor.
1>fflfp Sfoljann ßcontjarb 5ß., S3i|djof bon ^utba, g.eb. am 18. 3Iuguft
1775 311 ,£)ünfelb in $urr)effen, f am 3. Januar 1848 3U gutba. @* mad)tc
feine ©tubien 3U ftutba, mürbe bort 1793 Soctor ber ^^ilofopfjie , 22. ©ep=
tember 1798 Sßriefier. 6r mar bann ,yinäd)ft (iaplan bafelbft unb mürbe 1802
4Jrofeffor am (SVjmnafium , 1803 .^ofeaptan unb geiftlidjcr Watt) be§ Sfütjl«
bifd)of§, 1804 Setjrer be§ ßird)enred)tö unb ber (Sregefe au ber tt)eologifd)en
Setjranftatt. Ser gftttftymmaS Salberg ernannte it)n, nad)bcm fjfulba bem @rofj=
rjerjogt^um gftanfftttt einverleibt morben (3t. S. 33. IV. 707), 1812 311m Obetfdjul»
unb ©tubienratl), bie furrjeffifdjc Ütegierung 18 IG 311m Sirector be§ £t)ceum§
unb ©Pnmafiumä 3U gutba. 1823 unb 1824 Perfafjte $. Ijauptfädilid) bie
23efd)roerben beS bifd)bitid)en ©eneralüicariateä 31t $ulba (©eneralüicar mar
Sft. ü. .ftempff) gegen ba3 bie Skrrjättniffe ber (mr Siöcefc fyulba getjörenbeu)
fatfjolifdjen ßtretjen unb <2d)u(en im ©rofetjcr^ogtljum <5ad)fen = 2ycimar bc=
tveffenbe ©efetj Dom 7. October 1823 (Sarmftäbter attg. Äirdjenjeitung 1823,
sJir. 97—99; bie 33efd)merbeu nebft anbeten 3lctenftüden ebenb. 1824. 9lr. 139
biä 141 , aud) befonber§ gebtudt 3U 9flain3 1824). @r üeröffenttidjte aud)
„53emerfungeu ju bet in bet 5lHg. ßitd)en3citung 1825, 9lr. 23 — 25, ent=
tjaltenen 33eleud)tung ber 33orfteüungen unb 58efd)merben be§ bifd)5flid)en
©eneraluicariatö 3U gulba" 1825. 5ß. ftanb in bem Sßer^eidjni^ Von 14 (Seift=
lidjen, melcrje 1823 Don föorn au§ für bie fünf SBiättjümer ber oberrl)cinifd)en
.ftirdjenprotnnj oorgefdjlagen mürben ($. ßongner, S3eitr. jur OJefd)id)tc ber
oberrb,. ßhdjenpr. <5. 256). 33ifd)of üon ftulba mutbe aber 182'.» pnädjft
3f. 31. Sieger, ty. erhielt bie ^meite SJom^ertnftelle. sJlad)bem bieget am
30. 3uli 1831 geftotben roat, mürbe ^>. am 15. 9cobember 3U feinem 5iad)=
fotger geroäf)lt, am 24. gebruar 1832 präconifirt, am 2. «September confecviit.
(Sie SBafjl mürbe öon bem $rofeffor Butter [31. 5D. 33. XXII, 711] otme Erfolg
beftritten, roeit ^mei @f)tenbomt)erren , bagegen nid)t bie Sompräbenbaten mit=
gemäht tjätteu unb 5ß. feinen afabemifd)en ©rab befifee; 3lfd)affenburger Äird)cn=
Leitung 1832, Sitt.--33l. Tit. 7). — «öltt bet fitt^effifd)eu sJtegietung l)atte ip.
roieber()olt (Sonflicte megen ber gemifd)ten @fjen. 1837 meigerte er fid), einen
barauf bejüglidjcn ßrlafe öom 21. 3lpril jurüdiuncljmen, unb 1843 proteftirte
er gegen einen ben «Stänben Porgelegten ©efetjenttuurf ($. 33rüd, Sie oberrl).
.^ird)enproüiu3 @. 220). Unter bem 30. Secember 1838 überfanbte -ß. bem
©ro^erjog öon Sad)fen=2Beimar eine 33orftellung über eine Pon bem ©enera(=
$?aff. 595
fuberintenbenten 9töt)r am Dteiormationäfefie gehaltene ^rcbigt (mit ber 2lntmort
be§ SttinifteriumS bom 26. gebruar 1839 abgebrucft in £)öningt)aus' iHrdjen»
jeitung 1839, 6. 187, 239). 3m 3. 1845 trat et gegen bie Seutfdjfatfjolifen
auf, meldje in Harburg unb -gmnau 2lnt)änger gefunben unb benen fidj 3toei
(Seifilidje feiner Siöcefe angef erhoffen tjatten (berliner Äirdjenaeitung 1845,
3fac 840); er tiefe bamal§ audj ein ©ebictjt bruefen: „Sen neuen beutfdHatfjo=
Uferen ©emeinben unb itjren gü^rern djergfi unb 9tonge" (.juerft in bem
-JRainjer Sonntageblatt, bann auet) befonbers).
>#. mar ein tüchtiger Äanjelrebner; einige ©elegenb,eit»reben, bie er al§
^BifctjoT gehalten, finb gebrueft, aufeerbem einige {(eine GrbauungSfdjriften , ein
©ebictjt „Öeben unb SBirfen be§ äöinfrieb 23onifaciu»", 1835, unb (anonrjm) „Sie
ctjriftlicrje ©lauben§= unb Sittenlehre in itjrem 3uiammen^an9e uno m<$ oem
Sinne ber fatfjolifcfjen Äircrje furj unb gtünblicf) bargeftettt", gulba 1820 unb
ÜMndjen 1821. 3n SDlaftiaur' Sttteraturjeitung finb jmei bon it)m in elegantem
Latein gefdjriebene Programme be§ gutbaer g^eumS Don 1819 unb 1821 abge=
brueft: „De probitate morum cum literarum studiis conjungenda prolusio" (bei
s2Jtaftiaur 1820, ^nteHigenjblatt 9tr 4) unb „In memoriam J. B. Hillenbrand,
Gvmnasii Fuldensis quondam Rectoris" (6ei Dtaftiaur 1821, 3lx. 102 — 104).
91. «Refrolog 26 (1848), 47. fReuf cj.
'^foff: föaxl $., geb. }U Stuttgart am 22. gebruar 1795, f p Gelingen
am 6. Secember 1866. %m ttjeotogiferjen Seminar unb bem Stiit in Tübingen
gebilbet, befeette it)n al3 Grbtrjeit feine§ all 3lrdi)ibar angeftettten Saters lebhaftes
^ntereffe für bie t)eitnifdt}e ©efdjicrjte. %m 3- 1818 an ber Sateinfctjule in Gelingen,
jeit 1819 mit bem xitel eine§ Gonrector§, angeftetlt, janb er 5Rufee genug,
namentlich) im bortigen fiäbtifctjen Slrctjibe unb im Staatsarcfjibe ju Stuttgart eine
erftaunticfje Sülle gefcrjidjtlicrjen Stoffes1 ju fammetn unb in jarjlreictjen Schritten
unb Sl&fjanblungen p berarbeiten. Dieben bem großen SammeifleiBe äeidmet
ifjn bie 2iebe jum 2}atertanbe au§. SBie er als Setter weniger buret) anregen=
ben llnterricrjt, als" bureb, Gtmecfung be§ Sinnes" für 53aterlanb unb gteirjeit
Giuftufj ausübte, fo berfenfte rr fidj mit mariner Neigung in bie Grellheiten
ber rjeimifcrjen ©efcfjidjte unb ftettte beren leuctjtenbe Sorbilber ber 9Jcitmelt bor
klugen. So mar er benn aufrieben mit feiner befdjeibenen äußeren Stellung unb
oerfuctjte nur einmal (1845) einen itjm angemeffeneren SBirfungsfreiä am Staat§=
ardfcjibe ju erfjalten, eine 33emüf)ung, meldje roegen feiner bolitifcb/freifjeitticrjen
Oticrjtung feinen Grfolg fjatte. Sie letztere madjte er namentlich in feinen 3Be=
ftrebungen für bas beutfcfje Sängermefen geltcnb. 5lls er 1846 311m SBorftanb
be§ bon it)m mitbegrünbeten Gfjlinger 2ieberEran3e§ geroäfjlt mürbe, übernahm
er bie Aufgabe im .gunblicf auf bie fociate unb nationale SSebeutung ber Pflege
bes beutfetjen Siebe§. @r mar e§, ber 1847 ba§ erfte in Seutfdfjlanb abgehaltene
Sängerfeft ju $lod)ingen leitete unb im Verlaufe feiner Stjätigfeit jum ^räfibenten
beö 1849 äufammengetretenen fctjmäbifcfjen SängerbunbeS beftellt mürbe, ßbenfo
nabjm er eifrigen SIntljeU an ber ©rünbung bee beutfdjen Sängerbunbe§ im
^. 1862 unb gehörte beffen SluefctjuB an. Sie bieten Üteben, bie er bei folgen
heften tjielt, 3eigten, bafe itjm menigften§ ber pahtotiidje 3wecE biefer SBcrcini-
gungen obenan ftanb. Seine SBerbienfte eb,rte 1841 bie Stabt Gelingen buidj 33er-
leit)ung be§ Gb.renbürgerrec^tö ; naef) feinem 2obe festen if)m bie beutfetjen Sänger
mit mof)(gelungener efjerner 5Büfte in feiner jmeiten Söaterftabt ein Senfmal.
Äurj bor feinem Slbleben übergab er ber öffentlichen Sibliottjef in Stuttgart
feine reiben Sammlungen mit «öunberten bon |>anbfcr)riften unb Srucfen, Ütegeften
be» mürtembergifetjen gürftenrjaufe§, bon mefjr al§ 1000 dürften* unb Slbell»
gefctilecfjtern, bon bieten Stiften, Älöftern unb Sfteidjgftäbtcn , sufammen über
38*
596 Sßfftffinaei — ipfoffrab.
40 000 Urfunbenaugpge, fetner ein S)iplomatar mit gegen 9000 Urfunben*
abtriften. Seine ©Triften finb : „@efcf)id)te 2öürtemberg8" (1818—1820), ,,«DH8«
cetten nu8 bet mürtembergifd)en ©efd)id)te'' (1824), „SBürtembergifcrjer s$lutard)''
(1830—1832), „Sie Duetten ber älteren mürtembergifdjen ©efdjidjte unb bie ättefte
s4Jetiobe ber mürtembergiferjen t£)iftoriograpf)ie" (1831), „Urfprung unb jrürjefte
©efd)id)te be8 mürtembergtfd)en gürftenf)aufe8" (1836), ,,©efd)id)te be8 dürften»
fmufe8unb Sanbc8 Söürtemberg" (1839), „2öürtembergifd)e§ £etbenbudi" (1840),
„ftürftenfjauS unb Sanb SBürtemberg nad) ben .gmuptmomenten" (1S41), „Serfud)
einer ©efcrjicfjte be8 geteerten Unterrid)t8mefen8 in 2Bürtemberg in ben älteren
3eiten" (.1842), ,,©efd)id)te bc8 9JWitärmefen8 in Söürtemöerg" (1842), „Wrid)
.^er^og ju 2öürtemberg" (3. Sanb ^u ^et)b'8 2Bev!, 1844), ,,©efd)id)te ber Otabt
Stuttgart" (1845—1846), „®efd)id)te ber 9teid)8ftabt@&lingen" (1852), „®efd)id)te
"Üttöfjringeng auf ben f^bern" (1854), ,,©efd)id)te ber Qfrauenfirdje in Gelingen
unb itjrer Oteftauration" (1863), „Sie ffünfiterf amitte SöBlinger" (1864), „2Bürtem=
bergifdjc Söeincrjronif" (1865), „2Bürtembergifd)e8 ©ebenfbud) auf atte £age be8
3a^rS" (1865).
Sögt. 3ur Erinnerung an ßarl Sßfaff (g&lingen 1867).
6 u g e n S d) n e i b e r.
^fäfftllflcr : urfuta $., SlOtiflin ju gvauendjiemfee, geb. am 7. September
1463 auf Sdjlofj SBilbenrjeim, mar bie Stodjter be8 nieberbaierifcfjen Grbmarfdjaüs
©entiflor ■$. unb eine Sdjracftcr be8 Gittere £)egenb,art ty., Secretät8 be3 $ur=
fürften griebrid) be8 Sßeifen. ftrüf) fd)on trat fie in ba8 ermähnte Stift unb
mürbe bort am 30. Octobcr 14'.»4 jur Sorfterjerin gemäht. 3fn biefer Stettung
entfaltete fie eine feltene llmficfjt unb Sljatfraft, bie ,}uma( rjeroortrat mätjrenb
be8 pfäijifd)=bairifd)en $riege8 öom $. 1504. 3118 ber ^einb irjrcr Sfnfct att=
mät)lid) näfyer fam, tiefe fie biefetbe mit s^attifaben befeftigen unb mit getb=
fdjlangcn bemerjren. So tonnte fie einer großen 3ar)l Don flüchtigen gamiüen auf
irjrem ßüanbe ein Slfpt eröffnen. S)a8 Stift blieb Por fcinblicfjen Stnfatten
Perfdmnt. 2tbtiffin Urfuta lieferte aud) einen Seitrag jur fteitgcfdjidjte: fie
fcrjrieb ein £agcbud) über bie bamaligen $rieg8ereigniffe, melcfjc8 im VIII. Sanbe
be8 oberbahifdjen 3Ird)iüe8 abgebrueft ift. So ungünftig irjre Stettung aud) für
ein fold)c8 Unternehmen fdjien, jeigt fie fid) allenthalben at8 gut unterrichtet,
^fjrc ^amitienbejierjungen roufete fie ju ©unften i(jrc8 ÄlofterS flug ju benutzen.
So bemittigte ^eqog Sßotfgang Pon Saicrn, mie bie Urfunbe fagt „auf Sitte
unfev8 DtjeimS be8 .Wurfürften gtiebrid) öon Sad)fen" bem Stifte ben ©ebraud)
einc8 grofjen fjfifdjnetjea, eine8 fogenannten „Schöpfen" . Urfuta ^. ftarb am
28. Cctober 1528.
3)eutinger8 Seiträge I. S. 362—377. ©. 2Beftermat) er.
idjute ^u „
üorgebilbet, ftubirte er feit 1586 ^tjüofoprjic unb Ideologie ju £)elmftebt, mar
ein Sdjüter ber Geologen %. .^efrlmfen (f 1588) unb S)anie( ^»ofmann
(f 1611) unb mie lefjterer ein eifriger 2tnt)ängcr ber 9camiftifd)en 5)3t)i(ofopr)ie
unb ber tutrjerifdjeu Drttjoborje im ©egenfats gegen bie in .ipelmftebt aümärjlid)
,^ur ^errfdjaft getangenbe ^riftotelifct) = 9Mand)tb>uifd)e ütic^tung. 6r mürbe
1588 5^agifter unb SDocent in ber pt)i(ofopt)ifd)en gacuttät, 1593 aufjer=
orbenttidier ^rofeffor ber Geologie, 1598 Orbinariu8 unb Dr. theol. 33efon=
bet8 betannt ift er gemorben burd) feine tcjcotogifcfje 5£)octorpromotion am
17. gebruar 1598 unb bie bei biefer ©etegenrjeit unter £)ofmann'8 s43räfibium
gesottene 2)i8putation über eine Pon teuerem aufgeftettte Ürjefenreifye De Deo
«Pfalj - «Pfanber. 597
et Christi tarn persona tum officio, bie 311m Sluibruch. beö fog. .gjofmannifcrjen
Streite» über baä 2}ertjältnif$ ber 5J>f)itofopf)ie unb Rheologie ben erften 21nlat3
gab. Sßäbrenb ^ofmann itjn prieS ali einen ber feltenen Sttjeotogen, bie fiel)
öom fdjolaftifdjen Sauerteig lern tjalten, bie ßinmifctjung ber menfdtjlicfjen 33er=
nunft in ©lauben»fac6,en jurücfroeifen unb it)re Ütjeologie aus ben lauteren
Cuetten ber göttlichen Offenbarung fdjöpfen, fo mar er bagegen ber (Gegenpartei
öertjafjt ali Sftamift unb $eräd}ter bei Slrtfiotetei , ali geinb ber roabren S3il»
bung unb 3ugteid) als1 SIgent unb 33ertrauenimann bei bamaligen -gmuptei ber
ortljoboren Partei im ^er^ogtrjum 33raunfch,rDeig=2Botfenbüttet, bei ©eneral=
Superintenbenten SBafttiuS Sattler. W\t ©eoig Gatijt unb feiner feit 1614
in -g)elmftebt jur £errfchaft gelangcnben 9ticbtung mar 5ß. nicbt einöerftanben ;
er öertoeigerte it)tn bai testimonium sinceritatis in doctrina, öermoctjte aber feine
9lnftcttung unb feine immer einflußreichere Sßirffamfeit nicf)t ju binbern, fütjtte
fidj batjer in feinen testen ^atjren metjr unb mebr öereinfamt unb öerftet in
■Iprjpoctjonbrte, blieb aber bennodj bii au feinem £ob im Slmt unb in fortgefeijter
Dppofition gegen bie IJfteh^abl feiner (Eoüegen. — Seine Schriften banbelu
Don ber Stamiftifdjen $bUofopf)ie, öon ber ^ugenbev^iebung, öon ber ßehre öon
ber ßircrje, Slbenbmahl, betn freien 2Bitten fomie öon ben Mitteln jur -Jperftetlung
unb Gürcjattung ber (Jinigfeit aroifdjen ber tutljenfcrjen unb reTormirten Äircfje. —
habere Angaben bei Söcber-Ototermunb III, 1485; V, 2158; bef. aber
bei 6. £enfe, ©eorg Galijt I, S. 75 ff. 2öa gen mann.
^falj: 5>. öon Strasburg galt ber Srabition ali ber 2lbn bei Strafjbmger
üfteiftergefangi : roo Stratjburger Siebter öer^eichnet toerben, finbet er feinen
%la% nod) Dor ben üblichen jroöti alten OJleiftern. Sluch. feine Stelle in ben
großen S)icbterfatalogen öon 50I3, Nachtigall unb Soigt fdjeint ibn nod) in'i
14., fpätefteni in bai beginnenbe 15. ^ahrhunbert ju toeifen. Sein Name lebt
einzig fort in ber 20reitnigen , nocl) im 17. Sabrhunbert t)iel benutzen 9toljr=
roeife ( nicht Gbormeife !), bie toatjifdjeinlich niebt einmal fein SBerf ift: roenigfteni
roirb fie in ben älteften ^anbfcfjriften, bie fie enthalten, in ber 2Bittener unb ber
§>reibener M 13, grauentob jugeroiefen.
Schnorr, 3ur ©eferjichie bei beutfeben 9fteiftergefangi S. 38, 33. 50;
berliner £f. gol. 24, 331. 167a. 9ioetrje.
^fQllbcr: Äart ©ottlieb $., ein 33aiter 9Jtifftonar, geb. in Söaiblingen
in äBürtemberg am 3. Nobember 1805. S)ie ^fanber gehörten ju ben angefeljenen
unb rooblfjabenben bürgern ber Stabt. 3rt ben geierabenbftunben er^lte fein
23ater, ein gemütrjöotler 33ädermeifier, gerne öon allerlei roiehtigen (Sreigniffen
feiner 33aterftabt; 3ung unb 3ltt r)örte ihm gerne ju. Seine Butter flammte
aui bem nahen, geiftlich bebeutfamen ftefl'bad). @» roar eine djarafteröoHe,
roiHensftarle ^rau, bie mit fräftiger £)anb ba§ ^»auiregiment leitete. 3f)re neun
Äinber erjog fie in einem gefunben, frommen 65eifte. 9tachbem $. bie 2atein=
flaute feiner Sßaterftabt bur4gemact|t hatte unb confirmirt mar, erlernte er ba§
panbroetf feines 3)ater§, freilich hätte er lieber ftubirt. Söeit er fdjon öon
Trübe an befonbere ©aben zeigte, fo brauten feine gttern ben lejä^rigen Sohn
naci ber neu gegrünbeten SSrübergemeinbe i?orntbal unb übergaben il)n bem
b ortigen tüchtigen Pfarrer griebrictj pt ßrjiebung. £>atte er fd)on im @ltern=
häufe biet öon ber ^eibenmijfton gehört, fo ta» er in Äorntbat eifrig ba§ feit
1816 in SSafel erfdieinenbe ^Uffion§magajin. Siamähticl) enttoitfette fich, in i^m
ber ©ebanfe, fetbft ^Riffionar p werben. @r melbete fictj in bie «JJtiffionlanftalt
ju Safet unb trat 1821 al» frifcher 18jät)iiger Jüngling ein. 35i§ jum äRdtj 1825
lag er feinen Stubien bafetbft nach, SlumharbS 3eugni& mit treuem ftteifee ob=
Namentlich jeigte fidb, bei il)m au§ge3eidinete§ Sprachtalent. S)ie 35a§ler 5Ri|fion».
598 Sßfanbet.
gcfcEf^aft fjatte fd)on fett 1823 eine Miffion im fübtidjen Wufjlanb in bem ®e=
banfen angefangen, burd) SBieberbelebung ber morgenläubifctjen ß?irdjen, namentlich
ber armenifdjen, auf bie Miffionirung bev mofjamebanifdjen Söelt ^injumitfen. 5öe=
veitö mar garemba mit einem tüd)tigen GJefäfyrten (f. Sebberljofe, Seben unb 2öitfen
beä 9Jcif|ionar§ garemba, 53afel 1882) nad) Sübrufjtanb abgereift, Äaifer 9lleran=
bct I. tuie fein trefflicher IDliniftcr ©ali^in brachten biefem eoangelifdjen 2Jttfjtön8«
roerfe Söerftänbuifj entgegen. SDie bciben Männer Ratten reiche (Srfotge, befonbers
unter ben Armeniern, fo bafj fie bringcnb um Mitarbeiter baten. 63 mürben
itjnen alfo 3 anbere Zöglinge, 311 tr>eld)cn unfer s4>. gehörte, gefdjidt. Gr faßte
mit 3aremba fogteidj bie ^tiffionirung ber Iftorjamebaner in'ä Sluge, unb lieft fid)
ju bem 3roed neben ber armenifdjen Spradje bie (Erlernung ber türfifcrjen unb
perfifdjen fefjr angelegen fein, ^ugleid) machte er fid) mit bem .ftoran bertraut.
Sößcil er mit „Saremba befd)loffen l)atte, eine größere Weife nad) 9torboften in bie
^rotiinj Sdu'rroan 3U madjen, fo glaubten fie, eine Sd)rift an bie 9ftol)amebauer
abfaffen 3U follcn. s}}. fdvrieb fie in Briefform unb legte barin bie ©runb=
irrttjümer beä 3t^tam unb bie ©runbroarjrtieiten beä @bangeüum§ bar. 2)iefer
Xractat mürbe unter ben Mobamebaneru in unb um Sd)ufd)a tote auf ben
Miffionäreifen in Armenien, Mefopotanüen unb Sßerfieil ücrttjeilt. 3n s-l>erbinbung
mit bem Armenier Mirja ^arud) überfeine er ben 2ractat axidj inä 5perfifd)e.
sJluö bicfer Keinen Sctjrift entftaub nad) unb nad) ^fanbcr'3 bebeutcnbfte* Sßerf :
„5Jlijan ut $aqq ober bie 2Baage ber 2öat)rf)eit". @r mibertegt barin eingefjenb
ben 3«lnm unb gitbt eine feine Apologie be§ toatjren Gljriftentlnnnö. ©ie
falfctjen 33efd)ulbigungen ber Mofyamebaner, als Ratten bie (5rjriften bie Scfjriftcn
beä alten unb neuen leftamentä Derfälfdjt unb bie in benfelben aiuieblid) ent=
tjattenen äöeiffagungen auf sJitot)ameb alä ben größten s4>vopl)eteu (KotteS ttllS«
gemerkt, weift er auf ba§ fd)lagcnbfte jurücf unb legt bar, baß nur ba» Gban=
gelium bie tiefften Secleubcbürfniffe be8 Mcnfdjen nad) ^erfötjnung unb fyrieben
311 befriebigen unb ein tt>at)rt)aft fitttidjeä Seben 3u fdjaffen im Staube fei.
Später überfetjte er biefc Sdjrift in ber Stabt 2lgra in #intetinbten aud) in
ba§ ,v>inboftani unb auf feiner letjten sJJcif|ton§|"tation in ßonftantinopel inS
2ür!ifd)e.
C^in idjroerer Sdjfag traf bie 33aster Miffion in Sübruftlanb. Sie armenifdje
Öeiftlidjfeit , meld)e für iljren (yiuflufj fürdjtete , betrieb bie 2lufl)cbung ber
sJJiiffiou unb faub bei bem ©eucralgouücrneur üon ©ruften, bem (Senerat tion
))io]cn, tote bei Äatfet 'Jticolaiis' bereitmillige Unterftütmng. 2lm 5. Sinti 1835
erfolgte ber Ufa*, ^m 3- 1838 trat s}>. mit einigen anberen Miffionaren in
ben SDienft ber cnglifd)--fird)lid)en sJ.UifHon§gefettfd)aft , nad) längeren 23evb/anb=
lungen, bie fid) auf bie bifd)öilid)e Drbination bejogen. Sie mottten fid) ber=
fclben nid)t unterbieten, ba fie bereits in ifjrer ebangelifdjcn .Speimatt)5fircfjc
orbinirt maren. fß. reifte burd) ba'Z it)m befannte Reiften nad) Äatfutta, erlernte
bafelbft bie t)inboftanifd)e Spradje, unb bollcnbete einige für bie Moljamebaner
berfaßte Iractate. ^n 'ülgurpaljva bei ßalfutta leitete <yrau äöilfon ein @r=
Steljungstuftitut. 3in bemfelbcn lcl)rte unb prebigte er 5 Monate. 1841 roarb
if)m mit bem Miffionar Greift als Station lUgva angemiefen. %fyc Auftrag
beftanb t)auptfäd)tid) barin, unter t>en Moljamebanern 31t miffioniren. £a»
traten fie treulid). Sie prebigten ba§ ©öangelium in biefer alten Aiaiferftabt,
Verbreiteten djriftlidje Schriften unb leiteten bie bortigen Miffionöfdjulen. 5Der
3tal)reöberid)t ber Sßailer Miffion§gcfeüfcl)aft bom ^a^r 1844 fagt: „^ruber
Greift trägt ba§ 2eben§mort t)inau§ in bie Stäbte unb Dörfer unb läfet bie
frotje ^otfd)aft laut crfctjalten. (Srnften ^ampf fämpU % in ber großen A{ aifer=
ftabt Slgra felbft mit ben moslemifdjen ©elel)rten, bie e«s aber faum mögen,
ib^ren j^oran bem Sßort bom Sreuj gegenüber 3U bertl)eibigen." Miffionar
^fonber. 599
pöxnlt fcgreibt au§ 2lgra unterm 21. Slpril 1845: „33ruber ty. ift forttnäfjrenb
im $rieg mit ben 2ftol)amebanern unb ftreitet ritterlid) gegen bie ^einbe be*
(Jbangelium§, benen e§ an nichts fetjlt, all an äöaljrljeitsliebe.'' ©eine öffent=
liiijen Simulationen mit mofjamebanifctjen ©eterjrten, benen, roie mir mit S5e=
bauern berichten muffen, fatljolifdje Wiffionare babei 2Berfe, mie ©trauß' geben
Sefu aU Kampfmittel in bie -gmnbe fdpben, matten im %. 1845 gpodje. Sie
2)lor)amebaner fauften bie 33ibet unb anbete djtiftlicrje ©djriTten, nicrjt um barin
bie 2Bar)rf)eit, fonbern S3emet§grünbe gegen biefelbe ju fucljen. $. mußte fie
aber nad) unb nad) ^um ©d)tDeigen 3U bringen.
1855 mürbe s$. nad) ^ef^aroer, ©tabt unb ßanb gleiten 9iamen§ am
ßabulfluffe, ber jum 3nbu§ aiefjt, berfeijt, um bort eine ^Ütiffion unter ben
2Ifgl)anen ju beginnen. Sie§ mar burd) DJlajot SbtoarbS beranlaßt, bcr in
einer Dtebe mit 9ied)t gefagt fjatte: „(S§ ift nid)t bie *ßflid)t ber Regierung als
folctje, in ^nbien ^rofetbten ju rnadjen. Sie ^flicrjt, ^nbien p ebangetifiten,
ift ^ribatfadje ber ßtjriften. Ser 9tuf ergebt an bie ©eroiffen ber Sinjelnen, an
bie Snergie, ben Sifer, ben cl)riftlid)en ©inn unb Söanbel ber ßinselnen." %n
•^efdjaroer gab e» toiel Arbeit. Srei ©prägen, roorunter ba§ $ufct)tu, mußten
beroättigt merben. 5]ßfanber'§ ©Triften, befonberS bie „SBage ber 2Bar)rf)eit"
mürben biet berbreitet, Sefudje in ben Dörfern gemacht, in ber ©tabt ©d)uten
unb Serfammlungelocale gegrünbet unb eingerichtet. Sie Saufe eine§ afgrja=
nifdjen Hauptmannes Sitamar 1858 machte großes 2luffer)en. Söadere Männer
folgten nad). $. fd)retbt unterm 29. Januar 1856: ,,3d) prebige in ber 2Bod)e
regelmäßig an 4 Slbenben auf ben SSa^arS ber 9JWitärftation unb 2 $ftal am
borgen in ber ©tabt, trjeü§ in r)inboftanifd)et , tt)eil§ in perfifdjer ©pract)e.
Sfn ber ©tabt aber finb bie ^uprer bis jetjt meiften§ feljr ungeftüm, unb nur
feiten fommt c§ bor, baß fie eine 3eiüang ruljig prjören. Ifteine ©djrift, Gr=
roiberung auf bie testen fd)rifttid)en Singriffe ber SelfjU unb 2{gra=1ftoI)amebaner
rjat enblid) bie treffe beriaffen, fie jjärjtt 152 eng gebrückte (Seiten, ^cr) Ijoffe,
ba§ mirb ba§ Setzte fein. $<£) tjabe nun uidjt» meiteres' ju fagen unb benfe,
aud) bie 9floljamebaner merben alle» borgebradjt rjaben, roa§ fie au§ unferen im»
gläubigen ©djriftftetlern aufgabeln fonnten. ©egenroärtig befdiäftige icr) mid)
nun mit bcr Dtebifiou meiner ©crjriften im *ßetfifd)en; e§ foE nämlid) eine neue
2tu£gabe, bie 4. perfifdje, gebrudt merben." Söätjrenb be§ ©ipob=2IUTftanbe§ im
$. 1857 blieb ^efcrjamer unb Umgegenb rutjig unb bie 9Jtiffion§arbeit fonnte
ungeftört fortgefetjt merben. 9}od) im ^. 1857 mürbe ir)m ungefucrjt eine große
^lu^eictjnung ju %^t\i, inbem iljn ber Grjbifc^of bon Ganterburrj, bem biefe§
afabemifct)e Sorredtjt aufteilt, jum Soctor ber 2l)eologie ernannte, ©erjon ein
^al)r fpäter berfeite itjn feine SefcHfcr}aft nacl) ^onftantinopel. £>ier Ijatte
bamal§ ber englifcfie ©efanbte ©iratforb = Ganning ba§ Hat Humajum ermirft,
jenen Grtaß be§ ©ultanl, metetjer ausbrucfttcl) bie 3ufa9e enthielt, fein ^Oslim,
melclier ß^rtfi roerbe, foüe bafür geftraft merben. SDie firdc)Iid^c ©efeHfc^aU
glaubte, baß nun für fie bie ©tunbe jur ©rünbung einer cbangelifd)en 50tiffion
unter ben Surfen gefcfcjlagen Ijabe unb baju mar rooljl niemanb geeigneter, al§ 5(J.
^n einem Sorf in ber 5Rät}e bon ßonftantinopel ließ er fiel) gunäcfift nieber
unb überfe^te feine brei micrjtigfien ©crjriften in§ Sürfifclje. 5^ijan ul £>aqq ift
un§ befannt. SDie anbere 93iiftalj giebt eine Darlegung ber Seljre bon ber
Sreieinigfeit unb ber G5ottl)eit ßljrifti, mit Ütücfficfjt auf bie fatfe^en 93or=
fteßungen, meldte fiel) hierüber bie 2Jlol;amebaner maeljen. Sie britte Sarig
berjanbett in ber Setjre bon ©ünbe unb Srtöfung bie funbamentalen Unter=
fd)iebe jröifdjen bem Güangetium unb bem Äoran. Ginige £$al)re fiüljer Ijatte
ein amerifanifd^er 9Jliffionar biefe ©diriften fommen taffen, aber fie mürben
confi§cirt. 3e|t paffirten fie ba§ S^fjaui ungeljinbert. Sa3 änberte fid) aber
600 <Pfannt>crg.
balb. (Sin türfifdijer fprofeffor unb IDtitglicb bes 6raiermngsratt)es beröffentlid)tc
unter bem £itel „©onne ber SBa^r^cit ", ein Ü8udj bott ber gtöbften unb
t^öricfjften ©d)mät)ungen gegen bie (Stniften unb ifrte Religion, @d eifc^ien,
nodj efje ein einiges türfifdjes (hemplar ber ©cijrift ^fanber's in Umtauf
gefommen toax. 2>ie iird)lidje 9Jtiffionsgefetlfd)aft gab barauf eine furje 2Biber=
legung jener mafetofen Eingriffe tjeraus. SDiefe ©djrift mürbe biet gclefen. 2)as
■■üUffionsmcrf rjatte feinen füllen unb ruhigen Verlauf, ^löfcUd) aber änbertc
fid) biejer guftanb, als ber erfte belehrte 9Jloslim (2Billiams) 1842 getauft
würbe. 6r muibe amei 1DM bcrlmftet, aber burd) bas ßinfdjreiten bes Sonfuls
betreit. Um biefelbe 3eit würben anbere befefjrte Surfen feftgenommen unb in
ein ©efängnife für gemeine ^erbrecfjer gemorfen. Sßeitere Gnnferferungen folgten.
2)er ©ultan liefe 1864 bie Käufer ber firdjtidjen s)Jtiffionegefeüfd)aft, ber 2lus=
breitungegcfellfdjaft unb ber 33ibetgefettfd)aft fcfjliefeen. Spione machten jebe
fernere Slnnätjerung bon 'üftoslims unmöglich). @tma 20 djrift lid) angeregte
dürfen mürben berbannt ober auf bie ©aleeren gefd)idt. £er 2)rucf unb bie 6in=
futjr bon türfifdjen 53üd)ern muvbc betboten, fclbft Uebcrfcljungcn bes .Zorans mürben
auf bem 3otrf)aus confiscirt unb ein 2ractat über (Stjriftus fogar bernicrjtet.
Seiber mar ©tratforb=tfanuing nid)t mefjr ba; ber nunmetjrigc ©efanbte Sic
.£>enrt) 33ulmer näherte fid) metjr ber türfifcfjen ^luffaffung, als ber ber s]Jtiffionare
unb ber ©ultan liefe eben einfad) bie auegefprodjene ßufage oeö Hat Humayum
fallen. 5ß. 30g fid) jetjt nad) ßugtanb jurürf unb liefe fid) in JRidjmonb, ber
rnumatl) feiner jmeiten ©attin in ber sMrje bon Bonbon nieber. Seine evfte
©attin mar ©opfjie föeufe, £od)ter eines ruffifdjen Staatsrates in DJlosfau. @r
mar mit itjr nur 10 Monate beretjelidjt. Sie ftarb in Scfjufdja am 12. *Dcai 1835.
©eine jmeite ©attin mar Gnnilie ©mma Sminburne. 5lus biefer (Jtje finb
mehrere Äinber Ijerborgegangen. Gr follte aber feine lange Oturjejeit metjr geniefeen,
benn fdjon am 1. £)eccmbet 1865 ging er aus ber ftreitenben in bie ttiumprjirenbe
tfirdje.
Diacfj fdjriftlidjen 'üftittljeilungen bes Pfarrers ßppler bon 23irsfetben bei
23afel, melier mit einer ausfüljrticfjen ÜMograpt)ie bes 9Jtiffionars s}>.
befdjäftigt ift. 2ebbert)ofe.
^failllbcrg : £iefes namljafte fteiermärfifd) = färntnifcr)e Slbetsgefdjledjt ber
mittelalterlichen Crpodjc barf mit aller 22)ar)rfd)einlicf)feit als urberraanbt einer*
feits mit ben ©rafen bon ©oune, anbererfeits mit ben ©rafen bon 3eltfcr)ad)
bejcidjnet merben , benen aud) bie gütermädjtigen ^eunburger angehören, 3tjr
älteres SBefi^präbicat mar ^eefa 0}>edad)=s}>eggau in ©teiermaif). 2lls ber erfte
biefes Samens erfdjeint 9tubolf um 1136. ©ie fütjrcn glcid) ben ifjnen ftamm=
bermanbten ©anedern ober ©ounefern (nadjtnals ©rafen bon Gitli) bie 9tang=
beäeidjnung „5reie" (Liberi). Unter ben Urenfetn bes oben ermähnten 9hibolf
bon s4>etfadj taudjt neben biefem älteren ^räbicate bas jüngere „^faunberg"
(^tjannenberc), fo tjcifet nod) l)eute bie Burgruine in ber 9Jät)e bes oberfteierifdjen
gjlarltes gro^nleiten , auf unb berbrängt bon 1237 ab bie urfprünglidje SBe»
3eid)nung s4>edac^=^egga. 2lls bebeutenbfte Vertreter bes 5pfannberger ©efd)ledjtes
erfdjeinen im 13. unb 14. 3fafjrtjunbert:
1) Ulrid) I., ber etfte ,,©raf" (comes) bon 5ß-, urfunblic^ nocl) im
3f. 1236 (5. Slpril) als „de Pecka" bejeictjnet, 1237 jebod) in ber Söiener Ur=
funbe Ä. griebrid) IL (bom gebruar) fetjon als ,,©raf" b. ipfannberg unter ben
Snneröfterreicrjcrn an erfter ©tettc angeführt; ein 33en>eis für fein Slnfcljen. @s
mar bies jur 3eit ber ferneren ©ct)idfalsprüfung bes SBabenberger ^erjogs
f5friebrid)s bes ©treitbaren, bem bie Stdjterflärung bom ^5. 1236 bie £änber
OefterreidE) unb ©teiermaif gefoftet. — ?lts biefem ber 2öed)fel ber ©ad)lage
SPfanribetg. 601
unb bie eigene ütljatfraft 1239 40 ba§ Sßerlorene toieber öerfdjafften, finben toir
ben ^fannberger in bet namhaften (Stellung eine§ £)beift=8anbrid)tet§ (judex
generalis v. supremus) bet ©teietmarf, bem ^erjoge toieberfjott jur Seite; fo
1239, 1240 bei beffen 9tunbreife burd) bie ©teietmarf, 1241 ju SöelS in -Ober*
öfierreidj. — $n ben Sagen be§ ^Interregnum^, ba§ bem 21u§gange be§ legten
3Babenberget§ gefolgt toar (1246—1252), etfdjeint U. aud) al§ SSogt (advo-
catus) be§ SU. ©. ^ßaul im Sabantttjale, unb, toa§ feine politifdje ^arteiftetlung
betrifft, al§ faiferlid) ©efinnter, ber bie ©tattfjatterfcfjaft 2fteinrjarb§ b. ©örj
anetfannte (1248). 33on 1249 erlifdjt feine urfunblidje ©öur. 23on feinen
4 nadjtoeisbaren ©öljncn: Ulrid) III., ©iegfrib, SBernrjarb unb |)einrid)
füielen bie beiben leiteten, inebefonbere ber jüngfte, bie namrjaftefie Ütotte.
2) § einriß ©raf b. $. (f 24. ^uli 1282). 6r unb fein älterer
SBruber S3ernr)arb geigen fiel) als ©enoffen einer eifernen, ben SIbel ber (Steter*
marf burd) bie fte<f)t§unficr)errjeit eine§ tjerrentofen 3uftari^eg bemoralifirenben
3eit, in einem feineätoegä günftigen Sidjte. 1250, 1. ^nni, ftelten fte bem ge=
walttfjätigen ©räbifefjofe bon ©alaburg, bem ©ponrjeimer £)eräogsfof)ne ^fjitibp,
itj« Sienfte ^nx Verfügung. 1251 ferjeint ty. für bie ungarifdje ^ßartei ge=
toonnen toorben ju fein, 1253 ftanb er jebod) entfdjicben auf Seiten Äönig
£)ttofar§, ber bamal§ in§ fteierifcfje Dberlanb, nad) ßeoben, gefommen. Sann
fügten fid) bie ty. ber arbabifdjen 2anbe§rjerrfd)aft, ba ber Dfener triebe bon
1254 eine Stuäeinanberfetmng ätoifdjen Ungarn unb 23örjmen betoirfte. 2fn btefen
Reiten ber norübergerjenben ^errfdjaft Ungarns erfahren mir au§ Urfunben, bafj
^einridj b. ^ß. al§ (Schäbiger be§ Ätoftetä 9tein jum ©djabenerfa^e toerurtfjeilt
tourbe. ^ebenfalls blieb er nicfjt surüd, alä bie Slbfdjütttung ber ungartfcfjeu
£)errfcfjaft bor fid) ging (ß. 1259). 2118 Äönig Ottofar, ber neue Sanbesfjerr,
6. Dctober 1260 in ©ras toeitte, befanben fid) rjier aud) bie beiben ^iannberger
SBernfjarb unb ,§einridj, roiber toeldje bamal§ ba§ 5Uofier ©t. $aul flagbar
unb al§ berechtigt ertannt tourbe, feinen Sßogt fidj ju erroä^len, ben Kärntner
^erjog, Ulrid) III. ^ie^it erfor. 2lud) mit bem 2M§trjum ©urf hatten bie
^fannberg'8 eine lange gebjbe um bie ©djloperrfdjaft 2ltbed auSjufedjten, in
toeldjem |>anbel ber ^erjog bon Kärnten (10. Secember 1264) ben ©djiebfprud)
fällte. Sßerrjängnifetiott foüte fid) jebod) für £einrid) unb beffen Sßruber 23ern=
ijarb ba§ %. 1268 geftalten; a(§ 3cad)fpiet ju ber im ©efolge be§ Sö^men»
fönig§ Cttofar 1267 68 mit anberen fteierifc^en Ferren (f. 2trt. Ulridj ö.
Siedjtenftein) unternommene $reutienfal)rt erfolgte irjre SSerrjaftung a(§ ©el)eim=
bünbler — bie äßirfung ber ?lnflage be§ ^ettauer§ — . Sernb^arb tourbe ouf
©cfjtofj ^ürglein in SBötjmen, ^einridj auf ©djlofj grein in ^äb^ren gefangen
gehalten. Sie f^xettjeit erlangten fte 1269 um Cftem gegen 2lu§lieferung ber
Burgen ^fannberg, ^ßeggau, ©traffed unb ßöfdjentlial, bereu <Sd)leijung Cttofar
anbefahl. 5lufeer biefen S3urgf)errfd)aTten gingen für fte aud) nodj ©. $eter
ob ^uoenburg, Äaifer§berg ätoifdljen Seoben unb ßnittelfelb, überbieS $aben=
ftein berloren. — 2öir finben fie bann toieber im ©efotge beS ßanbesfürften, unb
ba§ $. 1271 betoirtte i^re öoEftänbige gtefjabilitirung. ©ie fjatten fidj nämlid)
im Kriege Ottofari gegen Ungarn tjeröorgetfjan, inibefonbere ^einric^, ber bem
©üffinger ©rafen 2»toan mit bem ©djtoerte im 3toei!ambfe 9lebe äu fterjen ent=
fdfloffen toar, oljne baf$ ber ©egner jebodj feiner £erauäforberung nad)fam. —
5ßon 1271 ab (in toeldjem %a$xt Sernfjarb mit bem £obe abging; bie beiben
älteren Srüber toaren fc^on längft, Ulrich III. bor 1255; ©iegfrieb bor 1264
geftorben) toertrat £einrid) auSfdjlietilicb; fein ©efd)lecb;t. 1272 madjte er bie
^eerfaljrt ©ttofarS nad) Kärnten mit unb tourbe 1274 aud) oon bem böl)mi=
fdjen Könige, um bie embftnbung früher erlittener Unbitben austilgen, unb
anbererfeitl um feine toadere Gattung im Kriege Dttofar§ gegen Ungarn (1273)
602 ^fannbcrg.
jju entlohnen, t)auptfäd)tid) aber mit Ütüdfidjt auf bie feit Ütubolr bon .^abs6uvg§
.tfönigSroaljl bebentlidje Sachlage unb aui baS Slufetjen beS $faunbergerS im ßanbe
3um ^auptmanne Kärntens beftellt. 1274 mar H- bei ber großen SJerfammtuug
in ©oefj anmefcnb. 2IIS bann ber grofje Umfdjmung bor ficfj ging, feljen mir
Hetnricb, glcict) ben anbern SlbelSljerrn im 9{eid)Sfriege gegen ben SBötjmcnfönig aui
iftubolf I. Seite, 3unädjft in ber 33unbeSberfammtung ju Stein (1276, 19. (Sept.).
IJJtit jeinen ©paaren befetjte er ^ubenburg unb 30g bann 311m £)cere bei #a63s
bürgert nad) Oefterreid). 3(t)n unb ben £>errn griebridj b. $ettau beftcltte
•Wältig Sftubolf I. (1277) ju oberften SanbeSridjtern. 9ludt) bei ber blutigen
Gntfdjcibung ö. %. 1278 roirfte er mit. SDie 9ceimdjronif ((Sap. 150) eqätjtt,
er unb ein ^ettauer mären aui bem gen Sjebeufpeugen borgcfdjobencnn rechten
Flügel bei HeereS 9tubolfS bor bem geinbe 3urüdgcroid)en unb flüchtig geroorbcu.
Sie fprid)t nur bon einem ®rafeu b. $., bod) fann baS nur unfer H- fein.
2)ann legte er fein $mt nieber. 2)aS le^te Wal taudjt er im ©efolge beS
JpabiburgerS (1279) aui, als biefer in baS £anb tarn. S)er Stob fdjeiut ifm
1282 ju SBien ereilt <fu r)aben.
Utrid) V., Gnfel Heinrich, ©olm Utrict) IV., geb. um 1290, f 23. Dct.
1354, ber borletjtc feines .^aufeö unb ber uamfjaftefte unter ben ^iannbergem.
S)eu :Ritterfd)lag berbiente er fid? in bem Steffen 3mifd)en ben Ccfterreidjern
unb 23aiern bei ©aminclSbori (1313). 2)urd) bie Glje mit 2lgneS, ©drtnefter
Utvidj II. bon 2BaHfee (181 1 1, berfippte er fidj mit biefem bon ber ®unft ber
Habsburger emporgehobenen , rjod)ftrebenben ©efd)(ed)te, unb 3U ber eigenen
ererbten ©cttung unb pcrfönticfjen lüdjtigfcit gefeilten fid) midjtige 33erufS=
fteltungeu unb bie ©elegenrjeit, in bemegten Seitcn e'nc rjcrborragcnbe Stolle 311
fpiclen. So erflären mir unS aud), baf lt. an bem öftcneidjifdjcu ©prud)bid)ter
©udjenroirt feinen fiobrebner ianb unb mir in beffen üöerfen roiUfommene Sluf«
fdjlüffc über baS ^riegSleben unferS v4>iannbergerS 'n bftl Sfotjren ber lang*
mierigen kämpfe beS Haufc*» Ha&*burg mit feinen ©egnern ertjatten. 1316
madjtc U. baS blutige ©cicdjt bei (vfjling.cn (19. September) mit, 30g bann
nod) roicberljolt bor 4>aoua» ol"i) nad) SEoSlano, Söaffcufaljvten , bie in bie
Satjre 1317 — 1320 iaflen; 1328 ober 1329 iod)t er gegen bie Ungarn bei
tfittfee (ßr)oc3e), gab beut Hcr<i09c Otto bon Oefterrcid) baS ©cleite nad)
33orberöfterreid) gegen Äönig fiubmig b. 33. (1330) unb ßä^lte 3U bem ©d)icb§=
gerid)t, baS (26. 9Zob.) in 9lugSburg ben Wufprud) ber Habsburger auf bie
ebentueüe 23clet)uung mit .Kärnten entfdjieb. 5£)afj ib,m baS ßanbmarfdjallamt
OeftcrreidjS übertragen rourbe , fpvicfjt laut genug für fein Slufeljen bei feineu
dürften. %n bcin Ätiege gegen S3öb/mcn als S3erbünbeten Äönig iL'ubmig beS
SaierS (1331 — 1332) mürbe if)m bie Sßerroaljrung beS gefangenen Hfinricb.S
b. Sippe übermiefen. 9lud) bei ber 3frirt>enSbert)anblung mit S3öt)men (^uli 1332)
mar U. tl)ätig. ?ltS 1335 ber entfdjeibenbe ?lugenblid, bie SUcrlet^ung Kärntens
an baS Hau^ Oefterreid) eintrat, mürbe U. b. ty. mit ber 33otfd)aft beffen nad)
Kärnten betraut. 33ereitS bor 3roei S)ecennien 3um Hiuptmanne ber ißamberger
Hocb,ftiitSgüter in bem genannten fianbe beftcÜt, erlangte nun 11. b. s£. ben
sJßfanbbefi^ beS Hornberger ßigenS für 8000 Wlaxt Silber auf 8 $ar)re unb bie
erfte Stelle im Hct3ogtt)um als SanbeSljauptmann. 6r machte ben Sommer*
ielb3ug gegen S3öt)men (1336) mit, ben ber Snnfer fyvtebe fcrjtofj, übernat)m
1338 eine 23otfdjaft an Äönig Submig, unb mürbe bon HerJ°9 Sllbrcc^t II. bei
beffen Unternehmungen gegen ^Iquilcja biel bermenbet, inSbcfonbere mae bic
«efe^ung $en3one'S (1342) betrifft. 2ßaS feine ©ütcrberljättnifje anbelangt,
fo bitbet eines ber roidjtigftcn Momente barin ber Slntfjeil Ulrichs b. $.
Sdjmefterfo^neS Hcrniann b. H^unburg, an ber großen ßrbfdjait ber 1322 im
9ftannSftamm erlofdjenen Heunburger; bie eigentb.ümlidjen Söermictlungen, meld)e
*Piannenfcf)mtbt. 603
baburcr) ätöifdjen ben mit ^annberg alterst)er öermanbten freien ö. ©aned unb
ben Sluffenfieinem rjeraufbefdjtöoren tuurben unb grofje Greife beljerrfditen, löften
fid) enblict) 1330 — 1333 burd) Serträge, bie ben ^fannberg'fcrjen 3tntt)ei( an
ber «^errfdjaft 6iEi an Utridj's' 23etter, gmbricf) ö0n ©anned, ben erften
„örafen ö. dilti" (1341) brachten. S)ie testen ßreigniffe in bem bewegten Seben
tUridjs b. $. finb feine SLrjeilnarjme an ber öfterreicr)ifcrj=ungarifd)en ®renj=
beridjtigung bom 25ecember 1345, bie Lüftung ju ber Unternehmung ^erjog
5l(brecr)ts II. gegen Senjone 1351, unb bie 23ermät)Iung feinet einzigen ©otjnes
§anns, be§ letjten feines ©efctjtedjtes (t 9lob. 1362) mit 9Jtargaretrja,
Softer bes ©rafen <Rubolf öon ©d)aumburg (1354). — lHricr) ftatb in biejem
3at)re. ©ndjenmirt mibmete ifjm eine lange 2obtenftage.
^rimiffer, Sßetcr ©udjentoirts äöerfe aus bem 14. Sarjrlj. 1827. (XI. ©e*
bidjt, 2. 34—38.) — Hangt, S)ie ©rafen öon ^fannberg in 3 3Ibtt). I. bis
1237, II. 1237—1282, III. 1282—1362 im 31rd)iö f. Äunbe oe. @.= CU.
XYII. XVIII. 33b. 33gt. f. 21bt). bie ©rafen ö. £eunburg, ebenba XIX. unb
XXV. — SSenbrinsfr;, bie ©rafen b. 5ptarjen=£>arbegg (3311. b. 33er. f. Sbsf.
9lieber=£)e. 3- 1879, 1880). — 2)ie 9Jconograpt)ien Don $ura, 3. ®. Cefter*
reicfjs unb 8id)nott>sfi, ©efcr}. beä Kaufes £>absburg 1 — 4. — 9Jcud)ar, ©efd).
be§ §3. (Steiermark 5. — 6. 33b. — jfrones, bie ,§>errfd)aft Dttofars IL öon
33öf)men in ber ©teiermarf (3Jtittt). bes t)ift. 33er. f. ©teiermarf XXII.
$. 1874). — Ärone§, Sie 5^ien öon ©aned unb itjre Grjronif als ©rafen
b. dilti (1883). I. 31btf). Ärones.
^faiuieitfdjmtbt: Stbrian 3lnbreas 5ß. , (Senator unb gärbereibefiker in
©petjer, t 1790. — 3tm 24. ^täq 1726 in Cuebtinburg geboren, ergriff er
nad) 2tbtauf ber ©djuljeit bas gärbereigeroerbe, unternahm nad) 21bfotöirung
ber 2et)rjarjre berfdjiebene Qnfiructionsreifen unb befdjtofj feine Sßanberfdjaft in
Speyer, too er fid) 1755 als gärbereibefifeer etabtirte. |jiet toanbte er biele
9Mrje baran, bie öon ifjm in 33restau fennengeternte ürappfärberei einzuführen
unb gleidjjeitig auct) bie Ärappcultur, toeldje fctjon im 17. ^afjrrjunberte auf ben
gluren um ©petjer betrieben roorben, aber in Solge friegerifdjer 33erroüftungen
gänjtidj eingegangen mar, mieber in Slufnatjme ju bringen. 9cad) öielen öer=
geblichen 33emürjungen gelang es ir)m enbtid), alle ©d)mierigtdten, meldje fid)
ir)m bei bem fanget an dutturmitteln, toie an fpecieüen Äenntniffen unb dr=
farjrungen entgegenftellten, gtüdlidj p überroinben unb auf bem 3Bege cmpirifctjer
33erfuct)e mit ber Pflege bes Ärapps (rubia tinctorum) unb ber 3ubereitung ber
Söurjetn biefer ^flan^e befriebigenbe 9tefuttate ju ersieten. 5£)arauf fidj ftütjenb
fuci)te er burcrj 3Jßort unb S3eifpiet bas Sntereffe für bie Ärappcuttur im Greife
feiner Mitbürger ju ermetien, unb er fcfjeute fetbft materieEe Opfer nicr)t, als
es fiel) barum ^anbelte, ber Pflege biefes neuen Sulturjmeiges eine rjhtreidjenbe
3ar)t öon Anhängern jujufüb^ren. ^m 3f. 1769 öerfa^te er eine fleine ©crjrift,
um bamit alten unerfahrenen ^ftan^em eine Untermeifung im ^rappbau 3U
geben. Siefer ^ubtication folgte balb eine ^meite, in metetjer bie Sedjnif bes
9totf)färbens mittels ber Ärapprouräel betjanbett mürbe. Suvd^ beibe ©Triften
toirfte er fetjt förbertid) auf bie (Sntmitfüing biefes ^nbuftrtejtoeiges in feiner
neuen ^eimatt) ein unb fürjrte sugleicr) eine mefentlidje Qrroeiterung bes 9lbfaü=
gebietes für bie 5ßrobucte beffetben herbei, fo ba| biefe balb einen mistigen
^anbetiartifet für ©pener bitten füllten. 31uf biefe 3J3eife blatte er eine fegens=
reiche grmerbsquelle für einen größeren Sb^eil ber ftäbtifcjen (Stntoo^nerldöaft
crfdjtoffen unb erntete bafür banfbare 33eref)rung unb ^ocijfc^ä^ung. ©ein 9ruf
als fadjfunbiger 6ultur= unb gabriftec^nifer brang balb in roeitere Greife unb
eröffnete it)m Siegelungen nad) ßnglanb, ^rantreid) unb ber ©c^meiä, foroie er
aud) mit ben angefetjenfien Sanbmirt^en feiner 3^t eine bezügliche (Sorrefponbenj
604 ^fannenfdjmibt.
ju unterhalten Ijatte. $on bem i?aifer Pon Defterrcidj unb fpäter nodjmalS
Dom Sanbgrafen öon ,§effen=2>armftabt aufgefotbevt, fein £)omicit in beren
Staaten ^u Perlegen, um aud) in geeignete 2)iftricte bet öfterreidjifdjen refp.
rjeffifdjen Territorien ben Jhappbau einaufüfjren, lehnte er jebod) biefe etjren»
öoüen Anträge otjne 3°S£i:n aD un0 D^eD Www ätneiten £)eimattj treu, ^n
Anerfennung beffen unb tt)egen feiner nieten Sßetbienfte um bie Hebung be§
localen ©rroerbS überhaupt, mürbe er 1775 jum (Senator in ©perjer erroäljlt,
roo er in ber gemofjnten 233eife für ba§ öffentliche äöotjt unOerbroffen bis ju
feinem Üobe ju roirfen furfjte.
33ergl. 31. 0. Sengerfe , Sanbtüirtljfdjaftl. GonüerfationStejicon III. 93b.
2 e i j e ro i tj.
^foiUlCU|d)mibt : $utie s£. , als ©djriftftelterin befannt unter bem tarnen
3utie iöuroro, rourbe am 24. fjfebruar 1804 ju Jüjbullen im ehemaligen
9teu=Dftpreufjen als bie Sodjter beä ©atjinfpectorS 53urom geboren. S)er letztere
rourbe burdj bie in Solge be§ Silfiter 5l"ic^en^ eingetretenen politifdjen Um=
geftaltungen brotlos, erljielt aber balb barauf eine anbere Aufteilung in (Slbing,
unb tjier tierlebte Sfutie eine troftlofe, traurige $ugenb,}eit. 9lid)t allein, bafj
Mangel unb 5iott) ficfjenbe ©äfte im (Jlterntjaufe roaren, fo bafj Sulie fdjon
als elfjähriges ßinb felbft ben 33erfud) machen mufjte, itjre Kleiber unb ©djul=
büdjer felbft ju erroerben: aud) bie £erjen ber Gsltern maren fid) fremb ge=
blieben, unb it)re gegenfeitige Abneigung fteigerte fiel) in bem ©rabe, baß ^utie
unb itjre üJlutter 181G baS (HternrjauS öerliefjen unb ju SBerroanbten nad)
Jilfit jogen. sJtadjbem ^ulic ty« it)" ©djulbilbung Pollenbet, fiebettc fie 1819
mit ber Butter ju einer ©djmefter ber lederen nad) Saggarben über. S)a aber
Ijier bie Butter Pon einer fdjmercn -tfranffjeit befallen mürbe unb eine erfolg*
reidje Sur beren Ucberfüljrung nad) Silfit nöttjig mad)te, entfdjtofj fidj 3fulie,
eine ©teile atä Ghjjierjerin an3unet)men. ©ie fanb eine fotd)e in ^otjiebelö
bei 9iaftcnburg unb fütjlte ftd) rooljl barin. i^nbeffen ba§ .Ipeimroerj unb
bie ©erjnfudjt nad) itjrer Butter madjten fie ernftlidj franf, unb ba um
biefe 3eit bie Butter fid) entfdjloffen Ijatte, ju itjrem Satten aurüdjufefjren,
ber alä 9iegierunggfecretär in 2)anjig ein einträgliches Amt gefunben Ijatte, fo
gab ^ulie itjre Stellung auf unb fehlte ins 23atertjau§ juräd. 3fn 2)anaig
lernte fie einen jungen 23aubeamten, namenS $fannenfd)mibt, fennen, mit bem
fie fidj im Januar 1831 Perrjeiratrjete unb bann nad) Weufatjrmaffer 30g, too
ber ©atte feine Arbeiteftation Ijatte. Söieberljolte 93erfe£ungen beS lederen
füfjrten fie aud) nad) Briefen in ber 9teumarf, roo fie burd) ten ^ßrofeffor
2BilI)etm ßlutj jur 6d)ri?tftetterei angeregt mürbe, unb fpäter nad) 3üßid)au.
|)ier traf bie fjfamilie ein ©d)lag, beffen gröfjte ©d)mere auf baS .^aupt beS
|>au§bater§ fiel. 5Denuncianten Ijatte feine politifdjen ©efinnungen öerbädjtigt;
man biSpenfirte ben tljatfräftigen, an Arbeit getoöfjnten 2)iann, mufete it)n aber
nad) adjtmonatlidjer Cuäterei mit allen 6tjren in fein Amt mieber einfetten.
33alb barauf erfolgte feine Skrfetmng nad) 33romberg, unb b,ier Perlebte $ulie
in unermübtidjer Stjätigfeit itire ferneren Satjve. ©ie ftarb am 19. Februar
1868, nad)bem fie toenige ©tunben oorb^cr im Ütjeater üon einem ©djlaganfatt
betroffen morben mar. — Au^er einer ©ammlung Pon „©ebidjten" (1858), bie
in 3art meiblidjem ©inne baS Ijäuäiidje Scben unb bie Siebe befingen, Ijat
Sfulie ^p. Potmiegenb Nomone unb 91oPeHen gefdjrieben. An iljrem erften äöerfe,
„StauenlooS" (II, 1850), roeldjeä bie ©teüung be§ meiblidjen ©efd)led)t§ in
ber bürgerlidjen ©efettfdmft unb bie ©raufamfeit berfelben gegen bie Gefallenen
beljanbelt, tjat fie aeljn Sa^re gearbeitet, efje fie e§ ber Oeffentlid)feit übergab.
S)ann folgten „Au§ bem Seben eines ©lüdlidjen" (III, 1853); „gtoöeHen" (II,
1853); „©in Arjt in einer fleinen ©tabt" (1854); „Silber au§ bem ßeben"
5ßfannfudje. 605
(1854); „©in SebenStraum" (III, 1855); „(Erinnerungen einer ©rofcmutter"
(II, 1856); „2>er Armutb, Seib unb ©lud" (III, 1857); „£er ©lüdSftern"
(1857); „SotjanneS Kepler" (III. 1857); „ßebenSbitber" (sJcooe£ien, II, 1858);
„ßünftlerttebe" (1859); „Saute SBelt — ftilleS -Öerj" (1860); „2)a8 ©lud eines
2BeibeS" (1860); „2Balter Äüfrie" (1860); „An ber polnijd)en ©renje" (1861);
„(Sin Sürgermetftet" (III, 1862); „Sie ßinber bei £aufeS" (1863); „$en
^-rieben finben" Dcoüelle, 1861); „AuS ben legten lagen ber potnifdjen föeoofo»
tion" (1864); „Sie ^reufcen m ^rag" (1867) unb „3m SBettenraufäen"
(II, 1869). Siele ber genannten ©djriften finb nur für ben Sag getrieben
unb barum aud) mit bem 2age öerfcrjrüunben, für ben fie gefdjrieben roaren;
anbere bagegen üerbienten wol für bie •»Jtadjtoelt ermatten ju toerben. Suite 5ß.
tjat ein unleugbares Talent für ©arftellung beS gamitientebenS, ber einladen
bürgerlichen Serijättniffe, unb bat)er Jjaben it)re Romane unb (Jrjdljlungen auS
bem Greife beS fjfamitientebenS ein getoiffeS Auifetjen erregt. „2SaS fie auS*
3eidjnet, ift ein burdjauS gefunber, praftifdjer Sinn, eine DerftanbeSmäfjige, natur«
toiffenfctjaftlidje Aufflärung. 3mar Derbreitet biefelbe über bie ganje (Sriften j
eine «Jlüdjternfjeit, toetcfje biete ftiEC toaltenbe 9Jcotiöe ber $oejte auSfdjtieBt; bodj
getoinnt bie 2>ar|"teHung ber Sdjriftftetlerin baburd) an .ßtarfjeit unb Sidjerljeit,
unb ein einfaches, mit feinen toefentlidjen ^ntereffen öertrauteS ©emütt), beffen
Söärme alle ifjre äöerfe belebt, frfjü&t fie üor att.ju flauer Serfanbung. Sei
aller Strenge ber jittlidtjen Senbenj ift inbeffen in ben Romanen eine getoiffe
Äeufdjtjeit beS Seelenlebens, meldje fid) in ber Sommerung toofjt füf)lt, ju Der*
miffen; benn bie Sert)ättniffe beS 2eben8 unb ber Statur finb . bodj nidjt fo
etiibent, toie fie unS in ber oft aufbringlidjen Seleudjtung biefer Sdjriftftettertn
erfdjeinen." Ser tleinftäbtifdje 3ug, ber fid) in tfjren iämmtlidjen Söerten ftnbct,
erflärt fid) auS ben SebenSfdjidjalen ber Setrafferin, über roetdje fie in bem
„Serfudj einer Selbftbiograptjie" (1857) AuffdjluB giebt. 9Jcet)rere Anthologien
ber SDidjterin — barunter einige in ijofjen Auflagen — tjaben itjre 3ugfraft
bis auf bie ©egentoart behalten.
3. 33. £einbl, ©alerte berühmter ^äbagogen u. f. to. 9Jtünd)en 1S59,
II. Sb. , ©. 81 ff. — Sitterarifdje (Erinnerungen öon gf. Srunolb , 3ürid)
1881, II. Sb., S. 161 ff. — tu. o. ©ottfdjall, Sie beutfcfje Dcationallitteratur
beS 19. Mrf)., IV. 25b. S. 291. 5ran3 Stummer.
^fannfudje: 6 1) r i f t o p t) ©ottlieb % , geboren in Serben am 18. «Uta!
1785, nourbe am 6. Suni 1806 bafelbft jum redjtsgeleljrten Senator ertoäf)lt,
mar toätjrenb ber ftranjofen^cit, bie Setben jum Äöntgreidj SBeftfalen gefdjlagen
tjatte, ^rocurator beim bortigen Siftrictitribunal, mürbe 1837 jum Sürgermeifter
gemäht, am 25. Januar 1838 als fotdjer eingeführt. 2öie alle Sürgermeifter
ber Sremen=Serbenfd)en 2anbfd)aft (öon Stabe, Sujtefmbe unb Serben) ertjielt
aud) er nod) in bemfelben Safjre ben %x\t\ eines Sremen=Serbifd)en 2anbratf)S,
trat auf feinen SBunfd) am 1. Scoöembcr 1855 in «penfton unb ftarb unüet*
mäb,tt am 27. gfebruar 1868. Son früher ^ugenb an mit ber ©efd)id)te beS
SiSt^umS uertraut unb felbft in Specialien mie fein anberer bemanbert gab
er, 3unäd)ft um ber neu begrünbeten Sudjbruderei öon griebridj Sauer unter
bie Arme ju greifen, Ui biefer 1830 „2)ie ältere ©efdjicrjte beS öormattgen SiS=
ttjumS Serben" tjerauS, meldje bis ^ur «ftefignation beS Sifd)ofS Sodann III.
(öon A^el), 1470, reicht. Sa fie eine fefjr üerbiente gute Aufnahme fanb, tiefe er
fpäter „bie neuere ©efd)ict)te" u. f. to. folgen, toetctje bie drad^tung bis jum
SBeftfdlifdjen ^rieben füt)rt. §füt bie ^unbe beS 2änbd)enS unb feiner Sef)errfdjer
ftub beibe SBerfe unentbeb^rlid), obgleidj natürlid) in i5in3elb,eiten burd) urfunb=
lidje «publtcationen (o. öobenberg; Subenbovf) feitbem mandjeS aufgettdrt ober
gebelfert ift. Aud^ im ~„Tieuen Saterldnbifdjen «JJtagajin" etfdjienen tteinere
606 ^farmfudje — ^fannjdjmibt.
9ltbeiten ^fannfudje'ä, toetcfje bie 93etbenfd)e ©efdndjtc angeben. Seine 93iblio=
ttjef, übet 2000 33änbe Suchet unb 9Jtanufctipte, hinterließ et bet SBibliothef
beä 35omgt)mnafium3 feinet Söaterftabt.
$togr. be§ fönigt. £)omgt)tnn. ju Letten. Cftetn 1868, unb ptibatc
2Jcittb. Ätaufe.
s#famihldje: <£>einridj i$ftiebtid) ^., geboten am 28. Dtobembet 1760
ju $itct)timble im 93remifd)en, ftubirte t>on 1785 — 1788 in $ena unb ©öttingen,
roarb jum Dr. pliil. 1794 promobirt; war feit 1797 tt)eologifcher 9tepetent in
(Söttingen; 1798 ©ubtectot bcä ^fotjanneum in 93temen, 1803 otbcntlidjer $ro=
fefjor bet orientalifdjen (Sprayen unb be§ 91. X.'ü ju ©iefeen, 1812 äugleid)
Söicebivectot be§ @i;mna|uim3 bafelbft, 1824 Dr. theol., f 7 Cctobet 1833.
(9lllg. Gnct)cl. III, 20 ©. 276, too 9lnm. 2 nod) anbre biogtapifche Duetten;
bei 2Biner, £anbb. bet theol. Sit. 93b. 2, ©. 705).
@t t>eröffentlidtjte 1 7 '. > 1 ein „Specimen observationum philologicarum et
criticarum ad quaedam psalmorum loca", beten toidjtigfte man bei (Sidjfjorn,
attg. 33ibt. b. bibt. Sit. 33b. 5 ©. 534—538 finben fann. — 1794 fehrieb er
Exercitationes in Ecclesiastac Salomoni valgo tributi locum vexatissimunv
c. 11,7 — 12,7. @t finbet t)iet nidjt, toie man bie ©teile gemölmlid) netfteljt,
eine ©djilberung bei hcreinbretfjenbcu 9lltcr§, fonbern ]U bejürcfjtenbet fchidfalä=
notier läge, maä freilief) nicht otjne grofje ©emaltfamfeiten hon ifjm burd)gefüt)rt
roirb. 3ut anbetmeiten 'L'ttteratuv übet biefeä oft untetfudjte ©tüd f. jReufc,
©efch. beä 91. %.'i 1881 ©. 546. — 1796 erfolgte eine Slbfjanblumi in (5id)=
Ijorn'S altg. SBibl. b. bibt. Sit. 93b. 7, ©. 193—203 betitelt: „gttoa* übet ein
paar «Stellen bet neuen gticd)iftfjcn auf bet 6t. 3Jcarcu8 33ibliottjc? jit 3)enebig
befuibtichen Sßerfion beä 91. %.%." Sie llnterfudjung Betrifft bie ©teilen <3en. 22, 2
unb .'potjel. 7, 2, bei toetdjen im Graecus Venetus fid) ein tyaax auffällige 9lb=
toeidjungen finben. SDte anbetmeite äeitgenöffifdje Sittetatur übet biefe Uebet=
fetutng finbet man bei 9iofcnmüHet, £)bb. f. b. Sit. bet bibt. Grit. 93b. 2,
©. 470 — 473; für bie ©egentuart bgl. ©ebtjarbt, Graecus Venetus, Seipjig
1874. — 1797 erfchien in bet ©öttinger 23ibl. bet neueften ttjeot. Sit. 93b. 3,
6t. 4 ein 9luffah übet bie „angelfäd)fifd)cn Ueberfehungen bc§ 91. £.'8". 1798
fd)rieb er in Gidjtprn'ä äug. 93ibt. 93b. 8, ©. 365—480 einen Sluffafc: Uebcr
bie paläftinifdje Sanbeäfpradje in bem 3eitalter (Stjriftt unb bet 9lpoftet", roeldjet
neben bietem Unt)altbaten unb 93etalteten bod) für bie bamalige Qnt bai 33et=
bienft tjatte, jum etften 9Jtate in grofjen 3ügen oen s-ptoce^ bet 93erbtängung
beä 9lttf)ebräifd)en buret) einen atamäifd)en üDialect in bet 3"t öom Sjil bi*
jum legten tiotdjtiftlidjen 3af)tt)unbett ricfjtig jut 2)ar[tettung gebracht 3U tjaben.
%m 9lEgemeinen ögl. au biefet ^ragc 91. 9ceubauer, on the dialects spoken in
Palestine in the time of Christ (Studia biblica Oxford. 1885 p. 39—74). —
1800 etfdjien bei (Sidjtjotn a. a. €). 93b. 10, ©. 846—878 eine 9lbbanbtung
übet „bie @ebet§fotmet bet 2Reffiaäfäü(er 5Jtattb. 6, 9—13 unb Suc. 11, 2—4",
in toetd)et biefe bibtifdjen ©teücn au§ tabbinifdjen parallelen alletbing§ mit ^u
roenig .fhitiE erläutert toerben. — 1803 etfdjien bie ©djtift: „De codicum Mss.
hebr. V. T. et versionum chaldaicarum in lectionihus antiinasorethicis consensu"
(UniöetfitätSptogr. ). — ©eitbem fcheint feine tittetarifclje 2^ätigfcit butd) feine
letjramtlidje, melche fef)t erfolgreich gemefen fein fotl, beeinträchtigt motben ju
fein. — 6. ©iegftieb.
sJ>famifdjmibt : Äarl ©ottftieb ^., ©efd)id)t§malet, toutbe geboten am
15. ©eptembet 1819 -ju 5Jtüt)lt)aufen i. 2t). al§ ©otjn eines mot)tt)abenben
Kaufmanns, rocld)et bet @t}iet)ung feinet finbet alte ©otgfatt angebeitjen lie^.
©d)on frühzeitig gab ty. 93etoeife feinet SSegabung füt ba§ 3e^nen» toorin et
bon bem QzifyznUtyn beg ©tymnafiumä , ,u. 2)ettmann, mit (Sifet gefötbett
^fannfd)mibt. 607
tourbe, fo bafj attmätjtid) in bem Änaben ber Gmtfdjtujj reifte, fiel) bem $ünftter=
berufe ju toibmen. $lux 3ögernb gaben bie CSltern bem SBitlen be§ Sot)ne§
nad), roetctjer im 5Jtär3 1835 nad) Serlin 30g, um bort auf ber Stfabemte, ber
3. ö. Sctjabotü öorfianb , bie angefangenen Stubien fori3ufetjen. 2ftit einer
Gümpfetjtung an feinen 8anb§mann, ben bamalä fdjon in angefetjener Stellung
roirfenben 5lrd)iteften 5- 31« Stüter, öerfetjen, tourbe er öon bemfetben ben
^Dealern $. 53iermann unb @b. S)aege äuge^ürjrt. 51ut ber 5tfabemie 3eid)nete
fid) 5ß. al§ eifriger unb befähigter Sctjüler fo au£, bafj Sdjaboro bei ber S!urct)=
fictjt einiger feiner ßompofitionen, unter roeldjen i£)tn bie 3eid)nung: „Ginzug
Gtjrifti in ^erufatem" befonber§ gefiel, bie anerfennenben SCßorte auSfprad) : S)er
Genfer) t)at ^tjantafie ! 9cad)bem 5ß. bie elften 2>at)re bei 33iermann faft au§=
fdjliefjlid) Sanbfdjaften gematt tjatte, beftimmte itjn biefer felbft, in richtiger
(Srfenntnift ber toatjren SBegabung feineä Sd)ü(er§ , fiel) ber ©efd)id)t§maletei
unter Saege'ä Rettung 3U3uiuenben. ©leid) fo bieten fetner J?unftgenoffen 30g
e» aud) $. nad) OMndjen, Gornelius' SGBetfe 3U fdjauen unb mit bem 9Jletfter
felbft in Serfefyr 3u treten. liefen fottte er nietjt metjr bort antreffen; um fo
eingef)enber betrachtete er feine Sdjöpfungen, trat audj mit ^aulbact) in S3e=
Ziehungen, roetdjer it)m riete) , SorneliuS fleißig ju ftubiren unb grünblid) bie
53ibel ju lefen. 3m Jperbft 1841 traf $. in Berlin bei bem ßunftfreunbe
©rafen 51. ^ftacjrjnSfi zum erftenmat mit Gorneliu§ jufammen, toelctjer ü)m
äurief : 2sct) fenne Sie fdjon; befugen Sie mid)! 2er mit biefem Sage be=
ginnenbe nat)e $erfet)r 3toifctjen SBetben führte batb öon Seiten Gorneliue' ben
Auftrag an 5ß. rjerbei, an <5. §ermann§ Stelle bei ber 5lu§fd)müdung ber 3Sor=
tjatle be§ 5Uten 2ttufeum§ nad) Sd)infel'§ Cünuoürfen mitzuarbeiten.
5lud) $. 30g e§ mit untoiberfter)ticf)er ©eroalt über bie Serge nact) bem
getobten Sanbe ber Äunft, meiere» er fpäter nod) breimat teieberfat). S)en
-Sinroeg natjm er über granffurt a. 2Jc., Strasburg unb SSafet , burd)3og
bie ^»albinfet öon ben 51(pcn bi§ nad) Siciticn unb fetjrte bann, nact) mefjr als
einjähriger 5lbtoefenl)eit, mit einer reichen ftrütle öon Cnnbrüden unb Stubien,
im §erbft 1845 nad) Seutfdjlanb 3urüd. 2JUt ber ütütffeljr ^rannfctjmibt'ä
nad) Serlin beginnt bie erft buret) ben £ob unterbroetjene ftolge iener teietjen
fünftterifdjen Stjätigf'eit, roelctje feinen Flamen ben ßrften auf bem ©ebiete ber
neueren beutfetjen religiöfeu Maleret betgefeilt. £)en 3teftauration§arbeiten an
alten SSanbgemätben in ber ßiebfrauenfirdje 3U ^atberftabt (1847) folgt bie
Mitarbeit an bem ^'fsfogemälbe $aulbacr)'§, bem 2l)urmbau 3U Säbel im
Sreppenfjaufe be§ bleuen 5Jcufeum§. Sarauf fetjuf er ba§ ^reSfogemälbe im
9Jcaufoleum in ß^arlottenburg (1850); bai 5lbenbmal)l in ber (Sapelle be§
berliner ©d)toffe§ (1851). %n gemeinter Stätte befinben ficr) ferner in SSertin
öon ^fannfctjmibt'g ©emätben: S)ie ßreu3abna^me in ber Gapelte be§ ßranfen=
IjaufeS Setfjanien (1870), 3roei Sotiöbilber: S^tiftuS unb ^Dtaria (1875) unb
(It)rifiu§ unb »Jlicobemu? (1877) in ber ÜJtattljäifh'dje, ß^riftuS unb 5Ragbatena
am Sluferfte^ungsmorgen (1882) in ber 3toölfapoftetfird)e , Sie Slnbetung ber
2ßeifen au§ bem IDtorgentanbe (1885) in ber ßapetle be§ SomcanbibatenftiftS,
an einem Erbbegräbnis be§ S5reifattig!ettS!ird)r)ofg mehrere ^ofaitgemätbe nact) be§
ÄünftterS ßnttoürfen (1876). 6ine bebeutenbere Slnjo^t feiner Söerfe fct)mücft
Äircben au^er^atb 25erlin§. %n Sctjtoerin, Sartt) bei ©tralfuub, Äönig§berg i. 9t.,
5lltenftvdjen auf öligen, S5en3in bei SBoIgaft, «5ct)tobitten in 3ß. ty., S3ranben=
bürg a. ^p., SBremen, in feiner Saterftabt, in Semmin 3eugen tiefempfunbene
unb fünftlerifc^ burctjgefütirte 5lltarbitber öon bem frommen Sinn unb ber
s]Jteifterfctjaft it)reS ©ctjöpferS. 9kd) gntmütfen unb ßartoni spfannfdjmibt'S
rourben ©laSfenfter au^gefütjrt für bie Dtifolaifirctje in SSertin, ben S)om 3U
•D^agbeburg, bie @arnifonfird)e in Stuttgart unb Äloftet 5ßree^ bei Atel.
608 45fannfd)mibt.
9JkIjr als bei ben meiften anbeten Äünftfem fpridjt auS ben äöerfen
sßfannfdjmibt'S fein eigenes ßmpfinben 3U unS. 2113 ftrenggläubiger prote*
ftantifcrjer ßfjrift erad)tet er eS für feine fdjönfte unb tjödjfte Aufgabe, feiner
tfirdje burdj feine -tfunft ju bienen. ©djtidjte aber ebele Sinienfütjrung, ruhiger
©djmelj ber färben genügen itjm für feine ©djilberungen. 2)urd) ben ^nfjatt
öor allem, nid)t burd) äußere farbige Ütei^e mitl er ben Sefdjauer feffeln, it)n
tröften, mahnen, befetjrcn. ©efjljalb griff er aud) gern 3um 3eitf>f nftif t , um
in SSilberjolgen ©cenen auS bem alten unb neuen üteftament jur 2>arftettung
3u bringen. 2lu8 bem ^atjre 1847 finb bie 23lätter, mcldje ifjren (Stoff ber
SdjöpfungSgefd)id)te entnehmen (im $8efit} ber Familie beS $ünftter3). Sin
23tatt auS biefer <5olge: 9toaf)'S ßinjug in bie 5lrd)e, übertrug er in grofjem
9Jtafjftab unb fdjirfte ben (Sarton auf bie Slfabemifdje 2tu8ftetlung öom 3af)rc
1848, moburd) *j3fannfdjmibt'3 Warne jum erftenmat meiteren Greifen befannt
tourbe. 2)ie atoeite 93ilbcrfolge: S)ie SluSfefcung unb 2luffinbung ^ojeS', erftanb
im 3. 1866. 3n ed)t fünftlerifdjer Söeife tjat fjicr $. bie ^nnigfeit ber 9Jtutter=
liebe unb »forge jum SluSbrua* gebracht (geftod)en öon ßubl)). 3n bie geit
öon 1872 — 75 fallen bie ad)t 3eid)nungen. meldje ber Äünftter „$aS Soeben
beS ©eridjtS. ättecfftimmeu aus ber Ijeiligen ©djrift" genannt tjat. 6ble Gom=
pofitionen, metdje bie sJJtatmung 3ur 6infel)r unb 33ufje in pacfenber 2Beife, toic
3. Sß. in ben üDarftellungen beS armen 2a3aruS unb beS reidjen 9Jlanne8 3um
WuSbrucf bringen (herausgegeben im 33erlag ber ^Berliner >}}t)otograpt)ifd)en <Se»
f.Ilfd)aft 1887). SDie fönigt. ftationalgaterie in 93erlin bcfitjt bie auS fed)S
blättern beftetjenbe gotge öon 2>arftcttungen 3itr 6efd)id)te beS $ropt)etcn
Saniel. liefe ber ©mpfinbung unb meiftertjafte 9lusjür)rung berteifjen biefen
Zeichnungen einen gan3 befonberen ßunftmertt). 2tl3 bie reiffte $rud)t feines
<5d)affenS auf biefem ©ebiete ift SDaS Saterunfer 311 betrachten (1880—83),
gleichfalls ad)t größere SBIätter, burd) ©ebaufentiefe unb -frotjeit ber fünftlerifdjen
Sluffaffung glcidj Ijerüorragenb (grojje golbeue Mebaitte öon 1884, nid)t öer=
öffentlidjt, im 33eft^ ber gamttie).
*£. mar eine öielfeitige Äünftlernatur. 9tid)t nur auf bem ©ebicte ber
Malerei mar er ein 2Retfter. @r öerftanb eS aud) mit ©efdjicf bie föabirnabel
3U fütjren, in 2fjon 3U mobettiren, in ^oli 3u fcrjni^en. ©ie ^Jiufif, befonbers
bie alte proteftantifdje ^irdjenmufif, ^atte an ifjm einen marmen Söcrctjrer ;
bid)terifd)e Begabung mar i()tn gleidjfaHS 31t tf)eil gemorben. ?lud) aU ©djrift*
ftcller t)at er fidj mit ©iücf öerfudjt. %m efjriftüc^en ÄunftMatt 1881 ^Jlr. 5
finbet fid) öon feiner geber ein beadjtenSmertljer SebenSabri^ feinc§ ©d)mieger=
öaterS, be§ Katers 6. ^ermann. 2)ie Stellungnahme ^fannfd)mibt'8 3U ber
Äunftridjtung unferer Sage mar, mie bieg bei feinem @ntmirflung§gange nidjt
anberS fein fonnte, eine ablefmenbe. Einige Stuffäije unb ßrflärungen finb in
biefem Sinne öon ifjm öeifa^t unb öeröffentlidjt morben.
6inem Äünftler öon einer foldjen SBebeutung unb Sfjätigfeit — fp. ftanb
als Setjrcr an ber 3lfabemie ber Glaffe für ^omöofttion unb ©emanb3eid)nen
öor . — fehlten aud) bie äußeren 6t)ren nid)t. @r mar fönigt. ^ßrofeffor, ^n=
tjaber mehrerer Crben unb Gebauten, s3Jlitglieb ber 3lfabemien 3U SSertin unb
Bresben, ©eines fünftlerifdjen Seitat^eS bebiente fid) lange ^atjre bie grau
Äronbrinjeffin unb gelegenttid) ber UniöerfitätSfeier be8 SuttjerjubitäumS (9. ^0=
öember 1883) mürbe il)tn bie feltene 3lu§3eid)nung 3U 21f|eit, öon ber berliner
tfjeologifdjen gacultät 311m 6f)renboctor ernannt 3U merben. ty. lebte in langer,
glücflidjer unb gefegneter etje. 3m $. 1881 fiel er in eine fernere ßranf^eit,
öon beren &otgen er fid) nid)t met)r gan3 3U erholen öermod)te. S)er ^Jleifter ftarb
in Serlin am 5. ^uli 1887.
Sdjriftlidje Mitteilungen ber Hinterbliebenen beS Äilnftterä an ben
SPfatter. 609
Unteraeid&ncten. — ©atjeim XVII, 1881, Dr. 16, ©. 252 ff. — Dr. <£.
gfötp«, Mittelalter ober Denaiffance? (Seutfd&e 3eits unb (Streitfragen,
^atjrg. XI, 1882, £>eft 173). — Äatalog ber fönigt. «Rationalgalerie. 7. 2lufl.
1885, I, 237. II, 167. 2Beinife.
Pfarrer: 9Jcatt)iS $. , 2lmmeifter unb SSeförberer ber Deformation in
Strasburg, ift f)iefetbft 1485 ober 1486 geboren, lieber feine ^ugenb unb
feine innere dntmicttung miffen mir nicf)tS ©tctjereS. 3tt§ Äaufmann — er mar
2uct)t)änblet — mufc er jtdj balb in feiner Satetftabt einen fo guten Hainen
gemalt tjaben, bafc it)m ©ebaftian SSrant feine Softer @u^t)rofnne jur ©attin
gab. Söie b,oct) ifm feine Mitbürger flauten, gef)t allein barauS tjerüor, ba^
er fieben sDtat — fo häufig, mie feiner t»or ifjm — jutn Stmmeiftet gemäht
toorben ift, 1527, 1533, 1539, 1545, 1551, 1557, 1563. 3n biefer tjotjen
ftabtifdjen Stellung fjat er ber Deformation in ©trapurg mit äum ©iege öer=
Rolfen, äöo eS galt, muttjig für bie Dectjte ber ©tabt unb für bie ©acf)e beS
GüöangeliumS einautteten, ba mactjte ber Datt) ifjn — oftmals neben 3afob
©türm — au feinem ©efdjäftsfüfjrer. ©o mar *p. fomot)t auf ben beiben Deicf)S=
tagen au ©petyer 1526 unb 1529 als audj auf bem DeicfjStage au SlugSburg
1530 einer ber ©efanbten ©trapurg'S. £>äufig begegnen mir ifjm in biefer
@igenfd)aft auf ben Sagen beS ©djmatfalbifcfjen SunbeS, 1531 unb 1536 in
granffurt a. 2fl., 1538 in Sraunfdjmeig, 1540 in Naumburg. S)ie fctjmerfie
■QJtiffion, bie er im auftrage ber ©tabt übernommen, mar bie im 3- 1547 —
nact) bem unglüctlictjen Ausgange beS ©djmaltalbifctjen JhiegeS — aum ßaifer
nadj Ulm, um mit beffen Dalben über bie Sebingungen au untetfjanbetn, unter
benen ©trapurg Seraeitmng ermatten fottte. 2>ocb, tonnte ftc£) $. nictjt ent=
fctjliefjen, als ©efanbter ber ©tabt mie eS ber Datt) münfdjte, nact) Dörblingen
ju getjn, um öor bem Äaifet ben Don itjm geforberten ftufjfatt au tt)un. 28ie
treu er bem ebangelifctjen ©tauben augetfjan mar, bemieS er 1550 bei (gelegen*
tjeit ber ginfütjtung beS Interims in ©trapurg; lieber als bafj er ber $er=
tefung beffetben öor ben fünften anmotjnte, jaulte er eine ©elbftrafe. 2ÜS nun
aber 1554 bie Meeraal)! ber ©trapurger Sßrebiger unter güfjrung 9flarbacb/S
bie Stbfdmffung beS Interims ertrofcen moEte unb bem Datt) ben ©eljorfam
auffünbigte, ba mactjte er bem 9Jtarbact) megen feiner 2luftef)ming gegen bie
ftäbtifctje Obrigfeit tjeftige Sßormürfe. ty. ftarb am 19. Januar 1568. Sfön
ctjarafterifht fein ^eitgenoffe SotjanneS ©türm folgenbermafjen : „£err 9Jtattt)eS
5ß. mürbe bon megen feiner greunblidjjfeit bon jebermann fetjr gertjümbt. Sr
mar ein rechter Satter unb «gmnbfjaber aller armen unb betrübten £eut. SBenn
jrgenbt ein Surger etmaS geringes betbrodjen, lief} erS füll t)infct)leidjen, unber=
roeilen oertrucft erS, etje bann einer befjmegen betlagt mürbe, Seibe in ©elt unnb
SeibSftraffen mar er milt bnb gnebig. Söann er bann über etmaS feine ftimm
im Daf)t geben fotte, tfjat erS mit foldjer befcfjeibentjeit, baB, mann er fctjon
etman eineS anbern meinung aumieber, er gteitfimol bemfelben nictjt eraürnte ....
unb gteict) atS ein fdjöner tjetler ßarfunfet unber anbern biet gbelgefteinen
fjerau| fdfjeinnt unb glänzet, alfo teuctjtet er im Datjt für fein betfou."
Joannis Sturmii Conamonitio ober SrinnerungSfcfjriTt, Dteuftabt a. b. £arbt
1581. — Joannis Pappi defensionis quartae partes tres priores, Tubingae
1581, p.20. — Beza, Icones, 1580. — Pantaleon, prosopographia heroum,
Safet 1566, 2. III, p. 366 (unbrauchbar). — &erfeog, Chronicon Alsatiae,
©traBburg 1592, acfjteS Suctj, ©. 94 ff. — Döfjrid). ©efctjic^te ber Deformation
im (Slfaf}, 1.— 3. 35b., ©trapurg 1830—1833. — Sirdf, ^ßotitifcfje 6orre=
füonbena ber ©tabt ©trapurg, 1. Sßb., ©trapurg 1882. — ^ottänber,
©trapurg im ©ctjtnalfalbifdjen Kriege, ©trapurg 1881.
D. 3oepffel.
aiagem. beutle $8iogtaDf)ie. XXV. 39
610 ^fottiitS — Wm-
^farrtUÖ: töuftaö Sp. , ein beliebter r^einifd^er 2)id)ter, mürbe am 31. 2)e=
cember 1800 ju .^ebbestjeim bei Äreu^nad) als ©orjn beö bortigen eöangelifdjen
Sßfatrerß geboren, f ju Äöln am 15. 2luguft 1884. ©eine afabemifdjen ©tubien
begann er 1818 in £atfe unb fe^te biefelbcn auf ber Sonner Uniöerfität fort.
(Elaffifctje ^tjitologte unb ©efcr)id)te waren bie bon it)tn erroärjltcn gädjer. 1823
erlangte er bie üDoctorpromotion unb trat bann fein erfteö ßetjramt beim ©rjm=
nafium in ©aarbrücfen an. 1833 mürbe er an baö gntbricrj^Söit^etm^Ötjm^
nafium nad) $öln berufen, roo er 30 3farjre lang als ein allgemein geachteter
Sefjrer mirfte unb burdj ben ^rofeffortitel unb bie SJerleirjung be§ rottjen 2lbler=
orbens 4. Staffe ausgezeichnet rourbe. 1863 trat er in ben 9turjeftanb. ©eine
crfte bid)terifd)e ©abe mar 1833 „2)aö sJtat)et^at in ßiebern", 1844 folgte eine
lt;rifd)=epifd)e 2)ic£)tung „töarlmann" , unb 1850 gab er bie „3Batblieber"
tjeraus, bie burct) itjre ^ifctjc unb ^fnuigfeit eine ungeteilt beifällige Slufnagme
fanben unb in mieberfmlten ausgaben evfdjienen finb, mobon eine mit 12 ©tcin=
Stabirungen öon ©corg ©fterwalb iliuftrirt mürbe. 1861 erfd)ien ein 23anb
gefammelter „©ebidjte". 2Iud) öerfuctjte er fein Talent auf bem ^elbe et«
jäljlenber 5Did)tung öuref) jroei Woöellen „krümmer unb (*pl)eu" (1852) unb
„^mifdjen ©oonwalb unb äÖeftridj" (1861), fomie burd) ben Stornan „©djjein
unb ©ein" (1863). ©ein letjtes äöerf „Statur unb 2ftenfd)enleben" erfdjicn
1869. (üsinige feiner Siebet finb üolfßtfjümlid) geworben. c* c* ^
^fail: Stjeobor ^ßrjitipp r>. ty. , preufjifdjer ©eneralmajor, im ^atjrc
1727 ju gftanlfuxt a. s]ft. geboren, trat 1742 beim Infanterieregiment bon steift
als ©efreitcrcorpoiat in beu preufjifctjen S)ienft, madjte ben ^weiten fd)lefifdjen,
in weterjem er bei $effelöborf Derwunbet mürbe, unb ten fiebenjäl)rigeu $rieg mit
unb warb roärjrenb be§ letzteren, im $. 1760, als Quartiermeifterlieutenant in
bas ©efolge beö Königs aufgenommen, ©ein Slüancement, roelctjeö bis bafjin
menig glänjenb geroefen mar, befferte fiel) baburd) nicfjt. 6s bauerte bis jum
©eptember 1770, bafj ber Äönig iijn jum sDtajor ernannte. SBorljer rjatte er als
gretitnttiger mit ber ruffifetjen 2lrrrtee am JürEenfriege 1769 70 ttjeit genommen.
2)er ßönig fefjte inbeffeu grofjes Vertrauen in feine ^ätjigfeiten, mätjlte itjn 1778,
bei lUusbrudj bes baierifetjen GürbfolgeEriegeS, jum ©eneraliiuartiermeifter bei ber
xUrmcc bes ^rinjett £>einridj unb madjte itjn 1779 ju feinem glügelabjutanten
öon ber Infanterie. 5rie0l''d)g Wadjfolger, ilönig ^riebridj Söilfjetm IL, gab itjn
für bie (Sjpebition nad) .^oüaub im 3- 1787 bem ©berbeferjtstjaber ^erjog
ßavl SBitrjclm gerbinanb öon Svaunfdjweig an bie ©eite. 6r fjat biefen ^itg, in
einer reict) mit planen auSgeftatteten „©efctjidjte bes preufjifctjen ^elb^ugeö in ber
^roöinj .g)oüanb im $. 1787", Berlin 1700, befdjricben, meldte in bem nämlidjen
^atjrc bort, bureb, g. äö. Sombarb überfeijt, in fran^öfifetjer unb 1702 ju 2lmfter=
bam in rjottänbifctjer ©praerje erfctjien. 2)ann madjjte er bie fötjeincampagne
gegen bie franjöfifctje Stcpublif mit. 2lm 12. $uli 1794 marb er in feiner
©tellung am ©djän^et, einer l1 -i s]Jteilen fiibweftlidj öon Üleuftabt an ber iparbt
belegenenen 93ergfubpe, beren 33efi^ für bie 33er)auptung einer öon ben preu^ifcb.en
Gruppen eingenommeneu ©ebirgepofition öon entfeb^eibenber SOßicfjtigEeit mar, mit
Uebermacljt angegriffen. 31 n ber ©pi^e bon 8 Bataillonen, im ©anjen etma
4500 9ftann mit 9 ©efdjü^en, öerttjeibigte er ftd) tapfer gegen 7000 ©egner.
21 m 9lad)mittage beß 13. erlnelt er eine töbtlidje Söunbe, melcrjer er, in feinb=
lic£)e (Sefangenfcrjaft gcrattjen, alöbalb erlag. ®a§ ©djänjel ging berloren (bgl.
'DJhlitä^Söocb.enblatt , Berlin 1825, 9lr. 485, 1841, 9tr. 29; Sufft, baö
©djänjel, ÄarlSrulje 1885). ©ein ffreunb unb äöaffenbruber, ber öfterreidjifcb.e
gelbmarfdjall ©raf äöurmfer, lie^ bort 1796 „bem Reiben unb 33iebermann"
5)5. ein Senfmal erridjten. 5J}. feb^rieb ferner: „SDer gefdt)icfte Eingriff unb bie
Reffet. 611
glürftidje 2lbt)altung bei geinbeS Bei ^Belagerungen", ßöttjen 1757; aud) gab
«r eine ßarte bon «polen IjerauS. Sie SiMiotfjef beS ©rofjen ©eneratftabei ju
üBerlin fcefifct eine £anbfd)rift «piau'i über „Manöbrei, toetctje bon ben faiferlid)
öfterreidjifdjcn Gruppen erjntoeit «Prag gemalt worben, 1777."
58. «Poten.
Steffel : 6in Minnesänger rittertidjen StanbeS, ber wärjrenb bei Regierung
.^erjog ftriebrid)S bon Cefterreid) beS Streitbaren (1230—1246) bidjtete. ßr
preift biefen in feinem erften ©ebtdjte als ben SBetfer ber ftreube, bie früher in
Defteireidj lange berborgen gewefen fei, als ben Spenber bon «Reicf)trmm^alS
ben Iröfter ber Siedjen unb fnüpft baran bie in einen äöunfdj an bie ^rau
Sffilde eingefleibete «Bitte, aud) itm felbft mit einer ©abe ju bebenfen. $. war
banad) ein {yatjrenber, ber um ßolm bietete, unb gehörte wie ©ruber äöerntjer,
keinmal- bon 3weter, «Reibfjart bon «Jteuentf)at, 2annt>aufer unb SInbcrc au bem
Stdjterfretfe, ber fid) am £ofe beS fangluftigen testen «BabenbergerS berfammette.
£b er felbft aus Oefierreid) ftammte, ift jweifettjaft. SDie «parifer «ieber^anb«
fdjrüt, welche ifjre £id)ter nad) Sanbfctjaften ju orbnen pflegt, fteüt it)n awtfd)en
fdjroeijerifdje «DUnnefänger unb aus einer «Bafeler Urfunbe bon 1243 tft ein
Heinricus pheffili miles nadjgewiefen (Sperjog, ©ermania 29, 35): man fjat
barauS ben ®$lufj gejogen, er fei ein 2llemanne gewefen unb gleich mandjen
anbern Sintern bei wefilidjen £eutfd)tanbS («. SS- Üieinmar ber Sitte unb
«fteinmar b. 3weter) in bie lebensfrohe Cftmarf eingewanbert. 6inc gewiffe
2ßarjrfd)einlid)feit mufc biefer 6ombination jugeftanben werben, obwohl bie
Sbentitdt bei SidjterS mit feinem urfunbtidjen «Jtamenibetter, wie meifteni in
berartigen gälten, fid) nid)t beweifen täfet. Sai «preiigebidjt auf griebrid) ben
Streitbaren reist übrigens burd) ben beftimmten Hinweis auf eine fneblidje,
fröi)lid)e 3«t, bie langer Unruhe unb Trauer ein ßnbe machte, ju bem «Berfud)
einer genaueren ©atirung. <Sier)t man fid) inmitten ber ftürmifdjen Regierung
griebiitf)3 nad) einer «paufe um, für welche «Pfeffel'i Säuberung paffen tonnte,
fo bieten fid) brei ^eitpunfte. 2)er erfte, bie 2BeIjrt)aTtntad)ung bei öerjogs
Anfang 1232 bilbete ben feftlidjen 3lbfd)lufe ber gef)be mit ben Äuenrmgern
unb leitete eine bis sum öerbft Wätjrenbe «Ruijeäcit ein, aber ber boraurgegangene
Streit war bod) ju furj unb unbebeutenb, um «pfeffel'i nadjbrüdlidje 2Borte
bon ber lange berborgenen yveube ju rechtfertigen. ®efä£)rlid)er waren fdjon
bie kämpfe mit ben «ftad)b arfürften («Baiern, «Böbmen, Ungarn) im folgenben
Saljre, unb baS «Jtüf)ejaf)r 1234 tonnte Wol empfunben werben wie bie Bifida
fetjr beS 2ageStid)tS nad) langer «Rad)t. Möglid) alfo, ba£ ber Stnlafj 311 bem
©ebic^t biefe Seit war unb bietteidjt fpeciell bie am 1. Mai näcfjft Stabtau
bei SGßien gefeierte «Bermärjhmg ber Sdjwefter griebridjS, Gonftanje mit bem
Marfgraien £einrid) b. Meißen, ein pruntbolleS geft, bei bem bie Mutter bei
£eraogi, 2tjeobora, fowie biete erlaubte ©äfte, barunter bie bisherigen ©egner
£önig Slnbreai bon Ungarn unb 2öenset bon «Böhmen, ber Sanbgraf öeinrid)
«Rafpe bon 2b,üringen, mehrere SBifdjöie unb jat)freid)er Slbel 3U9e9en ®m™-
«Biet waljrfdjeinlidjer inbef^ ift, baB ^Teffel-'i «ßreiSgebidjt m ber 3eit ent=
ftanb, alS ber für Cefterreid) tier^dngnifebottfte £ampi, griebndjS Empörung
gegen ben Äaifer, ber über baS Sanb atte ©reuet be§ «BürgertriegcS gebradjt
fjatte, enbtid) geenbigt war unb eine neue gpodje ber Sidjei^eit unb beS tynebenS
für bie fdjwer geprüfte Dftmarf anbrad). «Rad) bier Äriegäjaljren, bie reidj an
wunberbaren SBedjfetiällen gewefen Waren, fanb fid) §erwg griebrid) Wieber als
redjtmä&iger Sefi^er feiner grblänber anertannt, ber 3teid)iadjt tebig, mit bem
ßaifer in befter gfreunbfdjait unb feierte am «JBei^nadjtitagc 1239 Tefttidj bie
compositio et concordia. «Betet)rt buret) bie fd>weren @rfaf)rungen bei legten
39*
612 Weffel.
Krieges, in bem jeine eigenen SSürger unb sDltniftctia(en gegen it)n gefämpft
Ratten. bemüljte er fiefj nun, bie 33evooljner feiner .£>erjogtt)ümer, bie er |o lange
burdj äöillfürfjenfdjaft aufgebracht Ijatte, ju öerföljnen unb an jeine s4ktfon ju
fcffcln. @r getoä^rte beäljalb bamat» unb in bem nädjftfolgenben 3jal)re ben
^Bürgern ber ©täbte roidjtige Sedjte unb $reit)eiteu, erleichterte bem 3lbel bie
Wütffeljr unter feine ."perrfdjaft, allen abgefallenen rjotte Slmneftie ertljeilcub,
unb ertoieg fidj befonberä ben geiftlidjen £)rben freunblidj burdj 23eftätigung
früherer Sßorttjeile, burdj neue ©djenfungen unb 3utoenl)un9 berfdjiebener 33e«
günftigungen. @r cntmidelte in biefer 3"t eine öetfd)tüenbertfd)e greigebigfeit,
eine erobernbe SiebenSroürbigfeit unb sDlilbe gau^ im ©egenfafc ju feiner biss=
teerigen rüdfidjtälofen .ipätte unb ©djrofff)eit. @r burdjreifte feine uneber ge=
roonnenen £änber, überall fidj aU gütig fpenbenber Dcrrfdjer bemäljrenb, traf
in 20ßtener=91euftabt, umgeben öon einem gläu^enbcn ©efolge, unter bem fidj bie
2)idjter Sroeftelein unb lltrid) öon ©adjfenborf befanben, mit Utrid) öon ßid^tcn=
ftein jufammen, ber all $önig 3lrtu8 umtjerjog (^tauenbienft, £ad)mann§ 2lu§=
gäbe ©. 472 ff.), unb feierte im 3>uli 1240 in ©teiermarf unter grofjeu geftlidj=
feiten bie Äßicbcröereinigung mit feiner ©cmafjlin 3lgne§. 3Sn jene Sage neuer
Hoffnung unb allgemeiner g^ube fetje id) ^feffel'ä ©prud), ber bann ^ug für
$ug feine unmittelbare SBe^ietjung auf bie gleichzeitigen Vorgänge l)at. 2>a$
©ebidjt jeiflt fidj als eine nid)t ungefdjidte 9kd)a()mung öon SBalttjerö ©prud)
auf baä SBiener £>offeft (ßadjmann'ä 3lu3gabe 20, 81). (Sin Reiter ©prud)
^feffel'i trägt in alter, Dolföttjümlidjer, aud) öon SOßaltljer (Sadjmann 22, 33;
91, 17) augeroenbeter (Sinfleibung einem jungen Planne ßeljren ber ßebcn§=
flugtjeit öor. £)aS britte ®ebid)t, tueld)e3 mir öon *XS- ^aben, ift ein ßiebeslieb
mit gehäuften trabitionellen (Spittjetiä, im ©eleife ber getuöf)nlidjeu Sobepoefie
oljne tiefe innere 93eroegung, aber nid)t ol)ne 3lnmutl). 2)er SJidjter ftel)t, fo
tneit man au3 ben geringen heften feiner s4>oefie urttjeüeu laun, ber älteren üor=
netjmeren 2)id)tung ber faljrenben ©äuger nätjer; er ift einer ber begabteften
©djüler äBaltfjcr« unb tfjeilt mit feinen oberbeutfd)en ßanbäleuten bie öon jenem
gefdjaffene Sßerbinbung ber ©ptud)poefie unb $ftinnepoefie (ögl. 33urbadj, 9teinmar
ber 2Ute unb 2Öaltl)er öon ber SJogcltoeibe, Seipjig 1880, ©. 83, 131 ff. 134);
er fdjeint nodj unberührt öon ber ljöfifdjen 2>orfpoefie 9ceib(jart3 öon Üteuentljal,
ber 1230 nadj Oeftcrreid) fam, unb betaftet feine ©ebidjte nod) nidjt mit bem
$ram pljantaftifd) abgefdjmatftcr 3lTtcrgelefjrjamfeit, roie jum ütrjeit fdjon föeinmar
ö. ^eter, nie^r noc*) 2annt)aufer, Soppe unb ©pätert\
33on ber £agen, SJlinnefingcr II, 145 III, 080 a. IV, 461 ;— Kummer
S)ie poetifdjen ©r^äljtungen be§ ^perranb öon SBilbonie, äßien 1880, ©. 62; —
3lpfetftebt, ©ermania 26, 224; — S3artfd), Sic ©c^roei^er 93tinnefänger
(^ibliottjef älterer ©djrifttoerfe ber beutfdjcn ©d)tt)eij 6), 5rauenfelb 1886,
©. XL1X f. 71 ff. 421. — 2)a3 Söefte über .$er,}og griebrid) ben ©treitbaren
in ber Sonographie öon ?lbolf ftitfer (3nn§brud 1884): ögl. ©. 20, 26 f.
87 ff. ®. Surbad).
Steffel: ßljriftiau griebrid) ty. , ^iftorifer unb Diplomat, ©ein
unb be§ 5£)ic^ter§ ©ottlieb ^onrab ty. S5atcr toar ber ©of)n eines ^farrer§
ju Sunbingen im 93abifctjen; at§ -g)auStel)rer nact) ©trapurg gefommen, trat
er, öom $ntenbanten d'Angervilliers unb bem ^prätor Älingtin empiof)len, al§
Jurisconsulte du Roi in ben fran^öfifdjen ®ienft ber au§märtigen 3lngetegen=
Reiten ein unb lie^ fidj in Golmar nieber, roarb f)ier ©tättmeifter (©tabtöor»
fterjer) unb fjeiratrjete eine junge 2Bittme. 31 IS ättefter ©ot)n marb ty. am
3. Cctober 1726 geboren. sJlac^ bem ülobe be§ ^BaterS 1738 öotlenbete er feine
33orbilbung nod) in Golmar unb be^og 1742 bie Uniöetfität ©trafeburg. |)ier
fdjlofe er fidj befonberS an ©c^öpflin an, beffen Xifdjgenoffe er aud) eine $t\t
SPfeffel. 613
lang mar. fyür ©djöpflins Alsatia illustrata macfjte et Cuettenforfdjungen unb
übernahm bie Leitung ber fjifiorifdjen unb politifdjen ©tubien mehrerer an
©d)öpflin empfohlener junger (Jbelleute bes" Vlustanbä. 1749 nmnbte ftd) ber
fädrjfifdje £of an ©djöpftin um redjtägeleljrten Setftanb für bie Slnfprücfje ©adjfenS
auf bie ©raffdjaft .£anau=ßid)tenberg: mit ©cfjöpflins @mpfeb/(ung ging $. ju
biefem 3roecc nad) Spart«. 2)er ©efaubte, ©raf P. Soos, erroirfte 1750 «pfeffete
Ernennung pm ©efanbtfdjaftsfecretär. 3n bie näcfjftfotgenbe 3eit fällt feine
erfte litterartjdje Xtjätigfeit. sJtact) bem 3)orbitb eines 1752 in 4. Auflage er=
fdjienenen SBerfei Pon «Renault ü6er bie franjöfifdje ©efd)id}te bearbeitete er bie
beutfdje 9Utcfj8gefcf)icrjte in tabeHartfdcj'drjtonologifdcjer gorm. 25iefe ju it)rer geit
mit grofjem Beifall aufgenommene Arbeit erfcbjen <$uetft 1754 ju $aris, unter
bem Sitel ..Abrege cbronologique de Fbistoire et du droit public d'Aliemagne",
in 4. Slufl. 1777, in beutfdjer Ueberfetmng 1761. 5|3. roar injroifcfjen bem ©rafen
Soos 1753 nadj Srcsben gefolgt unb t)ier in bcn 2)ienft bes ©rafen SBvü^t ge=
treten. SDiefen begleitete er 1754 nad) Söatfdjau unb mar in 23rürjt'§ Auftrag
für jene 5ßolitif ttjätig, meldte junt jiefienjär)rigen Kriege führte. Sei ber
Kapitulation in Spirna 1756 befanb er ftd) im ©efolge be§ Äönig§. S)ann führte
er ben jungen ©rafen 33rüt)C nad) Strasburg unb befudjte fetbft $aris. 1758
als Segationsratb, nad) SBarfdjau berufen, Warb er burdj ben franjöfifdjen 2)cinifter
33erni§ at§ franjöfifdcjer Untertan rectamirt unb in franäöfifdjen Sienften an
ben 9teictj§tag in 9tegensburg gefd)idt. 2tber fctjon 1761 roarb er enttaffen unb
trat nun in bie 25ienfie be§ JperjogS Pon Sroeibrüden, feines" SauTpatljen, ber
irjn 3um Üiefibenten in sDMncb,en ernannte, -Jpier Perfcrjafften ib,m feine rjtftorifdjen
Unterfudjungen jur batjerifdjen ©efd)idjte 1763 bie SBatjl jum S)irector ber
tjiftorifdjen (Stoffe ber neuenid)teten 5tfabemie. 5ln ben Monumenta Boica nar)m
er insbefonbere burdj (Srforfd)ung ber in ben ßtöftevn Perroarjrten Urfunben
roefentticfjen 2lntrjeit. %\n erften 33anb ber Stbtj anbiungen gab er eine SDarfieltung
ber ©renken beS baprifd)en 9torbgau§ im 11. ^arjrtjunbert mit Äarte. 1767
toatb er roieber nad) Serfaiües berufen unb erhielt bie einft für feinen 23ater
gefdjaffene ©teile eines" Jurisconsulte du roi. 911s" foldjer roar er namentüct}
bei ber ©renjregulirung gegen bie 9iieberlanbe unb SDeutfdjlanb tt)ättg. Submig XVI.
tjiett fefjr Piel auf $., ben ber ^Rinifter S3argenne§ mes arcbives Vivantes nannte.
$n ber ütrjat r)at biefer nidjt blos als" 25ip£omat im Sienfte granfreidjs unb
feiner Sttliirten beffen ^ntereffen treu, biecret unb tr)ätig Pertreten. Studj a!3
^ublicift ^at er in ©djtöjerä ©taatSau^eigen Pom IV. bi§ jum XIII. Sanbe
f5franfreic£)i 3}err)ättniffe, insbefonbere feine finanziellen unter nieder in einem
günftigeren Siebte erfcfjeinen taffen, at§ man in S)eutfd)tanb nad) ben allgemeinen
3tnfd)ulbigungen burd^ Stouffeau u. a. geneigt roar anpner)men. ©o fam benn
aud) ber „2luftrafier", unter toelctjem Tanten $. ftd) Perbarg, mit beutfdjen
!ßubtici[ten in Gonflict, in toeterjem ib,m jebod) bie genauere Äenntnifj ber roirf^
ticken üßerrjältniffe §ut ©eite ftanb. Sine rjiftorifdje Darlegung ber Pon ib,m
erlebten (heigniffe leljnte er aud) fpätcr ab. 9U§ bie 9rePotution ausbrach, mar
er in ©efd^äften in 3tt>eibrüden; fein ©efudj um Gmtfaffung 1791 führte 1792
jur 5lbfe^ung. 6r roarb auf bie ßmigrantenttfte gefegt unb Pertor fein in £anb=
^ütern, insbefonbere im Dberelfajj angelegte» Vermögen. @r lebte bann in
^Rannb^eim, bi§ ib,n 1799 ber neuausbred)enbe ^rieg zrDtfdtjen granfreieb, unb
•Cefterreidj jur Ueberfiebelung nadb, Nürnberg Peranla^te. 1800 roarb ifjm bie
9tüdteb,r nad) ^arü gemärjrt unb Xallepranb roar bemütjt, ib,n für feine SJer=
lüfte 3U entfdjäbigen. 2lts bitter ber (Jtrcenlegion unb 5)titglieb ber Gommiffion
für ba§ Ott)einfcr)iffac)rt§octroi, Perlebte er bie legten ^ab^re in ber}agltdc)en 35er*
rjältniffen, üon feiner trefflichen ©attin gepflegt. 25er £ob raffte ibm, ber ftetS
gefunb geroefen roar, fanft t)inroeg am 20. 9ftär3 1807. S3on feinen ©ö§nen
6U treffet-
ift S f) v i f t i a n Jpubert (33aron s#. öon Äriegelftem), geb. 311 Strasburg 1765,
geftoiben als baierifdjer ©efanbter JU ^3ariS 1835, mit bei* SEfjefe Limes Galliae,
Strasburg 1785, fcfjriftftetlerifdj aufgetreten.
s)cad)ruf öon ©djlidjtegrotl in bei* erften öffentlichen ©itmug ber Slfabemie
ju 3Rttnc$en nad} iljrer (Jrneuung 28. Sept. 1807; — öon 9luguft ©töber,
Grjv. gft. ?pfeffct, ber £iftorifer unb ^Diplomat, «Dtül&aufen 1859 loicbcr ab=
gebrudt, jufammen mit einem Üleholog Don Degetando im Moniteor Universel
1807. — lieber 6tjr. ipubert $. , f. ©tobet in ber Revue d'Alsace 1859,
©. 210. ".IU artin.
Steffel: Sott Heb Äonrab «p. , etfäffifdjer Sinter unb «JJäbagog. ©e=
boren am 28. $uni 1736, öerlor er fdjon im feiten 3fat)tc ben Sater (f. unter
Gtjriftian fyriebvtcf» Reffet); boer) füllte bie Butter „ftreng gleid) einer ©parterin"
bie (är^ietjung fort. 1750 fam er in baS £>auS bcS ^ßfattetS ©anber in Äön»
bringen bei ©mmenbingen, Wo er bie Sorbilbung Tür bie Uuiüerfität erhielt, audj
in ber SBetSfnnjt untenid)tet mürbe. %m -$erbft 1751 bejog er bie Uniöerfität
JpaHe, öon beren Öcfjrern er ben ^Ijilofopljen etjrtftian 2Bolf befouberS tieretjtte.
gr ftubirte bie Ütedjte, inSbefonbcre baä ©taatSred)t, um fid) für bie biptomatifdje
Saufbatjn öor\.uberciten, welche fein älterer ©ruber, fpäter audi fein greunb
-.Uicolai) mit Srfolg betraten. Slber ein Slugenleiben, burd) übereifriges ©tubiren
öerfdjlimmert, ,ywang iljn 1758 bie Untöerfttät ju öerlaffcn. SßergeMidj flickte
er aud) in ©reiben, Wo fein Söruber bamalö öerweilte, ärjttidjen Statt). 1754
fefjrte er nad) Golmar jurürf, um fid) junäd)ft leichteren v^efd)äftigungen, inS=
befonbere ber 5Dicfjtung rjinjugeben. 33ei feinen Sefu$en in (Strafeburg biente
ifjm eine junge Süerwanbte, Margarete £)iöour, ati ©ecretär: it)r bictirte er
1758 ben ©rief, in weldjem er um fie warb. „2)oriS", wie er fie in feinen
©ebid)ten nannte, roarb 1759 feine (Jftau, nadjbem 1758 fein 9lugentid)t burd)
eine nott)Wenbige Operation ööllig jerftört roorbeu mar. 3t)te £iebe unb $ür=
forge erfeijte ifnn ben 23crluft. ^u fpäteren 3at)ren fagte er, bafj er nid)t nur
bie Saubljeit für ein fd)limmereS Hebet fjalte ati bie ÜBtiubtjeit, fonbern aud),
wenn er bie Söatjl tjättc, lieber biefe ertragen wolle, als feine rtjcumatifdjen
©djmerjen. 3)ie ©egenftänbe, bie er üor ber ßrblinbung geferjn, ftauben ifjm
fein Brf>en lang fo ftar bor 3lugen, bafj er, an bie ©tätten feiner ^ngenbjeit
,rurüdgefel)rt, genau bie 2lusfid)t nad) ben üerfdjiebenen ©eiten t)in bejeidjnen
tonnte, ©eine Umgebung feffette er burd) feinen liebebotlen, munteren Umgang
au fid); ja er wußte aud) at§ £et)rer ber Sugenb bie tieffte ©tjrfurcrjt einju»
flöjjen. S)icfe (Svjierjergabe ju betätigen Warb er baburdj öeranlafd, bafj bei
bem Jperantoadjfen feiner gamilie er barauf bebadjt fein mutete, fein ßinfommcn
ju öergröfjern. 6r tjattc anfänglid) als Ueberfeüer einen s)cebenöerbien[t gefudjt
unb aufjer ben fpäter ju nennenben poetifd)en Söerfen namenttid) ^^urrjS $irdjeu=
gefd)id)te tn8 ^eutfdje unb 33üfd)ingS 6vbbefd)reibuug in8 granjöfifc^e übertragen;
aud) eine Slttgcmeine s^3ibtiotl)ef beS ©d)önen unb ©uten 1764 begonnen, aber
nid)t über ben 2. 33anb IjinauSgefütjrt. 911S S)id)ter fe^lt cS itjtn uidjt an 3ln=
erfennuug, namentlich öon ©eiten beS babifcfjen unb barmftäbtifdjen ^)ofe§; öon
lefcterem ertjiett er 1763 ben £ofratt)Stitel. 3lber bie päbagogifd)cn s|ltäne oer=
fprad)en ein fid)ereS SluStommen, unb fie in Angriff 3U neljmen, trieb if)n nod)
befonbevS ein fdjmeratidjeS Gieignife : ber 1770 erfolgte £ob feines ätteften, früi>
entwidelten unb ^ärttid) geliebten ©oljueS, ben er unter bem Flamen ©unim
betfagte. @r woEtc baS 5lnbenfen feines ©oljneS eljren, inbem er ben Äinbem
?lnberer ein $ater würbe. @r erridjtete eine drjiefjungSanftalt für proteftantifd)c
Knaben, inSbefonbere für fotdje, bie fid) bem OTitärbienft wibmen wollten unb
bie bod) itjret Religion Wegen öon ben franaöfifdjen ©taatSanftatten biefer 3lrt
auSgefd)loffen waren, ©einen ^>lan legte er ©ali3=9Jcatfdjtin3 tior, bem S3or=
«PfeffeC. 615
ftetjer eineä bainati bcrütjmien Snfritutä bei Gtjur. £urcrj feinen SBruber öer=
fd^affte er fict) in Sßerfaittei bie nöttjige Grtaubnifj unb bie Ecole militaire,
fpäter aU Academie bejeictjnet, trat 1773 in Xtjätigfeit. Dcactjbem et anfangt
mit einem ehemaligen franjöfifctjen Militär, SBeltefontaine, fd^(edt)te Gmatjrungen
gemacht, fanb er feit 1775 in ®oettje;§ ftreunb Seife einen auigejeictjneten SDtit*
arbeiter. 2Infang§ auf 12 Zöglinge beregnet, erweiterte fict) beren Qafy aul 40,
felbft auf 60, abgefetjen Don ben erlernen 2?efud)ern be§ Unterrichte. G§ waren
nid)t nur Glfäffer, aud) granaofen, ©eutfctje, Schweben, puffen unb befonber*
©ctjWeijer. 3u ben letztgenannten gehörte aud) Wellenberg, ber fpätere SBegrünber
unb Seiter ber Grjietmngianftatt <ju ^ofwtjl. S)ie gan^e Einrichtung ber 3In=
ftalt, worüber befonberä fein 9ccffe Gtjriftian ^ubert ba§ 9cät)exe mitgetrjeilt tjat,
war mititärifd), bie Knaben in 4 Gompagnien gettjeilt; bie beften bitbeten bie
Gtjrencompagnie. Ueberall würbe ba§ Gtjrgefütjl ^u förbern gefugt unb ben
jungen Beuten, wenigftenS fdjeinbar, fict) felbft ju leiten geftattet. SSou ©ptadjen
waren nur Sleutfct) unb granjöfifctj obtigatorifd), Sateinifct) unb Gngltfd) facul=
tatib. Sie förderlichen Uebungen würben ftarf betrieben, aud) ba% leiten. 9lüe
Waren uniformirt, wie benn $ß. felbft ein gauj befonbereg Vergnügen baran
rjatte, Uniformen ju erftnben. gür fict) felbft rjatte 5ß. ben Oteligionsuntcvrictjt
öorbetjalten, ben er in einem aufgeklärten, ftreng moralifcfjen Sinne erttjeilte.
©päter fafjte er feine Setjren jufammen in ben „Briefen an Settina", weldje
inbcffen erft 1824 (ju 23afel) ju einem wotjtttjätigen $tü?de toeröffenttidjt, balb
barauf auctj in'i ©ranäöfifcrje überfetjt Würben, ©in Sieberbud) für bie Gotmaret
ßriegsfctjule erfctjicn $öln 1778. 5JJ. felbft beteiligte fict) aud) an ber reli=
giöfen Sieberbictjtung unb eine ^)tjmne bon itjm „Setjoöat)" ift im (5tfa% noct)
jetjt wotjlbef annt : f. 9tittelmerjer, ^irdjenlieberbictjter bei ßlfaffei (3ena 1855)
©. 71 ff. fyür bie «ftriegsfctjute [teilte er noct) ^ufammen „Principes du droit
naturel", Colmar 1781. Gine Sammlung öon 2lnefboten für' bie ^ugenb,
„Öiftorifct)e§ 9Jcagajin für ben SSerftanb unb ba§ <§er,5" Strasburg 1782, ift
auct) in ber franjöfifcrjen Ueberfefeung biet gebraudjt worben.
S)urd) feine <5d)ute warb ty. in Weiten Greifen befannt unb itjretwegen biet=
fact) aufgefuctjt. Gr felbft fütjrte feine ©ctjüter 1777 ^ofept) II. in fjf reiburg
cor unb erwarb fict) beffen üotlen SSeifatt. S5on au§länbifct)en Gelebritaten lernte
er Voltaire, Sllfreri, fpäter auct) ben gleidjfatte btinbeu SDictjter SeliUe rennen.
S5efonber§ nat)e traten itjm ©djloffer in Gmmenbingen, ben er üermuttjlid) burct)
Serfe tennen lernte unb mit beffen t)umait--fittlicrjen ©runbfätsen er innigft über*
einftimmte; ferner ber 1784 nact) greiburg berufene $otj. ©eorg ^acobi; öon
Sctjwei^ern fiabater, ber itjm bie „Gmpfinbungen eine§ »proteftanten in einer
fattjotifctjen Äirctje" 1781 peignete, unb ©arafin in Safet; nur ba§ er bie
fct)wärmerifct)e 9tict)tung biefer beiben nictjt ttjeilte. Wü ©arafinS ©attin, bie er
als ©eraptjine, fpäter 3oe feierte, War er natje befreunbet, wie benn innige
Sünbniffe mit 5^'ouen jener oeil un^ $feffel§ eigenem Gtjarafter befonber§ ju=
fagten. Gbenfo befreunbet War it)m bie ßattin be§ ©öttinger ^rofeffors, fpäteren
^oiprebigerS ju -!pannober, Sottfrieb SeB (Serena). ©opfiie Saroctje übergab
itjm einen ©ot)n, er it)r eine 2oc£)ter jur Gräietjung.
*p. rjatte feine er^ietjerifctje S'tjätigfeit nad) 20 ^atjren ab^ufctjtteBen gebaetjt:
\>a$> Gnbe fam ein ^at)r frütjer, infolge ber 7Jortfct)ritte ber franjöfifctjen 9te=
Dolution. 5p. war immer ein Siberaler geWefen, fein %beal waren bie fctjweije^
rifdjen S3erc)ättniffe. 1782 rjatte er ba§ G^renbürgerrectjt in SSiet ertjalten. Un
ber tjelüetifctjen ©efettfetjaft in ©ctjinjnacr), Dlten unb Slarau natjm er metjrmals
2t)eil, unb warb für 1785 fogar ju itjrem ^räfibenten erwätjtt, ein 2lmt, ba%
er burct) einen launigen Grlajj an feine Untergebenen unb burct) einen Vortrag
„über bie europäifetje Jhiegsöerjaffung bor ber Grfinbung bei fjfeuergewefjri"
616 ^feffel.
antrat. 2)ie erften ©ctjritte ber fran3öfifdjen Weoolutiou üeryolQte er mit 33e=
gcifterung unb fpradj ficrj in biefem ©inne in (Spifteln an 9iing in (SarlSrutje
unb an (Staf 33rütjl, ben Gommanbeur beS Regiments SHotjat b'2llface in ©trafen
bürg au§. 3lber fdjon bic nad) bem 10. 2luguft 1792 tjeimferjrenben ©djroeiäer=
garbett begrüfetc er burd) ein f«mpatt)ifcrjeS ^ieb ; bie Einrichtung ÖubmigS XVI.
betrauerte er Her. 2)ie ©djredenSberrfdjaft bebrotite audj Um. 9lber im £>eparte=
ment Dbertljein geftattete man (JulogtuS ©djneiber, ber mit ber ©uittotine um«
rjerjog, ben Eintritt nidjt. s43feffetö greunbe unb ©djüler fielen anbertoärtS bem
©ctjaffot jum Dpier, fein 33ruber warb projcribirt. 6in ©olm Steffels, ber jur
Wrmee gegangen mar, erlag ben ©trapajen. ©ein Vermögen marb burd) bie
Mffignatenwirtrjfcrjait auf ein fünftel .uttürfgebradjt : tange ^eit Ic&te *>cl* ®rci*
mit feiner Familie in watjrer SDürftigfeit. 3Bie t>or ber Segrünbung ber ©djule
mufete ber Ertrag feiner ©Triften, bie er je^i bei Gotta in beffen ©ammtung
glora erfdjeinen liefe, if)iu ©elb nerfctjaffen.
@rft bie wieberfeljrenbe Drbnung fud)te itjn ttjetlroeife ,}u entfdjäbigen. Xer
gelehrte Dtoel natjm alö $räfect $. jjum secrrtaire interprete, unb bicfer ent=
tebigte fid) feiner Slufgabe bie WegierungSerlafje ju üerbeutfctjen mit ©orgfalt
unb ©efdjicf. Napoleon, beffen Slbfidjten übrigeng %<. fdhon 1798 gut burd)*
fcfyaut tjatte, öerlietj itjm otjne fein ^utljun 1806 eine «ßenfion. v^efonbere
greube mad)te es 5ß. bei ber äötebertjerftetlung ber ©djute unb namentlich audj
ber Ätrdje augSburgifdjer Gonfeffion mitjuroirfen. ($r marb 1806 in baS
SDirectorium biefcv $ird)c geroätjlt. 91udj an auswärtigen gtjrenbejeigungen
fetjlte eS tfjm nictjt. 3Bie er fctjon 1788 (Stjreumttglieb ber berliner "ülfabemie
ber Äunfte geroovben mar, fo wählte ihn 1808 bte «IJtfindjner 9lfabemie jum
ßtjrenmitglieb an ©teile feines uerftorbenen 23ruberS. ©djon öor biefem über-
hatte er feine greunbe baljin fterben gefeljen unb fein Filter mar tängft ein be--
fctjroerticrjeS, fctjmeqerfütlteS geroorben. Wadjbem er eben nod) feine golbene
-£>och>it hatte feiern fönnen, ftarb er am 1. 'DJlai 1809. «Pfeffete Sßüfte hatte
ber Äönig Don SÖaiern burd) Ghriften, einen ©djüler GauoöaS, in Marmor auS=
führen laffen, ein anbereS iöruftbilb marb 1811 im Golmarer öijceum aufgeftettt.
1859 enthäute man in Golmar feine ©tatue, bie ber Söilbtjauer 31. griebrid)
gefchenft hatte. Sie elfäffifctjen Sh'chter bereinigten fidh bamatS 3U einem SPfeffel»
atbum; insbefonbere hat 2lug. ©töber, baS fkttjenfinb ^reffelS, feinein ßeben
unb feinen 2Berfen ein pietätStiotleS ©tubiunt gemibmet.
%U 3ct)riftftencr erjcfjeint ty. im öoüeu ©inne als Iräger jener 3)ermittetung
^mifetjen ©eutjdjlanb unb ftvanfreidj, roeldtje fo üielfad) in neuerer S^ a^ SÄwf"
gäbe ber 6 tf äff er bejeidmet roorbeu ift. ©einem ®efd)mad entfpradj bat)er audj
ööftig jenes bid)terifc^e ©treben, metcfjeS in feiner Sfugenbjeit, in ben 50er ^atjren,
noct) am meiften SInerfennung in S)eutfct)tanb gefunben tjatte unb meldjeS fittlid)*
religiöfen ®rnft mit ©lätte unb Älar^eit beS Vortrags ju öerbinben filmte.
Steffels ^orbitb mar ©eüert, ben er fetbft 1754 in Seip^tg aufgefud)t tjatte.
ÄlopftotfS ®röfee liefe er gelten unb fam fpäter audtj mit äaeobi, mit 93ofe in
ireunbfdjafttidje Se^ieb^ung. dagegen blatte er über ©oettjeS jugenblidtje Mentalität
fetjon mätjrcnb beffen ©trafeburger 3eit abgeurttjeilt. an feiner @raät)tung
„6ato" 1781 nannte er 2öerttjer einen Sotterbuben; ©ötj fe|te er unter bie
.»pcrmannSfcrjladjt. ÄlingcrS rotje Stjafefpearefctjroärmerei empörte itjn; mit Senj,
ber 1777 in feinem Jpaufe Permeitte, füllte er SRitleib. SeffingS Fragmente
öerroarf er unb blieb audj gegen .^perberS frütjere 2öerfe fritifetj geftimmt; bodj
erbaute er fid) nod) in feinen legten ©tunben an beffen Jpomilien. ©egen Äant
trat er auf ©djtofferS ©eite. 93on gfwjofen famen glorian, iBerquin, ^))tar*
montel audj perfönlidj in Sejieb^ung ju itjm : bodj blieben biefe 33errjättniffe metjr
äufeerlid), mef)r auf baS arbeiten in gleicher 9iid)tung beidjränft, roätjrenb er
pfeifet- 617
ber heutigen Sitteratur jum £b>it mit tiefer ©nmpatfjie, aum anbern Streit mit
heftiger Abneigung gegenüberftanb.
Von ^feffelS litterarifdjen Seiftungen finb bie Dramen am menigfien Pon
Vebeutung unb öon ifjtn felbft aucrj fämmtticf) bei ber fpäteren Sammlung
feiner ©driften auSgefd)toffen morben. £ier mar % meift als Bearbeiter fran*
3öft|d)er ©tütfe aufgetreten : fo in ben „Srjeatralijcfjen Verfügungen", bie au
gfranlfuxt 1765—1774 erfcfyenen unb in ©oebefe'S ©runbrifj 1. Stuft. ©. 644
aufgejagt finb. ^ßfeffelS 2luSmaf)l befcf^ränfte fid) auf fotdje ©tüde, bie nod)
nid)t inS Deutfdje üoerfefct maren. ©elbftänbig finb ^feffelS 2rauerfpiel in
einem Slufaug, „ber ginfiebler" 1761, fein ©djärerfoiel „ber ©dm£" 1762, fein
©d)aufpiel „^^iiemon unb Saude" 1763. lieber bie beiben crften t)at Seffing
in ber £amburgifd)en Dramaturgie, am ©bluffe beS 14. ©tüdeS, ungünftig, aber
nicfjt ungerecht geurttjeitt unb bes Dietere 2lbfid)t, bie poffenlmften 91ad)fpiete
burd) ernfte au üerbräugen 3urüd geroiefen : eS märe immer nodj beffer Pom SBeinen
jum Sachen, als aum ©ärjnen überaugeljen. 3ubem ift baS erfte meines bie
Ütüdferjr eines Verbannten unb bie Vermählung feiner Softer fd)ilbert, nur in
Veaug auf bie 2lbfid)t au rühren ein Srauerfptel. Veffer, ja in ber gorm un*
tabeltjaft ift baS brüte ©tüd, toeldjeS «p. für bie ^arfgräfin toon Vaben bietete.
9cid)t in SUeranbrinera , fonbern in $rofa finb bie „bramatifdjen Äinber»
fpiete", ©trapurg 1769 öerfafjt: Dämon unb ^titrjiaS u. f. m. ßauter männ=
lid&e Collen entr)a(tenb finb fie bie Vorläufer ber gegenwärtig merjrfad) Per=
tretenen ©tüde für ^ünglingSPereine. Verquin t)at fie inS granaöfifd)e überfefet.
Die «profaeraö^tungen ^sfeffelS gehören gröfjtentrjeitS feinem Sitter an, ber £eit
ber errungenen gjlu^e nacfj Sluftöfung ber Gotmarer ÄriegSfdjute. Snbem «p.
fie im Greife feiner Familie bortrug unb feine gutjörerinnen über ben Ausgang
befragte, melden er feinen ©efd)id)ten geben fottte, tjaben fie einen frauenaimmer=
liefen gtjarafter erhalten. Die 9tüf)rfeligfeit ift Porfjerrfcfjenb ; baS dufter
9ticrjarbfonS ift attju fid&tfcar. Daf; ©etbberrjältniffe eine für unfer ©efüf)l attju
grofee 9totle fpielen, bemertt ©euerer mit 9tect)t, ber in ber ©efd)id)te bcS (SlfafjeS,
3. Stuft. ©. 400 ff. «p. ferjr ftreng beurteilt tjat. Slber audj baS r)ebt er tjeroor,
mie öortrefftidj in „Sina bon ©aalen", ein alter ©eneral, mit meinem •'perjen
unter raupet Schale, in bie fonfiige 3cttfjrung ein rjumoriflifd)eS Clement einmifdjt.
SllS geitbilber intereffiren aud) mol bie ©cenen auS ber ©djredenSaeit ; bie Ve=
arbeitungen elfäffifdjer ©agen auS ber ftitteraeit prätubieren ber fpäter reid)=
gepflegten Dichtung über biefe ©toffe. Sitte <Sraät)lungen ^feffelS finb in ben
„*Profaifd&en Verfugen", ©tuttgart 1810—12, 10 Vänbe bereinigt. ©bemallS
bei Gutta erfdjienen bie „«poetifäen Verfuge", auch, in 10 Vänben, 1802-10.
Unter bemfelben Stitel mar «pfeffelS (SrftlingSbidjtung b>rborgetreten, in 3 Büchern,
granffurt a. 2ft. 1761; aud) eine breibänbige ©ammtung, Vafel 1789— 91. __ Da
$p. bei ben ©ebbten baS 3at)r ber ßntfte^ung immer öeraeicfjnet b^at, ift eS
leicht, feine ßntmictlung auf biefem ©ebiete au Perfolgen. Da§ ättefte ©ebidjt
ift üon 1754. Die ©ebiete ber älteften ©ammtung finb 3. 33. noerj fetf unb
berb; bei ber fpäteren SluSmab^t ift $. ftrenger gemefen. SÖäb.renb er an=
fangS nod^ Oben unb £pmnen bietet, befc^ränft er fidtj fpäter auf baS itmt
angemeffenere ©ebiet ber gabeln unb @raäf)iungen; nur bie (Spiftet pflegt er auetj
fpäter noc^, auct) hierin ein Vertreter beS franaöufcrjen ©efc^macfS. granaöftfc^
finb auc^ öielfad) bie Quellen feiner gabeln, mefjr als ber Dieter felbft eS
burc^ feine Angaben erfennen läfet, mie eine ©trapurger Differtation, Pon ^ott
1887, nac&meift. ßS mar beS^alb eine fonberbare Unternet)mung, ba^ $aul
Setjr 'auci) öon biefen ©tücfen eine Slnaatjl inS granjöfifc^e aurüffüberfe^t tjat.
9ft. felbft l)atte übrigens SicfjtmerS gabeln inS granaöfifc^e übertragen, 1762. 3n
feinen Bearbeitungen ift er nid)t immer glüctüc^. Snbem er buret) erfunbene
618 »el - Wffer.
Umftäube bie gäbet localifirt, jiebt er bie Slufmerffamfeit be§ ßcferS Pon ber
.gmuptfadje ab. $0311 fommt jein aü\n glatter, correcter Stil, ben (Htinger
(3acr)erä 3eitfd)r. 17, 314) gegen ben öon ©eitert unb öidjtroer tjerabfetjt.
©Charte epigrammatifdje äöenbungen ietjten aber bei ^. burdjaus nid)t. 9ttanct)c3
Stüd biefer gabeln unb ßrjäfjtungen ift nodj jetjt roofjt befannt, öor aüem
„bie SabadSpfeife", in tuetctjer fid) Jfeffetö fotbatifcrje Neigungen in öott§tb,üm--
lidjer SluibrutfSroeife toortxeffUcf) barftetlen.
©tjrenfrieb Stöber, Stätter bem 9Inbenfen ^TeffeCö geroibmet, Strasburg
unb $ati8 1809. — 3for). 3ac. lieber, ®. 6. 0?effet, ein biograpt)ifd)er
Serfud) (Supplement J« ^pfeffetö Serfudjen), Stuttgart unb Tübingen 1820. —
ÄUß. Stö6er, ßlfäff. ^eujatrrsbtätter 1843. — 25er j. ©■ 6. $feffet8 (Spifiet
an bie sJtadjroelt mit Xnm. Gotmar 1859. — SJetf., @. 6. Steffels 53er=
bienfte um Grjieljung, Sdjule, .stirere u. 1*. f., Strasburg 1878. — Mine.
Lina Beck-Bernard, Theophile C. Pfeifet, Souvenirs biographiques recueillis
par son arriere-petite rille, Lausanne 1866. $ftartin.
Steffel: 3o^ann Snbieaä %, Äupferftedjcr unb Serlcger, geb. 1674 ju
Sifcrjoffingen bei Sreifad), bilbete fid) auf ber Nfabemic ju SÖien unb erhielt
ben 2itel eine8 faiferlidjen £)offupferfted)er8, liefj fid) bann in 2tug*burg nieber,
roo er einen fdjroungfjaften $unftl)anbet betrieb. 3n feinem Sertag cifcrjien ba8
feiner 3eit berühmte Sibetocrf be8 3of). 3Jaf. Scfjeucbjer unb anbere äöerfe,
roofür er üerfdjiebene Steuer, barunter audj feinen gleichnamigen Sofjn , geb.
1715 ju Augsburg, v 1768, berroanbte. ©et Sater $. ftarb im 3. 1750.
(Sr ftadj im Sinne feiner 3eit aflc8 Dlöglidje: Porträts, Slnfidjten, Decorationen,
Irjefen ic. Sa biefe Stätter fid) feineäroegs ü6er baä ©eroöfjntidje ergeben,
genügt es auf Wagter's Äünftlerlcrtfon ju üerroeifen, roo eine föeifje aufgeführt ift.
2öilf). Sdjmibt.
Pfeffer : 3 o r) a n u s£. , ^roieffor ber Stjcotogie ,ju greiburg im Sreisgau,
t nact) beö 9lbte8 irittjemius Angabe im 3- 1493. 6r mar ein graute au8
3öeibenbevg in ber ©iöcefe Samberg, ber er aud) burd) bie sl}riefterroeitje an=
geborte, ftubirte unb leljrte juerfi au ber Uniüerfität peibelberg , an beren
Mrtiftenfacultät er im 3. 1434 immatriculirt, am 31. Januar 1436 jum
-öaccataureuS, am 17. 3Rfttj 1439 jum ßicentiaten unb am 1. $uti beöfelben
^atjreö jum ^tagifter beförbert rourbe. 2tl8 er im $■ 1447 an ber nämlidjeu
gacuttät al8 Siecan fuugirte , ljatte er aud) febou ben ©rab als Saccalaureu8
in ber Jbeotogie. Seine l'et)rtt)ätigfcit in öeibelberg , roänrenb roeterjer er nodj
pm ttjeologifdjen ßicentiaten aufftieg, bauerte bis 1460. 3n biefem ^abre trat
er an bie neugegrünbete Uniüerfität greiburg i. Sr. über, eröffnete bafelbft am
28. 2lpril feine Sortefungen über bie Sentenjbüdjer be8 Sombarben, naljm jebod)
ben <!peibetberger Unioerfitätsftatuten gemäß beu ttjeotogifdjen 2)octorgrab nod)
3U ^peibetberg am 6. Dctober besfetben ^afireS. @r roirtte nun at§ erfter unb
buref) längere 3eit al§ einziger Drbinariu§ ber 2t)eotogie }u greiburg, befteibete
bi§ pm 3- 1470 mermal baö Ütectorat (1461, 1463, 1466 unb 1470), fdjeint
im 3- 1471 3ttter§ tjatber abgetreten ^u fein, rourbe aber 1479 roieber ^ur
3lu«r)itfc berufen unb 1481 feiner Serbienfte roegen jum ftänbtgcn iUitgtiebe
beS llniüerfitätSfenatei ernannt. 3fm S- i486 fdjieb er befinitiö au§ alten
biefen Stellen unb ftarb 1493 in tjorjem Sttter. ßr toar eine 3'"be ber Uni»
öerfität, ein f enntnifjreictjer , fittenreiner unb uneigennütziger sIRann, bem fein
3eitgenoffe 2ritb,emiu§ gro§e§ öob ert^eitt. @§ erfdjienen Pon ib,m jroei Söerfe
im S)rud: „Direktorium sacerdotale" 1482 (orjne 9tngabe be§ 5Drudorte§ unb
2)ttufet8), entftanben au§ feinen Sorträgen über bie Sriefe be§ 2tpoftct§ ^iaufu»
an 2imott)eu§ unb 2itu8, unb „Tractatus de materiis diversis indulgentiarum"
Pfeffer — «Pfefferfotn. 619
(orjne tneiteve üDrudangabe) , Peranlajjt burd) ben Stbtaß , meieren ©ijtue IV.
bem ^reiburger fünfter betjufs bes (Stjorbaues auf 3 3ufjre gemätjrt tjatte.
Slufjerbem befinben fidj noefj f)anbfd|rift[icf) auf ber #reiburger UnioetfitätsbibCiotfjef
85 ißuBpiebtgten, bie er als ßicentiat ber 2rjeotogie im $. 1456 gehalten
fjaben fott.
3)gt. Trithemius, de seriptoribus ecclesiast. n. 888 u. de illustribus
viris Germaniae n. 235. (Cuette für bie übrigen älteren Sitterarfjiftorit'er.J —
Otiegger, Amoenitates literariae Friburgenses. Fase. 1, p. 35. — ©djreiber,
©eftf). ber ©tabt u. Unit», greiburg i. 23r. 1857, II. 1. ©. 109 ff- —
2oepfe, Sie «matrifcC ber Uniö. ^>eibet6erg. 1884, I. ©. 203 u. II, ©. 385
n. 389. P. SInt. 2Beis.
Pfeffer: Marcus §ß., beutfdjer 2>ramatifer aus gatfenau in Sö^men,
Perfafjte 1621 als ©ctjreib* unb 9tectjenmeifter ^n Sraunfcbtoeig eine „fetjr fcfjönc
lieb*, nüt}= unb träft tidje Gomoebie aus bem SSucfje Gftrjer", bit er mit feinen
©djütern jur Sluffütjrung brachte. Sie ift bem größten 2tjei(e nadj aus Saiten
2)oitt)'s ©piet (9Jcagb. 1538) unb aus Slnbr. ^jeilfdjmibt's (Sfttjer (1555) ent=
letjnt; nur ^rotog, SBorrebe unb Gpitog finb fein Sigentfjum, unb in ben
nieberbeutfetjen ©cenen ift er Pon 9licotaus Sode (Gomöbie Pom ungeratenen
unb Perlornen ©otjn, 1619) unb burd) biefen Pon ©abriet 9toltenr)agen (Amantes
amentes ober ©piel Pen ber ßöffeterj, 1609) abhängig. 3?m übrigen maetjt bas
Srama einen unerquidtidjen ßinbruef unb nimmt in ber 0teifje ber Sramen,
toclctje ben fonft fetjr beliebten ©toff betjanbetn, ben niebrigften 5ptatj ein.
©aebertj, ©abriet Mentjagen (ßeipa- 1881) ©. 71. — -öolftein, 21rd)ip
für ßittetaturgefd). XII, 46; — 3eitfd)riTt f. beutfdje ^tjitotogie XX, 232
bte 237. •<?. #o Ift ein.
^fefferforn: ©eorg 9Jcid)aet $., ePangetifdjer 2tjeotog unb $irdjjcn=
(ieberbidjter, geb. 1646 im eifenadj'fdjen Stmte ftreu^burg, roo fein Sßater ©eorg
$. (f 1677) feit 1622 Pfarrer mar, erhielt feine SJorbitbung in ßreujburg
unb auf bem gottjaifdjen ©tjmnafium, an beffen ©pitje bamats Stnbreas 9tet)tjer
ftanb, unb lag bann in $ena unb Seipjig ben ttjeotogifdjen ©tubien ob. 1666
^tagifter getoorben, übernahm er nad) SJoÖeubung berfetben eine ^nformatorftette
in SUtenburg, tcrjrte feit 1668 an ben beiben oberften Ätaffen bes bortigen
©nmnafiums unb trat 1673 in bie ©ienfte bes neuen Sanbestjerrn, £evjog Grnft
bes frommen, inbem er tootjt juerji in Sittenburg unb t)ierauf in ©ottja bie
brei jüngften ©ötjne beifelben unterrichtete. 1676 ertjieft er burd) ben Totgenben
«gjerjog griebrtdj I. bas Pfarramt in griemar unb äugteid) t)ii 93eforgung ber
Stbjuncturgefdjäfte in ber SDiöcefe sFcotfd)teben, ba ber bisherige Snjjaber an
Slttersfdjroddje titt. 1682 berief it)n ber genannte gürft nad) ©räfentonna,
bem £>auptorte ber am 4. Dctober 1677 Pon bem ©rafen (£tjriftian ßubmig
Pon 2Batbed fäuftictj erworbenen -gjerrfdjaft 2onna. 2lm 3. Cjiertage jeneä
3at)re3 (18. 5Iprit a. 6t.) in fein IHmt eingemrjrt, trat er auetj in bas aus
früherer 3"t ^er noc§ beftefjenbe Gonfiftorium ein, Permenbete aber feinen (Sin=
flufe ju ©unften feiner Serroanbten , fo baß ftd) ber ^erjog 1695 PerantaBt
fat), bie toidjtigften Steckte biefer Söe^örbc bem Cbcrconjtftovium in ©ot^a ju
übertragen. SBegen june^menber Grbtinbung mußte er feit 1721 einen 6an=
bibaten ber J^eotogie at§ ©etjitfen anftetlen, worauf bann feit 1729 fein
©djroiegerfotjn 5DaPib 93emegger in bem gteietjen 2Imte folgte. 53ei feinem 2obe
am 3. ^Fcärä 1732 ^intertie^ er eine 2Bittroe unb Pier Äinber, mar alfo nid)t
finberloi, mie 5ifd)er (a. u. a. D. I, 359; aus einem feiner geifttid)en ßieber
fd^lieBen toill. Seine erfte ©attin, ©ibntte ^olmann, bie er 1672 in 2ltten=
bürg gef)eiratt)et fjatte , Pertor er fdjon nad) Sarjresfrift bei ber ©eburt eines
©of)nes; etma je^n ^arjre nad)§er Peretjelidjte er flcf) mieber mit Subitf) ©ut=
620 ißfeffetforn.
bier, bie it)in jroei ülödjter unb 3ttjci ©öljne fdjenfte. 2)er ältere ©oljn, gleich
bem &ater ©eorg 9Jtid)ael gc^ei^eu , ftarb am 26. Dctober 1733 aU Pfarrer
3u ©tufebauS im 2l)üvingev 2Balbe. — ©d)on in jungen Sfafyren begann ty.
mit fd)riftftelierifd)en arbeiten tyerborautreten. (Hncr ©ammlung bon ©ebidjten:
„^oetifdje unb pb,ilofopb,tfd)e 7Jeft= unb Söodjcnluft", bie bereite 1666 erfdjien
unb ifym ben Xitel eines" faiferlidjen gefrönten $oeten eintrug, liefe er uod)
folgen: „9tntueifung 3ur Söersfuuft" (1669); „Sefuitifdjet ©utfudStuf, ober
15 üieligionSfrngen bei bem Slbfall ber fd)roebifd)cn Königin Gtjriftina" (1671);
„Cytticf)er 2utl)eraner, roie aud) roibriger Dicligionebermanbtcn, als ^apiften, 6al=
biniften, Surfen unb Reiben, gute Urtl)eile öon Cuttern, feiner 2cb,re unb
©djriftcn" (1671; „am aubevn ebangelifd)--tutb,eiifd)en ^ubelicfte in ctmas ber=
meint herausgegeben" 1717); „2cid)enabbaufungcn" (1672, 1677 uub 1689);
t,9JTerfroürbige unb 9luserlefcnc ©efd)id)te bon ber berümten 2anbgraffdjaft
üMjüringen" (1684; mieberrjolt 1685), bie jroar eine unfritifdje ^ufammen»
ftellung ift, aber roegen itjvrö 9ieid)tr)ume an Wnefbotcn gern gelefeu mürbe
unb bereu jmeite 9lusgabc gebier unb Sltotermunb irrig einem 9tamenSbctter,
bem ©uperintenbenten %o§. Wboli ty. in Ätanidjfelb (t 1698), 3ugefd)rieben
tyabcn; .ȧurje Wnmeifung 3U beutfdjen 2eid)cnrebcn" (1690 unb 1705);
„^leifenifdje (Hjrcn fraise" (1701), fomie uod) mehrere fleinerc (Hnaclbrude. —
2)auernber uub bis auf untere Seit Ijat fid) fein vJcame bind) bier ttirdjenliebev
erhalten , bon benen befonberä bas erftc in jafylreidje 2ieberfammlungen über*
gegangen ift: „SGas frag' id) nnd) ber 2Belt ! Unb allen ifjren ©dj&fcen*
(8 ©tropfen); ,,?ld), toie betrübt finb fromme ©eelcn | 2llll)ier in biefet Jammer*
melt" (7 Strogen); „Wein 8eraüt$, mie fo betrübt, | 2öas ift 's, bas bid)
traurig madjt" (5 ©tropljen) uub: „%&) miH bind) mein ganjeS Seien | ©tets
mit bem aufrieben fein" (7 Strophen). (Jublid) bjat %\. aud) bas befannte 2ieb :
„2Ber roeift, mie natje mir mein önbe" als fein (vigenttjum in Wnfprudj ge=
nommen, unb es ift bestmlb im borigen 3ial)rl)unbevt ein heftiger ©treit gerüfjrt
morbeu , bon bem t)ier nur in mögtidjftcr Stützt gctjanbelt merbeu fann. —
9cad)bem bas 2ieb juerft anonljm im föubolftäbter ©efaugbud) bon 1688 er«
fduenen mar, miebcrljolten es anbere ßieberfammluugen anfangs ofjne Flamen,
balb barauf aber (©aalfelber ©efeingbud) bon 1698) mit bemjenigen ber (Sräfin
äemifie Juliane bon ©d)mar3burg--ftubo(|tabt (f. SÄ. %. SB. I, 127); 1710 fdjreibt
es bas ^mirfauer Öefangbud) bem ©ebeimenratf) unb flanjlet öett Subroig
bon ©edenborf ju; 1714 mirb nun elften sUlale s$fefferfonv's 'Jiame genannt
unb jroar infolge eines bon biefem an ben ."ptymnologen $ol). OlbenariuS in
©d}tnalfalbcii gerichteten unb in beffeu „SieberfatedjiSmus" (1714) beröffent=
lid)ten ©dvreiben* , in roeld)cm er bie in bem „©cfjmartjburgifdjcn 2>cnfmaf)l
einer E^rifKStfiflidjen 2ammes--ftrcunbin" (1707) intmifdjen geäußerte 23eljaup=
tung, bajj Slemitie ^u^nne bie SBetfajfetin fei, beftritt unb erftärte, bafe er baS
2ieb nad) bem plö^tid)en, auf ber äiagb erfolgten lobe beS £>eqog§ 3fol)aun
©eorg bon ©ad)fen=(5ifenadf) uub auf Anregung bei genannten b. ©edenborf im
Dctober 1686 gebidjtet fjabt. ©iefeS ©djreiben beantmortete uod) im gleichen
Saljre ber 33orbcnd)t au „©et f^reunbin be§ 2amme§ ©ciftlicfjer 33rautfdja^';,
iubem er bie 9Infprüdje ber ©räfin nad)brüdtid} unb mit einleud)tenben ©rünben
berttjeibigte. ©a bei ber ^ortfetjung beS ©treiteS bon feiner ©eite ueueS
Material beigebracht mürbe, fo fann fjiet beffen meiterer Verlauf übergangen
uub einfad) auf bie unten berjeidmeten Duellen berroiefen to erben. 2)af aber
nidjt ip., fonbern bie ©räfin ba§ Sieb berfafet b.at, ergiebt fid) ameifelloS aus
beren cigenb,änbiger, in ber ©craer .^irdjenbibliotfjef bermab,rten unb bon 3Uber=
läffiger £>anb beglaubigten ^iebcrfd)rift mit bem ©atum: w5]eub,au| b. 17. ©cpt.
1686", nad) meldjem alfo bal Sieb 3U ber 3"t' ha e8 % gebid)tet f)aben
^fefferforn. 621
wollte, bereits bortjanben toar. SBenn eS noct) eines ferneren iöeweifeS für baS
gute Ütetfjt ber ©räfin bebürfte, fo fönnte aud) an benjenigen ^afig'S (f. unten)
erinnert werben, ber audj auS inneren ©rünben, b. f). auS bem ganzen £on unb
bem fbracrjlictjen 2lu§brucfe beS Siebes, üBerjeugenb bargelegt t)at f ba| teueres
feinem anberen SSerfaffer als ber ©räfin jugefjören fann.
SBefcel, £iftor. SebenS=23efcrjreibung II, 293—307. — 3ebter'S Unioerjat«
Sejifon. 27. 23b. ©». 1322. — Stößer u. ftotermunb ju Söcf)er. — (S- ©•
23rücfner,) Atrien« unb ©cfjutenftaat im £erjogtlj. ©otfja. II. Zty. 2. ©tücf.
©otfia 1758. ©. 43; III. £fjt. 4. Stütf. (1761.) ©. 80—82. — &ir=
f^ing, £iftor.=titterar. £anbbucf). 7. 33b. 2. 2Ibtf)(. ©. 116. — (Srftf) u.
©ruber'S (Sncrjftoöäbie. (SBon £. 21. (Bewarb.) — ©oebefe, ©runbrtfe II,
526. — a. 23ecf, (grnft ber fromme. 2. £f)l. äöeimar 1865. ©. 52. —
<L Äe^r, ©er ctjriftl. 9tetigionSunterricf)t in ber SBotfSfcfjule. 2. Stufl. 2. 23b.
©otrja 1870. ©. 359. — $otf), ©efd)icE)te b. ÄirdjentiebS. 4. 23b. ©. 63
bi§ 65 u. 567. — gifetjer, Äir$enlieber»8ertfon. 2. £älfte. ©. 462b— 463a
u. unter ben cinjelnen Siebanjängen. — Sögt, aud) 3. ©• 51. ©aüettt , ©e=
fdiicbte b. ßerrfäaft £onna. £onna 1777. ©. 65 u. ©efdjidjte u. 23efd)ret=
bung b. $erjogtt). ©otr,a. 4. SLf)I. ©otfm 1781. ©. 118. — ߣ>r. &. Sorenj,
©efd)id)te b. ©tmmafiumö 3u SUtenburg. 2Utenb. 1789. ©. 278. — Ueber
baS Sieb: „SBer Weiß, wie ncrfje mir mein (Snbe" f. 3- 8. ipafig, ©er ©raftn
2lemilie Juliane bon ©d)War3burg=9tubolftabt geiftt. Sieber. (%. \*£>
©eiftlic&e Sängerinnen b. djrifit. Äirdje beutfdjer «Ration, rjrSg. ü. Sötlt).
©d)ircfS. 1. £eft.) &alle 1856. ©. XXIII-XXXI. — 3t Sausmann
bei M a. a. £). 8. 93b. ©. 637-646. -- gif<$er a. a. £). II, 365
bis 369b ©djumann.
^fefferforit: SofjanneS $., geb. 1469 (bie Angabe 1476 bei 23öcftng
unb ßracauer beruht auf einem ftedjenferjler), t nactj 1521 (ßifdjetnungSiatjr
feiner lefeten ©$rift), bor 1524 (»gl. ©erjabe, ©atiren unb ^aSquiüe auS ber
3tejormationSäeit III, 126). (Sr toar bon ©eburt 3ube, führte als $ube ben
Vornamen 3ofef, flammte öietteidjt auS Nürnberg, Wo er wenigftenS eine geit
lang lebte unb übte baS ©dE)läcrjter= («üle^ger«) fcanbwerf m ber böfjmtfctjen
©tabt Sadjau. ©ort Würbe er beS ©iebftatjlS bejid&ttgt, mü) 3a$lung einer
©etbfumme bom ©rafen bon ©utenftein auS ber $aft entlaffen, er führte einige
Satire ein 2£anberteben, in Welkem er laut feiner ©elbftanflage m fbateren
jubenfeinbtidjen ©Triften, auef) SBufyr trieb unb trat 1505 in fiöln mit grau,
ßinbern unb einigen greunben jum Sfjriftentrjum über, ©eine grau 2Inna
wirb in ben „©unfetmännerbtiefen" ftarf berfbottet unb wegen emeS unftttlidjen
SJerrjättniffeS mit Ortuin ©ratiuS, bem „$oeten" ber Kölner berbääjtigt ; einer
feiner ©ötme SaurentiuS, wirb bon itjm genannt unb als »Btagtlier be^
«tAnct. 3ß felbft lebte feit feiner Saufe bis ju feinem £obe m Äbln unb war,
wenigftenS feit 1513, ©bitatmeifter bafetbft. Ott l)atte fief) als 3ube nur eine
aeringe23ilbung angeeignet - aüerbingS berfuct)t er in feiner felbftlobenbenJRamuer
feine ©eteBrfamfeit ju greifen — , feine Äenntniffe beS ^ebraifc^en waren «ftenS
mittelmäßig, lateinifcf) berftanb er nietjt, im beutfe^en SluSbrutf war et ungewanbt.
Ueber feine moratifetjen unb geiftigen Gigenfcfjaften m urteilen ift jel)r fdjwer weil
feine ©eqner, bie faft auSf^liep^ über ilm bericl)teten, ab^t t^ 33ejc^ut=
bigungen alter Slrt auf i^n Ruften unb Weit er felbft, in golge femeS JpangS
mr Uebertreibung unb ©elbftbeweit)räuct)erung, fein unbcrba^tigeS 3eugmB
liefert Sie unter feinem Warnen erftf)ienenen tateiniferjen ©cl)ri!ten be^. lieber»
fetumgen fjat er nitfjt »erfaßt; feine Angabe, er t)abe bie (Sbangetien mS
öebräifcfie überfefet ober überfein WoEen, barf man nicf)t o^ne SBeitereS _ab=
weifen- 5u ber taafjme, er fei an ber Slutorfcfjaft feiner beutfcfjen ©^ten
622 ^Pfefferforn.
gar nid)t ober nur in geringem $ftafje beseitigt, Ijttt man burctjaus feinen förunb.
%'\t mannigfachen Auflagen gegen feine moratifdje 5üf)rung nad) unb tfjeilmeife
öor feiner Saufe finb nidjt ju bcmeifen — roiemeit ber -Ijpafj feiner ©egncr ging,
^eigt fiel) in bem 33erid)te, er fei 1514 ju .£>aÜe megen totrf ergebener Verbrcd)eu
üerbraunt roorben — auef) bie Vefdjulbigung, er tjabe au§ fdjtedjten Biotinen
bie Saufe angenommen: au£ eitler ^3rat)lerei, ober um Verfolgungen berauben
311 entgegen, ober gcrabeju um ©clb ju erlangen fdjeint mir unhaltbar unb
nod) meniger roirb man Tagen bürfen, er fei, nadjbem er einmal bie Saufe an*
genommen, ein fd)led)ter Gfjrift gemefeu. Stjatfacfje ift nur, baß 5ß. ein
^anatifer mar, ber feine berbeiblictjcn ^icle mit allen Mitteln ju erreichen
ftrebte, ein statin größter £eibenfd)aitlid)feit, ber feine ®egner, bon benen er
nidjt eben jart befjanbelt mürbe, mit allerlei ^edjterfünften 3U befämpfen unb
ju bernid)ten ftrebte. 2)er Sraum feines Gebens aber mar bie Vefetjrung atter
feiner ehemaligen G5lauben2genoffcn jum Grjriftentljum unb bie Vernichtung ber
33 ü et) er ber $uben, tueldje baä größte £)inbernife ber allgemeinen Vefetjrung bil=
beten. Um biefeu Sraum ,511 berroirflidjen, fdjrieb *p. eine Sln^atjl (Sdjriften unb
entfaltete eine große praftifcfje äßirffamfeit. SDie lebten1 bleibt f)ier unerörtert, fo=
meit e§ fict) um bie eigentliche (ionfiScation ber 33üd)er tjanbelt, meit ^iefferforn'S
übrigens ganj erfolgtofe Stjätigfeit nur bie eine§ Beauftragten ift. (S)et ©egen=
ftanb ift überbiee ganj neuerbingö bon Äracauer in ber unten anjufüt)reuben
©cfirift genau nad) ben Cuetlen bargeftellt roorben.) S)ie fdjriftftetterifdje Arbeit
muß aber erörtert merben.
Sdjou bie evfte ©djrift: „ber ^ubenfbiegel" 1507 [teilt ba§ Programm auf,
ba£ fict) in ben fpäteren ©djriUcn immer met)r bcrfd)ärfte: SBegnarjmc ber
S3üd)er ber Suben, Verbot bc§ Söudjcrä, ferner ber auf fie ju übenbe $roang,
d)riftlid)e ^rebigten ju befudjen. Sd)on in biefer ©djrift gibt er ben Sfnoen
erbitterte ^einbfcrjaTt gegen baä Gf)riftentt)um fctjulb, leugnet aber it)re ernfte
unb innerliche 5lnr)änglict)feit an it)ren angeftammten ©lauben.
2ßoüte Sp - bie SEurd)fül)rung feinet ^rogrammeö buxd) bie -Cbrigfeit er»
reichen, fo mußte er biefe unb feine nunmehrigen ßtaubeuSgenoffen überhaupt
bon ber £äd)erlid)feit unb Verberblidjfeit ber jübifd)en 2lnfd)auuugcn unb ©e=
bräud)e unb bon ber Gtjriftenfeinbfdjaft ber 3>uben überzeugen. S)a§ erftere
berfudjte er in ber „3iubenbeid)te" 1508 unb im „Dfternbud)" 1508; ba§ letztere
im „^ubenfeinb" 1509. $)ie beiben erfteren Sdjriften füllen bie St)ort)eit ber
an ben großen jübifdjen .'perbft* unb Dfterfciertagen gebräud)lid)eu Geremonien
geigen, bie nur bann einen Sinn l)ätten, menn fie „geiftlidj" gebeutet mürben,
meil fie bann mit djriftlidjen fiebren fjarmonirten. S)ie letztere, auä bereu 6in=
teitung unb SBibmung petft bie natje Verbinbung ^fcfferforn'ä mit ben Kölner
sIRönd)cn fjerborgetjt, fud)t bie (St)rifttnTeinbfd)aft ber 3iuben 3U ermeifen au§
it)rer täglid) erneuten Verfbottung Gfjrifti unb ber ßtjrifien, au§ ifjrcm 2ßud)er,
aul itjrer jum Sdjaben it)rer sBtitmenfd)cn geübten 33efd)äftigung mit ber Slrjnei.
S)ie Verbinbung mit ben Kölnern Ijatte ffit % ben großen praftifdjen Söertt),
ba^ er burd) fie ber .fiunigunbe, ber ©djmefter beä ^aifer§ ^[Rajimilian, unb
burd) biefe bem Äaifcr felbft empfohlen mürbe. Von Seüterm erfjiett er
(Sluguft 1509) ben gemünfd)ten SBefe^l, bie Vüdjer ber ^uben ^u confisciren,
fct)ritt p beffen 3tu§füt)rung , mürbe aber balb an ber Vefriebigung feiner
6onfi8cation§getüfte burd) llriet bon ©emmingen, ben 6räbifd)of bon 5Jtainj ge=
t)inbert, ber nun (ftob. 1509) feinerfeit§ bie Seitung ber ganzen Angelegenheit
bom $aifer übertragen erhielt. Um trob biefeö elften Mißerfolges ben Äatfer
unb aüe ©tänbe beS 9teid)§ für ftd) 3U geminnen, beröffentlid)te 5>. eine Sd)rift
unb ließ r)anbfd)riftlid) eine anbre curfiren. S)ie erftere: „3fn lob bnb eer bem
at(erburd)leud)tigften ^arimilian" ift baju beftimmt, ben Äaifer bei bem be=
SPfefferfotn. 623
gonnenen Unternehmen ?eft}ufjalten unb in ber Sfusfütjrung }u ftärfen, alle
@rünbe, bie man }u ©unften ber 3uben anmfjren tonnte, ju enthaften unb bie
Vorwürfe ,}urücf}uroeifen, bie man ctroa gegen feine, 5ßfefferforn's ^erfönlicfjfeit,
trieben möchte. Sie letjtere, ein „2Iusf cfjreiben an alle ©eiftlicfje unb SBeÜlirfje",
gleichfalls eine (Ermunterung }ur gortfetjung bes löblichen 2öerfes, mar befonbers
für bie au? bem 2fugsburger rReicfjetag oerfammelten dürften unb Ferren be=
ftimmt unb foffte ein Öegengcroicfjt bitben gegen Üielb unb Ueberrebung ber
jübifcfjen 2lbgeorbneten aus ?vranffurt. Veibe Scfjriften fjatten teine unmittelbare
Ginroirfung; burcfj neue periönlicfje Unterfjanblung 6eim Äatfer beroirfte |J. ein
neues an ben Gr}btfcfjo? bon 'Utain^ gerichtetes üJtanbat (3nlt 1510), bas
biejen beauftragte, Don binc Unioerfitäten unb einigen ^rioatperfonen, barunter
9teucfjtin, ©utacfjten über bie Stngelegenfjeit ein^ufjoten unb Iß. ben Vefefjt gab,
Mefe ©utacfjten bem Äaifer ju überbringen. Otts 23ote fjatte er fein Jtecfjt, bie
ifjtn ü6ergebenen Gutachten $u lefen, als Vertrauensmann unb als Beamter
feines, bas ifjtn anPertrautc 6ut }u benutzen, er beging batjer ein boppeftes
Unrecfjt, ats er in feinem „£anbipieget" 1511 Oteucfjtins öutacfjten befämp'te,
roefcfjes freitief) feine bücfjerfeinblicfjen -^läne Pötfig ^u üernicfjten brofjte. >p.
benuncirt Oteucfjlin roegai feines ßutacfjtens als 3ubengönner, fpricfjt it)m Äenntniß"
bes jübiicfjen Scfjiifttfjums ab, greift ibn periönlicfj tjeftig an unb befjarrt in
leinen Singriffen gegen bie ^uben unb ifjre Literatur. Oteucfjlin roies in feinem
„2lugenipieget" bie gegen ifjn erhobenen Angriffe bes „gemeinen unb efjrtofen
Vöferoidjts", roie er feinen Gegner mit Vorliebe nennt, ^urücf, Pon roelcfjen ifjn
jtoei fjauptiäcfjlicfj erbittert fjatten, nämlicf) ber, er fei oon ben $uben beftocfjen
unb ber anbere, er fjabe bie unter feinem Dlamen ausgegangenen Scfjri'ten nicfjt
Peraßt. Sie große geiftige Veroegung, bie Pon bem „2tugenipieget" ausging,
ber Streit ^roiicfjeu Jpumaniften unb ^ntitjumaniften fann fjier nicfjt eqäfjlt
roerben, nur ■X;?e'ferforns roeitere Hfjätigfeit ift fjier für} baquüctlen.
Gr prebigte roäfjrenb ber DJceffe (11. September 1511) in gfranffurt Por
bem Votfe roiber bie 3uMn un& i^te Bonner unb peröffentticfjte (1512) ein
ißampfjtet „Vrantfpiegel" , roelcfjes bie gän^licfje Vertilgung ber 3uben an=
rätf) unb bie fjeftigften Vefcfjimp'ungen fteuctjlins , freilief) }ur Slbroefjr ber
Pon bie]"em roiber ifjn ausgeflogenen Vetcibigungen, entfjätt. 3u biefem
^rioatftreite ^roifcfjen ^roei fo ungleichen ÜJtännern ge6ot ber Äaifer in}roifcfjen
Stitlicfjtoeigen <3uni 1513); bie älngelegenfjeit ber ^ubenbücfjcr mar ^u Un=
gunften !£fefferforn's beenbet, ber burcfj ben „Sfugenfpiegel" erregte Scfjri'ten«
fampf unb ber roiber benfefben ge'üfjrte ^receß bauerte ?ort. Sine birecte 35er=
antaffung lief) in jenen titerariicfjen .ftampf >}u mifcf)en tjatte iL-, nicfjt. 3roar
pon gelegentlichen Sdjmäfjungen roiber ben „getauften 3uben' tjatte es in ben Pon
ben -^umaniften an itjren ^Jceifter gerichteten ^rie'en nicfjt gefefjtt, — aoer es
ift u-aglicfj, ob er Pon benfefben rechtzeitig .ftunte erfjiett. 2ßiber bas Verbot
bes Äaifers Peröffentticfjte er (1514) eine neue Streitfcfiriu gleichmäßig gegen
bie „treulofen Suben", roie gegen ben „alten Sünber" sKeucfjlin „Sturmgtocf",
roetcfje fjauptfäcfjlicf) ba^u benimmt roar, bie unterbeß gegen ben „2lugen=
fpieget" gefällte Gntfcfjeibung ber Variier Uniperfität in beutfcfjer Spracfje ju
Perbreiten.
Xie -pumaniften nafjtnen an bem Qtinbt ifjres ÜJceifters erbitterte 5Racfje;
.^utten fcfjrieb ein ßebicfjt in roefcfjem er fingirtc, ty. fei roegen fcfjmäfjlicrjer
Verbredjen ^u -öalfe fjingcricfjtet roorben; unb ber erfte xfjeil ber „£unfel=
männerbriefe" (1515) fjötjnte ifjn mit ben Kölnern überfjaupt unb ertaubte fief;
feefe, roafjrfjeitsroibrige Verfpottungen feiner ^noatDerfjältniffe. 3ß. Deriucfjte
biefe Angriffe in ber „Vefcfjrjrmung" (1516) ab^uroefjren, oon ber gleictj^eitig
eine bem Sfutfcfjen in piefen fünften gteicfje tateinifcfje Bearbeitung crfcfjien :
624 Sßfefftofler.
Defensio contra famosae epistolas ( i?e^tcre , ueugebrutft öon Körting, Opera
Huttcni vol. VI). Sie eigentliche 93ertt)eibigung ift matt unb ber Söetfud),
ffieudjlin ptn Söcrfaffer ber Sriefe ju ftempeln, geiftCoS unb oerfetjtt ; ber 2Sertt)
bcr ©d)rift beftefjt in bcm reichen Urfunbcnmatcrial jur ®efd)idjte beS i}£eud)=
lin'fdjen ©treiteS, baS fie enthält. ©leidjmllS burd) urfunblicr)eS ÜJlaterial, aber
merjr |ür 5ß. fetbft unb fein früheres £eben ausgezeichnet ift baS nadj bem
jmeiten ültjeil ber 2)unfelmännerbriefe unb j)ut Sntfräftung ber in bemfelben
Dorgebrad)ten Angriffe Derüffentüdjte „©treitpuedjlrjn" (1517), baS tjauptjäd^licf)
feine perfönlictje (Stjre reinmafdjen, bie 2üac)rr)eit feines ßtjriftentImmS bezeugen
foü, aber aufs sJieue 9ieud)lin angreift, unb gelegentlich; auch, SraSmuS befehlet,
roaS bieder fefjr empfinblidjc Kämpfer nidjtungealjnbet lief;. 2ln ben..Lamentationes",
ber fctyroadjen (Jrmibcrung ber ftölner auf bie Epistolae obsc. vir. mar 5ß. nicrjt
beteiligt; für bie „Sunletmannei" ergriff nun .frodjftratcn bog SBort unb ty.
fdjmieg, ba ber neue -Raubet ifjn, ben Erreger beS alten, uidjtS meitcr anging. 9tuv
einmal nod) erljob er feine Stimme, als am 23. x\uni 1520 bie enbgüüige
päpftlicfjc ©ntfdjeibung gegen WeudjlinS „Wugenfpiegel'' gefallen, sJteud)lin ^u
emigem ©tillfdjmeigen unb ^u 53e^a^lung fämmtlid)er Soften üevurtrjeilt morben
mar. 5)a, in bem 2Bal)ne, einen großen perfönlidjen Triumph; über feinen alten
©egner errungen \u t)aben, öetBffentüdjte et feine letjte ©djrift: „Gin mtttcljb«
tidje claeg". ©et Setlagte mar natürlid) fteudjlin, feinet feine ©ctjüter unb
(Bonner, unter benen nun aud) ßutrjer erfdjeint; 5ß. ift ber Iriumptjirenbe, ber
in ftol^cm ©elbftbfroufjtfein alle feine gteunbe unb ^cfdjüfcer auT,\äf)lt , alle
roiber ib,n auSgefprodjencn 33efcf)ulbigiingen botlfommen ^urürfgefdjlagcn ju
r)aben, ber als gtänjenber ©ieger auS bem lang bauernbeu .Rampfe r)erbor,\.u=
gefjen toermeint. 3)aS Urtb/il ber Wadjmett aber r)at biefe ©elbfttäufdjung beS
eitlen ganatiferS nid)t beftätigt.
8. ©eiger, 3ot). SPfeffertom in ?lbr. ©eiget'8 jüb. ;-}eitfd). f. äöiff. u.
«eben VII, 1869, ©. 297—809; — berf. 3ot).'sJteud)lin, ßeipj. 1871, passim
unb bie bort angeführten ©djttften. — $. Äracauer, ®ie (tonfiScation ber
fyebräifdjen ©Stiften in gftanlf. a. s3Ji. 1508 unb 1510 in: Seitföt. f. b.
©efd). ber gilben in 2>eutfd)lanb, 1886, I, ©. 160—176, 230-248. — ftür
baS Sibliograplufdje Pgl. 33ötfing, Index scriptorom causam lleuchl. Bpectantinm
tu Opera Butteni VII (snppl. vol. II i p. 53 ff. unb $. ©oebefe , ©runbr.
2. Bearbeitung I, ©. 451 — 454. £ubmig ©eiger.
^fcffilincr: 3 o tjann es sl>. ift einer ber gebiegenften unb eljrmürbigften
Männer ber WcformationS.Kit. ©ein ^cben erftredte fid) bis in baö 80. $afjr,
jerfäEt aber in btei üerfcrjiebcne Venoben : bie elften 37 Jatjre laffen fid) als
feine Öetn^eit Dejcidjnen; bie mittleren 12 3ar)re bilben eine mec^feluolle 3.^anber=
,jeit als ^vebiger beö Güangeliumö; ber (ctjte ^Ibfc^nitt, 88—34 ^atjre umfaffenb,
mar bi§ an fein Gnbe ber ©tabt Seipjig unb itjrer Umgebung in Piclfeitiger
Arbeit be§ Äircf)enbienftes5 unb Äircrjenregimenteg geroibmet. Sß. mürbe geboren
am Sage be§ 3lpoftetS 3fof)anneö, ben 27. SDccember 1493 ju äßafferburg am
3tnn in 23atern. ©eine ©Item, ehrbare unb gottesfüid)tigc 23ürger8leute, roottten
ir)m eine gute ©djulbilbung ju Üljcil merben laffen, unb gaben it)n, ba ber
Unterrid)t an Crt unb ©teile ungenügenb mar, nad) 2lnnaberg in bie ©djule.
£)ier lernte unb übte er fid) mit folctjem Slei^, ba§ feine ©efunb^eit barunter
litt. S)e§t)alb mürbe er aud) nid)t einem JHofter übergeben , foHte öielmel)r
bem Unterricht fid) mibmen. 3llö inbefj feine ©efunbb.eit mieber geftärft mar,
manbte er fid) bem clericalen ©tanbe ^u : noct) im Jünglingsalter erhielt er bie
nieberften SBeib^en als CftiariuS, ©joreifta unb ßector, im 22. Jab^re mürbe er
^Icolutrjue, unb als er baS 24. Jab^r erfüllt fjatte, ettjielt er ju ©aljburg bie
©ubbiaconatsmeitjen , nac^ Dftern 1518 bie ^rieftermeib^e, nac^ Gintjolung beS
SPfcffingcr. 625
nötigen S)i§penfe§. tiefer feiner rechtmäßigen 2ßeit)e Ijat er fid) fpäter, römifdien
2lnfec£;tungen gegenüber, gerne gehaftet, 9lad)bem er jutn ^riefter gemeint
toar, machte er e§ ficb, pr reblicfjen Aufgabe, ©ott unb ber ßixfyt redjtfdjaffen
äu bienen, befonber§ in ber ^rebigt, fo baß er batb ein beliebter ^ßrebiger tourbe.
3uerft tourbe er nacb, 9teid)enb,alt gefanbt, 1519 nad) ©aalfelben im ^m^gau,
einige ©tunbcn füblict) bon föeidjentjatt, 1521 nadj ^Jaffau , too ir)m bie «Stelle
eine§ ©tiftäprebigerä ju £t}eit tourbe. lieber bie 9Mb,e unb Arbeit an biefen
£)rten ftagte er fpäter oft, unb meinte, ba§ fei Stoßarbeit getoefen: man Ijabe
fein richtiges Sorbilb gehabt, batjer tjabe e§ große 9Mr)e gefoftet, eine ^rebigt
aufarbeiten ; nadj ber Arbeit in ber ^auütfirci)e galt e§, in ben £od)terfirdjen
ben SDienft $u berridjten, toa§ in gefreiten üjm redjt ferner getoorben. S)a=
burd) mürbe aber feine 2trbeit§!raft gehärtet unb geftä^tt. Sei bem attem ftanb
ber junge ^ßriefter nocrj böttig auf römifcrpfattjolifctjem Soben. dürft all in
äöittenberg ßutf)er unb 5}|etanc£)tt)on bie Seb.re bon bem alleinigen 35erbienft
Sefu 6t)rifti an ba§ ßidjt gebraut Ratten, gerietb, er in S^eifel unb inneres
©Amanten. SDa gelangte er benn mit ber 3eit (früt)eften§ im 3af)r 1522),
burd) fleißiges ^orfdjen in ber Schrift, namentlich in ben paulinifd)en Briefen,
befonber§ im 9tömerbrief, p ebangelifdjer ©infidit unb Ueberjeugung. 2Ba3
feinem .^er^en teuer getoorben mar, babon rebete er aud) mit feinen 21mt3=
genoffen, unb berfünbigte e§ in feinen 'ißrebigten. S)a§ 50g bie ßeute bermaßen
an, baß fie fid) ju feinem 33eidjtfiut)l brängten, unb it)m häufig boppeüeä S3eid)t=
gelb gaben: ba§ eine follte er mit feinem Pfarrer Reiten, t)aZ anbere für fid)
behalten. ®ie ftolge mar ^Jletb , QHferfudjt unb Slnfdjutbigung fetjertfd)er 3ln=
fidjten. ©eine greunbe mürben ber ©efatjr, bie itjm brot)te , erjer inne al§ er
felbft; unb ba fie ©runb Ratten 5U befürchten, man toerbe itjn bertjarten, brangen
fie in ib,n, fid) ju flüchten, unb berfdjafften ib,m ein $ferb. ty. gab itjren $or=
Stellungen nad), berließ 1523 'ißaffau, unb nat)tn feine 3uflud)t birect nad)
Söittenberg, too itjn Suttjer, 23ugent)agen unb 9Mand)tf)on gütig aufnahmen,
lieb getoannen, unb tfjm lebenslängliche Sichtung betoatjrten unb it)re greunbfcfiaft
mit ber £b,at erzeigten, toie benn er felbft ftetS als eine große ©nabe ©otteS
\)a% erfannte unb fiel) beffen freute, biefe fjorjen Söerf^euge ©otteS gefeiten unb
gehört, itjren Umgang genoffen ju tjaben, unb ir)rer greunbfdjaft getoürbigt
toorben ^u fein, ©egen bier ^atjre lang genoß er in Sßittenberg nidjt nur ber
9tutje unb ©idjerb,eit, fonbern toibmete ficb, aud) bem ttjeotogifdjen ©tubium
auf§ neue unb legte erft reerjt feften ©runb ebangelifdjer ©efinnung unb @r=
fenntniß. hiermit fdjloß biejenige 8eben§3eit, toeterje toir feine Seb.rjeit nennen
3U bürfen glauben.
5Die 5Jleere§ftiüe unb gtücftidje ^ab,rt ging au (Snbe. Sm ^. 1527 fam
an iljn bie Berufung jum Pfarrer in ©onnetoalbe, fe^t ^ur preußifdjen 9lieber=
läufig gehörig; ein 9tuf, ben er nad) bem 9tatb, feiner Seb^rer unb ©önner an-
nahm, ^n ©onnetoalbe arbeitete er mit treuem ftleiß unb führte einen gott=
feiigen SSanbel, fo baß er große ©unft unb 2Infef)en bei ber ©emeinbe erlangte.
9ll§ it»n nun, eb,e ein botfeä ^ab,r um toar, bie antjaltifdje ©tabt StxW 3"m
Pfarrer begehrte unb mit ßutt)er'§ 3uftimmung Berief, fanbte bie ©emeinbe
©onnetoalbe fdjteunigft eine Deputation an Sutfjer, mit bem ©efud), er möchte
ib^nen boct) ib,ren Sßfarrb.errn belaffen. 2113 biefer fa^, toie emft e§ biefen ßeuten
fei unb toie lieb fie ifyren Pfarrer tjatten, betoilligte er i^r ©efud) unb madite
ben Stuf nadj Qtxbft rüdgängig. Um aber 5p. befto getoiffer behalten 3U bürfen,
toarben bie ©onnetoalber für ifjn um bie 2od)ter einer geachteten borneb^men
äöittwe in ber ©tabt, glifabetb, Äübtftein. «ülit ib,r beretjetidtjte er fieb, 1528
unb fie tourbe iljm eine fromme, tugenbfame ©attin, 32 ^ab^re lang feineä
3(ttgem. beutf^e SBiogra^fiie. XXV. 40
626 SPfeffinget.
,§aufeä @f)re unb Ävone. ©ie fcfjenfte itjni brei ©öfjne, i^oljanneä, s}>aul unb
Martin, unb eine ütod)ter (Slifabett). sUtartin ftarb in früher Äinbfjeit, ^oljanneg
im 22. Safjr als 9Jtagifter an ber Unioerfität öeip^ig; s}3aul mar, alö ber 2)ater
ftavb, ^jatrer unb ©uperintenbent in 2)elitjfd); ©lifabetf) bererjelidjte fid) mit bem
Dr. theol. Jpeinrid) ©almutf), 5paftor ju ©t. Jfjomä, ber nad) ^fcffinger'ö £obe
|ein 9lad)folger in ber ßeipjiger ©uperintenbeutur unb im Pfarramt ©t. Nicolai
rourbe. allein in Sonnemalbe t)attc ^feffinger nidjt lange 9tuf)e unb ^rieben;
er mürbe burd) Ütänfe toon römifdjer Seite öerbrängt, unb mufjte 1530 nebft
feiner f)od)fd)roaugeren (Sb/frau meieren, ein ©djitffal, in baä er fid) mit mann=
fjafter Ergebung fd)idte. 2lber ßurfürft 3ol)ann ber SBeftänbige ernannte itjn
jutn Pfarrer bc5 .Sitoftetö 6id)a bei DtaunJjoi unb SUbredjtätjain , 4 ©tunben
öon ßeipjig entfernt, einem bis bafn'n beliebten Söattfafrrtäort. 9cun aber ptt=
gerten jafylreidje greunbe be«s ©Dangeliumg auä bem 2übertinifdjen Setp.jig nad)
(Sicfja, um bie ü^rebigt beä reinen ©öangeliums ju l)öreu unb baä tjeitige 2lbenb=
matjl unter beiberlci fteftalt yi empfangin. ©o mürbe *ß. fd)on bamatä ge=
miffermafjer ^rcbigcr unb ©eetforger für i-'eipjig. 5)a aber ber römifdjen $ird)e
ftarfer Wbbrud) burd) itm gefdjatj, fteüten fid) aud) rjier »Hnfcinbungen unb ®&
fär)rbungen feiner Sßetfon ein. SDefjfjalb öerfetjte it)ii ber Äurfürft, et>e er l1 2
^atjre in @id)a geftanben fjatte, nad) Weigern an ber (Hbe (jmifdjen s)3tül)tberg
unb £orgau) unb übertrug il)in ba3 Pfarramt bafetbft im 3faf)r 1532. Jpier
burfte er unter furiürftlidjem ©d)utj in ^rieben feine» Xmtefi märten , maö er
mit Ireue unb ^leifj 1 1) a t , fo bafj itnn Siebe unb £md)ad)tung ber ©emeinbe
reid)tid) ju Ifyeil mürbe. 6r münfd)te fid) uidjts anbereä , alä in Setgeru fein
ßeben aufbringen. VI ber ber lUenfd) bentt unb (Sott tenft. Rid)t uofle
8 ^atjie buifte er bort bleiben. ü£ie mecfjfelöolle 2Banber,}eit ging aber ,51t (Snbe.
Radjbem <£)erjog (Seorg am 17. 2fpril 1539 in Shesben geftorben mar,
unb fein eöangelifdjer iöruber .<petnrid) bie Regierung ber meißner unb trjüriuger
öanbe angetreten fyatte, mürbe <ui 4>ftugften bie Reformation in ßeipftig ein=
geführt, mobei öuttjer felbft unb Sjuftuä 3(ona8 bie erften epangelifdjen ^rebigten
in ßeipjiger .$pauptfird)en fetten, unb .£>crjog .«peinridj bie erften ©d)iittc ttjat,
um ebangelifdjcä Söefen in ber ©tabt ju begrünben. SJiit bem tropft SfuftuS
3tonas unb bem äöittenberger ^rofeffor ber Xtjeologie Äafpar ßruciger (ßreu^iger)
fanb fid) gveitag bor ^fingften, ben 23. s]Jtai, aud) Pfarrer fy. au§ 93elgem
in ßeipjig ein, mät)renb Pou ©ottja l)er am gleidjen jage im ©efolge beä jlur=
fürften ^ofjauu griebrid) beffen .g)ofprebiger griebrid) SRecuut ^Dct)coniu§) ein=
traf. ^)Jtit ber nad)l)erigen bauernben Drbnung ber fird)lid)en ^erljältniffe in
Seipjig mürbe nad) bem ©utadjten ber Reformatoren auf ben SBunfd) beg ^>er=
3og§ «g)einrid), mit Genehmigung bes ßurfürften, näd)ft ßruciger unb ^Jlecum,
ty. beauftragt. 6r fügte fid) , im Ooerjorfam gegen feinen fianbeärjerrn unb in
(vjemä^tjett bc% Rattjeä unb ^ufprud)^ öon Sutr)er unb s}Jteland)trjon. Sfmmer«
l)iu faf) er biefen Auftrag nur al^ einen einftmeiligen an , mät)renb er Pfarrer
ju Selgem bleiben mürbe. $n ber Zfyat ferjrte er, fpäteftenä im 5luguft 1539,
äufjerft oerftimmt, unb entfd)loffen, in feinem $a£te in Seipjig ju bleiben, nad)
93etgern 3urüd. Cfjne 3tüeifeX ift irjm ber t)eimtid)e SBibermitte, auf ben er bei
einem grofjen Jtjeil ber SePötferung ftiefj, bie Pielfadje g^ction bei 9Jtagiftrat
unb llniöerfitdt, bie römifd)e Senfart, mit ber er ni ttjun befam, ju ftarf ge=
mefen. allein im ©eptember beefetben 3af)res> mu|te er, infolge furfürftlidjen
23efet)lä, fid) mieberum nad) Seipjig begeben, um ba§ eöangelifdie Äirdjenmefen
bafelbft 3U orbnen. Neffen ungead)tet faf) er biefen Auftrag aud) jetjt nod) als
einen interimiftifd)en an, roetdjer f)öd)ften§ 3»at)r unb ü£ag bauern foüte. @rft
im vv!aufe bei 3>a^re§ 1540 fe^te e§ ber SJlagiftrat mit -g)itfe ^er^og ^>einrid)'i
burd), ba^ berßurfürft ifjn feines 9lmte§ in Steigern befinitiö entbanb, unb tr)m
SPfef finget. 627
befahl, ba§ Stmt eines Pfarrers au ©t. Nicolai unb ©uberintenbenten über ßeipjtg
anjuttcten. @r toottte fid) biefem fftuf, ber il)m biel au §odj unb roidjtig erfdjten,
aud) jetjt nod) ent$iet)en. allein 2utt)er unb $l)itibb 9Jteland)tt)on ermahnten ifjn
nad&brüälidj, biefer «Berufung nictjt au miberftetjen, in it)r bielmet)r ben äöittcn ©otteS
au erfennen, ber itjn au feinem 9tfiftaeug für biefen Soften auserfetjen f)abe. ^n
ber £t)at r)aben biefe feine etjrmürbigen ©önner geholfen, ben testen 9Jtann auf
ben testen $lafc au ftettcn. $• f)at baS in itjn gefegte Vertrauen im Saufe
bon meljr als 30 Sagten in jeber Scaiecjung boltftänbig gerechtfertigt.
«ß. mar ein 9)lann öon l)erborragenben ©aben 2eibe8 unb ber ©eele: bei
anfetjnlictjer ftattlidjer ftigur, befafj er träftige bauertjafte ©efunbrjeit, fo bafe er
biet 2Mrje unb Arbeit ertragen fonnte bis inS fjorje ^Iter; er mar bon offenen
fctjarfen ©innen; ben 2öot)lHang feines DrganS (vocalitas) rüt)tnt 2utt)er ein-
mal gelegentlich ; bafj er f et)r berebt gemefen, toirb mef)rfacl) beaeugt. ©ein ©etft
mar bon burdjbringenber Älarljeit, er mar im ©tanbe baä Sunfle fdjti^t unb
beutlid) au erftären, baS «BermicMte au töfen unb ftar au legen, baS äBeitläufige
!ura au faffen, inSbefonbere bie Stnmenbung ber 3öat)rf)eiten au aeigen, eine
©abe, metcrje Sutrjer an ir)m tjocrj fcfjd^te unb rühmte, «ß. rjatte bon £>aufe
aus ein frifdjeS frörjliccjeS ©emütt); fein §anbeln aber mar atlenttjalben mot)l
überlegt unb borfid)tig, im Umgang freunblicr) unb tplbfelig, friebfam, aber ftetS
aufrichtig unb ber 2Baljrt)eit unb Sittigfeit treu gegen ftreunb unb geiub, mtlb
unb boll S3arml)eraigleit gegen bie Firmen, bon £eraen bemütfjig, gotte8ffir$tig,
in feinem 2Banbel unfträflidj , ein SSorbilb feiner ©emeinbe. Sin feinen «ßre-
bigten rühmte man, mie leicrjt fie au faffen, mie biel Sel)re unb Sroft barauS
au fctjöbfen gemefen.
©eitbem er nun Seibaig böttig angehörte, toanbte er alten gfleifc unb Sirene
baran, bie ebangeliftf)e IHrdje t)ier au erbauen: alt fein 5Den!en unb ©tubiren
bei Sag unb «Rad&t ateXtc bat)in, bie ©eelen auf ben ©runb bibttfdjer SBa^r^eit
au fteEen; babei rief er unabläffig ©ott um (Erleuchtung unb #ilfe an, unb be=
flifj ftä), ber ©emeinbe mit frommem Sugenbmanbel boranaugeljen für feine
«ßerfon unb mit feinem ganaen £aufe, morin ©otteSfurdjt , 3ucl)t unb ©tubten*
fteifj ber ©ötjne molntte. Somit er fein rjotjeS Slmt als Oberpfarrer unb
©uperintenbent mit befto merjr äöürbe unb Sluctorität führen möchte, mürbe er,
nacrjbem bie Seipaigex Uniberfität erneuert unb reformirt morben, am 6. ©eb=
tember 1543 aum Sicentiaten ber Geologie, fobann TOtrooct), ben 10. Dctober,
mit nocf) bier anberen, unter benen nur ber mit irjm innig befreunbete, um bte
Uniberfität rjocr)berbiente (Safbar SBorner genannt fein möge, aum 2>octor ber
Ideologie promoüirt. $on ba an rjtett er benn aud) trjeotogifdje «öorlefungen,
auerft unb aumeift über 9Mand)tt)on'S Loci theologici, bie er aufcerorbentltdj
r)od) f dtjä^te; fobann erftärte er aud) baS (Sbangelium 9Jtattl)ät. «ßfeffmger 8
Söorlefungen über «Uletancljt^on'S Loci mürben gana befonberS als meifter^aft
anerfannt. t
©^toierige unb traurige Seiten mu^te er nac^ ßutljer'S Sobe erleben,
gßd^renb bes ©c^malfalbifc^en Krieges martete er feines 5lmteS treu unb be=
ftänbig, unter fleißigem ©ebet, ba^ ber erbarmungSreic^e ©ott fetne ßtrctje
erhalten unb baS Sanb ni$t gänalic^ mit bem Sänne fd&lagen rooEe 9118
aber bie ßriegSnotrj borüber mar, mufcte $. bon ©eiten ferner gfetnbe ftcj ber=
bärtigen taffen, als l)ätte er gegen feinen 2anbe8rjerm, ben ie|tgen Äurfuriten
gjlori^, nictjt treu unb tobal fic^ gehalten, ^nbeffen liefe fiel) ber Äurfürft md)t
gegen il)n einnehmen, erjeigte i^m bielmet)r bei einem ©aftmarjt m ber spiexBen»
bürg, moau er i^n geloben, alle fürftlid)e ^ulb. 35alb barauf , mot nod) im
Saufe be8 Mre8 1548, erging an il)n ein el)renbolter Auf uact) Breslau al8
40*
628 umfinget.
SPfarter ^u ©t. Waria 9JJagbalena , ber nadj bcn betrübenben Gmafjrungen ber
jüngften 3e^ n^ roenig SertotfcnbeS für itm fjatte. 3Wein Weil ib,m bie
morjtmollenbe ©efinnung beS Äurfürften für J¥ird)e unb ©djule gemiß geroorben,
unb Weil ber Wagiftrat Don Seipjig tr)m tjoljcS Vertrauen unb ©unft erzeugte,
fo lehnte er ben 9tuf ab , um jetner ©emeinbe unb ber Uniöerfität ferner ju
bienen. ,3nbeß trug er bafür junädjft toenig 3)anfS baöon. 2)enn baß er, näd)ft
sDMand)tl)on unb Sugcntjagen, in ©ac^en beS Interims unb einer ermäßigten
gaffung biefeS 33ergletd)S (ßeipjig, 2>ecember 1548) mit 3U Ütattje gebogen
morben mar, mürbe il)m burd) Männer, meldje allein bie berechtigten drben
(utt)erifd)en ©eifteS ju fein bermeinten, als Verleugnung ebangelifeljen 33efennt=
niffeS unb als Sefürmortung ber päpftlidjen 9Jteffe aufgelegt unb Derurtljeilt.
$a felbft ber Umftanb, baß ifjm, als ^rofefjor ber Ütjeologie, im $. 1549
ein ßanonicat am üDomftift &u ^Reißen ju Xljeit mürbe, mäfrrenb er als *ßro=
feffor bi§ barjin gar feinen ©eljalt belogen ljatte, rourbc it)m Derbad)t, als märe
bau eine Selorjnung gemefen für feine Semüljung um SBiebereinfütjrung ber
NJJteffe in ben eDangetifd)cn ©otteSbienft.
SBäljrenb eS fiel) im $. 1548 ff. um Stjorröde unb anbere „Witteibinge"
gefjanbelt Imtte, marf fiel) bie SInfeinbung gegen $., als ©djüler $Mand)tt)on'S,
fpäter auf baS ©ebiet ber fiebere. 5ß. öertf)etbigte nämlid) in mehreren afabe=
miferjen Sttjefen (themata betitelt) Dom 29. 9Jtai 1551 unb 2. 2)ec. 1552, ferner
in „Propositiones de libero arbitrio" unb in ..^uaestiones quinque de libertate
voluntatis humano" Dom $. 1555, bie 9lnfid)t, Wcld)e 11Jceland)tl)on in beut ^weiten
©tabium feiner Loci aufgeftellt tjatte, baß nämlid) im 2Berf ber Sefeljrung ber
fjeitige ©eift nicfjt ausfdjtießtid) tfjätig fei, fonbem baß ber Wenfd) felbft babei
mitttmfen fönne, benn ber Ijeilige ©eift berfaljre mit it)m nict)t wie ein Silb=
fdmitjer mit einem .gmtjblod ober mie ber ©teinmetj mit einem ©teine. ©egen
itjn traten £)ofprebiger ©tottj in SSeimar, 9ticolauS Don 9lmsborf, sDlattf)iaS
glaciuS unb ©uperintenbent ©alluS ju Ütegensiburg auf. S)ie ^otemif mürbe
fo tjifeig unb getjäffig geführt, baS $. aufs äußerfte Derläutnbet unb fittlid) miß=
tjanbelt murbc. 5DaS fränfte it)n tief, meniger um feiner eigenen ^erfon mitten,
als roeit bie Äirdje burd) foId)eS Slergerniß entftellt, ber f^ortfcfjiitt beS @Dan=
geliumS gehemmt, bie Seute pr Seradjtung Don ©otteS SBort unb ©acrament
Oerteitet mürben. %m ^. 1558 ließ sJcicolauS bon 3lmSborf ^u ^ena erfdjeinen
ein rjaubtfädjlid) gegen ^. geridjteteS , beutfd) gcfdjriebeneS „Dffentlicl)eS 33e=
fenntniß ber reinen Sare (sie) beS (Sbangelii unb Sonfutation ber itiigen
©cfjmermererj". SDiefe ©treitfd^rift öermirft s^feffinger'S nngeblidje 3(rr(el)re,
meldje berfelbe in feiner S)iSputation auSgefprocljen Jjabe, bat)in gef)enb, baß ber
2Renfd) mit feinen natürlichen Gräften bem SBorte ©otteS 53eifall geben unb
fidj jur 33efel)vung anfdjiden unb bereiten fönne. 25a fonnte ty. nid)t länger
fcfjmeigen. Sr gab ju feiner Stedjtfertigung ^mei ßrmiberungen gleid)jeitig
IjerauS, bie eine lateinifd) für bie ©eletjrten, bie anbere beutfd) für bie ©emeinben.
2)ie lateinifd)e ©djrift ift betitelt: „Demonstratio manifesti mendaeii. quo
infamare conatus Doctorem Joannem Pfeff. (sie) libellus quidam maledicus
et sycophanticus germanice editus tituli Nicolai ab Amsdorf etc." Witteb.
1558. ^>ier ift nur S3or= unb 9tad)mort neu; ben .gmupunfjatt bilbet ein
mörtlid)er Söieberabbrud ber oben genannten Quaestiones quinque de libertate
voluntatis humanae Don 1555, morauf 3lmSborfS Eingriff fid) bejog, 4 Sogen
fl. 4°. S)ie beutfd)e Entgegnung iüfjrt ben Xitel: „Slntmort D. ^ofj. ^feffinger'S,
^aftoriS ber ßirdjen 3U ßeipjtg. 5luf bie , Öffentliche SBefenntniß ber reinen
Öare — ©d)mermeret)', ^ietafen bon SImbSborff." äötttenb. 1558. 5 Sogen
fl. 4U. 2)icfe für baS 33olf beftimmte ©treitfdjrift ift offenbar feljr rafd) ge=
fdjrieben, unb madjt ben ßinbrud eines feiner guten (Ba<i)t gemiffen, in ber 3u=
5Pfefftnger. 629
berficl)t eines guten ©emiffenS feften, aufrichtigen ©Ijrenmanneg, ber fidj fdjliefj»
lict), jumal gegen ben ©crjlufj f)in, grober 2Iu§fätte atterbingS nid)t enthält, 3. S.
man möge „bem alten $ftann feinen 2lbermÜ5 3U gut galten", ober, man merbe
ftnben, bafj „beS bon SlmSborff Jamben eitel giftige Salumniae ober aberroitjige
trunfenbolbifctje SBort finb". 2öa§ it)n am meiften empört, ift ber Umftanb,
bafj 2lmSborff bie angeblichen Srrtetjren, bie er ifjm ft^ulb gibt, ntctjt in feiner
SiSputation nacbjumeifen bermoctjte, fonbern auf eigene f^auft formulirt tmtte,
moju er bie ©cfjlufjmorte fügte: Haec ille, si recte memini. 5Darauf fommt
S. mieberljolt jurücf, unb erflärt: roenn man bei fdjarfer Prüfung feiner S)i§=
putation baSjenigc barin finbe , toaä 2lmSborf ifjm fctjulb gebe , fo motte er eS
leiben, bafj er bon jebermann für einen ^rrletjrer gehalten merbe, motte feinen
Irrtum belennen, bemjenigen, ber ifjm ic)n nactjmeife, bafür banfen, unb ben
^rrtlmm öffentlich miberrufen; fo S. III. ^üt feine ^ßerfon tröftete er ftdj
mit ^elanctjttion'S SBort: „äßenn bu eine Seteibigung ©ott antjeimftettft , fo
ift er fetbft Ütädjer; tuenu einen ©traben, fo ift er Söiebererftatter; roenn einen
©c^merä, fo ift er Slr^t; menn ben £ob , fo ift er e§, ber aufertoecft." 3U
fotctjen Prüfungen, meiere il)n at§ ©lieb be§ firdjlicljen ©emeintoefenS trafen,
t am auet) fyamtüentrauer unb «^auSfreuj : toie oben ermähnt , bertor er feinen
erftgebomen ©ofm ^o^anne§, toeldjer Bereits 9Jtagifter gemorben unb mit Erfolg
an ber Uniberfität tljätig mar, am 3. (September 1551. SDer tief betrübte
Sßater richtete fiel) an ben Serljeijjungen unb troftreidjen 9lu§fprücr)en ber fjeiligen
©ctjrift auf, roorauS fein „Sroftbücfjlein" entftanben ift. Sinigen (Srfat} unb
(Srquidung gemährte ifjm 5 %<rt)ie fpäter bie Promotion feinet jroeiten ©otjneS
$aul jum 9Jtagifter, roelctjer fpäter, im %ol§x 1562, ^um Pfarrer unb ©uper=
intenbenten in üDetitjfdj berufen mürbe.
©anj aufjerorbenttidje Unruhe unb (Sorge tourbe ifjm baburdj bereitet, bafj
er entbeefte, mie ein 9Jtügtieb ber ebangetifdjen ©eiftlidjfeit in ßeipjig bie refor=
matorifdje ©runbleljre bon ber ütedjtfertigung bor ©ott burefj ben ©tauben allein,
ofjne Serbienft ber Söerfe, unter ber -£anb ju entftetten unb <}U berfätfdjen an*
fing. SDiefer ©emtjr trat er fofort rectjtjeitig entgegen, inbem er im $uni 1556
ein ftareS unb iefte§ Sefenntnifj bon ber „©ereäjtfertigung (sie) be§ 9ftenfcrjen"
entmarf unb feinen 5lmt§brübern in Seip^ig borlegte, teorauf biefe fämmtlictj btö*
felbe 3U unteiäetdjnen Ijatten unb fiel) beipflichteten, in ber ^ßrebigt unb in allen
itjren 9leufjevungen fidj beftänbig baran p galten. Siefem Sefenntnifj gab
'DJWancfjtJjon feinen rücüjaltlofen 35eifall. Sor ber |)anb mürbe burdj biefeS
Sorgeljen Siefftnger'S ber ^rrlefjre gefteuert unb Slergernifj in ber ©emeinbe
berfjütet. 3>ebod) mactjte fidj bie ^frrle^re fdjon nadj roentgen 5ftonaten mieber
bemerflid}, fo ba| im Dctober be§felben ^at)reä bie Slufftellung eine§ etmas
au§fül)rlicr)eren SSe!enntniffe§, melcr)e§ gleichfalls unterjeicrjnet merben mu^te,
notb^menbig mürbe. 2>a3 ^ab^r 1560 brachte il)m ein boppelteS §erjeleib: ben
Sob 9Mancr)tl)on'£ unb ben feiner ß^efrau. 3Der Heimgang beS il)m fo innig
öerbunbenen Mag. 5ßl)iltppuS ging if)m, um be§ SSeften ber eoangelifcrjen Äircrje
mitten, fo fefjr ju §erjen, ba^ üon Oielem äöeinen feine klugen mehrere 3Jtonate
lang aufjerorbentttcr) angegriffen maren. 5£)er Serluft feiner ©attin , bie am
29. September 1560 ftarb, mar für ben nab^u 67jatjrigen ein unau§fprecr)ticfr,er
Scljmer^. Sie einzige Soctjter erzeigte it)m bon ba an berboppelte !inbtid)e
Siebe in feiner Pflege unb ber güljrung beS ^auSb^altS. Sei pnelimenbem
?llter fdjenfte itjm ©ott boct) fo biel Äraft 2eibe§ unb ber (Seele, bafs er feinem
3lmte nodj borftel)en unb beffen 5|3fticr)ten erfüllen fonnte. Sorpglicr) aber mürbe
fein ©ebet je mel)r unb meb^r anljattenb , feine gürbitte für bie Ätrctje ßljrifti,
für ©tabt unb Sanb, unb fein ©ebet für fiäj fetbft, pmal um ein feligeS 6nbe.
630 Wcffingcr.
2lm Sonntag Kantate be§ Sfa^rei 1568 beging er ba§ 50jär)rige ^ubi(aum
jetner erften 9Jteffe mit £ob unb SDanf gegen (Sott in ©egemoart et(id)er
greunbe fotüte einiger 9Jtitglieber bc§ 9Jtagiftrat8. 2lber aud) je|jt nod), ja felbft
nacr) einer lebenSgefäfjrlidjen Jhanttjeit im $. 1571, arbeitete er treu unb un=
ermüblid) fort, ^m Dctober beä genannten iSafyreg rool)nte er, auf s-8efet)l ber
furfürftlidjen Regierung, einem Jrjeologenconöente ju 2)re3ben bei, als eine Sterbe
biefer 23erfammlung , öon ber ficf) ber 78jät)tiQe fcfjtiefjlicrj in erbaulicher unb
rütjvenber SBeife bcrabfdjiebete. 21 m 4. 2lböeutäfonntage 1572 prebigte er in
ber sJlico(aifircrje jum legten 1)Jtal uor feiner ©emeinbe. $mei ütage barauf befiel
it)tt, be§ ©tcineä falber, ein ftieber, meldjeä otjne fonberlicfje ©djmerjen unb mit
Raufen jeljn Sage roärjrte. 2lm 9ceujaf)r3tag 1573 entfdjlief er WacfjmittagS
3 Utjr fanft unb ftitte, nadjbem er feine ©eete in ^efu £>änbe befohlen rjattc.
6r ftanb im 80. £cbenäjat)r, im 55. beä geiftlicrjen 2lmte§, im 34. feiner Sintis*
fütjrung in Seidig. SDie Sürgerfdjaft £eip,}ig§ blatte big jum $. 1539 um ber
ebangelifcfjen 2öat)rf)eit mitten jmanjig 3fat)ve lang fo biet getrjan unb gelitten,
baf$ fie einen fo gotteäfürcfjtigen, treuen unb trefflichen 9Jcann, mic $. mar,
at§ erften eöangelifrf)=tut^erifci)en Pfarrer berbicnte.
5Die urfunbtid)ften unb älteften Wacrjricrjten über ^fefftnger'S ßebenSgang
unb ßt)arafter gibt bie ber „Seidjprebigt" beS 2)iaconu3 Sorenj sUlatf)efiu§
(am 3. Januar 157:; gehalten) borauögcfdjidte, bem 9Jtagiftrat üon £eipjig
gemibmcte, mit bem Silbe s4$ieff"tger 'd in ^otjfctjnitt gefdunüdte 2luf,jeid)=
nuug au$ ber 3?eber beä Lic. Theol. unb ©uperintenbcuten 3U ©rimma,
Sattfjafar ©artoriuä. 2)iefelbe ift batirt ben 1. 2lprü 1573, umfafjt 6 93ogen
!(. 4°, unb oerbient, ba ber 53erfaffer als ©djroiegerforjn ber einigen :Iod)ter
5ßfcffinger'§ , ber Deretjelidjten ©atmutf), fict) barauf beruft, bafj er oftmals
it)n tjabe öon feinem ßcben erjagten l)öven, üotlfommenen ©tauben.
©. 2ed)ter.
^fefftltger : 3 ob,. 5 riebrieb; ty. mürbe am 5. 9Jhi 1667 5U ©trafeburg
als ©orjn eines ßeberbereiterS 2)aniel ty. , ber einer früher fet)r angefefjeneu
gamitie entflammte, geboren, f 1730; feine 9Jtutter ©ufanne Sßebel mar bie
Sodjter eineS äöeifjgerberS unb bie ©cijroefter beS ©trafjburger SßrofefforS 23altl).
SBebel. Sr befucrjte baS ©rjmuafium feiner 3kterftabt unb trieb bann auf ber
bortigen Uniberfität prjitofopfu'fcrje, gefcrjidjtticrje unb rec^tSröiffenfdjaTttictje ©tubien.
@r fetjte biefclben feit bem ©ommer 1687 in Seipjig, inSbefonbere bei bem
Suriften Seonrj. 33aubifj, fort, bis ib> 1690 ber 9tuf $onr. ©am. ©djurä*
fteifdj'S nacf) Söittenberg 30g. S)ocr) mar l)ier feines 33leiben§ nieb^t lauge, ba
ib^n balb ber (Settifcrje Sicefaniler b. ftahxki jum ^ofmeifter feines älteften
©ob>e§ getoann. 2)icfe ©tettung mährte biäßnbe beSSa^rcS 1692. 5tm 12. Januar
1693 fam er al§ 5profeffor an bie föitterfcrjute (^u Lüneburg, bie 1712 jur ?lfa=
bemie erhoben mürbe. S&itx lehrte er junädjft 5Ratt)ematif ; 1708 mürbe er
^ufpector ber Slnftatt. 5DaS SSibliotb^eEariat in £>annober, ba§ ib^m nad) (Sccarb'S
Sntroeicb.en 1724 angeboten mürbe, lehnte er feineö 2Itter§ unb feiner ©efunb=
b^eit megen ab. Einige 3fat)re fpäter nöttjigte ib^n ein ©teinteiben feine S5ienft=
enttaffung ju f orbern, nacrjbem er bi§ 3um September 1729 feine ®efd)äfte mit
größter ©emiffenb^aftigfeit beforgt t)atte. Unterm 16. £)ctober 1729 mürbe ifjm
ber 5lbfcl)ieb unb al§ 2Inerfennung feiner 2b^ätigfeit ber Srjarafter eines fönigl.
grofjbritannifcfjen 9tatf)§ bcrlieb^en. 21m 27. Üuguft 1730 mad)te ber falte
93ranb im 5Jtagen feinem ßeben ein 6nbe. 93erl)eiiat^et mar ^ß. feit 1709 mit
ber 2Sittroe feineS 2lmtsüorgänger§ %\). ©. 9tofenf)agen, einer geborenen ©ietierS,
bie irjn überlebt tjat. Äinber finb ber @|e nietjt entfproffen. 5ß. mar ein 9Jtann
öon redjtfcfjaffenem Gfjarafter unb großem 5^i§e. ©eine roiffenfdjaftlidje 2l)ätig=
teit mar eine feejr bielfeitige; fie umfaßte bie matljematiferjen aBiffenfcrjaften, bie
Pfeiffer. 631
©efctjicfjte, inibefonbere bie ©eneatogie, fotnie bai beutjrfje Staatsrecht. 3luf
lefcteiem ©ebiete fdt)uf er fein §auptroerf, ben „Yitriarius illustratus". @s ift
ein ßommentar bes jus publicum bei Serjbener ^roieffor'i 5ptj. 9t. SBitriartus
(f 1717). Sie elfte Sluigabe erfcfjien 1691, eine neue fiarf tiermerjrte unb
tierbefferte in 2 Sänben 1698 unb 1699 (3. Stuflage 1712 unb 1718), benen
ficr) 1725 noct) ein bxitter unb 1731 ein nacf) bem Jobe bei Serfafferi tion
©ebt)aibi fjerauigeg. öierter SSanb anfcfjtoffen. ßin bie Sraucfjbarfeit bes Söetfes
fefjr ertjörjenbei ftepertorium über basfetbe rjat 6t). &. Üticciui 1741 geliefert.
SEßar ei fctjon an fict) ein tierferjlter gebaute, bafe 33itriariul fein beutfdjei
Staatsrecht nactj 3trt brr bürgerlichen ©efefee $uftinian?i einrichtete, fo mufete
biefe mangelhafte Anlage in ^feffingeri äöerfe, melcfjei ben lert jene! mit 5ln=
merfungen unb jum sfett fef)r eingetjenben 2lusfüt)rungen begleitete, noctj roeit
ftörenber fjertiortreten. Sag 33uctj erhielt baburct) etroai plantofei unb mar
otjne genaue 9tegtfter nur fefjr fettet au benufeen. Jrofcbem fcrjuj %. burcrj bie
ücei^altigfett ber mit gewaltigem gteifje unb großer 35elefenr)eit aufgearbeiteten
2Inmerfungen, bie inibefonbere bie einfcfjlagenben gefcrjicijtücfjen 33err)altnifie be*
leuchteten, ein äöerf tion lang bauernbem SÖPtttje. Sie „^iftorie bes 23raun=
f$röeigifcr>Süneburgifd&err Kaufes ic." ift 1731—1734 tion feinem Neffen 3ofj.
8fr. $ß. in fefjr ungenügenber Söeife rjerausgegeben. (Sr ljat bie jum Xtjeit
mertcjooEen Soüectaneen feines Ctjeims unter 3ugrunbe(egung bes lejtei ber
gfterjtmeierfcrjen S^rcmir in nacr)täffiger , gebanfenlofer SDSeife au einem äöerfe
«erarbeitet, mit bem er bem fturjme feinei Dt)eimi einen jdjledjten Sienft er=
toiefen rjat. ©erjr aafjtreicrj roaren bie rjintertaffenen £)anbfcrjrifttict)en 2Iui»
arbeitungen ißfeffinger'i, barunter inibefonbere foldje über bie ©efdjidjte ber
Süneburger ©efcr)lecr)ter unb £f öfter. (Sin Sfjeit biefer «öcanufaipte mürbe fctjon
tion bem 1734 in Hamburg tierftorbenen «Reffen öetaufeett; bie übrigen Ratten
fpäter baifelbe Sctjictfal. Sie genealogifdjen Scrjrtften erwarb ber ©erjeimratrj
tion Sßraim. ßine lleberficrjt über biefe £anbfcfmTten fotoie über bie übrigen
SrucTwerfe ^feffinger'i ftnbet fictj nebft biograprjifcfjen 9lad)meifen in (Set&ner'g)
gtieberjadjf. bleuen 3eitungen tion ©elerjrten Sachen auf b. 3. 1730 6. 664 ff.
unb in $. gr. ^ugter'i Setiträgen jur juriftifcfjen «iograptjie 33b. IV, ®. 161.
5ß. 3immcnnanrt-
Pfeiffer: Stuguft $., berühmter Drientatifl, als <5of)n einei rjeraoglkrjen
3oüeinnerjmers in Sauenburg am 27. Octooer 1640 geboren, fe^te nactj 216»
foltiirung bei ^orjanneumi in Hamburg feine Stubien in äßittenberg fort,
rourbe fcfjon im erften afabemifetjen 3af)re 1659 lltagifter unb fjiett ^riöattior=
lefungen über orientalifctje Stirad)en. (Sin furjürftlictjei ©tipenbium fe^te ib,n
in ben Stanb, fid) bem Stubium berfelben ganj p mibmen. Cbfctjon 1665
jum Professor orientalium ernannt, natjm er bennoef) Dftern 1671 eine 33e*
rumng beS ^er^ogg ©qtbiuö Ofriebrictj tion Cels sum Sßaftor in ^ebaibor unb
Slffeffor bes Sonfiftoriums in Oeti an, meiere ©tette er 1673 mit bem ^aftorat
in ©troppen tiertaufct)te. £ier nab^m er Slnbreas Slcoluttjus all ©d)üler in fem
,g)au§ auf. 2tl§ ehemaliger furfürfttietjer Stipenbiat rourbe $. 1675 nactj
©actjfen unb aroar jum ^ßaftor an ©t. 3Ifra in 5JceiBen jurüctberufen unb,
nactjbem er eine Sßocation alä (Seneratfuperintenbent nactj Sauenburg aus=
gefcfrjtagen unb auf Soften bes flutfürften fictj bas Soctorat ber Ideologie er=
roorben rjatte, 1681 als Strccjibiaconus an bie Srjomasfirclje in Seipug tierfe^t
unb augleictj sunt auBerorbenttictjen ^rofeffor ber Ideologie ernannt. 9cact)
acrjtjäb,riger 2ef)rtf)ätigfeit in Seipaig folgte er einem Ütufe bei Sübecfer 9tatf)i
jum ©uperintenbenten über bie bortigen ßircfjen. %n biefem SImte ift er am
11. Januar 1698 geftorben. ^reiffer's 2l)ätigfeit all Sctjriftfteller mar feb,r
umfangreich). 2eufd)ner 3ät)tt mefjr all 50 (Schriften beifelben auf. ßinen nietjt
632 Pfeiffer.
fleinen Xheil bitben feine ©treitfcbriften. ©egen bie bon bem 2fe|uiten 9lrnolb
finget „auSgeftreute gunbamentalfragcn tüibcr bie lutl)erifche Religion" trat et
1679 mit feinem mehrfad) anfgetegten, auch ncuerbingS mieber • abgebrudten
Sractat „ßutljerthum öor fiuther", begleichen gegen ben in beutfdjer lieber
fetjung üerbreiteten Iractat s4>oiret'S „1k Klugheit ber ©erechten , bie ftinbn
nach ben mabren ©rünben beS (ShriftenthumS ju ergeben", 1694 mit acht ^re=
bigten unb einer „epistola apologetica" in bie ©chranfen. Severe braute itjn
mit ©pener , ben er früher in ber 33orrebe ^u feiner „Güangelifcben 6t)riften=
fchule" al§ hodjüeibienten theologus getobt tjatte, in Gonflict, ber fid) burd)
mehrere 3ahre in ©treitfchriften fortfpann. 33ei meitem mtchtiger als feine
polemifcben unb aScetifd)en ©chriften ftnb ^feiffer'g gelehrte arbeiten über
©jegefe, ftritit unb ,£)ermeneutif beS alten £eftameutS. S)ie „Exercitationes
biblicae", „Dubia vexata", „Introductio in orientem", „Critica sacra", „The-
saurus hermeneuticus", „Dcscriptio rituum antiquorum gentis Ebreae" würben
mieberholt aufgelegt. (Sine ©efammtauSgabe feiner gelehrten Söerfe erfcbien
1704 in Utrecht.
Augusti Pfeifferi, thcologi Lubecensis, memoria e filiorum moestissima
pietate exstructa. Lub. 1699. — Leuschncri Spicilegium XIX. — äöatdj,
Üteligionsftrcitigfeiten. © cb i m m e l p f e n n t g.
Pfeiffer : 3lugufi <yriebrid) ty. roarb als ber ältefte ©ohn öon 3oad)im
ehrenfrieb s4$. (j. ©. 039) am 18. Januar 1748 au Erlangen geboren. Stuf
bem 2t)ceum <>,u (Sulmbad) unb bem ©t)tnnafium ju Erlangen öorgebitbet, ftubirte
er in biefer feiner SJaterftabt feit 1765 Rheologie unb toarb bafetbft 1769 311m
mag. theol. promoüirt. "Jtachbem er nod) orientatiftifebe ©tubien gemacht,
habilitirte er fid) 1770 als» tf)cotogifd)cr 2)oceut, marb 1776 ^rofeffor ber
orieutalifchen ©prachen, 1805 Sibliotbefar unb ftarb am 15. $uli 1817.
(ättg. ßnctjfl. III, 20, ©. 332—334, too in Slnmcrtung 11 nod) weitere bio»
graprjifchc Cuellen 311 finbeu.)
&U8 feinen a. a. D. angeführten Söertcn oerbienen .£)erüorbebung : ber bon
ibm üeranftaltete 2luS(utg aus äffemani'8 orientalifd)cr 93ibliotbef, 1. £h(. 1776,
2. 2hl. 1777 (f. b. 2itel bei Weftte, Brevis linguae Syriacae litteratura 1881
p. 1). 6r fiatte bierin 3iigteid) eine beutfd)c Ucberfeljung ber frjrifcben ©teilen
gegeben unb überhaupt bie ©djähe jenes äöerfeS aus ber ft)rifd)en l'itteratur
leichter zugänglich gemacht (ügl s]Jtid)aelii, Oriental. 33ibl., 33b. XI, ©. 41—46,
unb (Sicrjborn, Kiepert. f. bibt. u. morgenl. ßitt., ©b. I, ©. 19'.»— 217, too
eine jrucite genauere Uebetfehung ber Ghronif üon (Jbeffa nad) bem ©rjrifdjen
gegeben ift). — ßbeufo mar für feine oeit eine „(Jbräifdje ©rammatif" 1780,
2. 2lufl. 1789, 3. 2Iuft. 1803, ein red)t nüfctidjeS unb gern gebrauchtes 8ebr=
bud) (ügl. «Bleuer, ©efd). b. ©ebriftetflärung, 58b. V, ©. 133; bei tieftet, ©efdj.
b. 3t. 23., ©. 566 ügt. 801, ift baS 33udj fälfchlid) bem Joachim gbrenfrieb ty.
jugefdjrieben worben). Später fdjrieb er als lej-ifalifche (hgänjung baju ein
„Bibliorum hebraicorum et chaldaeorum nianuale", 1809. ©efeniuS' grofje
©djöpfungen auf biefem ©ebietc machten atlerbingS bie arbeiten biefer Vorgänger
rafd) oergeffen. — ©tue f leine ard)äotogifd)e Arbeit mar bie „lieber bie 9Jtufi!
ber alten Hebräer", 1779, ügl. äöiner, 33ibl. 9teatmörterbud) II, 122. — ©eine
toidjtigfte Slrbeit ift bie unüoEenbet gebliebene SluSgabe ber äÖerfe ^h^ito'S:
„Philonis opera omnia graece et latine ad editionem Th. Mangey collatis
aliquot Mss. edenda curavit", 1785—1792, 2. Stuft. 1820, 5 33be. ©eine
Seiftung bezeichnete um be^millen einen gortfd)ritt über fanget) hinaus, als er
burd) TOtbeitung ber michtigften Varianten beS codex A (Monacensis) bem
Sefer bie 9Jcögtid)feit getoül)rte, menigftenS bei ben michtigften gälten eine ältere
unb beffere Xertgeftatt fennen 3U lernen, als fte fanget) geboten blatte.
Pfeiffer. 633
Sögt, hierüber 3. ©. ÜMtfer, ®eä 3uben «ß^ito 33udj öon ber äöettfcfjöpmng,
1841, ©. 18—28, insbef. ©. 21 u. 27. lieber bie ^tjilorjanbfdjriften im atl=
gemeinen unb bie fjier ju leiftenbe Aufgabe f. £ifd)enborf , Philonea inedita,
1868, p. V— XX, unb 6. ©iegfrieb , $rjilo öon Sllejanbrien , 1875, ©. 28.
@. ©iegfrieb.
Pfeiffer: SBurffjarb SBilljelm %, ^effif^i ^ubticift unb töed&tS»
gelehrter, geb. am 7. 9Jtai 1777 in Äaffet al§ ältefter Sorrn be§ ^oljann
Safob p., melier 1769—1779 «ßrebiger an ber bortigen Dberneuftäbter @e=
meinbe, bann *}3rofeffor unb ^äbagogardj in Harburg, 1789 Sonfiftorialratt) unb
^nfpector ber reformirten ©emeinben be§ b,effifdjen DberfürfientrjumS, auch, 9leligion§=
leerer be§ ßrbprinjcn, nact]t)erigen Äutfürften SGilcjelm IL, mar. Sie Butter
mar Sucie Üiebeffa geb. Dtüpüel. Ilad) Seenbigung be» 9ted)teftubium§ erhielt
$. jmar 1803 bie ©teile eine§ ©taat§anmalt§ in Raffet; bei feiner früt) ^u
Sage tretenben £üd)tigfeit aud) in anberen £yäd)ern, mürbe er aber im $uli
1805 aum £>of= unb im 9toöember 1805 pm roirfl. Regier ungäardjiöar in
Gaffel beftettt. daneben blieb er jebodj ber Ütedjtimiffenfdjaft treu. SDen
„23ermifd)ten Slujfätjen über ©egenfiänbe be§ römifdjen unb be§ beutfdj)en Sßtioat=
9tedjt8", meldje er fdjon 1802 in Harburg herausgegeben fjatte, lief* er 1806
eine ©djrift „lieber bie ©renken ber &iöit=$atrimonial=3urisbiction. ©in 23ei=
trag jum 2!erritoriat=©taat§recI)t" (©öttingen) folgen unb gab 1808, nadjbem
bie franjöfifcrje ©efetjgebung in Reffen eingeführt morben, mit einem jüngeren
23ruber „sJtapoleon'§ ©efetjbudj nad) feinen Slbmeidjungen öon S>eutfd)lanb§ ge=
meinem 9tedjt" (2 33änbe, ©öttingen) rjerau§. SDie golge mar, bafj er mieber in
bae ^uftiäfadj äurüdlam. Sr mürbe 1808 ©teltöertreter bes ©eneralprocuratorä
beim 2lppeltationsgerid)t in Gaffel. 91adj bem @nbe ber gremMjerrfcrjaft öer=
menbete ifm bie Ijefftfdje Regierung al§ 9tatfj in ber Sßermaltung. sUlit ganjem
-•perlen ber bamatigen liberalen ^eitftrömung äugettjan, erregte er 1816 in mei=
teren Greifen Slufmerffamfeit burd) feine ©djrift „Sbeen du einer neuen ©efet$=
gebung für beutfdje ©taaten". 1817 trat er abermals in ba§ ^ufti^f ad) jurüd,
inbem er jum Dtat^ beim 9lppeflation§gericrjt in Gaffel beftellt mürbe. 2lls
foldjer gab er eine „fteue Sammlung bemerlenSmertljer Gmtfdjeibungen" biefes
@erid)t§ tjerauS (4 Söänbe, £annober 1818—1820). lim biefe £eit mürbe
Äurrjeffen lebhaft bemegt burcrj bie ^rage ber redjtlidjen folgen öerfdjiebener
1ütaf$nat)men ber mcftfälifcfjen ä^ifcljenregierung. ^urfürft äöitljelm I. rjatte
buretj 33erorbnung öom 14. Januar 1814 alle mätjrenö ber ^wifd^enjeit ge=
fdjefjenen SBenacrjtrjeiligungen be§ ©taats,eigentb,um§ für nidjtig erflärt unb biefe
Sßerorbnung am 31. $uli 1818 im ©efetjblatt autljentifdj batjin erläutert, bafj
bie 1806 erfolgte Ueberaielmng ^»effenS burdj fvanjöfifd^e Sruppen nid)t ben
6l)arafter einer Pölferrecrjtlicrjen Eroberung, fonbern ben eine§ ^iaub^ugg gehabt
Ijabe unb bafj ba|er aud) alle Serfügungen über bie uorrjer au§ ben ©taat§caffen
ausgeliehenen Kapitalien ungittig feien. üSamit mürben biejenigen , melcrje
Kapitalien äurüdgejjarjlt Ijatten, fdjmer betroffen, ^n beren ^utereffe gab ty.
1819 bie bem Äurfürften gemibmete ©djrift l)erau§: „^nmiefern finb 9tegie=
rungSljanbtungen eine§ Swifd}enl)errfcrjer§ für ben redjtmäfsigen Regenten nadj
beffen Ülüdfel)r Perbinblicrj1?" S)arin madjte er namentlidj barauf aufmetlfam,
ba^ ber 33unbe§tag am 30. $uli 1818 fidj für eine entgegengefefete 2lnfict)t
au§gefprod)en ju Ijaben fdjeine. ®a§ DberappeUationSgericrjt in Raffet fat) fidj
genötijigt, im ©inne ber futfürfttieljen Erläuterung p entferjetben, 5p. aber,
metdper biefem ©eridjt angetjörte, geriete) nun in eine fdjiefe ©teHung, unb natjm
bal)er 1820 bie ©teile eine§ 5Jlitgtieb§ be§ Dberappellation§gerid)t§ in Sübed
an. ^n Slnbetradtjt feiner beroäfjrten 2üd)tigfeit rief iljn jebodj Äurfürft 2öil=
b^elm IL gleid) nad) feiner S^ronbefteigung 1821 jurüd. SBieberum 5Jlitglieb
634 Pfeiffer.
beä rjödjften ©eridjtSrjofä ßurrjeffenS, gab $. 1824 eine ©djrift über „ba§
tRecfjt ber $rieg3eroberung in 39ejug auf ©taat3capitatien" (.^annoüer) unb
1825 — 1841 „s4>raftifd)e Ausführungen au§ allen Reiten ber 9tedjt8roiffen=
fdjaft" (8 Sänbe, ^anuoöer) tjerauS. 2)urd) biefeä SBerf erlangte 3$. og3
größte 9lnfefjn in ber rjefjtfcrjen ^uriftenroett unb lange 3e^t gab e3 mot feinen
praftifdjen ^uriften in Reffen, roeterjer fief) nidjt in Befiü biefer ft-unbgrube beä
2Biffenä gefegt t)ätte. 1820 folgte ^feiffer'3 ©djrift „lieber bie Drbnung ber
9tegierung3nad)folge in beutfdjen ©taaten überhaupt uub in bem fjerjoglidien
(Befammtrjaufe ©acrjfen=©ottja inäbefonbere" (2 23änbe , -gmnnooer). @§ fonnte
nidjt fetjlen, bafj ein 9flann öon biefer jurifttfdjen Befähigung unb jugteid)
liberaler föidjtung bei ber 1830 beginnenben Weugeftattung ber öffentlidjen 23er=
tjältniffe be§ l'anbe§ ßinflujj geroann. @r gab junädjft eine glugfdjrift t)erau§,
mit ber 9Jcac)nung, in 9Mfjigung ben 93erfaffung§entrourf ber Regierung im
roefentlidjen anjunetjmcn. Söätjrenb ber bann folgenben SBerfjanbtungen ber alten
©tänbe mit ber Regierung ftanb ^. bem 9}err)alten be§ fltegierungebertrcterl
ßggena fetjr natje , roeterjer ba§ größte 33erbienft am 3uftanbefommen ber 33er=
faffuug öon 1831 tjatte. 3fn bem erften auf Örunb berfelben berufenen ßanb=
tage erfdjien $. als Vertreter ber 2)iemetgegenb , rourbe öom ßurfürften junt
s4>väfibentcn au3erfetjen, mufjte aber jurücftreten, ba bie 2öac)l für ungiltig erflärt
rourbe. SBiebergeroätjlt, fonnte er um fo beffer fidj an ben Bertjanblungen be=
ttjeiligen. Gr ttjat bicä bei allen balb folgenben (Streitfällen mit ber Regierung
in ©inne einer entfctjiebenen (Mtenbmadjung ber Sßerraffung§beftimmungen.
SDiefeS 3kl öerfolgte er audj in feiner „©cfdjictjte ber lanbftänbifctjen Berfaffung
in Äurtjeffen" (Äaffel 1834). $ür ben (Sintritt in ben jroeiten Sanbtag rourbe
itjm, angeblidj megen llnabfömmlidjfeit im Beruf , bie Genehmigung üerfagt,
obgleictj er fictj in ber fiänbifdjen 3lnflage gegen £>affenpflug megen feiner frütjer
al§ Iftitglieb be§ permanenten ©tänbeau§fdjuffe3 entmicfelten Stjätigfctt, im tjödjften
©eridjte ber Stimme enthielt. 3>n Ungnabe gefallen , mürbe er audj bei ber
SSHeberbefetmng ber ©teile eine§ s4$räfibenten biefe§ (5krictjt§ übergangen , obmol
er beffen ältefter Üiatr) mar. 9lm 13. Sunt 1843 in Stutjeftanb tierfct^t , natjm
er fdjriftftellcrifdj noctj totclfadt) an öffentlichen fragen ütfjeil, 1848 ftanb er bem
tjeffifdjen s3JJärjminifterium fetjr nalje, 1849 gab er „Fingerzeige für alte beutfdjen
©tänbeberfammtungen" (Gaffel) tjerau§; jur $e\t bei 93erfaffungäftreit§ mit
£)affenpftug fpractj er fid) in einer ©djrift „3ur SMrbigung be§ 93unbeätag§=
befctjluffeg öom 21. (September 1850" im Sinne ber Sanbftänbe über bie (Steuer*
frage au§; ätjnlictjer £enben(} mar feine ©djrift „®er alte unb neue Bunbeätag
nadj itjrer Söirffamfeit für bie 2luf\cctjtertjaltung beä altgemeinen s,Recl)t§juftanbe§
in 2)eutfctjtanb" (öeipjig 1851). Sie ^eit ber Bunbcierecution rief feine
©djrift über „"Sie ©elbftänbigfeit unb llnabljängigfeit be§ 9tid)teramt§" (©öttingen
1851) tjerbor. ©eine „^ßraftifdjcn 3tu§für)rungen" fürjrte er bte 1846 fort-
@ine Bearbeitung öon fiebber^ofe'S furtjeffifetjem «^irdjenrec^t gab er 1821 (U[Rar=
bürg) tjerauä. Sine Otettje Don juriftifcr)en 9luffäfeen legte er nieber in ^ntjig'ä
9lnnalcn ber griminalredfjtgpflege, gBeiSfc'8 9tecf)t§lerifon, gicrjf^er'S u. 2ßitba'§
3eitfd)r. f. b. 9ied)t, im 9lrc?io f- cioilift. ^rajii unb in ßinfe'S 3eit!^r- !•
6iöitred)t u. «procefj. % ftarb am 4. Dctober 1852 in Raffet, «ermaßt
mar er feit 1801 mit Souife, 2ocrjter be§ bortigen ßrieg§ratt)§ imrnier.
©trieber, Jpcff. ©eteijrtengefc^. 95b. XIV, XV, XVII ; ^ufti'S gfortf. berf.
(1831) u. @crlanb'8 Sortf. berf. (Äaffet 1868). — Söippermann, Äut^effcn
feit ben grei^eitöfriegen (Äaffet 1850). 2Bipp ermann.
Pfeiffer: ßtjriflopr) $., Siebter geifttidjer ßieber, tourbe am £age ©ato-
moni§ (b. Ij. am 3. Februar — ober foüte ber 13. 531ärj gemeint fein?) 1689
31t Del§ in ©d)lefien geboren, at§ ©otjn eineg 2ucr)macrjer§. ^acrjbem er ^mei
«Pfeiffer. 635
Satyre 5lbjunct 311 2)irSborf getoefen mar, roarb er am 28. 9Mr3 1719 auf bie
Pfarre ju SDittmannSborj im gürftentf)itm 5CRünfterBcvg berufen; öon tjier tarn
er im £>erbft 1746 als Sßaftor nad) ©tolj (nid)t ©tolb) bei granfenftein im
9ftünfterbergfdjen. #ier ftarb er in feinem 70. SebenSjarjre am 23. SDecember
1758. 3n ber Äird&e be§ Umgenannten OrteS fnng nod) im 3. 1868 (unb
tjängt bort toatjtfdjeinlidj nod)) fein lebensgroß in Del gemaltes Vüb. —
$j$. tjat ftf)on al§ ©tubeut geiftlidje Sieber gebietet; im 3. 1719 erfd)ien bann
fein „ßöangelifdjer ©abbatb/, in meinem fidj 91 Sieber über bie ©onntagS=
ebangelien befinben, roetdje jum Sttjeil mit mandjen Siebern öon Benjamin
©djmotd eine große Slerjnlidjfeit tjaben. Später öeröffentlidjte er unter anberm
audj nod) eine größere Sieberfammlung (85 Sieber), „(SJeiftlidje ^eierlleiber" ge-
nannt, 1732. (Sinige feiner Sieber rjaben eine roeitere Verbreitung gefunben,
ttjeiltoeife fogar in ©übbeutfdjlanb.
äöefeel, Hymnopoeographia IV, ©. 397 f. — ütotermunb jum Sfödjer
V, ©ö. 2193 f. — Äo$, ©efd)id)te beS ÄirdjentiebS u. f. f., 3. 2Iuf(.,
V, ©. 492 ff. — Vobe, £>uetfennad)tüeiS, ©. 128 f. (. u.
Pfeiffer: SraSmuS $., beutfdjer 2)ramatifer, ©ecretär beS ^erjogS ^uliuS
(Swift öon Vraunfdrtr-eig, fdjrieb 1631 „Pseudostratiotae, ein teutfdjeS ©biet un=
artiger Sebiggänger, benen baS ©aufen öon itjren Sßßeibern unb ber Müßiggang
auf SanbStnedjtSart getrieben, öon Säuern rool öerfatjen roirb", baS er in bie
öon trjm beforgte 2IuSgabe ber (ateinifdjen lleberfe|ung beS ©obb,oHeifd)en SXiay
burd) Sofepj) ©catiger (1587 auf bem ©traßburger Sweater aufgeführt) einfdjob.
$. berfurjr burdjauS unfelbftänbig. ©ein ,,3roifd)enfbiel" ift nur eine 2tfieber=
Rötung ber Ueberfetjung ber Pseudostratiotae beS £mrlemer ülectorS GorneliuS
©djonaeuS (1592), bie 1607 Valtf)afar ©d)nurr, Pfarrer ju 2Im(iSt)agen, ber=
anftaltet Jjatte. Von ben neuen ©cenen beS am (wibe befinbiidjen ,,©olbaten=
föieleS" finb bie öier nieberbeutferjen ©cenen eine öerfificirte Bearbeitung öon
Sof). gttft'S 3renaromacrjia (1630); bie fünf rjodjbeutfdjen ©cenen, in benen
baS fjarte Äriegäleoen iener 3eit gefdjitbert roirb, fdjeinen einem älteren Srama
entnommen 3U fein. S5aS Sob , baS ben jroar berben unb roljen, aber natur=
getreuen nieberbeutferjen Vauernfcenen geföenbet roerben muß, gebütjrt alfo bem
|>oifteiner SRift.
©aebetfc, Satjrb. beS Vereins f. nieberb. ©üracrjforfcrjung VII, 106; berf.
2)aS nieberbeutfdje ©djaufbiel (Verlin 1884) I, 41. — Volte, 3ab,rb. beS
V. f. nieberb. ©öracfjforfdjung XI, 157. £. $0 Ift ein.
Pfeiffer: ©ranä $., beutfdjer 5]3t)itolog, ift geboren am 27. Februar 1815
3U Vettlad) bei ©otottjurn , als ©otm armer keltern, ©ein Vater rjatte in
einem franjöfifdjen Steiterregimente gebient unb erhielt nun fidj unb bie ©einen
öon bem root)t färgtidjen @infommen als ÜJtuftfuS unb 9Mitärinftructor. 3n
©olotrjurn empfing $. ben erften Untexrtcrjt im Slttbeutfcrjen burd) «ßrofeffor
SBeiStjaubt. %m %. 1834 bejierjt er bie Uniöerfität 9Mnd)en, roo er fid) au=
nädjft ber ^lebicin ^utoenbet, gleidjaeitig aber aud) Waßmann'S (Soüegien be=
fudjt. ©urd^ le^tem gebrängt, jidj für ein beftimmteS ©tubium ju entfdjeiben,
gibt et bie 9flebicin auf unb toibmet fidj ööllig bem 3lttbeutfd)en. Von feinem
(gifer für biefeS legt ^eugniß ab, baß er, nod) 3toifd)en beiben VerufSftubien
fcb.roanfenb , im 3- 1835 feine erfte 3Ibfd)rift eines aübeutfdjen ©ebid]te§, be§
5lntid)rift auS bem 6gm. 574 gfol. 87 f. , öerfertigte. Slbfd)riften finb für bie
nädjften Mre feine £auötbefd)äitigung , eine große Steife öom (Sommer 1840
bis SJläta 1841 roarb allein ju bem ^roeefe unternommen, 2tbfd)riften attbeutfd^er
äöerfe ^erbeipfc^affen. «p. enttoidett tjierin einen gleiß, ber unS oft in (5r=
ftaunen öerfe^t. ein buntes Vielerlei öon altbeutfd)en ©Triften ift bamalS
636 Pfeiffer.
burd) feine £)anb gegangen, ein günftigeS ©efcfjid rjat ifjm einen Umiang bon
Söelefentjeit berfd)afft, beffen bamalS ftet) menige rüfjmen fonnten. SieleS auS
feinen 2lbfd)riften rjat er im Saufe ber 3eit fetbft beröffenttierjt , manches marb
üon anbetn benutjt. 3n biefe 3eit faßt aud) ber eine unb ber anbere ^lan,
ber fpäter ausgeführt roatb, feit 1838 fammett er 3U feiner Ausgabe beS 6d=
Ijart, 183y bentt er bereits baran, 33ertf)otb'S ^ßrebigten fjerauSjugebeu. 3fn
Raupt'S unb |)offmaim'S altbeutfdjcn SSlätteiu unb in beS erftern ^eitfe^rift
für beutfdjeS SUtertljum crfdjieuen fleinere unb gröjjete ^IMtttjeitungen auS £)anb»
fünften, ttjeitS in btofjem Slbbrud, tfjeüS in normalifirten 2ejten. %n ben
Mren 1842—1844 Veröffentlichte er in ber 23ibtiotrjef beS Iitterarifd)en Söer=
eines ju Stuttgart allein fünf ^änbe bon Rammen über taufenb «Seiten, barunter
bie SÖeingartner unb bie alte Jjpeibelberger Siebertjanbfcrjrift, ferner bie Iibtän=
bifdje 9ietmd)ronif. Setjtere im ©runbe nur ein auS einer ^eibelberger Jpanb=
fdjrift ergänzter unb audj fonft üerbefferter 9leubrutf ber alten 23ergmaun'fct)cu
SluSgabe üon 1817. $in $• 1850 crfdjien feine letjte ^3ublication in biefem
Vereine, bie fdjroierige SluSgabe beS fjabSburgifd)=öfterreidnfd)en UrbarbudjS.
SDer erftc 2)td)ter, roeldjem s4-*- f°rgfättige 2Iufmerffamfeit fdjeufte, mar sJlubolf
üon 6mS. ©einen Sltejanber unb Sßiltjetm befafi er in 3lbfd)riften, ber gute
©erwarb lag itjm in ber forgfättigen Ausgabe Raupt'S bor. $u ben gelehrten
Sinnigen, herausgegeben üon "iUitglicbern ber föniglid) bairifdjen Mfabemie ber
2Biffenfd)aften 1842, lieferte er eine 58ejpred)ung biefer 91uSgabe, bie Raupt'S
öeitatt taub unb bereu roidjtigfte Wejultate üon letzterem in feiner ^citfdjrift
III, 275 f. abgebrurft mürben. 184:5 eifcfjien ^feiffer'S SluSgabe üon 9hibolf'S
JBattaam unb ^ofaptjat, feinem ©önner bem Q-reüjerm üon Safjbcrg, ber ü)n
auf ber 'DteerSburg fo freunblid) aufgenommen tjatte, geroibmet. 9iafd) folgten
1844 ber (Sbelftein Don lUrid) iöoner, 1845 ber erfte SBanb ber sIRt)ftifer/
neben .permann üon fjritölar unb WicolauS üon ©trafjburg als Sln^ang 2)abib
bon 2IugSburg entrjattcnb, 184(5 sIftarienlegenben, 1847 SBigaloiS, 1848 Wlai
unb 23eafIor, 1852 .'peinjeteiu bon tfonftanj, 1854 ausgemalte Stjetle auS ber
6t)ronif beS beutfdjcn DrbenS bon s.)ticoiauS öon ^erofdjiu. 23iSt)er tjatte man
fid) in ber mitteümdjbeutfdjeu s^rofa, üon 2B. Sßadernaget abgcfefjeu, mit bloßen
9lbbrütfen begnügt, in bem ^Beginnen s$feiffer'S, bie 9JU)fttftr fritifd) l)erauS«=
zugeben, lag eine (Jrmeiterung beS Arbeitsgebietes ber beutfdjeu s})rjilologte.
(Sine fernere tag in ber SluSbetjnuug ber ftriti! auf mittctbeutfcfje ©prad)benf=
mäler. 3fm (Sbelftein beS ©djmetjerS 53oner Ijat *ß. bie ©prad)e nod) ^iemlid)
untritifd) bet)anbelt. 2)ie Unterfud)ung über s43oner'S ©prad)e marb für „ge=
gebene ©etegenrjcit" gefpart. ^n ber liülänbifcfjen 9icimd)roni£ gibt er cbenfaES
ungenügenbeS übet bie ©pracfje, ber £ej;t ift normatifirteS ^tittelb.oc^beutfcr).
örft im fotgeuben %a\)xe (1845) bringt ber erfte Saub ber 5Ri)ftifer eine „Ueber=
fid)t ber Saute" beS 5Rittetbeutfd)en. sJ3taud)e biatectifdjc Sigentt)ümlid)feit mar
erft nad) 2tbbrud beS 2>j;teS gefunben; bie „Ueberfidjt" felbft ift erft nad) 3Ib=
fdjlufe beS ©an^en begonnen unb barum auf ©runb beS 2ej'tfS , nid)t ber 2ln=
methingen, benen fie im SDrurfe bod) nadjfotgt, aufammengeftettt, mefer)atb fie
auS biefen ergänjt merben mu|. @S fdjeint, bafj beS Herausgebers 3Iufmerf=
famteit erft mät)renb beS 2)rurfeS gefd)ärft mürbe. SÖUrjelm ©rimm taS feine
^•tbcjanblung über ^It^iS unb «propf)itiaS im beginne beS Sfa^reS 1844, ber
S)rud ber Slbtjanblung 1846 nimmt auf bie Ausgabe ber 9Jh)ftifer 9tüdfid)t.
2ö. ©rimm unb $. maren feit 1840 in 93erbinbung getreten, ein Sinflu^ beS
erftern ift in ber Seftimmung beS ^ittetbeutfd)en bab^er nid)t ganj abjumeifen.
3in ben anbern ausgaben fefct ty. baS üon ßadjmann unb Jpaupt begonnene
fort, ©ie fanben Raupt'S Beifall, D^üHentjoffS unbefc^ränfte SInerfennung.
2fu bem maS reidje ©rfab.rung unb umfaffenbe Setefentjcit lehren fann, über=
«Pfeiffer. 637
tagt $p. 3. 33. feinen Setter Söcafcmann. 2ßaS aber ben «sinn für ^nbibibuelteS
anlangt, fo ftef)t iljm Ä. 3t. £ab,n toett borauS. 3m SBaxlaam ma$t er, bex
Kenner ftubolf 3 , nicrjt ben Anfang äu bem, was £arm mit biel geringeren
«Kitteln für £onxab'3 Otto geteiftet fjatte. 2113 fdjwadje Seite ber «Ausgaben
«Pfeiffex'8 l)at fcrjon Haupt bie «ütetrtf erfannt. «JJ. behält fiel) ni(i)t bon borne=
herein ableljnenb gegen 2act)mann'3 «Dtetxif. @x beffext in Haubt'3 ©erwarb
eine (Schreibung nad) 2adjmann'3 ftrenger goxbexung. %m #einaelein bon
Äonftanj bewegt er fiel) gana in ben Sahnen ßad&mannifdjer «ÜMi'ü*. 3n biefex
2lu3gabe beftxebt er fiel) aufjexbem beutlid), ben ftrengen «itnfoxbexungen an einen
Herausgeber gerecht 31t wexben, fogar in 2leufjerlid)feiten fd)tiefjt er ftdj an
Raupt'S ausgaben an. Sinen Slbfdjlufj feiner mittelbeutfdjen ©tubien bttbet,
nicb,t olme einen fjoffnungSb ollen SluSblicf auf »eitere gorfcrmngen au gewähren,
fein 3erofd)in. %m $• 1853 erhielt «p. Holkmann'S Unterfudjungen über baS
«ftibelungenlieb im «JJcanufcribte mitgeteilt. (£r trat rafd) ber neuen Slnfidjt
bei. ©ie befreite itjn unb anbre bon bem gewaltigen ®rude ber «ßerfönlidjfett
2ad)mann'3. 9ttan meinte nun mit ben Nibelungen fertig au werben, atme
2ad)mann auf ben bielbexfd)lungenen, befdjw erliefen Sßegen nachfolgen ju muffen.
@3 mar eine natürliche ftotge, bafc man nod) meljx aufgab. «mit biefer Söen-
bung beginnt eine neue «Pexiobe in «Pfeiffcr'S Stjätigfeit. «ücandjeS früher be=
gonnene wirb nod) au (änbe gebraut, $m 3. 1857 erfd)ien bie erfte «llbtfjettung
be3 3roeiten «BanbeS ber «mbjtifer, «üteifter ©dfjart entyaltenb, 2ejt oljne 2ln=
merfungen unb 2eSaxten, bie nie exfcfjienen. $m % 1861 baS tängft borbereitete
«Budj ber Natur bon Äonrab bon «Dcegenberg, enblict) 1862 nad) rafetjem 6nt=
fdjtufj ber erfte SBanb ber «ßrebigten «Bertfwtb'S bon «RegenSburg, ebenfalls blofe
2ejt. «Pfeiffer'S Arbeit Wenbet fid) nun anbern Sielen ju. 6r fagt fid) offen
bon 2ad)mann I08, bxidjt brieflich ben «Berfef)r mit £aubt ab. %n feinem
«8üd)lein 3ur beutfetjen 2itteraturgefd)id)te" 1855, ba8 2Beit)nacrjten 1854 er=
fäien, Beginnt er, in feinem «ttuffa^e über greibanf bie «ffialtfjer^retbanf--
l)t)pott)efe SB. ©rimm'S betämbfenb, bie «potemif gegen 2ad)tnann; aunadjft
gegen beffen «fltetrif. «Utit 2luSnaf)me ber SCßiberlegung ber Hrjbotfjefe 20. ©rimm'S
ftefien bie «Jkfultate feine8 «»uffa^eS au8 biefem ©d)riftd)en mef)r fidjex. 68 ent»
Mit aufsex bex «Äbtjanblung übex greibanf bie über «Blicfer bon ©temad) unb
Äonrab Steif. ®er «BeWeiSgang be§ «Suffa^eS über Stiefer ift beseiermenb für
spfeiffex'S litterart)iftorifd)e «Utet^obe. ©ottfrieb bon 6tra|burg lobt Sticter'8 ©cbict)t
Umbeb^ang unb nennt ben Sinter neben §artmann bon 2tue, ^einric^ bon 3}elbefe,
Weimar unb Söaltrjer bon ber «Bogeltoeibe. @r gibt JBxu^ftütfe eine8 alt=
beutferjen ©ebic^te8, in benen fic^ eine «JJieifterfc^aft betraf, „mie icf) fie aufcer
bei ©ottfrieb bei feinem altbeutfäjcn S)icf)ter fonft gefunben fjabe". Nubotf bon
@m8 bringt in atoeien feiner 2BerIe S)idjterberäeidjniffe. (58 ift fä(e<$texbtng8
unmöglid), ba^ i^m ein ©ebictjt, ba8 fold)e üBorjüge befi^t, unbetannt geblieben
fei. §at er e8 aber unb feinen SSerfaffex gelaunt, fo fann e8 nux ber Um=
bedang SSticEer'8 fein. S)enn bie anbern bon Nubolf berjeidjneten ©ebtdtjte be=
fiben toir entloeber noef) ober mir erraten iljren Sntialt, bex auf unfere SBxudj«
ftücfe ntd)t pa^t. ^m 3. 1856 grünbet $. bie „©ermania, S5ierteliat)i8fct;rtft
für beutferje 3ltterti)um8!unbe". 2luf bem ©ebiete ber beuten 5ßtjitotogie fott
bie &exxf$aft bcr Autorität, ba8 ^tnfet)en ber ©ctjule eine .^öl^e erreicht fjaben,
bie nict)t meljr förbernb, fonbern b,emmenb toirfe unb mit freier $o*fctjimg, unb
rüdfic^t8lofem Sefenntni^ ber Sßat)xt)eit unberträglid) fei. S5a8 fei ber ©runb,
warum eine neue 3eitfc^rift gegrünbet Werbe. ©d)ücf)texn Wagt fiel) in ba8
5ßxogxamm bexeit8 bie neuexe Sittexatuxgefcfjic^te. „S)ie neuexe Sittexatux, fo weit
fie ©egenftanb äftfjetifc^ex SSetxa^tung unb Söüxbigung ift, liegt natüxticb, aufeer--
Ijatb unje«8 ÄreifeS, aber bie ©xenjen tonnen nt^t ftxeng genug gebogen Wer=
638 Pfeiffer.
ben." 2luS ben arbeiten ^feiffer'S in biefer geitfdjrift finb bie bebeutcnbften :
Söernljer üom Nieberrljein unb ber tnitbe Mann 1856. lieber ©ottfrieb bon
Strasburg 1858, beibe auf ©runb bon fteimbeobadjtungcn , teuere aufeerbem
auS ©rünbcn bev 9Retti! bidjtcrifdjes Gigentfjum fd)eibenb. SDie jroeite 2lbb,anb=
lung unb eine über Sernrjarb 5re^nn^ 1857 enthalten fdjarfe s4>olemif. ©egeu
fiadjmann'S Metrif menbet fid) %>. tu bent ^lujfa^e über ©ottfrieb, in bem er
nadjjuroeifen fudjt , mas uiemanb geleugnet t)at unb er felbft 1852 in feinem
Jpein^clein fdjon temfjte, bafj nidjt alle attbeutfdjen üDidjtcr bie r»on Sadjmann
beobachteten Regeln befolgten. 2>ie ©ermania tritt aufjerbem polemifdj auf
gegen £>aupt unb Müttenljoff. 23atb finbet ty. Mitarbeiter, tueldtjc fid) beftreben,
eS iljm in biefer s$otcmif gteid) ju tfjun. Ginige Male treten fic paarroeife auf
ben $tan. GS fällt in biefen >4>olemifen bie ©ereitfljeit unb «üpeftigfeit beS
Jones bei geringer fadjtidjer götberung auf. GS fällt auf , bafj ber ßefer nur
2abel bon Ginjetljeiteu tjört unb nirgenbS bon ber ©efammtleiftung ber 2ln=
gegriffenen erfährt. Man bermuttjet unfd)tüer, bafj cS Giuflüffe bon aufjen l)er
finb, toeld)e bie ©egenfäke berfd)ärfen. 2luf foldje roenigftenS fdjeinen ^feiffet,8
Sßorte au beuten: „2Ber .... bon ben 5ad)3enoffen, bie nidjt in feinen, fon=
bern lieber eigene 2Bege gerjen, mit fo offener Söcgtoerfung als bon .!panb=
langem, sl>fufd)cr unb Dilettanten feit langem fpridjt unb nun aud) fdjreibt
. ." — sJlad)bem s$. längere 3*ii in Stuttgart in ber bcfdjeibeucu Stellung
eineä jjroeiten 33ibltott)efarS an ber föniglidjen öffentlichen StMiotlje! gctüirft
tjatte unb mit bem Stitel eines !|hcofejfot8 ausgezeichnet roorben mar. folgte er
im £)erbfte 1857 einem Stufe als orbentlidjer Sßrofeffoi an bie Uniuerfität äöien.
GS tritt t)ier in feinen arbeiten ein getoiffev pofitiöer ^ufl in ben 33orbergruub.
sXn ber Stelle beS geftürjten ©ebäubeS follte ein neues aufgeführt merben. 5Der
freilief) nid)t bcrftanbeneu bisherigen Sluffaffung ber mittelbeutfdjen l)öfifd)en
Spracfje wirb 1861 eine neue cntgegengeftellt. 2>en „roiebergemonnenen"
Nibelungen toirb ein Didjter jugeroiefeu 1862. Die Ausgabe SBaltrjer'S bon
ber 33ogelroeibe 1864 foUte geigen, mic ausgaben attbeutfctjer Did)ter befdjaffcn
fein müßten. Dicfelbe Ausgabe bringt eine Darftetlung ber Mehif, gereinigt
bon Sad&mann'jdjer „äöiHfür". Das 3af)r 1866 fteflt ben Spradjproben
Sftüflentjoff'S baS altbeutfdje UebuugSbud) entgegen, groifdjen tjinein fallen
Gonjecturen ju Grec, 311 SBaltljer bon ber Sßogelroeibe, 2luSgaben feinerer alt=
t)od)beutfd)er Deufmätev, eine „Rettung" beS berüchtigten SdjlummerliebeS u. a.
Sie ftreitljafte ^olemif unb baneben bie pofitibe 9tid)tung mirften auf bie
Sfugenb, bie ^. 3U i^rem £et)rer l)atte. Gine abfterbenbe Sdjute, bie fidj burc^
taufenb ^fäb,le ben äßeg jur meiteren gorfc^ung öerrammett t)attc, bort —
freie 23alm für ben Strebfamen b,ier — fo erfdjienen bem Sfüng^nS unter oem
Ginbrucl bon ^?eiffer'S SBort unb Schrift bie beiben miffenfdjaftlidjen 9ticb,tungen,
üon benen er erfuhr, tiefer frifdtje 3ug t)at manche junge Seele getoeeft. Unb
rjat ber eine ober ber anbere aud) fpäter mandjeS, ja üieleS, toaS er einft freubig
aufnatjm, als ^rrt^um erfannt, banfbarer Grinncrung blieb unb bleibt ty.
fidjer. Gin gnäbigeS ©efcrjicf lenfte burdj baS lehte 58ud), an bem ^. arbeitete,
ben „58riefmed)fet jmifdjen ^ofepf) 5teif)errn bon 2a|berg unb Subtoig Uljlanb",
äöien 1870, feinen 33tid auf bie fdjöne ^eit ber 3iugenb prücf. SDie MeerSburg
flieg aus ben bunleln 5ernen roieber auf unb bie ^üüe ber Grinnerungen be=
grub alt baS Scib unb Gittere, baS bie ^a^e ib,m gebraut. So fdjlofj fid)
über it)m, als er am 29. Mai 1868 nad) langem Seiben, bodj eines ptötjlidicn
XobeS ftarb, baS ©rab.
3um 2lnbenfen gran] ^feiffer'S. Gin 9tad)ruf bon ^anS ßambel (S5ei>
tage ^ur ^gemeinen Leitung. München 1868, Nr. 189, 190, 191). —
$ranj «Pfeiffer. Gine 53iograpf)ie uon Äarl Sartfd) im „33riefroed)fct amiferjen
Pfeiffer. 639
Sofebft greiberrn öon ßafjöerg unb Subroig Ubtanb." £erau§gegeöen öon
granj «Pfeiffer. Söien 1870, ©. XVII— CVII. — gfrana Pfeiffer unb feine
2£tberfac6er öon gm(il) Ä(u§). Äaifetl. SBiener 3eitung 1870, «Jlr. 138,
141, 144. («Beruht, obne bafj ber 33f. eä anmerft, äum großen £rjeit auf
fcbriftücfjen «Dtittfieilungen fr ^feiffer'S.) Sofepij ©trobl.
Pfeiffer: %ba «p., f. am ©d)luffe biefeö «Banbe§.
$fctffcr: Joachim ßbrenfrieb $., ber SJater Sluguft griebrid)'§ (f.©.
632), roarb am 6. September 1709 ju ©üftroro in «Jttetflenburg geboren, ©eine
erfte 2Iu§bilbung empfing er in feiner Jpeimatb, bann auf bem ©tjmnaftum p
©tralfunb. (Sr ftubirte feit 1728 ju «Jtofiocf, warb fd)on 1730 mag. phil.,
ging bann nad) 3ena, roo er fid) 1737 habititirte unb über bebräifd)e ©praetje
unb Sitteratur las. ©eine Erfolge maren fo gute, bafj bie tbeologifcfee gacuttät
ibn bafetbft ju ibrem 2lbjunctu§ ernannte. 1743 roarb er als au£erorbenttid)er
«^rofeffor ber Geologie nad) (Mangen berufen, roo er im Satjre 1744 nod) ein
«Jßrebigtamt bap übernahm. 1745 roarb er aufjerbem nod) ©d)olard) ber
©rjmnafien öon 23aireutfo unb Erlangen unb 1748 am lefcteren Drte aud)
©uöerintenbent unb erfter «profeffor ber Geologie. @r ftarb am 18. ßctober
1787. («Mg. ®nc#t. III, 20, ©. 334, 335, roo befonber§ «#nm. 7 nod) roeitere
biograörjtfcfje Quellen angegeben finb; Teufel, Serjfon 33b. X, ©. 381.) —
Sie Stenge ber amtlichen Aufgaben unb fbäter ber örafttfd) fird)lid)en
Snterefjen madjt e§ erflärlid), roenn feine äablreicfien ©Triften ejegetifd)en unb
bogmatifdjen ^nbaltä, roelcbe er nebenher öerfafjte, niebt gerabe öon befonberer
£iefe unb ©rünblicfifeit ^eugen. «Ulan febe ba§ 33eräeidmifj berfelben bei Teufel
a. a. £). ©. 382—386 unb in ber Mg. ßncrjti. a. a. £). ©. 334 9Inm. 1, 2
u. ©. 335 5lnm. 4. — ©eine ftanbfiafter, fubjectiö fer)r ebrenroertfier, lutberifctjer
6onfeffionali§mu§ öerleitete it)n fogar 1743 ju einer „Dissertatio trinitatem per-
sonarum in unitate dei ex oraculis V. T. probans". — 33on Jjöljerem 2Bertb
finb nur feine «Arbeiten jur biblifcfien ^ermeneutif : „Elementa hermeneuticae
universalis" 1743 unb föäter „Institutiones hermeneuticae sacrae veterum atque
recentiorum" 1771. «Namentlich ba§ ledere äöerf 3eic£>net fid) burefi grofje
«Jteid)I)attigfeit be§ ©toffeg au§, ift aber lebiglid) öom ©tanböunfte ber ftrengften
«-öerbalinfbiration au§ entworfen. 5It§ ^auötregeln gelten bie folgenben: 1) an
feiner ©teile ift ein ©inn jujulaffen, roeld)er gegen bie analogia fidei öerftöfjt;
2) jeber ©teile ift ber mögliebft öoEfommene ©inn beizulegen; 3) atte§ ift auf
bie äkrberrlidjung be§ (£rlöfung§toer!e§ ju beliehen, ©onft öergleidje über bie
Einrichtung be§ 2öerte§ SJlerjer, 33erfuc6 einer £ermeneutif be§ 31. 28. 1799.
«8b. I, ©. 89-91. <£. ©tegfrieb.
Pfeiffer: Sodann $ftiHöÖ$-, Sp^ilologc unb Sbeologe, 1645— 1695. ®r
roarb in «Nürnberg als ber ©ofin be§ faiferlicfeen Notars unb 9tatfi§=©ecretariu§
<£>einricfj $., eine§ gele&rten unb fiocfjangefebenen 5Ranne§, am 19. Februar 1645
geboren, befucfcte öom 7. 2eben§jarjre an bie ©t. Sorenjfcrjule unb föäter ba§
©ömnafium feiner S3aterftabt unb erroarb fcfjon fjier einen ungetoöbnticrjen
Umfang öon «^enntniffen, namentlich im ©riectjifctjen, ^ebräiferjen unb in ber
©eograöbie. ^n 2lttorf, roobin er fiel) 1663 roenbete, sogen ifin öoräug8roeife
pbilofopbifcrje ©tubien an; er Ia§ 2lriftotele§ unb beffen Sommentatoren, aucl)
bie mittelalterlichen; baneben befetjäftigte er fictj mit ben ^ircfienöätern ein=
gel)enb. 9lad) nur einjährigem 2lufentljatte in 5lItorf öerroeilte er 1664 einige
3eit in «JtegenSburg, um bort bie fJteic6§öerfaffung unb =23erroaItung ju ftubiren,
unb in Nürnberg, öerlie^ bie £)etmatl) aber batb roieber, um auf einer größeren
«Jteife eine 2!n<jafil anberer beutfe^er Uniöerfitäten fennen ju lernen. @r befuefite
©rfurt, 3ena, Seiöjig, SBittenberg, ^elmftäbt unb fam enb(ict) 1665 „divino
prorsus instinetu" nact) Äönig§berg, roo er hlith unb fid) nun eifrig roieber mit
640 Pfeiffer.
$ßr)ttofopt)ie unb spatriftif befdjärtigte. 1666 im ©eptember mürbe er jum
9Jcagifter ber ^rjitofoptjie promobirt unb begann nun SUorlefungen, befonberä
pf)itofopr)ifd)en unb pfjilologifdjen ^fntjaltö. 3)er £ob fetneö Söateri rief iljn 1669
nad) -£>aufe, aber bie 9Inerbietungen, roeld^e irjm bort gemaetjt würben, if)n alä
*J3rofeffor in Sittorf ober in einem anberen 2Imte in Nürnberg fetbft anjuftetlen,
lehnte er trotj ber 33itten ber Butter ah; er glaubte, nur in Königsberg leben
5u tonnen. 1671 ernannte ir)n ber Kurfürft griebridj Söilrjelm ^um *pro?effor
ber griedjifdjen ©pradje; er trat biefeä 2lmt mit einer 2)i3putation „de variis
signiticationibus vocis fuxovofiiag apud veteres" an unb fjielt bann 3ai)l=
reidje 23orlefungen, roetdje fid) — ben 9lnfd)auungen ber $eit entfprecfcenb —
Dornerjmlicfj auf @pictetu§, £l)eopl)raftu§ , s4>b,oft)libeg unb ätjnlidje ©cfjriftfteller
erftredten; Daneben laS er aucrj grammatiferje Gotlegien unb gab pijitologifdje @r»
flärungen fcfjroieriger ©teilen bei IReuen Seftamenteä unb auägenmr)tter SMdjter«
[teilen. 2lm bebeutenbften roaren feine Vorträge über griedjifdje 2lltertf)ümcr,
au§ benen ba§ ^auptroerf feines ßebenä, bie „Antiquitates graecae", t)crüor=
gegangen ift. 1673 mürbe ifjm bie Leitung ber 2üaltenrobe*fd)en Q3ibliotrjef
übertragen, 1679 rourbe er furiürftlidjer Söibliottjefar. %m folgenben Sfarjre er=
nannte ber Kurfürft irjn aud) jum s4>rofcffor ber 2r)eologie; aber ber Söiberftanb,
roeldjen bie trjeologifdje gacultät biefer Ernennung entgegenfetjte, mar grofj
genug, bie Uebernafimc beö neuen 2lmteä burd) ty. toottc 4 $af)rc fjinburcr) ju
üerrjinbern. sJftan traute feiner Wedjtgläubigfeit nid)t, unb aU if)m bei ber
gelegentlich, fetner Promotion jum Dr. theol. 1685 gehaltenen 2)iöputation
einige fdjarfe 9lu3brüde über jöte luttjcrifcrje Kird)enlet)re entfallen maren, begann
bamit eine jdjniäljrige s^3eriobe unerquicflid)ftcr ©treitigfeiten mit feinen ttjco^
logifdjen (Sollegen, bie erft mit feinem Wütftrittc enbigte. ^raar r)atte ber
Kurfürft irjn 1685 jum £)ofprebiger ernannt, er ucrmod)te aber aud) in biefer
Stellung, ba eä irjm an ©efdjid jum obigen gebrad), feinen redeten 33oben <}U
finben; merjr unb merjr trat bei irjm eine Neigung jum Kattjoliciätnuä Ijerbor,
befonberö nadjbcm er 1689 feine trefflidje ©attin — feit 1672 — 2)orotf)ea
Canbenberg burd) ben ütob öerlorcn tjatte. 2US er 1692 bei einem Slufenttmlte
in 2)anjig bie Unüorfidjtigfeit begangen Ijatte, ben 9lbt be§ KlofierS Dtiba 3U
befudjen unb fid) öon biefem fcftlid) bemirtrjen ju taffen, brad) in Königsberg
ein ©türm ber ©ntrüftung gegen ibn lo«; feine ©tetlung mürbe gan,} unhaltbar;
im 3Jtai 1694 enthielt er feine (Sntlaffung at§ ."pofprebiger , s$rofeffor unb
SSibliotfjefar. (£r begab fid) nun, einer früheren (Sinlabung beä i8ifd)of§ bon
6rmtanb folgenb, nad) A^eilSberg, bem .'pauptorte beä 33igtt)um§, mürbe f)icr mit
befonberen ®t)ren empfangen unb trat am 25. %\ili 1694 mit feinem ©otjne
unb feinen beiben ermadjfenen 2öd)tern jum fattjolifct)en ©lauben über. SSatb
barauf begleitete er ben 33ifcr)of nacb, SGßarfdjau, too er tion König ^otjann
überaus gnabig empfangen mürbe, lehnte eS aber nad) feiner 9türffe(rc ab, eine
Stellung in ber Umgebung be§ SSifcIjofS anjunetjmen, nab,m juerft eine 5|}farr=
fteHe in ©et)ber§malbe an, unb 30g fiel) bann, Dom SSifdjofe mit einem Kanonitat
auägeftattet, im Januar 1695 nad) bem bifd)öflicr)en ©täbterjen ©utftabt ^urüd,
mo er am 10. ©eptember 1695 ftarb. ©eine ^ebenSgefcrjid^te tjat fein ©d)mieger=
fob,n, ber sJlr3t Dr. Stjriftian ^etmid) gefcfjrieben. Sßon feinen äarjtreidjen
©treitfdjriften ttjeologifd^en ^nrjaltä ift feine befonberer 6rmär)nung mertfj, audj bie
fleineren pljilofoprjifdtjen unb ptjilologifdjen arbeiten (.,an liber de mundo Aristo-
telis sit"; „de cura virginum dissertationes duae" ; „de Poenice ave" u. f. ro.)
bieten faum nodj ein 3»ntereffe bar; bagegen tjat fid) *$• in ber ©efd^idjte ber
$f)itologie ein bauernbcS SDenfmal burd) fein gröfjte§ Söerf, bie „Libri IV anti-
quitatum graecarum gentilium , sacrarum , politicarum , militarium et oeco-
nomicarum" (1689; 2. Auflage 1707) gegrünbet. 3fn biefem auä feinen 5Bortefungen
SPfeiffer- g41
Ijerborgegangenen Söerf e toirb 3um erflen Mate ber SBerfud^ gemalt, „ein bottftänbigeS
Sehrgebäube ber gried&ifäen Slltertfcümer ju conftruiren. 5ß. fbridjt in ber SJorrebe
leine 2Ibfid)t über ben »egriff, bie Aufgabe unb bie Stellung ber ^tnlotogie auS.
<£r erflärt fie at8 bie Äenntnif} ber ©brachen unb ber alten ©efcr)ici)te im
toeiteften ©inne („linguarum et änaor^ a^/uwXoytuc h. e. antiquitatis et
historiarum verarum, fictarum notitia") unb betrachtet fie junädjft als #ilf8»
toiffenfdjaft für bie berfd)iebenften anberen SötffenfdEjaften, tjeilige toie profane,
ift inbeffen ntctpt abgeneigt, Hjr geroiffermafjen auch" bie SSebeutung einer fetbft*
[tänbigen SBtffenfcJaft *U3ugeftet)en („est namque et ipsa Philologia suo modo
quaedam scientia" unb ,,quae omnia . . argumenta sunt, Philologiam esse in
numero scientiarum reponendam, ad minimum earum, quae . . . adiumentum
aliquod conferunt superioribus scientiis tum profanis tum sacris"). 3n bem
Söerfe fetbft berjanbett er in erftcr Ucet^e bie gotte§btenfilidjen 2lltertljümer
(Opfer unb gefte), im Reiten bie ©taatS= unb 9tecf)tg=2lltert!)ümer mit @in-
fcfctufj ber Metrologie, im britten ba§ ÄriegStoefen, im bterten ba§ häuslidje
ßeben ber alten ©rieben, überalt auf ©runb felbftänbiger unb umfaffenber
Oueltenfiubien, 6efonber8 ber alten ©rammatifer unb ßertfograpljen, aber in fetjr
ungelenfer ©arftellung, oljne alle griffe, ofoie Kare Slnfcfmuung be§ antifen
griec&ifdjen 8eben§ unb olme 33erftänbni& für ben tjetlenifcrjen (Seift nur an
ben 2leuBerIidf)feiten tjaftenb" (Surjtan). — Sie bon $. tjanbfdjriftHdj
Ijinterlaffenen „Explieationes philologicae dictorum N. T.'; finb nicht mm
2)rucfe gelangt.
Vita Joh. Phil. Pfeifferi scr. Christ, de Helwich, Med. Dr. 2lbgebrudt
in Sljrift. ©ttjpt)iug, vitae selectae (1739), ©. 581—600; bafetbft befinbet
fid) aud) ein 3$eraeid&nifs ber Heineren ©c&riften Sßfeiffer'8. — Rödler (Sei
Sej. III, ©p. 1493 ff. — Surften, ©efch. ö. ^fiilot. ©. 322.
m, ._ _ „ 9t. ^odje.
^fetttcr: Sodann griebrid) b. $., (Sameralift, geb. 1718 ju SBerlin,
t am 5. ^Jcärj 1787 in Mains, flammt au§ einer ©c^toetaerfamUte, trat früfj
in preufjifctje ÄriegSbienfte , najjm all Offtcier an ber ©bracht bei Molmifc
(10. 2lprit 1741) £t)eil, mürbe l)ernadj ÄriegScontmijfar, Ärieg8= unb ®omänen=
ratfi, mar 1747—1750 a(8 SJirector ber 2lu§eiuanberfefeung3commiffion unb ber
neuen (Stabliffementg in ber Äurmarf, aulefet mit bem Xitel eine8 geheimen
9cat$e8, ttjätig unb legte toätjrenb biefer geil 150 Dörfer unb GtaoliffetnentS
tn ber Äurmarf an, tourbe aber jutefet megen 2Jerbad&t8 eine8 Unterfchleifö beim
^ol^anbel in Unterfudjung gesogen unb nach" ©panbau gebracht. Obroot un--
fdjutbtg erfannt, berliefc 5ß. boctj ben preufcifdjen ©taat8bienft, burd&toanberte in
einer 9teih> bon Mren ©djlefien, SSranbenburg, Mecklenburg, ©actifen, Defter»
reid), Saiern, bie ©djtoeij unb mehrere fleine beutfcfje tfänber, in benen er
borübergehenb für mehrere 9ceid&8fürften (Sefd&äfte beforgte, lebte feit 1769 suerft
im £o§enlo$ef$en, bann in £anau, fl&eils auf eignen Sanbgütern, t$eil8 auf
tjerrfdjaftlichen Domänen, too er fidj mit praftifctier 8anbtoirt§fd&a?t, Manufactur*
angetegentjeiten , chemifctjen Sßerfudjen unb litterarifcrjen arbeiten befdjäftigte
mufete §anau 1782 megen Serbriejjlid&feiten mit einer Maitreffe berlaffen ging
nad] f^ranffurt unb mürbe noct; im felben ^a^re, obtoot «proteflant, an bie
Uniberrttät Mains al8 «ßrofejfor ber 6amerallt)iffenf($aften berufen unb ftaro
als foldjer 1787.
©eine fdjriftfteEerifc^e Sßirffamfeit beginnt erft 1768, alfo im 50. üehetä--
ja^re, ift aber bann eine aufjerorbentlidj reiche unb Dielfettige, ©eine |>aubt=
merfe finb: „Se^toegriff fämmtlidjer öfonomifd)er unb 6ameraltoiffenfd^aften"
4 23änbe, 1770 ff., bon 3eitgenoffen als baS borpglid)fte Sud) biefer 3lrt fierbor=
3lEgem. beutfc^e SBioötap^ic. XXV. 41
642 Pfeiffer.
gehoben; „©runbrifj ber toasten unb fallen StaatSfunft", 2 53änbe, 1778;
„^iatürttd^e au§ bem Snbjmed bet ©efeltfcrmft entfterjenbe allgemeine s$oli3ei=
roiffenfdjaft", 2 23änbe, 1779; „©runbrifc ber fJinanjttHffenfdjaft'', 1781;
„©runbfätje ber unitierfal=Sanm-alroiffenfd)aft'\ 4 Xtjeile: StaatSregierungSfunft,
ißolijeimiffenfdjaft, StaatSöfonomie, iyinanattnffenfdjaft, 1783, neben toeldjen in£=
befonbere nod) feine „tritifdjen ©tiefe", „tiermifdjte 33erbefferung3tiorfd)täge unb
freie (Gebauten" unb ber „2lntipt)t)fiofrat" ju erwähnen finb. $• ^- s)Jtofer Ijat
au£ feinem s]tad)laffe nod) „©runbfätje unb :liegc(n ber Staatömirtt)fd)aft'' 1791
herausgegeben. s$. mar einer ber bcbeutenbften unb tiietteid)t ber am meiften
d^atafteriftifrf)c Vertreter ber fpecififd) beutfdjen Gameralroiffenfdjaft , reid) an
pofititien Äenntniffen unb Srfatjrungen fotuol auf bem tedjnifcrjen mie bem
praftifd)=öfonomifd)en ©ebiete ber Sßiffenfdmft , babei nidjt otjne ©eift unb
£5fäfjigfeiten , aud) allgemeine principietle ©ebanfen ju entroideln ; aber ebenfo
unptjilofopljifd) voie unjuriftifd) unb untjiftorifdj , ein reiner (Smpirifer , ber eben
befjtjatb auef) beu grofjcu Seroegungen ber ©elfter feiner 3^tt burdjaul ableljnenb
gegenüberftanb ; ieftgerannt in bie Routine ber 33erroaltung kleinerer beutfd)er
Staatsmefen, begriff et beu ^ImfiofratiSmuS, ben er immer fo lebhaft befämpfte,
ebenforoenig tuie bie ^oftulate ber pt)ilofopt)ifd)en Staatslehre feiner 3eit. ütro^
feiner litterarifd)en ftrucrjtbarfcit l)at er boct) auf bie äöeiterbilbung ber politifdjen
Defonomie feinen Sinflufs gehabt.
Teufel, l'ejifon ber tion 1750 — 1800 tierftorbenen Scfjriftftetler.
%. ©. 31. £öd, 2lltg. litt. äna. 1797. — Strieber, ."peffifdjeS ©elet)rten=
tcrifon. — (Srnefti in vnrfdjing's .ftanbbud) 3?b. VII, too aud) reidje litte=
rarifdje .öintoeife. — 2BiH, 5yerfud) über bie ^tjtifiofratie. — Ütojdjct, ©e»
fd)id)te ber sJtationatöfonomif. — iöilbniffc tion Ärüger im 32. Steile ber
ti. $rünitj'fd)en ©nctjllopäbie 1784 unb tior '^feiffer'S ©runbfätjen ber Staats*
wirtt)fd)aft 1791. Snamo.
Pfeiffer: Äarl .ö ermann ty., $upferfted)er. '-Rad) äöuqbad) märe er
in granfiurt a. sJJt. 1769 geboren, aber bie bieten ber SÖiener llnitierfität unb
f^uefjti geben biefe Stabt als feine Heimat an, letzterer Sdjriftftetler beftimmt
bie 3eit blo§ „um 1766". Gnu Sdjüler beS älteren Sranb ertjielt er 1784
ben afabeinifcrjen tyxeiZ für eine nad) einem Delbilb feine§ ßetvcerS ttjeils ge=
ftotf)ene, tljeits rabirte t'anbfdjaft. @r bebiente fid) tierfdjiebener Xedjnifen, mit
Sßorliebe aber ber 'Spunttirmanier im Gljarafter ber englifdjcn Slätter, benen
feine ßeiftungen gleidjfommen an ©efdjmad unb gierttdjfeit. 2luä bem Sebcn
beS $ünftler$ ift feejr menig befannt, fein Später flammte au§ ^ranlfurt a. 9fl.
unb mar ju äßien Secretär in einem abeligen .ftaufc. 3)ie 3a*)t ber tion ■$.
gelieferten Stätter ift aufjeroröentlid) grofj, fo bafj l)ier nur einige fjertiorragenbe
angegeben merben tonnen, «gnftorie, ÜtetigiöfeS, ^CRntcjologie ic. : ^Jlaria mit bem
ßinbe, nad) ^ÜQ^; 3*" anberc Wabonnen nad» Sartolomeo beEa s^?orta unb
Saffoterrato für ba§ ©alerieroerf tion ."paae; 33enuS, aus bem S9abe fommenb,
naci) ©iuliano ba $arma ; Jupiter auf bem 3ba, nad) fienS; 9Jcabonna, nad)
2JlengS; Urttjeil SalomoniS, nad) ^ouffin; 9lriabne auf 9iajog, nad) Süger.
Porträts : ©r^er^og ÄatI, nad) ^ßifani; gürft ^ol)ann ju lHd)tenftein , nad)
bem älteren ßampi; $aifer ^"3- nac^ 3f- ©• 33auer; 5Prin3 ©on^aga 6a=
ftiglione, nad) Sdjröber; Äaiferin ^Dlaria 2t)erefta, bie ©ematjltn granj 1., nad)
Äreu(unger; gütfttn Xt)erefe ^inSft), nad) ©raffi; gürft ^arbenberg, nac^ Sieber;
Napoleon unb 53tarie fiouife im Äaiferornat , nad) ßober; ^er^ogin 5}iaria
93eatrice b'Sfte, nad) ßaucig; (£arbinal XrauttmannSborff, nad) Stieler; gürftin
^auline Sd)mar]enberg , nad) Delentjainä ; 9ltbred)t , Jperjog tion Sad)fen=
£efd)en, nad) 3fßD^; gran^ 3aune^" öon i^elpatan, nad) 33. ti. Sdjrötter;
«Pfeiffex. 643
ftranj (Sbler öon 9Jlad, nad) $itfel; Dr. 23rambilla, nadj Sambi; ,g)offc§au=
fpieler Sänge, nadj Sßolf; äöotfgang 2lbt öon ÄremSmünfter, nact) ßaptün.
anbete 33tätter finb baS 2)enfmat ber gamilie 9Jtad in .RatfSburg Bei äßien,
jcueä beS gelbmarfd)att=SieutenantS £>. be ©djmibt in ÄremS, öerfctjiebcneS in
bem genannten ©alerieroerf unb ein 3eid)enbudj für 2)amen, 30 33lätter 3beal=
töbfe nad) älteren ^Jleiftexn. 3n ber Sitteratur werben itjm mehrere arbeiten
3ugefprod)en, roeldje inbefj öon einem f$. Pfeiffer b>rrül)ren, ber gleichfalls in
äßten, nod) um 1809 gelebt t)at.
Söeinfoöj, SBeför. b. f. f. Slfabemie b. bitb. Äünfte. «Reue StuSg. 2Bien
1875, ©. 77, 83. — gue&li , Sinnalen I, ©. 57. — 9ta<$tr. 3. Äünftlet«
terüon II, ©. 1078. — Oefterr. 9lationaI=<£ncnf[opabie IV, ©. 201. —
SBurjbad) XXII, ©. 184. 21. 31g.
Pfeiffer: Subroig «p. , geb. ju Raffet am 4. 3uti 1805, f ebenbafelbft
am 2. October 1877, mar braftifdjer Slrjt unb auf bem Gebiete ber 3oologie
unb SSotantf mit (Srfolg fdjriftftellerifd) ttjätig. 9cad) Slbfotüirung feiner mebi=
einigen ©tubien ju ©öttingen unb Harburg unb erfolgter Promotion, begab
ftdj 5ß. Behufs meiterer toiffenfdjaftlidjer SluSbilbung nad) 5ßariS unb Sertin.
2km bort im §erb[te 1826 nad) Raffet äurüdgefeljrt , begann er feine ärätlidje
$rajiS. ^m 3. 1831 folgte er einem öon $olen auS an beutfd^e Geräte er=
laffenen Aufrufe unb toirfte als ©labSa^t in Sajienfa, ^omorce unb 2Barfd)au.
2In legerem Orte entfaltete er gelegentlich einer bafelbft ausgekrochenen (Spolera«
epibemie eine aufobfernbe Stjätigfeit. Sie daöitulation Söarfcfjau'S öeranlajjte
it)n sur ftüdfeljr nact) ber Heimat, ba er eS öerfdjmärjte , bem anerbieten, in
ruffifdje Sienfte ju treten, golge ju leiften. ©einer lleberjeugung öon ber
9tid)tübertragbarfeit ber (Spolera gab er in einer Keinen ©djrift SluSbrud: „Sv=
faljrungen über bie Spolera, gefammelt im ^oSpitale ju äöarfdjau im ©ommer
1831". 93alb barauf gab er feinen ärjtlidjen Seruf ganj auf, um ftdj ungeftött
naturtoiffenfdjafttidien ©tubien unb fdjriftfteHertfdjer 2f)ätigfeit ju roibmen.
Dtadjbem er junädift mit einigen Ueberfetmngen mebicinifdjer ©djtiften an bie
£)effenttid)feit getreten toar, öerfafjte er eine lange 9teib> eigner arbeiten, äoolo=
giften unb botanifdjen 3nf)altS. 3Jletjrfa$e Reifen burd) 2)eutfcb>nb, bie ir)u
bie öorpgtidjften botanifdjen ©arten ber ^auptfiäbte !ennen letjrten, lieferten
if)tn baS Material ju einigen ^ublicationen über bie Familie ber Sacteen, unb
eine größere fteife nad) Guba roäb>nb beS äßinterS 1838 39 öerroertljete er für
bie Veröffentlichung feiner aoologifdjeu gorfdjungen. S)urd) (Srcurfionen inner*
rjalb feines engeren VaterlanbeS öerfdjaffte fid) $. eine grünblid>e tenntniß ber
^effifdtjen ^flanjenroelt , meiere in ber Verausgabe merttjöütter floriftifd§er
arbeiten ju Sage trat. 9tactjbem er feinen jüngften ©ob^n 1870 auf bem gelbe
ber ßtjre in granfreic^ öerloren ^atte, begann ber bis bafnn ferngefunbe unb
fräftige Wann $u fränfeln. 3mar fonnte er 1874 nod) eine atoeimonatlic^e
ffteife nad) Satalonien unternehmen, boc^ festen bie früheren Gräfte nidjt roieber
unb er erlag, 72 3ab>e alt, einem ftetig fortfdjreitenben Sungenleiben am
2. Dctober 1877. 3mei 3al)re öor feinem Sobe blatte er nodj bie greube, auS
Slnlaß feines fünfjigiäb^rigen S)octorjubiläumS, fein mebicinifdjeS S)octorbiölom
erneuert unb außerbem mit ber prjilofoörjtfcfjen Soctormürbe fic^ bebadt)t 3U
feilen, ^ß. roar ein öielfeitigeS Talent, ^eben feinen toiffenfc^afttidjen ©tubien
fanb er noeb; ßeit, fic^ mit 3eid)nen unb namentlich) mit sIRufif in b^erborragenber
SBeife ju befdjäftigen. 6in ©c^roager beS ©omponiften ©po^r, feilte er beffen
iunftlerifcrje SBeftreÖungen unb roirfte aud) felbft bei mufifalifc^en Aufführungen
toieberljolt als auSübenber Äünftlex mit. hieben ber auf bem ©tjmnafium ertoor*
benen gertigfeit im ©ebraueb^e ber claffifdien ©brauen, t)anbb^abte er aud) baS
41*
644 Pfeiffer.
granjöfifdje, (Sngtifdje, $olnifd)e unb ©panifdje mit Ceicfjtigfeit. Den bei rueitem
größten 9taum unter 'ißfeiffer'g ©djriiten nehmen feine joologifdjen Nbfjanblungcn
ein, bie fid) iaft auäfdjliefclidj auf ßondjtjliologie bejieb,en (bergt. Catalogue of
scientific papers vol. IV, p. 872 sqq.). 93on feinen botanifd)en 9lrbeiten ev=
fd)ien juerft 1837 eine „Enumeratio diagnostica Cactearum hueusque cognitarum"
unb, in etttmä Deränbertcr Raffung, unter bem beutfdjen Xitel : „53efd)reibung
unb ©rjnonrjmtf ber in beutfdjen ®ärtcn lebenb borfommenben Gacteen". Den
^roed, roetcfjen biefe ©djriften berfolgten, burd) eine üergleidjenbe 3ufammcnr
faffung ber über biefe ^amitte in ber botanifdjen ßitteratur ^erftreut fid) bor=
finbenben Definitionen unb SBefdjreibungen , foroie burd) eigne 93efd)reibung ber
nod) nid}t Deröffentlid)ten 2trten eine Ueberfidjt über ben jeitmeiligen ©tanb ber
ßenntnifj biefer eigentümlichen •Jpflanjenformen au geben, Ijat ber SBerfaffet
öottfomtnen erreid)t. 6r f)at bie in ben größten botanifdjen ©arten Deutfdj*
lanbä cultiöirten 9lrten an bem tebenben Material felbft unterfudjt unb aud)
bie reiben Erfahrungen beS dürften bon ©atm=9ter)fferfdjeib=Dr)d , bc§ erften
^ennerg ber fuecutenten ©eroadjfe, burd) perfönlid)en 'üJteinungäauätaufd) fid) $u
tRufeen gemadjt. Unter 2Jerroerfung ber Decanbofle'fdjen (Jintbeilung ber Gacteen
in bie Unterfamilien ber Opuntieae unb Bhipsalideae, bringt er bie gfamitie in
10 gleid)rocrtt)ige (Gattungen. 9todj einige 9luffäfce in ber ßinnäa (33anb XII,
1838) unb ben Steten ber ßeopolbina (1839) fjanbetn über bie Gacteen. Den
9Ibfd)tuf} mit biefer Familie mad)te % burd) bie ,£)crau§gabe eineö größeren
itluftrhten 2ßerle§: „9lbbilbungen unb 93efd)rcibungen blütjcnber Sacteen"
(Figures des Cactees en Heur peintes et Lithographiöes d'apres nature), beffen
erften 93anb, bon 1843 an in 6 ßieferungen erfd)ienen, er gemeinfam mit
Sfriebrid) Otto bearbeitete, roäljrenb er ben jroeiten, beffen ©djtufjbeTt 1850
fjerauäfam, allein berfafjte. 3m ganzen enthält ba3 3Ber£ 60 cotorirte lafcln
unb ben befdjreibenben £ejt unb empfte^tt fid) burd) genaue unb elegante 3Iu§=
füljrung. 23on anbern s^flan3enfamitien roaren es bie Cuscutaceen unb Nym-
phaeaccen, mit benen *p. fid) fpecteüer befdjäftigte unb über meld)e er berfebie--
bene 2luffäfce in ber iöotanifdjen Rettung (1843, 1845, 1846 unb 1854)
beröffentlid)te. ©eine ftoriftifd)en ©tnbien begannen mit einer botanifd)en @v=
forfdjung be§ llleifjner'ä, über beffen fubalpine glora ev in einer 1844 erfd)ie=
nenen Subiläumäfdjrift berichtete. 3fm auftrage beS 33ereinS für rjeffifdje
©efdjicrjte unb ßanbesifunbe unternahm «p. unter 9Jtittt>irfung öon 3- -&• 6affe=
beer bie Bearbeitung einer „Ueberfidjt ber biSljcr in .Wurbeffen beobachteten
milbroadjfenben unb eingebürgerten ^flan3en", mobon bie erfte Slbtbeitung 1844
JjerauSfam. Diefe umfaßt bie pf)anerogamen ©eroädjfe unb bon ben $rt)pto=
gamen bie ©efäfjpflanjen , IRoofe unb 9l(gen, im ganzen 1852 SIrten. 3n ber
jroeiten 2lbtt)eilung fottten bie fttedjten unb ^il^e nadjfolgen. Ob biefetbe je
beröffentlidjt toorben, ift afferenten unbefannt geblieben. Die ^Reihenfolge ber
angeführten ^flanjen gefd)ieljt ob,ne roeitere Äritif in alpfjabettfc^er Crbnung,
neben bem tarnen bie Eingabe be§ gunb= unb ©tanbortc§ unb be8 ginber§
bringenb. 'üRit einem 5lu§rufung83eid)en finb biejenigen s4>flan3en be^eidjnet, für
beren 9tid)tigfeit bie Sßerfaffer glaubten einfielen ju fönnen. Diefe ©d)rift mar
ein Vorlauter einer größeren ßloxa, roeldje at§ „glora bon 5Rieberb,effen unb
Mnben" in 2 SSänben bon 1847—1855 crfd)ienen ift. Seit $Roend)'§ unboE=
enbet gebliebener glora bom %af)Te 1777 (bergt. 91. 2). 35. XXII, 163) ift für ba§
angegebene ©ebiet ^fciffer'S Slrbeit bie erfte Neubearbeitung. 6r Jjat ba§ t)terin
niebergelegte ^flanäenmateriat pm größten Xb.eite fetbft unterfudjt, aber aud)
bie Angaben anberer Tutoren berücf|"id)tigt. ^m ganzen folgt er in ber Um«
grenjung ber ©pecieS 335. ^od)'§ berühmter ©t)nopft§. 9lud) bie gemöf)nlid)ften
Gulturpflanjen ftnb ertoäbnt. ßinem ©d)lüffel jum Stuffinben ber Gattungen
Pfeiffer- 645
nadj Sinnet ©rjftem folgt bie Aufteilung ber Arten nadj natürlichen ftamitien.
©ie in beutfc^ey Sprache berfafjten ©iagnofen finb red&t au£füt)rtid), faft ge=
brängte SSefcEjteibungen , bagegen finb ©nnonrjme unb Sitate nur in geringer
3af)t aufgenommen, ©ie genaue ^enntnife be§ SBerfaffetS mit ber ^loxa feiner
£eimat gibt bem SBerfe ben Sßertf) eineS guten SeitfabenS, ber für ben ®e=
braud) auf (Spulen unb junt ©etbfifiubium , worauf ber Sitel r)inweift, wobt
geeignet erfdjeint. 2Rit ber grage ber botanifd)en ©rjnonrjmie unb Nomenclatur
tjatte fidj *ß. fctjon längere 3eit befctjäftigt. ©ie führte iijn fdjtiefclid) 3U ber
Ausarbeitung eines fet)r nükticrjen 93ud)e§, ba§ 1870 im ©rud erfcbien unter
bem Sitel: „Synonymia botanica locupletissinia generum, sectionum et sub-
generum ad finem 1858 promulgatorum. In forma conspectus systematici
totius regni vegetabilis schemati Endlicheriano adaptati." 3Jlit großem (Srfolge
fuctjte fy, in biefem äßerfe feinem äJorbilbe, ©t. (änbtidjer'S Enchiridion botanicum
(1841), al§ beffen gortfetmng, beaierjungSWeife Neubearbeitung bie Synonymia
aufzuraffen ift, nadjjuftreben. Die in evfterem noctj mit angegebenen gfamilien»
djaraftere bat $. fortgetaffen, in ber Aufjätjlung ber Namen felbft bie peinlidjfte
©enauigteit befolgt, fo bafj beifpielSWcife bie berfcrjiebenften ©djreibweifen eines
unb beffelben ^flanäennamenS, mitunter auS S)ruc£fet)tern entftanben, unter forg=
faltiger Ermittlung ifjrcS Urhebers als neue ©rjnonrjma notirt finb. ©ie Sitte»
ratur ift mit t)inreidjenber SJotlftänbigfeit benufet unb audj bie ©Triften älterer
Autoren, wie ^JcidjeU, Rätter unb ©tebtftf) f)at ber Serfaffer eingefeben. 2Burbe
bie JBiaudjbarfett biefe§ äöerfä öon jebem 23otanifer, ber fidj mit faftematifdjen
Arbeiten befcrjäftigt, rütjmtidjft anerfannt, fo mürbe ee mit nodj größerer ^reube
begrübt, al§ 5ß. fidj entfdjtofj, einen größeren botanifdjen Nomenciator feiner
Arbeit folgen ju laffen, ba ber fanget eines folgen fidj allgemein fütjlbar
machte, bie Verausgabe beffelben aber toegen ber immerhin ermübenben unb
trodnen Arbeit, neben großer ©adjfenntnife ein fjorjeS «Dtafc bon ©ebutb unb
Aufopferung erforberte. % bat in feinem legten unb umfaffenbften 2Berfe bie
Aufgabe, melcbe er fidj gefieüt, trefftidj gelöft unb ben ©auf ber SBotanifer fidj
erworben. @S erfcbien in jwei SSänben, jeber 2 Sfjeite entfjattenb , 1873 unb
1874 unb füfjrt ben Üitet: „Nomenciator botanicus. Xominum ad finem anni
1858 publici juris factorum, classes, ordines, tribus, familias, divisiones, genera,
subgenera vel sectiones designantium enumeratio alphabetica. Adjectis auc-
toribus, temporibus, locis systematicis apud varios, notis literariis atque ety-
mologicis et synonymis". @£ werben in bem Söerfe fämmttidje in ben hi% 1858
erfdjienenen botanifdjen äöerfen , pm Xtjeit audj nodj auS ber öorlinneifdjen
3eit, publicirten Namen ber ©attungen, fyamilien unb Orbnungen atter pbane*
rogamen unb crrjptogamen ©emädjfe in atpbabetifdjer Neitjenfolge aufgellt.
_©em Namen be§ AutorS folgt bie Angabe ber ißublicationSaeit unb bie forg«
faltige Zitierung berjenigen SSerfe, in benen bie ©attung in bemfelben Umfange
Wie öom Autor aufgefaßt ift. hieran Jdjltefsen fidj, nad) ber 3eit georbnet, bie
Gitate ber Tutoren, meldje ben Segriff beS betreffenben genus erweitert ober
eingefdjränft, ober bemfelben eine anbere ©tellung im ©rjfteme angewiefen tjaben,
al§ fie in ber urfprüngtidjen Auffaffung beS AutorS lag. gnblidj folgt bie
Anfürjrung ber ©attungsftjnonrjme mit Angabe beS Autors o^ne Gitat, roaZ
jeöodj an ber bem ©rjnonrjm jutommenben Stelle ber atptjabetifdjen Auf^ätjlung
gefunben wirb. SSRan finbet fomit in gebrängter Ueberfidjt eine PoUftänbige ©e=
fdjidjte ber einzelnen ©attungen. ©er ©rud unb bie AuSftattung, für ein Nadj=
fcblagebudj, wie ba§ öorliegenbe, nidjt unwefentlidj, finb bortrefflidj. 5>feiffer'g
Name ift baburdj mit ber 93otanif untöSlidj üerfnüpit. ^Nöge fid) balb ein
Nachfolger finben, ber eS unternimmt, bas 2Berf audj auf bie nadj 1858 öeröffent=
646 ?!«&
listen ^flanjennamen au§<utbef)nen. $. fjat e§ geplant, fein lob aber bie
3tu3füf)rung betfjtnbert.
SPrifcet, Thesaurus lit. bot. — 3eitfchrift ber ßeopolbtna 1878.
@. 28 u n f dt) m a n n.
yl>jcil: Gfjrtftopl) Äarl Subroig föei djäfteiberr h. s£. . befannter
üDiplomat unb ungemein fruchtbarer Sänger geifttidjer Öicber, mürbe am
20. Januar 1712 ^u ©rünftabt, einer gräflicf) 8einingen'fd)en 93efitmng untoeit
SBormB, geboren, ©ein 93ater, üuirin ."peinridj ö. sJ!feil , ber ^utetjt roürtem*
bergifcfjer £)berf)ofgerid)t3ratf) ju Tübingen unb Oberamtmann ju Suftnau mar
unb im $. 1722 ftarb, mar ein Sd)üler 9tuguft ^ermann ftrancfe'ä; unb int
grancfe'jd)en s^ieti§muä marb auet) unfer 5ß. erlogen. 9cachbem er feine ©ttcrtt
frütj üerloren, nat)m ficr) ber jüngfte 93ruber feineö 5ßatev§, ber Pfarrer SfuftuS
©ottlieb ö. 5p. (f 1748 alä Oberpfarrer in sj:)cagbcburg) feiner an. @r befucf)te
bann, um 3uri3prubenj ju ftubiren, com 3fat)re 1728 an bie Uniüerfttät spalte;
hernaet) ging er nach Tübingen. Sine afabemifdje Treibarbeit „über bie 9Jer*
bienfte beä ^>aufe§ äöürttemberg für bal beutfehe Wcid)", bie er hier in latei»
nifdjer ©pradje berfafjte, mact)te trjn in ben Stuttgarter Jpoffreifen befannt. St
mürbe heranlaßt, fie inä 2)eutfche }u überfeinen; unb fie fanb fotet^e 33emunbe=
rung, bafe er noct) aU ©tubent (17:31) beauftragt marb, baä Jeftament beS
■£>crjogä ©berharb £ubmig t.u oerfaffen. $m folgenben Starjre marb er, 20 3ar)re
alt, äum SegationSfccretär beä roürtembergifdjen ©efanbten in 9tegen6burg er=
ttannt, unb bamit begann feine biplomatifd)e Söirffamfeit. 9tid)t lange barauf
berlobte er fid) mit einem einfachen ^Jtäbcrjen, baS er bor ber -Ipocf^eit (am
12. October 1734) noctj im Älofter Wiebermünfter ju 9iegensburg aushüben
liefe; fpäter ergab fich, bafj feine Tjfrau, bie als SBaife hon 23ürgerg(euten in
ütegenSburg aufgenommen mar, au8 abeliger gantitie (eine Xodjtcr beä dürften
hon Äupferberg unb ßeulenborf in ©cfjlefien , bie auf einer Steife beibe @ttem
an ber tpeft herloren tjattej fei, roa§ bann feine fjrreunbe mit biefer iierbiitbung
auBfötjnte. Um biefe ^eit ftanb $. auch in 23cifef)r mit bent ©rafen äin^en-
borf; er mar fogar eine 3eit(ang mit bem ©ebanfen umgegangen, felbft feinen
Söohufih nach £>errnhut ju öcrlegen. £ och löfte fich biefe§ 93ert)ältntfe unb ,jmar
nicht jiim minbeften bon SßfeifS Seite mit beärmlb, meit ber ©raf 3in,}cnborf
fid) über ^fcil'6 23er£)cirati)ung mit einer „^Bürgerlichen" überaus geringfdjätjig
geäußert chatte. 5p. manbte fich, barauf merjr bent mürtetnbergiferjen Pietismus
ju unb Jctjlofj fich. befonberä an Johann albert 23engel (f. 21. £. 23. II, 881)
an, beffen apotalhptifche ©tubien ihn ganj befonberä anzogen. Stlä .£>er,}og Äart
ttubolptj öon 2Mrtemberg = 9ceuftabt (f. 31. ®. 58. XV, 872 ff., bef. 375) 2tb=
miniftrator be§ .^er^ogtrjitmä mürbe, ernannte er 5ß. gegen @nbe be§ 3far)reä
17:17 jum 3ttfti5= unb 9tegierung3ratb, fo i>a§ ty. im §. 1738 nach Stuttgart
überfiebelte. 2öäl)renb ber 3^it ber SRegentfchaft, metche im 2f. 1738 ^erjog
Äarl gfticbridtj hon 2Bürtemberg»DeU übernahm (a. a. D. S. :''7»'>), hatte s4>.
als JRegierungäratt) faft mit alten 3roe'9e« ber Sermattung ?u tb^un; befonberö
mirb fcfjon in biefer 3«t feine Jtjätigfeit für ba§ go^wefen gerütjmt; im %.
1748 gab er bann eine Ueberficrjt über bie fämmtlicrjen gültigen fjorftgefehe
unb =öerorbnungen rjerauS („jRealinbej: ber mürtemb. ?Jorftorbnung"). 3ll§ -'perjog
Äar( ßugen (f. 91. S). S5. XV, 176 ff.) im S- 1744 nach feiner Sottiähvigfett^
erflärung bie IRegierung übernommen Ijatte, marb ^. 1745 aucr) 3;utelarratr)§=
präftbent; bom ^atjre 1749 an marb er in Staat^gefdjäften an berfdjiebene
.steife gefanbt; im %. 1755 ernannte ttjn $art (Sugen jum ÄieiSbitectorial»
gefanbten am fchmäbifchen Kreistage. Heber feine tüdjtige 2lrbeit§fraft unb
feine ©emiffent)aftigfett in allen ihm übertragenen Remtern ift nur eine©timme;
aber bie furchtbare ^ifemirthfcl)aft, bie nun einbradj, fonnte auch er nicht ah=
5ßfctX. 647
toerjren; ja, er mufjte e§ fid) gefallen (äffen, Dom ©rafen Don lUlontmartin
(f. 31. S). 33. XXII, 204) erft (1758) jum Serjeimen Segation§ratb, unb fobann
(1759) jum ©erjeimen 9tatlj ernannt ju toerben. 3l)m roarb fein SDienft immer
fcefdjtoertidjer, jumat er bei Dieten in ben 9tuf tarn, 9)tafjrege(n ju bittigen, bie
er nur nidjt tjatte tjinbcrn fönnen; unb fo fudjte er benn roiebertjott feine @nt=
taffung au§ bem ©taat§bienfte nad), bie er enbticfj unter bem 13. Slprit 1763
ertjiett.- Sine ib,m Dom ^erjog angebotene ^enfion lehnte er ah. (Sr 30g fid}
nun auf ba§ Rittergut 3)eufftetten, im 2tn§bad)ifd)en 3tnifcf)cn Jh-aitstjeim unb
2)infet3büt)t getegen, ba§ er fcrjon im 3. 1761 getauft tjatte, jurücf. 9todj in
bemfelben $at)re trat er jebod) in bie SDienfte griebrid) be§ (Srofjen, ber itjn in
ben erften Sagen be£ (September (bie 93egtaubigung§fd)reiben finb Dom 5. ©ep=
tember 1763) 3U feinem 9Jlinifter bei bem fränfifdjen unb fdjttmbifdjen -ff reife
ernannte. Cbfdjon ba§ preufjifd)e ©efanbtfd)aft§quartter in Nürnberg errichtet
toarb, btieb bod) üDeufftetten 5pfeil'3 gerüötjntidjer SSotjnfit}. 6r tjat in biefer
©tellung merjr für SSürtemberg tfjun tonnen, aU in feinen roürtembergifdjen
Siemtem, inbem er aufjer ^ßreufjen aud) bie beiben anbern ©aranten ber tanb=
ftänbifdjen unb 9ietigion§Derfaffung 2Bürtemberg§, HDänemarf unb (Jngtanb , 3ur
«Öülfe tjeranjog. ©0 gelang ir)m benn audj, 9Jlontmartin ju ftürjen unb
SJtofex'S Befreiung au ertohfen (f. 5t. SD. 93. XXII, 380). $n fpäteten Satiren
tjat er Diet Don ßranftjeiten 3U teiben gehabt; er ftarb am 14. gebruar 1784.
— 33on feiner frütjften ^ugenb an bi§ in fein fpäteS Sitter fyat 5p. fortrüafjrenb
©efänge unb Sieber berfafjt. Sitte feine Srtebniffe unb Erfahrungen fprad) er
in 53erfen au§ ; aber aufjerbem tjat er aud) eine aufterorbentlid) grofje Slnaaljt
eigentlicher geifttidjer Sieber gebidjtet. £)et poetifdje SBerttj berfetben ift nidjt
fetjr grofj; bie bei toeitem meiften, namentltdj bie erjärjlenben, finb nidjt öiet
metjr alä gereimte 5ßrofa; aber e§ fpridjt fidj in atten ein ebter, frommer ©inn
unb ein gläubige^ ^erj au§ ; itjm fetbft gemährte e§ in ferneren ©tunben 2roft
unb (Srquidung, toa§ feine ©eele bettiegte, in btefen SJerfen augjufpredjen. 33on
feinen Siebern finb nad) Äodj'fc Angabe (ögt. unten) 940 gebrudt. Siefe er=
fdjienen in bier ©ammtungen, Don tüeldjen bie beiben erften Don üjß. fetbft r)er=
ausgegeben mürben , bie beiben anberen aber Don anbern befcrgt finb. 3uerft
gab er im ^. 1741 ,, Sieber Don ber offenbarten 3u^unft unb <!perrlid)feit be§
^>errn" b,erau§, ju metdjen bie 93enget'fdje ©rflärung ber Offenbarung ^ot)anni§
itjn begeiftert tjatte; biefe Sieber erfdjienen Dermetjrt unter bem SEitel: „3tpofa=
ll)ptif(^)e Sieber" im ^. 1749 unb bann in 3. Stuft. 1753. @ine ameite ©amm=
tung tie^ er im $. 1747 unter bem £itel: „ßDangetifc^er Sieberpfatter" er=
fcrjeinen; ju biefer fctjrieb ^. 9t. 93enget eine 33orrebe. S)ie Don anberen t)erau§=
gegebenen ©ammtungen 3ßfeit'fd)er Sieber finb ba§ fog. „^Remminger ©efangbu^",
im S- 1782 öon % @. ©ctjet^orn auf ^feit^ 2Bunfcrj Deranftattet, unb „S)e§
yteicrj^freiljerrn Don !)3feit eDangetifdje ©tauben§= unb Aöer^enggefänge , tjerau§=
gegeben Don einer ©efettfdjaft c|rifttid§er gveunbe", S)infet§büf)t 1783, ba§ fog.
„S)infelSbüt)ter ©efangbudj". 9lu§ biefen ©ammtungen finb eine größere
9tnjab,l getfttidjer Sieber in ©emeinbegefangbüdjer übergegangen; einzelne be=
finben ftctj, ttjeitmeife in fpäterer Ueberarbeitung Don anbern, tjier unb bort nodj
in itjnen.
^peinrid) lütera, 5Daö Seben be§ c^riftticb.en 2)id)ter3 unb 5Jcinifter§ 6§ri=
ftopb, $art Subttig Don Spfeil. Stuttgart 1863. — Äo$ , ©efc^tc^te be§
$ird)entieb§ u. f. f., 3. Stuft., 93anb 5, ©. 176 ff. — gifctjer, Äir^entieber«
teriton, 2. £ätfte, ©. 463 a. — «Bleutet X, ©. 392.
t. u.
^fcil: ^t anj %•> 9ied)t§geletjrter unb ©taat§mann. ©eboren ju «ölagbe=
bürg, wibmete er fid) ber föedjtSunffenfcrjaft unb rourbe Dor 1542 Dr. jur. utr.
648 SPfett.
3n gebacfjtem ^a^re finben mir itjn ata .Uanjler bes 23ifdjoTS bon Naumburg
(^eitj), Wtcolaus bon 2lmSDorf, nadjbem jubor bie ©tabt 53remen feine 2ienftc
bergeblid) geroünfdit fjatte. ^m $. 1,r,45 tourbe er als ©vmbicus nad) £)am*
bürg berufen, in beffen juriftifdjen unb biptomatifdjen SDienften er erfolgreich
mirfte, burd) Leitung reid)sgerid)tlidjer ^rocefje ber ©tabt, foroie burd) mid)tige
©efanbtfdjajten. ©o gelang es it)m im $. 1547 ben ju "Mrnbetg meüenben
Äarl V., meldjer ber ©tabt Hamburg roegen itjres 33eitritt8 ^um ©djmatfal*
bifdjen 23unbe jürnte, miebcr ju berföljnen unb jeine 23erjeit)ung ju etroirfen.
1548 glürfte es irjm , mit bem <£>erjoge bon ^raunfd)meig=2üneburg einen 23er=
trag inbetreff ber l'anbfdjaft 9Jioorburg au ber (Sibe bei Harburg ab,}ufd)lief}en.
3m $. 1^52 mar er in Bonbon, um, neben einem 2überfifd)en Wefanbten, mit
ftönig Gbmarbs VI. s3Jcinifteru ]ü berfjanbeln inbetreff ber fjaufifdjeu £)anbels=
pribilegien. %m fotgcnbcu %crt)xe tiertief} er Hamburg, um baö ©bnbicat feiner
SSatetftabt ^tagbeburg ju übernehmen , meldjcs er nod) lauge ^eit rütjmlid)
berraattet f)at. 6r fott gegen fenbe bes 3at)rb,unberts berftorben fein. ©crüljmt
mürbe Dr. *ß. öon feinen ^citgenoffen als gefd)irfter Diplomat mie als tüd)tiget
Surift, beffen ©djriften, j. 23. feine Responsa ober consilia juris (erfdjienen in
5)tagbeburg 1600), mctjrfadje Auflagen erlebt tjaben; gebadjte Responsa finb in
fyranffurt 1670 neugebrurft roorben.
3. .pamb. ©djri'tftcUcrleriton VI, 51. — £appenberg, Xratjigers
Grjrouif, Sortoort XXI, XXII. -- Voller, Cimbriu literuta 11, 642 ff.
33 e n e f e.
s^fCtl: ^riebrid) 2Bilf)etm Veopotb 5p\( Tvorftnionn, geb. am 28. gftärj
1783 ju sJtammelburg (am ^par^e), r am l. September 1859 im 33abe SBarmbrunn
bei -gnrfdjberg (©d)lefien), geljött mit ju ben f)erborragfnbften ©eifern auf forft»
lidjem ©ebiete. 33ei einer befferen tl)eoretifd)eu GJrunblage mürbe er es fogat
bielteidjt jum elften gorftmanne 5>eutfd)laubs gebracht fjabcu. s4>- tierlebte als
©ofju augefehener Gltem eine glüdlidje, an ©inbrüdcn ber betfdjiebenften 9Itt
reidje .tfinbtjeit. ©ein 33atet, Sfolmnn ©ottlob ^Benjamin s4>- (f. u. ©. 655), mar für«
fürftlid) fäd)fifd)er ^uftijamtmanu unb jugleid) (^eueralbeboUmädjtigter ber 23e=
fitmngen ber ftreitjertlid) tion ^riefen'fcrjen gamitie; feine sUlutter (jrocite grau
bes Sßatets), eine geb. (SJödiugf, mar bie Sdjraefter bes fpäter geabelten preufjifdjen
©etjeimen Dberfinanjrattjs unb befannten 2)idjters (t 1828). 9ld)t Äinber
maren biefer glüdlicfjen @b/ entfprungen, bon roeldjen SÖittjelm bas biette mar.
6r follte eigeutlid) 9ted)t3= unb (Sameralrciffenfdmit ftubiren unb be^og batjer,
bi§ ju feinem 14. ^atjre burd) «5)auste()ier borbereitet, 1797 bas Gymnasium
Stephaneum 311 Vlfdjerslcben. S)er im October 1801 erfolgte piötjlidje %ob
feines 23aters beraubte itm jebod) ber &ux go^'tfehung ber bejüglidjen ©tubien
erforbertidjeu sDtittel unb jtoang il)n, frd) einer anbeten ßaufbaljn (^umenben.
©djon bon früljefter Sfugenb ab Ratten SBalb unb %aa\> fein ^auptbergnügen
ausgemad)t, rooju motjl bie fd)öne malbrcidje Umgebung feines (Geburtsortes bie
näd)fte 23erantaffung gemefen mar. 6r menbete fidj batjer nun bem forftlidjen
SSevufe ju unb trat ju biefem ^mede nad) bamatigem ©ebraudje ju Anfang
9lobembet 1801 bei bem preufeifdjen Dberförfter Werften 311 ^önigstjof (bei
(Slbingerobe) in bie forftlidje Set)te. ©einen bafigen Stufeuttjalt unb feine
fpätere Seb.r^eit fdjitbert sJß. in bem Slrtüel: 5Die ße^r^eit (Ärit. Stattet füt
goxfl« unb ^agbmiffenfdmft, 27. 53anb, 1. #eft, 1849, ©. 135—206) in fo
überaus anjietjenber SBeife, ba^ es ein matjrer ©enu^ ift, fid) in bie Seetüre
biefer (Spifobe ^u bertiefen, meldje un§ tjödjft tt)pifd»e 23ilbet au§ bem ^äget=
leben bergangener 3eiten borfütjrt. Werften mar al§ ©djüter be§ alten üDbbel
ein guter Säger, meldjer bon 23üd)ern unb ©djutmeistjeit nidjtS miffen mollte
unb unferen ty. in biefem ©inne erjog. S)er ©d)merpuntt mürbe auf bie 2lus=
$fett. 649
bitbung in bei- £agb, toe(^e j,er Principal als Sienftgefdjäft — nic^t als iöer=
gnügcn — auffafjte, gelegt. Sas füttern ber Sagbrjunbe, Sauberhalten bet
©djiefjgetoetjre, Stbfpüren unb Spfirfdjengefjen, bae Sauern auf ber gudjstjütte Bei
2Binb unb äöetter unb bergt, unter Anleitung bes Cberförfters fetbft unb bes
3ägerburfdjen £off, roetdjem ber junge Sefjrling in erfter Sinie anbertraut
roorben roar, bitbeten feine -Ipauütbeidjäftigung. „£er 23tid #offs, toenn ein
unüorfidjtiger Sritt bes Sefjrtings ein ©eräufdj madjte, ein 9teis fnidte, ein
3roeig raupte, ein Steinten fnirfdjte, roar unnadjafjmtidj. 2lerger, Srofjung
unb SBeradjtung lagen gleidjmäfjig barin." 2)as einzige forfttidje 23udj im
gorftrjaufe roar $r. 5t. 2. bon S3urgborf's gorfifjanbbud), unb aud) biefes mar
erft auf ©tunb björjeren Seferjts angefdjajft roorben. Sas ^önig§t)ofer Gebier
roar in ber .«paubtfadje ein gidjtenroalb bon ben einfadjften roirtt)fdjaftlid)en
Sertjältniffen. (Sines £ages erflärte batjer ber alte Werften feinem Setjrtinge,
bafj er nun bei itjm nichts toefentlidj bleues metjr lernen fönne, fidj bietmefjr
auf ein Saubfjolarebier begeben muffe, unb brachte it)n gegen @nbe bes 3af)res
1802 felbft ju bem Sanbjäger $auti nacrj £fjate. Siefer roar in oielen Singen
ber gerabe ®egenfa£ 311 Äerftcn. 6r tjatte früher als gorftgeometer unb Sarator
unter £ennert fungirt, ^olatjanbet auf 9tedjnung ber Slbmimftration betrieben,
unb galt für einen gelehrten gorfimann. Sie 3agb hingegen ftanb bei irjm
nidjt i)od) in ßljren, unb feine ßiebtingsbefdjäftigung (bie Äunfttif gieret) tiefj
itjn toenig in ben SBalb fommen. Sio^bcm lernte 5|}. audj bei irjm $Randjes,
namentlich) ©efdjäftsfüf)rung unb braftifdje 2Jlatl)ematif ; aufjerbem madjte er
roäljrenb feines 2tufentt)atts in 2fjale bie 23efanntfdjaft bes bei ber «öatberftäbter
Kammer angefte'llten Cberforftmeifters 0. .gmnerbein, roeldje nidjt orjne folgen
blieb, ©eine ©djreibtuft unb fein öoetifdjes latent bradjen fidj fdjon bamats
Q3aljn, inbem er als Mitarbeiter an einem in £atberfiabt erfcfjeinenben ljalfi*
fritifdjen Söodjenbtatte auftrat, in meinem u. 21. audj mandj launige! ©ebidjt
aus feiner geber erfdjien. 9tadj einjährigem Shifenttjalt in Ibjale beteiligte er
fidj 1803, unter Seitung bes reitenben gfetbjägers gtjber, au ber ißermeffung
bes 9teöier8 ©efjtbe (im |)ilbest)eim'fdjen) unb tjatte bann bas ©tuet, Oon feinem
©önner 0. .gmnerbein, melier beauftragt roorben roar, bie bamats ju ^reufjen
gehörigen ©taatsforfte bes gürftenttjums Oceufctjätel unb Sßatangin einer 3n=
fpection unb eftebifion p unterjieljen, mit in bie ©djroeia genommen ju roerben.
■gnerburdj lernte er nidjt nur bie ^auöitljeile biefes frönen (Mirgstanbes, fon»
bem aud) einige fübbeutfcfje ^rorfte fennen, roeldje ^ünerbein bei biefer (Belegen*
^eit mit befudjte. 9ladj feiner 3urüdfunft beenbigte er feine formelle Serjrjeit
bei bem Sanbjäger ^äb^ne 3U ^önigSttjal (©raffdjaft |)ot)enftein), roetcfjem er
bereits 5Ritl)ülfe bei ben fct)rifttict)en arbeiten 3U leiften Oermodjte. Scfjon feine
£erjr3eit bot tjiernad) eine getoiffe SUelfeitigfeit bar, toetetje er geroiffenb^aft aus=
3ubeuten fud)te; ba aber jeber feiner brei Setjrrjerren nadj geroiffen Stiftungen
^in Süden im SBiffen ober können geigte, fat) er fidj frü^eitig auf eigenes
©efjen im Söalbe tjingetoiefen Siefer Umftanb erroedte unb reifte in it)m
tinen geroiffen fritifdjen ©inn, roetcfjen er fpäter in ausgebeb^ntent 9Jcafje be=
tfjätigte, aber leiber nidjt immer im Sienfte edtjter 2Biffenfd)aft. Äaum tjatte
er ausgelernt (im grübjarjr 1804), als fidj it)m fogleidj ein llnterfommen unb
jroar ats gorftaffiftent auf ben t)er3ogt. furtänbifdjen ©ütern in ©djtefxen bot.
©ein ©önner b. ^ünerbein tjatte audj Ijier roieber bie Jpanb im ©piete getjabt;
jubem roar einer fetner Dnfel ©eneralbeDotlmädjtigter ber ^rinjeffin Sorottjea
uon flurlanb. 2tls SBo^nfi^ tourbe itjm Äteini^ (jur |>errfdjaft Seutfdj»
233artemberg gehörig) angeroiefen. ©ein Söorgcfe^ter, gföxfter Duoert au ©ebqtjn,
roar ein alter Sefuitenaögling o§ne jegtidje forfttietje Sitbung unb fdjon gegen
80 ^a^e alt. $. erhielt ba^er fo ju jagen ben ganjen tedjnifdjen betrieb
650 S-Pfeil-
übertragen. 25aS Üieöier war etwa 14 000 IDtorgen grofj, bot äicmlid) unge»
orbnete 93ert)ättniffe unb t)atte ftarf unter ben Eingriffen ber polnifdjen 35et>öt=
ferung <}u leiben, fobafj er mannen gefäfjrlidjen ©traufj mit «g»ot^= unb 2öilb=
bieben befterjen mufjte (ögt. ben Elrtifel „5£)ie Sernjcit" in ben Akitifdjen blättern
f. 3f. u. 3-, 33. 33anb, 2. £e?t, 1853, ©. 186—225). «Dlit rafttofem (gifer
warf er fid) auf fein neues gelb, aumal nadjbem er nad) Dubert'S ^}enfionirung
(1. SJtärj 1806) jurn föeoierbermatter aufgerticft unb nad) ©ebcjtm übergefiebelt
war. jDurd) feine SSertjeiratcjung mit Ellbertine SBeate "Dtowad, Softer beS
DberamtmannS ju ^eterSborf , grünbete er nun aud) einen eignen cjäuSlidjen
§eerb ($uli 1807), aber er mufjtc fid), wegen feineS fnappen (SinfommenS, ju=
nädjft fetjr einfdnänfeu , jumat ba in^Wifdien ber SBüdjerburft in it)m erwadjt
war, ju beffen Sefriebigung mit ber ^eit eine fteine 33ibliotf)ef nottjwenbig würbe.
Um fid) ungeftört bem ©tubium Eingeben ju fönnen, richtete er ficr) ein Siebet*
ftübdjen unter bem 5Dad)e feinet befcfjräuften 2Bor)nt)aufe8 ein; wie befd)eiben
biefeS ßtborabo war, getjt barauS tjerüor, bafj er baffetbe nur mittels einer Seiter
öon aufjen erfteigen tonnte. 35er 2Balb ging itjm jebod) nad) Wie öor über
EllleS ; fein Söatjlfprud) : „graget bie Säume fetbft, Wie fie erlogen fein Wollen-,
fie werben @ud) beffer belehren, als bie SBüd^er eS tt)nn" fennacidjnet bie 9tid)=
tung , meldjer er bis jum letjten Elttjemjuge treu blieb. @r burd)ftreifte ben
gorft £ag unb 9tad)t, um aderwärtS Crbnung p f et) äffen unb ber ftatur iljre
©etjcimniffe ab^ulaufctjen unb bracrjte eS burd) feine unermüblidje (Suergie aud)
batjin, bafj bie gorft= unb SBilbfreöet mit ber ^eit faft ganj aufhörten. 2ßof)t=
trjueub berührt in feiner ©clbftbiograpfjie bie grofee Offenheit , mit welcher er
bie bamalS öon itjm begangenen mirtljfdjaftlidjen ÜJHfjgriffe, namenttid) im
ßutturwefen, befpricfjt. @S war lebiglid) eine ßonfequen^ feincS rein empirifdjen
EluSbilbungsgangeS , bajj er, feine be^ügtidjen (hfafjrungen öom ,£>ai\}e ot)ne
SöeitereS auf baS ganj anbere 33err)ältniffe bietenbe ©umpfrebier ©ebcjtm über=
tragenb, (iulturen unb fonftige Operationen ausführte , bereu (Sirfolg weber ben
Soften, uod) ben Erwartungen entfprad). 35ie fveirjeitlidje Bewegung, weldje
baS beutfetje 58olf in ben $af)rcn 1813—15 ergriff unb gegen ben fran=
jöfifdjen Ufurpator ju ben SSaffen rief , brüdte aud) ifjm, obwohl er nie=
malS jubor ©olbat gewefen war, baS ©djmert in bie ,£>anb. 35ie fd)te=
fifdjen ©tänbe wätjlten itm burd) patent bom 12. $uni 1813 fogar
jum Hauptmann, unb als fold}er foerjt er 1813 unb 1814 in ben ©d)tad)ten
bei ©rofjbeeren unb äöartenberg mit, beteiligte fid) aud) an ber 33e=
lagerung uon äßittenberg. sJtad) bem erften ^arifer f5^ieben entlaffen, fetjrte
er wieber in feinen früheren SöhfungSfreiS unb ben Sd)o| feiner Familie
jurücf. EllS 3ei<i)en i^tw v°)Ufriebenl)ett lie| it)m feine fürft lidje ^ienfttjerrin
am 5. Januar 1815 bie 33eftat(ung jum fürfttid) furlänbifdjen „Oberförfter"
ju £t)eil werben, Woburd) fid) übrigens fein SöirfungSfreiS ntd)t änberte. 9iod)
in baffetbe 3af)r fiel bie äkröffenttidjung feiner erften felbftänbigen ©d)rift :
„(Srjatjrungen unb Semertungen über bie ßultur ber 2Batbungen in ©d)lefien
unb in ben Warfen nad) ^artig'S, Surgborf'S unb Äropf^S ©runbfä^cn". 1816
folgte baS äöerf: „Ueber bie Urfad)en be§ fd)ted)ten 3uftanbeS ber ^orften unb
bie allein möglichen Glittet it)n ^u öerbeffem, mit befonberer 9lüiffid)t auf bie
s$reuf$ifd)en ©taaten". %n biefer „freimütigen Unterfud)ung" trat ber S3er=
f affer mit grofjer ©d)ärfe unb in geiftreid)er SBeife gegen ben StaatSWalbbefitj
auf, waS bei ber bamaligen ^eitftrömung großes Etuffe^en tjeröorrufen unb bie
Elufmerffamfeit ber gadjgenoffcn auf irjn lenfen mu^te. ilurje 3cit barauf
(nod) im $. 1816) erfolgte burd) feinen Uebertritt als gorftmeifter in bie
35icnfte beS dürften Jpeinrid) Äarl Srbmann ju ßarolatt) = Seut^en eine Wefent«
lid)e SBerbefferung feiner äußeren Sage. SDte betreffenbc SiienfteSftetle war nid)t
$fct(. 651
nur olänjenb botitt (ba3 idtjrlidje ©efammteintommen inet, bet fetjr reid&lidjen
Stccibentien toirb in bet allgemeinen gorffc unb ^agbaeitung, 1874, ©• 28«
auf 2000 2blr. beziffert) , fonbern aueb, fetjr felbftänbig, ba er ba§ botle Süer*
trauen feineä Sienfttjerrn genofs. 56 000 «Morgen 2Balb unterftanben feiner
SSetmaltung; nebenbei würbe er auet) mit ber Dberauffidjt übet bie gortfe beS
fteicMgrafen bon «pütftet-üJluSfau bettaut. 1819 fottte et bie ©trection übet
bie tefeteren auäfcfjliefelicl) übernehmen, allein bie beaügtid)en Untertjanblungen
aerfcfiluqen fiel). «pfeil'S £t)ättgteit in garotatf) roar aunä^ft ber »etmepng
unb 33etrieb§einrict)tung ber juget)örigen gfotfte augemenbet. <£r braute lerner
Orbnung in bie ^erfonalberfjältniffe unb legte, aufcer anberen Kulturen, nament=
liefe auet) einige (Sicfjenfaaten an, jebodt) mar fein gefammteä «Strien rjter, ba balb
ein Söenbepuntt in feiner «aufbatjn eintrat, bon ju furaer Sauer, all bafc Jtct?
mefenttiebe Spuren beff elften t)ätten aeigen fönnen. ©cfjon Trütjer namentlid)
aber in Garolatrj, mar er tnetfacrj mit t)o^ftecjenben unb einflußreichen «mannern
in «Berührung gekommen, fo u. 31. mit bem Oberlanbforftmetfter ©. 2. £arttg
unb bem (Sei). ©berfinanaratt) Sfjilo. Berbern blatte et auef, [etne_ ©c|rtTt=
fteHetet miebet aufgenommen unb 1820 eine «Brofefjüre: „Ueber TOTltttHjlenJdjaTt*
liebe «Bitbung unb Unterricht im allgemeinen , mit befonbetet «ntoenbung auj
ben Preußen ©taat" ic., fonrie in ben beiben Safjren 1820 unb 1821 ein
arö&ereS forftencbtlopäbifcfjeä Söert: „«öottftänbige Anleitung äur «Berjanblung
Senkung unb ©cfjätutng ber Sotten" (2 Sänbe, 1 *b. $olafenntm* unb
ftoüeraierjung; 2. 93b. ^otftbefcfjütuing, gintidjtung unb ©Jafcung, »enufcung,
©eteebtfame Je.) beröffentlicrjt. m e§ fiel) ba^et um bie Seimig bet_ art bei
Uniberfität Berlin neu au errictjtenben ©teile eine§ Sehtet« ber fSorttun)ienfäa?t
banbette, marf man fein 2luge auf $. ©teicfjjeitig ging itrni bon ©annopet
au§ ber Antrag au, aß Setter an ber fyorftfctmle , meiere au 6lau8t|al tn»
ßeben gerufen metben follte, eintreten. $ m ***"*"'> ^ 5!Ä8?f
tufung borttjin bewerte fiel) aber au§ begebenen ©rttitben biö ß|tern 1821.
© in WuungBbecret (bom 7. «Kprit hattet) lautete auT ben ^«"bnen^*™
«Brofeffor an ber Uniberfität mit bem Xitel „Dberforltratt)" unb 2000 3$aler
©ebatt. ®a er, um al3 «Jhofeffor an ber Uniberfität auTtreten au tonnen, beS
SoctorgrabeS beburfte, ermarb er fiefj benfelben auf ©runb einer mit & « Jmigung
ber pr,ilofobt)ifcr;en ffacnltti bentfcl) gefctjriebenen SDiffertation : Uebet bie «Jfotfc
menbigfei/bie Sforfhoiffenfäaft mit bet ^ationatöfonomie m Uebetem timmung
Z Bringe«." ®a§ betr! Diplom mürbe irmt butd, ben berühmten |egel (bamalB
Secan bet p^itofoprjifcfjen gacultät) überreizt. 9U8 ©pecialracfjet mahlte er
aunäe^ft gfotjtgefWte unb ©taatSfoif mittbjcfjaftsterjre £>atte nun au*
» feinen äßunfcl), als ®ocent mirfen au tonnen, enblidj erreijtjo iteNen
RA bo« im Saufe ber Seit begebene Umftänbe unb «ßettjaltntlie fjerau§,
IIW %m ben 3lufentb,alt in SSerlin attmä^ berleibeten. ®er Unternjt
tonnte fid), in Ermangelung na^er gforjte, nic^t genug an ben SBalb anlehnen.
Son bell Vertretern ber ©runb= unb $ül?8toiffenfäaTten toutbe ju biet geboten
unb auf bie noct) jugenblictie 5oxfttDiffeufcl)aft mit ©eringltfäjjung tierabgeleb.en
l Mb t mochte fU bei feinem rein autobibattife^en auBbttbungSgange aumat
unter ben Vertretern bet ®eifte§miffenf*aften mie ©aut unter ben ^topjeten
fübten. Snblicf, geftaltete fi* aud, fein »etfjältnif; au ©. 2- ©« ig mit bei
Sri immer trüber, ©o lam e*, ba^ - ofme ^eirel^auptfacl,^ in olge
feiner »emüb,ungen - bet foifUifr Unterricht 1830 bon »«{VÄ^lari«
(SbetStoalbe betlegt mürbe. Sie ßinricfjtung ber neuen 21mtalt blieb Ijm att e tu
überlaffen; bie Eröffnung berfelben fanb am 3. «ötai b. g. S- Jptt „4Meu
ba 7 mW, toas er gemoüt tjattc. bie Sfolirung ber Sor,tunHeni«aTt wn
bem geiftigen ©efammtleben ber Seit, feine eigene 2o§löfung bon bem grofjen
652 SPfeH-
Gentrum ber SBiffenfdjajt , in bem es ifjm nidjt tjatte gelingen wollen, bcr bon
Ujnt öertretenen äöiffenfctjaft unb fict) fetbft ben gebütjrenben Sßlatj 3U erobern"
(23ernt)arbt). $m herein mit Sftatjeburg unb Sdmeiber terjrte unb roirtte er
al§ S)irector ber neuen f5rorftafabemic faft 30 ^aljre, inbem er gleichzeitig eine
umfaffenbe fctjriftftetlerifcfje jfjätigfeit entfaltete. £u jeinen ßieblingserfjolungen
gehörte bie ^agb auf 9tott)milb, meldjer er namentlich öon feinem 3agbl)äuäcf)en
auf bem 2)ambacl)Sfopfe bei üttjale aus mit Vorliebe nachging. $on 1856 ab
begann er ju fränfetn, lehrte aber trotjbem nocf) 3 3>at)re; etft am 20. ^uni
1859 erfolgte auf sJtacf)futf)en feine *}}enfionirung, unter ^erleitjung bei ^>räbicat©
„©eljeimer Dberforftrattj". 6r beabfidjtigte, ben 9teft feiner Jage in Jpirfdjberg
(Scrjlefien) p »erleben, meil fjier feine (üert)eiratr)cte) Jocfjter lebte, unb meil er
öon bem ©ebraucfje bes nahegelegenen 23abes SCßarmbrunn auf Sinberung feiner
gidjtifdjen ßeiben tjoffte. 2fn aller Stille reifte er bafjer uactj bem Stfjtuffe ber
Sommerborlefungen (Anfang September) atsbatb nad) Söarmbrunn ah , ftarb
aber ftfjon am Jage nacb, feiner Anfunft. (Sine Slrterienüertjärtung tjatte
fein Gmbe tjerbeigefüt)rt. 8eine irbifcrjen Ueberrefte mürben am 7. September
1859 nad) Jpirfdjberg öerbracrjt unb auf bem eöangeliftfjen griebtjofe bafelbft
beftattet.
2öilt)etm iß. mar ein 9Jiann öon fcfjarfem Skrftanbe, tüchtigen forftticljen
$enntniffen, guter ^Beobachtungsgabe, reictjer praftifdjer (hfafjrung unb eminenter
Arbeitsfraft; er entbehrte aber leiber ber <jum Setjrberufe erforberlirfjen natur=
miffenfctjaTttitfjen unb matfyematifcfjen ©runbtage. Sein ganzes Seben mar eigentlich
ein itjm rool unberoujjter $ampf gegen biefe Surfe, beren Ausfüllung il)tn, aller
5ftüt)e ungeachtet, nirfjt gelingen mottte. äöenu er trotjbem als Sctjrer grojje
(Jrfolge erreichte, fo mar bieö lebiglidj feiner Originalität — man fann fogar
jagen ©enialität — <ju oerbaufen. @r belämpfte nämlicf) mit bcr itnn eigenen
@ntfcr)iebeu()eit bie bamats öorrjerrfcfjenbe bogmatifcfje 9itcJ)tung, bas Ausroenbig=
lernen beftimmter formen nactj Autoritäten, bie ^artig'fctjen „©eneratregeln".
<Jr oertrat bietmetjr ben Stanbpuntt, bafj jebeS forftlicfje äöirtt)fci)aft»Uerfaf;ren
ben @igentt)ümltcl)feitcn bes StanbortS unb ben fonftigen örtlichen Sertjättniffen
angepaßt toerben muffe, unb bafj ber gorftmann in biefer 33euef)ung burdj leine
9tegel gebunben fein bürfe. ^>anb in Jpanb mit biefer inbiöibuatifirenben 9iicf)=
tung ging eine t)od)grabigc Öcfätjigung , bie 3ufjörer anzuregen unb beren
Urtfyeilsfraft 3U fdjävfen. Sein Vortrag entbehrte jroar ber ftreng togiferjen
Crbnung unb gleichmäßigen 33et)anbtung ber einzelnen ©egenftänbe, ba er eS
liebte, Dom eigentlichen Stjema abauftfjmeifen ; balb mürbe er ju ausfütjrticrj, balb
p aprjoriftifrf) — je nactjbem irjn eben fein eigenes 3intereffe auf ben (Hegen*
ftanb Einleitete ober fern rjierüon Ijielt. 216er bafür lag in feinen 2Borten eine
fytttte üon ©ebanfen unb praltifcrjen ginger^eigen , unb fein (Jifer im 2)ociren,
fomie bie feinen Vortrag burrfjbringenbe Siebe jum SBatbe mirften fo mäctjtig
auf feine 3ucJ&rer ein, ba^ biefe über bie oft mangelhafte Segrünbung ber ge=
botenen Setjren tjinroegfarjen. Setjr ^u ftatten fam it)m tjierbei fein [tauneni=
mert^ee ©ebäcfjtni^ , fein fdjarfer ^Blirf unb feine burd) tjäufige Reifen unb
©rcurfionen erlangte Sefanntfcrjaft mit bem äßalbe. (Jr Ijatte für alles , mas
er fagte , belegenbe SSeifpiele jur Stelle. Seine Srfjüter lernten tjierburctj
benlen unb felbftänbig urttjeilen; fie öermoc^ten infolge beffen ba§ geringe pofi-
tiüe Söiffen, melcljeg fie aus ben Vorträgen mitnatjmen, burci) Ijäusticljes Stubium
auffüllen, ty- fpracl) fcljnell unb öiel; bie ^been übertjolten meift feine
"Borte. 5ll§ fleine Aeufjerlictjfeiten feines Vortrags feien ermäljnt, bajj er bas
„ei" faft mie „eu" ausfprarf) unb bie 2lngemot)nrjeit befafj, jmei Negationen
öemeinenb 3U gebrauchen.
SPfeü. 653
Spfett'i fcrjriftftelterifcrje Stjätigfeit toar eine gana tjeröorragenbe. Slufjer
ben bereits genannten ©ctjriften öerfafjte er (in crjrGnotogifctjer 9hit)enfotge) bie
nactjfterjenben SBerfe: „Safein über ben fubifetjen ^ntjatt be§ runben ©tamm=
IjolaeS öon 1 — 60 gufj Sänge unb 1 — 48 3ott mittleren 3>urt$meffer" (1821);
„lieber ^Befreiung ber 2Bätber öon ©eröituten im allgemeinen, fotoie über ba£
babei nötige unb atoecfmäfjige SJerfatjren nacr) Söorfdjrtft unb Anleitung ber in
ben öreufjifdjen ©taaten be§r)alrj erfdjienenen ©efetje" (1821); „lieber bie 33c=
beutung unb SBidjtigfeit ber toiffenfctjaftlicrjen StuSbilbung beä gorftmanneS für
bie (Srtjötmng be§ ^ationattoorjlftanbeS unb SBolfägttideS" (1822); „©runbfätje
ber gorftmirtrjjdjaft in Sejug auf bie 9tationatöfonomie unb bie ©taat§=
ftinanatoiffenfcf)aft" (I. 93anb 1822, II. 93anb 1824); „Sie 93et)anbtung unb
©djä^ung be§ 9Jtitteltoalbe§" (1824); „Erfahrungen unb 93emcrfungen aur
befferen (Suttur ber äöatbungen" (1825); „lieber ^nfectenfetjaben in ben
Söälbem, bie bittet ü)m öorjubeugen unb feine ^tactjttjeile ju öerminbern"
(1827); „Anleitung aur Slblöfung ber SJßalbferöitute , mit befonberer ftücffictjt
auf bie «preufcifäe ©efe^gebung" (1828; 2. Stuft. 1844; 3., gänatict) umgear=
beitete Sluflage mit neuem Stitel 1854); „fteue öoflftänbige Anleitung jur
93et)anblung, Senutmng unb ©cfjätmng ber gorften" — (btefeS .panbbucfj [2. SluS*
gäbe] erjdjien in 5 Slbtrjeitungen , öon meieren jebe mehrere Auflagen erlebte.
Sie betr. Abteilungen führen bie £itel: „SaS forftlicrje Serratien ber beutfcfjen
äöalbbäume unb irjre @r}tet)ung" [1829, 2. Stuft. 1839, 3. Slufl. 1854];
„$ritifcrje§ gteüertorium ber gforfittuffenfdjaft unb it)ver ,plf§toiffenfrf)aiten''
[1830, 2. Stuft. 1855]; „fyorftfcfju^ unb gorftöotiaeitetjre , im Stntjange bie
Dlacfjtoeifung ber öreufsifdjen gorftöoliaeigefefee" [1831, 2. Stuft. 1845]; „gor|t=
benutmng unb gorftteämologie" [1831, 2. Stuft. 1845, 3. Stuft. 1858]; „Sie
3forfttaration" [1833, 2. Stuft. 1843, 3. Stuft. 1858]) — ; „Sie ftorftroirttifcljaft
nadj rein praltifti^er Slnfictjt, fo toie fie ber ^riöatforftbefi^er ober 33ertoatter
führen mufe" »c. (1831, 2. Stuft. 1839, 3. Stuft. 1843, 4. Stuft. 1851;
5. Stuft. 1857, 6. Stuft, [öon 9ft. 9t. ^refjter im (Sinne be§ 9teinertrag8tt>alb»
baue§ reöibirt unb ergänjt] 1870); „ffurae Slntoeifung jur Sagbtoiffenfdjaft für
©ut§befifeer unb gorftliebtjaber" (1831); „Sie gorftöoliaetgefefce Seutfct)tanb§
unb $ranfreitf)§ nadj itjren (Srunbfäfcen mit befonberer 9tüctjicf)t auf eine neue
5orftöo(ijei = ©efe|gebung spreufjenS" (1834); „Stnleitung aur gfcftftettung ber
öom ftorftgrunbe au erf)ebenben ©runbfteuer" (1835); „Sie gorftgeföidjte
5ßreu^en§ bis jum 3af)re 1806" (1839); „SJoEftänbige Slntoeifung aur $agb=
öertoaltung unb Sfagbbenu^ung mit ftücffictjt auf eine atoectmäfjige 3agböoliaei=
gefefegebung" (1848); „Stnleitung aur SluSfüfjrung be§ SagböotiaeigefefeeS für
^reufeen öom 7. 9Jtära 1850" (1850); „Sie beutfcr> ^olajudjt, begrünbet auf
bie gigent^ümticf)feit ber ftotftrjölaer unb ü)t Serratien au bem öerfd&iebenen
©tanborte" (1860, nad) feinem £obe öon feinem ©ofme, ©taatSantoatt «ßfeil,
herausgegeben).
Slufeerbem gab «p. öon 1822 ab bie Settfdjrift : „£ritifct)e 93(ätter für
gforft- unb Sagbtoiffenfdjaft" tjerauS, toeldje er aum bei weitem größten 2fjetl
mit eigenen Stbtjanblungen unb titterarifcf)en 23erict)ten füllte. 93iS au feinem
2obe erfct)ienen 41 Sänbe a 2 £efte unb öom 42. 93anbe baS 1. ^peft (1859).
©eitbem übernahm ^. ^örblinger bie ftebaction bti aum ^ab^re 1870, in
toelijem ber 52. unb tefete 33anb biefer f. 3. biet getefenen 3eitfct)rift erfd)ien.
@r toar früher aueb, Mitarbeiter an ©. 2. ^artig'S Journal für baS gorjl»,
^agb= unb gifcb,ereitoefen unb an beffen gorft* unb Sagb=Strctjiö öon unb für
Sie $ict)tungen, toeteb^e $. in biefen ©Triften l)auptfäct)ttd) öertrat, toaren
bie iorftpolitifclie unb bie toalbbaulidje. 3n 93eaug auf forfipolitifclie fragen
654 Spfeit-
mar er ber erfte gorftmann, toetc^et — im öegenfatje <ju ben Vertretern ber
absoluten f^oxfitjo^eit — auf bem Soben be3 ©mitbyfdjen ©nftemä ftetjenb,
freieren sÄnfdjauungen rjulbigte. %m ©egenfatje ya ©. 2. |>artig mieS er mit
(£ntfd)iebenf)eit auf bie Unrid)tigfeit ber S$irtf)fdjaft be§ größten 9ftaffenertrage§
J)in unb betonte ^uerft bie 9totrjroenbigfeit br§ 33etrieb§ Ijöcrjfter Rentabilität. 6r
mar fid) aber — infolge feiner mangelhaften mattjematifdjen ^enntniffe — nidjt
Etat über bie Sonfequenjen feiner gorberung, benn alä ^3refjler fpäter bie SSege
jur ütealifirung biefeä *princip3 jeigte, trat er fjieräu in Dppofition. Ueberrjaupt
öermidelte er fid), ba er ju menig grünbtid) unb ju rufet) arbeitete, namentlich
Ui ber SBürbigung ber tmlf3roirtt}fd)afttid)eu (Seite be§ forftüdjen ©emerbcä in
üielfactje Söiberfprüdje , metd)e it)m mand;e titterarifdje ger)be aujogen. %n
malbbaulidjer SSe^iefiung ift „Sie beutfdje ."pol^udjt" al§ feine befte Seiftung
ju be^etdjnen. 2)iefe3 (tetjte) Söert repräfentirt gemiffermafjcn ba§ $acit feineä
ganzen forftlidjen SöiffeuS unb .ftönnenä; e§ ift ber @itxact ber gefammten foift=
miffenfdjaftlidjen Vibliotljef, meldje er in einem tjalben $ar)rf)unbert in bie SBett
gefcrjtdt t)at. 9lm au3füt)rlid)ften tjat er tjier unb in anberen matbbaulidjen
©cfjriften bie norbbeutfdje $iefernmirtt)fd)aft berjanbett. ^n ber 33orfenfäferfrage
tjulbigte er — geftii^t auf bie ßeljren be» alten Werften — ber richtigen 9ln=
fid)t, bafj ber Sßorfentäfer, menn mau itjn ungeftört fid) entmicletn laffe, julefet
audj ganj gefunbe Veftänbe angreife unb fcfjüefjlid) ju tobten öermöge. S)ie
ßnergie, mit roeldjer er in ben bezüglichen ©treit eintrat, mar Vcrantaffung,
einer neuen ©pecieä ben Hainen Bostrichus Pfeilii beizulegen. SDer 3öatbfelb=
baubetrieb jätjlt itjn ^u feinen (Segnern. ©eine 9lnfdjauungen in ber forftlidijen
Unterricrjtäfrage machten berfd)iebene äßanbtungen burd). 2lnfang§ für ben
forftlictjen Unbiüerfität§unterric£)t eingenommen, üertrat er zulefet ba§ s4kincip
ber ifolirten gad)fd)ule, meiere feine allgemeine 23ilbung geben bürfe. angeregt
nacr) ben mannigfaltigften Richtungen tjin l)aben f. 3- °tte *>iefe ©djriftcn; aber
e§ geljt itjnen bodj ber nadjl)altige 2Bertf) ab , meit *ß. nid)t im ©tanbe mar,
frjftematifcf) unb mettmbtfcrj ju arbeiten, unb meil er — frembe Seiftungen miß1
adjtenb — alleä auä fid) fetbft t)erau£ eutmicfeln mollte , anftatt auf ben toon
ttjeoretijct) beffer gefdjulien gadjgenoffen gelieferten fjfunbamenten meiter 311 bauen.
Um 9tad)roirfenbe§ ju liefern, reidjt aber blofje ©enialität ot)ne pofttibeä äöiffen
nidjt au§. 2öenn ty. trotjbem lange $eit auf bem ©ebiete ber gorftlitteratur
eine tonangebenbe (Stellung eingenommen ^at, fo erflärt fid) bie§ rjauptfäd)tid)
burcl) bie rüdfid)t§lofe Verfolgung gegnerifd)er Ueber^eugung mit fd^arfem ©potte,
melcrje iljm faft ein Scbürfnife mar. %n feinen „ßritifd)en blättern" marf er
iebem anberö ben!enben 5lutor ben 3fer)bel)anbfc^u^ l)in, tiefe fid) aber teiber
bann nid)t auf meitere Söerttjeibigung einer einmal angeregten (Sontroberfe mit
miffenfe^afttic^en Söaffen ein, fonbern mürbe tjödjften§ perfönlid). 23on |>auä
au§ mar s^. eigenttid) gar nidjt fritifcl) angelegt, benn e§ fehlten itjm grünb=
lidje Silbung, Üiefpect bor ben miffenfdjaftlidjen arbeiten Slnberer unb Dbjectibität
im Urteile; aud) frantte er — jumal mäb.renb feiner S)ocirjeit — etma§ an
Eigenliebe. 5lber feine gemanbte unb namentlich ben (Smpirifern fdjmeidjetube
(jünftige) ©direibmeife , feine maffenfjaften unb oft feljr berben 2lu§fätte, fein
beifeenber |>ot)n unb feine ©efdjtdlidjfeit , einzelne ©cb^mäerjen feiner ©egner
r)erau§3ugrcifen unb fid§ in fattyrifetjen SGßenbungen hierüber 3U ergeben , ber=
fdjafften itjm [tetg ein grofjeä Sefer= unb ßadjerpublicum. sJtur menige
roagten feiner oft red)t feilten, ja fogar ben ©actjberrjalt entfteltenben , aber in
äöorten fdjarfen «^ritit ju miberfprec^en. ©0 fdjmetterte er namentlidj manches
jugenblictje, eben aufftrebenbe Talent 3U SSoben unb r)at bab^er al§ ^rititer
(SHejet nannte irjn fc^erjtjaft „Zeus oninipotens Ebei^valdensis!") bielleictjt
meb^r gefetjabet at§ genügt, ©eine 3lufeenfeite mar audj) im münblidjen SBerfetjr
$fttt 655
rauf) bod) roat er gegen feine ©d)ütet geregt unb fogat toorjtraottenb, toenn et
beme'tfte, bafe fte es mit itjten ©tubien etnftlid) meinten, Wetrrere Drben§aus=
3eid)nungen fd)tnüdten feine Stuft; aud) mar et TOglieb ja^teict)et getestet
Sereine. Seine ©d)üler (et unterrichtete beten roätrcenb emet 38iät)ttgen 2et)t=
trjätigfeit im ©anjen 1272) unb greunbe festen itjm au? bem ®ambad)ifopie
(bei Xtjate), feinem Siebtingiptä^djen, ein ©enfmal, roetd)e§ am 3. 3ult 1865
enthüllt mürbe, «öle^r als biefei äufcere (ätinnetung^ei^en wirb abet ben
fünftigen ©efd)led)tern baijenige $en£mat eraätjten, toeld)e§ fid) biefer immerhin
bebeutenbe unb eigenattige gorftmann in feinen SBerfen fetbft gegtunbet f)at.
Äritifdje Stattet Tut ftotft= unb Sagbtoiffenf^aft , 27. Sanb, 1. ^>ert,
1849 ©.135 (Sie Sefoeit); baf. 33. Sanb, 2. fieft, 1853, ©. 186 (Sic
Setnaeit): baf. 41. Sanb, 2. fieft, 1859, ©.98 (Sie Sociraett) ; baf.
42 Sanb, 2. fielt, 1860, ©. 1 (3um Slnbenfen an «Pfeil, öom f. preu|.
Gorpiaubiteur TOatcatb); baf. 45. Sanb, 2. fieft, 1863, ©. 197 müdbtide
auf bie forftltctje periobifd)e Literatur ic, öom Dbetforftratf) öon »ctg). —
allgemeine gfocfb- unb 3tfgbaeitung , 1859, ©. 441 (£obe§nad)ud)t); , baf .
1860, 6. 115 CSeraeict)niB feinet ©Triften); baf. 1861, ©. /9 (üteplit
Dr Sbeobor fiartig'e, gegen ©runert gerietet); baf. 1874, ©. 28y («Pieil 8
Sefolbung in CXatotatr;, b. SB. «.); b^ 1879- ©• 40S (»«trftge aur $to-
grapbic «Bicil'g roärjrenb feinei «Aufenthaltes in ©ebcjnn unb Satolat^i. —
Sof» 3eitung, 1859, 9tr. 226 (ftefrotog, öon gtafeebutg). - ©Reibet,
Sollt- unb Sagbfatenbet für «Preußen, 1860 («Racrjrul). - Serrjanbtungen
ber 21. Serfammtung bet beutfd)en 8anb= unb ftorftwtrtrje 18b0 -
3Ronatfärift für ba§ goxjfc unb 3agbu>efen, 1860, ©. 2 ^a|eburg). -
©tunett gotfUe Stattet, 1. fielt, 1861, 6. 1 »fett , feine © deutet unb
bie ftorft^erjranfialt au <Jteuftabt=<£bexän>atbe nad> feinem a.obe) ; baf. 2. fieft,
1861 ©. 223 (fiampf gegen 2Binbmfi$len; gegen £t)eobor fiarttg gerietet);
baf 3. fieft, 1862, ©. 202 (Had&ttag au $Teü'8 ©dnilern). - »wd|au«-
eonöetfation^etifon, XL Sanb, 11. Sluft. ©.609 - 8fraa8 ©eld^te
bet Sanbbau- unb gotfhDiffenfäaft, 1865, ©. 492 493, 558, 559, o 60 unb
606. — gt. ö. ßöffel^olä-Golberg, ftorftltcrje (Irjreitomattne , II, 6. 319,
Sir 687 u. 638; ©.320, Sem. 265a; baf. III, 16. 683 Sem 761b;
baf IV ©. 345 (Mträge, Grgänaungen unb Serbe^rungen) ; ha). V, l,
© 15 9lr 69- © 57 5Rt. 213 unb ©. 67, 9ftr. 251. - ©• ö. ©cfroataer,
Siograpljieen, ©.21 (als Sobeitag urirb untätig ber ± . Dctober 1858 1 ange-
geben). - «Katjeburg, 5or|tmiffenfd)afttid)es @^Ttpetterleiifon ©. 899 -
Sernf)arbt, ©efd)id)te bei äBalbeigentrjumi ic, II, ©• 2o4 279 290 294
337, 364 397, 401 unb 402; baf. III, ©. 66, 88 129 ^1 153_ 161
bi§ 184 (Sioarapbie) 220, 228, 232, 240—242, 245, 260, 272, 285,
287 297 302-30i; 322.'323, '327, 328, 333, 335, 336 347 848, 350
353' 358 392, 395, 396 unb 400. 3ubeid), Seutfdjer tfotjt. unb
3agb.fialenbet, 1876, IL Sanb, ©. 5 (3ubei$). -- ®. 8. ©attig ,2eW
füt Säget, 1. Sb., 10. «ufl. 1877, ^etauegegeben öon Dr. %% fiatttg ©. 27.
- 9tot^, ©efdiidite bei gotft- unb Sagbmefeni in Seutdjtanb ,©• 651-
3eitfd)rit für g?orft- unb Sagbmefen. 15. Sanb 1883, ©. 288 (^eit S
|ri S lOOiä^riger ©ebuttitag). - fie&, ßebenibilbet ^ctö orragenb er ^orft-
mannet ic, 1885, ©. 269-274. fiiet finbet n4 aucf) bie bai ^entmal
betteffenbe Journal = 2itteratur («uffotberung 3U Setträgen, Seraeidniifi ber
Seiträge, giectjnungiablage, (Sn^üttung bei ffienftnalB ic) öeraetdjnet.^^^
Isfcü: Sodann (Sotttob Senjamin 5p., ^rijtnettet (ni^t ju »er-
»ed)felu mit bem «ßtebigei ^o^ann ©eb^arb SPfeU. roie feit teufet *i» 18/8
656 $feil.
tjäufig gefd)er)en ift), mürbe geboren ju greibcrg ben 10. ftobember 1732, genofj
feine ©timnafiatbilbung in Stjemnitj unb ftubirte feit 1752 $ura in Seip^ig,
rooljin er 1763 nad) einem un§ entjogenen 2itteraten= unb ^nformatorleben aU
«gjofmeifter beä jungen gfreiljerrn kaxl Sluguft b. ^riefen 3urüdferjrte. 9lm
©djönfopndjen 2)tittag8tifdj lernte irjn ©oettje fennen unb empfing oon $.
ftiliftifdje Anregungen, roofür ifjm in „5Did)tung unb äöarjrrjeit" (Tempel 21,
52 f.) ein SDenfmal errietet roirb. ©einen Vornan erroärjnt ©oetfje fdjon in
einem Seliger 23rief an ßornelie (@oett)ejaljrbud) 7, 17). 1768 jum Dr. jur.
promobirt, rourbe 5ß. balb barauf 3"ftiäanitmann 3u 9tammelburg im £>ar3, roo
Qrriefen'S begütert roaren, Ijeiratfjete ^otjanna ©rofi (©rofjin) au§ ßeipjig, bie
am 17. Stuguft 1777 ftarb unb 3toei Äinber rjinterliefj. 2tm 29. ©eptcmbcr 1778
fdjlofj ty. eine neue 6tje mit 6öa Glara ^otjanna fieonarbine ©ödingf, be§
befannten 2id)ter§ ©djrocfter (f am 5. SDecember 1792). ©eine jnjeite ©attin
brachte itjm ein anfetmlidjeä Vermögen unb gebar fieben $inber, bon beuen
<5riebridj äBilljelm ßeopolb (f. o. ©. 648) fict) ata $orftmann einen tarnen ge=
madjt unb burd) ben Sluffatj „©oetfje'g (Sfjarafteriftif be§ 2Bud)fe§ ber 6id)e"
(Äritifdjc Sßlätter für 3forft= unb Sagbroiffenfdjaft XXXVII) bie @oetf)etitteratur
bereichert tjat. $n bem gaftlidjen ©djloffe föammelburg ift aud) Bürger mit
greunb ©ödingf eingeteert. 9Uö „roofjlbeftattter Ijodjfreirjerrtid) ^riefifd)er unb
rjodjgräflid) £)opfgart=©d)aurottifd)er Amtmann be§ rooljllöblicrjen 2tmte§ 9tam=
melburg" ift ty. am 28. ©eptember 1800 ptö^lid) einem ©d)lagflufj erlegen unb
am 1. Dctober auf bem narjen ftrieäborfer J?ird)f)of beftattet morben.
©eine fpäten, 3. Xtj. mastirten ©driften iuriftifdj=cameraliftifd)en unb tt)eclo=
gifcfjen SfnrjaltS berühren un§ nidjt. 9tber ^. berbient einen $lat$ in ber ©efcfjidjte
ber tion Grngtanb infpirirten, in 5Deutfd)lanb burd) ©eitert eröffneten bürgertictjen
2)idjtung. 1755—57 erroeift er fid) frudjtbar unb fudjt bie füt)renben ©tfmftftellcr
fofort burd) Häufung unb Sßerftärfung, b. (). Sperrung ber 'üftotiöc 3U übertrumpfen.
„9ftifj ©ara ©ampfon" erfcrjeint 1755 — % öeröffentüdjt in ben mit ber
englifdjen Sitteratur Itcüäugelnben, aber ganj fritif= unb r)altung§lofen „bleuen
Srtoeitcrungen ber (hfenntniä unb be§ Vergnügens" ©tüd 31. einen Sluffatj
„Vom bürgerlichen £rauerfpiele", ber tuet SSerfetjrteS unb einiges ©ute enttjält.
5ß. bcferjbet bie „9Jtorbgcfd)id)ten" ber (Snglänber, alfo SiÜVä, mit itjrem ©algen,
berlangt 2tu§fd)lufj be§ niebcrn Sßolfes, oertritt eine ftarf moralifirenbe Senbenj
unb nennt ßafter bie .£>auptquellc tragifdjer Vegebenljetten. ©ein Qjempel
baju tjei^t „ßucie Söoobbit", auöbrüdüd) aU „ein bürgerüd)e§ Srauerfpiet in
fünf |)anblungen" bejeidjnet, als „eine ©crjrüefter jur ©arab/ au§gefd)idt, 1756
in ben „bleuen 6rroeiterungen" ©tüd -42. (3>uni) unb feparat erfduenen, roieber=
Ijolt 1769 im „2t)cater ber S)eutfd)en" III. unb im ©d)neiber'fd)en 33crtag
ßeipjig 1786 (Xitel: 1787), 1787 öont Serfaffer al§ „unreife^, längft ber=
bienterroeife üermoberte§ ^robuct meiner Sugenbiatjre" berurtrjcitt , aber 1756
burd) grofjen S^eatererfolg (3. S3. 3ldermannö in Sandig) augge^eiclinet (bgl.
5leue ©rroeiterungen ©t. 48.). Sngtanb ber ©cfjauplat). S)ie Söirfung liegt in
©reuein, bie ty. 3. 21). ber antifen Xragit caritirenb abborgt. £u befannten
ßonflicten — eine fd)roangere ©eliebte, 2)oppetneigung, 5ßer3id)t ber ^weiten —
treten fraffe Ulotibe: unroiffenttidje 33lutfd)anbe , Vergiftung be§ Sitten burd)
fein unet)elid)e§ Äinb roegen ftittfdjroeigenber 93erroeigerung be8 5Bunbe§, 6nt=
Ijüllung bei ©etjeimniffeS burd) einen -gmuifreunb ; Sucie betennt fid) al§ Sater=
mörberin, erbotctjt erft bie bekommene 3ote S3cttt) al§ Slnftifterin unb bann fid)
felbft, it)r Sruber unb 33ut)le toirb röatjnfinnig. ©out^roell entfprid)t bem alten
fd)toad)en ©ampfon, ^arl bem ^Rellefort, Sucie ift ein übleS 3lmatgam au§
©ara unb ^arrooob, Slmalie eine blonbe £ugenbprin3efj nad) 9tid)arbfon§
9Jtufter, iljr 55ater Robert ein farbtofer SSiebermann, ^acob ber üblidje 2Roral=
SPfeitföifter. 657
rebner in bet Sibree, iBettt) bie roeiblicrje Gontraftfigur. S)ie (Sintjeit ber 3eÜ
unb beS DrteS ift betDafjrt , bie Spracfje nictjt fo breit roie in ber „Sara".
Robert fcrjliefjt: „Somm, meine 5lmalia, tajj un§ mit einer ftiflen dljrmrcrjt
bor biefer ©erecfjtigfeit gittern , bie aucr) bie geringften 3)erbrect)en nidjt unge=
rod)en täfet. Safe un« aus ÄartS unb SudenS unglücfticfjem Seifpiele lernen,
bafi bemjenigen baS größte Softer nicfjt roeiter ju abfcrjeulicb, ift, ber fid) nictjt
fcrjeut, ba§ attergeringfte auszuüben."
2Bie „Sucie" aur „Sara", fo bert)ä(t fid) „bie ©efd)id)te be§ ©rafen
bon %" (Seipjig in Sanfifdjens" 23ud)t)anbtung 1756, gleichfalls anonntn,
röieberf)ott aufgelegt) au ©etlert'S „Scf)roebifcr)er ©räfin". ÜJcit einem Seiten«
t)ieb gegen (hebttlon nennt ty. in ber SBorrebe biefeS $d)romanS 9tid)arbfon
unb 5ßreboft feine 2Jtufter. 2>aS 21)ema ift „Sd)mad)t)eiten beS menfd)=
Itcfjen ,§>eraenS" in ifjren abenteuerlichen Qfotgen au fcfjitbem. £er -£)etb, ein
junger fäcfjftfcfjer ©raf, nictjt fd)led)t, aber bjattloS, erlebt in ftxantxeid) unb
Sad)fen bie berroicfettften Siebesmirren, wobei ein *ßenbant aur unbergängtidjen
9)canon SeScaut fid) breit mad)t. Reben ii)m ftefjt ein ibeater IDletitot unb
ein ebler ©ngtänber, ber aucr) SöunberjameS burcfjgemad)t t)at unb jpäter gleid)
feiner ©attin unb einer einfügen tugenbrjaft gefallenen ©eliebten bes unter
furchtbaren gfawilienintriguen batjeim berfjeirattjeten ©rafen fammt ifjrem Sofjne,
ber nun beinahe als moberner OebipuS bie Butter freit, nad) 2)eutid)lanb ber=
pfianat toirb. ®aS ähicfj ift biet r)anblungSreid)er als baS ©eüett'fcrje, baS ifjm
jum 5)cufter gebient t)at , füt)rt aber bod) einen SBattaft oberftäcb.Ucijer et^ifc^er
Dreflerjonen unb fetjt fid) mit etenber 23erfö£mlid)feit über alle SluSfcrjroeifungen,
Ordnfe, 9Jcorbanfcfjläge u. f. m. fjinroeg. @S folgten 1757, gleichfalls anonnm, bie
bon Sßietanb angeregten „2}erfud)e in moralifctjen grjätjtungen", bie nict)t nur
metjrfad) aufgelegt unb nactjgebrucft, fonbern aucr) in granfreicrj bon 'HJcercier
geplünbert rourben (Le sauvage), roogegen $. im Januar 1787 öffentlid)
proteftirte.
b. Sßiebermann, ©oettje unb Seipjig 1, 71 f. (Silhouette $feit;S, Seipj.
^lluftr. Seitung 1884, 9cr. 2147. „Sd)attenbitber au» ©oetb>'S Seipaiger
Stubienjatjren" an a<^nter Stelle). — Sauer, 3. 2S- ö- 23rame, Duetten u.
^fOtfcrjungen 30, 1878, S. 82 u. ö. mit ber aud) bei Äoberftein 5, 89, 365,
©oebefe, b. Soeper, Sünder auftretenben 2Serroed)Slung. — ^ttt Ätarftettung :
©oebefe, 3lrcftib für 8itteraturgefd)ict)te 7, 524 ff. unb b. Soeper ebenba 8, 223;
$röl)te, 5ßoffifct)e 3eitung 1879 %lx. 21. Sonntagsbeilage 3h\ 3.
©riet) Sd)mibt.
^fcilfdjiftcr : ^o^ann SBaptift b. $., Sitterat, geb. am 27. September
1793 ju ©Öfen bei Gtjam, f am 16. 5Jiobember 1874 au ftegensburg. DZact)
2tbfo(birung be§ ©nmnafiumS 3U Straubing ftubirte er 1810—13 ju Sanböb^ut,
barauf ju 5j|ünc^en ^tjitofopb^ie , ©efc^ic^te unb 3ura. ®* fing feb^on at§
Stubent an ju fcb)riftfteHern. 1816 ging er 3u ^. 'Spotte nad) Starau, mar
eine 3eit lang Mitarbeiter ber Slarauer 3eitunQ/ 0Q"n oe§ 3" Sßeimar erfdr)ei=
nenben „£)ppofitionsbtatte§", arbeitete aud) für Srocf^aus' 6onberfation5terifon
unb bie „3eitgenoffen". 1817 begrünbete er bie 3eitfcfjrift „3eitf Urningen",
bie erft ju 3ena, bann ju Seip^ig, autelt au tfranfjurt a. W. erjcb.ien, b>r im
September 1819 in 2. 35örne^ ^)änbe überging, bann aber balb unterbrücft
mürbe (f. 91. ©. SS. III, 167). 1820 machte er eine Steife nad) £otlanb,
grantreid) unb Spanien unb coriefponbirte bon b^ier au§ für bie Slugsburger
„3tagemeine 3eitung". 1822 nact) ^ranffurt aurücfgeteb^rt, grünbete er bie 3eit=
fd)tift „S)er Staatsmann", meiere feit 1831 at§ „3ufcfjauer am ÜJcain" bis
1838 erfdjien. @r bertrat fortan eine ftreng conjerbatibe unb noeb^ ftrenger
2Ül9em. beutft^e IBiograpfite. XXV. -42
658 ^feilfdjmibt — ^fenninger.
fattjotifcfje Didjtung. 1825 erhielt et öon bem fattjotifd) geroorbenen <£)erjog
gerbinanb öon 9lnt>alt:.ftötl)cn (f. 91. 2). 03. VI, 671) bcn Xitel ßegationsratp
unb 1829 mürbe er üon bemfelben geabett. 93on 1830 bis 1840 lebte er meift
im Sommer in 9lfd)affenburg, im Söinter in 931annt)eim , üon 1841 big 1851
in äöttrjburg, bann in Sarmftabt. SDer 1829 öon ifjm unb 2lbam ü. 9Rütter
(f. 21. 2). 93. XXII, 501) begvünbete „Sitteratttf unb .tfitd)eu = (£orrcfponbent"
ging nad) sJJtüücr's Ueberfiebelung nad) 2Bien balb roieber ein. 23on 1831 bis
1837 mar er ber Jpaubtrebacteur ber 2lfd)affenburger „ Wat()olifd)en Äirdjcnjeitung",
üon 1837 bis 1841 bes „.fterotb bes ©laubens". 1837 bis 1839 gab er and)
ein retigiöfes £afd)enbud) „Göleftine" b,eraus. @r fdjrieb aud) für ben „Äattjotif"
unb anbcre ^eitfdjriüen unb üeiöffentlidjte flttnfdjcn 1830 unb 1846, ttjeilroeifc
anonvjm ober pfeubontim, eine Steige Don f feineren ©djriften, u. a. „2)enfroiirbig=
feiten aus ber Ö5cftf)icf)te ber Meoolution in ©panten", 1836; „9Jlittb,eitungen
aus ©panien", 1837 ; „93etrad)tungcn ü6er bie Devolutionen in ©panien, ^ox*
tugal" u. f. ro., 183;»; „Sßolitifdje ©tubien", 1839; „93iograpr)ien benfroürbiger
Sßriefter unb ^Prälaten" uub „^apft ©regor XVI.", 1846 (beibe unter bem
Tanten $• ©. 9Bagner). yJtad) langer Uuterbred)ung Deröffentlidjte ty. 1861
bas erfte 93äubd)en eines „93aierifd)cn ^Uutard)", bem aber fein ^mcites folgte.
@r übernahm bann Tür einige ^eit bie iKebaction bes ,,3Bcftfätifct)en 9Jterfur"
unb üerfndjte bie 93cgrünbung eines „$atf)olif dien fttr$enMatte& . Ter (Srrolg
feiner fd)viftftellerifd)en £t)ätigfeit entfprad) nid)t [einen (hmartungen. 9Jon feinen
©cfjriften l)at feine einen bleibenben 9Bevtl).
2JI. ©tü$l, ©efd). ber fattjolifdien Literatur £cutfd)lanbs, 1854, 6.792.
— ßiterarifdjer .£)anbtueifer 1875, 20.
Deufd).
^fetl|ri)HÜöt : 9lnbreas Sß., beutfdjer 2)ramatifer , aus Bresben, ©eiger
unb 93ud)binber ju ßorbad) , üerfafjte ein 'ünfactigee. Btamo öon ber ßflljer,
bas öon ber 93ürgerfd)ait in Sorbad) aufgeführt mürbe I (jftanffutt a. 9Jt. 1555)
unö in ffötn eine neue 9luffül)rung burcf) bit bortige SBiirgerfdjaft erfuhr, tooga
ein anonymer Deubriuf öerauftaltet muvbe (©trafeburg 1581). 2)er 9Jeifaffer
beuutjt jtoar bie biblifdje 93orlage, aber nid)t fo fctaüifd) als £>ans ©ad)S unb
SJoitti; bafjer foinmt bramatifd)e ^'ebenbigfeit in bie ^anblung, bie befonbers
burd) 9Jorfüt)rung oon ©aftmäfjlern crt)öl)t mirb 2)ie Xeufcl üben itjre 3QÖttf=
famfeit an ben beiben Kämmerern, bie einen 9lnfd)lag auT bas Beben brs .ftönigs
mad)en , finb aber bem üerbrcdjerifdjen Jjpaman gegenüber madjtlos uub muffen
öor bem gottesfürdjtigen ©inne Ittarbadjais unb (Sftljers meidjcn. £)ie einzelnen
©cenen werben burd) 93ül)uenanroeifungeu fenntlid) gemad)t , ber bramatifdje
9Iufbau ift etma« breit, nameuttid) leiben bie 9lrguiueute au übergroßer 2lus=
fütjrlidjfeit. 3>n ber elften 9lusgabe finbet fid) am ©djlufj ein afroftidjifdjes
©ebidjt auf bie ©räfin 9lnaftafia öon Söalbetf , bev aud) bas S)rama gemibmet
ift, mäf)renb bie jtocite Ausgabe am ©d)lut3 ben 124. ^}falm in ber S)id)tung
bes ^uftus 3onas (2Bo ©ott ber jperr nit bei uns fjätt) enttjätt. ^ür bie
(Sefd)id)te bes bcutfdjen S)ramas ift 5|J. infofern öon 3Jßtd)tigfeit , als er nid)t
bem gelehrten , fonbem bem bürgerlidjen ©tanbe angehörte unb roal)rfd)ein(id)
aud) bie mit ©efeEen unb 93urfd)en öeranftaltete 2luffüf)rung feiner „6ftt)er"
felbft leitete. 5Das ©türf mürbe öon 3Rarcu8 Pfeffer (1621) faft ganj aus-
gcfdjrieben.
©oebefe 2, 362. #. $o Ift ein.
^feiuiiugcr : 3fol)annes ^. , IDtater unb ©ted)er, geb. in ©tära am
20. Februar 1765, f ^u 3üxi&) am 81. Secember 1825. ^. t)atte bas Un=
glüd, fein Sebentang unter ber 9Jtasfe ber 5Itenfd)enfreunbtid)feit öon feineu
ipfennitiger. ■ 659
Hftitmenfcfjen ausgenutzt 311 werben. $aum actjt 3at)re alt, 1773, fam er 3u
feinem ©ebatter ^otjanneä ©djultljej}, ber Hafner in ©täfa War unb bie fünft=
lerifdjen Einlagen be§ Änaben entbedte. 33ei ic)m lernte er bie s<!lnfang§grünbe
im ,geid)nen, ging aber nebenbei immer nod) jur ©d)ule. @r erhielt SSfätter
unb 33lumen 3U copiren, unb fd)on nad) Verlauf eines 3at)re§ ernannte ber
.^afnermeifter ben Knaben 3U feinem Ofenmater unb fonnte be§ eigentlichen
©efetlen entbehren. ^. berbiente jetjt wödjentlid) etwa einen ©ulben unb mufcte
nad) Lüftern bon 2lug§burger unb Nürnberger ßubferftidjen arbeiten. (Srft ber
1778 erfolgte £ob be§ «UlalerS ßötta in ©täfa unb ba§ ©tubium feiner SBerfe
liefj ben anget)enben Jüngling bie ©ntbedung mad)en, bafj e§ nod) etwa§ JjpötjereS
a(§ bemalte Cfenfadjetn gäbe unb fpornte ir)n 3um 2öeiterftreben an. ©ein aBunfd)
ttmr, bei fjüfjli in Q&xiä), oem 33ater bon SRubolf unb £etnrid) ftüfrli, in bie ßet)re
3U treten; güfjli jebod) riett) 5ß., trofc feinel Talentes, ^auptföd^Uc^) ber großen
Soften tjalber, entfd)ieben ah, sJJtaler 3U werben, ©arouf nahmen fid) 3catfj§t)err
Dr. ßabater unb Pfarrer ßabater 5pienninger'3 an. Sefeterer lub it)n 3U fid)
ein unb macrjte ben bergebtid)en 23erfud), tl)n in flöten bei Sib§ unterbringen,
dürft im ©ommer be§ folgenben 3at)re§ gelang e§ Ujm, ^. bei feinem ©d)wager
©djmott in Urborf 3U blaciren. ©ort cobittc er *ßrei8ler'§ Anleitung 3UC
3eid)enfunft unb übte fid) im Stufdjen; baneben würbe eifrig, für ba§ ©ebenen
ber Äunft 3u eifrig, gejagt, ßabater. bem bie geringen $ortfd)ritte ^fenninger'3
auffielen, entfd)tofj fid) balb, ben jungen ßünftler gan3 3U fiel) 3U nehmen. 93ei
irjm follte er btjrjfiognomifdje SDinge 3eid)nen lernen unb aufterbem bie ©teile be§
©ecretät§ berfetjen. Watürtid) brängte ba% ©djreiberamt noct) met)r at§ ba§
Sagen bie $unft in ben ^pintergrunb, unb *J3. fonnte Jdjliefjlid} noct) bon ©lud
fagen, bafc fein geteilter ^rotector, auf fein bringenbeä Sitten tun, itjm Wenig*
ftenS gewährte, täglidj 3Wei ©tunben bei ^Srof. 33uttinger 3U nehmen. 3wei
boHe ^atjre ift s£. im §aufe ßabater'S geblieben, bann bejog er eine felbft^
ftänbige äöotjnung unb gab Unterridjt unb 3eid)nete ©djattenriffe für Sabater'S
^tjtjfiognomif. ©0 trieb er e§, bi§ ein in Saüatcr'8 -gmufe wotjnenber $nx,
9trmbrufter, ben Äubferftedjer b. 9)ted)el beftimmte, it)n mit nad) 53afel 3U
nehmen. Üieue Hoffnung, aber fein neue§ Seben! 3n SSafel tjatte er 3War bie
greube, mit Männern wie ,*pübner unb ©metin 3U berfet)ren, inuBte im übrigen
aber, 3U feiner Söerjröciflung, bom borgen bi§ 3um 2lbenb illuminieren unb
in ber 3mifd)en3eit für £abater fortarbeiten, auf beffen SJerwenbung l)in er bann
nad) 3Wei Sauren Wieber nad) 3üx\§ enttaffen würbe. &mfyt 3UtücfgeE_ec)tt,
Würbe er abermals bon ßabater ins $oct) gefbannt unb ging mit it)m auf bie
©ud)e nad) neuen te^nifdjen S3erfat)ren. ®ie 2Bad)§materei lernt er burd) Sip§
fennen, in ber Ölmalerei giebt it)m ^rof. Söürfd) au§ ßu3ern Einleitung, ©ein
erfter Sßerfucl) war ba§ SSilbnife feine§ 35ater§. (Sinen ereigniBbollen 2öeube=
bunlt in feinem ßeben be^eidjnet ba§ ^ar)r 1793, in Weldjem er — e§ War im
Nobember — über ben ©ottljarb nad) s)Jtaitanb unb 5com 30g, Wo er bie @r=
morbung 33affebiHe'g mit erlebte. 9taftlo§ 3eid)nete er je^t im SSatican nad)
ber Slntife, 3. 35. ben $obf be§ VLpott bon 33elbebere (,f?ün|tlergut ;]uxid).
^aterbud). 93b. 6. 53latt 22) unb bie Saotoongrupbe. 2tuBevbem berfud)ie er
fid) at§ Öanbfctjafter, im Entwerfen eigener ßompofitionen.. in ber sminiatur=
materei unb als ^üuftrator. 6arfteu§ unterftü^te it)n mit feinen 9latt)fd)(ägen,
unb fo Wäre er, Wenn Italien ifjn bauernb t)ätte fejfetn fönnen, fdjüefjlid) bod)
nod) ein tüchtiger unb angefetjener ^Jleifter geworben. Mein bie unfidjereu
a3erf)ättniffe trieben $. 1799 bod) wieber in bie ©d)Wei3 3urücE. S)te 9lüdreife
bauexte 3el)n äöodjen unb würbe gemeinfam mit bem Stuttgarter ^artmanu unb
bem berliner Äuf)beit au§geiüt)rt, ben ©lanjpunft berfelben bitbete ein längerer
42*
660 SPfewtinger.
2tufentt)att in Perugia unb g-lorenj. $n ber £>eimatt) mar 5ß. tialb ein ge-
fügter Porträtmaler unb Serjrer. @r porträtirte biete Officiere brr öfterreidjifdjen
2lnnee, j. 33. ben gelbmarfdjall ©rafen b. -Jpabbid; fein befter ©d)üler ift-
©oniel Gilbert greubmeiler gemefen. 5ß. mar aroeimal bett)eiratr)et unb t)atte
au§ beiben 6t)en £inbcr; ein ©d)tag machte feinem Seben ptö^lid) ein @nbe.
5Die Sßerfe Spfenningcr'S lernen mir am tieften im ß'ünfttergute ju Qi\x\ä)
fennen, roofelbft im ahmten ©aale be§ @rbgefd)offe§ (sJcr. 11) fein £>auptbilb, bie
23ermät)lung be§ jungen £obia3, tjängt. S)er Sntrourf ju bemfelben, in 2öaffer=
färben ausgeführt, tiefinbet fid) im 5. 23anbe be§ 9)calerbud)3 (23tatt 10). 23on
3>ltuftrationen ju Seiner nenne id) bie ^tnfunft be£ erfteit ©djifferfi in ber
-Ijpütte ber ©emira unb lUcliba (9Jtalerbud) , 23b. 4, 231. 19, Jheibejeidjnuug)
unb 2lbam unb (Jüa bei ber £eid)e 9IbetS (Waterbud), 23b. 5, 231. 35, ©epia).
3)em 23itbnifj be8 3bt)üenbid)ter§ begegnen mir im 7. 23anbe be§ 9Jcaleibud)6
(231. 13, $reibeäeid)uung) unb im 5. 23anb ber Jpanbjeidjnungen gürdjer
Äünftlet (231. 19, .«reibe), ©toffe auS ber l^ttjologie unb bibttfd)cn ©efd)id)te
tiefjanbclt $. im 5Dtalerbud), 23b. 4, 231. 37 (äJenuS unb 21mor, 21quarctli,
23b. 6, 231. 45 (Jupiter bei «jtyitemon unb 23auciä, ©epia), 23b. 7, 23t. 49
(Aperfuteä am ©erjeiberaege, ©epin; gehört jum 23eften bc£ $ünftter8; im $inter»
grunbe ber 23eftatempct bei ütiooli), 23b. 6, 23(. 5 (Sie 5l'°uen am ©ratie
Sefu, Aquarell ). ©crjroad) finb meiftenö feine allegorifdjen ßompofitionen , roie
j. 23. Sie (Srroartunq (9Jtalcrtiudj, Sb. 7, SSI. 29), 3>ie 23tumen ftreuenbe
Aurora PJJtaterbud) , 23b. 9, 231. 24, ©epia , ©ortbertraiien (3Jb. 9, 23(. 44,
2lquarelt), ba§ burdj ©aturn enttjültte Hntlifc ber 6efd)id)tc PMerbud), 23b. 10,
23t. 17), geiftreid) bagegen feine motjt burd) Ufteri infpirirten Satiren, ©orootjt
S)er Porträtmaler nad) ber sDcobe, infd)rifttid) 1813 entftanben (sDcalerbud),
23b. 8, 23t. 19, ©epia), als aud) £cr ©rofcmütljtgc (23b. 8, 23(. 34, ©epia)
jeugt com Junior bee> ÄünjiterS. s)cod) fei auf 23b. 3, 23t. 15 ber ^>anb=
jeidmungen $ürd)er Äünftlet (Butter mit itjrem ftinbe gen Fimmel ftrebenb,
Aircibcaeidmung), auf 23b. 10, 23t. 40 unb 23b. 12, 23t. 32 ber 2Jtalertiü<$tt
f)ingeroiefeu, ba% jutet^t genannte 23tatt, 5Da8 ©djieffat beä Gtjaron, mürbe nadj
bem Üobe Spfcnninger'S bon 2B. ^üfeti eingelegt. 23on ben bon ty. nad) eigener
3eid)nung geftodjeneu 23erträtä fei baesjenige ber 9ftab. be ßrübener, be6 5Jkof.
ber Ö5efd)id)te 3». $. Äörner unb baö 23ilbnife bon $• 3f. ^e^ ermähnt, bon
leinen 23itbern in ^ürdjer 5]3ribatbefitj ba§ .'perrn ^eftatojji^Söifer geljörenbe £)et=
gemälbe: ©ofrate§, ber bon feinen ©djülern 2lbjd)ieb nimmt. ^. tjatte Talent
unb ßiebc jur ßunft unb mar uuermüblid) fleißig; ba^ iljm bie nöttjige ^reitjeit
Tetjtte, beuteten mir fcfjon an. SebenfatlS mürbe er, roeun er im ßcben metjr
fid) felbft angetjört t)ättc, eine ungteict) t)öt)erc ©tufe erftommen fjaben.
©. 9teuiat)reblatt ber 3ürdtjer Aiünfttergef. b. 1827. — IRagter'ä Äünftler»
2ej. 23b. 11, ©. 214. — (Srfd) unb ©tutier'S 21. (Sncbjl. b. 2B. u. ^.
©ritte ©ectiou. XX, 358 (2lrtifet grenzt ). 6art %tnn
^fenntnger: 3ot)ann Äonvab ^ß., geboren am 15. 9iobemtier 1747
ju 3ürid) alg ©otjn be§ Pfarrers am grauenmünfter (Saspar $., ftubirte in
^ürid) üttjeologie unb ftanb Jobann bafetbft in berfdjiebenen geiftlid)en 2lcmtem,
5uerft an ber SEÖaifenrjauäfirdje (1775 ®iafonu§, feit 1778 ^aftor) unb r}ernad)
an ber $eter8fird)e (feit 1786). 6r ftarb, erft 44 Sa^re alt, infolge eine§
Iji^igen fyicberS am 11. ©eptemtier 1792. ty. ift befonber§ befannt al§ einer
ber intimften ^unbe fiabater^. 3roeimQ^ roar er beffen jüngerer ©pcciaU
College, 1775 — 1778 am 2Baifenrjaufe unb 1786 htä ju feinem £obe an ber
N4>eter§fird)e. Sa 2abater§ Butter (Regula) unb «ßfenningcr'g Butter (@lifa=
bett)) beibe eine geborene @fd}er maren, fo finb Sabater unb 5)3., mie e§ fdjeint,
«Pfefi — «pfeufer. 661
Sertoanbt unb bietfetdjt fetter geWefen (f. 91. 3). So. XVIII, 783 tmb ©d)lid)te*
groll, ftefrolog auf ba$ 3aljr 1792, II, 158). ^ebenfalls fjatte ßabater am
«Pfenninge^ 2lnfid)ten einen großen CiinfluB, unb $. r)at für feine Verbreitung
unb 3)erttjeibigung ßabater'fdjen Meinungen oft geinbfdjaft unb «Spott erbutben
muffen- sJteligiöfe äöarme, inniger 6ifer Tür atle§ ©ute unb @ble, berbunben
mit großer S3efc£)etbencjeit, widmeten it)n au§. @r t)at eine üteitje meift erbau»
lieber Schriften bruden laffen. Stn feinen „Sammlungen p einem djrijttidjen
9flaga}in" (1781—1783) befinben ftdj aud) gcifttidje lieber bon iljm.
ßabater, G?tma§ über «Pfenninge™, 3 £efte, 3üric^ 1792 unb 1793. —
©d)(id)tegroll, «Refrolog auf ba§ ^r 1792, 2.33b., ©otlja 1794, ©.153 ff.
— beulet, ßejifon X, ©. 396 ff. — «Jtotermunb sum Rödler VI, ©p. 15.
— Döring, Sie gelehrten Geologen 2)eutfdjlanb§, 3. 53b., Oieuftabt a. b. C.
1833, ©. 287 ff. — £odj, ®eftf>- be§ Ätr$enüeb3 u. f. f., 3. 2Iufl., 6. 33b.,
©. 512 f. I u.
$feft: ßeopotb 2abi3lau§ 5ß. Würbe am 15. ftobember 1769 5U
3fen unweit Gürbing in Dberbaiern geboren, roo fein 33ater fürfttict) grebfiug'»
fetter ütatt) unb Beamter ber #errfdjaft 33urgrf)ain war. Gsr ftubirte an ben
©dmten in grebfing unb wibmete [idj bann auf Der Unibeifttät ©atpurg erft
ber £tjeotogie, bann ber Sturteprubenj. 2luf Ginlabung be§ bamaligeu ©al^»
burgifdjen ^offanaterS greitjerrn b. Äürfinger unb beä ©tabtfrmbtfu§ ßoe§ trat
er in ©atj&urgifdje ©ienfte, toutbe 1791 2tcceffift beim ©tabtftjnbifat in ©at^»
bürg, 1793 Anwalt bafelbft, 1797 TOterfd)reiber in tamarft, 1798 Ober»
fcrjreiber in SRattfee, fam 1800 in gleicher öigeufdjaft nad) Sßaging unb 1802
nad) ©aatfetben im ^injgau. 33atb nad) ber eingetretenen Slegierungsberänbe»
xung würbe 5ß. am 1. Januar 1804 Slbminiftrator be§ «pfleg» unb 2anb»
gericrjtS >Jteuc)au3 unb übernahm am 1. ge&ruar b. $. aud) nod) bie SIbmini»
ftration be§ gleiten @erid)t§ ju ©laned unb bann bie be§ 33erggerid)t§ ju
•Oberatm. 2U3 fdt}on im fotgenben Sfatjre bie 2tuff)ebung be§ $fleggerid)t§
(SJtanecf erfolgte, würbe !ß. jum furfatjburgifdjen Ütatrj unb jum Pfleger in
9teuf)aus (Sanbgeridjt Salzburg) ernannt. 2tm 30. ©ebtember 1810 fam ba§
dürften tr}um ©al^burg an bie Ärone 33aiern unb $. würbe nun fgl. bairifdjer
ßanbridjter in ©atjburg, unb aCi am 1. 9Jtai 1816 ©aljburg wieber an
Oefterreid) prüdfiel, erhielt *ß. feine 33eftaftung aU öfterreid)tld)er 2anbrid)ter,
in Wetter @igenfd)aft er aber fd)on am 3. October 1816 ftarb. $. war ein
feljr bielfeitiger ©d)rift[telter unb Mitarbeiter an einer Stenge ^eitfd^riften, für
bie er befonberS fjtftorifd)e unb titterarf)iftorifd)e 2trbeiten lieferte. 2l(§ 2id)ter
üeröffenttid)te er „(Sebidjte" (1804), „Epigramme" (1811), „Sie Mre^eiten,
eiue Sieberiefe für fyreunbe ber 9latur" (1812), fammeite bie „3:ifd&= unb
Srinftieber ber Seutfdjen" (II, 1811) unb eine „Antkologia epigrammatica
latina, e poetis post renatas scientias ad nostra usque tempora claris". üon
Wetcfjer fd)ä^enswertfjen ©ammtung aber nur ber erfte Öanb (1805 er»
fdjienen ift.
6t. 2U. S3aaber, Sejifon öerftorbener baierifd)er ©diriitfietter. 2lug§=
bürg 1824, I. 33b., 2. 2fjeit, ©. 141.
f5fran3 33rümmer.
$feitfet: ÄatI ü. $., Slrat, ©o^n oon Sfjriftian %, 3lrat unb ehemaligem
^rofeffor ber «ölebicin an ber Unioerfität in Bamberg, ift bafetbft am 22. S)e=
cember 1806 geboren. @r fjatte juerft in ©rlangen, fpäter in SBür^burg sDcebicin
ftubirt, nadj abgelegtem Gramen längere 3*'\t al§ Slfjtftent in ber ©djöntein'»
fdjen Äünif fungirt unb war Ijier 1831 mit einer, ba§ gewöfjntidje 9Jiaa^ afa»
bemifdjer ©iffertationen weit überragenben ©cfjrift „Beiträge jur ©efd)id)te bei
Q62 SPfinßften.
^etedüaltrjprjuä" promobirt roorbcn. — 9ftit einem ©tipeubium bon ber baie=
rifdjen Regierung au§geftattet, machte er im |uTbfte bcffelbcn 3af)te8 eine Reife
nad) 9lorbbeutfd)lanb, um bie bafetbft epibcmifdj fyerrfdjenbe Spolera ju ftubiren
(ber Sömdjt über bie ftefuttatc feiner Veobactjtungen ift in ber Beilage ju 9h. 19
ber baierifd)tn SInnalen bom 3at)rc 1833 üetöjfentlidjt), unb Ijabilitirte fid)
barnad) in «Dlündjen atä praftifd)er Slr^l. — Vei bem SluS&tudjc ber Spolera
im $. 183G in Vaieru mürbe er alö 9iegierung§commiffar nad) bem bon ber
ßrantyett b,eimgefud)ten Orte 9)tittenmalb ^ur Vefämpfung ber ©cudje gefetjirft
unb im September bc§ fotgenben SatjreS erhielt er eine Slnftetlung als 2anb=
gerid)t§arät in ber 9Mnd)encr Vorftabt SAU. — 3m $. 18-10 folgte er einem
föufe als «profeffor ber mcbicinifdjen Älinif nad) 3ürid) an ©teile feincä nadj
Berlin abgegangenen Seb,rer§ ©djöntein, 1844 fiebelte er in gleidjer ßtgerifdjaft,
unb jtoat gemeinfam mit feinem greunbe unb ^üridjer Kollegen ^)enle, uadj
.s^eibelberg über, berroeitte rjier adjt 3fal)re unb übernahm bann (1852) bie
fiinifdje Sßtofeffut au ber jroeiten mebicinifd)en SlbÜjeilung im allgemeinen
Ahanfentjaufe in 9Mncr>n, mit meldjer it)tn gleid)jeitig bie ©tcllung beS är^t»
lidjcn Referenten im flflinifterium beä Innern übertragen morben mar. 9Juj
bem £)eimroegc bon einer 6rt)olung§reife, mctd)e er im Sommer 1869 mit feiner
Familie nad) ^evtiöau (am $d)enfee) unternommen tjatte, erlitt 5p. einen
©d)laganf all , ber feinem an praftifdien Erfolgen reidjen Seben am 13. ©ep=
tember ein plöfclidjeg ©übe madjte. — ty. gehört ju ben fabcutenbften ©djülern
©djöntcin'S unb ben mürbigften Vertretern ber bon bemfelben mefentlid) gcjör*
berten neueften $t)afc in ber miffenfd)afttid)en ßntmirfetung ber beutfdjeu Webicin,
btö größte Verbienft um fein engereg Vaterlaub aber tjat er fid), neben feinen
f)od)gefd)öt3ten Seiftungen alä flinifdjer Sehtet unb praftifdjer Slr^t, burd) bie
Slefoimen erroorben , meldje er in bem baierifdjen s}Jlebicinatmefeu herbeigeführt
unb mit melden er biete berattete Vornrtrjcile unb 'iJJtifsftänbe übermunben tjat;
nad) 12iäf)rigen Vemülnmgen mar eS ifjm gelungen, bie ftreigebnng ber ärat-
tieften $rarj§ in Vaieru ju erzielen unb biete neuere mictjtige Verorbnungen, fo
u. a. über bie obligatorifcfje ©djutjpocfenimpfung, über ben ©ifttjanbet, finb
fein Söerf. — 2>ie litteravifdje Srjätigfeit ^feufer'S ift eine fetjr befcrjränfte ge=
blieben; anfjer ben oben genannten arbeiten fyat er einen „Vcridjt über bie
@ljoIera=(§bibemie in TOtenmalb" (1837), fobann eine Heine ©djrift „3um
©dmfce miber bie Spolera" (1849, in 3. 2tufl. 1854), meiere, ein dufter
populärer Slarfkltung mcbicinifdjer $™9cn, CUXi 0Cl* erften ©teilen unter ben
jal)lreicrjeu, biefen ©egenj'taub berjanbclnbcn unb bamalg erfdjienenen ©Triften
einnimmt unb eine meitc Verbreitung gefunben t)at, enblid) mehrere Journal»
artifel meifl praftifdjen 3nl)altä in ber bon irnn in ©emeinfdiaft mit £)en(e in
ben Sauren 1844—1869 rjerauägegebcnen „geitfdjrift für rationelle 93lebiciu"
bciöffenttid)t. — SSRit einem reid)en poetiferjen Talente begabt, Ijat ^., ein
ft-reunb be§ 2)ic^ter§ $laten unb drbc be§ titterarifdjen 5tad)laffe8 beffclben,
„$tatcn§ Sagebuc^ (1796—1825) mit einer Vorrebe berfetjen" (1860 ©tutt=
gart) herausgegeben.
©ei^, Viogr. Sesifon ber rjerborragenbften Sieräte aller 3eiien l«nfc>
Vbtfer. SBien 1884 — 86. Vb. IV, ©. 553 (nad) ßerfdjenfteiner , 2)a§
53eben unb SCßirfen be§ Dr. Ä. b. $• 2tug§b. 1871).
91. ^irfd).
^filigftcn: ©corg äöilb^etm ty., 2aubftummenterjrer. 6r mar geboren
in ber ©tabt ßiel am 5. gjlära (ober 3. 9Jtai) 1746. ©ein Vater lebte bort
at§ Tambour. 5tac^bem er eine gute ©djulbitbung erlangt, berfucb> er in
berfc^iebener SBcife fein gortfommen in ber Sßelt. 6t mar nad) ©t. 5Jkterg=
bürg gegangen, otjne 31t erreidjen, ma§ er fudjte, fehlte nad) Hamburg jurüd,
SPfingftcn. 663
wo es i^m auct) nid)t gelingen Wollte unb etablirtc fid£) enblicfj als ^erücfen»
macfjer in ber ©tabt SübedE, roo er fid) auct) Derrjeiratcjete. 31(5 nun bie ^erücfen
aus ber $ftobc gingen, mufjte er barauf SBebacfjt nehmen, in anberer SBeife feine
gamitie ju ernähren unb Derfucrjte es äunädjft mit 2Jhifl!= unb üLanjunterrictjt.
23on £)aus aus mufifalifdj unb nameuttid) geroanbter £rommelfd)läger, marr er
fid) mit 9Jiad)t auf biefe i?unft. SDies fürjrte ifjn jur ©rfinbung ber friegerifcfjen
©ignatfpracfje. Nebenbei fjatte er Don jetjer eine befonbere Vorliebe für bie
Xaubftummen unb als fertiger £rommelfd)täger Derfudjte er es mit ©lud biefe
Äunft beim Unterridft ber Xaubftummen in Slnmenbung ju bringen. 1786
rourbe ir)m ber erfte taubftumme Zögling anDertraut unb er Derroanbte feine
gange Äraft an bie Slusbilbung beffelben. 35aburd) 30g er bie 2tufmerffamfeit
bes größeren 3ßublicums auf fiel). 1790 roarb er Dom Sübetfer 9Jtagifirat jum
Crganift unb Öefjrer im lübedifcrjen SJorfe ^amberge ernannt unb t)at fjier
acf;t Safvre ejinburef) nebenbei priDatim taubftumme Zöglinge ausgebilbet. 2>ie
3a£)l berfelben flieg bis auf neun. 1799 legte er rjier fein ©cfjutamt freiroiltig
nieber unb fiebelte nad) feiner SSaterftabt Atel über, roo er mit Unterjlflfcung
ber Regierung ein £aubfiummeninftitut erridjiete, bas buret) patent Dom
8. ^JloDember 3U einem fönigt. ^nftitut erhoben mürbe. Sie 3arjt ber 3ög^"Öe
nafjm immer ju unb flieg bis 40. 1810 rourbe bie Slnftalt nad) ber ©tabt
©d)lesmig Derlegt. $. faufte ein Haus im ^riebricfjsberg bafelbfi, bas nadjfjer
@igentfjum ber Regierung geroorben. 1809 mar als Reiter Sejjrer ber Cand.
jur. £. |>enfen itjm jugeotbnet roorben, ber ifjm fpäter abjungirt Warb, nacfjbem
er auclj fein ©djwiegerfofjn geroorben. (Später fein 9cad)fotger , geftoiben als
fönigt. ßtatsratr), ^roftffor unb bitter Dom Sanebrog am 20. 9toDbr. 1846.)
2)ie s3lnftatt, neuerbings um ein (Sjternat Dermetrrt, ftefjt nod) in 33tütf)e.
^fingften's Serbienfie finb allfeitig anerfannt. (£r roarb 1812 gum ^rofeffor
ernannt, aud) 1816 Don ber 9ßatriotifd)en ©efeüfcrjaft in 2Iltona ausgezeichnet.
1825 roarb er auf fein 2lnfucf)en penfionirt unb ftarb am 26. 9ioDbr. 1827.
#ud) als ©djriftfielter in jeinem gaef) fjat $. fid) nidjt unerrjebtidje SBerbienfte
erworben. „Sßieljätjrige Grrfafjrungen über bie ©efjörfefjler ber £aubftummen als
Söinfe beim ©atDanifiren ju gebrauchen." Äiet 1802. „©etjörmeffer ^ur
llnterfucfjung ber ©efjörfärjigfeit galDanifirter Saubftummen in befonberer ftüd-
ftefjt auf bie Erlernung ber artifulirten 2onfprad)e." ©af. 1804. „23emer=
fungen unb ^Beobachtungen über ©efjör, ©efübt, 2aubt)eit, beren Abweisungen
Don einanber unb über einige llrfacfjen unb Heilmittel ber ledern." 1811.
3n ber 3eitfcfjrift (Sunomia, Satvrg. 3 ©ept. ©. 215: „lieber bie Söirfungen
bes ©alDaniSmus auf bie laubftummen." ®iefe S3eröffentlid)ungen Deranla^ten
feine Ernennung jum correfponbirenben ÜJcitgtieb ber galDanifd)en ©efeüfcfiaft
in ^>aris. „lieber ben ^uftanb ber Saubftummen ber alten unb neuen 3«*."
®cf)lesmig 1817. 2lud) gab er als Seljrmittet fjeraus: „^lusmabt bibtifctier
grääfjlungen. ^unädjft für bie 3ögtinge bes Saubftummen^nfiitiüs." ©ct)les=
mig 1820—23, 2 23be. unb „^ülfsbucl) für taubftumme jum richtigen 35er=
fteben unb llnterfdjeiben ber Dielbeutigen äBörter, bie aus einerlei bauten unb
33ud)ftaben befteljen, aber fefjr Derfc^iebene Sßebeutung enthalten, ^n alpfjabet.
Orbnung." ©cfjteSroig 1825.
!Q. Safjbe, ^ortraiter meb 33iogr. ^open^. 1806, |). 6, ©. 71 mit feinem
Silbni&. — S. = |). ^roDin^iatber. 1811, 2, ©. 191. — &ad) , ©ejcfjidjte
b. ©tabt ©d)lesroig. 1875, ®. 236. ßarftens.
^ftligftcn : ^ofj. Jp er mann $., geb. ju Stuttgart am 16. 9Jtai 1751,
©orjn eines bortigen ^Dtateriatiften. ®t mar balb an ben UniDerfitäten in
Halle, Tübingen, Erfurt, in geletrrter 9ticf)tung, balb in ©cbemniö m Ungarn,
im §erjogtl)um ^Jtagbeburg unb gürftentfjum .spalberftabt , in ©acf)fen = ®otfja
664 Wnjjtng.
unb lUainj in ptaftifdjer Üiiditung ttjätig, bis " er 1794 nad) (Sonftantinopel
ging, ot)ne baß fein toeitereS ©djicffal befannt wate. 3ubem nmr cr *m fnid)t=
batet ©djriftftetter im ©ebiet ber Mineralogie unb beä 33ergbau§, ber Gtjemie,
Sotanit, 2lt-<meilet)rc, aud) Mebicin, ^tjtjfiologie unb ^>ft)d)ologte, @amcral= unb
SßotiäeimiffenfdCjaft, fowie nodj einiget weitetet gädjer.
Sgl. 9tteufel, 3)aS gelegte ©eutfölanb. Semgo 1798. VI, 88—90. —
©rabmann, SDa8 gelegte ©djmaben. ©. 453—455. ty. Stalin.
WillfeitlQ: 9Jteld)ior $. würbe am 25. ftoöcmber 1481 fdjwerlid)
1488, wie eine Mebaiüe angiebt) $u Nürnberg geboten, Wo fein Sßater
©enator unb Saumeiftet Wat. ©eine ftamilie gehörte ju ben älteften unb
öorneljmften $atriciergefd)led)tern bet ©tabt. 3n Söien fanb et an bem
tirolijdjen $o']tan$ln Gppriau öon 'Jiortljeiin genannt ©erntein einen (Sonnet,
auf beffen ©mpfetjlung et in bie 3&t)l ber unmittelbaren ©ecretäre Äaifet
3Jla|imitian8 aufgenommen mutbe. ©dmctt unb bauetnb erwarb et fidj ba§
öolte Vertrauen feines ^ettn, wie baS nod) $arl V. lange nad) spftninng'ä
Sobe rücft)altlo§ anetfannt t)at: biefem Sertraucu banttc et Öebcnsftelluug
unb litterarifctjen gtuljni. Stuf 9Jlarimitiang äöunfd) fefcte bet 9tütnbetget
©enat itm um fo tiebet 1512 in bie ettebigte 4>topftei öon ©t. ©ebalb ein,
atä babutif) Sorfcrjtäge be8 Sifdjofg öon Bamberg, bet ein 23efet3ung§red)t für
bie ©teile beanfprudjte , am leidjteften au befeitigen waren. 2)odj machte itjn
ba§ neue Sfatt, baä iljm Nürnberg jum regelmäßigen äöcttjnfifc anmie», bem
Stfenfte beö Ataiferä nidjt untreu. 6r begleitet Um 1512 auf ben 9teid)3tag
(}u Äöln unb wirb 1513 öon ttjtn jut 2Bat)lbeftätigung beä SBifdjofä öon ©peicr,
^fulipp I. öon fltofenberg, entfenbet. ©er Sitet eine§ faiferlictjen 9tatt)ä loljnt
ilwi im felben 3afjrc bie neuen S)ienfxe : ferner wirb er 1517 ^ropft be§ <Ritter=
ftifte§ ©t. Sllban 3U Wtaina; aud) mit Ganonicatcn ju Orient, au ©t. ©teptjan
in Bamberg unb (}u 11. ß. $• ab ©rabu3 in Main^, fowie mit bem Decanat
3U ©t. Sßictor ebenbort begabte ifjn ba§ 2öotjlwollen beg $aifer§. @tft feit bem
Stöbe sJJtajtmilian§ fd)eint ty. ben .{pofbienft aufgegeben unb nur nod) feinen
getftlidjeu Slemtern gelebt 31t Ijaben; baß er jemals <£wfcaplau ftarlS V. wat,
Wie man aus bet Sßibmung bes Xljeucrbanf etfctjtoß, ift ganj unwa^rfdjeintid).
2)er ©ieg ber Üteformation in Nürnberg üeranlaßte t^n 1521 , feine bortige
©teüung gegen eine geringe ^enfion ^u quittiren unb nad) 9Jiain3 ju jteljen,
Wo er am 24. Woücmber 1535 geftorben ift. — 23om 1. Wärj 1517 unb
auä sJiürnberg batirte $. bie SBibmung be§ pielbeWunberten epifdjen ©ebidjtö
„2)ie geuerlid)eiten önb etn§ taiU ber gcfd)id)ten be§ loblidjen ftreitbaren Pnb
tjodiberümbten ^>elb§ Pnb föitterä 2eWrbanncft)§." S)a§ SBerf fdjilbert eine
große $ai)[ üon Slbenteuem unb ©efaljren, bie ffaifer 3ttajimilian auf 3fagben,
bei kämpfen unb fonft burdjgemactjt Imtte: in fteifer unb ungefd)iclter Allegorie
werben fie bargeftellt al§ entfprungen ber Sostjeit breier ^auptleute, gürwittig
(jugenblidjer 5Jorrot§), llnfalo (Unfälle) unb !Jleibelt)art 0)lad)ftellungen ber
Leiber unb ^einbe), bie ben eblen bitter 2euerbant Pergeblid) rjinbern Wollen,
gut Königin <St)rcnTcidt) , feinet beftimmten Staut, 3U gelangen. £>afj 5ß. mit
äßiffen unb äßiücn be§ ÄaiferS fidt> bie Slutotfdjaft be§ ©ebidite§ beilegte, ift
außer Zweifel. 3lbcr fd3on ein Worjtuntcrricrjteter Seitgcnoffe, (iufpinian, nennt
ben Äaijer felbft al§ Serfaffer, unb feitbem ift e§ lange $e\t eine PieletWogene
©treitfrage geWefen, ob 5p. Don 5Rarimilian nur Porgefdjoben Würbe, um ein
bem eignen 9iur)me gewibmete§ 2ßct! nid)t mit eignem Flamen beefen ju muffen,
obet ob jenet Wirllid) 3lutor War. ©ie f^rage Wirb entfdueben burd) brei §anb=
fdjriften ber Söiener ^)ofbtbtiotr;ef, bie ba§ ©ebicljt in einer öon ber gebrückten
©eftalt Wefentlid) abweid)enben gorm enthalten, tt}eil§ öon bcr ^anb unb mit
bem tarnen be§ faifertidjen ©ecretärS 3Jtatr Srei^fautWeiu, t^eitä, wie e8
^finfctng. 665
fdjeint, t>om £aifer felbft gefcrjrieben. S5em $aifer alfo unb jenem anbern Reifet
banft bas 65ebid£)t 3bee , Anlage unb erfte 9tor;ausfüt)rung. 2Bas 5p. baran
gettjan t)at. lerjrt bie Söergteidmng jenes ljanbfd£)tifttt(f)en SEerteS mit ber beftnt»
tiöen ©eftalt. ßeiber toaren mir bie «gmnbfcfjriften nierjt augänglicfj, unb idj mu|
^fintjing's Sfjätigfeit nadj wenigen groben beurteilen, bie ,<paltaus in feiner
Ausgabe bes £euerbanf mitteilt, $. legt ben ,£>aupttoertf) auf bie bibaftifcfje
unb retigiöfe Seite ber SJid^tung. £atte fetjon 9Jcarimitian in bem (Streben,
feine SDarfteüung nact) bem dufter mtttetalterlicfjer Sftitterfagen p mobein, bie
©raärjlung ber einzelnen Slbenteuer fo farblos unb allgemein gehalten, roie mög=
lief), fo erf)öf)t *ß. biefen unerfreulichen Ginbrucf baburefj, bajj er am Slnfang
unb ©djlufj ber Kapitel breiter moralifirt, bafj er bort bie ©ebanfen unb hieben
ber ^anbelnben umftänbüctjer unb babei in ermübenber, ftets ftdj roiebertjolenber
©nförmigfeit ausführt. 5Die ans Silberne ftreifenbe 2lrgloftgfeit , mit ber ber
§elb immer roieber auf bie plumpen Slnfcrjläge feiner ©egner hereinfällt , roirb
buret) bie befliffenere 9ftotiüirung boppelt fühlbar. Sler böfe (Seift, ber unter
ber s2ftasfe eines trjeotogifctjen üDoctors ben üTeuerbanf in eine fo überaus burdj»
fictjtige SSerfuctjung fütjrt, bafj felbft biefer fie burcfjfcrjaut, ift ^ßfinijing's Grftn*
bung : er tjat ben engüfdjen ©eift eingeführt , ber ben gelben ju einem 3uSe
gegen bie Ungläubigen malmt, er rjat bie 9totte bei Gijrentjolos, bes treuen
^Begleiters, reierjer gemacht; ben brei pm ü£obe öerurttjeilten ^pauptteuten legt
er lange reueboEe, moralifcfje üteben in ben 9ttunb, bie ben verwarteten 35öfe=
toictjtern übel genug aufteilen. 9lu§ eigner $enntnife ber Grlebniffe 9Jtarimiltans
fjat er manches, namentlich ©emfenjagben, hinzugefügt, faft burctjroeg geringe
unb unintereffante Variationen bon bereits erjagten Slbenteuern. SDabei roirb
fo manerjes gebanfenlos bem Unfalo jugemiefeu, bas bem SBefen ber Slüegorie
nacl) an ben $afj bes gürroittig getjört: bodj fjatte in biefer 33ejiet)ung fetjon
^cajimilian fiel) bieles p ©Bulben fommen laffen. So erjätjlt 5)). bas 2lben=
teuer auf ber 5ftartinsroanb im 20. Gap. als Söerf bes ^ürroittig, im 62. ganj
ätjnlicrj als Slnfctjlag bes Unfalo. ®ie ©efatjren, in bie ungeftfjicfte Sterbe ben
Äaifer bringen, fjat erft 5)}., toie es fcb,eint, eingefügt. 5Die böfe SBafferfa^rt,
bie $. Gap. 72 berietet, ift ben anbern (32, 43, 64) fo äl)nlid§, bafj felbft
bie Steigerung ber Sctjiffleute, bei bem borausficrjtlicrj fcrjtimmen äöetter p
fahren, nicfjt fetjlt. ©elang es ferjon 2Jtajitnilian nidjt immer, roirflicfje Unfälle
fo barjuftetlen, als toären fie bas Söerf ber böfen ^auptleute, fo fteUt $. an
ben ^)örer Gap. 52 eine befonbers ftarfe gumuitjung: oort ferjidt Unfalo ben
gelben auf ein freies f^elb in ber 35 or ausfielt, bafj ein Unmetter lo§brect)en
unb ebenba ber 23litj einfdjtagen teerbe. Slucl) ber Äaifer rjattc , toieber burc^
ba§ SSorbilb ber mt)b. Romane oerfürjrt, bialeftifctje unb rjolfsttjümtidfcjc 2Ben=
bungen tuöglicfjft fern gerjalten: $. fctjreitet auf ber abfcljüffigen 33ab,n biefer
fteifen Sangeroeile, bie er root für üorne^m l)ielt, munter fort. 23efonbers aber
nal^m er fiel) ber metrifcfjen gorm bes ©ebtdjts an. S)ie 2Biener ^anbfe^riften
roeifen gut lesbare öter^ebige SJerfe auf, bie unbebenflict) mebrfilbige ©enfungen
äulaffen. 3Rit pebantifc^er ©eroiffenljaftigfeit regelt $. bie ©ilbenplii: in ber
großen We^rja^l ber Gapitel ^aben bie 5}erfe je 8 ©Üben erhalten: nur in
ben üorberen Partien bes ©ebicljts ^at er ptoeilen 6= ober Tfilbige SSerfe in
größeren ©ruppen angeroanbt. 91ac^ bem ^rineip ber ©ilben3äi)lung beurtfieitt
finb ^fin^ing's S5erfe rool ausnahmslos correct, nur ba^ nic^t jebe ©imfope
unb Verfctjteifung in ber ©ctjrift ausgebrüdt ift. Sesbarer aber finb 9Jtarimi=
lians S)erfe bei toeitem. ^. %at)lt bie Silben ah olme jebe 9tücffict)t aui bie
2Bort= unb ©a^betonung: 9leime roie ^)err: leiber, Älaftör: mer, 2Baff6r: ^>eer
finb in feinen Slugen burerjaus unauftöBig: fo mec^anifcl) unb ftubenmäfjig,
fo ot)ne jeben Sinn für Ätang unb Ürtj^trjmus tjaben roenige beutfelje Sictjter
666 Wfl«-
ifjre äkrfe gebaut: aber bet neunjäbrige ^offmannltoalbau fonnte roorjl im
Steuerbanf lernen, ©Üben <m aätjten. Söäte es nicrjt ein offenes ©etjeimnifj ge=
roefeu, bafj ber Äaifer felbft 93erfaffer unb Oetb be§ Seueibanf jei, märe nid)t
bie pradjtüolle, aud) lünftlerifdj nidjt roertljlofe Ausstattung beg Söerfeä b,in3u=
gclommen, — ^fintjing'ä äkrbienft ift es- geroifj nid)t, ba& ba£ langmettige unb
fteifleinene 9Jtad)roer{: feiner $eit fo unbegreiflichen 23eifall gefunben tjat. —
©cfjon ber erften Aufgabe, aber nid)t allen ßremplaren, tjat ty. einen bürftigen
©djlüffel beigegeben, ber bie Allegorie erflärt unb ganj fur^ niittheilt, mo fid)
bie einzelnen ^Begebenheiten zugetragen f)aben.
litj, l)i<4iüsitio de inclyto libro jioetico Jb/uerband, Altborf 1737. —
b. Äfjautj , äkrfud) einer ©efd)id)te ber öfterreid)ifd)en ©eleljrten , granfiurt
1755, ©. 90 fg. — SUill , 9türnbergifd)c§ ©eteljrtcn = 2erifon III, 152. —
9Jcit ausfürjrlidjer unb gelehrter (Sinteitung ift ber Jheuerbanf fyerauögegeben
Don ffiatl .£>altauä, Quebtinburg 1836; ßarl ©oebefe tjat itjn in ben 10. JBb.
feiner beutfdjen SDidjter beä fecfyjefmten Slarjrljunbcrtß aufgenommen; Dgt. aud)
Ut)lanb§ ©djriften II, 255 fg. 2>ie oben merjrfad) citirten ^>anbfd)riften ber
Wiener ^ofbibliotfyef finb bie Codd. bist. prof. 148 (jefet 2806), 149 (jefct
2867), 488 (jetjt 2889). ttoetfje.
s|>fijtcr: Albrcd)t unb griebrid) %"• !■ am ®d)fuffe beä SBanbe*.
$fiftcr: gerbinanb o. 5ß. , furfürftlid) t)effifd)er sDlajor, mürbe atö ber
®oI)u bcß erften (Seiftltdjen an ber Afird)c ^u ©t. s]Jcartin in Gaffel am
22. Januar 1800 geboren. Sic »Jett ber §rembl)cnfd)aft, in melctje feine
Äiubl)eit fiel, (^og in itjm ben beutjdtjen (Sinn unb Die 8ie6e für bie £)eimat(j
grofj. |}rül) tövperlid) fräftig, trat er, alö nad) ber leipziger <5d)lad)t in Reffen
ütruppeu jum .Wampfe gegen bie Jran^ofen errirfjtet mürben, als- ^5a t)nenjunf ex
bei einem üauoroetjrvegimente ein ; feine fölteni hintertrieben inbeffen bie @r»
füllung feineS ätfunfdjes, mit in ben fttieg \kl)tn ju bürfeu. 6r fetjrtc utnädjft
auf bie ®d)ulbant (}urütf, raurbe 1816 Stüdjunfer bei ber furljcffifcrjen Artillerie,
am 13. ©ecember 1819 ^ortepee^tüdjuufev, am 21. 3Jlai 1821 Officier unb
1835 Hauptmann, (iinige $al)re fpäter marb bie Aufnahme unb fartograpljifcfje
2)arftellung bes AUtrfürftenttjums in Angriff genommen. S)ie Seituug ber Ar=
beit mar bem Cbtrft im Ükneralftabe, ÜBicgrcbe, einem auäge^eidjneten ^Dcatb;e=
matifet unb ©eobäten, übertragen. ^Imi trat als ©ection«cr)ef ber siRefjtifd)=
aufnähme "4>- 3ur Seite. 2öa8 fie fetjufen, ift ein berüorragenbcS SBerf , bem
überall bie t)öct)fte Anerfennung ju 2beil gemorben ift; in roeldjcm Anfetjen bie
l'eiftungeu ber t)ejfifd)en ü'aubcöüermeffung ftanben, bemeift ber Umftanb , ba^
^reufeen Cfficiere flu it)rer eigenen Slusbilbung an ben Arbeiten ülrjeil nehmen
liefe- ^fifter'ä Jtjatigfeit bei berfelben, melcf)e Dom 23. October 1840 biß jum
27. gebiuar 1851 bauerte, mar eine tjaüorragenbe. „S^m roaren bie ,\pori3on=
taleu (Sflibeaulinien) nidjt ber alleinige ^metf, fonbern baz sJJtittel für bie matf)e=
matifdje £egiünbung ber gtädjenbilbungen t>c% ©elänbes; fein angeborener nnb
gebilbeter 53lid für Die (h-fennung ber formen behütete il)n öor SdjematiSmuä",
fagt ein im 5Jtilitär=2Bocrjenblatt sJtr. 41 üom 15. 5Jcai 1886 il)m gemibmeter
5cad)\uf; s3Jleifter im Grofiren unb .^eidjnen , arbeitete er anfange felbft mit,
fpäter mirfte er namentlid) burd) feine Snfptcirungen auf ben 50l'tflang be§
äöerfeö. 3iei biefen (Gelegenheiten regte er gleichzeitig &u gefd)id)tlid)en unb
matrjematiferjen ©tubien unb zur 23efdjäftigung mit ber Sanbeäfunbe an, für
meldje er Don jerjer ein regc§ ^ntereffe getjabt rjatte. 3fafob ©rimm ermätmt
in ber ^orrebe ju feiner „5£eutfcfjen ^Jirjtljologie" banfenb ber ^)ilfe, meldje ein
junger Slrtillerieofficier itjm au% rjeffifeben Cuellen geleiftet fjabe ; biefer Officier
mar 5ß.; feine „^'anbeSfunbe Don Äurtjeffcn", meldje 1840 in zmeiter Auflage
crfdjien, legt gleichfalls 3eugnife ab Don feinem $ntereffe Tür bie engere £)eimatt).
Pfift«. 667
SEa iü^iten bic 9iad)Wet)en bes Sturmjafrreg 1848 für ba§ Dfficiercorpg, meldjem
*ß. angehörte, burd) beS «riegiminiftere $a)?nau ungefdjidte Dtüdfidjtetofigfeit
eine fdjrocre 3«t tjerbei. SDie TOglieber bcffetben farjen jtdj üor eine <5ntfc^ci=
bung gcfteltt, Weldje bie $Kel)rdaf)l üon iljnen , barunter ben 1849 jum ü)lajor
6eförbcrten 5ß., üeranlafde, ifjren Abfd)ieb ^u erbitten; tf»re unfelige SBeeibigung
auf bie Söerfaffung War bie Duette bes 3roiefpalt§. 9cur Wenigen Warb bie
Entlüftung ju 33jeil; für bie übrigen orbnete ber Äurfürft im 3- 1851, burd)
bie 33unbescommiffäre üerantafct, eine neue 23creibigung an, buvd) melcfje bas
©elöbnifj, bie 33erfaffung ju beobachten, bcfeitigt würbe. $. tonnte biefe Aenbe*
rung bee üon ifjm geteifteten GibeS mit feinem ©emiffen unb feinen Anfielen
über -^flidjt unb @t)re nictjt üereinigen; er forbcrte üon neuem ben Abfd)ieb,
welchen ber Äurfürfl, ^u bem er in ben ^afaen 1848 unb 1849 in ein itat)cS
perfönlidjes 33erb,ältnijj getreten mar, bewilligte. Sofef ü. Stabowiij, fein früherer
Äamerab unb Setjrer, unternahm e§, für 5ß. eine Aufteilung im preuBifdjen
£eere§bienftc ju erwirfen; fein balb barauf erfolgenber £ob trat ber 93erwir£*
Iid)ung bes planes in ben 2Beg. }>. öerlicfj nun Reffen unb übernahm eine
©teile im Skrwaltungsrattje ber Ütjfiringifdjen (Sifenbatjn , lehrte aber 1860 in
bie .Ipeimatrj ^urüd unb erlebte bort bas 3aljr 18C6, beffen ßreigniffe er al§
treuer Anhänger be§ itjm ttjeueven StaatsmefenS feines engeren 23atertanbes\
aber auef) als guter üDeutfdjer, fid) üottjieljen fat). SDie Umwälzung, tneldje baS
3»atjr fjcröorrief, bradjte itjm ein ©nabengetjatt; bie preufjifdje ütegicrung be=
mittigte es in 33erüdfid)tigung bee auf ben feiner geit 0^ne ^ßenfion Gntlaffenen
ausgeübten ©emiffensawanges. — Aufjer auf ben borgenannten ©ebieten mar
5ß. aud) al§ ^tititärfcfjriftftetter ttjätig, abgefetjen bon Auffätjen in 3eüjd)riiten ic.
erfdjieneu üon itjm 1839: „SSctradjtungen über bie SBidjtigfeit ber ftetjenben
|)eere"; 1845 „SDer getb^ug be§ 9regiment§ Sprinä «art bon Jpeffen auf ÜJlorea
1687 — 88, jur Erinnerung an beutfd)e üttjaten, befonbers als Seitrag jur
tjeffifdjen Äriegsgefd)id)tc" ; 1864 ber 1. 93anb eine? SBerfes „SDer norbameri=
fait'fd)e Unabf)ängigfeitstrieg, als Beitrag jur £)eeresgefd)id)te beutfetjer Gruppen",
ein $3ud), f)erüorgegangen au§ ^fifter'S rebüctjem (Sinne unö feinem Streben nad)
2£arjrrjctt; eis fottte ber üielüerbreiteten Süge üon bem SJerfaufe ber Untciifjanen
3um Sorttjeit be§ tanbesfjerrtidjen SärfelS entgegentreten; 1879 „Öanbgraf
^riebrid) II. unb fein Reffen", üon welchem SQBerfe nur bie 1. Lieferung „SDer
Chbprinj" erfdjienen ift. Anbcre Arbeiten fotten r)anbfd)riitlid) in ^fifteiJS
9cad)laffe fid) finben. ^n feinen legten fieben 2eben§jat)ren tjatte tiefe ^infterntjj
feinen ©eift umnadjtet, meldjen ber überaus fraftige Äöiper nod) auf Chben
jurüdfiiett; öon fd)meien Seiben brachte ber am 1. 9Jtai 1886 ju SBolfsanger
bei Raffet erfolgte Job bie Grlöfung. — Aud) feine Sötjne, ^ermann unb
9tuboli, finb al§ SRititärf d^rif tjleEer , jener auf organifatorifd)em unb frieg§=
gefd)id)tlid)em , biefer auf artitleriftifctjem ©ebiete, aufgetreten. SD er erftere ift
aud) bind) feine SBeftrebungen für bie Reinigung ber bcutfd)en ©prad)e üon
fyrembmörtern betannt gcroorben.
^>ejfifd)e «Dlorgenäeitung (Abenbaugg.) 9lr. 215, «äffet 10. $Rai 1886. —
Attg. 3Kilitär=3eitung 9tr. 57, ©armftabt 17. Suli 1886. 33, ^oteu.
Stifter: ^oljann S^tiftian (b.) $. mürbe geboren am 11. «Dtärj 1772
in ^teibelel)eim, mürt. D. A. ^tarbad). 6r burdjtief bas niebere Seminar unb
ba§ 2übinger Stift, mo er fid) enge an ben fpätereu s^l)ilofopl)en Sd)elling an=
fd)lo^. Seine Neigung 311 gcfd)id)tlid)en govfc^ungen führte iljn 1803 auf
einige Neonate nad) äBien unb r)tcr mit Sotjanncs ü. Füller aufammen. S)er
Ginbrud, ben er burd) biefen erhielt, beftimmte feine 9tid)tung ; als ©egenftüd
ju 3JlüHei,S ©efd)id)te ber Gibgenoffenfctjaft wollte er bie be§ alten Atemannien
bet)anbeln. Sd)on 1803 erfd)ien ber erfte Jtjeil feiner ,,©efd)id)te üon Sd)waben",
668 $f»3«-
bie er 1827 big jum 3>at)re 1496 führte, rodljrenb bte „Ueberfidjt ber (Sefdjtdjte
bort Sdjtuaben" (1813) big jum @nbe beg 18. 2fafy$unbert8 Verabreicht, Sßfiftet'S
Streben ging bafjin, möglidjft biet auf bie Quellen jurflcfjugeljen unb bieje Tür
fid) felbft reben 3U laffen. Sba^u fanb er in Söien reid)lid)e ÖJetegentjeit , nodj
mefjr, a(g er bon ber Regierung ben Auftrag erhielt, bie 9lrd)ibe ber an 2öür=
temberg gefallenen föetdjgftäbte unb Abteien Oberfdjraabeng 311 burdjmuftcrn unb
für ba'g Staatgardjib augjufdjeiben. ftretfid) fütjrte ü)n biefeg Streben bielfacl)
auf ben 9lbroeg, bafj er metjr 2lctenau§jüge lieferte, atg mirttid)e ®cfd)id)te unb
bajj er alleg, mag er in feinen Duellen taub, gern alS gteid) mtdjttg beljanbelte
unb bamit auf Ueberftd)tlid)fett ber-\id)tcte. 31m mentgften jeigt fid) bieg bei
feinem (Srftlinggmerf, am meiften bei feiner ein ftetnereg Gebiet berlaffeuben
,,©efd)id)te ber Seutjdjen" (1830—35), meldje bie elften 33änbe ber bon
beeren u. Ufert (jevauggegebenen „®efd)id)te ber europätfdjen Staaten" bilbetc.
SBürtembergifdje ®efd)id)tc befjanbetn ferner: „$)eufmürbigfeiten ber mürttem=
bergtfdjen unb fd)roäbifcr)en 9teformationggefd)id)te" (1817 mit ^rälat Sdjmib
fjerauögegebcn), „#etaog (iljriftopl) 31t 2Bürttemberg" (1819—20), „(£berl)arb
im 53art, erfter .<per3og üon Söürttemberg" (1822); allgemeiner finb bte „6r=
innerungen aug ber mürttembergifd)en ©efd)id)te ober mag f»at 2Mrttemberg
für ©eutfdjtanb getfjan?" (1814). ©eine bolitifd)--fird)lid)e Stellung — $.
mürbe 1806 311m 2)tafonug in Vaihingen, 1813 junt Pfarrer in Untertürttjeim,
1832 3um Prälaten unb ©encralfuperintenbenteu in Tübingen ernannt — gab
itjm Slnlafj, fid) mit Söerfaffungsfragen 3U befd)äftigen; er beröffenttid)te einen
„.ftiftovifdjen 23erid)t über baö 2Befeu ber 23erfaffung beg ehemaligen &er3og=
tfjuing SBürttemberg" (1816), „2)te ebangelifdje $ird)e in Söürttembcrg, itjre
btgljertge Söerfaffung, il)rc ueueften SBerijättnifle unb ^orbcviutgen" (1821), unb
nad) feinem £obe erftfjien eine „®efd)id)te ber Sßcrfaffuug beg mürttembergifdjen
|>aufe§ unb Canbeg" (1888). 3>u feinen ?lnfid)teu allem ßjtremen feinb, mirfte
er in ber Kammer ber Wbgeorbneteit, ber er alg Sßrälat angehörte, für greitjeit
ber treffe, 9luff)cbung ber Genfttr unb eine fel6fttiubige Vertretung ber eban=
gelifd)en ^irct)e. 2Bät)reub feiner 9lmtgtt)ätigfeit befiel itjn in Stuttgart ein
fjter tjerrfdjcnbeg lieber unb raffte itjn am 30. September 1835 Ijinmeg.
2öürttembergifd)e ^atjrbücfjer 1835, 188. 6ugen Sdjnetber.
^ftjer: $aul ?ld)atiug $., geboren am 12. September 1801 ju Stutt=
gart, f am 30. ^utt 1867 3U Tübingen, mar ber Soljn üon (Sari Immanuel
©ottlob s4>. , bamalg 9lmtgfd)reiber, fpäter Dbertribuualbirector 31t Stuttgart
(t 1844) unb bon (Sljartotte geb. ^et)b. 23ig 3um 18. Starre brachte er feine
^ugenb im elterlichen <£mufe in Stuttgart ju in ben einfachen $8ert)ättutffen
eineä luoljlgeorbneten 33eamtenl)au§l)a(teg; ^mei 33rüber, 3mei Sdjtueftern bilbeten
ben übrigen ©efdjmifterfreiS , alle burd) rjerborragcnbe geiftige Begabung au§gc=
^eidjnet; ber 23ater mar ein feJjr tüdjtiger grüublidjer Ütedjtggeteljrter unb rüdte
aEmätyiid) ju einer ber l)öd)ften ricfjterlidjen SteEen feiner Jpeimatt) empor. 3fn
ber Familie, bie 3U ben angefet)enen be§ 2anbe§ gehörte, Venfd)te rege§ geiftige§
Seben, bie neuen @rfd)einungen ber Sitteratur, bie mid)tigen ©reigniffe ber
^olitif fanben in bem tüd)ttgen, bem ^bealen ^ugemanbten Greife lebl)afte§
dd)0; geiftige Unabljängigfeit, marmer patriotifdljer Sinn aeidjneten ferner ben=
gelben au§. Sfn bem ©tjmuafium feiner 3$aterftabt, ba§ er bom ^al)re 1807
big 1819 befud)te, mar ber aufjerorbentlid) reid) begabte, mit borjüglidiem ©e=
bäd)tniB au§gerü|tcte ^nabe, nad) bem treffenben 3lu§brud eines 2llter§genoffen, bag
^beat unb bie ^eqmeiflung feiner ßameraben. @g gab fein gad), für meld)ee
er befonbere Vorliebe gezeigt, befonbere 2ln[trengungen fid) ^ugemutljet l)ätte,
mit einer gemiffen fpietenben Seid)tigfeit madjte er fiel) alle 2ßiffenggegen=
ftänbe beg (Stymnafiatunterridjtg untert^an, unb toenn bie fömpfängtidjfeit für
Wa«. 669
SJtatljematif bielleidjt etmas geringer mar, als bie für anbete fjädjer, fo mar
er bod^ oudj hierin Bei »eitern ber Srfte. ©eine Ueberfetiungen ins Sateinifdje
maren muftergültig , Den gricdjifdjen ©idjtern, bie er in ben Dberclaffen mit
Vorliebe las, trug er bas botle Sßerftäubnifj eines tief poetifdj angelegten ©e=
müttjes, eine§ für bie ©djönljeit unb ben 2öot)lflang ber ©pradje empfängtidjen
£)tjre§ entgegen; nodj in fpäteren Rafften roufjte er lange Stellen aus feinem
ßiebling§bidjter Jpomer im Urteile anaufürjren unb ber formbotlenbete 9trjrjtt)mu§
feiner Sprache berrätt) bie grünblidje ©djulung burd) bie claffifdjen 9Jieiftev.
Sodj ^at er einmal bei ber ©egenübeijtettung bon Gfafficisnius unb 9teali§mu§
fpäter ein tjerbes Urttjeit über ben elfteren gefällt; beim Sefen bon Ofens Uni=
berfum empfanb er fdjmeratidj bie Süden feiner realiftifdjen SSilbung, meldte
ber botlgcpfropfte claffifdje ©djulfad nidjt ausfüllte (in 83rief 18 bes SSriefmedjfets
1. Slufl. , in ber 2. 2lufl. fep ber ganae Slbfdjnitt). ftadj bem 53orbilb bes
Katers unb bes älteren Arabers (Äarl Spfoer, t 1878 als ^räfibent bei £)ber=
trtbunats au Stuttgart) mätjlte er bie ^urisprubena ju feinem 33erufsftubium,
otjue eigentlid) eine befonbere Vorliebe baju au empfinben, unb in ben erften
©tubienjatjren befdjäfttgte er fid) nur fomeit bamit, at§ es bie 23orlefungen mit
fid) Brachten, mätjrenb er tjödjft umfaffenbe ptjilofoptjifdje ©tubien trieb, in ben
bisher aurüdgeftetiten 9taturmiffenfd)aften fid) umfai), u. a. audj eine anatomifdje
Qjortefung tjörte. «Saut unb gidjte mürben gtünblidt) getefen, mit all ber <£)in=
gebung feines tiefen (Seifies' berfentte er fid) in ©djettings 9taturpt)ilofopt)ie,
neben meldjer £)!en ben Bebeutenbften ©inbruef auf it)n machte. -Ipeget jog itm
nid)t an, ber gormali§mu§ feine§ ©rjftems [tiefe itjn aB. 9)tit 22 ^arjren Be=
ftanb er mit ?lusaeidjnung bas juriftifdje ©tarnen, unb mürbe fogleid) (9luguft
1823) als ©ecretär in ba§ Sfuftijminifterium berufen, beffen 23orftanb b. 9Jtaucler
it)m fetjr Batb großes Vertrauen fdjenfte; eine größere Oieife, mie es fonft ©itte
mar nad) 23ollenbung ber ©tubienaeit, unternahm er meine§ Söiffens nidjt. 5Die
Bei ©djmaben t)äufig fid) finbenbe UnBetjolfentjeit unb ©djmeifäÜigfeit trat bei
5]3. in berftärftem ^Jtafje tjerbor, in fid) aurüdgeaogen, gern fdjmeigfam, aeigte er
ben reichen ©djai} feine§ ©eifte§ unb ©emüttjes nidjt gern überatt, mätjrenb er
fid) einem engern greunbestreife boE erfdjlofe. 5£)er mafello§ etjrentjafte ßt)a=
latter, ber burdjbringenbe 2)erfianb unb bie feine, meite ©ebiete umfpannenbe
S3itbung tjo&en ben Befdjeibenen füllen Jüngling, ber aber feines bollen 9Jtanne§=
merttjes fid) ftet§ bettmfjt mar, überall in bie erfte ©tellung. Selber erfdjmerte eine
angeborene ftarfe nerböfe üteiabarfeit ben Umgang mit it)m unb madjte itjm
felbft bas ßeben fdjmer, fie etfüEte bie 9Zärjerftet)enben mit banger Sltmung, bie
fid} nur allaufetjr bema^rl)eitete, bafe ein fctjmereg ^opf leiben fid) baraus ent»
mideln mödjte, meld)e§ aud} auf ba§ für ernfte ©inbrüde fe^r empfängliche
©emütt) berl)ängnifebott einmirten mürbe.
S5en ^otjen auf itjn gefegten (Srmartungen tjatte ty. Bistjer nidjt in gleichem
2Hafee entfprod^en, er tjatte roeber in ber $t)ilofopl)ie nodj in ber ^urisprubena
burd) ein tjerborragenbes' 2ßer! fid) einen tarnen gemadjt ober ber 2Biffenfcr)aft
eine neue 23at)n eröffnet; feine ©tärfe lag auet) nidjt in biefen Beiben ©eBieten,
in ber $t)itofopt)ie mar er ©fleftifer unb an einem äöeiterbau bon SdjeEing'S
9tatuvpl)ilofopl)ie modjte i^n bodj fein amtlidjer Seruf ^inbem, meldjer einer
ausgiebigen 33efdjäftigung mit ben ^aturmiffenfdjaften im 2Bege ftanb. 9ludj
in ber ^urisprubena behielt er fidj (fomeit idj es beurtljeilen fann) reeeptib,
feine bolle geiftige Ävaft fefcte er audj nidjt in bie Sßetjerrfdjung unb görberung
biefer ©isapün ein, mätjrenb bie genaue Äenntnifj ber redjtlidjen 3>er^ältniffe bodj
bie unumgängtidje Sorbebingung mar für feine fpätere lanbftänbifdje unb fdjtift=
ftellerifdje 2^ätigteit. 9118 er im ^erbft 1826 aum 2lffeffor an ben Tübinger
(Seridjtsljof Beförbert mürbe unb biefe ©teile Januar 1827 antrat, fdjien er
670 SPftaer.
tjoltftänbig in bie getoöfmltdjc mürttembergifdje s-öeamtentaufbal)n Ijineingeftettt
ju fein, mo er mit regelmäßigem Sdjritt bie tjödjftcu (Stufen berfetben erflommen
|ätte. Unb bod) tobevte In bem ftitten Jüngling ein ungefülltes, ins Unenb=
litfje ftrebenbeö Seljnen, baS toett entfernt üon gemötjnlidjem Strebertljum meber
im Berufe noct) in ber ^t)itofopt)ie feine Sefriebigung fanb unb nur in tief
empfunbenen, oft fdjmermütljig flingcnbeu (Öebidjten fid) offenbarte. 2fn ben
frönen ßranj begabter Dieter, tueldje ben Stolz Württembergs bamatS bitbeten,
Ub/tanb, SufiinuS ferner, (Suftau Sdunab, $arl datier, ftriebridj Dotter,
SBitbelm unb .^ermann £>fluff, Söitt)e(nt äöaiblinger u. f. m. trat aud) er mit
feinem jüngeren trüber ©uftaö $. (geb. am 29. ^uli 1807, nod) lebenb als
SProfcffov a. 2). in Stuttgart) als üollberedjtigtcr ©enoffe ein. @fje er mit
Utjlanb nätjer betannt rourbe, ftanb ü)m ftriebrtd) Dotter (f. 91. 2). 55. XXIV,
44 f.) am nädjften, U)m übergab er 1823 ein langes 6poS in tabetlofen -!peya=
metern: ^ermann ber SfyeruSfer. 9cotter'S leifer £abel, ber baS antife 5ßerS=
majs als menig geeignet für baS beutfdje Stürf bezeichnete unb Slnftofc naljm
an einem ßiebeSüertjältnifj , baS mit einer für ben 'Jiorben faum möglid)en
©lutt) ge^eic^net mar, beftimmten ben leidjt Söertetjbareu , baS sUcanufcript zu
toernid)ten; baz gleidje Sctjitffat Chatte eine Sragöbie: „ftrebegunbc" auS ber
„s-8Iut unb s)Jcorb trunfeticu Ökfdjidjte ber 9Jccrominger" . (B modjte eine
fcfjmer.ilidie (Snttaufd)ung für s|s. fein, als it)m auf biefe Söeife flar rourbe, bafj
er zum eigenttidjen grofjeu 2)id)ter nidjt gefd)affeu fei; eS ift mir nidjt befannt,
bafj er aud) [pfttet nodj ben frifdjen Sprubet feiner 23egeifterung, feiner tiefen
unb reidien Sßljantajte, feines fet)tienbeu @emüt$e8 in einem größeren (Sebid)te
ergoffen rjiitte; bie "OJtufe blieb i|m aber treu, t>on feineu Ivjrifdjeu Ökbidjten,
metdje ba unb bort zerftreut fitib (j. SB. im 2lnt)ang jum 33riefmed)fet zweier
SDeutfdjen) unb oou melden manche nod) im Wanufcript unueröffentlidjt
nort)anben finb, tragen einige ben «Stempel t)o()er (Ironttüotteubung, geiftreidjer
s^uffaffung unb ebteu SdmnmgS (z. s43. „(Sinft unb jetjt", „ber "DtejfiaS"). Stber
baS eigentliche, feinem SBefen entfpredjenbe gelb feiner £f)ätigfeit lag nid)t in
biefen ibealen Gebieten, bie ganze Äraft feines SöiffenS unb 9lad)benfenS, bie
©lutl) feiner Seile unb bie Sicfjerrjeit feines llrtfjeils offenbarte fid) auf bem
prattifdjen Gebiete beS politifdjen £ebenS in einer ber t)öd)ften fragen, meldje
baS beutfdje Soll bewegten.
g-rütjjafjr 1881 erfdjien bei @otta anonym fein erfteS unb bebeutenbfteS
äöert: „Sriefmedjfet zweier 3)eutfd)en". 2}ou mäßigem Umfang (1. Slufl.
356 S.. 2. Sluft. 434 S.) mar berfelbe auS einem mirflidjen 33riefroedjfet ent=
ftanben, melden ^. unb sJcotter in ben Sarjreu 1827—29 miteinanöer geführt
tjatten unb in me(d)em bie rjöcfjften Probleme ber äBiffenfdjaf t , bie bamatS
bebeutenbften Strömungen ber i3itteratur befprodjen mürben. s$. arbeitete bie
Briefe um, ermeiterte, änberte manches unb ftellte fie als eine s2lrt einfütjrenbe
Einleitung, als tljeovetifdjen 3:t)eit einer zweiten föeifje öon ©tiefen üoran, meiere
irjn attein zum 5ßerfaffer Ratten (mit ^luSnabme eines Keinen Slbfc^uitteS über bm
Dcationalcrjarafter ber S)eutfd)eu im 14. 93rief) unb meiere ben ^uftanb ®eutfd)=
lanbS in iöezie^ung auf Sitteratur, ßirdje, Staat unb fieben fc^ilberten unb mo er
uad) einem gjxurS über ^oSmopolitiSmuS unb «Rationalität zu ber g-rage über bie
Zukünftige, ben mat)rcn Sfntercffen SeutfdjlanbS am meiften entfpredjenbe ©eftattuug
ber großen potitifcf)en ^er^ältniffe beS bcutfd)en ißatertanbeS überging unb biefe
bamit löfte, ba^ eine Trennung £)efterreid)S bon bem übrigen 2)eutfd)lanb unb bie
9)erzid)tleiftung bon Seiten ber Heineren beutfdjen dürften auf einen £t)eil irjrer
Souberänität ^u (fünften ^reu^enS, ber nationalen beutfd)en Sßormadjt, geforbert
mürbe. 5Die Schrift, beren gorberungen in fotd) merfmürbiger Söeife fid) erfüllt
Ijaben, ba^ man ty. mit 9ted)t ben $ropl)eten beS neuen beutfdjen Üteidb.eS ge»
^fijer. 671
uannt Bat, ift aud) jefct nod) in tjofiem Wafce inteteffant au W*\ nad) ber
gjotrcbe *ut 2. Stuft, wählte bet SBerfafler bie ftotm be§ 3nuegefprad)8, um ben
qettaqcnen £on einer pt>itofopl)ifd)en unb ftaatSrc^tli^cn 2lbf)anblunq ^ i toey
meiben unb bem £auptgegenftanbe, ber ©ad)e 2)eutfd)tanb8 burd) ba§ mbtöibueue
ßolorit unb bie leibenfdjaUürfjere Haltung, roeldje ein 2tu§taufd) 3101 d)en amei
PerfcBiebenen 2ßetfönlid)feiten naturgemäß mit fid) bringt, melyr i^tlna^me 3u
öer dbaffen. Unter bem tarnen ftriebrid) ift $., unter Sßttrjetm «Rottet »et-
ftanben, aber abgelesen öon einer freunbfd)aftüd)en gourtotue, mit melier $.
einem GJeqnet &Hli)elm bie ttefften, rocittragenbften ©ebanfen m ^n ^mib
legt unb if)n pm £auptträger feiner Sbeen mad)t, liegt eS in .bet = ©wWht
bei Hu>iegefpräd)8, ba§ im ©runbe ein unb berfelbe Autor mit JicB, tjatt , bafc
bie ftteunbe fte unb ba it)te flotten ettoaS tiettaufdjen. aa8 ©mj, getrieben
im Ion unb ©til eines poetifd) BegaBten, mit allen Weiftettoetfen ber alten
unb neuen Seit betttauten GeifteB. ift burd)toel)t öon bem mo&ttyienbiten . J>aud)e
patriotifd)er SBegeiftcrung; toorjt t.etftet)t et bie ©eifcel 5u fcPromgeu übet bie
GeBtefrn bet Seit, übet bie Untugenben feine§ SöolteS, abet aud) n>enn irjni
ba§ ßeia roattt übet bet Surüdfetmng, toeU&e bet Seutfäe im »uSlanb« : etTaJtt,
übet bie nut attaubjäufige Verleugnung bet eigenen «Rationalität , burd) meiere
biefet Tid, |etb[t Branbmarft, ber bittere £on tritt b od, aunid Jln*« >" lt0*e"
ftifWn ^offuung für be8 SöatetlanbeS S^untt, meldte uberatt burd)ftingt^er
innere qeiftige fteid^um, melden ber Serfaffer burd) feine umtaffenber ijutibifäen
unb prjilofopVfdjen ©tubien gefammelt, wirb bem Seiet mit Wbiflet £anb
öorgelegt, ab t ebe 3eile Jeugt and) Pon bet fernen . ^d)tung bet Be-
fte^nben SBet^ttnilfef es fei nut etinnett an baS W^t Urzeit über £)efter=
ieid)§ ttniafimV ben *?ern ber neuen ©eftaltung fttt ©entlaub »u Bt ben,
an bie baran fid, fd)lief5enbe treffenbe ©d)ilberung öon SSteu&en, 618 an feinem
©pftem bet SolfeBemaffnuno, „ba§ in feinen (Stunbfä^en getestet unb in feinen
Solgen roirffamer unb imponirenbet ift, als irgenb «nMilttatfeitem GutopaS .
^ iencr «etimmtb,ett, mW ifcen (Stunb nid)t Bio i « b« Tonnen^en
Älatfcit politfdjet ©tunbfäfee t)at, fonbetn in bei : (gntfd&teben^eit eines ten
Stattet", bem e§ nidjt um tfcotetifdje Äe^aBetet nerneraf»
SetMtigung au trrnn ift, toitb übet Oefterreid) bat Urzeit ge|ptod)en, aber
3 ir 9t?präfentatiUfteme feine ©d)toäd)e »°^^ J^f*
<\b7en Mit er fid) fem, bie 2ria§ibee wirb m it)tet ©c&ablutfeit unb »tg-
W batqe ettt. ®a8 Sud), bie gtänaenbe grudjt reifen ^benfenS unb taata-
mänmfd et SBettp^t unb Stiax%tit, Bilbet einen Warffiein m ber entmirftunfl
ÄtSea 1 Cin^ittibee. ®em potitifd)en Seben ber Nation, W M ta
naturaemäW Ctfmlaffnnq nad) ber furchtbaren Slmregung ber ^reiljeitstnege,
bnSTe LttBabÄWftffe «■ te ftumpfe ©leidjgüttigfeit öerfunfen mar,
Bäte bk 3«litewlntion neue antriebe gegeben; bie boppelte Strömung ber
Sei t unb ber @inl)eit, nad) conftitutioneüen 9ted)ten unb nad) einer engeren
Erbin ung b r beutf^en SBunbeftftaateu ergoB Qtt 3Beüen mieber bottet butd)
bi beuSn Sanbe, bet beutfd)e 33unb Bot ben beulten Jattioten md)t bie
gemSfe |otm be't neuen ©e^altung be8 »«« ««** «aj bem Jufammenj
Btud) be8 alten. 3n biefem ®äB,tung§ptoce^ gebüßt ^. ba8 »etbtenlt , mtt
ftaatSmaumWer ©d^ärfe unb Ata** bie (Srunblinien gejeidjnet 3u $abe* auf
Ken Hei) ein beut^ea 9teid) in gefunber gntmidtung auiBauen fönne, w
SÄ SBeife feigen bie öot|anbeneii Quellen baru et »™ M»
^hee m biefem SBerte aefaftt, ob äußere Anregungen babet wirtfa m geraejen
Rnb J äBn "bei bet Janjeu «iflenatt be8 «DtanneS ift aber ein *i«Mj °«
KetnffitReü^ bie «^ünbung feinet ^^bee f«
aÄ 2u5Sme au8( ba^ * buid) bie commeraieEe gjtad)tftellung angeregt,
672 Pfto«-
meiere ^3reufjen burd) bie ©rünbung unb 2luSbef)nung fetneö 3oüüerein§ fidj
erroarb, btefen ©cbanfen auf baS polittfd£»e ©ebiet übertrug. SDiefc potitifdjen
©ebanten finb SPfljjeic'g perfönltdjeS ©igentijum, fie finb bie grudjt feines Vlad)*
benfenS; baS $nnerfte feines SöefcnS, feiner potitifdjeu Ueber^eugung fjat er bamit
gegeben, unb menn er mit ber 2luffteflung ber preufjifdjen «Hegemonie, mit ber
gorberung öon DefterreidjS 2luSfdjeiben fütmer bie ßonjequenjen gebogen b,at als
alle Uebrigen, meldje in einem ätjnlidjen ©ebanfenfreife fid) beroegten, fo l>at
bie ©efdjidjte feine gorberungen mat)r gemalt, feine Söeiffagung erfüllt.
äöie öorauS^ufetjen erregte baS 33ud) , beffen 2>rudE ©. Scfjroab bei ßotta
öermittelt blatte, grofjeS Stuffetjen narf) öerfdjiebenen Widmungen; eS brücfte ^mar
nidjt baS auS, maS in aller ©ebanfen tag ; bei ber Web^a!)! ber liberal gefinnten
ßefer befonberS in ©übbeutfdjtanb mürbe bie ^ertiorfetjrung ber preufjifdjen
©pifee überfein gegenüber ben liberalen Mnfctjauungen überhaupt, bie barin fjer=
öortraten; in Defterreicfj mürbe eS begreiflidjerroeife öerboten; meiere Sßcadjtung
eS in ben leitenben Greifen ^reufeenS fanb , ift nidjt ju erfetjen , für ben 2$er=
f äff er tjatte feine Sßeröffentlidjung meittragenbe g-olgen. SDer fdjüdjterne fülle
llcann ftanb nun auf einmal ba nid)t etma als eine Sinkt &e§ 9tid)terftanbeS,
fonbem als fjeröorragenber , ja genialer ^ublici[t, als politifdjer Sdjrtftfteller
im beften Sinne beS SBorteS, als $orfämpfer für freiheitliche unb nationale
^been, er Ijatte ben 23oben betreten, auf meinem er mädjtigeS, unöergänglidjeS
leiften fonnte, aber im roürttembergifdjen StaatSbienfte mar junädjft feines
23(eibenS nidjt metjr. 2>ie ftorberuug, bafj bie anbern beutfdjen dürften au
©unften *Preu£senS auf einen ütfjeil it)rer ©ouöeränitätSredjte öer^idjtcn foulen,
tjatte ben roürttembergifdjen £)of aufs peinlidjfte berütjrt; öon feinem ätorgefefeten
über Stenbena unb Snfyatt feiner ©djrift befragt, glaubte *p. biefe anfrage mit
ber Sßitte um feine (Snttaffung beantmorten ju muffen. 5lm 19. ^uni 1831 er»
folgte biefelbe. 2)ie grage fdjeint (nadj Dotter) öon bem $. rootjtgefinnten
SepartementSdjef nidjt fo geftcllt morben ju fein, bafj ber austritt auS bem
Staatebienfte ein notfjroenbigeS ©ebot ber ßljre geroefen märe; ty. fdjeint ben=
felben aueb, fpäter bereut ^u tjaben, ber S3eruf beS 9tidjterS mar als regelmäßige
Sefdjäftigung ber angemeffenfte für feine Dtatur; ^olitif, ^oefie unb Stubium
mären in ben 1)Jtu£eftunbeu noct) ööllig ju itjrem 9ted)te gefommen.
Sin reidjer ©rfa^ für bie aufgegebene Stellung mürbe ifjm babureb, ju
Xtjeil, ba§ er im Secember 1831 öon Tübingen (©tabt) als it)r Vertreter in
bie Kammer ber 5lbgeorbneten gemäfjlt mürbe; in ber 3toif^en3e^ bi§ ^um
3ufammentritt ber Stänbe gab ty. bie beiben ©djriften IjerauS: „©ebanfen
über ba§ Qid unb bie Aufgaben beS beutfetjen Liberalismus", Tübingen 1832
unb „lieber bie ftaatSrecrjtlidjen 23ert)ältniffe Württembergs ^um beutfdjen S3unb",
Strasburg 1832. ^rem innerften Söefen nad| ift bie erfte nidjtS als eine
feljr etnbringlidje SBarnung an ben beutfdien SiberatiSmuS, tro^bem ba^ baS
unbeutfd)e Oefterreid) unb baS abfolutiftifdje 5|}reufeen bie Hoffnung auf bie
2Biebergeburt ber bürgertidjen g^eit, auf 3tnnat)me conftitutioneEer ^rineipien
meiter als je in bie gerne rüden, fidj nidjt in bie 5lrme öon granfreieb, ju
merfen; bie jmeite erhielt itjre S3eleud)tung burd) bie „Lotion", meiere 5p. am
13. gebruar 1833 in ber mürttembergifdjen Slbgeorbnetenfammer ftettte. @in
fyödjft peinlicrjer 3toifd)enfall öergätlte ib,m ben Eintritt in biefelbe; als fte am
15. Januar einberufen mürbe, liefj Äönig SBitb^elm, in beffen g>anb ieber neu=
eintretenbe Slbgeorbnete ber S)erfaffung gemäfe ben 6ib abzulegen blatte, unter
ber £>anb bie anfrage an $. ftellen, ob 5ß. nicb.t auS ber (SJröffnuugSfümng
megbteibe, ba ber $önig eS nid)t öermöge, if)m perfönlidj bie ^anb ju reichen.
NidjtS lag ty. ferner als £rot| ober .^afcjen nacb^ roob^lfciter Popularität; feinem
unbeugfamen 9ted)tSfinn miberftrebte aber baS 233egbteiben ob,ne eine amtlidje
^faer. 673
fönigtidje ©rflätung unb ba er biefe nidjt erlangen fonnte , tfjeilte er fdjriftlidj
bem Könige jeinen 2)orfatj mit, ber Eröffnung anjumoljnen , roorau? ber Äöttig
megen Unmotjlfeing megbtieb unb bie Eröffnung burrf) ben ^Jiintfter (Sc^tarjer
oornetjmen tiefe. 5ß. ftanb nun in ber öorberften föeitje Der liberalen mürttem*
bergifdjcn ©ppofition, Seite an (Seite mit Uljlanb, bem er nodj mäfyrenb feineä
Tübinger 2lufentt)alt3 burdj ©. Sdjroab'§ Vermittlung natje getreten mar unb
in beffen .gmufe er jeitbem tjäufig öerfefjrte, mit Stömex, 21. Sd)ott unb anberen;
„ber 2)idjtergarten in ber Kammer", auf toetdjen ba§ fcf)triäbif<$e Sßotf mit
innigem SBorjtbefjagen, mit maljrem Stola bliäte, erfüllte nad) beften ÄräTten
feine politifctje Slufgabe; für $., meldjer bas ibeenreirfje -öaupt ber SSerfamm*
tung genannt merben fann, mar nun bie ^nt eingetreten, ba er bie Ginljeit^
gebanfen in ben ^intergrunb meifenb, für conftitutionelle Sftedjte unb greifjeiten
fämpfen mufete, bie er feine§meg§ gering adjtete, a6er bod) fidtjer nid)t in
bie erfte Sinie gcfieltt tjatte. @3 lag in ben bamaligen 3eitbexljältniffen , bafe
eine Stärfung be§ Gonftitutiona(i£mu§ in ben fleineren Staaten notrjroenbtg
jugleid) eine beö *]3articularismu§ mar, ferner genug empfaub 5j3. bie gan^e
ü£ragif biefer 33err)ättniffe unb feiner eigenen Stellung, eine atterbingg nur t>or=
übergetjenbe Xrübung feiner urfprünglidjen 9lufidjt, mie er fie in bem S3xtef=
toecfjfel au§gefprod)en, mar bie natürlidje SotQe babon. 2lm 13. gebruar 1833
[teilte % ben befannten Antrag, bie fedjS Slrtifel ber 23unbe§befd)lüffe öom
28. $uni 1832 gur lanbftänbifdjen Sßerabfdjiebung ju bringen, etientuett bie=
felben als ein für SBüxttembexg nidjt geltenbeS ©efetj au betrauten. 9tod} t)atte
bie ftaatStedjttidje Gommiffion, beren SBorftanb Utjtanb toar, itjren SSexidjt bar=
über nierjt erstattet, at§ ber ©etjeime Sftatf) unter bem 27. Februar jenen Grlafe
ergeben liefe, in meldjem einzelne Behauptungen ber Lotion at£ „ungegxünbet
unb ebenfotoenig mit ben SBertjältniffen be§ $önig§ ^um beutfdjen 33unbe, alg
mit beffen Souberänetät§ted)ten bexeinbax" beaeidjnet unb bat)ex gegen bie Äam=
mer bie Sxmartung aulgefprodjen tourbe, fie merbe bie ^ßfijer'fcrje Lotion „mit
öerbientem llnmilten" jurüdraeifen. Ut)tanb;3 Slntroort an ben ©er>imen ütatl)
roie§ bie§ Stnfinnen entfdjieben juxütf (7. gjläxj) , in mürbiger gebanfenretdjer
Otebe begxünbete $. am 11. attarj feine Elution, nad) fiürmifd)en Debatten be=
fdjlofe bie Kammer mit 53 gegen 31 Stimmen bie s3lnnat)me berfelben am
13. 9Jiäxa, bie Slnttoort ber Regierung mar bie Slupfung ber Kammer (22.3Jt«a).
S)iefe golge ber Lotion mar Dorau§aufeb,en gemefen unb Dticmanb meniger al§
*p. fjatte fid) barüber getaufdjjt, aber menn er fie bamal§ [teilte, am 23. «ötai
unter Oexänberten 3ßert)ältniffen abermals einen Slntrag auf geftftettung ber
[taat§red)tlid)en $ext)ältniffe äöürttembergi aum beutfetjen Sunbe einbrachte,
am 17. 3u!i motiüirte unb in ben ^afjren 1835 unb 1838 benf einen toieber-
x)otte, erfolglos, inbem bie anberS jufammengefe^te Kammer if)n für unbegrünbet
erllärte unb ignovirte , fo gefdjarj bie§ bod) nidjt au§ blofeer Üif^t^aoerci , e§
mar Oielmeb.r fein politifd)es; tiefgetranftel ©emiffen, meldjei fid) tjiexin Suft
machte, fo biete beerbe gnttäufc^ungen er baburd) erfuhr, e§ mar ber qSroteft
einei äd)ten 5BaterlanbSfxeunbe§ gegen bie Unnatur unb Sroftlofigfeit ber ba=
matigen Söer^dltniffe. £)uxdj einen prad)tbolten filbernen tyotai baufte bie
Sübinger 2öät)terfd)aft iljrem ^bgeorbneten , ein glei$e§ efirengefcb.enf mürbe
ib,m fpäter Oon Stuttgart ju Sljeil.
Sn bie auf ben 20. Etai 1833 aufammen berufene Kammer mar $. bon
feiner getreuen Stabt Tübingen abermals, menn aud) nad) hartem aßab.lfampT,
gemäht morben; bie liberale faxtet blatte abtx in bexfelben nidjt metjr bie
Majorität, ber ßampf gegen bie Regierung mürbe unerquidtid)er, aud) oon
Seiten be§ mürttembergifdjen 55ol!e§ mit menigex Sljeilna^me Pexfotgt; % felbft
3ia(icin. beutfdje Stograpfiie. XXV. 43
674 SPfiacx.
würbe burd) bie Sage bcr Slinge, burd) ba§ $eftljatten an ben conftitutionetleu
3fted)ten unb Sfteitjeiten in eine fd)tefe Stellung gebracht, toelcije mit bem eigent*
liefen $ern feinet 9lufid)ten nid)t übereinftimmte. So fam e§, bafj er, ber bie
äBidjtigfeit bess pteuf}tfd)en ^ottoereineg für bie Einigung 2)eutfd)lanbg flar
genug erfannte , bod) mit ben übrigen 9Jtitgliebern bcr Dppofition gegen ben
Slnfdjlufj 2Bürttcmberg§ an benfelben ftimmte au§ conftitutionetten ©rünben.
SBenn er bei ber 23eratt)ung be§ Strafgefetjeä fidj bon ber liberalen 3)octrin
trennte unb im 'tßrineip für bie ^Beibehaltung ber £obe§ftrafe fid) auäfprad), fo
mar er um fo metjr mit feinen ^atteigenoffen einig, at§ am 18. 3fan. 1838 ber
b,annoberfd)e SBerfaffungäftveit 3ur Sprad)e fam; er unterftütjte ben Antrag auf
einen öffentlichen 2lu6brud be§ 23cbaucrn§, freilidj nid)t otjne bitteru ,£>inmei§
auf feine eignen ticrgeblidjen Slnftrengungen jur 2Bal)rung ber DerfaffungSrnäfjigen
sJled)te ber württeinbergifdjen Stänbe. (5r felbft mar ber parlamentarifdjen
üttjätigfeit grünblid) überbrüffig; er tjatte fie nie gefudjt unb feinen ytugenblicf
gemünfd)t, fie ftimmte mit feinem ganzen SBefen menig übercin; an ber JHcprä*
fcutatiDücrfaffung ber fteinen (Staaten fjatte er eigentlich menig greube unb bod)
mufjte er fie oerttjeibigen gewiffermafjen al§ ben testen -$ort ber ^Vvei^eit. @r
mar fein Parlamentarier im eigentlichen Sinn ; ber lcid)te Sflufj be§ geborenen
sJtebner§ ftanb iljm nid)t ju ©ebot , ebenfomenig bie fdjarf jugefpitjte epigram=
matifdje .Umift be§ SDebatterä. 21(3 Karex Äopf, al8 ftreng gefdjulter ^urtft
ftclltc er, wenn er baS Söort ergriff, feinen sUtaun, furj, bünbig unb fadjtid)
maren im SBortgefecfjt feine Einträge unb (Srmiberungen, feine eigentlichen 9teben
beburften aber längerer, forg'ättiger Vorbereitung, 3eid)neten fid) bann aber aud)
auö burd) ben tfteidjttjum ber ^been , ifjren fotmüollenbeten 'Mbet in s)lußbrucf
unb Stil; ber SDid)ter, bem bie Sprache ifjre beften Sdjätje jur Verfügung ftclltc,
ber unerfctjrotfene eble Wann , ber nur um feiner lleber^cugung mitten, nur ber
Sadje wegen fprad), berleugncte fid) aud) in ben Äammerreben nietjt.
"JJtübe ber unfruchtbaren kämpfe naf)tn ty. fein neues' 9Jtanbat in ben
Sanbtag meb,r an, junädjft wibmete er fid) ber publiciftifdjen Stfjätigfeit, wetd)e
atterbingS aud) Wäl)reub ber parlamentarifd)en nidjt gerufjt tjatte. 1835 erfdjien
feine Sdjrift: „lieber bie Sntmidlung bes öffentlichen 9tect)t§ in 5Deutfd)lanb
burd) bie Verfaffung bes Vunbcä", eine fd)avf finnige ^eyglicberung ber 33er=
faffung be§ beutfdjen Sßunbeä , beren llnt)altbarfeit unb ^Hänget mit roeitem
ftaatsmännifdjem Solide bargelegt werben; aud) in biefer Sctjiift ift ^ßreufeenS
beutfcfye Vefiimmung flar au§gcfprod)en, bie (Sriminalunterfuctmng, in wetdje ty.
wegen ber Sdtjrift öerwidett würbe, enbete mit bölliger greifpredjung. (Sine
metjr locate 5^ge erörterte bie 9lbt)anblung : „®a$ 9ted)t ber StcueiöerwiUigung",
1836, eine ^ufammenfaffung feiner 2lnfid)ten gab ba§ jmeibänblge SOQerf: ,,©e=
banfen über 9ted)t, Staat unb Ätrtrje", Stuttgart 1842. Sc^öpferifd) neue
(SJebaufen fiub nidtjt barin auSgefprodjen, bie Rechtfertigung be§ conftitutionelten
*Princip8 ift weit entfernt Don ber SBerttjeibigung eine§ nur formalen 2iberati§mu§,
mit jener ©ereeb^tigfeit, Weldjc alle Schriften ^ßfi^er'g au^eic^net, erfennt er aueb^
ba§ SBatjre in ber üDemofratie an, überall aber merft man bem SBerfaffer an,
bafj c§ ir)m nid)t um trjeoretifdje 3luöeinanberfe^ungen 5U tl)un ift, fonbern baf$
er einen praftifdjen 3^ed babei öerfolgt, ber in bem IV. 5lbfdjnitte, bem
„SJaterlanbc" 3U Sage tritt. 3fn boräügtidjer äöeife wirb Ijier bcr Slmrafter
ber S)eutfd)en gefdjilbert, ber ^Hanget eincg gemeinfamen S5aterlanbe§ beflagt,
über bie £roftlofigfeit ber Äleinftaaterei unb ber potitifdjen ®leid)gültigfeit unb
Unflartjeit ein fct)arfe§ ©ertd)t gehalten; aber ber Sd)mer3 be§ Patrioten fangt
nidjt berjweiflunggbotl, überall brid)t bcr ©laube an bie einfüge ©röfje unb
s]Jtacbt be§ geeinten S3aterlanbe§ b^eröor, ber ßiebling§gebanfe ift aud) tjier, ^reufeen
als conftitutioneUcn Staat an S)eutfd)lanb§ Spi^e ^u fetjen. S)ie 2Ibl)anblung, 1845
^fijer. 675
autfj fepatat crfc£)ienen, wirft jefct nocrj tu ifjren allgemeinen Steilen begcifternb
burd) ifyee 2Bärme, bie eble Spraye unb ben fiegreidjen Ion überjeugenber
«Bhrjrtjeit. $n bem «JJtaBe, wie bae 2Berf berbiente, toarbc eä nicfjt beamtet (e8
bürfte ntdt)t unerwähnt bleiben, baß am 3. «Äprü 1849 beim (Empfang, ber ßaifer»
beputation in Berlin bie bamatige ^nnjefftn bon $reuBen, bie je^igc Äaiferin
Slngufta, bie e3 mit lebhaftem Sntereffe gelefen fjatte, ben äBerfafier grüßen (ie|).
«4*. bejanb ftdj auf immer einsameren Stäben, nur }u fefjt erfüllte fid) an tt)tn
fein eigenem Söort: ber befjere teufet) fü^tt fid} gelungen, atteä «eben unb
©treben ferner unb ernftfmft 5U nehmen, ©eine fefnTtftetlerifdje 2tjatigfeit fjatte
ifjn atoor in bie öorberfte Sinie ber «pubtieiften geftettt, aber fie bemebigte ifjn
nitijt , erje^te nidjt ben Mangel einer regelmäßigen 2fjätigfeit , geroäfjrte ifjm
audj nur geringen materiellen SBortljeu. ©o griff er, wot)t wiberroitlig , jur
«Ibbocatur, gab fie aber balb wieber auf (1843 4); 1846 bot ifjm «JJltmfter
(5cf)tat)er, ber fo biet bon ifjm befämpfte, bie burd) 9tob. «mofjt'i 2Ibgang erlebtgte
«Profeffur be§ Staatsrechts in Tübingen an, «£. füfjtte fid) förpertid) fdjon au
leibenb, woEte aud) in fein Sl&fjängigfeitsberrjättniß treten unb lehnte bie Stelle
ah. Sagegen natjm er 1846 bie eine! red)töfunbigen Sefjtlun be§ Stabtfc^utt=
Reißen in Stuttgart an, aber bie Stelle blieb eine untergeorbnete unb ba§
gntfdjeiben über «Bagatellfällen mar feiner Begabung, fomie ber ganzen Stellung,
treibe er bisher eingenommen fjatte, unmürbig. ®ie Sitmngen be§ Stuttgarter
@emeinberatb>, au beffen «Dcitgtieb er gerodelt mürbe, befudjte er regelmäßig,
ebenfo mie er bi§ aum 3at)re 1848 bie «Borftanbfdjaft be§ neugegxünbeten
£anbeläfd)ieb3geri(f)tä gerne befteibete. Xa§ _gr)renbürgerre$t ber Stabt Stutt-
gart mar ber ßorjn feinc§ gemeinnützigen SBirfenS.
«mit bem Sturm be§ 3af)re§ 1848 fd)ien bie Seit gekommen ju fem,
meiere nid)t nur feine Söünfdtje unb Hoffnungen eine§ einigen «BaterlanbeS er«
füllte, fonbern ebenfo itjm bie gebütjrenbe Stellung braute; fem «Jtame bom
bejten Älange mar eine «Bürgfdmft bafür, baß eS ber württembergifd)en «Regierung
mit ber «ßilbung eine§ liberalen «JJcinifteüums ®mft fei, ebenfo galt feine nie
bezweifelte Sogalitat für eine Stü^e bei SljroneS. Sein ftreunb Subernot) ber=
langte feinen gintritt in ba§ neujubilbenbe («3Jlävä=)^iniftfttum , am 8. «JJtarj
mürbe er bon Tübingen, mo er fid) aufätlig auffielt, burd) einen Eilboten nad)
Stuttgart befd)ieben, übereinftimmenb mit ©ubernoi) berlangte er 3fr. «JtomerS
Eintritt, welcher bem «minifterium feinen «Kamen gab (9. «Utäta). £a§ «Programm,
mit meinem ba§ neue «ücinifterium bor ba* «öolf trat (11. «Mrji, mar bon ty.
berfaßt- er tjatte ba§ ßuttuSminifterium übernommen, aber bieje «tfuigabe ging
Weit über feine förperlictjen Gräfte, er oermodfjte bie Saft ber emftürmenben ®e=
fd)äfte nid)t ju überwältigen, ba bie neue 3eit neue Drgamfattonen (a- 35.
«»Iblöfung ber 3er)nten u. f. m.) berlangte. «8ebenflid)e fdjlagartige 3lntaHe
trafen ifm, meiere if)m ba§ «Arbeiten beinahe unmöglich maßten unb ben perjon--
lid)en «Bortrag beim Könige berboten. «Äu^ im «Borparlament, wie ber ftranf;
furter «Jtationalberfammtung fetbft, wotjin er als «Äbgeorbneter bon_ Stuttgart
gef anbt würbe , fpielte er feine «Rotte , er trat ui$t aU «Rebner au? unb bem
berfaffunggebenben 5tuifd)uß gehörte er nur furje 3eit an. jöht Sanftem
Äopfe, aiemlicb, t^eilna^mlog, fab, man i^n in ben Stangen ber «Paul5firct)e, bis
ein neuer ßrantf)eit§fatl nötigte, itjn nac^ Stuttgart au berbrtngen. ^m
13. «Äuguft bat er um feine gnttaffung au§ bem «ölmiftertum , welche ijm
bon Äönig «Eßi^elm -unter freunbti(f)eu S)anfe§bejeigungen gewaljrt würbe; ber
«Rücftritt in ben StaatSbienft würbe i^m offen behalten, bie angebotene «JJennon
tetjnte er ah. ßerbft 1851 metbete er fi$ um bie Stette eines* D6erju|ti5ratrje§ beim
OJeri^tä^of in'jübingen, er erhielt fte, aber fcfjon am 1. Slug. 1858 muBte er fie
676 Wa«-
Wegen juneljmenber Jhänflidjfeit triebet aufgeben; mit geringer ^penfion bebadjt,
berbradjte er cinfam, bon nmerjmenben förpertid)en Seiben gebrüdt, ben 2lbenb
feinet ßebenS in Tübingen; bie t)ot)e fdjlanfe ©eftalt war etwa§ borgebogen,
ber Äopf mit ber mafftgen ©time fdjien unter fortwäljvenbem 2)rude <ju leiben,
ba§ Sluge Ijatte einen ftarren 5tu§brud angenommen, ben fpredjenbcn 3eu9en
eines ferneren sfterbenteiben§, WetdjeS atlmäfjlid) feine ©efunbtjeit untergrub.
216er aud) in biefen letjten 3iar)ren narjm er lebhaften 2tntl)eil an ber Güntwirf»
lung ber beutfdjen Sertjältniffe, wie früljer fudjte er burd) fdjriTtftetterifdje £r)ätig=
feit 5U wirfen, e§ gab Reiten, in Weidjen fein (Seift fo frifdj, fdtjarf unb ftar
wie früljer fid) in feinen ©djriften geigte. 1848 berlangte er in ber SBrofdjüre:
„Beiträge jur f5eftfteüung ber beutfeijen 9teidj§gewalt", bafj bie Oberleitung ber
beutfdjen Angelegenheiten borerft (bis 1851) ber preufjifdjen Regierung über»
tragen werbe, bie ftcigenbc s)Jtad)t ber S)emofratie in ©übbeutfdjtanb, ber Sobel-
in ber ftationalberfammlung, beren 9ttadjtlofigfeit offen nt Sage lag, ba8 S5er=
tmtten ber Defterreidjer in jjrantfurt unb bie Unterbrüdung ber ftebolution in
Oefterreidj tonnten baS Vertrauen, Wefdjes er auf ^reufcen, als ben Grinigung§=
punft fetzte, nur ftärfen. Sin ber Söetfammlung in ©otlja am 26. $uni 1849
tonnte er wegen Äränftidjfeit nidjt tljeitnefjmen, baä bort formulirtc Programm
War im ©runbe fein anbereS, al§ ba§ bon it)m feit 3at)ren berfünbete; in
einem offenen 23riefe au «£>einrid) b. ©agem empfarjl er aud) bie 2lnnat)me ber
preufjifdjen SßerfaffungSborfdjIäge unb in bem 2lujfatj: „*preufjen unb Defterrcid)
in itjrem Söertjältnifj ^u 2)eutfdjlanb" (in ber ©ermania 1851) fodjt er aber=
mala lebtjaft für sJ>reufjeng «Hegemonie. S)ie Wadjgibigfeit biefer ®rofjmad)t in
ber fdjleäwig=ljoIfteinfd)eu fixa^, bie üDemüttjiguug bon DImüt}, ber 9lbfotuti3muä
öon "Dcanteuffet, fd)ien feine ^Behauptungen unb ^yorberungen böltig ßügen ju
ftrafen, in ber ©djvift: „2)eutfd)lanb§ 3lu§fid)ten im gebruar 1851" mad)te er
feinem tiefen Unwillen £uft, ber ©laube an- ^preufjcnS '»Dtiffion fdjien aud) irjm
für ben Slugenblid gefd)Wunben ^u fein. üDie Sdjrift war fo fdjarf, bafj fie in
^reufjen berboten Würbe, ©in botteS $afjraer)nt rutjte ^fijer'3 Jyeber; bie @r=
eigniffe bon 1859, ber 2lnfang ber Einigung Italiens, bie SBeränberungcn in
^reufjen bcrantafjten ir)n 1862 nod) einmal, ba8 SBort ju netjmeu in ber
frifdjen, bie alte «Jhaft berratljenben 33rofdjüre: „3ur beutfdjen 33erfaffung§=
frage". Stuttgart 1862. Söteberum fei SDeutfdjtanb bor bie 21lternatibe ge=
fteEt: ^reufjen ober Defterreidj ; alte mefentlidjen ©rünbe fprerfjcn für ^reufjen
unb felbft Wenn *Jkeuf$en riet gefünbigt unb berfäumt l)abe, fo bleibe bod) fein
3iel, auf wetd)c§ bie 2öeltgefd)id)te einmal Einarbeitete, unerreid)t unb e§ wäre
wiber bie Statur ber menfdjlidjen SDingc, wenn bie gau^e gewaltige Bewegung
nad) ber beutfdjen ©inljeit für immer in ben ©anb berliefe. —
Siiefe frolje Hoffnung, metd)e ty. aud) in ben trübften 3"ten feftllielt,
täufdjte nid)t; c§ war il)m bergönnt, 1866 ben £riumpf) ber Sad)e $reu^en§
3U erleben, bott empfanb er bie 53ebeutung jener 3cit Wenn er aud) ^u fd)Wad)
war, in irgenb einer SBeife biefem ©efüfjle öffenttid) 2lu8brud ju geben. Sin
einfamer Staugner, wie er fid) felbft genannt, bon fteigenben Reiben gequält,
brad)te er feine S£age in feiner fel)r befdjeibenen Söofjnung in Tübingen ju;
mit llrjtanb ftanb er im näd)ften Sßcrfeljr, bie treue ^teitnbfct)aft ber Seiben
tjatie burd) bie 33erfd)iebent)eit ifjrer potitifdjen 2lnfidjten in Se^ieljung auf bie
preuBifdje 33orrjerrfcl)aft feineu ©tojj erlitten, kleine Reifen (nad) ^artlbab,
2Bie§baben unb 3U ben in Stuttgart lebenben ©efdjwiftern) boten t)ie nnb ba
3lbwed)*tung in bem Einerlei biefe§ einfamen Öebeni Oß. war nie bermäfjtt),
aber immer tiefer fenfte fid) bie geiftige Umnadjtung auf ben retdjen ©eift. 3lm
30. 3uli 1867 9tad)mittagä jwifdjen 2 unb 3 Ufjr ftarb er nad) furjer Äranf*
Wm- 677
tjeit; am 1. Stuguft rourbe er beeibigt , bie beutfctjen färben unb ber mob,(öer=
biente ßorbeer firmierten mit ftecfjt feine letzte 9tutjeftätte.
$. ift ber bebeutenbfte öolitifctje Genfer ©übbeutfctjlanbS in biefem 3ar)r=
rjunbert; feinen originalen großartigen toeitausbticfenben ©ebanfen Braute eS
feinen Slbbrud), bafj er fein ö^aftifcrjer Staatsmann mar, feine Sfjätigfeit roar ber
£auötfacf)e nacfj nur eine öubliciftifcrje, aber fie mar eine reiche unb mistige; er
ftreute mit üotten £änben jene $been auS, nietete immer mefjr (Semeingut eines
großen StjeilS ber Nation mürben unb bie jetjt gefommene GürfüUung öorbe=
reiteten unb mögtiä) matten: mit 9tect)t jiert fein 93ilb baS (proöiforifc^e)
OteicfjStagSgebäube beS neuen beutfdjen 9teictjeS, benn öon ben 9Jtännern ber geber
rjat er am meiften jum guftanbefommen beff etBert Beigetragen. (Sine reizbare
öertjängnifJDotle Xiefe beS ©emüttjeS lief; ben &eidj)tr)um beS ganjen SBefenS nie
jjur öolten Entfaltung fommen unb fütjrte, öerbunben mit ben äußeren 5ßer=
fjättniffen jenes llnbefriebigtfein Ijerbei, roelcrjeS biefem Seben ben tjarmonifcfjen
ßinbruef raubt; aber entfcrjiebener UnabfjängigfeitSfinn, tjeröorgegangen au§
jcrjroäbifcfjem g:rei^eit§= unb altroürttembergifctjem SkcrjtSgefütjl, öerbanb fiefj bei
it)m mit reifer SJaterlanbSliebe, bie ftrengfte 9iecrjttici)feit unb Uneigennütsigfeit
gierte ben Gtjarafter ebenfo tüte bie reichten ©aben ben ©eift.
Sine feiner roürbige SBiograprjie f)at ty. noefj nietjt gefunben; baS 3}or=
ftetjenbe ift befonberS entnommen bem genauen 'Jlefrolog, ben $r. Dotter öon
it)tn gab, ©tf)toäbiJct)er Sfterfur 1867. gtjronif 9tr. 213 u. 214 unb bem
öortreffticfjen Silbe ^f^er'3 öon 233. Sang in: S3on unb auS ©cfjttmben. <£>. 1.
18S5. Srjeobor Schott.
$flatt$: Senebict SltoiS $., fatfiolifcrjer ©eiftlictjer, geb. am 25. «Jto*
öember 1797 ju @fpad£)tDeiler im Oberamt SUroangen , f am 24. 9toöemöer
1844 ju ©erjöraingen im Dberamt ©paicejingen. @r mactjte feine öorbereitenben
©tubien 1808 — 15 an bem ©tjmnafium unb ßöceum ju Sllnmngen , begann
bann feine trjeologifdjen ©tubten an ber bortigen fattjolifc|=tf)eotogifcf)en ^yacuttät
unb fiebelte mit biefer 1817 nacr) Tübingen über, mo er äugleictj ^tjilologie
ftubirte. $m $• 1819 trat er in baS ©eminar gu 9ftottenburg unb rourbe bort
am 20. September 1820 jum ^ßriefter gemeitjt. 91acr)bem er einige ^atjre als
,£ülfSgeiftli<i)er unb -gmtfStetjrer am ©ümnafium beferjäftigt getoefen, mürbe er
1826 ^räceptor unb 1828 ^rofeffor am ©ümnafium ^u Dtotttoeit. 1831 unb
1833 mürbe er bort jum Slbgeorbneten für bie roürtembergifcfje Kammer geroätjlt.
(5r beseitigte ftcr) tebtjaft an ben S3ertjanbtungen über firdjticfje fragen, nament=
lief) über ben Antrag auf Sluffjebung beS fattjotifetjen ÄirctjenrattjeS, öeröffent=
licfjte auet) 1833 eine ©crjrift „lieber bie Ausübung beS ©crjut3= unb DberamfictjtS=
recfjteS pi-oteftantifd^er dürften über itjre fatfjoüfcrjen 8anbe§fircrjen burd) eigene,
aus Äattjolifen befteljenbe (Kollegien, mit befonberer 9tücfficr)t auf SBürtemberg".
(änbe 1836 mürbe er Pfarrer ju SJloosljeim, im £$K'ül)jar)r 1843 ju ©cljör^ingen.
ip. ift einer ber testen litterarif^en Vertreter ber SBeffenbergifc^en Ütidjtung unter
ben fübbeutfdjen ©eiftlict)en , namentlictj als Herausgeber ber „^reimütb.igen
33tätter über Geologie unb ,^trd)entt)um", bie 1830 öon einer ©efellfcfjaft be=
grünbet mürben, roeldje fictj noer) in bemfelben ^aljre mieber auflöfte, unb bie
$. bis ju feinem 2obe leitete (ber 1844 erfcrjienene letjte, 27. ober ber bleuen
fyotge 24. SSanb, entljält ©. 343 feinen 9Zefrolog). 2lu|erbem öeröffentlicfjte
er: „lieber baS retigiöfe unb firdjlictje Seben in ^fraufreic^", 1836 (nacr) einer
9teife naä) $ariS unb ber ^ormanbie im $. 1835 gefd)rieben); „S)er römiferje
©tu^l unb bie Kölner Angelegenheit", 2. 5lufl. 1838; „Dr. fyribolin ^uberS
(f. 21. 2>. 35. XIII, 231) Seben unb titterarifcrjeS 233irfen", 1839.
Dteufcf).
678 Sßfleibetet — ^flug.
^flciöcrer: Gtjriftopfj griebrid) t>. $., 9ftatt)ematifer, geboren am
20. DctoB« 1736 in $ird)l)eim unter £etf (SBürtemberg), r am 27. Sebtbr.
1821 in Tübingen. <Solm beS 9lmt§d)irurgen (Sfjriftopr) 5p.# Weffc bei 5ßrä*
ceptor'S ATaifer, erhielt s}>. eine gtünblidje tSd)utbitbung, bie er in SBlaubeureu,
Sabenfjaufen unb in Tübingen oerDoIlfommnete. Sein ßetjrer in ben matfje*
matifcfjen Söiffenfdjaften mar 3ot)ann ÄieS f. 51. 3). SB. XV, 725), unter
beffen 33orfit$ er 1757 mit einer aftronomifetjen ?Ibt)anbtung promotmte. 2)ie
folgenben fünf Sarjre brachte s4>. in Tübingen ttjeilS im Seminare, tl)ci(S als
£)auS(el)rer ju, 1768 begab er fidj nadj ©enf ^u bem berühmten s)JJatl)ematifer
Sefage. 2luf bei 8ejj>teTen @mprel)lung fam ^. 1766 nad) SBarfcfjau an bie
bort neuenidjtete 9)cilitärafabemie. 1774 tierbanb er mit feiner bisherigen
sßrofeffur bor Watb/matif unb ^rjtjfif bie Ditection be3 fönigt. potnifdjen @a=
bdtcncorpS. (Jbenfo mürbe er Witglieb einer jut 2tbfaffung unb *ßififung öon
Sdjulbüdjern eingefetjten (Jommiffiou. 1781 erhielt $. einen 9ruf nad) lübingen
($ieS mar am 29. ^uli biefeS 3nl)VfS geftotben), unb in fo angenehmen 95er«
fjültniffen er anctj in s}?o(en lebte, mo er ber .podmdjtuug unb Zuneigung bei
Königs» StaniSlauS 2luguftuS, foroie 2Uler, mit benen er in 95erfer)r mar, fid)
erfreute, <$ögette er bed) feinen 21ngenblief , in bie ^eimatt) jurütfjufetjren. 6r
gehörte nun ncd) 40 3lat)re ber .£od)fd)ute an, öon ber er als junger Soctor
ausgegangen mar. Sie etften jefjn Slatjre kohlte er in frtfd)efter ©cfunbljeit.
1791 befiel it)n nad) bem £obe eines geliebten 3ot)neS ein rjeftigeS (sd)(eim=
fieber, unb öon ba mürben ÄranftjcitSanfäfle immer häufiger bei tt)m. ©ie tjer=
modjten feine ßerjrtfjätigfeit nicfjt 311 ()emmeu; ja a(S fpäter förperlicb/ 3d)roäd)e
unb fd)rainbenbeS 2lugentid)t it)n am 2luSget)en öerljinberten, fetjtc er feine 95or=
lefuugen ju <£)aufc fort. Unter ben öcrfd)iebenen ?lu*}eid)uungen, bie er erhielt,
öerlief) ber Drben ber 2Bürtcmbergifdjen Ärone irjm ben 2tbel. $. mar in ber
*Dtatr)ematif ali ßefjvet roie als (Sdrriftftetter borjugSrueife ©eometer ber antifen
©d)ule. %m befannteften fiub feine 2lnmerfungcn ju ben (Elementen bei (Juflib,
meldje evftmatig burd) ■)>. felbft in aflmätjlid) erfdjeinenben £>eften, bann roirber=
tjolt 1827 unter Benutzung beS (janbfcfjriftlidjen OiadjlaffeS burdj .£>aubcr (f.
2t. 2). 33. XI, 38) fjerausfgegeben mürben. „Sie ebene Trigonometrie mit 2tn=
meubungen unb Bcnträgeu jur ©efdjidjte berfelbrn" ('Tübingen 1802) fennt
^oggenborff'S 93iogr.= titetar. Jpanbroörtcrbud) jur ®efd]id)tc ber ejacten 28iffen=
fdjarten II, 432 nidjt. ©leidjmol)! ift ei ein bortrefflidjeS 33ud) , auS beffen
jab,treici)en 2(nmcrfungen insbefonbete man auef) bleute nod) red)t ^ietrS
lernen fann.
9?gl. 2öürtembcrgifd)e Sfaljrbüdfjer für oaterlänbifdje ß>efcf)id)te, ©eograptjie,
Statiftif unb 2obograbf)ie, IjerauSgegeben öon 3f. 2). ©. 2Remminger. 3ar)r=
gang 1823. ©. 61 — 66. dantor.
^f(ug: Sodann 53abt. s^., „fcfimäbifdjer ©enremaler", geb. als ©ot)n
acfjtbarcr Bürgersleute am 13. gebruar 1785 unb f ben 30. Wai 1866 ju
93iberacr) in Oberfdjmaben, ber ehemaligen 9teie^S= jt|t mürttcmbergifd)en £)ber=
amt§=®tabt, auS melier fcf)on fo fiele namhafte Äünftler tjeröorgegaugen ftnb ;
befuc^tc 3unäd)ft bie ©djulen feiner 95aterftabt. Scl)on frü^eitig regte ficr) in
bem aingeraecften angetjenben 2ateinfd)üter ber unmiberftetjlic^e — root burd) bie
öielen in buntem 28ed)fet fief) üolljietjenben Sruppenburdj^üge gemedte — -^ang
jum 3cict)nen unb 9ftalen, obmol ein eigentlicljer 3eid)nungSunterrict)t in Siberaci)
bamalS noci) nierjt beftanb, inbem er tür feine $)Htfdjüler burcfjäietjenbe ©olbaten ic.
abjetdjnete, auri) in färben barfteüte unb fo ein fleineS 2afd)engelb ficr) t)er=
ferjaffte. daneben fjatte er auet) an Wu]\t unb ©efang gro^e greube unb baS
rourbe infofern für it)n bon 53ebeutung, als er 3unäcf)ft unter bie „©ingfnaben"
fetner 9Saterftabt unb im $. 1797 unter bie „ßrjorfnaben" beS 53encbictiner=
^Pffog. 679.
reidjsfiifts SBeingarten aufgenommen mürbe, rooburd) für iljn jugteid) bie 2Ius=
fidjt ficf) etöffnete, in ber bortigen fiarf befudjten unb mit einem ^enfionat öer=
bunbenen -ßlofterfdmte foftenfiet bie ÜBorftubien jutn geifttidjen ©tanbe treiben
p fönnen. ©et Ijier burd) ben P. 3tup. S5icf erttjeitte 3eidjenuntenid)t be=
frfjränfte ftd) jUoar einzig auf 2trd)iteftur, allein ber „Ätofterftubenl" fetjte neben
feinen eigentlichen Stubien für fid) feine geidjnereien unb Malereien fort, moju
itjm nictjt bloß bas eine SBelt im steinen bilbenbe JHofterleben felbft , bie
feierliche 33ottentfaltung bes fattjolifcrjen (lultus in ber majeftätifdjen Stifts*
firdje, bie ^roceffionen unb 5ßaffion5fpiele, ber granbiofe „Stutritt" lt., fonbern
aud) bie nafjen kämpfe unb <Sd)lad)ten, bie Pielfad)en iruppenburcrjmärfdje,
fo namenttid) im 3- 1799 bas ÄorfafotD'fdjcn Slrmeecorps mit feinen tfofafen,
Äalmücfen, uralifdjen 2ataren u. f. ro., mo er u. 3t. ben greifen «ftriegstjetben
Sumaroro auf feiner Äibitte burd) Söeingarten fahren fat), reiche Anregung
gaben unb ü)tn eine 9Jcenge neuer düinbrüde brachten. Sa erfolgte im 3. 1803
plötjtid) bie Slufrjebung ber 9ceid)sabtei unb bie Suisftdjt auf baß äöeitetftubium
unb bereinft auf ben geiftlidjen (Staub mar itjm benommen. 2>a aber regte
fid) ber S>rang, fid) ganj ber $unft ju toibmen, mit einem ^JJlale erft red)t in
itjm. Slllein feine (Sltern beftimmten irjn ju bem bamals einträglichen ©eroerbe
eine§ SBortenroirfers. ®o mußte ber bereite mit einer tüchtigen allgemeinen
SSorbilbung öcrferjene $unftjünger, ben ßunftbrang im ^er^en, mifcmuttüg unb
Perbrofjen ein trauriges ^atjr in ber Setjre pb ringen, in tocldjer er übrigens
bie fyreiftunben immer mit ^eicljnen unb 9Jcaten in Söafferfarben ausfüllte unb
tjatte als 23ortenmad)erler)rling auf einige $eit bie nictjt minber fdjtoere .rtunft
ber ©ntfagung p üben. Sa trat unPertjofft eine günftige Söenbung feines
©efcrjicfes ein. ©er nad) 9lufrjebung bes Sudjauer Türftticfjen ®amenftifte§ in
SSiberadj lebenbe ©efjeimratlj Sdjeffolb roarb bei einem 33efud)e im >pftug'fd)en
<§>aufe pfätlig auf bie 3eitf)nunQen oeg jungen Cannes aufmerffam unb er=
fannte alsbalb beffen feimenbcs latent. <5r bemog bie Gittern, it)n feinem
Steter, einem Äircrjenmaler, in bie 2er)re p geben, mätjrenb ber ©etjeimrau)
felbft itjm in ber Xljeone unb ben -ipülfsroiffenfcfjaften ber 2Jcaterei Unterroeifung
gab unb feinen ©efdjmacf p bitben fuctjte. Sltsbatb — motjl ettnas 311 Tritt} —
mact)te ber Jüngling fict) ans Sopiren Pon Silbern trjeits aus ber odjeffolb'fdjen
©emälbefammlung, in roelctjer fid) meift ©enreftüdfe eines Katers ^ermann aus
^reiburg i. 33. befanben , ttjcils aus ber anferjnlidjen gräftid) Stabion^fdjen
(Saterie in bem narjen SBartrjaufen. Namenttid) tjatte er fid} burd) bie Gcpie
eines originellen ©emälbes tion unbefanntem 'JDccifter bemerflid) gemactjt, roelctjes
bie „fünf Sinne" burd) attegorifcfje lebcnsgroBe fytguren in fet)r realiftifdjer
fräftig toirfenber Slusfü^rung baxfteHte : ©efcrjmad unb ©erud) burd} einen
faljtföriftgen Sitten, ber eine -pfeife raud)t, mä^renb ein ^>unb an itjm auffpringt;
bas ®efü^l burd} einen 33urfdjen ber eine S)irne umfaßt, (Sefidjt unb (Betjör
burd) jroei 3J{ufifanten, öon benen ber Sitte begefjrtid) in feinen Sierftug fctjaut
toärjrenb ber junge bie ^töte bläft. Sfftit bem aus biefen ßopieen getoonnenen
©elöe tonnte er, nadjbem er oon einer fdjon bas ^a^r juPor in biefer Stbüdjt
bortljin unternommenen Dieife infolge bes Krieges blatte roteber jurücffe^ven
muffen, im $. 1806 fid} beljufs feiner weiteren Stusbilbung nad) s33cünd)en auf=
madjen, toofelbft er nad) erftanbener Prüfung unb 2)orroeifung einiger feiner
bisrjerigcn Seiftungen in bie bamals unter ber Seitung bes Silbr)auers Vornan
23oo§ ftetjenbe, freitid) nod) in befdjeibenen 5lnfängen fid) ^attenbe Slfabemie ber
bitbenben fünfte als gögting aufgenommen mürbe. #ict roarb mit allem Srnft
unb glctf; bei xag nad) ber 5tntite, Slbenbs nad) bem tebenben sDcobell ge=
jeidjnet unb nebenbei in ber unter 6f)riftian ö. ^Ranntid) unb bem ^nfpector
Srultiot ftetjenben ©emälbegalerie, ju ber ty. gleichfalls 3utritt erhalten, meiere
680 S-Pflug.
aber fteilidj bamats nur ein ©Ratten öon bem mar, raas fie Ijeute ift, bie
SieblingSmeifter junt ©tubium ausgefudjt, um nad) itrcem 33orbilb berciuft
feinen eigenen 28eg einjufdjtagen. yiad) nid)t langem ©djmanfen äroifdjen
£>iftorien* unb ®enre=9ftalerei Ratten e§ itjm befonbers" bie in ber ©alerie bamals
fdjon gut öertreteuen „sJciebertänber", „meiere ben öierten ©tanb in bei $unft
etft etfcfjaffen fjaben", mit üjret 9caturmatjrt)cit unb bem 3QU^C^' i&A'^ 6olorit§
angettjan, unb mar fomit bie ©ntfdjeibung getroffen. 3uerft ging er an bie
Silber öon Jeniers, bann an Dftabe unb Sroumer, meitert)in an ©ert). 2)oro,
fttanj «DtieriS, ©er!). Setburg unb Äafoar sJtetfd)er ic. unb bemühte fid) burd)
fleißiges (Stubiren unb Gopiren in it)ve @igentt)ümlid)feit einzubringen. 23alb
mar er mit ben in ber ©alcrie arbeitenben Katern befannt; mit mannen, mie
mit ben Sörübern Slngelo unb 2)omenico Quaglio, in beren elterticfjem £mufe
er biet öerfctjrte, mit ftranf, ^ilott), s3llbred)t 2lbam, ©trij;ner ic, öerbanb U)n
fyreunbfdjaft (Sogar ber bamatige $ronprinj, nadjmalige Äönig Submig 1, ber
grofje Äünfttermäcen intereffirte fid) für ben jungen $Jiann. ©o lebte er in
3far«3lttjcn ein frofyes ßünftlerleben, lebte unb mebte in ber Äunft unb Per*
meubete fold)en gleife auf bie Gopien feiner Sßorbitbcr, bafj er auf biefetben al8=
balb felbft in Sftündjen söeftettungen erhielt, rooburd) fo mie burd) anbete
gelegentlict) gefertigte 33ilbniffe, er bie Mittel bes Unterhaltes Permefjren unb
feinen Slufcuttjalt in ber tfunftftabt toerläugern tonnte. 2ÖtS 1809 blieb er in
bem bamals politifd) bebeuteub ettegteu sJMud)en; in biefem 3>al)re öertrieb
itjn ber Äviegäfturm, infolge beffen u. 8. bie Silber geflüchtet mürben, ju ftütje
für feine nod) uid)t öolltnbete Slusbilbung. 3n ber .£mmatt) angelangt, be=
fdjäftigte er fid) eine 3eitlang mit ^otttätnmlen, mit Softfimbilbern in ber 9lrt
ber „ftieberlänber", fafjte aber nod) im felben 3fat)re feiner ÜtüdEctjr ben @nt=
fcrjlujj, auf Reifen (u. 91. aud) und) SBien) 31t gel)en, allein — es foltte anbers
fommen. s3iod) im September bes %. 1810 mürbe er als 3eid)nungslet)rer in
feiner SBatctftabt angefteüt, mobei irjm neben einet gefiederten Ejtflenj nod) 3C^
genug für bie Äunft übrig blieb. 3roei 3fat)re barauf öerel)elfd)te er fiel) mit
ber eljrfamen Jungfer £rjerefia Ääufer, ber ehemaligen ßammerjofe ber legten
iöudjauer gürftäbtiffin, ber geiftretd)en ©räftn 'üJtanmüiana öon ©tabion, einem
maderen unb intelligenten 2Befen, roetetjeä ganj p iljm pafjte, ifjm aud) gar
s3Jcand)es öom 35ud)auer £>ofe ju etjäfjleu mufjte unb beten Sßtlbnife in ber
bamatigen reichen obcrfcrjroäbifcrjeu £rad)t er nod) im gleichen 3af)re malte.
5Die 9lnftcllung unb bie ©rünbung eines eigenen -jpausftanbes liefen irm nun
nid)t metjr öon feiner SSatetftabt, an meldtet mie überhaupt an feiner obet=
fd)mäbifd)en .gjeimatt) er mit allen gafern feines ^erjenä b^ing, lo^fommen. ©0
roar er barauf angeroiefen, in bcm bamatigen engbegren^ten ©tillebeu einer
Äleinftabt unb in einfad)=bürgerlid)eu Söetb^ältniffen für feine $unft eine ent=
fpredjenbe 3tid)tung 311 fudjen. Unb ■ — biefe fanb er, burd) ba§ ©tubium ber
„9lieberlänber" öon felbft barauf b.ingefüljrt, mit gtüdlid)em ©riffe im eigenen
^anb unb Sotfe, in beffen Sieben unb treiben, ©itten unb 33räud)en, babei
inbefj feinegmeg§ mit blinber ftadjaljmung öerfaljrenb, fonbetn gan^ felbftänbig
feine eigenen S3al)ncn manbetnb. 2Ber meifj, ob es, mie man fd)on l)in unb
roieber gemeint tjat, nur gut für s4>- unb feine fünftlerifdje gnttuidlung gemefen
märe, menn er feiner ^eimatl) ben SRtttfcn geteert unb eine anbere 2ßirfung3*
ftätte, etroa in einer größeren ©tabt, fid) auegtfud)t blatte! 5tad) feiner eigenen
iBerfidjerung bot fid) ir)m baö Öebcn fo reid) bar als ben „IRieberläubern", faft
nod) mannigfaltiger; er griff 3U, roo es it)m gefiel; mol)t !onnte er bann unb
mann öerrounbert fragen, mie es bod) fomme, bafe man neuere $ünfiter oft
über Mangel an ©toff flogen tjöre, ba \a bie Scobadjtung bes Sebens um fie
l)er iljnen benfelben in fo unerfd)öpf!id)er Q-üKe liefere. — 3unäd)ft boten bte
sWug. 681
itjm bon frütjer 3ugeno an gebliebenen ©inbrütfe unb Erinnerungen an bic be=
roegten langen ÄriegSjeiten unb an bie alte 9teict)sftabt Anregung genug für
feine 9Jcalettf)ätigfeit unb reict)licl)e Sßorroürfe, — t)atte er bocl) feit bem 3- 1793,
tt>o juerft Ihoaten, „9totrjmäntet" unb ^ßanburen, burct) 33iberacl) unb Dber=
fdjtöaben marfctjirten, bis jutn $• 1815, forool in feiner Sßateiftabt, bor bereu
Sfjoren er fetbft itn 3?. 1796 einen fertigen $ampf mutzen fatj, als ju 2Bein=
garten unb 9Jtündjen Gruppen aller 3lrt, bie fetige 9ieicf)sarmee, Cefterreidjer,
SDeutfdje, gran^ofen, Italiener, Spanier, Muffen mit ifjren nod) rjalbroitben
23ötfern beinahe in einem fort unb im bunteften 233ed)fet an fiel) borüberjietjen
fetjen! Söie biefes militärifctje Seben unb treiben fcijon in bem Knaben bie erfte
Suft jum 9Jcaten geroecft tjatte, fo reicfjie es aud) bem angetjenben Äünftler
(Stoff um ©toff für fein ©fi^enbud). Sine Stenge folbatifetjet ©cenen ging
aus biefer 3lnfctjauung tjerbor, batb roenige Figuren, balb gan^e 3£rupp§, im
©efecrjt, Sibouac, Sager ober auf bem 9)carfct), alte in Uniformirung, Haltung
unb 9cationalit)pus bis ins ©in^etufte naturgetreu bargeftettt. 2lts größere
(Sompofitionen entftanben fo: „(häfjerjog Äarl in ber <5ct)tacrjt bei 9lfpern",
(auf ßotj unb im Sefitje bes ©raren Sfteuttner b. 2Bet)t in 9ldjftetten), birtuos
bis auf ben testen Änopf unb bie letzte Sorte gemalt unb root bas befte
©ct)lact)tenbilb bes äMfietS, öon itjm fetbft in feinen Iftemoiren (II, ©. 110)
brillant befdjtieben; ber furj bor feinem Slbleben im garbenbrud bcrbielfältigte
ebenfalls in ben Memoiren (II, ©. 110—12) erflärte „ßriegsratfj be§ @T3=
tjer^ogs $arl in bem §aufe bes ©ölbners ^efdjeler ju Cttersroang im
SÖtarj 1799", für roetctjes fe^t im füiftlidjen §ot)enaottetnfdjen 9Jtufeutn ju
©igmaringen befinbtictje Silb fy. immer eine grofje SSorliebe fjegte unb öon
roeldjem er fiel) jeittebens nietjt $u trennen bermodjte; „alle bie ©efütjle — fagt
er fetbft, — bie ict) öon $ugenb für biefen gelben tjatte, mit ben geroiffen=
tjafteften *pinfelftrid)en t)ab' ict) fie t)in ein gern alt" ; „ber 9ttjeinübergang ber
äöüvttemberger bei £et)l im $. 1815" in ber fönigl. ©taatsgallerie, bas ftguren*
reidjfte feiner mititärifdjen ©tüde; „bie ©ct)tacl)ten bei Dftractj unb ©todact) zz."
Sodj finb bieg feine ©ctjlactjtenbilber, roie fie in neuer 3^tt 3- S. bon ben
23ataittematern 31. b. SBerner, Sleibtreu, damptjaufen, gaber bu gaut, ß. Sraun,
granj Slbam, £einr. Sang, «öteiffonier, 2ltf. be Üteubitte, SDuprab, SDetaitle k.
gefdjaffen roorben finb. ßs fommt $. nietjt, roie ben leiteten, auf eine
mögtictjft naturgetreue, lebenbige SBiebergabe bes ©ctjtactjtfelbes unb eines ent=
fetjeibenben Slugenblides im Kampfe an, fonbern auf bie Sarfiettung bes ibealen
Silbes, baö er fiel) bon ber ©djladjt maetjt, roie er ja auclj ben meiften bon
ifjtn bargefteüten kämpfen perföntic^ nietjt angeroorjnt bjat. Sineö tritt unber»
tennbar in biefen Silbern tjerbor — ber (Sebanfe, altöfterreictjifctjer Sap'erteit
unb jh'iegerutjme ein Senfmal 3U fetjen unb bor Slltem, feinem unb ber Ober*
fctjtoaben Liebling, ben gr^erjog Äart 3U bertjerrtietjen — , fatj ber mit feinen
2anb§leuten aüejeit gut faifertictj gefinnte Patriot ^. boeb in biefem gelben,
an beffen «perjon ficlj in 23orberöfterretcf) bie testen 9tationatgefüf)te unb ftaifet*
gebanfen mit einer ^nnigfeit unb ©ctjroärmerei Ijängten, roie fie einft nur bem
„^rinj @ugen, bem eblen glittet" entgegengebracht roorben roaren, ben testen
Gonnetable bes untergetjenben t)l. römif(f)en 9teiclje§ beutfetjer Nation. 5Diefe
öfterreict;ifd)en Jrabitionen, in roetetjen s4>- nufgeroad)fen mar, führten ifjn
fpätertjin bon felbft ben grojjbeutfdjen Stnfd^auungen 3U, roelctjen er 3"t feines
Öebens, roenn er audj an ber ^olitif feinen actiben 2lntt)eit natjm, jugettjan
blieb. Sie öftetreidjifdj--italienijdjen gelb^tige bon 1848 49 unb 1859 brachten
fein patriotifcfjes SBlut nod) mäctjtig jum Söalten; ba — im ftelbtager
9tabe^fi)Js roäre ber „Sitte" am «ßla&e gcroeftn! allein — teer badete ba an
ben ftitlen befetjeibenen, freitid} auet) fd)on tjod) betagten $.V. — «Roct) eine
682 $flu8-
Steige tteineter, gleichfalls meift patriottfc^ gehaltener JhiegSfcenen unb ©cfed)tS=
bilber Waten rjettiorjuljeben, rote 3. 33. bie „^lünberung beS ^ßfarrborfeS 2ltbcr=
teilet burd) bie granjofen" ; ber „ftütfaug bev Tranaöftfdjen Sttrmee auS ©eutfdj-
lanb im 3f. 1796"; „®efed)t äWifctjen republifanifdjeu Gruppen unb (Sonbeern
am Dljreuter See bei Sd)uffenrieb im 3- 1799"; „?tu«tt)eilnng ber Veteranen»
mebaitten bei 2aupertSf)aufen im S. 1843"; „2anj alter Veteranen in 9iing=
fdjnait", ein rüljrcnbeS 33ilbdjen — wie baS 2aupertSt)aufer meljt ein militärifdjeS
©enreftüd. $n biefen Silbdjen rjerrfdjt gröBtentljeitS ßebeu unb Bewegung
in einer äöeife, bie an bie beften italienifcfjen unb franjöfifdjen sDteifter bicfeS
$ad)eS gemannt. 3)aju nidjt wenig >)Mitärfcenen in 91quaretlmanier, in meldjer
ty. gleichfalls mit (Jrfotg arbeitete unb Oon welchen mir nur eine, bie bvaftifdj*
reichhaltige , nidjt otjne polenüfdje lenbcuj gehaltene (Sompofition mit s}}flug'S
eigener Unterfdjrift : „@o würbe oon ben Weufranfen im %. 1796 bie gfreifjett
im Sdjwabcnlanbe üerfünbigt!" mit anberen im Sefifee Don ©rat 9teuttncr
nennen wollen. 3af)tloS üoÜenbS waren bie gemalten «Stilen, wetdje er öon
einjelnen Ätiegetn üerfertigte. 2)enn balb würbe eS unter ben burdweljenben
AhiegSbölfem befannt, bafe fid) in Siberadj ein sJJtater befinbe, ber trefflid) ab=
pbiiben Oerftel)e; unb ©eutfdje, puffen, Söljmen unb „ftottjmäntel" fugten ben
Aiünfttev auf unb bebrängten ifjn, fie „abjufdjreibeu" unb au ©ufcenben wanberten
bie lleincn >>5ilbd)en in bie ferne -jpeimatt). Sind) bie Offiziere fprad)en fleißig
bei it)tn üor, liefen fid) malen ober lauften fertige Silber oon irjm. — Unb
als ber .ÜriegSlärm enbüd) ücrraufdjt war, bot fid) irjm ein neuer, eine Zeitlang
mit Vorliebe beljanbelter Stoff bar, auf we(d)en er fdjon burd) ben bämonifdjen
„■Jftatefiaidjeuf" mit feinem Saunet« unb ©auner-Sdjloß ju Dberbifdjingcn
(b. i. ben fteidjSgrafen 8franj Subwig Sdjenl ü. Gaftetl ), einen ber originettften
Ätaftmenfdjen unb „©ewaltigeu" beS tjorigen 3af)rt)unbertS, weichet eS bem ^.
gana befonbetS angetfjan tjatte, aufmerffam geworben war, — baS ÜtäuberWcfen
als böfe funterlaffenfdjaft jener langen ßrießSjeiten, fpeciell jene Ütäuberbanben,
weldje nod) mitten im (jergcftetlten ^rieben i|t Unmefen im „Dbettanb" trieben.
SnSbefonbere war eS bie ju feiner 3«t t)aufenbe 33anbe beS burd) ©uftaö Sdjwab'S
üRomanae: „ber Sünberttjurm" in weiteren .^reifen befannt geworbenen „fdjwaraen
SBere" (eigentlich Sab. -froljenlcitnet auS ütummetStieb), Weldje feinen *ßinfel
feffelte unb weldje er in einigen fet)r fräftigen, marfigen (im fürftlidjen Sdjtoffe
3U 2Bolfegg befinblidjeu) Aquarellen fowie in einem Delftücf barftettte.
Sein .paitptfdb lag aber auf bem ©ebiete ber cigcntlidjen ©enremalctet,
beren Vorwürfe et, ot)nc()in ein begeiftettet gteunb feinet obetfdjwäbifdjen
^eimatt) unb SanbSleute, beinahe burdjweg beren V?eben unb Sitten entnatjm.
^)ier wat er jo ganj in feinem (Elemente unb zeigte fid) fein Talent, feine
felbftänbig--fd)öpferifd)e teidje ^t)antafie unb @igcnatt unb fein breitetet Junior
am entfd)itbenften. Selbft ein edjteS Äinb beS SSolfeS, liebte et eS, in fteten
unmtttelbaten Sßerfe^r mit bemfclben in feinen üerfdjiebenen Stänben, befonbetS
mit bem Sanbüotf tu feiner täglichen Arbeit unb feinem Öebenagenu^ ju treten.
2Bie nid)t teid)t jemanb war eS ifjm gegeben, mit bem 23auernbolf einfad) unb
natürtid) umaugefjen, fein Vertrauen 311 eiwerfen, feine ßtirürffjaltung ju über=
winben, eS jur «Dlttt^eilung feiner ©ebanfen unb ßrfebniffe, jum 51uSfid)^erauS-
get)en ju beranlaffen unb feine v'trt unb 2öefen ju ergrünben. gür alte 33or=
fommniffe beS SebenS fowot im gamitienfreife als aud) bei ber Pflege gemütfj=
lidjer breitetet ©efeüigfcit rjattc et einen empfänglichen Sinn unb ein geübtes
5luge; unb was et etfdjaute, wufcte et finnig, gutmütig unb wolWoüenb, ju=
gleid) abet mit fdjatfljaitem Sd)etj unb in d)atafteriftifd)en o^gen auf ber
^eiwanb nadijubilben. gror)gemutlj jog er rjinauS 3U £ird)Wetl)en, .§od)3etten,
lanjbeluftigungen, Sd)eibenfd)iefeen, Äegelfdjieben, Sarjrmärften unb SolfSfeften
$ffog. 683
jeber Art unb lebte fid) recfjt inS oBevfc^tüäbifd^e SolfSteben ein, manberte mit
bei- Wappt unter bem Solf, toetdjeS er junäd&ft auf bem atlmöcfjenttidicn flatf«
Befugten Siberactjer 2Jcaifte am beften bor ftdj tjatte, umtjer, belaufdjte beffen
@igentt)ümlid)feiten in ben anmuttjenbften gügen unb trat in ber gtücfüdien
Sage mit iebetmann freunbtid) au betören, balb überalt im „Dbcrlanbe"
betannt unb als attenttjatben gern gefeljener SanbSmann unb grcunb ebenforool
in bie Jpütte be§ SanbmanneS ein, als in bie Gsbelfitje beS oberfd)roäbifct)en Abels.
9ticrjtS entging ba feinem beobadjtenben Auge, nidjt „bie Spieler in ber
Sdjenfe", nidjt „ber $farrt)err, ber feinen Säuern bie 3fitung borlieft", nidjt
„bie jum Sifdjgebet berfammelte ^amitie", nidjt „ber ©rofjbater als Äinber»
tüärter", niifjt „bie Anfertigung ber AuSfteuer", „ber Aufbutj ber Sraut" unb
it)re „Abfahrt mit bem Seautroagen", nidjt ber mistige Alt ber „,£>au§mäjd)e",
nidjt bie flotten Sauernburfdjcn im SonntagSftaat mit ben „©etblebernen", ben
Ijotjen -Ipüten unb ben ferneren Mänteln am tjetfjen Sommertage, nidjt ber
graue Seteran inmitten ber bratten fnfdjen SDtrnen beim „-(patmentan^", nidjt ber
jobiale ßanbbaron mit ber „®näbigen" unter bem refbectbott bei Seite tretenben
Sauernbolt, nidjt bie „Sdjnurranten unb Saganten", nictjt „ber Jpanbelljube",
ber „9Jtufierreiter", „ber @t)ninger Krämer", ber „altroürttembergifdje ©djretbcr",
nidjt „bie gigeuner unb baS luftige Stubentenbolf", nictjt „ber Jhautfdjneibcr" unb
„ber Sbinbetmann", nidjt „ber Harfner" unb „ber SäntYlfänger", „bie harten*
fdjtägerin", „bie Äunftreiter" unb „ber Seiltänzer", nidjt „ber Sdjneiber unb
Sdjufter auf ber Stör" — lauter föfttidje, beinahe mit bl)otograbljifdjer £reue bon
it)tn bar geftettte oberfdjroäbifctje ©eftalten, ob beren Anbtid bem Äenner baS i^erj
im ßeibe lacfjt. SBaS auf biefem ©ebiete lag unb ju roaS er feine Äraft auS=
reidjenb glaubte, baS fiel feinem sßinfet anleint, roobei itjm bie reiche nidjt un=
fdjöne Üradjt fetjr ^u Statten fam. „$dj ftoarte nidjtS babei" — fagt er fetbft
einmal — meber fRu^e nodj Arbeit, mar ganj bergnügt babei, otjne anbere
SJleifter nadj^uatmien ober etmaS bon iljnen ^u entteljnen; idj ging meine
eigenen Söege unb fudjte meinen eigenen 3Ber!en eine geroiffe Originalität <ju
bemat)ren". (Qu bgt. feine eigenen Semerfungen über feine tunftletifdje (Unit*
roidelung in ben 5)cemoiren I, S. 159 u. 160; II. Qiap. „$. unb feine ihinft",
©. 64—126, inSbef. S. 74, 75, 86; roeiter S. 37—42, 53, 54). — Sei
feinem Seftrebcn, überalt baS Gtjaraf teriftifdje , baS ttnterfdjeibenbc ber ber=
fdjiebenen Stänbe unb SerufSarten, bie im SotfSleben obwattenben (Segenfätje
au§3ubrüden, fetjlte eS nidjt, ba^ in feinen Sompofitionen bie ßoutrafte mandjmat
fcätjari unb burdjfdjtagenb tjerbortreten; bem gefunben Junior ftettte er gern ben
büftern @rnft gegenüber, bem gotbenen ^»intergrunbe eine§ unbefümmerten fröf)'
ticken S)afein§ bie gemitterbuntte Sdjattenfeite, bem gutgearteten Sob^n ber
9catur ben bertorenen — ben 3)agabunben, ben Räuber, häufig finben ftdj in
feinen Su|et§ bürre unb beteibte 5|3eifonen sufammen; ßanbteute unb ipanb=
merfer; 3lnfäf|ige unb Sanbfatjrer; Arme unb 3fteidje; Abel unb (Setftlict)feit;
Sauern, Sarone unb (Srafen; Sdjutäen unb Süttet, Settter unb geftrenge
Sögte; 9lät)vftanb unb 3Ber)rftanb; Stubenten, Sd^ulmeifter unb ^>anbroer£§=
burfdjen; Sauernmabet unb Stabtmamfett ic. So entftanb öfters Silb unb
©egenbitb , ba§ ^ßenbant im eigentlichen Sinne be§ SßorteS, mie „bie 9ceu=
roürttemberger in Attmürttemberg" ; „bie Attmürttemberger in ^ceuroürttemberg" ;
„bie ebangetifdje unb fatltjolifctje ^farrftube" (mobei bie erfte eigentlich bie Äinber=
ftube ift); „bie AuSfaljrt be§ proteftautifd)en unb fot^olifc^en Pfarrers" (letztere
aüerbing» etma§ b0^0^^1)- S)urdj biefe (Segenfätje entftanb ein nid)t un=
angenehmer 2ßed)fel ber Sinien unb Figuren unb mürbe fo nid)t nur ber @in=
förmigfett entgegengeronft, fonbern auc§ nidfjt fetten eine Eomtfctjc 2Birtung t)erbor=
gebraut. 3)abei berfutjr er übrigens meift mit 9Jtäfjigung unb überfdjritt fetten
684 ^flu3-
bie ©renken bcg Gürlaubten. (£r r)at fid) überhaupt metjr bei* foliben (Seite bes
SJolEstebens augeroanbt uub feine Sluffaffung bicfeg Sebens ift ferngefunb, tote
bag 23olf, unb barum audj botfgtljümlid), burdjaus matjr unb ungefünftelt,
unb ein poetifdjer, juroeilen bon Socalpatriotiämug angemerkter Haud) burd)*
bringt meift bte ganje SDarftetlung. Seine Silber fnüpfen fid) meift an be=
ftimmte Orte; Ijaben in ber 9teget entmeber bic ßirdje, ein ©d)lof$ ober irgenb
ein ftatttidjeg Söirttjstmug jum 9Jtittetpun£t ber ©cene unb jum ^intergrunb
ben „33uffen", ben t)t. 33erg £)berfd)tt>abens ober tint ber um 33iberact) ge=
legendi 2lnl)öt)eu. ©o tjat er aud) in biefer (leidjt berfütjrerifdjen) 9tid)tung
feine ©elbftänbigfeit gegenüber ben 9ticbertänbern geroatvrt, unb fid) bon beren
äxt, merjr bie tuüften «Seiten beg SSotfs in Ujret braftifdjfteu ©eftalt t)erborju=
teuren, ferngehalten; unb ba fietjt man nidjt, mie 3. 33. bei Dftabe, -ülenierg,
Q3roumer tc, fo biete miberlidje anftöfjige fyiguren, fonbern mottjabenbc tebens=
frol)e Sanbleute Ijatten tjier im fteftgeroanbe tl)eil§ am eigenen Heerbe, tt)eits
unter freiem Himmel iljre altt)ertömmtid)en Söolfgfefte in einer Söeife, baft felbft
bie fogenannteu Honoratioren, Pfarrer, Üteutmcifter, ^örfter, ja ber gnäbige
Herr fetber eS nid)t berfdjmät)en, Ifjeil baran 311 nehmen, mie mir aud) itjre
^erfon (tjäuftg jogar im ^orträt) auf feinen Silbern angebradjt finben. 2lu§
ber reidjen 3a$ Don Gittern biefer 2lrt taffen fid) aufeer ben bereits ermähnten
nodj befonbeis anführen: „bie Sauernljod)3cit 311 9Jnüelbibcrad)" (bie fogenannte
„Söogtei"), mit Wingfdjnait, ÜReinftetten, einem ber ßieblinggorte ^flug'g (tion
itjm in ben „Grinnerungen" II, ©. 65 — 67 fetbft befdjricben) ; „bag Äegcl*
fdjieben in Stcinftetten" (ebenbafelbft ©. 81, 82); „©tubenten unb Sauern in
einer Kneipe" (and) unter bem £itet: „ber ©tubentencommerg" ober „ber ^füvft
b. ünjorn"); „eine betrunfene ^Jlctte" in folio (alle 3 ©tücfe im fönigl. ©d)tofj
ju Stuttgart) ; „^irdjroeitje 311 ßaupertsljaufeu" ; „ßirdjröctrjfcene in £)ggel$=
Raufen" ; „^aljrmarft" ; „ftornmarfi in SBatbfee" ; „geetjcnbe dauern im $aber«
rjäuöte in Sirfeuborf" ; „bie ©idjeltjäuge $u Dggelsbeurcn", „bic Äunftbube" ;
ein Sabinetftütfd)en ift bag in Aquarell ausgeführte „(hntefeft 3U Siberad)
ben 28. ^uli 1817", nadj ben Hun^i0*)"11 bon 1816 17. — ©atan reifte
fidj nod) eine weitere (4.) tteinere ©nippe bon ©emälbtn, meldje man mit bem
9lamen Sanbfdjaftsbilber bejeidjuen föunte, obrool es nid)t Sanbfdmften im
eigentlichen fünftlerifdjen (mobernen) ©inne finb. Unter benfelbcn mären nament=
tid) 4 für bie ©räfin d. 33rüt)t gefertigte (jet^t im ©djloffe ju ©orau 6eftnb«
lidje) „tänblidje 2lnfid^ten au§ bem ©d)uffentt)al" foroie einige rjübfdje (meift
in ?td)ftetten befinbtid)e) Aquarelle bon oberfdjmäbifc^en uub elfäffifdjcn
©djtöffcrn tjerbor.jutjebeu. — (Jtroas auffaüenb mag fein, ba^ ty., ber bod)
lange 3e»l Säger unb 5'ifd)el'« übeiljaupt ein großer greunb ber 31atur mar —
bon alterbings (im ©egenfa^ ju feinen metjr ober meniger etroaä fteif au§ge=
faüenen sterben) meift gelungenen ba unb bort auf feinen ©enreftürfen ange=
brachten Jpunbegeftalten (©pi^en, ^intfdjern) abgefe^en — fid) bem eigentlichen
SC^iet- unb ^agbftüd ferne tjielt. — ©eine meiften 23itber finb, um benfelben
gröfjere Sauer p geben, in ©el auf Hot3 "»o gematätcö ßifenbted), meniger
auf Seinmanb gematt; ein fleinerer 2l)eit ift in 2lquarctt= unb ©ouad)e=sIRanier
auögefütjrt. 3luc^ pflegte er feinen ©emälben ein äiemlid) fteine« S01-'010^ b^
geben, meil Heinere ©tüde leidjteren 3lbfa^ fänben mie gröfjere. — SDurd) bie
Xiitrjograptjie mürben au^er einzelnen Silbern, mie „bie ©pieler" unb „bie |)ciu§=
mäfdje" — bie „länbtidjen ©ebräudje in 2Bürttemberg", in 12 ©arftcllungen :
„$ird)meit)feft, ©id>ell)änge, ©djeibenfeftie^en , Güierlefen, ^Jcaientag, Sidjtfarj,
©d)äferlauf, Sßeintefe, Sformnnisf eier , HQ^nentanä , ^od^äeittoagen, (Sannftatter
S3ol!öfeft" mit 2ert bon (Sourector Sßfaff ((Stuttgart bei ebner) berbielfältigt,
moju nur bemerft fein tnödjte, bafe ty. als „Dberlänber" bon S3eib unb ©eete
im aitwürttembergtfdien „Unterlanb" Bei weitem nid)t fo au £aufe ift tote in
Dbetfd)Waben. ferner tarnen nod) bon ib> (in ber *B. Salden 23ucfjtjanblung
au Stuttgart) „Silber au UtjtanbS ©ebbten", 2 ^>efte in 8 33t. IjerauS, welche
ber befannten 9tomanaenreif)e bon „@bert)arb bem ftaufdjebart" gemibmet ftnb
unb je 3 Scenen auB ber <Sd)lacrjt Bei 3teutlingen unb SDöffingen fowie bie
3 Könige ju £eimfen" unb ben „Ueberfatl im Söitbbab" barftetten. (£mtge
Äteinigfeiten tote baB ©egenftüä „fteuroürttembergfd)er $alllet)enbaucr unb ber
attwürttembergfdje ©runbbefitjer", bon $. felbft auf Stein Qeaeidjnet, erfcfjienen
in ber 2lutenriett)'f($en Jhmfttjanblung in Stuttgart, Vlaä) Jemen Onginal=
aeicrmungen mürben fpäter in ber <Btanct'fd)en Sdjrift: „®ic testen Diauber*
banben in ObetfcfjWaben in ben Mren 1818/19" bie SBilbniffe ber £aubt=
berfonen biefer SSanben in §otafcfmitt gefertigt. — ©aneben r^at ber Weijtcr —
gana abgefetjen bon feiner langjährigen bis 1856 Wätjrenben üerbienftbollcn
äßirffamteit als ftäbtifdjer 3eid)nungStet)rer - biete talentbotte junge Jänner
in bie ßunft eingeleitet; eine «fteirje namhafter Mnftter ift auS fetner Sctjule
berborgegangen, fo 3. SB. Wagg, SDBäfd&et, Ä«l b. (SberSberg (t 1880 3u ®raj) ;
weiter ber burd) feine eminente «Befähigung für baB SanbfdwtSmd) rutjmlijlt
befannte @berb>rb (Smntinger, einer ber legten großen «öteifter m ber iutr;o=
arabfne; beffen «ruber gonftantin (Smminger, ber Water permann «botj, ber
früt)b«ftorbene talentbotte X. goerg, bie Malet 3- $abent unb ©obenmutter
unb bor »Hern ber feiger au fo 9™&em 9tufe gelangte Sfjiermaler Ulnton
SB^ai+b — meift, rote ber „SHte" mit @enu£ unb nicfjt ofmc etn geWiffeS
Setbftgefüfjl betonte - SBiberad&er SanbSIeute. 2)od) fann man bon einer
Scfiule im eigentlichen Sinne bcS äöorteS, bie $. rjinterlaffen unb bte baB
fcbwäbifd^e ©enrefiüd, wie er eS bejubelte, frjftematifd) Wetter gehegt r,atte,
nicbt wot teben, ba biefer 2ht bon Malerei mit bem Sluftören ber $otfStrad)ten,
Sitten unb ©ebräudje bon felbft ber ©oben entaogen werben tfi; nod) am
meiften fiatte — bon einigen $erfud)en (SberSbergS abgefetjen — fem SanbS-
mann, ber originelle Waletautobibaft 3<4 ®ö. ©öfer — in femer Sugenb ein
gpßaanex — , auf welchen $. jebenfaltS bon großem (Sinfluffe War, bon trmi.
mt man fiet)t, War 5B. aufceiorbentlitf tt)ätig unb brobuchb - eine Sfolge
etnetfeitS feine§ unermübeten ^teifeeS unb fetner ungemeinen aroettBtrott, anbem-
feitB feiner raffen Stuffaffung. So fdjarf er beobachtete fo fdmelt erw&te ei
übcraE bae e^aratteriftifc^e, fo rafcf, geftattete fi« tjm ba8 fejrfeili iMW
fünftlerifc^en ßornbofitton 3^ äetc^nete - fo fprtcf)t er )xä) ]Al)t einmal
über feine SBrobuctionStoeife au§ - bie ^enfclien, o^ne ba| fie eB bemerken,
anbete fa^en mir; boc^ War mir ftetä bie elftere 3lrt beB «nfne|men8 lieber.
2)a warf icr, benn bie giguten f*nett rjin. oft nur mit ein ?aat Strien ; t*
fuefite me^r beren 6^ata!tw barauftellen, all bie 2Iefmttd]fett. mt bei ^ett
rauben feine Seiftungen bie berbiente Slnertennung; ging e8au$ im Anfang feines
UaffenB liiert fo rafd) mit bem »efannttoetben unb Slbfa^ fo foüte tfjni bteB
fpäter um fo reicher bafür l,ereinfommen. Seinen etften JStu] begtunbete r
burefe ba§ im 3. 1825 gemalte unb im 3- 1830 im Württembergtfd)en Äunfl-
öerein auBgefteHte «Botttät feineB «DlütterleinS, wie biefclbe im eimafrburgei«
ticken ©ewanbe an bem %i]ä) ber 2öot)nftube fl|t unb arbeitet - ein bon b«
innigften Siebe 3ut Butter befeelteB LBilb S)en (Sebanten, »^e ^n J6"1»
Walen beffelben bewegten unb welche bem Sefer am beften eine «BorlteHung bon
bem „Wenfcfjen" Sß. geben, t)at er folgenben 2luBbrud bertte^en a. a. O. u,
<B 91) „Streng genommen, liebte \% ba§ «Borträtireu ntc^t . . . • Jim,
bei einem unb aroar bei jenem, wetc^eB mein 3JlüttexIein borjtellt malte i« mit
«iebe unb 30g ben Schein ber ©onne ^crein tnB enge ®ema4 wo fte mit
©ebanten unb ftittet Slrbett befc^äftigt ift. ®enn eB get)t ntd,tl im geben über
ein ^tutterfjera ; ift baB im 2obe gebraten, bann Wirb baB teilte ®afetn am
686 SPflug.
SOßüfte : fetbft bei ber (Erfüllung unterer fd^önften 2Bün|d)e mufj eä un» bann
immer fehlen!" 9ttd)t minber jcidjnet fict) baS um bicfelbe 3*it gematte Silbnifj
feineö SaterS, be§ et)rfameu Sibcracfjer ffflfctmetflerS, tt)ie berfclbe im ^anb=
metfergeroanbe, umgeben Don Raffern unb .ficflergeroötbcn, eben im Segriffe ftetjt,
feinen gfrütjtrunf 3U fid) 311 nehmen, burd) d)arafteriftifd)e Auffaffung unb
äujjerft forgiättige unb jugteid) haftige Arbeit auS. 2)aS „9Jcorgenblatt", ber
„9Jtercut", bie „Stuttgarter Stabtpoft" unb anbre öffentlidjen Slättcr brachten
bie günftigften Sefpredjungen über biefe anmutt)SPollen gemütl)lid)en Porträt*
bitber beS .ftünftlerS. S)er mittterroeile im $. 1827 gegrünbete mürttembergifdje
$unftbcretn trug nicfjt roenig ba^u bei, irjm Hainen unb Stellung ju Pcrfdjaffen;
gleid) nad) ben elften AuSftcHungen gefielen feine Silber fef)r unb mehrere ber=
fetben, barunter bie „Äartenfpieler", eine „.£)od)-ieitSfceiie", bie „$iinftbube",
ber „Sänfelfänger" unb bie „233äfd)e" mürben jut Sertoofung angefault- ÜJlc^r»
fad)e Aufträge üon «Seiten $önig 2öill)clmS üon Söürttembcrg, beS l)ot)en unb
nieberen Abels folgten ; unb balb liefen Pon allen Seiten, Pon bieten reietjen
^riPaten, f)of)en 9JcilitärS, auS 9tat) unb $em Seftettungen ein, eine foldje
3ugfra|t übte bie forgfältige Ausarbeitung, 9taturrüal)rr)eit, förifdjc »nb 2)urd)=
fictjtigfeit feiner Silber, inSbefonbcre auet) ber ädjte unöerroüfttid)e in it)nen ju
Jage tretenbe .gmmor auS. %n ben fpäteren 3at)ren l)örte bie SdjaffenSluft
infolge cineS fid) einftelleuben AugenlcibenS allinätjltdtj auf. 2Bic faft bei allen
ßfinftlew, fo ift aud) bei 9p. bie $ritif oft fefjr öerfdjicbcner Meinung unb
l)aben bie .£>enn Alunftreceufenten aud) an feinen Stiftungen aIXerrjanb auSju=
fetjeu. 'Xen Gnnen finb feine Silber ju bunt ; fie finben ju Piele Nuancen in
ben ßoealfarben, ju Piele tjöctjfte Cidjter u. f. ro., anberen — unb bicS ift feine
gan3 unbegrünbete AuSftetlung — finb feine (Jompofitionen 311 flein unb ge*
brängt gehalten ; ja einige getjen fomeit, biefetben als trorfeu unb eibid)t (!)
<m be^eicrjncu — furj bie roiberfprecf)enbfteu Urttjeitc tuerben nid)t feiten gefällt.
Üiidjtig mirb |oPiel baran fein, bafj cS ty. atterbingS an ber „Sd)ulc" etroaS
fetjlt unb bieS fid) namentlid) in ber £ed)nif fühlbar mad)t. |)in unb roieber
nimmt man auf feinen Stücfen Scrftöfje gegen bie ©efetje ber ^erfpectibe roatjr
unb ift nid)t baiür Sorge getragen, bafi fict) bie einzelnen ^ifl"^" fräftig unb
plaftifd) Pon einanber abgeben. 91id)t minber läfjt hie garbengebung oft fcljr,
befonberS im 93ergteict)e mit ben mobernen Söleifiem beS (SoloritS ju roünfdjen übrig,
unb ift uidjt immer eine gtüdlidje. 2)ann finb bie Silber bon fet)r ber=
fd)iebenem 2Bertl)e unb Ausführung; einigen fietjt man bie (Site rool an, mit
ber fie p Stanbe gefommen finb. Aud) glaubt man biefetben ÜJcotiüe in feinen
Gompofitionen etroaS ju t)äufig fict) tuiebert)olen <m fefjen. @r felbft empfanb
bieS Allc§ rool unb beftagte bann unb mann tief, bafj feine SitbungSlaufbarjn
fo fpät begonnen f)abe unb in ber teilte burd) ben $rieg öon 1809 rüiebcr ab=
gebrod)en morben, unb ba^ eS it)tn, mie er fo fet)ntid) gemünfd)t, nict)t Pergönut
geroefen fei, bie grofjen SJlcifter an ber Quelle ju ftubiren unb namentlid) bie
©einälbegaterien in "-Belgien unb <£>oJIanb au|5u|ud)en. 3)arin ftimmen aber
alle übereiu, ba| er baS fd)roäbifd)e SotfStebeu in feiner Stiefe 5U erfaffen unb
im Silbe ju bergeiftigen öerftanben, ba^ er burd)auS origineE in feinen
ßompofitionen ift, ungemein fruchtbar, feine 3e^nun9 "m e i f ± pünftlict) unb fein
s4>infel leidjt unb feef ift. (Jberbarb p. 2Bäd)ter fällt über it)n |olgenbe§ Urteil :
„Seine Silber finb mit grofjer lleberlegung componirt, Pcrftänbltct) unb ftar,
bie Figuren Pol! (5r)arafter, bie ^öpfe öoü AuSbrucf unb meifterr)aft ausgeführt."
9Jtan roirb noct) beifetjen bürfen, ba$ er bei feiner mäßigen AuSbitbung unb ber
Sefdjrönftf)eit feiner Serl)ältniffe, in meldjer er fict) auf roirftid) bemunbernS=
mertf)e 2ßeife jured)t ni finben mu^te, möglid)ft biel geleiftet t)at unb feine
Seiftungen eine bleibenbe @rrungenfd)aft für bie $unft unb 6ulturgefd)ict)te
$ffog- 687
h'xibcn. Dcicfjt leicht ift eine bcftfjränfte Spfjäre fo mit feinem Sinn unb treuer
tiebeüotler Eingabe erfaßt unb ausgebeutet toorben, mie üon irjm; ebenso roirb
man nietjt oalb eine fo üoHfommene -öarmonie jmiferjen bem Äünftler ali
folgern unb ali ^enfdjen unb feinen Söerfen finben, mie bei iljm — biefe bie
getreuefte Sarftellung feines innerften SBefeni, er ber lebenbige Kommentar ju
feinen Silbern, in melctjen er Tief) fo öott unb gan3 gibt, mie er ift, lebt unb
benft. llnb — roer nodj (Sinn für bai Grigenttjümlrcrje bei oberfctjmäbifdtjeu
Solfitebeni unb für bie üolfittjümlictje £unft überhaupt t)at, roirb bie an=
mutagen, gemütrjüdjen, eft üon fdjalt^aftem ^jumot, ja ausnar)msweife üon
©Reimerei burcfjroerjten rjer^erfreuenben Silber mit innigem SBoIgcfatlen be=
tracrjten unb bem Mnftler, bem ei gelungen, äße biefe üielen bunten 3u9e mit
bem Sßinfel feft^utjatten unb auf ber £eintoanb nacfßujaubern, umfomerjr Sauf
roiffen, ali teiber bai Scben unferes Solfei in bem batjinrafenben 6iienba£)n=
Zeitalter buret) baz SeifctjrDinben ber rjergebracfjten Jradjten unb ©ebräudje üiel
üon feiner llrfprüngticrjfeit unb frrifetje oerloren tjat unb biefe SarfteHungen
balb nur merjr ber Vergangenheit angehören. Katrin finb längft bie fetjönen
oberfctjtoäbifcrjen Solfsfefte mit ber ftattlidjen unb jugleictj öfonomiferjen Solfi=
traerjt, toelctje it)m fo reierje ausbeute für feine Silber lieferten; unb üon bem
fo fetjönen ädjten Solfeteben, rote ei in ben beften ^atjren unferes Äünftters in
ganj Dberfcrjroaben ^u ,öaufe mar, ift wenig met)r übrig geblieben! 2Bäre ei
möglich, bie überallhin jerftreuten — nebenbei bemerft, fet)r gefugten unb ^eut=
jutage ferner unb menn überhaupt nur ju t)or)en greifen erfjältliötjen — Silber
ober menigfteni eine ?Iuitt>atjt berfelben in irgenb einer ber Serüielfättigungi*
arten nacrjjubitben unb in einem 2U6um ju üereinigen, fo Ratten mir eine Siar*
fteUung bei oberfdjroäbiicfjen Sotfilebeni üon bauernbem cufturfriftorifcrjem
2Bertt)e unb feltener Sollftänbigfeit — unb jugleictj ein äebt fcrjmäbifcrj^nationatei
Spractjtmerf ! !p. gehört 3u ben fettenen "Dcenfcrjen, bereu -})erföntict)feit auf jeben,
ber ifjm natje fam, eine unmiberfief)licfje 2In}ier)ungih-aft auiübte. Seine
§erjenigüte, fein ungefjeucfjettei SBolrooÜen gegen fsebermann, fein achtes bieberes
JKinftlergemütrj, fein lebhafter (Seift, fein unübertrefflicher imtnot mußten ir)m
jebei <!per3 gewinnen; infonbert)eit mar ber tiebensmürbige, angenetjme, befdjeibcne,
anfpructjilofe, babei aber üon 3£itj unb Saune fprubelnbe ^tann in feiner ^eimatt)
unb ganj Dberfcfjmaben eine allgemein beliebte unb geachtete 'jßerfönlictjfeit, ein
fetjr gefurfjter CBefettfdjaftet. ©et finnige Seobadjter bei Solfilebens, ber üon
^reunblictjfeit gegen ben ©eringften, üon aufrichtig gutmütiger Seftnnung gegen
feine $>citmenfcb,en erfüllte Grjarafter, ber meittjerjige unb milo gegen 3lnberi=
benfenbe gefinnte ty. mar aber in ber 2r)at eine äufjerft moltfjuenbe (hfetjemung.
Siaju fam eine ungemötjulictje Äraft bei ©ebäctjtniffei, üermöge melcf)er er noerj
ali Slcrjtiigjätjriger bai gängft* unb Siel=ßrlebte bü in bie fteinften SHe fcfc
jurjalten raupte; unb jene munberbare &ale bei Qjrjäfjleni forool aui alten üer=
gangenen ali aui neuen 3^iten, roetdje ben Umgang mit irjm, ber an ber SBenbe
ätoeier $ar)rr)unberte ali aufmerffamer Seobactjter geftanben unb eine ber
mictjtigften ^erioben ber SBeltgefctjicrjte fetbft miterlebt rjatte, fo überaui genufj=
reictj ntacfjte — ein äctjtcr 9Jcann ber „guten alten 3eit ' " 3fa biefer feltenc
?Jcann Ijat nietjt bloi ali Walex bai oberfcfjmäbifctje Solf in feinem Jfmn unb
treiben betaufetjt unb bie djarafteriftifcfjen SH^ feinet Söefeni naturgetreu
miebergegeben, fonbern er fannte auet) fein Seben unb feine ©efdtjictjte in @egen=
mart unb Sergangentjeit, mar ein feiner Solfelenner unb befaß eine bemunberui=
merttje ®abe, aüei, mai er muf3te, in anmutluger, launiger, feffelnber unb lebend
üoE aufgefaßter SBeife 5lnbern mitjutfjeiten. 6t mar ein matjrer (Srjäcjler üon
91aturanlage unb Dleigung; bai grjäfjlen mar if)m Sebürmi^, feine greube,
feine 6rf)otung; unb 5Piandt)ei baüon ift in ben irjm abgelaufenen „Erinnerungen
688 W"9-
eineS ©djtoaben" (2 Sänbe, IjrSg. tion 3. @. ©üntfjert, "Jtörblingen, 1874 u. 1877)
uns überliefert unb ertjalten geblieben, roetdje einen fdjätjenSroertrjen Beitrag 3ur
oberfcfjroäbifdjen ©itten= unb £ocnl=©efd)icl)te unb jugleidj ben beften , weit
lebenbtgen ßommentar &u ^ffug'ö Silbern geben. ^flug'S 35aterftabt bat jum
fjunbertjärjrigen ©ebädjtnifj feinet ©eburt an feinem ©ebuttSfjaufe im Sommer
beS $. 1886 eine ©ebenltafel anbringen [äffen unb mit beren ßinroeitjung in
finniger SBeife eine SluSfteHung Don (ca. 120) Dtiginalgemälben auS feiner
•Öanb Derbunben.
9lufjer ben bereits angeführten „Erinnerungen k." Wetrotog im „©ctjroäb.
«ötercur" 9bc. 148 ü. 24. 3uni 1866 )U bgl. mit ftr. 155 0- 4. 3uli 1886:
Otefrotog im „©taatSan^eiger für SBürttemberg" sJtr. 141—143 unb 149
0. 1866; St. %. Beilage 9lr. 19 D. 20. SJecember 1885, ©. 292—297. —
©d)Iief}lidj führen mir nod) an, bafj ein in Gel Don feinem ©djüter (JberSberg
gut gemaltes 93ruftbilb ^flug'8 borrjanben ift. ty. 93 ed.
"J3flU{J: SultuS tion 5ß., leistet* fatfjolifdiet 23ifd*of Don 3laumburß»3e^.
geb. ju s4>e9au ober (Srjtljra 1499, ©olm GaefarS D. fy., beS tjerjogtidjen
GommiffarS unb ^räfibenten auf ber Seidiger Disputation, ju Scipjig ©d)üter
beS ^etruS DltofeflanuS, in $abua oc^ ßfl3 iöuonamico, beenbete feine ©tubien
in Bologna unb erhielt nacrj ber §eimte|x Don feinen Steifen ,$u ben früher
Derlieljenen Dompräbenben ju SJtainj unb Naumburg bie ^ropftei Don ^eiis
unb bie Dombedjanei 3U s)Jceifsen. ©eine Dornerjme ©eburt, feine toiffenfdjaft*
lidje Silbung , feine mtlbe unb Detföljnlidje ©efinnung unb fein bcfonbcreS
©efdjid in ber Aütnft ber Söerfjanblung tieft irju feinen ßanbeSrjcrrcu , ben
Jperjbgen Don ©adjfen, befonberS aber bem .Uaifer bor anberen befähigt er=
fdjeinen bei ben 2luSgteid)ui*gSüerfud)eu jrotferjen @Dangelifd)en unb .ftatljottfdjen
mitjuroirfen. 2)aS ©treben nadj Söermittelung bet großen reügiöfen ©egenfätje
öertei^t feinem S)enfen unb äöitfen ben ©runbdjarafter. (JS gibt in biefer 3ert
roenige firdjtidje Sßerrjanblungen unb ©efprädje in Deutfdjlaiib, an benen er
nidjt teilgenommen blatte, ©o etfdjeint er neben Garlonnlj, SöetjuS unb Xüxt
gegenüber s)lMaud)tb/on unb S-Brüdi auf bem ©efpräd) ju tfeipjig 1534. 3fn
gleicher 2Beife Dermenbete irjn ber 33ifd)of Don 2Jteifjen, als 1539 baS SöiSttntm
burdj ^etjog ^einrieb, Don ©adjfen eDangelifdj gemadjt roerbeu foütc. $m
auftrage beS 33ifcb,ofS Derfafste, roie eS fdjeint, $. mit ^otjann 2Biccl bie©d)t*ift:
„(Sine gemetnfdjaftüdje Sdjte Don Dier Slrtileln, bie einem jeben ©Triften jju
roiffen Donnöt()en". ©ie ift trenifd) gehalten unb beftimmt fdjon äiemlid) genau
bie ©renken ber ^ugeftänbniffe, bis ,ju benen man auf ber päpftlidjcn ©eite
aud) fpäter ju getjen ftdj geneigt erflätte. 2iber fie tjatte feinen ©rfolg, eben=
foroenig biefenigen ©dritte, roelcfje 5p. mit Jpeinricf) D. ßarlotoi^ perjöntid} beim
Jper^oge unternafjin. ^ac^ biefer 3e't fdjeint er feine engere -£>eimatr) Derlaffen
3U tjaben. 6r rourbe tDatjifdjeinlicf) bem .Uaifer empfohlen unb Don biefem
fomol roegen feiner reügiöfen Stellung als wegen feines biplomatifd^en ©efctjideS
für geeignet befunben, „bie fatferlictje Otefotmation" burd) 3]etrjanblungen mit
ben @Daugelifcr)en jjur S)urc^füljrung ju bringen, ^n ©emeinfdjaft mit (fd
unb ©ropper Dertrat er bie fattjolifdje ^artei auf bem OteligionSgefprädje ju
ÜtegcuSburg (Mprit 1541). — Äurj Dörfer mar er Dom 5Domcapitel au 9taum=
bürg ,jum 53ifc^of geroärjlt roorben, aber ber ,<?'urfürft 3>ot)ann griebrid) bon
©ad)fen, ber baS 5MStt)um einjuaieljen münfdjte, trat itjin entfcrjieben entgegen
unb fefete 9lic. d. SlmSborf als ebangetifdtjen s^3ifd§of ein. $. rief bie ^itfe beS
Äaiferä an, ber ^urfürft Derftdjerte fid) ber Unterftü^ung ber @Dangelifcr)en;
aüe geinbferjaft ber beiben gegneriferjen Parteien brol)te ficr) an biefem ©tteite
jum t}etten 33ranbe ju entjünben. ^$nbeS 30g fictj ber 3luSbrucrj beffelben nod)
länger rjin, ba ber uaifer bie 3eü ä^ friegerifdjem Eingreifen noer) nidjt ge=
»g. 689
fommen glaubte; aucf) bie üon *ß. nactjgefucfjte Vermittlung be§ Äunürften üon
23ranbenburg, be§ -öerjogs 5Rörife üon ©acfjfen, be§ Öanbgra'en üon ipeffen unb
enblid^ (1542) bei Reichstages üon ©üener bractjte feine ßntfcrjeibung. 6tft
1546 tarn biefelbe burd) ben ©djmalfalbifcrjen $rieg. $ftit ben üorbrtngenben
Sruüüen bei .gjerjogi 9ttorit} tarn 5ß. in fein SSiStfmm; er mufjte e§ jroar fdron
im Januar 1547 bei bem (Immarfcrje bei $urfürften üon ©adjfen trieber üer=
taffen, aber ber ©ieg bei $aifer§ bei 9Jcüt)tberg (24. Slüril 1547) fetjte ifjn
enbticr) in ben bauernben 93efitj beffelben. ©eine Sage mar trotjbem fctjroierig
genug: Taft alte 3Jnfaffen ber (Stiftet Naumburg unb 3e^ fjulbtgten offen ober
inigetjeim ber eüangetifctjen ßetjre; fein roettlictjer SBeiftanb toar ber eüangelifctje
Äurfürft ^Jcoritj üon ©actjfen. $ein Söunber, roenn er batjer in feinem Sprenget
mit großer 33orftcrjt unb unter milber 33erücfficf)tigung ber üorgefunbenen S5et=
rjättniffe auftrat. 5Eer fatt)otifct)e ©otteebienft rourbe nur im 3)ome ju 9laum=
bürg unb in ber ©tiftifircrje ju ^eit; toteber fjergeftettt ; bie .ß (oft er blieben auf=
gerjoben unb irjr SBefitj mürbe jum ^ammergute gefct}tagen. 9tömifc£)erfeit§
beutete man bieg 3}erf) alten bei SBifctjofi als ©ctjtoäcfje ; man ermog babei roeber
feine äußere Sage, noct) feine innere Stellung jur Reformation, ©ein J?atr)oli=
ciimui mar, menn aucr) immer römifct), boct) roefentlid) anbcri geartet als ber
feiner Jabter, inibefonbere eines @cf. teuere (mie ^»ergenröttjer unb ^aftor)
tjaben nictjt gan^ Unrecht, menn fte feine unb Gontarinii 9ticr)tung als „.vkrjüto^
lutfjeraniimui" bejeictjnen. 2Iber jtoeifelloS entfprang biefetbe nictjt aus ber
©cfjmäcrje beS ßrjarafterS, fonbern auS feiner Ueberjeugung, bie im 33erfef)re mit
ben ©üangelifctjen unb burctj bie fjäufige Prüfung ifjrer ©taubeniteljre atlmärjticrj
geläutert morben mar. S)arum marb er audj auf ßmüfefjlung gerbinanbi, bei
römifcrjen Königs, üom 3?aifer ^ur Mitarbeit an bem „StugSburger Interim" (1548)
berufen. üDer (Snttourf beffelben flammte mot üon ber eüangetifctjen ©ehe, üon
bem ^urfüiften üon SSranbenburg unb feinem ehrgeizigen unb üerblenbeten £of=
ürebiger 2Igricola , aber bie Ueberarbeitung bcffelben übernahmen im 2lu*trage
bei Äaifeti $. unb 9Jiicrjaet §elbing in ©emeinfctjaft mit SIgricola. >£. fcrjien
um fo etjer geeignet, ati er felbft frütjer einen ätjulicrjen (Jntrourf üerfa^t tjatte.
Slenberungen bei urfprünglidjen Wertes unb ber Ueberarbeitung finb üielfacfj Dor=
genommen morben; bie 3lrbeit ber Sinjelnen tft batjer nictjt metjr 311 erfennen.
Stber an ber ftarf fatfjolifcrjen Färbung bei ganjen 5ftacb>erfi, an ber mög=
tieften SSerbunfelung unb Stbftumpfung aUtZ Güangetifc^en in bemfelben fmt
gemit} auct) ^. feinen Slnttjeit. Sennocf) erfuhr er nidjt menigrr al§ Slgricota
bie Ijeftigften Sßormürfe megen ber SBerteugnung ifjre§ SefenntniffeS üon ©eiten
ber ©lauben§genoffen. Stgricola aflerbing§ mit metjr 9tecrjt al§ -^., benn biefer
unterließ nictjt feiner ßhdje, bej. bem Raufte, bie le^te gntfctjeibung anfjeimju^
ftetten. Slber be§ ÄaiferS ©unft blatte er ficf) in tjotjem 9Jtatie ermorben, rtic^t
meniger bie be§ Äurfürften 5Jlori|. @g mar eine gemiffe geiftige Sßermanbtfdfjaft,
bie itjn mit biefen üerbanb. 5Jtori^ bebiente ficf) be§ gcmanbten Unterb,änbter§
fofort in ber .§eimatt) ^ur GrinTüfjrung bei Interim! im Äurfürftenttjum ©actjfen,
aber jugteictj auc^ feines unb feiner ©enoffen, bei 33ifcf)ofc§ üon s!l}eif$en, 3ßiber=
fpruct)e§ gegen bie barin enthaltenen ©ä^e üon ber ^riefteretje unb bem 2aien=
teldjje, um bem ^aifer gegenüber ba§ Interim in ber gegebenen fjform al§ un=
annehmbar barauftetlen (Sag üon £egau, 22. 5tuguft 1548). ©0 geroarjrte
^ftug'i Stjeitnatjme an ben 23erb,anbtungcn für 9Jtori^ bie nötfjige Rücfenbecfung
gegen ben ßatfer megen ber Slenberungen an ber 2lug§burger formet unb ju=
gteictj bie ermünfctjte 5]ßreffion auf bie luttjerifcrjen Ifjeologen jur grtangung üon
^ugeftänbniffen an bie fattjolifetjen. Sarurn rourbe er auetj, nactjbem $ftori£ 3U
2orgau unb Seite 9Mand)tb,on unb feine ©enoffen buretj feine föättje rjatte
-Mgem. beutfe^e Siogta^ie. XXV. 44
690 WH-
l)inlänglid) bearbeiten uub einfctjüdjtetn taffen au ber 23efpted}ung Iftoutj'ä mit
^oacfjim bon 23vanbeuburg au ^üterbogt (©ecember 1547) tjinaugeaogeu, um tjier
baä gemeinfdjaittidje 23orget)en beiber dürften in (Saiden beä Interims forootjl
itjrcn Stänben mie bem töaifer gegenüber ju rechtfertigen unb bie aud) et*
fdjienenen SBittcnbetger mit itjten (Sinroütfen unb >4>roteften im Sdjad) ju
tjatten. SllleS ging nactj SBunfdj unb fdjon naef) roenigen Etagen (21. 25ecem=
ber 1548) nahmen bie turfäctjfifdjen Stänbe, berroirtt burd) bie ^otitif tt)re§
dürften unb betlaffen bon itjren Geologen bie neue Drbnung an. ^3. inbeffen,
ber ebenfalls bort mar, beutete fidj rool, für fidj metjr au berfpreetjen, al§ roa§
ba§ ütegenöburger Interim nact) bem 23efd)tuffe be§ ütribenter Gonciti itjm ge-
mattete. — 2)on jetjt ab mibmete er fid) faft auäfdjtiefjlid) ber gürforge Tür
leinen Sprengel. @r fdjeint anfangt ernftlid) bie 2tbfid)t getjabt ju tjaben mit
.ipilfe be8 ^nterimi fid) ber ebangelifdjen ©eifitid)en in feinem 23i§tt)um ^u
entlebigen. ^ebenfalls bertrieb er alle biejenigen — unb e§ toareu itjrer fet)t
biete — meiere bie Üiegensburger Ofotmel nietjt untctfctjrieben hatten, bor altem
ben M. 2)eutfd)mann unb bie beiben S)iafone ber 2öenjcl§fird)e au Naumburg
(1550) auS ifyren Stellen. 2tber er fjatte bod) feine Gräfte überfdjäfet; er
mujjte balb triebet eintenfen. Sd)on 1555 fe^te e3 ber Üiatt) burd), ba^
üDeutfdmtaun jurüdberuren mürbe unb mit ihm fet)tten biete ber übrigen 23er=
triebenen aurüd. 3a er mufjte e8 erleben, otjne bafj man auf feinen Söiber*
fprud) töütffidjt natjm, bafj bom Äutfütften Sluguft bon Saufen in Stty, bn
bifchöftidjen ftefibena, ein ebangetifetjes ßonfiftotium eiugefetjt, unb ber 5)om in
Naumburg, bie bifd)öflid)e $atf)ebrattird)e bem Simultangebraudj übetroiefen
mürbe. So mürbe ber fattjolifdje ©ottesbienft überhaupt nur nod) in 2 Äitdjen
abgehalten unb bon feiner bifdjöjlidjen ©croatt blieben unter biefen llmftänben
nur roenige reliqaiae ecclesiae Xumlmrgensis übrig, mie tpapft ^ßiui IV. feinen
(Spiäcopat richtig bejeictjnete. 2Bie biet babei feiner $ftilbe unb ©ebutb, mie
biet bem ^roange ber Umftänbe auauredjnen mar, mirb fid) nidjt böttig fidjer
ausmachen (äffen; offenbar aber roareu ihm bon feinen meltlidjen Nachbarn bie
."pänbe fetjr gebunben. S)at)er täufdjte man fid) aud), roenn man au§ bem
refignirten 2krf)alten beS 23ifd)oie£ in ben testen 3at)ren feines 2eben§ fchlof},
er getje mit bem ©ebanfen um, jur ebangetifchen $itd)e überzutreten. @r mar
erft 1557 auf bem Söormfer ©efptäd), bem er präfibirte, ben s4$toteftanten nodj
einmal feljt beftimmt gegenübergetreten. 2)on ba ab freilid) blieb er ftiü unb
jurüdge^ogen. 6r ftarb am 3. September 156 1 ,}u ,Seiü unb mutbe in ber
bortigen ©tiitSfirdje beigefeüt. S)er 2)om bon sJcaumburg befiüt eine Statue
unb ein 33ilb bon if)m. — 6in 33erieidjni& feiner Sdjriften ftnbet fidh^ in @rfd)
unb ©ruberö allgemeiner (5nct)flopäbie ber äöiffenfcrjaiten unb fünfte, Sectio III.
23b. 21, S. 256; ebenba S. 248 ff. audj jmei biograptjifdje S)arfteUungen mit
litterarifc^en Dtac^roeifen.
Cuellen: Slufjer ben bei 6rfct) unb ©ruber ermätmten Sdiriften bgl.
®. £t). Hergang, 5)a8 ÜteligionSgefpräd) ju ÜtegenSburg im ^. 1541 unb ba§
3tegenSburger Suctj. Gaffel 1858. — 9t ante, ©eutfdje ©efc^. 33b. 5 unb 6.
— SB. 9ftaurenbred)er, Äart V. unb bie beutfdjen s4>roteftanten 1545 — 1556.
Süffeiborf 1865. — ^. ©. Srobfen, ©efetj. b. ^reufe. s^olitit. Seipaig 1859,
II, 2. — 21. b. ©ruffel, 23riefe unb Sitten aut ©efdt;. be& 16. ^a^r^. 53b. III, 1.
9Jtünd)en 1865. — ®. 2}oigt, «Dlorife bon Saufen 1541—1547. Seip^ig 1876.
— ©. «ßlitt „Interim" in ^erjog'g 9teat=gnctjclopäbie, 2. 2lu§g., 23b. VI,
771 ff. 1880. — Xt). 23rieger, De formulae concordiae Ratisbonensis
origine atque indole. Halis 1870; berfelbe, ©. Goutarini u. b. sJlegenSburger
ßoncorbienmert. ©otfja 1870; ©etf. 3o% ©robbet in ßrfdj unb ©rubet'S
$flug. 691
(Sncpclopäbie, ©ect. I, £f). 92. 1872. — ß. $aftor, b. firdjlidjen 9teunion8-'
beftrebungen märjrenb b. Regierung Äarl'8 V. greiburg 1879.
93 red) er.
^flug: Äa8par b. 5ß. , &err au ftabenftein, ©ofm £intfd)e8 III. ö. 5JJ-.
le^ter ©profj be8 bötnuifdjen 2Ibel§gefdjted)te8 b. $•, reifer ebangelifdjet
©tanbestjerr mit au8gebetmten Bedungen im (Stbogener unb «ßUfenet Ätcife,
befonber8 um ©cfjladenroalb, ^etfdjau, gattenau, Dtabenftein, £ad)au, Äutten«
plan unb ©iejjtjübet, oberfter getbrjauptmann ber eüangelifdjen Söhnen im
©d)malfatbifd)en Äriege 1547 unb 1548. ©eine Aufgabe al8 fotctjer mar eine
boppelte, einmal ben Slnmarfd) be8 ÄaijetS Äatt V. au8 ©übbeutfdjtanb gegen
Äurfadjfen aufjut)alten, fobann bie Bereinigung bes £eraog§ 9Jcori£ oon ©ad)fen
mit bem Börjmenfönige gerbinanb ju tjinbern. 2tber beibe8 gelang itmi nid)t.
6t fetbft fdjeint nid)t ber 9Jtann gemefen ju jein, bie leicht erregbaren, aber in
ben $rieg§leiftungen überaus fdjmierigen unb faumfeligen böfjmifcrjen ebange*
lifdjen ©tanbe8= unb ©lauben§genoffen jut Energie unb Opjermiltigfeit au ent-
flammen. 2)enn feine Partei bereitete ifjm aud) burd) 3erfaf)renrjeit, $teinmutf)
unb ^nbolena bie größte ©djmierigfeit, bor altem burd) 3urüd£jattung ber
friegerifd)en «Kittel an ©elb unb $Renfd)en, burd) roetdje er allein fein 3id
tjätte ereilen tonnen. Ueberbie8 maren bie gütjter nod) !eine§meg8 mit fiel)
einig über bie gtedjtmäfjtgfeit it)te8 Unternet)men8. 2>er fpätere ©reif§malbet
23ürgermeifter 93artr)olomäu8 ©aftroto, roetetjer bamal8 al8 politifdjer 2lgent ber
pommerfct)en £>eraoge in bas faifertidje &oflager ging, begegnete $. in Seitmerifc.
„Sie müßten fester nierjt", fo geftanb if)tn $. offentjeraig, „metcf)c8 au ttmnam
fidjerften unb ratt)famften märe; benn auf ber einen ©eite märe ber Äuttütft
öon ©adjfen itjr 95unbe8genoffe, mit if)nen einer Religion, ben tonnten jie md)t
öetlaffen, auf ber anbeten märe gerbinanb itjr ®önig, pericultirte alfo be8
9teid)e8 ftreirjeit unb angenommene Religion." ©o tarn man nad) feiner ©ette
üormärt8 unb begnügte fid) ju bemonfttiten. Unterbefj f)atte fict) «ötotifc mit
gerbinanb bereinigt unb mar ber ßaifer nad) ©ad)fen gelangt. Umfonft fenbete
ber Äutfütft 3ot)ann griebrid) öon ©acrjfen £tjum8r)irn mit einigen Saufenb
<fliann an bie böf)mifd)e ©tenje, um ben fid) um «p. fammetnben ©djaaren sum
©tü^punft au bienen unb nad) ber Bereinigung mit itjnen eine Siüerfton im
dürfen be8 £aifer8 au machen ober bie £itfe gegen einen Angriff befielben an
ber <5Iöe au bieten. 2lber aÜe Bemühungen $[lug8, biefe8 giel a" etteic^en,
maren umfonft. ©eine «ßerbünbeten meigerten ben £uaug unb öerfteeften lid)
rjinter allerlei 3lusflüd)ten. @r fetbft tjatte taum 2000 «ücann beifammen unb
litt Mangel aEer 9ltt, befonber§ am Selbe. Sennod) magte er eine S3ormart8=
bemegung; er gelangte bis ÄönigStoatty ; aber bie Bereinigung mit 2f)um8fHrn
tarn nid)t au ©tanbe (16. Slpril). 68 märe aud) je|t a" JPät gewefen^ benn
fdjon am 24. 5lprit fam e8 bei ^lüPerg yix ©d)tad)t. Sodann gfttebtij
tjatte fid) leiber bi8 aum testen Slugenbtitfe burd) bie Hoffnungen au| bot)tnifct)e
Äütfe täufdjen taffen; er mufete barum im entfetjeibenben Slugenblide fogar bie
Untetjlüfeung 2ljum8c)irn8 entbehren. — $. mürbe öon ftömg Setbtnanb ge-
ästet; ein ^rei8 öon 5000 ©djod «Ulei^enet ©rofdien marb au? feinen flopT
gefegt. 5tber er enttarn feinen Berfotgern , gelangte glüdlidj nadb, «IRagbebutg,
roo er fid) bem £>ome gegenüber ein prädjtige8 |>au8 baute, unb fetjrte üom
Äaifet «Utasimilian II. begnabigt unb aum 5tt)cit mieber in ben SBeftfc Jemet
@ütet gefegt nadj Böhmen autütf , mo er 1576 au galtenau ftarb. ßr mar
^BgL ben Slufjafe bon b. ©tramberg in @rfd) u. ©ruber'8 (Sncoclopäbie
bet So. u. S. ©ectio III, £f)eil 21, ©. 241 ff. S3ted)er.
44*
692 SPffaflfiaiipt — SPffogf.
^flligfjailpt : Stöbert •$., ein trefftidjer ^ianift unb gebilbeter $ftufifer,
geboren am 4. 2luguft 1833 ju Berlin, t)atte baS Unglütf, anmngtiti) unter
Üljeobor ßeften'S Seitung ^u fommen unb mar auf bem beften äöege, feinem
SBorbilbe in feister 9)htftf nad^ufolgen, bodj nod) jur redjten 3eit t^ite er
um unb begab fid) unter bie ftrenge 3ud)t ©. 20. SDefyn'S, beS befannten üTt)eo=
retiferS unb ßuftoS an ber Berliner fönigl. 23ibtiott)eE. ^ier lernte er aud)
feine fpätere grau fennen, bie auf fein ßeben unb ©treben einen fo bebeutenben
(Sinfluf} ausgeübt tjat: ©optjie ©tfdjepin, S£od£)tet cineS ruffifdjen ©eneralS, bie
beljufS itjrer weiteren SluSbilbung ebenfalls bei ©et)n Unterricht natjm, bereits
aber als $labierbirtuofin fid) eines 9tufeS erfreute. 91(8 fie roieber nad) 9tufj=
lanb jurüdfefirte , folgte ir)r $. nad), mürbe ein ©djüler 9lbotf -gjenfett'S unb
führte nad) mandjen kämpfen 1854 bie Braut t)eim. Iftun tourben gemeinfame
GoncertauSflüge unternommen, big fie in Söeimar, bamatS burd) ßifjt'S (Segen*
mart bem ßlborabo jebeS ßünftlerS, ein neues ^>eim fanben. «Später begaben
fie fid) roieber auf Äunftreifen, bod) bie fdrtoanfenbe (Sefunbljeit ber grau be=
ftimmte it)n 1862, fid) in 9tad)en nieber^ulaffen. 6r gehörte <ju ben menigeu
©tüdlidjen unter ben ßttnftlern , bereu $unft nidjt juerft nad) Brob 311 gelten
brauet, ©ein |>auS roarb balb ber 9Jtittelpunft aller eckten Äunftbeftrebungcu
unb ftetS bereit, feine eigene ^ßerfon einjufefcen, geroaun er einen bebeutenben
(Sinftufj auf bie Pflege ber ßunft. 9lls aber am 10. Wobember 1867 feine
grau ftarb, 30g er fid) bon allem Berfetjr jurüd unb lebte in ber turnen ©panne
3eit, bie ifjm nod) gemährt toar, nur ber (>ompofition unb einigen ir)tn lieb
getoorbenen ©djülcut. %m 12. $uni 1871 ftarb aud) er an ber Bruftroaffer=
fudjt. 911S ßomponift t)at $. nur einige ßiebertjefte unb mehrere ©alonftüde
Peröffenttid)t unb ift nidjt über DpuS 20 r)inau§gefommen. <§ieiin mar er nidjt
berufen, fid) ber 2öelt nütjlidj ju machen, ben (Sinflufj aber, ben er auf feine
Umgebung, feine ©d)üter, auf fein Soncertpubticum ausübte, ift fetjr r)od) an=
jufdjtagen, benn t)ier roirfte er burd) fein eigenes Beifpiel betebelnb unb frud)t=
bringenb in roeite Greife tjinauS unb fein 2)ar)infdjeiben empfanb man in 9lad)en
als einen Sßertuft für bie gan^e mufiftiebenbe ©tabtgemeinbe. ©ein Xeftament
jeigt uns aber ben j?ünftter noct) bon ber ©cite beS 9Jtenfd)enfreunbeS, benn er
bermadjte fein nidjt unbeträdjtlidjeS Vermögen bem allgemeinen beutfdjen
^tuftfberein, roeldjer bamit ben ©runb ^u einer Bcett)oben=©tiftung legte.
9tob. @itner.
^flug!: ^luguft Julius (Sbmunb $., namhafter ^ilotoge unb
©cb.ulmann , 1803—1839. 3fn Srjdjen, einem ©täbtcb.en in ber Ufevmarf,
mürbe er als ber ©olm eincS ©teuerbeamten am 21. 9tobember 1803 geboren,
genoB feine ©djulbilbung in ^Rartentoetber , mo^in ber 33ater berfe^t mar, unb
feit 1816 in ©anjig unb jroar ^ier 3unäct)ft auf ber Dberpf anfaule ju
©t. 5Rarien, feit 9tobember 1817 auf bem auS ber Bereinigung ber 5Jtarieu=
fcr)ute unb beS Gymnasium academicum l^erborgegangenen neuen ftäbtifctjen
®b,mnafium. Stuf biefer 2lnftalt, bereu ßeitung 3luguft ^Jteinefe übernommen
Ijatte, ermavb er fid) unter biefeS trefflidjen 3JtanneS ßeitung ein für einen ©djüler
ungemö^nlictjeS 9Jtafj bon ßenntniffen, bornefimlict) aber „jenes lebenbige ^nter=
effe für baS Sllterttjum, melc£)eS fpäter bie greube feines ßebenS unb baS 33anb
mar, moburd) aucf) er feine ©djüler untoiberftetjlictj an fid) feffelte". @ineS
feiner ©tjmnafialiatjre bractjte er im -£>aufe beS Damaligen Oberpräfibenten
b. ©cfioen als ©enoffe bon beffen gleichaltrigem ©ob,ne ju. $u 2RicrjaeliS 1821
bertie^ er bie ©ctjute unb begab fict) nad) SSerlin, um bort ^P^ilotogie 3U ftubiren;
eS gelang iljm balb, au SBöcft) unb ^beler in ein nätjereS 33erl)ältni^ ju fommen,
metdjeS für feine toiffenfd)aftlic^e (jmtroidtung bon mefenttid)er 5Bebeutung mürbe
(f. 33oedl)'S ^Bemerfung über iljn in ber Praef. aum Corp. Inscr. p. 10). Waü)
5ßfnor. 693
breiiärjrigem ©tubium fefjrte et $Ridb,aelis 1824 nacf) Sandig jurücf unb trat
fogletct) als ■gnlfstetjrer am ©bmnaftum ein; bereits Cftern 1825 tourbe er als
orbentticf/er Setter angeftellt unb mit bem gefdjicrjttidjen Unterrichte au? ber
oberften ©tufe Betraut, 1826 tourbe er ^rofeffor, feit 1833 nur mit prjito*
logifcfjem Unterrichte in ben Dberclaffen befestigt. „Söenn eS bic rjödjfte
Aufgabe beS 8et)rer§ ift, nictjt baS einzelne Söiffen, fonbern baS ^ntereffe an ber
SöifienfcrjaTt , nictjt ben einzelnen (Erfolg, fonbern bie £ücr)tigfeit beS ganzen
©trebenS in bem ©cfyüter ju beförbern, unb baS nic^t burcf) äufjere Mittel,
fonbern burcb, bie ^Jtittrjeilung feiner eigenen Begeiferung für bie ©adje, fo t)at
er biefe Slufgabe in i§rem ganjen Umfange gelöft" OUtarquarbt). Seiber tourbe
feine fo ausgezeichnete Söirffamfeit balb burcb, ein förberucrjeS Seiben beeinträd)*
tigt, toelctjeS — burct) übermäßiges arbeiten unb ^tactjttoacrjen Ijerborgerufen
unb fortbauernb genährt — ifjn immer rjäuftger unb auf längere 3"*, nament*
lieb, 1831 unb 1832, feinem Berufe entzog; eine Babereife naefj 2eüli| 1834
rjalf roenig, bodj fcfjien fein 3uftanb ftcb, fpater ettoaS 3U beffern. Siner blötj=
lidjen Unterteiblfranttjeit erlag er am 15. üDecember 1839. ©eine ©djüler
fiaben ib,m ein üDenhnat auf bem ©rabe errichtet. — S)ie früheren Slrbeiten
*j3flugf'S roaren im Söefentltdjen auf alte ©efcrjidjte gerietet: „De Theopompi
Chii vita et scriptis" 1827 (..elegans libellus" Bödb, a. a. £).) unb „Rerum
Euboicarum speeimen" 1829, big eine Slufforberung, in ber ©otfjaifctjen Biblio-
theca Graeca ben (Juripibee tjerauSjugeben , itjn bon feinen tjiftorifcrjen Unter*
fuerjungen abjog unb irjn au§fdfcjtiefetic^ fpracrjticbjeR unb fritifct)en ©tubien, für
bie er befonbere Begabung befafc, zuführte. Bon 1830 an erfcrjienen 6 ©tücfe
in feiner Bearbeitung; baS fiebente, ber Hercules furens, erft nacb, feinem £obe
1841; aufjerbem eine große 'fteicje fleinerer arbeiten über ©opfjofleS, ^lutarctj,
SDio GljrrjfoftomuS, 2lrtian, 2>ionr;S bon .^aticarnafi, 2)io SafftuS unb befonbers
auetj 3U SacituS, trjeilS in ©crjulprogrammen , tfjeilS in gelehrten 3e^fcr)riften.
©ein roerttjbotter ungebrudter litterarifctjer 9tacrjtaf5 befinbet ftdj in ber 23ibtiotr)ef
beS Sandiger ©bmnafiumS; feine (Smenbationen $u S)io GaffiuS unb p üpiutarcb/S
ÜJloratia fat SJtarquarbt 1846 unb 1848 beröffenttierjt.
Programm beS ©nmnafiumS zu Sianjig 1840, ©. 5 ff. — 9Jtarquarbt,
21. @. pflügt unb fein titteratiferjer ^acrjlafj, in ber ,,©t)mnafial = 3eitung'\
Beiblatt jur 3eitfcb,rift für 2lttertbyum§roiffenfcb/aft , 1841, 9er. 34, ©. 276
bis 280, too fiefj auefj ein bottfiänbigeS Bezeictjnifj feiner ©Triften befinbet. —
dürfet), ©efetj. beS S)anäiger ©nmnafiumS feit 1814, ©. 41 — 43 (in ber
^ubiläumsfctjrift ber 2lnftatt bon 1858). ^ öoebe
^3fltor : ^ob,ann 2Bitfjelm ©ottlieb *ß. , lUtecfjanifer , geboren als
©ot)n eineS b/ffiferjen Beamten ju 2)armftabt am 19. S)ecember 1792, f bafelbft
am 9. $uni 1869. Stuf bem ®r;mnafium feiner Baterftabt borgebilbet, bejog
er 1810 bie Uniberfttät ©ie^en, too er fiel) bem ©tubiura ber Samera(n)iffen=
f haften roibmete. ^m % 1813 tourbe er Stcceffift unb batb barauf ©ecretär
unb ^rotocoüift bei ber ^»offammer ber ^robin^ ©tarfenburg, bann bei ber
Oberfinanäfammer unb fcrjtiefjtidj bei ber Dberforft= unb ©omänenbirection ju
Siarmftabt. Stüdbjtige matb,ematifct)e .ßenntniffe unb meetjaniferje ©efcb.idlicrjfeit
führten itjn früt) ju tecbynifcbyen arbeiten, hei beren 2öat)( oft rein äufjertidje
Umftänbe beftimmenb roaren. ©o brachte ib.n ein 3ufall auf bie ^>ot^fcl)neibe=
fünft. ®r erlangte barin nietjt nur bebeutenbe gertigfeit, fonbern erfanb aueb^
bie für Berbielfdttigung bon ^oljfcrjnitten fo wichtige Glicrjirmafcfjine. S)abei
rjatte er fiefj burct) baS (Einatmen bon Slntimonbämpfen eine $ranff)eit juge=
jogen. tiefer Unfall üeranlafjte itjn jur Srfinbung beS ©ctjriftgiefjeroienS,
ber ben Arbeiter bor ben gefätjrlicrjen 2öirfungen beS 5JletaHbunfteS fc|ü^t. ©eit
694 5ßfod>en.
1825 Betrieb er gemeinfam mit Sairljoffer in granffurt jur Sßertdelfättigung
jeiner ^oljfrfjnitte in Gtidjemanier eine ^oltjtrjpcngiefjerei unb erfanb bei ber
£f)ätigfeit in biefem gadj ein neucä öercinfad)te§ <Steteott)prjer|af)ren, eine
£etterngiefjmafd)ine, eine ©crmftftnnpelfd)neibmafd)ine unb ein neue§ öerbefferteS
SBeriatrcen für Suntbrud. Weben biefen Seiftungen auf bem Gebiete ber £t)po=
graptjie unb Snlograüfjie toanbte fid) fein erfinbungsrcidjer (Seift nod, anbern
gelbem ^u. 6r erfanb eine fünftlicfje ipanb aU ©rfatj ber menfdjlidjen , fpäter
aud) ein fünftltdjeg Sein. 3>ie @infttf)rung beS 3acquarb'fd&cn SOBebftu^tcS in
Reffen führte itjn auf eine toidjtige Serbefferung beffelben, burd) metdje eä mög=
lid) mürbe, otjne £ilfe ber Sacquarb'fdjen Äarten nad) jebem beliebigen dufter
p roeben. äBeiter erfanb er einen tierbefferten Stubenofen (fogen. Tiaffauer
Ofen), eine 2Rafd)ine jur #erfiettung progreffiüer 3üge in güntenläufen, einen
■jRumeriräärjtapparat jur Serfjütung öon lluteijcfjteif bei ber <j3apiergelbbereitung,
einen fünfttidjen Stutiget unb eine 5Jlctl)obe 3um (Stimmen ber ÖHoden. Ser=
fd)iebene biefer (Srfinbungen maren geeignet, bei gefdjidter 2tu3bcutung ibjen
Urheber juni reiben 9ftanne ju machen. *$. trug feinen ©eroinn babon. 2)ie
größten Hoffnungen rjatte er auf Serroertlmng feiner Serbefferung be£ 3acquarb'=
fd)en 2öebftuf)te§ gefegt. <5r begab fid) fetbft nad) s^ari8, um feine (Jrfinbung
ju berfaufen, blatte aber feinen Srfolg. (SS fehlte ifjm, toie bieten bebeutenben
«Dtenfc^en, bie faufmännifdje Setriebfamfett, bie gäfjigfeit, ben Moment auS^u*
nu|en. SieteS tjat aud) bie ^eit, in ber er lebte, an ifjm oerfdjulbet. ©o
blieb er bi§ $u feinem £obe ein fleiner ^Beamter in befdjeibenen 23erl)ättniffen.
Slber er befafj eine gtüdlidje Statur; ber Mangel an peeuniären Srfotgen ber=
modjte nidjt tfjn au »erbittern.
©criba, ßejifon ber ©djrijtfteller beg ©rofefjeraogtt). Reffen II, 558. —
ftefrolog bon gerb. SDieffenbad) in ber 2)armftäbter Leitung 1869, 9fr. 182,
©. 756, miebertjolt in g. £>ieffenbad), £a§ ©rofetjeraogtrjum Reffen, ©. 534,
2. Stuft. ©. 652. 2lrtf)ur 2Böfj.
^fodjeit: ©ebaftian $., Sfjeotoge unb s$f)itotoge be£ 17. Sar)rt)unbertä,
mürbe balb nad) 1600 au griebberg in ber 2Betterau geboren, erhielt fjier aud)
feine ©cfjulbilbung unb eignete fid) fdjon fefjr jung bie (Elemente ber tjebräifdjen
©pradje burd) ben Umgang mit griebberger 3>uben an. 2lnfd)einenb burd)
feinen 2anb§mann, ben ^t)ilologen ©eorg s}Jafor auä ßttar in Ücaffau bemogen,
machte er feine ©tubien unter beffen befonberer ßeitung in granefer, mo jener
s4Jrofeffor ber gned)ifct)en ©pradje mar, unb lebte fpäter in Slmfterbam. 9läf)ereä
über fein Seben ift nid)t befannt. 3m S- 1629 gab er eine Don grofjer 33e=
lefenljeit in ber griedjifctjen ßitteratur jeugenbe ©ctjrift ljerau§: „Diatribe de
linguae graecae N. Testamenti puritate, ubi quam plurimis, qui vulgo finguntur
Hebraismis larva detrahitur", in meldjer er buret) ^peranaiel^ung einer grofjen
^lenge öon ©tetten au§ ben öerfdjiebenftcn griedjifdjen ®id)tern unb $rofaifern
bie (itafficität ber ©pradje be§ ^i. 2eftamente§, aud) ber bebenflidjften ©teilen,
nadjäumeifen fud)te. 2)aä Sud) fanb in ber trjeologifd)en 2Belt Diel Seifall;
bereits 1633 erfdjien eine neue öerbefferte 2tuflage. 2>er befannte englifdje
Geologe £f)oma§ ©ranader tiefe 1648 in ßonbon eine umfangreiche ©egenfd)rift
„de novi instrumenti stylo" gegen 3ß. erfdjeinen , raeldje aber, menigften§ in
£>eutfd)lanb unb ^poEanb, nur geringe Söirfung fjeröorbrac^te unb nidjt öer=
f)inberte, bafe ^fodjen'S S3ud) nod) in einer Quartau^gabe in granffurt a. b. i_
1691 mieber aufgelegt roerbe.
Sorrebe ^sfoct)en'§ jur „Diatribe^- ; einjelne ©teilen in ©ranader'S
©djrift. — ßurje 9lotiä hti Södjer, ©et.=2ej. III, ©p. 1500, unb bei ftotcr*
munb VI, ©p. 31. fö. ^odje.
^fotbten. 695
^forbtett: 8 u b to i g Äarl#eintidj 3freit)err P. b. $., geteerter 3urift unb
Staatimann, rourbe geboren am 11. September 1811 in Rieb, ber -gmuptftabt bei
bamali bairifctjen ;j>nnfreifei. @r mar ber ältefte Pon fecfji Söhnen bei im $• 1828
Perftorbenen bairifctjen 2anbricf)teri öeinridg £ubroig P. b. $. ©eine Butter mar eine
geborene @ber (f 7. 3funi 1856). 2)en erften llnterricrjt ertjiett er in 33urg=
ebract) in Cberfranfen, tootjin ber 2)ater üerfetjt morben, nadgbem bai ^nnöiertel
1816 mieber an Defterreicr) gefallen mar. Sßom freisinnigen Sefan ßlarui im
narjen Bamberg roeiter erjogen, fiubirte er, nactj bem Sefuctje bei Snmnafiumi
in Nürnberg, 1827 — 1830 in @rlangen bie Recrjte. Sobann fiebelte er nacfc)
»peibelberg über, mo er, öon Jrjibaut unb Iftittermaier jur Ohgreitung bei
afabemifcfjen Serjrfactji aufgefordert, mit ber in aßen jurifiifdjen greifen roof)!*
befannten Siffertation „De praelegatis" (Srtangen 1832) promoüirte. 2snt
begriff fidj in 9Jtünct)en ali ^ßriPatbocent nieberjutaffen, jog er itjm bie an*
gebotene Stellung einei Referenten in ber 9Jcinifteria(commiffion }ur 23eratf)ung
ber materiellen ^ntereffen bei Sanbei öor, gab fie aber ali nicrjt einträgtict)
genug fctjon im Jperbft 1833 mieber auf unb tief? fiel), bem Siebtingirounfdje
folgenb, in Söürjburg ali ^ßribatbocent Tür römifcfjei Rect)t nieber, nactjbem er
bie (JrtaubniB rjier^u für ^Jcüncrjen nicfjt rjatte erlangen fönnen. 3in SCßürjburg
macrjte er \xd) buret) Sluffätje in juriftifdjen 3eitf^iften in ber geteerten 2öelt
meiter befannt unb mürbe, banf feiner rafdj beroätjrten auigejeictjneten Setjrgabe,
bereits im Secember 1834 pm aujjerorbentlicben ^rofeffor für römifcfjei Recfjt
unb bairifdjei GiPilrecrjt , 1836 jum orbenttieb/n Sßtofejfot ernannt. 1837
mürbe er 93titglieb bei afabemifdjen Senati, 1839 mar er Sefan, 18-40 roarb
er ^Jtitglieb bei Serroattungiratrji ber Uniüerfität. Sein 9Infet)n ali jurtftifcfjer
ScrjriTtfteHer flieg befonberi buretj feine „2Ibfjanbtungen aui bem 5panbeftenrecf)t"
(6rl. 1840). 2IÜ £et)rer ^eicrjnete er fict) burcr) anregenben Vortrag, n:eunb=
tidjei SEßefen, in fircrjlictjen SÜngen - er gehörte ber eüangelifcfjen .ftiretje an —
burdj eine freifinnige Ridjtung aui. SBegen biefer rourbe er 1841 Dom
9Jcmifterium 21bet ber SSirffamfeit, in roetdier er feine ganje 33eirtebigung fanb,
plöfelid) entjogen unb aß» Stppetlaiionigericrjtiratrj naef) SÜfdjaffenburg Perfefet.
2)er elfteren marb er jebocrj fcfjon 1843 mieber prücfgegeben, inbem er auf Gm=
pfetjlung be§ nad) Berlin berufenen $ucrjta, ali beffen Radjfotger auf ben 2ebr=
ftutjt für römifcfjei Stecht naefj 8eip^ig berufen rourbe. 33ei ben am 12. Sluguft
1845 tjier fiattgerjabten Unruhen a(§ 3tector ber Unioerfität ju ftrengen s3Jta|=
regeln gegen bie Stubirenben mitberufen, oerftanb er boef), ficr) beven Vertrauen
unb ben Ruf liberaler ©efinnung }u ermatten. @r rourbe Mitarbeiter ber 1^47
oon Seröinu§ gegrünbeten „®eutfcr)en 3eitung" unb neben ben flfütjrcrn ber
.ffammeroppofition, tro^ feine§ ^oivatrjstitele, ein§ ber rjerüorragenbften 9Dlit=
glieber ber liberalen Partei Sacr)fen§. Sie Petition ber Uniöerfität , burcrj
meldte bie im Wäx$ 1848 geftetlten yorberungen ber ©tobt Seipjig fo fräftig
unterftütjt mürben, mar Pom llnioerfitätirector 5ß. öerm^t. 6§ roaren barin
Reformen ber 23erroattung, ber treffe, Recf)t§pflege fotoie Regeneration be§
beutfcfjen Sunbe§ geforbert. Rodj im «Dlätj 1848 rourbe er für mehrere
Stellungen in Slusfictjt genommen. SBä^renb Seipjig ib;n jum SBürgermeiftcr,
bie UniPerfttät ifjn ju iljrem Vertreter in ben Öanbtag roünfcrjte, rourbe er am
13. 9JtäiV oom .ßönig griebridg Sluguft II. Don Sacf)fen jum SKmtfter bei
Innern unb öorläufig auetj bei 2Ieu|em im liberalen ÜJttnifteiium 55raun er=
nannt. Rad§ Oberlänberi eintritt in baffelbe übernafjm $. ftatt bei Sleufeern
noef) bai ^Jcinifterium bei 6u(tui unb Untetrtdjtä. 3^r Sejeic^nung bon
^fotbten'i bamatiger Richtung bient, ba^ biefei üJlmtftertum feine erfte Sorge
fein (ie^, bie in feinem Programm Percjeifeene S5ereibigung bei Militari auf
bie Sßertaffung burd§jufüb^ren. SSergeblicf) ermarteten bie gemäßigteren Slemente
696 $Pfotbten.
©adjfenä, bafe ty., bie bcbeuteitbfte ^erföntidjfeit beä 9Jtinifteriumä, in bemfelben
ben weitgetjenben Sorberungen ber 3tabicaten beaüglid) ber inneren Vertjaltniffc
entgegentrete, greitidj ftanb er mit bem 9Jtinifter ©eorgi bem bemofratifdjer
gefilmten (Sottegen Dbertänber gegenüber; aber er zeigte fid) öon ber Vefürdjtung
erfüllt, im (Sinne ber rabicatei werbenben Dberftrömung ben 9tuf ber grei*
finnigfeit einjubüfeeu. ©o gab er im April 1848 bem Verlangen ber bemo=
fratifdjen treffe nadj Vitbung einer Gommunalgarbe in jeber ©emeinbe al§
Vorbereitung einer allgemeinen Votföbemaffnung nactj unb in ber beutfdjen fjrage
proteftirte er im 3uni 1848 gegen bie in ber sJcationalüerfammlung aufgetauchte
5-orberung, bafe bie beutfdjc Verfaffung ben Sanbtagen ber 6in<jelftaaten jur
Vefdjlufefaffung borgelegt werben müfje. ftod) in jeiner ^Beteiligung an ber
firdjlidjen £obtenfeier für Robert Vtum in ©resben (19. 9loö.) glaubte man
fid) berechtigt, ein 3eid)eu jeiner fortbauernb freieren Stiftung ju erbtiefen. 5Eer
3wiefpalt, in toetöjen bat 'DJcär.uuinifterium, nadjbem itjm im übrigen bie 25er*
einbarung jeitgemäfecr ©efetje mit bem ßanbtage gelungen war, im Januar unb
gebruar 1849 mit ber neuen bemofratifd) gefilmten 2. Kammer geriete), würbe
befonberä burdj ^jovbten'6 föbcraliftifdjcn ©tanbpuuft berfdjärft, Wegen beffen
er fdjon im 'JUlai 1848 öon ben 9Jtittelftaaten als SJcitglieb be§ bamatä am
Vunbeätage beantragten £riumöirat§ in Auäfidjt genommen war. SDen t)eftigften
kämpfen in ber 2. Kammer ausgefegt, befämpfte er tjier mit grofeer 9lul)e unb
©ebutb, bal Verlangen nadj llebertragung ber öölferredjtlidjen Vertretung in
bie £änbe ber Weidjsgewalt unb nadj Verfünbigung ber „®runbred)te". $n
bem neuen Kampfe jebod), wetd)er nadj Ablehnung beö @ntlaffung§gefudj3 be§
sHtinifterium§ (26. Januar 1849) mit ber 2. Kammer begann, erwieg fidj ty.
unentfcrjieben. 3ur Rettung VtumS Ijatte ^. Energie entwicfelt; aber gegenüber
ber Erregung ber 2. Äammcr Wagte er Weber ben ©efanbten öon Äönnerijj in
2öien gegen ben Vorwurf, ba§ ni biefem 3metf Wöttjigc unterlagen ju Ijaben,
in ©dju| ju nefnuen, nod) aud) bem Verlangen nadj beffen Abberufung Sfolfle
3U geben, ©er föberaliftifd)e ©tanbpunft v4>forbten'ö begann altmät)lidj it)n
öom ßiberatiSmuä to^utöfen. ©ein fütjness (Eintreten für biefen ©efidjtspunft
Ijatte ben Vlid be§ Königs 9)iaj II. öon Vaiern auf irm gelenft. 2)enn nadj
bem ©erweitern bee SBerfe ber ftationalöerfammlung war biefer $önig auf eine
gortfetmng ber Verjudje ju einer beutfdjen Reform, jebodj oljne s}keufeen§ S3e=
rufung an bie ©pifee unb momögtidj unter ©dmffung einer felbftänbigeren
Stellung Vaicrnö im Vuube bebaut. Vietteid)t tiefe fid) in biefer Ve^ierjung
öon einem geborenen Vaier etwa§ erwarten, weldjer, nodj im 9f£ufe beä ftrei=
finnä, jene sJtid)tung merjr als ein anberer ©taatSmann jener 3eü bertrat.
5Dem Äönige feit 1840 perfönlid) befannt, folgte ty. fdjon balö nad)bem er mit
ben übrigen fädjjifdjen ÜJltniftern (25. Qfebruar 184(J) jurüdgetreten war, einer
ßintabung beffelben nadj lUljmpljcnburg ju nertraulidjen Verätzungen. s3iadjbem
auf »pfcrbten'S 9tatl) am 10. Slprit bie Vertagung be§ bairifdjen 2anbtag8 biä
jum 15. 9Jlai Perlängcrt war, würbe er an ©teile be§ ©rafen Vrat) am 19. Slpril
3um sJJtinifter be§ fönigl. .^aufe§, be§ Aeufeern unb bc§ ^janbelS ernannt; ttjatfädjlidj
war er jebod) Seiter be« ganaen ^Jcinifteriums, wenn aud) bie ^3räfibentjdjaft
beffelben, beren £erftetlung öon iljm 3ur Vebingung be§ ©intrittg gemad)t War,
au§ formellen ©rünben iljm erft am 22. Secember 1849 übertragen werben
tonnte. 3lt§ ^roteftant unb Siberater ber ultramontanen Jjpofpartei nid)t geneljm,
liefe fid) biete il)n bod) gefallen, Weil fie in it)m bie geeignete ^erfönlidjfeit
erfanute, um 5ßreufeen entgegen ,^u treten. $. war in ber £t)at m biefer 2luf«
gäbe wie gefdjaffen. 2)ie Vorliebe für fein $eimatl)lanb unb ber SBuitfd), beffen
©teüung in ©eutfdjtanb meljr gehoben ^u fefjen, beftärften feine Votftellung,
bafe ba§ fd)Wierige Problem ber ginb,eit S)eutfdjtanb§ in mögtid)fter Vertlieitung
^fotbten. 697
ber $ftad)t an bie beuten SBolföftdmme au finben unb beäfjafb baö Streben
nacf) 23efd)ränfung ber ©ouüerainität ber SunbeSftaaten, fowie ba§ Uebergewicfjt
eines berfetben ju befämpfen fei. 2>er Abneigung weiter Greife ©übbeutfd)lanb§
gegen «preufcen fid) bewußt, gebaute er ben (Segenfa^ jwi^en biejer 9Jtad)t unb
Cefterreid) ]u benufeen um Saiern an bie ©pi£e beä übrigen £eutfd)tanb au
[teilen unb irjm fo eine entfdjeibenbe Stolle aujut^eilen ober irjm wenigftene bie
güf)rerfc§aft öon ©übweftbeutfcfjlanb au öerfcfjaffen. %n biejer «potitif f)at $. baä
«Dtöglidjfte geleiftet unb War infofern ber angefefjenfte Vertreter bes beutfd)en »Parti»
culariSmuS. Sie bon ifjm eriunbene £ria£ibee fjat er unüerbroffen p öerfduebenen
Seiten praftifd) gettenb au machen gejuxt, bi§ er fie nacf) (Mangung feines größten
(grfolgä iür immer begraben fet)en mufete. ©ein erfter ©djritt in biejer Ühdjtung
war bie gegen ba§ SBerf ber beutfcfjen ftationalüerfammtung genutete «Jtote
öom 23. Slprtl, in welcher 35aiern§ taufenbjäfjrige ©efcfndjte, feine ©röfje, ferne
eigentfjümfidjen 3uftänbe fjeröorgefjoben waren. 6t tonnte fic^ fuerbei am bie
Kammern ftfifcen, welche fid) nod) !ura auöor gegen Trennung öon Detterretdb,
unb gegen ©rünbung eine§ (grbfaüertfjumS au§gefprodjen Ratten. Seauglid) be8
bie Fortführung ber fteformfrage betreffenben 2Xufrufe§ be§ ßönigS öon Spreufeen
Dom 15. 9Rai, fucfjte *p. aunäcfjft eine ©tü^e in SBien; l)ier wollte man jebocb,
Don feinen $orfd)tägen im ©inne einer SrtaS nichts wiffen. dagegen gelang
e§ ifim in ba§ SteifönigSbünbmfe öon Dorntjerein ben Äeim be§ Verfalls au
legen ' 9Ud)t nur bafe er Satcrn fern rjiett, fonbern er bewirfte aud), bafe
©acfcfen unb £>annoDer it)r Verbleiben beim Vünbniffe bon Vaiernä Eintritt
abMngig matten. 3n gehobener ©timmung §iett er batjer am 4. 3um 1849
in ber atoeiten Kammer eine ürebe gegen biefe§ «öünbnife unb gegen ba8 lieber*
aemicfit be« Sorbens über ben ©üben, tiefer Stuäfprucf) in Verbmbung mit
feiner programmartigen (SrHärung, ba£ Saiern DorauggWeife bie Slujgaöe tjabe
als britter ©taat £>eutfd)tanb§ atotf$en ben erften beiben au bermittetn, blieb
nicbt obne beftedjenben ©inbrud im Sanbe. 2)af)er wagte er aud), bie 2Im=
löfunq ber arbeiten Äammer am 10. 3um bamit au begrünben, bafc Ue in ttjrem -üe«
idilufee über bie unbebingte ©ettung ber fteidjiOerfaffung unb ber 6runbre$te
bie ©elbftänbiqfeit S3aiern§ ben SBcfd^tüffen ber giationaloerfammlung unter*
aeorbnet babe. Sie 3}ert)anblungen, we^e % um «Kitte ^uni 1849 -m »ertin
über eine neue proöiforifege Sentralgewalt unb SBaiernS «nfcjfa6 ; an bie preu^
fc&en gteiormbeftrebungen pflog, ergaben atoar einen grunbfä^en (Segenlab
oüten jeboc^ aueb, nacf) «pforbten'8 Sttreife (4. ^uti) rortgefefet werben. 31»
aber fura barauf Defterrei^ burd) gtiebertoerfung Ungarns ]reiere ^anb ertuelt,
trat 3ß. mittelft 9cote öom 12. 3uü offen a(S ©egner «preufeenS auf htm er
ben SBruA be§ SJertragS bon 1815 üormari. ^n einer 3cote ©c^teinife e öom
30 Mi würbe biefe S3efd)utbigung unb 23aiern§ Angebot einer Vermittlung
awifd)en «Preußen unb Defterreid) in Reiben SluSbrüden aurüdgewiefen. Sme
nocbmatigl unb cntgegenfommenbe Stufforberung «prcu^enS, bem ^aibunbnille
beiTutreten wie§ $. am 8. ©eptember unter «Berufung auf S3aiern§ ©e(bi,ianbig=
feit aurüd' 3m «eftreben, biefe aud) Defterreid) gegenüber an ben ^ag au
legen öeraögerte er bie ^uftimmung au bem in Folge baüon ofme SBaiern am
30. ©eptember gef ^offenen Snterim. Segreifüd) wirfte es febr ermut^tflenb
aui % ate im ßerbft 1849 bie Haltung ber Äammern 3eigte, bal ferne ^olitif
weit entfdjiebener af§ früher auf bie Unterftüfeung be§ SanbeS rechnen fonne,
unb mit ©elbftbeWuBtfein erftärte er am 7. flooeinber m ber 5tteiten Äammer :
S)a§ Siel ber baierifcfjen $ofitU barf gana allein bie SluSbttbung ber baienfc^en
©ouüefainität fein." 3lm 28. ^oöember 1849 würbe ifjm ba8 ®ro|f reuj b«
SJerbienftorbenS ber baierifäen Ärone üertiefjen. Um 2lngeltd)ts bes 3tx}aU$
698 5jßforbten.
ber Union bem in 33aiern laut geworbenen SSebenfen ju Begegnen, bafe in ber
beutfcrjen <&ad)t nichts ju ©lanbe fommen roerbe , regte er ben unter bem
tarnen be§ SierfönigSentrourfä öom 27. Februar 1850 Befanntcn ^Vlan an.
9cadj beffen ©djeitern unterftütjte er aufä lebljaftefte DefterreidjS 33eftrebcn, bie
^nitiatibe in ber beutfcrjen ^rage 5ßreufeen§ .^änben (^u enttoinben. @r moljnte
am 11. Dctober ber gegen ^rcuBc" gerichteten 9ftonard)en=3ufatnmenfunft in
öregenj bei, förberte alle (Schritte Defterreid)§ 3ur Söieberbelebung beg 23unbe§=
tag§ unb tiefe bei bem als ^r0De iur Mfen ßebenäfäljigfeit bienenben (Jinrüden
in ß?urrjeffen bairifdje Sruppen fiel) beteiligen, ©eine Semütjungen auf ben
3)re3bener Gonferenjen megen 9Ienberung ber 93unbe§öerfaffung im Sinne ber
SriaSibee roaren erfolglos. (Sbenfo mifetang fein Sßerfud), bei ben 3onoerein§=
öerljanblungen oon 1852 burd) Slufnafjme DefterreidjS in ben 3°üüerein olc
fjanbelSpotitifdje ^üfjrerfdjaft *preufeenä ^u befeitigen unb bei bem baburd) cnt=
ftetjenben Dualismus ben IKittelftaaten ein gröfeereS Ökroidjt -\u öerleiljen. ßinen
meiteren 2Inlafe fjierju ergriff er, als eS roärjrenb beS orientalifdjen ihiegS im
Wäx$ 1854 für Defterreidj öorübergeljenb gelegen mar, ben bcutfdjen ^3unb an
feine ©eite 311 jierjen; bod) fjatte er hierbei feinen Qrrrolg, ba bie öon ben
Dtittelftaaten am 25. 3iuni 1854 in Bamberg aufgeteilten toeitgefjeuben
f^orberungen auf 3friebridj 2Bitf)ctm IV. ^ufammenfunft mit bem $atfer öon
Defterreidj in £efd)en jurücfgcmiefen tourben; bie Kammern freilief) bemiUigten
ty., naef) Stellung ber Vertrauensfrage, ben (Erebtt für ßriegSrüftungcn, unb
Äönig Iftar erfjob ifjn am 11.3luguft 1854 „unter Erneuerung unb 33eftätigung
beS öon feinen Voreltern inne gehabten alten (BefdjledjtSabelS, jutn s)Jterfmale
feineä äöorjtroottenS unb in Vlucrfeiinung feiner ^erbienfte für fief) unb feine
erjelidjen sJtad)fommen in ben erbltcfjcn greifjerrnftanb". Sßergeblid) fucfjte er
im Dctober 1854 in SBcrlin eine Serftäubigung aüer beutfcrjen ©taaten in ber
Drientfrage zu erzielen unb erfolglos maren aud) im Dctober 1855 feine 33e=
müf)ungen, im mittelSbacfj'fdjen 3»ntereffe Napoleon III. für bie Slngelegenfjeiten
GJriedjenlanbS günftig ju ftimmen. 9luf ber 9iücfreife öor ^ariS gab er bei
SiSmard in granffurt a. sIJc. bem Unrottten über bie geringe 33ead)tung, roeldje
93aiem als ©rofemadjt gefunben, burd) 9Inflagen gegen ben S3unb MuSbrud unb
jeigte fid) öon SaicrnS Vebeutung bod) nod) fo fefjr erfüllt, bafe er feiner
SBorausfagung öom Untergange beS beutfcrjen s-8unbeS fjin^ufügte : „Wögen bann
biejenigen, roeldje auf eigenen ftüfeen nidjt ftcfjen fönnen, fetjen mo fie bleiben ;
SBaiern mirb fid) fd)ou burd)f)elfen." liefern Unmitlen liefe er aud) am 23unbeS=
tage bejüglid) ber "-Befjanblung beS s4>arifer 5rieocn§öetira9§ öon 1856 2luSbrud
geben, nacrjbem biefer an ©aiern nid)t juöor mitgetljeilt mar. 2lud) in ber
neuenburger 5^'age bemirfte ty., nad) S3i§mardS 33erid)t öom 31. Dctober 1856,
am Söunbe eine niifetid)c Verzögerung burd) bie ^artnädtgfeit be§ S5crlangen§,
ba^ ber 33unb bie ^veigebuug ber ©efangenen forbern fotle. %m Innern folgte
5ß. ganj bem 3ll9e ber Oteactiongjeit. 1855 geriete) er mit ber jtoeiten Kammer
in melcf)er er Nürnberg öertrat, in ©treit über 33erfaffung§fragen unb über baS
infolge fetner äufeeren s4>otüif geftiegene 33ubget. 5luf bie ©treitigfeiten mit ben
Kammern öon 1858 folgte am 19. 9Jtär3 1859 bie Slbreffe ber jroeiten Äammcr an
ben «^bnig mit ber 53efd)ulbigung gegen ty., in 23ejug auf bie fdj(eäroig=rjol=
ftein'fd)e xSxaqt ein Söerfaeug ber ruffifd)en 5politif ju fein unb im (Streite
Defterreid)S mit ^anfreid) auf be§ festem ©eite ju ftef)en. 3>n feiner 9ted)t=
fertiguttg mie§ ty. jmar nad), bafe er bie bänifd)e ^otitif in ben ^er^ogttjümern
ftets befämpft, 93aiernä beitritt juiil Sonboner Stractat öon 1852 öerf)inbert
unb s$reufeen jum Qinftefjen für Defterreid)§ ^fntereffen in Italien aufgeforbert
fjabe; bie§ genügte jebod) ber jmeiten Kammer nicf)t. 2)ie ^Rittelftaaten mollten
SPforbten. 699
fidj bie gegen »Preußen miBtrauifd) geroorbene liberale gartet in 2!eutfd)lanb
nictjt öerfeinöen. ßönig Max erftärte, er motte ^rieben tjaben mit feinem
SJolfc, unb fo trat 5p. am 26. ÜRärj 1859 jurücf. 9lm 1. 5Dcai jutn ©efanbten
am SBunbcitage ernannt, futjr er tjier unter jeinem 5Jtad)JoIger ö. Sdjrend fort,
im Sinne feiner Bisherigen beutfdjen 5potitif ju roirfen. 1861—63 mofmte er
ben Gonferenaen Bei, auf roeldjen bie leitenben ÜJlintfter öon Saiern, 2Mrtem=
Berg unb Saufen gegenüber 5preufjen in öerfdjiebenen Sunbeireformfragen «Stellung
narjmen, unb im Sunbestage entfaltete er 1863 eine rege 2rjätigfeit als" fReferent,
namentlidj üBer ben Sarmftabt'fdjen Antrag bejügltd) bei 5ftationalöereini unb
für bie fcrjiegroig^otfteinfiije Sad)e. Sgl. 5pforbten'i „33otum über bie Srbfotge
in Sdjteiroig=£>olftein'' 08raunfd}toeig 1864). Stuf bem gürftentage in graut*
fürt ftanb er bem Äönig 5Dcar im Stubium ber fragen bei 23unbeired)ti bei
unb trat rjier jur SBabrung bei lefetern gegenüBer öfterreidjifdjen ^rojecten ent=
fcfjieben auf. Sluctj beteiligte er fidj im gebruar 1864 an ben Gonferenjen in
SBürjburg, auf roeldjen bie 5Dtittelftaaten otmmädjtige 33efdjlüffe für bai alteinige
9tedjt bei 33unbei in ber ^rage ber .^perjogtrjümer faxten. üDurdj bai gemein*
fame Vorgehen ber beutfdjen ©rofjmädjte in biefer Sadje erlitt bie burdj 5p.
öertretene 5politif ber "D3cittetftaaten öollcnbi bie größte 5ftieberlage. ©ennod)
gelang ei itjm, nadjbem er am 4. 2>ecember 1864 öom £önig Subroig II.
mieberum an bie Spitje bei 5Dcinifteriumi geftettt mar, eine geroiffe formelle
Einigung ber 5ücittelftaaten ]U Stanbe ju bringen, fobafj fie bie 5}lbftimmungen
im 23unbeitage betjerrfdjten. £)iei fcfjeint itjn ermuttjigt ju tjaben, aucf) Beim
^erannatjen beS 3eTtourfnine§ ättiifdjen 5preufsen unb Defterretct) eine befonbere
tRoUe für SSaiern aufjuberoarjren. 9Iui lebhaftem 5DHf$trauen gegen Oefterreidji
9lbftd)ten für £eutfd)tanb unb Sßaiern lehnte er im 5JJtai 1865 öon 23euft'i
93orfcr)lag aB, gemeinfam in 2Bien anjuratfjen, mit einem populären 5ptane jur
beutfdjen Reform 5preuf5en juoorjufommen; üielmefjr fjiett er, nadj ö. Äönneri^
33eridjt öom 12. $uni 1865, bie ^erftettung eines* Beftimmten üöerfjättniffei
Sd)teiroig=«£)otfteini ju ^reuften für Billig unb unbebenflidj. Sie Unterrebung,
roeldje 5p. am 23. $uli 1865 mit 5Bümard in SaljBurg üBer bie grage ber
Neutralität ber beutfdjen Sunbeiftaaten in einem &eöorfterjenben preuj3tfd>öfter=
reid)ifcf)en Kriege tjatte, fajjte er ali (Sintabung ^u einer Vermittlung auf, roai
fidj Batb ali Jäufdjung erroiei. 2lui ben öom fädjfifdjen 5JJtinifter ö. ^riefen
öeröffenttidjten 23erid)ten bei fädjfifdjen ©efanbten in SBien getjt rjeröor, bajj
5p. nodj im sIftär3 1866 ber Meinung mar, Cefterreidj fei potitifdj, mtlitärifdj
unb finanziell nidjt in ber Sage, einen folctjen Ärieg ^u führen, fonbern tl treffe
bie Vorbereitungen ba^u nur, um bie tJlittelftaaten öor^ufc^ieBen, fie im testen
SlugenBlirfe „fiben ju laffeu" unb ficr) auf beren Soften mit 5preu§en 3U öer=
ftänbigen. %\t (SinöerteiBung ber ^eijogtljümer in 5preuften rjielt er „immer
nod) für baS Sßeftc" unb meinte, §ranfrcirfj fjefee in Berlin jum Kriege, um
babei bie baierifd)e 5pfat3 ju ermerben. 2rc^ biefeg ©tanbpunftö erflärte er
im 3Jldrj 1866, ißaiern werbe ftd) jur grfüüung feiner S5unbe§pflid)ten am
Kriege an ber Seite DefterrridjS beteiligen muffen, lieber beffen 5lrmee äußerte
er aber fdjon mieber in einer 5Rote öom 4. 3lpril nad) ©reiben, biefelbe fönne
gegen bie preufjifdje nidjts au§rid)ten. 5p. entfd)lo§ ftdj nun ju einem 2}er=
mitt(ungsDorfd)tag, monad) ber 33unb in brei gto^e Gruppen geteilt merben
unb beren eine au§ Sübbeutfd)lanb unter baierifdjer Oberleitung unb mit bem
ßönig öon Saiern als SBunbeSfelbb^errn ftct)cn fottc. Seöor er jebod) mit biefem
35orfd)lage auftrat, tourbe berfelbe fc§on infolge bei öon 5Preufjen am Sunbe ge=
[teilten 9leformöorfd)tag§ unterbrüdt. Iber nod) auf ber Samberger Sonferenj
öom 13. unb 14. 5fl*ai 1866 tjiett 5p. an ber Sermittlungiibee feft unb am
17. «Diät riett) er nod)mali in SBicn jur SBcrftänbigung. S)aB ber roeftmäd)t=
700 5ßfurbten.
lid)c Sßorfdjlag, biefe burd) einen eurobäifdjen ßongrefj ju berfudjen, für roeldjen
man in granffurt 5p. bereits als Vertreter beei SBunbeä ins 5Jluge gefaxt Ijatte,
bon Defterreid) abgelehnt würbe, erbitterte 5p. fo feljr, baft er es am 7. 3funi
für roieber fraglid) bezeichnete, ob 58aiem fiefj in einen «ftrieg ju ©unften Dcfter»
retcfjö einladen bürfe. infolge biefes 5Utangels an fteftigfeit, über roeldje fidj
©raf 93cuft in feinem tjintertaffenen Sßerfe (I. ©. 425) närjer ausgelaffen t)at,
ift it)m, 3. 5B. in ber ©djrift „TJreiljerrn b. b. 4>fort>ten"s SBirfen unb 2öir=
fungen" borgetoorfen, nidjt zeitig unb genügenb für ben Ätieg geforgt ^u rjaben.
Bebor ber 58unbestag auf 58aierns Eintrag am 14. 3fum b\e 5Dtobilifirung gegen
5preufjen befdjtofj, hoffte Saufen, unb nad)b/r t)offte Defterreid) bergeblid) auf
mititärifd)e .<pülfe Baierns. jDiefes, erflärte 5JS., fönnc ©adjfen birect gar
nid)ts, inbirect nur burd) Slufftctlung eines Gorps bei Goburg nütjen. (Sine
golge babon mar ber 5Kbzug ber ©adjfen nadj Böhmen. 2>er fobann bon
baierifdjen 5Dtititars in 2Bien berabrebete 5ptan einer Bereinigung bes batertfetjen
^eereg mit bem öfterreid)ifd)cn in 33öl)tnen rourbe bon 5ß. roieber umgeroorfeu.
SBenn Defterreid) fid) 5preufjen gegenüber für ju fdjroad) Ijatte, fo fei, meinte
5p., gcrabe bies ein ©runb, fid) ü)tn nidjt anzufctitiefjen ; 23aiern roerbe fidj
Defterreid) nidjt unterorbnen, roeldjes immer glaube, über 33aiern roie über eine
5probinj beifügen «ju tonnen. 5!lud) bas burd) 33aron b. ^offmann gefteflte Ber=
langen, bie «fpälfte ber baierifdjen Srupbcu nadj Böljmen zu fcfjtcEen, rourbe bon
5p. mit bem Scmerfen abgelehnt, bafj bann bie anbere ^älfte bon ben 5preufjen
rourbe gefangen roerben. (91. ftreie treffe 9er. 7604 bom 29. October 1885;
gfr. ©djütj: „5!lus bem öeben bes 33aron b. £)offtnann. 5)cadj 3lufjeid)nungen
beffelben.") 33ielmef)r t)iett es 5p. für angemeffen, aus bem beborfterjenbeu ;,u=
fammenbrudjc in erfter £inie für Baiern befonberc 33ortt)eite zu ertjafdjen: S5cr
Umftanb, bafj 5p. bidjt bor ber Gntfdjeibung in ber beutfdjen ©adje einen fetb=
ftänbigen jübbeutfdjen Bunb unter Leitung Baicrns, mit eigenem 3otlberein
unb einer Bunbesarmee unter baierifdjem Oberbefehl nochmals erftrebte, erroedte
im übrigen ©übbeutfd)tanb lUifjtraueu unb trug jur ©djroädjuug ber ©cgner
5preujjens bei. 5Rad) beffen (Siege roarf 5p., roie b. £$ftiefe" berichtet, alle ©djulb
am Kriege auf b. Beuft, ber feine auf mititäriferje ©utadjteu geftü^ten Wü*
madjungen nidjt beachtet Ijabc. 5p. erfctjien nod) bor 3lbfd)(ufe ber 5präliminarien
mit -Defterreid) in 5ftifol§burg, um bie Beteiligung ber jübbeutfd)en Staaten
am SBaffenftiEftanb ju erroirfeu, rourbe aber abgeroiefen unb am 2. 9luguft jum
5}lbfct)tu^ für Saicrn jugclaffen. lieber eine abentcuerlid)e 5}ht, roie 5p. in <£>or)en=
fctjroangau bie 3u^immung bes i?önig§ jur Qinftellung ber ^einbfeligfeiten er=
langt ^abe, l)at 33. ©rtanger in bem 5Reuen SBienct lagebtatt berichtet. Bergt,
^ranff. ^tg. 170 bom 25. ^uni 1886. s.Uad)bcm 5p. ben 5rieben§= unb ben
geljeimen Sünbnifebertrag unterzeichnet, fucfjte er am 25. 5}luguft in ber aroeitert
Kammer nadjjuroeifen, baft it)m gelungen fei, berr)ältni^mä^ig günftige 33e=
bingungen ju erhalten. S)en ju 5)iifot§burg borgefetjeneu fübbeutfd)cn Sunb er=
Härte er für ein bon gnutiKid) aufgenötljigteä 5project, für tocldjrS in Süb=
beutfd)lanb roenig 5Reigung tjertfdje. 5Hm 29. 2)ecember 1866 trat 5p. au§ bem
5}lmt unb in§ 5pribatteben zuiüd. 3n ber balb barauf erfdjieneneu (Sdjrift über
fein 2Birfen rourbe il)tn eine (Stjarafterlofigfeit fd)ulb gegeben, beren 3^ge in
ber roanlelmütt)igen ^luffaffung bon 5Recfet§tt)eorien, in eilfertigem -gmfdjen nact)
Popularität, in Unfd)lüffigleit in entfdjeibenben 5?lugenbliden unb in plötjlidjem
reuebotten 6rfd)reden bor feinen eigenen 5Dcad)roerfen beftänben. Bluntfdjli er-
teilte über itjn: „er ift d)olerifd)=fanguimfd) ; er fpielt ben Staatsmann unb
läfjt fid) immer bon ben Söallungen unb Stößen feiner Seibcnfdjaft leiten, oc)ne
bie objeetiben Berrjältniffe ju erroägen." %n bie Oeffentlidjfeit trat 5p. nur
nodj burd) Verausgabe feiner „©tubien 3U Äaifer ^ubroigs oberbaierifdjem ©tabt=
«Pforx. 701
unb 2anbred)tM ($)cündien 1875). (Sr ftarb in peinlicher 33ereinfamung in
«Ölungen am 18. 21uguft 1880. 2Iuf leinen 2ßunfd) fprad) Sefan 23ud)rurfer
am 21. Stuguft in ber Seidjenrebe ntdtjt öon feiner öffentlichen 3H)ätigfeit. _£ie
giefrologe in ber treffe roaren einftimmig in ber 23erurtt)eitung feine« 2Ibiatl8
öom Liberalismus, feiner Haltung in ber beutfd)en fjrage unb feineä Mangels
an geftigfeit in entfdjeibenben Slugenbliden. Sie SBiener „Neue greie treffe"
(5739 u. 10) t)ob befonberS bat, öerbiente tragifd)e ©efdjid t)erbor, bafe $. baS
flagliäe 3erftieben be§ 3ietS feineS ganzen ©trebenS erlebt tjabe. - $. war
feit 181-4 bermät)lt mit Slbelgunbe «Btarr (geb. 1823), 2od)ter etnei 23anfterS
in 2eip3ig, mit tuetdjer er brei ©ör)ne unb eine 2od)ter tjatte, unb meldte am
22 3ult 1873 auf bem Söatjnrjof in SBeefen in ber ®<$toeia töbttid) oerungludte.
©renaboten 1849, 1 Sem., 53b. 1, ©. 201 („3). <ütin. b. b. $f."); -
©teqerS @rgän5.-33l. 3Bb. 4 (8p3- 1849>; — ©egenmart, 23b. 5 («P3. 18q0).
© 614- — $reuB. 23odjenbl. 1856, 9fr. 21 <„2). «Dein. r>. b. $?. u. b.
2. baier. Kammer"); 1859, 9tr. 50-52; 1860, 9er. 42, 45, 46; -Jpamb.
Dtacfir 1860 9tr. 77; — »Mrnb. Gorrefp. t>. 2Inf. 2Iprit 1860 („$. ^anjer
b ßtn. b. b. SB."); - $*eufc. 3at)ib. 1859 53b. 1, 1865 33b. 2; - Sätet.
2öc4enfd)r. 1862 23b. 2, ©. 567; - b. b. $?.'* SBhfen (^rauentelb
1867V __ S3iebermann, 23eitr. 3- ©efä- *>• Sfranff. $arl. u. fcittor. lafdjenb.
f 1877 © 137; — Revue des Deux mondes 1878, ©. 131; — 0. ^riefen,
(irinn. a. m. «eben (Srelb. 1880;; — 9Jcebing, «ötemoir. 23b 1 ©. 15J ; -
D. lodjmuS, gej. ©Triften, 23b. 3 (Spj. 1883); - Sluntl^tt Senfto. a.
m Seben, 23b. 2 (Körbt. 1884) ©. 112; — . 23iebermann, m. Seben u e.
©iüd ^eitgefeb. 23b. 1 (23reslau 1886) ©. 260, 275-298; - 2lus bret
©«telfaHunbexten. SBon fr. gerb, ©rat c SBeuft. 23b. 1 (©tattgatt 1887)
© 41 87, 141, 433, 455. — <£b. ©tepl)ani. (Sin 23eür. 3. 3"tge|d). öon
23oettcber '(2p3.'l887j über $. in ©adjfen u. auf b. SreSb. 60m.
<juClity co äötppermann.
töforr Antonius t». $., au§ einer 33reifadiifdien ^atricierfamilie (3Rone,
Seitfern: 13, 50. Cuettenfammlung 3, 256.) erlernt 1458 als getftt. ftatt)
|er og ©iegmunbS unb 1477 als $farrf)err 3u 6t Mortui in ^ttenburg.
Gr ift ber Ueberfefeer beS „23ud)eS ber 23eifpiete ber alten äüeifen (IjerauSg. f.
§oEanb, ©tuttg. 1860), toie baS 5tfro[tid)on aeigt.
Pfeiffer, ©ermania IX 226, X 145.
Ißforr: 3 0 bann ©eorg $., Tiermaler, geboren am 4. Januar : 1745
m Ulfen in Kiebert)effen, übte fid) früt) im 3eu$nen unb fefete bteS aud) Tort,
uadibem er »ergmann in bem 23ergroerfe 3* 9tid)etSborT geworben mar ®er
beff febe gmnifiet b. 2Sai^ mürbe auf ba§ Talent be§ lungen «KanneS auf»
m fam gemacht unb »Raffte i^m eine ©teile att «da an ber gafieler
$013 ttanmanufactur. S)iefe »ef*&?tigung fagte tt)m iebocto am bie Sauer n«J
3U meBDalb er fie naci) einigen Sauren amgab, 3u fernen gltern prudfe^rte
unb bann einen SBerttmlterpoften auf einem großen t)errfd)aTthdien ©ute uber=
«nL ÜII8 iebod) im X 1777 bie Safieter ^Dcalerafabemte errietet tourbe,
Ä\tift »e att, dl ©*«« borten unb «fit bereit, bei ber
? rften auSfteünng im % 1778 ben $tei3 lür ein Oetgemalbe, tobte üleb^nei
noxfteatr ®eiftbet Wettung im rotgenben ^at)re mürbe er als VM&A
Ser Semie aufgenommen. <Sr MW in daffet Steunb^att mit bem ©alerte,
in fnector Sodann ©einriß 2ifd)bein iun., beffen ©djtue,ter ^ot)anna er aud,
l^TriÄ, nähern er fd^on 1781 nad^ Sranfrurt a. TO. ubergefrebelt tr-ar-
»entfaltete in ber <Dcainftabt, aud) perföntid) fetjr angeferjen, eine reidje unb
anertannte 2t)ätigteit, bi§ er ben 9. 2Juni 1798 an einem Sungenleiben itaxb,
702 W°rt-
311 bem bie anftrengenben arbeiten in feinet Sergmannaeit bereits ben ©ritub
gelegt Ratten, ©ein ^orträt in nod) jungen Sauren (Profit) ift unä in einem
anonymen llmtißftid) erhalten; unten fterjt GEORG PFORK unb bet ©prud) :
©et)t tjier ben tfünftter ftatttid^ efjtenroeljrt, ber Slnfang bie SoUenbenbe geleljtt.
ÜJ}. matte mit Sorliebe ^ferbe, bie et auä bem ^unbamente fannte; jebod) aud)
anbete Xtjiete; überhaupt bitben bie £f)iere aud) ben £)auptgegenftanb feiner
öemälbe, roeldje mit Sanbfdjaftcn gehievt finb. ©ein Stufjm roar feinet 3«t
fo, baß man itjn ben beutfdjen Söouroerman nannte, .ipeut^utage attctbingS
urtfjeilt man fügtet, ty., tote bie Äünftler feinet 3^*. ftaf immet nod) in ben
£rabitionen bet Wiebertänber beä 17. ^arjttmnbcttS unb bei $. £>. 9tooä; überall
bilden biefe Ijerüor, fo baß feine Gilbet etroa§ Gonüentioneltes fjaben; befonbeti
finb feine compomtten ©adjeu baüon fef)t beeinflußt, roätjtenb et in anbetn
roieber metjt unbeeinflußt fein tüdjtigei 9taturftubium jeigen fonnte. 6t malte
in Del unb ©ouadje, jeicrjnete in ©epia unb Xufdje unb tabivte üerfdjiebene
glättet: Sine golge oon 16 Stoti 311 .püneräborf'i Anleitung Sampagnepfcrbe
abjutidjten (1792); bie öoi\\ügtid)ftcn v4>ferberaffen, 12 Statt, rooPon 5ß. fetbft
bei feinem £obe nut 11 PoÜenbet fjatte; ©tute bei bem auf bem Ütüdfeu liegen*
ben @fel; ^)alt eincä Steuer» im ©olbatencoftüm bei 17. 3tacjrljunbcrtö üor
einem 2anbroirtt)3t)aufc ( 178!» 1; bet Sßfttbeinartt. .£). 8d)% 3. ©. Steinljeimet,
,£>. %. ©djulj, ty. ©petf), ©ufemit)l, ©djroetjet unb 91. Sartfd) ftadjen nad) ifjm,
bet letzte eine fdjöne ^otge Oon 6 Statt: Ungarifdje, ruffifdje, fpanifdje, pol«
uiferje, engtifdje unb arabifdje Sßfetbe. $n fjfranffurt (©täbelfd)e§ 3fnftitut),
Sarmftabt, ^tannb.eim finb Silber oon 5ß. in ben ©aletien.
Sgl. übet biefen Äünftler (SJroinner, ilunft unb Äünftler in granffurt
a. m. 1862. 2Öilt). ©djmibt.
v^forr: 5tanj 5p.( 93tatet, ©otjn bei Zotigen, geboten am 7. Elpril 1788
in ^tanfjutt, ertjielt nod) üon feinem Sater bie etfte Einleitung 311m 3^tf)nen-
fam bann ISOl ju feinem Dtjeim lifdjbein nad) Gaffel unb im <£)erbfte 1805
auf bie Sßienet 3lfabemie ju Trüget. Set etroaä fpätev nad) 2Bten fommenbe
Düerbetf fdjloß einen engen greunbfdjaftibunb mit it)m, unb bie beiben jungen
9Jtalct, ju beten $teiä nod) 2. Söget aus 3ürid), 3. ÜJßintergerft aus SUroangen,
$. ©uttet au8 ßinj gehörten, fanben fid) nidjt Oon bet sJtid)tung 5üger§ be=
ftiebigt. Qtä fam jum Sructje unb bie 2lfabemie nötigte fie jum Elustritt.
2)a$ roar bie ©ebuttsftunbe bet neuen romantifdjen Malerei. s45?ott, Düetbed,
^jottinget unb Söget roanberten 1810 gemeinfam nad) Ütom. ßeiber fonnte $.
nut fuqe 3eit ^e" Soben bet eroigen Äunftftabt betteten ; fdjon in 3)eutfd)lanb
btuftleibcnb, mußte et im Tjtürjjaljte 1812 9tom Oetlaffen, um in Eltbano eine 6fete=
mildjeut ju gebtaudjen; jebod) beteitä am 16. ^uni be§ gleichen 3arJree vaff te itjn
bet 2ob roeg. Cl)ne ^roeifel Ijat bie tomantifdje ©d)ute an it)tn ein tjetüottagenbeä
2alent üetloten. (Sine 3lnjat)t oon ßompofitionen unb |)anb,}eidjnungen ließ
bet gtanffurtet «Üunftüetein in jroei heften etfd)einen (gtanffutt 1832, 1834,
1835; bei ©roinnet beö ßinjetnen befd)tieben). ^fott'S Celgemätbe, Dtubolf
Oon |>ab§butg. bet fein Stoß bem ^tieftet fdjenft, blieb unüotlenbet; ei bepnbet
fid) im ©täbelfcfjen 5Jlufeum. 3fn feinet ftüfjeften 3cit r)atte er fid) aud) im
Statoren üerfudjt. 9teber, ©efd)id)te bet neuetn beutfd)en ,^unft, 2. 2lufl., Sb. 1,
©. 263, uttljeilt üon unfetm Äünftlet: „3»n feltenet Söeife ein feinfüljtenbee,
teidjei Semütt) mit Älattjeit bet 2lnfd)auungcn üetbinbenb, babei feine fünftle*
tifdjen 3^ möglid)ft tjod) fe^enb, tjatte et bie (Sntroidlung Doetberfi motalifd)
roefentlid) gehoben unb ben fd)üd)ternen ©enoffen ^ur (Entfaltung unb (Erprobung
feiner Talente ermuttjigt. ©id) felbft nidjt leidjt genügenb unb atlei üielmeljr
ali Sorbereitung unb rocitere 2tuöbitbung feinei fünftlerifdjen Sermbgeni be=
tradjtenb, befdjränfte er fid) faft ganj auf ©fi^jen unb ßompofttionen. — 9tid)t
5ßfotettf)auer. 703
fo eng in feinem ftofflidjen ^orijont, toie fein Berühmter greunb, übertraf er
biefen aucrj an 9teid)trjum feiner $r)antafie, toie benn aucfi bie Anregung jur
©ruppe DberbetfS „^talia unb ©ermania" bon einer fctjon 1808 in SBien ent=
ftanbenen 3eidmung pforr'S ausging." 2Bilrj. ©djmibt.
^fotCHÖaucr: (Srnft $ rieb rieb, ty., ftedjtlgetefrtter , geb. am 1. 3uni
1771 3U Setikfdj bei Seipjig als ältefter ©ofjn bon adjt ßinbern beS bamaligen
borttgen SanbricrjterS, fpäteren 2lmt£infpector§ s$. in äöermSborf. 9tasf> tüchtiger
Vorbitbung in 9ßforta bejog er 5ftid)aeli 1789 bie llniberfttät Wittenberg, be=
ftanb t)ier 1792 fein examen pro cand. et praxi, tjielt 7. Januar 1793 feine
erfte afabemifcfje 2)orlefung über rbmifcrje ^nteftaterbfotge unb bertfjeibigte 1795
feine Sioctorbiffertation „De judiciis, a quibus et ad quae provocare licet in
terris Electori Saxon. subjectis". 91ad) fur<jer ^rajiS als «IpofgeridjtS* unb
Gonfiftorialabbocat tourbe er 1797 aufjerorbentticrjer ^rofeffor unb aufjerorbent=
lieber Seifiger ber ^uriftenfacultät, rücfte 1800 in eine orbenttidje 33eifi|erftette
auf, tourbe 1802 orbentlictjer 5)ßrofeffor, 1803 £of geriet) tSratt) unb Slffeffor be§
©d)öppenftut)t§. 3ui°*9e oer häufigen ©urc^märfetje franjöfifd^er Gruppen unb
2Bieberf)erfteltung ber Söittenberger geftungStoerfe im ^. 1812 fetjaffte er feine
gamilie nad) SBermSborf, toäljrenb er felbft, nadj DZieberbrennung ber Sßorfiäbte,
mit mehreren Gottegen (Alien, Stnbreä, ©rünbler, ©crjtnibt) 1813 fid} nad)
ßemberg, bann nad) bem abfettS ber -Ipeerftrafje gelegenen ©djmiebeberg 3urüd>
30g. <g)ier fammette fid) unter feinem Ütectorat ein novemviratus academicus
unb eine Slnjarjl ©tubenten. %m Dctober 1815 folgte er einer 2Iufforberung
be§ preufjifd)en ©oubernementö in ^erfeburg jur Uebernarjme be§ 2)irectorium§
eines interimi[nfd)en GotlegiumS für bie ^uftijfac^en ber neuen ^roöinj, ging
aber im 2lpril 1816 als ^rofeffor nad) ^aHe, auS toeldjer ©tellung er 1825
auSfdjieb, um fidj fortan ber Bearbeitung ber 3at)treic^en ©prudjfactjen beS
©djöppenftufjtS ju wibmen, in toetdjer 9tid}tung er, öermöge feiner auSgebefmten
©eletjrfamfeit unb feines eifernen, rafttofen gteifjeS, IjerborragenbeS leiftete. Ilad)
bem Sobe 3eperni(fS (1839) tourbe er ©irector beS ©d)öppenftut)lS , erhielt
1841 in Stnerfennung feiner geleifteten Sienfte baS patent als geheimer
^uftiaratlj, tourbe am 7. Januar 1843 bon bieten ©eiten burdj ©lürftoünfdje
unb Deputationen geehrt unb berftarb an einer 9Jtagen= unb ßungenbertjärtung
am 23. Sluguft 1843. 911S afabemifdjer Server ffatte er über ftatur* unb
Sßölf erregt, fäd)fifd)eS Staatsrecht, Snftitutionen, ^anbecten, gemeinen unb
preufeifetjen ^rocefj, 9teferir= unb Secretirfunft, fotoie über preufjifctjeS Sanbredjt
bi§ in bie lebten ^arjre mit großem Erfolge (Sottegien gehalten. S3on feinen
bieten ©Triften ift namenttid} tjerboraurjeben feine burd) eine neue toiffenfd&aft*
lierje Slnorbnung ausgezeichnete „Doctrina processus cum germanici tum saxonici"
1795 — 1797, 3 23änbe mit ©upptementen, in 2. Ausgabe bon Siebemann,
Öeipjig 1826—1827, rjerauggegeben. 2tt§ g?ortfe£ung fd^tieBt fid^ tjieran bie
„^tb^anbtung über ba§ geric^tlidie Seriab.ven in ©adjen, toeld^e ben neueften
SSefi^ betreffen", ^eipjig 1797. Vloä) feien genannt baä „^anbbud^ ber bon
1770 bi§ auf bie neuefte Seit im ßönigreid) ©ad)fen erfcfjienenen ßriminal--
gefe^e", SBittenberg 1811, unb bie ©djrift: „S)ie ©traf barfeit ber öffentlichen
Verbrennung ber S)rudfd)riften 2lnberer unb bie 3uläffigfeit ber SBiberflage bei
bem 2)enunciation§= unb llnterfud)ung§proceffe", ^aüe 1819. — ^3. liebte bie
SBarjrrjeit unb Offenheit über alle§ unb freute fid] nitf)t, bie§ offen 3U befennen.
©ein 2Bar)lfprud) toar: Tu ne cedo malis, sed contra audacior ito; in ber
2Bal)l bon ftreunben tie^ er fid^ bureb ben ©afe leiten: Diu cogita, an tibi
aliquis in amicitiam reeipiendus sit; cum placuerit fieri, toto illum pectore
admitte.
704 oranger — ^friemb.
9lacr) ber 33iograpf)ie be3 ©ot)ne£ (Sb. 'ißfotenrjauer , langjährigen *ßro=
feffor§ beä ©ttafred)tS in Sern (geb. 18. ©ept. 1802) in ber (Jncbftopäbic
bon @rfd) u. ©ruber, III. ©ection, £t)eil 21, Seipaig 1846.
£eid)mann.
^frOltgcr: ^oljann ©eorg % mar am 5. 2luguft 1745 ju Jpitbburg»
tjaufen geboren. s.)cad)bem er in 3ena Geologie ftubirt fjatte, mürbe itjm ba§
Pfarramt in bem unmeit feiner 3iaterftabt gelegenen Sorte ©treffentjaufen über=
tragen. ©ct)on 1777 aber berief itjn ber ^er^og Äarl bon ©ad)fen=9Jceiningcn,
roeldjem er alö Äanjelrebncr unb ©d)riftftcller — 1772 bereits mar ein Setjr*
gebidjt: „bie 33orfefjung" öon iljm erfdjienen — befannt geroorben mar, ju
feinem £)oiprebigcr in bie JRefibenjftabt "Uceiningen. ©päter aud) jum Gon=
fiftorialaffeffor ernannt ftarb er am 10. ^uli 1790, toou feinem gürftenrjauä
mie bon feiner ©emeinbe in gleidjem ©rabe gefd)ät;t unb geliebt. 2öie er fid)
aber im engern Greife burdj feine SBirffamfeit als "ßrebiger unb ©eelforger bie
aEgemeinfte v.Jld)tung ermorben tjatte, fo berbieut fein Warne aud) in ber ©e=
fdjidjte ber geiftigen 53eroegung ber lefcten ^atjrjetinte beä oorigen 3fat)rrjuuberte
genannt ju merben. otnar fein oben erroät)nteä ^etjrgebidjt unb feine 1794 in
ätoei rafd) aufeinanber folgenben Auflagen tjerauggegebeneu bermifdjten ©ebidjte
ergeben fict) nicfjt fefjr über bas> ©emötjnlidje unb ftnb mofjt aud) tautn meit
über bie ©renken feines engern SBaterlanbeä öerbreitet morben. (Sbenfo fann
t)ier nur borübergerjenb feiner üttjätigteit bei ber Ütebaction eines neuen ©efang=
bucfcjeö gebadjt merben, roeldje itjm bon feinem dürften übertragen morben mar.
9tidjt nur formte er eine grofje 9lnjat)l älterer jfirdjenlieber nad) bem bamatigen
geitgefdjmade um, fonbem fteuerte aud) felbft gebidjtete reidjlid) bei, bie, menn
aud) juroeilen etroag troefen unb nüchtern, bod) oft aud) burd) eine rjeralidjc unb
gemütfjreidje fteligiofttät anfpredjen. 3}iel bebeutenber aber mürbe ty. burd) ben
©egenfatj, in melden er ju ©. 6. ßeffing ^u treten magte. %m 3. 1779 mar
beffen 9catf)an erfctjienen , in roeldjem ty. fo wie mandje anbere bie ci)riftlid)e
Religion in itjrer (Jljre beeinträchtigt fat). @r bidjtete batjer in bramatifcfjer
gorm feinen „Oitöud) oom Libanon" alä ©egenftürf, ober, mie er eä felbft be=
äeidjnet, als 9tad)trag unb gortfetjung be§ Dtattjan. ©an^ richtig fpridjt fidj
ein geiftbotler Ärititer ber neuern 3eit über ^franger'S 2)id)tung, an beren 2Iuf=
fütjrung übrigens bon bem 2)id)ter felbft nicfjt im entfernteren gebadet mürbe,
fotgenbermafjen auS: „@S mar ein fd)mierigeS ilnternerjmen, einem ©eifte mie
ßeffing mit einem ©egenbilb bon djriftlict) firdjlidjem ©tanbpunft entgegen=
5utreten, unb bie ©djroierigfeit mürbe in bem oortiegenben f^atl nod) baburd)
bergrö^ert, ba^ ty. e§ bor^og, ba§ bon ßeffing fo großartig entmorfene ©emälbe
meiter au^ufüljren , ftatt bemfelbcn ein boltftänbig neue§ gegenüber ju fteEen.
@^ fann fein 3tüeif d fein, auf roeldjer ©eite ber größere ©eift ober audj nur
ba£ größere bramatifdje ©efdjicf ift. ftur ba^ man fid) bon ber augenfälligen
Uebertegenr)eit beg ßeffingifdtjen ©eniu§ nid)t bi§ ju bem ©rabe tjinreifeen laffc,
um barüber gegen feinen ©egner unbillig ^u merben. ^3franger'§ 2)rama ent=
f)ält biele tief gebadjte unb geiftreidje ©teilen unb madjt burd) bie lieben§=
mürbige ^Jcilbe ber ©efinnung , meld)e fid) burd) baffelbe t)inburd)3ier)t , einen
burdjauä motjüb^uenben ©inbrud." S)er 9Jtönd) bom Sibanon erfdjien in ®effau
1782, bie 2. Stuflage 1785, bie 3. in Seipjig bei Sartt) 1817 mit einer 93or=
rebe bon Sofj. 2lmab. äöenbt. ©djaubadj.
^friemb: ^ofepb, $. , ^efuit, geb. am 21. Wai 1711, i nad) 1771.
6r trat am 14. $uli 1732 in ben Crben ein, mar 1748—49 *Profeffor ber
Strjif unb ^3fjl)fif 5U >))caina, 1750—61 ^rofeffor ber Geologie ju Bamberg,
bann Ütector beS 6oHegium§ ju ©petjer, bon 1771 an Sßrofeffor ber 2f)eologie
$fuel. 705
ju #ulba. 3U s2ftatnä t»eröffentüd£)te et juetft eine 2)iffettatton : „Unde terrae
motus, quibus urbs Lima in America australi a. 1746 prope eversa fuit, ortuin
ducant", 1749, bann eine Streitfcbtüt gegen ben 33enebictinet 9lnbtea6 ©otbon
in (Srfurt, beffen 5polemi£ gegen bie fd)olafiijd)e öogif unb $bt)fif bamalä 2luf=
feljen enegte. (Sotbon tptte 1745 unb 1747 jtoei alabemifdje :Jieben gehalten übet
bie Themata : Pbilosophiam novam veteri praeferendam unb Pbilosopbiam novam
utilitatis erga amplectendam et scholasticara philosopbiam futilitatis causa
eliminandam. dagegen ttaten btei ^efuiten auf, Sucas DpU'tmann ^u Stfutt
(f. 21. S. S. XXIV, 367 , feine Schrift routbe am 7. ^ebtuat 1749 öon
5Rector unb Senat betboten), $eter (Sifenttaut ^u SBüt^butg unb ty. in bet
„ Apologia qua errores R. P. Andreae Gordon contra pbilosophiam scbolasticam
in duplici schediasmate commissi proponuntur et vindiciis petitis contütantur".
Sorbon liefj fie mit feinen Sieben unb einet Entgegnung abbtucfen in ben
Varia pbilosophiae mutationem spectantia, 1749. Iß. antwortete in bet
„Dissertatio irenica contra Grordonum", 1750. — 3u Samberg öeröffentlid^te ty.
„Reflexiones politicae, historicae et morales catechismo Canisii adjectae", 1753,
unb „Consuetudines patriae Bambergenses de conjugali bonorum ac praecipue
prolium unione", 1761. 2)iefe Schrift routbe öon bem gürfibijcfjof 2lbam
^tiebtid) öon Seinsbeim übet genommen unb fcheint feine dntietnung oon
Samberg oetantafct ju haben. Spatet ctfchjen noch, ju Sambetg eine „Disser-
tatio de festivitatibus Hebraeorum", 1765.
Satfet öetjeidmet irrig jmei (gleichzeitige) ^efuiten biefeä ftamenä unb
gi6t als ©eburtsort be§ einen (nach, teufet, £erifon X, 408) Sßiefenttjeib in
^raufen, beä anbetn (nacb, $M , ^anttjeon S. 862) £>eubacb, an. Uebet
ben (Stfutter Streit f. Acta Erud. 1749, 143, 438. — ^rerje Urteile unb
ttacht. (.pambutg) 1749, St. 23, S. 183. — $en. ©et. 3tg. 1750,
St. 46, 76. — >meufet, Serifon IV, 289. — Söetnct, ©efch. bet fatb.
It)coi. ©. 163. gteufcb.
^fucl: (Stnfi Jp ein tief) 2lbotf ö. $. , preufjifdjet ©enetat bet 3nran=
terie, 'JJlinifterptäfibent unb Ätieg3minifter , geb. am 3. Jlooembet 1779 ju
^ahnsfetbe bei Dcündjebetg im Steife 2ebuä be§ preufjifcfjen ^Regierungsbezirk
g-tanffutt a. b. £>., ftammte au§ einet utalien gamitie bet 'ülatf Stanbenburg,
toelctje int Sanbe Sebui unb Samim angefeffen ift. 25er Sätet Scnft Öubrotg
D. $. (geb. am 1. sJftai 1718), ©tbbett aur ^atjnsielbe, t)atte in ben fcblefifcben
Stiegen mit 2tus^eicJ)nung geformten unb 1779 als Dbetftlieutenant im pteuBifcfyen
Äütaffietregiment 9tr. 6 roegen Setfagung be§ |)eitatb§confenfes ben Mbfcbieb
genommen. Gut lebte feitbem auf bem ©ute, roatb abet 1784 Don gworid}
bem (Stoßen jum .£>ofmatfcf)all be§ bamaligen ^tin^en öon ^teufjen unö fpätet
öon biefem (al§ Äönig gftiebtidi) SGßitfjetm II.) 311m ©eneralmajor bet ßaöattetie
unb Stjef bet 2. 'iCbttjeitung bes Dberftiegscollegs ernannt. @t [tatb am
22. 3uti 1789. Sie s33cuttet S^^anna Sopbie, geb. Jhanfe, mar bie fochtet
eines ftegimentedjitutgs unb [tatb fchon 1783. *ß. genoß ben etften Untetrtcht
im elterlichen £aufe; ba aber bet Sätet bienfilict) Dielracb, in s$otsbam auroefenb
fein mufjte, routbe et nebft bem jüngeren Stuber gtiebtidj ,jum ^ofratb, Seud)et
in Setiin in ^enfion gegeben, öon roo et bie Ürealfcfjule befucbte. ^ad) bcg
Satetö lobe übernabm Stiminattatb Sc^eebe, bann ^ufttjtatb ©tattenauet,
fpätet auf Sitten bet Knaben ^>evt ö. Srieft auf sJtennbaufen bie Sotmunb=
fcbaft. 3ll§ fy. in bet ftealfcbute bie sJleife für Secunba etbatten blatte, mutbe
et 1792 in bas 6abettencotp§ in Setiin aufgenommen. .£)iet gebötte et balb ju ben
Sejäbigteten, meldte 1793 in bk Ecole militaire übergeben burften. sDtacb ber
ßnttaffung au§ biefet Slnftatt toutbe et am 12. 9ttätj 1797 al§ Ofäbntid) in
2lflgem. beutiefie Siograpöte. XXV. 45
706 *fuel-
baS Sfniantenercgtment 9tr. 18 nad) *)}otSbam berfetjt, beffen 6f)ef ber König
mar. |ner war er, neben ben ü£)ienftobticgent)eiten, eifrig beftrebt, ben llebungen
int Seiten, ©djroimmen unb klettern bei Offtcicien unb 9Jiannfdjaften Eingang
ju öerfdjaffen. 9tad)bcm er aber fid) lebtjaft für ptjilofopfjifctje unb matt)e=
matifdje ©tubien ju intereffiren begonnen , geroätjrte it)m baS mectjanifdje ©e=
treibe beS praftifetjen 2>ienfteS feine Vefriebtgung met)r, fo bafj er im fjfrürjjaljr
1803 um Abfdjieb bat. 9tad)bcm biefer mehrmals abgelehnt mar, begab er fid)
in Urlaub nad) 2)reSben ju bem ttjm feit 1801 befreunbeten ^einrieb, b. Kteift.
,£>ier erljielt er burd) einflufjreidje Verroenbung tjotjer ©önner am 18. $uni 1803
ben Slbfdjieb als ©econbelieutenant. 33atb barauf unternahm er mit steift eine
9ieife, meift ju fjfujj, nad) ber ©djroei,). ©ie meilten längere 3eit w 23ern unb
am ü£t)uner ©ce, befudjten Iftailanb unb SSenebig, ©enf unb Srjon unb mieteten
bann eine gemeinfame Söotjnung in $ariS, mo fie SJorlefungen bei ßuöier u. 31.
tjörten. 3ludj nad)bem ffleijt'g beginnenbe ©eifteeftörung 311 einer Trennung ber
greunbc geführt t)atte, fetfte 5p. bie ©tubien in *J3ariS fort. 2)ie ßrtjebung einer
Keinen Krbfctjaft madjte feine 3lnrocfent)eit in ber £eimat nöttjig nnb tjier be=
ftimmten ttjn bie Angehörigen junt Söiebereintritt in ben 'DJtüttärbienft. ©eine
beStjalbige Sitte mürbe am 11. 3lprit 1805 burd) Verfetmng in baS ju
SotjanniSburg in Dftpreujjen Itegeubc ^üfitierbataitton sJtr. 23 erfüllt. 3IIS bie
oftpreufjifdjen Gruppen im |)erbft 1800 an ber Söeidjfel äufammenge^ogen
tourben, mürbe s$. als Slbjutant bem ©enerat unb 'SiöiftonScommanbeur ©rafen
ö. ©djmettau augcttjeilt. 3ln beffen ©eite befanb er fid) in ber ©djladjt öon
3Iuerftäbt. Von tjier mit ben Krümmern beS Speeres jurüdjieljenb , mürbe er
nad) ©tettin öorauSgefanbt, bon mo er für ben ^.Uan einer (Sinfdjiffung beS
S3lüd)er'fd)en Korps in Üioftod tljätig mar. @S fam jebod) nid)t t)ier<m unb fo
geriet!) er burd) bie Kapitulation öon 9tatfau bei £übetf mit in ©efangenfdjaft,
aus ber er jebod) gegen Kfjrcnroort, in biefem Kriege nidjt roieber gegen fyranf=
reid) ^u Eämpfen, enttaffeu mürbe. %n ber Hoffnung, buref) 3luSroed)felung feinem
^Berufe balb miebergegeben 3U merben, fdjiffte er fid) im ©ommer 1806 in ßübed
nad) Dftpreufjen ein, tonnte bort aber ben Söunfd) nid)t geltenb madjen. 3n
ber Hoffnung, biefeS 3iet öielteidjt burd) bie in ber ÜJlavf unb ©djtefien auf=
getaudjten fJreicorp§ 311 erreichen, begab er fid) öon Königsberg mit Jq. ö. Kleift
äu Öufj über ©tettin junädjft nad) Berlin. 2Bät)renb tjier Kleift als öerbäd)tig
bertjaftet unb nad) g^onfreid) gefdjidt mürbe, entging S}L gleichem ©d)irffal burd)
einen Vefud) in Wcuntjaufen. S)ie Vertjältniffe in ber Jpeimat ermiefen fid) un*
günfttg unb fo begab er fid) roieber öon ßübed ju ©d)iff nad) Königsberg unb
fcljtojj fid) ber öon «JJtcmel unb tyiVLau nad) Vorpommern unb 3tügen beftimmten
©rpebition an. SJiefe lanbete tjier, aber ba ber triebe öon 2ilfit jebe 9IuSfid)t
auf friegerifdje 5Lt)ätigfeit abfdjnitt, fo bat er roieber um (Jntlaffung, bie it)m
am 8. October 1807 ju Xtfcil rourbe. S)urd) Vermittlung bc§ itjm öon ber
©arnifon in ^otöbam r)er befreunbeten roeimarfdjen ^tajorS 9tüt)le öon Milien*
ftern erhielt ^. in Bresben Slnfteüung aU l^erjrer in ben KriegSroiffenfdjaften
für ben ^rinjen 33erntjarb bon SBeimar. ^n Bresben ftanb er in Verfetjr mit
bebeutenben Männern, roeld)e öon bem 2Bunfdje nad) Befreiung nad) Vaterlanbes
bereinigt mürben. silud) fanb fid) ber au§ ber ©efangenfdjaft cntloffcrie
.^>. d. Kleift t)ier ein. 9Jcit ir)m unb 3Ibam 9Jcütter plante er bie ©rünbung
einer 23erlag§bud)t)anblung unb bie Verausgabe eines Kunft Journals „s^t)öbus".
2lud) gemann er tjier gtofjen @inflii§ auf ben adjtjctjnjätirigen 5:tjeobor Körner,
^m ifrüt)jat)r 1808 öertjeirat^ete fid) $. mit einer £od)ter beS ©eneralS
b. SBtjem. Sluf Slnerbieten beS itjm in Bresben befreunbet geroorbenen fur=
t)effifd)en 3Jlajor8 ©rafen Karl b. «Roftij trat er ben 13. ma\ 1809 als gfüjrer
einer Kompagnie in bie öon jenem im gürftentljum SSaireutb, für ben öfter*
5ßf»el. 707
reidnfdjen ©ienft gebilbete fog. fränfifcfje Segion unter ©enerat Ütabojoritfdj, mit
metd)er_ er an unbebeutenben ÖJefed^ten bei ßger unb in Saufen Srjeil naf)m.
$n Auftrag begab er jidj nact) 2Bien, um über ben bortigen Staub ber 2)inge
3U berieten, entging fjier aber nur burd) glüdlicb> ^ufälligfeiten ber (gefangen*
natjrne feitenä ber batb barauf eingerücften franjöfifdjen Gruppen unb gelangte
nur auf großem llmmege nad) 33öb,men jurüc!. 9tad) bem Sßiener ^rieben Dom
Cctober 1809 tarn ^J3. al§ Hauptmann in SSrij hn £epli£ in ©arnifon unb
braute in Urlaub an tetjterm Orte längere Qext ju, mo er mit bem ^erjog
bon Sßeimar unb ©oetrje t»etEet)rte. 9tad) Stuflöfung ber Segion mürbe $. im
(September 1810 in ba§ öfterreidjifdje Infanterieregiment Sr^eraog Rainer
nad) ^ßrag berfetjt. .frier fudjte er ba§ ©införmige be§ 2)ienfte§ baburd) ^u be=
leben, bafj er bei Cfficieren unb 9Jlannfd)aften ba§ ^ntereffe für grjmnaftijcrje
Hebungen, namentlich für ba§ Scfjmimmen, ju ermeden mujjte. SBie er felbft
im SDecember 1811 bei feiner Verfe^ung nact) SBien fctjrieb, natjm bie bon ir)m
in ^ßrag gegtünbete Sdrtoimmanftalt ben glänjenbften 3Iuffd)roung. 6r gab
möcrjentltd) ^mei grofje $robuctionen, mobei er 150 Sdjmimmer manöbriren liefj.
2)em £)offrieg$ratt) fanbte er ein ^roject ein, monad) er im folgenben Sommer
30 000 Sdjmimmer abridjten motte. 3n Ißrag mac s$. in intime Ve^ietjungen
•ju bem im Suni 1810 bortfjin übergefiebelten ^reirjerrn 0. Stein gefommen.
$nt ^cobember 1811 mürbe er beim Kriegs ard)iö in SBien unter Seitung
9tabetjfy§ angeftettt. @r fdjrieb tjier mehrere Sluffätje in <£)ormat)r§ r)ifto=
xifdjeS ütafdjenbudj unb berferjrte mit ütljeobor Körner , ber fjier feine
litter arifdjen arbeiten üeröffentlicrjen wollte. Von Söien au§ blieb $. in Ve=
Verjüngen pm greifjerrn b- Stein unb liefj fid) im Mai 1812 mit einer Ve«
ftimmung für bie Sdjmimmanftalt nad) ^rag jjurüdöerfeijen , um mit Stein
närjere Verabrebungen inbetreff ber Vorbereitungen jur Srrjebung gegen bie
grembrjenfd)ait 3U treffen. $. roünfdjte, um balb gegen biefe fämpren $u
!önnen, bem Veifpiel öieler preufjifdjer Dfficiere ju folgen, metdje infolge be§
preufeifd)--franäöftfd)en Vertrags oom 24. Februar 1812 ju biefem 3mecf S)ienfte
in 9hifjlanb nahmen. Dtacrjbem er am 28. $uti 1812 ben öfterreidjifdjen Sienft
öerlaffen, gelang e§ irjm, nad) mandjerlei abenteuern über Slltona, $openfmgen
unb darläfjam in Sdjmeben, oon tjier auf einem Vombenjdjiff ber engtifdjen
glotte nad) 9tiga ju fommen. 3n Petersburg überreichte er bem gretfjenn
b. Stein einen ausführlichen Seridjt über bie politifd^en Serrjältniffe in öielen
fetten S)eutfd)tanb§. 3lm 9. September trat er in ba§ ruffifctje |>eer unb
3toar unter bem tarnen 0. ©ierjlSborf, um nidjt mit bem in Ungnabe gefallenen
©eneral b. $p§utt üerroecrjfelt ju merben. Sd}on am 9. Dctober al§ ßapitän
in ber beutfctjen Segion im Auftrag be§ ÄaiferS an gelbmarfdiatt .ß'utuforo ge=
fanbt, erretctjte er beffen Slrmee bei ^aluga unb blieb roärjrenb be§ ganzen 3elb=
jug§ bon 1812 im grcjjen Hauptquartier. @r teilte bie großen SSefdjmerben
be§ ruffifd^en §eeve§f eutging in ber Sdjlacfjt Oon 53calo^aro§Iamec3 am
24. Cctober mit 5tottj ber franäbfifdjen ©efangenfd^aft, marfdjirte mit ber
Slrmee über ÄremenSfoie unb ^elnia, rootjnte am 16. unb 17. 9coüember ben
©efed)ten Oon ^rasnoi 'bti unb gelangte über 9tomanoroo unb Äoprjl am
S)njepr an ber Spi^e ber Gruppen am 10. üDecember nad^ 2Bilna. (Sine bon
ifjm fogleicr) ^ier üerfa|te 2)enffd)rift über bie ÄiiegSereigniffe mar bie erfte
glaubhafte 2Rittl)eilung bon ruffifcrjer Seite unb berfolgte jugleid^ ben 3roecf,
bie Vernichtung ber fran,$öfifdjen 3Irmee bei Sortierung be§ Kriegs für Äaifer
2ilej;anber fo <jur tiollen ®eroi§l)eit ju madjen, bafj bie ©v^ebung be§ beutfdjen
VoIfS immer mar)rfd)einlid)er mürbe. @r überreichte bie S)enffcl)rift bem in
Söilna eingetroffenen ^rei^errn b. Stein , burd) meldten fte ber (Jjar erhielt.
4--> *
708 ?f«tl-
tiefer liefj itjm am 28. ©ecember, unter 33eförberung jum ^Rcjor im ©eneval=
ftabe ö. 93enuigfen'ä, als ^eicfjen feiner ^ulb einen SStittanittng überfenben.
3n SÖitua fcfyrteb er aud) „Beiträge jur ©efdjidjte beS leüten rujfifd)=iianiö[ifct)en
Kriege", moöon jcbodj nur .g>eft 1, enttjattenb ben föücfjug ber ^ranjofen bis
3um Giemen, erfcrjien (33erlin 1814). ©obann bem ©treifcorpS feine? 2fTeunbe3
Settenborn als ßtjef be§ ©eneralftabS äugetrjeilt, burdjeilte er an ber ©pitje eineS
ÄofafencorpS bie öftlidjen ^hoöinjen ^reufjenS, mar am 20. gebruar 1813 bei bem
Angriff auf 23erliu trjätig, mo er mit ben tftofafen burd) ba§ ©djöntjaufer Ütjor
einbvang, unb befetjte bann mit bem ütettenborn'jdjen Corps Hamburg (s43cr^( ßeben
©tein'S, II, ©. 659), mo er, am 24. ?lpril juni Dberfttteutenant beförbert, einen
Auftrag be]üglidj ber 33efe|"ttgung Hamburgs unb ber 33ilbung einer tjanfeatifcfjen
Segion ertjielt; jebod) Hamburg mürbe balb aufgegeben. $n einer Couferenj
mit SBaEmoben unb Claufcnntj Por bem ©efecfjt an ber ©ötjrbe mürben bie
Vorzüge öon $fuefS 5)iSpofitionen anerfannt unb in biefem ©efedjt Pont
16. ©epteniber führte er bie tuffifd)=beutfd)e Segion. 9lm 15. Dctober mar er
beim Angriff auf ^Bremen. 9caci)bem er mit £ettcnborn,S Corps bis ^ütlanb
öovgebrungen mar, macrjte er audj befftn rafetjen 3U9 bou ba nad) ^ranfreid)
mit, unb jroar als Cberft unb 311m erften 'ütale mieber unter feinem eigenen
Wanten, $m 2BinterfeIb(\uge öon 1814 mürbe ein franjöfifdjeS Corps bei
(5ljateau=Xt)tevxt) unb SDormauS unter ^fuel'S 3?üc)rung geworfen uuö am
21. ÜJtärj fdjlug er, Cperuai befeüenb, ben ©eneral Vincent. Otad) bem .Kriege
traf er in £ßatüi mieber mit ©tein pfammen, ber fid) in öieten roidjtigeu fragen
feines ütattjS bebiente. £aS anerbieten jum Eintritt in bie ruffifdje Sltmee
ablerjnenb, trat er als SefcrjtStjaber eines Regiments in bie ruffifd) beutfdje
i'egion ^urüdf, erhielt ben rufftfdjeu 9tnnenorben 2. Stoffe in -Brillanten unb
üom Äönig Pon *pveufjen am 28. 2)ecember 1814 ben Drben pour le merite.
hierauf im prcufeifiijeu ftme mieber angefteUt, mürbe er in ben ©eneralftab
33lüd)er'S naef) fiüttidj üerfetjt, mo er am 2. s]Jcai 1815 ben Slufftanb beS fäd)=
fifd)en Corps untcrbvütfte. 21 IS baS franjöfifcfje $eex jurn CntfdjeibungSfampf
tjeranrüdte, mürbe er mit ber 2)Mbung tjieröon an SBeHington nadj Trüffel
gefanbt unb am 18. 3»uui mürbe er nadj fttifdjemont öorauSgefdjidt, um genaue
.Uunbfdjaft über baS ttan^öfifdtie ,§eer einjujietjen. S)ie Cntfdjloffeutjeit unb
Umfidjt, tuetdje er in ber ©cfjladjt öon SÖatcrloo unb bei ber Verfolgung beS
geinbeS gezeigt, fanb 53lüd)er'S unb ©neifenau'S t)öd)fte 2luerfennung; ber H?önig
öerlict) itjm baS eifeme j?reu^ 2. Claffe. 2)ie Pon Studier am 19. %m\\ auö
(>>cnappeS erlaffene ^roetamation an bau ^>eer ber sJticbeitt)eins ift Pon ty. üer=
fa^t. 9118 23lüd)er unb 2öeEington ben ©eneral p. ^Jcüffling ^um ©ouüerueuv
öon ^ariö ernannt tjatten, rourbc bie ©tabt in jtoei burc^ bie ©eine getrennte
33ejirfe geteilt , in beren einem ber engtifdje Dberft 33arnarb , im anbern $.
Commanbant murbc. ©eine 2Bot)nung im <£)otct Safitte mürbe ber ©ammetplatj
ber bebeutenbften ^erfonen biefer 3e^- Cr benu^te biefe ©tettung u. a. 3ur
Stuöräumung beö 3lrtiHerieniufeum§ unb ^ur 3ul-'üdnarjme ber entführten .Viun|t=
gegenftänbe au* ben 5)lufeen. 5Jcit großer 6ntfd)iebent)eit trat er in s#artS
gegen bie burd) Singriffe auf preufjifdje Patrouillen Peranlajjten ©trafeenaufläufe
auf. yiad) bem ^rieben ertjielt er als Se^rer bei ber $riegefd)ute in 23erlin
eine irjm fet)r jufagenbe iBefcijäftigung. 6r öeröffentlidjte eine überfic^tlidje S)ar=
ftellung ber gelb^üge ber 33erbünbeten öon 1813 — 1815 im „berliner fji[tor.=
genealog. Äalenber für 1817", tjiett Por größeren Dfficierfreifen 93ertinS S3or=
tiäge, meiere fpäter Pom ©eneral S)eder unter bem 2itel „Slnficfjteu bet
^viegf Urning im ©eifte ber 3e^" rjerauSgegeben mürben. 3jm übrigen lie| er
fid) mieber bie Verbreitung gpmnaftifdjer Uebungen, befonberS ben llnterridjt im
©cfimimmen angelegen fein, mobei ii)m bie ©tabt 33 erlin burd) Uebermeifung
Sßfuel. 709
eines öaffenben «piafceS in ber oberen ©pree au £ilfe fam. infolge beffen
rourben aucb in Wagbeburg, Äötn unb Bieten anbeten größten ©tabten foldje
Malten mit ßrfotg angelegt. 1818 mürbe $. auui St)ef beS ©eneralitabS
beS 8 9trmeecoröS in ßobtena ernannt unb 1825 auui ©eneralmajor beiorbert.
1826 folgte feine (Srnennung 3um ßommanbeur ber 7. 2anbn>e&,rbrtgabc m
Waabeöurg unb am 1. SJecember 1828 bie 3um Witgliebe ber Sommtfnon für
bie Prüfung mititarifd) miffenfd)afttid)er unb teefcniföer «egenftanbe unter bem
Sornfa be8 Vinacn Huguft öon ^reufeen. 1830 ertjiett er baS ßommanbo ber
15 iiöifion unb bie Stellung eines ßommanbanten öon fföln. Jöalb tnernadj
toarb ibm ein befonberer Auftrag be3üglicl) beS prftentrmmS Nienburg ju
£beit. $en SBeftrebungen auf SoSreifeung öon ^reufeen, toel^e, feit 1830 Tan
in ber ganjen ©d)roeiA. ber Äompf gegen ben SunbeSAufianb öon 1815 begonnen
Tmtte feit 1830 bier offen berüorgetreten maren, glaubte man m SSerlm traniger
entgegen treten au muffen, jumal bie föniglid) ©efinnten bort ber Regierung
bm lorrourf ber ©cb.mäc^e gemalt Ratten. Sie »nfpracfc , m mefcb,er ber
ßönig öon ^teu^en am 20. «pil 1831 ben öon ber neuenburger Seöolferung
am 1 aRäw au8ßcfPto4enen äöunfd) na« einer bolfet$ttmlu*en «ertretungsart
qenebmigte, fünbigte aucb, bie ©enbung $foel'l als GommiflartuS mit mei -
abenben Soumac#en an. tiefer tarn am 13. 3ftai tu Neuenbürg an, bereute
baS Sanb, um »toerben über rjerrfäenbe Wifeftäube entgegen au nehmen,
nabm ber nad> ber neuen SDBa^lorbnung getoäcjlten Solfebertretung am 11. *$uli
ben Cib "ber Irene ab unb begab fid) nad) ©d)lufe be« SanbtagS forme im
©tauben bie ©emittier berutjigt 3u t)aben, nad) «ßreufcen jurntf. Sie Äube
mar aber nur f «einbar bergeftellt. 9tacb,bem ein 6orö§ .bemanneter ßanblente
am 13 September fi$ ber ©tabt Neuenburg bemächtigt, eine SBoHäberfamuilunfl
bier bie Trennung öon $reufeen ausgebrochen unb bie j<f>tDciaerifct)c a:agfa)ung
?ir : ©«inribung fernerer f geinbfeligfeiten baS Sanb öorlänfig blatte militarifd,
bdefefn 7 fen traf $. mieber ein unb fünbigte mitteilt 2lnfpracr,e öom
25 Octob an, er fei öom Äönig geftidt, um bie »ebeOionm ij« Duette
au erft den äugleift W er bie öon ben fc^tDei3erilcfjen »euottiuadjltgten ju-
aefiS rte "imnlme mieber auf, morauf alte Semeinben unb bie »er beS tuf-
lantTibn bie »erlangte Untermerfung anzeigten. @r entliefe fobann ben
©taaSratr berief einen neuen auS ÄöniglüSgefinnten , liefe jat) Ireifr Unter»
Wungen ^nb Wartungen öornetmien, befeftigte nad, Slbjug ber . fdjmeiAerifdjen
S bie" ©tabt Neuenburg unb organifirte bie ÜJlo n ar Rillen au einer
lüraerroebr. H18 hierauf bie erbitterten gtepublitaner einen «ujltanb erhoben
eSTbaS Sanb in ÄriegSjuftanb unb jerfprengte am 18. Secember 1831
bie Slufftdubifcben im 2ßal be üraberS, morauf er am 24. Secember lernen Civ
Jua in TufSatel Dielt, ßönig griebrieb, SBil^elm III. fagte ijm unterm
31 iecember grofeen Saut für feine gefaxte ßeitung 5lud, erhielt er ba8
eimenlau? am Drben pour le merite unb marb äum ©ouöerneur öon 9teui»
AateT nnanr meiere ©teile er bis 1849 betleibete. (Er £elt tt* ba^er Tag
iähri cb eine Äiit lang bort auf unb mar tjier jetjr beliebt. 2>em Äomge fpra*
f ftcb übriaenS Uon 1832 über baS Sebenflic^e ber Soppelftettung beS Pnjen-
bumS aus In bemfelben Sab,te äum ©enerallieutenant ernannt najm er feinen
Xnfife in ftöln. S)afe U)m als bärtigem ßornmanbanten bie gef naljme unb
SÄ6we«of» im Dtoöember 1837 o*ne *rit«e «uTreguug er
SfVii fleIana touibe ibm öon ben «UUniftern auSbrücfticb, gebanft. 2ln=
f t 1R?8 mürbe' 5B um commanbirenben ©eneral beS 7. SlrmeecoröS n
Se er ann 1^40^ mürbe er nac^ ^ariS gefanbt, um bem ^önig ßubmig
Sr ben gteaierungBtoe^el in «preufeeu anju^eigen. 1841 Jatte er bie
ItnbeSconUngente Jon' teufen, iu unb ßujemburg 5u b e^ttgen unb
710 S-Piucl-
1842 geleitete er ba§ ÄönigSpaar nad) Steufdjatet. 1844 Ijatte er bem Aiöuig
OSfar I. bon ©djweben ein SeileibSfcljreiben be! Königs wegen 3Ibteben8 $arl
SfofjannS XIV. ju übetreidjen unb erhielt er ben fdjwarjen Stblerorben. 3fm
9Jcärä 1848 Würbe er an ö. 9Jtüffling'S ©teile jum ©ouöerneur öon ^Berlin unb
3itm ©eneral ber Infanterie fomie jum ßrjcj be§ 13. Infanterieregiment! ernannt,
lieber bie furje 3eit, in Wetdjer $. ©ouöerneur öon Serlin war (11.— 24. 9J(ärj
1848), finb t)anbfcl)riftlid)c Slufjeicljnungen nad) feinen @rdäb,lungen bortjanben, in
weteijen bie Vorgänge im föniglidjen ©d)tofj fetjr genau, unb unter 9Jtittt)eitung
einiger neuen fünfte bargefteüt finb. £iefelben erfdjeinen jeboef) gegenwärtig
(1887) noct) nid^t jur Sßeröffentliduing geeignet. @r Würbe biefer ©tellung auf
feinen SBunfd) enthoben, nactjbem itjm ber Oberbefehl über bie Gruppen wat)r=
fdjeintid) burdj ben (Sinflufj bon Greifen entzogen mar, bie mit feiner Haltung
am 15. 9ftära fid) fefjr un^ufrieben gejeigt Ratten. 6r mürbe jum ßommanbeut
ber 3. Slrmeeabttjeitung ernannt unb im Slpril in ba§ ©rofecjer^ogttjum ^ofen
gefanbt, wo infolge einer am 24. M&x^ erteilten föniglicrjen 3ufQ9e Wegen
einer nationalen föeorganifation biefe! SanbeStljeitS reöotutionäre 3uftänbe ent»
ftanben waren, gegen weldje 5p. entfdjieben auftrat, hierauf Würbe er nad)
Petersburg gefdjitft, um bem Äaifer 'ifticotauS über ben Verlauf ber (heigniffe
in üpreujjen genaue 2lu!funft ju geben unb mit "Jceffelrobe inbetreff ber fd)te!=
Wigfdjen ^rage öertraulidje 23efpred)ungcn ju führen, Wactjbem er bann ben
Sluguft 1848 in granffurt a. 23t. .mgebradjt, um fiel) ein 33itb öon ber beutfdjen
"ftattonalberfammlung ju madjen, begab er fid) jut (hfjotuug auf fein ©ut
föanbau bei 9Jtagbeburg. Slber fd)on am 12. (September würbe er öom $önig
nad) ^otSbam berufen ju einem neuen wichtigen Auftrag, mit welctjem feine
2au?bal)ii enbet. Slud) über biefe 3e't bis (Snbe 9loöember 1848 liegen l)anb=
fcfjriftlidje 9toti,$en nadj ^fuel"§ @r,jäfjungen, meldje für bie ©cfdjidjte biefer 3"*
öon SGßcrtt) finb, bor; bodj fann aud) au! biefen gegenwärtig (1887) öieteS uodj
nid)t öcröffentlidjt Werben. 9lad)bem ber *ßtan ber S3ilbung eine! SJtimfieriutnS
Sederatlj gefdjeitert, übernahm ty. bie 33itbung eine! neuen 9Jcinifterium! au!
SßaterlanbSliebe unb um bem Äönig feinen guten äöiHen ju feigen, namentlich,
aber aud) in bem bei it)m feft begrünbeten ©tauben, bafj ber $önig ber
liberalen unb conftitutionellen 9tid)tung tjulbige, ju Welcher er felbft fid) be=
fannte. 6! ftettte fiel) aber fdjon balb IjcrauS, ba| er nicljt ber für bie Sage
ber SEinge geeignete 5ftann war. 3lm 21. ©eptember 1848 jum 3JlinijlcT«
präfibenten unb ÄriegSmiuifter ernannt, würbe ba§ SJcinifterium iljm metjr ge=
bitbet als bafj er e! bilbete. (SS erfdjeint tabctnSwertf) , bafj er nicljt fogleid)
auf bolle $lart)eit über bie $roedt be§ Acönig! brang; toa^, er aber felbft für
entfdmlbigenb tjiett, Wirb fpäter ol)ne gweifel anerfannt Werben. SSon bemo=
fratifdjer Seite Warb er at! „^Jtann be! alten Regime" begrübt, aber fein erfte!
Sluftreten wirfte bcrfölinenb. 9lad) bem Programm, weldje! er am 22. ©ep=
tember in ber preufjifdjen sJtationatöcrfammlung öortrug, moEte er jWar bie
^Rectjte unb SBürbe ber ihone öerttjeibigen , crtlärte fiel) aber aud) „feft ent=
fdjtoffen, auf bem betretenen conftitutionellen Söege ju öertjarren, bie erworbenen
greitjeiten ju bewahren, alle reactionären 33eftrebungen ^urürfjuWeifen, in allen
Zweigen bee 5ffenttid)en Slienfte! für ^Befolgung ber conftitutionellen ©runbfä^e
©orge ju tragen, bie Dtedjtc unb greiljeiten be! Sßotf! Ijeilig ju Ijalten". 32Bie
Oleumont beridjtet, würbe ber Äönig Ijierüber in eine tjalb gereifte, Ijatb nieber=
gefdjlagcne ©timmung öerfe^t. 2>a! sUti^trauen ber S!emofraten wieb^ botlenbS,
als 5JJ. in ber 9iationatöerfammlung am 25. ©eptember auf anfrage beru^igenbe
Chflärungen ab^ah über Sörangel'S fd}on am 15. ©eptember erfolgte @r=
nennung jum 33efef)t!l)aber in ben starten foWie beffen unb ©eneral ©raf
33ranbenburg;! aufregenbe Strmeebefe^le. Sarauftjin jerftreuten fiel) bie Solf!»
5Pf«el. 711
maffen, welche in (Srroartung einer ungünftigen Slntroort ben Strafjenfampf bcr=
bereitet Ratten. SBeiter geroann er bei jener 23erfammlung buTcf) bie 3ufage,
bie preufcifctje 9Jcilitärmadjt am Dttjein ber beutfcfjeu Sentralgeroalt für ben gatt
Don Unruhen ;jur Verfügung 3U ftettcn unb ben UMagerungiutftanb über ^ofen
auftjeben 5U motten, ©rofceä Sßerbienft aber erroarb er fid^ in ben Slugen ber
iBolfsbertrctung burcr) feine einer Deputation gegebene (Srflärung, fein 2lmt fo=
fort nieberlegen ju roolien , falls man iijm jumuttje, ben conftitutioneUen 2Beg
ju üerlaffen , foroie baburdj , bafj er bem 33efct)luffe ber SSerfammlung bom
7. September burd) einen bon b. Unrub, entworfenen, bie Güfjre bee Speeres mög=
lictjft roatjrenben ßrlafj an bie (Sorpscommanbanten nactjfam, in roelctjem alle
anticonftitutionetten SBeftrebutigen mr unüerträglicb, mit ber Stellung eines*
preufjifctjen Dreiers bejeidmet Würben, infolge biefer Haltung rourbe s£. hti
ber sIRenge öorübergetjcnb populär, roätjrenb bie ^ofpartei fictj in ben auf ifjn
gefegten Gürroartungen fet)r getäufetjt fat). Sa er aber ber 3ufammen,jierjung t>on
Gruppen um Serlin fein jpinbcrnifj entgegengefetjt t)atte , fo geriet!) er in eine
unhaltbare Sage. Volfstjaufen in 33erlin fugten i'tjn burefj Umtjertragen einer
it)n barfteüenben ^uppe in ben Strafen 311 bert)öt)nen unb rabicale berliner
23läiter brangen auf Entfernung eines „fo unbetjilflicrjen alten Cannes". 2ln=
beverfeits rourbe er auetj bei -Jpofe immer mißliebiger, 3umat nadjbem er bie
fcrjrcffe Slnttnort, roeldje ber Äönig am 15. Dctober auf bie Geburtstags»
©ratu(ationsanfprad)en bes ^häfibenten ber Nationalberfammlung unb bes Sße=
ierjtstjaberä ber Sürgerroetjr erttjeitt, getabett blatte. 2lud) üerübette itjm ber
Äönig, bafj er am 16. Dctober gegen ben bie Vereinbarung ber Sßeriaffung r>er=
roerfenben Sefctjlufj ber 9tationalberfammlung nur fctjroacfjen SBiberfprud) erhoben
unb bie Streidjung ber 33e3eidmung „bon ®ottes ©naben" im Xtiet bes Königs
einfad) Eingenommen, aud) ber Slufforberung bes Königs, ben 3ufamnlenft0i3
ber berliner 33ürgermet)r mit (Sanalarbeitern jur Vertjängung bes ^Belagerung!*
}uftanb3 über 33erlin ju benutzen, nidjt nadjgefommen mar. 3>n roeld) tjorjem
©rabe itjn bie fdjiefe Stellung, in roeldje er gerattjen , unfdjlüffig gemacht
tjabe, ift bom ©enerat ö. SSranbt tebrjaft gefdjilbcrt. 21m 16. Dctober bat
bas $Rinifterium um Sntlaffung. S>a fidj bie 2lntroort Derjögerte, rourbe
ba% ©efud) am 21. Dctober bon $. roieberrjolt. SDer $önig genehmigte es,
auf feinen 2Bunfd) fütjrte aber üß. bie ©efdjäfte noer) bi§ 3U111 1. 91or>ember
roeiter. 2tm 31. Dctober ftimmte er in ber 9tationatberfamtntung , toelctjcr
er feit bem 2-4. Dctober als Slbgeorbneter be§ ßreifes' Birnbaum angehörte,
Tür ben ^8efctjlut3 ju ©unften Don Schritten ber beutfe^en Gentralgetoalt
jum ©c^u^ ber Nationalitäten in Defteneictj. ®a iljin out fein ©efud) um
Urlaub auf 6 3Bocf)en ein folc^er auf 6 Monate ju lljeil roarb, fo evbticcte er
rjierin ein 3t\d)m bon Ungnabe bes Königs , natjm ben 21bfct)ieb unb 30g jtdj
auf fein ©ut JRanbau jurücf, berlegte aber Snbe Dctober 1854, nad) bem xobe
feiner streiten ^rau, einer gebomen D. Sltöcnsleben, feinen SßoI)nfi^ nac^ '-ßerlin,
too er mit Sßorliebe miffenfäjaftücrje 33ortefungen befud)te unb 2Jlitglieb mehrerer
miffenfctjaftlic^er ©efeüfctjaften mürbe. 1856 bcfud)te er $aris unb Bonbon,
1859 bereifte er Sübfranftetd) unb Dberitalien, 1860 meitle er als begeifterter
Sln^änger bes erfteb^enben italtenifdcjen Staats längere 3"* in Neapel. £)er
1866 crfolgenbe 2ob feinet älteren Sorjns1 unb ein anberes (Sreigniti in feiner
gamilie roirtten fo erfetjütternb auf it)n ein, bafe er am 3. Seäember 1866 in
Serlin ftarb. 6r ift in ber Familiengruft 3U 3aljn3felbe beigefefet. — ^n ben
„©ren^boten" rourbe ^ß. 1848 gefcljilbert als ein miffcnfdjaftlid) in fo tjorjem
©rabe gebitbeter Militär, mie feiten einer in ber alten Scrjule; baneben toirb
iljm bort Einlage ^um Sonberting nactjgefagt: fein geiftüollcr, unbeugfamer Äopf
712 $?ueI-
Ijabe ben SltttagSjuftänben roiberftrebt unb fo t)abc er fid) toon jerjer jur
oppositionellen 9lufflärung geneigt. ©totfmar bejeidmet ir)n als ^erftreut unb
meint, fein 2lrmeeerlafj Dom ©eptembet 1848 fei eine cjalbe sÖtafjregel ge=
roefen, „tjerborgegangen aus ber gurdjt bor emer ganjen". iKeumont be=
^eictjnet tljn mit 53cjug auf 1848 als einen sD<cann, ber fid) überlebt fjabe;
ein Militär aber, roelcrjer itjin nal)e ftanb , nennt it)n geiftig tjocrjbegabt,
öon fdjarfem SSevftanbe, umfnffenben $enntniffen , t)ot)er Energie, t>on ftoljem
©inne für gfreüjeit unb einem unerfdjtitterlidjen Gtjarafter. 5ß. fdjrieb 9luf«
fätje „über ©djroimmen unb ©dimimmfcfjulen" (1810), „über eine Dianöber»
fd)ule" (1834), „über Slenberung ber fn-iebenSorganifation bcS ©eneratftabe"
unb ein „Memoire über bie ©djtoeij" (1847). ©ein „föücfjug ber ^'ansofen
auS 9tu|tanb" ift in 3toei Auflagen mit „©ebenfntffen" auS ^ßfuel's ßeben tjer«
ausgegeben öon (5fr. ftörfter (33erlin 1867). 2)iefem Sßerfe ift aud) ein Kapitel
„3ur @t)arafterfd)ilberuug bei (Sen. 6. ö. 5ß." beigefügt. (Sine SBüfle SPfuel'S
ift am 2. «uguft 1867 in ber ö. ^Jfuel'fdjen ©d)roimmanftalt &u Berlin am«
geftettt. (SBoffifdje 3eitung 9h. 181 tiou 1867.) — 33orftel)enbeS ift jum Xtyil
bearbeitet auf ©runb jatjlreidjer f)anbfd)riftltd}er Uvfunben unb gfamitien-
nad)rid)ten.
3m übrigen bergt: ^citgmoffeu 8b. 2 («pj. u. «lt. 1818) 8. 175. —
Senftuürb. 2krnf)agen'S 53b. 3, ©. 169, 234; Sb< 7, ©. 145. — ^anber,
©efd). b. JhiegS a. b. Oiieberclbe im $. 1813 (Cüneb. 1839). — «Partei),
Sugenbcrinncr. - @. sDl- Slrnbt, Srinn. a. b. äufe. ßeben (ßp,v 18
©. 172. — 'JDlarteuS, 2)entroütb. a. b. frieg. u. pol. Üeben eines alten Crfic.
(A'P,\. 1848). - ©verboten, 1848, 2. ©cm., 53b. 4, ©. 167 („8ur Gl)araft.
b. ©en. $."). — ö. Uiuul), ©fiajen a. ^reufe. ueuft. ©efd). (<Magb. 1849),
©. 69—105. — $erfc, Beben b. SDcht. o. ©tein, 33b. 3, 3. 126. — Stab,!,
©efd). b. preufe. Oteöol. (Dlb. 1850), ©. 512. — SJlemoiten b. Jpauptm.
b. töeidje (ßtoj. 1857). — £. b. ßleift'S »riefe au f. ©djroefter Ulr., l)ev.
ü. X. Äobcrftein (S3erl. 1860). - ©artenl. 1865, ©. 762 („(Sin berfajfungS-
treuer JhicgSmin." 0. ©d)mibt=2Bcif3cnfetS). — 2)eutfd)e 9tunbfdjau, U3b. 11,
£eft P. ©ept. 1877 („SBerl. cor, unter u. nad) b. Iftin. üßfuel, 3uli— £>ct.
1848" aus b. SDenfro. b. ©eu. b. 3m. Dr. £. ö. SBranbt). — 9teumout,
2luS Äön. gr. Uöilt). IV. gef. u. iranf. Sagen (Spj. 1884).
28 i p p e r tu a n n.
vJ>iucl: Jürgen Vlbam ti. ty., turtürftlid) branbenburgifdjer ©eneratmajor,
auS altem märfifdjen «belSgefd)led)te, beffen 'Jiame aud) ^Httjl, ^tjuH ic. ge=
fd)rtebeu wirb, roatjrfdjeinlid) am 15. sJtoüember 1618 geboren, tarn burd)
5ftarie Steonore, bie ©emaljliu ©uftaö Slbolf'8, eine branbenburgifdie s4>rinjeffin,
nad} ©djroeben unb als s^age biefeS Königs nad) S)cutfd)lanb ^urürf. sillS ber=
felbe gefallen mar , geleitete er bie ßeidje nad) 2ßolgaft jur (*infd)iffung unb
biente bann unter feinem ^ermanbten Slbam ü. ty. , einem berütjmten .ffriegS»
manne, weldjer als 33aner, ber ®emat)t fetner ©d)tt>efter, geftorben mar, grofje
Jpoffnung l)atte, beffen Wacrjfolger im Dberbefef)l ju werben, 1542 aber, ba
aud) als 33icegeneraliffimuS ein ©ditoebe, ßiflieljöef, il)m öorge^ogen rourbe, feinen
?lbfd)ieb natjm unb 1659 als bänifdjer ©eneralfriegsratt) auf bem tion iljm
erfauften ©ute ^oüeben in ber ©raffd)aft sFianStelb ftarb. Jürgen ^>. teljrte
nad) 91bfd)lufj beS toeftfälifd)eu ^riebenS als Dberftlieutenant in feine §cimatl)
^urüd unb folgte 1656, als fein ßanbeSrjerr, ber gro^e Äurfürft , juni Kriege
gegen fyoUn roaib, bem Ütufe beffelben jum (Eintritt in baS junge branben*
burgifd)e |)eer. 6r rourbe jum Dberften ernannt, ftellte ein OteiteiTegiment auf,
roeldjeS am 6. 3uii bei ©torforo gemuftert mürbe, jog in ben Ärieg nad) si>olen
spfutf. 713
unb madjte 1658, ä"m ©eneralnmjor beförbext, ben 3UÖ m$ Sänemarf gegen
bte ©djmeben mit. @r würbe bann Sommanbant öon Spanbau unb ftarb im
3uni 1672. ©ein ©ut SSurfom fam burdj SBertjeiratfjung feiner lodjter an bic
gtemmings.
(Saufje, Slbefelejifon, Seidig, 1. Sfjeit 1740, 2. Sfjeit 1747. — (Äötiifl)
2Biograpt)ifd)es ßerjfon alter gelben unb TOitärperfonen, meldje fid) in
preufeifdjen SHenften berühmt gemadjt Jjaben, 3. Xfjeit, ^Berlin 1790.
58. «ßotcn.
^fllljl: Grnft ßubroig ö. $., preufeifdjer ©eneral, marb am 8. Secember
1716 ju ^lagom in ber ^ieumarf geboren, im ßabettencorps erlogen unb 1739,
als Äönig griebrid) 2Bilfjetm I. erfuhr, bafe er, als ftreicorporal auf Söerbung
gefanbt, eine öfterreidjifdje Dbertieutenantsftelle ausgefdjlagen tjatte, meldje ifjtn
unter ber SBebingung angeboten morben mar, bafe er fatfjolifd) mürbe, junt
ftärjnricf) ernannt, nafjtn an beiben fdjlefifdjen unb bem fiebeniäfjrigen Kriege
tb>il, ^eiermetc fic£) meljrfad) aus unb trug SBunben baöon, erhielt aber tro&bem
erft 1758 eine (Sompagnie. Sine namfjaite Söaffentljat, barin beftetjenb, bafe er
einen öon ben Kroaten angegriffenen Srobtrausport, metdien fein 9tegiment öon
Seitmerifc nadj ftotlenborf geleiten fottte, nidjt im ©tidje tiefe, fonbern, roäfjrenb
bas Regiment nad) auriicfQefdf)tagenem Angriff abmarfdjirte, glüdtidj an Ort
unb ©teile bradjte unb babei nodj ein ©efd)ü£ rettete, trug it)m feitens feiner
S&orgejefcten eine Slmjiffrafe megen Ungehorsams ein. ®önig griebridj ber
©rofee fjob biefe freitid) auf unb berfprad), bafe er an Sß. beuten motte, biefer
fam aber baburd) nidjt meiter. <£rft 1760, als $. unter fdutrierigen Um*
ftanbea ein öon ifjm commanbirtes Sataitton, roeldjes äroifdjen £öptimoba
unb fttifee öon einer überlegenen «Dtadjt auf bem 9Jlarfdje angegriffen mürbe,
glürflid) nadj teuerer gfeftung geführt blatte, ernannte griebrid) ir)n 5um 9Jtajor
unb gab iljm ben Crben pour le merke, ^nbeffen bauerte es nodj immer fieben^etm
Safjre, bis $. bem Könige nätjer trat. &s gefdtjat) 1777, als biefer, bamals
«ftegimentecommanbeur, aus SBeftfaCen nad) ^otsbam commanbirt mar, um bas
bort eingeführte ©jercittum fennen ju lernen. ©er Äönig 30g it)n jefct rjäufig
in feine ©efettfebaft unb gab ib> öietfadje Semeife feines 2öofjlmoHens.^ ftodj
merjr gefdjatj teueres nadj bem bairifdjen ßrbfolgefriege, in meldjem 9ß. ftdj öon
neuem bemäbrt" tjatte. 2ln ber ©pi£e einer Srigabe ber Slrmee bes ^rinjen
£etnrid) tjatte er, beim Otüdjuge bes ^ötlenborf'fdjen ßorps aus SBöfjtnen, bei
9Hfolsburg ein rutjm= unb erfolgreiches gtacfjfjutgefedvt beftanben ; mie im fieben=
jährigen Kriege tarnen feine guten folbatifdjen unb menfdjtidjen (Sigenfdjatten
aud) tjter unter mibermärtigen SBerfjältniffen jur ©eltung. ©leid) nadj ftriebens=
fdjtufi roarb er ©eneral unb Stjef bes in Berlin garnifonirenbeu 5üfxlter=
xegiments 9lr. 46, 1784 ©ouöerneur öon ©panbau unb balb barauf $n=
fpecteur ber märfifdjen Infanterie, ©eit bem 31. 9Mrj 1783 mar er 9tmts=
Hauptmann öon ^otsbam. „&# ftänbe er unter ^futft's ^urisbietton" , äußerte
griebridj „benn er felbft fei nur ginmofmer öon ^otsbam". s&m 28. ^Jtat
1786 üb'erfanbte er „bem lieben unb e^rlidjcn $." ben fdjmarjen 3lbterorben
unb nodj in bes Königs le&ex Ärantfjeit tiefe biefer i^n t)äufig nadj ^otsbarn
fommen. 53ei einem anberen ©efetjenfe fagte ber Äönig: „2Bas idj r^m füinttg
gebe ift für feine $inber, bamit aud) fie fagen tonnen, ber Äönig ift unferem
Sßater gut gemefen". 1794 jum ©enerat ber Infanterie ernannt, marb % tm
2)ecember beffetben ^aljres penfionirt unb ftarb am 5. 9Jlorj 1798.
Mitärifdjer 2:afdjenfalenber, 93erlin 1789. — «Militär = 2BodjenbIattf
Berlin, 14. 3uti 1838, «Jtr. 28. sg# »Tjoten.
714 iPfunb.
^fuilb: ty., ßeibhitfdjer f5friebrid)'ä beä ©rofjen, toeld^er jahrelang be§ ^önigfc
SBagen lenJte unb ben sJftonard)cn aud) bann fufyr, wenn berfeibe mit $or=
fpannpferben reifte , ift bev ©egenftanb bieler, oft fetjr plumper Anefboten,
wahrer unb falfcijer, geworben; einen £l)eil ber leiteten mag er fclbft erbadjt
r)aben, um fid) ein Anfetjen ^u geben, nad) wetdjem er ftrebte. @r würbe jer)n
bi§ jWölf $ar)re bor beg ßönigä ü£obe au§ bem 2)ienfte enttaffen; fein 33er»
fdjulben mufj ein fdjWereg gewesen fein, ba feine Sßerabfdjiebung otjne ^atjrgelb
erfolgte. (Sr beftürmte nun ben $önig fdjriftlid) unb mtinblicfy um eine Unter»
ftütjung; auf bie 5^'bitte be£ Dberftaltmeifter§ ©raf Schwerin gewährte itnn
berfelbe eine sJ>enfion bon monattid) 7 ££)atern; al$ griebrid) 1781 in Sßotsbam
eine größere $al)l öon Käufern bauen liefe, erhielt aud) ty. etn§ berfclben.
^reufj, ^riebrid) bec ©ro&e, I, 396, Berlin 1832 (nad) 91. $. SBüfdjing,
3uberlaffige Serjträge auä ber 9tegierungä=©efd)id)te Äöntg fjricbrid) II,
ijtftoriftfier Anfang, Seite 29, Hamburg 1790). 95. «poten.
^fllllb: $ot)ann ©abriet $., üBotanifer unb Afrifaretfenber, geboren am
8. 9tobember 1813 in Hamburg, f am 21. Auguft 1876 ju 61 $afd)er in
2)arfur. 2>er SBater ^funb'g war Ar^t, bem ärjtlidjen 23eruf fotlte fiel) aud)
ber ©otm wibmen, Welcher jcbod) fetjon frütje eine fo lebtjaftc Neigung für 33o=
tanit empfanb, bafj er nad) iöecnbigung ber mebicinifdjen ©tubien fiel) ganj
biefer 2JÖiffenfd)aft tjingab. (Jine Aufteilung al§ ßuftoS am botanifd)en ©arten
ber ^rager Uniberfität führte ifm tiefer in ba8 ©tubium ber reichen fjlora
93öl)men6 ein unb eine (eiber nie jur Söotlenbung gebiet)ene glora bon 53öt)men
wirb oon gadjfunbigeu als eine boqügtidje Arbeit bejeidjnet. Materielle
(borgen liefen ty. ber rutjigen Pflege ber Sßiffenfdjaft fid) nid)t bauernb wibmen.
SBir finben tfjn in ben bier^iger Sauren in Aleyanbrien , Wo il)n eine au§=
gebet)nte är^tlidje sßxaitä ernäljrte, ot)ne bafe er babei ben botanifdjen Neigungen
3U entfagen brauchte. %n ben 27 ^atjren feinei Aufenthalte^ in biefer ©tabt
brachte er ba§ botlftänbigfte Herbarium ber $lora ber Umgegenb bon Alejan»
brien ^ufammen. s)cad)bem er etwa jefjn $arjre laug eine ergiebige £f)ätigfeit
atä Ar^t in Alejanbrien entfaltet tjatte, würbe ein Jpofpitat für ©eeleute ge=
grünbet unb %\. faf) bie Gnnnatjmen, meldje befonber§ bie .ipafenprari«? irjm ge=
boten tjatte, jufammenfdjwinben. ©tue (Jrbfdjaft, wetetje beim Ableben feiner in
Hamburg lebenben s3Jhitter itjin angefallen war, fdjicn irjm neuerbinge bie lange
erftrebte Unabtjängigfeit bom Cnwevbe be§ ü£age§ 3U gewähren, aber nnd) einigen
Sauren ging audj biefer s.8cfik im 93anferott einei ^aufmanngefcljäftee gänjlid)
berloicn. 9Jtit sJJtül)e würbe für s|v eine ßeljrerftetle au einer ©d)ute au§=
gewillt unb auf Slkrwcnbung 33rugfd) ©c^8 würbe er öon ber ägtjptifdjen
Regierung beauftragt, ein Herbarium ägt)ptifd)cr ^flanjen für bie Söiencr 2Göett»
au§fteüung ju fdjaffen. ty. tjielt fiel) mit biefem gelungenen SöerEe 1873 in
ÜBien auf unb tjatte bie fjreube, baffetbe prämiirt ju fetjen. Tcact) ber ütüdfe^r
empfing er bie Aufforberung , fictj ber großen (Jjpcbition an^ufdjliefjen , welche
6nbe 1874 nad) bem ©uban abging. SÖ3ir finben ^. @nbc 1874, nidjt eigenem
triebe fotgenb , fonbem ber 91ott) getjordjenb , auf bem 2Bege nad) Songola.
Auf bem 9tit am 8. 2)ecember 1874 fcljrieb er an feine ©attin: @§ ift ber
Sinn be» grof3en £)pfer§, weldjeS id) meiner goniilie nod) im 61. 3tai)re bringe,
bafj id) fixem unb Äinb ju leben fd)affe. 5Jcit tragifd)em ©efütjl folgt man
nun beu Sßegen be§ gealterten 9Jlanne§, ber, um feiner gamitie einen $efyx=
Pfennig ju ^interlaffcn , fid) mit SSerettwilligfeit allen ©trapaien unterjie^t,
benen jüngere au§weid)en. ©eine geograprjifd)en Auf^eidjnungen unb botanifdjen
Sammlungen finb öon ben ©ad)t>erftänbigen al§ uortrefflic^ anerfannt. Aud)
Wenn fie e§ in geringerem ^flafje Wären, würben fie 3U ben ttjeuerft erworbenen
3U rechnen fein, ©ie finb bie grudjt einer unter ben fdjwierigften Sertjättniffen
jPfunb. 715
mutfjig geübten *pflicljterfütlung unb einer mitten in ben Sorgen be§ gemeinen
Sebeni nidjt }u ertöbtenben Siebe ]ux SBiffenfdjaTt. Iß. mar alg Strjt unb
Naturtorfdjer bem Sefetjlstjaber ber Subänerpebition, Dberft 6olfton, ^ugemiefen.
Seine Sljätigfeit mürbe in beiben Nidjtungen ftarf in 3lnfprudj genommen,
als ber Nil bei 2öabi .Ipalfa Perlaffen unb ber Steppenmeg nad) Songota
betreten mar. Solfton felbft erfranfte in Songola, meldjei am 5. ^e&ruar
1875 erreicht mürbe, fo fctjmer, bafj er nur be§ „bemunberniraerttjen braPen alten
Soctors" Pflege fein ßeben ju berbanfen glaubte. S)er jtoeite Gfjei ber
6rpebition , üfteeb , mufete franf aurücffefjren unb an feine Stelle trat Cberft=
ticutenant $rout. Serjon Pon Songola auf fanbte ty. feine erftc $ifte bott
Naturalien unb ^ierogttjptjenabflatfcrje nad) 6airo. Son Qehbe au§ mürbe ba§
SBabi 5ftelff) unterfudjt unb mit ber crtjebtidj gefcrjmäcfjten ßrpebition aniang§
i^uni ba3 ÜMitärlager Surrar) bei 61 Cbeib erreicht. Son festerem Orte au8
madjte *ß. , mälirenb bie Grpebition ruljte, bom Sluguft an eine miffenfcfjaftlicfje
Unterfucrjunglreife, meldjer 6rnft Carito fidj bis Sfctjebel 9tbu £arrafi anfdjlofj
unb bie audj Statin eine Strecfe begleitete, ^n Dmlubie empfing 5ß. am
24. Sluguft bie Nadjridjt, bafj feine ftrau, bie in 6airo geblieben mar, itjm ein
Söfjncfjen geboren tjabe. S)a einer feiner Segleiter nact) bem anberen erfranfte,
berliefj $. bie biiljer innegerjaltene Norbmeftricrjtung unb ging oftrochts nadj ber
Jpocfjebene Pon 2lbu Snun, traf in ben Sergen öon $atul unetmaitet mit
>ßrout unb ITiarno .jufammen unb ging bann, nadjbem $rout if)n mieber
Pertaffen, über Äaga, nact) Surug im ©renjgebirge öon Sarfur, roeldje§ er in
berfctjiebenen Nictjtungen burc^jog. 3Rit ber faft jugenbüctjen Unternefjmungeluft
unb ber naipen greube an *>ei' 6rforfcf)ung be§ Neuen, metdje feine ©efatrrten
auf biefer Üteife an iljm rüfjmten, bvang *ß. nod) über fein 3^ f)inau§ nadj
Sarfur por. Sie ßrmattung feiner Sfjtere unb bie 6rfdjöpfung feiner Sorrätfje
äroangen it)n, Pon meiteren planen abjufetjen unb nad) 61 Cbeib äurücfjuferjren,
mo tjäufige 6rfranfungen im 6rpebition§corpg feine Slnroefenljeit notljmenbig
madjten. 6r traf am 10. Dctober t)ier ein, ging aber fcf)on am 28. an ber
Spifee nner neuen 6rpebition buret) bai toegen feiner räuberifdjen Saggara*
bepölferung ber-nnene (Sebirge Äorborans über Sfdjebet Hin nacl) Sirfet ütarjat
unb 2>fd)ebel SDetr. 2lm 6. Nobember nact) (St Cbeib äurücfgefetnt, begleitete
*ß. feinen Cberft nad) Gfjaitum unb trat bann am 19. 5Jlärj 1876 mit sJ?rout
feine lefjte Neife an, meiere it)n nadj ®arfur führte. 5lm 3. Slprit tra^ er am
gu| ber Serge Pon Sfogeb, mit 33maet ^af^a- bem elften ägpptifcb.en £ofumbar
öon ©atfut jufammen. Ser SBcg tütirte über Sir et <g>eHa unb Gl Slbiab
nact) gl 3fafc§er, ^a§ «m 2^. Slprit erreicht mürbe. Son fjier au§ fottte nun
ba§ eben gemonnene 3)atfut ätjnticr) geograptjifct) aufgenommen roerben , mie im
öergangenen %afyxt ßorbofan. *$. unb ^rout trjeilten fxc^ in bie 2lufgabe fo,
baB biefer junäctjft ben Söeften, jener ben Sorben in Eingriff uatjnt. Sie ülaft
Pon menigen 2öoct)en in bem unrotttfitierjen, müftentjart gelegenen unb feit ben
kämpfen mit Siber t^alb jetftörten 61 (jfafc^cr t)atte 5p. mit feinem geroof)nten
gleiBe, ber feine Segleiter 3u bringenben 9tatt)fc§lägen beranlafete, menigfteni
bie Nachtarbeit aufzugeben, benütet, um nutzere arbeiten abjufct)tie§en. Setbft
«plan unb 3[nfic^t ber 19 5pt)Tamiben bon 'iDteroe [teilte er in 6t Saferer fertig,
flagte aber babei: SBären nur meine 2lugen nietet um bielee älter als ict)!
Stm 2. ^uni berliefj ^J. bie ^auptftabt, ging norbroärts über ^telitt nact)
Öeüa Jager unb Äobbe unb fef)rte am 16. %uü nact) 61 gafct)er jutücf. Sein
fester Srief ift au§ biefem Orte unb bom 22. ^uü batirt. 6r fagt u. a. :
Öeute noef) requirire id) neue Äameete, um in§ (Gebirge ITJarra aufjubreerjen.
Siefer $tan mürbe nict)t mtfyc ausgeiütjrt. 5ß. , ber feit feinem 9lu'entr)altc in
Sarrur, mo er feine Neifcn otjne alle eurepäifetje Segleitung mad)te, nietjt met)r
716 <ßfünbel — ^Pfijffer öon -freibegg.
ganj bie alte Spanufraft in fidj füllte, trotjbem aber feinen *ßflid)ten mit @nt=
fdjtofftntjeit unb betuunbernSroertrjcm Onfer nacfjfam (er fdjreibt am 30. Mai :
id) feije mein £eben nie nutjloä ober unftnnig auf§ Spiel; aber id) fdvrerfe
aiid) tior feiner ©efabr aurüd, menn bie $ftid)t ober ein roiffenfd)aftlid)e3
Sntereffe mid) ruft), erhanfte unterroegä, fehlte ferjr gefd)mäcr)t nad) 6t
^ajd)er prüd unb erlag balb barauf bem gieber. *ß. mar ein Mann tion
ftarfem ftörper, fcfjarfem Serftanb unb glüdtidjem £mmor. 2öai er auf brr
einzigen großen roiffenfdjajtlidien 9tei|e, meldje buidjjufüfn-cn it)tn tiergönnt mar,
ertragen unb gcleiftet tjat, lä|t erfcnnen, bafj bie beften Elemente eines tücrjtigen
3lfrifareifenbeu in feiner 9tatur bereinigt maren. Sßaul Slfdjerfon rürjmt bem
Herbarium, ba§ ty. in JTorbotan unb 2)arfur 3ufammenbrad)te, nad), bafj e§ an
trefflidjer Sonfertiirung ber ^Pflaiijen mit ben beften Herbarien au§ biefen 2än=
bem, benen tion iMfd)t), Sdjimper, Sd)roeinfurtl) ju tiergleidjen fei. *ßrout
unb Maino haben bie SSorjüglidjfeit feiner fartograpt)ifd)en Materialien ge=
priefen. Sein Üteifetagcbudj , ba§ mit Sorgfalt geführt rooiben ^u fein fd)eint,
ift nidjt jur 5Beröffentlidmng gelangt, aber bie ^ritiatbricfe, melcfje S. ^rieberidjfen
in ben Mitteilungen ber geograplufcfjen ©efelifdjatt flu Hamburg für 1876 77
öeröffentlidjt Ijat, geben menigftenö einen Ütjeil ber Ginbrüefe mieber, meld)e ber
fdjarf bcobadjtcnbe 9lrjt unb sJiaturforfd}cr in ben oftfubanifdjen Säubern em=
pfing unb laffen feine raftlofe unb grünbtidje 9lrbeit§roeife erlernten, ipaul
Slfctjerfou t)at in ben Mitteilungen berfelben ©efetlfcfjaft für 1878' 79 ben
botanifd)en Söertt) biefer ©tiefe gemürbigt. S)ie ägt)ptifd)en Setjörbeu, meiere
fid) ihr (Sigenttjuinärecfjt auf bie Slufjeidjnungcn s^funb'§ ftreng mährten, tier=
öffentltdjten feine täglichen meteorologifd)en ^Beobachtungen al§ Essai mötöoro-
logique (1877) unb baS 33er,\cid)nife feiner botanifdjen Sammlungen al§
Rapport fait ii S. E. le Gönöral Stone Pascha sur les speciinens botaniques
coli, pendant les expöditions ögyptieimes au Kordofan et au Uar-Four Com-
manders par le Col. Colston etc. par le Dr. Pfund. Naturaliste (187'.M.
Quellen: Mittbeilungen ber ©eogr. ©ef. au Hamburg 187677 unb
187879. 3m elften Sanb SMlbnifj. ftrtebrid) ftafcel.
^fünftel: üobiaä s^. au£ flauen gab als Organift ju 2Bet)ba im
SBoigtlaube eine gegen bie caltiiuiftifd)e s2lbenbmablelehre gerichtete Streitfchrift
in bramatifdjer ftorm tjerauö: „(Sin ü£ialogus Ober ©efpred), barinnen ber $u*
ftanb ber Gtvrifttichen .Uirdjen angebeutet mirb , (Somoebien meifj gar fürtjlich
befdjrieben". $ena 1602. 4°. 2)erb , aber nidjt ungefd)ttft, fd)ilbert er, mie
•jmei öon bem roiebererftanbenen £utt)er unb einem ^Dtagiftex unterroiefene
dauern ihrem caltiiniftifdjen Pfarrer mit ©rünben unb bann mit Schlägen ju
ßeibe gefjen unb it)n tiertreiben. Söahrfcheinlich ift er ber Sotjn beö Sd)ul=
meifterö Martin ty. , ber 1566 in Söittenberg ftubirte, 1600 in flauen eine
$omöbie „auS ber ©rammatif" (öon $. ©itttjaufen1?) aufführte unb 1612 eine
„Oratio de Luscinia" tjerauSgab.
Sögt. 8eitfd|tift f. beutfdie ^bitotogie XX, 82. — ^öc^er III, 1500. —
ftotermunb VI, 37. 3- «ölte.
(er öon £ciue0g: Slloiä 3of. M. «apt. 9Ilpf)on§ «p. ti. $.,
fct)meijerifd)er Staatsmann. @in Sotjn be§ Sd)ultl)ei§en 3»o-. 3gn. datier
ty. ti. £>. unb ber Marg. Subiii) %at. 23altl)afar, muibe er geboren ^u ßu^em
am 5. September 1753. 5)}. roibmete fid) anfäuglid) bem Mititärbienfte unb
mar Sieutenant bei ber Sdjroeijergarbe in $ari§, trat bann aber in ben Staate
bienft über, mürbe 1774 ju ßujern in ben ©ro^en 9vatl) gemätjlt, marb 1783
Stabtfdireiber in SSiÜifau unb 1789 Staatsfdjreiber in £ujern. 3118 bie
ariftolratifc^e Regierung ben 31. Januar 1798 abbanfte unb bie äßarjl öon
SPfaffet Don 9Utt§f)ofen. 717
23otfSrepräfentanten anorbnete, narjm 5)3., ein feuiiger 2lnt)änger ber franaöfifdjen
3been, an ber politifdjen Bewegung mit SBort unb SdjtiTt tebfjafteu Sintijett.
@r warb üon bev SBürgcrfc^aft ber Stabt ßuaern als etfleö «ütitgtieb jum
SSolfSrepräfentanten gewählt unb bann ben 30. 9Mra in ben r)e£üetiftf)en Senat.
31 ad) ber Gonfiituirung ber tjeloetifctjen «Rcpublif üon ben gefcijgebenben 9tätl)cn
in Slarau, tarn 5ß. am 18. 9lpril als fünftes «üUtgtteb in baS erfte tjelüetifdje
(Qfünfcr) rSirectorium. S)a er fid) jebod) in biefer Stellung burdjauS nidjt üon
ber ©efü^igteit geigte, bie fid) bie franaöfifdjen Iftadjttjaber Don it)m üerfpradjen,
erawang ber Sommiffär «Jtapinat ^ftiffer'S unb feines Goltegen 23at) (ftetje biefen)
austritt auS bem 2>irectorium (29. ^uni). $• trat nun in ben Senat jurüd
unb warb bann, nad) bem StaatSftreidje üom 8. 5tuguft 1800, sJJcitglt?b beS
„gefetjgebenben 9ratr}eS". 2(n biefev Stellung uatjm «ß. befonberS tätigen 3ln=
thetl am Streite über bie SJerfaffung öom 29. 9Jtai 1801 (gntmurf üon Wal*
maifon), inbem er energifd) für bie üon ber tjetDetifdjen ;£agfatuing bom
7. September 1801 aufgearbeitete, ganj unitarifdje 23erfaffung eintrat. 2öieber=
tjott ergriff er in ber benfwürbigen Sttmng öom 28. Qctober für biefelbe baS
SBort. 9Jcit biefev (Jpifobe fdjüefjt «ßftiffer'S £t)ätigfeit auf bem ©ebiete ber eib=
genbffifd)en «ßolitif. $n bemfeloen 9Jtonate ging ber nad) bem Stücftritte
3£. N43ronner'S (fietjt biefen) oon it)m rebigirte „ftretjtjeitSfreunb" ein unb 1802
treffen toir «ß in Supern als „*ßrocurator". @r mibmete fid) nun ber 2lbüocatur,
„tjatte bagu aber nid)t großes ©efctjid, inbem fein ©eift ftetS fort in rjötjern
{Regionen fcljmebte" (ff. Sßfoffer. ©efdjidjtc beS ffantonS ßuaern II, 166). 9cad)
bem 2obe beS Sdjulttjeifj ßru§ (f. 21. S). 23. XVII, 253) warb er üon bem Stabt=
quartiere, in bem er wotjnte, nochmals in ben ©rofjen 9ratt) gemätjtt , oerblieb
aud) in bemfetben bis aum Sturze ber ßuaerner «DcebiationSregterung (16. \$et)x.
1814), natjm jebod) an ben öffentlichen $raSen tonen bffonbeven 9lntt)eil mer)r.
Seinen politifdjen ^bealen aber blieb er treu bis jum 2obe , ber ben in bür?=
tigen SJertjältniffen lebenben ©reis am 9. SIpril 1822 inS SenfeitS abrief.
3ß., als ^olitifer boctrinar, war ein „«JJcann üon üielfeitiger 93ilbung, t)ot)er
Dtedjtfcfjaffenrjeit, gemeinnützigem Sinne unb eblem Gtjarafter" («Reue 3üvcfjcr=
Leitung 1822, 9cr. 44, 13. Slpril). $ubliciftifd) tt)ätig war 93. jur Seit ber
fjelüetifd)en Dteootution burd) bie 23rofd)üren: „2BaS ift gret)t)eit?" (ßuaern
1798.) — „3JBaS ift eine 23o(feregierung?" (ßuaern 1798.) — „3ft bem
ffaifer ju trauen? ober Aufruf an alle rjetbetifdjen Bürger." (1799.) Sein
«Porträt, gemalt üon $. 9Jc. SBrjrfd) , befinbet frei) im gfamUtenbefifce._ @in
anbereS in ber ^porttätgaletie ber 33ürgerbi6liottjef üon Suaern. @in ßupferftid)
üon Jpeinrid) ^fenninger batirt üom ^. 1798.
Slufeer ben allgemeinen SBerfen über bie ^elüetil ü. Sittier, ÜJIonnarb,
Sdjuler, ^)iltü u. a.: Sufe , «Utoberne Siograpljien. — ^. qßfijffer, ©efdjidjte
b. Ät. ßuaern. 2 S3be. — 3ceue 3ürd)er=3eitung 1822, 9er. 44.
Sdjirfm ann.
^f^ffer Don ^tltt^ofcn: (Safimir % b. 31., üRed^tSgeteljrter unb a^otitifer
in ßuaern, geboren am 10. Cctober 1794, t am 11. 9coüember 1875, ift einer ber
namtjafteften fd)Weiaerifd)eu 3uri|ien ber breifeiger 3af)re, bie it)r ^beal in ber ftrengen
S)urd)füt)rung ber ©runbfätje ber 9tepräfentatiübemotratie fanben. Waä) glänaenb
abfolüirten ©rjmnafial= unb ßücealftubien befud)te «]}. üon 1813—14 bie Uni=
üeifität Tübingen, prafticirte üon 1814—20 als SlnWalt in feiner 93aterftabt,
promoüirte im 9Kai 1821, nacfjbent er baS %al)x üortjer nod)tnaIS in |>eibetberg
iuriftijdjen Stubien obgelegen, in Tübingen als doctor juris utriusque unb würbe
bann üon ber Regierung üon ßuaern auf ben im 3- 1819 am bortigen ßüceum
errid)leten Se^rftutjl beS 9ted)tS unb ber üaterlänbifd)en ©efcl)id)te berufen, ^te
23orlefungen begannen im Dloüember 1821 unb würben üon itjm felbft „ßeitfaben
718 5Pfoff« bon 9Uti3t)o[en.
pm Unterricht in ber Ned)tSroiffenfcr)aft'' genannt, fie gaben eine encr;flopäbifd)e
Ueberfidjt über baS Gibilrecrjt unb ben Gibilprocefj mit befonberer 9lüdfid)t auf
ßu/jern unb bauerten bis 1824, roo f&. feine ©tetlung aufgab. Um 2Cßeit)nad)ten
1826 tourbe ^. jutn slititgtieb beS ©rojjen StattjS geroätjlt, bem er bann un-
unterbrochen big 1867 angehörte. 2)ie SBerfaffungSberänberung bon 1829, roeldtje
bie 'ütacrjtbotlt'ommentjeit beS täglidjen Statt)«! befdjränfte unb bie Trennung ber
©eroalten auSfprad) , mar b,auptfäd)lid) fein unb beS nachmaligen ©d)uttt)eifjen
$atob Äopp 2Bert unb als bann faum nad) $nhafttreten ber neuen Sßerfaffung
(Steujafjr 1830) bie 9iacr)roirfungen ber franjöfifd)en ^utirebolution auf bie
©djroeij fid) jeigten, ftettte fid) mieberum 5J3. neben ©crjulttjeifj ?lmrc)rjn an bie
©pi^e ber liberalen Partei unb fütjrte mittels Ausarbeitung berfdjiebener orga*
nifdjer ©efetje, burd) roetd)e namentlid) bie politifdjen ober @inrooljner= im ©egen=
fatj ju ben DrtSbürgergemcinben neu gefdjaffen mürben, bie 23erfaffung bon 1831
inS ßeben ein. 2)a bie neue Drbnung ber 2)inge gleich bon Anfang an 3at)t=
reidje ©egner rjatte, fo unternahm ^3. in ßujern bie ©rünbung beS fogenannten
©dtjutjbereinS , ber laut ben Statuten jum 3roecfe blatte, bie auf ben ©runbfatj
ber politifdjen 9iect)tSgleict)t)eit bafirte, repräfentatib=bemofratifd)e Skrfaffung beS
SantonS ßujern unb bie auS biefer Söerfaffuug rjerborgegangene Regierung beS=
felben ju fdjü^en unb nöttjigeniaHS mit ben SBaffen ju berttjeibigen unb auS
bem bann ber fogenannte ßangentljaler* ober fcr)roeijerifd)e ©djutjberein eniftanb,
roeldjer leitete bann aufjert)alb beS (SautonS ßujem eine biet giöfjere, atterbingS
aud) bebenflidjere Sebeutung erlangte als am Orte feiner ©rünbung. 2>er bon
^ß. berfafjten ©djrift: „3uruf an ben eibgenöffifdjen Söorort ßujem bei lieber-
uat)me ber ßeitung ber 23unbeSangelegent)citen", ßu^ern bei Xaber sJJlet;er 1831,
ber erften geroidjtigen ©timme, roeldje an ber ©teile beS 33unbesbertrageS bon
1815 eine neue SunbeSberfaffung berlangte, liefe ber 33erfaffcr, als gegen feinen
23orfd)tag eingeroenbet mürbe, man gelange auf biefem SBege jur rjetbetifdjen
(JinfjeitSrcgierung jurüd, eine „fur^e sJtecr)tfertigung" folgen, in ber er ausführte,
bafe ein grofeer Unterfdjieb malte jroifdjen jener SintjeitSberfaffung , bie jebe
ßantonaljouberäuetät berfdjtungen unb bem borgefdjlagenen SunbeSftaat, in bem
baS felbftäubige ßeben ber (Santone roie biSljer Stnerfennung finbe, unb unter-
ftütjte feine Sluffaffung burd) 33ergteidt)e aus) ber WtebiationSjeit. 3ln ber aufeer-
orbenttidjen ütagfatjung bom SQtfttj 1832, an roeldjer, atterbingS aufeer bem
©djoofee ber ütagfatmng, baS fogenannte ©iebnerconcorbat abgefd)loffen unb ber
(Sntrourf einer fd)roei,jerifct)en SunbeSberfaffung ausgearbeitet roorben , blatte
$. neben feinem 33ruber (Jbuarb unb bem nacbjtjerigen ©djutttjeifeen %atoo Mopp
tl)eilgenommen, fbrad) fid) bann aber im ©rofjen Statb, beS SantonS ßu^ern für
3)ermerfung beS bon ber aufjerorbenttict)en 2agfa§ung bon S^rid) (1833) be=
ratrjenen SntmurfS au§ bem ©runbe auS, meit gemä| bemfelben gleidje 9teprä=
fentation ber ßantone in ber oberften SunbcSbeb.brbe feftgefep roorben, barjer
bie 2)tinbcrt)eit in bie ^Jtögtid)feit berfe^t fei, ber Majorität ba$ ©efe^ borju=
fd)reiben unb jubem bie biSt)erige ©teEung Neuenbürgs beibehalten fei. Nad}=
bem ber (Sntrourf am 7. 3uli 1833 in ßujern berroorfen roorben roar, roirfte
ty., bon ber ftaatSredjttidjen 33etrad)tung auSgetjenb , ba| bie Sinfüljrung einer
bom Sßolfe gerodelten berattjfc^tagenben i?örperfct)aft, bie einen Seftanbtljeil ber
centralen ©efetigebungSgeroatt auSmadje unb bie Nation als ©anjeS repräfentire,
baS l)auptfäd)lid)fte Kriterium beS ^BunbeSftaateS im ©egenfal^ ^um ©taateubunb
bilbe , in Dppofition gegen feinen SSruber (Sbuarb für Berufung eineS eibge=
nöffifdjen 35crfaffungSratb,eS foroo^t im ©rofjen Statt) bon ßujern, roetdjer fid)
1835 roirflict) für ben SöerfaffungSratt) auSfpradt), als auc^ an ber £agfatjung.
SllS elfter ©efanbter feines dantonS auf ber £agfat$ung, berfodjt er jenen ©e*
bauten in 3ürid) , roo er 1834 ben eibgenöffifcfjen ©ru^ entbot, unb 1835 in
$ft)ffer üon 2llti§t)ofen. 719
33em. @r t)ielt tjier eine auSfürjrtidje «Rebe über bie SunbeSrebifion unb natjm
aud) Itjeit an bem bom fd^toeiäeriydjen ©crjutjberein ben 26. gebruar 1834 in
goftngen gegrünbelen Wationalberein für «Schute, Äirdje unb ©taat, ber fidj $ur
Aufgabe gemadjt tjatte , auf eine neue 23unbeSberfaffung ljtnjuarbeiten. Sßet
ben äaf)treid)en ftrd^Udjert gelben ber Sreifjigerregierung brängte jidj 5p. nie
in ben Sorbergrunb. (Er fat) biefetben nad) feinem eigenen ©eftänbnifj nidjt
gern, tjiett eS aber für feine ^3flidjt , bie einmal jur Söatjrung ber ftaatlidjen
£ol)eit§red)te gefaxten 9tegierungSbefd)tüffe nad) Gräften ju unterftütjen, unb ber=
ttjeibigte aud) bie biel angefochtenen 33abener (Souferenäartifel, nad)bem biefetben
einmal befdjloffen maren , obmotjt feine 2lnfid)t anfänglid) batjingegangen , ber
(Staat foüe feine 9led)te ber $ird)e gegenüber btofj im gegebenen galt, aber bann
mit aller Energie rjanbtjaben. IßfrjfferS Stellung in fird)tid)en Singen mar
überhaupt feine offenfibe ober ber fau)olifd)en $irdje feinbfelige, fonbern biel=
metjr eine befenfibe, meldje fiel) barauf befdjränfte, liebergriffe ber Äirctjengetoalt
in baS ©taatSleben jurücfyumeifen. ©ett 1831 ^räfibent beS tujernerifdjen 3tp=
toellation§gerid)tS fcf)tug ty., an ©teile feines am 11. Secember 1834 berftorbenen
SSruberS Sbuarb junt ©ctjultrjeifjen geroärjtt, biefe letztere ©teile auS, um bie bon
ü)m begonnene ^teorganifation bei ^uftijmefenS burdjjufürjren, moju er alle er=
forbertierjen (Stgenfdmften für eine nadjtjatiige unb erfolgreiche SBirtfamfeit in
ftet) bereinigte, ©ein imponirenbeS, auf uncrfd)ütterüd)en ©runbfätjen rutjenbeS
äöefen mar geeignet aud) äufjerlid) bie Autorität feine«? 2lmteS ju ertjötjen,
ibäfjrenb baS 23emufjtfein ber t)ob,en SSebeutung ber 3fufÜ3 ini ©taatSleben,
ber ©inn für 9ted)t unb ©ered)tigfeit bie ©ignatur feines geiftigen SebenS mar
unb itjn bor bitten jum ©efetjgeber feines £>eimatt)ScantonS gefdjaffen blatte.
SBotjt nirgenbS ift bie Slbneigung gegen formale ^uriSpruben^ ftärter, ber Ürieb
•jum ruhigen getjen laffen größer als in ßujern, unb boef) berfetjaffte ty. bermöge
ber itjrn innerootmenben ?lutorität bem ßanton ben ©egen einer ftjftematifc^en
©efefegebung. Unter feinem Sinfluffe gelang bie 5lbfaffung eines bürgerlichen
©efetjbudjeS (1831 — 39), fomie biejenige eines neuen, milbern ©trafgefefcbudjeS
unb ©traTberf atjrenS , meldieS 1836 an bie ©teile beSjenigen bon 1827 trat.
ty. marb aud) in biefer Sßertobe mit ßnttnerfung beinahe aller anbern ©efefee
betraut, modjten aud) bie 9Jcaterien nod) fo toerfc^ieben fein, 9cid)t minbere
SSerbienfte erwarb fiel) *)>. um bie praftiferje 9ted)tSpflege. @r forgte für eine
mürbige Haltung beS ©eridjtSfjofeS fottjol)! materiell in feinen ßntfdjeibungen,
als aud) formell in feiner äußern Haltung unb übte über bie Untergeridjte, bie
früher oljne alle Slufftdjt unb Seitung amtirt tjatten, eine ftrenge ßontrole auS.
Sn berfdjiebenen ifjm burd) baS Vertrauen feiner Mitbürger übertragenen com*
munaten 23eamtungen berblieb er anfangs ber breifjiger ^ab^re nur fo lange,
als er eS für nötljig eracr)tete , bie ©runbfäfee ber neuen ©taatSberfaffung audb
nad) biefer 9ticf)tung tjin jur ©ettung 3u bringen. 3um ®n»fe für all bieS
berbienftbolle äöirfen beim 9tegierungSmecl)fel bon 1841 bon feiner ©teile als
StbeltationSgeridjtSbräfibent entfernt unb burdj einen beS ÜtecfjtS bötlig untun=
bigen £anbetSmann eifert, ertrug «J}. ben Söedjfel beS ©efc^idS mit ©leic^mutl)
unb fc^toB bie le^te ©ifeung beS ^pbeüationSgericliteS (14. ^uni 1841) mit ben
fcfjönen Söorten: „5Die Wiener ber ©ered)tig!eit b^aben fid} mit ber 2ld)tung ju
begnügen oljne je auf Semunberung ju rechnen: benn fie tjaben nidjtS ^u er=
ringen unb ju berfdjaffen, fie fabelt nur baS iljrem ©cfjufee anbertraute §eitig=
tljum be§ 9led)tS treu ju beiualjren unb babon ^ebem gemiffenb^aft jujuerlennen,
roaS i§m gebührt. Sie ©eele ü)reS 2BirfenS ift nierjt jene, baS ^ufätfige bt*
ad)tenbe, nad) 3^tt unb Umftänben fid) bequemenbe, gefd)meibigc ^lugfjeit, bon
toeld)er bie ©taatSbermaltung notb^menbig geleitet mirb — fonbern allein jener
einfadje ©inn, ber nirgenbS tjin, als fjinauf 3um ©efefee, unb bon ba jur tb^at
720 *-Pfoff« öon Alti§t)ofen.
tjerunterblidt, — jene Üiecfjtlicrjfeit bcv ©efinnung, roetdje unbefangen als 9ted)t
auSfprid)t, roaS fie als baS Sterte evfennt; jene ©tärfe beö Söillene, roeldje mit
feftem, feinem Sinflufj roeidjenbcm, burd) feine ©eroalt p beugenbcm 9fon bie
äßaage ber ©eredjttgteit ftets im fidjern (Sleidjgeroidjt tjätt." 3nS ^rioatlebcn
3urüdgefet)rt grünbete 5JJ. mit ^ubroig sJßtajib sUletjft , getoefencm ©taatSanroalt
unter ber SJreifeigetregierung (f. b.), ein Aböocatuibüreau, nat)m aber gleid)=
ido^I als ^Jtitglieb beS @ro|en 3iati)S an ben öffentlichen Angelegenheiten Ieb=
tjaften Autfjetl, fämpfte für bie 'Jreirjeit ber treffe, bie ev fd)on auf ber 2ag-
fa^ung Don 1829 ftegreid) oerfod)teu unb judjte oergeblid) bie Berufung ber
^efuiten unb bie (SJrünbuug beS ©onberbunbeS ju oerfunbern, oljne fid) irgenbroie
Dom Söobeu beS Ütectjts ju entfernen. 2)iefe ftreuge 9ted)tlid)feit Ijiuberte aber
nidjt, Jonbern reijte bie ©egner, it)n planmäßig in ben s4k'°JeB über bie 6r=
morbung £eud (1845), roo er nad) brei 3Bod)en .gmft gegen Kaution eutlaffen
rourbe, ^u Derroideln. sJcad) bem %aHe beS ©onberbunbS roirfte 5ß. als Dcttglieb
ber Dom ftegierungSratt) beS (JantonS £ujern aufgehellten (Sefetjgebungscom*
uiijfion bei ber Ausarbeitung bei ©efeüe über bie ©cfjulbbeitreibung, bin (SoncurS,
ben (SiDil* unb fpäter ©trafprocefj mit. — ©djon bei Anlaß ber üleDifiou beS
eibgenöjfifdjen vDlilitärftrafgefc^bud)eS burd) bie Xagfatjuug in bie biesfatlftge
(iomuuffion unb nad) Annahme biefeS ©efetjbudjcS jum eibgcnöffifdjen Dberft
im ^uftiiftab ernannt, befleibete s4>. in ben ^atjren 1837 unb 38 bie ©teile
eines ^räfibenten ber eibgenöjfifdjen .ftriegSgelber. Sr naljm Don 1848—1863
als sJJtitglieb unb 1854 als ^räfibent beS fdjroeijerifd^eu 9cationalratl)s leb=
Ijafteu Anteil an ber Aufteilung ber Dielen, jur 2)urd)füt)ruug ber neuen s43unbeS=
Derfaffung nottjroenbigeu ©efeije uub funetionirte iu ber ^eriobe öon 1848-1863
fünfmal als s4h'ä|ibent DeS fdjroeijerifdH'U ".BunbeSgeridjtö unb getreu feiner Vor-
liebe für baS 3fuftiiroejeu leimte er 1855 bie il)tn nad) bem Xobe ^JtunjingerS
jugebad)te ^unbeSratfjSftetle ab, um bann 1857 fid) aus ber AbDocatur in oaS
lujevuenfdje Dbergerid)t, bem er bis 1871 angehörte, jurüdjujieljen. Dbrool)t
ein ftrammer Anhänger ber sJteprüfentatiDrepublif unb Qfreunb inbirecter ißkf)len,
foroeit biefe letjtem burd) SBatjtcollegien ftattfanben unb nidjt auf bem ^rincip
bei ©elbftergänjung beruhten, toar s4>. bod) ein aufrichtiger 2)emofrat, ber ade
SDiplonuteufünfte Derfd)mät)te unb ber allen ftänbifdjen 23orurtt)eilen abtjotb,
feine ©rljolungsftunben meift im Greife einfacher Bürger Dertebte. (Sin eifriger
greunb bes äkreinSroefenS eröffnete ty., 1831 jum ^räfibenten ber tjelDetifdjen
©efellfd)aft erroäfjtt, biefelbe am 4. 9Jlai mit einer ftebe: „lieber bie folgen
ber neueften ©taatsformen in ber ©djroeij in |)iu|"id)t auf ^olitif unb ßuttur"
unb befudjte regelmäßig bie fd)rocijerifd)eu ©änger= unb ©djüüenfefte, au benen
er, toie an ben großen VotföDerfatnmlungeu öon Reiben oom 21. Auguft 1836
unb ©urfee oom 3. October 1862 als beliebter unb gefeierter SßolfSrebner auf=
trat. sJieben feiner potittfdjen, gefe^geberifdjen unb rid)terlid)en 2t)ätigfeit fanb
s4$. nod) 3eit ^u fefyt bebeuteubeu publiciftifdjen unb fd)iiftftellerifd)en Arbeiten,
öon benen mir feine ^roei 33änbe ,,©efd)id)te beS Santons £u,}ern" (3ul*i^ °"
Orett, güßli & (Sie., 1850 unb 1852) als bie erfte äufammentjäugenbe ©efd)id)te
biefeS (SantonS, fpeciell Ijeröortjeben. SS bürfte tjier befonberS ber 2. £tjeit, roo
ber Verfaffer bie ©efd)id)te feiner 3£it. i-n ^er e* in fo tjeröorragenber Sßeife
ttjiitig geroefen, er^ätjlt, oon bteibenbem tjiftorifdjem 3Bertt)e fein. 3fn bem t)i=
ftorifd)=geograptjifd)=ftatiftifd)en ©emälbe ber ©djroeiä tjat 5ß. ben ßanton Supern
in jroei Sänben bearbeitet unb toxi nennen oon feineu übrigen literarifdjen äöerfen
Ijier nod): „^HedjtSfreunb für ben Santon Supern", bie in ©emeinfd)aft mit ^otjann
Ü3aptift ^urgilgen (1843—46) Derfaßte: „Anleitung jur güfrrung oon llnter=
fud)uugen in ©traffad)en". „Erläuterungen beö bürgerlid)en öefe^budjeS" (3 53änbe,
1832—39). „Dr. ^afob sJtobert ©teiger unb beffen ©tiafprojeß in ßujern.
^frjffer tum Sltttefjofen. 721
6in Seitrag ju ber ©efctycfjtc ber jüngficn Greigniffe im Ganton ßu>,ern." „$et
Sempacrjer Ärieg," Supern 1844. „TOne Beteiligung an ber 3tatb>t)err Seu=
fcfjen üJlorbgefcrjicfjte", fpäter notf) ein Üiadjtrag tjier^u, unb enblicfj „Beleuchtung
ber 3lmmannifd}en Unterfucfjungsmettjobe unb Betrachtungen über bas Strafoer*
fahren überhaupt", daneben Berfafjte B. nod) Betriebene Strttfel für baZ
StaatSlertfon Bon lÄottecf unb SBetcfer, für bie fritiföe ^eitfcfjriit für 9tecf)t§=
tDtffenfd^afi unb ©eferjgebung be§ SluSlanbeS unb Tür Semmee Stnnalen ber
GriminatredfjtSpflege , gab enbtid) im 3ab> 1866 eine Sammlung Keinem
Sdjriften nebft (Erinnerungen au§ feinem Seben rjeraus , bie roertrjBolle Beiträge
3ur 3eitgefcf)icfjte entljattenb, fer)r lidjtbofle Bticfe in ba§ confequente, über*
jeugungitreue Streben be§ Berfaffere geroätjren. Niemals raftenb, mar B. felbft
in rjotyem Silier nocrj litterarifdj tfjätig , roie bie§ ba§ r)übfctje Bücfjlein: „Sie
ötaatßBerfaffungen be§ Ganton§ 2u3ern unb bie gteform berfelben" (1869 1 unb
bie inb>ti§Botte Schrift „9lu§ bem Seben \>e% roeitanb ©rofjratl) 2ubroig Bla^ib
3fterjer", unb nodj Berfdjiebenc anbere Heinere Schriften, ber ^frjffer--2lmtefjen=
rjanbel ic, bemeifen. Btyfferg bteibenbe Bebeutung für ben Ganton C'ujern liegt
auf bem ©ebiet ber ©efetjgebung unb ^Rechtspflege. 2Bäf)renb feine politifdje
Irjätigfeit in ben breifsiger ^arjren Bon einer aufrichtig patriotifd)en ©efinnung ge=
tragen, attjufefjr Bon format=juriftifd)en ©eficf)tfpunften au§geb>nb, ben Ijiftoriidjen
Berrjättniffen BieUeicrjt nidjt genug Oiecfmung getragen Ijat, Bertrat B. in juriftiftf)=
tec^nifc^er Bejtermng unbebingt bie 9iitf)tung, ber bie ^ufunit gehört, in ©teile
be§ ©eroorjnrjeitsrecrjti ift bas ©efet; getreten unb biefe§ fott ftreng formal, rein
bebuctiB auf bie concreten Srjatbefiänbe angeroenbet roerben. ^eut^utage, roo bie
focialen g^gen cor 3lttem ba§ 3«tintcrejje in Slnfptucfj nehmen, fudjt man
oietfacrj bie juriftifctjen Begriffe burdj roirt^cfjaTtlic^e , politifcfje unb ettjijcfje
Bfrrafen %u erfeijen unb e§ mag biefe inbuctiBe Stiftung für bie ©efetjgebung,
bie fte mit neuem Sfarjalt bereichert, Bor ber §anb eine geroiffe relatiBe Berect)*
tigung tjaben, für bie BrariS bagegen, bie nidjt mefjr roie ^ur 3ett *>er 9tömer
bae gettenbe 3xect)t aus bem Begriff ber aequitas fortjubilben f)at, fonbern Bon
bem befierjenben ©efetj ausgebt, ift ba§ bebuctiBe, formale ober abftracte Ber=
fatjren ba§ einzig richtige. S)en nicrjt immer togi|d) abgeftärten 2tusfprudj be§
©efe&eS rjat ber juriftijcrje Sdjeibefünfiter auf feine Elemente jurücfyufüfjren unb
biefe formale Seite ber praftifdjen ^urilprubenj fanb in B. einen Borjüg=
ticfjen Bertreter; bei ir)m etfcfjien ba§ ©efetj in feiner ganzen SÖÜTbe unb öotjeit
al§ bie erfte unö oberfte 9ttdjtfcrjnuc für bie Sntfcf)eibung be» 5Ricf)terö unb ent=
gegen einer jet^t nocrj befte'r)enben rcmantifcljen 9ticrjtung, bie in ber ©efe^gebung
nur eine Reffet für bie miffenfc§aftlicr)e ^-reitjeit be§ üiicrjters erbtieft , faej ip. in
Gobificationearbeiten unb ftrammer ©eferje^anroenbung bie roarjre Aufgabe be§
praftifetjen fünften. Sfn ber gegenroärtigen $eit, roo ^uftijfragen im ©egenfatj
5U ben bxet^igex $acjreu ba§ allgemeine ^ntereffe nur metjr fet)r toenig in 9tn=
fprud) neljmen unb Biete bie ^uftij für einen Soften galten, ben man möglicrjft
bei Seite ju fcfjieben fyahe, ift e§ getoif} fet)r angezeigt auf hochbegabte Männer
roie B. rjinjuroeifen, bie irjr ganje^ bebeutungsBolles Seben ber 3M"ti3 unb
©efe^gebung getoibmet unb barin eine roürbige Berroenbung if)re§ £afeine erblicft
rjaben, benn ftets bleibt roarjr bas alte 9Bort : Justitia fundamentum regnorum. —
9tect)t§fctjuten unb Otecijteliteratur in ber Sdjtoeij Born @nbe bes 5)cittel=
altera bi§ ^ur ©rünbung ber UniBerfitäten Bon 3^^ uno 53ern, fyeftfctjrift
Bon Dr. 2llot)§ Bon DreÜi, ßüxidi 1879, S. 69 unb 70. — Baumgattner,
£ie Sdjroei,} in ir)ren kämpfen unb Umgeftattungen Bon 1830 — 1850, Bb. 1
unb 2. — 5- 81. Bupifofer, 3fofj. ^afob Jpefj al§ Bürger unb Staatsmann
be§ Stb§. 3üticrj unb eigen öffiferjer Bunbe§präfibent, Qüxid) 1859.
5Jcet)er oon Sdjauenfee.
ülllgent. beutf^e JBioaroD^ie. XXV. 46
722 $foff« öon 9llti«t)ofen.
$ft)ffcr ÜOH SUtiöljofcit: (Sbuarb % ti. 21., fdjweiaerifcrjer Staatsmann,
SBruber oeS ßafimit (f. b. ), geb. am 13. October 1782 ju 9tom, gehörte feinen
tiolitifdjen SInfdjauungen nad) toefentlid) berjenigen Partei an, bie bie Reform
bc§ MreS 1829, weldje bie für ©tabt unb 2anbfd)aft je auf bie -frälfte feft«
gefe|te Dtetiräfentation beibehielt , aber bie 9Jtad)tbefugntfe beS täglichen 9tatt)S
befdtjränfte unb bie Nennung ber ©ewatten betfügte, herbeiführte unb in ber=
felben metjr ober weniger it)r tiotitifdjeS $beal im ©inne eines ©Ieid)gewid)tS
ber ^ntereffen tion ©tabt unb i'anb erbücfte. $., ber feine 2luSbilbung mcift
in ftom burd) $ritiatunterrid)t erhalten, bereits als fecrjaerjniätjriger Jüngling
unter ber tjelüetifdjen Gentralregierung ein Sfatjr lang bie ©teile eines JfriegS*
commiffarS beS iiftrictS ßujern betleibet, unb fidj Dom ^atjre 1803 an mit
SluSjcidjnung ber 2lbtiocatur gewibmet tjatte, würbe im 3- 1814 nadj bem
gewattfamen ©turje ber sJJtebiation§regierung in ben täglictjen 9iattj gemärjtt,
wo er balb eine tjertiorragenbe ©tellung einnahm. Dberamtmann tion 1814—17
im ßnttebud), tion 1821—27 in ßujem unb tion 1821 bis ju feinem £obe
*Potiäeibirector beS ÄantonS, tjat fid) $. fpeciett als 93iitglicb beS SrjietjungS»
rattjeS bteibenbe Söerbienfte um baS tujernerifdie ©d)ulmefen erworben. 9US jebodj
bie Berufung £rorterS als ^roiefforS ber ^ilofotitne nad) ßujern 2lnlafe ju einer
^Bewegung gegen bie in ber ©tabt tiorljerrfdjenbe clerifate unb ariftofratifd)e
9tid)tiing gegeben unb bie Regierung bie 2lbfetjung Sroi-ter'S wegen ber ^eraus=
gäbe feiner ©djrift „^ütft unb SBolf nad) SudjananS unb 5JtiltonS Setjre" oljne
beffen tiortjerige (Sintiernatjme tierfügte, würbe aud) ber ßinflufe ^ftiffer'S, ber
1821 bei einer ßrneuerungsroarjl in ben 6rjiet)ungSratt) übergangen worben
unb gegen ben bie ftautonSgeiftlidjfeit Älage erhoben, tiorübergeb/ub erfdjüttert.
Sßom (SrjtermngSratb, benncd) als Referent für baS 2anbfd)ulwefeu mit beraten*
ber ©timme beibehalten, liefe fid) ty. in feinen 23emüt)ungen für Hebung beS
©d)itlwefenS nidit abfdjredcn unb eS erfolgte im 9Jtai 1830, tion if)tn bearbeitet,
ein umfaffenbeS (Sr^ietjungSgefetj , burd) weldjeS bie ©ecunbarfdjulen — ;jwar
fdjon 1813 befdjtoffen — nun wirflidj eingeführt , alle SBitbungSanftatten beS
«Staates in ein ©an^eS äufammengefafet unb bie 2luffid)t unb Dbforge über baS
©d)utmefen, baS bisher faft auSfdjtiefetid) in ben .fränben ber ©etfttidjen gelegen
l)atte, unter bie ©ebitbeten jebeS Berufes tievttjeilt Würben. Obwotjt grunb=
jätetief) auf bem SBoben ber Üteform üon 1829 ftetjenb , befreunbete $. fid) bod)
leidet mit ber SerfaffungStieränberung tion 1831 unb fanb ftd), nad) bem ©iege
ber liberalen Partei für 1832 jutn ©d)ultb>ife gewählt, ba Supern Söorort ge-
worben, an bie ©pifce ber eibgenöffifdjen ©efdjäfte gefteHt. 2)ie beiben aufeer=
orbentlidjen Sagfafcungen tiom 9Jtärä unb 9Jtai 1832 befaßten fid) t)auptfäct)ltcb
mit ber 33aSterfet)be unb eS lag 5ß. jubem bie (Eröffnung beS ferner Eintrages,
betreff enb Befreiung Neuenbürgs tion fürfttierjer «g)errfct)aft ob, beffen er fid) auf
bie für ben ©taub Neuenburg benfbar freunblicfjfte äBeife entlebigte. %n ber
gjtäqfifeung leitete $., aÜerbingS aufeer bem ©d)oofee ber 2agfafeung, bie 33er=
tjanblungen über baS ©iebnerconcorbat unb ben (Entwurf einer fd)Weijerifd)en
SunbeStierfaffung, Weld) letzterer ©egenftanb bann hie am 2. 3uli öon ty. feier=
lid) eröffnete orbeuttid)e 2;agfa|ung befdjäftigte. @S würbe bann wirtlid) bie
9tetiifion befdjtoffen unb biefetbe einer ßommiffion übertragen, bie nact) bem am
9. Dctober ftattgeljabten ©d)tufe ber orbentlidjen 2agfa|ung fdjon am 29. £)c=
tober unter bem Söorfit; @. ^ftiffer'S in ßujern ^ufammentrat unb it)re S3eratf)ung
bis 3um 20. 2)ecember fortfebte, wät)renb in bie gleidje 3"t bie (Sntftefmng ber
fog. ©arnerconferenj fällt. Über ißunbeSentwurf , in bem alte Äantone gteidtjeS
©timmrod)t erhielten unb Supern als SunbeSfi| beftimmt war, Würbe, auf ber
^agfateung tion 3ürid) tion 1833, an ber $. NamenS beS ©tanbeS Sujern
ben eibgenöffifdjen ©rufe entbot, ,$u ®nbe beratt)en, gleid)jeitig tion ben rabicalen
spfof?« t>on Sütüfjofen. 728
ütebotutionären unb Dort ber 3Iriftofratie unb ®eiftlicf)feit betämpft unb Dom
SJotfe beS ßantonS Suaern am 7. J3ult 1833 mit 11,412 (Stimmen gegen
7307 berworfen. Von nun an mar «ß. Wieber tjauptfäcfjüc^ im @r.jief)ung8To4e
unb fpcciett bei ber fteorganifation ber tljeologifcfjen Serjranftalt trjätig. »m
e§ mürbe t)ier ein entfd&iebener Efcijjgriff burdj bie Berufung beS bert)ängm&=
botlen Grjrtftopt) 5ud&3 (f. 51. ©. 33. VIII, 156) begangen. SBeil (^nftopf) $u$*
no$ in bie ©uSpcnftonSgefc^t^te beS 9I(ot»8 5u$« (f. 31. 3). 33. VIII, 156; ber*
wicfelt mar erhielt er bie bifctjöflicfje Abmiffion in bie Siöcefe 33aje( nidjt, unb
eine ftolge babon mar bie SSabener Sonierenj. Stn unb Tür ficf) maren bte
©runbfäfce, meiere 5p. unb mit ifjm nocf) anbere Staatsmänner m ber SBabener
(Sonierena aufftettten , eineS freien Zottel roürbig unb jte ftanben mett t)inter
bem jurücx, was biete fatyolifäe Surften feit langer 3«t in itjren Staaten
eingerührt tjaben, allein man überfat) , mie Subwig «ötetier b. ßnonau in lernen
©enfroürbigfeiten fetjr richtig bemerft fmt, bafc in bem fog. Ubligenfäwnler»
Raubet bon 1725 unb 1726, melier 9ß. in erfter Sinie öorfätoebte , baS Volt
felbft gegen ben (EleruS unwillig geworben mar, wärjrenb jur Seit ber 3-abener
ßonferena eine ftarfe Partei im eigenen Sanbe ber Cbrigfeit entgegenftanb. —
$ trat als entfdjicbener ftreunb ber Reform unb ©egner ber Stebolution , er=
macfit b'on bem fdjönen Xraum ber ßintjeit, wie er fict) ausbrücfte , m bem am
7 SJlai 1834 bei Beratung über bie eibgenöffifcrje 23unbeSremfion tm©ro&en
föatf) bon Suaern gehaltenen Vortrag, ber red)t eigentlich als fem ®$u>anen»
aefana gelten tann , ber 3bee eineS eibgenöjjtfäen SBerfaffungirat^eS auS aüen
Gräften entgegen, inbem er bafür tnett, ba£ biefer Söeg nur mittels einer m-
Polution, beren folgen 3um Voraus nictjt beftimmt werben tonnten, ju betreten
fei Hufcer bem ßraietjungSfacrj unb ben eibgenöffifcfjen Angelegenheiten mar 4*.
nok) auf bielen anberen ©ebieten ber Verwaltung tfjätig , namentlich aucfj als
njtitalieb beS burcfj baS VormunbfcfjaTtSgefefe bon 1819 eingelegten „Armen*
unb Vormunb^aftSrailjeS'', präfibtrte 1825 bie Sonferena ber «bgeotbne ten ber
©tänbe megen beS großen ©aunerrjanbetS , auS bem bann ber «procefe betrettenb
bie Grmorbung beS <5<$utt$et&en fetter ausgetrieben unb bie Sprung ber
Unterfuctmng ber Regierung bon Sftti* übertragen mürbe unb geborte als
Etitqlieb berfctjiebenen gemeinnützigen Vereinen an, fo ber lanbrntttr^aitlicrj--
öfonomifd&en ©efeUf^aft beS ÄantonS Suaern, ber ftfnieiaerifäen gemeinnützigen
©efeüfctiaft, bie il)n bei if,rer MreSberfammlung in Suaern im 3. 1825 jum
SBruftbenten gemäht unb präfibirte 1826 bie r)elPettfdt,e ©efelllcfmtt m f&W^-
%m % 1826 bemühte fi$ $• fet)r für ginfüt)rung beS ebangelifcfjen ©otteS=
bienfteS in feiner Vaterftabt trofc einer fiel) b>gegen geltcnb ma^enben fxarfen
Cppofition, inbem er fiel, tjiebon manches ©uteS »erfpra$ unb augleufc ranb.
baB Humanität unb ©erec^tigfeit biefetbe forberu. Sony, rühren au* awei
Mbföe 23iograpf)ien über »Ufäultfcifc $. Ärauer unb Stabtpjarrer SfmbbauS
TOtter ber $., ber in jener fritifc^en 3eit. »o er m ^itung ber eibge-
nöjfifc^en Angelegenheit berufen mar, eine glücke «Kitte eingenonimen mtä™
bei gjtagiftraten ber alten unb ben ftabicalen ber a.rojler'fcjen Schule t,atte
Suaern in ber Cibgenoffenfc^aft biete ©btnbatrjien ermorben fo bafe ® tabt unb
ftanton Suaern beftimmt f^ienen , ^cittetbunft eibgeuöfn^en SebenS a^en
ben inneren unb äußern Kantonen 3u werben unb eS ift Saumgartner re« : 8u
neben wenn er fngt, eS fei bie Verwerfung ber SöunbeSurfunbe bom Mre 18o3
in Suaern eine bon meieren Urfac^en, warum fpäter biefer Äanton bon fetterem
Unalücf beimgefucljt worben. ^. genoB wegen feine» milben unb ireunblicrjen
K dner9feltmen Popularität unb eS würbe fein Job ber am 11. 5December
1834 auf ber greife bon ÄartSiu^e in Dtten ptöfelid) eiiolgte im ganaen
Danton Suaern, ber in if)m feinen gewanbteften unb er?olgretcl)ften (Staatsmann
46*
724 $foff« *>on SlttiS^ofen — spfoffer bon 2£i)l)er.
Betrauerte, al§ ein Wationalunglücf emtofunben. 2)er ©laube roar fbäter aflgc=
mein Verbreitet, bafj e§ $. mit feinem fidjern £qct unb bem grofjen Vertrauen,
beffen er fid) überalt erfreute, bei längerem Seben geglücft märe, bie 23ermid=
hingen ber ©onberbunbäberiobe ju berfjüten.
©efd)id)te be3 $anton§ Supern bon Dr. (Safimir «pjüffer, 3ürid) 1852,
2. SBb. - S)ie ^efuiten in ßujern, mie fte famen , mirften unb giengen bon
3ofef 3mf)of (bfeubonbm für ^ropft 33. Seu). ©t. ©allen 1848. — Äurje
2eben3befd)rcibung be§ ©d)ultf)eifj ©buarb ^fljffer feiig bon Dr. %aloh Robert
(Steiger, ©urfee 1836. — ©djultrjeifj ©buarb ^frjffev bon ©tabtpfarrer
2öalbi8 1836. — Seben ber beiben 3ür($)crifdt)en 23ürgermeifter SDabib b. 3Büfe,
Sßater unb ©otm, gefd)ilbert bon «ßrofeffor ftriebrid) b. Sßbfj, 3ürid) 1886,
2. 33b. , ©eite 514 unb 530. — SebenSerinnerungen bon ßubmig Met) er
b. tnonau 1769-1841, ^rauenfclb, Verlag bon $. J&uBer 1883, ©. 405 f.
— £>ie ©djmeia in itjreu kämpfen unb Umgeftaltungen bon 1830—1850,
geferner) tlidj bargefteltt bon alt Sanbammann SfaEob 33aumgartner, 3ürid)
unb Stuttgart, 1. unb 2. 33b. 1868.
M e t) e r bon © dj a u e n f e e.
9$foffer öon aitt^oftn: ftrana Sab er Greift. *p. b. 31., ^efuit,
Äanjjelrebner. Wettefter ©olim beS Stjriftoprj $. unb ber Maria am W)\)n,
geboren ju ßujern am 21. 2lpril 1680. Mad)te feine ©tubien in feiner 33ater=
ftabt, berjidjtete aus Siebe jum geiftlidjen ©tanbe auf feinen g-tbeicommifjtitel
auf bie #crrfdjaft 2lltiät)ofen unb trat 1695 ju 9tom in ben ^efuitenorben.
SOßar bann mefrrere ^atjre ^ßrofeffor, fpäter einige $al)re .^ofcaplan beim fur=
bfätjifcrjen £)ofe unb Ijernad) 28 Sartre 2)omprebiger in 2lug§burg, mofelbft er
am 29. Märj 1750 an einem ©crjlage ftarb. 23on feinen aafjlreidjen, je^t
bergeffenen ©Triften berbient bie nad) feinem £obe btranftaltete ©ammlung
feiner ^ßrebigten (2lug§burg 1752. $ol.) befonbere (h-toätjnung. ^n biefen
jeigt fidf) ty. al§ geroanbter ^olemifer, ber bie fattjotifdEje ßetjre mit reidjem
ttjeologifdjem SGÖtffen unb 33erebfamfeit berttjeibigt , unb bie SBärme, mit ber
biefe gefd)ief)t, beweift un§ , bafj er ein glaubenätreuer ©ofjn feiner $ird)e mar,
mie er benn aud) für einen ber befteu Äan^elrebner feiner 3^it galt.
g. 33altt)afar, Materialien j. ßeben§gefd)id)te berühmter Sujemer. M§3.
ber 33ürgerbibliotljef Sujern. — «gmrter, Nomenciator theol. cath. II. 2. 1267.
- 33. gieifälin in ben „Monatärofen". 1885 86. 566. 91. 57. — 2iug.
unb 211. be 33atfer, Bibliotheque. äöofclbft and) ein SSer^eicfmifi f. ©djriften.
©djiff mann.
^fljffer Mit SiMjIjer: ^ranj ßubmig *ß. b. SB., fönigt. franaöfifdjet
©cnerallieutenant , fdjmei^erifdjer Xobograpr); geboren in Supern am 18. 5Rai
1716, f ebenbafelbft am 7. ^obember 1802. — (Sin ©oljn be£ fran^öfifdjen
33rigabier8 Soft %. b. SBbfjer in Sujern unb ber 21. sFcaria SPfrjffer b. 2Uti§=
l)ofen erhielt ty. feine @r$ier)ung in einem 6abcttenl)aufe in gfranfreid), trat
1733 al§ ßabett in bie ©d^lneijergarbe in $art§ unb madjte in berfelben, im
9tange auffteigenb, bie ^elb^üge be§ polnifd)en unb be§ öfterreid)ifd)en @rbfolge=
friege§ 1733—1747 mit. 33or ^Renin, 2>re§, greiburg i. S3r. unb bei 9fcocroi
unb ßaufelb fid) au§3eidmenb. 1742 9titter unb 1776 ßommanbeur bei Drben§
bon ©t. Soui§, 1748 (10. Mai) Maröchal de Camp, 1763 ^nrjaber eine§ ©djroei^er»
regimente§ in ^ranlreid), 1768 (1. Januar) ©enerallieutenant , naljm er 1769
feinen 2lbfdjieb unb teljrte für bteibenb — nad) ber £$familtentrabttion 1772 —
in bie «gjeimatr) jurüc! , bie er beinahe attiätjrticf) , oft in ©efellfdjaft feineg
3Baffen!ameraben, be§ S)id)ter§ ©ali§, im Urlaube befudjt ^atte. ©ctjön 1736
mar «p. in Sujern pm Mttgliebe be§ @ro^en 9latl)eg, 1752 3um Mitgliebe be§
^rtjffer oon Söttet. 725
engetn ober kleinen 9tatf)eS (ber «Regierung) ernannt roorben; er befCeibete jefct
aucf) nod) anbere Remter, würbe 1788 Senner unb bei ber ®ntftet)ung ber
„#elüetifc£)en militärifdjen ©efellfcf)aft" 1779 beren erftcr ^räfibent. ©eine
«JJtuße in Urlaubsreifen aber unb nact) feiner bteibenben Stnfieblung tn Sujern
toibmete er mit unauSgefet^tem, fteigenbem @ifer ber StuSfüfjrung beS juerft öon
ibm gefaxten ©ebanfenS, bie fäjweijerifcfjen «Alpen au? ©runbtage öon «JJceffungen
unb 3'ei^nungcn ptaftifct) batjuftetten. 3n bietjatjriger eijemer perforierter
Arbeit fct)uf er baS erfte topograpf)ifct)e 9telief ber ©entratfctjtDet^ baS feine
3eitgenoffen üiet bewunberten unb noct) bie ©egenwart mit banfbarer 2lner=
fennung unb regem ^ntereffe betrautet. Sie erfte 3bee jur Anlegung etneä
MefS fott in $. burä) bie Collection des reliefs des places fortes de France
bei ben Sntmtiben in s£ariS erwecft roorben fein; {ebenfalls würbe fie aber be--
ftärft unb Don $. juerft näfjer auSgebilbet burct) ben 2tnblicf bei «PitatuebergeS
bei Su3ern, ben er öfter als ixgenb ^emanb beftieg, Betrachtete unb fcf)on 1756
in einer anjieljenben „Promenade au mont Pilate" in greronS Journal oranger
befcbrieb. @r uerfertigte ein «Relief beS SergeS in «Pappe f baS 2lufmerffamfett
erregte (f ©. @. $attet, Sb. X, 430 oben, „Serfuct) eineS fritifdjen Serjeicf)*
niffeS" ic. 1759, I. 139, unb Sibliotfjef b. Scb>eiaergefcf). 1785. I. 435).
S)er erfolg gab $. ben @ntfcf)tuß ju einem größeren 2öerfe ein; er entwart ben
«Rlan eine§ «Reliefs ber ganzen Sentratf^weij unb färitt jur «Jlusmrjrung.
«Racbbem er fiel) in ben erforbertiä)en geometrifdjen tfenntniffen berbollfommnet
fcatte bereifte er bie ©ebirge unb freute feine «ütüfje unb ©efatrr, um bie bar»
äufteäenben (Segenben bis in alle Sinietrjeiten genau fennen ju lernen unb au]«
lunebmen «Jtod) fehlte eS im ©anjen burcfjauS an jureic^enben garten; alles
mußte er fetbft tljun, fetbft „feftlegen". Sie ©cl)Wierigfeiten ber umgäbe wur=
ben buref. baS «Dtißtrauen err)öt)t, womit bie auf itjre f5freit)eit eiTerfuc^tige söc-
Pötferung ber ©ebirgSfantone jebe aufnähme beS 5anbeS öon ber emjt ein
fteinb 9tufeen äiet)en möchte, betrachtete; gtoei «Uta! würbe % Tötmli* al« >©pton
anaebatten. Siele arbeiten machte er bafjer in monbtjetlen «]cäct)ten. @r befugte
£f)äler unb ©ipfet, bie für unzugänglich galten; üier flcal 6e|tieg er ben xitliS
tobet binauf, a(8 fonft ©emSjäger 9u flettern pflegten. Sei längerm 2lu;ent-
batte in ©egenben, wo feine SebenSmittet ertjälttict) waren, Uflegeet einige
Riegen mitpnetjmen, oon beren Met) er fiel, näfjrte. Sei feinen »tbei en fjatte
er als ©etnitfen bie längfte Seit fjuibutd) nur feinen © lener pajtb > Saliner aus
bem (Snttebucf) ; in ben legten Mren t)alf ifjm einigermaßen fem (Snrel Jo]t $mn,
nac^matS fctjweijerifdjer Slrtiaerieoberft. Sei ber ^aftif Jen JluSarbeitung bei
grforfdjten fuebte «p. ber ©eftalt aüer einzelnen mobeEirten Xljeite babureb, bie
mögliWte «tigfeit W geben, baß er biefelben beuten ber betrejtenben ©egenben,
Sauern unb ©emsjägern, OorwieS, fie 3u genauer «Prüfung jeber natfgebtibeten
Formation bee SobenS einlub unb nacl) il)ren Semerfungen oor^anbene fteljler
oerbefferte. ©0 entftanb fein großes Ütetief, baS in einem ÄecfcteÄe oon
6 61 Weter Sänge auf 3,89 «Dieter Sreite bie ßantone ßujern (mit ;3luSnat)me
einiger'weitlictjer ober norbweftlicfjer ©renäftric^e), Unterwalben, Un, ö um.
^ug unb ' angren^enbe Steile ber fiantone Sern unb 3ün* b«|teEt. ffiaS
©anje umfaßt ungefähr 180 fd)Weiäerif^e Duabratftunben 8anbe wobei ber
angenommene 3Jtaßftab für bie tjorijontaten ßntTernungen 1 : 125 000 mr b
oetticalen Hebungen 1 : 10 000 betragen äu ^aben fc^emt ®aß bas ©anje
auf wirflidben geometrifcb.en Sermeffungen beruht, ift au8j;erglei*cnben ^eliungen
na^ bem SBerfe felbft mit ©ic|er^eit 3u etfennen. S)ie TOatfe. au» »e Jet
baS3telief geformt ift, befteljt naef) ^inffer^ eigener toBerung auS Söac^S
^ed) unb einem Äetne oon «Poppe. Sie Oberfläche jeigt m 5orm unb »arte
baS natürlid)e?tuSfel)enbeS3:errainS: bewohnte Orte, angebaute? Sanb, Söatber,
726 S-PM" b0» 2B^«.
getfen unb ©tetfdjer, ©etoäffer allev Art, ©trafcen unb gufcbfabe. 2Bie lauge
3eit bie ^erfteüung bog ©anjeu in Anfbrud) natym, läfet fid) barauS abnehmen,
bajj baS 9ietier im ^erbfte 1765 (ftäfi, ©taatS-- unb Srbbefdjreibung bev fd)tr>.
(Jibgen. 23b. 2 , 23orrebe ©. 3) bie Serge am 23ierroalbftätterfee , einen itjeil
bet UntcrtDalbnergebirge unb bie Cujern ^unäd)ft liegenben Sßogteieu bei* ©tabt
umfaßte; bafj eS 1776 (6oje, Travels in Switzerland 1, 150. 165) fdjon im«
geiofjv 60 Cuabratftunben begriff, roäljrenb für eben fo biet weitere ©egenben
bie grunblegenben 3c^nun9en tneit Waren; bajj ©auffure (Voyages inödits
IV. 119) 1783 ungciäljr 100 Cuabratftunben im Relief bottenbet fab, unb
ßefetercS 1786 feinen botten Umfang erreid)t rjatte. — 2)aS SBerf mad)te auf
bie ^eitgenoffen, bie eS fafjen , einen überroättigcnben ßinbrutf. 2)iefj bezeugen
nidjt nur bie bemunbernben Aeufjerungen bon Männern wie doje unb ©auffure
(a. a. £).), fonbern aud) bie überaus aarjtrcidjen ©rtoärjuungen unb 23efd)mbungen
beS Reliefs in ^fitfctjriftcn, in biograprjifdjen unb in Oteiferoerfen ber bamaligen
3eit , Wie 3. 53. in ^urlaubenS Tableaux topograpliiques etc. de la Suisse,
$ariS 1780 88, Heiners' Briefen über bie ©djroeij, 23ertin 1785, II. 127,
§r. 2. b. ©tolbergS «Reifen, Königsberg 1794, I. 121 u. St. m. SDie $erfön=
lidjfeit *Pft)ffcr*Ä trug au ber 2Birfung beS bon itjm ©efdjaffencn bei. ffienn
ben 'Dflann, ber mit größter ©efäfligfeit ^ebermaun ben Zutritt ju feinem
Kunftroerfe eröffnete, zeichneten mannigfache äußere unb innere 23orjüge, Kraft
unb ©efunbtjeit beS üieibeS unb ©etfteS, ein leutfeligcS, offenes, altfcfymeizerifdjeS
SBefen unb augleid) feine roettmännifdjc 23ttbuug in glütflidjfter 2öeife aus.
©et Hamburger Senator ©üntfjer (f. 31. 3). 23. X, 174) erjärjU in feinen
„Erinnerungen" (©. 289), bafj ^., obrootjl er bei 23oIlenbung jeineS Reliefs
im fiebjigften 3ab> ftanb , fid) nod) mit bem ©ebanfeu trug, baffelbe auf bie
ganje übrige ©djroeiz auSaubebmen unb bafc nur 23cbenflid)feiten bon 3ürid)
unb 23crn gegen bie auf itjrem ©ebiete boraunetjmcuben Skrmeffungen 5ß. toer=
rjinbeiten, an biefe weitere Arbeit au fdjreiteu. sJftit ber ßebljaftigfeit unb
ßnergic, bie it)m eigen war, rjatte <p. fid) übrigens aud) au ben politifdjen
©reigniffen beteiligt, bie ßujern in ber 3«t bon ^ftiffer's boüfter Kraft bewegten.
AIS 1769 baS (Srfdjeinen einiger ©d)riften gegen bie geiftlidjen Crben bie bittern
©treitigfeiten unter bem ^atriciat in ßujerti rjerborrief , in benen cS ftd) in bie
gegnerifdjen Parteien ber „Sonföberirten" unb „Siffibcntcn" fpaltetc, ftellte fid)
<J3., obWoljl biStjer an firdjlidjcn Singen wenig beteiligt, als (Segner 23alentin
sEtet)er'S (f. A. 2). 23. XXI, 616 oben) entfdjtoffen in bie föeirjen ber 6on=
föberirten. 23ei einer Uebung ber Artillerie bor 3at)lreid)er ©efeÜfcrjaft fetjob er
eincS SageS eine jener berrjafjten ©djriften in bie s]Jtünbung einer gelabenen
Kanone unb reid)te bie brennenbe Sunte feiner neben itjm ftetjenben ©ematjlin,
bie auf fein ßommanbo baS ©tüd abfeuerte. 23on ba an ^Ite ty. ju ben
^äuptem feiner ^artei. — 2}eibienftlid)er blieb bie militärifd)e unb topogra=
pt)ifd)e SBirffamteit beS ausgezeichneten Cannes, ber bis <ju feinem im 86. %a$xt
erfolgten Ableben üoEfter ©efunbtjeit unb beS üerbienten 9lnfet)enS geno§. ©ein
Relief, otjne beffen 23efid)tiguug fein üteifenber Supern bertieB, gab aud) ju
bitblid}cn Sarftellungen beS betreffenben SanbeS burd) bie §anb gifd)idter
Künftter Anta^. ©dt)on 1777 erfdtjiencn in 3lu^au^en'^ ermätjntem 2Berfe
3tnei in $ariS geftodiene 23lätter nad) geidjnungen, bie 51. A. S)under (geb.
in ©tralfunb 1746, f in 23ern 1807) nad) s$f^ffer;S Relief angefertigt tjatte.
@troaS fpäter Veröffentlichte ber 3"Qet Kupferfted)er %. %. ßtauSner (geb. 1744,
t 1795) ein ätmlicrjeS , unter ben Augen beS ©eneratS ty. berfertigteS 23tatt.
6t)r. gjledjel in 23afet gab 1786 bon 2>under'S, 1799 bon (SlauSner'S 23lättern
^ad)bilbungcn tjerauS. 2)aS Relief felbft benubte ber franjöfifdje ©eneral
Secourbe 1799 beim ©ebirgSfriegc in ber ©djroeiä gegen bie Oefterreidjer unb
*fi3ff«- 727
Muffen. 9cod) 1803 30g baffelbe bie 2lufmerifamfeit ber franjöfifdjen Regierung
auf fid). ©eneral 9tet), bamalä ifjr ©efanbter in ber Scrjrceij, liefj ficf) üon
bem franaöfifdjen ©enierjauptmann Sofepb, Sßirüauj einen SBeridjt über Spfüfferg
Söerf erftatten, roobei ber Söcrfaffcr einen Stnfaui beä fRetief^ fftt Sfranfteidj
befürwortete, ©tüdlicrjerroetfe für Sujern nnb für bie Scrjtoeij tarn bas ©efdjäft
nidjt 3um Slbfdjlufj. £)a§ Relief blieb im Sßefifce ber gamilie $füffer unb würbe
1865 üon bem bamaligen erbberechtigten (Sigentrjümer Dr. med. 0it)ffer=©egeffer
ber SBürgergemeinbe Supern 3U -gmnben it)ret öffentlichen Sibliotrjet gefdjenft,
bie aud) bie Süfte , ein Porträt bee ©eneratg unb 73 feiner 2lufnar)meblätter
(©efcfjenf üon £errn 3foft $tüffer--©ölblin) befifet. Snt Sefifce ber Familie be*
finben fidj aroei üßorträts1, öon benen ba§ eine, roafnfdjeinlid) üon 9teüu)arb ge=
malt, 3ß. in feinem 53ergreifecoftüm barftellt. ©eit 1873 ift baä Relief ler)ens=
toeife bem Sßefitjer be§ „©tetfdjergartenö" in Supern jum SBerjufe ber 33e[icfjtigung
burcr) grembe, anüertraut; ebenbafetbft roerben Sßfrjffer's' 33ergftod, ber mit einer
SSorridjtung für bie 3lufnarjtnen üerferjen ift, unb bie ©anbaten gezeigt, beren er
ficrj bei feinen SBanberungen bebiente. Unter ben üielen neuern 58efcr;reibungen
be§ 9tetief§ ift al§ eine ber trefftidjften biejenige üon 9Jtac ©regor (Note-book
^Switzerland] ßonbon 1835) ju ermähnen. —
Duetten: üDie im £erte genannten ©djriiten. — .§etüetia, geitfdjr. üon
Mtfjafar, gujern 1823. I. ©. 205. — Stob. SSotf, Siograpfjien jur fdjroei;}.
£ulturgefd)id)te. ^toeiter (Srjcluä. 3ürid) 1859. S. 231. — 33. Stuber,
©efd)id)te ber ptjt)fifd}en ©eograptn'e ber ©crjroeia. ^ütitf) 1863. — ©anj
üor^üglirf) aber: 9t SBolf, ©efdjicrjte ber SSermeffungen in ber ©djtüeia. 4°.
3ürict) 1879. ©. 117 ff. Sdjiffmann.
^fyff CV : *2 u b ro i g «p. , ©diuttrjeifs ju Sujern, geb. 1524, t am 17. gjldra
1594. — (hft 1483 roar ba§ ©efdjledjt ber SßTrjffer burd) Sluinafjme be§
SofjanneS *ß., ber, üon 9totfjenburg in ber Cujerner Sanbfdjaft gefommen, in
ber ©tabt ein Sucrjgeroerbe betrieb , in ba§ ^Bürgerrecht in Supern feftgeroactjfen.
9lber fcfjon biefer Sorjannes\ ber 1508 in ben kleinen föatrj tarn unb erft 1540,
102 Satrre alt, ftarb, ftieg ju einer anferjnlidjen ©teflung empor. Gin ©orjn
erfter @tje, 2 e ob e gar, ber ba§ bebeutenb erweiterte ütudjgefdjjärt antrat, würbe
©edetmeifter. 5tu§ ber brüten (Srje, weldje ganj befonberä Üteidjtljum unb
5tnferjen gebraut rjatte — mit 2Jtargarett)a fticl, ber ©djroefter bc§ 1569 3U
SSafet üerftorbenen ^umaniften Subtoig Äiet ober Garinu§ — tjintertif^
Sotjanne§ üier ©ötjne, unb üon biefen rourbe Soft (ber keltere) 1558 ©c^ult=
fjeifj, Äafüar, ber jüngfte, 1585 "Ülitgiieb be§ steinen Srat^es. ©d)ultt)eiB
Soft rjatte gleich 1559 bie ©teile be§ 3lu§tr)eiler§ ber ^eufionen üon ber fran=
3öfifd)en Sotfc^aft errjatten unb roar nun, feit 1563 in ben franjöfifc^en 2tbel§=
ftanb erhoben, in feiner einflußreichen Stellung in bie Sage gefegt, tf>eit§ ba§
Uebergeroic^t ber franjöfifcten Snteteffen, t^eite bie ßinroitfung ber eigenen
gamitie in immer au§brüdlid)erer Söeife in Supern ju begrünben. — Submig
toar ein ©o'b.n bei Seobegar, unb er betrieb aU junger ÜJiann mit feinen
23rübem ba§ üom ©roßüater unb 33ater ererbte, burd) eigene ©efetjäftereifen
ftetS metjr erroeiterte Stuctjgefc^äft. 5lu|erbem rourbe er 1548 5Jlitglieb be§
©rofien 3latt)§, üerroaltete bann jroei Heinere 23ogteien be§ Sanbgebietes. ©at*
auf gab er ben ^anbelsbetrieb auf unb roibmete fid) im S- l553 , an beffen
Gmbe er aud) in ben kleinen 9latr) gelangte, bem Äriegsgeroerbe , inbem er ein
exfted 3Jlal al§ gfä^nbitc^ in ßönig ^cinrierjö II. S)ienft nad} granfreid) 30g.
@rft im ^erbft 1557 erfc^eint s$. nadjroeigticft roieber, unb 3toar jefet als ^oupt*
mann eines Sujerner gäl)nlein§ im 9regimente Sucaö Ütitter'g, in ber ^icarb«:
er nafjm an ber 6innat)me üon Galai» unb üon ©uinei, im S<muar 1558, X^til.
3tber audj in ber ^etmatfj ftieg er bajroifdjen 3U immer t)ö£)eren Slmtgfteßen empor,
728 SPfoff«.
fo 1558 ju bev Verwaltung öon V3iHisau, bei Widjtigfien fiujerner Sanböogtei;
anberentl)eils begann er, als Slbgeorbneter ßu^erns bei eibgenöffifd)en ^ar)i=
redjnungen ober bei politifdjen 5Dliffionen mit(mwirfen. 2)od) bie grofje gtoüe,
welche $. bann in gtantmdi) ju fpielen berufen War, fcfct nidjt öor bem £obe
£)einrid)s II. ein. Erft unter beffen ^weitem 5ftad)fotger, $art IX., mit bem
öolten 5>tusbrud)e ber franaöfifdjeu 5Keligionsfriege, würbe es ben £>itf£truppen
bet fatfjolifcfjen Äantone möglief), in ben inneren kämpfen confeffionetler Färbung
bem Äönigsfjaufe ber Valois fid) in fo wcfentlicfjem 5Jflafje nüjjlidj ju machen
2tts Hauptmann be§ Mujerner f$fäf)nteins beim ^Weiten 2Iufbrudje bes $af)res
1562, Glitte Dctobev, tarn 5p. nad) Vurgunb unb rourbe ba gteid), als fid) bie
gefammten ftäljntein nad) eibgenöfftfcfjem Vraucfjc jum Regiment orbneten, 3u
beren Dberften erwä()lt, fo bafj burd) ifjn bie "Äbtfjeilung bem fcfjon im 3funi
abmarfdjirten Regiment grötjtid) nad; «pari« augefütjrt rourbe. ©ie Vereitelung
ber öom Springen öon (Vonbe beabfidjtigtcn Vefetmng öon Gorbeit, 23. 5)lobember,
roar bie erfte glüdlid)e 5JBaffentf|at, bei roeldjer 5p. ein gröfjres ßommanbo inne
tjatte. 5ftad) ber Vereinigung ber Verfiärfung mit bem 5Regimentc f^i'ötjttct) ging
freilief) ber Vefel)l an biefen weit älteren, im franjöfifcfjen SDienfie fdjon lange
erprobten ©olotfjurner Officier über. Slber fcfjon am 4. SJecember erlag
grötjlid) einer fur^e ^eit bauernben .Wranfrjeit, worauf ber ßujerner 2am=
mann ben Vefefjl über bas bereinigte Regiment antrat. 91m 19. fam es bei
Vlainöille — bie Ve,}eidjnung beö (JreigniffeS nad) ber ©tabt üDreuj ift weniger
genau — ju ber blutigen ©djlacrjt, wetdje burd) bie tapfere aber öerluftreidje
«Haltung ber (scfjweijer einen günftigeu Stusgang für bie Äöniglicfjen natjm.
Slud) Sammann roar unter ben (Gefallenen, unb nun rourbe 5p. öon ben £)aupt=
leuten als Statthalter für ben oberften Vefefjl befteüt. 5ftad)f)er, 1563, beteiligten
fid) bie ©djroeijer nod) an ben Belagerungen öon Orleans unb öon -£>aöre, bas
infolge bes Vertrages ber Hugenotten mit ber .Königin (Slifabcttj burd) bie
(Sngtänber befetjt roorben war; aber im 2>ecember bes 3af)ws würbe bas 9tegi=
ment in 5ftad)Wirfung bes griebensfcfjtuffes öon Slmboife enttaffen. — ^urüd*
gefefjrt rourbe 5p. jur oberften friegerifdjen Veamtung feiner |)eimatt), berjeuigen
bes 5pannerf)errn , erljoben, unb 1566 mar er einer ber ©efanbten gemeiner
ßibgenoffen auf bem Dtetdjstage ju Augsburg beljufs Vcftätigung ber greiX}eiten
öon Seiten Jnfaifer 5Dtajimilian's II. , wobei biefer ben ßujemer 5)lbgeorbneteu,
befonbers aud) burd) Verleitjung ber 5Jtitterwürbe, öor^üglid) auszeichnete. "Mein
5Pft)ffer's ^ntereffen waren bod) ftets öoran mit ^nmfmcf) öerbunben: — er
antwortete einem 2lnfud)en VenebigS , ba^ er „alä ein ßriegemann aud), ein
Wiener bei Königs fige, bem er bieuen Welle, unb feinem anbern -g>errn".
50tod)te aud) bie Erneuerung ber 1564 , fünf $af)re nad) ^>einrid)g II. £obe,
^u 6nbe gegangenen Veretnung, mit $arl IX., fid) ntdjt jum minbeften Wegen
ber längeren 3urtici,f)Qitung Su^erns fdjwieriger geftaltet fjaben — benn burd)
bie weitgefjenbe 5Jlid)terfüUung umfangreid)er ^nan^ielter Verpflicfjtungen ber
fran3öfifd)en .ftrone waren in erfter ßinte bie ßu^emer Dbrigfeit unb rnafc
gebenbe 5perfönlid)feiten bafelbft in Verlegenheit gebracht Worben — fo würbe bod)
am 21. 3uli 1565 ju 5))lont <5t. 5üiarfan in ber SaScogne burd) Soft 5p.,
al§ ba§ |>aupt ber eibgenöffifd)en ©efanbtfd)aft an ^arl IX., ber Vertrag bis
auf baß fiebente 3af)r nad) bes Königs Sobe neu befcfjWcren; aud) 5p. fjatte,
jwar of)ne amtlidjen S^arafter * ber Votfcfjaft fxd) angefdjloffen. Unb fo Wie
er nad) Gräften ju ber Erneuerung mitgewirft, öerftanb es fid) aud) öon felbft,
ba|j er 1567, als bie Verfjättniffe in granfreid) ben 3lufbrud) einer neuen
Stüftung erforbertid) mad)ten, bas Regiment befehligte. 3Rtt biefem 2lufbrud)e
im 3uli 1567 beginnt ber wid)tigfte 2lbfd)nitt in 5pfö/ffer's Seben.
$foffer. 729
S)ei „ftteng ernft^aftige tüadjtmuntete <£>ei-t, bet in finem 9tat unb 2In=
fcb/legen nit ftrublet , funbeti tool beftnnt, t)tt nit balb mit einet Sadj, alles
mit gutem 9iat , fjalt gut unb fdjatpf Regiment , tjatt alt unb moletfatne
ßtiegelüt in fjodjcn (Eten, bulbet Sptllet unb anbete unnü^e Süt unbet finem
Regiment unb Saget nit , nam roolerfatne ^ouptlüt , fo ein Uptud) in bet
(Sibgnofdjaft bejdjaf)" — fo fdjitbett Jpaffnet, Sdjteibet beim Solotlmtnet
ftätjntein (f. 31. 35. 33. X, 317 u. 318), ben Dbetften — fanb fcfjon bot
Slbtauf bei jtDeiten Monate nad) bem 5tufbtud) bon Gtjatoni fut ©aone, wo
bet ©ammelplatj toat, ©elegent)eit, fidj auf bai ©tänjenbfie jju etptoben. 2)enn
nut bet tootjlgelungene (Jilmatfd) bon Gtjateau Jtjiettb, nad) TOeauj, in bet
etften 2ageif)älfte bei 26. Sept., toobutd) ei ben Hugenotten bettoefjtt mutbe,
bai ungefdjütjte fönigtitfje Jpoflaget in 5Reauj ju überrumpeln, unb Hjernadj,
am 29., bie gefdjloffene Sd)lad)totbnung, innerhalb beten bet Jg>of feinen 9tütf=
jug nad) ^arii betoerfftettigte , burdjfreujten ben tnotjtangetegten *ßlan bet
lugenottifdjen Partei, ben <!pof in ifjre 0ete>alt ju bringen. Sagegen nahmen
bie ©djtbeiäer, obfdjon in bet ©djladjtotbnung fteljenb , am 10. >Jlobember am
Steffen Don <St. SDenii feinen tljätigen SInttjeil , ba baffelbe roefentlid) ali ein
fReitergefectjt berlief. £)bfd)on nun infolge bei ^Jcifjerfolgei biefei 2agei bie
Hugenotten bie 53elagetung bon *ßatü aufhoben, tourbe bod) bie 23erftärfung
be§ 3tegimenti $., bie fdjon bortjer in 2luifidi)t genommen mar, betoetfftetligt
— tt>äf)tenb be§ ereignifjlofen SBinterfelbaugei ftiejjen am 28. SJecembet breijetm
gätjnlein au 23ittt) te irangaü jum föniglidjen -Ipeere — : abet mit bem ^rieben
öon Songjumeau, am 23. Wäx% 1568, mürbe biefe Sermefjrung bet ©olb=
truppen ttiiebet entbefjrtid) , unb am 2. 2lpril entließ bet Äönig, untet grofjen
Sobfprüdjen füt bie mätjtenb bet ihiegibauer geleisteten Sienfte aller ©ibgenoffen,
biefe bretae^n gätjnlein. — 3m batauf fotgenben Herbfie — beim abermaligen,
btitten, Jhiegiauibrudje — tourbe 5ß. bet öom 53tubet bei Königs, Heinrid),
Herzog öon Slnjou, geführten Sirmee, füt ben fübtoeftlicfjen jhiegifdjauplatj ien=
feiti bet Soire, augetfjeilt; abet etft bie ^loette ipälfte biefei Söintetfelbjugel, in
ben etften Monaten bei ^atjteS 1569, brachte eine tuicfjtigete friegetifdje 6nt=
fdjeibung. 2öät)tenb bet ftiegerifdjen Operationen an ber Gtjatente , in benen
ei galt, ben Hugenotten oen 28e9 na($ Of*«i, an oie °&exe 2°ire' 3U betlegen,
ftiefjen am 13. sDlärj bie beiben s#tmeen bei ^atnac auf einanbet, unb Gonbe
fttbft fiel in bet füt bie Jpugenotten eine enbgüttig ungünftige Söenbung an=
bab^nenben Sc^Iacfjt: mochten auc^, nad) ^fnffet'i eigenen 2Botten au fdjtiefjen,
bie ßibgenoffen ntd)t jum eigentlichen §anbgemenge getommen fein, fo fdjtieb
boct) ein banfenbet SSricf bes $önig§ nacft^et einen Hauptant^e^ am ®i£9e ?>•
felbft äu. 5lbet ma§ butd) ben ®tfolg bei ^atnac ehielt fcb^ien, ging nunbutd)
bie ungenügenbe gü^tung bet anbeten auf bem öftlidjen Ätiegifct)aupla| fteb,en=
ben föniglic^en Sltmee, untet bem Herä°9 öon Slumale, füt ben Moment
toiebet Petloten. 2)ie Stimmung bet ©cfjtoeijet, raelcfje , mie biejenige bet
fönigtid)en Stuppen übetl)aupt, ungebulbig auf einen butd)fd)tagenben Äampf
gerichtet mar — $. tt3ünfd}te in feinem S3etid)te öom 25. ©eptembet, aui ß.tjinon,
ba^ (Sott unb 9Jlatia bem jungen gütften unb ifmen ©nabe geben möchten,
„bamit mit einmal ein Snbe madjen" — fanb etft am 3. Detobet in bet
©dllacfjt öon 9Jtoncontout Seftiebigung. Sutd) ba§ Eingreifen, bee Regiments
^. in ben föeitetfampf, in metd}em bet Her3°9 öon Slnjou in fe^r gefcujtbetet
Sage fid) befanb , bann and) gegen bas fjugenottifdje guBDotf, ttmtbe übet
Golignt) bet üoüftänbigfte Sieg ettungen. ^etföntidje Slngcteg^nfjeiten äteangen
abet fnetauf atibalb $., fid) nad) Sujetn ju begeben, toob^in ÄatI IX. ben um
feine <5ad)t fo öetbienten Dbetften in jmei Scfjteiben bom 9. Cctobet, an bie
(Jibgenoffen unb an ßuäetn, auf bas mätmfte empfahl. £od) betblieben bie
730 Wtff«-
beiben eibgenöffifdjeu Regimenter überhaupt nur nod) bi£ jum 18. unb 20. 3e=
bruar 1570 im föniglid)en 2)ienfte, inbem fic, beffelben mübe gemorben , einer
neugefdjaffenen £5fül)rung batb überbrüfftg , il)re ©ntlaffung »erlangten unb er»
fnelten. 3mar traten fd)on im 9Jtärj jmei anbere Regimenter — Sdjorno unb
|>eibt — an itjre ©teile; aber rafd) erlahmte ber Ärieg, unb nad) bem ^rieben
oon ®t. ©ermain en 2at)e, 8. 2luguft, erfolgte aud) itjre 2lbbanfung.
2)urd) eine gegen ben Orjeim Söffet«, ben Sdjultfyeifjen Soft , aber aud)
gegen ben (Sinfluß ber gamilie "$■ überhaupt gerichtete innere 23etoegung in
ßuje;n mar 5p. bemogen morben, feine glänjenbe ftiegerifdje Saujbafjn ju öcr=
laffen. Rad) feiner 2öal)l jum Sd)ultf)eißeu, 1559, mar eä Soft gelungen, bie
Rioalität ber nad) Safyl unb ^arteifteüung midjtigften ßu^evuer @efd)ted)ter burd)
eine engere 33erbinbung bon fed)3 ber angcfctjenften Männer beiber Parteien, ber
franjöfifd) gefinnten unb ber in faiferlid)=fpanifd)en Sntereffeu ftetjenben, ju be=
feitigen, burd) eine 3Jerbinbung , mcld)e mit Redjt mit bem Stato ber großen
Familien ju (Tflorenj unter (Sofimo unb Sorenjo *Dcebici'8 ^ütjtung in parallele
gefegt morben ift. Soft unb fein Reffe, eben ßubmig 5JK, oertraten bie *$. ; bie
(Gegenpartei mar üoran burd) ben Schultheißen Riflau« 2lmlel)n bargefteüt, ben
©djtnager beä in ben ßänberfantonen t)erDorragenb einflußreichen Ribtualbncrö
>JJMd)ior Öuffi (f. %. ffi. 33. XIX, f,57— 660). ©od) mußte jebe Trübung ber
auemärtigen 23cjiel)ungeu, jmifdjen ftranfreid) unb Spanien, 3. SB. 1564, ben
v.öeftanb biefer 23erbinbung gefätjrben, unb ber Jßrud) jmifcfjtn Soft ty. unb
Slmlebn entftanb int SBinter 1568 au? 1569 megen ber gragc über bie bon
Spanien gemünfd)te 23emitligung öon Solbtruppen 311m Sd)ufce ber greigraifdjaft
s-8urgunb, einer Sad)c, in ber fid) y^. — nad) 5lmtetm'ö nad)t)er eingereihten
.JHagartifetn — fo gezeigt tjabe, „baß er ein ©efdjroorner beö $önigä (Äarl IX.)
ift unb irjrn be§ Äönig* 6f)re lieber, als fltoet, sBt. #., 2Bor)lftanb". Stabil
unterlag 2lmlet)n gegenüber Soft $. Tür 1569 in ber Sd)uttr)eißen=3öal)l. 2>od)
nun bereitete Slmterjn ben Angriff üor, juerft fd)on baburd), 1)a$ bie Verfügung
über bie v,Huätl)cilung ber fran.^öfifdjen *penfionen % entzogen unb boüftänbig
in bie Jpanb ber orbenttietjen 23el)örben gelegt mürbe , bann burd) bie 2Iuöar=
beitung ber am 15. Suni 1569 eingereichten 4o .Ulagartifet. Sd)on am
24. Suni mürbe bei ber regelmäßigen ^lemterbefejmug Sd)uttf)eiß Soft Sß.
fuäpenbirt, bagegen gegen ben ^auiierfjerrn, ben nod) in öfranfteidj abmefenben
öubroig 5ß., bie Suäpenfion nidjt aussgefprodjen , in richtiger Qrrfenntniß , mie
gegenüber ben 33ermittelungSüerfud)en ber biet Drte au§gefprod)en mürbe, baß
ber frembe ^rieg^bieuft unb feine SDiääptin nid)t geftört merben bürften. Slber
nadibem nun gegen Soft *$., ber fid) nad) feiner ©rftärung megen ßranf^eit
nad) 23aben begeben tjatte , am 12. September ein feine bürgerliche Stellung
öernidjtenbeä llrt^etl ergangen mar, ftanb für ßubmig 5p. pbiel auf bem Spiele,
aU baß er länger rjätte fern bleiben bürjen; benn gegen it)n mar ba§ Urtt)eil
„bis uff fin «Ipeimfunjt" öerfdjoben. So fetjrte er benn au§ granfreid) jurücf
unb trat am 7. 5cobember Oor ben Ütatl), unb am 18., nad)bem er feine 33er=
tf)eibigung borgebradjt, mürbe ir)m jmar eine 33uße auferlegt, bod) ber Sib im
Statt) unb ba§ Jänner gelaffen. — 35od) mä^renb beS folgenben S^e§ 1570
manbten fic^ bie 5Dinge öoüenbg ju ©unften ^füffer'S. (^in menn auc^ nidtjt
birect öon Slmlefm angebettelter , aber bod) aud) gegen Soft $• fi^j tic^tenber,
atterbingS rafet) befdjmidjtigter 3lufftanb auf ber Sanbfdjaft, ber 3totl)enburger
^lufru^r öom 21. gebruar 1570, 3eigte bie geiä^rlict)e Üragmeitc ber burcr)
innere 3tt)"trad)t erhielten Sd)mäd)uug ber obrigfeittic^cn Autorität; 2lmtef)n
fclbft t)atte, inbem er bei ber Sdjultljcißenmarjl für 1570 unterlag, nur einen
tjatben Sieg baöongetragen , unb feine Slnt)änger traten bon it)m jurüd. So
famen bie 5ß. Don feuern äum Uebergemicijt, unb auf 2ßeif|nad)ten 1570 mürbe
5Pfoff«. 731
^>. al§ 3(i)uttf)eiB jfit 1571 als ,<paupt beS t)eimifd)eu StaatewefenS erhoben.
2Iud) Sfoft 3p. fonnte, als iljn ber 9tatl) toieber in feine (Jfjren eingefefct, ©nbe
1571 jurücffetjren, unb nadjljer manbte fid) bis jum Jperbft 1573 baS 33latt
fo ööltig gegen ?lmleb,n, bat} biefer flüdjtig roerben unb bie jßerurtfjeituug über
fid) ergeben taffen mufjte. SlHetn aud) nad)bem Tür it)n eine 9Jtilberung einge=
treten, bie SftfidRelji ermöglicht morben mar , fam er nie mieber 311 einer öffcnt*
litten Stellung, mätjrenb 3 oft ^>. fdjon 1573 toieber in ben steinen 9tatf) ge=
tt>at)lt morben mar. greitid) blieb fortan Submig ty. an ber Spitje ber TJ-amilie,
bie nun immer metjr nad) biefer ^perfteEung bes SlnfeljenS ju eigentlicher Supe=
riorität in Sujem gelangte. Submig *ß. fautte aud) 1571 öom 2>eutfd)orben bie
©eridjtStjerrfdjaft 9llttSt)ofen in ber Sujerner Sogtei äBitliSau an, nad) melier
fid) ber öon it)in abftammenbe 3ro"9 oex $• !°riari benannte. 2tber anberer=
feitS öcrftanb eS 5ß. aud), bie ©treitigfeiten innerhalb ber an ber Regierung
beteiligten ^amitien gurüdjubämmen , inbem er in ben inneren unb äußeren
fragen eine confeffionette fpolitif auSfdjlietitidjer 2lrt tfjathäftig in bie £anb
natjm unb fo ein gemeinfameS ^ntereffe in baS Seben rief. Sßon 1570 an be=
ginnt für ifm in ben fatfjotifdjen Kantonen überhaupt jene mafjgebenbe Stellung,
bie ifjm ben tarnen beS „<5d)mei3er--£önigS" in ber Xrabition gefdjaffen tjat.
*ß. fud)te in biefen ^aljren in unb für Supern, unter beftimmter ^eftljattung
ber auf ben Sribentiner 2Befd)tüffen berufjenben firdjlidjen Reform, als ein auf*
richtiger 2)erebrer ber päpftlidtjen Oberleitung ber £ird)e unb baneben bod) ent=
fd)ieben für bie Setjauptung ber gtedjte ber Dbrigfeit tfjatig , eine ifteitje flar
erfaßter ©ebanfen burd)3ufüt)ren. Sie fatljoliJdje Sugenb follte einer ber pro=
teftantifdjen @vjief)ung ebenbürtigen fjötjeren Silbung ttjeütjaft toerben , unb fo
ftanb % an ber Spi^e ber eifrigen SBtftre&ungen ber üornefjmften ferner
Familien, ooran feines eignen ©efdjledjteS, ein Soltegium ber ^efuiten äu
grünben. 1574 tarnen bie erften ^efuiten; 1577 mürbe ber Vertrag törmlid)
abgefd)loffen ; bis au feinem SebenSenbe blieb $. ein freigebiger Sonne: unb
manbte bei 30 000 ©ulben an baS Gotlegiutn. daneben befd)äftigte iljn auf
bem 23oben ber £ird)enpolitif ein allerbingS nid)t aur SBottenbung gebrad)teS
«projeet einer «Reugefialtung ber ftaatSfud)lid)en 23ert)ättniffe. £>urd) bie 23e=
treibung biefeS fogenannten 3uriSbictionSgefd)äitS gebaute $. bie factifdje Söfung
beS Su^erner (ScbieteS öon ber Gonftanjjet Xiöcefe, bie (Jrndjtung eines apofto»
lifd)en SHcariateS, einer eigenen, unmittelbar unter 9tom ftefjenben geifitidjen
Autorität au erreichen. 2>urd) biefe SÖertjanblungen fam eS menigftenS feit 1579,
PottenbS feit 1586, burdj bie Senbung juerft Santonio'S, bann ^araöicini'S
3ur ©eftaltung einer ftänbigen Nuntiatur mit bem ©ifce in Suaern. 5Jtod)te
nun aud) biefe Söfung bem urfprünglidjen SBegc^rcn SujcrnS nid)t entfpred)en,
«p. felbft anfänglid) gerabe öon ^araöicini ftdj jurüdfjalten , fo ergab fid) bod)
balb atuifdien bem Nuntius unb bem ©djultfjeitien ein enger Serfefjr.
©an3 befonberS jebod) trat feit bem £obe ßarlS IX., wäfjrenb ber 9tegie=
rung beS legten Königs öom ^aufc SatoiS , £>einrid)S III., eine 2lenbaung
in ben SSejic^ungcn ^tnffefS, ber Suaerner ^otitif überhaupt gegenüber \5xant*
reid) ein. Sei ber SSeglürftoünfdjungSbotfdjait ber gefammten 6ibgenoffenfd)aft
an ben neuen ßönig, 1575, mar 3ioar $. £aupt unb Spredjer ber fatl)otifd)en
Drte, unb 1576 ging er mieber felbft an ber Spitze eineS SruppencorpS nad)
granfreid). Senn mie eS 1572, nad) ber 23artt)olomäuSnad)t, WartS IX. evfte
Öanbtung gemefen mar, in einer neuen fdjmeiaerifdjen Lüftung auöerläffige,
attein auf feinen S)ienft öerpflict)tete Sruppen b.eranauaieb.en , toeterje öon ben
Parteien im Üteidje unabhängig toären, fo mottte aud) ,<peinrid) III., mod)te aud)
bei ber mad)fenben Sßernad)läffiguug ber finanaielten Drbnung bie Summeber
nid)t beiriebigten f^orberungen auS ben auicinanber rolgenben ^lufbrüdjen ftetS
732 WWf»
metjr anfteigen, folctje frembe ©ötbner, auf toetdje ficb, im Augenbtirf ber ©efatjr
bie föniglidje Regierung fluten tonnte. 2)er fünfte ftetigionSfrieg — in ben
gebruar 1576 fiel ber Aufbruch, ber Pon *ß. gerührten Wannfdiaft Pon 6000 —
brofjte, ba unter bem ^jalagrafcn ^orjann Saftmir Serner Gruppen auf feinb=
lieber ©eite ftanben, Semaffnete beiber Goufcffionen auS ber ©cfjmeij auf frem=
bem Soben jufammenftojjen ju taffen ; allein ber am 6. sJJtai gefcfjloffene griebe
(Paix Monsieur) — über ben ty. entrüftet nad) £>aufe fdjrieb: „SGßir tjetten
mögen Inben, ba£ 3fr 3Rt. ee ben Krieg an bie |>anb tjettc genon, benu ben
gruben" — , führte bis jum 6. (September bie (Jntlaffung beS ÜtegimentS tjerbei.
Aber eben biefe sßotitif beS franjöfifdjen Königs, roelcfje in 5ß. 3roeifel an ber
mannen ©efinnung £)einrid)S III. für bie fattmlifcrje ©acf)e road) werben tiefe,
bebingte bie nad) unb nad) ju £age tretenbe Seränberung ber Auffaffung beS
ßujerner (Staatsmannes. SJaju tarn, bafj $. als Beauftragter ber (Jibgenoffen
märjrenb biefeS Aufenthaltes in granfreid) jmei 'Wkie am £ofe in ^iemtid^ un=
ummunbener 2Beife bie großen Stüdftänbe betonen unb für ben galt ber 9licrjt=
erfüüung mit ber Söfuug ber Sercinuug brotjeu mufcte. greittefj tag anbercrfeitS
in biefer großen ©djulb — rürfftänbiger ©olb, nidjt bejatjlte bertragSmäfjige
^ßenfionen, unter Sürgfdmft erhobene fönigüdje Anteilen eine Aufforderung,
an bem Sunbe mit granfreidj jeftjufjalten . roeit ein Srudj für eibgeuöffifdje
Orte unb für ^viüatperfonen bie allerbebenttid)ftcn , ^errüttenbften öfonomifdjen
golgen nad) fid) gejogen fjätte. 3(mmerrjtn mar üp. jetjt gemittt, nad) anbereu
äufjeren Stufen für bie üon itjm beabfid)tigte Gattung ber s$olitif feines ©taatS=
mefenS fict) umjujetjen. — Alle biefe fragen mirften fdjon gfeid) in ber nädjften
3eit nad) bem griebenSfdjtufj Oom lUai 1576. Söäfjrenb in grantretet) bie
fatrjolifcfjen Sntereffeu burd) bie Silbung ber ßtguc eine ber 2>rmaftie fetbft
entgegentretenbe Drganifation gemaunen, fteüte ficb, für bie tattjolifdje ©djmetj
©aüorjeu infolge ber Gattung beS Tranjöfifcrjcu £)ofcS gegenüber biefem ©taate
in ben Sorbergrunb. $atte .^er^og (Smanuet s.ßt)ilibert i^)011 tängft gemünferjt,
bie älteren Sejiefjungen 311 ben Gnbgenoffen burd) ein Sünbnifj mit möglidjft
öielen Orten ju befeftigen, fo mufjte bie burd) ben ©djuttrjeifeen s$. felbft fdjon
im £)crbft 1575 an ben in Supern refibirenben tjerjoglicfjen ©efaubten gerichtete
Pertraulidje Anfrage, meffen man fid) im gälte eines Kriegsausbruches bon
©aPonen ju üerfel)en l)abe, ir)n hierin beftärfen. ü&er £>er(\og begann bemnad)
1576 über ein £efenfiübünbnifj mit ber gefammten Sibgenoffenfdjaft, nicf)t blofj
ben fatcjolifc^en Orten, ^u Perfjanbeln, begnügte fid) aber balb , ba bie Unmög=
lid)feit rjierPon crfid)tlid) mar, mit ber ©eminnung ber fcdjS fatrjolifdjen Orte
— ber fünf Orte unb greiburgS — , fo ba& nad) ber Aufrichtung beS S5unbeS--
PcrtrageS, Pom 8. 9Kat 1577, 31t 2urin im £erb[t beS barauf fotgenbeu
^afjreS bie feiertidje Befdjroörung erfolgen tonnte. sJttd)t toenig ^atte jur 33e=
fd)(eunigung ber ©adje ber jubiingticfje unb auma^enbe Jon ber franjöfifdjen
23otfd>aft beigetragen, metdje fid) fef)r ernftt)aft bemüht ^atte, biefe grantreid}
unetmünfdjte Annäherung ^u burcb.treuäen. Sotdje 33erte^ung beS ©ctbftgefütjlS
mar, PoIIenbS für bie bemotratifetjen Orte, nur geeignet gemefen, ben 3ufammenfc^luB
ber fünf Orte unb nun aud) fdjon ber ©tabt greiburg um bie Pon $. geleitete
^olitif ßujernS ^u beförbern. greilid) gefdjat) barauf t)in ein franjöfifdjer
©egenfdjacfßug in bem am 9. 9Jiai 1579 abgefd)loffenen Vertrage, burd) meldjen
bie Krone granfreic^ bie eb>matS franjöfifdjen, burd) Eroberung an Sern über=
gegangenen Sefitjungen, fomie inSbefonbere bie ©tabt ©enf in ben emigen
grieben aufnahm, fic^ jur (Garantie ber ftaattic^en S5ert)ättniffe biefer ©ebiete
öerpftidjtete. Aber fo(d)e Annäherung beS fat^otifc^en Königs an Sern beant»
raorteten tjinmieber bie fatrjotifcfjen Orte burc^ ib,r SünbniB mit bem Sifdjofe
Pon Safet, unb abermals roar 5ß. ber erfte ber (Befanbten, meiere am 13. Januar
üPfoffet. 733
1580 ju «Bruntrut an biefer beuttid) gegen bie Gier reformirten ©täbte , ooran
gegen Sern unb «Bafel, beregneten feierlichen Vefd)Wörung fid) beseitigten. —
Sergeftalt tjatte bie ber confeffionett = fat^olifcrjen «Bolitif berbäd)tig geworbene
Haltung Äönig &einrid)S III. jur beben£üd)en Verfcfjärfung ber confeffioneüen
©egenfä^e in ber @ibgenoffenfd)aft fetbft beigetragen. SWerbingS ein grienen
ber Vereinung mit ftranfteid) fonnte aud) öon Supern unb bon feinen bie tat^o-
lifd)en Sntereffen betonenben näcbjten ©efinnungSgenoffen , fd)on um ber bereits
erwähnten materiellen fragen mitten, nict)t begehrt »erben.
Siefe fragen würben burd) ben 1580 eingetretenen 3Bed)fet ber Regierung
in ©abotjen infomeit gefäl)rtid), als ber neue $erjog Äart Gmanuel jmar gegen*
über Sern bie bunbeSgenöffifdjen Veaiel)ungen aufregt an ermatten fud)te ba=
gegen bie 2lnfprüd)e auf ©enf toieber l)erborr;olte. Veunruf)igt burd) neue Solle
an ber ©renae ©abobenS unb bie eingriffe r)eräogIicr)er Veamter in bie ©emer
^unSbiction, manbte fid) ©enf 1582 flagenb andern, meiert nun, burd)
Lüftungen be§ &eraogS aufgeregt, gleichfalls «rgtoo^n fafcte; aber aufcerbem
fcfjeinen aud) gemiffe Greife in Sern felbft fid) mit bem $tane getragen ju
baben, offenfit) boraugeb/n unb burd) bie äöiebererooerung ber 1564 jurud=
gegebenen ©ebiete öon ©er. unb (SrjablaiS ©enf enbgüttig ?u fiebern. 2>er
ßeraoq feinerfeitS erfud)te im 3uni 1582 bie fünf Orte um Vewiffiqunq emeS
SruppenanfbrudjeS, unb unter auSbrüdtid)er Villigunq SBfoffer'3 gingen bie lünr
pfjntein atSbatb nad) $iemont c^). Swifdjen ben confeffioneüen ©ruppen m
ber (gibgenoffenfdjaft fd)ien eS jum Äriege fommen au fotten, b\§ burd) eine
entgeqenlommenbe Grflarung bom 22. 3uli ber #eraog feine £ruppen bon ber
©renae aurfiäauaie^en fid) erbot unb bie Vermittlung ber unparteilichen Orte
bie unmittelbare ©efa^r befeitigte. 3»ar bauerte eS bis 1584, ebje ein neuerer
2lbfd)lufe erfolgte, allerbingS mit «uSnatjme ber Slnftanbe jmifd)en ©aoouen
unb ©enf; aud) bie ptmlein ber fatt)otifd)en Orte, Weldje im 3um lo82
einiqe Beit nur eine ©tunbe bon ©enf entfernt gelagert Ratten, waren fd)on
am (Snbe beS »eS wieber entlaffen worben. — Sie biptomatifcjen Veaie=
bungen gfranfceic$8 Ratten bon Anfang an für Vermeibung bon SeiubfeUgfeiten
im Innern ber gibgenoffenfd)aft gemirft; benn ^einrieb) III. Wünfjte bie Xex-
einunq mit ben (Jibgenoffen au erneuern. MerbingS War gerabe 5B. W unge»
Balten über bie Spaltung ber franjöfif^en Regierung unb blatte ber au&erorbent-
lidjen franaöfifd)en SBotfäaft $eioe Vorwürfe gemad)t, bafc bet Äomg „bieje
faule ©tabt ©enf unb ein fo gottlofeS ©efinbe" in feinen ©d)irm genommen
halt: benn man wußte aud) fonft bon «p.r bafc er in ©enf ein gana befonbereS
ßinbemil für bie fatljotifdien Sntereffen erbtidte. 2lber bie SotfäaTt arbeitete
unermüblid) bafür, ben Voben, welchen ©aboben in biefen legten Sauren in ber
©cbweia gewonnen tjatte, toieber einauengen, bagegen für fid) ben #cet3 Der
VunbeSgenoffen in berfelben, gegenüber bem Vertrage bon 1564 weiter je$t
eben 1582 u (5nbe ging, au erweitern. 2Iud) bie fatt)otifd)en Orte burjten td)
übrigens nid}t allau fet)r autflctytltenb aeigen, bamit nidjt ein etnfettiger WfcTOs
ftranfreid&S mit ben reformirten Orten barauS erwad)fe. ©o faai, mit bem
22 fvuü als Saturn, bie Vereinung au ©tanbe, unb obfd)on )id) ßuaern mit
feiner t^athaf tigeren Raffung ber Vcbingungen aurüdgewiefen gefel)en t)atte, war
bod) SB. ber Söortfüb^rer ber ©efanbtfd)aft ber elf Orte unb ber ^ugf^nbten,
wetebe am 2. Secember ben Vunb in $ariS befdjwur. ©ana befonberS ^atte
bie franaöfifd)e Diplomatie nod) barin qefieqt, ba£ je^t aud) Vern, ireilid) m
einem befönberen Vertrag, ber Vereinung beitrat. 2>od) erregte gerabe biefer
llmfianb anbererfeitS ben Verbad)t ber fatrjolifdjen Orte gegen gtanttet* m
nod) ftärferem ©rabe.
734 VWf«-
33om 2>ecember 1582 an narjm 5p. burdjauä gegen ^einricrjä III. ^otitif
in ber ©djmei,} Stellung, unb baö burfte er tragen, ba er, modjte er bem Röntge
nod) fo öerrjafct fein unb burd) beffen ©efanbten nod) fo fetjr angefeinbet Werben,
feiner Stellung al§ Setter ber ^olitif ßu,jern§ ööttig fidjer mar unb bie anbercn
fattjoltfdjen Orte, aufeer ©olotfjurn, roo gfranftcid^ im Ginfluffe blieb, fict)
immer näb,er an ßu^em anfcfjloffen. — 3uerft 1585 fteüte fidj ty. entfdjieben
auf bie ©eite ber franjöfifdjen ßtgue gegen ben Äöttig, unb e§ gelang it)m, bie
inneren Orte, menn aud) ©crjmrjj unb llntermatben fid) anfangt jurüdfjietten,
mit fid) ju jieljen. äöäljrenb bie 'DJtetjrtjeit ber mit £)einrid) III. öerbünbeten
Orte einen Sruppenaufbrud) beroiüigte unb biefcn Glitte sJJtai abgeben liefe,
bradjte $., inbem er feinen ganzen (Sinflufj einfette, bie fünf Orte jur @rftä=
rutig, bafe ,}ut 23efd)irmung beä alten fatt)olifd)en ©laubenS eine eigene Ütüftung
nad) fjfranlretdj nöttjig fei, unb er felbft übernahm bie $üt)rung ber 7—8000
gjtann, meiere am 24. Sfunt, auf meitent Ummege über ben ©t ©otttjarb, ben
9ftarfd) antraten. 2lbcr e§ tarn ju feinem friegerifdjen 3ufammenftofj ; benn
ma3 $. gehofft unb tjatte erreichen moHen, gefdjal), nämtief), „bafj Sfc. 9ft. fidj
mit ben dürften Perglidjen mürbe unb 2ltteä Gin ©ad) merbe", buref) ben %fc
fdjlufe be§ SEractateg Pon ftentour«, 7. ^uli, amifdjen ^einrieb, III. unb ben
dürften ber ßtgue, aber boeb, in anberer Söeife, ata eä in ^föffer'ä SBiüen gelegen
blatte. 3)enn tuäfjrenb er ermartete, mit ben burd) it)n nad) fjranfreidj gebrad)ten
Gruppen an einem Stiege gegen bie Hugenotten ttjeilneljmen ,511 fönnen, beftanb
nun ber .ftönig barauf, bafe biefe für bie ßigue gefd)et)ene Lüftung alöbalb
entlaffen metbe. ©0 mar s}>. Pon biefem feinem letjten ^uge nad) $ranfreid)
fcfjon im ©eptember mieber ^urücfgefebjrt. 9lber biefe ausgeprägt fatfjolifdje
Äunbgebung ßu^ernä blatte nierjt blofj ben .stönig nod) bjefttger, mie biätjer, gegen
*ß. gereijt, fonbern aud) , entfpredjcnb beut allgemein beftetjenben ©egenfatje, bie
©eiatjr eines confeffionellen Krieges in ber Gibgenoffenfdjaft felbft abermals
ert)öt)t, unb aufjerbem mar ber s-Hoben geebnet für ben meiteren 1586 folgenben
©d)rttt beS Slbfdjluffeg be§ golbenett (ober, marjrfdjeinlid) erft feit 1655, fo ge*
tjeifjenen borromeifdjen) 33unbe§. G§ mar fdjon länger ein leitenber politifdjer
©ebanfe Spftjffex'S gemefeu , bie ©täbte greiburg unb ©olotrjurn enger mit ben
fünf Drten ju üerbinben, fie öon ber älteren U>erbtnblid)feit gegenüber 33etn %\\
(Öfen, unb bae gefdtjat) nun am 5. Oct. 1586 int 2lbfd)lufj beS gotbenen 23unbe§.
2>ie paci§cirenben fieben Orte ftellten alä 3tt,c^ bcffelben bie ?lufred)tf)attung unb
öerttjcibigung be§ fatljolifd&eu ©taubenS öoran, unb fo maren jene ^roei ©täbte
bem ©nfiem ber fünr Drte gemonnen, ganj befonberä aueb) ©olotb^uru — benn
bie ©enfer ^QÖen ftanben aud) bjier mieber in oberfter drmägung — bem
©erjirmpertrage für ©enf trjatfädjlid) entzogen 5Die ftrdjltcb.e Gonfraternität
mar — ein öon ben ^efuiten, auf 0ie «p. jo piet tjielt, befonber§ ftarf betonter
©ebanfe — auf eine midjtige pottttfcb.e Sßerbinbung angemanbt. S)od) erft bie
^Inletjnung an eine au§märtige grofee sütad)t fonnte biefem SJertrjeibigungäbünbnifj
öotle 33ebeutung öerteit)en , unb ber öon $. öertretene SBunfd) ber ßöfung ber
fatb/olifd)=fcbymei3ertfd)en ^olitif öon ßönig ^einrid) III. fanb erft feinen ganzen
3lu§brud in bem 33unbe mit ^önig $t)ilipp II. Pon ©panien, öom folgenben
3al)re 1587, beffen Slbfcb.tufe aunädjft aüerbingS nur ein folgenbc§ ©lieb in ber
Äette ber feit 1426 mit ben ^erjogen öon 93tailanb abgefdjloffenen eibgen5ffifcr)en
6apitutate bilbete. ^ujern mar bei biefer 3lngclegenl)eit entfdjieben Poran
gegangen, unb *p. fjatte im 5)lärj ju Supern Por ber Perfammelten ©emeinbe
fetjr berebt ba§ 23ünbnife jur 2lnnat)tne empfof)ten. @i mar bie S3eftätigung
ber gänjtidien ?lbmenbung öon granfreidj , bafe ty. an ber ©pitje ber fed)§
fatfjolifcb.en Drte — ©otottjurn fd)lofe fidg fjier au§ — am 16. 9ftai be8 näd)»
SPfoffer. 735
ften Satjreä 1588 bett Sdjmur ouf ben fpanifetjen 23unb im 2>ome öon 9Jlailanb
ablegte.
^njwifetjen tjatte $önig ^peinritf) III. 1587 einen grofjen (Srfolg gewonnen,
baburct) bafj bie ^nöafion bei; beutjctjen proteftantifetjen Koalition , an ter fiel)
auetj eine Lüftung ber reformirten fefjweijerifctjen Drte beseitigte, eine gänjlictje
3urücfweifung erfuhr, freiließ nirfjt jutn fc§lie|lidjen SJorttjeile ber ßigue, beren
dürften ben (Sieg eigentlich ffit ben $önig gewonnen Ratten, 3m ©egenttjeit
fpifclte ftec) 1588 ber ©egtnfatj jmifetjen -^einrieb, III. unb öerjog ^einrieb, üon
©uife ftet§ tnet)r ju, unb am 23. SJecem&er biefe§ SfafjteS nturbe ber ^erjog ^u
33toi§ ermorbet. $. War, gteictj bem önbe 1587 in Sujern eingetroffenen, itjm
&atb befreunbeten Runttuä be§ *ßapfte§ ©ijtu§ V., ^aratiieini, mit bem -^erjog
in lebtjafter ßorrefponbenj gemefen, fo ba% biefe ©ewatttljat in Sujem bie
b,eftigfte (Erregung tjerüorrief. 3fet$t boüenbs wollte ty. öon Eröffnungen be§
franjöfifctjcn SBotfdjafterS nictjtä metjr tjören, um fo weniger, ba itjm felbft fogar
im Januar 1589 bie SOßarnung jutam, bafj auetj gegen fein eigenem Seben ein
2lnfctjtag im ©ange fei, obfcljon noct) immer mit itjtn untertjanbelt würbe. 2lt§
bann im g^^uar Sancti in befonberer 2)tiffion nact) ber ©etjweij tarn , ttjeill
um Gruppen hotj ber ©ctböerlegentjeit be§ Königs für beffen Stfenft ju gewinnen,
ttjeitg unb gan^ befonber§, um gegen bie SSegünftiger ber Sigue öor^ugetjen unb
gerabeju ^füffer's (Sinflufj ju jerftören, mar ty. gelungen, ber Stuf tage be§
33otfcf)after3 SiEertj unb biefe§ aufjerorbentlictien ©efanbten öffentlich in einer
fdjriftlictjen 23erantwortung, am 27. Tläx^, entgegenzutreten, buret) Welche
WenigftenS bie ©efanbten ber tattjotifetjen Drte ganj befriebigt 3U fein erttärten.
GS getang ferner 5ß., für bie Sigue jWei fattjolifetje 8ct)Weiaer Regimenter auf=
zubringen , welche iftarjenne jueitten, wätjrenb 3U gteict)er 3eit ©anet) öier refor=
mirte jum Könige brachte: — ba würbe Apcinriet) III. am 1. Stuguft ermorbet,
unb baburetj gewannen bie franjöfifcr}en Slngetegentjeiten, weit jetjt $önig <£)einrict)
öon Raöarra, ^einrieb, IV., mit bem 9lnfpructj auf bie Ractjfolge auftrat , eine
ganj neue ©eftalt. 2)enn jener 9lufbruct) ju 9Jcaöenne war in feinen Anfängen
auf ber Erwartung gegrünbet gewefen, $apft ©irtus V. Werbe burclj ben wegen
be§ 2ttorbe§ öon Sötoiä über -^einrieb, III. auSjufprectjenben Sann fiel) gan3
öom Könige lo§fagen unb bergeftatt fictj unweigerlidj für bie Sigue erklären, unb
$. tjatte für biefen galt fogar einmal öerfprodjen , trotj feinet tjötjeren Stlterä
nodjmalS felbft, bie Pfe auf ber Sctjutter, mit 10 000 3ttann in§ gelb ju
jietjen. S)er 3ßapft l)atte aber biefe Hoffnung nicljt erfüllt, unb an bie Spitje
be§ einen ber beiben Regimenter war bei bem 2lufbrucl) Anfang Suni ^föffer'§
füngfter 23ruber Rubolf getreten. Runmel)r erft, nactj ^einrictj^ III. Jobe, War
für bie fattjolifctje Partei in ber Sctjweiä bie ©ituation eine ganj ffare geworben.
(Sleictj $t)tlipp II. falj fie nun in bem feit bem Attentate öon SBlotö, £ecember
1588, aHerbing§ gefangen liegenben (Sarbinal öon 35curbon ben ^önig granf=
reictjS, Äart X., unb $. l)ielt bafür, bafj je^t bie 53ereinung ber (Sibgenoffen
mit ber ^rone öon granfreicrj fetjlectjttjin nur für biefen ßönig gelte. — Toctj bie
5Dinge nahmen eine gan^ entgegengefe^te 2Benbung. S)ie «Scljweijer Regimenter,
welche ^einrieb, III. gebient, anerfannten ben ßönig öon Raöarra at§ ^einrictj's
Ractjfolger, unb fo tjatte ^einricl) IV. eine gefiederte friegerifetje Stellung gegen*
über 9Tcat)enne, wetclier al§ ©eneralftatttjalter für feinen .Viönig Äarl X. auftrat,
aber buret) feine ©etböertegentjeit nactj aßen Seiten getjcmmt war. 2)oHenb3 ber
entfctjeibenbe ©ieg £einrict)§ IV. bei ^örö , 14. Wäx^ 1590, füfjrte auet; bie
Kapitulation ber beiben 5Raöenue bienenben tatt)olifct)en Regimenter 5pfnffer unb
23erotbingen, auf bem <&ctjtacl)tielbe, tjerbei; aber aufjerbem war öon biefem Jage
an £einrict]§ IV. Uebergewic^t im gelbe ^ugeftanben, ber 2Beg gur allgemeinen
3tnerfennung feiner ^ronrectjte für itjn aufgefctjtoffen, jumal ba auetj fein Otjeim
736 3ßfoffet.
unb (Segenfönig Äarl fdjon am 3. s]Jtai ftarb. ^m April famen bie nad) itjrer
föefangennatjme aufgelöften beiben Regimenter in ftägtidjftem 3uftanbe nad) ber
Scrjrocij <$urüd unb öerbreiteten in ben fünf Orten eine tjödjft aufgeregte Stim=
mung, t>a irjrc Solbanfprüdje ungetilgt geblieben roaren.
©erabeju roar aud) für bie ^otitif, toeld)e ^3. feit ben legten ^atjren fo
beftimmt öertreten tjatte, biefer jag öon ^ört) eine bleibenb ungünftige SBeU'
bung, unb nur burdj SBerbinbung größter JHugrjett unb £t)atfraft öermod)te
berfelbe eine nod) bebenflidjere ©cfjroädjung ber buret) itm öertretenen fatcjolifcrjen
(Sefid)t§punfte in ber Spaltung Su^ern.g unb ber inneren Sd)roei3 überhaupt ju
Oermeiben. ©anj abgefetjen baöon, bafj er felbft erneuerten Anlodungen, bie
aus ftranfreid) famen, roegen Abtrennung öon ber £igue, feft roiberftanb, mufjte
er fteigenber ^Jiifjftimmung unb Sntmutrjigung entgegenarbeiten. S)ie unbe^atjU
gebliebenen Sotbforberungen ber beiben entlaffenen Regimenter riefen ^atjre lange
Beunruhigungen in ben fünf Orten rjeröor, unb ba bie unbefrtebigten Oberften
unb ^auptleute fict) an ben päpftlidjen £)of glaubten galten ju bürfen, rocit
(Sarbinal (SJaetano eine 33ürgfd)aft für bie Verpflichtungen übernommen fjabe,
fo ergaben fict) 93erroidlungen aud) nad) biefer «Seite tun. $. felbft fud)te, <$. 35.
am 10. 9Rai 1590 buref) ein ©(^reiben, baS er mit Umgebung beS RuntiuS
unmittelbar an ben Garbinatnepoten sJJlontalto richtete, bafür ju mirfen, bafe
bie päpftltdje Regierung toenigftenS ben guten SBillen beroeife, bamit nidjt bie
tattjolifdje ^artei über biefer 3frage fid) jerftürfele unb eine 3utDenoun9 oer
Stimmung ju ^einrid) IV. eintrete. AIS bann ^apft ©regor XIV., in roeldjem
bie ©ebanfen einer uniöerfalen fatr)o(ifd)en Ißolitif lebhafter öorroogeu, als baS
bei Si;rtuS V. ber ftaU geroefen, felbft einen ütruppenaufbrud) öon 0000 9Jtann
begehrte, jum 3wede, ben franjöfifdjen fattjolifetjen ©täuben aur (htoätjhmg
eines fatr)olifd)en Königs bebütflid) ju fein, t>a foüte roieber üß., öon Anfang
1591 an, als Ratrjgeber beS Nuntius babei Reifen, roeil über bie nod) ftetS nid)t
bejarjlten Solbrüdftänbc bie sDtifjftimmung anbauerte, (SS roaren Satjre, in
roeldjen s$ft)ffer'S ganzer politifd)er (Sinflufj auf beut Spiele ftanb, gegenüber
ben fteten 33erfud)en, ben „Raöavrifdjen Ißrafttfen" ber ©efanbten .'peinridjS IV.,
bie 1586 im golbenen 33unbe gefdjloffene Einigung ber fattjotifdjen Orte ju er=
fdjüttern. daneben fetjlte eS nidjt, bafj ^ßf^ffer'ö Rame überhaupt in allen
roid)ttgen eibgenöffifdjen Sreigniffen biefer 3e*t m*t hineingezogen mürbe, fo aud)
bei ben 5Rüf)lf)aufer Söirren öon 1590, t)infid)tlid) beren freilief) 5ß. im Januar
1591 auf ber ütagfatjung «}u 23aben bie ©runblofigfeit ber Anfd)ulbigungen
glänjenb barplegen öermod)tc.
9iod) einmal gewann ty. 1593 einen politifdjen »Sieg , als ber ©efanbte
^tjilippg IL, ^ompejuS be (Svuce, fdjon tängft fein öertrauter 5reu"b, eine S3e=
miEigung öon 6000 9Jtann in ben fpanifetjen SDtenft üerlangte. 3fe mel)r $.
bie gänjlid)e ^erfd^metterung feiner Hoffnung tjinfid)t(id) ^ranfreidjS, ba8 unab=
menbbare @nbe ber Sigue, öorauefat) , um fo me^r roottte er bie SSerbinbung
mit Spanien befeftigen. 23i§ Anfang Februar 1594 maren bie 93ebingungen
be§ Aufbruchs aufgefteüt; biefen felbft erlebte 5|3. nid)t mefjr. Aber er fatj aud;
nid)t metjr ben ööttigen 3ufammenDVU(^ bc* ßigue , mie berfelbe am 17. sJMr3
biefe§ Sa^eS, mit £)einridj§ IV. (Sin^ug in $ari§, eintrat. 2)ie Ic^te Radjrictjt
au§ ^ran!reid), bie ^ß. nod) erhielt, öon bem Uebergang öon ßrjon an ^einrid^ IV.,
traf itjn freilid) ebenfalls fctjmer genug — benn nod) fur^ öorfjer tjatte er in
einer ßonferenj mit einem gm&ru'cjn-' Abgcorbneten bie grofje SBid)tig!eit biefeS
5ßla|eS für bie fatrjolifdje Saccje betont — , aber aud) perfönlid), ba einer feiner
Sör)ne ju ben in Srjon ftetjenben ßujerner ."pauptleuten jaulte. @r felbft roar
ganj unentroegt geblieben , ftanbljaft gegenüber ,g>etnrid)£ IV. fortgefefeten 33er=
fudjen, ben mafjgebenben Su^erner Sc£)uUc)ei|en auf feine Seite ^u äietjen. —
$f)cuettatu§ — Käufer. 737
Tiodj am 14. Wäx^ motjnte er einer ©itmug be» föattjeä bei, erfäüete ftdj bann
aber 3Ibenbä auf ber .Vpofbrütfe, roäfjrenb einer längeren Unterrebung mit bem
©efanbten be§ Herzogs öon ©aöorjen, unb 30g fidt) bie .ftranffjeit ju, roeldje ifyn
am brittfotgenben Sage nod) au§ ber öotten Äraft roegraffte. (Sein £ob mürbe
allgemein al§ ein ©reignifj mistiger 3lrt angefefjen , mit jefjr ungleichen @m=
pfinbungeu aufgenommen. S)enn nicfjt ber ^mar gelehrte unb äufeetft arbeit3
fame ©tabtfdrreiber Grjfat (f. 31. S). 33- IV, 669 unb 670), mochte er aud)
^frjffer'ä Vertrauter gemefen fein , fonbern ganj allein ^. mar bie bclebenbe
lhaft in ber fattjolifctjen ^otitif ber (Sibgenoffen ju feiner 3e»t. $• rjinterliefj
neben Apäufern in ber ©tabt unb ©runbbefitj, befonber§ ben Herrfcfjaften 3ltti3»
rjofen unb SBytjer, ein fetjr bebeutenbeä Vermögen (über 230 000 ©ulben) an
SBert^eictjen unb ©elb, otjne bie 3lnfprüd)e an bie franjöfljctje jhone unb anbereu
„ungemiffen ^orberungen". 23on öierjerjn $inbern au§ jroei (Jrjen — öier
aufjererjelictje anerfannte er mit 3lusfteuer — überlebten ir)n fünf ©ötjne unb
eine £od)ter.
$gl. ba§ umfaffenbe äöert öon Dr. 3t. $t). ö. ©egeffer: Vubroig ^frjffer
unb feine $eit; ein ©tuet fran^öfiferjer unb fdjmei^erifcrjer (SJefc^icfjte im fed)§=
Sehnten 3at)rf)unbert, 33b. I— III. (33ern 1880—1882).
sUl e t) e r ö. Änonau.
^QrctratHÖ: ^Dl i dt) a el $., tatein. 25ramatifer. ©eboren um 1575 $u
s31euftabt a. b. £>rta, ftubirte in 3ena, mar 1598 ütector ber ©tabtfd)ule feiner
33aterftabt, 1606 Pfarrer au Sßeiba, ftarb 1632 infolge graufamer 3ftiBrjanb(ung
buretj bie Kroaten. (§r üerfafjte eine lateiniferje 2ragicomöbie „Jeremias pro-
pketa captivus", meldje am 12. ^uni 1598 in Dleuftabt aufgeführt mürbe, ©ie
bttjanbelt biejenigen 3lbfcrjnitte au§ bem i'eben be§ $roprjeten , in benen er bie
größten ©d) märjungen als (Sfjalbäertnedjt, 33aterlanbäöerrätr)er unb Stempel*
fcfjänber p erbutben fjatte. 63 fommen tjierbei befonberS bie Gapitel 27, 28,
37 unb 38 be§ biblifcfjen 33ud)e§ in S3etrad)t. 3tud) im ©efängniffe, in baS
itjn ber Honig 3e^eI'a werfen liefe, erfdjeint ^eremiag at§ ber tröftenbe ft-reunb
feinet 33olfc§, bem er amar feine äöegfütjrung nact) 33abel üerfünbet, aber aud)
bie einfüge 9^üdte§r üertjei^t. ©0 fafjt $. bie Situation auf. ©nblidj mirb
ber 5ßropf)et fogar in eine mit ©ctjlamm angefüllte ©rube gemorfen, au§ ber
itjn ber 3Jtot)r (Slimeted), ber Äömmerer beä Königs, befreit. 33eelaebub b,ört
nidjt auf, bie $einbe beä ^roprjeten aufjuftaerjetn , ber toie eine ^otjannesfeele
im feften Vertrauen auf bie göttlichen Verrjeifjungen atte§ ßeib erträgt. SDie
Hauptfigur be§ ©pieleä, baS \ien ßljaratter einer Sragöbie fjat, ift gut gejeidjnet;
potemifetje 33e,}iet)ungen auf bie päpfttidje 3lbgötterei, mie mir fie in 9caogeorgö
gleichnamigem 2)rama finben, fet)ten gän,5ticf). — $. öerfaBte nodj metjrere
trjeologifdje ©Triften: „Zelotes pastor" (^ena 1619), „33efcfjreibung be-5 33eict)t=
ftutjle§" (^alle 1622) unb einen „Tractatus de nobilitate in honore et pretio
habenda" (Lips. 1622). Der tefeteren ©c^rift fügte er eine ftamentafel ber @bleu
öon Siranbenftein bei, benen er fein lateinifdjeä 2>rama mit einem aäclepiabeifcb.en
©ebicb,te getuibmet tjatte.
Söd)er=9totermunb 6, 44. — ©oebefe 2, 144.
-&• H0M"iei«-
Käufer: ^ol)ann ©ebaftian ty. r)at fief) eine ©teile in ber beutfdjcn @e-
fcb,id)te alg Hofptebiger ^tajimilian§ II. ermorben. 6r mürbe 1520 in «ßoftnitj
geboren, lieber feine ^ugenb miffen mir nichts. 9iad) bem fdjmaltalbifdjen
Kriege treffen mir ir)u in ©terjing in ürol aU Pfarrer. 31(8 ^Jlidjael ©ei,}»
fofler öon ber Uniöcifität nad) Jpau^e fam , fiteste s^. it)n oft b^eim unb öer=
«attgem. beutle SSiograpfiie. XXV. iT
738 Raufet.
natjm gern auS feinem 2Runbe, wie eS in SÖittenberg unb ßeipzig zugegangen
fei, unb was Sutljier, s]Jielandjtl)on unb anbete öffentlich geprebigt rjaben. @t
tljeitte baS 9lbenbmaf)l nutet beiberlei (Beftatt auS unb fpracij gegen bie ßctjren
beS 5>apfttl)umS. @r war ein tüdjtiger Äanzetrebner; auS weit entlegenen 2)ör=
fern gingen öiele ßeute zu ü)tn in bie $ird)e, unb oft blieben teifenbe J?aufleute
am ©onntagmorgen in Sterling, um feine frönen ^tebigten zu tjören (SQBolf,
ßufaS ©ei^foftet p. 19). 33ei bem empfinbtidjen fanget an foldjen Sßrieftetn,
meldte beS SBorteS mädjtig Wären unb buret) ein frommes ßeben erbauen tonnten,
Würbe ty- bem Könige fterbinanb empfohlen; biefer nat)m it)n — wir miffen
nicxjt ju meldet 3eit -- in Dienft unb mar audj red)t aufrieben mit iljm; aber
er entlief} irjn, toeil bcrfelbe tyertjeiratt)et mar unb ftcf) öon feinem Söeibe nidjt
trennen modjte. Wadj einiger $nt berief ^ftajtmilian , beS römifdjen fföntflS
ältefter ©ot)n, ^)3. jU fiel), unb ber Vater liefj eS gefdjeljen, ofjne ©djtimmeS
ju afjuen. 2ltS nun bie Äunbe fid) öerbreitete, '»Ucarimilian ()abe bie eöangelifdje
ßetjre. angenommen, begab fidj ber bötjmijdje Srubcr 93tat)oStam nad) SBien,
um fid) öon ber 3Baf)rl)eit beS ©evüct)te§ zu überzeugen. ®r ging am 10. sJftärz
1555 in bie Äirdje, too $. prebigte, unb fucfjte il)n aud) perfönlidj auf. 6r
fanb in iljm einen s]Jtann, weldjer feine Stellung jmifdjen ben beiben großen
religiöfen Parteien genommen zu fjaben fcfjien, jebotf» feine eüangelifctje ©efinuung
burdjbliden tiefe. $. erzählte öiel öon 9Jtarimilian , mie fromm er fei, wie er
baS ©ute liebe unb bie SBatjrljeit feurig üertrete. S5ie ^efuiten aber maren
roadjfam, unb SanifiuS öetflagte beu Thronerben unb feinen -frofprebiger bei
gerbinanb, melier einen ttetd)Stng in Augsburg abhielt. 2ludj .Marl V. erfuhr
Unangenehmes über s])ta;rimilian unb fdjidte beStjalb ben ©panier 3uan be 5löala
uad) 2Sien, um (Srlunbigungeu an Ort unb ©teile einzuziehen unb bie sJtadt)=
rieft ten lauteten nid)t günftig für bie tatfjoltfdje $ird)e. ©a mufjte !p. ben
|)of öerlaffen unb mürbe nad) ©teiermarf üetbannt. silbet 9Jcajimitian legte
fiel) in8 Glittet, unb er fetjrte mieber §urüd. iyerbinanb öerlangte nun öon iljm
meljr ftcdjtglaubigfeit, eS famen redjt l)eftige Auftritte zwifdjen beiben öor, unb
bie ^efuiten fomie 5lnbere bereiteten it)tn sJcad)ftettungcn. „3dj rann", fd)ricb
er am 3. gebtuat 1556 an SlafjoSlaro, „in 2Bac)r£)eit miber bie, weldje nadj
meinem SBlut auf baS graufamfte ledjien, mit (JtiaS ausrufen: ,,Sd) bin allein
übrig geblieben, unb fie fterjen banad), bafj fie mir mein ßeben nermien." Un=
getrübt beftanb bagegen baS innige 33ett)ältnif} zwifdjen «Dlajimilian unb $.
fort, ^ener tröftete biefen roegen ber Verfolgungen, bie er leiben mufjte. „®ott
lebt", fdjrieb er il)m einmal, „bie Ungerechten unb ßttgner werben umiommen."
2)er .!pofprebiger roieberum nennt il)n in Briefen ben ftarfen 2)aniel, ben ftarfen
ßömen ; fid) felbft bezeichnet er fdjerztjaft als ben berühmten Äeber. (Segen
($nbe be§ 3a^re8 1558 begab fid) gerbinanb nact) SlugSburg auf ben 9teic£)3=
tag. Jpier empfing fein .jpofprebiger, ber Sifdjof ö. (Surf, öom ©rzbifdftof öon
©alzburg im Januar 1559 einen Vrief, in roeldjem biefer febrieb: „mie iljm
beridjtet merbe, l)abe s4>. am öierten ?lböentfonntag unb am Tage be§ 3lpoftet8
Sol)anneS fo ärgerlicf) unb leidjtfertig miber ben römifdjen ©tul)l unb bie fat()o=
üfdje Äirdje geprebigt, bafe bergteicf)en in 3tDinQÜ'fcr)en ©täbten unb Orten
nidjt gebutbet merbe." S)ie 9lac|ridöt ift bem üaifer o^ne ^roeifet mitgeteilt
toorben. 3l(S er im anfange beS ^erbfteS nad) SBien zutüdfefjrte , brang er
ftävfer als öortjer in feinen ©ob^n, ben fdjlimmen ^rebiger megzutb^un. 6r öer=
tjanbelte beinahe täglicr) mit Ujni barüber, unb als er mit Sitten unb 3flel)en
nid)tS ausrichtete, roarb er heftiger unb fdjroffer. @r gelangte enblictj im Januar
1560 fo meit, bafe bem |>ofprebiger ©d)roeigen auferlegt unb feine gänzliche
Entfernung erwartet würbe. 2öirflidj) mufete ^arimilian fid) bazu öerfteljen.
9lod) gab er bie Hoffnung nict)t auf, i^n wieberzuerb^alten ; „inzwifc^en", fctjrieb
^Hjtltfctt, 2Jtorfg. t>. SSaben. 739
er am 12. 2Jcärj, „muffen mir e§ unferem eigenen 9Jlitt(er befehlen unb ©ebutb
tjaben ©eib gehaftet unb gebenft, bafj wir, fo ßtvriftum befennen,
muffen berfolgt fein unb ba§ $reu<} leiben unb tragen." 2tm fotgenben £age
wenbete fidj s]Jcorjmiüan an Grjriftopr) bon 2öürtemberg, um bem Vertriebenen
ein Unternommen 311 berfdjaffen, unb ber iperäog berfpract) eö audj. 2Iber *ß.
erfcfjien nicfjt bei irjm, bietmefjr erfuhr ber ©ifctjof «£ofiu§ bon Srmelanb, wetcfjer
atS Nuntius bom Zapfte nadj SÖien gefenbet roorben war, um ^arimüian ju
betören, bafs ber unjücrjtige b. r). berfjeiratfjete *Priefter bie (Jrbtanbe noct) gar
nid)t bertaffen t)abe, fonbem fidj in einem Ätofter bei Söien aufhalte. 9H§ er
biefe fi^mevjtictje $unbe bem Äaifer mttgett)eitt tjatte, fcfjicfte biefer jjWei %fc
gefanbte uad) bem 6 leiten entfernten Softer. Sie fanben ben 2Ibt fdjon bon
allem unterrichtet unb borbereitei. $nbem er gettenb mactjte, bafj er nictjt unter
bifctjöfticrjer ©ewalt fianbe, wollte er lief) feiner Unterfudjung unterwerfen; aber
bie ^Beauftragten beriefen ftdj auf ben 23efet)l be§ $aifer§ unb bes 9tuntiu§.
2)a rjotte ber \>lbt ju feiner Sertrjeibigung ein ©cfjretben ^Dlarimilian^ fjerbor,
in Weldjem er bringenb aufgefordert roorben roar, bem -ipofprebiger einen 3uflucrjt<j=
ort ju gewähren. s3tun mufjtc biefer wirftict) fortäieüjen. 9Jtajimitian fcfjrieb
für it)n an ben £>erjog bon äöürtemberg unb an ben ^fatjgraien Don 5fteu=
bürg. $n bes Meuteren ©ebiet, in Sauingen an ber 2>onau , würbe $. eöan=
gettfdjer v^aftor unb ©uperintenbent uub lebte bort bi§ ju feinem Xobe, ber
am 6. $uni 1569 burcb, einen ©cfjtagftuB erfolgte.
üteimann , bie religiöfe (Sntwicfetung 9Jcarimi(ian» II. , in ben |)iftor.
3tfd&r. XV, 1 ff. 91 ei mann,
^fjtltbert, *ötarfgraf bon23aben*93aben, ©ofjn üJtarfgraf 23ernrjarb§ III.
unb ber lujembuTgijcrjen granjisfa , bie fiel) nactjtnatS in ^weiter (Stje mit ©raf
Slbolf bon sJiaffau=2öie§baben bermafjlte, roar am 22. Januar 1536 geboren, 5
Monate bor bem £obe feinet SJatcrS. Seine ©ormünber würben 5pfa(3graf
3tor)ann II. bon ©immern, ©raf SBUtjetm üon Sberftein unb an ©teile be§ bon
feiner Butter borgefcrjtagenen , bon 9Jcarfgraf (Svnft bon SSaben ■ S)urlacr) , ber
fetbft bie ©ormunbfcfjaft über feinen Dceffen beanfprucijte, wegen feine§ luttje*
rifdjen SBefenntniffeä aber angefoijtenen ^faljgrafen Dtuprecr)t bon Setbenj, ^er^og
3Bi(tjelm IV. öon Saiern, ber ©emafjt feiner S3afe, ber «ölartgrafln ^acoba bon
Saben. S)ie %a$xe ber SBormunbfctjaft waren ausgefüllt burcrj ©treitigfeiten
mit bem genannten sUcarfgrafen ßrnft (f. 31. S). S. VI, 243), bie tb^eitweife noef) au3
ber 3eit f)errüt)rten, ba berfelbe mit ^fjiUbtrt'ä 5ßater bie @rbfct)aft eineä brittm
SruberS IDIarfgraf «ß^Ui^p-'S I. geteilt tjatte. @rft atlmäf)lict) gelang e§ buret)
eine 9teit)e bon Sin^eioerhägen ba§ SerrjättniB ber beiben babifetjen Sinien ju
einanber ^u einem einigermaßen leiblicfjen ju geftalten. 2) er <£>er<}og bon Saiern
benu^te feinen Sinflufc at§ Söormunb, um bie tutrjeriferje Setjre, bie unter 33ern=
t)arb III. in ber 9Jtarfgraffd)aft Eingang gefunben tjatte, im ßinberftänbnifj mit
ber s3Jcar!gräftn SBittroe attmäfjltdj wieber ju üerbrängen. $. fetbft warb im
ÄatfjoIiciSmuS erlogen; butefj Reifen, fowie einen längeren Slufentfjalt in 2)6te
würbe für feine weitere Stulbitbung geforgt. 1556 legte 3of)ann bon ©immern
bie SJormunbfdjaft nieber, im fofgenben ^atjre auet) ber iperjog oon SBaiern unb
ber ©raf bon ßberftein; 5p. trat bie fetbftänbige Regierung an. ©djon oorrjer
War jwiferjen itjm unb feinem jüngeren ©ruber Gfjriftopt) ein Uebereinfommen
über bie Xtjeitung be§ üäterlicr)en grbe§ getroffen worben. $. ertjiett bie s2Jtarf=
graffefjaft S3aben=Söaben im engeren ©inne unb ben babifcfjen Slnttjeit an ber
©rarfcfmft ©pontjeim, fein ©ruber bie luremburgifdjen Sanbe, 9lobemacfjeTn,
Ufetbingen, 9teicf)ersberg, .^erfpringen u. f. w. $Rit ben teueren Sanben würben
bie beiben ^Dtartgrafen gemeinfam 1562 bon ©panien betefjnt. Sie Rettung
740 5ßt)tltbcrt, 9Jtarfg. b. Habenseiten.
f elbft würbe bie Urfadje Jahrelanger unerquitflid)cr S^iftisfeiten ber beibcn
jungen dürften , ba 901. (5f;tiftop£) fet)r Batb fict) überbortf)eitt wätjnte unb
fovtgejc^t bei berfdjiebcnen Gelegenheiten gegen jenen 33eürag bon 1556
proteftirte. 1557 Ittjnte 5ß. bie itjm bon ^erbinanb EL angebotene ©teile
cineS Äammeuidjtevä ab, ba eine langete Wbmefentieit bon feinem £anbe für
it)n, at§ einen Weuting in ber Regierung, unttjunlict) fei. £$m gleichen 3atj«
tjatte er bie SEodjter SBiltjetm'S IV. bon s-8aiern at§ feine ÜJematjtin heimgeführt.
ty. begann balb, nactjbem er bie Regierung übernommen blatte, troü feiner fatt)o=
ttfdjen Srjietjung bie (Sinfütjrung ber Deformation in feinen ßanben. lUöglid),
baf$ bie Qnnbtüde, bie er wätjrenb feiner 'ilumefenrjeit auf bem Üteidjetag bon
1555 empfangen tjatte, it)n tjieivju betbogen, möglid) auet), bafj ber ©üiflufj beg
einen ober beä anbem feiner 9iätt)c, unter benen £angenmantet, Sarnbüljler unb
fein ehemaliger (Srjiefjet Dr. Sßiuttjer tjerbortreten, babei mitwirfte. SDie 9tefor=
mirung ber ^arfgraffetjaft ging freitief) nur fetjr attmätjlid) bor fiel). 5Die 9tüd»
fidjt auf ben eng befreunbeten bairifdjen -!pof, auf Herzog Sllbredjt IV. bor altem,
ber nact) Unterbrüdung ber reformatorifdjen ^Bewegungen im eigenen ßanbe fd)on
bamatö all eine «g>auptftü^e ber fattjolifdjen gartet im iReidje baftanb, mußten
ty. bon au entfdjtebcnen unb fdjroffen ^Jtafjregetn abgalten. .Uoctj 1568 mar in
Steinbad) ein tat()olifd)er (Setftlictjer. Sie Tonnen be§ natje bei 23aben gele=
genen $lofter§ ßidjteutljal blieben ermatten, aud) nadjbem bie Waifgräfin sDtect)=
titb, bie bei itjnen ifjre Anbadjt 311 beiridjten pflegte, geftorben mar. 33on tjier
ging nact) Sptn'lioert'S frühem iobe bie fattjotifdje (Gegenreformation ber baben*
babifdjen £anbe au§, bie unter bahifdjem Sctjutj gar balb grünblid) unb für
immer bie bon jenem in reformatorifdjcm (Sinne getroffenen öintidjtungen jer=
ftörte. 3" ben übrigen proteftantifdjen Stäuben mar ty. in fein näljeres 33er»
rjältnifj getreten; er befud)te nur äufjcrft feiten itjie Jage, unb auet) auf ben
^eid,ötagen fdilofj er fid) an fie nietjt an. @S waren baran fid)er in elfter
Sfteitje feine fdjlecfjten Sejietjuugeu ^u .£>erjog Gtjriftopt) b. Äöürtemberg Sdjutb,
mit bem er ^aljre lang in tjertiger geinbfeijaft lebte Wegen liebergriffe, bie
berfetbe fict) atä 33ogt ber ßlöfter ^errenatb unb Üteidjenbad) gegen iljn tjatte
511 Sctjulben fommen laffen. Wact) bem £obe feiner ©ematjlin fämpfte ty. ,ju=
nädjft 15G6 in faiferlicrjem Xienfte in Ungarn gegen bie dürfen. %m fot=
genben 3>at)re fctjtofj er fict) bem .Speere an, ba§ ^fal^graf ^otjann Safimir ben
Hugenotten jufüljrte. Sie 3l&mot)uungen frerjog Sltbrectji'a bon 33aiern unb
feiner Butter ^Eaccba tjatten aber aur <}o(ge, bafj er fid) balb wieber bon bem=
fetben trennte. Sd)on im näctjften ^aljre lieft er fict), biesmal bon ßarl IX. bon
Jranfretd) felbft werbf.n. (Segen ein SBartegelb berfpradj er, bemfelben auf feinen
Söunfd) mit einer vJtu,ml)t Leiter ju^ietien unb itjm gegen jebermann, aulgenommen
gegen $aifer unb üReidt) unb t)it 9lugäburgifd)en ÜteligionsberWaubten, beijuftetjen-
3u ben Sedieren rechnete natürlict) s$. ebeufowenig wie ber franjöfifdje ,ftöuig
bie calbiniftifd)en .^ugenotten. ®em SalbinilmuS [taub er übertjaupt feinbfelig
gegenüber, Wie ba§ bor allem auä feinen Briefen tjeiborgetjt, in benen er mit
ber Ijöctjften ©ibitterung bon ber Sinfütjrung be§ reformirten SefenntniffeS buvd)
fiurfürfi fjriebtidt) III. bon ber ^falj in ber ib,m mit biefem gemeinfamen ®raf=
fd)aft Spontjeim fprid)t. 1569 jog ip., bem 9tufe Äart'8 IX. folgenb , nadj
grantreid), nacfjbem er fdjon boitjer feine unmünbigen ßinber bem Sd)ube itjier
©ro^mutter 3facoba bon 33aiern empfotjlen tjatte. @r fetjrte nidjt metjr autüd.
3n ber Sctjtadjt bon ^Jlontcontour ift er am 3. Dctober 1569 gefallen. Sein
Seidjnam Würbe auf bem Sd)(ad)tfelbe nidjt gefunben, fein Job aber buid) bie
^tulfagen bon Augenzeugen au^er 3i°eilet gefteüt. Sein ©rabmal in ber Stifte
firerje in ^ßaben bon Söittjetm b. Jrarbad) ift ein (Seuotapt). ^n ber Regierung
folgte itjm fein Sob^n 5ptjitipp, junädjft unter bairifdjer 33ormunbfr^aft.
Sßfjüibert, ^rinj t>on Dranien. 74 1
2Ird)ioalifd)es Material im ($eneraf(anbeSard)ib in tfarllrufie unb im
bairifd)en 9teid)sard)tb in 9Jcünd)en, 2t6tf)eilung SBaben A.
ßrieger.
^(jtltbcrt, ?Prina bon Dranien (Uranien) ober Drange in ©üb = granf=
ieid), aus bem £>aufe @f)don, bon bem bas @5efd)ted)t aud) nodj ben Flamen
unb bas äßappen führte, obgleich bie £errfd)aTt feit 1327 in anberen |>änben
mar, geb. 1502, 7 am 3. Sluguft 1530. Qx mar ber ©otm bes ^rin^en $0=
r;ann bon Dranien unb beffen ©ernannt ^iliberte bon Suremburg. ©as
gürftentfmm Dranien ift ^mar nid)t grofj, aber fruchtbar; 3ugteid) mit öem*
fetben erbte $. 9lnfprüd)e auf bie ©rafjd&ait @enf unb bas güriientfjum 9ceuen=
Burg unb SBattengin. Sei bem £obr feines Söaters mar er erft roenige äöcdjen
att, bod) erhielt er bereits in feinem fiebenten 2Jtonat bie ©tatttjalterfdjait bon
SBurgunb. 91 m fran3öfifdjen £ofe erjagen unb motjtgelitten, fdjien er beftimmt,
roie feine 3}orfat)reu, feine reiben ©oben bem SHenffc ber franjöfifcrjen ßrone 3U
roibmen. 2tber roeit er bort ftdj berieft glaubte unb ber ©emarj! feiner ©djmefter
Gtaubia, (Sraf -Jpeinrid) öon ftaffau, in bem erften Kriege Raxl'i V. mit gran3 I.
im S- 1521 bas Gommanbo ber SIrmee führte, metdje bon Belgien aus in
granheid) einbrechen foflte, trat er in faiferlidje 2)ienfte, roas it)n 3unäd)ft feine
ererbten 2?efitmngen fofiete, unb jeidjnete fid) balb im Kriege aus. 3n ber
©eefdjlacfjt toibet SInbreas S5oria mürbe er jtoar gefangen genommen (1524),
bod) burd) ben Vertrag bon 5Jtabrib erhielt er feine greifet unb fein gffttjten*
tfjum jurüd. (Sfje er jebod) ben SBefefjt 53urgunb 31t befe^en tjatte ausführen
fönnen, brad) ber jtoeite Äiieg aus, an me(d)em unter $art bon 23ourbon ttjeil*
3unerjmen er nad) Italien eilte. 9Jcit biefem 30g er nad) 33efefcung bes 9Jlai*
länber ©d)toffes gegen üiom unb leitete nad) beffen Job, ben er auf gefdjidte
2Seife ben Solbaten berbarg (er bebedte bie Seicrje mit beut 2Jcantel), bie gr=
ftihmung ber eroigen ©tabt, orjne freilid) ben babei borfommenben ©räueln
(Sinfjalt ttjun 3U fönnen; bann fcfjlofj er mit bem in ber (Jngetsburg belagerten
Zapfte bie Kapitulation , infolge bereu berfelbe feine greirjeit ttjeuer erfaufte.
93cinber gtüdüd) mar ber 9tnTang be§ unmittelbar iolgenben getb3uge§ in Neapel;
erft naefj mancherlei SJerluften unb großen 2Infirengungen gab ber Uebergang
bes ©enuefen SInbreas 2)oria 3um £aifer unb eine betfjeerenbe $ranf()eit im
Sager ber ftran3ofen bem Kriege eine beffere SBenbung unb im 3. 1529 ber
©amenfriebe ein ertoünfdjtes @nbe. S)od) rief b<:n *)3rin3en, roeldjer als 2)ice=
fönig öon Neapel in Italien blieb, atsbatb neuer Äampf nad) £ofcana; er fottte
ben Uebermutl) ber Florentiner unb ber mit itjnen berbunbenen ©täbte [trafen.
3n einem treffen mit iljrem Hauptmann gerucci traf it)n eine 33üd)feufuget,
toeldje it)n tötete. S)a§ ^>eer, erbittert burd) ben Job be§ geliebten jugenblidjen
gelbrjerrn, erfod)t einen glän3enben ©ieg, meldjer bie ©tabt ?fforen3 nötigte, ben
SHeffanbro bon 9Jcebici, ©emaf)l bon-^arls natiirltdjer 2od)ter Dcargaretfye, al§
^errn aut3unel)men. ^um Grben fjatte ^fjitibert ben (Sof)n feiner ©djmefter,
9tenatns bon 9iaffau, eingefetjt, meldjer benn auef) über bem ©rabe ^r)itiberts
als ?Prin3 bon Dranien ausgerufen mürbe unb fortan £itel, SBappen unb ^eöijc
fütjrte unb fpäter mit benen bon 9iaffau bereinigte, ©effen @rbe mürbe, als er
1544 bei ©t. S)t3ier fiel, fein elfjätjriger 35etter SBilljelm, ber fpätere „Scfjmeiger";
bon bei 2>ebife ,.je maintiendrai Chalon" tiefe er bas Dbject toeg, unb fo rourbc
ba§ einfadje je maintiendrai ©ebife ber Dränier.
G. gjcünd), ©efd)id)te bes ^aufe§ 9caffau=Dranien , III. ©. 235 — 251.
— ^. b. Strnolbi, ©efd)id)te ber oranien=naffauifd)en Sänber unb ifjrer 9te=
genten, II.©. 231-239. g Dtto>
742 SPfyüicinuS — ^l)üipb, töin. St.
$J>tUcimi8: betrug $., tat. ©tatnalifer. ©eb. 1515 $u «KiraS, feit 1544
geltet ju Söindje im £>ennegau, würbe bafelbft $edjant unb ftatb 1568. 2)ie
Comoedia tragica bon ber „Magdalena evangelica" , bic et bereite- fttttjet in
jambifdjen £imetern toerfa^t tjatte unb bie nad)t)er bon ßebin 23red)t in bic
5orm einer Jlomöbic gebracht war, erfd;ien 1544 ju ^Introerpeu, nad)bem er
burd) bie $eft au£ 93ind)e bertrieben , ^u <£>am in ber ^icarbie sfltufje gefunben
tjatte, fte umzuarbeiten. 3u fünf bieten fdjitbert er im tffjarafter bcS ^affionals
baS ßrfdjeineu ber ^aria s))tagbalena mit 9Jlaria ©alome unb SJtatia ^acobi am
©rabe 3ie|u, irjre Stauer um ben 2?erluft bee §errn , irjre ftreubc über ba£
SOßieberfetjen bes geliebten 9Jteifter8, ber itjr in ber ©eftatt eincS ©ärtnerfi be=
gegnet. SBarme (hiibfinbuug , tieftnnigeS ©etüljl ^eierjuen ben Stjarafter ber
grauen, befonber§ ber 9ftagbalena, au§. Sitjre Älagen finb fo einbringenb, bafj
fagar bie 2£äd)ter bc» ©rabcg babon ergriffen unb in 9)tit leiben jdjaft gebogen
werben. 2>cm gegenüber erfcfjeint bie Aalte unb bie ."parttjerzigfeit, gur<$t unb
ßleinmüt bigfeit ber .£>otjenpriefiev ß'aipfjag unb .{panna feljr wirfungSbotl. Stud)
SPetxttS unb Sfotjannes finb mit liebebotter Ifjeilnafjme für ba§ ©d)icffat icjteS
$errn erfüllt. Gtjriftus felbft crfdjeint in ber ©torie beä 9luferfianbencu, mitb
unb fauft, tröftenb unb ftärfeub. 91m ©djtufj fügt Benin 33rcd)t ein ^ubellieb
ber ^agbalena, nad)bem ben SBeinenbcn Gt)riftu§ am ©rabe erfdjienen ift. $.
fdjrieb ferner einen „Dialogus de immolatione Isaaci" (2tntW. 1544), fowic eine
2ragöbie bon ber ©ftfjer (5lntW. 1564) unb gab feines ftreunbeS, be§ 9tbte&
fiubw. SBlofiue (Abbas Lanbiensis ei Broniensis) äöerfc heraus. 5Die ßuefteu
nennen ifju einen Wann bon großer Jpeüigfett beS Gebens, gaftlidjem Sinn,
Sauterfeit be8 (Stjaraftere, allen, tjocl) unb uiebrig, gtcidjmäfjig ttjeucr.
x'lnbreä, Bibl. Belg. 756. — SfoppenS, Bibl. Belg. 1002. — 3-ödjer 3,
1516. - «Rotermunb 6, 65 ■ ©oebete 2, 187. £>. $olftein.
s}M)tlipp, römifdjer Äöntg, als jüugfter ©otju .Waifer griebtictjS I. unb ber
burgunbifdjeu SBeattij um bie ^cit bee griebenS bon Sßeuebig (9liiguft 1177)
geboren, am 21. ^uni 1208 ^u Bamberg ermotbet. 5ßon feinem SJater für ben
geiftlidjen ©tanb beftimmt, würbe er rjon einem fülnifdjen ©eifttidjen erlogen;
fdjon 1189 erfdjeint er aU ^ropft bon 2lad)en. ©ein ©ruber .^einricl) VI.
öerjd}affte it)m 1100 ober 1191 bie (Srwätjluug jum Stfdjofe bon äBür^burg,
unb al§ biefe, watjrfdjeinlid) wegen beS Ülltevsbefects, nidjt aufred)t getjalten
werben tonnte, liefe er ifpr in ber Glitte bc§ 3Qr)trö 1193 übertäubt in ben
Weltlichen ©lanb jutfidtteten. 2Bie ^fjilipb fetjon 1191 ben erften 3ug ^ein»
rid)S VI. nad) Italien mitgemad)t tmttc, fo begleitete er itm aud) 1194 auf
bem ^weiten, weldjer bie Eroberung beS ^lormannenteidjS ©icilien jur $olge
blatte, unb würbe im 9tbnl 1195 bon if)rn auf bem $eid)Stage ju SBott mit
bem £)erjogtt)um Juecien unb bem Sanbe ber ©täfln 9Rot^)ilbe auegeftattet,
alfo mit ©ebieten, in Wetdjen bie Slnfprüdje be§ 9teicf)S unb ber Ändjc fid)
treusten unb ^tjitibb in fdjarfein 3uflrc^en unzweifeltjaft metjrfad) ber teueren
ju natje trat. @r foll als 33er(e^er bc§ ÄirdtjcngutS fogar bom ^apft (Joe*
teftiu III. gebannt Worbeu fein, waä er felbft ireilid) beftritt. 3n,5luijd)en
tjatte fid) bie gafyl ber faifertid)eu SBtübet bctriidjtlid) bermiubert — -^eqog
griebrid) bon ©d)Waben war am 20. Januar 1191 geftorben unb ^erjog Äon-
rab bon Rotenburg, ber iljin in ©djWaben nad)fo(gte, am 15. 3luguft 1196
ermorbet worben — ; aufeer bem s4>fat3gvafen Otto bon U3urgunb, Weldjer burdj
feine 3u9ftlofigfcit fid) felbft bon alten ^ufunUäbcredjuungen Apeinrid)§ VI. au§=
fdjlofe, war nur nod) ^^ilipp übrig, ben bann £einrid) für ben %aU feiueg
eigenen 2obc§ feb^r früf) fid) atg Vertreter ber ^)au§intereffen unb als S3ormunb
be§ fiaiferformee griebrid) II. (f. 3t. 3). U3. VII, ©. 436) gebad)t ju Ijaben
fd)eint. 6r errjielt nun 1196 aud) ba§ ertebigte ^erjogttjum <Bd)rDaUn unb
5ßf)ilipp, rollt. #. 743
\ed^tfexttQte foglcid) bal Vertrauen bei 53ruberl, inbem er einen großen Slntfjeil
baran tjatte, bafj ber junge gtiebrtcr) jetjt fdjon jutn 91ad)folger bei SSaterl et=
toä^tt Würbe. @r fetbft Ijatte fid) fdjon früher mit Srene, ber Üodjter bei
gried)ifd)cn -ßaiferl Sfaat, Weldje all äBittWe bei ficitifcijen 3toger III. in bie
©efangenfdfiaft ber üDeutfdjen geratt)en War, Deilobt : nun all .^er^og Don <Scf)tüa=
ben feierte er %u «ßfingfien 1197 auf bem Sanbtage, beu er am ©unjented) bei
Sluglburg abhielt, feine -"podjjeit mit ber 33rj,jantinerin, weldje ifjren Diamen gegen
ben ber |eiligen Jungfrau Deriaufd)tc, mit „ber Üiofe otjne dornen, ber Jaube
oljne ©alle", wie äöalttjer Don ber Q)ogelweibe fie feieite. 3U gleicher 3^it lief}
5pi)itipp fid) Werjrtja't machen. 3m September rief aber ber SSefetjt feine!
SBruberl it)n wieber nad) Stauen, um ben Steffen 3ur Krönung nad) £)eutfd)tanb
ab^utjolen; er mar bil 9Jcontefialcone gefommen, all bie 9tad)tid)t Pom lobe
feineS 93ruberl, bei Äaifeil (28. September), unb bie plöt$lid)e Don 9ftom aul
genährte (htjebung bei &anbel gegen bie Seutfdjen il)n ^ur ^eimferjr jwang,
bie fetbft nur mit ©efatjr bewerffteltigt werben fonnte.
2lber aud) in Seutfdjlanb löften fid) nad) bem £obe Jpeinrid)! VI. alle
SBanbe ber Drbnung unb bie ^ugenb unb 2lbwefentjeit bei erroatjlten Äönigl liefen
balb Zweifel auftommen, ob ein foldjcl Äömgtfmm ben Umftänben genügen
fönne, wärjrenb an anberen ©teilen fdjon bie ©ültigfeit fetbft feiner 2Bat)l be=
ftritten mürbe. $t)ilipp trat atterbingl aunädjft mit altem 1Kad)brutfe für ba!
9ted)t feine§ Dieffen ein, mufjte jebod) balb erfennen, bafj bie Dppofition, beren
ßeitet ber mächtige grabifdjof öon £ötn, 2lbolf Pon S3erg war, mit grieörid)
bal ftaufifcfje £aul überhaupt oon ber £rone aul3ufd)lief$cn beftrebt mar, unb et
gab beerjatb, im ^ntereffe bei £aufel, feine gufiimmung baju, baft bie ^reunbe
belfelben, obenan (häbifdjof Subolf Pon 531agbeburg, iljn felbft an bie ©pitje
bei 9tetd)el fteltten. 21m 6. 9Mt3 1198 ju 3d)terlrjaufen amifd)en Erfurt unb
SIrnftabt einigten fie fid) über feine Sßatjt, bie bann am 8. ju 9Mt)trjaufen
förmtid) Donogen Warb. 2>od) fd)dnt $t)ilipp , meuigftenl aufänglid) , fein
Äönigtt)um nur toie eine ©tettpertretung für gtiebrtdj aufgefaßt ju tjaben.
Slbolf Don Äöln unb feine «Partei waren weit baDon entfernt, fid) biefer
SBafjl p fügen. ©ie Ijatten fd)on Dortjer it)r Slugenmerf auf ben ^erjog 33ern=
tjavb Pon ©ad)fen gerietet, ber jebod) jebe SBatjl ablehnte unb fid) Dietmetjr
$t)ilipp anfd)tofj. Sann toar mit Otid)arb Sömenfjerj üer^anbelt moiben
toegen ber Söat)l feinel älteften Neffen, bei rf)einifd)en ^faligvafen ^einrid) öon
5Braunfd)toeig, unb, all beffen 9iüdfe^r aul bem ^eiligen 2anbe fid) öeraögerte,
mit bem £>erjoge ^Bevt^olb V. Pon 3^110^. ocr iu oer ^at anfangl auf
hm S3orfd)tag einging, bann aber bebenfltd) mürbe unb enblidj burd) «ptiilippl
Stncrbietungen gän^Iid) fid) Don ber Cppofition trennte. Sie ©rgcbnifjlofigfeit
biefer S3emü^ungen fd)eint 1)ä $I)ilipp beu ßinbrüd gemad)t ju b^abeu , all
mürben feine ©egner , meld)e et bei energifdjem 23oiget)en bamall motjl nod)
leid)t I)ätte erbrüden tonnen, fdjliefdidj in grmangetung einel anberen ßanbi=
baten fid) it)m fügen. 6t liefe ilmen fo ru^ig 3eit, fid) anbermeitig um^ufdiauen,
unb fid) enblid) auf ben jüngeren SBruuber bei ^fal^grafen, Otto Don ^oitou, ju
einigen, für ben aud) bie ©unft fprad), in welcher er bei 9tidjarb Don (Snglanb
ftanb, unb bie grmartung, bafj teijterer nidjt fargen merbe. Um ^fingfien fam
Ctto nad) ßüttid), würbe in Üöiw fefttid) empfangen unb am 9. 3uni bort all
erwählter Äönig aulgerufen, ©änjtid) auf bie Unterftüfeung feiner 2lnt)änger
angewiefen, mufte er fie mit gugcfiänbniffen nad) aßen ©eiten b,tn ettaufen;
in biefer SCBeife bemühte et fid) aud) bie Stnexfennung bei ^?ap|tel ^nurcenj III.
ju gewinnen, bet afletbingl füt feine itatienifd)en iöeftrebungen bei bem SBelfen
auf gröBerel öntgegenfommen rennen burfte all bei bem ©taufer, bem "Raty
folger einel griebrid) I. unb ,!peintid) VI.
744 ^t)Üippr tum. Si.
Unzweifelhaft War s}Jl)itipp öon öornfjcrein feinem sJiebenbul)(cr an 9)tad)t
überlegen : bcr ganje Dften, ber gaiijje ©üben, im EBcften bev 3ufammcnl)ängeube
©trid) Pon ßltttidj, S-tter unb Boxringen [tanb ifjin 3ur Verfügung , mälvrenb
Dtto nur bcu SRorbtoeften au| feiner ©cite tjatte unb feine fonftigen Elnfjänger,
ber Eüfdjof öon ©traßburg, ber ^fatjgraf, ber tfjüringifdje Sanbgraf, in ifjrer
Vereinzelung wenig Elusficrjt fjatteu, fid) gegen bie ftaufifdje Uebermadjt ju be=
Ijaupten. Elber (entere mürbe einigermaßen burd) bie größere 9iür)vigfcit außge=
glichen, Wctdje Dtto entfaltete. Elm 10. Sali erzwang er fid) bcu Eintritt in
Eladjcn unb fonnte fid) fo am 12. an ber rechten ©tätte frönen laffen , 3War
nur mit uadjgemadjtcn SJnfignien, aber bod) burd) ben (Jr^bifdjof Pon $öln,
mäfjrenb JßljUipö, ber allerbings bie 9teid)ßiufignien befaß, feine Krönung erft
am 8. ©epicmber, bap nur in 9Jfain<$ unb nur burd) ben (Jvjbtfdjof bou jarcm
taife in Sßurgunb Oorncl)mcu 31t (äffen im ©tanbe mar. ©0 rfidjte cß fid), baß
er ber treuen EJürgerfdjaft bon^ Eladjen nidjt ju £)ülfe geeilt mar, fonberu in
berfelben $titt ba bicfe ben Eingriffen Dtto'ß uod) miberftanb , ben 93ifd)of öon
©traßburg l)cimgefud)t tjatte, otjnc itjn 3ur Untermerfung Urningen 311 fönnett.
Sind) ein größerer ftelbjug im £>erbftc an ben Dtiebcrrfjein , 3U metdjem ber in
9Jlaiu3 mit ber fiöuigßfronc beguabigte Dttofar öon E3öfjmen baß <!pauptcontin=
geut geftellt tjatte, jüt)vte 311 feinem cutfdjcibenbcn (hgebniffe. Otto räumte 3War
nad) einem Kampfe an ber liefet baß gelb unb 30g fid) bor ^fjilippß Uebet»
mad)t nad) Wötu jutücf, aber s4>ljilipp magte bod) feinen Eingriff auf biefe ba=
male uod) nid)t einmal mit ÜJcauern umgebene ©tabt, bereu ßinnaljme mafvr*
fdjeiulid) ben ganzen E3ürgcrfrieg beenbigt l)aben mürbe, ©ein ütürf^ug nad}
EJermüftitng beß platten ßanbes enuutl)igte ben SBetfen nun feinerfeitS 311111
Eingriffe überzugeben: er Ijalf bem Springer bie ;Keid)<.fiäbtc feines SBeretdjS
uutermevfeu unb marf fid) bann auf baß reicfjc ©oßlar, Wetdjeß in feiner 33e»
bväuguiß fid) «ju ergeben Pcrfpradj, menu bis 311m 6. Januar fPjn @ntfaü fomme.
SDieemal mar nun ^fjilipp redjt^eitig jut ©teile. @r traf am 5. in ©oßlar ein
unb Pcrfaf) cß mit genügenber Vefatntug, aber [taub audj tjier Pon einem Eln=
griffe auf 23raunfd)Weig ah, wofjin Dtto 3iirütfgewidjeu mar.
|>attc baß 3af)v 1198 feine Gntfdjeibung gebrad)t unb jroar f)auptfäd)Iid),
meil *J3fjilippß ©töße ber 2Bud)t unb Scadjljaltigfeit ermangelten, fo nat)in baß
3uljr 1199 ein anbereß Elußfel)cn au. ^Ijilipp Perfidjerte fid) aunädjft £ricrß,
beifügte feine (Stellung am IRittelrtjein unb raffte fid) bann ju einer Stcifje
größerer Unternehmungen auf, beten Surdjfütyruug cß fpüven läßt, baß bem
Könige jetjt ber bcwätjrte fyclbtjauptmaun feine* SßaterS unb ©rubere, bcr Weidjß*
Ijofmarfdjall #eiuric$ bon .Wölben, meldieu bisset ein Äreujjug ferngehalten
Ijattc, jjut ©eile getreten mar. SRun würbe im ©ommer bei: 93ifd)of Pon ©traft»
bürg jut Äntei'tocifung gibrad)t unb bcr ßanbgrof Pon springen burd) bie
llcbcilaffung Pon ^orbbaufen, 5Dlüt)l6,aufen it. El. auf ^Ijilippß ©eite l)crüber=
gebogen unb bann im ©cptember ein neuer 3Jcimüftuugß(uig in@ ^öluifd)e unter»
uonimcn, bem Dtto nid)t 311 toeJjre« magte. 2)a beffen Eliißfid)ten obenbrein
burd) ben 31ob 9tid)arbß Pon Gnglanb (6. Elpril) fcl)r getrübt waren, foll fogar
Eibott 0011 ftöltt, bem er Povnel)iulid) bie Xivone Pcrbaufte, bamalß fd)on baran
gcbad)t Ijabcu, il)n 311 Perlaffcu. %n ©ad)fen aber betrachtete man Dttoß <Baä)t
alß eine Perlorcne, mic ber glän3enbe ßreiß Pou gciftlid)en unb meltlid)en ftür=
ften, ©rafen unb ©belli 3eigt, Welcher mit 5pl)itipp baß 2ßcil)iiad)tßfcft 1199 in
9Jlagbcburg feierte. 93iaunfd)Weig, pon Wo Dtto'ß ©ruber ^ialjgraj «gieinrid) bie
ftaufifd) gefinnten 91ad)barn gelegentlid) mit einjäflen l)eimfud)tef $Öln, ber
gewöfjnlidbe Elufentljalt Dttoß felbft, unb ber ^erjog Pon 33rabant, mit beffen
Stodjter er fid) bei feiner Elad)ener Ärönung Pcrlobt tjatte, bitfe leüten ©tütjen
beß ©egenföuigtfnitnß nieberjutoerfen , mar onfd)eiucub feine 311 große Elufgabe
$f)ilipp, röm. tf. 745
für bas folgenbe 3ahr, befonbers ba ber neue ßönig Don Gngtanb Johann bas
veidje Segat, welches* $id)arb feinem Steffen ausgefegt hatte, jutudTjteU unb fid)
in bem ©tiflftanbe , welchen er mit «ßbüippS SSerbfinbeten, bem Könige öon
ftranfreid) Icblofe, öicHeic^t nidjt ungern bie Sebingung aufnötigen liefe, an
Otto weiter feine Unterftüfjung ju gemäßen. „Seit bem 2obe meines CbcintS
$id)arb fd)rieb Otto bem «papfte, leib 3frr mein einiger Xroft unb SBeiftanb".
3ludj ^fnlipp t)atte ntdjt öerfäumt, fid) mit bem «paffte in 23erbinbung ju
Jefcen; nur ba% feine barauf gerichteten Sßerfudje wenig ermutf)igenb ausfielen.
£er $3ijdjo? Don ©utri mar halb nach bem £obe bes ßaifers an tbn abge--
orbnet wotben, um bie greilaffung ber com ßeftorbenen nad) 2)eutfd)lanb abge*
lüften ©rofcen Siciliens au evwirfen, unb fie Würbe gewährt, ^frilipp liefe fid)
burd) benfetben aud) Dom Sänne löfen, bem er wegen feiner tu^cijdgen Ueber=
griffe Pcrfatlen fein fotlte, unb beOollmächHgte bann fcinerfeits ben Sifcfcof,
melier nad) ber ^Rainjer Ahonung surüdreifte, 311 $erhanbtungen mit_ bem
Zapfte. 3u fotd)en fam es inbeffen gar nid)t, ba Snnocenj ben Sifchof be*
fd)utbigte, mit jener Slbfotution jeine 33oifmad)ten Übertritten au haben, unb
ibn mit lebenslänglicher (Sinfperrung ftrafte. Sie ©enbung bes ©trafcburger
Ükopftes ftriebrid) im 3at)re 1199 t)atte feinen fcefjeren (hfotg. Snnocenj be=
bauerte in feiner Antwort auf beffen anbringen bie Zwietracht bei Reiches, be=
tonte aber, bafe bie <5ntfd)eibung berfetben ber ßircfje juftetje, meiere bas ßai]er*
thum Dom Often aui ben äßeften übertragen unb bie ßaiferfrone ju »ergeben
habe. 3n ber £t)at hatte ^nnocena fdjon längfi nicht bloss innerlich Tür Otto
Partei ergriffen, fonbern aud) in feinen nad) 2)eutfd)(anb gerichteten ©chrirt:
ftücfen Söünfcbc für bas G5ebeif)en beffetben ausgebrütft, immer aber bod)
peimieben, bie öon Otto unb feinen m'eunben angefirebte förmliche Aner=
fennung aussprechen, weit fie fowohl feinen ßnbjwed als 6d)iebSrid)ter im
Sbronftreite angenommen ju werben, öereitelt haben mürbe als auch ©e|abren
in liefe fchloB folange bie Angelegenheiten Otto! nicht beffer gingen als biSber.
(5ine Weitere ©cbwierigfeit fam hin.su. dämlich ber GrjbifchoT Don «ülainj Äon*
rab t>on äöittellbad), welcher jugleid) ßarbinalbifchof ber Sabma War, 3etgte jtet)
bei einem Sefuche, ben er im £erb)te 1199 auf ber £eimreife aus ©nrten bem
Zapfte mad)te, burcbau§ uiebt geneigt, bie Politiken 5ßtäne beljefbcn ju
förbern (5r war wo^t Wie ber $apft gegen Sß^ilippS Äönigttjum aber : barum
bod) niebt für Otto, fonbern oietmebr für ben 1196 erwarten m'tebud), ob=
wobt bag ^urüdgreifen auf biefen, weteber päpftltcber Se^nSföntg üon ©teilten
aeblieben war wieber bie ^erfonatunion ®icitien§ mit bem Äatjerreicbe »erwuf=
liebt baben würbe, in ber Snnocenj bie größte ©efafjr für bie ^acljtltetlung
beß «ßapfttbumS unb por 2Mem für ben burd) @ewatt gefebatfenen ilirdjenltaat
erbtirfte Snbeffen bie ^aeification, wie fie ber äBittetebadjer plante unb toeldje
bie Abbanfunq beiber ftreitenber Könige aut Sorauefe^ung bdte, f cbetterte gteid)
baran baf; Otto fid) auf feine Söertjanblung über fein X^ronrec^t einfallen
wollte' unb ber bisber im Uebergewicbte gebliebene ^Utpp natürlid) nod, wem-
oer surüd^utreten badjte, Da ber Gavbinal natürlich feine SurgjcbaU Hellen
tonnte, ba* bann bas ^önigtf)um gfrtebri^S nid)t weiter be|tntteii i werben
mürbe 21(3 bann ßonrab ben 33orfd)lag eine§ fürftlid}en ©d^iebsgertdjtö oul=
braefete, fo ging 3war Otto barauf ein, weil er Dorn $apfte «»ortete, j bat bet-
felbe bie ©d,ieberid)ter au feinen ©unften beeinfluffen werbe; bie itoufi^e Rottet
bagegen, welche fieb erft fürali« 8u mannhaftem (Jinfte^en lür «Philipp Perppt(36 > et
hatte unb mit einiger 3uterfid)t auf feinen oottflänbigen Sieg rennen bunte,
lehnte foldjeö ©cfiiebögericbt runbweg ^. Äonrab erregte mit feinen! S«^
benuljungen nur baS Vne, ba^ wenigftenS für ba» »mlanb ein ®*\(«*f
ftaub abgefcbloffen würbe, bei bem fowobl Otto als «pbiltpp ibte Rechnung jn
746 WttpPf ™nt. ®-
finben glaubten. £er 2lbfd)tufj biefer üon .ffonrab üon SBittelsbad) angeregten
ä}ert)anb(ungen tuirb bie ©efammtertlärung bet ftaufifd) gefinnten dürften unb
Magnaten auä ©pcier üom 28. Üölai , wie idj an^unebjmen (Srunb b,abe , bes
3at)vel 1200 jein, bereu SBebeutfamfeit jcbod) nid)t üerringert Wirb, wenn fie
fctjou 1199, tote üon nnbever Seite gemeint wirb, an ben »ißapft gerichtet fein
joflte. 3ene, welche bie grofjc SJtcljrljeit ber gteidjsftanbe in fid) oerförperten,
bezeugen fjier bie töedjtmäfeigfeit ber Söaljl ^tjitippö, üerfidjern bie 9icd)te ber
Strdj'c achten ju wollen, aber warnen aud) ben Sßapft, mit beutlidjem Jpiublide
auf feine Söefijjnaljme bet mütelitalifdjen 9teitf)Slänber, feine #anb nad) 9ted)ten
bes 9icid)es auSjuftrecfen, unb fie füubigen eublid) an , bafj fte bemnädjft mit
aller ^Jtadjt nad) 9tom jie^cn »erben, um i()rem ßrtod^tten bie Äaiferfrone ju
üerfcfjaffen. 2Benn bie Anhänger s4>t)itipps bann aufeetbem feüjr cntfdjieben fict^
ju (fünften 9Jtarfmatb8 üon IHnweiler ausfpradjeu, ber burd) Snnocena aus feinen
üon $einrtdj VI. ifjin üerlietjenen 9cetd^@let)en in 2JHttelitalien Derbrängt morben
mar unb eben bamale beS $j}apfte8 SBormunbfdjaft über ben jungen ftriebrid) üon
©icilien mit ben Söaffcn in ber £)anb befämpfte, fo ift es ftar, bafj ^nnocen^,
Wenn er aud) nod) uuparteiifd) bem bcutfdjen Sljronftreite gegeutibergeftanben
Ijätte, unmöglich) auf p)ilipp* Seite feine :Ked)uung finben tonnte. Seine Slnt«
Wort auf bie ßrflärung Don ©pcier, er roiffe, wem bie apcftolifdje ©unft 3Uju=
menben fei unb er »erbe Don fid) aus hm rcdjtmäfjig ermatten Äönig jur
Äaiferfrönung berufen, mar eine un$»eibeuttg« Ulbfage an Sjßljitipp unb beffen
fjfreunbc, unb nod) beutlidjet ipvad) er in ber Beglaubigung eines im Sommer
1200 nad) ®eutfd)tanb entfenbeten Soten baüou , bafc bie 2Bal)l „be? einen"
ber ftreitenben Äönige, nämlidj ijiljUippS, üon bornljercin ungültig fei, »eil er
buref) Stnna^me berfelben an gfriebridj eibbrfld£)ig gemorben unb ßberbieä jur
3eit ber 2Bat)l fid) im Sänne befunben Ijabe.
Sfnnocem fdfjetnt mit bevartigeu Sleuferungen einen SDrud auf bat burd)
Äonrab üon SJtainj angeregte furfttidfje Sd)iebSgcrid)t bcabfidjtigt 311 fjaben, üon
beut er freilief) nod) nid)t »iffen tonnte, bafj es überhaupt nid)t ,}u ©tanbe ge=
fommen mar. Iroübcm »ar bie unüerfennbare Parteinahme ber oberften f ivcr)=
lidjeu Autorität für ben Söelfen ein entfd)iebener 9iad)tb,eil für s$t)i(ipp unb fie
fiel um fo fernerer ins (Memid)t, aU feine Unternehmungen im 3>al)re 1200 nid)t
üon 6rfolg begleitet waren, ©ein mit grofcen gurüftungen unternommener
fommerlidjer [Jfelbjug gegen 33raunfdj»eig , weldjes Dtto'ö ©ruber oertbjeibigte,
fdjcitcrte üollftänbig. ©ann ftarb Äonrab üon SJtatnj am 20. Dctober 1200
unb ^b^ilipp feüte jroar bind), bafe bott üon ber s)Jüt)rl)eit ber Oäcit) (berechtigten
ber it)m perfönlid) jugettjane ©ifd)o'r üon SDBorni8 ^.'upotb üon ©djeiufelb er*
mäf)tt mürbe. 916er bie 9Jtinberl)eit , meldje fid) üor it)iu nad) Singen aurüd=
gebogen f)atte, lie^ fid) nidjt einfct)üd)teru : fie »atjtte ben Sompropft ©igfrieb
üon Ctppenftein unb, faum tjatte ^§ilipp biefen Wegenben ben dürfen gemanbt,
fo erfct)ien ©tgfrib mit Otto* Jpülfe üor SRainj, bemächtigte fief) ber ©tabt unb
gab fo bem SBelfen einen mistigen ©tüüpuntt für weitere 33orftöfee gegen ben
ftaufifdfjen ©üben. 5Die dürften, welche üon Otto ]u 5)3t)itipp übergegangen
Waren, fat)en fid) mit ^irdjenftrafen bebrot)t unb beS leütereu 2lnb,aug im Dften
litt unter bem ©treite, in weldjeu Dttofar üon Summen mit Xietiid) üon
2tteifjen getanen »ar, baburd) ba§ er ?lbeta üon s3Jteifeen oerftofeen unb fid)
mit Äonftan,\e üon Ungarn üermät)lt rjatte. ^n jeber ©e^ieljung alfo t)atte
^tjitippö ©tettung fid) üerfd)(ecr)tert, unb im legten ©runbe ^auptfä^Iidj barum,
Weil bie bureb, Äonrab üon s)Jtainj aufgebrachten i>err)anbtungen bie red)tjcitige
sXuenüt3ung ber frütjer gewonnenen Sßortr)eile üertjinbert Ratten.
©iefe ©ad)lage ermutigte ben "ißapft einen ©d)ritt weiter 31t get)en. Vlm
5. Sanuar 1201 geigte er ben beutferjen dürften an, ba| er 3»ei 6arbina(=
5ßf)Uipp, röm. Si. 747
bifdjöfe ©uibo bon ^raenefte unb Octabiau bon Dftia mit bcm auftrage nacb,
2eutfd)(anb fenben roerbe, bie dürften 3U bcfiimmen, bafj fie itjre Stimmen auf
einen folgen bereinigten, roetdjem bie Äaiferfrönung ju Streit werben fönne, ober
fid) ber päpftticfjen (hüfcfjeibung unterroürfen. 23ebor inbeffen noct) biefe Negation
in SBtrffamfeit trat, beftimmten Dcactjridjten über Dttoä roeitere ßrrotge am Dber=
rrjcin ben tyap]t, auf bie bod) ferjr jroeifelfjafte Unterwerfung ber dürften unter
feinen ScfjiebMpvud) 3U berjicfyten unb am 1. 5)Mrj einfach bon fid} aus ben
SSetfen aU Äönig anjuerfenuen, ^fjüipp aber unb feinen 2lnfjang $u bannen.
@§ fann nun fjier nicfjt ausgeführt werben , wie ^nnocenj nad) biefem 6nt=
fdjluffe aüc |)ebel in unb aufserfjaib jDeutfdjlanbi anfe^te , feinem Sdjüfclinge
3um Siege p berrjelfeu, ber obenbrcin am 8. ^uni bie bom Zapfte in Italien
gefdjaffene Drbnung tücEtjattetoe anerfannte unb auch burd) anbere 3ugeftänb=
niffe fiel) banfbar erwies. $tm 3. ^uti berlünbete ber Öegat ©uibo — Dctabian
fanb in frranfreidj Scfdjäftigung — 3U Äöln bie päpftlicrje Gntfcbeibung unb
offen unb insgeheim wurbe nun baran gearbeitet, ihr Sichtung ju beschaffen,
bor Sltlem bei ben beutfd)en 53ifchöTen , welche in ihrer großen 9Jechrf)eit bis»
baejin 3U Philipp gehalten Ratten. £)er grcfje Oreicrjetag ju Bamberg , melden
^hitipp im September abhielt, bie gfänjenbe Sdjaar linfsrljeinifdjcr unb bur=
gunbifcher 6ro£en, weiche fidj bei ihm ju -£>agenau im SLeccmber berfammelte,
unb ber £ag ju ^aEe im Januar 1202, auf welchem ein Sßroteft gegen baö
Verfahren be§ Segatcu bercinbart unb eine 3lborbnung an ^mocena befdjtoffen
rourbe, — 2?erfamm(ungen, auf Wetdjen gerabe bie geifttichen dürften jahtreid)
beitreten waren — föunten ben ©tauben erweden , bafj fie nid)t baran badjten,
itjre bisherige «paltung aufzugeben. Stber mir miffen aus ber Gorrciponbenj bee
*papftcs, ba% biete bon itjiten fdjon im (Scheunen mit ber (Gegenpartei in S3c=
jietjung getreten roaren unb nur auf eine Grftarfung ber 9Jcadjt Dtto's roarteten,
um ju bemfetben überzugeben. %ud) jetjt wieber toar bie gröfjere ürühngreit auf
Seiten Dtto'3 unb man mufj itjm baS 3eugnifj geben, ba% er es berftanb , aus
ber gtütftidjen Söenbung, roelcrje bas (Eintreten ber oberften fachlichen 9Iutorität
für fein jtöniglhum bebeutetc, 9lu%en ju aier)cn. 9Jcit #iifc berfetben jcffelte er
ben fchen unfidjer geworbenen 9corbmeften roieber an fiefj, machte ben jdjroer 3U
befriebigenben (Srzbifchof bon ßöln burch ein 23ünbnifs mit ber mädjtigen 33ürger=
fc^ait biefer Stabt unfdjäbtid), gewann bie Unterftü^uug ber Dänen, roeldje mit
33enu^uug bee Srjronftrcitä bi§ 3U Gnbe 1201 ^»otftein erobert tjatten , gegen
flippe 2tnrjänger im Sorben, bon benen bie roid)tigften, roie ber ßrjbifdjoi oon
SSrcmen nod) im Saufe bt:z %at)xe& 1202 jur Unterroerrung gebraut rourben,
unb tjatte enbtictj bie ©euugtrjuung, ba^ fein Cfjcim ^o^ann bon ßnglanb, oon
bem er bieljer gänätid) bemact)täffigt roorben roar, jetjt ba er roieber mit 5™^=
reid; ^rieg 3U führen Ib.atte, bie S^erbinbung mit itjm fud)te, ein <5d)u^ unb
SrupüubniB abj^toB unb itjm einiger 9Jiaf5eu mit Ö5e(b 311 ^ütie fam. s4>t)ilipp
aber "tjat, roäfjrenb Dtto t)aitbelte, in auf'allenber Untrjätigteit berb,arrt unb erft
bann fid) aufgerafft, als es taft fdjon ju fpät roar, al« eine ^erfdjroörung bei
S3ifd)of© ^enrab bon aBür^burg, be§ Sanbgraten .^ermann bon it)üringcn unb
bee 5Böt)tnenfönig§ ifjn au§ slHittetbeutfdb,Ianb ju berbrängen brorjte.
£)tto!ar bon SBö^men beburfte roegeu feines 6tjeb,anbetg ber Geneigtheit beä
s43apfte5, roetdjc nur burc^ Slnfdjtufj an ben Scrjü|ling beefetbeu ju gewinnen
roar. ^ermann bon £fjüringen mochte fid) für feinen 9lbratt bon Dtto uidjt
genügenb betotmt unb größere Sorttjeilc burd) ben Hücftritt ju Dtto cinju=
Ijetmfen gtauben. ßonrab ben SSürjburg aber, flippe ^aujter, fd)eint fc^on
1201, al§ Snnocenj if)tn bie Slnna^me bc§ früher abgefprodjeneu 2Bürjburger
33iötrjum§ gemattete, fid) bem ^apfte berfaurt 311 b.aben, unb wenn er tro^bem
bi§ in ben September 1202 bin ein fidj im Vertrauen $t)itipp§ ertjiett, fo jeugt
748 WlipP, töm. $•
bog nur öon ber ©efd)id(id)feit, mit roeldjer bie melfifd)=päpfttid)e Agitation bn§
ftaufifdjc $önigtt)um untergrub. @rft $onrab8 3ufammenfünfte mit bem Banb«
grafen, ber fdjon burd) 33efel)bung beS öon s^f)tlipb anerfannten ©i^bifcfjofS
£upolb feine maljre öefinnung toervietr), öffneten bem Könige bie 9lugen: im Dco=
öember fammelte er baä Jdjtüäbijdjc Aufgebot gegen aBür^burg. 9118 er bort
anlangte, mar $onrab aber fdjon bind) Tienftmannen auä bem |>aufc 9taöen§--
burg ermorbet. @ä ift begreiflidj, bafe biefer bem ^ntereffe beä $önig§ f)öd)ft
gelegen fotnmenbe SobeSfall t)ier unb ba ben 33erbad)t ermedt t)at, bafi ^tjitipp
bemfelben nid)t fem geftanben t)aben mag, unb ber Umftanb , bafc öon feiner
(Seite feine SBerfotgung ber ^Dlörbrr ftatt tjatte, mar nur 3U fern- geeignet, fotdjen
SJerbadit 5U nfttjten, ber jebod) öor ber Ütjatfadje meidjen mufj, bafc fetbft 3nnocen3,
meldjer aÜeS batan jejjte ben politifdjen ©egner ju üernidjten , öon biefem 53er=
backte feinen ©cbraud) madjte. 9ln $onrab§ ©teile trat in SMrjbiug ein ber
©ad)c ^Ujitipp* ergebener sJJiann.
Ter ©d)tag gegen Illingen unb 33ör)men mufjte auf ba§ nädjfte 3at)r
öerfcfjoben roerben. 3m 3l>ni 1203 brad) s£t)itipp in ütjüringen ein unb bcr=
müftete ba3 ßanb fo, baf? ber ßanbgraf einen ©tiüftanb erbat. 5pt)ilipp be*
willigte i£)n, aber nun tarnen \>ermann$ SUerbünbete rjerbei, ^pfal^graf .frcinrid)
öon sPraunfdjtücig unb Ottofar öon 33ö()iueu mit einem gemaltigen #eere, ju
mcldjem auf antrieb bc§ s4>apfte6 aud) Ungarn einen ©djroarm ber milben ^0=
lowjcn, Qcfrjjirft l)atte. Ta bcrmodjte s^f)itipp öor ber Uebcrmadjt ba§ gelb
nidjt merjr 3U behaupten: er 30g fid) erft nad) (hiurt, bann nad) ÜJIeifjen jurüd
unb fonnte e§ nidjt rjinbern, bafj Otto , ber nun fetbft nad) 2t)üringcn fam,
9Jcerfeburg eroberte, mit ©Ulfe ber Sööfjmen bie fübtidjen Ifjeilc beö Gn'3bi§tl)um§
9ttagbeburg , fpäter aud) ba* .palbeiftäbtifdjc öcimüftete. ßrfl at§ Otto nadj
23raunfd)meig unb bie S3öl)tneu, öon benen ba8 befrennbete Kjüringcn nod) metjr
ju leiben gehabt l)atte als öon ben ©taufifdjen , nad) .fraufe gebogen mar,
fonnte ^rjilipp fid) ben föüdrceg burd) Stjüringen bar)uen. Ter 5c^3ug war
für ttjn gäi^tid) üerloren, bie 9.*erbinbung mit feineu ^nl)ängern im 9corboften
burd)bvod)en.
s4>t)itipp fdjeint übrigens fdjon flu ber $t\t , als bie Untreue be§ 2öür3=
burger $ifd)of3 fid) enthüllte, ju ber Ueber^eugung gefommen p fein , bafj er
fid) gegen ben SDßiöen be£ ^apfteä uid)t mevbe fjalten fönnen. Turd) einen
Wand) öon ©alem tief* er bie elften Eröffnungen an ^nnocenj gelangen, ber
feinetfeitS bann ben s^rior ber Gamatbutenfer Dflatttn öerantaftte, fd)einbar au8
eigenem eintriebe ju i^ilipp ,Vi getjen. S)a§ ©rgebni^ ber fo angefnüpften 93er«
l)anblungen mar (etma im sDcai 1203) eine Urfunbc, in metd)er viU)i(ipp fict)
allerbing§ ^u bebeutenben ^ngeftiinbniffen an ben s|'apft tjerbeilie^. (5r öers
• fprad) ©enugttjuung für bie au§ ber $tii feiner 53ermattung 2u*cien§ tjer*
rü()renben 33efdjroerben, einen flreujjuß, lUitmiifiing jux Untermerfung ber grie=
d)ifd)en j?ird)e , falls ©ott if)m ober feinem ©djruager ^ttciioö basf grieri)ifci)e
^aiferttjum öerleitje, preisgäbe be§ ©polienred)t^, ö5Ilige g-reitjeit ber fircl)=
lid)en SBatjlen, @infd)iänfung ber iHofteröögte unb ein Sieidjsgefetj, ba^ ber ©e=
bannte aud) ber meltlidjen %ä)t öerfaüe. 9lUee Tinge, bie un^meifelfjaft ben
Beifall be§ ^apfte§ Ratten, aber ba fie 311111 SErjett aud) fonfi fid) erreichen
liefen, 3um Strjeil anä) fd)on öon Otto 3ugeftanben maren, boci) nid)t im ©taube
maren, ben 5papft für 5t>l)ilipp 31t geminnen unb um fo meniger, ba biefer mit
feinem SBorte au| eine ?lnerfennuug be» öon ^nnocen3 gefdjaffenen ^ird£)en=
ftaateS anfpielte, ber bod) öon Otto fdjou anevfannt mar. il^ot ^t)ilipp au|er=
bem bie |>anb einer feiner ütödjter für einen Steffen beg ^apfte§, fo ^attc aud)
ein fol(J)e§ Angebot menig 33erlortenbe§, al§ naei) bem ^ci^Hngen be§ tt)ürtn=
gifd)en f^^tb^ugeö fein Dciebergang entfd)ieben 3U fein fd)ien. Tiefe Sßerljanb*
-ptjiiipp, röm. tf. 749
(ungen, für metd)e 3nnocen3 nactjhägtict) ben Vermittler berantmorttict) mactjte,
maren am gnbe boctj nur ein 3?emei3, bafc ^tjilipp fetbft fein tcrfjteä Vertrauen
met)r auf ben (Sieg feiner Sact)e t)atte, unb menu er nidjt, mie Ratten feine 2Xn=
tjänger ein foldjeg fjaben fotten? Sie 311 ifjm fjattenbcn 33ifd)ö?e mürben aÜ=
mätjlid) mürbe. S>urd) päpftticfje Agenten bearbeitet, in ^roceffe bei ber (Surie
bermidett, beren (Sntfctjeibung fiel) gan^ nad) itjrem Politiken S5ert)atten rict)=
tete, in itjrem ©eroiffen burdj ben 33ann bebrücft, fjaben fie fict) immer metjr 311
bem ©etöbnifj berftanben, bem tpapfte auet) in ber Steidjlangetegentjeit gef)or=
famen ju motten. (B ift roafjr, bie meiften berfetben fjaben e§ aud) mit biefem
©ttöbniffe nidjt a!d]uernft genommen unb itjre Stjtnpatfjien blieben naefj roie
bor ^fjitipp jugefetjrt ; ober fie ju betätigen mürbe boppett gejäfjrlicf) , als ba3
ihiegägtücf bem Könige itjrer SBafjt ben 9tüden toanbte unb bie ^ufunft bem
Könige bon bc§ ^abfteä ©naben ju gefjören fcEjien. Otto berichtete am Gnbe
be§ 3far)rc§ 1203 bem ^ßapfte, bafj im näcrjften Sfatjre ein gelbpg nactj Sdjroaben
ber Sadje be§ StauferS ben £obeeftofj berfetjen merbe; er berfpradj fdjon feinem
Dfjeime, ifjm gegen ^ranfreief) 3U ipülfe ju ^ietjen. (£1 mar auf feiner Jpötje
angelangt: bon tjier ging e§ rcifjenb abmatte.
^Jlodjte *)3tjilipp§ 21nt)ang aud) in§ Sdjmanfen gerattjen fein, er berfügie
bod) bermöge feines §aulgute§ über bebeutenbe 9Jcacfjtmittet, roätrrenb ber 2Belfe
ofjne bie Unterftütjung feiner 21ntjänger fo gut mie 9lid)tS mar. ©ein trüber
toar ber erfte, ber ifjn bertiefj, ofjne 3b3eifel ^unädjft, um burdj ben Uebertrttt
3U s$fjitipp bie rtjeinifdje ^Tat^graTfdjaft ^urüd^uerljatten, für beren SSerluft rootjl
eine Qmtfdjäbigung au§ bem melfifdjen (Srbgute mögtidj gemefen märe, aber bon
Otto berroeigtrt morben mar. 2er ^faljgraf natjm bann fogleid) an 5ßfji(ipp£
^weitem ^elbjuge gegen Jtjüringcn (^uti 1204) Jtjeil, bei metdjem ber 2anb=
graf gfeictj3eitig bon allen Seiten angegriffen mürbe unb fiel) in Söeifjenfee ein=
fdjtiefjen mufjte, bis bie börjmifd)e -gmlfe cjeranfommen fonnte. J?önig Dttofar
tiefj allerbingS aud) bieSmat nicrjt auf fxdj märten, roagte aber, meit er bie
tlebcrlegenfjeit bcS "Jteidjsrjeeres erfanute, feine Sdjladjt, fonbern 30g bafb mieber
nad) 33öfjinen jurütf. Sa blieb bem Sanbgrafen nidjt§ übrig, a(§ *TJfjiüpp§
©nabe anzurufen (17. September): er fonnte fror) fein, bafj er mit bem Sßerluft
be§ für feine erfte Untermerfung überlaffenen 9fteid)sgutcs babon fam, unb feinem
$8eifpiete folgte nun auet) ber Vöfjmenfömg. tiefer mufjte fict) 3U einer bebeu*
tenben 3a^unS art ^en Äönig unb jur 9tufnat)me ber berftofjenen 3tbela ber=
ftetjen, ot)ne roeld)e ^mifdjeu it)m unb ben SBettinern fein ^rieben fein fonnte.
2öät)renb 5]3tjilipp fo feine Stellung in sIRittelbeutfct)lanb befeftigte, bereitete
fict) audj im eigenften 5Bereict)e Gtto'S, im ftorbmeften, ein Umfdjmung '}u feinen
©unfien bor. ®urct) ben tjottänbifctjen Srbfolgeftreit ging bie bon bem päpft*
lietjen Legaten mütjfam ,]ufammengefittete Einigung ber nieberlänbifd)en ©ro^en
auf ba§ melfifctje Äönigtfjum in bie 33rüd)e. Slbolf bon ^ötn, bem Otto feine
@rt)cbung berbanfte, fat) fict) bon it)m jur Seite gefefjoben, unb ber «iperiog
.£htnrid) bon Trabant, mit beffen £od)ter Ctto ficij öerlobt tjatte, mufjte
einen Angriff be% mit ^tjilipp befreunbeten granfreid) befürchten, gegen
tt>e(d)en meber bie eben- in biefer 3e^ bottftänbig bpfiegten ©nglänber nod)
Otto itjn 3U fdjütjen bcrmodjten. Siefe beiben dürften maren fetjon im
Sommer, mätjrenb ^tjilipp nod) in Stjüringen ju ttjun fjatte, jum lieber^
tritte entfctjloffen unb fie bottjogen it)n, allen Söarnungen unb S)rol)ungen be§
$apfte§ 3um ^rofe, am 12. s^obember ju Äoblenj, inbem fie bem Staufer 2reue
fcf)muren unb fiel) bon it)m beletjnen tiefjen. 5iun fonnte ^tjilipp, beffen ßtö=
nung unter SInberm audj barum bon ^nnocenj bemäfelt morben mar, meit fie
nietjt an recfjter Stelle unb bon bem rectjten ©ribifdjofe boßjogen fei, bie§ mett=
madjen. 2ltn 6. Januar 1205 mürbe er unb feine ©ematjlin ^Jiaria buret)
750 WtiW, töm. 8.
IHbotf im 9ladjcner 2)ome gehont. 93on bei an t)ät Otto fein Sdjitffat nicf)t
merjr ,\u meuben üermodjt, obtuotjt bie Unterftühung beö ^ßapfteä ifjm nod) \ux
Seite blieb uiib in ßöln eine sJteumar)l belohf te , burd) weld)e an ©teile be8
für feinen Wbfatt abgefegten "Jlbolf am 25. ^uti ber bisherige Sßropft bon
5Bonn, 93runo bon Sain, an bie Spitje be3 6rjbi8t§um3 trat, ^nbefjen 2Ibolf
und) nidjt unb bie lötnifdje 8anbfct)aft fjiett unter betn (Sinfluffe feiner mächtigen
Familie, ber ©rafen öon SBerg, im allgemeinen \u tljm, fo baß" 93runo f)auptfäd)=
lid) auf bie burd) bie papftlidje Agitation gan,} fanatifirte SBftrgerfdjaft bon
ftöln befdjränft blieb unb bie Stellung be§ SCßelfeu burd) feine (Jinfehung feine?»
rueg§ üerbeffett würbe. Sludj für it)u Ijing alle« baöon ab, tüte lange $ötu Ujm
treu fein toerbe. (Sin größerer gfelbjug 4>t)ilippö gegen biefe Stabt im September
1205, bie fünftägige üBerennung berfelben, bie fernere Sßerwunbung OttoS bei
einem ausfalle bermod)ten allerbiug« bie SEteue ber Bürger nod) nid)t JU et«
fd)ütteru; aber ba bie nähere Umgebung grenzenlos bertjeert mar, bie Burgen
im Umf reife in ber ,£)anb ber ©taufifdjen maren unb bie ^ufutjr beu 3tf)ein
aufwärts f e t)v erfdjmert mürbe, als $()ilipp aud) Oieufj befeljte, mar ber Anfang
öom @nbe unftreitig gefommeu unb eä madjt bei Muebauer bev Finger afte
frfjre, baß fie trotjbein ba3 Günbe t)inau*ynögern mußten. Sie befanben fidj in
äljnltdjer ßage tote im Dfien baS |"tanfifd)c ®08lar, weldjeS Don melfifdjen 23ur=
gen umfd)loffen, atlmatjltdj fjerunterfam unb enbtid) bon Dttofi Irudjfefj ©un=
jjelin üou SBolfenbüttel am 8. Jfuni 1206 erfittrmt marb.
S)a§ mar ber tet.Ue Stfolg, wetdjen Dtto im Sürgerfttege gegen lUjitipp \u
Uerjeid)ucu l)atte. 3C(8 s^f)tlipp im Sommer 1206 mieberum am ÜRieberrtjein er»
fdjien, mürbe Otto am 27. 3uli bei üiBaffeubcrg an ber 9toer öottftäubig ge=
fdjlagen. 93runo mürbe gefangen, Otto felbft entfam fd)mer bertounbet nad)
Äötn. ©in iU-rfiid) ^(jilippö, in einer peiföuUdjen 3ufammenfunft mit bem
nal) bertoanbten (Gegner, biejen initi iRüifttitte \\i beftimmen, führte ju 'Jtid)t§,
"Da fo lauge Äöln fidj t)ielt, aud) er fid) galten unb auf irgeub eine günftige
SBenbung feinet ©efcfjicfs öom Zapfte, öon Snglanb, Don ©ftnemarl f)er ober
fonft irgenbmofjer märten tonnte. Aber balb jetgte e§ fid), bafj $öln felbft ber
Wadjt ber £fjatfad)en fid) fügen mußte. Sm 11. Woüember fd)(oß" e3 mit
^t)itipp einen Vertrag über feine Uebergabc unb bie SBebentung biefe« SöertragS
mirb baburd) nidjt abgefdjroädjt , baß" bie Bürger fid) bie Serfdjie&ung ber
.jjpulbigung bis jum 9Rara au8bebingten, wafjrfdjeintidj med fie barauf regneten,
baß" aud) 3fnnoceni fid) iuiroifdjen öon ber Uninög(id)feit meitereu 3Btbetftanb8
gegen baä ftauftfdje ßönigttjum überzeugen unb bie bem äöetfen geleifteten ßibe
löfen werbe. vJl^ baö nid)t gefdjaf), t)aben fie fid) aud) um ben ^ßapft nid)t
meiter gefümmert unb, nacrjbem Otto nad) bem SBraunfctjtoeigifdjen entwichen
War, ^f)itipp gel)ulbigt unb it)u bei feinem einfüge am 21. ^Iprit 1207 mit
aßen erbenflidjen ©qren begrübt. sDtit ber einnähme biefer Stabt, in Weld)tr
ba8 wetfifdje @cgenfönigtt;um geboren warben, war ber SSürgerfrieg Ü)atfäd)lid)
beenbet; Otto auf einen 2l)eil ber welfifd)en Qrblanbe befd)rdnft, fonnte wo()t
!aum nod) lange fein sJted)t auf bie Äronc Dertyeibigen , obgteid) nun äöalbe=
mar IL bon ©änemarf, gefränft über bie burd) ^t)i(ipp im Stprit bott^ogene
aufnähme ber beutfd)en Kolonie an ber 2)üna iu8 fteid), einige Gruppen nad)
93raunfd)meig fd)idte unb ^o()ann öon (Snglanb in letzter Stunbe, als fein 9teffe
felbft in if)m ^erüberfam, fid) ju weiteren .^ülfSgetbern an ifjn entfd)loB. ?iucr)
3fnnocenj gab beu Söetfen |ebt berloreu.
^nnocenj fjat fid) begreiflicher SCßeife nid)t Ieicfjt in bie feit bem 3faf)re 1204
ganj beränberte ©adjlage fyneingefunben, bereu 9f{ücfwirfung auf Italien fo ganj
feinen 2Bünfd)en entgegen fein mußte. Jpatte bod) ^l)ilipp felbft in ber 3eit
feiner größten SSebrängniß bei ben im Sommer 1203 geführten Ser^anbtungen
IJJfjUipp, röm. fi. 751
burdjaui feine «Seneigtfjeit gezeigt, auf bie 9fted)te be§ Sdeti^ö an ben bom ^apfie
annecttvten ^ßrooinjen Qlncona , ©poleto unb anbeven ]u beraten, bielmcljr
gleicfj nad) bem SIbbrucrje jener Serfjanblungen ben Sifcrjoj ßupotb bon SBormi
nadj Italien gefanbt, um btefe ftecrjte na^bvücftirfjft jur ©ettung 311 bringen.
35tfdE)0T £upofb, beffen SBafjt jum 3ftatn£er (jsrjbifcrjofe ücu ^nnocenj oerworten,
beffen Scharren am biefer 2Batj( mit Sann unb Sfbfetjung geftraft worben mar,
ofjne bafj er ficfj barum flimmerte, fjat offenbar fowofjl mit jiemficrjem Serjagen
ali auctj mit (Srfotg an ber (Sirfcrjütterung unb Sefeitigung ber päpftfidjen Jperr*
fdjaft im ßirdjenftaate gearbeitet. Sie Ueberfegentjeit ^fjiüppi macfjte ficrj aljo
im £aufe ber $atjre 1204 unb 1205, Weldje feinen Sieg für xeutfcfjfanb ent=
Rieben, aucrj in Italien füfjlbar unb er burfte mit Jfiecrjt erwarten, baß etwaige
antrage bon feiner «Seite jetjt nidjt mefjr bon ^nnccenj fur^er |)anb (yarüdge=
miefen werben würben, bejonberi ba er mit ber 3urücf 6erumng Supolbi , ber
gerabe^u berfetjenb gegen jenen aufgetreten War, beutüd) befunbete , bafj ei itjm
ernfitictj um Rieben <ju trjun war. So fam es ^wifcfjen ifjnen im Sommer 1206
p neuen Serfjanbfungen , ju wetdjen ^nnocenj ben ^atriardjen SEßotfger bon
Slquileja unb wieber ben G'amatbutenfer Martin benutze , unb in ftolge beren
bann Sfjilipp ein auitüfjrficrjei Schreiben an ben ^apft richtete, mit einer Wafjr=
fjeitigemäfjen 2)arftetfung feiner 2öafji unb bei bisherigen Serlaufi bei 2fjron=
ftreits unb mit beftimmten 2Inerbietungen, Wetdje als Safte einer weiteren 5In=
näfjerung bienen foHten. ^nnocenj narjm nun aöerbings bei Königs Ser=
ficrjerungen feiner ©rgebenfjeit wohlgefällig auf, aber beffen 3Inerbietungen fdjienen
itjm bodj nidjt auireidjenD unb bie Sreiigebung Dtto's nidjt aurroiegenb; er
fjoffte audj wofjl nodj auf irgenb einen Umfdjmung }u (fünften bei festeren unb
lief; beifjalb bem Staufer borfdjlagen, er möge mit Dtto auf ein Safjr Stittftanb
fdjliefjen, wäfjrenb beffen er, ber $apft Gelegenheit finben werbe, bem 3teidje in
fjeilfamer Söeife ^rieben ju fcfjaffen. 6r wollte offenbar $tit gewinnen.
9lber bie Sdjtadjt bei SBaffenberg, Dtto'i gffudjt a"3 ^°*n un0 oet Ueber=
tritt biefer öodjburg bei welftfdjen .ßönigtfjumi ju ^Ijilipp beWiefen, bafj mit
Dtto nidjt mefjr ju redjnen war unb baß es nur nodj barauf anfommen tonnte,
bie nun bodj unpermeibticfj gemorbene Slusetnanberfetmng mit sl>rjitipp mögtidjft
bortfjcilfjaft Tür bie ßurie ju geftalten. Sine foldje ju finben, warb bie ?iuf--
gabe ber beiben Legaten, bei Sifdjori Jpugo üon Dßia (bei fpätecen ^apftei
©regor IX.) unb bei (£arbina(piesbQteri ßeo pon ©. 6roce , weti^e im Sluguft
1207 auf einer großen 3teid)iuerfammtung in SBormi ^^Uipp junäcfjft üom
SSanne (öften. 2Iut itjr Serfangen, ben gegen Sraanfcfjweig üorbereiteten gelb=
jug aui.jufe^en, fonnte biefer um fo feicfjter eingefjen, ati bie Legaten if)rerfeiti
ei übernahmen, Dtto jur 2tufgabe feiner i?rone p bewegen SiaQ öermocfjten
fie nun alferbingi nicrjt unb ebenfowenig fjaben bie überaui günftigen Angebote
SßfjiUpps, ber im September jwei v]jtal Port Gueblinburg aus mit Dtto ju=
fammentraf, beffen Starrfinn erjdjüttert. 2Benn tro^bem ^fjifipp auf einen
Stiüftanb bii 311m ^ofjanniitage bei näcfjften %af)xtä einging, wäfjrenb er bodj
unäWeifetfjaft bie ^acfjt befafj, bie ©adfje ju Snbe ju füfjren, fo War biefei <3in=
gefjen auf bie SBünfcfje bei spapfteS Wofjt geeignet, biefen in ber Hoffnung ju
beftärfen, bafj ifjm fcfjlieBticfj fogar bai bon jefjer angeftrebte Scfjiebiricfjteramt
im Srjronfireite jugeftanben werben würbe. 3n ber Jrjat, bai innerfjalb ber
ftaufifctjen Partei borfjanbene griebenibebürfnil , bie ©efmfucfjt nacfj friebficfjer
Seenbigung be^ Srjronftreitei , wetcfje bei Dtto'i (Sigenfinn nur mittefi bei
5|3apftei erreicht Werben ju fönnen fcfjien, füfjrten baya, bafe auf bem Üreicfjstage
3U 5fugiburg (30. Olob.j bai päpftticfje Scfjiebigencfjt angenommen würbe, bem
jpäter bann aucfj Dtto pftimmte. Unb aucfj in anberenSe^iefjungen gab ^fjilipp
nacfj. 6r entließ ben bei Söaffenberg gefangenen Sruno bon $ötn aui ber §aft,
752 s^)ilipp, xbra. Ä.
Wogegen bann 2lbolf oon Äötn buvd) bie ßegaten Dom Q3anne befreit würbe;
er miberrief bie 33eter)nung SupolbS mit ben 2Jtainjet Regalien utib üeranlafjte
benfelben, auf ade aus feiner sDcain(\er ^arjl [tanuuenben 9ted)te ju Perjidjten,
um burd) folct)e (Sefügigfeit fidj oictteicfjt nod) [ein alteS, itjm Dom ^apfte ab=
gefprodjenes s43ietf)um QBoimS ^u retten. 3)arnad) war nid^t meb,r jtoeifet^oft,
baft bie (Sutjdjeibung beS Streites um Warn] nnb ,f?öln auf bie förmlidje 9lner=
fennung bort SigfribS üon Sppenftein unb tjier 53runoS Pon Sain tjinauslaufen
werbe, unb baS s-8etnür)en beS Königs fonnte nur uodj barauf gerietet [ein, für
bie um feinetmitten aus jenen (gribisttjüniern ju ßntferneuben möglidjft günftige
^ebingungen beim Zapfte ,\u ermiifen, ber [idj benn anefj barin nietjt fdjwierig
geigte.
SBerrjanblungen jU sJtom, weldje ettoa feit beut Sftdrj 1208 QBolfger üon
?Iquiteja an ber Spitje einer fönigtiefjen Öefaubtfdjaft unmittel6ot mit bem
^apfte führte, öottenbeten baS griebenäwcrf. C6 es nod) \u einem förmlichen
Sd)iebsfprud)e bei letzteren gefommeu ift, miffeu ruir nicfjt ; a&er inbem 3nnocenj
Derfprad), wenn "^Ijilipp uad) Italien fomme, werbe er itjm bie .ftaiferfrönung
nietjt üerfagen, erfannte er it)u als ben redjtmäfjigen $önig 2)eutfd)lanbS an.
Stanb ^tjilipp ferner, wie eS fd)eint, üon feineu früheren iJetfudjen, in bem
päpftlidjen Met)uStouigt()um feines Neffen griebrid) einen teitenbeu C^inftufe ,}u
ü6en, jetjt cubgültig ab, fo tjat umgcferjrt naef) ber glaubmürbigen 9Jlittt)eitung
ber llrfperget (irjronif 3unocen\ bei jenen römifcfjcn 9Jerr)anb.tungen bie fd)lief$=
lidtj bod) nur ,}u Unrecht befeffeneu mittelitalifdjen 9ieict)3lanbe, alfo ben größten
It)eit feincä neuen tfirdjeuftaateS, wieber faxten [äffen. Ter jyriebeu ;mifd)en itjneu
war fo uotlftünbig als möglict) unb jut SBefefligung bejfelbeu foftte eine lodjter
}U)ilippS mit einem Steffen beS SPapJleS üermäljtt unb ber (entere bann mit
^fyilippS eigenem .£>erwgttjume SnScten beleljut werben. ^tjilipp (jatte in Sattem
nachgegeben, nur nid)t in s-8emg auf fein Äönigtljum unb bie Oiedt^te bei WeidjS,
Wie umgefetjrt Sfnnoceii}, als bie 5)urd)fel$ung feiner firdjlidjeu Autorität nietjt
mer)r in 5rage geftellt war, in eine (Sinfdjränfuug ber frütjer tton irjiu unent*
bctjrlid) erachteten wetttidjeu Machtmittel beS ^apfttfmmS willigen }u fönnen
glaubte.
3ux (*utfd)äbigung Ötto'S bürte mieber, wie bei ben Üuebliuburger Q}er=
fjaublungen, feine 33err)eiratt)ung mit einer lodjter ^rjilippS unb feine 1Jtad)folge
im Oteid) in Musfidjt genommen worben fein unb bie Garbinäle \pugo unb 2eo
würben wieber nadj \Dcutfd)lanb abgeorbnet, um itju \\n gügfamfeit in baS
jeljt nod) metjr als im oorigen ^atjre llnuermeiblidje ^u beftimmen. Sie waren
am 80. 3nni bis md) OJcautua gefommen, als fie l)ier bie 'Jcac^rid)t traf, ba§
$öntg N|>ljilipp, bem jener ben ^la^ räumen follte, nict)t metjr unter ben Öebenben
weilte. s^l)ilipp rjatte feit beginn beS grüb^lingS im Apiublid auf ben Ablauf be§
©tittftanbeä unb aur Otto'S Stanföpfigfeit überaus ftarf gerüftet. 33on aüen
Seiten fetjten fictj bebeutenbe Jruppenmaffen gegen "■örauufd)Wcig in "-Bewegung,
Wo Dtto nur nod) tjoffen fonnte, in erjrenöollem 3öiber[tanbe, aber bod) als
,Uöaig ^u fallen. s$rnlipp felbft feierte auf bem Söege nad) Sorben am 21. 3funi
in ^Bamberg bie Ood^eit feiner sJtid)te SSeattij, ber Srbin beS im 3fat)re 1200
öerftorbenen s^fal]grafeu Dtto Pou "öurgunb, mit bem it)m immer getreuen £>er=
joge Otto öon hieran. vJlm Ocadjmittage biefeS 2ageS, als ber ^?önig im
bifdjöflidjen ^atafte auSrutjte, braug ^fal^graf Dtto Pou äöittelsbad) inS ®emad)
unb töbtete it)n buret) einen ScfjWertftreidj in ben .OalS. S)er 2)erbred)er, ein an
fiel) )U ©ewaltttjaten geneigter iHanu, fdt}eint baburd) gereift gewefen ju fein,
ba^ ber $önig bie Verlobung einer feiner Södjter mit it)m rürfgängig gemadjt
t)atte, Wa^rfdjeinlicr; um fte lieber mit bem Steffen beS ȧapfteS \n Ucrbinben.
@S gelang itjtn für ben 3lugenblid ^u entfliegen; aber öon Dtto IV., wetdjen
$f)Uipp, tönt. $t. 753
ber £ob «Philipps nicfjt nur öon aller «Jtotl) befreite, fonbern in ßur^em audj an
bie ©bifje beS 9teid)eS braute, tourbe er geästet unb !p^)itipp» ©etreuer, ber
«jJtarfdjatt Reinritt) öon halben rüfjte nidjt, bis er bie ^td£)t an bem «ütörber
öoEftrectt rjatte. £at man als ^CRittDtffex ber £f)at ben 33ijcr)of Gfbert öon
«Bamberg unb ben «Dtarfgrafen ,£>einricr) öon Sftrien , feinen SBruber, auS bem
-Ipaufe «ilnbedjS ober «Dteran befctjulbigt, fo fdjeint ber gegen fie rege geworbene
Sßerbadjt bocrj nur auf einem gufammentreffen äufäEiger llmftänbe ju berufen
unb nur begtjalb aufgebaufcrjt roorben p fein , toeil eS Seutc gab , toeldje tote
ber ^er^og Subtoig öon Saiern auS ifjrem 33erberben «Jtutjen ju ^ietjen ge=
bactjten.
$f)ilipp ^Qt ein gutes SInbenfen tjinterlaff en : ein „füfcer junger 9Jcann",
toie iljn SBalttjer öon ber Sßogeltoeibe nennt, toirb er felbft öon feinen ©egnevn
gelobt. 2ln ^örperfraft unb ©röfje bem äBetfen nictjt getoaäjfen, fam er it)m an
gapferfeit gleidj unb er übertraf it}n in ber ftaatSmännifcrjen f5äf)tgfeit, mit ben
Umftänben ju rennen, 3ft am anfange beS SrjrcnftreitS eine getoiffe Unent=
fd)toffenl)eit ifjm rjinberticrj getoefen, fo tourbe er im Saufe ber %ai)it unb be=
fonberS burtf) bie trüben Erfahrungen öon 1202 unb 1203 botf) ttjatfräftiger
unb äielbetoujjter. £>er SBürgerfrieg unb bie aHmärjticrje @rfcf)öpfung feiner
Glittet burcfj benfelben brachte eS mit fid), bafj er 9ted)te unb ©üter beS «JteictjS
toie feine§ £>aufeS nicrjt fcrjonen burfte, toenn eS fiel) barum rjanbelte, Slnljänger
äu getoinnen ober ju feffeln, obtootjt eS übertrieben ift , toenu bie llrfperger
@§roni! ifjm gulefet nur wenig übrig bleiben täfjt. 2Iutf) bie ©eiftlidjteit feinet
33ereicf)S mufjte ftarf tjerangejogen toerben, unb e§ föricljt öietteicfjt am Reiften
für feine «perfönlicfjfeit unb feine ©aetje , ba|$ trotjbem itjm auS ifjren «Jteiben
faft überfdjtoänglidie SobeSetljebungen ^u £t)eit tourben. 2ltteS in Willem toar
fein £ob ein fcfjtoereS UnglücE für 2)eutfd)lanb unb nict)t bloS beStjalb, toeit eine
gräutierje Slnarcrjie bie unmittelbare $olge beffelben toar.
«PrjilibpS ©emarjlin, bie SBöjantinerin 3rene=«JJiaria, ftarb fdjon am 27.
Sluguft auf ber SSurg ©taufen in einem öerfrül)ten Sßocrjenbette. S3on itjren
Xödjtern — ©ötme tjatte fie nicf)t geboren — toar bie ältefte iöeatrir toorjl jur
SBiaut Ottos IV. beftimmt, für ben %aU, bafc er fiefj auf ben ^rieben einliefe,
toie benn Otto in ber Stjat fid) naef) bem £obe «Philipps mit if)r üertobte unb
1212 Derrjeiratrjete; fie ftarb furj barauf. @ine anbere Softer $sf)ilipbS «ötaria
tourbe 1207 mit bem eben geborenen ©otme beS £>eräog§ öon SSrabant öerlobt
unb ftarb 1235 als ©ematjlin biefeS ^einric^ II. (Sine brüte — bie SllterS=
folge ift nidjt fietjer — , genannt ^unigunb, tourbe ebenfaES 1207 bie SSraut
beS ätoeijä^rigen SBenäel, ©olmeS OttofatS I. öon Summen unb ftarb 1248: fie
warb bie «Kutte* OttofarS II. 2>ie öierte 2ocl)ter ^^ilippS, toelc^e toie bie
ältefte SSeatrij t)iefe, ift bo($ tool)l bie, welche urfprüngtic^ bem 2BittelSbaä)er
öerlobt unb bann bem «Reffen beS «ßapfleS beftimmt toar. ©ie fam mit i^rer
älteften ©cfjtoefter unter bie Sormunbfctjaft unb Dbt)ut OttoS IV. unb nactj beffen
2ob in bie ©etoalt feines SruberS ^einrict) öon 35raunfä)toeig. ®urc£) i^ren
«Better, Äönig griebrid) II., 1219 mit bem Könige ^erbinanb III. öon gaftitien
öerljeirattjet, tourbe fie bie «Dtutter beS fpäteren römifdjen ÄönigS UfonS X. öon
Saftilien.
Sgl. Söljmer, Regesta imperii V. 1198—1272, neu bearbeitet öon %.
SicEer. 1. 2lbtrj. ^nnSbruc! 1881 unb Don Darftellungen (ögl. auef) bie
Siteratur bei Otto IV.) «Abel, ^g. ^rjitipö ber ^o^enftaufe. SSerlin 1852. —
Sfra- SBiefer, S)ie Sannung «Philipps. «Programm öon SSrünn 1872. —
«ftieberlänber, De Philippi Staufensis interitu eiusque causis. «Programm
öon «Mnftereifel 1872. — äßinfetmann, 5pfjitipö öon ©djtoaben unb
StUflem. beutfdöe aSiogra^^te. XXV. 48
754 ti*£)itipp, 8. t>. CSaftitten.
Ctto IV. öon 23raunfd)rocig. I. Sanb. Äönifl ^bjtipp 1197—1208. 2eip3ig
1873. — ©djroemer, ^nnocen^ III. unb bie beutfdje Äirdje roätjrenb be§
£bronftrcite§ öon 1198 — 1208. ©trafjburg 1882. — ^fjüippä Slntfjeil am
öierten Ärcu^ug ift öiet betjanbett roorben. 9Keine ^(uffaffung, bafj ^tjüipp
bem 3u9e im Sfntereffc bcv 5Drjnaftie 9Ingelo§ bie entfdjeibenbe SOßenbung gegen
Äonftantinopel gegeben, mürbe unterftütjt unb roeiter ausgeführt öom ©rafen
*ß. 9tiant , Innocent III. , Philippe de Souabe et Boniface de Montferrat.
Paris 1875; Le changement de direction de la 4. croisade. Paris 1878;
befämpft aber unter auberen öon 8. ©treit, 33enebig unb bie Söenbung beä
4. Äreu^jugeS. ^Inflam 1877, ber bie Söeuetianer, unb öon Tessier, Qaatrierae
croisade. La diversion sur Zara et Constantinople. Paris 1885, ber ben
^ufatt öerantroorttid) madjt. Söinfelmann.
ityiliW ber ©djöne, (Sqberjog öon Oefterreictj, Honig öon Gaftitien.
5ß. mar ber ©ot)n be§ Sr^erjogS "Dcarjmilian öon Deftcrreidj (fp. beutfd)en
HaiferS sDkj I.) unb ber sIftaria öon s-öurgunb, geboren am 22. $uli 1478 in
33rügge. 9tacb bem frühen £obe feiner "ütutter (27. Wäx\ 1482) ging bie
(Srbfdmft ber burgunbifcrjen ftieberlanbe auf ben breijätjrigen Knaben über; für
ben ©ob,n unternahm e§ ber Sjatev, SJlajtmitian, bie Söormunbfcrjaft unb 9tegcnt=
fdfjaft ju fügten. 3lber ©ent unb anbere Stäbte unb ©tänbe fügten ficb, nidjt;
ber feinbfelige Sinflufj graufreidja ftärfte biefe Oppofition. (Jrft nacfi langem
9tingen gelang e3 ÜJtaj, ben öon ftänbifcöer Seite gebilbeten föegentfdjaftäratr)
^u überroinben unb feine Wncrfeimung als Söormunb bes 8anbe*rjenu burd)=
äufefeen (1485), bann lieft er ben ©obn in s)Jtecbeln 2Öof)nung nehmen unb
übertrug feine (hjietjung ber Wutfidjt ber alten ^erjogin ^Jcargarethc öon fyott,
ber äöittroe J?arl3 be§ $ül)nen. äöecbfelöoU mar ba£ ©efebief ber oormunb*
fcfiaftlic&en 9tegierung, bie fieb jroifcfjen ben Angriffen ber gran^ofen unb ber
Dppofition ber 9liebertänber in eine böfe l'age eingrflemmt fanb. ^^iebens=
fchlüffe roecbfelten mit ßriegöerbcbungen ah; bie ©tabt Brügge bielt einmal
Monate binbureb ben Dtegenten ÜJiay in ibren dauern gefangen. 3u^^t fam
9Jtar. auf ben ©ebanfen, ben ©otjn fchon febr irüfj^eitig für grofcjährig erflären
ju laffen unb bamit einen ©djein felbftänbiger Regierung unb eigener ^otitif
ben ^Riebcrlanben ^u getoätrcen. Sem günfeermjärjugen rourbe barauf im Saufe
beä 2fab,re§ 1494 öon ben öeifdjicbcnen ^ßtobingen gebulbigt. 2)er neue §err=
feber fnüpite in feiner Regierung an bie Ürabitionen feinet ©rofeüaterä Wart
beS .Würjncn an; er betätigte baZ feiner Butter abgerungene fog. ©rofce ^ßviöi=
legium ber ©tänbe nietjt; er fteüte ben fjöcbjten ©ericht§t)of, bie rjödjftc 2anbc8=
betjörbe in bem ©rofeen 9tatt)e roieber ber, bem er ^Recbeln als ©iü anroieS.
©etjr erroünfibt unb förbertid) mar ber Ajanbclsüertrag, metdjen ^. am 12. ^t=
bruar 1496 für feine 9iieberlanbc mit ßngtanb abfcrjloft; er gctoäfrcte bem
niebertänbifcf)en ^panbel anfebnlidje SBort^eite. S)ic furje 3iegierung^eit ift im
ganzen rul)ig, o'b.ne errjebtietje ©törungen ober Slnftbftc öetlaufen; il)re eigentliche
Ü3ebeutung für bie allgemeine ©efebiebte beruht barin, baft fie ben ©runb gelegt
^u bem SJetljältniffe jmif(ben ^pabsburg unb ©panien, melcf)e§ bem näibften
^aljrljunbert feinen bjftorifdjen S^arafter aurgeprägt ^at. %tx ©egenfab ätnifiben
ber frau(iöfifdjen s3Jiacf)t unb ben Seftrebungen be§ ^>aufe§ «gmbSburg, mie 9Jlaj I.
fie öerfolgte , fjattc ^u ber Slbficbt einer engen ^amilienöecbinbung ber £mbg=
burger mit ©panien geführt: eine ®oppeleb,e follte bem politifdjen 23ünbmfj ber
''JJläcbte gegen granfreieb ben fefteften $itt öerteib^en: ^ß. follte eine fpanifdje
^ßrinäeffin, bie ^meite am 6. 9coöember 1479 geborene Üocbjer gferbinanbS unb
äfabella'S ^obanna (Juana la loca), ber fpanifdje Äronprina follte ^^ilipp'S
©djroefter SJcargaretrja b.eirat^en. ©o tourbe in bem Vertrag öom 5. Dtoöember
1495 feftgefetet. 3fm Sluguft 1496 öerliefj bie fpanifebe Sraut ifire $eimatb,
^fjilipp, Ä. t>. ßoftüien. 755
am 21. De tob er fanb bie «"podjjeit fiatt. SDaraur ging auetj im gebruar 1497
9Jcargaretf)a nactj ©panien; aber fe§r fctjnetl würbe fie äöittwe. 2>ie fpanifetje
@rje bes nieberlänbifdjen dürften trug nodj ganj anbere grüßte, als man Pon
irjr ge?orbert. 3n Spanien mar fcfjon im Dctober 1497 ber Äronprinj 3uan
geftorben, auetj 9Jcargarett)e'§ ©öfmetjen tjatte nur wenige ©tunben gelebt: bie
ältefte üodfjter ber fpanifdfjen ftönige, bie mit bem Könige pon Portugal Per«
fjeiratfjet, ftatb balb naef} ber ©eburt eine§ Knaben, bem nur einige Neonate
ßebenefrift gegönnt Waren: an ^otjanna fam baljjer fdjon im Sommer 1500 ber
21nfprucf) , Svbin ber fpanifdjcn ßänber bereinft $u werben. S)iefe Stusficljt ber
fpauifetjen GrBfd^aft mürbe feitbem ber beftimmenbe ©eficr)t§punft für alle Sdjritte
be§ nieberlänbifdjen £>errfc£jerpaare§; biefe Hoffnung erfüllte Pollftänbig ü)r
Renten. @§ galt jjunäcljft, fidj in Spanien PorjufteHen; fobatb Soljanna'ä
guftanb nad) itjrem brüten 2Botf)enbett el geftattete, machte man fict) auf ben
2Beg. 3U feinem Vertreter beftettte ^ß. ben ©rafen Engelbert Pon 9taffau. Die
©r^er^oge peiliefeen am 4. 9toücmber 1501 33rüffel; fie reiften burci) granfreicrj,
mo i^nen Äönig Subwig XII. gtänjenbe gefte gab; im ÜJlai 1502 langten fie
in Spanien an; fie empfingen am 22. 2ttai in £olebo unb am 27. Dctober in
93arcelIona bie .gmtbigung ali (hben ber fronen Gaftitien unb Aragon. ^m
SBinter aber Perlangte 5ß. fjeimjuferjren ; ba feine grau wegen it)rer erneuerten
Sdjwangerfcrjnft itjn tttdtjt begleiten fonnte, liefe er fie bei ben (Sttem jurücf,
obwohl fie tjeftig fid} gegen biefe Trennung fträubte. 2)a§ 23errjättnife ber Satten
tjatte ferjon eine eigenttjümtietje Färbung angenommen. 3}on ieibenfdjaftlidjer
Siebe unb 3ärtlidj£eit war Sofjanna erfüllt, in einem folgen ©rabe, bafe itjr
33enetjmen oft an Söatjnfinn grenjtc. ©puren geiftiger Störung traten fdjon
bamak an ben Sag unb natjmen feitbem in immer bebenflicr)erer Söeife p.
*p. bagegen War ein fet)r fcfjöner 9Jcann, ber audj anberen SBeibem aU ber eigenen
©attin gefiel unb allerlei Siebelabenteuer aufjufudjen nierjt Perfdjmät)te; fein
ßeidjtftnn entfalte in ber ©attin 3lu§brüdje rafenber Siferfudjt. *p. machte
feine Sftücfreife au§ Spanien 1503 buret) ben ©üben Pon granfreidj, bann burdj
£irol unb Db erb eutfd)lanb ; erft im DcoPember 1503 war er wieber bat)eim in
ben ftiebertanben. 3 in grütjjatjv 1504 beeilte feine ©attin fiel), itjn bort wieber
auTjufuctjen. ^m £erbft 1504 rüftete <p. einen neuen ßriegsjug gegen ©elbem,
beffen $erjeg ßarl Pon ßgmonb ber gefäfjrCitfjfte yiadjbax unb unermüblidjfte
fftutjeftörer ber 9iiebertanbe war; er braute im ^uli 1505 eine fdjeinbare Unter«
Wertung beffelben ju ftanbe; aber gefiebert waren biefe 33erf)ältniffe nod) feine!«
Weg*. *ß. würbe bamalS burefj feine fpanifdjen 2lofid)ten Pon ber nieberlänbi«
fdjen Aufgabe abgerufen.
Königin ^fabella Pon Gaftilien war am 26. 9coPember 1504 geftorben;
nun mufete ßaftilienä tfrone an bie ©emaljlin ^fjitipp'ä fallen. 3^ar fjatte
bie alte Königin Por if)rem Xobe noctj angeorbnet, bafe wätjrenb ber ^bwefenfjeit
^ofjanna'ö unb für ben gatt einer S3erl)inberung berjelben — bafj bie geiftige
©törung i§re £odj)ter ^ur Otegierung unfähig machen würbe, ftanb für 3Efabetla
feft — Äönig g^rbinanb Wie 6i§t)er bie Regierung weiterfüljren follte. gerbinaub
felbft war bereit, bie 9tegierungsweife , bie ben fpanifcfjen ©taat in§ Seben ge=
rufen, fortpfe^en; er behielt bie 3u9e^ ^n oer -^anb. s^Dei" aui einc l°^e ^°s
tretung ober Leitung ber ©ewalt liefe ty, fiel) nidgt ein; er betrachtete ficrj
felbft atä ben natürlicf)en Sßormunb ober Vertreter, febeniallä a(§ ben nicfjt ah=
pweifenben 5)citregenten feiner grau, ßr tjatte fdgon 1502 in Saftilien allerlei
Se^ierjungen angefnüpit, inlbefonbere ju jenen ©rofeen, roelctje mit gerbinanbs
gtegiment verfallen waren. ^Ijm War in ben 9cieberlanben einer ber ^olitifer
aus 5erbinanb§ ©t^ule, S5on Suan Manuel, ber atS fpanifd&er ©efanbter bei
48*
756 Wl'PP/ #. ö- Gaftüien.
$aifer «ERajimittan getoejen unb als foldjer aud) ^ß. fenneu gelernt, narje ge=
treten; nadjbem berfetbe mit fjrerbinanb PöHig gebrochen tjatte, arbeitete er auf
gferbinanbs ©turj mit allen Mitteln rjin. @s begann ein eifriges ©piel biplo=
matifdjer unb potitifdjer ^nhigucn um bie |>errfct)üft über Gaftitien ; ber 2anbes=
abel roar in eine rjabsburgifdje unb eine ferbinanbeifdjc Partei gefpalten; bie
©egenftellung ber europäifdjen ^Jlädjte mürbe in bieten 3mift hineingezogen,
anfangs behauptete trofc aller SCBütjtereien ber nieberlänbifd)en Agenten in
Gaftilien fjrerbinanb fiel) im 33efiü ber Sftadjt; bann jd£)tofe er mit bem Vertreter
feineö ©djmiegerfotjnes in ©alamanca am 24. WoPember 1505 einen SBergleidj
batjin ab, bafj bie Regierung über (Saftiticn gemeinfdjaftlid) Pon ^oljaiina, ^pf)i=
lipp unb gerbinanb geführt merben foUte; bafj bem erfahrenen Staatsmann
babei bie (£ntfd)cibung jufallen mufjte, fcfjien fetbftPerftänblict). darauf erft
machten ficrj bie nitberlänbifdjen .£>crrfcf)er felbft auf bcnSBeg; fie maren 9Jlonate=
lang bind) bie mieberljolte ©d)roangerfd)aft, bann burd) bie fünfte öntbinbung
ber .Königin in ben Diicbertanbcn ,uirürfgctjaltcn. (hft am 10. Januar 1506
ftacfjcn fie Pon 9ttibbelburg aus in ©ec, nad)bcm !ß. fluni ©cneralftatttjattcr
äBiltjelm Pon Grol), £>erjog Pon Gl)iernes, befiellt. £ie Steife ging nidjt otjne
<£)inberniffe Por fidj. SBibriger Söinb ticifd)tug bie ©djiffe an bie engtifdje
j?üfte. |>einridj VII. empfing jroar fjöflid) unb gaftlidj ben £)errfd)er ber lieber«
lanbe, mit bem er fetjou 1500 einmal in Galais eine Begegnung getjabt tjatte;
aber nid)t otjne 3ugeftänbniffc an bie englifd)en .£)anbetsintcreffeu tieft er il)n
wieber ab^ietjen. SDie ©afifreunbfdjaft fat) bismeiten mie eine SUt öktangenfdjaft
au8. (Srft am 26. 9lpril gelangte %\ mit feinem ©efolge uact) £a Gorufia.
9lun traten aus ben 'Keinen bei caftilifd)cn Abels immer inetjr s}krfouen auf
feine ©eite: ber Ijabsburgifdje Anljang mudjs pfetjeubs: freigebig mürben bie
©aben fönigtidjer ©unft ben Anhängern gefpenbet otjne jebe sÜürffid)t auf bas
bleibenbe ^ntereffe bei Saubes ober bie 2)auert)aftigfcit bei neuen ^uftanbes.
©djamlofe unb regellofe Scrgeubung einerfeits unb tjarte beutegierige Grpreffung
anbererfeits djarafteriftren ben Einfall ber nieberlänbifdjcu Abenteurer auf fpa=
nifdjen 93oben. Unb bod) fat) gerbinanb \\d) ju einem ^crjidjt auf feine ©tel=
lung in Gaftilien genötigt; im Vertrag Pon Sßillafafila am 27. ^uni 1506
räumte er ty. unbebingt bie föegentfdjait über (iaftilien ein. 3Rit abwartenber
Sift 30g er ^unärfjft überhaupt aus Spanien meg; er glaubte fid) feinesroegs an
ben Vertrag gebunbeu ju Ijalten, aber er lieft für ben Slugenblirf iß. gemäljren.
llnorbnungen unb Unruhen ermattete er bemnäd)ft ausbrechen ju fetjen, bie it)m
ben Antaft jur üiüdfefjr unb Ginmifdjung mieberum perfdjaffeu follten. ©o meit
fam es nidjt. ty. felbft erfrantte plötjlidj am 11». ©eptember an einem tätigen
lieber, bas im ßanbe f>errfd)te ; fetjon am 25. ©eptember erlag er ber Äranffyeit
— im Sllter Pon 28 Salden. 2Benn bie sJtieberlänber Pon ©ift gefprocl)en, als
ber Urfadje feines lobes, fo liegt bod) gar nichts Por, berartigen 3krbad)t ^u
begrünben; bie finnlictjen 2lu6fdjrocifungen, in benen er feine ütagc Perlcbte, er=
flären Pollftänbig ben 2ob an einem burd) 2lnftedung ^erPorgerufenen lieber,
äöenig rüljmlicb) ift bas 3lnbenfen, bas $. in ©panien unb ben 3iiebertanben
l)interlaffen ; feine einzige 33ebeutung berutjt barin , ba| er ber SÖater Äarls V.
gemefen. 3fn ber 6lje Ijatte itjm übrigens bie ©panierin fedjS ^inber geboren:
1) Seonor, geb. am 30. 91oPember 1498 in Srüffel, 2) Äarl, geb. in ©ent am
24. Februar 1500, 3) Sfabclla , geb. in »rüffel am 27. ^ult 1501, 4j fter=
binanb, geb. in 3ltcala am 10. ^Jlätj 1503, 5) 9ttarie, in S3rüffel geb. am
13. ©eptember 1505 unb 6) ^atljarina, nad) bem 2obe bes Saters geboren in
Sorquemaba am 14. gebruar 1507. — S)ic Äönigin ^oljanna ift nad) bem
2obe ibjres ©atten me^r unb meb> ber 9lact)t bes SBatjnfinnes üeriallen. %$x
5lame blieb an ber ©pi^e aller officiellen 9tegierungsacte ftetjen, aud) in ber
^Philipp L, 3Jtotfg. ö. SBaben. 757
3eit, in ber ifjr Sofjn $axl fd)on bie Ärone trug, dürft am 12. Slpril 1555
tourbe fie aus biefem Seben ertöft.
lieber 3ßt)itipp's mebertänb. Regierung geben bie gleichzeitigen Tutoren
Sluffctjlujj: 9Äolinet, Chronique unb 2ftacquerau, Traitö de la Maisou de
Bourgogne; auf ifmen beruht -gjeuterus, Rer. belg. historia (1598). —
Salaing, Yoyage de Pbil. le Bei en Espagne unb Deuxieme Yoyage de
Phil.. beibes in ©adjarb, Yoyages des Souverains des Pays-bas I. (1876). —
liebet bk fpanifdjen Sreigniffe, in bie 5]ßbi(ipp Perroidelt ögl. bie gleichzeitigen
33erid)te öon Petrus ^Rarttjr, Garöajat, SUcocer, 9ßabttla, Sernatbea unb bie
ettoaä jüngeren IDarftellungen Pon ©ome^ unb 3ur^a- Sluct) bie ÜMation
be§ 33enettaner§ Cmirini Pon 1506 ift fe^r letjrreicrj. Slctenftüdfe in Gfjmel,
Urf. 3. ©. sMax. I. (1845), in Seglat), Negociations diploraatiques (1845),
in 33ergenron), Spanisb Calendar. Supplement (1868). — 23on neuexen 2>ar=
fteüungen genügt es auf *pre»cott unb Jpefete . £>enne unb Söen^etburger ju
PertDeifen. Sgl. aud) -gmbter, Streit [yerbinanbs be§ Äattjol. unb $f)iüpp I.
(Setpjtg, ©tff. 1882). "" ajtaurenfiredjer.
^bilijjj) I., ^arfgraj Pon 23aben, ber fünfte Pon ben Söhnen 2Jtarfgraf
djriftopcj'S I., tourbe am 6. ^oPember 1479 geboren. %n feiner Sfugenb natjm
er an ben getbpgen ber fttanjofen in Italien trjeil ; beim Singriff ber 2}enetianer
auf 2esbo§ 1501 ttjat er fid) burd) feine Sapjetfeit rübmlict) IjerPor. 9lad)bem
er bann nod) eine 9teife nad) Spanien gemacht blatte, febrte er 1502 in bie
^eimatb jurücf. %m ^axuiax bes fotgenben 3a£)tes" Petmät)lte er ftdj mit ber
Sodjtcr bes Äutfütften ^bilipp Pon ber $fala, Stifabetf), ber Söittoe bes £anb=
grafen Sßütjelm III. Pon Reffen. SDiefelbe btacfcjte itjm als 2Ritgi|t ben babifcfcjen
3lntbetl an Sd)(oB unb Stabt Äteujnad), fotoie an allen anbern Schl5ffetn,
Stäbten u. f. tu. in ber oberen unb porberen ©rajfdjaft Spant)eim, ben einft
Dftarfgraf ,ftart I. öon Saben nad) feiner 9tieberlage bei Secfent)eim 1463 an
$uifürfi yriebrid) ben Siegreichen Pon ber *ßfala blatte Perpjänben muffen. Sftn
3ufammenbange mit biefer 33ermäblung gefchaf) es, bafj 2ttatfgtaf (5f)tiftopl) in
einer befonberen llrfunbe ^bitipp atä por allen feinen anberen Söhnen toelt=
liefen Stanbes jum Regieren befonbets gefdjidt unb tauglid) bezeichnete unb
ü)m für ben galt feines eigenen Slobes bie alleinige «g>errfc^aft in ber $ftarfgraf=
fetjaft Saben, bem babifeben Slntljeil an ben ©rajfcbaften ©panbeim unb 6ber=
fiein unb in ber §errjd)aft Slltenfteig äujtdjette, roärnrcnb er feine übrigen Söfjne
burd) bie anbern bem |?aus S5aben gehörigen Jperrföt)aften unb ©üter aufrieben
ju fteEen gebaute. 2öäb^rcnb be§ ßanbstjuter grbfotgefrtcg§ befam ^itipp I.
Porübergel)enb bie gan^e ©rarfefjaft (äberftein in feinen Sefitj , bie itjm Äaifex
2Rarimilian, naebbem er ben ©rafen Sernb^arb III. Pon (jberftein alä 8ebens=
träger unb Slntjängei Pon ßurpjalj geästet Ijatte, 1504 übertrug. Raü) b?m
^riebensfcljtuB gab er btefetbe roieber b^erauö. 1510 traf fein Stotet Stjtiftopr)
eine neue 6rbbi§pofition; ty. erhielt burd) biefelbe anftatt Spanl)etm, Sberftein
unb Slttenfteig bie sl^arfgraifcbaft .Ipadjberg, bie £errfd)aiten Ütötteln, Sau|"en=
berg unb Sabentoeiler unb bie ©tabt ©dppfljetm ^ugeroiefen. 2)od) auef) biefe
Slnotbnung blieb niebt befielen. 1515 natjm 'Dkrfgraf 6f)riftopb^ eine brttte
unb (ctjte Teilung ber babifeben Sanbe unter feine ©öljne por. ty. erhielt
biefes 5Ral auf^er ber '»]Jlarfgratfd)ait Saben b^auptjäcb.li_d) Slltenfteig, SBeinb^eim,
bie Orte 3teuenburg unb Söeingarten, bie l)albe ©raifd)aft gbexftein unb bie
£etrjd)aiten ßab^r unb 5^al)tberg. 9tod) im nämlicben ^atjte trat er bie ötegie*
rung in biefen Sanben an, junäcbft freilid) als Statthalter feinei erfran!ten
3}aters, ber aber bei ber tafeben 2lbnat)tne feiner geiftigen Gräfte niemals meljr
im Stanbe mar, bie SH^ oer -Öerrfd)ait felbft mieber in bie ^anb ju nebmen.
2lls nad) bem 2:obe ^lartmitiani I. bie neue Äaifermaljl in ben Sorbergrunb
758 '•Philipp !•/ Wotfg. r>. SJabcn.
trat unb bie bciben 33eroerber um bie beutfd^e Jhone, bie Könige Don Srauf*
rcidj unb (Spanien fid) einen mögtirf)ft grofjen 9lnb,ang unter beu beutfdjen
dürften 3U öerfdjaffen juchten , t>a fanben fid) audj bei s)JJarfgraf s}>. Agenten
iSfran^' I. öon ^ranfreid) e'n- *$• oenutjte bie ®elegenb,eit, um alte ftorberungen
aus ber 3cit, ba er nod) im fran,}öfifrf)en peere gebleut tjatte, bei bem Könige geltenb
311 madjen, begnügte fidj im übrigen aber bamit, ju erttären, er roerbe bie 2Öat)t
ber Äurfürfteu abwarten unb erft bann fid) entfcfjeiben. dagegen fd)tofj er balb
barauf mit ben Gommiffatien ÄarlS öon Spanien, mit bem baS .£>au§ SBabcn
burd) feine tuyemburgifdjen SBefitjungeu jdjon in näherer Söejictjung ftanb unb
ber einige 3e't Porter einem SBruber ^IjitippS ben Orben öom gotbenen ißliefj
öertietjen tjatte, ein ©ctjufc* unb Srutjbünbuijj tür bie öorberöfterreid)ifd)eu ßaube
unb erbielt babei eine jäljrlicrje ^enfion öon 3000 ©utbcu 3ugefid)eit. 3m
?tnfdjluf} baran rouvbe itjiu fur.je 3eit nad)(jer bie Oretbt)auptinannfd)aft in ben
öorberöfterreid)ifd)en ßanben übertragen, fjfortan fdjtofj fidj IDtarfgraf ^t)itipp
eng an ba§ .£>au3 »pabsburg an, roie baS fdjon fein SBater Gtjriftopf) unb fein (Srof}=
Pater $art getljan Ratten. SD er .Waifer ermieS ftd) erfenntlidj. WlS er 1521 öon
Äöuig l'ubmig Pon Ungarn um .£)itfe gegen bie Surfen angegangen muibc unb fetbft
3U gleicher 3e't b°n Sfranfrei«^ bebrobt mar, roanbte er ftrfj aud) an sJJlartgraf
5ßf)itipp um SRattj, roaS er unter biefen Umftänben a(S römifeber $aifer 3ur
Rettung ber (5 fjrifttntjeit tfjun Eönne. 9fa| ben WeicrjStagen ber folgenbeu ^atyre
erfdjieu ty. öfters atö faifcrlidjer (Sommiffar. 1524—1527 öerfalj er baS 9hnt
eineä faifertidjen ©tatttjatterS im fteidjsregiment; er tjatte fidj 3ur Uebcrnab,me
beffetben burdj (J^tjerjog Qferbinanb bou Defteneid) beftimmen lafjen. ©ctjon
im erften 3af)re feiner Amtsführung fab, er fid) auf bie bitten fterbinanbS öer=
anlaßt, auf feinen eigenen CsJefjatt 311 Pcrjidjten, nur bamit bie ungebutbigften
ber <ifteid)8regiment3= unb WeidjSfammcrgcridjtSrätlje, bie nid)t länger auf bie
rüdftänbige Se^atjlung märten motlten, befriebigt merben fonnten. @§ mar
toorjl eine (Sntfdjäbigung für biefeS ober ätjnlidje materielle Dbfer, bie s}>.
in feiner ©teflung gebradjt tjatte, menn ber Äaifer ir)m ücrfdjiebene ßib/n über*
trug, unter benen bie ®raffd)aft blufft) im Suremburgifdjen in elfter SRei^e \u
nennen ift. ($3 mar mäfjrenb feiner Amtszeit, ba baä iReidjSregiment SBeran*
taffung natjm, gegen bie (Jinfütjrung ber Deformation in ber ©tabt Strasburg
aufzutreten, ty. fetbft mar öerföntidj nidjt burdjauS ber neuen Sefjre entgegen;
er mar öon ber Dcottnuenbigfeit burdjgreifenber Reformen auf tircf)tid)em (Gebiete
überzeugt, ©ein ©tanbpuntt, ben aud) fein flanjtet Dr. 93eb,u8 bertrat, at§ er
auf bem SÖormfer s}ieid]§tag öon 1521 in einer 5jerfamm(ung öon 3teicf)8fürften
ben Sßcrfud) machte, burd) güttietje lleberrebung ^'litfyer jut 'DJadjgtebigfeit 31t
bemegen, mar ber beä 9teformfat()o(iciSmu§. SJorübcrgeljenb b,at er fid) mof)t
audt) 31t jiemtid) meitgetjenben ßonceffionen an bie neue Stiftung öerftanben. ^m
9Md) b,at er ftet§ 3mifc^en ben proteftantifdjen (Stänben unb itjren fatf)olifcb,en
Gegnern 3U öermittetn gefugt; befonberä 1526, ba er a(S einer ber taiferlidjen
9teid)8tagScommiffare für ein freies ©eneral= ober ^ationalconcit eintrat , mie
aud) 1529, ba er auf bem Oteidjätag 3U ©peier ju öerfdjiebenen Beaten,
menn audj öcrgebtid) , einen 2lu§gteidj 3mifcb,en ber fatfjolifdjen Majorität unb
ber eöangetifcrjcn iicinoiität t)eibei3ufüf)ren fid) bemühte, ^n feinem eigenen
Sanbe bemie§ fidf) <p. anfangs atS görbetcr gemäßigter fivd)lidt)er ütefovmen.
<5d)on naef) ben 9teid)t§tagSbefcb,tüffen öon Nürnberg (1522 unb 1524) geftattete
er in feinen ßanben bie ^rieftereb,e. ^u OefolampabiuS unterhielt er SBe=
3iecjungen. ^renifuS, ber in Stttingen als Pfarrer tt)ättg mar, ftanb bei itjm
in tjotjer ®unft unb begleitete itjn 1526 auf ben Üteidjgtag nad) ©peier. @r
befctjräntte bie 5Reffe in feinen ßanben, tiefe 3U, bafe in benfetben reformatorifetje
©Triften gebrudt mürben, unb öerantafjte fetbft 1529 in 35urfad) ben 5Drucf
^ittpp IL, Wattg. ö. 23aben=33aben. 759
eines £r)eiles bet tutt)eiifd)en ©tbetüberfeijung. Setb|t ber Sßauernfrieg, ber
auct) feine ©ebiete rjeimfudjte, fjatte feine nachteiligen folgen für bie 2lus=
breitung ber neuen Setjre. (Jrft gegen bas dmbe bon ^fulippö Regierung erfuhr
biefetbe bebeutenbe SSefdjränfungen. Ser Gsinflufj $önig gerbinanbä unb be§
23ifdjofs gaber öon SSien, nidjt meniger aud) bie (Sorge bor ber Ungnabe bes
j?aifers, ber fctjon 1527 feine Unäufiiebenfjeit über bie SSegünfiiguug ber 9teior=
mation burcr) ben 9Jlarfgrafen geäußert unb bon feinem ©ruber gerbinanb aus"
biefem ©runbe bie Entfernung beffeibcn öon ber (5tattt)atlerfd)aft bes 9teid)S=
regiments öerlangt tjatte , beroirftcn einen Umfdjmung in ber ©efinnung be§
dürften. SDaju tarn, bafj es itjm, ber ftets ben Weicfjstagsbefdjlüffcn fidj ju
fügen gerootjnt mar , äufjerft ferner fallen mufjte , nactj ben ber Deformation
ungünftigen ÜBefdjtüffen bon 1529 unb 1530 feine bisherige Gattung ju be=
roafjren, jumat ba er felbft früfjer geroifj nie an einen förmlichen Uebertritt <}u
ber neuen Setjre ernfilidj gebadjt rjatte. 2>od) blieb märjrenb ber ganzen 9tegie=
rungg^eit bie ^rieftererje in 5pl)itibbs Sanben geftattet. 2lber bie ftreng refor*
matorifd) gefinnten ©eifitidjen ^ogen attmäfjlid) fort; unb bie eöangelifdje Se^rc
mufjte für» erfte toieber bem alten ©tauben s$tai$ machen. — 1531 unb 1532
roar 5ß. fc^roäbifdjer ßreisoberft. ßr ftarb am 17. (geötember 1533 unb raurbe
in ber ©tiftstirctje in ©aben begraben. S5on fed)s Äinbern überlebte it)n allein
feine ättefte £od)ter Safobea, bie 1507 geboren, feit 1522 bie ©emafjiin <£erjog
äBitrjelms IV. öon ©aiern mar; fie ftarb erft 1580. 2)urd) it)xe ©ermarjlung
mar ber ©runb 311 jener bor allem im 16. ^arjrrjunbert folgenreichen ©erbinbung
ätoifcfjen ©aiern unb SSaben gelegt. Sie Sanbe $b,ilibös, 3" oenen bas 1463
ebenfalle bon tfarl I. an Äurpfalä üerüfänbete, bon 5ß. mieber um 25 000 ©ul=
ben eingelöste ©efigljeim ge!ommen mar, fielen, ba burd) bas Apausgcfet} 5Qtat£=
graf 6f)rifioörjS I. bie meibticb,e Erbfolge ausgefdjloffen mar, an feine beiben
©ruber ©ernfjarb unb (Srnft. Ser ledere, ber bereits ,!pad)berg, Stötteln,
©aufenberg unb ©abenmeiler befafj, erhielt burd) bie Teilung ben unteren
2beit ber ^arfgraffdjaft ©aben mit ^for^eim , Surlad) , Wutjlburg u. f. ro. ;
er mürbe ber ©egrünber ber Surladjer ßinie bes Kaufes ©aben. Scr ältere
©ruber ©erntjarb III. befam in ber £auötfad)e ben oberen Xtjeit ber 5Dlarf=
graifdmft mit ©aben, 9caftatt, Ettlingen u. f. m., ba^n ßafjr unb 9Jcarjtberg
unb anberes metjr. ©on ir)m ftatnmte bie baben=babifd)e Sinie ah.
©ierorbt, ©efd)icb,te ber ebangetifdjen $ird)e in bem ©ro^exiogttjum
©oben, I, an berfcfjiebenen Orten. — 3lrd)iöatifctje§ DJlaterial im ©enerat=
lanbesardjib in ^arlsrutje unb im Sairifcrjen 9reicb,earcfjib in ^Mnctjen , SM*
Leitung Saben A. Krieger.
WltW IL, 5Dlar!graf bon 5Babcn = S5aben, mar am 19. gebruar 1559
geboren. 6r mar erft toenig über 10 %afyt alt, als fein 3)ater ^tjitibert im
Cctober 1569 in ben ^pugenottenfämpfen granlreicljö ein frühes @nbe fanb.
Sa feine ebenfalls ferpn tobte Butter, bie 9Jtartgräfin ^mecf)tilb , eine bairiferje
5prin3effin gemefen mar, gelang es beren S5ruber ^erjog 2llbred)t V. unb
feiner Butter, ber ^erjogin ^afobea , Ui Äaifer 5Dcarimilian IL burctjsufe^en,
ba^ ifinen beiben unb bem (Srafen ^arl öon ^otjenjottern bie 33ormunbfc|aft
über ty. unb feine brei ebenfalls nodj unmünbigen ©cfjmeftern übertragen mürbe,
unb bie Slnförüdje bes 5Jcarfgraien ^arts II. öon 23aben = Surlacf) unb feines
SSetters, 5)iarfgraf 6f)riftoöb,s öon 91 ob enm ackern, bes SBrubers ^fjiliberts, auf
bie Sormunbfdmft unberüc!fid)tigt blieben. 211s bas ^auptaiet, bas biefe bairifc^e
Sßormunbfdjaft öerfotgte, ermies )\ü) alsbatb bie 3teiatrjotifirung ber unter ?Uarf=
graf ^rjilibert bem 5|5roteftantismus faft gänälid) gewonnenen 9}Urfgraffd)aft
S3aben=93aben. Sie fpärtidjen 9tefte bes !atf)olifd)en ©laubens im fianbe felbft
bienten babei als 2(ulgangs= unb ©tü|öun£te. £a fid) hierbei jebodt) batb ber
760 WlipP H-i ^Qtfg. ü. ütfabemSöaben.
Ginfprud) ber beiben genannten proteftantifdjen sJRarfgrafen $arl unb Gf)riftopt)
a(§ äufecrft (aftig er»ie§, fo be»irfte £)erjog 9llbred)t beim Äaifer fd)on im
Sluguft 1571 bie $ftajorennitätserf(ärung beä jungen $. ^atürlirf) founte Pon
einer »irflidjen Uebernaljme ber 9tegieiung burdj ben erft jmölfjäljrigen dürften
aud) jefct nid)t bie föebc fein. 9lad) einem furjen Slufenttjatt öerliefe er iöaben
unb begab fid) für längere 3^it nad) 3fngolftabt, »o ber tropft Martin (Sifengrün
unb bie 3iefuiten f«ne »eitere (Sqiecjung übernahmen. 35er bairifdje (Sraf Ctto
|>einrid) Pon Sd)»ar,}enberg fütjrte bie Regierung »ie biörjer im Flamen ber 33or=
munbfdjaft, fo jetjt in bem beä 9Jtarfgrafen »eiter. 35ie SJtefattjolifkung, geleitet
bon bem bairifdjen <£)ofprebigcr unb 3fefuitenpatcr Seorg (Sd)orid), machte rafdje
$ortfd)ritte. S)ic epangelifcfjen ^häbicanten mußten au§»anbern, bie proteftan=
tifdjen Beamten fatf)olifd)cn »eidjen; öor allem »urben bie marfgräflidjen
Scatljftetlen öon ben 5ßrotcftanlen gefäubert. 3)er SQßiberftanb im 3*otf »er im
ganzen unbebeutenb ; »o er größeren Umfang an^unerjmen brotjte, ba genügten
Ctfe»altmafiregcln, meiffrntljeiUs aud) nur Sholjungen , um itjn rafd) ^u unter»
brücfen. 9113 6d)ortd) ©übe 1573 ftarb , fonnte bie föefattjolifirung »enigftcnä
au&crlid) für bollenbet gelten. 3lber freilief) nur ciufjertid); inögcfjeim jätjlte
bie ebangclifdje l'eljve nod) mand)e Wnrjäuger, unb %s. felbft blieb, al8 er enblidj
bie ^Regierung tt)atfäd)lid) antrat, nod) genug ju ttjun übrig, um bie neuen
(iinridjtungen ,}u befeftigeu unb itjre 9lHetnl)etrfd}nft ju ficfjern. 1577 erridjtete
er nad) baierifd)cm dufter ein aus bret geiftlidjeu unb brei »eltlidjcn 3Ftätr)en
jufammengefetjtes. , unter ber Leitung bis ©raren P. Sd)»ar<}enberg ftetjenbes
Gonfiftorium , bas ot)nc Seiratt) ber Picl 311 getinben 33ifd)öfe pon Strasburg
unb Speicr .ßirdjeuPifitutioncn anorbnete , perbädjtige Meiftlidje einfperrte ober
abfdjaffte. Wber tro£ aller sDlafcregeln gelang es bod) nur ganj atlmätjlidj, bie
proteftautifd) gefilmten Elemente oollftänbig ju unterbinden. 2)a3 bemeifen
beutlid) Il)atfad)en »ie bie, bafj nod) nad) 1581 ber marfgräflidje .<pofprebiger
Dr. i$xan] 23om Pon IDiabrigal burd) eine piipftlidje s-8ulle bie ßrtaubnifs et»
l)ielt allen benen, bie if)re .ft'etjerei abfd)»uren unb jur C£int)eit ber fatljolifdjen
,Sl\xd)( jurütffeljrten, alle SßÖMtenjen ju ertaffen. 2>ic 3'ejuiten fjatten in SJcart»
grar *ß. einen ganj befoubereu (Bonner unb gfteunb. 61 unterftütjte itjie 33et=
fudje, fid) ber Sencbictinerabteien Sd)»ar,}ad) unb (St. Grubbert 31t bcmädjtigen.
St reifte felbft nad) ;Rom unb ermirfte pon s4>apft Tregor XIII. eine 5ßuHe,
burdt) »etdt)e bie Um»anbtung ber 5lbtei ®d)»ar3act), beren 2lbt .ffaipar s-8runncr
üor ben ^Infeinbuugen ber 3(efuiten tjatte »eierjen muffen, in ein Stefuitenfeminar
befohlen »urbe, fonnte freiließ bann bod) nietjt bie ättöfü^tung biefcö ^efctjles
gegen ben Vereinten SSiberftanb beä (Jrjbifc^ofg bon ^JJlainj, beö s-Bifcfjof3 Pon
Strasburg unb be^ sJteid)sfaminergcrid)tö burdjfehen. Seine firdjticrje ßefinnung
tjiett it)n übrigen^ »eber ab, feine lanbestjerrlidjen 9ted)te aud) gegen $löfter
mit 6ntfd)iebenf)eit geltenb ju madjen, »ie ba§ fein Söertjalten gegen $taiienalb
unb Öteidjenbact) beroieö, nodtj aud) in feinen Söerorbnungen t)in unb »ieber auf
rein lird)lid)e8 ©ebiet ftBetjugreifen, »ie ba§ 3. 33. gefdjat), aU er ben Pfarrern
feine! SanbeS ben S3efel)( erttjeilte, iürbertj'n nur nod) nad) bem, auf feine
Slnorbnung gebrudten .ffated)i«mu8 ben Unterricht in ber Religion ju ertljeilen
unb bie ?luerül)rung biefeö 23efel/l§ buref) feine »eltlidjen Beamten über»act)en
lie§. 3fn Se^ug auf feine übrige ^Regierung Perbient Por allem feine gefe^=
geberifd)e Xtjätigfeit S3ead)tung. Qx r)at nief)t nur nacti »ürtembeigifcl)em 9)lufter
ein feine eigenen »ie feiner Vorgänger 93erorbnungen in fünf ^>aupttt)eiten um=
faffenbeä Sanbted^t aufarbeiten lafftn, bag 1588 Pollenbet , jeboct) nidjt burr^
ben S)rurf publicirt toorben ift, fonbern er tjat auef) Ȋlirenb feiner ganzen
Regierung burd) eine lilenge Pon grlaffen, bie ftd} auf faft alle ©ebiete be§
öffentlichen Seben§ erftredten, Pon fid) nuä in bie Pertoirrten guftänbe bes
SJHjütpp SBittjelm, OJtorfg. to. 23tartbenbutg=®d)toebt. 761
£anbe§ Crbnung ju bringen gefugt. ,!panbtoerferorbnungen folgen im bunten
Söedjfel auf umfaffenbe SSorfdjrtTten, tote man ber Sßeft begegnen folle, auf poli=
äeilidje 93lafjregeln gegen ba§ llmficfjgrcifen be§ 33ettter= unb 2anbftretdjer=
unmefen§, auf gfotftebicte u. f. m. 9118 1586 jur ©tärfung ber fatfjofifdjen
Kirdje in ber ©tobt 93aben bei bem Stifte bafelbft ein ©eminar erridjtet mor=
ben mar, in meinem junge Seute au§ ber 9Jtarfgraffcfjaft ftubiren fottten, erging
an bie einjelnen Amtleute ein marfgräflidjer 93efef)l, au§ jebem 2Imte einen
tauglichen jungen ftct) ju öcrfd^affcn , ber bann in studio auferjogen unb ma§
(Sffen unb Srinfen belangt, feinen Mangel tjaben fotle. 1583 führte 5ß. ben
gregorianifcf)en Kalenber in feinem Sanbe ein, roärjrenb in ber proteftantifd^en
9ttarfgraffcf)aft 23aben = Surlacf) ber jultanifc^e audj nocf) fürberf)in beibehalten
mürbe. *p. mar auigejeidjnet burcf) eine rege Vorliebe für Äunft unb 3Stjfen=
fdjaft. Su 93aben liefe er ba§ ©cfjlofj, ba§ einft SJtarfgraf 6f)riftopf) I. gebaut
fjatte. burcf) ein neueä ptäcf)tigere§ erfetjen. Sie 9)tufif liebte er fefjr unb fucfjte
erprobte SJtufifet an feinen $of ju jiefjen. 3fn feinem 9lacf)laffe fanb jidj eine
ganje (Sammlung ber berfcfjiebenartigften 9Jcufifinftrumente. 1585 fdjicfte er
5ufammen mit 9Jlarlgra? Srnft griebricfj bon 23aben = Surlacb, einen ©efanbten
nacfj 23enebig, ber mit llnterftütjung be§ Sogen in ben Älöftern unb 9lrcf)tbcn
SöeronaS nad)?orfcf)en unb nadjforjdjen taffen foüte, roann unb mie lauge bie babifdjen
gürftcn bie ÜJtaifgraifdjaft Verona befeffen f)ätten, ma§ mätjrenb if)rer Regierung
SenftoürbigcS toorgefaHen unb anbereS meljr. ©cfjon 1584 tjatte er mit 9tücf>
fidjt barauf, bafj fdjon längft bie üJtarfgraffdjaft ^adjberg mit ber 93tatfgraf=
fdjaft SBaben berbunben mar, fiel) ju bem jitet eines ÜJlarfgrafen bon 33aben,
audj ben eine§ «Dtarfgrafen bon £ocf)berg beigelegt, nacrjbem er baju bie ßin=
roilligung ber beiben Wlarfgrafen (Srnft griebridj unb Safob III. bon 35aben=
Surlacf) erlaugt blatte, benn bie 3Jlarfgraifdjait <£>ad)berg befanb fiel) feit ber
©paltung be§ £>aufe§ 93aben in 3tt>ei Sinien im SBejifce ber Surtadjifd&en Sinie.
*p. ftarb am 11. 3uni 1588 in ber Stütze feiner Mre. SJurcfj eine ber*
fdjroenberifdje -gjoffjattung, fofijpietige 23auten, au§gebefjnte Reifen naef) Italien,
nadj hen sJiiebertanben u. f. to., burcf) feine 5Mf;eiligung am Kölner 23i3tf)um»
ftreit fjatte er allmäfjticrj eine ungeheuere ©cfjulbenlaft auf fein 2anb gehäuft,
bie mit ber Regierung auf feinen Setter unb ftadjfolger 9Jiarfgraf Sbuarb
ftortunat bon 9tobenmacf)ern (% mar unbermärjlt geftorben) überging, ber fiel)
freilief) ber ifjm barau§ entftef)enben Aufgabe nicf)t geroacfjfen geigte unb feine
llnfäfjigfeit balb mit bem SJerlufte feine§ SanbeS bü^en mutste.
Sßierorbt, ©efcf)icf)te ber ebangelifcl)en Äird^e in bem ©xojjrjeraogtl&um
SBaben I. u. IL — 3eitfcf)rift für ®efcf)icf)te be§ Oberrf)ein§ XXIY. u. XXX.
— SlrdfjitoaftfdjeS Material aufeer im ©enerallanbe§arcf)ib in Äarl§ruf)e i}aupU
fäcfjticf) auef) im 93airifdf)en g{eicf)§arcf)ib in ^üncfjen, 9lbtf)eilung 93aben A.
Krieger.
Wlty$ Stl^elm, ^arfgraf bon 93ranbenburg = ©cr)roebt, preutsifcljcr
©eneratfelbaeugmeifter, ©ofjn be§ ©rotjen Äurfürften griebrief) 2Bilf)elm bon
SBranbenbuxg unb feiner 3meiten (Semab,tin, ber Sprinjefitn S)orotf)ea bon ^olflein«
©lücfSburg, mürbe am 19. Wlai 1669 ju Königsberg i. «pr. geboren, dt mar
ber Siebling feines SJaterS, roelcrjer an bem fjübfcf)en aufgemeeften Knaben biet
©efaHen fanb ; als 1682 ber ^erjog bon 23raunfcf)meig in SBerlin einäog, berlief)
ifjm ber Kurfürft eine Sompagnie ber Seibgarbe ju sterbe unb freute ftcf) ber fol=
battfäen Haltung, meiere ber ^rinj an ber ©pi^e berfelben jeigte. 2tt§ ber 33ater
geftorben mar, berglicf) fein «Jlacfjfolger Kurfürft ^riebtief) III., «pijUipp'3 ^)alb=
bruber, melcfjer be§ 3}aterö, ben Kinbetn Reiter (Sf)e unb bereu Butter günftigea,
aber ben §au§gefetjen äumiberlaufenbe§ Xeftament nicfjt anerfannt f)atte, fiel)
mit ben übrigen grben; «p. erhielt burcf) Vertrag bom 3. ^tärj 1692 bie £err=
762 s-ßf)MpP !•» 4?er3- 3U 23raunid)toeig it. Lüneburg.
fdjaft ©cfjmebt unb marb ber (Stifter ber nadj biefem Drte benannten marf=
gräftierjen Sinie, metdje am 12. 2)ccember 1788 mit feinem Soljne Jpeinridj
fjfriebridj ausgeftorben ift. 9lad)bem er an feines Srubers Kriegen gegen <$ranf=
reid) trjeitgenommen fjatte , mürbe er am 26. Cctober 1697 als ©eneralfetb=
^eugmeifter an bie Spitze ber Slrtitterie gefteltt, melier ber $önig burd) bie
Ernennung eines ^Jrinjen &u itjrem Grjej einen Semeis feiner 2ld)tung geben
unb melcfje er baburdj tjeben mottle; ty. mibmete üon nun an ben £>auptU)eil
jeiner Ärafte ber (Sintmicftung biefer SBaffe. @r mar beftrebt, berfelben bas
^anbmerlsmäfjige abzustreifen , mas ifjr infolge itjres £>erüorgel)ens aus einer
3unft anftebte, unb fie ju einem nülitävifd)en @orps ui machen, daneben
jorgte er für bie tedjnifd)e unb für bie roiffenfdjaTtlidje Slusbitbung bes ßorps.
2>ie Dfficiere ftotjirten in gotbbovbirten Stoffen einher, mie bie ÜJlagifter trugen,
unb maren eingebilbet auf irjre ©elerjrfamfeit unb auf itjren Srjei, tuetcfjer fid)
fetbft an bie Spike einer ßeibbombarbiercompagnie ftettte, unb unter bem bas
Gorps üon 798 Äöpfen, metdje es 1689 aärjlte, auf jetjn Gompagniett üermeljrt
rourbe. Son irjm flammt bas MrtiUerieregtement üon 1704, in roelcfjem 3>arjre
er einen ftänbigen Sik im ÄriegsTatlje errjielt. 2lud) mar er Kector magni-
ticontissimus ber Uniüerfität .Stalle. <5r mo()nte in bem Söeiter'fdjeu Calais
unter ben Üinben, ba mo jefet bas Calais Äaifet SMrjelms ftctjt, mar mit einer
Sdjmefter bes dürften ßeopotb üon ^nfjalt = S)effau üermätjlt unb ftarb am
19. ©ecemBet 1711 ju Serlin. ©eine Vorliebe für grojje ßeutc reijte König
fjrriebrid) I. unb ben ^etbmarfcrjatl ©rumbfom jiir ^ladjafjiuung unb marb gruub=
tegenb für biefe unter griebrid) SBiltjelm I. nod) mein- Ijerüortretenbe ®efd)mads»
ridjtung. (Sin fdjlimmer äöiberfadjer mar il)iu ber Dberft Sdjlunbt (f. b.). sJadjt
ju oermedjfeln mit feinem ©ruber ftaxi Philipp, melier Ijeimlid) mit ber
fpäter bem furfädjfifdjeu gelbmarjdjalt ©tof SÖaderbartb, üermäfylten ©räfiu
Satmour üerrjeiratrjet mar unb am 28. 3>uli 1693 \u San ©ermano bei Gajate
in Sßicmtmt ftarb (ügl. Dr. $• [\riebtanber, sJJtarfgraf $arl ^tjitipp bon 58ran=
benburg unb bie ©rafin Satmour, Serlin 1881 1.
$. 30. ö. Sdjöning, .!piftorifdj = biograpf)iid)e 9iad)ridjten jur ©efdjidjte
ber branbenburgifd)=preufjiid)en Artillerie, 1. Saub, Berlin 1844. — ü. sJJca=
(inomsfi unb ü. 33onin, ©efdjidjte ber branbenburgifd) = preu^ifd)en Artitterie,
»trlin 1842. SB. ^oten.
v^l)ilipp I., ^per^og \u 3?raunf djmcig unb Lüneburg, au£ ber
®ru[H'n()ageuer Öinie, Sofjn .^erjog lUtbrccrjts III. (t ^mildjen bem 17. lUprit
1485 unb 1. 9Jtai 1486) unb beffen ©etnatjltn (Stifabetcj, einer Zofytn beö
©rafen 5ßotrab öon 9Batbed (i' nad) 1512), mürbe tiermutb^tid) um baö %at)x
1476 geboren. 3118 ber üttefte ber ben 5ßater übertebenben Sör;ne folgte er
biefem anfangs unter SBormunbidjatt feines Setters, Oer^og .^peinridjs IV., bann
metjr unb meljr unter ber feiner 5Jcutter in ber Regierung, bis er biefetbc roob^I
im %. 1494 fetbftänbig übematjm. 2)a fein iüngftev SBrubet ßrnft fdjon 1498
ftarb, fo tjatte er bie Jperrfdjaft nur mit @rid) ^u tljciten, ber feit 1500 bie=
felbe mitfütjrte, üon 1508 an aber, mo er bie 33ist£)üuier Osnabrüd unb ^}aber=
born errjielt, fie bem Söruber fo gut mie ganj übertaffen ju tjaben fdjeint.
5tadjbem aud) fein Setter |jeinrid) IV. am 6. Secember 1526 finbertos ge=
ftorben mar, tarnen aud) bicjeiugen 5janbestt)eite, roetdje 1481 bei ber üEtjeilung mit
2U6redjt III. ib^m jugefaüen maren ( Batjber^elben unb bie |)älfte bes ©ruben=
b^agen), an 5ß., ber nun bas ganje ©rubentjagener ©ebiet unter fid) üereinigte.
S)ie Regierung ^ßfjilipp's mar im ©an^en eine friebtidje unb fegensreidje. 2lu8»
märtigen ^)änbeln fudjte er nad) 93cögtid)feit fern ]u bleiben; mie nidjt fetten
tjier, fo mar er aud) im Innern feines Öanbes überaE beftrebt, bie @intrad)t
5U ermatten, ^n Dfterobe madjte fid) fdjon im ^. 1492 eine Semegung gegen
$t)ttipp I, ^)erj. 31t 33raunfct)tt>eig u. Sünebutg. 763
ben Statt) bemerkbar, meldte 5ß. bergebtict) ^u befchmichtigen fucb,tc. 2IIS biefetbe
bann 1510 in mitben 2lufrur)r überging, tonnte ber ^»erjog nut burct) ftrenge
9Jcafjrege(n bie Drbnung tnteber tjerftetten. Kriege tjat ty. toenig geführt. (Stner
©renaftreitigfeit tjalber unternahm er 1500 eine $ebbe gegen bie ©raren Don
•£>onftein. Sann Beseitigte er fict; feit bcm SÖinter 1513—14 an bem ^dt)=
juge -^erjog ,£>einrict)ä b. 2te. gegen bie SButjabtnger unb ben ©rafen ©tmrb bon
DftfrieStanb , ohne jebocf) für fich aufjer bem Ditterfcrjtage, ben it)m <!pcr(}og
©eorg bon ©actjfen ertfjeitte, irgenb roetctje Vorteile babou ju tragen. S)er
firchlidjen SteformationSberoegung ftanb er anfangs tljeitnaljmtoS gegenüber,
roenn it)m auch. Sutljet'ä auftreten in 28orm§ gut gefallen tjaben fott. ^mx)t
jeigten fid) in feinem Sanbe bei (Sinbecf, etroa feit 1522, bie Spuren ber neuen
ßeb,re, bie halb in ber ©tabt äarjlreidje 2lnt)änger fanb. 2)a $. zögerte , auf
bie hierüber erhobenen Etagen ber borttgen Stifter einjufihreiten , fo roanbten
biefe fid) an feinen SSruber, SBifdjof Gürid), ber bie 2Iu§meifung ber lutt)erifcr)en
^rebiger burcbjefete (1525). Didjt lange barauf mürbe *p. fetbft — mir roiffen
nictjt burd) roelc§e Qsinftüffe — für bie eöangetifcrje Sad)e gemonnen. $m 3uni
1526 trat er ju 2Jtagbeburg bem urfprünglid) in Sorgau gefctjloffenen unb jefet
erneuerten 33ünbniffe ber 8utl)eraner bei. ü£)a§ b,ob ben 9Jtutb, ber 6bangetifcb,en
in Sinbecf. Sie gemannen bie £)bert)anb im Statte, unb biefer berief jur 5lu§=
arbeitung einer $irct)enorbnung TticolauS bon 9tm§borf unb ftettte ebangelifdje
*Prebiger an. 3fm 3f- 1529 fcrjeint bie Deformation ber ©tabt fo gut roie
burcbgefürjrt ju fein. Sa bie§ Streitigfeiten mit ben ©tiftern berurfactjte , fo
»ermittelte ty. jjmifcrjen biefen unb bem Datfje am 19. Dobember 1529 einen
Vertrag, nad) meinem bie Stifter bei bem tatr)otifd)en Söefen üerrjarren burften,
bie angeftetlten ebangelifchen *J)rebiger aber ebenfalls il)re ©teilen behalten unb
im übrigen ^ebetmann frei ftetjen foEte in bie $ird)e p gefjen, mo er motte,
„dewile de gelove von gode komen moth unde mit geboden edder verboden
nicht mach gegeven werden", äßie bie ©tabt (Sinbecf, fo fd)toft fid) aud) *ß.
1530 bem 33ünbniffe bon Schmalfalben an. (£§ bertauteten fogar ©timmen,
bk ii)m ben Oberbefehl über bereu bereinigte Strettfräfte ^u übertragen
roünfchten. Ob ber milbe ©inn Sßhilipp'S, ber Diemanb S^ang antbun mottte,
ober ber Gnnflufj feines ftreng fatbolifdjen SruberS eine energifchere Surchfübrung
ber Deformation gebinbert bat, mag babin geftettt bleiben. 33efonnen mar ba§
Vorgeben 3ßbi(ipü'§ in jebem ^atte, aber nac| bem 3lobe 6rid)S, ber am 14. $ftai
1532 ftarb, boch entfehiebener als borfjer. @r fchritt jefet aurb jitt ©äcutari=
fation ber Älöfter, noc^ 1532 ju ber Äat(enburg§ , mo|t im Totgenben 3at}xe
äu ber ^öbtbe§. 21m 20. 3^uni 1537 tarn unter Vermittlung furfäcbfifc^er
Stbgefanbten amifchen bem dürften unb bem Datrje ber ©tabt ßinbeef ein 3}er=
trag ^u ©tanbe, naefi bem auef) t)tev in ben ©tiftern ber eoangetifdje ©ottesbienft
eingeführt merben foHte. 2tm 6. Sunt 1538 fmt tp. bann ,ju @inbecf, mie i%
febeint, einen förmtidjeu Sanbtag abgehalten, auf bem bie päpftttebe Seb.re für
abgefebafft erftört mürbe, ^n bemfetben 3a^re f)at er eine bislang noch unbe*
fannte ßirerjenorbnung erlaffen, ber 1545 eine jroeite für bie ßinbeci'fcrjen Stiftet
erlaffene 9teformation§orbnung folgte, ^m 3- 1546 naljm ^ß. an bem ftelbpge
ber ©cbmalfatben %f)di, ber bor ^ngolftabt erfolglog enbete. @r 50g fidj ba*
burefi natürlich ben 3orn Äaifer ÄatlS V. ju, ber ib,n jeboch nach, gänzlicher
Diebermerfung ber (Sbangetifchen am 20. $uni 1548 gegen 2lu§ftettung eines
9teberfe§ in einer förmlic£)en Urfunbe bon aller ©träfe frei fprach. — ©ein Sanb
bat 5p. noch nach altrjerfömmlicber SBeife, aber gut unb forgfam berroattet.
2Bieberr;olte Sränbe b.aben bemfelben argen ©chaben bereitet. 21m 4. 9tobember
1510 brannte fein ©cblo§ ^er^berg ab, fo ba^ er faum fein unb feiner ©attin
geben rettete; auch fein 5trchib mürbe jum großen Steile ein Cpter ber flammen.
764 ^ilipp 9flagnu3, $. 31t iBrcuinjctmmg n. Lüneburg.
1540 bernidjtete baS geuer faft bie 901131' Stabt (StnbecC , 1545 Dfterobe. $.
ift am 4. September 1551 311 ^crjberg, geftorben unb in ber 2legibienfircf)e 3U
Cfterobe begraben. Vermätjlt mar er mit .Üatrjarine, ber lodjter beS ©raren
©ruft II. Don 'iDcanSfelb, bie 1535 geftorben ift. ©ein Sot)n ßrnft (f. .SC. ©.8*.
VI, 258) folgte itjm in ber Regierung, nad) beffen lobe (1567) fein Sofrn
2Bolfgang. 9ltS aud) biefer otjne männtidje Wactjfommenfdmft am 14. 9ttär3
1595 ftarb, fam $l)ilipp'S jüngfter gteidjnamiger Sot)n s43f)ilipp II. jur .<perr=
fdmft. 2)od) nur auf fur^e Seü • oa ct am *« ^Iprit 1596 bereits öerfdjieb.
ÜJlit irjm erlofd) ber IttanneSftamm ber ©rubenfmgener ßiuie beS JpaufcS
Vrauuicf)roeig. <£>er3og .^einrid) Julius öon Vraunfd)roeig=2Bolienbüttel bemäd)=
tigte fid) i^teS ©ebieteS, baS jebod) fpätcr an bie Süueburger ßinie fam. Von
ben anberen .Uinbcrn iJitiiUpp'S I. fiub brei in irütjer ^ugenb geftorben. Seine
Sötjne 9llbrcd)t unb Sforjann fanbeu ben lob auf bem Sd)tad)tfclbe; erfterer
fiel am 20. £)ct. 1546 im Ireffen bei (Stengen, letzterer ftarb am 2. September
1557 an feinen bei St. Quentin erhaltenen Söunben. Seine loctjter Äattmrina
t)eiratr)ete in erftcr Gfje (1542) ben öer^og ^orjann (Srnft öon Sadjfen Aloburg
1 i 1558), barauf 1559 ©raf s}>f)ilipp II. oon Sd)roar3buvg = ^eutenberg unb
ftarb am 24. Februar 1581. $. 3i mmer mann.
vJ>l)iltpp Wnpiltf, $eraog 311 Braunf djroeig unb Lüneburg, rourbe,
roenn mir öon bem fvüt) geftorbenen älteften Soljue WubrcaS abferjen, als Jtoeitet
Sotjn .£>er,jog §einri<$8 beS Jüngern unb beffen erftcr ©emafjlin 9Jtarie, einer
lodjter beS ©rafen |>einrid) oon VMhteiuberg , am 26. 3uni 1527 geboren,
f 1553. Irotjbem bafj feine 3tugcub bei ben jatjlreidjcn <yet)ben beS VaterS
in eine ftütmifdjc, fampferfüllte ^eit fiel, crfjielt er bod) eine für bie bamaligen
Vertjältniffe auffalleub tücljtigc trnffcnfd)aftlid)e Vilbuug. ftod) fpäter erinnerte
er fid) mit innigem Saufe als feines 3ugenbler)rerS beS ^uriften 2(Gcob ."jpeuniua,
tfatuitianuS. 3118 £erjog #eintidj öor bem SlnrfldEeti ber Sd)iuatfatben fein
Saub öerlaffen ntufjte, begleitete it)u $ß. 1U., roätjreub bie Vrübcr beffelbeu, .Wart
Victor unb Julius, anfauglid) in ©auberSfjeim jurücf blieben. GS ift befannt,
bafj bie .jpoffnung Jpeinrid)ö, bie fatl)oli)d)c Partei für fid) in Verocgung ju
fetjen, eine eitle mar. $. IR. öertoanbte batjer bie uujveiroillige Klüfte feiner
Verbannung 311 meiterer miffenfcrjaftlidjer MuSbilbung. 1544 fiuben mir it)n
311 bem (Snbe in s4>abua, Doli guter .^offnung , ba§ ©ott ber gerechten Sad)e
feinei £)aufeS ben enblid)en Sieg öerleiljen merbe. $m folgenben SMjre ge»
ftaltete ficr; bicfelbe jebodj nod) ungünftiger. 5ltS -£>einrid) fid) mit SBaffen»
geroalt roieber in ben sJ3efi^ feines SanbcS fe^en rootlte, rourbe er bei §öäel$eim
uidjt nur gejcrjlagen, fonberu mitfammt feinem älteften Sotme $art Victor ge»
fangen genommen. 5ß. Wl. richtete nun mit feinem Vruber 3ulia^ ei"e gemein^
fame SBittfdjiift an ben .Uaifer, um biefen 3U einem ©infctjrciten für i()ren Vater
311 öermögen ; ja er reifte fclbft nad) 'Xom, um bort ^)ülfe für it)n 3U erlangen.
VeibeS otjne Srfolg. 6rft als bie Sdjmalfalben nad) ber 3d)lad)t bei 5)tül)t=
berg gänjUdf) 3U Voben gefdjtagen roareu , ertjictt ^peinrid) feine ^reitjeit un^
feine ßanbe 3urüd. Von ferjt ab fet)en roir ^>- 9^. in ber SMtung ber 9tegie=
xung unb ber ftüfjrung ber Iruppen feinem Vater fräftig 3ur Seite ftet)en. 9llS
^einrid) 1552 nact) Whfy 3um Äaifer reifte, um oon biefem Jpülfe gegen bie
Eingriffe VolrabS öon 9]tansielb 3U erbitten, ernannte er 9ß. SSR. 311 feinem
Statthalter. %m folgenben 2far)re leitete biefer im Verein mit Vatttmfar bon
Stedjoro ben Streif3ug gegen bie Stifter DSnabrüd, fünfter unb sJ)tinben, ber
mit bem Ver3id)te beS Vtfd)ofS fixari] auf IJJUnben 3U ©unften bon öer3og
ApeinridjS jüngftem Sotjne Julius enbigte. 211S batb barauf ein großer Vunb
gegen ben ^Jlarfgrafen ?ltbred)t öon Vranbenburg 3U Stanbe fam, fürjrte 5ß. sDt.
bie 2Bolfenbüttler Iruppen nact) ^anfen, roo fid) bie fadjfifcrjen unter .gjanS
^<f)ilipp L, Sanbg. t>. Reffen. 765
Pon .ipeibetf mit itjnen bereinigten. £)a Sllbredjt ben .$hiegsfdjauptat$ nad)
9Ueberfad)fen üerlegte, fo mufjte aud) 5p. $ft. nad) Sorben jurüäfetjren. Unweit
9cortf)eim ftiejj er mit bem £>eere ber Söerbünbeten jufammen. 5lm 9. $uü
!am e§ bann amifdjen biefen unb 2(tbred)t bei SiePeiStjaufen ju einer entfetjet*
benben Sdjladjt, bie ^mar mit einer ^ieberlage bes Sefetcren enbete, aber aujjer
bem «ßurfürften SRoritj Pon <Sad)fen ben Beiben älteften Söfjnen ^perjog £)einrid)s
bas Seben foftete. Sie fielen im ^auptheffen ber (Sdjtadjt, als fid) ber Sieg fd)on
au? bie Seite 2llbred)ts neigte, bis it)m ber re^tjeitige Slngtiff beS bie Wad^tjut
be'etjligenberi Sotjann Pon äSuüen benfelben mieber entrifj. 2lls bem Sßater
bicf)t nad) ber Tcadjridjt Pom ^infdjeiben feinet jüngeren Sofmes aud) ber %ob
feines älteften gemetbet mürbe, preßte it)m ber ©djmerj nur bie Söorte IjerauS:
„es ift 3u Piel". Sein <2tot,3 unb feine greube mar mit biefen beiben ©öfmen,
bie in politifdjer mie religiöfer SBejietjung treue ©efinnungigenoffen beS 2)aterS
maren, pernid)tet; fein jüngfter ©oem Julius mar ber itjm Peitjafiten ePange=
tifdjen ©adje jugeirjan, melier er (f. 51. £>. 33. XIT, 667; balb baraui in feinem
Sanbe 3um ©iege Perb,elien foUte. Ser bebeutenbere ber gefatlnen Grübet unb
ber Liebling bes 23aterS mar jebenfaltS *ß. 3Jc., auf meldten biefer feine ganjc
Hoffnung gefetjt Ijatte. 3t) m fuctjte Ipeinrid) batjer aud) , bem öon ifjm mit
5)cürje burdjgefetjten Pactum Henrico - Wilhelminum entgegen, bie 9tegierungs=
nadjfolge jujumenben. 6r trug fid) eine 3ett lang mit ber 2lbfid)t, feine Sanbe
3U ttjeilen, ober fie bon feinen beiben älteften ©ötjnen gemeinfam regieren $u
taffen. Sann aber beftimmte er (1552) *ß. 9Jt. au feinem alleinigen 9iad)folger,
3umat biefem für ben galt , bafj er regierenber Sanbestürft toÜTbe , bie -gmnb
ber ©crjmefter beS SßfaljgraTen 2llbredjt Perfprodjen mar; Tür bie SBtüber tourbe
eine entfpred)enbe ßntfd)äbigung feftgefettf. $. 9)1. mirb in alten 23erid)ten als
„ein freubiger, anfermtietjer , perftänbiger §ert" gefd)ilbert, ber in ritterlichen
Äünften feines ©leidjen fudjte. Sabei mar er aber aud) in ben SBiffcnfdjaften
für einen gürftenfotm ber geü ungemöfmlict) bemanbert, menn aud) fein latei=
nifdjer Stil feinesroegS fetjletfrei ift ; fedjS ©pradjen foll er fertig t)aben reben
tonnen. ©cfjriftftelierifd) ift er mit einer Uebetfegung Pon de Avila's Comen-
tario de la guerra de Alemania hecha de Carlo Y. en el anno 1546 et 47
l)eiPorgetieten, melctje er nad) einer franaöfifdjen Bearbeitung beS fpanifdjen
58uct)e§ aur 2Bunfctj feine§ S3ater§ periertigte. S5ic Arbeit mar am 13. Sinti
1551, ber £rud am 21. 3ttli 1552 in SCÖolTenbüttet Pollenbet.
ty. 3i ntm er mann.
^f)tlt{){) Pon StePe f. (£lcöe, $f)Uipp S3b. IV, ©. 330.
^IjtltPJ) : $. I, ber ©rofjmütcnge, 2anbgraf Pon ^ ef f en , geboren ju Harburg
am 13. giooember 1504, f ju ßaffel am 31. Sttära 1567. — 3m fünften
Sebenejacjre burcr) ben 2ob be§ SSaters, Sanbgraf 3ßilr)etm II. Pon Reffen
(f 11. 3uli 1509), 3ur ^errfd^ait berufen, meldte juerft ein 51usfd)UB ber |ef=
fifetjen Sanbfcfiaft unter bem ßanbtjofmeifter Submig Pon Bonncburg, feit 1514
aber bie 9Jlutter 51nna öon 9)cedlcnburg für 5ß. ausübte, mürbe biefer fdjon am
16. äJcärj 1518 Pom £aifer für münbig unb regierungsfähig ertlärt unb trat
alsbalb bie ^perrfcb,aft im eigenen tarnen an. Sie 33ernad)läffigung, meldte er
namentlich in ben Seiten ber Utegentfdiaft 33opneburgs an Körper unb ©eift er=
fahren tjaben foE, ncrmocrjte feine bebeutenben Anlagen nid)t ju erftiden, bie
Pielmetjr nur um fo efjer reiften. Sie 9tad)rid)ten über irjn au§ feiner Knaben*
jeit fiub aÜerbings feljr bürftig; Don feinem SilbungSgang toiffen mir fo gut
mie nichts; faum metjr al§ ein paar Tanten feiner Öetjrer. Unb audj im
übrigen merben uns nur ganj Perein^elte 3üge beridjtet, meldie aßerbings 5Dtutter=
mife unb fdjarfen Söerftanb Peirattjen; aud) erfahren mir, bafj $. trürjjeitig mit
ber 33ibel befannt rourbe unb an bem gormetmefen be§ t)errfct)enben ©otte§=
bienftes feinen ©efaüen fanb. daneben ftetjt eine gro^e Seibenfcfjaft jur Sagb,
766 Wipp !•< ^.'aiibg. x>. Reffen.
bie faft als ber l)erüorfted)cnbfte ^ug im SBefen bes jungen gfurften erfctjeiut.
9lber bas ßeben natjm biefeu irüt)jeitig in bie Sdjule. $aum tjatte ^. bie
Ütegicrung angetreten, fo fat) er fein ßanb unter nichtigem Söorroanb üon bem
Ütitter örtanj üon Sidingen überwogen unb üon ber eintjeimifdjen 9titterfd)aft
preis gegeben, bie tjinter ben SBätlcu üDarmftabts Sd)iits fudjenb itjrem dürften
bie ßinmittigung ju fd)impflid)em Vertrage abnötigte. 216er üon nun an er«
l)ebt fid) ber junge ßanbgraf 31t wirflidjer Selbftänbigfeit. 2öeber ben ßanb=
ftänben, beren jeit ber 3cit bei Stegentfäjaft gefteigerten 9lnfprüdjen er nod) im
$. 1518 auf einem ßanbtag mit s)tad)brud entgegentrat, nod) feinen 9tätr)eii,
bie er aüerbings 3U fd)äijcu unb an^utjören üerftanb, tjat er je einen überwiegen-
ben (Jiuflufj auf fid) unb bie 9luge(egcnl)citen ber Regierung ]ugeftanben, fonbern
alle tüidjtigevcn fragen, bie an il;n tjevautraten, felbftänbig erwogen unb felbftänbig
entfdjieben, wie bie jatjllofen 0>utad)ten, bie üon feiner .£>anb nod) Oorliegcn, unb
feine ausgebreiteten ßorrefponbenjen gut (Genüge erWeifen. Unb ptauüoll, mit
einem feinen 3at)ren weit üorancileuben Ueberbtid, gcl)t SJ3. üon Einfang an bor.
Seine näd)fte (Sorge nad) ben unruhigen Reiten ber 53ormunbfd)a?t unb ben ©e=
fahren bes Sitfingcnfdjen Ueberjugs liefe er es fein , bas ßanb iuuerlid) <ui
fid)crn, junädjfl unb box allein burd) Säuberung bcr Straften uou ben iet)be=
luftigen Stiftern, bie and) nad) Sidingen* Wbuig bas ßanb beunruhigten, — unb
feine Stellung nad) aufjen rjin 311 l)ebcn. (Jr trat in ben fdjmäbifdjcn 93 unb
ein, erneuerte bie alte (hbeiuigung feines .jpaufes mit Sadjfen unb gewann fid)
<&i^og ^eiurid) b. 3. öon SBolfenbüttel jum ftreunbe. 2>ann exfäjien er
K3jäl)iig ju äUorms au? bem 9ceidj8tage (1521), natjm feine 8et)en bom Äaifex
unb üertrug fid) t)icr mit bem feinbfeligen 3Rain&, fowic mit bcr SPfaty, mit
ber üon ben Reiten bes pfatj6aieiif(t)en ©rbfolgcfriegcs t)er eine ftarfe Spannung
obwaltete. 2lud) mit bem (Jrjbifdjof öon Iricr, Widjarb üon ©teiffenflau, ber
fdjon auf bem SlugSbuxgex SfteidtjStage Don 1518 ba'z ^ntereffe bes üon Sidingcn
üergeroattigten ßanbgrafcn eifrig üertveten t)atte, bitbete fid) jetjt ein enges freunb*
fd)ajttid)es ßinbernetjmen, weldjes fdjon im nädjften 3 a Irre fid) in folgeureid)fter
SBeife betätigte. 3118 bamals (1522) 5*an.i üon Sidingen bem StjDifcijof geljbe
antiinbigte unb it)n in feiner ,£>auptftabt Irier belagerte, toax üor allen anberen
Surften ßanbgraf iß. ttjätig, bem 93ebroI)teu (ui -Ipilfc 31t fommen. $u ü)tn
lebte ber ©ebanfe ber Solibaritat ber füxftltdjen ^ntereffen, ben er mcf)ifad)
in feinem Sebcn bind) §üfeleif}ung an bebrot)te Staubesgenoffen betätigte;
aufjerbem räd)te er eigene 9Meibigung. So fel)cn mir it)n mit Stier unb ^fatj
üereint im 3- 1522 bie 93unbesgenoffcn Sidingeus bemüt()igcu unb im folgen*
ben ftrütjling ben Ritter fclbft in ßanbftul)! belagern. Sn ber Xrad)t eines Sanbä»
fned)ts mar ber eifrige, junge fyüvft überall jut Stelle. So marb Sidingen be«
mältigt; bie Stauern feiner 93urg erlagen bem Sombarbement, bie erwarteten
3ujüge blieben au«; enblid) marb Sidingen fclbft töbtlid) üermunbet. "Jim
6 5)cai capituliitc er, fdjon im Sobestampfe; aud) feine übrigen 93urgen fielen;
bie Sieger aber tt)eilten bie 93eute; bod) t)at '$. fpäter feinen 5lnt^eil au ßanb
ben alten 3l^)aöern aurüdgcfteüt. ^intertjet faljen fid) übrigens bie ,fhiegs=
fürften nod) in einen Streit mit bein 9ieid)sregimente, meldjes fid) ber 2lufpi'üd)e
einiger ber Oiittcr annahm, üermidclt, bod) gingen fic aud) aus biefem Streit
als Sieger Ijerüor. Sie üerftärften bie 3a^)1 oei' ©egner, mcld)e fidj bas 9legi=
ment gemacht, unb trugen bind) it)re 93efd)Werben miber baffelbc üieüeidjt am
meiften ju beffen Sturze Anfang 1524 auf bem brüten Nürnberger föeid)5tage
bei. So mar il)r Unternehmen auf allen Seiten üon mid)tigen potitifdjen 5°^8en
begleitet; ber ßanbgraf aber t)atte bie Sdjarte ausgetoetjt, bie it)m in ben 3l'üen
r)ülflofer ftinbtjeit gefd)lagen mar, unb ftanb jetjt, nod) nid)t 20 jährig, geachtet
unb gefürdjtet im 9veid)e ba. 3lls einen ^riegsmann bejeidjnet itjn ßut^er,
SP&üipp I., Sanbg. ö. Reffen. 767
öon ^etfon Hein, aber in ftatf. unb «öexftanb mächtig unb gtücffetig. 3n ber
£b>t tonnte bie in einer entfcb>ffenen £anb aufammengefafcte 3Jta$t £>efien§
Wobt nadj mannet ©eite f)in ben 2lu§fcfjlag geben.
Um biefetbe Seit trat $. in enge S5ejiet)ungen au bem £exaog ©eorg bon
(Sac^jen, beifen ©orjn Sodann mit ber einigen ©cf)Weftex ^fjitipp 8, bex etwas
älteren ßlifabetf), oexmäbtt mar. 3c^t 1523 öexmäb,tte fic£> «p. felbtf mit
(Jbxiftine ber Softer ©eoxge. 2>od) foulen bie Sahnen ber beiben «ötanner
batb gän« auseinanbeigerjen, inbem fiel) $. fcfjon 1524 ben Slnfjängern SutfarS
mit öoEex @ntfcf,iebenf)eit angefeilte, ©ein Uebextxitt erfolgte rafd), aber mdjt
unöorbereitet. ®a§ Sibetjtubium bes iungen Sanbgrafen, beffen mir gebadjten,
fiatte obne ^meifel bereits ben SBoben in itjm bereitet, mbem e§ Jemen Elia
für ba§ UnWefenttic^e, menn nicfjt 9)ci&biäuct)iict)e mancher ginrnfctungen ber
befteljenben tattjotifc^en j?ixcfje Warfen mufcte. Sann faf) unb rjörte er öutyer
fetbft auf bem 9ieicf)ötage ju 2Borm§ 1521 unb natun Snterefie an ibm. Gr
befugte ben «Reformator in feiner Verberge. Unb ber ßtnbrucf, ben J. bon
SBormS naef; £aufe braute, mar ftarf genug um ifm ju öexmbgen, bie fragen,
Wetcbe bie 3eit bewegten, an ber £anb ber te?oimatorifct)en unb ©trettfcb>Tten au
ftubixen unb au übexbenfen. Sen 2Iu§fct)tag für ^itipp-S förmltcrjen Hnfd&lufj
an bie ©ad)e bex teeret gab bann aber, joroeit mir fet)en, «DcetancfcjtcjonS au?
be§ Sanbgxafen ©rforbexn öexfafcte unb biefem gemibmete „fcumme bet djnjt«
lieben Sebxe, bie ®ott iefet miebexum bex SEÖelt gegeben fjaf' (1524). ttonn bie
©excebtigfeit buxet) ben ©tauben im (Begenfafe aut Sefce öon bex »«btenltli(3JJeit
bex guten Söexfe befjanbett mixb. Sex Sanbgxaf max übexaeugt. ®utfe|lict)
exfcbien trjm fortan bie SinmaBung ber äird&e, gegen unb über bie Gebote
©otteä binauS bie ©ewiffen ber 9Jcenfct)en au tieften unb btefe m bte allein
mebr obex minbex wiflfürlidjer ©afcungen unb Seretnonien au fdjtagen, wogegen
ex bie ecfjte biblifcfje unb cfjxiftlicfje 2ßeist)eit in bem was Sutfjer lehrte, wtebex-
fanb. Sen eigenttiefj bogmatifcfjen (fragen unb ©xübeleien ftanb ^ lexnex mie
benn auch, fpätex bie einfadjere 2Ibenbmaf)fsteb;te SuringU'a *em °TTene_n. ©mne
be§ Sanbgtafen beijiänbticbet unb baxum fömpatrjifcrjet max als bex «DtölticiSmuö
U äßie abex ben jungen dürften mebet bie Slbmarjnungen bet eigenen «Dtuiter
noeb bie Stübung fetneS 33ext)ältniff^ 3u feinem öätextid)en Sxeunbe ^xg bon
©aebfen in feinex Haltung erfd&fitterten, fo lieft ex fid) auefj buxd) ben «ntd)
bea »auetnftiega (1525) ben \a bie ©egnex tebiglid) als gxucrjt bex Intern cfjen
ßebxen au beaeiebnen feinen 2lnftanb nahmen, nidjt ixxe mad)en. 4>. max ?a)t Dex
elfte unter ben pxften, bex nefj mannhaft exb^ob. 9ta*bem er an ben ärenaen
ßeffenS ben 2tufftanb rafet) au «oben geworfen unb baburet) ba§ eigene bebtet
bor bem ©ctjrecfen ber ßmpöxung faft PöEig bemalt %attt,m « "J* A\unn8en
ben fachen Surften au ©ftlfe. too unter feiner tjättgen futt)eitna|me ber
©ieg öin Sranfen^aufen erfochten unb bie ©tabt «Raufen, ber ©tfe be§
©ÄtoärmerS Bornas «ötünaer, eingenommen mürbe te um fo mebr aoer
traten ietjt, nacb, ber 9ciebcxwetfung öe§ Stufftanbea bex Untertanen, bie con-
fefftonenen ©egenfd^e bei ben Cbrigteiten fetbft t»erbor. ©eraog ©eorg ber
emotive ©egner ber Sßerfon unb 2et,re SutM. ^ef bie ^urTürften joad&tm
pon Sranbenbuxg unb «Ibrei^t bon ^Dcaina unb bie ^exaöge fcemruS unb W
öon SBxaunT^toctß aum 19. Sult nact) ©effau, wo man es um tun igen <£m-
pbxungen bex Untertanen borbeugen au tonnen, Tür unertoftli* erflorte, baB
Sox aEem bie „Pexbammte (utfjexifctje ©ecte", als SBurael be« Äufxu^B auj.
aexottet werbe. 2>iefe (Sxtläxung würbe bann flutfac^fen unb Reffen niügett)eilt ;
man mochte troffen , bie beiben pxften einflüstern 3u tbnnent 9lUem bte*
^oigerjen bet Setbünbeten t»atte bei $. unb Sodann bon ©acfjfen getabe bie
768 ^t)ilipp I-, 2cmbg. ti. £effen.
gegenttjeiltge Söirfung. @ö beftärfte biefe nidjt nur in ber 2lntjänglidjieit an
bie Reform, fonbern gab itjnen aud) 9lntafj nunmehr itjrerfeitS auf Sßertljeibigung
unb 3utanimenfafjung ifjrev -Strafte ju benfen, roaS um fo notfjroenbiger fdjien,
als turj barauj ein neues 9teid)StagSauSfd)reibeu bcS ÄaiferS beffen unüeränbert
feinbltcEje (Stellung jur Steuerung ftavtegte unb fdjon forooljl bie Seffauer 33er=
bünbeten wie bie Sapitel ber s)Jtainjer Srjbiöcefe ben $aifer angingen, roiber
bie teuerer offenfio einjufdjreiten. 2)em gegenüber fudjte nun ßanbgraf ^ß. bor
allem engften Slnfdjlufj an baS $urf)auS ©adjfen. ©djon im ^rüf)ttng 1525
fjatte er ©elegenljeit genommen, auf einer ^ufammenfunft i^ofjann üon ©adjfen
feiner Slnrjängtidjfeit an baS ßbangelium JU berfidjern; im £>erbft fnüpfte er
aufS neue an, lub ben «fturprinjen $of)aun ^riebrid) ju fid) nad) ^rieberoalb unb
bradjte enblidj, gebruav 1526, in einem 9lugenbtid, ba ber $aifer burd) ben
^rieben üon sJJtabrib freie -£>aub toiber bie teuerer j)u getoinuen fd)ien, auf
einer ©ottjaer 3ufaminenutnft ein förmlidjeS 53ünbnif> mit bem jhtrfürften jum
©djutj ber eöangelifdjen Seigre au ©taube, roeldjeS ben s3luSgangSpunft für eine
allgemeine Bereinigung ber gefammten eüangelifdjen ©tänbe bitben follte. $n
ber ütt)at gelang eS bem Ihirfürften bon ©adjfen, eine 9teil)e norbbeutfdjer
©tänbe 3um Eintritt in baS 33ünbnif$ ber ßoangelifdjeu ^u bringen, dagegen
tjatte £anbgraf s$. bei ben obcrbeutfdjcn ©täuben feinen (Srfolg, bie namentlid)
nod), etje fie öerbinblidje ^ufagen crtfjeitten, ben 2lu3gang beS auf ben 5ruf)=
fouuncr 1526 auSgrfdjriebenen ©peicm WeidjStageS abroarten wollten. $n
©peier erfdjien bann aud) X" 9fo bei ©piije oon jroeitjunbert Gittern 30g er
am 12. 3futi in bie alte 9icid)sftabt ein, in biefelbeu färben gefletbet roie
3otjann bon ©adjfen, ber am 2<>. ^uli anlangte, unb mit bcmfelbcn s,Hb(}eid)en
roie biefer (ben 9lufangSbud)ftaben bcS eöangelifdjen Siniifprudjcs Vcrbum domini
manet in aeternum) oeifehcn. Unb toäljreub fid) bie beiben Surften über bie
gaftengebote ber fatljolifdjen .ß'irdje offen tjtnroegfeüten, berfüubeten ifjre ^rebiger
unter gcroaltigem Zulauf in täg[id)en Sßrebigten bie eüangelifd)e ßc^re; oor allem
aud) mad)te ty. felbft burd) feinen gfeueteifet für bie öon ifym als recfjt erfannte
©adje unb feine 23elefenf)eit in ber S3ibel ben größten (Sinbrud bei ^yreunb unb
5einb; in faft atten 9luSfd)üffeu beS 9teid)StageS finben toir Reffen öertreteu; bei
ber 2Baf)l beS „grofjeu SluefdjuffeS" oereinte $. fogar bie relatib größte ©timmen»
ja^l in ber fürftlidjen Gurie auf fid). Unb fo bebeutenb roareu bie t>luSfid)ten
ber ßoangclifdjen in ©peier, bafe Srj^erjog fterbinanb enbtid) als äufecrfteS
■•Bcittel eine faiferlid)e (hfliiruug mitteilte, bie bem 9fieid)Stage jebe ^lenberung
be§ fird)tid)en ^ettommenS ftricte uuterfagte. ©0 rourbe aderbingö ein 3lb=
fd)ieb ^u ©unften ber Neuerung hintertrieben; bod) befd)(offen bie ©tänbe, ben
Äaifer um sJlenberung feiner äßetfungen 31t erfudjeu, bis batjin aber ben Status
quo aufrechtzuerhalten. 3lber s^>. blieb hierbei nid)t ftel)en^ burd) ben allerbingä etroa§
.jroeibeutigen äßortlaut ber formet beS sJteid)«abfd)iebeS, roonad) fid) feber ©tanb
fo galten foüte, roie er e§ Oor ®ott unb bem $aifer berantroorten fönne, glaubte
er fid) pr förmlichen Umgeftaltuug ber ^irdje feines ÖaubeS berechtigt; unter
ouftimmung beS ^anbeS felbft, auf einem Sanbtag ober einer ©tjnobe ju ^om=
bürg in fiebert) effen, rourbe bereite- im Dctober 1526 baS 2Berf in Angriff ge=
nommen. 5p. felbft erfdjien in ber Söerfammlung, umgeben üon feinem Dertrauten
9catr)e 33altt)afar bon ©djrautenbad), bem Äanjler ^oljann $eige bon ßidjtcnau,
bem ^ofprebiger Slbam ßrafft bon gulba unb bem granjofen ^ranä Lambert
oon 'ilüignon, roeldjer eljematS ^'önciScanermönd), bann für bie 9teformation
geroonnen, nad) roed)felbotten ©djidfalen bon ^. Euq jubor nad) Reffen berufen
roar, roo er bann bei bem Ütefotmroerf bie eigentlid) leitenbe 9toüe fpiette. @r
legte ber ©onobe jetjt 158 bon il)m aufgeftetlte reformatorifdje 2l)efen, „Para-
doxa'", por, auf beren (Srunb in breitägigen 23erljanbtungen, bei benen aud) bie
s.pt)iiipp L, Sanbg. t>. Reffen. 769
altgläubige Oppofition p äBorte gekommen mar (bie fid) atterbingS im roefent»
Itcfjen barauf befdjränft rjatte, bem Surften unb ber ©tjnobe bic äöejugnijj pr
Sßornafjme ber Reform p beftreiten), eine üteformationSoibnung öereinbart
würbe, roeldje bie tjeffifetje Äirctje öon ©runb au§ umgeftattete. 2)urctj frei*
tntHigen beitritt füllten überall ebangeliftfje ©emeinben fief) öitben, je öon einem
SSifc£)of al§ ©eelforger, Sletteften (^ßre§bt)texri) jur $ufrect)terf)altung ber 2ef)re
unb S)iafonen, tjauptfäcrjticrj pr .gmnbcjabung ber Armenpflege, geleitet. ©ämmt=
CtdCje 93ifctjöfc aber unb ein Söertreter jeber ©emeinbe bilben sufammen mit bem
Surften unb ben ©rafen unb Ferren be§ 8anbe§ bie ©tmobe, bie iafjrticr) ju=
fammentritt, um über alle fircrjticrjen Angelegenheiten ju beratljen, fotoie einen
StuSfccjufc gur ©efctjäftSteitung unb brei SBifitatoren p toätjten. S)iefe Seftim*
mungen traten bann jreilicf) toeber auf einmal noct) überhaupt ganj in biefer
SBeife in§ ßeben. üDa£ Sibeal ber freien eöangelifctjen ©emeinbe lie| fid) fo, toie
e§ bem Sanbgrafen unb feinen 9tät1)en anfangt öorfdjtoebte, nid)t öertoirflictjen;
*p. felbft richtete fpäter al§ ©runbtage für bie firctjlidje GHntfjeilung beS ßanbeS
fed)S ©uperintenbenturen ein. $m übrigen erhielt bie ßirdje i£>re toeitere 9lu3=
bitbung namentlid) (Snbe ber 30 er 3a§xe auf ©runblage ber Söittenberger
Goncorbie unb unter öortoattenbem Gnnflufj 93tartin 23ucer§. — 2ln öielen
Orten fanb ber ßanbgraj mit feiner Neuerung bei ber SBeöölferung, felbft bei
ü(eru§ unb 9Jcönd)en, baZ bereittoiltigfte Gmtgegenfommen; anbererfeitS fehlte e§
auetj nietjt an Söiberfetilidjfeit, bie p befiegen 5ß. jum £t)eil erft natf) längerer
ßeit gelang, fo namentlich) bei bem mächtigen in Reffen reid) begüterten Orben
ber 2)eutf<f)c)erren. dagegen brachte er fetjon 1528 ben fircrjlicrjen Oberen be§
größten ü£f)eile§ öon Reffen, ben (Srjbifdjof öon 5Jlain^ jum Söerjictjt auf feine
9ied)te. S)ie überflüffig getoorbenen ^cefjgerättje ic. famen großenteils in bie
allgemeinen 2lrmen= ober ©otteSfaften ; ba§ ©ut ber aufgehobenen ober auf ben
Auefterbeetat gefegten Älöfier aber fanb, nadj ben 33efd)lüffen eineS ^affeler
SanbtageS öon 1527, feine SBertoenbung 3itm üErjeil als AuSftattung ber auS=
tretenben unb Unterhaltung ber im JHofier öerbteibenben OrbenSperfonen; ferner
übertoieS man bie ©tifte Äauffungen unb Söetter ber 9titterfd)aft beS SanbeS
jum gtoect ber AuSftattung armer Kräutern öon Abel; fobann begrünbete ber
Sanbgraf p ^aina, 9Jcer£rjaufen , |)oct)t)etm unb ©ronau öier große ßanbeS=
rjofpitäler. ©ie merftoürbigfte Stiftung aber ift bie ber Uniöerfität Harburg,
roeterje al§ elfte auf ber 33afi§ ber eöangetifdjen Serjre gegrünbete §ocf)fcljute,
reictj au§geftattet, fcfjon 1527 eröffnet merben fonnte; unter ben erften ^3ro=
fefforen begegnen bie Stjeologen ßambert öon 9löignon, 5lbam Ärafft unb ©rrjarb
©ctjneöi öon ^eitbronn , ber ^urift ^oljann @ifermann öon Slmöneburg
(SerrariuS sDcontanu§, elfter Otector), ber 5Jtebiciner @uriciu§ Sorbu§, unb unter
ben fect)§ ßetjrern ber ©praerjen unb freien fünfte ^ermann öon bem 33ufdje. —
Sluctj für bie Hebung ber ©ittlidjfeit im Sanbe mar ty. beforgt; ben reforma=
torifetjen (Einrichtungen geljen öerfdjiebene fittenpoliäeiticlje Sßerorbnungen gegen
ba§ Sutanlen, glucljen, gefccjtedjtlicrje 2lu§fcf)meifungen, fotoie gegen übermäßigen
2uju§ u. f. ro. pr ©eite. — ^nbem bergeftatt ty. ba§, toa§ er at§ feine obrig=
feitlictje 5pflictjt eractjtete, mit Energie unb Solgericljtigfeit angriff unb burdj=
führte, übermarf er fiel) freitict) non ©runb au§ mit feinem ©c^roiegeröater ^erjog
©eorg. Uebercjaupt aber Ijatte bamal§, nactjbem ber ©peierer 5Reid)§abfcrjieb öon
1526 bie allgemein tjerbeigefelmte ©ntfctjeibung in ber firdjlidjen ^xa%t nierjt
gebracht rjatte unb febe 3lu§ficljt auf ein allgemeines ober nationale^ (Soncit, an=
geficf)t§ be§ erneuten ^ampfe§ ber Söeltmädjte, gefctjrounben toar, bie Unftcrjerfjeit
unb Unttarljeit ber SSerrjältniffe nur noerj pgenommen; jebe Partei beforgte
öon ber anberen öergetoaltigt ju roerben, aumal aber geberbeten ficrj bie 2111=
5lllgem. beutfdje SBtogra^ie. XXV. 49
770 Sptjilipp I., tfanbg,. D. Reffen.
gläubigen burdrroeg fo feinblid) unb trofcig, bajj bie Slngabe eines ungetreuen
SSeamten Jpetjog ©eorgs bon ©ad)fen, Dr. Ottos bon s$acf, bafj im sUtat 1527
ju Breslau, roo bamals einige bet etfrigften unter ben altgläubigen ©tänben
bcifammm geroefen waren, ein Offenfibbünbnifj zur 93ernid)tung bes ßuttjerttjunis
unb feiner f)auptfäd)lid)ften s-8efenner abgefd)loffen werben fei, bei bem 8anb=
grafen ©tauben ianb unb itjn bemog, nad) SBerftänbigung mit .fhniürft i^ofjann,
um bem brotjenben Eingriff zuborzufommen, fd)leunigft zu ruften unb zunäd)ft
bie 33ifd)öfe öon Bamberg unb äöürjburg, roeldtje zu ben ütfjcilnetjmern bes iMtnb«
niffeä gehören füllten, anzugreifen, inbem er zugleid) bie Söünbnifeurfunbe nad)
einer s<!lbfd)rift, bie ifjm s}htf geliefert t)atte, beröffenttidjte (IJcai 1528). allein
ber einftimmige, entfdjiebene ^roteft ber fämmtlidjen angeblichen £t)eilnef)mer
madjte ben l'anbgrafen ftubig; ofjne ben ©tauben an bie 2öaf)rl)eit ber eingaben
^atfs ganj aufzugeben, faf) er bod) ein, ba% er fid) öon feinem gfeuerei'ei }u
Weit fjabe fütjren laffen ; bie überzogenen $ifd)öfe mußten freilid) feinen 2lnQriff
mit ojelb abfauien ; aud) mit bem Garbinal Don $Jcainz rechnete ber ßanbgvaf
bei biefer Öelegenfjeit ab ; bann aber legte er bie borfdjnell ergriffenen SBaffen
aus ber £>anb. s^arf würbe in föewafjifam genommen, nadjbem ein 93erl)ör
aber feine Ätartjeit gebracht blatte, entlaffen; mit £>erzog ©eorg tarn erft nad)
Monaten eine äufjcrtidie Derföfjnung zu ©tanbe; ber fdjmäbifdje 33unb, ber
eine brotjenbe Haltung gegen ben ßanbgraien annahm, lief} fid) enblid) aud)
befd)mid)tigen. ©o gingen biefe ^nicf fri)en Oänbel ofjne bebeutfamere O^lflen
borüber; fie ittuftrirteu bie preeäre ßage bes i)teid)S\ aber fie überzeugten bie
9lnl)änger be§ alten Stiftern« feiuesmegs öon ber 9totf)Wcnbigfcit, mit itjren
ebangelifdjen sJJUtftänben ein frieblidjes 3lusfommen ]u fndjen. sJiod) immer
bad)te man baran, bie reformatoufdje Bewegung mit <£>ilfe be$ $aifers untere
brüden zu fönnen. 2)as zeigte fid) fdjon au? bem zweiten ©peierer Oteidistage,
Weldjer, allerbtngs nod) in 9lbmefent)eit bes mit bem Raufte auis neue berbün»
beten, toiber 5TaHfteid) fiegreidjen Äaiferö, im ^rüfjling 1529 zusammentrat
unb in feinem 9lbfd)ieb bie 33eftimmungen öon 1526 auftjob, bie 33ornat)tne
fernerer Neuerungen berbot, bagrgen auebrücflirf) ftatuirte, bafj niemanb am ÜJceffe=
galten berrjinbert unb fein geiftlidjer ©taub in feineu Otedjteu Bericht werben bürfe.
2)urd) 3uftimmung zu biefen ^öefdjlüffcn einer altgläubigen Wefvttjeit mürben
bie Sbangelifdjen ftd) felbft aufgegeben fjaben; unter Sßorantritt bes ^anbgrafen
erflärten fie, bafj ein 9ftajoritätsbefd)tufj in ©adjen bes ©emiffens feine ©tatt
tjaben fönne. 91ls aber itjre Dorftellungen unget)ört bertjattten, traten bie eban^
gelifdjen dürften am 19. 2lpril mit einem ^roteft fjerbor, ben fie zu ben bieten
bes Reichstages zu nefjmen erfudjten. ©ie erflärten barin, bafe ber ^bfdjieb
bon 1526 nid)t einfeitig aufgefjoben werben fönne unb bafj fie ba()er iortfarjren
mürben, nad) beffen 2öorttaut fid) mit itjren Untertfjanen in Jpiufidjt ber ÜJMigion
fo zu bertjatten, roie fie es gegen ©ott unb ben Äaifer zu beranttoorten fid)
getrauten, ©iuige Sage fpäter traten bieqetjn 'Heidjsftäbte bem *|3roteft bei,
ben bann ber ßanbgraf, ba bie ftcidjstagsmetjrfjeit bie Slnnafjme berroeigerte,
fd)on am 5. Wax burd) ben S)rud beröffentlidjte. 3[nzmifd)en aber liefjen fid)
bie llmftänbe immer gefatjrbrofjenber für bie „^roteftanten" — bas mürbe t)in=
fort if)r 'Jcame — an. 35er $aifer gelangte im ßaufe be§ ©ommers nid)t nur zu
einer botleit Serftänbigung mit bem *papft, fonbern aud) — in bem 2)amenfrieben
bon ßambrai — mit f$rvanfreid). 6r erhielt bie «g)änbe frei unb fonnte enblid)
©panien berlaffcn. 3U Bologna tra? er mit bem ^ßapfte zufammen, ber if)m
l)ier am 24. gebruar 1530, am ©eburtstage ,$?arls unb bem 3>af)restag bes
©ieges bon $abia, bie faiferlidje A{rone auffegte, in 2lbmefenf)eit faft fämmt=
lidjer beutfdjer ^ütften, beren ©teüe italienifdje ©rofec unb fpanifdje ©ranben
einnafjmen. ©d)on bortjer tjatten bie ^roteftanten fid) an Uarl gemenbet um
5ßf)Uipp L, Sanbg. t>. Reffen. 771
% Sßerrjalten bor ifjm 311 terfjtfetttgen ; allein ifjre ©efanbtfdjaft fanb aumal
infolge ber Ueberreictjung einer Sonfeffionifdjrift, bie ber unerfcrjrotfene Sanbgraf
mitgegeben tjatte, einen fetjr ungnäbigen Smpfang; bte ©efanbten fdjätjten fidfj
glütfticrj, otjne ©djaben an Seib unb Seben mieber jurücfyuferjren. ty. meinte
ätoax, ei fei beffet, bafc ber $aifer bergeftatt feine 9lbfid)ten enthüllt, ati roenn
er einen „falben gnäbigen" Sefcrjeib gegeben tjätte; anbererfeiti fdjien bann
bod) bai Äuifcrjreiben, burdj melcrjei Äarl bie 9teicf)iftänbe nadj Slugiburg ein-
berief, ben SBunfd) bei Äaiferi jn befunben, auf (Srunb unparteiiferjer Prüfung
unb nactj Slntjören beiber Steile bie firdjliclje 3mietracf)t beizulegen, gaft bott*
3äf)tig erfdjtenen bie froteftantifetjen dürften in ^erfon ju Slugiburg. 9lm
12. 9Jtai ritt ber ßanbgraf mit 150 reifigen Begleitern ein; atibatb mürbe ber
ebangelifdje ©otteibienft in Slugiburg eingerichtet, nietet metjr mie bor bier
Sauren ju ©peier in ben Verbergen ber dürften, fonbern in mehreren ßirerjen
ber Stabt. 2)odj mu|te bai beim ^erannatjen bei $aiferi, toelcrjer am 15. ^uni
eintraf, abgeftellt toerben; bagegen berblieben bie ^roteftanten auf itjrer 2öeige=
rung, fidj an ber grorjnleidjnamStoroceffton (16. 3uni) ju beteiligen. 2)iefe
fefte Haltung beroarjrten fie bann audj in ben 55ert)anblungen bei 9teictjitagi
felbft. (Si fcrjicn bai fogar auf ben Äaifer nidjt ofjne Gsinbrucf ju bleiben, ber
am 25. 3funi bie Sßerlefung ber bon 9Manc£)tt)on berfafjten „(Sonfeffton" ber
ißroteftanten in feiner ©egenroart juliefs. allein man fonnte boct) nidjt lange
barüber 3tt>eifelt)aft bleiben, bafj $arl, ben SSorten bei 2luifcrjreibeni Stoiber,
bie Angelegenheit bei ©laubeni nur nact) borgefafjter Anfictjt 3U befjanbeln
milleni fei. Bereiti brannte bem ungebulbigen Sanbgrafen in Äugiburg ber
SSoben unter ben 5uBen; er Öm9 oen ®0Li\n um feine Günttaffung an; ali $art
biefetbe berfagte, 30g *p. nicrjti beftomeniger am 6. Sluguft tjeimlict) bon tjinnen.
3)er2luigang bei 3Reict)§tagö beftätigte feine Sßorauifictjt. 2)er i?aifer unb bie 9Jter)r«
Jjeit ber ©tänbe erachteten bie (Sonfeffion burclj bie „Sonfutatio" ber fatfjotiferjen
Srjeologen für mibertegt; 9Jtelancrjtf)on§ „Apologie" blieb unberücEfict)tigt unb
ber üteicrjiabfcrjieb bom 19. 9tobember 1530 bertoarf alle Abmeierjungen bon
ber rjerrferjenben ßerjre ber ^iretje unb berlangte ben ben $roteftanten, ftdj ber
©ntfccjeibung einei künftigen Sonciti ju untermerfen, bii 3U beffen 3ufammen=
tritt aber fietj alter Steuerungen 3U begeben; anbernfatt§ bxotjte ber ßaifer ju
t^un, toa§ feines 2lmte§ fei.
S)ie 5lnttt>ort ber ^roteftanten auf ben 9teicf)§abfcr)ieb bon 3lug§burg toar
bie Aufrichtung bei ©crjmalfalbifcrjen SSunbei. Ratten, mie mir faljen, fcljon
feit 1525 inibefonbere ^urfactjfen unb Reffen ben gufammenfdjlufj aller ebange*
lifc^en 9teicrj§ftänbe jum 3wecf ber 35ettt)eibigung ifjrei ©taubeni in§ s3luge ge=
fafjt, fo mar biefer ^tan bon feiner SSerroirflicfjung nocl) toeit entfernt. $a,
e§ mar fogar, inbem Sutljer feit 1526 mit ber jjminglianifcfjen Auffaffung be^
Slöenbma^li unb einiger anberen ^ßun!te in (Streit gerattjen, eine innere Spal=
tung im ^roteftantümui entftanben, inbem 3tt>tngti namentlich in Dberbeutfc§«
lanb biete 2lnt)änger gefunben Ijatte, mäljrenb $urfad)fen, SSranbenburg, 9cürn=
6erg u. a. ftreng lutrjerifdi) bauten. 9lur ber ßanbgraf befa^ freien SSliti genug,
um eine bermittelnbe Haltung ju behaupten : er fuctjte bor allem bie ^Beilegung
bei Streitei im ^ntereffe bei engen 3ufarnmengef)eni aller ebangetifetjen @le=
mente rjerbeiäufütjren, 2luf feine Sintabung famen im ,!perbft 1529 ju 5Jlar=
6urg auf bem tanbgräflicfjen «Schlöffe ßuttjer unb 3wingli, jeber bon ben an=
gefe^enften ^räbicanten feiner ^artei umgeben, jufammen, um über bie unter»
fdjeibenben fünfte itjrer Serjren ju bübutiren. 3tber bie Einigung fetjeiterte an
ber llnbeugfam!eit, mit ber Sutljer an feiner Slnfidjt bon ber realen ©egentoart
bei Seibei S^rifti im 2lbenbmal)l feftljielt. S)a mar benn aud§ fein politifcfjei
49*
772 Wlipp I-, Conbg. ü. Reffen.
3ufammenget)en möglid). Wod) auf bem "Dlugsburger 9teid)*tage mußten bie
äroingtiantfd) gesinnten «Stäbte (Strasburg, ßonftan^, Ulm unb Reutlingen in ber
fog. letrapotitana ifjre eigene ßonjefftonäfcfjrijt einreichen. Orjnetjin tjattc bet
Bünbnifjgebanfe ben 33eifatt £utr)er§ nid)t, ber ;}umat bie ©egenroetyr miber ben
Äaifer, bie bon ©ott eingcfetjte Cbrigfeit, als undjriftlid) öerroarf unb in bitjer
Slnjidjt QucJj bei ßurfacrjjen unb ben Uebrigen ^uftimmung fanb. Wut 2anb=
gtaf 5ß. badjte anbet§. @r lebte, bejonberS jeit bem Watburger Religion^»
gefptädj, in bem ©eDanfen, alle bem Äaifer, aii bem £>auptgegner ber @t>ange=
üfdjen, feinblicfjen Elemente in (Europa ju einem großen s-8ünbnife ]u bereinigen.
*ß. ftanb fn'er jumal unter bem (Sinftujj ber mächtigen ^crjönlidjfcit ^roingli %
mit bem er bon bem JKeligionigefpräd) biö 311 beffen lobe einen bertraulictjen
politischen SBriefroecrjfel unterhielt, <"pier ridjten fid) bie ©ebanfen auf bie ge=
jammte Sage ber 2Eelt; bie naljen unb bie roeiteften $uie tuerben neben einanber
inS 2luge gejagt: ein rjejftfcfHdjrueijerifcrjes ^ünbnifj, metdjeä benn auch, burdj
ben ßintritt s-j.U)üipp'ä in ein fogenannteä iöurgredjt mit Bürtdj, 23afel unb
Strasburg (Wobember 1530) angebahnt mürbe, unb bie rKürffüIjrung Ulrid)'ä
toon 3öürtemberg in fein 2anb ; bie .ipineinjietjung beä ganzen Sorbens 2)eutfd)»
lanbä in baä fd)tt>ei}erifd)e 5J3uvgred)t, 93ert)anbtungen mit 33enebig, mit 2)äne=
marf, mit ^franfreicr), ein 3?unb ber ganzen nid)tf)abäburgijd)eu SBett, getragen
bon bem ©runbgebanfen beä (Jbangeliumä unb be* Okgenfatjes gegen bie fpanijdj»
rjabsburgifdje üJconardjic, bie man jerhürnmern toittj plant man boerj fogar,
bem .Uaijcr ben (Eintritt in 2)eutjd)lanb ju jperren. 'Merbingä blieben biefe
©ebanfen nieift auf bem ^apieic; ihre "Jlue'üftrung jd)eiteite bejonbers an bem
aufänglid) Tiiebfcrtigen ©ebabreu beö Äaifers unb beut jdjroffeu Verhalten bet
£utrjerifd)en gegen bie ^roingltaner unb Cberbeutfdjeu. Stet uod) auf bem
2Iugsburger föeicrjötage jelbft, alä bie ^lusfidjt aui eine Berftänbigung mit ben
j?atl)0iijd)en fitf) immer mer)r trübte, fanb eine Annäherung ^roifdjen ben ©acfjfen
unb ben Cberbeulfdjen ftatt. %'\e ttjeologijdjen Siebenten ßuttjerä über ben
2Btberftanb gegen ben Äaijer traten bor ben Anjidjten ber fünften unb Staate
männer jurütf. ©adjjen regte jefet eine ©efammtberbinbung ber cbangelifdjen
Partei, bie eS früher, ,uunal jdjon in Speier 1529, .yirürfgeunejen fjatte, feiner»
feitö an. (5§ roaren nietjt bie auöfdjroeifenben ©ebanfen eiueö 33unbe§ mit
öfranfrcidj unb Benebig, eineä Cffenfiotviegeä, einer ^Ibfperrung Xeutfdjlanbä
gegen bie fattjolijdje Söeltmonardjie; mol aber eine 3ufammenfaffung ber ge«
fammten germaniierjen ptoteftantijcrjen äöett unb ber 2ßille entjcr)lof|en[tcr ge»
metnfamet '-üertljeibigung. ©0 fam am 81. 2)ecember 1530 auf einer ütag|at)rt
ju ©djmalfatben ber Sntrouri eineS Sftnbnijfel ju ©taube, ^tuifd^en ben dürften
bon «Sachen , Lüneburg, 53ranbenburg»sJlu5bact) , Reffen, x'lnljalt, unb fünf-
^n ttjeilä niebet» tyeitS oberbeutfdjeu 9ieid)ö|"täbten (barunter aüc öiet Unter»
jeidjner ber Xetrapolitana, bie fid) atlerbingö jum Irjeil ben befinitioen beitritt
noctj öorbetjielten), aunädjft jur ^erbeifütjrung einer ^Jlitberung be§ sJ(ugs>burger
^Ibfdjiebcs, aber aud) jur @rf)attung ct)ri[tlid)cr Sßarjrtjeit unb griebenä unb
jur Slbroeljt unbilliget ©eroalt. 3fn bet 5°tge mutbe bann übet ben beitritt
bet eüangelifdjen Sctjroeijet ju bem ©ejammtbünbni^ unb äugleid) übet if)re
bogmatiferje Bereinigung mit ben Äatt)olifd)en au] (Srunblage einer bon 33ucer
abgejagten oermittelnben ^o^'^el bertjanbelt; aber 3rom9u un*> bie Seinen
tonnten fic^ nid)t jogteid) entjerjüe^en, bie gebotene |)anb anjuneljmen. S)oc^
rjielt ty. an ber 2}erbinbung mit ben ©djroeijern feft, burcr) bie er au?S neue
mit fjftaufteid) anfnüpien liejj, roät)renb et felbft ftd) bem mit £>abebutg rioati=
jirenben Jpauje 33aiem, melctjeg an bet Anfang 1531 gegen ben ^roteft Äut»
jactjjenl erfolgten 2öat)l ^f^binanbö jum römifetjen Könige ben gtöfeten SInftofj
natjm, nätjette. SIbet jetjon im Dctobct fteujte bie ^ataftroprje in ber ©djtoeijj
5ßtjütbb I., Sanbg. to. Reffen. 773
— ber £ob ßtoinglt'ä unb ber ungünfitge triebe bon Äabbel — bie $läne
be§ unermübtidjen dürften. £)amit mar ber ©ebanfe be§ ebangelifdjen ®e=
fammtbünbniffe§ befinitib aufgegeben; bie ©efdjicfe ®eutfcl)tanb§ fd)ieben fid) —
unb ätoot für immer — bon ber ©cljmeiz. S)ic oberlänbifdjen ©täbte, melclje
bi§ baljin nad) ber ©cljmeiz grabitirt Ratten, berloren mit 3mingli itjren beften
9tüdft)a(t ; fie maren fortan auf ben ©cljmalfalbifcljen SSunb angemiefen, bem fie
bann aud) im SDecember 1531 auf einer zweiten SSerfammlung zu gfranffurt in
aller gorm beitraten, ©o fdjien ©ad)fen unb baZ ßutr)ertl)um über ben ßanb=
trafen unb bie Dberbeutfdjen gefiegt zu Ijaben. ©elbft ber Äaifer fal) fid) fd)on
1532 bemogen, in bem fogenannten Nürnberger 9£eligion§frieben, unter bem
düinbruä einer neuen Unternehmung ber dürfen, ben ßutl)erifd)en ba§ zu ge=
toäljren, tt>a§ er in 2lug§burg 1530 berfagt tjatte: einfimeiftge £>utbung; freiltd)
aud) nur ben ßutt)erifd)en, ben Qlnfjängern ber (Sonfeffio 9luguftana, unb aud)
biefen nur bi§ auf weiteres unb otme bafj etma§ barüber ausgemalt mar, ob
joldje ©tänbe, bie fid) tunftig zum ßuttjertfjum befennen mürben, in ben ^rieben
eingcfctjloffen fein fottten. Unter biefen Urnftänben ftröubte fiel) ber ßanbgraf
anfangs biefem beizutreten unb berichtigte bie (Saufen fd)imbftid)er 9lact)giebigfeit.
SBenn er fiel) bann aber aucl) notljgebrungen anfdjlofj, fo gab er feine meiter=
geljenben päne, in benen er lebte unb mebte, feine§meg§ auf. 9iur um fo eifriger
fud^te unb unterhielt er 23eztel)ungen zu ben rl)einifd)en Äurfürften, ben ^eraögen
bon 35aiern, zu SDänemar!=|>olftein unb $ranfreid). %m ^Jlittelbunlt feiner
SBeftrebungen aber ftetjt bon jetjt ao ba§ $roject ber 9tüdfüt)rung be§ ber=
triebenen Herzogs Ulrict) bon äöürtemberg in fein ßanb, melct)e§, ben Jpab§»
burgern überliefert, bie öfterreidjifdje 9flad)tftetlung in £)berbeutfd)tanb ert)eb=
lid) berftärtte. SDem flüchtigen Herzog, ber fiel) inzunfetjen ben (jbangelifdjen
angefd)loffen tjatte, gemätjrte ßanbgraf 5ß. fetjon feit 1527 Dbbad) unb ©ctjut};
längere 3^it trug er fiel) auet) bereits mit bem ©ebanlen, Ulrict) tjerzufielten ;
tbätjrenb ber ^ad'fcljen £mnbel fomie nad) bem ©beierer 9teict)§tag bon
1529 unb bei anberen Slnläffen mar ernfttjaft babon bie Uebe. $ei$t aber
mar bie 3eit gefommen. 2>en unermüblictjen 9lnftrengungen *pt)tlibb§ gelang
e§ junäctjft ben ©d)roäbifd)en SSunb, obmot)l ber Äaifer beffen Erneuerung
münfd)te, 3U fbrengen. gerner fucljte er inSbefonbere aud) SBaiern, meld)e§
Ztoifdjen ber SBeforgnifj bor ber t)ab§burgifd)en ÜJlacijt unb bem Söunfdje ben
$attjotici§muä aufred)tzuert)alren unentfct)ieben t)in= unb t)erfd)manl:te, p ge=
«innen unb roenigften§ fo biel mürbe erreicht, bafj 33aiern bie Oieftitution UtrictjS
plie^; birecte §ilfe bagegen, menn aucl) nur in ©eftalt bon ©elb, berfbrad)
Ä. fixanfr bon fttantxeiü), mit bem ber ßanbgraf Anfang 1534 in Skrlebuc
eine ^ufammenfunft abhielt, nicl)t um fiel) ben planen franjöfifcljen Stjrgei^eS
pr Verfügung ju ftellen, fonberlict) lebiglict), um ben fd)nöben 9tecl)t§brud) ber
Habsburger, iljre S5erle|ung beutfetjer 9teict)ifreit)eit ju atjnben. S)er fran3öfifcl)en
Sunbe§genoffenfcl)aft fic|er, trat bann $. im 2lpril, mutljboE, menn aucl) oljne
fiel) über bie ©djmieiigfeiten be§ Unternehmens ju täufd)en, feinen 3U9 nacl)
Süöürtemberg an. 5Jlit etma 24 000 ^Jlann brang er in ba§ ßanb ein; bei
ßauffen unmeit ber ©ren^e fteltte fiel) i^m ber ©tattljatter gerbinanbS, 5pfalä»
^raf Sßtjilibb, ber ruljmbotte S3ertt)eibige r2öien§, bom Satjre 1529 entgegen, freilid)
mit unzulänglicher ^ac^t. $n einem elften ©ctjarmütjet am 12. gjiai mürbe
ber $PfaI<jgraf bermunbet; am näctjften Sage folgte bie @ntfctjeibung : ein rafct)er
glanlenangriff be§ ßanbgrafen beroog bie ©egner, melclje in einem engen £t)at=
leffel zmifetjen Nedar unb 3aber aufgefteEt maren, um nicljt umzingelt zu merben,
einen gebeerten 9tüclzug anzutreten, ber bann aber, burcl) bie Ijeffifctjen Leiter beun=
ruljigt, in eine berluftreictje gluckt ausartete unb, o^ne bafj e§ zu e^er eigent=
lidjen ©djlacljt gefommen mar, bem ©ieger ba§ ßanb öffnete. Ulrict), ber fid)
774 WKPP !■, tfanbg. ü. Reffen.
in ^erfon beim £eere befanb, fonnte faft miberftanbälog öon feiner £>errfdjart
93efi^ nehmen; bie iBeöölferung mar ofjneljin bem öfterrcic^tfd^en Negimente
gram unb begrüfjte ben angestammten dürften mit fr^uben. ©elbft bie geftungen
gingen rafd) über. Unb fdjon am 21). 3funi fam eä unter Vermittlung Änt«
fad)feng unb anberer dürften «jum ^rieben mit gerbinanb ($u $aban bei Anna=
berg in 23öb,men) roonacb, Ulrid), atterbingä unter Vorbehalt ber öfterreidjifdjen
D6ertet)nör)extlict)feit, fonft aber mit ben 9ted)ten eineä Neidjäfürften, 2öürtcm=
berg äuiütfertjielt. Aufjerbem mufjte gerbinanb — gegen Anerkennung leinet
römifdjen .ftönigttjumä buretj bie ©cfjmalfatbener — biefen bie Qrrrungenfdjaftcn
beö Nürnberger griebenS fanetioniren unb, mag über biefen Rieben nod)
r)inau§ging , bem ^erjog öon Söürtemberg bie ßrlaubnifj jur $irdjenreforma=
tion im miebererlangten ^er^ogttjum gemätjren, eine (Jrlaubnifj, öon melier
Ulrid) natürlich alöbalb ©ebrauet) machte; aud) fein fattjotifd) erlogener
©ofjn Gtjriftopb, mürbe in ber i5fotge für bie eöangelifcrje 2ef)re getoonnen. ©o
mar in bie öfterreicfjifdje Ncadjtftellung in £berbeutfd)lanb ein gewaltiger Äeil
eingetrieben unb jugteidb, bem ^roteftantiömuS bafelbft eine fidjere ©tätte unb
ein 5ftittclpunft für meitere Auebetmung bereitet, ein (Srgebnifj, metdjeS ber
fütjnen Sfnitiatibe be§ Sanbgraien ty. in erfter ßinie ju banfen mar. Nictjt fo
gtücflicrj mar s^. in feinen Jpoffnungen, ben 93ifd)of öon fünfter, Sfranj öon
äöalbecf, burd) Unterftü^ung gegen feine aujftänbifdje .ipauptftabt, in ber bie
ÜZÖiebertäufer bie Dbertmnb erlangt, für ba8 ©üangelium ju geminnen; ber
©tur,} ber lederen 30g fner bie Ncftitution bei fcfjroffften Äattjoliciämuä nacr)
fid). dagegen gelang Üß. ein anbereg ungleich roictjtigercö 2Bcrf, nämlid) bie reli=
giöfe Vereinigung aroifcijen ben (Söangelifdjen Nieber* unb £)berbeutfd)lanb3. Unter
feinen Aufptcien grofjentb/ilä mürben bie 33erf)anblungen betrieben, meiere
fcrjtiefjlid) batjin führten, bafj ßutrjer eine öon 23ucer auigeftellte, ber feinigen
angenäherte fjformel über bie Sebeutung ber @infefcung«morte beä AbenbmatjlS
annahm unb barauftjin bie Oberlänber als 33rüber auerfannte; le^tere nahmen
bann bie AugSburgifdje ßonfeffiou unb beren Apologie al«s ba§ eigene SBefenntnifj
an; fie fielen alfo fortan aud) unter bie ÜBeftimmungen beö Nürnberger ^iebcnS,.
bem man je^t unter ßonniöenj 5e*binanb3 unb be§ $aifer8 bie Ausbetjnutig
gab, bafj aud) bie jur ßonfeffio Auguftana neu fnnjutretenben ©tänbe eilige*
fdjloffen feien. Auf biefer ©runblage breitete fid) ber ^rcteftantiämuä in £)bev=
roie in Nieberbeutfdjlanb gemaltig auä; im SBefonberen fam ben Neugläubigen
ber Stob $oad)im§ I. öon Sranbenburg (1535) unb @eorg§ öon ©adjfen (1539)
ju ftatten, ba beren Nachfolger in turpem ber eöangelifdjen Vefyre in ben beibeu
ßänbevn jum ©ieg öerfmljen; fetjon etmaä früher mar aud) ber 33unbe8genoffe
beS ßanbgrafen, ßönig G'Ijriftian III. öon 5£)änemarf, biefcä ßanbeö öötlig $nt
gemorben unb Ijatte ebenfalls bie neue ßeljre burd^gefüfjrt. S£ie ^roteftanten
fonnten e§ jefet unbebenflid) magen, bie Semütjungen be§ neuen ^aöfteä
v^aul III. (feit 1534) um ba§ 3uftan^efonimen twä Goncitö, melctjeg it)nen
leine ©arantie unöartciifdjer Prüfung itjrer Setjren bot, 31» öermerfen; aud) ber
Nürnberger 93unb ber fattjolifcb.en ©tänbe öon 1538 fcrjrecfte fie nidjt ; in ber
S^at mufete iljnen in bem granffurter „Anftanb" öom April 1539 ^ugeftanben
merben, ba^ bie NetigionSproceffe, mit benen ba8 Äammergeridjt bie üßroteftanten
3U öerfotgen nid^t aufhörte, auf adtjtje^n Monate eingeftellt unb injroifcfjen ber
Verfuctj gemalt mürbe, bie firdjlidje 3fi*age ftatt auf bem SGßege bee ßoncilä
burd) eine rein beutfdlje interne ßöfung jum Abfdjtu^ ju bringen. %m ©ommer
1540 foEte ein Ausfdmfi öon ßaien unb ©eleljrten bie Verrjanbtungen barüber
beginnen. 2)ocr) mar auf ben Äaifer, beffen Anfunft man bamal§ mieber ent»
gegenfat), fein SBerlafe. 5Nit granfreid§ feit 1538 im ^rieben, mit ber Gurie aufö
neue in enger SJerbinbung, meigerte er auf äöunfcg berfelben bie Ratification be8
5pf)Uipp I., Sanbg. t>. Reffen. 775
fjfrantfurter 9lnftanbei. S)a mußten bie !$:roiefianten mot beforgt fidj fragen,
mai feine 5lnfunft im Oteictje iljnen bebeuten merbe. 2Wein fie ftanben nid^t
meljr allein mie öor jjetjn ^arjren. $n gan<j SDeutfdjtanb fonnte einjig <£>cr,jog
.gjeinrid) bon SBolfenbüttel ali s2lnt)änger bei ^aiferi gelten, fonft mar biefem
Silier Stimmung entgegen. 2Jtan roünfcfjte im 9teidje auf beiben Seiten ben
trieben, bem nur bie äkrgröfjerungigelüfte bei öaufei |)abiburg entgegenju»
ftetjen fd)ienen. 3uma^ °*e ©elüfte $arli au? ©eibern mußten roeitfyin 33eforg=
nifje ermeden unb SBiberftanb tjerporrufen. 9ftit ©eibern tjätte £art nictjt nur
am Unterrtjein bie bet)errfd)enbe 5ßofition gemonnen, fonbern er märe in 9corb=
beutfdjlanb überhaupt, too foeben ber ^>roteftantümui ju DoEer (Sntjaltung ge=
fommen mar, ber mäd)tigfie £)errfd)er gemefen. 5ludj mar <$u besorgen, bati er
bei ©eibern nid)t ftetjen bleiben mürbe. «!patte er foeben bie 23iitf)ümer Utrecht
unb Süttid) eingebogen, fo traute man iljm bie 2lbfid)t ju, bie 2Mitt)ümer bei
9teidji überhaupt $u fäcularifiren unb ir}re potitifd)e sUcad)t an bie ®rone ju
nehmen — eine ©efarjr, ber gegenüber in bem beutfdjen (jpiicopat fogar bie
$bee einer Ummanblung ber Stifter in meltlidje gürftentfjümer auftaudjte.
2lber aud) bie auimärtigen 2Jtäd)te, ßnglanb, granfreict), S)änemarf tonnten
bie brotjenbe Sluibetjnung ber burgunbifd)en $ftad)t nidtjt gleidjgittig anfetjen ;
jumal ^einrieb, VIII. mactjte 5Riene eine fold)e nid)t ju^ugeben; er Permätjlte
fidj eben bamali mit Slnna üon ßleDe, ber Sdjmefter bei bom Äaifet bebrotjten
£)er3ogi Söilljelm öon 3ülid)=6lePe unb ©eibern. So fehlte ei nid)t an Gräften,
bte bem Äaifer feinblid) maren; unb ei märe nur baraui angetommen, btefe
alle unter fid^ ju berbinben, ju einem großen Schlage ju Dereinigen, ^n biefem
©ebanfen aber erfcfjeint nun öor allem mieberum Sanbgraf $. ttjätig. @r ftetjt
in ber Glitte aller biefer SBünfctje unb S3etfu(i)e ; öiele gingen bon iljm aui ;
anbete gelangten an itjn, bamit er itjnen Verbreitung unb Sluüürjrung Der*
fdjaffe; mit allen Parteien ftanb er in SSerbinbung, mit ben Scfjmatralbenern
unb ben fatt)ottfdjen 5uxfIen unb 23ifd)öfen, ebenfo mie mit ben auimärtigen
-Dtäctjten, ben «Königen Pon f^ranfreicrj, Gmglanb, £>änemarf. Slber bie 3^s
flüftung unb bie auieinanbergetjenben ijfntereffen ber einzelnen 9Md)te ermiefen
fic| als ju ftarf; nad) ben eifrigften Sßerrjanblungen falj fid) *ß. im grürjling
1540 eben fomeit mie im £erbft 1539, ober Pietmetjr, ei tjatte fid) injmifdjen
gezeigt, bati eine 23erbinbung aller biefer tjeterogenen Elemente miber ben $aifer
unmöglid) fei. guretjt unb 2Kititrauen, ßleinmuttj, Selbftfudjt t)errfd)ten im
proteftantifetjen mie im fairjotifcrjen 2ager; bie 33ifd)öfe tarnen bon ib^ren 9leform=
unb Ummanblungübeen ^mücf, SBaiern ermiei fid) boppel^üngiger unb b,inter=
faltiger ali je; eine Senbung nad) (Snglanb mifiglücfte poEftänbig; bie 33ei=
legung ber Errungen unter ben perfd)iebenen Stänben jeigte fid) auifid)tiloi.
Saju fam, bat3 etne unmittelbare ©efarjr nid)t Poväuliegen fdjien. S)er Äatfer
lieti m eDen ie^t oa e* $ü) oem 3^eid)e nätjerte, ungemein frieblid) Pernerjmen
unb menigfteni bie beutfd)en Stänbe t)ätten ei bod) immerhin, fo Diel Urfadje
fie aud) tjatten, ber Spradje bei ^aiferi ^u mifitrauen, am liebften gefetjen,
menn fie im ^rieben mit kaxl tjätten ausfommen fönnen. S5or allen ßanb=
giaf Sp. felbft. ^n iljm lebte ber 9leid)igebanfe, ber Sinn für bie 2lufred)t=
erljaltung Pon Äaifer unb 9leid) ; er tjat fteti bie ^ugetjörigEeit jum 9teid)c ali
eine perfönlidje 3}erpfltd)tung gegen ben töaifer gefüllt. UnD nadjbem er jeiner
$fliä)t gegen Ulrtd) oon äßürtemberg genügt, mar ei bai ^oeat feinei Strebeni,
im S)ienfte bei Äaiferi bie 9ieid)ifeinbe, momöglid) bie türfifd)en SBebränger
bei d)rifttid)en ©laubeni ju befämpfen. Sd)on 1535 ging er felbft nad) 2öien,
um feine SHenfte anzubieten. Jpier traute man juerft ber anfdjeinenb fo plö^=
lidjen unb unPermittelten Sdjmenfung be^ Sanbgrafen nid)t; man beforgte eine
Sift. 31li man fid) freilief) Pon feiner 3luirid)tigfeit überzeugt tjatte, metteiferten
776 '-MilipP I., ^aiibg. b. Reffen.
bie ^ab§burgifd£)cn ^Diplomaten förmlid) if)n feftjutjalten unb ju befinden.
Safjrelang fjielt man ben Slrglofen mit ben todfenbften SluSficrjten r)in, um ifm
fcfjtiefjlid) ju berberben. $>ie 3fteife nad) 2öien mar bet erfte (Schritt ^ljitipp'3
auf ber fdjiefen 23atjn, bie ifm inä Verberbeu brachte, 3m 3iat)re 1539 freilid),
unter dinroirfung ber gefdjilberten ©adjlage, fdjien ber ßanbgraf bie ©triefe
aerriffen ^u Ijaben, bie irm feffeln fottten. Sr ftanb at§ güf)rer unb Vermittler
im Zentrum aller antit)ab8buvgifct)en Seftrebungcn. 2iber baS 9}hfelingen aüer
feiner Sttnftatten, bie 9lbrocifungen bie er babei fogar bon ben beften greunben
erfuhr, führten itjn umfometjr in bie alte SSafjn jjurüd. ©d)on im Anfang
5Rärj 1540 fetjen mir einen bertrauten 9tatt) *pf)itipp'3 mit bem faiferlidjen
9Jlinifter in $ötn conferiren. Unb in bemfelben s^lugenb(id ttjat 5ß. nod) einen
anberen folgenreichen (Stritt. 6r betrog (4. 5Rärj 1540) feine bietberufene
9lebenerje mit bem fadjfifctjen Apoffräulein 9Jtargarett)a bon ber ©aal. 5)3.
tjatte fdjon feit langem nidjt metjr bermodjt, feiner ©ematjlin Grjriftine bon
©adjfen, bie bem adjt^erjnjätjrigeu angetraut roorben, bie erjelidje Stcue ju bemalten ;
er t)at aroar bon itjr fieben J^inber erhielt, aber fie genügte feinen ©innen nidjt.
SlnbererfeitS fdjäbigten irjn feine 91u§fd)roeifungen an Körper unb ©eift ; förper»
lictjer $ranff)eit gefeilten fid£) bittere ©eetenquaten Ijin^u : er fürcfjtete baS
Apimmelreid) ju berliereu; freiwillig fdyiofe ex fidj bom ©cnufj bcS 9lbenbmar)lS
aus, fdjon feit 1525, fo fdjroer eS ifjn anfam. S)a er an ©djeibung bon
Gljriftiueu nidjt benfen tnodjte, fo mürbe feine ßage uadjgerabe unerträgtid),
bis er, ber eifrige Vibellcfer, auf ben ©ebanfen berfiet, eine ^toette grau fjcim*
jufüljren, mie bic ^atriardjen beS alten üteftamentS. Unb er fanb aud) im
neuen £cftament fein Verbot ber Sßigamie. ty. roanbte fiel) an bie SBittenberger
jltjeologen, um ü)re ^Billigung feines planes ju erlangen. Dtatürlid) erfdjrafen
fie tjeftig unb roiberrietben ben ©d)ritt; ba fie aber ty., ber fogar anbeutete,
bafj er anbevnfaltS fid) an ben Ataifer menben merbe, entfdjloffen faljeu, gaben
fie nad); ebenfo ber Äurfürfl bon ©adjfen. ftur beftanben alle auf größter
©erjeimljattung. ?lber, nadjbem ber ßanbgraf bie 6b,e eingegangen mar, tonnte
bodj baS ©etjeimnifj nidjt burdjauS gemafjrt bleiben; meuigftenS ($erüd)te babou
famen inS publicum, ty. felbft, in feinem ©eroiffen über bie föcdjtmäfjigtcit
feiueä ©djritteö beruhigt, tooüte fid) faum jur Slbleugnung berfteljen. 9Jber
roenu baS ©erjeimni^ an ben 2ag fam, bebrofjten ben dürften nid)t bie ©trafen,
bie bie bciulidje ^)alSgerid)t§orbnuug ÄarlS auf Vigamie gefetjt1? ©S mar flar,
bor ber Söelt tonnte i^n nur ber Ataifer bor ben 5°^9en feineö StljunS frühen.
Dtmeejin gerietl) ber ßaubgraf mit ben ©einen, feiner ©djrocfter ber Apcrjogin
bon föodjliij, mit bem .^urfürften bon ©adjfen in bie ärgcrlid)ften ^^nfereien ;
ba lag eS benn um fo nätjer, bafe 5|}l)itibb feinen Apalt an bem A^aifer
fud)te, beffen ^Jlinifter irjm fo freunblid) entgegenfamen. ©o trug ber (S^eljanbel
be§ ßanbgrafen nidjt menig baju bei, biefen einer Verftänbigung mit bem
$aifer, ber fortfuhr, feine frieblidjen auf SluSgteid) ber ÜMigion gerichteten ?lb=
fid)ten ju betonen, geneigt JU madjen. ?luf bem 9leid)Stage ju 9tcgenSburg
1541, mo ber Äaifer, nadjbem bie üteligionSgefbrädje gu Apagenau unb SöormS
(1540) unb in 9tegenSburg felbft, mo ber Sanbgraf bie Sßertjanbtungen mit bem
größten @ifer betrieb, trok anfängtidjer 3lnnät)erung jrotfdjen ben ^arteten
refultatloS bertaufen maren, ben ^roteftanten eine „S)eclaration" gemätjrte, mo=
burd) bicfelben im 93efi^ ber eingebogenen Alirdjengüter fid)ergeftettt unb ber
fünftige 3uh'itt ^u tt)rei Religion freigegeben mürbe, fdjtofs % feinen ©onber*
bertrag mit bem Äaifer unb berfbrad), baS 3ufammengef)en ber ©djmatfatbener
mit ??ranfreid) unb ßnglanb ju hintertreiben, mofür ifjn ber A^aifer in feine
gveunbfdjaft unb feinen befonberen ©djub aufnat)m. S)amit mar aber ty.,
bie eigentlid) treibenbe Äraft im ©djmalfalbifdjen Sunbe, lahmgelegt unb
^fjütpp L, Sanbg. ö. ©effen. 777
biefer aufjer ©tanb gefegt, bie SBerlegenrjeiten, in toelc^e bei- Äaifer in ben
folgenben Salven burd) Dtieberlagen in Ungarn unb Sllgerien unb burcr) ben
SÖieberausbrucr) beä Krieges mit $ranfreicfj geriete), im ©inne bauernber <Sicf)e=
rung ber ^pofition beä $roteftantiömu§ im Steidje üoH au§3unu£en. 6inen
(hfolg freilief) gemährte bie ©unft ber Sage. 6§ gelang ben ©ctjmalfalbenern,
itjren grimmigften ©egner in i)corbbeutfd)Ianb, ^erjog ^etnridt) bon Söotfenbüttct,
unb bamit ben einzigen beutfcfjen dürften, ber bem tfaifer unbebingt ergeben
mar, ju beseitigen. 2)er Srud) mar über bie ©tobte ©oslar unb 23raunjcr)meig,
Sftitgtieber be§ ©djmatfalbifcfjen 23unbe§, erfolgt, meiere ^einrid) unabläffig be*
brängte unb feiner ,!por)eit ju untermerien trachtete. ©d)liejjticr) mar bom
Äammergericijt, meldjeä alter an bie ^roteftanten ergangenen 3ufid)erungen un=
geartet fortfutjr, miber proteftantifdje ©tänbe einjufcfjreiten, über ©oelar bie
2td)t auggefprocfjen unb ber ^erjog mit ber ©jeeution beauftragt morben.
freilief) mürbe bann au? Setreiben be§ ßaiferS bie 2ldjt fuSpenbirt, aber -gmnricf)
achtete beffen nid)t. ©d)on entfpann ftdj ein letbenfcfjafttidtjer geberfrieg 3ttnfd)en
ben Häuptern be§ ©crjmaifalbifcfjen S3unbe§ unb bem SBelfen, bem ehemaligen
Vertrauten f$reunbe be% Sanbgrafen. Vergebens legte bann in 9ftegen§burg ber
Äaifer beiben SLtjeilcn ©cfjmeigen auf. £)einricr) futjr fort bie Stäbte ju be=
brängen, bie Scfnnaliatbener aber fcrjritten jur £t)at. 3?m 3uli 1542 über*
fanbten fie bem ^er^og itjren fterjbebrief, bem fie mit ftarfer 5Rad)t auf bem
gufje folgten, $n furjem mar ba§ ganje «öerjogttjum in itjren .Ipänben; felbft
SBolfenbüttel ergab ficr) nad) fur^er Sefcrjiefcung. (Sine gemeinsame furjäd)fijcr)=
rjeffiferje Regierung mürbe eingelegt unb Sugentjagen berufen, um ba§ Sanb jur
^Reformation überzuführen. Vergeben« fudjte ber ^»erjog, roeldjer ftietjenb ba3
Sanb feiner SBäter bertaffen t)atte, bei ben fattjotifdjen 9}läd)ten «£>itfe; ber
ßaifer, ber nod) immer nic£)t ben Slugenblicf gefommen far), um bie 93ta§fe ab*
jumerfen , regte feine -£>anb für i^n. Snblid) im i^arjre 1545 bertangte ber
^tonard), bajj irjm bag Sanb in ©equefter gegeben merbe. 2lber bamit mar
•^einrieb) am menigften aufrieben; er modjte an Sßürtemberg benfen; fo rüftete
er auf eigene |)anb unb fiel mit einigen taufenb Änecrjten im ^erbft 1545 in
fein <£)eräogtf)um ein, melcrjeä er im erften Slugenblid otjne Söiberftanb einnahm ;
nur äßolfenbüttel behauptete fiel). Slber fdjon eilte ber Sanbgraf Ijerbei; fäc^=
fifetje Gruppen Dereinigten ficrj mit it)m unb am 21. October fam e§ narje 9iort=
rjeim jum Steffen. ^>einricrj§ ©ölbner rjielten nicr)t©tanb; er fafj ficr) öerlaffen
unb bon ben ieinblictjen ©cljaaren umzingelt unb ergab ficr) mit feinem ©orjne
Äar'l 33ictor bem Sanbgrafen, ber irju in ber rjeffi)d)en $e|"tung 3ie9en^a^
interniren lie^.
Snjmifctjen aber bereitete ber Äaijer ben entjcfjeibenben Schlag ferjon
bor, ben ^u führen ib,n bor allem bie 2)ertrauen5feligfeit ber ©d§mal=
falbener in ben ©taub gejetjt rjatte. Sanbgraf 5)3. felbft rjatte bie Slujnarjme
beS «!per3og§ bon ^ülicr) unb ©etbem in ben ©cr)malfalbifcr)en Sunb fjintertrieben;
bie ^olge mar, baf} ber Äaijer im ^erbfte 1543 über ben allfeitig bertaffenen
dürften rjerfaüen tonnte. SBilljetm mu|te ©eibern abtreten unb ^um Äatr)otici§mu8
jurüdfefjren. S)a§ mar ber erfte grofje Striumpr), ber nietjt nur bie Sage be§
ßaifer§ mejenttief) befferte, fonbern biefem aueb) bie Ueberjeugung gab, ba^ er
eS nicr)t minber mit ben ©cfjmaltalbenern merbe aufnehmen fönnen. 3lber bor=
erft beburfte Äarl ber ^)ilje ber ^roteftanten uoer) miber 5ranfre^; f° brachte
ein ©peierer 9ieicr)§tag jenen neue 3uÖefiän^niffe : ^^e ©eroäfjrleiftung ib)reg
firerjüetjen 33efi^ftanbe§ unb bie 3uu3)ei:unÖ' ^aB ^ie Beilegung be§ retigiöfen
gmiefpalti auf einem freien (Soncil ober einem 9teicrj§tage erfolgen fotle (3uni
1544). ©egen 5]5. bon Reffen, bem ber ^aifer ben Dberbeferjl für einen bem=
näcfjftigen SLürfentrieg in 2luSficb)t ftettte, ermie§ fiel) Äarl in bem Sftafje jubor=
778 WlipP '•» ^anbg. t>. Reffen.
fommenb, bafj jener fid) fdjon atä Vermittler aroifdjen <<pab§burg unb ftranfreidj
träumte: er rjtett bamalä für möglich, bafj ber Äaifer 9Jlailanb an granfreidj
abtrete unb fid) bafür an ben päpftlidjen Sefitjungen fdjabloä Ijalte. 2lber ber
unerwartet fdjnelle grieben§fd)lufj mit ^antreief) (ju (Srcäprj September 1544),
in meld)em biefe§ u. a. feine $Rttmirfung jur SBieberöereinigung ber Grjriftenfjeit
öerfpradj, änberte bie ganje ©adjlage. 68 folgte bie Berufung ein 3 GoncilS
bind) ißapft ißaul III. nad) ber ©tabt Orient unb ein ^friebensfdjlufe be§ Äaiferä
mit ben Surfen, fortan ftanb eä für ßanbgraf iß. feft, bafj über furj ober
lang gefd)lagen »erben muffe. Unb mieberum finben mir it)u in biefen $at)ren
nad) allen ©eiten raftloS tt)ätig bei ganj ober rjalb gewonnenen ©laubenägenoffen
mie bei fatfjolifdjen ©tänben, unb emfig bemütjt ber nab/nben ©efatjr einen ge»
nügenb ftavfen Damm entgegensetzen. Sin öon bem ßanbgrafen im <£erbfte
1545 projeetirter allgemeiner beutfd)er ^ürftentag fam freitid) nid)t ju©tanbc;
bod) eröffneten fid) bem ©djmalfalbifdjen $3unbe unb bem ißtoteftantiämuä eben
bamalä nod) grofec Sluäfidjten. ^ermann öon $öln trat offen auf bie «Seite
ber Weugläubigen unb bemütjte fid), fein ©tift eöangelifd) ju madjen, unb ber
nidjt ot)ne sDcitmirfung ißljilipp'S erhobene neue ©rjbifdjof öon s)3tainj, Sebaftian
öon ^eufenftam, fd)ien ^ermannä iBeifpiel folgen ju motten. Der jfuriürft*
ißfaljgraf griebrid) II. öertjanbelte über feinen Zutritt jutn ©djmalfalbifdjen
23unb. allein in(^mifd)en traf aud) ber $aifer feine Üftafmatymen ; fein 23unb
mit ber Surie feftigte fid), aumal ba bie ißroteftanten baß £ribcntiner ßoncit nidjt
als baä itjnen öertjeifcene freie allgemeine ßoncil anerfennen rooHten ; granfreid)«"
mar ber .tfaifer umfomeljr fid) er, als e§ bamals mit (Jngtanb nod) im Kriege
lag; SSaicrn rourbe burd) bie 2luöfid)t auf bie pfäljifdje $ur gemonnen; felbft pro»
teftantifdje Elemente fdjloffen fid) bem Äaifer an. @ä fehlte auf proteftantifdjer
©eite an feftem ^ufammenb.alt ; üor allem gefäfyrlid) mar bie Spannung, roelcrje
über territoriale unb jurißbictionelle fragen aroifcfjen bem Äurfürften öon ©ad)fen
unb bem jungen tjodjftrebenben Sllbertiner «^er^og Iftoritj beftanb. Der l'anbgraf,
beffen ©dtjroiegerfotjn ÜJtoritj mar, erroies fid) jmar unermüblid) in 58ermittlung«=
öerfudjen, aber ber tfurfürft mar ebenfo eigenfinnig mie 9Jcorifc eljrgeijig unb
auf bie J?urlinie eiferfüd)tig. Um fo beffer gelang eö ber überlegenen faifer»
lid)en Diplomatie, 9Jtorifc <}u umftriden. 2luf bem Wegenöburger 9teid)Stagc im
5rül)fommer 1546, ber auf baß ergebnijjlofe ©peierer Oteligionßgefpräd) im Utärj
gefolgt mar, fam ein fefteß Sünbnifj jmifdjen $arl unb sUtori^ ,ju ©tanbe, bem
für tf)ätlid)e ^)ilfe im Kriege bie fäd)fifd)e $ur in 9lußfid)t gefteüt mürbe. Der
faifer aber befcfjlofj jetjt unöerjüglid) loäjufdjlagen. (Sr madjte lein ^>el)l metyr
au§ feinen 3lbfid)teu unb nod) auf bem 9teid)2>tage erfolgte — otjne öotgängigeä
9led)t8öerfat)ren — bie faiferlidje 5ld)t8erflärung gegen ^o^ann ^ttcbrtd^ unb
$. als pflid)t= unb eibbrüdjige Ütebeüen unb aufrüt)rerifd)e Verleger faiferlidjer
«ülajeftät (20. 3uli 1546). 9lber ber Äaifer fa^ fid) nid)t, mie er gehofft
fjatte, ^mei öertaffenen dürften, fonberu bem größeren Jfjeile beg auf bem ^öoben
bei 6öangelium§ geeinten Deutfd)tanbä gegenüber. Die ©djmalfalbener, bie
fid) in letzter 3eit aüerbingS troh ber unabläfftgen Warnungen s43^itipp'ö fe^r
lau gezeigt, erflärten jetjt ben $rieg aU 9leligion8fad)e unb bamit für SunbeS»
pflid)t. Unb $arl, beffen Söerbungen nod) nidjt abgefdjloffen unb beffen «^>ilf3»
öötfer nod) fern maren, lag mit ein paar taufenb $t;ed)teu bei 9tegen«sburg, al§
bie ©d)malfalbener bereits 50 000 9ftann in äöaffen Ratten. <5d)on 6nbe 3fuli
erfd)ienen ^o^ann griebrid) unb iß. mit öereintcr iDladjt am üftain; ba§ |>eer
ber oberlänbifdjen Stänbe aber operirte im äufjerften ©üben mit ©lud, bemüht
bie ißäffe ^u fperren, burd) meld)e bie faiferlid)en unb päpftlid)en ,£)ilfätruppen
au§ Italien r)eranjiel)en füllten. 2lber bie fur^fidjtige ßriegsleitung rief fie
jurüd, aus Sßeforgnife, SBaicrn, an beffen Neutralität man nod) glaubte, al§ e§
$f)itipp L, Sanbg. ö. fceffen. 779
tängft feinen <öettrag mit betn *aiftt gemalt Ijatte, 8u Perteben. ®o coft-
Ä fid, bie oberlanbifdje Äriea8ma*t bei Sonaumörtb, unb £r fliefeen
S n it)r - abermals ein fernerer ftrategifjer getfer; toarei, ijte b«e t
Säen toaenöbuta otogen unb Ratten bort ben Dbetlanbern bie £anbe ge=
S, ÄbeVV ftailer fic* unmöglid, ^^n,^^^^5"^^^. an
aemann Äail Reit, bie italifcben unb bie niebertänbilcrHpanifcrjen $ili8?o Her an
ITT An .Mit biefen aber mar et ben ©egnern gemäßen, mo mdjt über«
legen Knifcto* manöorierten beibe fceete ein paar Monate lang toibet
Sauber, Sie l$malfalbener boten aoql Die @4(ad,t, aber einer, emiten 8ln-
flxTuntetna^men jte nict)t. einmal, am SO. Slugult, mar ei nabe batan; b
iLaltatbener Ratten in günftiget «ßofition eine ^eittge Äanonabe toibet be
Jean« eröffnet ; bex ßanbgtaf brang auf einen 5lngnrj mit gefamm ter iflRaft,
aber bie^ebäc^ igteit besJurfürften unb ber Ahiegirätbe, an beten gjtitnurrnna.
»i bei ,4btuna be8 Cberbeieb,!* gebunben mar, tiefe ei nu*t bajn fommen.
io tarn ber lpätf,erbft beran; bie Iruppen litten unter ber Ungunst ber
SBitt rung me^r jreilii bie fremben MMte im fatferfid&en Säger att bie
beut Wv Wannen ber Scfjmalfalbener. Srobbem betmoftte ber Äaifei ; f e n
SriSl! länger beijammen ju erhalten all biefe, juma ba bie ob «lanbif*en
©tobte in unfertiger ©parfamfeit mit Darbietung ber eriorberlic^en ©elbmittet
Ta g n. Va/u tarn bie ttafrW. bab £er3og M*. bem m»»iften pom
Malier bie fad,» £ur in aßet 5orm snflefidjert tootben mar in bie Änttnnbe
einaefatten ei unb biefelben großenteils eingenommen $abe. ©o lofi n* ***
3Sr fieet auf; nidjt einmal tonnte man, mie amangs geplant eine
g Äi« »taget galten. KU« ging an» einanber J)« «aikt
faTni iefet in ber Sage, bie oberlanbifcfcen ©tobte unb ben £et^ j non Söü t em-
berVehieln «w Untermerfung }tt bringen; bann m et im j$tubtmg lo4,
na« Äi 6g gen SoDann Iriebrid), bem es gelungen mar, <üconb surua^
treibe , & batte be Äntfttrft es abermals nid)t Per,tanben, leinen Sortbe l
u oeSf'otgTn; faf mebrlos mürbe er Pom Äaifet bei «tberg an er ßlbe er=
beaauÄe berbanblnnaen mit bem Äaifer, ernftlitfct mürben bleiben, un
SSLfl bis neuen Äurfürften 3Roti| unb 3oae*tm. »on SJran enburg fei
bStopfie bon Wühlberg betrieben; aber ber Sanbgrat tonnte neb lange
n4t Ä ieB n bie SBebinanngen bei Eifers me leb, er bie 3Iu5lielerung attei
5? bie ©«Ieimnft aller geftungen bis aul eme, ba*u eine @t taT-
!nmm?oon 150 000 (Llben unb eine förmlidje Untermertung au* ®nabe unb
Ungnabe Perlangte, an3uneb;men. Wo abet b« »exmjttelnben ^ ^ ^e
biefe lebte »ebingung ben Sanbgtaren bat,m berühren. baB ; et an te b uno
®nt nilt befttaft au% nitbt mit ©efängmB belegt »erben fotte na^m er, um
fernem «anb bie 6*recfen eine§ Serjmeiflungetampreö ju erfparen, ba« bon
ben SnrlüS n m «amen be§ Äaifers aulgefteüte ©eleit an, am na^ . ^
«nb M poi bem Äaifet am bie Ante, mat)renb bet neben ib,m fmeenbe Äan8ler
ffiünbe robe bie Iwü oerlao, aur bie bann bet faiferlidje Äanäler mit einer
ISA n9 antmo'tete monac^' bie Ergebung be* fanbgra^ angenommen unb
*X£?Ato M bem er als Saft oetmeitte, bafe et ba* ^ m«t
780 Sß&HiPP l-> Öanbg. t>. Reffen.
Pertaffen bütfc. *ß. mar gefangen, üfeerXiftet bom Äaifer. Söot fjat btefer nie
förmlidj bie 3ufage gegeben, ben ßanbgrafen ntdt»t einige $eit gefangen ju Ratten;
ganj im .©egentfeil Ijatte er anfangs ben bermittelnben gürten es als feine
9lbfid)t erflärt, 5J3. baffelbe ©djitffal wie bem entfetten Äuvfürften ju bereiten ;
aber in ben fpäteren 33ert)anblungen War babon nid)t nur nid)t nterjr bie 9lebe
gewefen, fonbern in ber fd)liejjlid) bereinbarten Kapitulation waren 2)inge ent=
Ratten, Wetdje bie atsbalbige ütüdfefjr bei ßanbgrafen jur SSorausfetjung ju
tjaben fd)ienen, fobafj bie bermittelnben Äurfürften uidjt anbers glaubten, als
bafe ber itaifer auf feine anfängliche ^orberung Perjictjtet rjabe; fie Ijatten batjer
bem ßanbgrafen aud) feine unberjüglidje <£>eimfer)r in ber beftimmteften SÖeife
gemäljrleiftet unb 3War eben, wie wenigftens ^. nidjt anbers annehmen fonnte,
im Warnen bes $aifers; biefer freilid) fannte it)ren Sfrrtljum, rjütete fid) aber
Wotjl, fie aus bemfetben ju befreien, ©inb batjer bie $urfürften bon Unbor*
fidjtigfeit nidjt freijufpredjen, fo nod) biet weniger ber Äaifer bon fdjnöber
«gnnterlift ; nur burd) betrug ift er bes Sanbgrafen -!perr geworben. Unb über
fünf 3at)re I;at ber Surft in ber ©efangenfdjaft eines unPerfötjnltdjen ©egners
fd)tnad)ten muffen, ber es barauf angelegt 3U tjaben fd)ien, burd) unWürbige
33et)anblung unb Kntbetjrungcn aller 2lrt fein Opfer förpertid) unb geiftig p
fdjwäctjen. @s War bergebene, bafe bie $urfürften, bie fid) betrogen unb an
it)rer ßtjre berieft fütjlteu, bem ßaifer bie briugeubften Söorftetlungen madjten ;
bafj bie ©attin bes ßanbgrafen ßtjriftine einen Sufcfafl por bem $aifer tt)at;
bafj $. aud) bon feinem ©efängnifj au« bafür forgte, bie 33ebingungen feiner
Kapitulation pünftlid) 3U erfüllen unb fid) nod) barübcr fjinaus ju ben gröBten
Opfern unb üDienften erbot; bafj er fogar bas Wugsburger Interim rüdtjaltstos
annafjm unb beffen ßinfüljrung in Reffen betrieb unb aubcfaljl: er blieb gefangen
unb mufjte fogar bem Äaifer in bie 9lieberlanbe folgen, wo er erft ju Dubenarbc,
bann ju sJfted)etn gefangen gehalten würbe, ber SBittfür übermütiger fpanifd)er
Officiere unb iljrer rofjen ^ftannfdjaiten preisgegeben. 3umal uadjbem ein
Sludjtplan bes (Befangenen entbedt worbcn war, l)atte er, in eine enge Per*
gitterte Kammer gefperrt, Unfäglid)es ju leiben, ßrft nad) unb nad) gewann
ber leibenfd)afttid)c Surft, p beffen ßeiben fid) nod) bas peinigenbe bittere ©e=
füt)l gefeilte, nur burd) 2rug unb ^interlift in eine fo unWürbige Vage gebradjt
3U fein, bie innere 9hit)e unb Ergebenheit in fein ©efd)id. ©eine Hoffnung unb
fein Vertrauen auf ©ott fetjenb, wollte er anfangs bon ben 9)lad)inationen feines
©oljnes unb bes ßurfürften 9Jtoritt, bem ^aifer feine ßrtebigung abjujwingen,
nid)t biet Wiffen ; bod) würbe er auf anberem Söege fd)Werlid) bie f5reif>eit wieber
erlangt tjaben, ba bielmetjr ber .tfaifer bereits bie 3lbfid)t t)atte, it)n nact) ©panien
führen ju laffen, Pon wo er Wol fd)WcrIid) je wieber jum 53orfd)ein gefommen
fein Würbe. 2lber bie Empörung bes Äurfürften 5Rorife unb bes jungen Sanb*
grafen äöilt)elm unb itjrer S^erbünbeten im 3f. 1552 wenbete aud) 5pi)ilipp'i
©efd)id; in bem 2lugcnblirf, als Aiarl ben ^paffauer Vertrag befinitib annahm,
gab er aud) Söefetjl, ben (Befangenen ju ertebigen. ©ofort !e^rtc ber ßanb=
graf in fein ßanb ^eim; am 12. ©eptember traf er in Gaffel ein.
^Randjertei Aufgaben l)arrten feiner, foWor)l in feinem ßanbe wie aud) im
9ieid)e, wo bie 3uftänbe aud) burd) ben ^affauer Vertrag, ber bem Wiber*
ftrebenben .fiaifer müfjfam abgerungen war, unb ber überhaupt nur ein 5proPifo=
rium fd)uf, nod) burd)aus nict)t gefeftigt waren, ©etbft ber 9lugsburger 9tetigions=
friebe 1555 fieberte bie ©tellung ber @Pangetifd)en im 9tcid)e feineswegs; War man
bod) in jwei ber Wid)tigften Materien nid)t einmal ju einer äu^erlidjen S3er=
ftänbigung gefommen. Unb aud) bie folgenben S^re bradjten feine 33eruf)igung;
bas alte sJ)lif$trauen JWifdjen ben ßonfeffionen blieb beftetjen; bie ferneren 9}ex=
judje einer Beilegung bes ©d)ismas auf bem Kolloquium 3u SBorms 1557 unb
Wttpp *•• 2anbs- ö- €>eiien- 781
unb Umgebung be* 9Wigionsirieben§. 2Öät)renb aber unleugbar bte ^oh!en
ber ?tÄtWn ¥«t« an Wa*tmittelu nidjt fle»a* 1« w «*. * "
k-oteltan en unter inneren Spaltungen, toelcfje je ta* f™** *»* ™ad)
mmmmwm
Sunaen pma bic ^etan^onil^c «tung in Sittenberg unb bie ober.
rnncnbften «ertretet biejer Ginungetenbensen nef) fieberten 3m ipecuuen od er
i &♦. 5? t iulhi ber fteligionsfriege in granfretcf) ben Apugenotten,
Ä iit 1«Ä^
Sp 1 ntYrfiütmna be§ üroteftanti^en £eut c£)lanb§ äujutoenben. Unb er r^t
b nn audfn d) unenblicU *nfttengungen bürdete* bog ^ttSubte
e§ Denn amn n ^ j ; Seutjcfrjlanb juram; $. jelblt aber beurlaubte
SÄ ÄÄÄÄ^Iää
legen ober auef; nur ir)« ©ertiflfeit u m Ibevn no* au«g p
9e!et3t toorben, ben e§ Tretlufc nur biB 1552W Raupte c. \a^a!1au
tUbtungen W*i ^ann aber UM£«J ^"SÄfAen ©ttabe eine namhafte
mit 600 000 ©ulben (5u bereu ^^bun9unS ^e V bie fa^ene(nbogifct,e
Zranfjieuer betoüliflte^
griftait nunmehr geniert. SM bie ^9 n ta^ f™ '^Z 5u beseitigen; |o
i=i47 bem Sanbarajen in leinem Sanbe gebraut, roar er oemugi J" ©Ann
IU « £ SSWW- 5*Vr «r »n »SS . Ä" "Ä
1559 bei ber erneuten SBeletjnung $&tltpp 3 burcq tfewmaiiü » ■ . .
üleftitution aller rei^^ürfttid^en ®ere«t|ame erlangte er au« bie alte .eim*
782 ^5t)ttipp I., Sanbg. r>. Reffen.
tjerrlictjfeit über bie ©rafen bon föittberg, ©d)aumburg=ßippe, .gwrja unb 3Mep»
I0I3 jurürf; er mar bann aud) mit (hfolg bemüht, im übrigen bie ßer)n* unb
©djutwerrjältniffe (3. 93. mit ©olmS, ,£>enneberg, Sßalbed, ©tift (Sorbet)), Weldje
ber sIHadjtfprud) beS ÄaiferS unb ber Ärieg aufgelöft ober errüttet tjatten,
wieber anknüpfen; ebenjo behauptete ber ßanbgraf bie fäculartfirten Älöfter
beS ßanbeS unb erlangte bie fteubeletmung bon 5Rainj (@rjbifd)of 5)aniel
Sßrenbet bon Jpomburg aus Reffen), gulba unb £)erSfelb ; mit 2lbt *D3iici>aet bon
£erSfelb, ber fid) einen ebangelifcfjen .gwfprebiger rjielt, ftanb $. im engften
dinüernerjmen. 9tur ben Söiberftanb beS 3)eutfd)orbenS bermod)te ty. nidjt böHig
ju brechen, bod) tonnte biefer SBiberftanb bie 23efeftigung ber $ird)enreform im
ßanbe um fo weniger tnnbern, als 5)3. $eit feines ßebenS ber Don iljm gegrün=
beten t)effifd)en ebangelifcfjen J?ird)e fein befonbereS Slugenmerf juwanbte, toie
er benn nod) in feinem legten ßebenSfaljre — inSbefonbere roorjl aud) um ben
inneren |>aber bon itjr fernhalten — eine feljr auSfüljrlidje $irdjenorbnung
beröffentlidjte, bie lefcte in ber föeilje ber bon % rjerrüfjrenben ßanbeSorbnungen,
Wetdje alle ©eiten beS öffentlichen unb bürgerlichen ßebenS betreffen unb ben
23eweiS liefern, bafj ty. bie Slngelegenfyeiten feinet ßanbeS unb feiner llnter=
tljanen über feinen allgemeineren fielen nid)t berabfäumte. 9ludj bezeugt er
felbft in feinen üteftament, bafj unter itpn fid) bie ,<pülfSquelten beS ßanbeS ber»
mefyrt unb beffen (£rträgniffe getjoben Ijätten. ©0 mod)te ber ßanbgraf am 3lbenb
feineä ßebenS mit ^ufriebentjeit auf fein üBirfen unb feine (Srfolge aurücfblitfen.
33cr allem mar fein unabläffigeS Semüljen, baS Wiebergebradjte ©otteSWort auS=
^ubreiten unb jur Slnerfennung flu bringen, obwol)l er felbft barüber jutn
9Jtärtr)rer geworben, nicfjt bergebenS gewefen: ber s$roteftantiSmuS blatte jWar
nidjt bie SlHeinrjerrfdjaft im Üieidje, aber bie faft böHige ©leidjftellung mit ber
alten ßefjre erlangt — ein (Srfolg, ,^u bem ber ßanbgraf, als ber begabtefte
unb tfjatfräftigfte Vertreter ber eigentlid) entfdjeibenben sDlad)t im 9teid)e, näm=
lid) beS territorialen ftürftenttjumS, faft metjr als irgenb eine anbere einzelne
^erfönlidjfeit beigetragen Ijat. ©ein Warne erfdjeint bafjer mit ber ©efd)id)te
ber Anfänge beS ^roteftantiSmuS aufs engfte unb unzertrennbar berbunbcn.
2lud) perföntidj aber ift £ß. eine tjerborragenbe, erfreulid)e Srfdjeinung : offen
unb juberläffig, marmtjerjig unb grojjmütt)tg ftettt er fid) bar; freilidj erfdjeint
er aud) — fjierin ein ed)teS ßinb feiner ,^eit — berb unb ftnnlidj angelegt;
aber burdjmeg jeigt er fid) bon großer ©efinnung unb auf baS Sßal)re unb
6bte gerichtet, mit einem ibealen Anflug in allem roaS er unternimmt, furdjt»
I08 unb burd) feine niebere 9türfftd)t ^urücfgetjalten in ber Vertretung beffen,
roaS er für 9ted)t erfannt t)at, babei aber bod) in feltener 2Beife bulbfam gegen
SlnberSbenfenbe, leutfelig unb ^ugänglid) — alles in allem eine ebenfo be-
beutenbe roie an^ieljenbe ^erf5ntid)feit. —
(Sine reiche sJiad)£ommenfd)aft ift ^p. (^u £t)eit geworben. 5ßon ßb.riftine
b,atte er fünf 2öd)ttr, bie er in bie Jpäufer ©ad)fen, ^fata, ^olftein u. a. bcr=
mäf)lte, unb bier ©ö^ne: SCßiltjetm, ßubmig, ^t)ilibp unb ©eorg, unter roeldje
er fein ßanb tljeilte, unb bon benen ber ältefte unb ber jüngfte bie ©tamm»
bäter ber ßinien |?effen= Raffet unb Jpeffen »'Sarmftabt geworben ftnb. — IJflit
SJtargaret^a bon ber ©aal erhielte er aufeer einer £od)ter fieben ©öb,ne, weld)e
ben Xitel ©rafen bon S)ie^ führten, inSgefammt aber oljne s)cad)fommenfd)aft
ftarben.
S)aS -gmuptmaterial jut ©efd)id)te «Philipps liegt im tjeffifdjen ©taatS»
unb ©ammtardl)ib ju Harburg, aus bem berf)ältnifemä^ig wenig beröffent*
lid)t ift ; am wid)tigften ßenj, Sriefwedjfel ßanbgraf ^ßt)ilipp beS ©roBmütl)igen
bon Reffen mit 33ucer I, 1880 (^ublicationen aus ben I. preufj. ©taatS«
ard)iben V). — 3luS ben «Materialien in Trüffel unb S)armftabt 2)uUer,
9tacf)trag: #ra&. 783
9teue ^Beiträge jur ©efd^td^te ^rjitippi be§ (Srofjm., ßanbgrafen Pon #effen
(Briefe ^r)itipp§ unb fetner ^eitgenoffen) 1842. — (Sin retdjtjaltigeS Material,
roiemotjt nact) feiner Dtictjtung Ijin erfdjöpfenb, Perarbeitet kommet in feiner
2Biograpf)ie $f)üipp§ (&effifd)e ©efcfjicfjte , Zty. III, 1 unb III, 2; aud)
©onberau§gabe in 2 ütfjeiten; baju at§ britter ein Urfunbenbuctj, ©iefjen
1830). — einzelne Slbfcfjnitte be§ ßebenä s4$f)iüpp3 betmnbeln auf urfunb«
lieber 33afi§ u. a. ßena, gtoinglt un0 ßanbgraf ^bitipp (in 33rieger§ 3eitfcr)r.
f. £ircf)engefd). III, 28 ff., 220 ff. , 429 ff.); — 2öitte, ^tjilipp ber ©rofe-
mütfjige Pon Reffen unb bte 9teftitution lUrict)§ Pon 2Bürtemberg 1526 -1535.
1882; — ^eibenrjain, S)ie UnionSpolitif ßanbgraf ^fpüppS be§ ©rofjm. Pon
Reffen unb bie Unterftütmng ber Hugenotten im erften 9teügionSfriege. 1886. —
©inen jettgenöffiferjen 23iograpr)en tjat 5ßl)iltpp an 2Biganb Sauje gejunben:
ßeben unb üttjaten . . . Philippi Magnanimi, ßanbgraffen bon Reffen (f. 21.
SD. 35. XVIII, 80, Slxt. ßauje). ftrtebenäburg.
$rafc*): $ob,ann $afpar $. , 3fefuitenmiffionar unb «JJcärtPrer in
jtongfin, geboren 3u ©oljtjeim bei 5£)üren im alten ^erjogtfjum ^ülidj am
14. September 1698. ©eine Gültern raaren fdjlidjte ßanMeute unb in itjren
SBerufäaxbeiten auf bie Unterftütmng itjrer Pier Äinber angenriefen. (Srft nad)
bem 2obe be§ 33ater§ im Filter Pon 15 3af)ien gelang e§ bem jüngften ©otjne,
$of)ann $afpar, feinem fetjnlidjften äöunfctje, ju ftubiren, nätjer p treten, inbem
er auf bem ^efuitengtjmnafium ju SDüffetborf unb in bem mit bemfelben Per-
bunbenen (Sonüicte Slufnaljme fanb. 9tact) Sßottenbung ber Ijumaniftifcrjen ©tu=
bien tjörte er bei ben granjisfanern in SDüffelborf ^tjitofopfjie unb übernahm
äugteidj eine Jpau§tetjrerfteEe. 3II§ ^ofmeifter einer abetigen Familie reifte er
mit berfetben 1721 nadj 9tom, bann nact) 9Jlabrib, ßiffabon unb *ßari§, unb
nact) längerem 5lufentt)atte in biefen ©tobten, tooburdj er ber italienifctjen,
fpanifetjen , portugiefifdjen unb fran<5öfifcfjen ©praetje Poüftänbig mächtig mürbe,
fet)rte er 1726 in bie «gjeimatb, äurücf. SDoct) bie einmal in Ü)m ertoactjte
9teife= unb SCÖanbertuft tiefj ifjn t)ier nict)t lange 9tut)e ftnben unb fetjon im
folgenben ©ommer, nactjbem er fictj ali Officier für bie oftinbifdje Kompagnie
tjatte anwerben laffen, fdjiffte er fict) in Slmfterbam nact) SataPia ein. SDie
xeltgiöfe llnbulbfamfeit ber £>oIIänber ben $atf)olifen gegenüber liefjen e§ it)n
aber balb bereuen, fict) auf fectj§ fefte $atjre bei ber Ijollänbifctjen Regierung
gebunben <m traben, jebodj gelang e§ itjm, nact) ©erlauf Pon biet 3at)ren einen
etjrenboHen 2lbfct)ieb ju ertjalten unb in 33ataPia mit einem befreunbeten fran*
jöfifetjen Kaufmann pfammen ein ©efetjäft anzufangen. 2lber auet) tjier mar
feineä 33teiben§ für itjn, ba3 tobbringenbe Ätima fctjien alle feine SebenSfräfte
aufje^ren ju motten, unb at§ im 5Rai 1730 ein portugiefifct)e§ ©crjiff, auf bem
fid) ein rt)einifcr)er ^efuit, ein SanbSmann, at§ 5Jliffionär an S3orb befanb, auf
ber ^a^rt nact) 9Jtafao ben ^afen berührte, benu|te er bie (Megentjeit unb
fd§iffte fict) ein. 5Docr) er mar nun be§ äöettteben§ fatt geworben, morauf ber
bertraute Umgang mit ^ßater 5pt)itipp ©ibin, feinem r^einiferjen ßanbSmanne,
auf toetetjen er auf bem ©crjiffe angemiefen mar, mob^t nietjt otjne @influ§ ge=
blieben ift, unb am 27. October 1730 trat er in 'UJcafao in ba§ ^opijiat ber
©efeüfctiaft 3efu. 2lm 28. October 1732 legte er bie erften (Selübbe ah unb
empfing am 28. Dctober 1733 bie Stonfur unb niebern SBeitjen unb nad§ SöoH=
K) 3u Sanb XVII, ©. 57.
784 Ärai<-
enbung feiner pf)i(ofop^ifd)en unb tfyeotogifdjen ©tubien am 24. 2)ecember 1734
bie ^riefterWeitje. ©eine Sßertrautfyett mit fo bieten ©pradjen tjätte eS wat)r-
fdjeintidj gemadjt, bafj er bem Drben«r)aufe ber ©tabt lUafao, in meld)er bamalS
wegen itjrer Sebeutung für ben europäifdjen unb inbifefj = d^tnefifd^en Raubet
£eute alter Nationen berfeljrten , ^ugejeüt geblieben märe, aber ber (Sinn beä
jungen DrbenSmanneS ftanb auf -VpöfjereS. 6r erbat unb ert)iett bie ßrlaubnifj,
fid) ber gefärjrlidjen , baS s]Jtartt)iium berfpred)enbeu s.Dciffion in ütongfin ju
mibmen. %m 13. iHai 1735 f ci)iff te er fiefj mit Pier portugiefifd)en s4>atrc8
unb einem eingeborenen Öaienbruber nadj Jongfin ein. Tod) nod) elje fie bie
Äüfte betreten tjatten, mürben fie Pon ber ^oflwadje entbeeft unb baS ©d)iff in
$3efd)lag genommen, ©lürflid)erWeife getang eS ben gefangenen Stefuitenmiffio»
niiren bieSmal mit bem Cebeu babon 311 fommen. ©ie mürben ,}U 2ar.be mit
ifyren Begleitern Don ^orf <ju ffiotf , öon ©tabt 311 ©tabt unter militärifdjet
(Slcorte jur portugieftfd)cu Eolontatgren^e geiüljrt unb bort entlaffen. ©ie famen
am 24. üecember 17^5 imd) fiebenmonatlidjen ©trapajen unb Reiben wieber
in sIftafao an. 9lber bie feeleueifrigcn ^riefter ianbeu feine 9tulje, bis fie bon
neuem fid) beut iijnen gefttjteu oirle mibmen tonnten, unb nadjbem fiel) ihnen nod)
ein fechfter i^efuitenpater jugefettt hatte, machten fie fid) am LO. 'OJlärj 1736
t>on neuem auf ben 2öeg nad) longfin unb uoar bieemal auf bem i3anbmege,
bcinfelben, auf welchem fie bot nicht brei konnten ,}Wang*meiie uirütfgefüljrt
morbcu Daten. 9lniang3 ging bie Weife, menn aud) unter ftetrr (Befahl erfanut
unb gefangen 311 metben, glürflid) öon (Statten, unb mit großer $reube mürben
bie Wiffionare Pon ben heimifdjen I5hriften empfangen unb begrübt, ^roei vmn
ben "JJatreS blieben mit bem l'aunbruber in 2o fyu bei ben bortigen (il)riften
jurüd, bie übrigen Pier OJliffionare , moruuter s}Jater $., festen bie ÜKeife fort,
gerieten aber bereits am 12. ^Ipiit 1786 in einen Ointeibalt unb mürben ge-
fangen. sJ3tit bem $ang unb ferneren Letten belaben, mürben fie unter junger
unb ©utß unb 2)rangfalen aller Sltt nad) muffeligem Warfdje ,mr fltefibenj
gefd)teppt, mo fie am 28. Stprit anlangten. 3)ort mürben fie mel)rfad)en ftrengen
33erf)ören unterworfen unb bereits am 8. 2Jtai jum 2obe burd) bas ©djmert Per-
urtbcilt. "iibcx erft nad) neunmonatlidjer harter ©efaugenfdjaft unb großen ßeiben
würbe ba§ Urtfjeil am 12. Januar 17o7 Ponogen. Sie einheimifdjen (Stjriften,
welche ungefannt ber Einrichtung ber $atrefi beigewohnt t)atten, brachten ihre
fterblidjen Ueberrefte in Sicherheit unb ifjrc blutgetränften Kleiber nad) s]Jtafao, wo,
als am 2 1. 'Jluguft 1737 bie Wadjricht Don ihrem sDtartertobe eintraf, bieS mit
feierlichem ©lodengeläute beajüfjt würbe. 2)ie tarnen ber brei JobeSgefäfyrten
beä s^ater $. Waren s}3ater ^Bartholomäus SUbateg, ber Obere ber s3)tiffionare,
^ater (Immanuel be ^Ibreu unb 93incentiuS be Guntja, fämmtlidt) s^ortugicfen.
®er SSeatificationcproce^ ber ^Jlärturer mürbe gteid) nad] itjrem 2obe begonnen,
aber burd) bie ?luff)ebung beS ^efuitenorbenS zeitweilig unterbrodtjen. 2fu 2)üren
unb Umgegenb ift ba8 9lnbenfen beä ^[Rärtt)rerS lebenbig geblieben unb auf bem
^farrtjaufe feineS <\peimatf)Sborfe3 ftet)t man nod) bleute fein in Gel gemaltes
SBitbnifj, weldjeä bie ©rinncrung an if»n nid)t erlöfdb^en lä§t.
5Bergl. Francisci Ortmann, S. J. presbyteri, Liber de vita et pretiosa
morte V. P. Jo. Caspari Cratz ex agri Jaliacensis oppido Goltzheim. Ger-
mani, ac sociorum ejus fklei christianae odio in Eegno Tnnkini
obtruncatorum die XII. Jannarii anno Domini MDCCXXXVII. conscripta
ex litteris ipsius Ven. Martyris ad suos familiäres et aliis gravium virorum
testimoniis, qui omnium erant conseii. Augustae Vindel. et Oeniponti 1770,
12°, 243 ©. — gto§, Sofjanu Äafpar Ärah (in ben Mnnaten beä f^iftor.
Vereins für ben ^ieberrtjein, «b. 35, ©. 93-134).
Söinanb 33irnid).
Otto IL, .g>. r>. ^ommetn. 785
CttO IL, <£>erjog Don sßommern, geb. etma 1375, unb (£aftmtr VI.,
Sötjne bes jperjogS Smantibor III. unb ber 2lnna, £octjter be£ 23urggrafen
2Ilbrectjt bes Sctjönen Don Nürnberg. 2Bte ein rottjer #aben jieljt fictj burctj
bie mittelaücrlictje ©efctjictjte 2ßommerns ber $ampf gegen 23ranbenburg, tcctc^ei
bie Üteictjeurnnittetbarfeit bes nrictjttgen Äüftenlanbes nictjt actjtenb (Dgt. 23ogi3=
IaD I. 21. %. 23. III, 40), bie Dberletjnstjerrfctjaft über baffelbe erftrebte. lieber
bie ©rünbe, bie im einzelnen fjfatte ben Parteien bas Sctjmert in bie £>anb
ga6en, mag oerfctjieben geurtfyeitt merben, bie mirren 3uftänbe Olorbbeutfctjtanbs im
14. unb 15. ^atjrtj. forberten rafctjes energifdjes <g>anbeln; für Sommern aber
roaren biefe kämpfe ein fingen auf geben unb £ob , bas Don feinen dürften
unter mannigfachem Söectjfel bes (hfolges mit aller gäfyigfeit burctjgefütnt mürbe.
2Bas im 14. Saint). Jperaog Otto I. (f. 2t. S>. 23. XXIV, 719) unb fein
[heilbarer Sotjn Barnim III. (f. 21. S>. 25. II, 74) fieguetct) errungen Ratten,
bie Unabtjängigfeit ^ommerns Don Subroig bem 23aiern, bas tjielien ju 2Infang
bes 15. %Q$xi). Dtto IL unb (Safimir VI. bem ungleich mächtigeren ©egner
gegenüber, ber in bem erften ."pofjenjollern itjnen ermactjfen mar, mit Srfotg feft,
bis enblictj am dnbe bes 15. ^atjrtjunberts <£>eraog 23ogistaD X. (f. 21. 3). 23.
III, 48) bie Selbftänbigfeit bes Sanbes enbgültig befeftigte. — £). mar in
jugenbtictjem 2Uter Don einer bem beutfctjen Drben feinblictjen Partei jutn Srj»
bifctjof Don 9tiga gewählt unb 1394 burctj j?önig 2öenjet audj befiätigt toorben.
3u Dftern 1396 begab er fictj nactj 2)orpat unb fctjlofj bort mit bem ©rofj=
fürften SBitotrb Don Sittauen ein 23ünbnifj gegen ben Crben, bas inbefj feine
roeiteien folgen tjatte. }iactj einem balb barauf erfolgenben 2Iusgleictj jmifctjen
bem Crben unb feinen Segnern ift Don Dtto'8 geiftlictjer 2J3ürbe nictjt metjr bie
9tebe, er mirb batjer in bie |)eimattj äuvücfgefetjrt fein, Gtafimir tjatte im 2tnfang
bes 15. $atjrtj. an ben kämpfen bes £)rbens gegen s$olen 5tr)eil genommen,
mar in ber Sctjlactjt bei 2annenberg gefangen morben unb tjatte eben bie £$frei=
tjett mieber erlangt, als «gjerjog Smantibor III., bisfjer bes 9Jcarfgrafen 3fobfi Statt=
fjalter ber 2JHttelmarf, burctj 23eftattung bes 23urggrafen ^rriebricf) Don Nürnberg
(f. 21. 2). 23. VII, 464) jum oberften 23erroalter in ben starten Don Seiten
bes neugemätjlten Königs Sigismunb ttjatfäctjlictj feine» 2tmtes enttjoben , un=
muttjsDoU nactj Sommern äurücffetjrte, bie Regierung bis ^u feinem im näctjften
i^atjre (1413) erfolgenben Üobe feinen beiben Sötjnen überlaffenb. ^>atte
^riebrict) alsbalb in bas alte ££af)rmaffer branbenburgifctjer s$oIitif gegen |om=
mern eingelenft, fo mar ben beiben pufften üfi äßefl um fo metjr Dorge^eictjnet,
als ein Stjeil be§ märfifctjen 2lbet§ bie pommerfctje ©tatttjalterfc^aft nodj aner=
fannte. 3uoem *°ax ^er 33ertuft ber Don ben Sötjnen ßubroig§ be§ 23aiern
feiertictj an üßommern abgetretenen unb biefem burctj Äaifer ^arl IV. juge=
fproctjenen Utfermarf ^u befürctjten. 33on ber mit griebrict) Dermanbten raol=
gafter Öinie mar feine Unterftü^ung ju fjoffen, O. unb 6. Derbanben ftctj batjer
mit bem märfifctjen 2tbel unb rücften @nbe Dctober 1412 mit einem «g>eer in
bie 5ftarf. 2lm 24. Cctober fam e§ jur Sctjlactjt am Gremmev Samm , too
bereits ber ©ro^Dater, ^erjog 23arnim III., fict) 2orbeexen erroorben tjatte, unb
menn uns auct) über bie tjier fictj gegenüberftetjenben ©treitfräfte feine 2lactj=
richten aufbetjalten finb , fo tjanbelt e§ fictj bodj otjne allen 3^eÜeI um cine
regelrectjte 8ctjlactjt größerer ^eertjaufen, nictjt um räubcrifctjen UeberfaE. ^n
biefer Sctjtactjt, nictjt aber burctj ^Jteuctjelmorb , fiel £$friebrictjs 2lnfütjrer, ber
©raf ^otjann Don |>ot)enlot)e, bem an ber Stelle ein S)enfmal errictjtet ift, unb
jtoei fränfifctje @ble. %u feinbtictje Stellung ber toolgafter Sinie unb ein
23ünbnife griebiictjs mit ben mecflenburgifctjen ^Mten, barunter £)tto;s eigenem
Sctjmager lllrictj Don 5Jtecflenburg=Stargarb, Dom 15. 2luguft 1414, Derfnnbette
Stügem. beutfdöe aJtoara^öie. XXV. 50
780 -tto II., .<>. b. ^Dimiietn.
nid)t nur bie Muänutmng beä ©iegeä, fonbern e3 gelang bem sDtarfgraien fogar,
roegen Regung beS flüchtig gemorbenen ßanbfricbenbrectjerö üDietrid) Oon Qutyott)
bie Serljängung ber sJteid)§act)t über Q. unb C. }u ermirfen (Goftniü, 1<». IJtai
1415). Um baüon frei ju merben, traten fie am 10. 2)ecember beffelben ^atyree
ju (Ibcrsraalbc iljre sJlnJprüd)e an bie Ucfermarf, Sotyenblttg unb ^efjbenif luv
4000 unb 200(> ©djotf Öhojdjen an ^riebrict) ah. 3Bat bamit bie märfifd)e
Ofrage erlebigt, Jo blieb ber ,'^roift roegen ber "Keid^uumittelbarfeit beftefjcn, benn
alö £)• am 81. "JJcai 1117 )U C> oftuitj , rootjiu er ftet) perfönlid) begeben hatte,
nur novbebaltltcb ber l)tcd)te bcö sUtarfgraJen bie Selebuuua, erlangte, wäbrenb
Tür bie roolgafler Settern bieje tüaufel roegfiel, erflärtc er fid) bei ber 'Rüdfetjr
für uidjt gebunben burd) bie faifcrlidje (Jntfdjeibuug. Dafl Ucbergeroidjt 5rie=
brid)ö im Sorben mar mittlerweile Jo brobenb geroorben, bafj bie gemeiujame
©etatir \u einer (Einigung jroüdjen ben beiben pommerfdjen ^etjogSlinien unb
bett uerroaubteu mecßenbutgtfdjen dürften Uiljrte, bereu ©pitje fid) gegen Staltbett"
bürg ridjtete. 3Cm 21. Robem&et llls mürben |tl llrfermünbe unb am 24. ge»
bruar 1419 Jtt Stettin Sertrtige \u gegeujeitiger .pütfe gefdjlofjen, unb ba
.perjog Johann Don 1)cerflenburg=3targarb eben in märfifetje ©efangenfetjaft ge=
ratlini mar, Jo brang D. )ll feinet Befreiung alc-balb in bas üunblidje @ebiet
ein unb eroberte na et) üergcblidjer Selagevuug Strasburgs i. 11. Sßteitylau. Det
ßrfolg mar aber nid)t Oon üDauer: als D. gegen ben 'K a 1 1) bc^ Srubcrs, eben
burd) 5000 9Rann potniföei püik-uöifer uuterftütjt, feinem im §dblo| gu Singet«
münbe eingefdjloffeucn Hauptmann 3ot)ann oon Briefen (Jntfatj bringen moUte,
erlitten bie ^ommeru in einem erbitterten ©trafjcufampf burd) ivriebrict) Jelbft
eine oöllige sJcieberlage, bie ben Serluft ber ganzen Ucfertnarf uact) fid) \og.
(Sine anjdjauticrje ©djilberung be8 Sorgaugs üom braubcuburgijdjen ©taub«
punft aus ift in einem ^eitgenöjjijchen Siebe erbauen. "Jim 23. Vluguft 1420
mürbe 3U ^erteberg burdj Sermitteluug beö .per^ogö Söilhelm Oon iöraun-
fdjrocig ein breijärjriger Sßaffenftitlftanb üereinbart, alö anbete Steigttiffe bie
Sage ooEftänbig iinberten. 2>as bisb/rige Jreunbjdtjaitlidje Serljältnifj jroijct)cn
bem Äaijer ©igismunb unb bem ilurjürften griebridj toar naef) bem ungünftigen
9luögaug bes böl)mifd)en ftetbjugeö in gegenjeitige Abneigung oerroanbelt, bie
©tatthalterfdjaft be8 Scheren in ber yflaxt l)örte auf unb bie sDcad)tOerb/ältniffe
ber Parteien gegeneinauber äuberteu fid) roefentlid). Unter Sermitteluug it)te8
Setterö, be§ Äönigt)er^og§ (Jrid) (f. sJl. ©. S. VI, 206) öeteittigten Jid) am
16. ©ept. 1423 bie pommerjetjen ^er^oge beiber ßinien mit beut beutjdjen Orben
^u einem gegen griebrid) gerichteten SünbniB; unb notf) giinftiger mürbe bie
Sage für Sommern, al§ am 17. gebruar 1424 ber Äaifer ju Dfen ben ^periog
ßafimir mit au feinen Säubern belctjnte unb baburd) in Scftätigung ber am
21. $uni 1355 burdt) tfaifer Äarl IV. erteilten Seteljnung (ügl. Sogislab V.
in tU. 2). S. III, 45), bie bem tfurfürften ^riebrid) erttjeitte Se^nggeredjtigfeit
über Sommern b.injäüig machte. sJllöbatb entbrannte auet) mieber ber ÄampJ:
^ren^tau, 1425 burd) Ueberrumpelung oon D. unb Safimit gemounen, ging im
näctjften Mre auf biejelbe äöeije mieber üerloren unb biejeä medjjelnbe Ailüd
madjte beibe 2t)eile einer Scrftänbiguug geneigt. "Jladjbem bereits am 1. fjrebr.
1426 griebridj einen Sßaffenftitlftanb ^u Ütatljenom angeboten ()atte, jeigten fid) im
Jolgenben Sfafjre mit ben pommerfdjen dürften aueb, bereu merflenburgifctje Sex*
bünbete au Serljanblungcn geneigt. 2lm 22. *Dcai fam ju 91cuftabt=ebergmalbe
ein Vertrag ju ©taube, in meldjem bie pommerjetjen ^eraoge auf 9tngermünbe,
ber Äutfütft auf Öreifenberg i. U. Octji^teten. 3ur fjeftigung ber neuen
ßinigfeit mürbe bem ©otjne .per^og (SafimitS, ^oad)im , bie SEoctjter ^otjann§
be§ ^IctjUmiften, Sarbara, oertobt unb ferner am 16. ^uni 1427 ju 2emplin
ein ßanbfrieben§büubniB fämmtiidjer pommerjetjer dürften mit griebrici) ge=
Otto. 787
Stoffen. — 2lm 27. SJtära 1428 ftarb £)., ber in ünbertofex @t)e mit £>er3ogin
eignes öon 9ftetf tenburg = ©targarb gelebt tjatte; Wenn er auet) in ben mär*
lifctjen Kriegen wenig an Sanb unb Seuten gewonnen tjat, fo fjat er bod) gegen
bie oberter)n§t)errlicr)en 2lnförüct)e be§ alten ©egneri ficrj mannhaft unb mit
Erfolg berttjeibigt. — ßafimir übernahm nact) bei 23ruber§ £obe bie Unterbrüdung
eine» in Stettin wegen ©ctjofjertiörjung unb um ba§ ©tabtgeridjt entftanbenen 5luf=
tuljr§, in bem bie 2öogen ber Empörung fo tjod) gingen, bafj bereits öon dürften*
morb offen gerebet Warb. 9JKt 2Jcül)c gelang e§ Safimir, bie ©tabt ju öertaffen,
über toetd^e ein ftrengei Strafgericht öerf)ängt warb: bie 9täbel§fütjrer mürben
Eingerichtet, bie ©tabt mufjte 12 000 9Jtarf ©träfe jagten unb büftte itjre bt§=
Ijerige (Stellung in ber §anfa ein. 2lm 13. Slöril 1434 ftarb aud) Gaftmir,
etma 50 $at)r alt, ber in erfter @t)e mit $att)arina öon 33raunfd)weig=2üneburg
(t nad) 6. 9Jtai 1429), in ^Weiter mit (Stifabetr), Softer £>er3og§ (Srid) öon
23raunfd)weig=@rubenl)agen (t 1454) öermätjlt getoefen mar. 9tur ber erften
SJerbinbung entflammten Äinber, barunter fein einziger ©otjn unb 9iad)folger
^oadjirn L, ber bereits 1451 ftarb.
SBarttjotb, ©efd). öon 9tügen unb ^ommern. — Sronfen, ®efd). ber
öreufj. ^otitif, 23b. 1. — Urlauben bei ©taat§ard)ib§ ju ©tettin.
ö. 33üloW.
£)tto*): Marcus £)., ober wie er fid) fetbft gewötjnlid) nennt, *Ucarr.
Ott, Woljt ber bebeutenbfte ©trafjburger SDiötomat im 17. $arjrt)unbert, mürbe
^u Ulm am 20. Dctober 1600 geboren. (Siner, mie e§ fdjeint, menig Wot)t=
|abenben, jebocrj angefer)enen 33ürger§familie angetjörig, befud)te er äunädjft ba§
©rjmnafium feiner 33aterftabt. %m ijj. 1619 bezog er bie ©trapurger Uniöer=
fität. £>ier t)örte er bis in ben ©ommer 1621 tjinein p^itofo^>^ifdt)e unb pt)t=
totogifdje Gottegien, mürbe im Srütjjatjr 1620 mit 2lu§3eicrjnung jutn magister
liberalium artium creirt unb manbte fiel) bann mit öolter Energie bem ©tubium
ber i^uriSörubenz ju. 2)tit |)ülfe frember Unterftüijungen mürbe eS itjm möglich,
bemfelbcn bi§ jum ©d)lufi be§ ^a^'e§ 1622 in ©trafcburg obzuliegen unb
ernftlid) an eine größere Steife für feine weitere 2lu§bübung au beulen. SDa
entriß bem in bie Jpeimatr) 3urüd£Qefe^t)rten im 9Jtärz 1623 ber £ob ben Sßater
unb bie ©orge um feiner 9Jtutter drjftenz unb feine eigne Qulunft tjielt itjn
faft ein öolle§ 3^ar)r gefangen. 9Jtit ber Berufung in eine £ofmeifterftellung
unb bem Stuftrag, ben ^ögüng nad) Strasburg ju geleiten, befam fein ©efdjid
eine unöertjofft günfttge SBenbung. ©d)on im Dctober 1624 erlangte er öon
ber ©trafjburger juriftifdjen f?facuttät bie Srtaubnifj , ^riöatcottegien , 3)i§öu=
tationen unb Sfcepetitorien ju l)alten, aud) lernte er eine Dteitje frember Uni=
öerfttäten tennen, ntcrjt nur bie nädjftgelegenen 23afel, greiburg unb Tübingen,
auet) Söien, $rag, ßeiö^ig, SBittenberg unb ^ena. 9tac^bem er im ©ommer
1629 ba§ juriftiferje ©octorei'amen abgelegt unb feine Snauguratbi§öutation
„de repressaliis*' geljalten, begann er am 9teid)§fammergericr)t ju ©petjer fiel) in
bie aböoeatoriferje $rari§ einzuarbeiten^ ^n ber ^ü^rung eine§ it)m öon ber
©tabt Dffenburg anöertrauten $roceffe§, ben biefe gegen ben ßanböogt ber
Drtenau angeftrengt tjatte, War D. auet) längere 3eü am laiferlid)en ^>ofe ju
SBien t^ätig unb fanb ©elegen^eit, tjier feiner 55aterftabt wie ber ©tabt ©trafj=
bürg erförie^liclje ©ienfte ju leiften. ^ebenfalls in 3lnerfennung berfetben würbe
er öon ber letjtern im Dloöember 1630 in bie ftäbtifdje S5ermattung berufen
unb 3unäct)ft al§ @jtraorbinariu§ für ba§ 2lrct)iö in Seftaßung genommen.
*) 3u S3b. XXIV, ®. 761. £a§ bom ^etrn SBetfoffer tid^tig eingefanbte etfte
3Jlanufcribt biefe^ ?ltttfel§ ging leibet berloreit. 2). 3teb.
50*
788
Otto.
1632 jum geheimen ©ecretariuS foroie 311m Wbjuncten beS ©tabtfdjreiberS, 1653
jum 9teferenbar beim grojjen Ütatt) beförbert, rourbc et balb mit triftigen bipto=
matifdjen Wiffionen beauftragt, ©o führte er in ben 3al)ren 1685 nnb 1636
bie Untertjanblungen ber ©tabt mit bem sDtarfgraien äiMUjelm Don 33aben, bem
Äurfürften Don ©ad)fen unb bem H'anbgrafen Don -peffen, bie fiel) um bie 5™Se
breiten, ob Strasburg, Dom faifertidjen Weneral ©aüaS bebrängt, bem fraget
^rieben beitreten, fid) Don bem fd)mebifd)eu SJtinbnifj löfen unb bem Äaifer
näljern foüte. 9118 biefelben fiel) jerfdjlagen f)atten , erfdjien ben ©tiafeburgern
bie ".Neutralität um jeben "^reiS als ber eiujige WettungStueg auS itjter Don ben
öftanjolen, ©cfjmeben unb ben Cefterreidjern bebrobtru, in ber £t)at fel)r eypo»
nirten politifdjen ^age. 3>n biefem ©inne tiertrat lUarcuS £>. bie ©tabt auf
bem bie griebenSöerljanblungen einleitenbeu "Jiegenflburger "Jieidjstage 1641, ju
bem fie übrigens Dom $aifer nid)t einberufen mar unb Don beffen 33ert)anblungcn
fie aud) auSgefdjloffcn blieb, gür biefe s])Uffiou mar er furj bortjer, am 30. $0"
tiember 1640, jiim :Katl) unb SlbDocat ber ©tabt ernannt morben. ör mujj
bem fdjroierigen Auftrag, ber ein befonbereS biplomatifdKS (Mefdjid etfoiberte,
jur Dotten ^'u'ficbentjeit feiner Oberen gerecht geroorbeu fein, burd) biefc unb
anberc 1 teufte, fomie burd) feine 1687 gefd)loffenc 8$e mit 3Ratgaxet$e ©alabiu,
ber ü£od)ter cineS ©trafjburger Slpotliefeve , l)attr er fid) jebeniallS aud) in ben
Jpcrjen feiner iUitbürger baS tiolle ©trafcburger ^ürgerredjt ermorbeu, tuxy tx
mürbe atigemein, als ber Tyriebcnscongrcjj Don lUüufter unb DSnabrürf eröffnet
roerben fotlte, als ber "Hertrauenamauu ber ©tabt bejeidjnet, ber fie altein mürbig
an bem europäifd)en 3lrcopag üertreten fönnte.
9lm 15. ÜJtfttj 1645 trat er feine Keife rtad) D*nobtttd an, am 81. Ja-
nuar 1649 fef»rtc er jurürf. Xiefe bin %a\)xt bejeid)ucu unftreitig t)tn
^)öt)epunft in Ctto's ßeben. ©eine U3evid)te , bereu er prai miubeftcn in ber
2öod)e einen, oft jtoei an bie ©trafjburger Regierung fanbte, liegen unS
bis jum ©d)lufe beS ^atjreS 1647 Dollftänbig erhalten tior. ©ie finb rein
fad)tid) gehalten unb informiren bortrefilid) über ben Verlauf ber einzelnen
großen ©treitfragen , meld)e ben (Songrefj beroegteu. $m Söorbergruub ftetjen
bie ©rabamina ber 9teid)3|täube , bie religiöfen fragen, bie Wmneftie, bie
"Jieftitution u. f. m. , bie 9)ert)anbluugen ber fatljolifdjen unb ber eoange=
lifd)en ©tänbe. ibefonbereS ^ntereffe erregen nod) tjeute bie sI)cittl)eilungen
über bie ^jorberungen ber fronen granfreid) unb ©djroeben , Dor Willem über
bie satisfaetio Gallica. ilout elften Wugenblirfe ab, mo bie i*orfd)läge (Vranf*
reid)5 befaunt merben, Dom Cctobet 1645 ab geigen fid) ber ©trajjburger Oiatl)
mie fein ©efanbter Don untilgbarem 9)lif$traueu gegen bie "Jlbiid)teu biefer sJ)kd)t
erfüllt, baS fid) am beften in bem oft auSgefprod)eneu ÜÖorte tierbidjtet:
„Francum amicum habeas non vioinuin". S)ie roeiter^ielenbeu $(&ne ber ^fran*
jofen entfd)leiern fid) ben ©trafjburgern fef)t balb, fie finb fid) bemußt, bafj fie
gegenüber ben anbern elfäjfifdjen Weidjeftäbten feineu aubevn $}ortt)cit tjätten
als baS „beneficium Ulissis Don beut Polyphemo". ÖJegen bie belanntc jroei«
beutige Glaufel ..ita tarnen etc." im § 87 be* [yiiebenSinfttumeute Dcrmat)ren
fie fid) beftimmt; inbefe bei allen ^eftrebungen, fid) gegen bie gefät)rlid)e Wad)*
tiarfd)aft ^u fidjern, fo taut fie aud) ifvrc 'KeidjSangetjörigfeit betonen , für bie
fie bei ben fdjmebifdjen ©efanbten Dor allem Ütürftjalt fud)en , niemals magen
fie bie ^reunbfd)aft O^anEreidjS gerabeju 51t Derfd)er^en. sJfur einmal ertb,eilt
D. bem franjöfifdjen 33otfd)after, bem ©rafen b'^lDaur, ben flarcn 33efd)eib :
„mir ferjen 2eutfd)e unb reben leutfd)." ©inen burd)fcl)lagenben ßrfolg tonnte
bie ©trafeburger sJteutralitätSpolitit natürlid) auf biefem ^oben evft redjt nid)t
erringen, meber tonnte O. bie untlare Raffung beS SfwbenSDeitrageS be^üglid)
ber elfäffifd)cn Abtretungen Dert)inberu, nod) bie ©arantie ber politifdjen unb
5paü. 789
religiöfen ftedjte ber «^unmittelbaren ©täube im Glfafc jur *» unb 3lu*-
"^W- Em' *egen*burger %ei«8taSe bei <Mte» lW,!«}!*
iübrun be Seftimmungen bes 2BeftTatifd,en Rieben! ftoM « l ö£
£> nod) einmal bie ©tabt Strasburg öertreten. Sßon ba ab fäemt ex p
Sofie en politifdjen Mfionen nidjt metjr üermanbt morben }u Jem 6en to
flufunb feie? beutung fdjeinen ftdj aber erjer nod) Seftet9ert 3u ^ »enn
Kr eÄten baft im 3 1664 ber ©trafeburger SBif$of yranj (Sgon j>on Surft n-
?ia O be?'bem ÄQtfie befcbutbigte, er t,abe bie Untertanen bei ©$maxjmalb=
fie mit bem ©emid)t feiner iurifttfdjen Katalase ' «MW 3Jer ,^b ^ ^
geben* blieb öon SBetrübni* nidjt frei. ffiemßltenS erjagt «**"' 5fa*
bürget (£r)romft fteiffeiffen , bafe bie ©«lebeten, »el*e im ffiinte x 1671
™ilfi72 überall in ber ©tabt verbreitet mürben unb al8 beren «Autor öa
Ccu tor@eogCbre^ «mittelt unb gerietet mürbe ben «mutet*« Steht*
ff Aus V anariffen 9ta$ere3 über ben Malt biefet ^asquitte Ht n d)t
tan!!* ^n^Xr be^tigL fie beibe Banner b*®^ ^ M«.
ftabt (Sin bitterer Unbanf fftt treue Xienjte mochte ficrj nid) leu^t nnoeu ,
Itr bie allgemeine $od)a*)tung feiner Mitbürger l«*^***
firb in ben lrauerqebid)ten unb 8ei$enreben bei leinem -^obe, ber am 5. JtorjemDti
1674 erolat ^ unöeSnbar au8. SBenn ifjn eine berfelben mit bem großen
äÄfÄ» be» 16- »bmnbert* Safob ^urrn in Serg leid)
feb io maa berfelbe gelten, menn man ben grunbberfötebenen ®^raftn be ber
Podien auV an biefen beiben Männern mi|t: bort ^ fd)bpieri d)e 3nrtt e,
gSibeaT^ele.. bjex ,.*e ©e*an Weit , ««o«nbt^t in leinen Wt dn
nSAfterreicbbare toecle. 2lus ben erhaltenen Silbern Otto 5 lpudjt ^Jüibe,
ml or/nV einen Anflug *on Steigt, am anmuttjenblten mirfen bie grofjen
f lugen klugen mit ben tjodjgefdjroungenen SBrauen. gyj. göieganb-
<Bntt*) Tineen* % öon ^alt^aufen, baixifdjex Hrcfcwai unb
«orife?, am 22 Sannar 1759 5u greifing uon bürgertid)en «ttern, »eU*e
fem Samen Bali führten , geboren, t ju üRündjcn am 9. Sluguit 1817.
ßr beulte ©Aulen unb ßnceum feiner »aterftabt, trat 1779 als ttomae tu
t u ,6Ä ÄS« 3u iegernfee! .erliefe aber batb miebex ben ttonbent unb
b^aab fid) nad) Wundjen, mo ex am Stjceum feine ©tubien »ottenbete bann bei
*SmM$*£atoo«i«i in ^ranS trat. 1785 mürbe er ato flejetmet
SanTtift angefteHt, 1792 pm geheimen üregiftratox m bei : ötaatsregi txatux be-
förb t unb9bon Äurmrft ftail 3*eobot mdDrenb bes *ei4.bicanatt m i ben
Stftanb mit bem ^räbicat Sblex üon ^aEb.aufen erhoben _ 1.9b totete et
We Rtudjtung. be§ 3lrd)it)i nad) ©ad)fen, 1797 narjtn er ate ^f^o^b
bargen @e anbtfcfeaft am 5rieben8conflreB 8u «aijatt % Jnt na$ b« «u«^t
179Q mürbe er mm gel). Staat§ard)iüar unb gteid)jeitig am feiunb jemer
S ita?en auf beni Gebiet uaterlftnbif^e« ®efc^id)tSiorfd)ung_ |um orbent id)en
5? tflß?b ber Wbemie ber 2öiffenfd)aiten ernannt ttr öerTaBte meb,re : g e-
rAÄtliAe 2ebr= unb Sefebüdjer, löfte 5mei üon bex «Kabemie fleitettte ^reiS-
Ä en üb bie Safauitat ber 9teid)Sftänbe in Saiern (1788, ^»MUbna
S 1803 public«) unb über Segriff unb ©renken bei alten Otoricum (1796).
Sdn Idjrirt über „©aribatb, erften ^önig Sojoaneni, unb feine 2od)tex
*) 3u SSb. XXV. 6. 81.
790 Pauli.
Ütjeobelinbc, erfte .Königin in Italien, ober bic Urgefd)id)te ber Baiern" (1810)
berWitfelte it)n in eine litteravifdjc getjbc mit beut befauutcu Rittet Don fc.'ang,
bie in einen erbitterten Streit jioiidjen ben altbahifdjen 5lutod)tt)oucn, in beren
Flamen %*. baS Söort führte, nnb ben „Üteubaiern" aus grauten unb Schwaben
ausartete. 33on feinen jatjlreidjcu übrigen Sdjriften fei nod) „Bojoari&e 'J'ojio-
graphia Romana-Celtica ober Baieru, wie eS in ben älteftcu §t'\itn nun" (1816)
namtjaft gemacht; aud) Ivier nod) luelt er mit ^äljigfeit fe|"t an ber berfdjrobenen
.<pt)pott)efe bom feltifdjeu ürfpruug bei Saiern, bie itjm als bie ans 33ojot)emum
burd) bie sJJiarfomannen berbrängten Boier galten, hieben feinen ^orjerjungö-
arbeiten befcfjäftigte fid) s|*. mit allerlei tedmifdjen s-l*erfud)en ; u. Ä. mar er
bemütjt , ein beffereS Berfatyren , mittels beffen ber ganje Sdjrütfat} am einet
einzigen platte unter bie Bud)brutferpreffe gebracht merben fönnte , ju erfinben,
unb legte 1801 ber SHabemie eine wotjlgeratrjene, fleine Stereotvjpeuptattc bor.
6in Berjeidmif} feiner Sdjritteu ift einem "Jiefrotog in ber ^eitfdjrüt Tür Baiern,
3al)rgang 1817, 3. lob., 6. 249, beigefügt.
Baabcr, ßerrton bair. Sdjriftfteller , 1, 2, 129.
£ e t g e l.
$auli*): ilarl ftrie brid) $., geboren <ju ©aalfelb in $teu|en am
4. September 1728, t am 9. ftebruar 1778. Sl ftubirte feit 174<> \u ßöuigS»
berg unb feit 1742 ju £>alle bie iKedjte unb ermarb l)iev 17 17 ben (Mrab beS
2)octotS ber sJted)te unb sDtagi[terö ber ^t^ilofoptjie (£iffertation: „<le jure
prineipis circa res nullius in genere et in Bpecie regia Bonusorom circa res
nullius in Borussia"). 1751 rourbe er aufeerorbentlidjer ^rofeffor beö Staats-
rechts unb ber @$efd)id)tc in Jpalte, 1765 orbcntlidjcr jßrofeffoi ber s|U)ilofopl)ie
unb (Mefd)id)tc. — lUufecr einer "Jluja^l uou Stffettationen unb Heineren arbeiten
publiciftifcfjen, gefd)id)tlid)en , militärgefd)id)tlid)eu unb biograpl)ifd)eu 3nr)altS
fdjrieb er: „Meben großer Jpelben beö gegenwärtigen Jhicge«", 9 H)eile 1758
bis 1764, unb bor allem feine ..Vlllgemeiue SßteufifäV Staatsgefd)id)tc, fammt
aller ba,ju gehörigen J?önigreid)S, £r)utf ürftenttmiuy , .freraogtcjümet, dürften*
ttjttmet, @raf= unb Jperrfd)afteu , auö bewährten Sdjriftftellern unb Utfunben
bi§ auf gegenwärtige Regierung." 8 SBänbe, gr. 4", 1760 — 69. Irotj aller
lUängel, weldje biefeu 2ßerfen fdjon jur 3eit '^rcö Grfd)cimne nttn Borwutf
gemacht würben, ber Breite, ber gefdjmarflofen 2)arftellung, ber Unfelbftänbigfeit
ber ftorfdjung, beS pareutationsmä&igen loneS ber Biographien u. f. w., erfdjeint
bod) üp. in ifjnen als einer ber tüd)tigften Vertreter beö »HuffdjWungeS , ben in
ber 6pod)e griebrid)S beö ©rofjeu unter bem (yiiibrurf Cjrofjet Hinten unb (£nt«
widlungen bie preufcifd)e ®cfd)id)tfd)reibung narnn. 2>cr „^rcufjifdjcn Staats-
gefd)id)te" barf man, wie Siegele (@efd). b. 2). ^iftoriograpb.ie, S. 044) be»
merft, bod) nadjrüb^men, bafj fie bei bem 5ßerfud), ein au8fft$rli$e8 SBttb ber
Sntwidlung beS preufeifd) = Lnanbenburgifdjen Staates ju ^eiefjucn, bou einem
felbftänbigen ©ebanfen ausgebt. S5ie Söiograptjien ber gtibericianifc^en (Seneräle
finb aud) tjeute nod) nid)t gan^ werttjloS.
SBeiblid), Succefpon berer iRedjtSgcl. auf ber Uniberfität 311 ^)alle.
S. 50 f. — S. S. @. ßerjmann'S Irauerrebe nebft Seben. ^>aüe 1780. —
Semgoer S3ibl. 33b. 13, 697. — «teufet, Cejifon.
^CtCrmann**): 2luguft ty. 3)a baS ÜJcanufcript unS beim Sd^lufe beS
BaubeS nur tb^eilweife zugegangen war, tonnen wir ben Slrtifet evft in 33b. XXVI
bringen. -, . m v
ö ^teiRebaction.
*) 3u @. 262.
**) 3u ®. 431.
Pfeiffer. 791
Pfeiffer*): 3b a ty., berühmte Oteifenbe, geboren am 14. Dctobex* 1797,
t am 27. Dctober 1858 ju Söien. ©ie mar bie Üoctjter eine§ angefetjenen
Kaufmanns Sftamene Oterjer, aue einer noctj jetjt btütjenben Familie, Dertjeirattjete
fictj in itjrem äroeiunbjmanaigfien Sebenejatjre mit einem Öemberger SlbDocaten
9iamene Pfeiffer, erlebte aber in biefer Sfje manntgjaetjen ©tücfetuectjfet unb Un=
gemaetj. %m Filter Don 45 ^atjren, al§ fie bereite Butter ermactjfener ©ötjne
mar, ermatte bei itjr, aunäctjft angeregt buretj eine Steife nactj Srieft unb ben
Slnblicf bee sDceetee, eine unbeäätjmbare Suft }u großen Reifen. SlHerbinge mar
fcfjon in itjrer Äinbtjeit ein 3^8 W abenteuerlictjen Unternehmungen, eine männ=
tietje ©nergie unb Utjatenluft bemerfbar geroefen, meiere ber ßrjietjung ©ctjmierig=
feiten bereitet tjatten. 2)urctj ben (Srnft unb jum Stjeit bie 9cottj bee 2eben§
jurücfgebrängt , gewannen biefe Neigungen fetjt nactj ber 93ottenbung ber (5r=
jietjung itjrer ©ötjne unb bem Söiebereintreten georbneter 33etmögen§Dertjättniffe
abermals bie Cbertjanb. %m $. 1842 reifte fie angeblich jum 23efuctje einer
greunbin nactj Gonftantinopet , bann aber meiter nactj ©rjrien, 5ßaläftina unb
Stegrjpten. Stuf Setreiben irjrer greunbe Deröffenttictjte fie itjr föeifetagebuctj
unter bem ütitet „9teife einer Söienerin in ba$ Zeitige ßanb" (2 2Mnbe, SBien
1843; 4. Stuft. 1856). Sic ©Witterung ift fdjüdjt, öfter faft naiü, otjne jeben
2tnfpructj auf 2öiffenfctjaftlictjfeit , ober auf ben Ühitjm geiftreietjer Siamenfcrjrift*
ftetlerei. S)er gute (Srfotg biefer erften 3teife unb irjrer 23efctjreibung, roelctjer
itjr bie 9Jtögtictjfeit ermiefen tjatte , fetbft mit itjren befetjeibenen Mitteln grofje
Unternehmungen ju Dotliütjren, unb aufjerbem ®ei\> 3U neuen Reifen Derfctjafft
tjatte, ermuttjigte junt ^ortfcfjreiten in ber eingefd)tagenen Ütictjtung. 3>m Stprit
1845 bradj 3- $. nacrj ^slanb auf, erftieg ben faetla unb fetjrte über Gtjriftiania
unö ©tocftjolm jurücf. S)ie 23efct)reibung erfolgte unter bem £itel „Üteife nactj
bem ffanbinaDtfdjen Sorben unb ber ^nfet i^elanb", *|$eft 1846, 2 9Jbe. ©djon
1846 reifte fie abermals unb ^mar über Hamburg nactj Srafitien, bon ba nactj
Gtjtle, 2at)itt, Stjina, ©ingapore, Gerjlon, 5Rabvae, buretj bae ©angeälanb nactj
©ombarj , meiter nactj Iftefopotamien , unb über Urumia nactj 2äbrie\ Surctj
£ranefaufafien unb ©übrufelanb fetjrte fie nactj ,}meieintjalbiätjtiger Slbmefentjeit
nactj 2öien jutütf. („6ine ftrauenfafjvt um bie SBelt", SBien 1850, 3 33be.)
Obmol nactj ben aufjerorbentlictjen Strapazen biefer testen Üteife eine 3eit lQn8
ber Söunjctj nactj ütutje fict) geltcnb mactjte, übermog boctj nactj furjer @rfjolung
abermale bie alte Öeibenfctjaft, unb 1851 mactjte fictj 3». s$. abermale ju einer
Sßeltrcife auf ben 2öeg. lieber ßonbon unb bie Gapftabt ging fie nactj ben
©unbainfeln, metetje ber ©ctjauplatj itjrer fütjnften llnternetjmungen mürben,
©ie bereifte ben nörblicben £f)eil Don 93orneo, bann ©umatra unb ^atia, mobei
fie fictj mit roatjrer Jollfütjntjeit in bie ^)änbe Don iiopfabfctjneibern unb ffanm=
balen begab, otjne jebod) irgenbmie $u ©ctjaben ^u fommtn. ^m ©ommer 1853
überquerte fie ben großen Dcean , befuctjte ©an graneteco , bann Manama unb
^eru. ^tjr Sorfatj , nactj lleberfctjrettung ber Gorbitlere ben Slma^onae Don
ber Quelle bie jur ^cünbung ju Derfolgen, blieb unburctJTütjrbar, fie fetjrte batjer
nactj Olorbamerita jurüct unb hurctjreifte bie Union. Qrrft 6nbe ÜJlai 1855 er=
reictjte S- ^- nactj einem Stbftectjer nactj ben Sljoren Suropa mieber. („kleine
jroeite OBettreife", 2ßien 1856, 4 93be.j Slber fetjon im 9Jtai 1856 bractj fie
abermals auf , um 9Jcabagaefar <ju befuetjen. %n ©efettfetjart eines granjojen
(Lambert) aue 9Jlaurittu3, ber auf ^Jlabagaefar eigenttjümtictjC *piäne Derfolgte,
gelangte fie nactj JananariDo, mo fie Don ber Königin gut aufgenommen rourbe.
£octj bie auf einen 2tjronmect)fet abjielenbe Unternehmung itjree ©efätjrten
fetjeiterte unb ^. $. unb Sambert mußten fictj glücftictj preifen, mit bem Seben
*) £u @. 639.
792 WWw-
bat>on ,^u fotinncn. 2>ie Strapaum bcv Wücfveife oon bev £)auptftabt uir ftüfte
untergruben aber % Sßfeiffer'g Wefimbbcit, |o baft fit nad) längerem Wuieutfjalt
in SWautitiuS nad) ßuropa unürffehren iuuf;te , mo fie einer fc.'ebevfranfl)cit, bic
fid) nuö beiu gfiebet eutmirfclt |otte, erlag.
^ba »Pfeiffer'« „latent ui retfeit" BHtt faft eben fo grofj als iljre töeifetuft
uub Äüf)iif)eit. ®a fie fclbft ber miffenfd)aitlid)eu ÜMlbung entbehrte, fo et-
mangeln aud) il)re 33efd)reibungeu eigentlid) roiffenfd)a'tlid)er JRefuItatc. SHc
öon cdjter 9Ba$r$eit8lieBe erfüllten fd)lid)teu t*r}ät)limgcn ibver (hlcbniffe in
feiten betretenen Säubern wirb aber Wicmanb ohne ^uteveffe lefeu, wie aud) bie
bebeutenbe Serbrcitiing unb bie roiebevboltcn Staffagen ihrer SBette bemeifen.
SBefoubere als 3ugcnbieetiue toaven fie cinft nidjt unbeliebt. 3« s£. mar uon
unanfet)nltd)er Öeftalt, bcfdjeibcn unb anfötudj8to4 in it)rem "Jluitvcteu , toenn
aud) fpäter uidit ohne 2elbftgefüt)l , bas bind) bie chrenbc Snetfennung $utn*
bolbt's uub Mitter's , foruie ber geograpbifdjen ötefellfdjaTten in Berlin unb
sparte, meiere fie lum (Hjrcnmitglicbe ernannten, mefentlid) gehoben mürbe.
^iogvaptyie v 2(). nad) eigenen Angaben bearbeitet Don it)rem Sohlte
Oscar %l in „Steife nad) Wabagascav", SBien 1861. »141
Stifter * ) : v'llbrcdjt 5ß., berühmter S-J3ud, Müder ui Bamberg, ber lange 3^it
unb üielfad) für ben Grftnber ober IHiterfinber ber 3Jud)brucferfunft gehalten
mürbe, ift um 1420 geboren unb um 117«' geftovben. So« feinen ßebtn*^
umftänbeu ift nid)ts 9lut$entif$e8 befaunt; bod) ift er roalivfdjeinlid) bev 3ol)u
UUrid) '^fifter's, meldjer als „Cocleitc-gelbner" ani ber Tyvanfnivtcr -JJteffc in einer
Urfunbe öom %al)xe 1110 öortommt. 6r mar an'änglid) jyornifdjnciber unb
Sßriefbruder, mie aus ben üerfebiebeneu feinen SBevfeu beigegebenen §otgf$nitten
b,erüorge()t, fing aber fd)on fiivie Qtii nad) bev (hfinbung Wittenbergs, unb tmar
nod) mäbreub ber iljätigfeit bes (nfiubcrs in 9Jtain,}, bic Ausübung bev 2vurf=
fünft in Bamberg an , moburd) biefe ©tabt ber Seit nQ(*) an °if ©pittf ber=
jenigen beutfdjen <5täbte )U ftchen fommt , in meld)en bie neue .ttnuft uierft
©ingang faub. SBei bem lUaugcl ivgeub roeldjer urfuublid)en sJtad)rid)tcu über
ben tt)pograpl)ifd)en s-l?itbungsgang iififtcr's läfjt es fid) miv üermutljen, bafe
©utenberg fein ^Dteifter mar, in meldjem fvalie er atlerbings SJtainj lux) nad)
bes Meuteren Ircnuung öon $uft uub lange uor ber (Einnahme ber ©tabt uer=
taffeu t)aben mufj. ffiie mibefte "Jtadiricfit über Bambergs erfteu Xvudev uer=
bauten mir einem bötjnüfdien Welelirten, Dr. "iUiul üon "|Uag, meld)er um 1459
auf bic Uljte Seite eineä ©loffariumö bie Kotij fdjrieb , ba^ ui feiner ^eit in
Bamberg ein 9Jtanu gemefen fei, ber bie gan^c ©ibel abgebvnrft liabe, momit
nur Mlbvedjt ^. gemeint fein fann. i<erfd)icbene feiner Xmrfe, unb befoubevö
bie P)6^eilige 33ibei, tjat mau tjäufig bii in bie ueuefte .'U'it als lyv^eugniffe ber
©utenberg'fdjcn treffe bcieidjnct, aber fo lange nun bie ©elet)tteu unter fid)
felbft uod) uneinig finb über bie ^eit be^ ©rfdjeiuene biefet '-i3ibel, unb fo lange
biefes 53ibelmert üon ebenfoüiel 5orfd)ern bem 2llbred)t ^. in Bamberg uige«
fdjrieben mirb, mät)renb bie ^Inberen (fit Öutcuberg ftinuuen, fo lange mirb
man biefeö etjrmürbige 2)rudroerf bemienigen Bruder überlaffcn muffen, ber
nad)meiätid) unb unbeftritten eine ganje ^Keit)c anberer SBerfe mit ben gleichen
2t)pen in Bamberg gebrurft tjat. 2)enn eö ift eine unumftöfjlid)e Iljatfadje,
bafe ba§ „s-8ud) ber uier Jpiftorten" tion 1-462, in meld)em fid) 'Jllbred)t % auös
brüdlid) als S)rucler genannt t)at, mit ben It)pcn bev :it'.\eiligen iöibel gebrudt
ift, unb ferner ftet)t ei feft, bafe bie 2t)pen biefeS 5)rucfeS genau mit benen
anberer äöerfe übereinftiiumen , bie bereits früher entftanben finb. 3lu^cr
*) 3u ©. 666.
stiftet. 793
Sonaten unb fonftigen ©ebet= unb ©cfjutbüctjern , feinen erften trjpograprjifcrjen
grjeugnifjen , fennt man au§ ^ftfter'3 Söerfftatt nodj eine gan^e Slnjaljt Don
Srucfen, bie für bie ©efdjicVjte ber Srucffunft Don befonberer äöicfjtigfeit finb.
Sie Ablaßbriefe Pon 1454 unb 1455, toetdje $apft 9lifolauS V. \a ©uuften
be§ öon ben Surfen cjart bebrängten ÄönigS ^otjann IL öon Grjpetn fdjrieb,
toeifen in einzelnen feilen bereits Stjpen auf, bie in £$form unb ©röße benen
ber 36äeitigen 23ibel entfprectjen. @s finb bis jetjt gegen 20 fotcfjer Ablaßbriefe
befannt getoorben. „drjn manung ber ctjrifientjeit roibber bie Surfen" ift öon
1454 — 1455 ebenfalls mit ben ülrjpen ^ftfter'S gebrucft, aber bennodj mefjrfadj
©utenberg <jugefcrjrieben toorben. Siefeä frütjefle batirte Srucfbenfmat [teilt
eine 2lrt $alenber für bas ^at)r 1455 baT, öerbunben mit einer geiftlidjen
Gmuafmung gegen bie Surfen , roelctje bamat§ gerabe Gonftantinopel erobert
tjatten unb i>a% crjriftlictje Europa ju überfcfjtoemmen brorjten. Sa§ 33üctjlein,
toeldjeS Pon Socen in bem ^efuitenflofter ju Augsburg aufgefunben würbe,
befinbet fictj jetjt al§ llnicum in ber ©taatsbibliottjef ^u ^ftüncfjen. 9JUt ber=
felben 2t)pe, toie öorftetjenbeS ©djriftctjen , ift bie „Biblia sacra vulgata" um
1457 — 1460 öon Sß. in Bamberg gebrucft. Siefe fogenannte 36äeilige Sibet,
aucfj bie Sdjetfjorn'fctje genannt, toeit ein ©eletjrter biefeS 9tamen§ fie junt erften
5ftale befctjrieben fjat, toirb felbft Pon ©oldjen, toeldje bie „^Ratjnung" bem ty.
laffen, für bie erfte ©utenbergbibel gehalten, fie bermögen aber eine ßrflärung für
bie Sppengfeictjrjcit nidjt beizubringen. Sie 33egrünbung, baß ©utenberg mit
einer ätjnticrjen ütrjpe feine erften Sonate gebrucft rjabe, ift gegenüber ber £tjat=
facfje, baß *ß. eine ganje 9teitje Pon äöerfen mit berfelben Srjpe gebrucft, burcrj=
au§ nidjt ftidjfjaltig. $Ran fann wofjl annehmen, baß 5)3., fofern er ein «Schüler
©utenbergä mar, bei feinem Fortgänge öon 9Jtainj einen Srjeil ber Sppen Pom
ßrfinber fäuflicfj ertoorben tjabe. Aucfj ber llmftanb, baß in ^Bamberg unb
beffen Üiäfje bie jetjt noctj Porfjanbenen 11 (Sjemplare aufgefunben mürben, läßt
nictjt ettoa nur ben ©cfjluß ju, mie öon ben Verfechtern ber 58tbel für ©utenberg
behauptet toirb, baß jtoifctjcn 5ß. unb ©utenberg toirflidj nähere Se^iefjungen
beftanben fjaben muffen, fonbern er ift üielmefjr ein ©runb ju ber Annatjme,
baß 5J3. ber Srucfer biefer SBtbel mar. Ser Äalenber mit ber $atjr<5afjl 1457,
ber mit ber fogenannten fleineren Iftiffattrjpe , äfjnlicfj berjenigen ber 363eiligen
3?ibel gebrucft ift, gehört ju ben batirten Srucftoerfen, toetdje aller 2öarjrfdjein=
lidjfeit nact) au§ ^fifter'§ treffe fjerPorgegangen finb; ein ©leidjeS gilt aucfj
Pon bem „Sonatus", öon toelcfjem öon 1458 — 1460 einige Aufgaben mit ben
SLtjpen ber metjrgenannten Sibet gebrucft tourben. s}tod) beutticfjer als biefc
fpridjt „Soner'i Gcbelftein ober gabelbucfj", baä 1461 mit botter Nennung be§
OrteS unb SafjreS, unb mit ben gleichen Settern gebrucft ift, für 5p., als ben
Srucfer ber ^Bibef. Siefeg erfte 33uctj in beutfdjer ©practje, toelctjeS beuttidj
Srucfort unb Srucfjafjr angiebt, fjat bie befannten 85 gabeln (f. 21. S. 33.
III, 121) mit je einem ^otäfctjnitte Perfetjen. (J§ tourbe fange ^eit für ba§
ältefte beutfctje Suct) mit ^otäfcfmitten getjalten, boct) gebütjrt bie Priorität in
biefer .^inftcfjt unftreitig ben „Sieben greuben 3Jlati&" unb ber gleichseitigen
„SeibenSgefctjtcrjte ^efu", bie beibe fdjon öor bem ftabtlhuä) au§ ber treffe
^ftfter'8 t)erPorgegangen finb. ^ebenfalls mar 5p. ber erfte ütrjpograpt) , toelctjer
feine Srucfe mit Slbbitbungen ju fd)mücfen begann. 3ft e§ fetjon angeficcjts ber
bisher aufgeführten Srucfe ^fifter'e' unbegreiftictj , mie man bi§ in bie neuefte
3eit bie 3lnfrctjt Perfectjten fonnte , bie metjrfacf) genannte Sßibet fei nictjt auS
ber treffe 5}]fifter'i IjerP orgegangen, fo muß biefe Meinung noctj unPerftänblictjer
erfetjeinen, toenn man in 23etradjt jiefjt, baß bas" „35uctj ber Pier ^)iftorien",
toetcfjeg im ^. 1462 erfcfjienen ift, in bemfelben, in bem Permuttjlicfj auet)
„Selial ober ber üEroft ber ©ünber" bie treffe tpftftet'§ öerlaffen t)at, unjtoeifet»
794 WP»
tjaft mit ben £t)pen ber 23ibel gebrudt, bie tjieiin atterbingä fd)on etwas bc»
beutenb abgenu^t erfdjeinen , unb babei am (jnbe genau SDrutfftnua, Ott unb
^ab^al)! genannt ift. 3118 weitere (Sr,\eugniffe ber ^fiftet'fdjen Srucfcrei finb
nod) 3» nennen: „®ie Allegorie auf ben Job", ber „s}ted)t8ftreit be8 s])lrnfd)cn
mit bem Jobe" unb bie „Slrmenbibel", fowie bie lateinifdje 3lu8gabe berfelben,
bie „Biblia paapernm", bie fämmtlid) um 1462 erfdjienen finb. Sflad) biejem
3af)re fommen feine SIrutfwerfe mit feinem Manien mefjr bot, aud) ift ber Crt
unb basi %afyx feineä Stobe8 unbefaunt. 3febenfatt8 rjatte ty. feinen bleibenben
Vlineuttjalt in Bamberg, benn wie Hefte e8 ftdj fonft erflären, bafc Don 1462
bi8 1481 au8 biefer @tabt feine neuen 2)rnde Ijeröorgegangen finb. $ann man
ty. aud) nid)t unöebingt aU einen gleichzeitigen (Jrfinber ber £t)pograpl)ie ruf)«
men, welche 6f)ie ifjm mefjrfad) c}ugcbad)t würbe, fo bleibt ifjm bod) ba§ 9Jer-
bienft, ber erfte beutfdje U3ud)bruder aufjerfjalb Sfaiitj gemefen 311 fein.
Sgl. Söetter, «efd)id)te ber $ud)bruderfunft. «Dia inj 1886. — galrfen»
ftein, 53ud)bruderfnnft. ßcipjig 1840. — %atd , 3Ubred)t Stifter unb beffen
sJiad)f olger. Bamberg 1835. — Sprenger, Weltcfte 2Jud)brudergefd)id)te öon
^Bamberg. Nürnberg 1800. — 6amu8, Notice d'un livre imprimä par
A. Pfister. tyaxii 1791. — ßlemm, Katalog beä Sibliogr. 9Jtufeum8 I.
S)re8ben 1884 ic. 3- Staun.
Stifter: fjfriebrid) $., ber ©ofjn bes berühmten 33amberger SDrurfers
Sllbrccfjt s4>-, wirfte in Otegenaburg als ^ud)brurfer unb 33ud)fül)rer, wo er 1487
al8 23ürger ber Stabt genannt wirb. £as fünftlid)e £rurfmerf, weldjeö ben
Xitel fütjrt: „S)ifj buef) ift genannt bie öier tmb Ijweujig alten ober ber gulbin
tron gefettet öon bruber Dtten öon paffowe" (f. sJl. ©. v^. XXIV, Tili, ofjne
Angabe be8 Oitc8 unb ber 3al)qat)l mit 26 $ol}fönttten, trügt sJtlbred)t ^fifter'8
3eid)en, fjat jebod) anbere It)peu, unb fdjeint ans ber !ßteffe fjfriebrid) sj.tfifter'8
(fjäufig irrtijümlidj ©ebaftian genannt) 1470 rjeröorgegangeu ju fein. 6r war,
gleid) feinem 3Jater, ein tfjätiger Wefd)äft8manu unb Ijatte fdion \u be« 0fürft-
bifdjof Jjpeinrid) öon Sttbäberg'ö Reiten für bie ftegenäburger 2)iöcefe Staufbüdjer
gebrudt. 6r beabfidjtigte aud) grofce ©ebetbüdjer \u bvuden, bod) erljielt er
nid)t nur fjierju feine (Genehmigung, fonbern e8 würbe fogar 1495 fein „Diur-
nale" ben Weiftlidjcn ju taufen üerboten, fo bafj fid) ber Watf) feine« s]Jcitbnrger8
anjuneljmcn genötfjigt fal). sJiad) fjfriebridj ^fiftcr's Job ging feine 2)rurferei
an feinen ©ofjn ^>an8 über. 9lu8 feiner Dfficin finb (^wei foftbare S)rudwcrfe
befaunt: „Primnm mandatnm I». Johnia Adminiatratoru de disciplina cleri-
corum" oon 1508 unb ..Constitutio Joan. admin. reanarios nee non collationem
pro redemtione bellue papalia concessai' concernens". Xie 3leufeerung in einem
bef)örblid)en ©d)reiben öon 1519, e8 befönbe fid) bereit feine 35rutferei in
9iegen8burg, lö^t öermutf)en, ba^ s43. bamalö geftorben ober weggezogen war.
3Jgl. ^angfofer unb ©djuegvaf, ©ejdjidjte ber 33ud)bruderfunft in
9tegen8burg. Otegenäburg 1840, (5. 24, 25. :c.
3. 93raun.
JBttfa%e unb Ueridjtiguttgen.
SSanb II.
©. 181. 3- 17 b. u. : ^acbjutragen ift, bafe er im 3. 1576 al§ „Tobias
Baumeister Kochstedensis" in ftranffurt a. £). immatrtculirt ift
unb bafj er am 19. September 1581 in greiburg promobirt rjat.
3um faifertidjen ^fatägrafen ift er am 5. $uti 1594 ernannt,
©ein Seftament bom 28. September 1609 unb ein ßobicitt bom
12. 3uni 1616 berufen abfdjriftlicr) im (Setj. Staatäard)ibe 3U 33ertin.
5Dic fönigt. 35ibtiottje£ in |)annot)er beroafjrt feinen 35riefmect)fel mit
bem berühmten §einiid) Meibom bon 1596 big 8. ^uli 1616, ber
aud) ein lateinifcr)e§ Spitapt) auf £obia§, beffen $rau unb beffen
einzigen Sotjn berfafjt tjat.
33ergt. über it)n : Stin|ing, ©efcfj. ber ftedjtätoiffenfcrjaft I.
S. 671. — ^ötfjer, ®etet)rten=ßej-ifon s. v. unb Joann. Ant. Mar-
tens, Meraoriam Tobiae Paurmeisteri a Kochstedt . . . resuscitat . .
simulque lectiones publicas Albertinae stud. ad diem XXIV. Apr.
MDCIX indicit . . . Friburgi 1609. 4°. ftatf) ben Angaben beS
Setjtcren ift 35. im $• 1608 geftorben, roa§ mit ben oben mitge*
tr)eilten £f)atfad}en nidjt in (Sinftang fterjt. SFr.
SSanb XI.
<5. 784. 3- 4 b. u. : Statt „gröfjtenttjeüä" mufj e§ richtiger tjeifjen: „nur p
einem geringen STtjeile". 3)a§ 3- 3 ö. u. angeführte Sieb ift: „SCßer
toeifj toie natje mir mein Günbe , ob tjeute nidjt mein jüngfter Sag" ;
nidjt ju berroectjfeln mit bem berühmteren Siebe gleichen Einganges
ber @räfin 5temilie Juliane b. Scr)maräburg (j. 91. ©. 35. I, 127):
„ÜEßer roeifj roie nat)e mir mein Qünbe, tjin getjt bie 3^it, tjer lommt
ber £ob". — 3ur Sitteratur für |)enrici ift nod) tjin^upfügen : 3ö>
ben§, Sejicon 33b. 2, S. 349 ff. I u.
S5anb XIII.
S. 75. 3- 23 b. u.: @§ ift faum bentbar, bajj SSijdjof Jperimann bon 2lug§=
bürg (1096—1133), ber ba§ SSiätrntm um 50 Satente getauft tjatte
unb e§ mit bem Äaifer gegen ben ^apft tjiett, bor feiner 2lu§föt)nung
mit bem 5ßapfte (1123) einen foldjen Eiferer gegen bie Simonie, roie
-£)onoriu§ e§ mar, a(§ SctjolafticuS feiner 2)omtn:dje gebutbet tjätte.
9Jtan lefe fein Offendiculum, 3. 35. bie Stelle: Qui aliunde ascendunt
per pecuniam, non sacerdotes , sed fures sunt et latrones. Et licet
centum infulis decorentur, . . . canes sunt etc. (Revue des sciences
eccles. 1877. I, 547, bgt. ib. II, 59. 64). (£3 bleibt iebod) bie
3Jtögtidfjfeit , bafc £onoriu8 nad) bem ftütftritte <Sert)or/§ (um 1123
796 ;',uiat;c 11 n t» SBerid)tigungen.
ober 112 1 ) 2>omfd)olafticu» botl SugSburg mürbe, in toeldje ^eit and)
fein SBert „De lamiDaribas Ecclesiae" fällt, worin cv fid) biefen Xitel
beilegt. Vlber and) in bem T^allc, bafj unter Augustodunum Vlutun
öerftauben roerben mü&te , bürite man bie anfange feiner fd)riftfteUc=
rifdjen SBirffamfeit nidjt bat)in oerlegen. 25er fird)lid)c StituS bei
feierlichen .1pod)ämtern , tuie itjn ber gleichzeitige ^ifdjo? Don Vlutun,
©tepljau uon Sauge* (1112 1189), in feinem Tractatns de Bacra-
mento altaris (Migne 172, 127:; ff | fdfcjilbett, tneidjt Don bem in ber
Gemma animae bes £>onoriu8 betriebenen in einzelnen ©tücfen ab,
namenttid) barin, ba| nad) ©teptjanue I. c. cap. XI bat Pallium illis
solis pontifieibus datur, qui b Bede apostolica mittuntur, n>&t)renb jp.
baffelbe nur bem Zapfte, ben ^Patriarchen nnb Qr^Dtfc^öfen ,uigeftel)t
(Gemma animae I. c. 186, 221 ff. i 2öenu bemnadj 0. jemals in
Slutun alg Xomicfjolafticus gemirft tjat, fo tonnte biefes nur fpiiter
ber Tyafl fein, nad)bem er fein fiebeutes äöerf , bie Gemma animae
bereits üermfjt batte.
©. 75. ;',. 15 ü. n.: Ter nachhaltige (*influfj beB Q , namentlid) feine«
Speculum ecclesiae, auf bie latciuifd)e nnb beutfdje ^rebigtlitteratur
feiner nnb ber nädjftfolgenben Qui ift erft in ben letjten .vVil)ren bnrd)
bie Sorfdjungen bon ©djerer, ©djöubad), 6. Sdjr&ber, C'mel , Stufen*
matjr n. S,U. uadigemiefcn morbeu. 5d)on fein ^eitgenoffe Söerner
üon 3t. SBlaflen entnahm für [eine Defloration«"« b, Patrum bem .fp.
üolle 18 $rebigten. S>eutfdje Homileten bagegen entlehnten iljra ge»
mölmlid) einzelne Iljeile, voont fid) namentlich bai in fid) abgefdjloffene
Exordinm ober bie l'egenbe eines heiligen ober ein thempel eignete.
Sögt. Ktuel, Gfefcrj. ber brutfdjen ^rebigt im 3R.«. 144 f.,
156, 169, 171. 188, 198, 208. ßinfenmatit, (Mrfd). b. $teb.
in S)eutfd)laub 194 — 200, 214, 218, 252. S. Sdiröber tm
änjeiger f. bcutfd)e* Vlltevtljuiu VII, 178- -
©. 75. 3- 11 u. u. : Ter Warne Simon finbet fid) nid)t ctma blofe in einer
|)anbfd)Tift, mit ©djröbev a. a. C. meint, fonbern iuol)l in ben meiften.
©iemer, meldtet früher gleichfalls einen Sdjreiöfeljler ümnutbet tjatte,
überzeugte fid) bei einem Sefud)e üon üier öfterreid)ifd)eu nnb einer
fteirifd)en (äbmont) iüibliotbef, bah bie Expositio in cantica in bieten
■Öanbfd)nfteu , barunter einige felbft am bem 12. x\aljrl)., bortjanben
ift nnb bafj in allen otjne 3lu?nat)me in ber SBibmung ber Warne
„Sönton" ftct)t iSüuiugsberidjte her faii Vlfab. b. 2i*iffenfd). in Söien,
28. 58b. 2. 356). l'lud) baS Giftercienferftift 9tein bei ®xa\
befitjt jroei {panbfdjriitcu biefes Kerfes uub in beiben finbet fid) ber
Warne ©ömou. — 3fn bem "Kamen ©ottfdjalf bermutijete 20. ©djerer
ben gleidjnamigen Vlbt üon $eitigentreuj (1186—1147). dagegen
luenbct ©diröber ein, bas Inevitabile fei eine ^ugenbarbeit be8 .£).,
»ätjrenb ©ottfdjalf erft 1136 jur Slbtmürbe erhoben mürbe. Mein
bai bem töottfdjalf gemibmete IBert de libero arbitrio (bei Migne
col. 1223) ift Dom Inevitabile (bei Migne col. 1192) rootjl zu unter=
fd)eiben. Ta ei im äBerfe de luminaribus ecclesiae nod) nidjt er=
roätint roirb, fo ift es [ebenfaHa nad) 1123, möglid)ermeife erft nad)
1186 berfa^t roorben. 53ebeutfamer ift bie dtnmenbung sBattenbad)'^,
ein tropft fei eben fein "Jlbt. Tod) tonnte man entgegnen, bafc ei
a. a. D. nid)t einfa^^in Godescbalco praeposito, fonbern G. fide et
opere sndanti in saneto propoaito, verbo et exemplo gregi ('liristi
praeposito fjeifjt , in meld)em 3lliaininen^)an9e eS redt)t gut im aüge=
3uiät$e unb ^eticfcttgungen 797
meinen einen SBorgefefeten bebeuten fann, um |o nubr, ba ber Stuibrucf
offenbar ju bem 3tt>ecfe gemahlt mürbe, bamit er fidj mit bem bor=
bergebenben proposito reime.
©. 75. 3- 10 *>• u- : ®ie Ütebeniart gratiam apostolici nominis sortitus be=
beutet mabrfcbeinticf) nickte meiter, at§ bafj ei eine ©nabe ift, ben
Flamen einei Stpofteli , nämticf) be§ beil. ibomai ju füt)ten. ©0
lagt ©t. 2lugufiin, ber SHebtingeauctor bei |>onoriui De civit. Dei lib.
15. c. 23, X. 1: Vlalachias Propheta propria quadam i. e. sibi pro-
prie impertita gratia dictus est angelus.
©. 75. 3- 6 D. u. : 25er 9lacbiolger bei im $• 1126 auf ben 2tugiburger
Sifdjofifitj erhobenen ST6tc§ 6uno ju ©iegburg fjiefs gleidjfatti Suno.
Sgl. ©gröber a. a. £5.
©. 77. 3- 16 0. 0.: Sinen menigfteni als terminus ante quem non brauct}=
baren cbronotogifcben s2lnt)altipunft bieten bie 2ßorte in ber Gemma
animae I, 120: Xoviter Urbanus II. Papa undecimam (praefationem)
de S. Maria addidisse non ignoratur, quae a pluribus ubique frequen-
tatur. ©iefe ^ßräiaiion fott auf ber Snnobe bou ^iacen^a 1095
eingeführt morben fein. ,£>efele, ßoncit. ©efcfj. V, 218. 2. Stuft.
S. 77. 3- 1-i ö. u- : Sener Stucibariui , roelcber bereiti im 12. Sabrt). ini
2)eutfcf)e übertragen roorben mar , unb in biefer Ueberfefeung noct)
brei^ebn SJructauigaben evtebt tjat, ift ein anonnmei lateiniferjei Jpanb=
büdjlein ber -#atur= unb Söettfunbe aui bem 12. ^afyify., metebei
jeiuen Jitet unb feine ©efpräcbiform bem tbcologifctjen Elucidarium
bei .ponoriui, aber au et) feinen ^nbatt fjauptfäcfjlicf) beffen natur=
gefd)ict)t(icf)en SSerfen enttetjnt bat. (Sruet, ©efeb. b. beutfeb. *)ßrebigt
im 3Jt 2t. 124.)
©. 78. 3- 26 0. 0. : Die Scala coeli minor ift nur eine ©eparatabfdjrift bei
(Srorbiumi ber 3ßrebigt auf Quinquagefima im Speculum ecclesiae bei
|)onoriu§. Stucb bie furje Slbbaublung : de X plagis Aegypti finbet
fich in fefjr üerfürjter ©eftatt ati SSeftanbttjeil ber ^rebigt auf ben
7. ©onntag nact) ^fingften in bem gleichen Söerfe.
©. 78. 3- 20 ü. it.: "Sie Qiuestiones in duos Salomonis libros finb jroar ein
bureb menige Umftetlungen unb v2lenberungen fcblecbt berbütltei Plagiat
aui ©atoniui, einem ©d)riitfteller bei 5. ^atjrtji. 2>ocb ift biefei
fein ©runb, um itjre @cf)tt)eit ju bejroeifetn. 9tuct) feine Summa totius
ift gröfjtentbeili aui ben Ütofenfetber Stnnalen auigefchrieben morben
unb anbere ©chriftfietter finb mit ben Söetfen bei <ponoriui auf
äbnlicbe 2ßeife beriahren. ©tanonif.
Sanb XXIV.
©. 269. 3. 11 0. 0.: ?ibam Oteariui ift ati am 16. Sluguft 1603 getauft
im ©t. ©tepbanifircfoenbud) ju ^tfeberiteben eingetragen. 2rot$bem
feine ^)intertaffenen 1599 al^ ©eburtijabr auf feinem ©rabbenfmale
angeben tieften, ift bemnaefa faft jmeifettoi, baß ati ©eburtijarjr 1603
anzunehmen fei. $gt. Dr. gbuarb ©roff e , 2tbam £). ßeben unb
©Triften. Ütealfc&.^rogramm Stfctjeriteben 1867. SR.
&anb XXV.
©. 369. 3- 5 ö. 0.: ..The Academy of ancient Musicu mürbe 1710 im ©aft=
tjaui ..Crown and Anchor" bon einer Stnjarjt Dilettanten im Sßerein
mit bamati bebeutenben 2Jtujtfem in ber 9Ibficbt gegrünbet, ber berein*
79g 3ufÄfee ll,ib SJeridjtigungen.
bredjenben ^h»1*) moberncr sUUifif (rooju in bicfer $e\t aud) bie
£mnbel'fd)e \til)ltei einen £amm entgegenaufetjen. IRit s}*epufd) maren
an bet ©rünbung augleid) ttjätig .£>. sJteebter, ©aüiarb, Dr. Maurice
©reene, 33erub,. ©ate« n. a.; bie Gfyöre Don St. ^nul'ä unb ÜioVjal
Gtjapel untersten bie Aufführungen. 8m 1. jjuni 1727 toaste
bie Academy „nomine contradicente" ben berühmten I». Wgoftino
©teffani, s-öifd)of Don ©piga (t 1730), 311 itjrcm üpräfibenten. @r blatte
iljr tüiebcr^olt feine beften Söetfe unter bem ^feubonpm „s|UDa" \u-
gefdjidt. 3m 3. 1731 trat infolge Don 3nnftigfeiten Dr. ©reene
mit feinen Gtjorfnaben aus bem Stareine unb rief eine neue im ©aft=
tjau* „Devil Tavern" (Temple Bar im 9lpoflofaal> fid) üerjammelnbe
mufifalifdjc ©efeüfd^aft inä ßeben. Raubet foll bei biefer ©elegeub,eit
gejagt Ijaben: „Dr. ©reene ift jum £eu;et gegangen." 5)ief er herein,
aud) „Apollo-Society" genannt, führte ntetft baß Don -"jpänbel 1 7 2 < >
auf 2Bunfd) beö .frerjogss Don tffyanboö componirte unb mit 1000 s#fb.
fyonorirte Oratorium: „OMtljer" öffentlich am. JKe prädjtige s-8iüa
be« $eqog8 (+ 1747) ui Cannonft, bie 230000 $fb. ©t. gefoftet
tjatte, mürbe brei 3a^'c nfld} »f)rc* 23cfifcerg Üobe um 11 000 sJtfb.
St. bettauft. 53on bei ganzen bamaligen £>errlid)feit tjat fid£) bi*
^eute nur bie äBf)itd)urd) (,ui bei f. 8- bie Dornebme 2öelt Bonbon»
t)inau8ful)r, um bie in ihrer Sit einzigen Wiidjenmufifen ju Ijören),
tjeute $fait!it$e be« Soiie* (frbgroare, crt)alteu. - 3m 3- 1784 30g
fidt) aud) OJatce mit ben f. ftapellfuabcn Dom Vereine, ber nun einen
fdjroeren ©tanb um feine djifteuj \u Miljren Ijatte, juviief. S)ie Aca-
demy löfte fid), nad) [oft 100 jährigem Befielen, anfangt biefeä %a\)x*
b/iinbert« auf. 3$« foftbave ÜMblioüjef, ber f. 3- flud) silepufd) feineu
^Jtufifalieubefi^ Dererbt tjatte, warb in alle äöinbc jerfheui (£in Don
Zt\. .gnibfon gemalte« unb Don 8C. Dan paeden fil)t fd)i>u geftodjeneä
©djttmrjfunftblatt, giebt, toie e« fdjeint, ein fpred)cub ät)nlid)ee $ortt&t
Don "^epufd). £a8 Dofle ®eftd)t Ijat einen freunblidjen unb tn 0 1) l =
moHenbeu Wufcbrurf, bie Singen blicfen fing unb ernft unter ber großen
?ldongeperüde unb in feinem ©taatsgemanbe \cigt fid) uns ein sDUinn
Doli SOßürbe, ber aber nid)t oljuc Selbftbcwufjtfein ift; bie ftigur ift
frä'tig, ftattlid) unb brcitfcfjulterig. ©d)l.
Seme ti nn g ber 9t e b a c t i 0 n.
2ßit l)aben im Siaufe tiefet 3<ibre* wegen ?et)lenber unb ju jpät einaeliefettet
9Jtanufcriptc ben_£rurf ber x'lllg. I. ^iogrnptjic in rutiber Summe roaljrenb jtoölf 9Boä)eu
rutjen laffen mfiffen; fed)* bntion fyaben mir aUetbinai biirdj eine für bie JHebaction tote
für ben gettn Setleget erbriiefeube ftSufung ber Vlrbcit miiljrcnb ber übrigen v°,eit triebet
eingebracht. äBcnit mir troimem bcbauerlidier SSeife nod) eine Snja^l imn Virttteln nie
9iad)träge brueten tüffen müfien, io meiien OJebaction unb Setleget bie SBrtanttoottung
bafür Don fid) ab; fie t)flben ba§ 3^iflc. um biefem Ucbelftanbe Dorjnbeugrn, tmllanf obet
ftud)tlo§ gettjan.
^ieicr'idie ^ofluid'brucfctei ©teptjan ©etbel A (5o. tu »Jlltcnbutfl.
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