Google
Über dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin¬
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nutzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser We lt zu entdecken, und unterstützt Au toren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter http : //books . google . com durchsuchen.
Erkrankung
I. Infections- und Allgemeine Krankheiten.
Rheumatismus articul. acutus et chronic.
Typhus abdominalis.
Aktinomycosis.
Gonorrhoea acuta .
Gonorrhoea chronica.
Ulcus molle.
Primäre Syphilis.
Constitutionelle Syphilis.
Scrofulosis universalis.
Tuberculosis universalis.
Arthritis chronica.
Chlorosis.
Anaemie.
Bösartige Neubildungen:
Carcinoma oesophagi.
Carcinoma ventriculi.
Carcinoma uteri.
Lymphosarkom.
II. Lokalisirte Krankheiten:
A. Krankheiten des Nervensystems.
Hemiplegie.
Syringomyelie.
Tabes dorsalis.
Ischias .
Neuritis N. Ulnaris.
Epilepsie. .
Neurasthenie. * . .
Hysterie.
B. Krankheiten der Augen und Ohren.
Keratitis parenchymatosa.
Otitis media catarrhalis chronica.
C. Krankheiten der Athmungsorgane.
Rhinitis chronica.
Laryngitis catarrhalis chron.
Bronchitis acuta purulenta.
Bronchitis capillaris.
Pneumonia catarrhalis.
Pneumonia crouposa. ■ • - .
Latus 1 . .
Be¬
stand
am
21. Juni
1898
M. W.
Zu¬
gang
M. IW.
G
he
M.
e-
ilt
w.
Ausg
der Kra
Ge-
bewert
M. W.
ang
inkheit
11 n-
gehellt
mJw.I
Ge¬
storben
1 m :! w v
Be¬
stand
am
20. Juni
1899
M. W.
8
7
5
5
i
2
o
_
—
2
—
2
—
—
—
1_
—
—
—
—
—
—
—
8
—
7
—
1
—
—
—
—
—
—
—
—
—
8
—
4
—
3
—
; -
—
—
—
1
—
_
_
7 !
_
*
_
_
_
| _
—
—
—
—
—
_
_
4
2
2
1
1
.—
1 _
—
i
—
1
1
1
—
7
4
3
1
5
3
—
—
1_
—
—
—
1
—
—
—
—
— i
—
—
—
—
! -
—
1
—
—
—
2
1
—
—
—
—
1
— i
1
1
—
—
_
2
1
1
—
—
1
1
—
—
1
—
1
—
2
—
3
—
3
—
1
—
—
—
—
—
1
—
—
4
—
3 1
—
1
—
~
—
i
1
|
1
i
i
—
—
5
—
5
—
—
—
—
—
—
—
—
—
_
—
1
—
1
— i
—
—
—
—
—
—
—
—
1
_
2
1
1
—
—
1
1
—
—
—
l
—
-
_
0
_
2
—
3
—
—
—
—
—
1
—
—
—
—
8
—
—
—
5
—
2
—
1
1
_
1
i
6
3
6
3
i
_
—
—
1
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
1
—
1
—
—
—
—
—
| —
—
—
—
3
1 5
i 76
40
46
I 16
17
14
l
| 6
2
I 2
1 4
1 *
9
Allgemeine homöopathische Zeitung
igitized by ^»o e
R { ! r ‘
A 44
Digitized by ^»ooQie
Digitized by ^»ooQie
Digitized by
Digitized by ^»ooQie
Digitized by
Digitized by
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITIM
- -+- -
HERAUSGEGEBEN
Dr. med. MOSSA-STUTTGART.
EI N H U N DERT-ACHTU N DDREISSIGSTER BAND.
(138. Band.)
LEIPZIG
VERLAG von WILLIAM STEINMETZ (A. MARGGRAF’S HOMÖOPATH. OFFICIN.)
1899.
Digitized by A^OOQie
Digitized by
I. Inhalts-Verzeichniss
zum
138. Bande der Allgemeinen homöopathischen Zeitung.
No. 1 and 2.
Zum neuen Jahre 1890. Vom Schriftleiter . . .
Studie über Ranunculus. Von Dr. Rob. Stäger-
Bern.
Die Behandlung der chronischen Appendicitis mit
Mercur. Von M.
Die Homöopathie auf der Weltausstellung von 1900
Bemerkungen über die Behandlung der senilen
Prostatahypertrophie, mit besonderer Berück¬
sichtigung des Gebrauchs von Ferrum picratum.
Von Dr. Dudley Wright, Assistenzarzt für
Chirurgie, in specie für Hals und Ohrenkrank
heiten, am Londoner homöopathischen Kranken
hause .
Argentum nitricum. Von M.
Ein Fall von Campher-Vergiftung. Von Dr. Mossa
Teucrium scorodonia. Von Dr. Mossa.
Vom Büchertische. Die Heilkraft des Lichtes.
Von Dr. Willibald Gebhardt. Besprochen von
Dr. Mossa.
Aufforderung.
Lesefrüchte.
Anzeigen
No. 3 and 4.
Drei Fälle von Influenza. Von Dr. Chancerel-
Paris. (Referat von Dr. Kob. Stäger-Bern.) . .
Aranea diadema. Von Dr. Mossa.
Wie sterben die Diabetiker, und wie sollen sie
leben? Aus einer Vorlesung von Professor
Le Gendre am Hopital Tenon zu Paris. Von
Dr. Mossa.
Gefühl von Kälte oder Brennen zwisohen den
Schulterblättern. Von M.25
Einige Fälle von Appendicitis. Von Dr. A. R.
Wright.27
Professor Virchow in London Von Dr. Mossa . 27
Zwei Fälle von Psychopathia melancholica. Von
-Dr. I. K. Eberle-Pana, Illinois.28
Salpingitis. Hydrastis canadensis und Sanguinaria
canadensis. Von Dr. R. T. Cooper-London . . 29
Einige Indicationen für „See • Krankheit“. Von
Dr. M.30
Lesefrüchto.30
Anzeigen.31
! No. 5 and 6.
ite I
l Versuche mit Kali ar enicosum an Thieren. Von
Dr. Max Quaglio in München. Ref. Dr. Mossa
3 Ein schwerer Fall von Ascites. Von Dr. Mattoli.
Ref. Dr. Goullon.
5 Lilium tigrinum bei Gebärmutterflbroiden. Von
(j Dr. Sigmund Raue-Philadelphia.
Von der neuen Arzneimittellehre. Von Dr.
Gisevius jun.
Bemerkungen über Nieren krankheiten. Von M.
Wie erklärt man sich die bei Magen- und Leber¬
leiden vorkommenden Erscheinungen von Seiten
des Herzens. Von M.
(3 Ein Lepra-Fall. Von Dr. Mossa.
g Zur Tripperseuche. Von M.
g Vom Büchertische.
9 Lesefrüchte.
Anzeigen.
11 No. 7 and 8.
13
jo „Einseitige“ Krankheiten. Von Dr. Mossa . . .
Aranea (diadema). Eine Signaturstudie von
E. Schlegel, Arzt in Tübingen. Bryonia (alba)-
Signaturenbild. Von demselben.
Rundschreiben, betreffend Perityphlitis. Von Dr.
Gisevius jun.
Chirurgia homoeopatliica. — Myristica sebifera.
Von Dr. Olivö y Gros in Barcelona.
! J | Das Gesetz der Zweckmässigkeit im menschlichen
Organismus systematisch beleuchtet. Eine ana
tomisch - physiologische Abhandlung als natür¬
liche Teleologie. Von Ad. Alf. Michaelis. Be¬
sprochen von Dr. H. Goullon.
Paracelsus, der „Franzosen Arzt“. Von Dr. Mossa
Das Reconvalescenten - Heim „Hahnemann“ zu
Bournemouth. Von M.
Klinische Indicationen. Von M.
Bitte an die Collegen!.
Lesefrüchte.
Personalia.
Anzeigen.
No. 9 and 10.
Der relative Werth von Symptomen. Subjective
und objective Symptome. Von Dr. Samuel
A. Kimball, Boston.
Seite
33
37
39
40
42
43
43
44
44
45
47
49
53
56
59
60
61
62
62
62
63
63
65
Digitized by ^»oooie
IV
Seite
Cantharides als ein Haemostaticum in Haematnrie
und ihr Gebrauch in Albuminurie. Von Dr.
Mossa.08
Signaturenlehre, in. Allgemeines. Von E. Schlegel,
Arzt in Tübingen.70
Petition betreffs der ärztlichen Ehrengerichte.
Vom Verein preussischer selbstdispensirender
homöopathischer Aerzte. Bemerkungen dazu
von Dr. Gisevius jun.71
Wirkung von Alumina auf die Stimmorgane. Aus
einer Vorlesung von Prof. J. Kent.70
Eine Phytolacca * Skizze. Von Prof. Thomas C.
Dunham Chicago.74
Die Chlorose in ihren Beziehungen zu den Ver¬
dauungsorganen. Referat nach Prof. K. v. Noorden 74
Diabetes mellitus. Von M.77
Bitte an die Collegen!.78
Herzliche Bitte für eine Arzt Wittwe. 3. Quittung
über eingegangene Beiträge.. . 78
Hahnemann’s Grab in Paris. Erneuter Aufruf! . 79
Personalia.79
Anzeigen.79
No. 11 and 12.
Micropathie. Von Dr. Mossa.81
Antipyrin. Von Dr. S. J. van Roijen-Utrecht . . 82
Homöopathische Rundschau. Auszug aus dem
Journal Beige d’homoeopathie und der Revue
homoeopathique frangaise. Von Dr. med. Rob.
Stäger. 1. Vom äussern Gebrauch homöopathi¬
scher Medicamente. Von J. Göret, Apotheker 81
Seborrhoea. Von Dr. W. S. White, Professor und
Docenten für Haut- und Geschlechtskrankheiten
an dem homöopathischen Colleg zu Chicago . 88
Ueber die Erkrankungen des Naseneingangs und
seiner Umgebung. (Erythem, acne rosacea.)
Von Dr. Felix Peltesohn-Berlin, Specialarzt für
Ohren, Halz- und Nasenleiden.90
Vom Büchertische. Von Dr. Mossa.93
Selenium in der Impotenz. Von M.94
Bitte an die Collegen!.94
Lesefrüchte.94
Anzeigen.95
No. 13 and 14.
Berliner homöopathisches Krankenhaus. Einladung
zur Ordentlichen Generalversammlung am
15. April 1899 . 97
Prof. Dr. Liebreich’s Vortrag über: „Wehrkraft des
Organismus gegen Mikroorganismen“ auf der
20. Jahresversammlung der Gesellschaft der
deutschen Badeärzte in Berlin am 6. März 1899 97
Zur diesjährigen Influenza - Epidemie in Nord
Amerika. Von Dr. W. W. Gleason. Ref. Dr.
Mossa.99
Formulaire de thörapeutique positive (Homoeo
pathie). Par Dr. G. Sieffert. Besprochen von
Dr. Marc Jousset (l’art medical).102
Homöopathische Rundschau. Auszug aus dem
Journal Beige d’homoeopathie und der Revue
homoepathique frangaise. Von Dr. med. Rob.
Stäger. (Fortsetzung.).105
Cocain-V ergiftungen.107
Ward’s Island Hospital, New York. Von Dr. Mossa 108
Lachesis in Endocarditis. Von M.109
XV. Jahresbericht des homöopathischen Spitals
München.110
Seite
Bitte an die Collegen!.110
Lesefrüchte.110
Anzeigen.111
No. 15 und 16.
Zu Samuel Hahnemann’s 144. Geburtstage am
10. April 1899 . 113
Berliner homöopathisches Krankenhaus. Ein¬
ladung zur Ordentlichen Generalversammlung
am 15. April 1899 . 114
Chininum arsenicosum. Von Dr. Schier in Mainz 114
Indicationen für Jod und einige praktische Fälle 117
Der internationale homöopathische Congress von
1900. Von Dr. Theodor Kafka.120
Professor Eimer Gates psychologische Heilart.
Psycholurgie. Von Dr. Mossa.120
Homöopathische Rundschau. Auszug aus dem
Journal Beige d’homoeopathie und der Revue
homoeopathique frangaise. Von Dr. med. Rob.
Stäger. (Fortsetzung.).123
Zur Behandlung der Influenza — Mittelwechsel.
Von Dr. Criquelion (Mons).125
Vom Büchertische. Von Dr. Mossa.125
Kur- und Wasserheilanstalt „Kaiserbad“ in Rosen¬
heim .127
Lesefrüchte.127
Personalia.127
Anzeigen.127
No. 17 und 18.
Einladung zur Frühjahrsversammlung des Sächs.-
Anhaltinischen Vereins homöopathischer Aerzte
am 14. Mai in Halle.129
Venen - Affectionen, durch Arzneistoffe erzeugt.
Von Dr. Cartier.129
Behandlung der Skoliose, aus einem Briefe Hahne¬
mann’s an Dr. Löwe in Prag. Von Dr. Mossa 131
Antipyrin. Von Dr. W. Bohn.132
Homöopathische Rundschau. Auszug aus dem
Journal Beige d’homoeopathie und der Revue
homoeopathique frangaise. Von Dr. med. Rob.
Stäger. (Schluss.).133
Heilmittel bei septischen Zuständen, mit beson¬
derer Beziehung auf Endocarditis ulcerativa.
Von Dr. Byres Moir.134
Ein Fall von Myxoedem-Heilung.137
Homöopathischer Centralverein Deutschlands.
Rundschreiben. Von Dr. Dammholz in Berlin 139
Reglement für den internationalen homöopathi¬
schen Congress im Jahre 1900. Von Dr. M.. . 139
Gelbsehen (Xanthopie) nach Kohlenoxyd-Vergif¬
tung. Von M.140
Dr. K. Friedr. Walz, russischer Staatsrath, f. Von
Dr. Mossa.141
Vom Büchertische.142
Lesefrüchte.142
Hahnemann-Grab Denkmal in Paris. 5. Quittung 142
Bitte an die Collegen. 1. Quittung.143
Herzliche Bitte für eine Arzt Wittwe. 4. (Schluss )
Quittung.143
Anzeigen.143
No« 19 and 20.
Einladung zur Frühjahrsversammlung des Sächs.-
Anhaltinischen Vereins homöopathischer Aerzte
am 14. Mai in Halle.145
Die Grundgesetze der arzneilichen Organtherapie
_J *1_ T» 1 __ 1_ -.. 1 • -r. • -.T ,
und ihre Bedeutung für die Praxis. Vortrag,
Digitized by
Google
V
. Seite |
Seite
gehalten in der Sitzung des Greifswalder medi-
cinischen Vereins am 11. März 1899. Von Prof.
Hugo Schulz, Greifswald.145
Die physiologische Wirkung der Chinarinde und
der Chininsalbe. Bearbeitet für die neue deutsche
Arzneimittellehre von Dr. Schier, Mainz . . .150
Berliner homöopathisches Allerlei. Von Dr.
Gisevius jun.154
Nausea et vomitus gravidarum. Vortrag von Dr.
Franz Elliot - Kansas in der Missouri Valley
Medical Association.155
Vom Büchertische.157
Lesefrüchte.158
Anzeigen.159
No. 21 und 22.
Die physiologische Wirkung der Chinarinde und
der Chininsalbe. Bearbeitet für die neue deutsche
ArzneimittellehrevonDr.Schier-Mainz. (Schluss.) 161
Ehrengericht und Medicinalreform. Von Dr.
A. Sperling. Referat von Dr. Stiegele jun. im
Verein der homöopathischen Aerzte Stuttgarts
am 20. April 1899 . 163
Hautaffectionen bei Diabetikern. Heilwirkung von
Karlsbad Dr. Kafka. Von M.165
Keine Abrüstung. Von Dr. Mossa.167
Melilotus. Von M.1G8
Kalium jodatum in Neuralgia.170
Sabal serrulata (Saw Palmetto) bei Prostata-Hyper¬
trophie. Von Dr. W. Reily.171
Rückensymptome in Bezug auf die Menstruation.
Von M.172
Antipyrin. Von Dr. S. J. van Roijen.173
Kali bichromicum in seiner Wirkung auf die
Augen. Von M.173
Lesefrüchte.174
Todes Anzeige.175
Danksagung.175
Anzeigen.175
No. 23 und 24.
Einladung zum Abonnement ..177
Dr. Arnold Lorbacher, gest. am 10. Mai 1899. Eine
Skizze seines Lebens und Wirkens.177
I Ulcera varicosa — Clematis vitalba.181
Diagnose und Prognose der Cholelithiasis. Referat
' von Dr. Th. Kafka in Karlsbad.181
| Das Selbstdispensirrecht der Aerzte und Homöo-
| pathen.184
Materia medica.187
Scorbut Rhachitis. Von Dr. J. Roberson Day, Arzt
für Kinderkrankheiten am London Homoeo-
pathical Hospital. Ref. Dr. Mossa.188
Indicationen für Staphisagria. Von M.189
Kurpfuscher Frage. Von Emil Schlegel, praktischer
homöopathischer Arzt in Tübingen.190
Tinctura Jodii in der Diarrhöe der Phthisiker.
Von M. 190
Ehrengerichte der Aerzte in Preussen.191
| Anzeigen.191
No. 25 und 26.
Einladung zum Abonnement.193
Vorläufige Einladung zu der am 9. und 10. Aug. a.c.
in Elberfeld stattfindenden Generalversammlung
des Homöopathischen Centralvereins Deutsch¬
lands .193
Zum Tuberkulosen Congress im Mai 1899. . . . 194
Diagnose und Prognose der Cholelithiasis. Referat
von Dr. Th. Kafka in Karlsbad. (Schluss.) . . 194
Die homöopathische Behandlung bei Morbus
Brightii. Von Dr. George Royal. Ref. Dr. Mossa 197
Nephritis. Von M.199
Acidum carbolicum bei Eczetiia. Von Dr. Mossa 200
Ferrum phosphoricum. Von M.201
Besprechung der bisher eingegangenen Arbeiten
für die Neue deutsche Arzneimittellehre. Von
Dr. Gisevius jun.202
Vom 17. Congress für innere Medicin in Karlsbad
vom 11. —14. April 1899. 204
Einige Striche zur Charakteristik des Verfassers
der Brochüre „Ueber Kurpfuscherei“. Von
Dr. Fr.205
Rhododendron verglichen mit Rhustoxicod. VonM. 206
Lesefrüchte.2n6
Anzeigen.207
Digitized by c»ooQie
II. Sach-Register
zum
138. Bande der Allgemeinen homöopathischen Zeitung.
Angina follicularis. 170.
Aconit. 90r V öl
physiologisch u. therapeutisch.
Acidum carbolicum. -206; ^ c D,
bei Eczema.
Acidum oitricum. 14.
(äusserlich.)
Diphtherie.
Alkohol-Verband. 30.
Alumina - W irkung
auf die Stimmorgane. 73.
Anacardium -Wirkung
(extern). 187.
Antimonium tartaricum. 3. 1 )
Erbrechen nach dem Essen.
Antipyrin Pathogenese. 82.
(Zusatz.) 132.
Apis mellif. 187.
pathologisch — anatomisch —
physiologisch.
Aranea diadema Fälle. 19.
Signaturstudie. 53.
Argentum nitricum Indicationen. 8.
bei Cerebralleiden.
Psychosen.
Arnica mont.
bei Tonsillitis. 170.
Arsen.
anhaltendes Brennen auf der
Zunge. 51.
— bei Phlebitis. 130.
Arsen, jodatum. 171.
bei cancroiden Geschwüren.
Arthritis. 123.
Pulsatilla, Caustic, Colchicum.
Ascites 38.
Apis.
Asa foetida. 170.
bei Nieskrampf.
Asthma dyspepticum. 45.
-Becken Symptome / 7 1
bezüglich der Menstruation. 373.
Apis.
Nux.
Phosphor.
Kali carb.
Spongia.
Baryta c.
Berberis.
Cocculus.
Hydrastis.
Lycopodium.
Pulsat.
Verb, opulus.
Agaricus.
Calc. c.
Sassaparilla.
Ammonium mur.
Ustilago.
Magn. mur. und carb.
Causticum.
Borax. 51.
Sputum mit Geschmack von Keller¬
schimmel und dumpf riechend.
Brief Hahnemann’s. 131.
betreffs Scoliose.
Bryonia alba.
Signaturen-Bild. 54.
Campher-Vergiftung. 8.
Cantharides —
Haemostaticum bei Haematurie
i und Albuminurie. 68.
I Causticum: Symptom. 62.
Leere Gefühl zwischen Stirn und
Gehirn.
Chinarinde. 150 und 162.
Chinasalze — physiologische
Wirklingen.
Chininum arsenicosum. 117.
Prüfung.
Chlorose und die Verdauungs-
organe. 74.
Cholelithiasis. 181. 194.
Diagnose und Prognose.
Clematis vitalba. 181.
bei Eczema.
Ulcera varicosa.
Condadia bei Eczema. 133
Crotalus in Cephalalgie. 62.
Cystitis. 125.
Petroselinum.
Hep. sulph.
Aconit.
Nux vom.
Arsen, alb.
Camphora.
Berberis.
Kali bicliromicum.
Natr. muriat.
Phosphori acidum.
Pulsatilla.
Lachesis.
Terebinthina.
Hyoscyamus.
Carbo veget.
Causticum.
Cantharis.
Chimaphila.
Diabetes. 21.
exitus — Diätetik
Pancreat. succus. 77.
Hepatin.
Uranum nitricum.
Arsen.
Acid. phosphor.
— Diab. Hautaffectionen. 165.
Carlsbad.
Dispensirrecht. 184.
Gesetzliche Bestimmungen in
| Preussen.
Eczem. 133.
Comocladia.
Acidum carbol. 200.
Ehrengerichte
und Medicinalreform. 163.
Endocarditis exulcerativa. 136.
Aconit.
Lachesis.
Naja.
Erythema nasi. 90.
Externe Anwendung homöopathi
scher Mittel. 89.
Ferrum acet. 3.
bei Vaginalschmerz. 51.
Ferrum Gehalt der Leber. 63.
Ferrum pliosphoricum-Indicationen.
201 .
Otitis media
(in einem Fall Delirium.)
Pneumonieen.
Ferrum picratum
bei Prostata-Hypertrophie. 6.
Formulaire de thürapeutique posi¬
tive. 102.
tJynaekologie.
locale Therapie. 124.
Innere Mittel:
Actaea racemosa.
Belladonna.
Bryonia.
Calcarea carbonica.
Chamomilla.
Gelsemium.
Helonias.
Kreosot.
Lilium tigrinum.
Nux voiniea.
Platina.
Pulsatilla.
Seeale.
Sepia.
Sulphur.
Hamamelis
bei Phlebitis. 130.
Hautleiden
bei Diabetes. 165.
Heilkraft des Lichts. 11.
Phototherapie.
Herzsymptome. 43.
bei Magen und Leberaffectionen.
Hydrastis canad. 171.
bei bösartigem Zungengeschwür.
Impotenz.
Selenium. 94.
Digitized by c»ooQie
VII
Influenza. 17.
Pneumonia.
Phosphor.
Calc. phosph.
Ly copodium.
— gastro intestinale Form. 18.
— Epidemie 1899 in Nord-Amerika.
99.
Lycopodium.
Pulsatilla.
Kali biclirom.
Kali carbon.
Bryonia.
Sulphur.
-Therapie. 125.
haemorrhagische Form.
Arsen, nnd Acid. phosph.
Arsen, n. Bryonia.
Hep. sulph.
Pulsat. und Lycopodium.
Arsen, jodatum.
Internationaler homöopathischer
Congress in Paris 1900. 120.
— Reglement. 139.
Insufficienz des Herzmuskels. 204.
Intoxi cationen.
Campher. 8.
Cocain. 107.
Jod-Indicationen. 117.
bei Pneumonie.
— Psychose. 119.
Struma. 119.
Jod-Tinctur
bei Diarrhoea phthisica. 190.
Ipecacuanha.
Fall von Odontalgie. 50.
Kali bichromicum
als Augen-Mittel. 173.
Kali arsenicosum.
Thier-Versuche. 33.
Kalium jodatum. 117.
bei Pleuropneumonie
und Pneumonia secundaria.
Kal. jodatum. 170.
in Neuralgieen.
Keloide und Narben. 107.
Graphit.
Kal. bichromicum.
Lachesis.
Sulphur. acidum.
Krankheiten — einseitige. 49.
Kurpfuscher-Frage. 190. 205.
Lachesis. 62.
bei Cephalalgie.
bei Endocarditis. 44$: /0CJ,
Lappa major.
bei Eczem. 171.
Ledum palustre
bei Hustenauswurf mit dumpfigem
Geschmack. 50.
Lepra-Fall. 43.
LiUnum tigrinum
bei Uterinfibroiden. 39.
Helilotus alba. 168.
Symptome und Indicationen.
Kopfconges tionen.
Haemorrhagiae p. partum.
Epistazis.
Mönier’scke Krankheit. 106.
Bryonia.
Aurum.
Spigelia.
Pilocarpin.
Chinin.
Acid. hydrobromic.
Cocain.
Tabaccum.
Mepliitis. 62.
bei Pertussis. • .
Mercur. dul c«r 5. <}**£**'
bei chronischer Appendicitis.
Micropathia. 81.
Morbilli, frühzeitiges Symptom. +92?
Morbus Basedowii
mit Tachycardie
bei Kindern. Fucus. 123.
Baryta jodata. 123.
Lapis albus.
Thyroidin.
Spigelia.
Morbus Briglitii. 197. 199.
Merc. corrosivus.
Phosphor.
Apis.
Arsen.
Terebintliina.
Kali chloricum.
Myristica sebifera. 56.
bei Eiterungen.
Spina ventosa.
Ulcus scrophulosum. 57.
Ulcus callosum.
Erysipelas phlegmon.
Myxoedem. 137.
geheilt durch Schilddrüse.
Naja in Ceplialalgieen. 62.
Nausea et vomitus gravidarum. 155.
Bell.
Lobelia.
Ipecacuanha.
Nux vom.
Phosphor, acidum.
Camphora monobromatum.
Cocain.
Pulsatilla.
Nephritis desquamativa. 199.
Arsen.
Plumbum und Arsen.
Therebintkina.
Nierenleiden. 42.
Lycop.
Arsen.
Terebinthina.
Sassaparilla.
Pareira.
Tuberculin.
Opium-Wirkung. 134.
auf die Haut. .
Organotherapie. 14a
arzneiliche.
Paracelsus als „Franzosenarzt“. 60.
Perityphlitis.
Operiren oder nicht? 158.
Phlebitis. 403: f$o .
Hamamelis.
Pulsatilla.
Phlebitis 403. f^0-
Apis mellif.
Arsen.
Lachesis.
— traumatica. 131.
Arnica.
Conium.
Hep. sulph.
— suppurativa. 131.
Apis.
Arnica.
Conium.
Hepar sulph.
Mercur.
Silicea.
Sulphur.
Myristica sebifera.
Lachesis.
Tarantula cubensis.
Phlyktänuläre Ophthalmia. 105.
Pkytolacca
bei Scarlatina. 62.
— symptomat. 405. 7
Prostatahypertrophie. 6.
Ferrum picratum.
Psoriasis. 206.
pathologisch.
Psychosen. 8.
Argent. nitricum.
Psychopathia. 28.
melancholica.
Aconit.
Helonias.
Hydrastis.
Psychurgia. 3 20.
Ranunculaceen. 3.
Ran. bulbosu8. 2>.
Herpes Zoster.
Eczema.
Pleurodynie.
Diaphragmatis.
Pleuritis.
Pneumonie.
Schreibekrampf.
Heufieber.
Alkoholismus.
Ran. sceleratus. */r
Pemphigus.
Ulcera cruris.
Reconvalescentenheim. 61.
homöopathisches.
Rkeumat. articulorum
acutus — Aetiologie.
Prophylaxis. 14.
Acidum citricum.
Rhododendron
verglichen mit Rhus. 206.
Röntgen Strahlen. 18.
Dermatitis.
Salol-Symptome. 33. I'
Salpingitis des Ohrs. 28. /: j .
Sanguinaria canad. *
Hydrastis canad.
Sabal serrulata.
| (Saw Palmetto)
i bei Prostatahypertrophie. 123,
Digitized by
Google
vm
Schlangengifte. 106.
Lachesis.
Crotalus.
Elaps corallinum.
Naja tripudians.
Scorbut-Rhachitis. 188.
(Barlow’sehe Krankheit.)
Calc. carbon.
Sch weissheilende Mittel. 105.
Seborrhöe. 88.
Seekrankheit. 30.
Arsen.
Borax.
Calc. carb.
Cocculus.
Colchicum.
Nnx vom.
Sepia.
Petroleum.
Pulsatilla.
Opium.
Selenium. 94.
bei Impotenz.
Sepia. 51.
Septische Zustände. 134.
Signaturen-Lehre. 70. '&***»>
Sputum nach faulem> Eiter
schmeckend, 57*
Strophantus-
Indicationen. 133.
I Symptomatische Heilungen. 50.
Symptome, Werth der subjectiven
und objectiven. 65.
Teleologie im menschlichen Orga
nismus. 59.
Teucrium, »corodonia
bei Phthisis. 9.
Thalliumacetat. 174.
Alopecia.
Trachomtherapie. 123.
Massage mit
Borsäure oder
Aurum mur. und metall.
( Tripperseuche. 44.
I Tuberkulosen-Congress
| in Berlin. 199.
| Typhus-Fall. 138.
I Ulcera varicosa. 181.
Clematis vitalba.
1 Uranium nitricum macht in starken
Dosis Nephritis. 171.
Venen-Affectionen. 129.
durch Arzneimittel erzeugt und
geheilt.
| Pulsatilla.
Arsen.
Lachesis.
j Yerbascum Thapsus. 133.
I Hustenmittel.
i Verrucae, ansteckuugsfäliig. 76.
I Xanthopie. 140.
| Kohlenoxydgas.
I Picrinsäure.
Conium.
! Crocus.
Hyoscyamus.
I Strontian.
III. Namen-Register.
Bohn 132.
Cartier 129.
Chancerel 19.
Dammholz 139.
Day (Robertson) 188.
Gates 120.
öisevius junior 42. 78.155. 1
204. !
Goullon 39. 59.
Kafka 120. 165. 181. 194.
Lahmann 157.
Langer 187.
Liebreich 97.
Martiny 9.
Mossa 3. 9. 11. 37- 44. 49.
68. 70. 90. 99. 102. 120.
126. 133. 142. 157. 168.
181. 194. 199. 201.
Moir 134.
Quaglio 33.
Hesly 171.
Royal George 197.
Roijen, S. J. van, 82. 171.
Schlegel 53. 70. 190.
Schulz, Prof. H. J46.
Sperling 169.
Stäger 3. 85. 105. 193.
Stiegele junior 263.
Windelband 78.
Nekrologe.
Dr. K. F. Walz 141. — Dr. Arnold Lorbacher 177.
Digitized by
Google
Band 138* Leipzig, den 5. Januar 1899. No. 1 U. 2.
ALLGEMEINE
Heraasgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A.Marggraf’s homöopath.Offlcln) in Leipzig
Thomaskirchhof 12.
Erscheint 14tägig zu2 Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 M. OOPf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs -Verzeichnisses (pro 1808). — Inserate, welche an Rudolf Mosse
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlein in Leipzig) zu richten
lind, werden mit 20 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 5—8 M. berechnet.
Inhalt. Zum neuen Jahre 1899. Vorn Schriftleiter. — Studie über Ranunculus. Von Dr. Rob. Stäger-Bern. —
Die Behandlung der chronischen Appendicitis mit Mercur. Von M. — Die Homöopathie auf der Weltausstellung von
1900. — Bemerkungen über die Behandlung der senilen Prostatahypertrophie, mit besonderer Berücksichtigung des
Gebrauchs von Ferrum picratum. Von Dr. Dudley Wright, Assistenzarzt für Chirurgie, in specie für Hals- und Ohren¬
krankheiten, am Londoner homöopathischen Krankenhause. —Argentum nitricum. Von M. — Ein Fall von Campher-
Vergiftung. Von Dr. Mossa. — Teucrium scorodonia Von Dr. Mossa. — Vom Büchertische. Die Heilkraft des Lichtes.
Von Dr. Willibald Gebhardt. Besprochen von Dr. Mossa. — Aufforderung. — Lesefrüchte. — Anzeigen.
Schluss der Schriftleitungr: Freitag vor dem Erscheinungstage. '•Ml
Zum neuen Jahre 1899.
Vom Schriftleiter.
Eine ruhige Folge des Seins und Thuns wün¬
schen wir uns selbst, und ebenso unseren Berufs¬
genossen und unserer Heilwissenschaft und Heil¬
kunst zum neuen Jahre. An diese Bedingung ist
ja alle ruhige, aber doch fortlaufende Entwicklung
geknüpft, und einer solchen hat sich auch unsere
Homöopathie während des verflossenen Jahres zu
erfreuen gehabt. Von grossartigen literarischen
Werken, epochemachenden Erscheinungen können
wir nicht berichten, wohl aber von ruhiger, fort¬
gesetzter, emsiger Arbeit, wie sie die auf der Ge¬
neralversammlung des Centralvereins zu Berlin ge¬
steckten Ziele erfordert haben. Die Herstellung einer
um- und durchgearbeiteten homöopathischen Arznei¬
mittellehre setzte viele Kräfte in Bewegung und
ist es erfreulich, dass das Werk der literarischen 1
Bearbeitung und der Nachprüfung einzelner Mittel
rüstig gefördert worden ist. Rufen wir den thätigen
Collegen, die neben ihrer Berufsarbeit opferfreudig
dieser Arbeit sich gewidmet haben, für das Ge¬
leistete ein „Glückauf** und „Schön Dank** zu, so
möchten wir sie zur Fortsetzung der Arbeit mit
einem „Vorwärts, vorwärts!** anspornen. — Gern
bekunden wir auch von den fortgesetzten Be¬
strebungen zur „Propaganda** unserer Heilmethode,
die doch nicht so fruchtlos gewesen sind, wie pessi-
mistisch-gestimmte Gemüther geahnt haben; im Gegen-
theil, es ist uns eine Reihe jungen Nachwuchses
auf diesem Wege gewonnen worden. Auch die in
Berlin vorbereiteten Kurse zur Einführung jüngerer
praktischer Aerzte in unsere Heilmethode wird,
hoffen wir, zur Ausbreitung derselben wesentlich
beitragen. Mit Genugthuung können wir ferner
berichten, wie die wissenschaftlichen Vorträge auf
unserem Congress in Salzburg, und auch die in
den Versammlungen einzelner Provinzial vereine, wie
in der der vereinigten Schweizer und süddeutschen
homöopathischen Aerzte in Friedrichshafen und der
des Vereins homöopathischer Aerzte Württembergs
zu Stuttgart, sich nicht nur durch gediegenen In¬
halt austfeichneten, sondern auch ein reiches, für
j die homöopathische Praxis fruchtbringendes Material
an Beobachtungen und Thatsachen zu Tage för¬
derten, wozu besonders die ausgiebigen, an die vor¬
getragenen Themata sich anschliessenden Discussionen
beigetragen haben. Hoffentlich werden auch die
Mitglieder der anderen Provinzial- und Landesver¬
eine, wenn sie auch durch die Arbeit für die
Arzneimittellehre vollauf beschäftigt sind, dennoch
Zeit gewinnen, durch Mittheilungen aus der Praxis
Zeugniss abzulegen von der Leistungsfähigkeit un¬
serer Heilmethode auf den mannigfachen, selbst
schwer zugänglichen Gebieten der klinischen Me-
dicin. Denn, wollen wir unsere Position behaupten,
so dürfen wir uns von der Heilserum-Therapie und
Digitized by
2
der wilden, üppigwuchernden Isopathie, wie sie jetzt
im Lager der alten Schule herrscht, nicht ins
Schlepptau nehmen und uns von dem klaren, viel¬
bewährten Prinzipe unserer Heilmethode durch das
Irrlicht scheinbar glänzender Erfolge auf einen un¬
sicheren, schwankenden Boden verlocken lassen.
Wie unsicher, ratli- und hilflos die alte Schule noch
immer in ihrer Therapie ist, dafür spricht die Art
und Weise, wie sie bei uns längst eingebürgerte,
wohlgeprüfte und gutgekannte Mittel fort und fort
aus der Schatzkammer unserer Arzneimittellehre
keck und ohne den Quell zu nennen, sich annectiit,
deutlich genug. So hat erst jüngst ein allöopathi-
scher Arzt in England die Cantharis bei Nieren¬
leiden mit Haematurie in kleiner, für uns freilich
noch immer materieller Dosis, mit gutem Erfolge
gebraucht, nachdem die sonst übliche Haemostatica
ihm versagt hatte; aber weit entfernt, das Walten
des homöopathischen Princips hier anzuerkennen,
schreibt er einfach den kleinen Dosen von Can¬
tharis eine tcmisirende Wirkung auf die Nieren zu.
Jedenfalls ist diese Crypto-Homöopathie ein be¬
redtes Zeugniss von der Hilflosigkeit der Therapie
in der alten Schule, die uns wohl begreiflich ist.
Darum „halte, was du hast, und lass dir von Nie¬
mand die Krone nehmen!“
Haben wir nicht gerade in der Gegenwart allen
Grund, unser Palladium, das Aohnlichkeitsprineip,
hoch zu halten, da wir sehen, wie die Entwicke¬
lung der Heilwissenschaft mehr und mehr in die
Bahnen Hahnemann’s einlcnkt; und hat nicht selbst
seine Lehre von der dreifachen Wurzel der chro¬
nischen Krankheiten, namentlich nach der Seite der
Tripperseuche hin, durch die bakteriologische
Forschung, durch die Entdeckung des Gonococcus
als Erreger der Gonorrhöe und der auf gonor¬
rhoischem Grunde beim männlichen und noch mehr
beim weiblichen Geschlecht erwachsenen Krank¬
heitszustände, eine naturwissenschaftliche Basis er¬
halten? Was dem Einen unter uns als ein Adia-
pheron, dem Anderen als ein Absurdum erschie¬
nen, und das beide gern über Bord geworfen
hätten, siehe, es stehujetzt, gestützt auf die Logik
der Thatsachen, als ein überaus wichtiges Moment
in der Aetiologie so mancher chronischer Leiden
und als bedeutungsvolle Indication für die Mittel¬
wahl da!
Wir haben nur diese so viel verhöhnte Lehre
des Alten von Köthen aus seiner Ausdrucksweise
in die moderne, gangbare Sprache zu übertragen,
und sie steht unangefochten auf der Höhe der
gegenwärtigen Wissenschaft. — Darf man nun bei
dieser Sachlage der wissenschaftlichen Verhältnisse
für eine Annäherung beider Schulen eine günstige
Prognose stellen? Die grellen Gegensätze scheinen
in der That gemildert zu sein, und doch tritt wieder
und wieder neben einer sympathischen Begegnung
1 eine widrige Abstossung zu Tage. So haben wir
in No. 7/8 des vorigen Bandes dieser Zeitung aus
| dem grossen Sammelwerk der Professoren Eulen¬
burg und Samuel über allgemeine Therapie, die
j von Prof. Schulz-Greifswald gelieferte Abhandlung
über Pharmacotherapie, worin er der homöopathi¬
schen Heilmethode und ihrem Begründer volle Ge¬
rechtigkeit widerfahren lässt, mit Anerkennung be-
grüssen können. Aber siehe da! in demselben
Werke und gerade von einem der Herausgeber,
dem Prof. Samuel, befindet sich ein Artikel, der
unsere Heilmethode als ein Absurdum behandelt
und über sie den Stab bricht. Sollen wir es als
ein Zeichen von Toleranz oder von Indifferenz der
Herausgeber des Werkes betrachten, dass sie so
aus einem Brunnen, wenn auch durch zwei ver¬
schiedene Oeffnungen, Süsses und Bitteres fliessen
lassen?
Wenn uns die alte Schule im grossen Ganzen
unbehelligt lässt, so liegt der Grund zum Theil
auch darin, dass sie in ihrem eigenen Lager Diffe¬
renzen genug birgt und neben dem inneren auch
der äussere Zustand der medicinischen Berufsge¬
nossenschaft ihr vollauf Stoff zum Denken und
Schreiben und Debattiren giebt. Liegen doch eine
Anzahl von Problemen, von mehr oder weniger
brennenden Fragen, die freilich auch uns mit berühren,
zur Erledigung und zur Lösung vor. Da ist die
Frage über staatliche Organisation des ärztlichen
Standes theils von Seiten der Einzelstaaten, theils
von Reichs wegen, da ist die Frage, wie man der
gedrückten Lage, in welche das Krankenkassen-
: wesen, das Kurpfuscherthum, die grosse Bewegung
j der Anhänger des arzneilosen Naturheilverfahrens,
das Ueberhandnehmen der Polikliniken und des
Specialistenthums die praktischen Aerzte, zumal in
den grossen Städten, versetzt hat, abhelfen könne,
j In der That liegt der praktische Arzt bei uns nicht
; auf Rosen gebettet. — Die Ausbildung des Medi-
ciners stellt immer mehr Forderungen. Kaum reicht
! ein fünfjähriges Studium aus, um die immer mehr
I anschwellende Menge des Lernstoffes zu bewältigen;
dazu wird noch ein Jahr praktischer Bethätigung
j in einer Heilanstalt verlangt. Wie mancher mag da
mit Wagner (im Faust) seufzen:
„Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben,
I Durch die man zu den Quellen steigt;
Und eh’ man nur den halben Weg erreicht,
Muss wohl ein armer Teufel sterben.“
wenigstens oft materiell, aber auch durch Gehirner¬
müdung, erschöpft sein, und hat er endlich nach
heissem Bemühen das Diplom in der Tasche, so
starrt ihm die Oede des für den nicht beamteten,
| # '
praktischen Arzt immer mehr zusammenschrumpfen¬
den Krankenmaterials entgegen. — So erscheint
Digitized by GiOOQle
3
wahrlich die Constellation für den ärztlichen Stand
ä la fin du siöcle nichts weniger als günstig —
und so drängt auch bei uns, wie auf anderen so¬
cialen Gebieten, Alles auf Abhilfe, auf eine Reform.
Die vornehme, selbstgenügende Ablehnung der Uni¬
versitäten der homöopathischen und hydriatischen
Heilmethode gegenüber wird schwinden müssen.
Das physiologische Experiment der Heilstoffe am
Gesunden werden sie schliesslich doch als das Funda¬
ment zur Erforschung der Wirkung der Arznei¬
mittel anerkennen und das Opoiov zur Regel des
therapeutischen Thuns, zum therapeutischen Gesetz,
erheben müssen, schon um dem überwuchernden
Subjectivismus in der Therapie durch Annahme
eines festen Princips Schranken zu setzen. —
Darum dürfen wir nicht müde werden an dem
weiteren Ausbau unserer Pharmacodynamik, einem
Werke, das uns gegenwärtig in so hohem Maasse
beschäftigt, sowie aber auch in der Vervollkomm¬
nung unserer Therapie als Bestätigung der reinen
Arzneimittellehre. Möge Jeder an seinem Theile
und nach seinen Kräften thätig hieran mitwirken,
die Alten mögen uns aus der Fülle ihrer prak¬
tischen Erfahrungen ausgiebige Mittheilungen machen;
die jüngere Generation durch Betrachtung des von
der Homöopathie Gegebenen sub specie der moder¬
nen Wissenschaft sich und den Anderen das fremd¬
artig Erscheinende näher bringen und plausibel
machen. Unsere Zeitung wird Allen gern ihre Spal¬
ten öffnen, ganz besonders auch den noch so sehr
entbehrten und doch so überaus nothicendigen Mit-
iheilungen aus unserem homöopathischen Kranken -
• hause ln Leipzig , sowie aus der dortigen Poli¬
klinik!
All den Collegen aber, die während des ver¬
flossenen Jahres in „ruhiger Folge“ an unserer
Zeitschrift mitgearbeitet haben, sagen wir unseren
aufrichtigen Dank und bitten sie, uns auch ferner¬
hin treulich zur Seite zu stehen. — Unitis viribus ,
unter Frieden und Eintracht im eigenen. Lager ,
wollen wir getrost dem fin de siede entgegengehen!
Dr. Mossa.
Studie Uber Ranunculus.
Referat von Dr. Hob. Stäger-Bern.
In der Sitzung der „Sociöte fran<;aise d’homoeo*
pathie“ vom 8. Juni dieses Jahres verbreitete sich
Dr. G. Nimier über die verschiedenen Ranunculus-
arten. Wir theilen im Folgenden das Wissens¬
wertheste davon mit:
Die Familie der Ranunculaceen umfasst be¬
kanntlich eine ganze Reihe der wichtigsten homöo¬
pathischen Heilmittel, wie z. B. Aconit., Actaea
racemosa, Actaea spicata, Clematis erecta, Hellebo-
rus niger, Hydrastis canadensis, Pulsatilla, Staphy-
sagria und endlich die verschiedenen Species der
Gattung Ranunculus. Die französische Pharmaco*
poea homoeopathica kennt deren 5 und zwar:
Ranunculus acris , R. bulbosus, R. ßammula , R .
glacialis, R. repens und R. sceleratus.
Ranunculus acris, flammula, glacialis und repens
haben keine besondere Puthogenese.
Ranunculus bulbosus und R. sceleratus wurden
oft geprüft (z. B. von Richard Hughes und Gabalda)
und man fand nur, dass der eine eine intensivere
Wirkung entfalte als der andere.
Andere Prüfer, wie Stapff, Allen und Farrington
erhielten sowohl von R. bulbosus als von R. scele¬
ratus besondere, eigenthümliche Symptome wie das
Folgende zeigen wird.
Ranunculus bulbosus.
Derselbe wirkt besonders auf die Haut , das
Muskelgewebe , die porösen Häute und Schleimhäute
und beseitigt die Folgen des Alkoholismus. Sämmt-
liche Symptome verschlimmern sich bei feuchtem
Wetter und besonders bei Temperaturwechsel.
I Haut. Ranunculus bulbosus erzeugt zuerst ein
j Erythem, welchem bald ein vesiculöser Ausschlag
folgt, welcher von Beissen, Brennen und Jucken
1 begleitet ist. Die Bläschen sind mit einem dunk-
J len Saerum angefüllt. Beim Platzen ist die Stelle
| von der schützenden Epidermis erst entblösst, be¬
deckt sich dann aber rasch mit ziemlich dicken
Borken Fieber ist da und schneidender Schmerz.
Die Eruption der Bläschen entfaltet sich am öfte¬
sten im Verlauf eines Nervs, z. B. des Suborbitalis,
oder sehr oft im Bereiche eines Intercostalnervs.
j Wenn der Ausschlag seinen Sitz auf der Stirne
hat, so ist oft das Auge mitergriffen; die Conjunc-
I tiva ist injicirt, Iritis und heftige Schmerzen in
| beiden Augen können auftreten.
i Die geschilderten Symptome haben zur Anwen-
! düng des Mittels beim Herpes zoster geführt und
zwar mit grossem Erfolg. Es ist dies bei Zona
i ophthalmica (oder Zoster ophthalmicus) das Haupt¬
mittel, wenn das Leiden mit der gewöhnlichen Ver¬
schlimmerung, nämlich dem Herpes zoster inter-
costalis complicirt ist, in welch letzterm Fall das
Mittel erst recht iudicirt ist. Farrington empfiehlt
| es auch beim Eczem, wenn die Haut verdickt und
| infiltrirt ist und wenn sie von fast hornartigen
Borken bedeckt ist. Hierbei kann man es mit
Antimon crudum vergleichen, welches in seiner
Pathogenese „Bildung hornartiger Excrescenzen“
und „Callositäten der Planta pedis“ hat.
Mwikein: Hier bedingt R. bulbosus rheumatoide
Schmerzen, wobei die Muskeln wie zerquetscht
scheinen. Zugleich hat man ein Gefühl von
Brennen unter der Haut. Der Schmerz, der fast
1 *
Digitized by k^ooQle
4
alle Muskeln befallen kann, hat seinen Hauptsitz
in den Rücken- und Brustmuskeln. Das Mittel hat
ferner Schmerz längs des innern Randes des linken
Schulterblattes. Dieser Schmerz greift oft auf den
Angulus inferior des Schulterblattes und selbst auf
die ganze linke Seite der Brust über. Daher ist
R. bulbosus das beste Mittel bei Pleurodynie, mag
sie neuralgischer Natur sein oder ihren Sitz in den
Muskeln haben. Die Schmerzen sind tief stechend
und es lassen sich in der Brust Schinerzpunkte
constatiren nebst Zerschlagenheit der Muskeln. Die
Symptome werden verschlimmert durch Druck,
Tempcraturwechsel, irgend eine Gemüthsbewegung,
und selbst durch die Respiration. In einigen Fällen
ist Dyspnoe vorhanden, welche eine Art geistiger
Angst verursacht.
Man kann R. bulbosus ferner indicirt finden
bei Entzündung des Diaphragma, wenn sie von
scharfen lanzirenden Schmerzen im Hypoclion-
drium und im Epigastrium und gegen den Rücken
zu begleitet ist.
Seröse Häute: R. bulbosus wirkt vor Allem auf
die Pleura und das Peritoneum. Bei der Pleuritis
dürfte das Mittel oft besser wirken als Bryonia,
wenn die Schmerzen mit einem Faustschlag auf die
Brust zu vergleichen sind; ferner wenn eine seröse
Ergiessung in die eine oder andre Pleura vorhan¬
den ist; dabei ist Angst und starke Dyspnoe in
Folge eben des Ergusses. Ranunculus bulbosus ist
nicht weniger gut angezeigt, wenn die Pleuritis
mit Pneumonie einhergeht. Bisweilen existiren nach
einer Pneumonie oder Pleuritis Schmerzen in der
Brust weiter fort; dieselben kommen dann auf
Rechnung von Adhärenzen und erscheinen dem
Patienten wie Geschwüre unter der Haut. In all’
diesen Fällen hilft das Mittel.
Was die Peritonitis betrifft, so ist hier die An¬
zeige für R. bulb. weniger gut charakterisirt; in¬
des handelt es sich dabei um eine grosse Empfind¬
lichkeit in der Magengegend und im Bauch, nebst
Erbrechen. #
Schleimhäute: Was die Wirkung des Mittels auf
die Schleimhäute anbetrifft, wird es bisweilen in*
dicirt sein bei Cystitis, Leucorrhöe und Dysenterie
mit heftigen Schmerzen; doch ist das Hauptwir-
kungsfeld die Schleimhaut.
Es ist des Weiteren ein probates Mittel beim
Heufieber. Brennen und Jucken in der Nase und
den Augen ist vorhanden; die Nase selbst ist ver¬
stopft, besonders Abends; Druck über der Nasen¬
wurzel, Prickeln und Jucken in den Nasenlöchern,
Gefühl, als ob etwas die Nase hinauf krieche. Diese
Sensation hat oft ihren Sitz innen und hinten
in den Choanen, ist sehr unangenehm und der
Kranke sucht sich ihrer durch Schneuzen oder
durch Räuspern zu entledigen. Zudem ist Heiser-
| keit da und heftige Stiche und Muskelschmerzen
i allüberall.
Folgen des Alkoholismus wie Schluchzen, epi-
leptiforme Anfälle etc., ebenso wie Delirium tremens
werden mit dem Mittel gehoben.
i Ranunculus sceleratus.
R. sceleratus besitzt viel reizendere Eigen¬
schaften als das vorhergehende Mittel.
So z. B. erzeugt er auf der Haut einen vesi-
culösen Ausschlag mit grossen Blasen, welche beim
Aufbrechen eine klare, gelbe und scharfe Flüssig¬
keit entleeren, die die umgebenden Hautpartieen
reizt. R. sceleratus entspricht somit mehr dein
Pemphigus.
Auf der Zunge entsteht jene Erscheinung,
welche man Landkarten-Zunge genannt hat, d. h.
da und dort sind dickbelcgte Partieeil und gerade
daneben Stellen von gewöhnlichem Aussehen. Man
bemerkt dieses Symptom bisweilen bei der Diph-
theritis und beim Typhus; es kann alsdann der
Gebrauch unseres Mittels angezeigt sein. Andere
| Mittel wie Natr. mur., Arsen, alb., Rhus tox. und
Taraxacum haben dieses Zungensymptom ebenfalls,
aber keines von ihnen hat so viel Hitze wie Ranun¬
culus sceleratus.
Was das Abdomen betrifft, charakterisirt sich
das Mittel durch Schmerz, Empfindlichkeit in der
Lebergegend mit dem Gefühl von beginnender
Diarrhöe. Von Seiten der Brust notiren wir
Quetschungsschmerz und Schwäche Morgens und
zugleich oberflächliche Empfindlichkeit des Thorax.
Ranunculus seelerat. heilt auch Fliessschnupfen
mit Niesen, Schmerzen in den Gelenken und Bren¬
nen beim Urinircn.
Endlich bringt das Mittel Hühneraugen zum
Verschwinden, wenn sie brennend und schmerzhaft
sind.
Dieser Studie schliesst Dr. Marc Jousset einige
therapeutische Bemerkungen an und weist auf Cazin
(Traite pratique des plantes medicinales indigenes,
3. edition) hin, der interessante Aufschlüsse über
diese Mittel giebt: Bei äusserlichem Gebrauch wir¬
ken die Ranunkelarten hautröthend und blasen¬
ziehend, ähnlich den Canthariden. Bisweilen ge¬
nügen schon wenige Minuten, um die Haut zu
röthen und Blasen zu ziehen. Früher benutzten
sie die Bettler, um Geschwüre zu erzeugen. (Man
vergleiche Clematis vitalba!) Diese Geschwüre
können sogar gangränös werden und bieten oft
jeder Heilung energischen Widerstand. Nach Cazin
wurden die Ranunkeln oft äusserlich gegen ato-
nische und scrophulöse Ulcera angewendet. Natür¬
lich geschah das unbewusst nach dem Aehnlichkeits-
Digitized by c^ooQie
5
gesctz. Wir müssen an Ranunculus denken, wenn
uns bei der Behandlung von Geschwüren Clematis
versagt.
Aeusserlich wurde Ranunculus ferner angewen¬
det bei der Gicht und bei Kopfschmerzen (Ches-
neau); gegen oberflächliche Schmerzen (Baglius),
bei chronischem Gelenkrheumatismus (Stoerck), und
gegen die Febris quarana (Sennert).
Cazin berichtet nach Murray über einen inter¬
essanten Fall, wo ein Kind von acht Jahren, nach¬
dem es durch Ranunculus acris von Intermittens
geheilt worden war, plötzlich auf der Hand ein
tiefes Geschwür erhielt, welches die Sehnen der
Flexoren und das Ligamentum annulare in Mit¬
leidenschaft zog und dadurch in Folge einer aus¬
gedehnten Vernarbung die Beweglichkeit der Hand
stark beeinträchtigte. Ferner entstand später As¬
cites und eine Hydrocele.
Giovanni Polli, der die Tinctur und ein De¬
stillat von Ranunculus viel an wandte, behauptet,
dass in 30 Fällen von Lumbago das Mittel immer
half, wenn er die Tinctur oder das Destillat auf
die Ferse der kranken Seite applicirte.
In der sich anschliessenden Discussion bestä¬
tigte Dr. Jousset, pöre, die vorzüglichen Wirkungen
von Ranunculus bulbosus bei der Intercostalneu-
ralgie mit oder ohne Zona. Er verwies auf einen
Fall von Zona im Höpital St.-Jacques, den er kürz¬
lich mit R. bulbosus bedeutend gebessert. Er er
klärt das Mittel als ein sehr zuverlässiges.
Dr. Simon bemerkt, Richard Hughes betrachte
die verschiedenen Ranunkelarten als einfache Varie¬
täten ein und derselben Species. Peüvrin und
Ecalle, beides Apotheker, halten Ranunculus für
ein ausgezeichnetes Mittel.
Dr. Simon erinnert schliesslich noch an die
Pathogenesen von R. acris und R. glacialis bei
Allen. Zwar sind sie nur kurz abgehandelt. Eine
weit grössere Pathogenese hat R. bulbosus. Das
letztere Mittel passt für alle möglichen Schmerzen
am Thorax, besonders, wenn eine Frau an Neural¬
gie leidet. Dieselbe hat ihren Sitz linkerseits oder
an der Herzspitze. Bei alten Autoren findet man
manche klinische Beobachtung. Bauvais de Saint-
Gratien führt 3 Fälle an. 1. Ein sehr intensives
Eczema des Arms. Heilung mit Ranunculus;
2. Röthung des untern Theils der Nase bei einem
jungen Mädchen mit starker, scharfer Secretion.
Anwendung beider Ranunculusarten mit Erfolg;
3. Ulcus cruris, am untern Drittel; durch Ranun¬
culus geheilt.
Ranunculus wirkt vorzüglich bei der Pleuritis
diaphragmatica. Ein wenig bekanntes Symptom,
welches man in der Pathogenese von Ranunculus
bulbosus findet, ist folgendes: beim Schreiben em¬
pfindet man plötzlich lanzirende, schiessende
Schmerzen im rechten Vorderarm und zwischen
Daumen und Zeigefinger. R. bulbosus möchte viel¬
leicht beim Schreibkrampf gute Dienste leisten,
i (Revue homoeopathique franejaise, No. 6, Juni 1898.)
Die Behandlung
! der chronischen Appendicitis mit Mercur.
I In den Annals of Surgery (Januar 1898) be-
| richtete Horwitz über vier Fälle chronischer Appen¬
dicitis, bei denen die Operation deutlich angezeigt
und von verschiedenen hervorragenden Chirurgen
vorgeschlagen, von all den Kranken aber verwei¬
gert worden war. Alle diese kamen wegen secun-
därer Syphilis in die Behandlung des Autors, und
■ wurden einer Kur mit „tonischen“ (?! Ref.) Gaben
von Mercurius jodatus flavus (Protojoduratum hydrar-
I gyri) unterworfen.
1 . Fall . Ein 44jähr. Mann hatte 9 Anfälle
von Appendicitis überstanden, den letzten vor
i kurzer Zeit. Es war eine empfindliche verhärtete
Masse in der Fossa iliaca dextra. Bald nachdem
die Mercurkur begonnen war, hatte Pat. einen
frischen acuten Anfall des Leidens, das Mittel ward
seponirt, aber, nachdem die acuten Symptome ver¬
gangen waren, wieder aufgenommen, mit dem Er-
1 folge, dass nicht nur die syphilitischen Zeichen ver-
l schwanden, sondern auch die Appendicitis und die
Verstopfung. Seitdem sind vier Jahre vergangen,
i ohne dass sich ein Recidiv gezeigt hätte.
2. Fall . Ein 31jähr. Mann; drei Anfälle von
Appendicitis; es bestand Dyspepsie und chronische
Verstopfung. Er hatte einen leichten acuten An¬
fall von Appendicitis nach einer über ein Jahr
ausgedehnten Behandlung mit Mercur. jodat. flavus.
Seitdem, d. h. 2 1 /» Jahre hat er von Seiten des
Appendic. keine Störung gehabt.
3. Fall. Ein 28jähr. Mann, fünf Anfälle von
Appendic.; eine teigige, empfindliche Masse in der
Fossa iliaca dextra. Er bekam Merc. jod. flavus.
Der Zustand besserte sich, und seitdem, d. i. seit
3 1 /* Jahren, kein Recidiv.
4 . Fall. Ein 33jähr. Mann, zwei Fälle von
Appendicitis, leidet ebenfalls an Dyspepsie und
Verstopfung, auch sind Zeichen einer chronischen
Appendicitis in der rechten Darmbeingrube vor¬
handen. Merc. jod. flavus bis jetzt (l 1 /* Jahr) ge¬
geben. Er hatte zwei Fälle von Appendicitis
während der Behandlung, jedoch keinen seit dem
Ende Juni.
Der Autor fügt hinzu, es sei bemerkenswert!!,
wie die auf acute Anfalle folgende chronische Form
I der Appendicitis unter kleinen Mercurgaben zum
Rückgang komme, und obwohl diese wenigen Fälle
Digitized by
Google
6
zu einer bestimmten Schlussfolgerung nicht aus-
reichen, so hält er diese Behandlung in allen Fällen
chronischer Appendicitis, wo die Operation versagt
wird, dennoch des Versuches wohl werth.
Der Autor hat also, indem er seinen an Syphilis
leidenden Personen ein Mercurpräparat gab, zugleich
einen merklichen Einfluss von diesem Mittel auf die
chronische Form der Appendicitis beobachtet. —
Für uns Homöopathen ist diese letztere Heilwir¬
kung des Quecksilbers nichts Neues, dennoch halten
wir es für acute, mit einer Induration des Zell¬
gewebes verlaufende* Appendicitis noch besser an¬
gezeigt, indem wir mittels dieses Arzneistoffes den
entzündlichen und exsudativen Zustand des Wurm¬
fortsatzes bei Zeiten zu heben im Stande sind, so
dass es nicht zu einer chronischen Form zu kom¬
men braucht. — Eine l 1 ^ jährige Kur selbst mit
dem noch milden Mercur. jod. flavus erscheint uns
nichts weniger als nachahmungswerth; diese kleinen
Dosen als „tonisch“ zu bezeichnen, müssen wir
ebenso zurückweisen als die von Aerzten der alten
Schule gemachte Behauptung, kleine Dosen von
Cantharis wirken auf die Nieren tonisirend. Heil¬
kräftig wirken sie und zwar nach dein Aehnlich-
keitsgesetz, und die physiologische Prüfung der
Mittel von Gesunden zeigt jedem, der sehen will,
die Indicationen. M.
Die Homöopathie auf der Weltausstellung
von 1900.
Wir lesen in der „Revue homoeopathique fran-
qaise“: „Am 12. Juni 1898 hat sich eine Thatsache
vollzogen, die bekanntgemacht zu werden verdient,
denn sie hat noch keine Präcedenz in der Epoche
der homöopathischen Congresse, die sich bei Ge¬
legenheit der verschiedenen Weltausstellungen in
Paris versammelten.
Durch Ministerialerlass wurden zwei unserer
Collegen, die DDr. Simon und Love, zu Mitglie¬
dern der Specialcomitäs, die mit dem Studium der
Fragen bezüglich der Anforderungen und der Orga¬
nisation der internationalen Congresse im Jahre 1900
betraut wurden, ernannt.
Einst konnten wir nur mit grosser Protection
ein Lokal in einem der Ausstellungsgebäude für
unseren Congress erlangen, das war aber auch
Alles; aber heutzutage zum ersten Male ernennt
das Gouvernement homöopathische Aerzte in den
Organisatiousrath der officiellen Congresse.
Schon einige Monate vor dem Erlasse des Han¬
delsministers vom 12. Juni d. J. wurde Herr Weber,
homöopathischer Apotheker in Paris, officiell ein-
geladen, sich an der Commission zur Zulassung der |
Classe 87 (chemische Künste und Pharmacie) bei |
der künftigen Ausstellung zu betheiligen. Herr
' Weber hat angenommen und wir gratuliren ihm zu
dieser Auszeichnung, die als glückliche Consequenz
; eine Ausstellung der homöopathischen Producte im
Jahre 1900 herbeiführen wird, es wird, das glaube
ich, die erste sein, die je in Frankreich stattge¬
funden hat. Endlich wurde unser College, Herr
Dr. Marc Jousset, gleichfalls zum Mitglied einer
anderen Section ernannt.“
Es ist dies eine wahre Ehre, die die franzö¬
sische Regierung der Homöopathie erweist, die um
so mehr erwähnt zu werden verdient, als dies bis¬
her noch nie geschehen ist; wir können dies nicht
oft genug wiederholen. Ein officieller Congress
zur Ausstellung und zur Einweihung eines Grab¬
denkmals auf der letzten Ruhestätte Hahnemann’s,
wohlan mehr als nöthig, um dessen Erfolg zu
sichern! Dr. Th. Kafka.
Bemerkungen
über die
Behandlung der senilen Prostatahypertrophie,
mit besonderer Berücksichtigung des Gebrauchs
von Ferrum picratum.
j Von Dr. Dudley Wright, Assistenzarzt für Chirurgie,
in specie für Hals- und Ohrenkrankheiten,
am Londoner homöopathischen Krankenhause.
Verf. hat bereits vor einiger Zeit der Britischen
I homöopathischen Gesellschaft einen Artikel einge¬
reicht über die Behandlung der senilen Prostata¬
hypertrophie, wobei er ein besonderes Gewicht auf
I den Werth von Ferrum picratum in Beschwichtigung
i mancher von dieser Krankheit erzeugten Symptome
legte. Weitere Erfahrung hat ihm jene Angabe
in vollem Maasse bestätigt.
Besonders wirksam hat er dies Mittel, auf das
er von Dr. Rob. Cooper zuerst aufmerksam gemacht
worden ist, in dem früheren Stadium der Prostata-
anscliwellung, d. h. innerhalb der ersten 12 Monate,
beim Beginn der Symptome, gefunden. Wenn man
es in dieser Zeit gebraucht, so ist es wohl im
Stande, in einer grossen Zahl von Fällen, dem
weiteren Fortschritt der Krankheit vorzubeugen oder
ihn hinzuhalten. Die dem Mittel entsprechenden
Symptome sind in erster Linie die vermehrte Häufig¬
keit des Urinirens während der Nacht. Die Patienten
klagen oft, dass sic mehrmals aufstehen müssen,
um ihre Blase zu entleeren, wodurch ihre Nacht¬
ruhe gestört ist. Dieses Symptom findet fast un¬
mittelbar Erleichterung — Sodann werden die vom
Rectum ausgehenden Symptome recht merklich be¬
schwichtigt. —
Nach Verfs. Erfahrung bringt dies Mittel keine
Verstopfung hervor, was sonst bei den meisten
Digitized by ^»ooQie
7
Eisenpräparaten der Fall ist. Seine Wirkung gellt
vielmehr in entgegengesetzter Richtung. Bei frischem
Prostataleiden, mit beträchtlicher Anstrengung zum
Uriniren und darauffolgendem Vorfall des Rectum,
wirkt es sehr günstig, ebenso auf die Hämorrhoiden,
welche die Prostatavergrösserung und den Prolapsus
recti begleiten.
Die unvollständige Entleerung der Blase beim
Harnen ist keine Contraindication. In einem Falle
blieben, nachdem Patient urinirt hatte, zehn Unzen
zurück, und unter Anwendung dieses Mittels, ohne
alle Nebenmittel, wurde diese Quantität innerhalb
zwei Monaten auf zwei Unzen zurückgebracht. In
einem anderen Falle, wo der rückbleibende Urin
zwei Unzen betrug, wurde die Blase nach 4 wöchent¬
licher Behandlung bei jedem Wasserlassen voll¬
ständig entleert.
Verf. hat sich niemals davon überzeugen können,
dass die Prostata unter dieser Behandlung kleiner
geworden sei: das hält er aber für minder wichtig,
so lange als die begleitenden Symptome, vornehm¬
lich die Menge des rückbleibenden Urins, beseitigt
werden. In einem gegebenen Falle ist es überdies
nicht möglich, den Betrag der Prostatavergrösse-
rung genau festzustellen; die Untersuchung per
rectum giebt wohl einen genügenden Aufschluss
über den Umfang der seitlichen Lappen der Drüse,
aber über den sogen. Mittellappcn, dessen Ver*
grösserung oftmals die vollständige Entleerung der
Blade verhindert, erhält man keine Kenntniss hier¬
durch.
Ein anderes Symptom, das dies Mittel beschwichtigt
und das oft das häufige nächtliche Harnlassen be¬
gleitet, ist das am Blasenhalse empfundene Beissen
und Brennen. Es ist hier nicht die Rede von dem
heftigen und brennenden Schmerz, der bei der
Cystitis erscheint, der von dem Mittel nicht beein¬
flusst wird, auch nicht von den wilden Attaquen,
welche die subacute oder chronische Prostatitis
jüngerer Personen charakterisiren und ebensowenig
dadurch gebessert werden, sondern es handelt sich
nur um die Empfindlichkeit und das Brennen, über
welches ältere „Prostataleidende“ klagen.
In letzteren Fällen ist der Wechsel von Buchu
(? Ref.) 1. Dec. mit dem Picrat von entschiedenem
Nutzen. Dr. Cooper hält das Ferr picr. bei dunkel¬
haarigen Personen am wirksamsten; doch thut es
auch bei blonden gute Dienste. Die vom Verf.
angewandte Dosis ist die 2. Dec.-Dil. Letzthin hat
ihm auch die 8. Dec. fast dieselben Erfolge ge¬
bracht. Dr. Johnstone, der in seiner Hospitalklinik
die 2. Dec. gebraucht hat, hat davon Verschlimme¬
rung der Symptome beobachtet.
Betreffs der Pathologie der Prostatitis senilis,
zumal vom therapeutischen Standpunkte aus, be¬
merkt Verf., dass die Vergrösserung von irgend
i
i
I
einem der Gewebselemente der Drüse ausgehen kann.
In der Mehrzahl findet eine Vermehrung des Binde¬
gewebes statt, doch können auch fibro-masculäre
Massen zugegen sein oder die eigentlichen Drüsen¬
elemente vorherrschen. Wären wir im Stande, diese
verschiedenen Formen intra vitam zu unterscheiden,
so würde die Behandlung wohl wirksamer ausfallen.
Die Analogie fibrös masculärer Massen mit ähnlichen
Gebärmuttergeschwülsten deutet darauf hin, dass
auch jene einem Mittel, wie Calcarea jodata, das
sich nach Dr. Neathy bei Uterininyonen so wohl-
thuend gezeigt hat, weichen müssen. Eine Form
der Prostatahypertrophie beschränkt sich hauptsäch¬
lich auf den hinteren Theil der Drüse, während
die Portio urethralis frei davon ist. Hier, wo die
Blase immer vollständig entleert werden kann, ist
Verschluss kein markirtes Zeichen — und doch
klagen Patienten, die an dieser Form von Prosta¬
titis leiden, viel über häufigen Urindrang, sowie
über Ziehen und Wehthun in dem Perinaeum und
Mastdarmzwang und Hämorrhoiden. In solchen Fällen
wird das Kathetrisiren wenig oder gar nicht erleich¬
tern, und wird sich auch hier das Ferr. picr. be¬
stimmt wirksam erweisen.
Es leuchtet ein, dass nicht alle Fälle für dieses
Mittel passen, namentlich nicht solche mit sehr be¬
deutender Hypertrophie der Prostata und grosser
Blasenerweiterung. Hierher gehören auch Patienten,
die viel an Cystitis gelitten, mit stinkendem, alka¬
lischem Urin; hat man aber die Blase durch täg¬
liches, lange fortgesetztes Auswaschen des sich zer¬
setzenden Urins in einen besseren Zustand versetzt,
so kann das Mittel Gutes wirken. — Nun noch
einige Worte über andere Heilmethoden für die
hypertrophische Prostata!
Ueber Castration hat Verf. keine Erfahrung;
von Vas deferens hat er in drei Fällen einen Theil
entfernt.
Ein Geistlicher hatte Symptome von Blasen¬
steinen, aber weder mit der Sonde noch durch das
Cystokop konnte ein Stein nachgewiesen werden.
Beide Seitenlappen waren vergrössert, besonders der
rechte, der sich auch druckempfindlich zeigte. Es
hatte etwas Blutung aus der Prostata stattgefunden.
Ferr. picr. hatte etwas erleichtert, aber nicht alle
Symptome fortgeschafft, und da ein beträchtlicher
Prolapsus recti und Hämorrhoiden vorhanden waren,
so ging Verf. gegen diese operativ vor. Sechs
Monate später zeigte die Rectal-Untersuchung den
rechten Lappen in gleicher Grösse mit dem linken,
der auch kleiner als früher war, und nicht mehr
empfindlich. Alle Blasensymptome waren verschwun¬
den. Der rechte Hoden war weicher, aber nicht
kleiner als der andere.
In einem zweiten und dritten Fall operirte Verf.
bei Patienten mit lange bestehender Hypertrophie.
Digitized by L^OOQle
8
In dem einen Fall entfernte er einen enormen
Stein aus der Blase mittels des Schnittes oberhalb
des Schambeins, und fand eine grosse post prosta-
tische Tasche, indem die Prostata wie eine Orange
darüber stand. Die Ausschneidung des Vas auf
beiden Seiten besserte nichts in der Expulsivkraft
des Steins, so dass Pat. das Katheter weiter ge¬
brauchen musste. Doch hält Verf. die Entfernung
eines Theils des Vas in einem früheren Stadium
für ein nützliches Werk.
(The Monthly Homoeopatliic Review. Juli 1898.)
M.
Argentum nitricum.
Dr. Gray giebt folgende aus der klinischen
Beobachtung genommene Indicationen für dieses
Mittel:
Argent. nitric. ist ganz vorzüglich angezeigt in
Störungen des Gehirns und daraus entwickelten
Allgemeinbeschwerden des Organismus, die ihren
Ursprung in psychischen Ursachen haben. So z. B.
passt es in Epilepsie bei Leuten, welche als Laien
sich leidenschaftlich mit Predigen abgeben; hier
helfen einige wenige hochpotenzirte Gaben, während
solche Fälle, die aus abdominellen Reizzuständen,
unabhängig von psychischen Ursachen, entstehen,
besten Falls durch grosse und oft wiederholte Gaben
des Mittels dürftig beschwichtigt werden. So wird
es sich auch mit gastrischer Störung verhalten, von
denen die Fälle wirklich durch Arg. nitr. geheilt
werden, die sich während zu grosser und zu lange
fortgesetzter Geistesanstrengung entwickelten.
Wenn die körperlichen Symptome den durch
dieses Mittel erzeugten ähnlich sind, so wird dieses
nach Dr. Gray das wahre Simillimum, wenn fol¬
gende psychische Bedingungen noch hinzukommen :
1. Ein Drängen und Treiben zu arbeiten, sich
zu bewegen, sich zu beschäftigen, ohne bestimmtes
Ziel, und hält den Kranken in fortwährender Be¬
wegung, in einem Zustande von Ruhelosigkeit, der
seinem ganzen Wesen einen Schein von Heftigkeit
und Missvergnügen verleiht.
2. Der Gegensatz des geschilderten Zustandes,
nicht die ruhige Haltung, wie sie erscheint, w r enn
der Geist sich in gesunder Beschaulichkeit befindet,
sondern eine Apathie aus Mangel an Motiven und
Zwecken, ein Zustand, der sich zu voller Geistes¬
schwäche hinncigt und oft darin endet. Oder
3. Irrthümer und Fehler in der Perception. So
kann sich der Kranke irren a) in der Zeit; er
fürchtet immer, es sei zu spät und wähnt, es sei
eine oder zwei Stunden vergangen, während doch
nur */ 4 oder */s dieser Zeit abgelaufen ist, und
das begegnet ihm Wochen lang beständig bei
Tage wie bei Nacht; und b) er irrt sich in der
Schnelligkeit seines Ganges. Der Kranke wähnt,
er gehe sehr schnell, während seine Bewegung
thatsächlich nur eine sehr langsame ist.
Ueberdies betrachtet Verf. das Silbernitrat (wenn
die übrigen Indicationen für seinen Gebrauch zu¬
gegen sind) als Heilmittel in allen schweren Störun¬
gen des Organismus (in specie der Nervencontra.
Ref.), die aus excessiver Schärfe der Sinnesorgane
entstehen, wie z. B. gewisse Formen von Epilepsie
und Chorea.
Wahrscheinlich wird Silber sich für die Be¬
handlung des krankhaften Urtheilsvermögens und
der begleitenden Erscheinungen im Verdauungs-,
Bewegungs- und Geschlechtsapparat ebenso eignen,
als das Gold für krankhafte Gemüths- (nicht intellec-
tuelle. Ref.) Erscheinungen und die ihnen consen-
suellen motorischen und geschlechtlichen Erkran¬
kungen.
(The Hahnemann Advocate. 15. October 1898.)
M.
Ein Fall von Campher-Vergiftung.
Dr. A. Berkholz (Riga) wurde am 19. Februar
Nachts 2 12 Uhr zu einer Frau gerufen, die ganz
plötzlich an heftigsten Krämpfen erkrankt sein
sollte. Schon beim Betreten des Zimmers fiel ein
starker Geruch nach Campher auf. Pat. lag in
dem Bette mit offenen Augen ohne Lidschlag, ge¬
trübter Cornea, slecknadelkopjgrossen Pupillen, schein¬
bar in tiefem Coma . Gesichtsfarbe ja hl, Puls sehr
voll und kräftig (120), Atlimung frequent . Der
Mann, der um 10 Uhr nach Hause gekommen, fand
seine Frau wohl und munter im Bette, um 11 Uhr
aber klagte sie über sehr heftige Kopfschmerzen;
plötzlich bekam sie dann einen sehr 'heftigen Krampf¬
anfall am ganzen Körper , schlug um sich, erbrach ,
um dünn wie todt hinzusinken. Autor entfernte sich
auf zehn Minuten, um seine Magenpumpe zu holen.
Das Bild w r ar jetzt völlig verändert: Pat. schlug
mit Händen und Pässen um sich, so dass sie fest¬
gehalten werden musste; sie sehne mit heller Stimme,
besonders einzelne Worte und Silben beständig wieder¬
holend. Schinerzempfindung schien vollständig er¬
loschen. (Pat. schlägt fortwährend mit einem Fusse
mit aller Kraft auf die Bettlehne.) Sensorium total
getrübt, Augen weit auf gerissen, ein Bild ausgesproche¬
nen Wahnsinns. Magenausspülung mit einigen
Litern Wasser, bis dasselbe nicht mehr nach Campher
riecht. — Keine Veränderung des Zustandes. Drei
Gramm Chloral.-}- 3 Gramm Bromkali wurden 8 /4 l Uhr
hinuntergeschluckt, nachdem das Athmen durch die
Nase abgeschlossen w r ar. — Aufregungszustand all¬
mählich geringer, kurze Pausen fast gänzlicher
Muskelruhe, während deren Pat. jedoch noch singt
und schreit. — Auf Fragen noch keine Antwort. —
Digitized by k^ooQle
9
Nach J /o2 Uhr Klagen über Kältegefühl, darauf
wieder sinnloses Singen und Umeichschlagen. —
In den Zeiten der Ruhe giebt die Frpu jetzt voll¬
ständig mit überlauter Stimme Antworten: Sie hat
30 Gramm Gampher gekauft, ihn gerieben, in
Wasser suspendirt und die Hälfte davon Abends
9 Uhr getrunken, ohne die ersten zwei Stunden
irgend eine Wirkung zu verspüren. Diese Angaben
macht sic in den freien, kleinen Intervallen, da¬
zwischen Schreien, Singen , oft nnmoticirtes Lachen.
Die Fröhlichkeit schwindet schnell; es folgen Klagen,
Weinen. Dieser Wechsel zwischen ausgelassenster
Fröhlichkeit und tiefer Trauer dauert s / 4 Stunde.
Dann nochmals 2 Gramm Chloral.-|-2 Gramm Brom¬
kali. Danach bedeutende Beruhigung. Aber trotz
der Medication kein Schlaf, auch am folgenden Tage
nicht , wo sie trotz weiterer Bromkaligaben (3 stünd¬
lich 1 Gramm) noch ziemlich unruhig ist, Kälte¬
gefühl und Schmei'zen im Magen hat. Erst in der
zweiten Nacht Schlaf; noch drei 'Lage Uebelkeit,
Magenschmerzen und Appetitlosigheit. Urin immer
klar , ohne Eiweiss, ohne Camphergeruch, gleich
den Fäces.
Verf. sagt zum Schluss: Als Maximaldosis für
Campher wird 0,7 Gramm angegeben; die absolut
tödtliche Menge schwankt bei den Autoren zwischen
2,5—7,0 Gramm; doch sind noch zwei günstig ver¬
laufene Fälle mit 10 Gramm bekannt. Im obigen
Falle wurden mindestens 15 Gramm genommen. —
Dass die Mageuausspülung nach über zwei Stunden
der Vergiftung so gute Wirkung hatte, schreibt
Verf. dem chemischen Verhalten des C. im Orga¬
nismus zu, indem der Campher sich leicht zu Cam-
pherol oxydirt, welcher sich wiederum bald in Cam-
pherglykoronsäure verwandelt, die keine der gif¬
tigen Eigenschaften mehr besitzt. Die Glykoron-
säure ist aber ein Umwandlungsprodukt speciell
des Dextrins, wohl aber auch anderer Kohle¬
hydrate.
Dass Pat. den Campher nach dem Genuss einer
an Kohlehydrate reichen Abendmahlzeit genom¬
men, war also jedenfalls für sie ein Glück. —
Vielleicht erweisen sich grössere Mengen Zucker
als Antidot wirksam.
Die Frau hatte den Campher als Aborticum ge¬
nommen, indem das Volk ihm diese Wirkung zu¬
schreibt. —
Wir haben hier einen interessanten Fall von
Campher-Vergiftung bei einer gesunden Frau; wie
weit bei ihr die Schwangerschaft vorgerückt war
(oder nahm sie nur diesen Zustand bei sich an?)
ist nicht gesagt. — Der Orgasmus des Bluts tritt
in diesem Fall so in den Vordergrund, dass die
andere Seite der Campherwirkung, das Stadium
algidum nur leiser, durch die subjective Kälte¬
empfindung, angedeutet erscheint. Die Einwirkung
auf das Gehirn ist stark ausgesprochen, von der
Pupillenverengerung in maximo bis zu heftig kloni¬
schen Krämpfen und einer intensiven Veränderung
der psychischen Thätigkeiten. In letzterer Be¬
ziehung macht sich ein dem Campher eigentüm¬
licher Wechsel der Erscheinungen geltend: Es
wechselt volle Bewusstlosigkeit mit leichten Inter¬
vallen, ein Wechsel oder eine Mischung von Exal¬
tation und Depression des Gemütszustandes; aus¬
gelassene Fröhlichkeit mit Heulen und übermässigem
Schreien. — Die Magenausspülung hat mässigend
gewirkt; die Verbindung von Chloral mit Brom¬
kalium hat die Muskelunruhe etwas beschwichtigt.
Die Schlaflosigkeit hielt lange an. Vielleicht hätte
Opium sich hierin wirksamer erwiesen. Hahnemann
hat wohl mit Recht das antidotarische Verhältnis
von Campher und Opium ganz besonders hervor¬
gehoben. —
Wenn Verf. den Urin gar nicht verändert fand,
und dieser so wenig wie die Fäces den Campher¬
geruch zeigte, so kann wohl nur wenig von dem
Mittel vom Magen aus in die Circulation über¬
gegangen sein.
Die Pathogenese des Camphers zu geben, ist
trotz der vielen Prüfungen und der beobachteten
Vergiftungsfälle immer noch ein recht schwieriges
Werk. Abgesehen von den durch die Individua¬
lität des Prüfers bedingten Modalitäten in den
Wirkungen des Mittels auf den menschlichen Orga¬
nismus erschwert der schnelle Wechsel in den
Erscheinungen — ähnlich wie beim Opium — eine
systematische Feststellung des eigenthümlichen
Wirkungsbildes. Dr. Mom&.
Teucrium scorodonia bei Phthisis.
Ueber die Entdeckung des Teucrium scorodonia,
als eines in den schlimmsten Fällen von Lungen¬
schwindsucht oft noch hilfreichen Mittels, hat Dr.
Criquelion von Mons in der Juni-Nummer der
Revue homoeopathique beige 1895 folgenden Be¬
richt ergeben:
Eines Tages hatte Dr. Martiny Gelegenheit, in
den Ardennen einen Kranken in den Dreissigern
im Vorübergehen zu untersuchen, der, blass, abge¬
magert, spitze schmale Schultern, einen gewölbten
Rücken zeigte, hustete, einen starken Auswurf ent¬
leerte und nicht mehr schlafen konnte Die physi¬
kalische Untersuchung ergab alle Zeichen einer
Caverne in einer Lungenspitze, so dass Dr. Martiny
eine sehr schlechte Prognose stellte. Ein Jahr
darauf sah er auf der Schwelle desselben Hauses
einen Mann mit dem Gepräge voller Gesundheit;
er erkundigte sich bei ihm nach dem armen
Menschen, den er das Jahr zuvor als Moribundus
2
Digitized by k^ooQle
angetroffen hatte. Wie gross war sein Erstaunen,
als ihm der gute Bursche antwortete: „Nun, der
bin ich selbst, mein Herr!“ Eine alte Frau hatte
dem Kranken ein Kraut empfohlen, das in den ■
dortigen Wäldern häufig wächst, davon hatte sie j
ihm eine Tisane gemacht, von der er täglich ge- j
nommen hatte. Er hatte noch eine Menge davon
vorräthig, das er zum Trocknen an die Balken der !
Decke gehängt hatte. Es war Teucrium scoro- I
donia, eine Gewächsart, die man in den Wäldern I
Belgiens in der Regel antrifft. Die Pflanze that
Wunder und hat den Kranken wirklich dem Grabe
entrissen.
Dr. Martiny hat dann später in seiner Praxis
das Mittel in Verdünnungen bei Schwindsüchtigen
gebraucht. Die Erfolge waren derart, dass er '
Teucrium scor. bei Bronchiorrhoeen und bei Phthi- |
sikern mit Tuberculose und einem schleimig¬
eitrigen Auswurfe tagtäglich in Anwendung zieht.
Er pflegt es im Wechsel mit Calcarea phos-
phorica, Arsenicum jodatum und Merc. solub. zu
geben. Dr. Criquelion hat dasselbe Mittel inzwi¬
schen mit sehr befriedigendem Erfolge gebraucht;
unter seinem Einflüsse wurde der Auswurf oftmals
weniger dick und weniger weiss, sein schlechtes
Aussehen und seine Menge verminderte sich, in dem- >
selben Verhältnis nahm der Husten sehr oft ab,
das Athmen wurde leichter, weniger keuchend;
selbst in den schwersten Fällen machte sich erheb- !
liehe Besserung bemerklich. I
Seitdem erschien eine Publication, wonach auf
Einspritzungen von Teucrium tuberculose Haut¬
elemente verschwanden. Daraufhin hat Criquelion
das Mittel bei einem Fall von Tuberculose des
Hoden versucht.
Ein stämmiger, lebenslustiger Bauer und Pächter,
wohlbeleibt und mit einem ziegelrothen, starken
Halse, auf dem ein dicker Kropf sitzt, leidet seit
10 Jahren an einer starken Hodengeschwulst. Der
Hode hat die Grösse einer Quitte, misst 15 cm an
Höhe und 10 cm Breite. Die Geschwulst zeigt
sich hart, voll, nicht nachgiebig, wie ein Sarcom,
abgesehen von einer in seinem untern Theile be¬
findlichen weichen, eindrückbaren Stelle, die dem
Finger die Empfindung einer flüssigen Ansammlung
giebt. Ein Cancer war es nicht, auch nicht ein
Fibrom oder eine Sarcocele, ebensowenig ein syphi¬
litischer Hode; so wurde denn die Diagnose auf
Tuberculose des Testikels gestellt.
Es wurde Teucrium scorodonia 6 Dil., täglich
1 Tropfen in 4 Esslöffel Wasser verordnet, wovon
Pat. a/ 4 Stunde vor jeder Mahlzeit 1 Esslöffel voll
einnahm.
Nach Verlauf von drei Monaten bemerkte der
Kranke, dass die Geschwulst an Härte und Schwere
etwas abgenommen hatte, und nach abermals drei
Monaten war sie entschieden kleiner. Nach halb¬
jähriger Behandlung liess sich eine Abnahme der¬
selben bis ai^f */ 4 ihres Volumens constatiren. —
Heute hat der Hode fast einen normalen Umfang;
nur hat die Tunica albuginea eine beträchtliche
Dicke, bei sonst normaler Structur, behalten.
Dr. Martiny giebt in einer Anmerkung zu diesem
Artikel 1. c. noch einige interessante Notizen über
die Pflanze.
Teucrium scorodonia L., auch Scorodonia oder
Salvia sylvestris, Waldlauch genannt, hat einen
bitteren, etwas aromatischen Geschmack und knob¬
lauchartigen Geruch. Kühe, Ziegen, Schafe, die
es geniesen, geben eine Milch mit Knoblaucli-Ge-
schmack. „ Es hat in seinen Eigenschaften etwas
gemeinsam mit dem Scordiura (Teucrium Scor-
dium L.), dem Wasserlauch oder Laclienknoblauch-
kraut. Indessen hat man es als ein Antisyphiliti-
cuui gebraucht. Ray sagt: in lue venerca uti-
liter exhibetur (übrigens hat Quarin auch Scordium
bei venerischen Hautkrankheiten angewandt. Ref.),
der es auch für ein Antihydropicum betrachtet.
Die Landleute benutzen es vielfach bei Hautwasser¬
sucht, indem sie es mit weissem Wein infundiren
(30 g auf 1 kg) und ein Weinglas voll 3 bis
4 Mal täglich geben. In der That passt es bei
Cachexie, Oedem und Anasarca, die bei Wechsel¬
fieber auftreten, oder den Scorbut und andere ato-
nisclie Leiden begleiten.“ Casin
Die Aerzte des 18. Jahrhunderts empfahlen
Scordium in Lungenleiden, in pulmonibus purulentis
i et mucilagine refertis, indem sie bald Scordium,
bald die Scorodonia gebrauchten. Während bei
! uns in Deutschland von den Gamander-Arten das
Teucrium Chamedrys, Botrys, Chamaepithys (wegen
seines angenehmen Geruchs Erdweihrauch genannt)
und das T. Marum (das Katzenkraut) keine Selten¬
heiten sind, kommt das T. Scorodonia mehr vereinzelt
vor, sodass Herr Apotheker Steinmetz dasselbe -von
* aussen hat beziehen müssen. College Schlegel hat
j es indessen häufig in der Umgegend von Tübingen
angetrofleu und sich seit Jahren schon einer von
I ihm selbst bereiteten Tinctur bedient. Vielleicht
giebt er uns einmal etwas von seinen therapeuti¬
schen Erfahrungen mit diesem Mittel zum Besten.
Eine merkwürdige Erscheinung möchte ich
, noch betreffs des Teucrium Marum verum hier be-
i rühren. Während die Katzen an dem campher-
artigen Geruch dieser Pflanze ein besonderes Wohl¬
gefallen haben, (daher sein Name Katzenkraut),
äussern die Mäuse einen grossen Widerwillen da¬
gegen, so dass es die Kammerjäger als Mittel zum
Vertreiben dieser Nager wohl zu benutzen wissen.
Dies erinnert an die Wirkung der Asa foetida auf
verschiedene Menschenrassen, indem sie der einen
ein cibus deorum, der andern dagegen ein stercus
Digitized by c^ooQie
11
diaboli dünkt. Indessen steht Katze und Maus un¬
endlich weiter von einander in der Natur, als der
Asiate und der Europäer; hier spricht der Instinkt,
beim Menschen die Entwicklung des Geruchssinnes.
Dr. Mossa.
Vom Büchertische.
Die Heilkraft des Lichtes.
Entwurf zu einer wissenschaftlichen Begründung
des Licht-Heilverfahrens (Phototherapie).
Von Dr. Willibald Gebhardt, physiologischemChemiker
und Hygienist.
Leipzig 1898.
Besprochen von Dr. Mossa.
Es ist ein verdienstliches Unternehmen, wenn
Dr. W. Gebhardt mit ausserordentlichem Fleisse
das Wichtigste, was die Wissenschaft über das
Licht in physikalischer, physiologischer und
therapeutischer Beziehung ergeben hat, gesam¬
melt und mit eigenen Experimenten und Erfah¬
rungen bereichert, zu einem Ganzen vereinigt
hat. Wir erkennen daraus, welch ein grossartiger
Heilfactor das Licht, zumal das Sonnenlicht, abge¬
sehen von seiner hohen, anerkannten und allbe¬
kannten hygienischen Bedeutung, für den Thera¬
peuten werden kann. Dass Verf. diesem Heilfactor
aber ein fast universelles Wirkungsgebiet zuweist,
ähnlich wie es die Wasserapostel mit dem Wasser
gethan haben, und hierbei zur Geringschätzung, ja
Verachtung aller speciell-medicamentösen Kranken-
behandlung sich verleiten lässt, das müssen wir
zurückweisen. — Die Kapitel, welche den Einfluss
des Lichtes auf pflanzliche, thierisclie Organis¬
men, auf die Bakterien und schliesslich auf den
Menschen behandeln, sind von hohem Inter¬
esse. Anerkennenswerth sind die Versuche,
welche Verf. selbst an Thieren angestellt hat,
welche er mit pathogenen Bacillen vergiftet hat,
um die Wirkungen des Lichtes auf inficirte Thiere
festzustellen, während die anderen Forscher sich
damit begnügt haben, die Einwirkung des Lichtes
auf Bakterien ausserhalb des thierischen Organismus
experimental zu eruiren.
Diese Versuche, die er unter Assistenz von
Dr. Aufrecht, Leiter eines bakteriologischen Insti¬
tuts in Berlin, unternommen, verdienen unsere Be¬
achtung.
Zuerst operirte er mit dem Bacillus anthracis. |
Zwei weisse Mäuse wurden unter der Haut mit 1
frischen — zwei Tage alten — Milzbrandkulturen
gehalten , nach drei Tagen starben , lebten die Thiere
im Lichtkasten noch am zehnten Tage, an welchem
sie, behufs Vornahme der Section, getödtet wurden.
In den ersten beiden Tagen nach der Impfung
zeigten sich die Thiere ziemlich unlustig, wurden
aber vom dritten Tage an recht munter. — Bei
diesen Thieren fand sich post mortem nur an der
Impfstelle eine umschriebene, brandige Geschwulst;
im entleerten Serum befanden sich sonst nur Invo¬
lutionsformen; Magen und Darmkanal war normal.
Hingegen ergab der Sectionsbefund von den im
Dunkeln gehaltenen Thieren in fast sämmtlichen
Organen, wie in Milz, Leber und im Blute, eine
Unmenge äusserst virulenter Milzbrandbacillen. Die
Milz war stark angeschwollen, die drüsigen Organe
parenchymatös getrübt.
Sodann wurde ein Versuch mit Diphtherie-Kul¬
turen an vier Meerschweinchen gemacht, indem man
zwei Thiere im Hellen, zwei im Dunkeln hielt. Es
wurden 0, r, 5 cm frischer Fleischbrühekultur von
Diphtherie-Bacillen den Thieren intraperitoneal ein¬
gespritzt. Die Thiere im Dunkeln gingen nach
vier bezw. sechs Tagen ein, die andern — im
Lichtkasten — lebten noch am 14. Tage, nach¬
dem seit dem 12. Tage auch die Glühlampe ent¬
fernt war. Bis zuletzt waren diese beiden Thiere
äusserst munter, nachdem sie die drei ersten Tage
überstanden hatten. Bei der Section fand sich eine
kaum seröse Entzündung des Unterhautzellgewebes,
das mit einem grauweissen Schleim angefüllt war,
letzterer liess im Deckglas-Ausstrichpräparat ausser
zahlreichen Kokken zumeist degenerirte Formen
erkennen. Dagegen zeigten die im Dunkeln ge¬
haltenen Controlthiere hämorrhagische Schwellung
der Nebennieren, in den Lungen flockige Verdich¬
tung; Bacillen waren mikroskopisch nicht mehr
nachweisbar.
Versuch mit Tuberkel-Bacillen.
Zwei Kaninchen wurden durch intravenöse In-
jection mit grossen Mengen frischer Tuberkel-Ba¬
cillen inficirt. Das eine Thier blieb acht Tage im
Lichtkasten, dann noch fünf Tage im Dunkeln.
Am 18. Tage war eine Gewichtsabnahme von
37 Gramm aber sonst keine auffallenden Verände¬
rungen eingetreten. Sectionsbefund: Milz und Leber
nur schwach afficirt; in den Lungen fanden sich
4-5 kaum linsengrosse Höhlungen mit schon halb
im Zerfall begriffenen Tuberkelbacillen. Wesent¬
lich ungünstiger gestaltete sich der Sectionsbefund
bei dem dunkelgehaltenen Controlthiere, welches
nach acht Tagen starb. Es zeigten sich weisse
Knötchen in den Nieren; in den Lungen ebenfalls
geimpft und dann in einen Kasten gebracht, in
dem eine Glühlampe von 16 Kerzenstärke Tag und
Cavernen; das Bauchfell war von zahlreichen Tu¬
berkeln durchsetzt. Verf. meint, der Einfluss des
Nacht brannte. — Während nun andere, mit den 1 Lichtes beim ersten Kaninchen wäre noch schlagen¬
gleichen Kulturen geimpfte Controlthiere, im Jhmkeln ! der gewesen, wenn das Thier in einem grösseren
2 *
Digitized by k^ooQie
12
Raume sich freier hätte bewegen können und eine
grössere Glühlampe wäre benutzt worden. — Dass
lange andauernde Einwirkung des Sonnenlichts
nicht nur die Tetanuskulturen in durchsichtigen Me
dien tödtet, sondern auch die toxische Substanz,
welche sie entfalten, unwirksam macht, haben
Tizzoni und Cantani nachgewiesen Vor Licht ge¬
schützte Kulturen, auch wenn sie sehr lange mit
der Luft in Berührung gestanden hatten, erzeugten
dagegen stets bei den Versuchstieren acute Te-
tanuserscheinungen. Also Luft allein ist wirkungs¬
los (p. 108 des besprochenen Werkes) Von Baum,
der in der Zeitschrift f. Hygiene, Bd. 6 einen
schönen Aufsatz über die „biologische Bedeutung
des Lichtes“ geschrieben, wird vom Verf. folgende
Aeusserung angeführt: „Um so mehr bedarf die
Frage nach dem Einflüsse des Lichtes auf patho¬
gene Bakterien noch einer weiteren Bearbeitung,
als sie befähigt ist, sowohl unsere hygienischen
Massnahmen als auch unser therapeutisches Thun
zu modificiren.“ Die Mahnung eines andern Autors
an die Frauen, die mottenzüchtenden schönen Vor¬
hänge und Gardinen zu beseitigen, und lieber dem
vollen Sonnenlichte in die lichtlosen, düstern Salons,
und vor allem in das Krankenzimmer (NB., wenn
keine tropische Sommerhitze herrscht), Einlass zu
gewähren, schliessen wir uns gern an. Die Luft,
die in einem solchen von Licht und Luft abge¬
schlossenen Salon uns entgegenkomrat, ist wirklich
unathmenbar.
Sehr instructiv ist, was wir über den Einfluss
des Lichtes auf die Haut erfahren. Es sind hier¬
bei die brechbarsten Strahlen, die sogenannten
chemischen , und zwar besonders die ultravioletten,
am wirksamsten. Letztere rufen nach Vidmark*
Stockholm und Hammer-Stuttgart nicht nur die Pig-
mentirung, sondern auch die Sonnen-Ekzeme her¬
vor. Durch starkes elektrisches Licht, das ja auch
sehr reich an chemischen Strahlen ist, werden die¬
selben Erscheinungen hervorgerufen. Hammer stellte
ferner fest, dass, wenn Wärmestrahlen allein auf
die Haut wirken, sofort eine Röthung eintritt, welche
sich aber wieder verliert, ohne eine Pigment¬
bildung zu hinterlassen, so dass es also auf eine
blosse Verbrennung hinausläuft. Durch Einfluss
ausschliesslich chemischer Strahlen erscheint die
Röthung erst einige Stunden nach dem Versuche
und erreicht oft erst am folgenden Tage ihren
Höhepunkt, worauf dann eine mehr oder minder
starke Pigmentirung erfolgt.
Vidmark wollte nach seinen Versuchen nur den
ultravioletten Strahlen diese Wirkungen zuschrei¬
ben. Dass aber auch die anderen chemischen
Strahlen einen gewissen Einfluss auf die Haut
haben, geht aus Gintrax’ Experimenten hervor.
Dieser liess die Lichtstrahlen der einzelnen Farben-
theile des Sonnenspectrums auf die Haut isolirt
wirken, und fand, dass die violetten Strahlen eine
Entzündung hervorrufen, die blauen Strahlen bren¬
nen und röthen, die grünen eine leichte Röthe und
die gelben ein geringes Brennen verursachen, die
rothen Strahlen dagegen keine Veränderung be¬
wirken.
Unna fand das Salben der Haut mit Kurkuma-
Tinctur oder Bestreuen mit rothem Bolus als das
wirksamste künstliche Mittel, um die Haut vor der
Einwirkung der chemischen Lichtstrahlen zu schützen.
Die Natur reicht uns zu diesem Zwecke dies Pig¬
ment der Haut selbst dar. Je pigmentreicher ein
Individuum daher ist, desto weniger wird es von
den Sonnenstrahlen zu leiden haben; umgekehrt
sind pigmentarme, blonde Personen, besonders aber
die Albinos, meist sehr geplagt davon. Das Haut¬
pigment sperrt also den Zutritt jener schädlichen
Strahlen ab — es ist also ein Schutzmittel gegen
die Sonnenstrahlen — eine Thatsache, welche
Finsen experimental bis zur Evidenz erwiesen hat
(cf. 1. c. p. 122.)
Finsen macht auch darauf aufmerksam, dass die
Stellen der Haut, auf welche die Lichtstrahlen
senkrecht einwirken, so der Nasenrücken und die
Wangen, besonders leicht ergriffen werden. Beim
Gletscherbrand kommen die Strahlen von unten,
weshalb besonders die Haut unter der Nase und
dem Kinn entzündet ist.
Sehr intensiv wirken die Sonnenstrahlen, wenn
sie von frischem Schnee und Eis reflectirt werden,
und das auch in Bezug auf die Pigmentbildung.
Während also das Licht auf der einen Seite Pigmen¬
tirung hervorruft, hat Verf. andererseits eine Heilwir¬
kung desselben Agens auf anormale Pigmentirung,
Pigmentflecke in der Umgebung variköser Geschwüre
constatirt. Unter dem Einflüsse des Lichtes trat, wie
Verf. sagt, hier wunderbarerweise eine Depigmentirung
ein; die braunen Inseln wurden kleiner und heller
und verschwanden schliesslich ganz, so dass die vorher
schmutzig aussehenden Hautstellen durch die Licht¬
strahlen klar und rein wurden. — In einem Falle
hat Verf. auch Sommersprossen durch Einwirkung
des Lichtes heilen können. Freilich findet zwischen
jenen und diesen Pigmentflecken ein nicht unbe¬
deutender Unterschied statt: dort findet die anormale
Pigmentirung an Stellen statt, die vom Licht gar
nicht oder sehr selten getroffen werden; hier bei
den Sommersprossen aber an Stellen, die gerade
vom Licht getroffen zu diesen Pigmentablagerungen
gereizt werden. Sieht es nicht so aus, möchten
wir sagen, als ob hier das homöopathische Heilungs¬
gesetz obwaltet, indem der Reiz, der die Haut-
affection hervorruft, sie auch zu heilen im Stande ist?
Was den physiologischen Vorgang betrifft, so
nimmt Hammer eine directe Wirkung der Licht-
Digitized by
Google
13
strahlen auf die Blutcapillaren nicht an, sondern
er behauptet, dass durch die ultravioletten Strahlen
gewisse Nerven-Elemente, welche mit den Pigment-
zellen in Verbindung stehen, in der Haut in Thätig-
keit versetzt werden. Dem tritt Finsen gegenüber
mit der Behauptung, dass die Blutcapillaren selbst
von den Lichtstrahlen beeinflusst werden. Das
Pigment ist, wie Unna nachgewiesen, hauptsächlich
in den tiefsten Zellenschichten der Epidermis ab¬
gelagert, woselbst weder Capillaren noch Nerven¬
enden liegen, welche erst in dem darunter liegen¬
den Stratum papillare sich vorfinden. Das Blut
selbst, meint er, athmet reichliche Mengen von
Licht ein, absorbirt besonders viele ultraviolette Strah¬
len; hat es dann zur Genüge Licht aufgenommen,
so entwickele sich das Pigment, das dann dem
weitern Zutritt von Licht einen Damm entgegen¬
setzt. — Sehr eingehend behandelt Verf. die Wir¬
kung der Lichtbäder als therapeutisches Mittel, und
erhalten wir in seinem Werke auch über die physio¬
logische und therapeutische Action des farbigen
Lichtes sehr interessante Mittheilungen, über die
wir später einmal ausführlicher zu berichten ge¬
denken.
Aus der Besprechung wird der Leser ersehen
haben, dass Dr. Gebhardt mit seiner Schrift „Die
Heilkraft des Lichtes“ einen wesentlichen Beitrag
zur Erkenntniss und zur therapeutischen Verwen¬
dung des himmlischen wie des auf der Erde künst¬
lich erzeugten Lichtes geliefert hat, und wenn er
dies Werk, wie er als bescheidener Nicht-Arzt ein¬
gesteht, lieber von einem berufenen Arzt ausge¬
führt gesehen hätte, so rechnen wir ihm dies Ge¬
ständnis hoch an und zollen ihm um so mehr
unsere Anerkennung.
Aufforderung.
Doctoren oder Candidaten der Medicin, die in
Prag an der deutschen Universität, oder in Wien,
oder in Leipzig studirt haben, sich mit der homöo¬
pathischen Heilmethode vertraut machen, und die¬
selbe praktisch verwerthen wollen, werden hiermit
aufgefordert, sich bei dem Unterzeichneten wegen
Erlangung der „Gabriel Porges’schen Stiftung für
Homöopathen,“ die für 1899 wieder zu vergeben
ist (halbjährlich ca. 220 Mk.), baldigst zu be¬
werben. — Daselbst sind auch die Bedingungen
zu erfahren, unter welchen diese Stiftung zu er¬
langen ist.
Leipzig, im Januar 1899.
Dr. Rohowsky,
z. Z. geschäftsföhrendes Vorstandsmitglied
des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands.
LesefrUchte.
Prof Huchard machte in einer Vorlesung über
das Auftreten von Herzkrankheiten in Folge von
Gelenkrheumatismus folgende interessante Bemer¬
kung:
„Je mehr ein Patient im Alter vorgeschritten,
namentlich je weiter er über das dreissigste Lebens¬
jahr hinaus ist, um so weniger hat der Rheumatis¬
mus bei ihm die Tendenz zu einer Local tsirnnj
am Herzen.
Bei den Kindern z. B. kann der kleinste rheu¬
matische Anfall, selbst ein geringer Torticollis, ein
Herzleiden hervorrufen, während das Herz bei über
30jährigen Leuten sehr selten ergriffen wird.“ —
Ferner betont Verf., „dass man bei acutem Rheu¬
matismus dem Kranken auch bei Nacht das Medi-
cament, er bedient sich eines Salicinpräparates
in starker Dosis, verabreichen soll, weil die Cont-
plicalionen von Seiten des Herzens , insbesondere die
Endocarditis, so gern über Nacht sich einstellen,
und die Wirkung des Salicyls, das so schnell elimi-
nirt wird, nicht nachhaltig genug sich erweist. Es sei
nicht selten,“ sagt Verf., „dass ein am Gelenkrheu-
tismus leidender Kranker Abends nichts Abnormes
am Herzen hat, und am andern Morgen constatirt
man das Bestehen einer Herzaffection.“
Die nächtliche Steigerung der krankhaften Symp¬
tome gerade beim acuten Gelenkrheumatismus ist
eine bekannte Erscheinung; wie oft erlebt es jeder
Praktiker, nicht zu seiner Freude, dass, wenn er
Abends seinen Patienten in einer gewissen Euphorie
verlassen, da die Schmerzen und die Anschwellung
in dem befallenen Gelenke sich gemindert haben,
am andern Morgen ein anderes Gelenk von der
Affection ergriffen und dem schmerzhaften Process
entgegengeht. Der Krankheitserreger, die Materia
peccans, gewinnt in der That bei Nacht immer
wieder erneute Kräfte, und so wird in der Nacht¬
zeit auch das Herz und seine Häute häufig in die
Krankheit hineingezogeu. Die nach dem homöo¬
pathischen Grundprincip in dieser Krankheitsart an¬
gewandten Mittel, wie Aconit, Bryonia, Rhus, Merc.,
Bellad., Colchicum u. a., haben ja auch eine deut¬
lich ausgesprochene Neigung der krankhaften Symp¬
tome zur Nachtzeit.
Ob es Prof. Huchard gelungen ist, durch Ver¬
abreichen des Salicyls in starker Dosis auch bei
Nacht die Entstehung einer Herzaffection beim Ge¬
lenkrheumatismus zu verhüten, sagt er nicht aus¬
drücklich. Bei dem sonst üblichen Gebrauch des
Mittels in starken Gaben, die so schwere Neben¬
wirkungen mit sich führen, kommen die Herzaffec-
tionen durchaus nicht seltener vor, als es bei an¬
deren allopathischen Mitteln der Fall gewesen ist.
_ Ref.
Digitized by
Google
14
Technisches.
Im The Journal of tlie British Dental Associa¬
tion giebt Brodie folgendes Verfahren zur Reini¬
gung rostiger Instrumente an: Man füllt ein pas¬
sendes Gefäss mit einer Lösung von Zinn-Chlorid
in destillirtem Wasser. In dieser Lösung lässt man
das rostige Instrument über Nacht liegen. Dann
spült man cs in fliessendem Wasser ab und reibt
es mit sämischem Leder trocken, so wird es blank
wie Silber werden.
Dermatitis und Böntgenstrahlen.
Von B. Plonski.
(Dermatolog. Ztschr. 1891. No. 1.)
P. beschreibt einen Fall von geschwüriger Der¬
matitis der Bauchhaut nach 1 2 stündiger Einwirkung
der Röntgenstrahlen. Die Röhre soll ca. 1 / 2 m vom
Körper des Pat. entfernt gewesen sein. Die Der¬
matitis bestand trotz aller therapeutischen Mass¬
nahmen ca. 1 Jahr. — Referent: Immerwahr-Berlin.
Dr. Cramer-Karlsruhe.
Gelenkrheumatismus: Aetiologie, Prophylaxe,
Therapie.
Nach den neueren Forschungen ist der acute
Gelenkrheumatismus keine einheitliche Infections-
krankheit, sondern die Erreger desselben sind ver¬
schiedenartig. So kommt die Krankheit auch nach
septischen Processen, Scharlach, Gonorrhöeen, Vari¬
cellen, Anginen vor. Bei letzteren bilden die
Mandeln die Eingangspforten für die Mikroben.
Verf. selbst hat in zahlreichen Fällen von Poly¬
arthritis acuta eine vorgängige Infection, bei 2 s
war es Angina, beobachtet. — Während und nach
jeder Infectionskrankheit kreisen eben im Blute
theils die Krankheitserreger, theils deren toxische
Endproductc. Geben diese durch die Nieren, so
können sie Nephritis erzeugen, auf der Pleura zu
Pleuritis führen, durch Reizung der verschiedenen
Gelenkschlciinbeutel — Gelenkentzündungen hervor-
rufeu. Mag nun die Noxe einer Angina, einer
Scarlatina, einer Gonorrhöe entstammen, der Effect
ist derselbe; nur wird die Entzündung eine um so
bedeutendere sein, je stärker die Virulenz des
Erregers ist. — Doch ist eine Gelenkentzün¬
dung lediglich in Folge einer Erkältung, ohne
Bakterien, wohl anzunehmen. Die Erkältung kann
aber auch bei den bakteriellen Arthritiden insofern
von Bedeutung sein, als erkältete Gelenke in Folge
der durch die Erkältung bedingten Circulationstörung
und Staue den Mikroorganismen die Einwanderung
erleichtern, also einen locus minoris resistentiae dar¬
stellen. — Salicylsäure wirkt so prompt, weil sie
in hohem Grade antizymotische und antiseptische
Eigenschaften besitzt, so dass sie, in der gehörigen
Dosis verabreicht, die im Organismus kreisenden
Mikroben zerstört oder wenigstens ihre Entwicke¬
lung hemmt. (? Ref.)
Noch wichtiger ist aber die Prophylaxe. Wir
müssen bestrebt sein, die infectiösen Affectionen
möglichst abzukürzen, und durch Elimination der
mikrobischen Erreger der Entwicklung von Gelenk¬
rheumatismus vorzubeugen. Bei der so häufigen
Angina ist hierzu die Cifronensäure ein treffliches
Mittel. Von vielen Autoren schon ist ihre bakte-
ricide Wirkung anerkannt worden, so namentlich
von Lasser, der damit unter 15 Fällen von Diph¬
therie 14 zur Heilung brachte und 70 Follicular-
anginen in 2 Tagen bekämpfte. Auch Verf. konnte
sich in zahlreichen Fällen von der auffallend raschen
Wirkung des Mittels überzeugen, selbst bei der
echten Diphtherie. Er verordnet es in der Fonn
von Acid. citric. 10,0, Aquae font. 100,0, Sacchar.
0,5, D. S. 1 Esslöffel auf 1 Glas Wasser. Von
dieser Mischung lässt er je nach der Schwere des
Falls alle 5—10—15 Min. gurgeln und trinken.
Bei Kindern unter 1 Jahr giebt er von einer
Lösung Acid. citric. 1,0 auf Aq. dest. 70,0, Syr.
citri 30,0, halbstündlich 1 Kaffeelöffel. — Er lässt
das Medicament jedes Mal in Eis abkühlen, em¬
pfiehlt auch kalte Limonade als Getränk. Hiermit
verbindet er immer gleichzeitig eine methodische Kalt¬
wasserbehandlung. Anfangs Eisumschläge, später er¬
regende Priessnitz’sche, Stammumschlftge, Halbbäder,
Einpackungen. — Auch zur Abkürzung des Krank¬
heitsverlaufes bei den anderen Infectionskranklieiten
hält Verf. die hydropathische Behandlung als am
geeignetsten.
Nicht die Herabsetzung des Fiebers ist hierbei
die Hauptsache, sondern die tonisirende, Innerva¬
tion und Stoffwechsel anregende Beeinflussung.
Hierbei kommen die pathogenen Keime und Toxi¬
nen schnell zur Ausscheidung, auch bietet die
hydriatisclie Behandlung gleichzeitig den besten
Schutz vor Erkältungen. —Jedenfalls soll dieses ziel¬
bewusste und individualisirende Heilverfahren einige
Wochen fortgesetzt werden. — Es kann aber bei
der Prophylaxe des acuten Gelenkrheumatismus und
anderer Infectionskranklieiten noch ein anderer
Factor wichtig sein, die Beseitigung von A asen-
affectionen. Es werden ja an 80 °/ 0 der in der
Luft enthaltenen Bakterien in der Nase zu¬
rückgehalten, wo sie durch den baktericiden
Nasenschleim vernichtet werden. Hypertrophie der
Muscheln, Stenosen etc. verhindern jedoch die
Nasenathmung, und beim Schnupfen soll die bak-
terientödtende Wirkung des Nasenschleims aufge¬
hoben werden. Da können dann die Bakterien die
Mundhöhle passiren, und so in den Organismus ge-
Digitized by t^ooQle
15
langen. Somit muss die Bekämpfung der Nasen¬
leiden ein wichtiges Momeut bilden.
(Dr. W. Steckei [Wien]. Wien. med. Wochenschrift
1896. 3.)
Hydrotherapie und Citronensaft sind schon seit
vielen Jahren die beiden Hauptmittel des sogen,
arzneilosen Naturheilverfahrens bei Diphtherie. Verf.
hat diesem Verfahren nun eine wissenschaftliche
Unterlage zu geben versucht. Ob aber Salicylsäure
innerlich und die von ihm statt des Citronensaftes ge¬
wählte, innerlich [und als Gurgelwasser] angewandte
Citronensäure wirkliche Mikrobentödter sind, ist
heut zu Tage eher mit Nein als Ja zu beant¬
worten. — Auch will es dem Ref. scheinen, als ob
die Vertreter des sog. Naturheilverfahrens besser
daran gethan haben, dass sie das Wasser nicht mehr
I in der Form und Temperatur des Eises, sondern
massig temperirt zu Umschlägen bei Anginen, auch
| bei Diplith., anwenden, — ein Verfahren übrigens,
welches die homöopathischen Aerzte meistentlieils
gleichzeitig neben den angezeigten homöopathischen
Mitteln sich längst angeeignet haben. Ref.
Wegen des Ablebens meines Mannes, des homöopa¬
thischen Arztes Dr. Reis, ist dessen
Homöopathische Apotheke,
sei es im Ganzen, sei es in einzelnen Theilen, aus der ,
Hand unter billigen Bedingungen zu verkaufen. ;
Trier. Wittwe Dr. Reis. |
Carl Gruner’s homöopathische Offlein (A. Kittel), j
Berlin
hat folgende l>epdts errichtet, in denen ihre anerkannt '
vorzüglichen Arzneien in bester und frischester Qualität 1
stets, und nur in Originalpackung und zu Original- 1
preisen zu haben sind: i
für Rerlin O. und S.O.:
Emmaus-Apotheke, Apotheker E. Seyd, Reichenberger¬
strasse No. 150.
für Berlin N.W.:
Roland-Apotheke, Apotheker Baermann, Thurmstrasse
No. 16.
für Magdeburg:
Victoria-Apotheke, Kaiser Wilhelmstrasse,
für Rostock (und beide Mecklemburg):
Universitäts-Apotheke, Blücherplatz.
Zur Eiweissbestimmung im Harn,
qualitativ und quantitativ, empfehle als das Einfachste
und Praktischste die
Esbach’schen Albuminimeter
mit genauer Gebrauchsanweisung ä Mk. 3.
Die dazu gehörige Lösung von Citronen- u. Picrinsäure
gebe ich in jedem Quant, (ä 100,0 = 30 Pf. ohne Flasche) ab.
Zur Zuckerbestimmung im Harn,
qualitativ und quantitativ, empfehle als das Einfachste
und Praktischste die
Limousin’schen Tropfenzähler
mit genauer Gebrauchsanweisung und Berechnungstabelle
ä Paar = Mk. 3.50.
Die dazu gehörige Fehling’schc Lösung) stets ganz
frisch, wird in Glasstöpselgläsern ä 30,0 = 50 Pf. incl.
Flasche abgegeben.
Ferner empfehle ich den Herren Aerzten
C. Hilber’s Reagens-Papiere
zum Nachweis von Zucker und Eiweiss im Harn.
Höchst praktisch in Etuiform (14 cm hoch, 10 cm breit ;
und 1 Vj cm dick) mit Reagenscylinder und Notizbuch, in
der Tasche zu tragen.
Jedes Etui kostet nur 2 Mk.
A. Marggrafs homöopath. Offlein in Leipzig. !
Selbatdlftpengirender homtfopath. Arzt
sucht geeigneten Ort zur Niederlassung. Gef. Offerten
sub A. B. 98 an die Expedition dieses Blattes erbeten.
Inductions-Apparate mit Chromsäure-
Salmiak - Trocken - Elemente. Constante-
Batterien mit Horizontal - Galvanometer-
Strom wender-Rheostat. Galvanocaustische
Instrumente, D. R. M. 27694, empfiehlt
V. Erbe, Tübingen.
_ Preisverz. gratis. _
Hochfeines Tafel- (Speise-) Oel.
Allen Freunden eines vorzüglichen Speise- oder Salat-
Oeles empfehle ich, aus ersten Häusern bezogen, billigst
hochfeinstes Provenceröl (Huile Vierge)
gold-gelb, von feinstem Geruch und Geschmack
krystallklar
l tt 1 Flasche : 500,0 Gramm incl. Flasche Mk. 1.70.
H a 1 « : 500,0 „ 1.40.
Bei grösseren Mengen noch billiger.
Leipzig. A. Marggraf s homöopath. Officin.
Prima entölten homöopath. Cacao.
Feinste homöopath. Gesundheits-Chokolade.
Bei homöopathischen Curen ausser dem ho¬
möopathischen Gesundheitskaffee als Getränke
gestattet, empfehlen wir in reinsten und besten
Qualitäten und in eigener Packung billigst:
Entölten Cacao in Blechbüchsen
ä 1 Pfd. ä V* Pfd. ä V 4 Pfd.
ä 2.80 ä 1.50 V— .8(TMk“
Gesundheits-Chokolade ä Pfd. = 2 Mk.,
in */ 4 Pfd.-Tafeln ä 50 Pf.
Unsere Präparate sind von reinstem Geschmack,
bestem Arom, höchstem Nährwerthe und leich¬
tester Verdaulichkeit.
* jq
<5 SB
3*3
© Z
3 2
?r *
2 ^
3 js
19 2*
© p
“•3
J9CT9
I
Homöopath. Ceiitralapotheke
von Täschner & Co. in Leipzig.
Receptur-Tarir waagen.
Da neuerdings bei Revisionen auch mehrfach Tarir-
waagen verlangt worden sind, welche jedoch die Herren
Aerzte nie brauchen und die im Allgemeinen nicht unter
50-60 Mark zu haben sind, so habe ich billige und für
Revisionszwecke völlig genügende, mit Präcisionsstempel
versehene und geaiehte Receptur-TarirWaagen auf einfachem
Brette anfertigen lassen, die zum billigen Preise von nur
24 Mark offeriren kann.
Leipzig. A. Marggrafs homöopath. Officin.
Digitized by ^»ooQle
48
w Wichtig!
Revisionsmässige Einrichtung
der ärztlichen Hausapotheken betr.
Nachdem in einem Regierungsbezirke in Westphalen
wiederum neue Anforderungen gestellt worden sind, gebe
ich Folgendes bekannt:
Der Phosphor und seine Präparate dürfen nicht mehr
in den bisherigen Giftschränken untergebracht werden,
sondern in einem besonderen eisernen Schränkchen.
Für Morphium muss auch ein besonderes Schränkchen
mit den Mitteln in 3-eckigen Gefässen und den nöthigen
Utensilien (Waage, Mörser, Löffel, Gewichte etc.) angeschaflt
werden.
Desgleichen für Moschus ein besonderer Kasten mit
den Mitteln in revisionsmässig signirten Gefässen, und den
nöthigen Utensilien (Waage, Mörser etc.).
Ich offerire somit Folgendes:
1. Eiserne Phosphor* Schränkchen) 29 cm
hoch, 34 cm breit, 17 cm tief, mit 2 Ablheilungen,
leer 15.— Mk.
ln diese kommen die schon vorhandenen Gefässe
und Utensilien.
2. Morphiom-Schrfinkclien von Holz,
Nussbaum oder Eiche etc., 47 cm hoch, 26 cm breit,
tief,
aussen Porzellanschild „Morphium,“
Enthaltend:
leer 20.
ß
1 dreieckiges Gefäss für Morphium
2
purum
—.60 Mk.
.t; 2
1 „ „ für Morphium*x
s «
Ja
Verreibungen 1
-.60 „
*3.
1 „ „ für Morphium )
<4
PH
, Lösung-*
-.90 „
1 Mörser mit Pistill und Schrift
3.50 „
1 Handwaage mit Schrift
5.50 „
1 Trichter mit Schrift
1.- „
1 Löffel
-.90 „
Diverse Gewichte
2.50 „
1 Pincette für Gewichte
-.75 „
3. Hoschuskästen aus Blech, 25 cm lang,
breit, 12 cm hoch, signirt „Moschus,“
Enthaltend:
leer 6.
u a
® u
1 gelbes Glasstöpselglas: 25, 0 , für
Tinct. moschi
■g-s <
- .30 Mk.
1 „ Glasstöpselglas: 25, 0 , für
s 8
Moschus-Verreibung
1 Porzellanmörser mit Pistill und
.3o „
Schrift
3.- „
1 Handwaage mit Schrift
5.50 „
1 Horn löffei mit Schrift
— .90 „
1 Trichter mit Schrift
1.- „
12 Pulverschiffchen mit Schrift
6.- „
1 Pincette für Gewichte
-.75 „
Diverse Gewichte
2.50 „
imitirt
17 cm
- Mk.
Ü1
s ~
13 cm
- Mk.
A. Marggrafs Homöopath. Officio, Leipzig.
: Kurpension des Homöopathen
Dr. von Hartungen
Riva a. Gardasee, Tirol.
Nachstehend verzeichnete Apotheken empfehlen wir
als Haupt-Depots
unserer homöopathischen Arzneien, Hausapotheken etc. —
Dieselben haben sich verpflichtet, alle Arzneien etc. von
uns nur in Originalpackungen mit einer unsrer Firmen zu
beziehen und weiter zu verkaufen, sodass volle Garantie
für Echtheit und beste Qualität den verehrten Käufern
geboten ist.
Karl Otte’s Fischmarkt-Apotheke, Hamburg,
Fischmarkt.
Julius Hopp, Löwen-Apotheke, Freiburg
i. Baden.
Joh. Manecke, Hof-Apotheke, Magdeburg.
Dr. C. Hofs Apotheke, Pforzheim (Baden),
gegenüber dem Rathhause.
Dr. Fr. Oelze, Krummacher’sche Apotheke,
Bielefeld, am alten Markt.
H. Steinhorst, Mohren-Apotheke, Prenzlau.
Wed. Bulterman & Cohen, Apotheker, Rotter¬
dam, Hoogstraat.
J. W. Florijn, Centraal-Apotheek, Haarlem,
Groote Houtstraat 78.
Weitere Depöts folgen in allen grossen Städten.
Die vereinigten
Leipziger homöopathischen Apotheken:
Täschner & Co., Homöopathische Central-Apotheke,
A. Marggrafs homöopathische Officin und Carl
[ Gruner’s homöopathische Officin (früher in Dresden).
Günstige Offerte.
Prima deutscher und französ. Eopac.
Durch directe Beziehungen mit einem der ersten Häuser
in Cognac sind wir in der Lage, allen Freunden eines
vorzüglichen, echten französischen Cognacs eine zuver¬
lässig echte und preiswerthe Waare anzubieten:
Echt franz. Cognac * 1 Flac. M. 3.50.
D 99 99 1 99 99 4.75.
„ „ „ 1 „ 6 50.
Bei 12 Flaschen franco alle deutschen Bahnstationen
incl. Verpackung und 10% Rabatt.
Hauptniederlagen in Leipzig bei
A. Marggrafs homöopath. Officin
und
Täschner & Co., Homöopath. Central-Apotheke.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von WiHiam Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius Maser in Leipzig.
Digitized by t^ooQle
Band 138
Leipzig, den 16. Februar 1899.
No.7u.8.
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A.MarggraFs Homöopath. OfHcin) in Leipzig
Thomaskirohhof 12.
£ 1 ^^* Erscheint Utägig zu2 Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 Af. 60 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offloin ln Leipzig) zu riohten
sind, werden mit 20Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 6—8 M, berechnet.
Inhalt. „Einseitige“ Krankheiten. Von Dr. Mossa.— Aranea (diadema). Eine Signaturstudie von E. Schlegel,
Arzt in Tübingen Bryonia (alba)-Signaturenbild. Von demselben. — Rundschreiben, betreffend Perityphlitis. Von
Dr. Gisevius jun. — Cnirurgia homoeopathica — Myristica sebifera. Von Dr Olivd y Gros in Barcelona. — Das Ge¬
setz der Zweckmässigkeit im menschlichen Organismus systematisch beleuchtet. Eine anatomisch-physiologische Ab¬
handlung als natürliche Teleologie. Von Ad. Alf. Michaelis. Besprochen von Dr. H. Goullon. — Paracelsus, der „Fran-
zosen-Arzt“. Von Dr. Mossa. — Das Reconvalescenten-Heim Hahnemann“ zu Bournemouth. Von M. — Klinische Indi-
cationen. Von M. — Bitte an die Collegen! — Lesefrüchte. — Personalia. — Anzeigen.
Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. '•Z
„Einseitige“ Krankheiten.
Von Dr. Mossa.
Hahnemann spricht im Organon von „einsei¬
tigen“ Krankheiten, und meint damit solche, die
sich nur durch wenige charakteristische, oder gar
nur durch ein einziges hervorstechendes Symptom
bemerkbar machen. Derartige Krankheiten können
uns nun als frisch entstandene, acute zur Beobach¬
tung kommen, wie z. B. ein Zahnschmerz oder eine
Neuralgie an irgend einem Körpertheile, häufiger
aber begegnen wir ihnen, wie auch unser Meister
hervorhebt, in chronischen Fällen, so z. B. bei ge¬
wissen Migränen, Cardialgieen oder bei chronischen
Zuständen des Hautorgans, wie einer Warze, Balg¬
geschwulst u. a. m.
Nicht selten jedoch liegt diese Einseitigkeit
nicht in der Krankheit selbst, sondern in der
kranken Person, die sich nicht zu beobachten ver¬
steht oder sich zu indolent gegen die vorhandenen
Symptome verhält, die zu der in gewissem Sinne
glücklichen Klasse der Dickhäuter gehört. Für ein
gut Theil Personen ist überdies der Magen fast
der einzige Gradmesser ihrer Gesundheit. Wie oft
kommt ein Kranker zu uns, der weiter nichts zu
klagen hat, als dass ihm Essen und Trinken nicht
mehr schmeckt, der Kaffee der Frau und die Cigarre
dem Manne nicht mehr munden will. Dringen wir
aber durch Befragen und objective Untersuchung
tiefer in den Fall, so finden wir, dass der Magen
oft erst in zweiter, ja erst in dritter Linie be¬
theiligt ist, dass er nur consensuell mitleidet, wäh¬
rend der Hauptherd der Krankheit ganz wo anders
liegt und sich diese durch eine Reihe mehr oder
weniger charakteristischer Symptome zu erkennen
giebt. Im Allgemeinen kann man behaupten, je
einseitiger der Kranke, und der Arzt, desto mehr
wird von einseitigen Krankheiten die Rede sein.
Bei alledem bleibt es aber Thatsache, dass wir
auf Krankheitszustände je und je stossen, die sich
nur durch wenige, oder gar nur ein charakteristi¬
sches Symptom kund geben. Für die Behandlung
solcher Fälle nun giebt Hahnemann den Rath, das
Mittel zunächst zu wählen, das diesen wenigen,
oder den einzigen Symptomen unserer Arzneimittel¬
lehre zufolge am meisten entspricht. Wird der
Zustand durch dieses Mittel gar nicht oder nur
theilweise gebessert, so wird dasselbe doch in der
Regel bei dem betreffenden Kranken eine Anzahl
von „Nebenbescbwerden“ liervorrufen, die das Krank¬
heitsbild ergänzen und so verdeutlichen, dass man
nun eher im Stande sein wird, das Simile oder
Simillimum aufzufinden.
„Man meine nur nicht,“ sagt Hahnemann in
seinem Organon § 181, „dass die jetzt erschienenen
Nebenbeschwerden und neuen Symptome auf Rech-
7
Digitized by L^OOQle
50
nung des eben gebrauchten Mittels kämen. Sie
kommen von ihm; es sind aber doch immer nur
solche Symptome, zu deren Erscheinung diese Krank¬
heit und in diesem Körper schon für sich fähig
war, und welche von der gebrauchten Arznei —
als Selbsterzeugerin ähnlicher — bloss hervorge¬
lockt und zu erscheinen bewogen wurden. Man hat,
mit einem Worte, den ganzen jetzt sichtbar ge¬
wordenen Symptomen-Inbegriff für den der Krank¬
heit selbst angehörigen, für den gegenwärtigen
wahren Zustand anzunehmen und hiernach ferner
zu behandeln.“
Welches Verfahren Hahnemann späterhin ein¬
schlug, um bei einseitigen Krankheiten, denen eine
schlummernde (latente) Psora, Sycosis oder Syphilis
als Grundursache zu unterstellen war, diese aus
ihrer Latenz zur Aeusserung offenbarer Symptome
anzuregen, ist bekannt. —
Indessen hat die praktische Erfahrung unserer
Schule sattsam gelehrt, dass es uns bei wirklich
symptomen-armen Erkrankungen doch oft gelingt,
durch ein einziges Mittel, das eben die wenigen
oder gar das einzige Hauptsymptom, die Indication,
in seiner Pathogenese enthält, sozusagen primo
ictu-Heilung zu erlangen. Obwohl nun diese That-
sache jedem homöopathischen Arzt aus seiner Praxis
bekannt sein wird, so halten wir es doch für nütz¬
lich, einige eclatante Fälle aus eigener und frem¬
der Beobachtung ad usum Delphini hier mitzu-
theilen.
1. Da ist mir ein Fall von Zahnschmerz leb¬
haft in der Erinnerung geblieben bei einem jungen
Manne, an dem ich trotz sorgfältiger Untersuchung
nichts Krankhaftes irgend welcher Art sonst habe
entdecken können. Der Schmerz erschien in ein¬
zelnen Kucken, und hatte Patient bei jedem Ruck
die Empfindung, als ob ihm der Zahn herausgerissen
wurde . Diese eigentümliche Schmerzempfindung
fand sich nun in unserer R. A.-M.-L. bei keinem
Mittel so deutlich ausgesprochen, wie bei der Ipe-
cacuanha . Dieses Mittel erhielt der Patient in der
3. Dec.-Dil. zu je 3 Tropfen, 3 Mal täglich in
1 Esslöffel Wasser. Es brachte in der That bald
Besserung und sodann Heilung. — Wohl erzeugt
auch, Coccionella septempunctata, der Johanniskäfer,
eine ähnliche Odontalgie, nämlich ein ruckweises
Ziehen , ein Zucken und Reissen in den Zähnen,
als würden sie herausgerissen , dazu noch ein Weh
in den Backenzähnen, als seien sie hohl, oder als
zöge Luft hinein. Bei meinem Patienten trat jener
Ruck und jene Empfindung immer in einem und
demselben Zahn ein, der aber nicht hohl war. Viel¬
leicht dient uns zur Differenzirung beider Mittel
noch die Thatsache, dass Coccion. Rothe und Hitze ,
Blutdrang nach dem Gesicht, aufweist, während bei
der lpec. das Gesicht blass , aufgedunsen erscheint
und sich blaue Ränder um die Augen darstellen.
Ueberdies tritt bei beiden Mitteln vermehrte Spei¬
chelabsonderung auf.
2. Auf ein ganz anderes Gebiet führt uns fol¬
gender Fall:
Ein 3jähriger, gutgenährter Knabe litt seit
längerer Zeit an Vorfall des Mastdarms. Zuerst
war diese Erscheinung nur beim Stuhle, der hart
und ziemlich dick geformt war, aufgetreten, später¬
hin war sie aber stationär geworden. Die bisher
angewandten Hausmittel, sowie die von einem* Arzt
der alten Schule verordneten Massnahmen hatten
keinen Erfolg gohabt.
Ignatia 30., mehrere Abende je eine Gabe zu
5 Globulis, genügte, um dieses lästige Uebel zu
beseitigen. Bei der Mittelwahl hatte ich zwischen
Ignatia und Nux vomica geschwankt. Die sanfte
Gemütlisart des Kindes, die selbst durch sein Leiden
nicht getrübt worden war, gaben den Ausschlag
; für Ignatia.
| 3. Die Heilung einer Ranula durch Thuja, so-
I wie die von Warzen bei einem Kinde durch das-
; selbe Mittel habe ich schon früher mitgetheilt. Bei
| dem Kinde und dessen Familie, zumal der Mutter,
| war der hydrogenoide Zug nicht verkennbar; bei
i dem Ranula-Patienten fehlte derselbe. Inzwischen
j hat Coli. Weiss in Gmünd mehrere solcher Ranula-
I Heilungen mittels Thuja sicher constatirt. Der¬
artige Fälle sind meist recht arm an sonstigen in-
dicativen Zeichen und Symptomen.
Beobachtungen Anderer.
Eine Reihe sehr interessanter und belehrender
Heilungen von merkwürdigen, isolirt auftretenden
pathologischen Veränderungen, namentlich nach Rich¬
tung der Sinnesempfindungen, zumal des Geschmacks,
hat Kafka senior in dieser Zeitschrift unter dem
Titel: Symptomatische Heilungen im 61. und 62. Bde.
veröffentlicht, die zu diesem Thema eine weitere
Illustration darbieten.
4. So berichtet er von einer ältlichen, zarten,
schwächlichen Frau, die zu Katarrhen geneigt,
wiederum an einem Bronchialkatarrh erkrankt war,
der die Eigentbümlichkeit hatte, dass die Kranke,
so oft sie hustete , einen dumpfigen (schimmeligen)
Geschmack im Munde empfand, der ihr einen sol¬
chen Ekel erregte, dass die Esslust beeinträchtigt
wurde und sich zuweilen Uebelkeit, ja sogar wässe¬
riges Erbrechen einstellte. Dabei war der Husten
locker; weder Athem noch der ausgeworfene Schleim
I hatte jenen Geruch. Der schlechte Geschmack kam
eben nur jedes Mal beim Husten. Ein dem ähn¬
liches Symptom fand Kafka nach eifrigem Suchen
in Jahr’s Handbuch der Hauptanzeigen unter Le-
dum palmtre verzeichnet. Von diesem Mittel gab
j er nun der Patientin Morgens und Abends je
Digitized by L^OOQle
51
1 Tropfen der 3. Dil. auf Milchzucker, worauf
binnen 8 Tagen vollständige Besserung eintrat. —
Dass es sich hier um eine wirkliche Kunstheilung
handelte, dafür spricht die Thatsache, dass, als
nach Jahresfrist ganz dasselbe Leiden wieder er¬
schien und Verf. absichtlich zuerst andere Mittel,
wie Nux, Ipec., Calc., Sulph. u. a. verabreichte, !
diese nichts ausrichteten und erst wieder Ledum
jenen dumpfigen Geschmack beim Husten in kurzer
Zeit beseitigte. I
5. Bei einem Manne, der an einem einfachen 1
Bronchialkatari h litt, stollte sich bei jedem Husten-
stoss ein ekliger Geschmack von KeUerschimmel
ein. Hier roch aber der Athem dampfig , und der j
sich leicht lösende Auswurf hatte denselben Geruch
und Geschmack. Dabei war aber das Zahnfleisch
gesund und der Appetit gut.
In diesem Falle half Borax, 2. Verreibung, Mor¬
gens und Abends 1 Pulver, binnen 6 Tagen. —
Borax hat in der That das Symptom: Amwurf !
schhnmeligen Geschmacks und ebensolchen Geruch i
aus dem Munde bei einem Prüfer erzeugt.
6. Eine Dame hatte während des Hustens den !
Geschmack nach faulen Eiern, dabei keine Spur
von Magenstörungen. — Sulph., Hep. sulph. halfen
nicht; aber auf Sepia 6., Morgens und Abends 1
1 Tropfen, verlor sich jenes Symptom binnen vier
Tagen.
Den süsslichen Geschmack im Munde bei einem I
etwas schwer sich lösenden Husten konnte Kafka
durch Phosphor 6. heben; bei salzigem Geschmack
des Auswurfs, einer nicht gar seltenen Erscheinung,
sah derselbe von Phosphor und Pulsatilla guten Er¬
folg. —
Er bespricht sodann eine Reihe krankhafter
Dgsaesthesieen an der Zunge, wobei allerdings einige,
wenn auch wenige, begleitende Symptome auf die
Wahl des Mittels hinleiten konnten.
7. So litt ein 22jähriges Fräulein, von schwäch¬
licher Constitution, an einem anhaltenden Breiuieti
auf der Zunge , das oft so heftig wurde, dass es j
ihr Thränen auspresste. Das Zahnfleisch war bläu¬
lich und aufgelockert, aber nicht blutend; die Zunge, '
etwas geschwollen, zeigte an ihren Rändern den
Eindruck der Zähne und auf ihrem Rücken insel¬
förmige, geschwürige Stellen. Diese Ulcerationen
sind oberflächlich, pfennig- bis silbergroschengross,
ihre Ränder weiss, etwas erhoben, kreisförmig. Die
Speichelabsonderung nicht vermehrt. Sonst nichts
Abnormes. Dieser Zustand soll nach einem an¬
haltenden deprimirenden Gemüthsaffecte entstanden
sein; währte bereits länger als 4 Wochen und
wollte keinem Mittel weichen. — Arsen. 6. brachte
schon in den ersten 6 Gaben Linderung und in I
14 Tagen volle Heilung.
8. Einen brennenden Schmerz, über das Brust¬
blatt verbreitet, als begleitende Erscheinung von
Bronchialkatarrhen, hat Verf. vielfach durch Carbo
vegetabilis heilen können.
9. Wie wichtig für die Therapie ein Symptom,
das in die Pathogenese eines Mittels leicht hinein¬
geworfen zu sein scheint, vielleicht auch nur von
einer der prüfenden Personen -beobachtet worden
ist, unter geeigneten Umständen wirken kann, zeigt
folgender von Kafka 1. c. mitgetheilter Fall:
Eine 20 jährige Frau, von blühendem Aussehen,
seit einem Jahr verheirathet, empfindet jedes Mal
beim Coitus einen Schmerz in den Genitalien, der
nicht nur sehr lästig ist, sondern auch zugleich
jedes Wollustgefühl erstickt, so dass es bisher zu
keiner Conception hatte kommen können. Die in¬
nere Untersuchung wurde verweigert. Der Sitz des
Schmerzes scheint aber in der Vagina, hinter der
Urethra zu liegen, und erscheint derselbe, sobald
die Friction bei der Begattung beginnt. Die Urin-
secretion ist ganz ungestört; der Urin zeigt nichts
Abnormes.
Dieser krankhafte Zustand nun, der sich hier
durch ein ganz isolirtes, aber deutlich ausgesproche¬
nes Symptom zu erkennen gab, findet sich in un¬
serer Pharmakodynamik unter Ferrum, ausgedrückt
in den Worten: „Schmerzhaftigkeit in der Mutter¬
scheide beim Beischlaf.“
Daraufhin gab Kafka Ferrum aceticum, 3. Ver¬
reibung, früh und Abends 1 Gabe. Der Ehemann
constatirte später, dass jene Schmerzhaftigkeit bei
seiner Frau immer geringer und milder geworden
sei. — Ob sie völlig verschwunden, kann Verf.
nicht nachweisen, aber er vermuthet es.
(Ausser Ferr. hat noch Kali carb. und Lyco-
podium Schmerz beim Coitus, doch ist der Schmerz
bei Kali als kriechend , immdheitsartig, bei Lycop.
als brennend angegeben. Ref.)
Aus der Allgem. homöopath. Zeitung, Bd. 53,
No. 7, wollen wir zum Schluss noch folgenden hier¬
her gehörigen Fall anführen:
10. Eine Dame leidet an heftigem Husten, wel¬
cher sich nach jedem Essen einstellt und mit Er¬
brechen des Genossenen endet. Diese Anfälle kamen
regelmässig von zwei zu zwei oder drei Monaten
i ° “
wieder uud steigerten sich dann so, dass die Kranke
1 gar nichts gemessen konnte und ihre Kräfte gänz¬
lich herabkamen. Dieser Zustand hielt immer 1 bis
2 Wochen an. Andere hervorstechende Symptome
finden sich bei ihr nicht vor. Diesmal erschien sie
gleich nach dem ersten Anfall bei einem homöo¬
pathischen Arzte. Eine einzige Gabe Antimonium
tartaricum 2. beseitigte das Leiden gänzlich.
Husten nach jedem Essen mit Erbrechen des
Genossenen findet sich eben bei keiner Arznei so
7*
Digitized by c^ooQie
52
ausgesprochen als physiologische Wirkung, wie beim
Brechweinstein
Diese hier mitgetheilten Beobachtungen legen
alle Zeugniss für unsere Behauptung ab, wie uns
die homöopathische Heilmethode auch für solche
Kranke prompte Heilung verschafft, deren Leiden
nur durch wenige, oder gar nur ein einziges Symp¬
tom zu Tage tritt, wenn dieses Symptom nur ein
recht charakteristisches Gepräge an sich trägt und
wir so glücklich sind, dieses eigenartige Symptom
bei einem der geprüften Mittel deutlich ausge¬
sprochen wiederzufinden. Kafka führt die Worte
V. Meyer’s, eines sehr hervorragenden homöopathi¬
schen Arztes und langjährigen Redacteurs dieser
Zeitschrift an:
„Wem sind nicht in seiner Praxis Fälle vor¬
gekommen, bei denen er sich nicht an den objec-
tiven Befund, nicht an eine bestimmte Gruppe von
Krankheitserscheinungen, welche auf eine bestimmte
Krankheitsform schliessen lassen, halten kann, son¬
dern es sind meist nur einzelne, oft ganz vereinzelt
dastehende Symptome, welche die eigentliche Krank¬
heit ausmachen oder andere Krankheitsprocesse be¬
gleiten, die dem Kranken lästig sind, ihm oft viele
Beschwerden verursachen — und gehoben werden
sollen. In solchen Fällen gehen oft alle Rationalität
und alle Gemeinplätze zu Schanden; es hilft keine
Physiologie, keine Mikroskopie, kein Narkotisiren,
kein Deriviren, kein Alteriren, kein Stimuliren und
kein Depotenziren.“ — Nur wer in jedem ein¬
zelnen derartigen Falle genau individualisirt, fügt
Kafka hinzu, und die physiologische Pharmako¬
dynamik zu Rathe zieht, wird das geeignete Heil¬
mittel herausfinden!
Kafka hat die hier besprochenen Heilungen
„symptomatische“ genannt. Diese Bezeichnung will
uns aber nicht glücklich gewählt erscheinen, da sie
den Schein auf uns wirft, als ob wir hier, gleich
der alten Schule, unser Bestreben darauf richten,
ein einzelnes, isolirtes Symptom durch ein Mittel
ä tout prix zu unterdrücken. Diese Schule nar-
kotisirt, wenn sie einen Schmerz in einem Nerven¬
gebiet beseitigen will, mittels Opium oder Morphium
das Gehirn, und anästbesirt damit die zu dem
schmerzhaften Theile gehenden Empfindungsfasern,
hebt die Nervenleitung zu jenem Theile auf. Das
bewirkt, dass das Gehirn den hier vorhandenen
Schmerz eine Zeit lang nicht empfinden kann, der
jedoch, sobald die narkotische Wirkung erloschen
ist, in alter Art und Stärke meist wieder zum Vor¬
schein kommt.
Wie ganz anders ist das Verfahren des homöo¬
pathischen Arztes auch in diesen symptomenarmen,
einseitigen Krankheiten!
Wie überall so gilt ihm auch hier das Indivi¬
dualismen des einzelnen Falles als oberste Regel.
1 Auch hier wird er sich bemühen, aus den charak-
| teristischen wenigen oder einzelnen Krankheitssymp-
i tomen das Relief eines Krankheitsbildes — und sei
es ein noch so kleines Miniaturbild — herauszu¬
heben, das ja selbst durch die besondere Art der
subjectiven Erscheinungen, der Empfindungen, dann
; durch den Ort, wo sie auftreten, die Umstände von
i Besserung und Verschlimmerung seine specifische
] Färbung erhält. — Sodann gilt es für uns auch
I hier, wie überall, aus unserem Arznei schätze ein
I Mittel ausfindig zu machen, das, wie experimentell
I am Gesunden erwiesen, ein dem Miniaturkrankheits¬
bild ähnliches Wirkungsbild, resp. das einzige den
Fall charakterisirende Symptom bei einem Prüfer
erzeugt hat. Wir machen hierbei im Stillen den
Schluss: Wenn eine Krankheitsursache und ein
Arzneistoff auf den menschlichen Organismus auch
^ nur nach dieser einen Richtung hin in so ähnlicher
! Weise einwirken, dieselben Nervenbahnen z. B.
treffen und die analogen Empfindungen und Er¬
scheinungen hervorrufen, so ist damit zwischen
I beiden ein Achnlichkeitsverhältniss statuirt und wird
das betreffende Mittel für diesen Fall höchst wahr¬
scheinlich curativ sein.
Somit wird die homöopathische Behandlungs-
I weise auch für die symptomenarmen, einseitigen
Krankheitsfälle oft gleich beim ersten Heilversuch
zur Heilung führen können. Sind unsere Chancen
I auch, wenn uns der Kranke einen umfangreichen
i Complex charakteristischer Symptome darbietet, weit
I günstiger, so ist uns doch die Heilung der ge-
! dachten Fälle, wo wir ex ungue leonem zu er-
i kennen haben, nach unserer Heilmethode ermög-
i licht. —
i Die klinische Diagnose im Einzelfall ist uns
sehr werthvoll, aber für die Mitteldiagnose ist sie
I nicht unser einziger Leitstern. Wohl werden wir
immer bestrebt sein, uns über die physiologische
Bedeutung und Erklärung der pathologischen Er¬
scheinungen Rechenschaft abzulegen, aber wie wenig
sagt uns die gegenwärtige Physiologie über die bei
der einfachsten Neurose im Nerven waltenden Vor¬
gänge, wie wenig Aufschluss giebt sie uns über
die sogenannten functionellen Nervenstörungen! Da
' müssen wir denn die uns bei einem Kranken be-
| gegnenden krankhaften Veränderungen, zumal auf
dem Gebiete des Nervenlebens, der Sinnesempfin¬
dungen, die uns öfters so wunderlich, so paradox
I erscheinen, vorläufig, ohne Erklärung, als natürlich
gegebene Phänomene hinnehmen. Dass wir auch
selbst diesen in der Therapie nicht machtlos gegen-
I überstehen, ist einer der höchsten Vorzüge der ho-
I möopathischen Heilmethode, von welcher Thatsache
die hier mitgetheilten Heilungsgeschichten ein be-
| redtes Zeugniss ablegen. Diese geben uns aber
i auch andererseits die Mahnung, beim weiteren Aus-
Digitized by ^»ooQle
53
bau unserer R. A.-M.-L. mit dem Ausmerzen „para¬
doxer“ Symptome recht behutsam vorzugehen;
könnte doch der Stein, den die Bauleute verworfen
haben, unter Umständen zuin Eckstein werden!
Aranea (diadema).
Eine Signaturstudie von E. Schlegel, Arzt in Tübingen.
I.
Geehrter Herr College! Im Anschluss an Ihren
Artikel über Aranea diadema erlaube ich mir, Ihnen
nachfolgende kleine Studie zu übersenden, welche
ich dem Manuskript für eine grössere Arbeit über
Signaturen in der Medicin entnehme. Sie werden
finden, dass hier ein neuer Weg eingeschlagen ist,
die Arzneimittellehre zu bearbeiten, oder wenig¬
stens vorzubereiten, ein Weg, der in seiner prak¬
tischen Begehung freilich zu den Uranfängen der
Medicin gehört, jedoch eine wissenschaftliche Wür-
digung bis jetzt nicht gefunden hat. Die Bemühung,
auf diesem Wege den Naturwissenschaften etwas
für die Homöopathie abzugewinnen, mag zwar
auf Widerspruch stossen; sie wird aber von an¬
derer Seite auch mit Freude begrüsst werden. Ich
stelle meine Ergebnisse willig unter die Probe des
Experiments, womit der berechtigten Forderung der
Skepsis Genüge geleistet ist. — Sollte sich zeigen,
dass sich auf meinem Wege wichtige Anhaltspunkte
für die Arzneimittellehre gewinnen lassen, so wer¬
den die Signaturenbilder künftig neben den Arznei¬
mittelprüfungen nach Hahnemann ihren berechtig¬
ten Platz einnehmen. — Damit die Herren Collegen
meine Bestrebungen noch etwas vollkommener zu
beurtheilen in der Lage sein mögen, füge ich auch
zwei Signaturenbilder von Gewächsen bei, welche
genau geprüft sind und die Uebereinstimmung der
Arzneimittelbilder auf dem Wege der Prüfung und
der Signaturenermittelung deutlich zeigen. Das ge¬
plante Werk „Signaturentehre“ wird eine Darstel¬
lung der bisherigen Bemühungen auf diesem Ge¬
biet und die allgemeine Begründung der Sache
bieten.
Aranea diadema . Vier geschickte Beinpaare
mit differenzirten Leistungen (ungleich den einför¬
migen armen Leistungen der vielen Beinpaare bei
den Gattungen Millepedes und Scolopendra), sowie
die ausserordentlich entwickelten Beiss- und Fress¬
werkzeuge verbürgen eine stark überlegene peri¬
phere Innervation, reiche sensible Wahrnehmungen
und überlegene motorische Impulse: körperliche Er¬
regung und Unruhe, Chorea, Besserung der Be¬
schwerden durch Bewegung, durch Auswirken der
Antriebe (am meisten bei der Gattung Tarantula
bekannt). Die hohe Sensitivität tendirt dabei zu
hysterischen Erscheinungen mit Ueberempfindlich-
keit. Die letztere erstreckt sich in feinfühliger
Weise auf die Witterung, nicht nur auf die Tem¬
peratur an sich, sondern auch auf Bewölkung und
Wind, Lufttrockenheit. — Die Gedeihensbedingun¬
gen der Spinne sind wesentlich mit Wärme und
Sonnenschein gegeben, denn nur diese vermitteln
Beute. Die Abwesenheit wärmeregulirender Vor¬
richtungen in den wechselwarmen Thieren bedingt
I eine feindliche Herabsetzung der Körperwärme im
j Ganzen, mit Frostgefühl und reactiver Erhöhung
der Körperwärme (Fieber). Wo die Erscheinungen
eines Lebewesens sich streng rhythmisch abspielen,
an Tag und Nacht, an Licht und Dunkelheit ge¬
bunden, wie bei Aranea, da dürfen wir Wirkungen
[ periodischer Art erwarten, mehr oder weniger strenge
1 Periodicität der Erscheinungen und Reactionen:
I Wechselfieber . — Auch in der Pflanzenwelt ist die
! Periodicität stark vertreten, doch ungleich vertheilt;
sehr ausgesprochen periodische Functionen finden
wir z. B. bei Bryonia, bei Pulsatilla (Wechselfieber-
| mittel). In der Thierwelt steht z. B. auch Apis
| der Aranea in dieser Hinsicht etwas nahe Bei
' der Kreuzspinne finden wir auch leichtes Erstarren,
| nicht nur durch Frost, sondern auch durch Schreck,
j durch Todtstellen: Katalepsie, Neigung zu Ohn¬
mächten und Krämpfen, Collaps. Ueberlegene Ein-
| Wirkung auf das weibliche Geschlecht ist verbürgt
j durch die grössere und stärkere Ausbildung der
Weibchen gegenüber den Männchen. Manchmal
werden letztere nach der Begattung getödtet und
aufgefressen, weshalb sie sich schnell zurückziehen.
Starke geschlechtliche Instincte und hohe Reizbar-
I keit, geschlechtliches Raffinement, Mosachismus,
Psychopathia sexualis. — Mangel an socialen In-
stincten (scharfer Gegensatz zu Apis), rücksichts¬
loser Egoismus, Gefühlshärte, Anarchismus, „Spinnen¬
feindschaft“, Neid etc. — Das Leben der Spinne
spielt sich in einem kleinen Raum ab, „im Winkel“.
Scharfer Gegensatz zur hinausdrängenden, weit um¬
herschweifenden Biene. Trotz der Frostigkeit hält
es letztere nicht in geschlossenem Raume aus und
so auch der von homologer Krankheitsursache be¬
einflusste Patient. Aranea wird dagegen verdriess-
lich und ärgerlich im Hause bleiben. — Geiz und
Habgier werden die Psyche trüben: Das Netz ist
eine in die Aeusserlichkeit gedehnte Projection des
Nahrungstriebes. Die Spinne gefällt sich darin,
Reserven anzulegen. Ist das Bedürfniss gestillt, so
| wird die Beute conservirt und aufgerollt. — Der
Giftapparat im Beginn des Nahrungsschlauches ver-
I bürgt schwere Halsaffectionen (wie bei Lachesis,
wo die Giftdrüsen ja ebenfalls dem Kiefer einver¬
leibt sind); die schweren Diphtheriefälle mit asthe-
I nischem Charakter bei Tarantula cubeum sind den
i amerikanischen Collegen bekannt. Von Lachesis
wird sich Aranea durch die vermuthlich entgegen-
Digitized by LiOOQle
54
gesetzt gerichteten Wettereinflüsse unterscheiden.
Der regressive Stoffwechsel der Spinne gelangt zu
harnsauerm Ammoniak und entspricht der gichti¬
schen Diathese. Auch der überlegene Gliederappa¬
rat, in Verbindung mit den Wettersymptomen, bürgt
für starke rheumatische Erscheinungen. Gefühls¬
und Sinnesorgane sind überlegen ausgestattet, be¬
sonders auch das Tasten der Extremitätenenden:
nervöse Störungen, Hyperästhesieen, Lähmungen,
Neuralgieen. — Die überlegene Anzahl von Ex¬
tremitäten haben wir schon bei den Insecten, des¬
halb ist schon bei ihnen körperliche Unruhe aus¬
gesprochen; bei den Krebsen und Krabben wird
die Zahl der Füsse noch um zwei überschritten
gegen die Spinnenthiere, aber es kommt bei alle¬
dem nicht allein auf die Zahl, sondern vorwiegend
auf die Organisation und physiologische Dignität an.
Bemerkenswerther Weise hat auch Sepia mit ihren
acht nervenreichen, muskulösen und stets bewegten
Kopffüssen dies Symptom im höchsten Grade aus¬
gesprochen. Das Gift der Spinne ist nicht ein
Wehrmittel, wie hei Apis; es ist dies erst in zweiter
Linie. Vor allem ist es ein Beutegift wie bei den
Giftschlangen. Alle diese Gifte erzielen rasche
hämorrhagische Diathese. während Apis damit nichts
zu thun hat und sich auf einfache Entzündung be¬
schränkt. Die drüsenreiche und sehr stark belebte
Haut der Spinne wird schwerere Störungen in der
Ernährung und Function des menschlichen Haut¬
organs verbürgen: hämorrhagische Exantheme, Car-
bunkel. — Die leitenden Symptome bleiben stets
die Periodicität der Erscheinungen, die Wetterein¬
flüsse, der asthenische und nervös-hysterische, sinn¬
lich reizbare Charakter.
II.
Bryonia (alba)-Signaturenbild.
Von demselben.
Wenn uns das Signatureubild der Aranea dia-
dema ein Lebewesen vorführte, welches dem Thier¬
reiche angehört und demnach weitergehende Ver¬
gleichungen ermöglicht mit den Lebensbethätigungen
des Menschen, so haben wir gegenüber der Pflanzen¬
welt eine etwas schwierigere Aufgabe. Die Ge¬
wächse ermangeln im Allgemeinen einer Ortsver¬
änderung und sie ermangeln directer Beziehungen
zu unseren animalen Functionen. Dennoch lässt
sich durch Naturbeobachtung an ihnen und durch
Nachdenken viel erreichen. Würden wir die Lebens¬
gewohnheiten und Bedingungen der Thiere noch
besser kennen, so möchten sich viele charakteri¬
stische Beziehungen zu unseren eigenen Functionen
ergeben; in ähnlichem Maasse würden sich auch
die Relationen zu den Gewächsen ausgestalten und
vermehren, wenn wir die letzteren in ihren Lebens¬
erscheinungen genauer kennten. Man kann wohl
sagen, dass die Natur der Pflanzen in Bezug auf
die uns interessirenden Punkte noch gar nicht ge¬
nauer angesehen worden ist seit es eine Botanik
giebt. Erst in den letzten Jahrzehnten gestaltet
sich diese Wissenschaft entschieden mehr biologisch
; und die Systematik tritt bedeutend zurück, die
Morphologie der Gewächse wird mehr im Zusammen-
I hang mit den Naturbedingungen und Lebenserschei-
| nungen betrieben, so dass wir allmählich brauch¬
barere Grundlagen für eine Siguaturenlehre ge¬
winnen werden. Schon manches lässt sich jetzt
bieten.
Bryonia alba . Die Pflanze ist gänzlich haltlos,
auf Zäune und Büsche angewiesen, setzt sich in
schroffen Widerspruch zu dem motorischen Apparat
| des menschlichen Organismus, stört in erster Linie
Muskeln, Gelenke, Knochen; der Stützapparat fehlt
dem Gewächs vollständig. Es ist bemüht, sich
| überall festzuheften, Ruhepunkte zu finden, die es
mit seinen reizbaren Ranken ergreift: jede Bewegung
schädigt die Pflanze, was seinen Ausdruck findet
| in der Verschlimmerung der Bryonia-Affection durch
Bewegung, Besserung durch Liegen auf der schmerz¬
haften (weniger athmenden) Seite, im Verlangen
1 „nach Hause“, nach Ruhe. Bryonia überzieht mit
I einer reichen Blattentfaltung die lebenden Hecken
{ und bedroht sie mit Erstickung („Stickwurzel“).
| Diese Ausbreitung über einen lebenden Träger,
i der in Licht- und Luftnoth gerätli, sowie die
I grosse athmende Oberfläche der Pflanze, verbürgen
| starke Einwirkung auf die Athemwerkzeuge, Be¬
drohung der Lunge direct durch den Giftstoff und
! indirect durch Befallenwerden der Athemmuskeln.
| Die Pflanze leistet eine sehr starke Wasserver-
j dunstung durch Blätter, Stengel und Ranken ihrer
j einjährigen, niemals verholzten, sondern stets lebend
grünen Theile, ein Verhalten, das seinen Ausdruck
in Durst- und Schweissneigung wiederfindet. Ekel-
| hafter feindlicher Geschmack der Pflanzentheile ver-
! bürgt starke Durchkreuzung der Verdauungsthätig-
| keiten: Uebelkeit, Erbrechen, Diarrhöe und Ver-
i stopfung, Leibschmerzen, deren Verschlimmerungs-
| bedingungen zum Theil schon in obigen Merkmalen
gegeben sind. — Der ganze Pflanzenkörper geht
im Frühjahr aus der massig entwickelten Wurzel
hervor und zwar explosionsartig rasch unter Be-
| thätigung einer Fülle von Spannkräften für moto¬
rische Leistung und Lebensentwickelung. Dies
weist schon auf stärkere, heftigere Eigenschaften
ihrer Arzneikräfte hin, als es hei den anderen
Lianen der Fall ist, die mit der Wurzelkraft in
einem gewissen Gleichgewicht bleiben, auch ver¬
holzen (Clematis, Dulcamara). Alle Lianen sind
ausserordentliche Säfte- bezw. Wasserleiter. Das
Wachsthum einer Pflanze hat nothgedrungen ein
Digitized by c»ooQie
55
Ende, wenn die von der Wurzel zu leistende
Wasserversorgung dem peripheren Verbrauch nicht
mehr nachkommen kann. In dieser Hinsicht machen
Schling- und Kletterpflanzen besonders hohe An¬
sprüche, indem durch ungewöhnliche Stengel- und
Blattentfaltung weit entfernt vom Wurzelstock die
verdunstende Oberfläche eine grosse ist und das
zu verdunstende Wasser weither geleitet werden
muss. Bei Bryonia ist in Folge der Tages wärme,
besonders im Sonnenschein und am Abend, die
Wurzel erschöpft und wir haben die gleichlauten¬
den Verschlimmerungsbedingungen: in der Sonne,
Hitze, am Abend. (Clematis und Dulcamara
schlingen vorwiegend schattig; Bryonia überzieht
auch wagrechte, der Sonne ausgesetzte Flächen.) |
Die sehr vollkommenen und energischen Saftlei- i
tungsvorrichtungen mögen beim Menschen eine
Durchkreuzung ähnlicher Apparate und Thätig* j
keiten bedingen: Entzündungen, Stauungen, Ver- [
Schiebung des Blut- und Wassergehalts der Organe,
starke Einwirkung auf Nieren und Blase, acute
Einwirkung auf die Haut mit Schweiss und Friesei,
Exsudate, Hydrops, Blutungen, Störungen der
serösen Häute als wasserregulirender Organhüllen.—
Nerven- und Geistessymptome: grosse Reizbarkeit
(Bildung feiner, gegen Berührung empfindlicher
Ranken), üble Laune, Verlangen nach Ruhe (Re- |
sultatder inneren Hemmungen, die sich dem Nerven- i
System aufdrängen und aus der gebundenen Natur
des Gewächses hervorgehen, ebenso auch Resultat
der rheumatischen Hemmungen). Vielseitige Schmer- i
zen, auch des Kopfes. (Wohl die Wirkung der j
Kreuzung mit den heftigen Spannkräften.) Fieber i
erkennen wir als nothwendig durch die starke Ein- |
Wirkung auf die Massenorgane des Körpers (Mus¬
keln) im Gegensatz zu den reinen Nervengiften; j
die rhythmische Thätigkeit der Pflanze, bestehend
in Ausschöpfung und Erneuerung der Wurzelkrafi
(welch letztere nach Leistung und Substrat unge¬
wöhnlich entwickelt ist), sowie der Rhythmus des j
Pflanzenlebens überhaupt, der hier besonders ausge¬
sprochen, disponirt zu Wechselfieber. Die Geschlechts¬
organe sind als solche nicht besonders befallen,
entsprechend den nicht sehr hervortretenden sexuellen |
Entfaltungen (Blüthen- und Befruchtungsthätigkeiten)
am Pflanzenkörper. Sie nehmen, aber natürlich An- ,
theil an dem allgemeinen Charakter. — Wenn hier
von den grünen Pflanzentlieilen die Rede ist, während l
doch die Wurzel allein (vor dem Austreiben) arznei¬
liche Verwendung findet, so macht dies keinen !
Unterschied. Es sind ja eben die Evolutionskräfte
der Wurzel, welche die Bildung des gesammten
Pflanzenkörpers mit allen charakteristischen Theilen
bewirken. — Bryonia ist die einzige bei uns wild¬
wachsende Cucurbitacee. Hering’s Arzneimittellehre
sagt: ,,besonders nahe verwandt: Coloc.“ — Aller¬
dings, beide sind eben Cucurbitaceen. Würde man
die Lebensverhältnisse der Coloc. ähnlich beobachten
können, so Hesse sich wohl auch ihre Signatur ab¬
leiten. —
Ich schliesse hier noch die biologisch etwas
verwandte Clematis erecta (Ranunculacee) an.
Hier wird nicht die Wurzel mit ihren (viel
weniger aufgespeicherten) Spannkräften, sondern
es werden die Triebe der Pflanze zur Arznei ver¬
wendet. Es sind hier ausgeglichenere, weniger
acute, aber gleichwohl charakteristische Wirkungen
zu erwarten. Diese Liane unserer Wälder zeigt
ebenfalls einen entsprechenden Wasserleitungsapparat
von überlegener Wirkung, doch tritt die Ver¬
dunstung weniger hervor, indem die Stengel ver¬
holzen und sich auf weite Strecken dadurch schützen.
Die Wasserverschiebungen gehen deshalb gesicherter
und langsamer von Statten, die heftigen Wirkungen
auf die Haut fehlen, doch treten langsamere Er¬
nährungsstörungen in derselben (Exantheme, Ge¬
schwüre, Impetigo) auf, wie auch im Gefässsystem
(Varices) auf. Die Einwirkung auf die Harnorgane
ist viel stärker und ebenfalls anhaltender, als bei
Bryonia; ebenso tritt die Wirkung auf die Sexual¬
organe viel stärker hervor, besonders auf die Ge¬
schlechtsdrüsen: Hoden, Eierstöcke, Brüste, wo
Functionsstörungen, chronische Entzündungen, Ge¬
schwülste und Entartungen eintreten können.
Die duftenden Blüthenbüschel der Clematis sind
viel auffallender, als die der Bryonia. Auch findet
Insektenbestäubung der Blüthen statt; diesen Um¬
ständen entsprechen die vermehrten sexuellen Be¬
ziehungen. Flugfrüchte mit drachenschweifartiger
Windfahne treten auf, welche durch starke Wind-
stösse. nachdem sie oft lange an der Pflanze ge¬
haftet, weggeführt, oder entbunden werden (ähnheh
Pulsatilla). — Von dem Verschlimmerungscharakter
durch Bewegung hat diese Liane viel weniger, als
Bryonia, doch findet er sich noch. Die Pflanze
schaukelt aber auch unbeschadet ihrer Integrität
an den vom Wind bewegten hängenden Baumästen,
während Bryonia den starren Unterlagen angehört.
Der Stützapparat fehlt auch der Clematis und sie
schädigt demgemäss den menschlichen: Knochen¬
leiden, alte Syphilis. — Volksmittel gegen Wasser¬
sucht entsprechend jenem wiederholt hervorgehobe¬
nen Ausleitungssystem für Wasser, wie es den
Schlinggewächsen zukommt, auch der Dulcamara.
(Schluss folgt.)
Rundschreiben, betreffend Perityphlitis.
In der wissenschaftlichen Sitzung der letzten
Centralvereinstagung in Salzburg wurde als klini¬
sches Thema für das nächste Jahr das obige ge-
Digitized by
Google
56
wählt und beschlossen, die Collegen um Mittheilung
ihrer einschlägigen Beobachtungen zu bitten, um [
so der Arbeit eine zuverlässige Grundlage zu j
geben.
Es ergeht demnach an sämmtliche homöopa¬
thische Aerzte die Bitte, um Beantwortung folgen¬
der Fragen:
1. Welche Formen der Erkrankung des Blind- !
darms unterscheiden Sie? Welche diagnosti¬
schen Merkmale für dieselben? Welche patho¬
logischen zu Grunde liegenden Vorgänge? !
Welche verschiedenen Arten der Ursachen? j
2. Wie stellen Sie die Voraussage? Besonders, '
welches Urtlieil haben Sie über den Verlauf ,
ohne Kunsthilfe? Recidive?
3. Welche äusseren Massnahmen wenden Sie an,
mit welchen Anzeigen? Besonders betreffend
die verschiedenen Sorten der abführenden Me-
thoden — die Arten der Packungen, Wickel
und Umschläge — die Diät in den einzelnen !
Stadien der Erkrankung. '
4. Wie stellen Sie sich zu der allopathischen I
arzneilichen Behandlungsweise, besonders zu '
der typischen Opium-Behandlung?
5. Welche homöopathischen Medicamente wen¬
den Sie an? Mit welchen Anzeigen? Po¬
tenzen? Wiederholung? Weichselweiser Dar¬
reichung? Behandeln Sie nach Ablauf der
acuten Erscheinungen längere Zeit weiter und
wie?
6. Wie stellen Sie sich zu der chirurgischen
Behandlung? Wann lassen Sie dieselbe ein-
treten? Hier ist eine deutliche, die ver¬
schiedenen Fälle besonders berücksichtigende
Antwort sehr erwünscht. Besonders: Ist jede
Appcndicitis sofort zu operiren? Nach dem
ersten Anfall? Nach dem ersten Rückfall?
Bei späteren? Wie sind die Complicationen
zu behandeln?
7. Eine Statistik. Anzahl der behandelten Fälle.
Gesammtzahl? nach den einzelnen Gruppen i
geordnet? Und nach den gestellten Fragen
durchgruppirt. Auch nach Alter, Geschlecht.
8. Besondere Complicationen. So: Schwanger¬
schaft, Erkrankungen der weiblichen Geni¬
talien etc.
9. Vergleichende Würdigung der verschiedenen
therapeutischen Massnahmen als Ergänzung
zu Frage 2.
10. Bericht über instructive Fälle, der wesentlich
zur Veröffentlichung in unseren Zeitschriften
bestimmt, auch direct an diese eingesandt
werden kann.
11. Angabe wichtiger Literatur.
Sollten nicht alle Collegen in der Lage sein,
alle Fragen beantworten zu können aus Mangel
an Zeit, Material, so sind theilweise Antworten
ebeuso willkommen.
Es wird gebeten, die Antworten einzusenden
an Dr. Dammholz, Berlin SW., Gneisenaustr. 112.
Dr. Gisevius jun.
Chirurgia homoeopathica — Myristica
sebifera.
Von Dr. Olive y Gros in Barcelona.
Homöopathische Chirurgie — da haben wir zwei
Wörter, welche für die, welche in unserer Heilkunst
nicht eingeweiht sind und selbst für manche Homöo¬
pathen alter Art sich nicht zusammenreimen und
doch einen sich diese beiden Begriffe, gut ainalgamirt,
aufs Schönste.
Die Nichthomöopathen behaupten, die moderne
Chirurgie stehe in der Kunst des Aesculaps obenan
(nun ja! sie vergleichen sie mit ihrer Pharmako¬
logie), sie gerathen in Enthusiasmus über sie und
bezeichnen sie als vollkommen — und vergessen
dabei ihre Mängel, wie sich solche z B. in einer
grossen Zahl von Vergiftungsfällen, durch Anti-
septica, selbst in der Hand geschickter Männer,
zeigen. Aber, gesetzt, diese Chirurgie sei eine voll¬
kommene, so werden wir, bei aller Bescheidenheit,
sagen müssen, dass die Homöopathen bei der chirur¬
gischen Behandlung von Uebeln, wenn sie die Fort¬
schritte der modernen Chirurgie mit denen von
Similia similibus gelieferten verbinden, das erstrebte
Ideal in der Kunst erreicht zu haben, überzeugt
sind. Zur Illustration giebt Verf. einige von ihm
in der Clinica Medica Homoeopatica, Ronda de san
Antonia 7, zu Barcelona, vollführte Heilungen.
Spina ventosa s. Ostitis scrophulosa.
M. V., ein 7jähriges Kind, lymphatisch, mit
einigen Drüsenanschwellungen, sehr geringem
Appetit, bisher aber nie ernstlich erkrankt, klagte
seit einigen Monaten über einen leichten Schmerz
in der zweiten Phalanx des Mittelfingers der rechten
Hand. Dieser Finger schwoll immer mehr an und
man bemerkte an ihm fistulöse Fissuren. Der be¬
handelnde Arzt (kein Homöopath), dem es nicht
gelang, den Fortgang des Uebels aufzuhalten, con-
sultirte die besten Chirurgen in Barcelona. Diese
fürchteten, die tuberkulöse Ostitis würde sich weiter
ausdehnen (in der That nahm das Uebel allmählich
zu), und sahen keinen anderen Ausweg, als die
Amputation des kranken Fingers. Dagegen aber
sträubten sich des Kinders Eltern.
St. pr.: Der kranke Finger, gegen die dritte
Phalanx hin atrophisch, zeigte eine sehr ausge-
Digitized by c»ooQie
67
sprochene Verdickung, eine Art Auflauf, der an
der ersten Phalanx anfing und sich über den
grössten Theil der zweiten erstreckte. Das erste
Gelenk erschien ankylotisch; was sich in der Be¬
schaffenheit der benachbarten Gewebe und der Haut
documentirt. Die Haut war stark geröthet und be¬
merkte man auf ihr einige fistulöse Spalten, von
denen einige von einem, körnigen (granuleux) Eiter
absondernden Geschwür umgeben waren. Beim
Einführen der Sonde in den Knochen, hörte man
Crepitiren, und floss Blut hervor.
Behandlung . Dass es sich hier um eine scro-
phulöse (wenn nicht gar tuberkulöse) Knochenent¬
zündung handelt, war sicher. Es drängten sich
dem Verf. eine Anzahl von Mitteln zur Wahl auf.
So Jodium, welches ja in der Homöopathie häufig
angewendet wird zur Heilung von scrophulösen
Knochenieiden, zumal wenn sie auf einem Gelenke
sitzen. Calc. carb. oder phosph., Sulphur, Silicea,
Asa foetida und Aurum. — Verf. entschied sich
für Silicea, das er in der 3. Dec.-Dil. gab.
Der Zustand der kleinen Patientin besserte sich;
aber nach vierwöchentlichem Gebrauche des Mittels
brachte es keine Wirkung mehr hervor. Nun gab
er Sulphur in der 3. Dec. Fortschreitende Besse¬
rung: die Entzündung des die kranken Knochen
umgebenden Bindegewebes nahm ab, und da zeigte
sich, dass keine Ankylose bestand. Nach vier-
wöchentlicher Anwendung von Sulphur trat wieder
ein Stillstand in dem Heilungsprocess ein, und suchte
nun Verf. durch neue Darreichung von Silicea
3. Dec. einen frischen Aufschwung zu geben. Dies¬
mal erwies sich jedoch das Mittel nicht so wirk¬
sam, und so gab er es in der 30. Dec., worauf
sich ein grosser Knochensequester ablöste. Indessen
ging der Heilungsprocess nur langsam vorwärts.
Aeusserlich war nur heisscs Wasser (de l’eau
bouillie) und antiseptische Gaze angewendet worden.
Inzwischen hatte Dr. Pinard, ebenfalls Arzt an
der „Clinica medica homoeopatica,“ das von Dr.
Hughes warm empfohlene Myristica sebifera mit
gutem und schnellem Erfolge bei Panaritium ge¬
braucht, und, da der Zustand der weichen Theilc
im vorliegenden Falle an ein chronisches Panari¬
tium erinnerte, so gab Verf. der Kleinen von diesem
Mittel in der 3. Dec., 4 Tropfen pro Tag. Die
Wirkung war in der That schnell und günstig.
Um aber auf das Grundleiden einzuwirken, gab
Verf. noch einige Tage Serum antituberculosum
3. Dec., das von einem gegen diese Krankheit im-
munisirten Esel herrührte, und wechselte dann mit
diesen beiden Mitteln eine Zeit lang, bis zur Hei¬
lung des Fingers.
Zur völligen Erholung diente dann schliesslich
noch Calc. carb. Der Gesundheitszustand des Mädchens
ist gegenwärtig entschieden besser und kräftiger,
I als er vor der Krankheit war. Die weichen Theile
! des geheilten Fingers sind denen der anderen
' Finger gleich; man sieht daselbst nur die Narben,
und an der ersten Phalanx, die am meisten afficirt
war, eine leichte Wölbung.
Ulcus scrophulosum.
Ein 13jähriges Mädchen, aus der Provinz, hatte,
als sie in der Klinik erschien, schon seit 3 Jahren
in hohem Grade an Scrophulose gelitten. Eine An¬
zahl Drüsen waren am Halse und in der Leiste
vereitert und am Körper zeigten sich vielfache Ge-
i schwüre. Ein solches bestand auch schon seit zwei
Jahren am linken Beine von ausserordentlichem
Umfang. Es war 12 cm lang bei 8 cm Breite, es
! war schwammig, blutete bei der geringsten Berüh¬
rung und sonderte sehr dicken Eiter ab.
Dieses Geschwür war von allen Seiten von
grossen Hautlappen und anderen Geschwüren von
verschiedener Grösse umgeben; von denen einige
I oberflächlich, andere tief waren. Alle standen unter
I der Hautdecke mit einander in Verbindung; die
Haut selbst war rauh und uneben, livid und ver-
i breitete einen üblen Geruch. Der Gang des Mäd¬
chens war mühsam, der Appetit gering, die Stim¬
mung immer traurig.
Die Behandlung bestand bisher darin, dass man
Jodoform-Gazestückchen in alle offene Hautstellen
eingeführt und diese mit antiseptischen Mitteln be¬
deckt hatte, ohne sich um den Allgemeinzustand
I der Kranken irgendwie zu kümmern.
I Dr. Olivö y Gros gab Myristica sebifera in der
3. Dec., dreistündlich 3 Globuli; als örtliches Mittel
lauwarme Wasserumschlägo und sterilisirte Gaze.
Die Geschwüre verschwanden nach und nach,
die Hautränder begannen sich anzulegen; es wurde
weniger Eiter abgesondert und es blutete nicht
mehr so leicht. Gleichzeitig heilten die abson-
dirten Drüsenknoten. Der Gang wurde weniger
beschwerlich, der Appetit besser und die Stimmung
mehr heiter.
; Nachdem sie einen und einen halben Monat
( Myristica seb. genommen, brachte diese keine
Wirkung mehr zu Wege. Verf. gab nun Merc.
sol. und Calc jod. Nach Verlauf einiger Monate
war nicht allein ihr Gesundheitszustand ein viel
besserer, kräftigerer, sondern es war auch jede
Spur von Scropheln verschwunden.
(Die gute Pflege, Reinlichkeit, gute Luft ist
natürlich auch in Anschlag zu bringen. Ref.)
Ulcus callosum et erysipelas phlegmonosum.
J Es besteht ein sehr auffälliger Gegensatz
( zwischen der Körperconstitution des Kranken, von
8
Digitized by c^ooQie
58
dem wir jetzt sprechen wollen, und derjenigen der
Kinder, mit denen wir uns bisher beschäftigt haben;
hieraus kann man den grossen Wirkungskreis der
Myristica sebifera beurtheilen.
Ein 38 jähriger Mann, von sanguinischem Tempe¬
rament, sehr kräftig, von blühender Gesundheit,
hatte schon seit drei Monaten an einem geringen
Schmerz an der Ferse des linken Fusses gelitten.
Dieser Schmerz nahm aber in dem Maasse zu, dass
Pat. nicht mehr gehen konnte. Sein Arzt machte
ihm einen Einschnitt in die Ferse, wobei etwas
Eiter hervorkam. Jodoform, Gaze und Carbol-
wasser, sonst Nichts, wurde angewendet.
Schon zwei- oder dreimal war er der Heilung
nahe, dann aber kam ein Rückfall, und bei jedem
wurde die Sache gefährlicher.
Status praesens: Das Geschwür hatte fast den
Umfang eines Fünffrankenstücks mit zwei oder drei
derben und schwieligen Erhabenheiten. Eiter war
wenig, aber der Streptococcus war auf dem Bindegewebe
bis zum Schenkel hinaufgewandert, wo es zu einem
Erysipelas mit ziemlich starkem Fieber und über¬
dies zu einer Phlegmone in der Hüfte gekommen
war.
Der Kranke, ein intelligenter Mann, nicht be¬
friedigt von den ihm verordneten Mitteln, hatte,
da er Schwere im Kopfe verspürte, eine Gabe
Bell. 3. Dec. genommen, was ihm auch wohlthat.
Verf., durch die zahlreichen Heilerfolge be¬
wogen, welche man mittelst der "Myristica sebifera
bei Phlogosen des Zellgewebes an den verschieden¬
sten Körpertheilen erzielt hatte, hielt auch hier,
wo es sich um ein Geschwür, ein Erysipel und
zumal um eine phlegmonöse Entzündung handelte,
dieses Mittel für angezeigt.
Behandlung. Verf. goss einige Tropfen von
Myristica 3. Dec. in ein Glas Wasser und Hess
hiervon den Kranken zweistündlich einen Löffel
voll nehmen.
Aeusserlich wurden Waschungen mit gekochtem
Wasser (l’eau bouillee) angeordnet.
Das Fieber ging bald herunter und das allge¬
meine Befinden besserte sich. Die erysipelatöse
Röthe war weniger intensiv, das Geschwür sah
weniger übel aus. Die Phlegmone kam zur Ab¬
sonderung, wobei sich eine ziemlich reichliche Menge
Eiter entleerte. Nach Verlauf von 14 Tagen war
der Kranke genesen.
Verf. sagt am Schluss, wenn er die Myristica
seb. nicht gekannt hätte, würde er in diesem Fall
Bell, und Merc., Hep., Lach, oder Silic. verordnet
haben, und verbreitet sich dann noch über die
Wirksamkeit dieses neuen Mittels. Er schreibt
demselben eine entschiedene Wirkung auf das |
Bindegewebe zu. „Diese Wirkung,“ sagt er, „ist I
von allen Aerzten der ,Academica medica homoeö-
patica‘ von Barcelona nicht allein beim Panaritium,
sondern auch bei Phlegmonen bestätigt worden;
bei letzteren beschleunigt es die Eiterung, und
wenn diese eingetreten, so verkürzt es ihre Dauer.
Es ist ein wirksames Mittel beim Erysipelas, bei
Geschwüren, Furunculosen, und anderen Leiden des
Bindegewebes. — Es wirkt kräftiger als Hepar,
Silicea etc. in ihrer Gesammtthätigkeit, steht der
Lachesis sehr nahe in dem, was Hughes purulente
Diathese nennt.“
Dr. Olive y Gros hält die Myristica für eins
der wirksamsten Antiseptica. Es regulirt ganz
wunderbar Alles das, was von einer traumatischen
Infection oder Trennung der Continuität abhängt.
Mit Lachesis im Wechsel stellt es ein so mächtiges
Antisepticum dar, dass es eine Infection durch Ge-
webstrennung unmöglich macht. Verf. sagt:
„Ich habe früher sehr sorgfältig nach Lister
behandelt, aber seitdem ich die Myristica sebifera
kennen gelernt und diese durchweg alle meine
Operirten habe nehmen lassen, falls keine andere
bestimmtere Indication vorliegt, habe ich alle meine
antiseptischen Scrupel fahren lassen. Obwohl ich
in diesem Jahre eine beträchtliche Zahl von Ope¬
rationen, darunter einige sehr kühne, vollzogen
habe, kann ich keinen einzigen Fall von Wund-
infection berichten, ohne dass ich immer über bessere
Bedingungen Hätte verfügen können, was meine
verehrten Collegen an der ,Clinica medica homoeo-
patica‘ bezeugen werden.“ — Auch hat Verf. bei
scrophulösen Kranken eine tonosirende Wirkung
von diesem Mittel, wie etwa nach Jodum, Calc.,
Silic. oder Sulph. mehrfach beobachtet.
Trotzdem, dass nun Verf. so prächtige Resultate
in einer grossen Reihe chirurgischer Fälle von dem
Mittel erlangt hat, so vermisst er doch eins: die
Kenntniss der pathogenetischen Wirkungen von
Myristica sebifera. Er hat sich auf den Usus in
morbis gestützt, aber nicht auf die vom Mittel an
Gesunden erzeugten physiologischen Wirkungen.
Deshalb sollten es aber die strengen Homöopathen
nicht zurückweisen, denn, wenn es, in homöo¬
pathischen Dosen gegeben, bestimmte Krankheiten
heilt, so kann man per analogiam wohl annehmen,
dass es am gesunden Menschen ähnliche Verände¬
rungen, wie die es heilt, hervorbringen werde.
„Ich bin überzeugt,“ schliesst Verf. seinen Ar¬
tikel, „dass wir, indem wir unsere (diesbezüglichen)
Erfahrungen veröffentlichen, eine Pathogenese zu
Stande bringen werden, welche Myristica sebifera
auf eine der ersten Rangstufen in der für homöo¬
pathische Chirurgie verwertheten Therapie stellen
werden. K.
Digitized by c^ooQie
59
Das Gesetz der Zweckmässigkeit
im menschlichen Organismus systematisch
beleuchtet.
Eine anatomisch-physiologische Abhandlung als natür¬
liche Teleologie.
Von Ad. Alf. Michaelis.
(Berlin. Hugo Bermüller. 1809. Preis 5 Mk.)
Besprochen von Dr. H. Goullon.
Dieses schön angelegte Werk wird sich viele
Freunde erwerben, weites noch nicht seines Gleichen
hat und ein grosser Gedanke demselben zu Grunde
liegt. Wir leben in einer Zeit des groben Mate¬
rialismus, der sich selbst in den Wissenschaften be¬
merkbar macht, in dem wenig darüber nachgedacht
wird, warum das und jenes sich so verhält, wie
unser Verstand es entdeckt und erfunden hat. Wir
nehmen das Meiste als selbstverständlich hin und
begnügen uns mit den nackten Thatsachen. In
seinem neuesten Werk nun versucht Verf. die er¬
staunliche Rationalität nachzuweisen, mit der die
Natur bei Entwickelung des menschlichen Organis¬
mus und seiner Theile und Functionen zu Wege
gegangen ist. — „Willst Du Dich am Ganzen er¬
quicken, so musst Du das Ganze im Kleinsten er¬
blicken.“ Dieses Goethe-Wort stellt er allen seinen
gedankenreichen, ein warmes ästhetisches Gefühl
verrathenden Betrachtungen voraus. Und unter¬
scheiden wir uns nicht dadurch von den Wilden
oder niederen Stufen der Menschheit, dass wir
über das Wie und Warum der Dinge reiflich nack¬
denken, und welches Object könnte uns da mehr
interessiren, als der eigene Körper, dieser Tempel
des heiligen Geistes, der in uns ist!
Ist eineßtheils das fesselnde Buch nicht er¬
schöpfend genug, denn der Stoff erscheint schier
unerschöpflich, so wird doch der Leser sehr bald
auf Unerwartetes und Neues stossen und manches
Bekannte von neuem Gesichtspunkt aus betrachtet
und besprochen finden. Was hier unter Teleologie
verstanden sein will, dafür ein Beispiel, welches
wir einem Werke von Schröder van der Kolk ent¬
nehmen.
Die Wenigsten wissen, dass wir, streng genom¬
men, grossen Gefahren durch die eigenthümliche
Striktur und anatomischen Verhältnisse des Gehirns
ausgesetzt sind, schweren entzündlichen Processen,
in dem die Pia mater genannte Hirnhaut überreich
an Blutgefässen ist (sie heisst deshalb auch Gefäss-
haut oder Meninx vasculosa). Allein es besteht
nun eben eine höchst geistreiche Vorkehrung,
welche „den Sturm über uns hinwegfahren lässt,
ohne dass wir es merken.“ Während nämlich im
Allgemeinen das Blut aus den Arterien in die das
Blut zum Herz und den Lungen führenden Venen
auf grossem Umweg gelangt (durch das Capillar-
gefässsystem}, findet ein directer Uebergang
des Blutes im Bereich der Pia mater oder Hirn-
Gefäßshaut statt. Das zuströmende Blut wird so
auf die möglichst rascheste Weise vom Gehirn ent¬
fernt. Und nur so konnte das Gehirn selbst vor
häufigem Blutandrang und den nachtheiligen Folgen
desselben geschützt werden. — Sehen wir das Ge¬
setz der Zweckmässigkeit immer und immer wieder
realisirt, so liegt es nahe, auch an einen Gesetz¬
geber zu denken, und gerade in dieser ethischen
Seite des Werkes erblicken wir seine Verdienst¬
lichkeit und den Hauptgrund der Anerkennung
und eine Pflicht, es nach Möglichkeit zu verbreiten.
Die gewöhnlichen Schulbücher der Wissenschaft
behalten, wenn noch so gelehrt, etwas Trockenes,
so lange sie nur Thatsachen an Thatsachen reihen,
ohne, wie hier geschehen, belebende Reflexionen
anzustellen und neue Fäden zu neuen Räthseln zu
knüpfen, ln bewunderungswerther Weise kommt
Verf. seine grosse Belesenheit zu statten, und so
machen wir gleichzeitig Bekanntschaft mit einer
Reihe namhafter Autoritäten auf dem einschlägigen
Gebiet. Halten wir jetzt eine kleine Umschau
über den reichhaltigen Stoff, so bietet uns der
erste Abschnitt, welcher mehr der Allgemeinheit
dient, Mittheilungen über die Function der Zellen,
das Anpassungsvermögen, Schutzeinrichtungen, Re¬
flexe im Besonderen als schützende Regulatoren.
Es folgt Besprechung der Functionen des Haares,
der verschiedenen Functionen und Aufgaben der
Haut "und der Baustoffe des menschlichen Leibes.
Es wird in den nun folgenden grossen Hauptab¬
schnitten das anatomische Princip zu Grunde gelegt
und das Gesetz der Zweckmässigkeit aufgesucht bei
Betrachtung der Functionen des Knochensystems
und Muskelsystems; von demselben Gesichtspunkt
aus das Verhalten der Drüsen, der Milz, von
Nebennieren und der Schleimhäute besprochen; im
dritten Abschnitt der Verdauungsapparat. Die
Athmungsorgane, Blut- und Gefässsysteme, der
Harn- und Genitalapparat, das Geschlechtsleben um¬
fassen den vierten, fünften und sechsten Abschnitt,
während allein die Sinnesorgane und das Nerven¬
system für sich ein Kapitel bilden. Interessant ist
auch das Allgemeine und Specielle, in Bezug auf
die instiuctiven physiologischen Vorgänge Gesagte,
insofern sie ebenfalls der Zweckmässigkeit dienen
(VIII. Abschnitt). Mit besonderem Fleiss aber be¬
arbeitete Verf. den neunten Abschnitt: „Wider¬
stand gegen pathogene Einflüsse und Anpassung
an pathologische Zustände.“ Der Leser bekommt
einen Begriff von der Reichhaltigkeit des Stoffes,
wenn wir aus diesen Betrachtungen besonders her¬
vorheben: Das Blutleben und den Stoffwechsel im
kindlichen Organismus; Hungern und Verhungern;
8 *
Digitized by t^ooQle
60
Gewöhnung an Gifte; Die Bedeutung des Fiebers.
Und wo hätte man schon Ausführliches vernommen
über die gegenseitige Anpassung krankhaft ver¬
änderter Organe, sowie die Anpassung an patho¬
logische Zustände! Noch mehr aber interessirt,
wenigstens den praktischen Arzt, die Untersuchung
der Heilkräfte des Organismus, woran sich die
Kenntniss von den Reservekräften des Organismus
schliesst, ein sehr wichtiges Thema, in welchem
manches räthselhaft und wunderbar erscheinende
Geschehniss seine natürliche Erklärung findet.
Der Vollständigkeit w egen citiren wir noch den
Inhalt des Nachtrages: ,,Der Kampf ura’s Dasein
und die äussere Nothwendigkeit; das Alter, eine
naturgemässe Rückbildungsperiode.“
Der Schluss - Abschnitt endlich gedenkt der
Zweckmässigkeit im kindlichen Organismus im Be¬
sonderen. —
Wir möchten das ganze Werk selbst als einen
Schlussstein des medicinischen Wissens ansehen,
als eine für denkende Aerzte unentbehrliche Er¬
gänzung und sinnige Erweiterung ihres bisherigen
Wissens. Die Zeit der Naturphilosophie, welcher
immer etwas künstlich, sozusagen unerlaubt Specu-
latives anhing, ist vorüber, aber die nüchterne
Forschung im Geiste des Verfassers ist an ihre
Stelle getreten; diese beschäftigt sich nur mit That-
sachen, denen sie durch die teleologischen Re¬
flexionen neuen pikanten, die Interessen des helfen¬
den Arztes nie aus den Augen lassenden Reiz ver¬
leiht. — Der rotlie Faden, der sich durch das
gelehrte Werk zieht, wird durch einen Ausspruch
Virchow’s beleuchtet und gekennzeichnet: ,,Gerade
in dem Einfachen und Kleinen offenbart sich am
deutlichsten das Gesetz.“ (Sogar das — Aehnlich-
keits - Gesetz! möchten wir unserem bestgehassten
Widersacher zurufen.) Wir schliessen unsere Be¬
sprechung mit einer Stelle des Buches, welche sehr
wesentlich erscheint zur Beurtheilung der Tendenz
desselben und seines bei der Ausarbeitung gut in-
spirirten Verfassers: ,, Alle Vollkommenheit des
Menschen ist abhängig von seiner höchsten Auf¬
gabe: Der Erkenntniss des göttlichen Weltplanes.“
Paracelsus, der „Franzosen-Arzt“.
Dass die im sechzehnten Jahrhundert so über¬
aus stark und in den schwersten Formen auftre¬
tende Syphilis die Aufmerksamkeit und das Studium
eines Mannes wie Paracelsus auf sich ziehen musste,
ist kein Wunder. Mau kann ihn bezugs dieser
Krankheit, die wie eine neue Plage die Menschheit
heimsuchte, gar wohl als Originalschriftsteller an¬
sehen; er hat sich mit diesem Leiden, das er am
liebsten „Luxus“ oder „luxische Krankheit“, „Venus“
oder „Crepinus“ (? Ref.) bezeichnet, sehr eingehend
beschäftigt, von ihrer Natur und ihrer Behandlung
im Ganzen richtige Ansichten in seinen Werken
gegeben, und wenn ihn seine Zeitgenossen wegen
seiner der Syphilis gewidmeten Bestrebungen spott-
weise den „Franzosen-Arzt“ genannt haben, so ist
dies für den auch sonst so viel geschmähten und
verspotteten Mann eher ein Ruhmestitel. Er lehrte,
sie sei eigentlich keine neue Krankheit, sondern
aus der „Lepra“ (die er freilich in weiterem Sinne,
als sonst üblich ist, fasste) hervorgegangen. In
ihrer Eigenthümlichkeit sei sie erst zwischen 1470
bis 1480 erschienen. Nur durch den unreinen Bei¬
schlaf (durch innige Berührung, z. B. beim Kuss)
könne sie entstehen, könne aber auch vererbt
werden. Er unterschied folgende Formen: 1. Ge¬
schwüre (Schanker), 2. Pusteln, 3. Ausschläge (Her-
petes), 4. Geschwülste (Condylomata), Rhagades,
Knochenanschwellungen, 5. Tripper (Gonorrhoea
francigona), 6. Bubonen, und 7. Poralysen (Para¬
lysen? oder Neurosen?).
Das Hauptmittel (Specificum) ist ihm das Queck¬
silber, und zwar dessen innerer Gebrauch; obwohl
dasselbe zwar schon von ihm bereits innerlich an¬
gewandt worden war, so galt es doch mehr als
Laxanz. — Die Schmierkur, die er in Italien kennen
gelernt hatte, zog er freilich auch in Gebrauch,
gab ihr aber bestimmte Indicationen und liess die bei
dieser eingreifenden Behandlungsweise erforderlichen
Vorsichtsmassregeln nie ausser Acht. Gegen den da¬
mals übermässigen Gebrauch der Holztränke (nament¬
lich aus Guajak, den Ulrich von Hutten in seinen
Laudes Guajaci aufs Wärmste empfohlen, und die
Sassaparilla) hat er stark geeifert. „So oft,“ sagt
er, „muss man in das Holz liegen, bis genug ist
zum Kirchhof oder zum Lazaro unter die Stiegen,“
und er zeigt, w f ie der Kranke beim übermässigen
Genuss der Holztränke geschwächt und dann mehr
Schaden als Nutzen von ihnen hat. — Von den
Zinnober-Räucherungen ist er auch kein Freund;
dies Mittel wurde von Einigen nicht als Quecksilber
ausgegeben, damit die Patienten glauben sollten,
sie würden mit einem andern Mittel als dem schon
damals in Verruf gekommenen Mercur behandelt.
Doch dies konnte nicht verborgen bleiben, indem
auch durch das Räuchern der Speichelfluss erzeugt
wurde.
Er muss die üblen Wirkungen von starken
Quantitäten des Quecksilbers wohl gekannt haben:
er behauptet, dass sich das Mittel in die Concavi-
täten der Gelenke ablag-ere: „Ihr sehet augen¬
scheinlich, dass durch das Quecksilber so trefflich
die Beine verbrannt werden, dass sie sich spalten,
abreissen, abfallen; desgleichen durch die Impostu-
ren die Beine dermassen zerrissen werden und zer¬
feilt, mit Meissein ausgeschlagen, dass nachfolgends
Digitized by k^ooQle
61
die Glieder in Abnehmen kommen.“ — Verhasst
ist ihm das Aetzen und Ausschneiden bei der Sy* '
philis, wie er ja überhaupt ein Feind der chirur¬
gischen Behandlung von innen heraus entstandener .
Uebel war, und hier das grösste Vertrauen auf die |
innem Heilmittel setzte. — Nicht minder tadelte
er die seiner Zeit bei Behandlung der Lues übliche
Abstinenz, die oft an eine Hungerkur streifte, so¬
wie das „Purgiren der reinen Cardinalsäfte“.
Treffend und witzig ist, was Paracelsus über
die Anwendung der spanischeu Fliegen, wie im
Allgemeinen so auch in der Syphilis, sagt: „Die
habend sich auch vermessen, darumb, dass der
Schmerz auf den Schienbeinen lag, ein Thürlein
(Fontanell) zu machen. Sie vermeinten, die Can-
tharidi das wären die Thürhüter und legten die¬
selben fermentirt über; aber da das Thürlein auf¬
ging, da kam der Unrechte Gast, ein gäl (gelbes)
heisses Wasser, und da das Thürlein wieder zu¬
kam, da war es eben wie vor, und die Kunst war
auch vergebens. — So mag ich auch dieser Kunst
nit zuwider sein, deren ursach sie bringt keinen
weitern Schaden, als den Schmerz an demselbigen
aufthun. Wiewohl aber doch, so derselbe unge¬
bührlich, oder zu nahe nit bei den Nieren, so ist
es trefflichen sorglich denselbigen Ort von wegen
des Harns.“ (Er kannte also die Wirkung der Can-
thariden auf die Nieren sehr wohl).
Zum Schluss liest er noch den Barbieren, Ba¬
dern, Juden und den „griechischen“ (gelehrten) j
Aerzten, die sich alle mit Behandlung der Syphilis !
befassten, gehörig den Text.
Die von ihm benutzten Quecksilberpräparate
sind, nach Sprengel: Das salpetersaure Quecksilber,
das Calomel, der Sublimat und das rothe Präcipitat
gewesen. — Welcher Gabengrössen er sich bedient
hat, habe ich aus seinen Schriften und aus Citaten
anderer Autoren nicht ersehen können: ob er das
Mittel bis zur Erzeugung von Speichelfluss ange¬
wendet haben wird, wie so viele seiner zeitgenös¬
sischen und späteren Aerzte, muss deshalb dahin¬
gestellt bleiben.
Bei alledem dürfen wir nicht aus dem Auge
verlieren, dass der Mercur beim Paracelsus noch
eine ganz eigenartige Bedeutung hat. Dieser
geniale Kopf hatte nämlich die Vorstellung, dass
der menschliche Organismus aus 3 Grundsubstan¬
zen : Mercur, Sulphur und Sal zusammengesetzt sei,
und dass alle Krankheiten durch eine fehlerhafte
Menge oder Bewegung dieser Substanzen im Kör¬
per bedingt sein. „So> der Mercurius aufsteigt,
und bleibt nicht in seinen Staffeln, so fängt die
Discordanz an, so auch mit dem Sulphur und Sal;
denn so das Sal sich erhöhet und sondert sich, was
ist es als ein fressendes Ding? hieraus entstehen
die Ulcerationen, die Cancer etc. So der Sulphur
hervortritt, so zerschmilzt er den Leib, und der
Mercurius wird so hoch in seiner Subtilität, dass
er den jähen Tod macht. Was nun das Salz zer¬
fressen hat, das heilen die Consolida, was der Sul¬
phur dissolvirt hat, das restaurirt der Crocus, und
was der Mercur zu hoch gesubtilirt hat, das in-
grossirt das Aurum.“
Tritt uns hier eine Art biochemische Aotiologie
der Krankheiten entgegen, wo die Ausdrücke Mer¬
cur, Sulphur und Sal nicht die gewöhnliche Bedeu¬
tung haben, so will es aus einigen Stellen beim
Paracelsus doch wieder scheinen, als ob die vom
Mercur, diesem Grundelement, hervorgerufenen
krankhaften Zustände doch wieder in den patho¬
genetischen Bahnen dieses Mittels laufen. So sagt
er: „Aus dem Mercurius kommen die Krankheiten,
die hitzig sind, Stiche machen und Blutspuren zum
Begleiter haben; ferner die der Knochen, Adern
und Ligamente, Geschwulst des Gesichts, Flüsse
im Haupt, Zahnweh, viel Spucken, Zittern, Con-
tractur, Schwärze der Zähne.“ (Fragm. ad part.,
Vol. 1, p. 146.) — So kommen uns aus dem ma¬
gischen Vexir-Spiegel der Paracelsi’schen Schriften
bald reale, bald verzerrte Bilder der Dinge ent¬
gegen. Dr. Moftsa.
Das Reconvalescenten-Heim „Hahnemann“
zu Bournemouth.
Jetzt, wo man in Deutschland vielfach an die
Begründung von Reconvalescenten-Heimstätten geht,
ist es wohl zeitgemäss daran zu erinnern, dass ein
solches bereits seit vielen Jahren im Städtchen
Bournemouth (Schottland) von Freunden der Ho¬
möopathie ins Leben gerufen ist, das unter der
Leitung des homöopathischen Arztes Dr. H. Nanki-
well steht. In der letzten Zeit machte sich das
Bedürfniss geltend, dieses Heim zu erweitern und
Baikone herzustellen, um die Luftkur für Brust¬
kranke zu ermöglichen.
Um dem für diese Zwecke bestimmten Fonds
aufzuhelfen, wurde nun am 2. und 3. November
v. J. ein grosser Bazar veranstaltet unter dem Pa¬
tronat der Prinzessin Christian, der Herzogin von
York, und anderer hochgestellter Frauen. Es wurde
keine Mühe gespart, um einen möglichst guten Er¬
folg zu erzielen. In dem künstlerisch geschmück¬
ten Saale fand sich eine ansehnliche Sammlung
von kunstvollen und nützlichen Gegenständen Eine
Ausstellung von Hospital-Modellen bildete einen
besonderen und interessanten Theil des Bazars.
Diese sinnreichen Modelle waren von der Schwester
Marion (aus dem London Homoeopathic Hospital)
und in England und Amerika preisgekrönt worden,
i Unter den Unterhaltungen, die man de* Besuchern
Digitized by
Google
02
bot, sei eine Vorstellung mit der Laterna magica
unter Leitung des Pfarrers Eliot und des Dr. Nanki-
well besonders erwähnt. — Der Ertrag des Bazars
war ein recht hübscher, nach Abzug der Kosten
628 Pfd. St. 17 Sh. (also über 12,560 Mk.).
Wir freuen uns aufrichtig über diesen schönen
Erfolg unserer thatkräftigen, praktischen Collegen
in England, die uns in solchen Unternehmungen
zum nachahmenswerthen Vorbild wohl dienen können!
M.
Klinische Indicationen.
Mephitis im Keuchhusten.
Dr. Dewey empfiehlt Mephitis als ein nützliches
Mittel in einem Husten mit ausgesprochenem Kehl¬
kopfs-Krampfe. Der Husten ist schlimmer bei Nacht
im Liegen; das Kind kann wegen eines Erstickungs¬
gefühls nicht in Schweiss kommen. Farrington
sagt, dass es oft augenscheinlich den Kranken ver¬
schlimmert, während seine wirkliche Tendenz ist,
den Verlauf der Krankheit abzukürzen. (Erstver-
schlimmerung oder wegen falscher Wahl? Ref.)
Wenn die katarrhalischen Symptome leicht, das
krampfhafte Keuchen markirt, die Speisen oft erst
nach mehreren Stunden nach dem Essen erbrochen
werden, die Erstickungsnoth während des Hustens
(bei Corallium rubr. vor demselben) — dann ist
Mephitis am Platze.
Phytolacca decandra im Scharlachfieber.
Der Ausschlag ist über dem ganzen Körper ver¬
breitet; Kopfweh; hohes Fieber; an beiden Seiten
des Halses bemerkt man eine aschgraue Aus¬
schwitzung. Der Ausschlag ist trocken und hat
ein runzeliges Aussehen; man fühlt die Haut wie
braunes Papier (Pergament) bei der Berührung; der
Urin ist unterdrückt; Hände und Füsse brennen
heiss; das Kind kann keine Bedeckung darauf
leiden; Unruhe uud Schlaflosigkeit; die Zunge ist
in der Mitte trocken, an den Seiten braun belegt;
ätzender Nasenfluss; der Ausschlag will erst nicht
gehörig herauskommen.
Lachesis, Naja, Crotalus bei Kopfweh. Lachesis
ist angezeigt bei Kopfweh, das von unterdrückten
Absonderungen bedingt ist, daher bei Kopfweh mit
Schnupfen, Menstrual- und klimakterischen Be¬
schwerden, der sich bessert, wenn die Absonde¬
rungen wieder in Fluss kommen. Der Schmerz ist
meist linksseitig, und wird während des Schlafes
verschlimmert. Das Mittel ist auch nützlich bei
Kopfweh, das von Gebärmutter- oder Eierstocks¬
leiden mit den charakteristischen Symptomen ab¬
hängt. —
Bei Naja ist die Cephalgie in der Regio orbi-
talis sinistra und erstreckt sich von da nach dem
Hinterkopfe; vorher und bei derselben Uebelkeit
| und Erbrechen. Der Schmerz macht 2—4 tägige
Intermissionen. Auch der Naja-Kopfschmerz wird
im Schlafe schlimmer (wie bei Lachesis). Das Mittel
| passt auch bei menstruellem, stechendem Kopfweh.
Crotalus hat einen betäubenden Schmerz in der
rechten Schläfe, der sich bis zur linken Schläfe
oder über den Scheitel nach dem Hinterkopfe hin¬
zieht, begleitet von Erbrechen, das aber nicht er¬
leichtert. Charakteristisch ist das Symptom, dass,
sobald der Kopfschmerz vorüber ist, der Patient
| alsbald an seine gewöhnliche Beschäftigung gehen
; kann. K.
Bitte an die Collegen!
Für einen älteren Collegen, Vater schulpflich¬
tiger Kinder, der ohne eignes Verschulden in höchste
I Noth gerathen, aber bestimmte Aussicht hat, bald
wieder in die Höhe zu kommen, wird eine Geld-
uuterstützung, die als Darlehen betrachtet wird,
auf diesem Wege erbeten. Schleunigste Hülfe ist
dringend nöthig, da seine Existenz davon abhängt,
und ist jeder Betrag willkommen. — Gefl. Gaben
nimmt entgegen und ist zu näherer Auskunft bereit
Metz, den 2. Januar 1899.
Dr. Keinel,
Geh. San.-Rath, Kreisarzt der Stadt Metz
! und
Medicinalreferent des Bezirks-Präsidiums.
! Wir richten an die geehrten Herren Collegen
die Bitte, diesem im äussersten Westen des deut¬
schen Reiches in Noth gerathenen homöopathischen
! Berufsgenossen freundlich zu Hülfe zu kommen,
i Herr Apotheker Steinmetz, Leipzig (Verlag die-
I ses Blattes) ist bereit, die eingehenden Beiträge zu
! sammeln und an die richtige Adresse zu befördern.
Die Eedaetion.
Lesefruchte.
Therapeutische Notizen.
Dr. Leggert beobachtete einen Fall von Uterin-
Katarrh, wobei Pat. das Gefühl hatte, als ob der
Kopf 3 oder 4 Kuss von dei • Schulter hinaufgezogen
würde. — Ustilago brachte Hilfe.
Dr. Grant fand in einem Falle von Husten bei
einer Frau, welche die Empfindung hatte, als ob
zwischen der Stirn und dem Gehirn ein leerer Raum
sei , das Heilmittel in Causticum.
Dr. Stow berichtet von einer alten Dame, welche
das Symptom angab: Empfindung einer Kugel in
der Stirn. Dies findet sich bei Staphis, welches
auch den Fall heilte.
Digitized by c^ooQie
Dr. Schumacher erwähnt, Calc. caust. habe das
eigentümliche Symptom von einem Herabdrücken
im Scheitel, ein Symptom, das häufig nach vorlier-
gegangener Influenza auftrat. Calc. caust. half
jedes Mal.
(The Hahnemannian Advocate. 15. Sept. 1898.)
Veber den Eisengehalt der Leber.
Man nimmt allgemein an, dass das Eisen in
der Leber durch die Zerstörung der rothen Blut¬
körperchen in diesem Organe entstehe. Analysen
haben aber gezeigt, dass der Eisengehalt in der
Leber fast unveränderlich ist, welcher Art die Er¬
nährung auch sei, ebenso im normalen wie im
pathologischen Zustande. Aus dieser Stabilität scheint
hervorzugehen, dass die Hämoptysie nicht Ursache
des Eisens in der Leber sein kann. Auch bei nied¬
rigen Thieren, wie Krebsen, Austern, Schnecken etc
findet man eine fast gleiche Menge Eisen in der
| Leber wie bei Säugethieren. Bei diesen Thieren
| kann das Eisen aber nicht aus dem Blute kommen,
I denn sie haben kein Hämoglobulin.
| Dr. Laproque ist der Ansicht, dass nur das
I Minimum des Lebereisens normal sei; es beträgt
bei den Thieren aller Art 0,03 °/ 0 . Darunter geht
I die Eisenmenge niemals; ist sie höher, so kann sie
durch Blutungen etc. auf jenen Stand wieder herab¬
gesetzt werden. Das Eisen scheint demnach in der
Leber als fixes Eisen vorzukommen, das in dem
ganzen Thierreiche constant ist, und dann als mo¬
biles, das sich unter dem Einfluss verschiedener
Ursachen vermehren oder vermindern kann.
Personalia.
Am 4. Febiuar 1899, Abends, ist Herr Staatsrath
Dr. med. Walz zu Frankfurt a. Oder gestorben.
Anzeigen.
Ein homtfopathlscher Arzt, Dr. med.,
mit Schweizerischem Staatsexamen, sucht
in der Schweiz oder ev. in überseeischen Landern eine
nachweisbar rentable homöopathische Praxis zu über¬
nehmen.
Offerten sub K. W. 154 an die Expedition dieser Zeit¬
schrift.
Kurpension des Homöopathen
Dr. von Hartungen
Riva a. Gardasee, Tirol.
Mars’scheg Krebsmittel
frisch.
Von Herrn Missionar Mars ist wiederum am 13. Februar
1899 ein grösseres Quantum seines Krebsmittels eingetroffen.
Ich stehe somit wieder gern mit diesem Mittel zu Diensten
und kann es nun erfreulicher Weise auch billiger abgeben,
und zwar 1 Portion: 10,0 mit Gebrauchsanweisung: 1,50 Mk.
(früher 2 Mk).
A. Marggrafs Homöopath. OfRcin, Leipzig.
i In Th. Grieben’s Verlag (L. Fernau) in
Leipzig erschien:
Die
: Heilkraft des Lichtes
! Entwurf
I zu einer wissenschaftlichen Begründung
i des Licht-Heilverfahrens
von
Dr. Willibald Gebhardt
I
Mit 18 Illustrationen. 302 Seiten gross 8°.
j Preis: broschirt 3 Mk. 60 Pf., geb. 4 Mk. 20 Pf.
JBohnentittl&eii -Thee
gegen Nierenkrankheiten, Wassersucht, Gicht, Rheumatismus, Zucker- und andere Krankheiten halten vorräthig und
empfehlen in Packeten k V 4 Ko. mit Gebrauchsanweisung Mk. —.75
i» j» d /a » »> >> >» L25
A 1/ 9 9^
I» J» a /I f» 1» » »»
Gebrauchs-Anweisung. Man nehme 75—100 Gramm von unserem Bohnenschalenthee und koche dieselben mit
2—3 Liter Wasser 3—4 Standen, bis solche auf 1 Liter eingekocht sind; bis zu diesem Quantum kann man täglich
gemessen, das normale ist ein Trinkglas voll. — Der Thee allein getrunken schmeckt nicht schlecht, man kann aber
auch, um den Bohnengeschmack zu vermindern, etwas Fleischextract etc. hinzufügen. — Besondere Diät braucht nicht
eingehalten zu werden. — Die Wirkung auf die Nieren ist eine ganz ausserordentlich grosse, was jeder Trinker des
Thees in dem reichlichen Urinlassen merken wird. Ausser dem Trinken des Thees empfiehlt man ärztlicherseits auch
das Baden in demselben, besonders bei Rheumatismus und Gicht, zu einem Bade gehören 5 Liter Extract, man nimmt
aber hierbei 200 Gramm Thee auf 1 Liter Extract.
Leipzig.
A. Marggraf’s homöopathische Officio.
Digitized by
64
Im Verlage von A. Marggrafs homöopath. Officin
in Leipzig ist erschienen:
Die homöopathische Behandlung
der
Augenkrankheiten
sowie der
Ohrenkrankheiten
nach den Erfahrungen der homöopathischen
Specialisten
DDr. Vilas, Norton und Houghton
zum Gebrauche für practische Aerzte.
Bearbeitet von
Dr. Th. Bruckner,
homöopathischer Arzt in Basel.
97 2 Druckbogen. 8°. Preis gut geb. M. 3.—,
brosch. M. 2.50.
Ausführliche Besprechung dieses Buches in
No: 23/24 des 128. Bandes dieser Zeitung.
Receptnr-Tarirwaagen.
Da neuerdings bei Revisionen auch mehrfach Tarir-
Waagen verlangt worden sind, welche jedoch die Herren
Aerzte nie brauchen und die im Allgemeinen nicht unter
50 —GO Mark zu haben sind, so habe ich billige und für
Revisionszwecke völlig genügende, mit Präcisionsstempel
versehene und geaichto Receptur-Tarirwaagen auf einfachem
Brette anfertigen lassen, die zum billigen Preise von nur
24 Mark offeriren kann.
Leipzig. A. Marggrafs homöopath. Officin.
Teucrinm Scorodonia.
Im 131. Bande dieser Zeitung, in No 25/26, vom
19. December 1895, Seite 199 berichtete Berr Dr. (ioullon
aus belgischen Journalen über wunderbare Heilungen
von Brustkranken (Lungenspitzen - üavernen, Schwind¬
sucht, Beseitigung tuberculöser Testikel) mit diesem
Mittel. Von allen Seiten wurde es darauf verlangt,
aber leider war es weder in Deutschland, noch Belgien,
noch sonstwo trotz aller Bemühungen aufzntrmben.
Endlich habe ich vorigen Sommer fliese Pflanze in
schönster Qualität durch die liebenswürdige Vermitte¬
lung des Herrn Dr. med. Schlegel in Tübiugen be¬
kommen und stehe mit der Tinctur und Potenzen gern
zu Diensten.
Leipzig. A. Marggrafs homöopath. Officin.
Im Verlage der Homöopathischen Central-Apotheke von
Täschner & Co., Leipzig, und A. Marggrafs homöopathi¬
scher Officin, Leipzig, sind folgende erapfehlenswerthe
homöopathische Bücher und Scbrifteu erschienen:
Gross-Hering, Vergleic hende Arzneiwirkungslehre. l.Aufl.
1893. geb. M. 20,—.
Bruckner, Homöopath Behandlung der Augen- und Ohren-
krankheiten. 1. Aufl. 1894. brosch. 2.50, geb. 3.—.
Kleiner homöopath. Hausfreund. 6. Aufl. 1894. brosch.
1.—. geb. 1.50
Homöopath. Volksschriften, Nr. 1—28, in diversen (1.—8.)
Auflagen, ä 10 Pfg.
Hendrirhs, Zahnschmerzen. Deutsch. 2. Aufl. 1888. —.30.
Holländ., 1. Aufl., —.50.
Allgemeine homöopath. Zeitung. 135. Band. [2. Halbjahr
1897.) Halbjährlich 10.50.
Müller, Charakteristik. Deutsch, 3. Aufl. 1890, geb. 1.50.
Spanisch, 2. Aufl. 1891, brosch. 2.—, geb. 2.50.
Homöopath. Allerlei. 1890. brosch. 1.- , in Parthien billiger.
La Curacion y Profilaxia per el Tratamiento Homeopätico
de Las Prinzipates enfermedades Infecciosas. 2. Aufl.
]893. brosch. 1.20.
Diverse kleine Anweisungen zur Heilung einzelner Krank¬
heiten. ä 20 Pf.
Hirschei, Der homöopathische Arzneischatz in seiner An¬
wendung am Krankenbette. Für Familie und Haus
neu bearbeitet von Dr. med Goullon in Weimar.
16. Auflage, geb. 4 M.
Hübner, Homöopath. Thierarzt. 9. Aufl. 1892. cart. 3.—.
geb. 3.75.
— Krankheiten der Pferde. 9. Aufl. 1894. brosch. 1.20.
geb. 1.60.
Günther, Kleiner homöopath. Thierarzt. 2. Aufl 1888.
geb. 1.50.
Hausmann, Kleine Schriften. Gesammelt und herausge¬
geben von Dr. C. Bojanus, sen. 1895. cart. 1.50.
Homöopath. Hilfstabelien. Belehrung über die Bereitung
der Potenzen aus den Urtincturen, Stärke des zu ver¬
wendenden Alcohols etc. mit einer Anlage über Lutze’s
Chiffre-Schrift. 1.—.
Homöopathische Arzneitaxe, bearbeitet in Uebereiustim-
mung mit allen in Deutschland bisher erschienenen
officiellen und im Gebrauch befindlichen homöopathischen
Arzneitaxen. —.30.
Bönninghausen’s Therapeutisches Taschenbuch für homöopath.
Aerzte, 1 neu herausgegeben von Dr. med. Fries, brosch.
10.—, geb. 11.—.
Die GrundzDge der modernen wissenschaftlichen Homöopathie,
von Dr. Hans Wapler. brosch. —.50.
Die Unhaltbarkeit der Hochpotenzen, von Dr. Kallenbach,
Rotterdam, brosch. —.80.
Kunkel, Pr. med., Die homöopathische Behandlung der
Heiserkeit, brosch. —.50.
Bönningbansen’s
Therapeutisches Taschenbuch
in neuer deutscher Auflage.
Brosch. 10.— Mk., geb. 11.— Mk.
Aufträgen sielit die Unterzeichnete Verlagshandlung gern entgegen.
A. Marggrafs homöopath. Officin, Leipzig.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Moeea-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Leipzig.
Druok von Julius Raser in Leipzig.
Digitized by L^OOQle
Band 138
Leipzig, den 2. März 1899.
Mo. 9 u. 10.
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A.Marggraf s homöopatli. Offlein) in Leipzig
Thomaskirchhof 12.
Erscheint 14 tägig zu 2 Bogen. 18 Doppelnummem bilden einen Band. Preis 10 M. 60Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A MarggraFs homöopath. Offlcln ln Leipzig) zu richten
sind, werden mit 20 Pf, pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 5—8 Af. berechnet.
Inhalt. Der relative Werth von Symptomen. Subjective und objective Symptome. Von Dr. Samuel A. Kimball,
Boston. — Cantharides als ein H&emostaticum in Haematurie und ihr Gebrauch in Albuminurie. Von Dr. Mossa. —
Signaturenlehre. III. Allgemeines. Von E. Schlegel, Arzt in Tübingen. — Petition betreffs der ärztlichen Ehrengerichte.
Vom Verein preuspischer selbstdispensirender homöopathischer Aerzte. Bemerkungen dazu von Dr. Gisevius jun. —
Wirkung von Alumina auf die Stimmorgane. Aus einer Vorlesung von Prof. J. Kent. — Eine Phytolacca*Skizze. Von
Prof. Thomas C. Dunham-Chicago. — Die Chlorose In ihren Beziehungen zu den Verdauungsorganen. Referat nach
Prof. K. v. Noorden. — Diabotes mellitus. Von M. — Bitte an die Collegen! — Herzliche Bitte für eine Arzt-Wittwe.
3. Quittung über eingegangene Beiträge. — Hahnemann’s Grab in Paris. Ernenter Aufruf! — Personalia. — Anzeigen.
Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage.
Der relative Werth von Symptomen.
Subjective und objective Symptome.
Wenn wir zur Betrachtung acuter und chroni¬
scher Krankheiten kommen, so lösen sich die
Symptome in 2 Klassen auf, in subjective und
objective, welche beide wichtig, beide oft in dem¬
selben Falle erscheinen, und doch kann die eine
von beiden den Ausdruck für den krankhaften
Zustand allein darstellen.
Das subjective Symptom ist die Beschreibung
des Patienten von seinen Empfindungen, wie sie
ihm erscheinen, aber kranke Leute sind in der
Fähigkeit, sich auszudrücken, gar verschieden, und
es kann gar leicht geschehen, dass man durch
eine falsche Darstellung einer Empfindung miss¬
leitet wird. Für Manchen ist es schon verwirrend,
zu sagen, wie er sich gegenwärtig befindet, und
fast unmöglich die Empfindungen von zwei oder
drei Tagen vorher zu beschreiben; bei Andern
dagegen ist es schwer, den einmal in Fluss ge¬
kommenen Strom der Symptome zu hemmen und
deshalb das Wesentliche vom Unwesentlichen zu
unterscheiden.
Anders verhält es sich mit den objectiven
Symptomen. Hier ist ein positiver, fast unwillkür¬
licher Ausdruck des Krankhaften von Seiten des
Patienten. Kommen wir zu einem Fall, wo sich
der Kranke plötzlich vor Schmerz zusammenkrümmt
und mit den Händen oder einem andern Gegen¬
stand fest gegen den Unterleib drückt, jammert
und stöhnt für einige Augenblicke, dann erleich¬
tert nach rückwärts sinkt, um bald danach das¬
selbe Schauspiel zu wiederholen, da würden wir
uns nicht viel darum kümmern, ob er die Empfin¬
dung hat, die Eingeweide seien zwischen Steinen
oder Telegraphenstangen gequetscht worden; die
objective Lection, die wir von seinen Bewegungen
und Stellungen erhalten, wird wohl völlig aus¬
reichen.
Bei denjenigen, die ihre widerwärtigen Empfin¬
dungen auf keine andere Weise auszudrücken ver¬
mögen, sind natürlich die objectiven Symptome
äusserst wichtig. Bei jungen Kindern sind sie oft
Alles, was wir haben, und es kann aus ihnen viel
erschlossen werden, wie z. B. aus dem allgemeinen
Aussehen des Kindes, dem Gesichtsausdruck, Stirn¬
runzeln, der Erweiterung der Nasenflügel, dem Re-
gurgitiren der Nahrung, oder Erbrechen, Zeit und
Art der Stühle, Urinbeschaffenheit u. s. f.
So wichtig die Symptome beim wachen Kinde
sind, die während des Schlafes sind es noch mehr.
Wenn der Körper erschlafft daliegt, giebt da9 Kind
die allerbedeutsamsten Symptomanzeigen für das
9
Digitized by
66
Mittel; die Lage des Körpers, Bewegung der
Glieder, Zuckungen verschiedener Muskel, Jam¬
mern, Weinen oder Schreien. Ist das Kind im
Wachen gut gelaunt oder reizbar, oder wacht es
mit Furcht und Schreck auf?
In acuten Fällen sind die subjectiven Symp¬
tome in der Regel so ausgesprochen, dass die Ge¬
fahr einer Täuschung nicht gross ist, und die
objectiven, wenn solche zugegen, sind ebenso
hervorstechend. Bei Gehirnkrankheiten sind die
objectiven Symptome um so wichtiger, je hoch¬
gradiger sie sind. Das ist besonders bei Mania
oder von Zuständen mit Bewusstlosigkeit der Fall.
In einem Falle von Manie verweigerte der
Kranke jedes Wort und jede Antwort auf Fragen;
ebenso die Nahrung. Dabei bestand Schlaflosig¬
keit, Retentio urinae, und ein profuser enormer
Schweiss über den ganzen Körper. Ausserdem
Misstrauen oder Furcht; er zog das Bettzeug an
das Gesicht und starrte darüber hin. Er machte
auch Versuche zum Schlagen und zeigte eine all¬
gemeine Feindseligkeit gegen Jeden und Alles.
Eine Lösung von Bell. 200. ward Abends 10 Uhr
gemacht, ein Taschentuch damit befeuchtet und
dieses über seiner Nase zu einigen Inhalationen
gehalten. 20 Minuten nach den Inhalationen
schlief er */« Stunde und trank beim Erwachen
etwas Milch. Bald danach schlief er wieder ein —
gegen zwei Stunden, und nahm dann mehr Nahrung
zu sich; hierauf schlief er den Rest der Nacht und
war am Morgen ruhig und verständig.
Auch im folgenden Fall tritt uns die Wichtig- j
keit objectiver Symptome deutlich entgegen: Eine
70jährige Frau hatte einen Anfall von Bronchitis
mit beträchtlichem Schleimrasseln und Brustschmerz
beim Husten. Bry. brachte keine Erleichterung;
es trat eine Schlafbetäubung ein mit einem losen,
rasselnden Husten mit geringem Auswurf, mehr
oder weniger Uebelkeit, und einer Temperatur von
103° F. Antim. tartar. änderte nichts, und Pat.
befand sich Tags darauf entschieden schlechter.
Sie athmete laut, indem sie die Backen bei der
Exspiration aufblies, hielt den Mund offen; dabei
zeitweises Schnarchen, unfreiwilliger Urinabgang,
eine rothe, trockne Zunge, Stöhnen und Murmeln
im Schlaf. Der Kopf war sehr verwirrt und sie
konnte nur mühsam aufgeweckt werden, um auf
Fragen zu antworten. Drei Gaben Opium (Hoch¬
potenz) wurden in Wasser gegeben; am folgenden
Tage war sie bei Verstand, die Körperwärme nor¬
mal, und 6ie genas bald.
Von der sorgfältigen Beobachtung eines Kran¬
ken kann man viel Aufschluss erlangen,, und das
kann man durch Uebung in einem Umfange eulti-
viren, von dem der Anfänger keine Idee hat. Die
schätzbarsten Symptome sieht man, wenn der Pa¬
tient schläft und sich unbeobachtet glaubt, wo dann
die Symptome so recht den natürlichen Ausdruck
von des Patienten Empfindungen darstellen.
Die subjectiven Symptome hängen in Bezug
auf ihren Werth vielfach von den bessernden oder
verschlimmernden Umständen ab; ja letztere sind
an sich oft mächtige Thatsachen. Die objectiven
dagegen sind gewöhnlich nicht von solchen Be¬
dingungen abhängig.
Bei einer Diphtherie kann die Seite, wo sie
beginnt, für die Mittelwahl entscheiden; bisweilen
das Aussehen der Membran, aber selten ohne dass
noch andere Zeichen dafür sprechen. Die Ver¬
schlimmerung oder Besserung vom Schlucken heisser
oder kalter Getränke jedoch kann entscheidend sein.
In Krankheiten der Brust, Husten, Pneurao-
nieen etc., finden wir die subjectiven und objectiven
Symptome fast gleichwertig; aber in diesen, wie
in allen sonstigen Zuständen hängt der Werth des
Symptoms weniger von seiner diagnostischen Wich¬
tigkeit als von anderen Umständen ab. Ist der
Husten schlimmer in der freien Luft oder im war¬
men Zimmer? Scheint er vom Magen zu kommen,
sind scharfe Schmerzen, durch die Brust bis zum
I Rücken gehend, zugegen? Bringt das Liegen auf
der kranken Seite Verschlimmerung oder Besserung
bei einem Pneumoniker, oder ist der pleuritische
Schmerz besser beim Sitzen oder Liegen? Eins
dieser Symptome kann für die Wahl des Heil¬
mittels den Ausschlag geben.
In Krankheiten der Verdauungsorgane, wie
Magenverderbniss, Diarrhöeen, Ruhr, haben wir die¬
selbe Verbindung subjectiver und objectiver Symp¬
tome, deren Bedeutung in den verschiedenen Fällen
wechselt, und es liegt uns der Versuch immer ob,
eine Beschreibung der trivialsten Empfindungen zu
erlangen, und der geringsten Thätigkeit des Pa¬
tienten Aufmerksamkeit zu schenken.
Die Diagnose ist bei der Mittelwahl nicht zu
berücksichtigen, ausser, dass, wenn zwei Symptome
in Vergleich kommen, dasjenige, welches mit der
Diagnose weniger zu thun hat, gewöhnlich das
wichtigere (? Ref.) ist, obwohl der bessernde
oder verschlimmernde Umstand eines diagnostischen
Symptoms es in einem Falle zum werthvollsten
hinstellen kann.
Wenn wir nun den diagnostischen Symptomen
bei der Mittelwahl wenig Wichtigkeit beilegen, so
dürfen wir doch nicht vergessen, ihnen in der all¬
gemeinen Behandlung des Kranken die ihnen zu¬
kommende Stelle zu geben.
Es ist von ausserordentlichem Belange, dass
wir eine correcte Diagnose stellen, oder dass wir
wenigstens die allgemeine Richtuug der Erkrankung,
die afficirten Organe und den wahrscheinlichen
Ausgang wissen.
Digitized by ^»ooQie
67
Wir müssen durch Untersuchung der Lungen
wissen, ob es für einen von einer Pneumonie Ge¬
nesenen rathsam ist auszugehen oder nicht; durch
Untersuchung des Urins den Zustand unseres an
Diabetes oder an einer Nierenaffection leidenden
Patienten. Der Charakter der Krankheit entschei¬
det ja auch in weiterem Umfange die so sehr
wichtige Diät-Frage.
In der Behandlung chronischer Krankheiten hat
man, wie es scheint, weniger Unterschied zwischen
den diagnostischen und den subjectiv-individuellen
Symptomen gemacht, wahrscheinlich weil jene nicht |
so scharf wie in acuten Krankheiten hervortreten, .
und wir in der Lage sind, die Symptome nieder- I
zuschreiben, ohne auf die Diagnose ebensoviel zu [
achten. Indessen es gelten hier dieselben Regeln >
wie in acuten Krankheiten, was den Werth der
diagnostischen und nicht-diagnostischen Bedingungen j
betrifft. !
Wenn wir einen chronischen Fall sorgfältig mit
all seinen zahlreichen Symptomen untersucht haben,
welcher Werth ist diesen beizulegen, wie und wo
haben wir in unserem Suchen nach dem Heilmittel
zu beginnen? Die letzten Aeusserungen sind na¬
türlich wichtig, aber die früheren nicht minder.
Wir finden oft beim Rückblick auf die Entwicklung
der psorischen Zeichen, wie diese als schlimme
Kopfschmerzen, Verdauungsstörung, Diarrhöe, oder
als irgend ein acuter Anfall begonnen haben —
und die sorgfältige Beschreibung dieser frühzeitigen
Symptome mit den bessernden oder verschlimmern¬
den Umständen, ihren Begleiterscheinungen und
ihrer Localität sind sehr bedeutsam.
Wir müssen alle Zustände des Kindesalters be¬
rücksichtigen: ein feuchter oder trockner Haut¬
ausschlag auf dem Kopfe als Säugling, war das
Kind fett oder mager, hatte es geschwollene Drü¬
sen, ist es mit Vaccinegift inficirt worden?
Eine Verzögerung der ersten Menstruation oder |
irgend welche Störung zu jener Zeit, also Men-
struationsverhältnisse, wenn von der Norm abwei¬
chend, sind von Werth. In dieser Weise sollen
wir das Kranken-Examen anstellen, das sich also ,
von der frühesten Erinnerung des Pat. bis zur
Gegenwart erstrecken soll. Auch dürfen wir das I
Examen nach seinem gegenwärtigen Zustand nicht ’
obenhin nehmen. Wir können schätzbare Indica-
tionen in der psychischen Sphäre finden; eine
Neigung zum Selbstmord, Furcht vor mancherlei j
Dinge, schlimmer beim Alleinsein oder in Gesell- j
schaft, Verschlimmerung im Dunkeln, Verlangen
oder Abneigung gegen Licht.
Es kann eine Begierde nach gewissen Nahrungs¬
mitteln oder Widerwille dagegen, oder eine Ver¬
schlimmerung von gewissen Stoffen, z. B. Milch
oder Säuren, stattfinden. Diese und so manche
andere Symptome, Umstände und Bedingungen
können bei der Erforschung des Simile als Aus¬
gangspunkte dienen.
Ein verschlimmernder oder bessernder Umstand
kann in einem Falle das schätzbarste Symptom sein.
Diagnostische Symptome, zumal wenn sie mit be¬
gleitenden Erscheinungen verbunden sind, dürfen
nicht übersehen werden; ebenso wenig functioneile
Symptome an dem erkrankten Organ, obgleich
diese, nebst den diagnostischen Symptomen, ge¬
meinhin den zweiten Platz in der Mittelwahl, beim
Vorhandensein anderer Symptome, einnehmen.
Haben wir acute Schübe in chronischen Krank¬
heiten vor uns oder acute Infectionskrankheiten, so
finden wir oft, dass der Kranke in seinem gegen¬
wärtigen Zustande keine für die Mittelwahl hin¬
länglichen Anzeigen darbietet; die Symptome sind
allgemein und nicht individuell genug, oder es
kann bei ziemlich guten Indicationen für eine sorg¬
fältige Verordnung doch kein rechter Anhalt sein.
Dann ist es nöthig, rückwärts zu blicken und
nach den constitutionellen Symptomen, die vor dem
acuten Schub da waren, zu verordnen, ja womög¬
lich zu den vor Jahren bestandenen Verhältnissen
zurückzugehen, um das passende Mittel zu finden.
Hat man nun das Mittel gegeben, welchen
Werth hat man dann den nun erscheinenden Symp¬
tomen beizulegen; wie sind sie zu betrachten im
Verhältniss zu dem letztverordneten Mittel oder zu
jenen, die noch zu wählen sind. Man hat nicht
übel gesagt, die Schwierigkeiten eines Falles be¬
ginnen nach der ersten Verordnung. Dem ist in¬
sonderheit bei chronischen Fällen so, und es kann
daher nicht schaden, die Verhältnisse, die sich er¬
geben können, kurz darzustellen.
Ist Besserung der Symptome oder eine Rück¬
kehr alter, früher dagewesener zu constatiren, so
warte man ab. Alte Symptome, die da kommen
und gehen, lasse man unberücksichtigt, ausser,
wenn sie die Besserung unterbrechen, den allge¬
meinen Zustand des Patienten verschlechtern und
die Heilung aufhalten. Aber selbst dann sei man
sehr vorsichtig in der Wiederholung desselben oder
Anordnung eines neuen Mittels.
Die Verschlimmerung vorhandener Symptome
bei allgemeiner Besserung verlangt kein Eingreifen,
wenn aber bei dieser andauernden Verschlimmerung
das Allgemeinbefinden des Kranken schlechter wird,
hat man dem Mittel ein Antidot gegenüberzustellen
oder eine neue Verordnung zu machen, für die die
verschlimmerten Symptome die wichtigsten Anzei¬
gen sind. Erscheinen neue Symptome, die der
Kranke vorher nicht erfahren hat, unter allgemei¬
ner Besserung, so verschwinden sie in der Regel
wieder; halten sie jedoch an, ohne die Besserung
9*
Digitized by LiOOQle
68
zu fördern, so sind sie bei einer neuen Mittelwahl
von hohem Belang.
Symptome, die eine allgemeine Besseruug von
innen nach aussen hin, von oben nach unten, von
den mehr nach den weniger wesentlichen Tlieilen
hin bringen, hat man wohl zu respectiren und soll nicht
mit einem neuen Mittel dazwischen fahren; gehen
die Symptome aber in entgegengesetzter Richtung,
andeutend, dass der krankhafte Zustand von aussen
nach innen, von unten nach oben, von den weniger
zu den mehr wesentlichen Theilen fortschreitet, so
müssen sie als Leitmotive für die neue Mittelwahl
festgehalten werden.
Im Allgemeinen kann man sagen, dass als die
wichtigsten Symptome, die nach einer Verordnung
auftreten, zu halten sind: Verschlimmerungen, die
ohne allgemeine Besserung andauern, neue Symp¬
tome, die sich in gleicher Weise verhalten, sowie
die Symptome, welche in ihrer Metastase von Ort
zu Ort eine Wendung zum Schlimmem zeigen. In
einem heilbaren Fall hat man dieser letztem bal¬
digst zu begegnen, aber in einem unheilbaren kann
der Grad der Schmerzhaftigkeit, die Höhe des
Leidens, ein neues Mittel erforderlich machen, da
in solchen Fällen das Höchste, was man erhoffen
kann, in der möglichsten Erleichterung besteht.
Wenn zwei oder drei von den chronischen In-
fectionskrankheiten — Psora, Syphilis und Syco¬
sis — vorhanden sind, so räth uns Hahnemann
zuerst für die psorische, sodann für die sycotische
und zuletzt für die syphilitische zu verordnen.
Das setzt von unserer Seite die Geschicklich¬
keit voraus, die psorisclien von den syphilitischen
und sycotischen Symptomen zu scheiden, was in
der That eine äusserst werthvolle Kenntniss wäre.
Man kann aber wohl sagen, dass alle Männer,
und ebenso Frauen, psorisch sind (? Ref.). Nur
da mag es einige Ausnahmen geben, wo mehrere
Generationen unter streng-homöopathischer Behand-
lung gestanden haben; aber im Durchschnitt sind
wir alle mehr oder weniger psorisch, wohl gar mehr
oder weniger sycotisch und auch syphilitisch. Wer
kann’s wissen?
Andernfalls ist es wahrscheinlich, dass die syco¬
tischen und syphilitischen Symptome auf psorischem
Grunde wurzeln, so d^s w T ir ohne Schaden die
Kur mit einem Antipsoricum beginnen können,
wenn nicht etwa kräftigere Iudicationen für eine
andere Klasse von Mitteln da sind. Manche Mittel
können gleichzeitig die Symptome von zwei jener
Infectionsstoffe (Miasmen nach Hahnemann), einige
wenige sogar alle drei in sich vereinigen.
Schlägt das gewählte Mittel fehl, so müssen
wir das nicht der Mangelhaftigkeit der Materia
medica, oder der mangelhaften Prüfung eines ein¬
zelnen Mittels zuschreiben. Es ist eher zu viel
Materia medica, als zu wenig darin; wir wissen
nur zu wenig davon.
Zum Schluss will ich noch sagen, dass es
ausserordentlich schwer ist, die verschiedenen Regeln
und Vorschriften, die unsere hochedle Heilkunst
regiren, in praktische Ausübung zu bringen. An¬
gesichts concreter Fälle ist es nicht bloss der An¬
fänger, der fehlgreift; nein, dem Erfahrensten wird
es, ohne augenfällige Ursache, so gehen. Indessen,
wenn wir in unserer Kunst ein Ideal haben, das
wir zu erreichen bestrebt sind, so können auch
unsere Fehler und Missgriffe nicht fruchtlos sein,
vorausgesetzt, dass sie uns als Schritt steine (Mal¬
zeichen) dienen zu einer höheren Würdigung von
Hahnemann’s Lehren und zu einer erhöhten Ge¬
schicklichkeit, diesen zu folgen.
(The homoeopathic physician. No. 6. Juni 1895.
Dr. Samuel A. Kimball, Boston.)
M.
Cantharides als ein Haemostaticum
in Haematurie und ihr Gebrauch in Albuminurie.
Im The British Medical Journal vom 17. Sep¬
tember v. J. veröffentlicht Dr. Beven unter obiger
Ueberschrift einen Artikel über Cantharides. In der
Einleitung sagt er: ,,Die günstige Wirkung von
Cantharides bei innerlicher Anwendung auf gewisse
Affectionen der Nieren scheint mir nicht allgemein
bekannt zu sein; deshalb bedarf es keiner Recht¬
fertigung, wenn ich folgenden Fall zur Kenntniss
der Berufsgenossen bringe:
,,Ein 68jähriger Schreiner hat sich immer guter
Gesundheit erfreut bis anfangs August 1897, wo
er eine grosse Quantität Blut neb6t einigen Blut¬
gerinnseln durch die Urethra entleerte, was aber ganz
schmerzlos geschah. Es wurde ihm Bettruhe ver¬
ordnet und Ergotin, wonach auch die Harnblutung
stille stand. Sie kehrte jedoch immer wieder, so¬
bald der Patient sich bewegte. Es wurden nach
einander alle in der Pharmakopoe erwähnten Haemo-
statica — Catecha, Campeche - Holz, Gerbsäure,
Eichenrinde, Alaun, Eisen, Ergotin, Hamamelis etc.—
versucht, aber mit geringem oder gar keinem Er¬
folg. Ende November trat Pat. in eins der Lon¬
doner Krankenhäuser, hier untersuchte ihn ein aus¬
gezeichneter Chirurg, konnte aber weder an der
Blase noch an den Nieren Krankhaftes finden. Wie¬
der wurden Haemostatica angewandt, und als damit
Nichts erreicht wurde, sollte eine Exploration der
Nieren vorgenommen werden, was er aber seines
Alters wegen verweigerte. Fünf Monate lang nahm
er grosse Dosen von den verordneten haemostati-
schen Mitteln, aber sein Zustand ward nach der
Digitized by t^ooQle
69
körperlichen wie geistigen Seite hin verschlimmert
und die Blutung noch vermehrt
In diesem Zustande kam er anfangs Mai in die
Behandlung von Dr. Beven, zehn Monate nach Be¬
ginn der Krankheit. Der Urin zeigte bei mikro¬
skopischer Untersuchung eine Menge Blutkörper¬
chen und einige Epithelien. Weder Vergrösserung
der Nieren, noch irgend welcher Schmerz konnte
durch Palpation entdeckt werden. — Verf. verord-
nete Tinctura Cantharidarum zu 5 Gran, 8 Mal
täglich, und mässige Bewegung. In 24 Stunden
hatte die Blutung aufgehört, und der Urin wurde
klar. Dann wurde das Mittel ausgesetzt, aber nach
Verlauf von zehn Tagen zeigte sich wieder etwas
Blut im Urin, das wieder nach ein paar Dosen
der. Tinctur daraus verschwand. Der Vorsicht
halber sollte er gelegentlich eine Gabe davon
nehmen. Seitdem hat er kein Blut wieder entleert.
Vor 14 Tagen sind die Canthariden ganz bei Seite
gesetzt und nur Eisenpräparate der Anämie wegen
verschrieben worden.
„Die Wirkung der Canthariden,“ sagtDr. Beven,
„war merkwürdig, indem sie in 24 Stunden die
Blutung stillte, wahrend diese unter der gewöhn¬
lichen Haemostaticis in einem Zeitraum von zehn
Monaten nicht nur nicht gewichen, sondern ge¬
steigert worden ist. Die Ruhe hat mit der Hei¬
lung nichts su thun, da der Pat. sich draussen so¬
viel als möglich bewegt hat. — Eine Diagnose
wagte er nicht zu stellen; er schreibt das gute Re¬
sultat auf die tonische Wirkung kleiner Dosen von
Canth. auf die Nieren. Dieses Mittel bewirkt auch
eine sehr auffällige Verminderung des Gehalts von
Eiweiss im Urin bei Personen, die an ,grosser,
weisser 1 Niere leiden, wenn man es in kleinen
Dosen reicht; ob diese Verminderung des Albumen
eine bleibende ist, kann Verf. für jetzt nicht be-
urtheilen. Octavius Beven, Dr. med.“
Die Monthly Homoeopathic Review vom 1. Oct.,
der wir diese famose Heilungsgeschichte entnommen
haben, bemerkt hierzu:
Wenn Dr. Beven behauptet, dass die günstigen
Wirkungen von Cantharis bei innerem Gebrauch
in gewissen Nierenkrankheiten nicht allgemein be¬
kannt zu sein scheint, so hätte er ganz recht, wenn
er gesagt hätte, bei der alten Schule . Wenn er
es aber noch nicht weiss (indessen sicherlich weiss
er es), so können wir ihm versichern, dass Canth.
seit Hahnemann’8 grosser Entdeckung des Aehn-
lichkeitsgesetaes das Hauptmittel in der Behand¬
lung solcher Fälle gewesen ist, wie sie Dr. Beven
beschreibt, sowie auch in der acuten Nephritis. Er
wird dies in Hülle und Fülle in allen homöopathi¬
schen Werken finden, obwohl wir stark vermuthen,
dass seine Kenntniss von solchen Werken grösser
ist, als er zu sagen weiss; und hat er von seiner
erlangten Kenntniss einen guten Gebrauch gemacht.
Er wird auch finden, dass Dr. Ringer’s Handbuch
der Therapie von den therapeutischen Wirkungen
von Canth. in Nephritis, Haematurie und Albumin¬
urie klärlich spricht, wie auch in einem von Ho¬
möopathie so voll gespickten Werke zu erwarten
ist; auch in Dr. L. Brunton’s Pharmacologie wird
er, wenigstens in den drei ersten Auflagen, dieses
Mittel im „Krankheiten-Index“ finden. Man kann
sich kaum wundern über Dr. Beven’s Behauptung,
dass die Heilwirkungen von Canth. in Nierenleiden
nicht allgemein bekannt sind. Diese Behandlungs¬
weise ist thatsächlich so sonnenklar homöopathisch,
dass ihre Annahme zitterige Mitglieder der medi-
cinischen Berufsgenossenschaft natürlich erschrecken
würde. — Wie Jemand die Augen schliessen kann
vor der Thatsache, dass wenn ein Arzneistoff, der
anerkanntermassen Entzündung der Nieren und
Blase hervorhringt nebst Haematurie, in kleinen
Dosen gegeben diese Zustände deutlich heilt, dies
ein vollkommenes Beispiel für das Aehnlichkeits-
gesetz bietet, ist für uns erstaunlich. Zu glauben,
dass man dies nicht klar sehen solle, ist wirklich
schwer. Und was ist absurder, als wenn Dr. Beven
diese bemerkenswerthe Thatsache ignorirt und sagt:
„Der tonischen Wirkung kleiner Dosen von Canth.
schreibe ich diese guten Erfolge zu.“ Das heisst
einfach, den Lesern Sand in die Augen streuen,
in der Absicht, dem ehrlichen und männlichen Ge¬
ständnis zu entgehen, dass hier wenigstens ein
Beispiel vom homöopathischen Gesetz und homöo¬
pathischer Praxis vorliege. Sein Ausspruch ist
lediglich eine zweite Auflage von Dr. Anstie’s
famoser „Erklärung“ im Practionner von der Wir¬
kung von Tropf-Dosen von Ipecacuanha in der
Heilung von Brechübelkeit, was nicht homöopathisch
sei, sondern dafür spreche, Ipec. in diesen kleinen
Dosen sei ein Tonicum für die vasomotorischen
Magennerven. So zu sprechen, ist verächtlich, wo
das grosse therapeutische Gesetz in Frage kommt.
Wir haben fortwährend über Beispiele homöopathi¬
scher Behandlung von Seiten der alten Schule zu
berichten, wie sie in ihren Journalen erscheinen,
sei es ohne Erklärung oder Hinweisung auf die
offenbare Beziehung zwischen Mittel und Krank¬
heit, oder indem man, wie Dr. Beven’s Artikel, den
Ausgangspunkt möglichst verdunkelnd, von diesen
Mitteln in kleinen Dosen als „Tonica“ für das
Organ spricht.
Wann wird solch Ding ein Ende nehmen? Nun,
eines Tages muss es geschehen, und solche Artikel,
wie der von Dr. Beven, deuten auf ein „Morgen¬
grauen“ in der sogen, wissenschaftlichen Medicin. —
Nun noch ein Wort auf die von Dr. Beven an¬
gewandte Dosis. Er gab 5 Minims (Gran oder
Tropfen) der Tinctura Cantharides. Dr. Ringer
Digitized by
Google
70
giebt 1 Minim, und noch kleinere Dosen würden
wohl genügt haben, wie wir Homöopathen wissen.
Indessen die Tbatsache, dass 5 Minims geheilt und
nicht verschlimmert haben, ist ein Beleg dafür, dass
eine homöopathische Dose 1. eine solche von einem
Mittel ist, das zu der Krankheit in einem Aehri-
lichkeitsverhältniss steht, und 2., die kleiner sein
muss, als dass sie die Symptome steigert. Um wie
viel kleiner, das ist Sache der Erfahrung. Wenn
Dr. Beven 5 Minims auch in der Folge immer hilf¬
reich findet, so mag er daran festhalten, es ist
dann ebenso homöopathisch, wie die eine Minim-
Do86 von Dr. Ringer oder die noch kleineren, welche
die homöopathischen Aerzte anzuwenden pflegen.
So lassen wir Dr. Beven sich nicht hinter den Gedanken
flüchten, dass das Verfahren nicht homöopathisch
sei, weil seine Dose nicht infinitesimal sei. Er
giebt schon eine gute Illustration von dem, auf
das wir so oft unsere Freunde von der alten Schule
hinzuweisen haben, dass eine homöopathische Dose
eine solche ist, welche heilt, ohne zu verschlim
mern. (Und doch stossen wir hier und da auch
selbst bei hohen Potenzirungen, also sehr kleinen,
infinitesimalen Gaben auf eine Erstverschlimmerung.
Ref.) —
Zu Ehren des Herausgebers des British Medical
Journal, also eines den Anschauungen der alten
Schule dienenden Blattes, sei es gesagt, dass der¬
selbe einen Brief von dem homöopathischen Arzte
Dr. F. S. Arnold in seinem Blatte aufnahm, worin
dieser die Heilerfolge Dr. Beven’s mit Cantharis
in dem oben geschilderten Sinne als homöopathische
reclamirte. Dr. Mossa.
Signaturenlehre.
III. Allgemeines.
Von E. Schlegel, Arzt in Tübingen.
Um die wenigen vorausgeschickten Beispiele
ganz kurz durch einige allgemeine Ausführungen
zu geleiten, möchte ich heute nur darauf hin-
weisen, dass für die arzneiliche Wirksamkeit ab-
getödteter Lebewesen die plötzliche Unterbrechung
der Lebensvorgänge derselben Voraussetzung ist. Wir
müssen die Theile oder das Ganze so erhalten,
dass die Stoffe und Kräfte, welche zur Lebenszeit
vorhanden waren, möglichst wenig verändert oder
zersetzt zur Aufbewahrung und zur Wirkung ge¬
langen. Das unterbrochene Leben muss in seinen
stofflichen Substraten (potentiell) noch vorhanden
sein. Es fehlt jetzt demselben allerdings der ideale
Mittelpunkt, um welchen die eigenartigen Kräfte
gravitirten; dagegen können diese Kräfte in einem
anderen System, in welches sie eingefülirt werden
wieder zur Wirkung gelangen, gewissermassen neu
auf leben. Der Begriff der Arznei verlangt, dass
die Stoffe und Kräfte nicht ohne Störung in un¬
serem Stoffwechsel aufgehen, wie es bei den Nah¬
rungsmitteln der Fall wäre, sondern dass sie als
Gifte die Lebensziele des menschlichen Organismus
mittelst eigenartiger Wirkungen durchkreuzen und
dadurch Lebenserscheinungen einführen, welche im
Plane unseres Lebenssystems nicht liegen. Man
kann sagen: Das verstorbene Fremdleben fängt an
wieder aufzutreten, weil den Substanzen die Mög¬
lichkeit ihrer specifischen Bewegungen nicht ge¬
nommen wurde; nur ihr Gravitationscentrum im
ursprünglichen Leben ist ihnen abhanden gekommen.
Was bei Vergiftungen und Arzneiprüfungen ge¬
schieht, ist gewissermassen die Herausforderung
des Spuks des getödteten Lebewesens, es ist ein
Hervortreten ungewöhnlicher Naturerscheinungen,
welchem die menschliche, die homöopathisch ärzt¬
liche Absicht den Charakter eines Experiments ver¬
leiht. Die hervorgebrachten Erscheinungen sind
mittelbare Folgen jenes fremden Systems, auf wel¬
ches sie mit naturgesetzlicher Nothwendigkeit zurück¬
zuführen sind. Wenn nun die Kräfte und Stoffe,
w r elche dem abgestorbenen System als Unterlage
dienten, wiederum zugleich Bewegungsursachen im
menschlichen Organismus wurden, so ist schon hier¬
durch ein naturnothwendiger Zusammenhang der
erzielten Störungen und Arzneiwirkungen mit der
Gesammtnatur des erloschenen Lebewesens gegeben,
mit seinen Functionen, seiner den Functionen ent¬
sprechenden Stellung im Naturreich, seiner ent¬
sprechenden Formgestaltung.
Die fremde Lebensform und ihr functioneller
Gehalt tritt mit begründeter Nothwendigkeit in
sinnenfällige Erscheinung; diese Erscheinung kann
durch Vergleich und Schlussfolgerung näher unter¬
sucht werden.
Insofern sich hier verwerthbare Ergebnisse für
die Therapie finden lassen, fassen wir dies alles
unter dem Begriff’ der Siguatur zusammen. Mag
nun dieser Zusammenhang auf der Hand liegen,
d. h. dem einfachsten Naturkinde, dem Wilden, dem
Schäfer, dem originellen Quacksalber sich aufdrängen,
oder mag er nur durch genauere und eindring¬
lichere Beobachtungen zu erkennen sein, so bleibt
doch die Grundidee dieselbe: es gilt stets fremde
Lebenseigenthümliehkeiten zum Ausgleich des ge¬
störten menschlichen Systems heranzuziehen, sie zu
erkennen und zu verwerthen. Je vollkommener
unsere Antheilnahme an dem Leben in der Natur,
wie an ihren zahllosfachen Formen sein wird, um
so mehr werden sich uns die Aehnlichkeiten, ja
die Aehnlichkeitsbeziehungen aufdrängen. Wir Ho¬
möopathen befinden uns hier in einer sehr gün¬
stigen Lage, denn wir können die Siguaturen durch
Digitized by ^»ooQle
die Arzneiprüfung controliren und die’ Ergebnisse
der Arzueiprüfungen wiederum auf ihren Signaturen¬
werth prüfen: Die Arzneimittelprüfungen sind direct
in unsere Lebensvorgänge geschriebene Signaturen,
sind ein wissenschaftliches Zwangsmittel, die Eigen¬
schaften der Arzneikörper zu enthüllen. Dass die
Natur uns auch noch sanftere Wege zum Ver-
ständniss der Wirkung fremder Gebilde auf unseren
Organismus zu eröffnen vermag, wird ihr hoffent¬
lich Niemand übel deuten und warum sollten nicht
beide Wege zusammen betreten und freundschaft¬
lich beschritten werden? Wie die Arzneiprüfung
in oben erwähntem Sinne eine Signatur darstellt,
so auch kann die Signatur angesehen werden als
eine Arzneiprüfung, d. h. die Prüfung auf den
Arzneiwerth und dessen Richtungen, angestellt durch
allgemein biologische Weltbetrachtung auf Grund
genauerer Kenntnisse der Lebewesen. — Ich habe
nun einige wenige Beispiele veröffentlicht, weil so¬
eben die Hahnemann’schen Arzneiprüfungen mit
neuem Interesse allseitig aufgenommen wurden und
mir daran liegt, dass die opfervolle Arbeit der
Collegen nicht in unfruchtbarem Skepticismus und
in ewiger Nachtreterei der Spuren einiger bekannten
Mittel sich erschöpfe. Winken uns doch so viele
Formen in der Natur, die einen höheren, einen
originelleren Lohn für unsere Arbeit verheissen!
Nun noch einige wenige Worte über die Stel¬
lung der unbelebten Naturkörper zur Signaturen¬
frage. Auch hier heisst es: ,,Die Geisterwelt ist
nicht verschlossen; dein Sinn ist zu, dein Herz ist
todt.“ Ich will aber die Frage nur in Bezug auf
die obige Auslassung, betreffend die Eigenbewegun¬
gen der Arzneikörper als früherer Lebenssysteine
kurz ins Auge fassen, denn man könnte irriger¬
weise annehmen, dass unter obigen Voraussetzun¬
gen die anorganischen Arzneikörper in ihren an¬
erkannt starken Wirkungen unverständlich bleiben
müssen. Im Gegentheil: auch die dem Lebens¬
reiche nicht entnommenen Stoffe können wir uns
nur vorstellen als Träger von Bewegungsursachen
oder Kräften, welche ebenso einführbar sind in das
Lebenssystem des menschlichen Organismus. Sie
haben den Vorzug, einen idealen Mittelpunkt, dem
sie vorher dienten, nicht erst (durch Abtödtung)
aufgeben zu müssen, sondern sie können mit ihren
charakteristischen Bewegungen ohne Weiteres in
unser System eintreten, sofern sie löslich gemacht
oder hinreichend stofflich rareficirt sind. Jedes
Lebewesen hält seine Integrität nur aufrecht, in¬
dem äussere Stoffe in seine Kreise eintreten und
andere wieder ausgeschieden werden; die unbe¬
lebten Körper kennen diesen Stoffwechsel nicht, sie
gehören keinem System an, wo sie genöthigt sind,
um einen idealen Schwerpunkt zu kreisen; sie voll¬
führen nur ihren eigenen Gang, der denknoth-
I
i
i
wendig mit ihrer Existenz verbunden ist. Diese
hohe Beständigkeit ihrer Kraft macht sie zu einem
ewig gleichgestellten peipetuura mobile, als welches
jedes Atom oder Molekel aufzufassen ist. Wenn
wir nun diese gleichförmige Unruhe auch als eine
Art Leben ansehen und bezeichnen wollen, so kann
uns keine gegründete Erwägung hiervon abhalten.
Es ist ein egoistisches, ganz gleichförmiges Leben,
welches die anorganischen Körper durch lange Zeit¬
räume festhalten; aber sie scheinen sich davon doch
nicht völlig befriedigt zu fühlen, es scheint in ihnen
ein Drang zur Befreiung, zur Antheilnahme an
höheren Daseinsformen zu wohnen. Nur so ist es
verständlich, dass völlig gesättigte Verbindungen,
oftmals von hoher Beständigkeit, wie z. B. Kiesel¬
säure, schwefelsaure Salze, Fluorverbindungen, oder
Elemente wie Eisen, so leicht in organisches Leben
eingelien; viele dieser Körper ermöglichen ja erst
das organische, das animalische Leben. Auch Me¬
talle, die im Organismus gar nichts zu suchen
haben, nehmen Antheil an seinen Lebensbewegun¬
gen, stören, schädigen, tödten und heilen ihn, je
nach Umständen. Leben, als dauernde Ursache von
eigenartigen Bewegungen , kommt also auch den an¬
organischen Körpern zu und in der Bethätigung
der besonderen Bewegungen liegt auch für sie die
Möglichkeit, Arzneien zu sein.
Berlin, im Februar 1899.
Petition
betreffe der ärztlichen Ehrengerichte.
An die vereinigten Häuser des preussi-
schen Landtags.
Einem hohen Landtag beehrt sich Unterzeich¬
neter Verein folgende Ausführungen zur wohl¬
wollenden Berücksichtigung gehorsamst zu über¬
reichen.
In der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses
vom 4. Febr. hatte der Abgeordnete Herr von Wer-
deck die Aufmerksamkeit des Hauses bereits auf
die Lage der homöopathischen Aerzte zu lenken
versucht. Denselben ist es bisher nicht möglich
gewesen, ihre Wünsche betreffs Ausgestaltung des
Gesetzes vorzubringen, da sie in den Aerztekam-
mern nicht vertreten sind.
Der § 3 des Gesetzes bestimmt, dass der Recht¬
sprechung des Ehrengerichts unterliegen:
1. Verstösse gegen die ärztliche Standesehre
und
2, gegen das Verhalten, welches der Beruf
des Arztes erfordert.
Diese Begriffe werden erläutert durch die Be¬
stimmung der Begründungen.
Digitized by
n
„Politische, wissenschaftliche und religiöse
Ansichten des Arztes können als solche
niemals den Gegenstand eines ehrengericht¬
lichen Verfahrens bilden.“
Nach § 14 ist ein Arzt straffällig, „der die
Pflichten seines Berufes verletzt oder sich durch
sein Verhalten der Achtung und des Vertrauens
unwürdig zeigt, welche der ärztliche Beruf er¬
fordert.“
Als einzige Erläuterung steht in den Begrün¬
dungen wieder die Notiz, wie über § 3: „der Be¬
griff* der Standesehre würde sich durch die Praxis
allmählich entwickeln.“
Die Dehnbarkeit der in diesem Paragraphen
enthaltenen Begriffe schliesst eine grosse Gefahr
für diejenigen ein, welche nicht auf dem Boden
der Schulmedicin stehen, wie später begründet
werden wird.
Nach den Angaben des Gesetzes sind die Be¬
stimmungen aus der Anwaltsordnung herübergenom¬
men. Zwischen Rechts- und Heil Wissenschaft ist
aber ein tiefgreifender Unterschied vorhanden.
Innerhalb der Medicin sind wissenschaftliche
Gegensätze vorhanden, die oft sehr scharf auf-
einanderstossen. Besonders ist die Homöopathie ein
Zweig der Medicin, der, in den 100 Jahren seines
Bestehens unverändert in seinen Grundsätzen ira
Volke gewaltig verbreitet, immer von Seiten der
jeweilig herrschenden Lehre der Schule in die
schärfste Gegnerschaft gedrängt worden ist.
Jeglicher Staatsunterstützung baar, ohne Lehr¬
stühle, Krankenhäuser und wissenschaftliche Unter¬
richtsanstalten, haben die homöopathischen Aerzte,
nur von Fall zu Fall durch ihre Heilerfolge sich
den Boden ihrer Thätigkeit sichernd, naturgemäss
die staatlich unterstützte Schulmedicin zu ihrer
bittersten Feindin gemacht und sind oft genöthigt
worden, ihren Standpunkt scharf zu betonen.
Da ist es natürlich, dass der homöopathische
Arzt, der nicht nur Arzt, sondern Forscher, Vor¬
kämpfer, Verbreiter seiner Lehre sein muss, bis¬
weilen den in Aussicht genommenen Richtern Vor¬
wände bieten wird, um auf Grund der dehnbaren
Gesetzesbestimmungen die ihnen unbequeme Thä¬
tigkeit unter dem Vorwände der Verletzung der
Standesehre lahm zu legen.
Wenn z. B. der homöopathische Arzt in einem
Laienverein Arzneiprüfungen an gesunden Menschen
veranstaltet, die bekanntlich ihm zur Erforschung
dei; Kräfte der Arzneien dienen, so wird es leicht
sein, in dem Streben, seine wissenschaftlichen Er¬
fahrungen auszugestalten, nur einen gemeinen Pa¬
tientenfang zu erblicken.
Es ist unmöglich, hier in Kürze den tiefgrei¬
fenden Unterschied zu schildern, der in hundert¬
jähriger Entwickelung sich zwischen herrschender
Schule und Homöopathie gebildet hat, erklärlich
aber daraus das Verlangen der homöopathischen
Aerzte, nicht von ihnen feindlich gegenüberstehen¬
den Richtern gerichtet zu werden, wenn auch nach
dem Wortlaute der Begründung des Gesetzes wis¬
senschaftliche Ueberzeugungen niemals Gegenstand
ehrengerichtlicher Verhandlungen sein sollen.
Wer die Geschichte der Medicin der letzten
100 Jahre kennt, weiss, mit welchen Mitteln der
Hass der Berufsgenossen die homöopathischen Aerzte
verfolgt hat.
Aus der erdrückenden Fülle des Materials seien
nur einige Ereignisse des letzten Jahres vorgeführt.
Die „Medicinische Reform“, das Organ der so¬
genannten freien Aerztewahl, brachte zu Anfang
des Jahres, gelegentlich der Consultation einer
hiesigen Autorität für innere Medicin mit einem
homöopathischen Arzte bei der Erkrankung einer
hochgestellten Persönlichkeit, einen Artikel gegen
die Homöopathie, der von Unwissenheit bezüglich
der wissenschaftlichen Lehren derselben und Be¬
schuldigungen ihrer ärztlichen Vertreter strotzte,
für die ein Ausdruck schwer zu finden ist.
Bezeichnend war der Beginn, *in dem den
homöopathischen Aerzten vorgeworfen wurde, sie
wendeten sich ihrer Lehre nur des erleichterten
Erwerbes wegen zu.
Der Artikel endete in dein Ersuchen, dass kein
Schulmedicin er mit einem homöopathischen Arzte
consultiren dürfe.
Das Blatt geht allen Aerzten Berlins zu, keiner
widersprach.
In einem von dem Gustav-Adolf-Verein in Kiel
veranstalteten Vortrage behauptete ein Professor
der Kieler Universität, „für die homöopathischen
Aerzte fehle ein parlamentarischer Ausdruck“.
In einer Mittelstadt der Mark erschien vor
einigen Wochen der Specialarzt der Chirurgie bei
dem dortigen homöopathischen Arzte, mit dem er
Jahre lang consultirt hatte, um ihm bedauernd mit-
zutheilen, dass vom 1. Januar 1899 ein Beschluss
gefasst wäre, dass kein Mitglied des dortigen Aerzte-
Vereins mit einem Nicht-Mitglied consultiren dürfe.
Zugleich war von demselben Termin an ein be¬
schränkender Passus in das Statut aufgenommen,
der den Eintritt des homöopathischen Arztes in den
Verein unmöglich machte.
Und dieses Vorgehen, welches an unlauteren
Wettbewerb erinnert, in demselben Jahr, in dem
das neue Gesetz eingeführt werden soll!
Fast überall sind die homöopathischen Aerzte
von den Vereinen ausgeschlossen. Fast kein allo¬
pathischer Arzt consultirt mit einem homöopathischen.
Und diese erbitterten Feinde sollen plötzlich in
unparteiische Richter umgewandelt werden!
Für sie genügt es, wenn ein Arzt sich für einen
Digitized by t^ooQle
73
Anhänger der homöopathischen Heilmethode aus*
giebt, um denselben in Acht und Bann zu thun,
ohne Rücksicht, ob derselbe sonst ein einwands¬
freier Ehrenmann ist oder nicht.
Die homöopathischen Aerzte stimmen an sich
einem solchen Gesetze freudig zu, weil sie darin
eine Handhabe erblicken, sich gegen die Ueber-
griffe und Verunglimpfungen von Seiten ihrer Geg¬
ner nachdrücklicher als bisher schützen zu können.
Sie würden eine Erfüllung ihrer Hoffnungen aber
nur darin erblicken, dass
1. die Bestimmung der Motive zu § 3, „dass
politische, wissenschaftliche und religiöse
Ansichten und Handlungen unter Aerzten
niemals den Gegenstand eines ehrengericht¬
lichen Verfahrens bilden können,“ in das
Gesetz selbst aufgenommen werden,
2. dass der § 6 folgenden Zusatz erhält: „Bei
einem Verfahren gegen einen ausserhalb
der Schulmedicin stehenden Arzt muss auf
dessen Antrag statt eines der drei gewähl¬
ten Mitglieder der Aerztekammer ein sei¬
ner Richtung angehöriger Arzt durch den
Oberpräsidenten ernannt werden.“ I
Der Verein preussischer selbstdispensirender
homöopathischer Aerzte.
I. A.: i
Dr. Windelband, Dr. Kleinschmidt,
Vorsitzender. Schriftführer,
S.W., Fiicdrichstr. 221.
Vorstehendes spricht für sich. Wenn es hier !
den Herren Collegen mitgetheilt wird, so geschieht j
es aus dem einzigen Grunde, wieder darauf hin¬
zuweisen, wie nothwendig es ist, wenn auch nicht
aus idealen Gründen, so doch aus den allerpersön¬
lichsten eng zusammenzuhalten, damit nicht die
zerfallenen Atome des Ganzen einzeln bequem
verspeist werden.
Wir bringen Vorstehendes hier zum Abdruck,
wogegen wir einen grossen Theil der Polemik, die
wir hier geführt haben, bisher für uns behalten
haben, um zu zeigen, wie bereitwillig hier in Berlin
der Schutz für die Collegen besorgt wird, an die
aber auch die dringende Bitte ergeht, durch Bei¬
tritt in den Central verein und Betheiligung an den
gemeinsamen Bestrebungen uns unsern freudigen
Arbeitsmuth hier zu erhalten, damit nicht diejenigen,
die so freudig für das Ganze einstehen, die Lust
verlieren, für Theilnahmslose zu arbeiten und die
Einzelnen dann bitter das Fehlen des Dammes ver¬
missen, der sie bisher schützte.
Die Collegen werden sich vielleicht über die |
Wärme, die diese Zeilen auszeichnet, wundern.
Allein, wenn Sie bedenken, dass vor 14 Tagen
College Giscvius sen. im Berliner Verein zuerst j
die Aufmerksamkeit auf die Ehrengerichtsangelegen¬
heit lenkte, dann 4 Tage später im Lauf eines
Tages Herrn von Werdeck zu seiner Anfrage Ma¬
terial geschafft werden musste, wie dann in 2 Tagen
vorliegende Petition geschrieben, durchberathen und
redigirt werden musste und in 3 Tagen das um¬
fangreiche schwer zu beschaffende Material für die
Commissionsberathung herbeigebracht, die einzelnen
Abgeordneten bearbeitet werden mussten, der wird
verstehen, welch eine Unsumme von Arbeit und
Geld aufgeboten werden muss, wenn dazu die Vor¬
bereitungen für unsere Frühjahrkurse, die Prüfungen
im Aerzte- und Laienverein, der Betrieb unserer
Poliklinik, die persönlichen und redactionellen Ar¬
beiten für unsere fröhlich fortschreitende Materia
medica kommen in einer Zeit, wo die Privatpraxis
am meisten drängt, der wird verstehen, wenn die
Bitte laut wird an die Collegen, die für unsere
grosse Sache etwas zu arbeiten im Ganzen bisher
sich ablehnend verhielten, „Thut mit!“
Der vorliegenden Angelegenheit aber, die nach
guten Informationen für uns eine schwere Gefahr
bedeutet, wünschen wir eine glückliche Fahrt.
Dr. Gisevius jun.
Wirkung von Aiumina auf die Stimmorgane.
Aus einer Vorlesung von Prof. J. Kent (Journal
of Homoeopathica. März 1898).
Aiumina hat Heiserkeit und Verlust der Stimme,
sowie Schwäche des Kehlkopfs. Das ist nichts
Auffälliges, sondern entspricht dem allgemeinen
Charakter dieses Mittels, der zusammengebrochenen
Constitution. Die Stimme ist schwach, und wenn
es einen Sänger betrifft, so ist dieser nur im Stande,
eine kurze Zeit zu singen, kann mit seiner Stimme
nur Geringes leisten. Es besteht ein paralytischer
Zustand der Stimmbänder, welcher den Stimm -
! mangel stetig vermehrt. Es ist ein Gefühl von
j Scharren im Kehlkopf, wie es auch bei Sängern
j vorkommt. Wir werden an Aiumina denken, wenn
i bei diesen die Stimme abbricht in Folge von
| Lähmung oder Ueberanstrengung. Die Stimme
lässt nach und wird schwach, und tritt eine Er¬
kältung hinzu, so macht sich eine besondere Art
von Scharren bemerkbar.
Arg. met. war bei den früheren Homöopathen
das Mittel, dessen sie sich bei Sängern und Red¬
nern mit vielem Zittern und Nachlassen der Stimme
bedienten, ehe man den Werth von Aiumina in
diesem Zustande kennen lernte. Hier ist Gelegen¬
heit ein Wort von Rhus zu sagen. Manche alte
Sänger bekommen nach Erkältung eine Schwäche
in der Stimme, die sie erst bemerken, wenn sie
wieder zu singen anfangen. Dann ist ihre Stimme
10
Digitized by ^»ooQie
74
schwach und rauh; nach einer Weile aber, wenn j
sie „warm werden, u klärt sie sich wieder. Allen •
Patienten dieser Art, Primadonnen, Advokaten,
Predigern etc, gebe man Rhus. In einem warmen
Zimmer und bei längerem Singen oder Sprechen !
(also bei Bewegung der Stimmmuskeln) ist die
Stimme besser, was ja dem allgemeinen Charakter
von Rhus entspricht. — Es giebt eine Art von !
Heiserkeit, die sich von der paralytischen Heiser¬
keit von Alumina und Arg. met. wenig zu unter¬
scheiden scheint, die auch bei Sängern und Red- i
nern vorkommt; wenn sie die Stimme zu gebrau- 1
eben anfangen, müssen sie erst durch Räuspern
und Raspeln, wie es scheint, etwas Schleim los- |
machen und die Kehle klären, bis die Stimme in
Gang kommen kann. Die Stimmbänder sind an¬
fangs mit Schleim bedeckt, und sind sie davon
befreit, so functioniren sie ganz gut. Hier ist
Phosjdiorus angezeigt. In solchen Fällen wird die
Stimme bei längerem Gebrauch schmerzhaft; die
Stimmbänder schmerzen nach Bewegung, und die
Stimmritze ist bei Berührung empfindlich. Mit¬
unter ist dies so stark ausgesprochen, dass Pat.,
wenn er die Stimme zu gebrauchen versucht, die
Empfindung hat, als ob die Stelle wie mit einem
Messer verwundet werde. So müssen wir bei
Heiserkeit aufs schärfste individualisiren. Die Ho¬
möopathie erfordert eine feine Unterscheidung.
M.
Eine Phytolacca-Skizze.
Von Prof. Thomas C. Dunham-Chicago.
Phytolacca ist ein wunderliches Mittel: Haupt¬
sächlich zuerst in Halsentzündungen gebraucht,
spielt es jetzt bei der Entfettung eine Rolle. Wie
es bei letzterer wirkt, ist noch ein zu lösendes
Problem. Um Fettablagerung zu verringern, ist
angezcigt entweder Beschränkung der Nahrung
wie beim Bantingsystem oder Vermehrung der Aus¬
scheidungen. Phytolacca wirkt 1., indem es den
Appetit herabsetzt, und 2., indem es die Urinaus¬
scheidung vermehrt. — Wird es zur Nacht ge- ;
gegeben, so muss Pat. I oder 2 Mal Nachts zum |
Uriniren aufstehen. Das System des Sympathicus
wird gereizt und dies mag in manchen Fällen zur
Heilung beitragen. |
Die Phytolacca wuchert gern auf fettem, d. h. j
stickstoffreichem Boden. Sie ist eine Zwiebel- |
wurzel, die viel aus dem Boden aufnimmt. Neu- i
land, das viel Kali enthält, befördert sein Wachs- j
thum ganz besonders. Die Wurzel soll viel Kali
(Kali hydrojod. oder Kali carbon.?) enthalten. Die |
Gemüthssymptome entsprechen denen Kalis. Phy* i
tolacca ist ein langsamwirkender Arzneikörper, wie !
Kali bei Fettleibigen. Sie hat Schwindel bei Be¬
wegung. Die Muskeln sind empfindlich und schwach.
Die Schlingmuskeln sind in ihrer Thätigkeit ge¬
hemmt, so dass das Gefühl von einem Pflock im
Halse (sowie im Rectum) erscheint. Im Munde ist
ein metallischer Geschmack, auf eine träge Leber
hinweisend. Die Verdauung liegt darnieder, die
Peristaltik stockt. Dagegen besteht ein heftiger
Reiz zum Uriniren; besonders bei Nacht geht viel
Urin ab. Dieser ist nicht blass, wässerig, nervös,
sondern eher albuminös, hat ein kalkartiges Sedi¬
ment; oder der Urin ist roth und lässt einen dun-
kelrothen Fleck im Geschirre. Mancher Pat. muss
den Gebrauch des Mittels aufgeben wegen Muskel¬
schmerzen, besonders aber wegen beunruhigender
Cardialgie, namentlich Fettsüchtige mit hyper¬
trophischem Herzen. Deshalb sei man bei seinem
Gebrauche vorsichtig.
Wie Mercur. afficirt Phytol. den Rücken und
die Leber und wie Kali — die Drüsen, zumal die
Brustdrüsen. Sie reducirt die hypertrophische, ver¬
härtete Drüse durch regressive Metamorphose, durch
Resorption des Gewebes, nicht durch fettigen Zerfall wie
Phosphor. Phyt. absorbirt das Fett und das fibröse
Gewebe und dann scheint es die Muskelfaser an¬
zugreifen, und so erklärt sich die Myalgie aus
Schwäche oder vielmehr aus Muskelverkümmerung.
Dies erklärt auch die allgemeinen Muskelschmerzen
und Stiche, den sogenannten Muskelrheumatismus,
die man bei dem Phytolacca-Kranken findet; der
Patient will gern stille liegen , hat Abneigung gegen
Bewegung . Er ist träge, weil ihm die Bewegung
wehe thut. Dies ist eine secundäre Wirkung.
Für die üblen Wirkungen von Phytolacca sind
als Antidote von den Nutritienta Milch und Salz,
von Arzneimitteln Bell., Coffea (Erbrechen), Igna-
tia , Mercur., Mezereum, Sulphur. (Augensymptome)
und Opium (in starker Dosis) zu nennen.
Zu vergleichende Mittel sind nach Hering: Cam-
pher, Arsen., Arum, Iris, Guajac., Kali biclirom.,
Kali jod., Rhus und Ipec.
(The homoeopathic Recorder. 15. Sept. 1898.)
Die Chlorose in ihren Beziehungen
zu den Verdauungsorganen.
Referat nach Prof. K. v. Noorden.*)
Verdauungsbeschwerden gehören zu den ge¬
wöhnlichsten und regelmässigsten Störungen im Ver¬
laufe der Chlorose; bildet doch die mangelhafte
Nahrungszufuhr eines der ätiologischen Momente
dieser Erkrankung, wobei es nicht auf die socialen
*) Nothnagel’s Handbuch: „Die Bleichsucht.“
Digitized by k^ooQle
75
Missstände allein ankomml, da auch in den best-
situirten Kreisen Chlorose erscheint, weil eben eine
unzweckmässige Auswahl der Speisen und Anord¬
nung der Mahlzeiten das krankhafte Agens bildet.
Nach den Theorieen von Bouchard und Couturier
ist die Chlorose häufig bedingt durch vorausgehende
Magenerweiterung, die einerseits Störungen der Er¬
nährung, andererseits abnorme Zersetzungen, Gift-
production und Giftresorption veranlasst.
Nach Clark, Duos und Nothnagel ist die
letzte Ursache der Chlorose die Stuhlverstopfung;
hierdurch kommt es zu abnormer intestinaler Eiweiss-
fäulniss, zu Resorption von Giften, die theils auf
die Blutbildung hemmend, theils auf die Blutzer¬
störung fördernd einwirken. Forchheimer dedu-
cirt seine Theorie folgendermassen: Das Hämoglobin
wird in der Darmschleimhaut gebildet; Chlorose
muss zu Stande kommen, wenn dieser Process ge¬
stört ist. Dass dies bei der Chlorose der Fall sei,
beweist ein im Harn von F. aufgefundener, an¬
scheinend den Albumosen angehöriger Eiweisskörper,
der aus der Darmwand stammen soll, und zwar
von Eiweisssubstanzen, die zur Bildung des Hämo¬
globins nöthig sind. Aus irgend einem Grunde
kommt es nicht zur Synthese dieses Körpers und
des Hämatins und die Folge ist Chlorose. Noch
eine wichtige Theorie gehört in dieses Capitel, die
von Meinert. Die anatomische Vorbedingung der
Chlorose ist die durch das Corset erzeugte Gast-
roptose. Aus ihr ergiebt sich zunächst eine ge¬
steigerte Erregbarkeit der gezerrten Geflechte des
Bauchsympaticus. Kommen gewisse Gelegenheits¬
ursachen hinzu, so löst das durch die Gastroptose
und ihre Folgen vorbereitete Nervensystem die Anä¬
mie aus. Dass nervöse Einflüsse Anämie bedingen,
wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Alles in
Allem sagt Meinert: Die Chlorose ist eine Neu¬
rose; der Boden für letztere ist hier die Gastroptose.
Ebenso, möglich noch schärfer, spricht sich Boudu
aus.
Die subjectiven Störungen in der Verdauungs¬
sphäre der Chlorotischen haben mannigfache Bilder.
Bezüglich der Esslust tritt eine gewisse Launen¬
haftigkeit zu Tage. Viele Chlorotische werden ge¬
radezu appetitlos und magern w r egen allzu geringer
Nahrungszufuhr ab. Es handelt sich weniger um
wirkliche Appetitlosigkeit, als um Widerwillen gegen
die gewohnte, gleichförmige eintönige Beköstigung.
Die Kranken klagen ferner über allerlei lästige
Empfindungen in der Verdauungsperiode, die Furcht
vor reichlicherer Nahrungszufuhr erwecken. Dahin
gehören ein unbestimmtes Wehgefühl und Druck
in der Magengegend, Rippenschmerz, Auftreibung
des Leibes nach dem Essen, Aufstossen und Sod¬
brennen. In anderen Fällen sind es mehr Klagen
über leichte Kurzathmigkeit, Herzklopfen. Schwindel,
die sich nach dem Essen steigern. Diese Symp¬
tome können natürlich auch vollkommen fehlen; im
Gegentheil ist das Fettwerden Chlorotischen bekannt.
Aber die Abneigung gegen bestimmte Nahrungs¬
mittel, namentlich Fleischnahrung, ferner Perversi¬
täten des Geschmacks werden selten vermisst, als
z. B. Sucht nach starken Säuren, Essig, Citronen-
saft, oder Alkalien, Kreide, Kalk, kohlensaures
| Natron. Die Stuhlträgheit ist gleichfalls ein über-
1 aus häufiges Symptom der Chlorose.
Die einzelnen subjectiven Beschwerden betreffend
sind die Schmerzen in der Magengegend die quä-
| lendsten. Sie äussern sich als besondere Druck¬
empfindlichkeitunter dem Proc.xiph., die jedoch keine
diagnostische Bedeutung haben, weil sie sonst auch bei
nervösen Menschen Vorkommen. Die Druckempfind¬
lichkeit und Schmerzen in der ganzen Ausdehnung
des Magens, nach dem Essen stärker als nüchtern,
basirt auf Hyperästhesie der Magennerven, Schmer¬
zen nach den Mahlzeiten durch Hyperästhesie, Hyper-
| chlorhydrie, event. durch Ulcus ventriculi hervor-
I gerufen. Ruhiges Verhalten nach dem Essen, ins-
I besondere Rückenlage pflegt die Schmerzen zu
! verringern.
Ueberaus häufig sind Krampfschmerzen, sog.
! Cardialgieen, welche meist mit Erbrechen endigen.
| Sie beruhen auf krampfhafter Contraction der glatten
I Magenmusculatur, auf Pylorusverschluss und echtem
| Magenkrampf und sind oft mit Ulcus oder Atonie
vergesellschaftet. Lage- und Gestaltveränderungen
j des Magens täuschen desgleichen Cardialgieen vor.
! Oft sitzen die Schmerzen eigentlich im Quercolon.
Die Ursachen der Cardialgieen lassen sich schwer
bestimmen.
Gar nicht selten ist eine Empfindlichkeit am
linken Rippenbogenrande bei Chlorotischen, die sich
auf starken Corsetdruck zurückführen lässt. Es
pflegt ja sogar zu Periostitis zu kommen; bei Mäd¬
chen, die kein Corset tragen, fehlt der Schmerz.
Erwiesenermassen handelt es sich bei vielen
Chlorotischen um rein „nervöse Dyspepsie,“ die
sich natürlich erst nach vollkommener Ausschliessung
jedes anderen pathologischen Momentes diagnosti-
ciren lässt. Der Säurehunger wurde von Rosen-
bach als auf Salzsäuremangel basirend gedeutet
was aber durch öftere, gründlichere Prüfung des
Mageninhalts durch Noorden nicht bestätigt wer¬
den konnte, indem sich nicht nur normale, sondern
sogar hohe Salzsäurewerthe fanden (0.28—0.37°/,,).
| Wie bereits erwähnt, ist das Tragen des Corsets
einer der Hauptfactoren zum Zustandekommen der
Chlorose, nach Rosenbach dadurch, dass damit
! ein Athmungshinderniss entsteht, das ungenügende
Sauerstoffzufuhr, Hämoglobinzerfall und Anämie ver¬
anlasst; ferner indem durch Zusammendrücken des
Magens die Aufnahme ausreichender Nahrung be-
lo*
Digitized by L^OOQle
76
hindert ist. Viel plausibler aber erscheinen die Be¬
merkungen Meinert's, der dem Corset das Zustande¬
kommen der Enteroptose (Glönard), resp. der Magen¬
verschiebung zuschreibt, wodurch Zerrung und Rei¬
zung des sympathischen Geflechts, besondeis des
Plexus solaris und Einfluss auf die Blutvertheilung
und Hämoglobinbildung in der Milz entsteht. Die
Ansichten Mcinert’s fanden jedoch Mangels stetigen
Einklangs zwischen Enteroptose und Chlorose nicht
allgemeine Anerkennung.
Nicht minder übertrieben sind die Ansichten,
namentlich französischer Autoren (Bouchard, Con-
turier, Hayem), ferner Neusser’s und Pick’s
über die Magenatonie und Dilatation bei Chlorose,
weil vieles als Atonie oder Dilatation bezeichnet
wurde, was noch lange nicht diese Namen verdient.
Ausschlaggebend ist nur, ob der Magen den Speise¬
brei innerhalb derjenigen Zeit entleert, welche als
normal zu betrachten ist.
Bei Chlorose tritt nach Noorden im Gegen-
theile die motorische Insufflcienz des Magens höchst
selten auf.
Von grosser Bedeutung ist die Thatsache, dass
die mit Manassein’s Thierversuchen allgemein an¬
genommene Ansicht von Darniederliegen der Salz¬
säure-Production im Magen bei Chlorose nicht richtig
sei, so dass die kritiklose Ordination von Salzsäure
ihren Werth verliert. Auch die Superacidität, die
sehr häufig ist, gehört nicht zu den immer wieder¬
kehrenden Attributen der Chlorose. Man ist bis¬
her über diesen Punkt noch im Unklaren.
Die Stuhlträgheit als Krankheitsursache der
Bleichsucht hinzustellen, geht gleichfalls nicht an,
weil sich habituelle Obstipationen überaus häufig
antreffen lassen, ohne eine Spur von Chlorose. Die
Grundidee einer intestinalen Autointoxication fand
sich in zahlreichen chemischen Untersuchungen nicht
bestätigt.
Die Untersuchungen über die Nahrungsresorption
haben bisher noch zu keinem abschliessenden Ur- i
theil geführt. !
Was endlich die Milz betrifft, galt sie früher 1
bei Chlorose als intact, während neuere Arbeiten i
von der Vergrösserung des Organs berichten, an¬
geblich wegen der lebhaften Regenerationsvorgänge j
im Blute Chlorotischer (Ch vostek). Es bleibt dahin- j
gestellt, ob nicht in manchen Fällen der Milzpol j
wegen Herabgesunkenseins des Organs zu tasten
ist, denn echter Milztumor kommt nur selten vor
(bei schwerer chlorotischer Anämie).
Die Therapie der Verdauungsstörung bei Chlorose
ist eine diätetisch-hygienische. Es handelt sich
darum, regelmässige und häufige Mahlzeiten anzu¬
ordnen, etwa:
um 8 Uhr erstes Frühstück,
„ 10 7* „ zweites Frühstück,
um 1 Uhr Mittagessen,
„ 4 i / 2 „ Vesperimbiss,
r 7 1 /.»—8 Uhr Abendessen.
Grosses Gewicht wurde auf hohen Eiweissgehalt
der Gesammtnahruug gelegt, gleichzeitig, ob man
es mit mageren, gutgenährten oder fettleibigen
Chlorotischen zu thun hat. Es sind durchschnitt¬
lich 100 Gramm Eiweiss pro Tag als Minimum zu
verlangen, bei fettleibigen Chlorotischen ist eine
höhere Summe, etwa 120—140 Gramm als Tages¬
quantum einzustellen. Gelingt es nicht mit den ge¬
wöhnlichen Speisen auf die gewünschte Höhe zu
kommen, so werden die eiweissreichen Nährpräparate
zur Aushilfe genommen: Somatose, Nutrose, Pro¬
togen, Eucasin. Man soll schon in der Frühe mit
eiweissreicher Kost beginnen, ausgiebig Fleisch in
irgend einer Form (circa 50 bis 100 Gramm), etwas
geröstetes Brod oder Zwieback, Butter, Thee oder
Kaffee mit Milch und Zucker. Das Uebermass an
Milch ist nicht zu gestatten, weil dieselbe den
Magen unnützerweise überlastet; es genügt J / 9 bis
s / 4 Liter. Nicht minder ist dem reichlichen Alkohol¬
genuss (Rothwcin) bei Chlorose entgegenzuarbeiten.
Als Stimulans ist er meist entbehrlich, aber bei
mageren Personen mag er als Sparmittel empfohlen
werden. Ungerechterweise werden die frischen Vege-
tabilien aus dem Küchenzettel der Chlorotischen ge¬
strichen, weil sie, entsprechend zubereitet, treffliche
Dienste leisten, vorausgesetzt, dass keine Magen¬
läsion vorliegt. Man reiche grünes Gemüse mit Butter,
Obst, ob roh oder gekocht, aber lieber letzteres.
Die Diäteintheilung der Chlorotischen sei fol¬
gende:
1. Frühstück. Fleischreiche Mahlzeit. Danach
7a bis 1 Stunde Ruhe.
2. Zweites Frühstück . 1 bis 2 Eier, Toast, Zwie¬
back mit Butter. 8 4 Liter Milch oder Milch mit
Rahm, daneben event. etwas Cognac, Kirschwasser,
ein kleines Glas Sherry, Madeira etc.
3. Mittagessen . Zuvor 1 / 2 Stunde Ruhe. Reich¬
licher Fleischgenuss, frisches Gemüse. Die Suppe
kann gestrichen werden. Getränke am Ende der
Mahlzeit, Wasser oder Wasser mit Wein. Darauf
8 4 bis 1 Stunde Ruhe.
4. Vesperimbiss. Gekochtes oder rohes Obst mit
Weissbrod. Zwieback, Theegebäck, oder: eine kleine
Tasse Thee, Cacao mit Toast, Zwieback, Butter;
auch Honig und Fruchtgelee sind zu gestatten;
*/ 4 Liter Milch.
5. Abendessen soll einfach und reizlos sein.
Dicke Suppe oder ein Brei mit Fleischbrühe und
Butter, oder Milch und Butter; leichte Mehlspeisen,
gekochtes Obst, weiche Käse, kaltes Fleisch u. a.
Oder Eier, Fische. Noch später event. auch 1 / 8 Liter
Milch, Kefir; 1 / 2 Flasche Bier.
Digitized by u»ooQie
77
Um 10 Uhr sollen Chlorotische zu Bett gehen. J
Bei abnormer Magerkeit bedarf es einer systemati¬
schen Fütterung. Die Nahrung muss so gewählt |
werden, dass der Magen nicht stark belastet wird;
sie muss also kleines Volumen mit hohem Nähr¬
werth vereinen. Rahm, Butter, Sesamöl, Leber-
thran. 100 bis 110 Gramm Eisweiss, Kohlehydrate
und Gemüse, die Zahl der Mahlzeiten ist zu ver¬
mehren, der Alkohol ist hier sehr wichtig.
Bei Neigung zur Fettsucht und Wasserretention
sorge man dafür, den Körper zu entwässern, wasser¬
beschränkende Diät und Schwitzkuren, Oertel’sche
Kur. Bei gastrischen Beschwerden muss nach den
üblichen schonenden Indicationen vorgegangen wer¬
den, desgleichen sehe man auf ausgiebige, tägliche
Stuhlentleerung mit Nachhilfe von leichten Abführ¬
mitteln.
Diabetes mellitus.
In der Decembersitzung der Societe fran<*aise
d’Homoeopathie fand ein Vortrag von Dr. Marc
Jousset statt, betreffend eine Reihe klinischer
Beobachtungen von Diabetes mellitus nebst deren
Behandlung, sowie eine sich hieran schliessende
Discussion, die unser Interesse in Anspruch nehmen.
1. Ein 54jähr. Mann hatte sich bei einer Lebens-
Versicherungsgesellschaft gemeldet. Bei der Unter¬
suchung seines Harns entdeckte man Zucker in
demselben; die Menge des Urins übersteigt die
normale nur wenig, weder Hunger noch Durst ist
im Uehermass vorhanden; die Abmagerung ist ge¬
ring; Impotenz besteht nicht, aber doch Herab¬
setzung des Geschlechtstriebes.
Am 6. Februar 1897. Im Urin 53,23 Gr. per
Liter, kein Eiweiss. Er bekommt Extractum hepa-
tis et pancreatis 20 Tropfen täglich, den einen
Tag das eine, den andern das andere.
18. März. Besser. 3 Gr. Zucker im Liter.
Contin.
22. Juni. Keine Spur mehr vom Zucker.
Dieselben Mittel.
26. October 1898. Er hat sich seitdem immer
gut befunden; spec. Gew. des Urins 1,022; unter
Zusatz von Kali caust. leicht gefärbt. Etwa 2 Gr.
Zucker im Liter Urin. — Das obige Verfahren
wird wieder auf 20 Tage angeordnet.
2. Fall.
Diabetes mellitus.
Ein 55jähr. Wein-Grosshändler stellte sich am
16. März 1895 vor: Schwäche, Durst, völlige Im¬
potenz, Abnahme von 30 Liter in einigen Monaten;
zornig und heftig; im Liter Urin 45 Gr. Zucker,
Menge des -Urins 3 Liter in 24 Stunden.
Verordn.: 2 Pancreas-Pastillen Morgens und
Abends; ausserdem Uranum nitricum 2 trit. und
Azygium jambolinum 1. trit., den einen Tag das eine,
den andern Tag das andere. Entsprechende Diät.
12. März 2 Liter; 12 Gr. Zucker Contin.
15. Juni. Kein Zucker mehr.
16. November. Er hat 10 Pfund zugenommen,
befindet sich sehr wohl; Impotenz vergangen.
Im Juni 1897. Leichter Rückfall: 11 Gr.
Zucker in 24 Stunden. — Extract. pancreatis et
hepatis, 20 Tropfen pro Tag, im andertägigen
Wechsel.
6. August. Zucker hat zugenommen: 16 Gr. —
Pat. hat viel Schwierigkeiten in seinen Geschäften
gehabt. Zu obigen Mitteln noch Uranum nitricum
2 trit.
Seit dem 21. November 1897 kein Zucker
mehr.
3. Fall.
Syphilis; Fussgeschwür; Diabetes mellitus.
Eine 48jähr. Frau hat Syphilis gehabt, deren
erstes Erscheinen unbemerkt geblieben; secundäre
Zufalle gegen das Alter von 20 Jahren: Roseola,
Cepbalalgia, Haarausfall; sodann tertiäre Erscheinun¬
gen: geschwiirig gewordene Gummata im Gesicht
und an der Stirn, welche an der Oberfläche der
Knochen einen Ausschnitt von 2 cm im Durch¬
messer und unvergängliche, weisse, wabenartige
Narben hinterlassen haben.
Seit 20 Jahren ein Ulcus pedis sinistri, etwas
über den Malleolen, welches den Theil wie eine
Spange umgiebt, in einer Höhe zwischen 6 bis
15 cm. Dieses Geschwür hat nie Neigung zur
Heilung gezeigt. Clematis, hydrast. canad. (inner¬
lich und äusserlich) erfolglos.
Als Verf. am 10. October den Urin untersuchte,
konnte er 60 Gr. Zucker auf 1 Liter constatiren;
es war aber weder Polydipsie noch Polyphagie,
höchstens etwas Polyurie zugegen. Extr. hepatus
et extr. pancreatis wie oben gebraucht. Trans¬
plantationen von Epidermis.
25. October. Der Zucker ist bis auf 38 Gr.
pro Tag gesunken; aber trotz der fortgesetzten selben
Behandlung steigt er wieder auf 48 Gr. per Liter.
Am 15. November Uranum nitricum 1. trit.
Als Verf. aus dem Dienst des Hospitals schied,
am 30. September, betrug der Satz des Zuckers
50 Gr. per Liter. Er würde die Behandlung mit
Extr. pancreatis et hepatis fortgesetzt haben.
Das Fussgeschwür ist heute, unter dem Ein¬
fluss der Hauttransplantationen und vielleicht in
Folge der diabetischen Behandlung vollständig ge¬
heilt.
In der Discussion sagt Dr. P. Jousset senior,
dass er das Pancreas sehr oft in Behandlung der
Diabetes gebraucht habe. Das Extractum pan¬
creatis hatte man in Form subcutaner Injectionen
Digitized by k^ooQie
78
bei diesem Leiden, aber ohne besonderen Erfolg
angewandt; so entschloss er sich denn, wie auch
sein Sohn, dasselbe per os einzuführen. Die erste
Kranke, bei der dies geschah, war die Köchin des
Collegen Chargö, die im Hospital Saint Jacques
aufgenommen war, und der das Mittel gut that.
Er führt dann noch folgende Fälle an:
Eine Dame von etwa 55 Jahren, die über das
Climacterium hinaus war und viel an Gicht litt,
wurde von einer beträchtlichen Glycosurie ergriffen
(60 Gr. Zucker). Unter der Einwirkung von Extr.
pancr. besserte sich ihr Zustand in einigen Wochen.
Es kam ein leichter Rückfall, aber seit 3 Jahren
kein Zucker mehr.
Ein junger Mannj, der bis dahin 40—60 Gr.
Zucker gehabt, ohne aber dabei abzumagern, er¬
fuhr eine schnelle Besserung. — Während 12—18
Monaten hörte die Zuckerausscheidung ganz auf;
dann aber gab es einen Rückfall, gegen den das
Pancreas wirkungslos blieb. Aber auch andere
homöopathische Mittel brachten keinen Erfolg. In¬
dessen magerte der Kranke nicht ab, verlor auch
seine Kräfte nicht. Da er noch sehr jung ist, und
keine erbliche Belastung vorliegt, so ist hier Phthisis
zu fürchten.
Eine ea. 60jähr. Dame, gichtisch, fettleibig,
welche bis gegen 60—70 Gr. Zucker ausgeschieden
hatte, wurde von Dr. P. Jousset unter Hilfe von
3 Mitteln behandelt; diese waren Uranum nitricum,
Arsen und Acid. phosphoricum, von denen jedes
je 1 Tag in der 6. Dil. gegeben wurde. Besse¬
rung trat schnell ein, aber es kam zu zahlreichen
Rückfällen, welche von Zeiten, wo der Zucker
völlig verschwand, unterbrochen warbn.
Bei einem Recidiv versuchte Verf. das Pancreas,
das die Kranke aber nur sehr langsam besserte.
Eine andere, ebenfalls fettleibige Frau von ca.
50 Jahren, die bis zu 150 Gr. Zucker ausgeschie-
den, wurde vom Pancreasextract ganz und gar
nicht gebessert. Unter Einwirkung der oben an¬
gegebenen 3 Mittel sank der Zuckergehalt von
150 auf 14 Gr., ohne dass er wieder anstieg. —
Im Allgemeinen wurden alte Diabetiker, d. h. solche,
deren Urin seit langer Zeit Zucker enthält, von
Pancreas wenig gebessert; auf diese wirken andere
Mittel aber auch nicht mehr. — Das Extr. hepatis
allein oder ein Wechsel mit Extr. pancreatis hat
ihm keine befriedigenden Erfolge geliefert.
Zum Schluss bemerkt Verf., dass es Fälle von
echtem Diabetes mit Wiederholungen giebt, wo
Krisen und Besserungen lange Zeit miteinander
wechseln. Diese Formen können bisweilen Heilun¬
gen Vortäuschen, wenn der Arzt nicht Gelegenheit
habe, seine Patienten nach ihrer Genesung längere
Zeit zu beobachten.
Ref. vermisst bei diesen so interessanten Be¬
obachtungen die Angabe über die verordnete anti¬
diabetische Diät. Schon bei dieser, je nachdem
sie streng beobachtet oder wieder suspendirt wird,
hat er ein Fallen bis zum völligen Verschwinden
mit Wiederkehr des Zuckers wechseln sehen. M.
Bitte an die Collegen!
Für einen älteren Collegen, Vater schulpflich¬
tiger Kinder, der ohne eignes Verschulden in höchste
Noth gerathen, aber bestimmte Aussicht hat, bald
wieder in die Höhe zu kommen, wird eine Geld¬
unterstützung, die als Darlehen betrachtet wird,
auf diesem Wege erbeten. Schleunigste Hülfe ist
dringend nöthig, da seine Existenz davon abhängt,
und ist jeder Betrag willkommen. — Gefl. Gaben
nimmt entgegen und ist zu näherer Auskunft bereit
Metz, den 2. Januar 1899.
Dr. Meinel,
Geh. San.-Rath, Kreisarzt der Stadt Metz
und
Medicinalreferent des Bezirks-Präsidiums.
Wir richten an die geehrten Herren Collegen
die Bitte, diesem im äussersten Westen des deut¬
schen Reiches in Noth gerathenen homöopathischen
Berufsgenossen freundlich zu Hülfe zu kommen.
Herr Apotheker Steinmetz, Leipzig (Verlag die¬
ses Blattes) ist bereit, die eingehenden Beiträge zu
sammeln und an die richtige Adresse zu befördern.
Die Redaction.
Herzliche Bitte für eine Arzt-Wittwe.
No. 13/14 und 15/16, 137. Bd.
3. Quittung über eingegangene Beiträge.
Mark
Von Herrn Dr. med. Groos, Erfurt . . 5.05
„ „ Dr. med. Hammerschmidt, Elber¬
feld .15.--
„ „ Professor Dr. Gustav Jäger,
Stuttgart.5.
„ „ Dr. med. Endriss, Göppingen . 5.—
Mk. 30.05
Betrag der 1. Quittung. 97.10
n „2. „ . „ 25.60
Mk. 152.75
Besten Dank für diese Gaben. Zur Annahme
weiterer Schenkungen bleibt gern bereit
Leipzig, den 18. Februar 1899.
William Steinmetz.
Digitized by k^ooQie
79
Hahnemann’s Grab in Paris.
Erneuter Aufruf!
Auf die verschiedenen bisherigen Aufrufe zu
Beiträgen für ein würdiges Grabdenkmal in Paris
bin ich in der angenehmen Lage gewesen, be¬
reits Emk. 807.45 an Herrn Dr. med. Cartier in
Paris einzusenden. — Derselbe dankt im Namen
des Comitös und in seinem eigenen herzlichst für
diese Gaben, knüpft jedoch an diesen Dank die
Bitte um weitere Gaben, da erst ca. 12 000 Frcs.
zusammengekommen sind, aber ca. 18000 Frcs.
nöthig sein werden. — Man hofft um so mehr auf
u % eitere Gaben aus Deutschland, als dieses Hahne¬
mann’s Vaterland ist. — Man wird am Grabdenk¬
male ausser dem Sterbeort (Paris) auch den Geburts¬
ort (Meissen) anbringen, und bitte ich alle Diejenigen,
die noch kein Scherflein zu dieser Ehrenschuld bei¬
getragen haben, um ein solches.
Jeder Vertreter und Anhänger der Homöopathie
steht dauernd in der Schuld unsers Altmeisters
Hahnemann.
Ueber alle Beiträge wird auch ferner öffentlich
in diesem Blatte quittirt werden.
Leipzig, im Februar 1899.
William Steinmetz.
(A. Marggrafs homöopath. Officin.)
Personalia.
Am 7. Februar a. c. starb die Gattin des homöo¬
pathischen Arztes Dr. med. Teichmann in Som-
merschenburg. Dieselbe war eine Tochter des in
Magdeburg verstorbenen homöopathischen Arztes
Sanitätsraths Dr. Rummel, eines Zeitgenossen Hahne¬
mann’s.
Anzeigen.
IMspenwirberechtigter homtfopathi-
Mi*her Arzt übernimmt jederzeit Vertretungen.
Offerten sub A. Z. 980 an die Expedition dieses
Blattes.
Dr. med. prakt. hom. Arzt, Special, f. Kinderkrankh.
einschl. Chirurgie, nicht dispensirb. aber m. prakt. phar-
maceutischer Bildung, Redner und Schriftsteller, wünscht
Praxis mit Fixum zu übern, oder m. vielbeschäft. Collegen
zusammenzuarbeiten. Off. erb. sub „Praxis“ an die Ex-
ped. der Allg. homöopath. Zeitung in Leipzig.
Ein homtfopathigcher Arzt, Dr. med.,
mit Schweizerischem Staatsexamen, sucht
in der Schweiz oder ev. in überseeischen Ländern eine
nachweisbar rentable homöopathische Praxis zu über¬
nehmen.
Offerten sub K. W. 154 an die Expedition dieser Zeit¬
schrift.
Inductions-Apparate mit Chromsäure-
Salmiak - Trocken - Elemente. Constante-
Batterien mit Horizontal - Galvanometer-
Strom wender-Rheostat. Galvanocaustische
Instrumente, D. R. M. 27694, empfiehlt
V, Erbe, Tübingen.
Preisverz. gratis.
Jos. Roth’sche Verlagshandlung, München.
Soeben erschien in unserm Verlage:
Der Volksarzt
von
Dr. med. Boffenmeyer.
Anleitung zur Selbstbehandlung nach den
Grundsätzen der Homöopathie
mit Berücksichtigung der Naturheilkunde.
2. vermehrte Auflage.
Preis cart. Mk. 1,50.
Zu beziehen durch alle Buchhandlungen.
Kurpension des Homöopathen
Dr. von Hartungen
Riva a. Gardasee, Tirol.
Nachstehend verzeichnete Apotheken empfehlen wir
als Haupt-Depots
unserer homöopathischen Arzneien, Hausapotheken etc. —
Dieselben haben sich verpflichtet, alle Arzneien etc. von
uns nur in Originalpackungen mit einer unsrer Firmen zu
beziehen und weiter zu verkaufen, sodass volle Garantie
für Echtheit und beste Qualität den verehrten Käufern
geboten ist.
Karl Otte’s Fischmarkt-Apotheke, Hamburg,
Fischmarkt.
Dr. G. Wiedermann, Löwen-Apotheke, Frei¬
burg i- Baden.
Joh. Manecke, Hof-Apotheke, Magdeburg.
Dr. C. Hofs Apotheke, Pforzheim (Baden),
gegenüber dem Rathhanse.
Dr. Fr. Oelze, Krummacher’sche Apotheke,
Bielefeld, am alten Markt.
Alfred Fitzau, Rothe Apotheke, Bernburg
(Anhalt), Kaiserstrasse 3 a.
H. Steinhorst, Mohren-Apotheke, Prenzlau.
Wed. Bulterman & Cohen, Apotheker, Rotter¬
dam, Hoogstraat.
J. W. Florjjn, Centraal-Apotheek, Haarlem,
Groote Houtstraat 78.
Weitere Depöts folgen in allen grossen Städten.
Die vereinigten
Leipziger homöopathischen Apotheken:
Täschner & Co., Homöopathische Central-Apotheke,
A. Marggrafs homöopathische Officin und Carl
Gruner’s homöopathische Officin (früher in Dresden).
Digitized by A^OOQle
80
Im Verlage der Homöopathischen Central-Apotheke von
Täschner & Co., Leipzig, und A. Marggrafs homöopathi¬
scher Officin, Leipzig, sind folgende empfehlenswerte
homöopathische Bücher und Schriften erschienen:
Gross-Hering, Vergleichende Arzneiwirkungslehre. l.Aufl.
1893. geh. M. 20,-.
Bruckner, Homöopath. Behandlung der Augen- und Ohren¬
krankheiten. 1 . Aufl. 1894. brosch. 2.50, geb. 3.—.
Kleiner homöopath. Hausfreund. 6. Aufl. 1894. brosch.
1.—, geb. 1.50
Homöopath. Volksschriften, Nr. 1—28, in diversen (1.—8.)
Auflagen, a 10 Pfg.
Hendrichs, Zahnschmerzen. Deutsch. 2. Aufl. 1888. —.30.
Holland., 1. Aufl., — .50.
Allgemeine homöopath. Zeitung. 135. Band. [2. Halbjahr
1897.) Halbjährlich 10.50.
Müller, Charakteristik. Deutsch, 3. Aufl. 1890, geb. 1.50.
Spanisch. 2. Aufl. 1891, brosch. 2.—, geb. 2.50.
Homöopath. Allerlei. 1890. brosch. 1.— , in Partien billiger.
La Curacion y Profilaxia per el Tratamiento Homeopätico
de Las Prinzipales enfermedades Infecciosas. 2. Aufl.
1893. brosch. 1.20.
Diverse kleine Anweisungen zur Heilung einzelner Krank¬
heiten. ä 20 Pf.
Hirschei, Der homöopathische Arzneischatz in seiner An¬
wendung am Krankenbette. Für Familie und Haus
neu bearbeitet von Dr. med. Ooullon in Weimar.
16. Auflage, geb. 4 M.
Hübner, Homöopath. Thierarzt. 9. Aufl. 1892. eart. 3.—.
geb. 3.75.
— Krankheiten der Pferde. 9. Aufl. 1894. brosch. 1.20.
geb. 1.60.
Günther, Kleiner homöopath. Thierarzt. 2. Aufl. 18SS.
geb. 1.50.
Hausmann, Kleine Schriften. Gesammelt und herausge¬
geben von Dr. C. Bojanus, sen. 1895. cart. 1.50.
Homöopath. Hilfstabellen. Belehrung über die Bereitung
der Potenzen aus den Urtincturen, Stärke des zu ver¬
wendenden Alcohols etc. mit einer Anlage über Lutze’s
Chiffre-Schrift. 1.—.
Homöopathische Arzneitaxe, bearbeitet in Uebereinstim-
mung mit allen in Deutschland bisher erschienenen
officiellen und im Gebrauch befindlichen homöopathischen
Arzneitaxen. —.30.
Bönninghausen^ Therapeutisches Taschenbuch für homöopath.
Aerzte, neu herausgegeben von Dr. med. Fries, brosch.
10.—, geb. 11.—.
Die Grundzöge der modernen wissenschaftlichen Homöopathie,
von Dr. Hans Wapler. brosch. —.50.
Die Unhaltbarkeit der Hochpotenzen, von Dr. Kallenbach,
Rotterdam. brosch. -—.80.
Kunkel, Dr. med., Die homöopathische Behandlung der
Heiserkeit, brosch. —.50.
Carl Gruner’8 homöopathische Offtein (A. Kittel),
Berlin
hat folgende Depöts errichtet, in denen ihre anerkannt
vorzüglichen Arzneien in bester und frischester Qualität
stets, und nur in Originalpackung und zu Original-
preisen zu haben sind:
für Berlin O. und S.O. s
Emmaus-Apotheke, Apotheker E. Seyd, Reichenberger¬
strasse No. 150.
für Berlin X.W.:
Roland-Apotheke, Apotheker Bermann, Thurmstrasse
No. 16.
für Bostock (und beide Mecklemburg):
Universitäts-Apotheke, Blücherplatz.
Das homöopathische Krankenhaus zu Leipzig
(Sldonlenstrasse No. 44)
eröffnet im Sommer 1888 und Eigenthum des homöopa¬
thischen Central Vereins Deutschlands, nach Muster der
besten und ersten Krankenhäuser und nach den neuesten
Erfahrungen eingerichtet, wird den Anhängern und Freun¬
den der Homöopathie sowohl zur Benutzung in schweren
Krankheitsfällen als auch zur wohlwollenden Unterstütz¬
ung aufs Wärmste empfohlen, damit auch Unbemittelten
der Segen der homöopathischen Heilmethode zu Theil
weiden kann. Beitlüge jeder Art, auch die kleinsten,
nimmt der Kassenverwalter, Apotheker W. Steinmetz, in
Firma A. Marggrafs homöopathische Officin in Leipzig,
jederzeit dankbarst entgegen.
Die neuen Statuten und Aufnahmebedingungen des
mit einem Krankenpensionate I. und II. Klasse verbunde¬
nen homöopathischen Krankenhauses hierselbst können
sowohl von der Direction desselben, wie auch von uns
bezogen werden.
Bönninghausen’s
Therapeutisches Taschenbuch
in neuer deutscher Auflage.
Brosch. 10.— Mk., geb. 11.— Mk.
Aufträgen sieht die Unterzeichnete Verlagshandlung gern entgegen.
A. Marggrafs homöopath. Officin, Leipzig.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöop.ith. Officin) in Leipzig.
Druck von Julias Müser iu Leipzig.
Digitized by A^OOQle
Band 188
Leipzig, den 16. März 1890.
No. 11 u. 12
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCH! ZEITH«.
Heraasgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle and Verlag ron William Steinmetz (A-Marggrafts homöopath. Offlein) in Leipzig
Thomaskirchhof 12.
Erscheint 14tägig ku 2Bogen. 13Doppelnummern bilden einen Band. Preis WM. OOPf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs -Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlein in Leipsig) zu richten
sind, werden mit 20 P/. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 0—8 M. berechnet.
Inhalt. Micropathie. Von Dr. Mossa. — Antipyrin. Von Dr. S. J. van Royen-Utrecht. — Homöopathische Rund¬
schau. Auszug aus dem Journal Beige d’homoeopathie und der Revue homoepathique francaise. Von Dr. med. Rob.
Stäfsr. 1. Vom ftussern Gebrauch homäopathisoner Medicamente. Von J. Göret, Apotheker. — Seborrhoea. Von
Dr. W. S. White, Pro r essor und Docenten für Hant- und Geschlechtskrankheiten an dem homöopathischen Golleg zu
Chicago. — lieber die Erkrankungen des Naseneingangs und seiner Umgebung. (Erythem, acne rosacea.) Von
Dr. Felix Peltesohn-Berlin, Specialarzt für Ohren-, Hals- und Nasenleiden. — Vom BQchertische. Von Dr. Mossa. —
Selenium in der Impotenz. Von M. — Bitte an die Collagen! — Lesefrüchte — Anzeigen.
90 Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage.
Micropathie.
Es ist merkwürdig, auf welchen Wegen die
Aerzte der alten Schule sich nolens volens der Ho¬
möopathie nähern. So hat ein Dr. Iro Maclean
vor einiger Zeit eine neue Posologie, ja er meint,
selbst ein neues Heilsystem aufgestellt, das er
Micropathie nennt, von der Theorie ausgehend, dass
ein jegliches Mittel, das für ein bestimmtes Organ
in starker Dosis als Irritans, auf dasselbe Organ in
minimaler Dosis als Tonicum wirkt.
Hören wir, wie er zu dieser grossen Ent¬
deckung gekommen ist!
Vor mehreren Jahren hatte er einen Fall von
Erbrechen zu behandeln, in welchem alle sonst
üblichen Mittel fehlschlugen. Indem er nun 1 / 16 Gran
von Tartarus emeticus alle fünfzehn Minuten gab,
fand er, dass es als Irritans auf das afficirte Organ
(den Magen, lief.) wirkte (d. h. doch, es ver¬
mehrte das Erbrechen. Ref.); da reducirte er die
Dose auf */, 00 Gran, und siehe da! er fand, dass
das Leiden beschwichtigt wurde, bis es vollständig
auf hörte. Von der Zeit an war seine Praxis, wie
es in dem im ,,English Mechanic“ gegebenen Be¬
richt heisst, eine Reihe von Experimenten, um die
Wahrheit dieser Theorie, die wir oben schon an-
.gedeutet, zu erhärten, namentlich um die Grösse
der Dosis festzustellen, wo ein Mittel von der irri-
tirenden zu der tonisirenden Wirkung gelangt. Ist
die allöopathische Dosis, sagt er, 10 Gran, so liegt
die micropathische zwischen 1 / l0 und 1 / 12 Gran,
wenn aber diese letzte Dosis noch irritirend wirkt,
so ist das ein Zeichen, dass diese Gabengrösse
noch jenseits der tonisirenden Wirkung liegt und.
deshalb noch mehr reducirt werden müsse. Da der
Patient immer auf diesen Punkt hingewiesen wird,
so kann er die Quantität des Mittels je nach den
Symptomen reguliren. (Eine wunderliche Praxis!
I Ref.)
| Indem Dr. Maclean dieses Princip in seine
I Praxis einführte, konnte er sich davon überzeugen,
I dass Fälle von Dyspepsie, Herzleiden, Frauenkrank¬
heiten, Nerven-, Nieren-, Blasenleiden, Hämorrhoiden,
| ja fast sämmtliche chronische Krankheiten, von denen
| so manche für unheilbar gelten, der tonisirenden
Wirkung der Mittel zugänglich sind.
| Verfasser tritt für die Micropathie aus folgen-
I den Gründen ein:
| 1. Sie sei exacter als die bisherige Therapie;
I hat man eine genaue Beschreibung von den Symp¬
tomen einer Krankheit, so werde man in der Mchr-
j|>zahl der Fälle darauf hin mit dem entsprechenden
Mittel Heilung erreichen.
2. Sie ist weit sicherer, denn sobald ein Mittel
I irritirend wirkt, so ist das ein Zeichen, dass die
! angewandte Dosis über die tonische Wirkung hin-
11
Digitized by ^»ooQie
äusgeht, weshalb sie herabgesetzt werden muss,
und da der Kranke auf diesen Effect vorher hin¬
gewiesen wird, so ist eine Ueberdosirung fast un¬
möglich.
3. Sie wird Hunderte von Mitteln wieder in Ge¬
brauch bringen, die man als unwirksam und nutz¬
los bei Seite geworfen hat, weil sie keine heftige
Wirkung, die man für die Thätigkeit eines Mittels
als nothwendig erachtete, hervorzubringen im Stande
sind.
4. Sie wird die Wirkung der Heilquellen, welche
für die Aerzte so lange etwas Befremdliches war,
erklären, da die in diesen Wässern enthaltene
Quantität der Salze fast genau mit der micropathi-
schen Formel derselben Heilkörper übereinstimmt.
5. Wir können durch unsere Praxis beweisen,
dass jene chronischen Krankheiten heilbar sind,
denn wir haben sie auf dem Wege der Micropathie
geheilt.
Wie bei dem in der letzten Nummer der Zei¬
tung mitgetheilten Fall von Heilung einer Häma¬
turie durch Cantbaris, so geht auch der Begründer
dieser sogen. Micropathie von dem allgemeinen Satze
aus, dass ein Mittel, welches auf ein Organ in
starker, voller Dosis irritirend , in kleineren Dosen
auf dasselbe tonisirend wirkt. Aber wie wenig
ist hiermit gesagt.
Irritirende und tonisiretide Wirkung auf ein
Organ sind so unbestimmte Begriffe, dass aus ihnen
für die Praxis keine sicheren Indicationen gewonnen
werden können. Wie viele Mittel wirken nicht
irritirend auf die Nieren, oder auf den Magen, dort
etwa eine Blutung, hier Erbrechen hervorrufend!
Warum hat der letzte Autor nicht statt Tartarus
emeticus ebenso gut Ipecacuanha, Arsen, Nux vom.,
Veratr. wählen können? Ohne die näheren Um¬
stände, begleitenden Erscheinungen, kurz, ohne den
Complex der Gesammterscheinungen in einem con-
creten Fall und ohne genaue Prüfung eines Mittels
nach allen Richtungen hin, steht eine solche Thera¬
pie, wie Verf. sie sich denkt, in der Luft. Er ist
auf das Probieren angewiesen, und da, wie er
richtig beobachtet hat, die Gabe des Mittels bis zu
einer bestimmten Grösse herabgesetzt werden muss,
ehe sie (auch bei seiner höchst einseitigen Orgau-
therapie) die erwünschte Wirkung leistet, und er
diese auch erst immer durch Experimentiren eruircn,
ja dem Kranken selbst die Beobachtung dieser
Wirkung überlassen will, so wird das ein sehr com-
plicirtes therapeutisches Verfahren. Der homöo¬
pathische Arzt dagegen giebt dem nach seiner Quali¬
tät zu wählenden Mittel die erste Stelle und sucht
die Quantität desselben annähernd zu bestimmen,
und wartet die Wirkung des Heilexperiments am
Kranken scharf beobachtend ab, — und das ist
jedenfalls richtiger, als dem Kranken, auch wenn
man ihn wohl inctruirt hat, die Bestimmung der
Gabengrösse anheimzustellen.
Dass die Organ-Therapie auf Anwendung kleiner
Dosen führt, das hat Rademacher in seinen Be¬
obachtungen oftmals erfahren, und Prof. Schulz-
Greifswald hat es durch seine Experimente hin¬
länglich bewiesen. Es ist merkwürdig, dass Dr.
Macleau seine Micropathie, auf welchen Namen er
freilich ein Patent nehmen kann, als etwas Novum
in die ärztliche Welt hinausgesandt hat. Jedenfalls
ist diese „Micropathie“ ein Phänomen, von dem wir
Homöopathen Notiz zu nehmen haben. Dr. Mossa.
Antipyrin.
Von Dr. S. J. van Royen-TJtrecht.
Das Antipyrin ist ein weisses krystallinisches Pul¬
ver, in gleichen Gewichtstheilen von Wasser, Alkohol
oder Chloroform löslich; 50Theile Aether lösen einen
Theil Antipyrin. Die Substanz schmilzt bei 113° C.,
verbindet sich mit Säuren; ist also ein Alcaloid.
In wässeriger Lösung werden die Salze durch Eisen¬
chlorid dunkel gefärbt, welche Reaction noch bei
einer Verdünnung von 1 : 100000 deutlich sichtbar
ist. Salpetrige Säure färbt die verdünnte Lösung
blaugrün; aus concentrirter Lösung setzen sich
grüne Kry stalle ab.
Im Jahre 1884 entdeckte Knorr das Antipyrin
durch Condensation von Pbenylhydracin mit Acet-
essig-Aether und nachfolgender Methyllirung des
Produktes. Der chemische Name soll also sein
Dimethylphenylpyrazolor; der Name Oxydimetbyl-
chinicin ist weniger richtig. Die Ableitung des
Antipyrins von Pyrrol zeigen folgende Formeln:
Pyrrol C 4 H 4 —NH; Pyrazol NC 8 H 3 - NH;
PyrazolinNC 8 IJ 6 — NH; PyrazolorN C ;J H 3 O — NH;
Methylphenylpyrazolor NC. 2 H 2 OCH 8 — N C Ä H 5 ;
Dimethylphenylpyrazolor NC 2 HO a (CH 8 ) — NC 6 H v
Die Chemikalienfabriken verfertigen immer und
wieder immer neue Arzneien, welche durch glän¬
zende Empfehlungen wie eine Rakete emporsteigen,
aber auch wie eine Rakete niederfallen, um in den
Obsoletenschrank der Apotheker zu verschwinden.
Ausnahmsweise hat Antipyrin seine Stelle in der
medicinischen Praxis behauptet als Antipyreticum
und Nervinum. Durch die Empfehlung, dass es
ganz ungefährlich sei, hat es nicht nur in der ärzt¬
lichen Praxis, sondern sogar als Hausmittel eine
ausgedehnte Anwendung gefunden. Zwar wurde
bald die Erfahrung gemacht, dass es doch auch
einige unangenehme Nebenwirkungen hat; mehrere
Male selbst so, dass die Prognosis quoad vitam
dubia war. Das schadete aber dem Rufe der Un*.
gefalirlichkeit nicht, denn das Gutachten der Kory-
Digitized by t^ooQle
88
phäen der Wissenschaft ist da und facultas locuta
est.
Eine ziemlich grosse Zahl von Krankengeschichten
und Vergiftungen ist in Zeitschriften zerstreut. Jede
Geschichte wurde aus der einen Zeitschrift in die
andere aufgenommen, sodass man oft etwas findet,
was schon auf einer anderen Stelle gefuuden war.
Eine regelmässige Prüfung des Antipyrins habe ich
nicht gefunden. Folgendes Symptomenverzeichniss
ist also eine Sammlung aus Zeitschriften in der
hiesigen Universitätsbibliothek.
Symptome«
Seelische Symptome. Greift ins Leere nach
Dingen, die längst entfernt sind. — Verkennt die
Gegenstände. — Glaubt, eine Maus laufe im Haus¬
flur. — Verspricht sich. — Lallen in unariiculirteu
Lauten. — Stupor.
Nervensystem. Eigentümlicher Erregungs¬
zustand, wie berauscht. — Reizung des nervösen
Centralorgans mit nachfolgender Lähmung. — Tonus.
Clonus. — Allgemeine Convulsionen. — Unruhiges
Hin- und Herwerfen. — Krampfhafte Contractionen
in dem Gesicht. Spannung der Muskeln des Ge¬
sichts, des Halses und der Arme. — Nach Schlaf
typischer, epileptischer Anfall. — Epileptischer
Krampfanfall ohne initialen Schrei; die Zuckungen
beginnen im rechten Mundwinkel, gehen auf den
rechten Arm über und erschüttern dann in grosser
Heftigkeit die ganze Körpermusculatur; darauf
langes stertoröses Stadium mit langen Atempausen
und Schaumhlasen. — Epileptische Anfalle mit
Opisthotonus und Emprosthotonus. Die Anfälle be¬
ginnen mit Erheben der Augenlider und starrer
deviation conjugu6e der Bulhi, teils nach links,
theils nach rechte . Pupillen erweitert. Zwischen
den Anfällen Bewusstlosigkeit, allgemeine Mattig¬
keit. Muskelsteifheit und Schmerzen bei Bewegung
und bei der Defäcation. — Erwachen aus dem
Schlafe mit einem Schrei und epileptischer Anfall. —
Bewusstlosigkeit zwischen epileptischen Anfällen
mit tetanischen Spannungen. — Bei Hunden, Katzen
und Meerschweinchen tonische und clonische Krämpfe,
totale Sensibilität so gesteigert, dass schon die ge¬
ringste Berührung Tetanus hervorruft. — Höchst
ungeschickt, atactisch. — Muskelsteifheit. — Mattig¬
keit. — Kraftlosigkeit. — Collaps. Schwerer Col-
laps. — Anfall wie Cholera im asphyctischen Sta¬
dium. —
Schlaf und Träume. Schlaflosigkeit. — Wenig
Neigung zum Schlafen und, wenn Schlaf kommt,
lebhafte Träume. — Coma. Coma, darauf Stupor. —
Nach Schlaf typischer, epileptischer Anfall — Er¬
wachen aus dem Schlaf mit einem Schrei und epi¬
leptischer Anfall.
Fieber und fieberartige Erscheinungen. Tempe¬
ratur subnonnal. — T. 34,5. — T. 36,7. — Schüttel¬
frost reichlich eine halbe Stunde; dabei bedeuten¬
der Zufluss von Blut nach Kopf, Brust, Armen und
Oberschenkel, vorher Erbrechen. — Kälte der
Ohren, Nase und Füsse. — Schüttelfrost mit raschem
Aufsteigen der Terap. bis 40,7. — Beim Steigen
der Temp. heftiger Schüttelfrost. — Temp. 34,5
mit Hitzegefühl im ganzen Körper. — Beim Wieder¬
aufsteigen der Temp. kein Schüttelfrost. — Temp.
erhöht. —Frost abwechselnd mit Hitze. — Temp. 34°
(normal 36,5°). — Brennen im ganzen Körper. —
Heftiger Schweiss.
Haut. Blutungen der Haut. — Bei hypoderma-
tischer Anwendung: Entzündung mit Gewebsspan¬
nung; an der Umgebung der Injectionsstelle Haut
blauroth; Geschwulst während drei Tagen. — Erythem ,
runde, zinnoberfarbige Flecke, etwas erhaben; die
Rothe verschwindet ganz bei Druck; Ränder etwas
verwaschen; am meisten auf der Streckseite der
Glieder; mehr am Rücken als an der Brust; frei
blieben Kopf, Handfläche und Fusssohle. — Erythem
leicht brennend; zwei Tage nach dem Verschwin¬
den des Erythems kleienartige Abschilferung. —
Erythem: zusammenfliessende Flecken bis grössere
Plaques, auch am Gesicht, Hals, Ohr, später auch
auf dem behaarten Kopf, der Handfläche und Fuss¬
sohle. — Purpurartiges Erythem. — Erythem des
Oberkörpers. — Urticaria. — Herpes auf der Nase,
Lippen und Mundschleimhaut zum Theil ulcerirend.
Kopf. Schwindelgefühl. — Bewusstlosigkeit. —
Bewusstlosigkeit zwischen epileptischen Anfällen. —
Kopfweh mit Flimmern vor den Augen. — Schmerz
in der Stirn. — Kopfschmerz hinter den Ohren. —
Blutzufluss nach dem Kopfe. — Erythem (siehe
Haut).
Augen und Sehen. Erheben der Augenlider
und starre däviation conjuguee der Bulbi beim
Anfang eines epileptischen Anfalles — Tiefliegende
Augen. — Augenlider geschwollen. — Conjunctivitis
catarrhalis. — Thränenfluss. — Pupillen erweitert,
reagiren auf Licht. — Pupillen verengt. — Flim¬
mern vor den Augen. — Sehen behindert. — Eine
Minute dauernde Amaurose.
Ohr und Gehör. Kälte der Ohren. — Klingen
vor den Ohren. — Ohrenschmerz.
Gesicht. Cyanotisch. — Röthung des Gesichts. —
Gesicht geschwollen. — Spannung der Muskeln. —
Krampfhafte Contractionen in dem Gesicht. — Ge¬
sichtsschmerz.
Mund und Mundhöhle. Zahnweh in allen Zähnen
des Oberkiefers. — Schwarzwerden der Zähne durch
Reiben mit sauerstoffhaltigem Wasser. — Schwel¬
lung von Lippen und Zunge bis auf das Dreifache
normaler Grösse. — Auf der Zunge und Lippen
zahlreiche, weisse, fast diphtheritisch aussehende
Membranen. Im Munde, am Gaumen und auf der
U*
Digitized by ^»ooQle
84
Zunge, zahlreiche, kastaniengrosse Abscesse. —
Epileptische Krampfanfälle beginnen im rechten
Mundwinkel. — Brennendes Gefühl im Munde.
Schlund und Hals. Im Pharynx weiche, fast
diphtheritisch aussehende Membrane. — Spannung
der Halsmuskeln. — Brennendes Gefühl im Bachen.
Magen. Erbrechen. — Vor Schüttelfrost Er¬
brechen. — Würgen und Erbrechen. — Magen¬
katarrh und Hitze. — Magenschmerz ohne Er¬
brechen.
Bauch (beim Frosche, Rana temporalis). Die
Leberzellen lassen vor Allem deutlich eine Ver¬
änderung der Kerne erkennen und zwar in der
Weise, dass in der ersten halben Stunde nach der
Vergiftung die Kerne sich vergrössern und zer¬
fallen; indem die Kernmembran einreisst und ihr
Inhalt ins Innere der Leberzellen austritt. Die
Tinctionsfähigkeit der Kerne lässt nach; sie er¬
scheinen daher blasser.
Stuhl. Unfreiwilliger Stuhlabgang. — Muskel¬
steifheit und Schmerz bei der Defacation.
Ham Werkzeuge . Unfreiwilliger Harnabgang. —
Verminderte Harnsecretion. — Acetongeruch des
Harns. - HarnS.G. 1,028, acetonhaltig; Nitroprussid-
natriumprobe positiv, sehr intensiv. — Vermehrte
Ausscheidung von Harnsäure. — Verminderte Aus¬
scheidung von Harnstoff.
Geschlechtsorgane. Oedem des Praeputiums,
Glans und Scrotum. — Jucken an der Haut des
Penis, des Scrotums und Anus. — An der Corona
glandis eine faltige Blase, wie eine Brandblase,
nachher ein Geschwür. — Erythem auf der Glans,
auf dem Penis und Scrotum. — Aus dem Erythem
entstand an der Glans ein Geschwür.
Brüskes Auf hören der Menstruation.
Athmungsorgane. Bronchialasthma verschlim¬
mert. — Athemnoth. — Atliem bedeutend be¬
schleunigt. Stertor mit langen Athempausen, mit
Schaumblasen.
Brust Stechende Schmerzen in der Lunge
beim Athmen, Temp. 39° (normal 86,5), Puls 96
(normal 62), klein; Athmen bedeutend beschleunigt;
Percussion über beiden Lungen exquisit tympani-
tischerSchall, namentlich in beiden unteren Lappen;
Auscultation kein besonderes Resultat, nur das
vesiculäre Athmen schwächer als gewöhnlich.
Kreislauforgane. Unregelmässiger Herzschlag.—
Herzschlag aussetzend. — Heftiges Herzklopfen. —
Heftiges Herzklopfen mit starkem Hitzegefühl und
Athemnoth. — Systolisches Geräusch an der Herz¬
spitze sehr laut. — Herzschwäche. — Herzläh¬
mung. — Puls unfühlbar. — Puls klein, Radialis
kaum fühlbar. — Pulsfrequenz verringert. — Puls
(bei 4jährigem Knaben) 68 bis 72, gespannt, un¬
regelmässig. — Puls frequent. — Puls 96 (nor¬
mal 60). — Puls 160.
Hacken und Büoken. Krampfhafte Contractionen
in den Nackenmuskeln. — Rückenschmerz.
Gliedmassen. Kalte Extremitäten. — Span¬
nung der Armmuskeln — Zuckungen in dem rechten
Arm. — Leichtes Oedem der Vorderarme und
Hände. — Hände cyanotisch. — Schwellung und
Röthe der Hände. — Steifheit der Finger. —
Füsse kalt. — Die Füsse schwellen an. — Waden¬
krampf. — Schwierigkeit, sich auf den Beinen zu
halten.
Nähere Umstände. Rechts: Zuckungen.
Bei Berührung: Krämpfe.
Nach Schlaf: epileptische Anfälle.
Beim Stuhl: Muskelsteifheit. — Schmerzen.
Obenstehende Symptome geben nur eino Skizze
der Antipyrinwirkung. Für die Differentialdiagnose
zwischen diesem und ähnlich wirkenden Mitteln
fehlt fast Alles, namentlich sind die Umstände,
welche die Symptome beeinflussen, fast gar nicht
erwähnt. In groben Umrissen kann jedoch die
Wirkung des Antipyrins beschrieben werden.
Das Gehirn wird wohl am meisten ergriffen.
Mit einem eigenthümlichen Erregungszustände ist
vermehrter Blutzufluss da; dabei Röthung des Ge¬
sichts, Kopfweh mit Flimmern vor den Augen,
Schlaflosigkeit und Träume.
Dieses Stadium scheint nicht lange zu dauern.
Es folgen Krämpfe, epileptische Zufälle, Tetanus,
psychische Störungen. Als drittes Stadium kommen
eine allgemeine Depression, Bewusstlosigkeit, Kraft¬
losigkeit, Coma, sehr niedrige Temperatur, Schüttel¬
frost, unregelmässiger Herzschlag, unfühlbarer
Puls. Erholt die Person sich in diesem Stadium,
dann steigt die Temperatur, bisweilen mit Schüttel¬
frost.
Die Haut und die Schleimhaut des Mundes und
Halses zeigen ebenso Blutzufluss, Röthe, Schwel¬
lung. Danach Erythem, Urticaria, während der
Ausschlag im Munde und Pharynx einen diphtheri-
tischen Charakter trägt. Die Haut der männlichen
Genitalien wird ödematös und es entstehen Ge¬
schwüre.
Das einzige .Brusteymptom gleicht ganz einer
anfangenden Lungenentzündung.
Dass der Stoffwechsel abnorm wird, zeigt sich
durch den Acetongehalt des Harns.
Zu vergleichen mit: Aethusa cynapium. — Cam¬
phora. — Carbo vegetabilis. — Cicuta virosa. —
Cuprum. — Kalium- und Natrium bromatum. —
Nux vomica. — Oenanthe crocata. — Spigclia. —
Stramonium. — Zincum.
Digitized by c^ooQie
85
Therapeutisches.
Nach dem Princip der Homöopathie kann unter
sonst passenden Umständen das Antipyrin indicirt
sein bei: Krämpfen, Epilepsie, Tetanus, Coma, Col-
laps, Cholera, Schlaflosigkeit, atypischem Wechsel¬
fieber, acuten Hautausschlägen, nervösem Kopf¬
schmerz, Neumlgie des Trigeminus, Amaurose,
Diphtheritis, acuter Leberatrophie, Diabetes, Men¬
struationsstörungen, anfangender Pneumonie, ner¬
vösem Herzklopfen.
Homöopathische Rundschau.
Auszug aus dem Journal Beige d’homoeopathie und
der Revue homoeopathique fran^aise.
Von Dr. med. Hob. Stäger.
1. Vom äussern Gebrauch homöopathischer
Medicamente.
Von J. Göret, Apotheker.
Seit Hahnemann sind die homöopathischen Aerzte
stark von der Lehre des Meisters abgewichen, der
kaum die Anwendung von erweichenden Kataplas-
men etc. erlaubte, indem er einzig den innerlich
angewandten Heilmitteln den Sieg über die Krank¬
heit überlassen wollte. —
Heutzutage ist man weniger streng und bedient
sich (mit Recht. Ref.) auch der erprobten allo¬
pathischen Palliativmittel. ,,Man ist weit davon ent¬
fernt, dies» s Verfahren tadeln zu wollen — denn
bevor man Homöopath wird, ist man überhaupt
Arzt und als solcher der einzige Richter seines
Handelns, — aber trotzdem will es uns scheinen,
dass die homöopathischen Heilmittel allzuviel in
ihrer externen Application vernachlässigt werden,“
bemerkt Göret wörtlich.
Ausser Arnica und zwei oder drei anderen
Mitteln werden homöopathische Medicamente höchst
selten äusserlich verwendet. Seit vielen Jahren be¬
mühte sich Göret, einige der folgenden Mittel in
die Praxis einzuführen: Abrotanum 0 bei Frost¬
beulen; Arnica 0, Calendula 0, Cantharis 0 bei
Entzündungen; Hamamelis-Salbe; Hydrastis-Salbe;
Calendula-Salbe; Bryoniaund Rhus-Tinctur bei rheu¬
matischen Affectionen etc.
Ausser diesen Mitteln wenden die Homöopathen
noch einige einfache oder zusammengesetzte Prä¬
parate an, um gewisse Affectionen der Nase, des
Rachens und der Gebärmutter zu heben. Um nur
ein einziges Beispiel zu bringen, welches beweist,
wie sehr diese Methode geübt werden sollte, führt
Göret einen der grössten Befürworter dieser Medi-
cationsweise, nämlich Prof. Haie, an, welcher sagt
(Traite de medicine pratique p. 235): ,,Die poly¬
pösen Excrescenzen oder die eigentlichen Polypen
des Nasenrachenraumes können bisweilen ohne Ex¬
stirpation entfernt werden: Thuja (1.) in Pulver¬
form bringt sie oft zum Verschwinden, besonders
wenn sie gestielt sind; Sanguinaria (3.) und Aci¬
dum chromicum (3.), zu gleichen Theilen pulveri-
sirt, sind ebenfalls als vortheilhaft befunden worden.“
So kann man auch Kali bichromic. bei Nasen-
pharyngeal-Leiden anwenden, und alle Homöopathen
kennen die Verwandtschaft dieses Stoffes zu den
Krankheiten dieser Organe.
Ein ganzes grosses Buch könnte geschrieben
werden, wollte man Organ für Organ durchnehmen
und die hierauf passenden äusseren Heilmittel be¬
sprechen. An Stelle dessen zählt Göret nur die¬
jenigen Mittel auf, über deren Wirksamkeit bei
externer Anwendung er persönliche Erfahrung hat.
Entweder prüfte er sie an sich selbst öder an Fa¬
milienmitgliedern .
Abrotanum. Dieses Mittel wird mit Ehrfolg an¬
gewendet bei Frostbeulen; man macht zu diesem
Zweck gewöhnlich eine Mischung von Abrotanum 0
und sterilisirtem Wasser eu gleichen Theilen. Da¬
mit wäscht man die befallenen Theile oder man
macht damit Compressen und legt sie auf.
Aconit. Derselbe wird in Urtinctur angewendet
und ist ein ausgezeichnetes Mittel bei Schmerzen
in Folge Zahncaries. Man tränkt einen kleinen
Wattepfropf damit und schiebt ihn in die Höhle
des cariösen Zahns, dann bedeckt man Alles zu¬
sammen mit einem leichten Collodiumanstrich.
Acidum lacticum ist ein treffliches Präservativ¬
mittel gegen Zahncaries. Man verwendet es als
Mundwasser. Am besten giesst mau einige Tropfen
auf die Zahnbürste, mit der man sorgfältig die
Zähne putzt; dann spült man mit warmem Wasser
den Mund aus.
Apis melli/ica. Die Urtinctur oder die 1. Ver¬
dünnung ist zweckmässig zur Heilung von In-
sectenstichen. Man schreibt der Tinctur auch eine
grosse Heilkraft zu gegen Haarausfall und vor¬
zeitiger Kahlheit
Arnica montana ist die Panacee bei Contusionen
jeder Art. Man wendet die Urtinctur als solche
an, indem man das betreffende Glied damit wäscht
oder man legt Compressen auf. Ist die Haut ge¬
schürft, verdünnt man die Tinctur im Verhältniss
1:10. Compressen und Waschungen mit Arnica
sind auch sehr heilsam gegen Blasen an den Füssen
auf Märschen und gegen Exceriation und Erosionen,
die durch den Sattel beim Reiten und Velofahren
verursacht werden. MitOpodeldoc eingerieben, heilt
Arnica rheumatische Schmerzen.*)
Auf entzündete Hautschwielen und Hühneraugen
applicirt, lindert Arnica die brennenden Schmerzen
*) Dieses Mixtum compositum ist gewiss entbehrlich,
in eine homöopathische Apotheke gehört es sicherlich
nicht. Red.
Digitized by
Google
86
sofort. Einige Tropfen Arnica, in etwas Wasser ge¬
gossen und zu Gargarismen verwendet, stärkt die
Stimmbänder, bebt deren Müdigkeit und erlaubt
den Rednern, Sängern etc. nach Belieben sich ihrer
Stimme zu bedienen. Arnica findet auch in der
Thierheilkunde ausgedehnte Anwendung.
Arum triphyUum . Als äussere Anwendung dieses
Mittels sind die Gargarismen zu nennen, welche
man mit verdünnter Arumtinctur (einige Tropfen
auf ein Glas) ausführt, um der Stimme mehr Weich¬
heit, Klarheit und Umfang zu geben. Die Gar*
garismen sind wenigstens eine Stunde vor dem
Singen vorzunehmen. Man thut wohl daran, auch
einige Tropfen innerlich in etwas Wasser zu nehmen.
3—5 Tropfen genügen auf ein Weinglas voll Wasser.
Bryonia alba. Obwohl nur für die innere Me-
dication anscheinend bestimmt, hat das Mittel nichts
desto weniger eine ausgesprochene äussere Wirk¬
samkeit. Man bedient sich seiner mit Erfolg zu
Einreibungen bei rheumatischen Affectionen, wenn
diese letzteren durch Bewegung sich verschlimmern.
Bei Tarticollis ist es sehr zweckmässig. Die Ein¬
reibungen werden mit einem Gemisch von 5 Tropfen
Urtinctur auf 100 Tropfen Alkohol gemacht.
Calendula ojficinalis ist ein kostbares Mittel, das
nur allzu sehr von den Homöopathen vernachlässigt
worden ist. Ein mächtiges natürliches Antisepti-
cum,' fast von derselben Wirkung wie das Sublimat,
nur dass es dessen giftige und gefährliche Eigen¬
schaften nicht theilt. (Dies müsste und könnte
dann allerdings vorerst genau experimentell unter¬
sucht werden! Wäre das der Fall, dann wäre es
schon längst an allen chirurgischen Kliniken der
Welt eingebürgert. Ref.) Man gebraucht es in
Urtinctur (in diesem Falle wäre das antiseptische
Agens „ Alkohol “ nicht zu vergessen) oder in Ver¬
dünnung mit Wasser. — Pur vertritt es sehr gut
Arnica, welche bei empfänglichen Personen Ery si¬
pelas erzeugt. (Man würde richtiger sagen ein
erysipelartiges Erythem. Ref.) Verdünnt mit Wasser
zu 25—50 °/ 0 dient Calendula zum Verbinden blu¬
tender Wunden, zur Behandlung von Schorfen und
Schürfungen der Haut etc. Man macht auch eine
Salbe daraus (10 °/ 0 .).
Cantharis als Salbe (1 °/ 0 . mit Vaseline oder La-
noline) ist gut bei Verbrennungen ersten Grades. [
Diese Salbe wirkt auch vorzüglich bei Frostbeulen.
Bei Verbrennungen zweiten Grades mit Blasenbil¬
dung werden die Schmerzen schnell gemildert durch
Waschungen mit 1 °/ 0 . Canthariswasser.
Chamomüla vulgaris , so nützlich bei vielen in¬
neren Leiden, leistet auch grosse Dienste bei äusse¬
rem Gebrauch. Chamomillenöl, oder noch besser
ein Gemisch von Olivenöl und Chamomillenöl (5:10),
giebt ein herrliches Mittel ab zu Einreibungen des
Bauches gegen die Krämpfe kleiner Kinder während
der Dentition oder auch zu einer anderen Zeit;
ferner gegen Krämpfe bei der Menstruation; gegen
Excoriation der Haut bei Neugebornen; gegen sehr
heftige rheumatische Schmerzen, besonders Nachts,
und endlich als ein Adjuvans der internen Medi-
cation, um die Nachwehen nach der Geburt za
mildern.
Clematis vitalba ist ein wenig angewandtes und
doch so herrlich wirkendes Mittel bei hohlen Zähnen.
Ein kleiner Wattetampon, mit der Urtinctur ge¬
tränkt und in den hohlen Zahn eingeführt, be¬
ruhigt sehr oft fast augenblicklich die heftigsten
Schmerzen.
Conium maculatum ist sehr heilsam bei carci-
nomatösen Affectionen. Man bereitet eine Salbe
(10 °/ 0 .) oder legt Compressen auf (1:10 Wasser).
Condurango wird viel angewandt bei carcino-
matösen Affectionen. Unter seinem Einfluss sieht
man das Aussehen der Geschwüre sich rapid bessern.
Am besten benutzt man eine Salbe (5 °/ 0 .), mit
Vaseline bereitet, die man auf Leinwandläppchen
oder anderen Stoff streicht und auf die kranke
Stelle auf legt. Der Verband ist 3—4 Mal täglich
zu erneuern.
Cuprum metaüicum. Die 6. Dilution dieses
Mittels, gemischt mit Oel (15—20 p. c.) zu Ein¬
reibungen, unterstützt mächtig die innere Dar¬
reichung von Cupr. metallic. bei Crampus und
selbst in Fällen von choleriformen Koliken.
Euphrasia ofßcinalis ist sehr zu empfehlen bei
Affectionen der Lider und Conjunctiven. Die Augen
sind chronisch entzündet. Ist das der Fall, so wer¬
den sie Morgens und Abends mit warmem Wasser,
dem man 1—2 Tropfen Euphrasia beigegeben hat,
gebadet. Es wird auch empfohlen als Riechmittel
bei heftiger Coryza, wenn die Augen des Kranken
brennen und beständig thränen.
Gelscmium sempervirens. Dieses Mittel wurde
als heilsam befunden beim Schnupfen und vor allem
als Riechmittel beim Asthma, welches das Heu¬
fieber begleitet. Man muss das in ein Fläschchen
mit weitem Hals gegossene Mittel tüchtig einziehen.
Geranium maculatum. Dieses Mittel ist so gut
wie unbekannt und doch verdient es recht bekannt
zu sein, da es das heftigste Nasenbluten zu stillen
vermag. Göret selbst hatte Gelegenheit, das Ex¬
periment an einem jungen Arbeiter, den ihm sein
Patron geschickt, zu machen. Seit mehr als einer
Stunde hatte er ein Nasenbluten, das allen Mitteln
Widerstand geleistet hatte. Man hielt ihm einen
kalten Schlüssel plötzlich an den Nacken; spritzte
ihm Eiswasser an, tamponirte mit in Eisenchlorid
getauchter Watte etc. Alles umsonst. Da gaben
wir ihm einige Tropfen der Urtinctur von Gera¬
nium maculatum in Wasser zu riechen — und
augenblicklich hörte die Hämorrhagie auf. — Dosis:
Digitized by ^»ooQle
8t
extern 20—25 Tropfen; intern 10 gr auf 150 gr
Wasser, löffelweise einzunehmen.
Graphites . So nutzlos dieses Mittel erscheinen
mag und so unbekannt es den Allöopathen ist, so
ist es nichts desto weniger eines der mächtigsten
Mittel in der ganzen Hahnemann’schen Therapie.
Denn ohne seine grossen Vorzüge aufzuzählen,
welche es als inneres Medicament entfaltet, wird
kein Homöopath seine wohlthätige Wirkung auf
die Haut in Abrede stellen. Graphitsalbe (1. oder
2. Verreibung 1 gr : 30 gr Lanoline) heilt in kür¬
zester Zeit Flechten, Eczeroe, kleine krustige Ge¬
schwüre indolenter Natur (am Munde), sowie Acne-
knoten um Nase und Kinn. Es ist ferner ein kost¬
bares Mittel in der Behandlung von Ulcera im
Allgemeinen.
Hamamelis virgin. Das ist ein Mittel von un¬
geheurem Werth bei der Behandlung der Krampf¬
adern, Ulcera varicosa und blutenden Hämorrhoiden.
Zum äusseren Gebrauch wendet man Hamamelis in
3 Formen an, welche alle ausgezeichnete Resultate
liefern: 1. als Fluidextract, 2. als Salbe, 3. in Ur-
tinctur.
Der Fluidextract kann pur oder in Verdünnung
mit Wasser (5 °/ 0 .) angewendet werden bei Brand¬
wunden, Contusionen, Verstauchungen, Insecten-
stichen, Ulcera varicosa, wenn die Salbe ein Hitze¬
gefühl erzeugt. Die Salbe wirkt ausgezeichnet bei
Hämorrhoiden, Excoriationen der Mammilla und Ul¬
cera. Die Urtinctur braucht man (auch in Mischung
mit Wasser) um Nasenbluten (Tampon!) zu stillen und
um Hämorrhoidalknoten und blutende Hämorrhoiden
zu waschen. Getränkte Wattetampons stillen prompt
Uterushämorrhagieen und verhindern das Entstehen
von Varicen.
Hydrastis canadensis hat eine nennenswerthe
Wirkung auf krebsige Affectionen. Dr. Bayes (von
Cambridge) empfiehlt es zu Waschungen oder Com-
pressen auf die Tumoren. Eine Salbe (10%.) ist
ebenfalls sehr zweckdienlich. Hydrastis gab beson¬
ders gute Resultate in der Behandlung des Scir-
rhus und des Mammacarcinoms. Die Verdünnungen
des Mittels in Pulverform sind sehr gut zum Be-
pudern von lupösen Wunden. Als Schnupfpulver
bei Nasenaffectionen wirkt es sehr wohlthuend. Die
amerikanischen Homöopathen nehmen das Mittel
auch zu Einspritzungen (5°/ 0 .) in den weiblichen
Genitaltractus und zur Behandlung der männlichen
Gonorrhöe. Göret selbst bereitet m seiner Officin
ein unter dem Namen „Tnjection vegetale u in den
Handel gebrachtes Hydrastispräparat, welches be¬
friedigende Resultate liefert.
Hypericum. Die Urtinctur wird, wie bei Amica
oder Calendula, mit Wasser verdünnt und ist be¬
sonders nützlich bei Stichwunden, Risswunden und
Wunden von unten nach oben. Es passt ganz spe-
ciell bei Verwundungen und Contusionen der Nerven*
Man macht hieraus Bäder oder legt Compressen
auf (10%.).
Kali bichromicum , in Pulverform, mit der Ur¬
tinctur von Hydrastis gemischt, findet Verwendung
bei den verschiedenen Nasopharyngeal-Leiden. Rp.
Kali bichromicum 3:10 gr Hydr. con. 0 Tinct.
gttr. XX.
Ledum palustre, in Urtinctur, ist heilsam in ge¬
wissen Formen von Gicht, wo auch die interne Ver¬
abreichung des Mittels angezeigt ist.
Bei arthritischen Schmerzanfällen in den Knieen
ist besonders eine Mischung von Ledum palustre
und Alkohol im Verhältnis 1: 5 sehr empfehlens-
werth. Ledum hilft auch bei Panaritium, welches
durch einen Stich entstand. Es ist das Hauptmittel
bei Stichwunden überhaupt und besonders bei Bienen¬
stichen.
Acidum phosphoric ., in der 3. Potenz, zu Ein¬
reibungen verwendet (1 Mal täglich), verhindert den
Haarausfall.
Phytolacca decandra . Gargarismen mit der Ur¬
tinctur dieses Mittels (10—15gtt. zu 100 gr Wasser)
geben ein gutes Resultat bei Halsentzündungen mit
grosser Schwierigkeit zu schlucken. Bei carcino-
matösen Affectionen hat es auch schon gute Er¬
folge gehabt. Van Berckelaere erfand die Phyto-
lacca-Pastillen, welche sein Nachfolger Göret von
Neuem wieder herstellt, zuerst. Sie sollen sehr gut
sein gegen Halsleiden.
Rhus texicodendron . Einreibungen mit der Ur¬
tinctur von Rhus tox. heilen die Folgen von Ver¬
stauchungen und Verrenkungen etc. Müdigkeit als
Folge einer intensiven und lange dauernden An¬
strengung weicht fast sofort, wenn man die Muskeln
mit Rhustinctur massirt. Rhus-Opodeldoc (10%.)
wird mit Erfolg angewendet bei Lumbago und Tor-
ticollis. Die Urtinctur ist ein souveränes Mittel bei
Brandwunden, welche eitern und nicht vernarben
wollen. (Cautel Red.) — Bei Sonnenstich giebt es
kein besseres Mittel als verdünnte Rhustinctur.
Symphytum officinale . Die Wirksamkeit dieses
Mittels besteht darin, dass es bei Knochenbrüchen
und Verletzungen des Periostes die Eiterung fern
hält. Compressen aus 20%. Mischung mit Wasser!
Thuja occidetdalis ist bekanntlich sehr wirksam
bei Feigwarzen, Condyloma lata und gewöhnlichen
Warzen. Es genügt schon, sie 3—4 Mal täglich
mit der Tinctur zu befeuchten. Es ist empfehlens-
werth, zu gleicher Zeit innerlich Thuja zu verab¬
reichen. Man sah schon in sehr kurzer Zeit Warzen
verschwinden, welche der energischsten Behandlung
getrotzt hatten. Hautschwielen, Hühneraugen etc.
heilen manchmal durch einen fortgesetzten Anstrich
mit der Urtinctur von Thuja.
Urtica urens ist ein gutes Mittel gegen Brand*
Digitized by ^»ooQle
88
wunden ersten Grades ohne Blasenbildung-. 5°/ 0 . Lö¬
sung mit Wasser.
Verbascum Thapsvs. Bei Neuralgie sieht man
oft nach dem Gebrauch der Urtinctur die heftigsten
Schmerzen weichen. (Fortsetzung folgt.)
Seborrhoea.
Von Dr. W.'S. White,
Professor und Docenten für Haut- und Geschlechts-
Krankheiten an dem homöopath. Colleg zu Chicago.
Seborrhöe ist keine seltene Krankheitsform und
in ihrem Anfangsstadium ist sie der innerlichen
Behandlung ziemlich zugänglich, und kann man,
wenn man ihr frühe begegnet, manche ernstliche
Folgen verhüten.
Sie stellt eine Functionsstörung der Talgdrüsen
vor und zeichnet sich durch eine übermässige und
abnorme Secretion von Talg aus, die auf der Haut¬
oberfläche entweder einen ölartigen Ueberzug oder
eine Anhäufung von weisslichen oder gelblichen
Schilfern bildet.
Bei Frauen soll sie etwas häufiger Vorkommen
als bei Männern. Der damit behaftete Patient ist
gemeinhin schlecht genährt, mager, blass, an kalten
Händen und Füssen leidend. Anämische und chloro-
tisclie Frauen, sodann schlecht gepflegte Kinder
stellen das meiste Contingent für die Seborrhöe.
Wie fast alle Hautleiden, hat sie ihre Lieb¬
lingsstellen und zwar sind diese der Haarkopf, das
Gesicht, der Rücken, die Brust und die Geschlechts-
theile.
Die Seborrhoea oleosa findet sich häufiger bei
Personen mit dunkler Färbung des Gesichts und
des Haars. Wenn das Haar das auf der Kopf-
schwarte reichlich abgesonderte Oel absorbirt, so
bekommt es ein glänzendes Aussehen, während die
kahlen Stellen und das Gesicht fettig und Ölig er¬
scheinen und sich auch so anfühlen. Die ölige
Absonderung kann so stark sein, dass Oeltröpfchen
auf der Oberfläche stehen; mischt sich dieser Fett¬
überzug mit Staub, so entsteht das schmutzige,
mudelige Aussehen des Haares, wie es uns oft vor¬
kommt.
Die Seborrhoea sicca, die andere Art, ist bei
Weitem wichtiger und unangenehmer, zumal wenn
sie den Haarkopf zum Sitze hat. Sie kommt mehr
bei blonden Personen vor.
Wir finden sie bei der Bildung der Vernix
caseosa der Neugeborenen, doch mag sich dies
Smegma, in der Form einer weissgrtinlichen Kruste
von verschiedener Dicke, bis zum zweiten Lebens¬
jahre hinziehen. Die Schuld kann in der Unacht¬
samkeit von Mutter oder Wärterin liegen, indem
diese den Kopf des Kindes nicht gehörig reinigen.
oder in der Besorgniss, die von den Grossmüttern
genährt wird, dass eine Beseitigung der Kindskappe
I (wie man es dort gewöhnlich nennt) böse Folgen
i mit sich führe, das Smegma nicht entfernen. Verf.
sieht diese Seborrhöe des kindlichen Alters mehr
| als eine physiologische, denn als eine pathologische
Erscheinung an, denn wenn die Drüsen zur vollen,
normalen Function gelangen, so verschwinden jene
Krusten schnell von selbst.
Um die Pubertätszeit sind alle Drüsen überaus
thätig, und es werden oft feine weisse Schuppen
vom Haarkopf abgestossen — der sogenannte
Schinn —, die, weun sie dem Pat. auf die Schultern
fallen, ihm sehr unangenehm werden. Lässt man dies
ungestört fortgehen, so werden die Drüsen bald
verklebt und Flechten — erst weiss, später gelb —
können eine Anzahl von Haarfollikeln bedecken.
Sie werden dicker und stören durch ihren Druck
die Ernährung der Drüsen und ihrer Follikel, und
später deren Gewebe und Secretion. Das Haar
wird nun fosch und glanzlos, stirbt daun ab und
fällt aus. Entfernt man die Kruste, so erscheint
die Kopfhaut blass, anämisch. Lässt man diese
Schuppen und Krusten an den Follikeln festsitzen,
so ist eine frühzeitige und bleibende Kahlheit die
Folge.
Auf dem Gesicht begegnet uns das Leiden als
eine gelbe oder grünliche Kruste, die um die
Nasenflügel und am Kinn besonders stark hervor¬
tritt. Hier wirkt diese Secretion zusammen mit
dem angehäuften Schmutz verunstaltend genug, und
die von den Talgpröpfen erzeugte Reizung kann
zuweilen acneähnliche Pusteln veranlassen. Ist
dieser Reiz sehr hochgradig, so entsteht leicht ein
der Acne rosacea ähnlicher Zustand, und besonders
um die Nase. Entfernt man in Fällen dieser Art
die Schuppen, so findet man die Follikel ausge¬
dehnt, ihre Mündungen stehen weit offen und es
findet ein beständiger Abfluss des Secretes auf die
Oberfläche statt.
Was das Uebel an den Geschlechtstheilen be¬
trifft, so hat man es bei dem weiblichen Geschlecht
an der Clitoris und den Labien, beim männlichen
unter der Vorhaut und an der Rückseite der Eichel
zu suchen.
Es bildet sich eine weisse, dickliche, teigige
Schmiere bei Leuten, die ihre Hautpflege vernach»
lässigen; dank der übermässigen Feuchtigkeit jener
Theile wird der Ueberzug sich schnell zersetzen,
so dass bei Frauen eine Vulvitis, bei Männern eine
Balanitis entsteht. Der sich hierbei entwickelnde
Gestank ist charakteristisch.
In den gewöhnlichen Fällen kommt es nur zu
einer geringfügigen Gewebsstörung der Drüsen;
kann aber der Process unbehindert sich fortent¬
wickeln, so bleibt Atrophie der Drüsen, der Follikel
Digitized by L^OOQle
80
und anliegender Gewebe — insbesondere auf der
Kopfschwarte — nicht aus.
Die mikroskopische Untersuchung des Produkts
ergiebt eine amorphe, fettige, feinkörnige Masse
nebst einer Anzahl Epithelialzellen von den Wan¬
dungen der Drüsen und ihrer Gänge. Fett und
Schuppen variiren in der Menge.
Die genaue Diagnose der Seborrhöe ist oftmals
nicht leicht. Eczema squamosum exfoliatus mit
seiner feinen weissen Abschuppung ist der Seborrhöe
ähnlich, aber die Kruste des ersteren ist brüchig-
spröde, während die der letzteren meist zu einer
Wachskugel geknetet werden kann. Beim Eczema
geht Nässen voran, und bei ihm zeigt sich, wenn
man die Krusten entfernt, eine glänzendrothe, meist
blutende, infiltrirte Hautfläche. — Jucken und
Brennen sind immer zugegen. — Seborrhöe ist von
Beginn an trocken; die Haut ist blass oder bläu¬
lich, und blutet nicht nach Entfernung der Krusten,
Jucken ist selten.
Psoriasis zeigt auch weisse, spröde Schuppen
und nach Entfernung der Kruste eine leichte Blu¬
tung von einem dunklen Grunde, der sich von der
gesunden Haut unvermitteltabhebt; in der Seborrhöe
dagegen sind die Schuppen wachsartig und ist die
Unterfläche farblos, abgesehen von sehr schlimmen
Fällen, wo die Krusten die Haut gereizt haben.
Bei jungen Kindern ist die Prognose im All¬
gemeinen günstig, bei Erwachsenen weniger, da
sie von dem allgemeinen, constitutionellen Zustand
des Kranken, von der Localisationsstätte, der Re-
action auf die Behandlung abhängt. — Fangen die
Kopfhaare an auszufallen, so kann man die Wieder¬
herstellung neuer Haare nicht versprechen, und
hat man Sorge zu tragen, die noch vorhandenen
zu erhalten.
Therapie. Bei Behandlung dieses Hautleidens
sind sowohl constitutioneile als örtliche Mittel er¬
forderlich. Der Patient ist unter die möglichst
besten hygienischen Verhältnisse zu bringen; frische
Luft, gehörige Bewegung und eine nahrhafte Diät
sind, besonders für die Frauen, dringend geboten.
Leberthran wird oft nöthig sein, um verfallenen
Kranken aufzuhelfen. Von innerlichen Mitteln sind
an gezeigt:
Arsenicum album, besonders dann, wenn Anämie
vorhanden ist, bei schmutzig-schmieriger'Haut und
gelber Gesichtsfarbe.
Ammonium mur. bei reichlicher Anhäufung
kleienartiger Schüppchen mit Haarausfall.
Calcarea carb. ist besonders nützlich bei Per¬
sonen mit einer ölglänzenden Nase, bei Kindern,
wenn die Kruste auf dem Kopfe dick ist und die
Haut reizt.
Kali carb. ist sehr dienlich, wo täglich ein
starkes Ausfallen trockener (spröder) Haare nebst
vielen Schinnen stattflndet.
Mercur. sol. bei Seborrhoea genitalium.
Phosphorus zeigt sich sehr wirksam bei
schwachen, hinfälligen Personen, wenn die Schuppen
reichlich sind, dabei Jucken.
Rhus tox. hat bei Seborrhöe des Gesichts bei
Vorhandensein von Acne gute Dienste geleistet.
Verf. giebt dann die äusserlichen Mittel an, die
sich ihm am Meisten bewährt haben. Bei Kindern
die ausgiebige Anwendung von Süssmandel- oder
Oliven-Oel, nebst gründlicher Waschung mit grüner
Seife in warmem Wasser Morgens, ausserdem der
Gebrauch von Schwefelsalbe oder einer 5 °/ 0 . Borax¬
salbe.
Bei Erwachsenen, wenn die Seborrhoea sicca
auf dem Haarkopf hervortritt, soll man die Schuppen
schnell entfernen, und zwar mittels reichlicher An¬
wendung von Süssmandelöl Abends und einer
Waschung mit grüner Seife Morgens. Hierbei blei¬
ben manche Aerzte stehen, aber mit Unrecht, denn
nach der Entschuppung findet eine Zusammen¬
ziehung der Gewebe statt, die nicht bloss für den
Pat. unbehaglich, sondern auch der Drüsensubstanz
schädlich wird. Deshalb möge man, nachdem man
die Kopfhaut gehörig abgetrocknet hat, ein toni¬
sches Mittel, sei es in Form eines Oels oder einer
spirituösen Tinctur, anwenden. Derartige Verord¬
nungen sind:
Rpt. Tinct. Cantharides 3,0.
Pulv. Cinchon. Bark 11,0.
Spirita, vin. rectific. 500,0.
MS. Nach der Seifen Waschung.
Oder:
Rpt. Tr. Cantharides 3,0.
Acidi tannici 1,5.
Lanolin 30,0.
MS. Liniment.
DS. In die Kopfhaut gründlich ein¬
zureiben.
In milden Fällen ist das Shamponiren mit Ei oft
Alles, was nöthig ist, um die Kur zu vollenden.
Seborrhöe im Gesicht wird gewöhnlich durch
Waschen mit einer guten Kaliseife und Anwen¬
dung von Acidum tannicum in der 2. Dec.-Ver¬
reibung gebessert; danach wird die abnorme Secre-
tion bald verschwinden. Besteht noch eine Erweite¬
rung der Follikel, so ist Schwefelsalbe sehr wohl-
thuend. —
Wenn uns die auf unseren Universitäten von
den Docenten der alten Schule vorgetragenen theo¬
retischen Anschauungen und praktischen Mass¬
nahmen nicht gleichgültig sind, so bringen wir dem,
was in den homöopathischen Collegs Amerikas ge¬
lehrt und praktisch ausgeübt wird, fast noch mehr
Interesse entgegen. Deshalb halten wir uns ver-
12
Digitized by c^ooQie
90
pflichtet, den Lesern unserer Zeitung öfter hier¬
über zu berichten. — Die hier gegebene Darstel¬
lung der Seborrhöe ist gut und meist vollständig;
nur vermissen wir die Angabe, dass auch die Achsel-
Gegend häufig Sitz dieser Hypersecretion ist, bei
der man eigentlich nicht von Lieblingsstätten der
Localisation sprechen kann, die vielmehr da auf-
tritt, wo eben die Talgdrüse in reichlicher Menge
vorhanden ist. Für einen rein physiologischen Pro-
cess können wir nur die Bildung der Vernix caseosa
beim Foetus ansehen, sonst müsste diese Hyper¬
secretion der Talgdrüsen bei allen Kindern auf-
treten. Ist doch auch die reichliche Schweissbildung
am Kopfe kleiner Kinder im Schlaf keine allge¬
meine Erscheinung, und zeigen Mittel, wie Sulphur,
Calc. carb., Silicea, welche diesem Symptome ent¬
sprechen, die constitutionelle Artung dieses Vor¬
gangs. — Im Ganzen stimmen wir dem Verf. zu,
wenn er neben den innerlich angewandten Mitteln
milde, äusserliche, aber möglichst einfache, nicht gar
zu sehr componirte, bei der Seborrhöe anwendet. —
Ein Haupttonicum, das wir freilich erst im späteren
Verlauf des Uebels heranziehen möchten, die An¬
wendung von kalten Waschungen, haben wir ver¬
misst. Dr. Motsa.
Ueber die Erkrankungen
des Nasenemgangs und seiner Umgebung.
(Erythem, acne rosacea.)
Von Dr. Felix Peltesohn-Berlin,
Specialarzt für Ohren-, Hals- und Nasenleiden.
Während die vordere Rhinoskopie ihre Schwierig¬
keiten hat, ist es ein Leichtes, sich über Sitz,
Charakter und Form aller derjenigen Krankheits-
processe zu unterrichten, welche am Naseneingange
und dessen Umgebung sich abspielen und deren
Zahl und Bedeutung, wie wir sehen werden, keine
unbeträchtliche ist. Ich habe daher versucht, für
den Arzt die Krankheiten des Naseneingangs und
seiner Umgebung, soweit sie ohne besondere Hilfs¬
mittel oder Anwendung rhinoskopischer Technik
gesehen und beurtheilt werden können, tu be¬
schreiben und diejenige Behandlung zu empfehlen,
die nach der Erfahrung der besten Autoren am
schnellsten und sichersten zur Heilung führt.
Bei der Besichtigung des Naseneingangs er¬
blickt man zunächst die zwei Nasenlöcher, die seit¬
lich von den beiden Flügelknorpeln und in der
Medianlinie von dem untersten Theü der knorpeligen
Nasenscheidewand und dem Septum fibrosum be¬
grenzt werden. Blickt man weiter in das Innere
hinein, indem man die Nasenspitze ein wenig auf¬
richtet und Sonnenlicht direct oder refiectirtes Licht
in die Nase hineinfallen lässt, so sieht man den
Vorhof der Nase und an seiner lateralen Fläche
die Vorhofsfalte, die zusammen mit der gegenüber¬
liegenden Seite der Scheidewand das sogenannte
innere Nasenloch bildet. Die genannte Falte rührt
daher, dass der dreieckige, etwas nach aussen ge¬
wölbte, von der vorderen Kante des Scheidewand¬
knorpels entspringende Seitenwandknorpel mit seinem
unteren freien Rande in die Nasenlichtung hinein¬
springt und daselbst eine seitlich gestellte Leiste
hervorruft. Diese Plica vestibuli bildet nach Zucker-
kandl mit der unter ihr befindlichen Partie des
Vestibulum eine Art Windfang für die einströmende
Athemluft.
Der Flügelknorpel ist eine kaum einen Milli¬
meter dicke, vorn hakenförmig umgebogene Platte,
die das äussere Nasenloch umsäumt, ohne jedoch
die Hautumsäumung des Nasenlochs ganz zu er¬
reichen. Nach oben steht derselbe durch Sesam¬
knorpel mit dem darüber gelegenen Seitenwand¬
knorpel in Verbindung. Rückwärts bildet der
Flügelknorpel ein wie zerknittert aussehendes, häufig
in mehrere Stücke getheiltes und so schmales Knorpel¬
band, dass, strenge genommen, der hintere Theil
des Nasenflügels (häutiger, muskulöser Nasenflügel)
knorpelfrei ist.
Diese Partie des Nasenflügels besitzt dement¬
sprechend eine grössere Beweglichkeit, als die rein
knorpelige vordere Partie (Zuckerkandl). Der me¬
diale bedeutend kürzere Schenkel des Hakens
schliesst sich dem unteren Rande des knorpeligen
Septums an und schiebt sich hier in das die äusseren
Nasenöffnungen trennende Septum cutaneum ein,
dem es eine gewisse Starrheit verleiht.
Die Haut der Nasenspitze und der Nasenflügel
ist mit vielen Talgdrüsen besetzt, die auffallend
grosse Oeffnungen besitzen. Sie schlägt sich in
den Vorhof der Nase um und geht unmittelbar in
die Bekleidung des Naseneingangs über. Man sieht
daher im Vorhofe Talgdrüsen und Haare, und zwar
jene bekannten feinen Vibrissen, die bei manchen
Individuen, namentlich in höherem Alter zu steifen
Borsten aus wachsen können. Der Uebergang der
Haut in die Schleimhaut ist im Vestibulum ähnlich
wie an der Lippe deutlich gekennzeichnet. Das
blasse, opake, stellenweise gefaltete, verschiebbare
Hautgewebe hebt sich gegen die sammetartige, leb¬
haft gefärbte Schleimhaut schon makroskopisch ge¬
nügend scharf ab. Die mikroskopische Untersuchung
dieser Gegend, die wir, wie die meisten anatomi¬
schen Daten über die Nase, ebenfalls den vortreff¬
lichen Arbeiten Zuckerkandl’s verdanken, ergiebt
folgendes Bild von dem Uebergang der Haut in
die Schleimhaut: Zunächst lässt sich die Haut in
ganz unverändertem histologischen Verhalten in den
Vorhof hinein verfolgen. Dann aber schaltet sich
als Uebergangsform eine dünne Partie ein, deren
Digitized by ^»ooQie
91
unterer Abschnitt an die Auskleidung des äusseren
Gehörgangs erinnert, während der obere direct in
die typische Mukosa des Naseninnern übergeht.
Der untere Abschnitt setzt sich aus einem dichten
Bindegewebsfilz zusammen, der sich oberflächlich
zu zahlreichen Papillen erhebt, während Talgdrüsen
und Härchen schon vollständig fehlen. Die Ober¬
fläche ist mit geschichtetem Pflasterepithel bedeckt,
dessen oberste Schicht noch verhornt sein kann.
Vorn, zunächst der Nasenspitze sowie an dem oben
genannten hinteren häutigen Abschnitt der Nasen¬
flügel findet sich im Innern wahres Integumentum,
während die mittlere Partie bis über die Plica
vestibuli empor mit der Uebergangsform der Kutis
bekleidet ist. Am Septum reicht die wahre Haut,
vom Nasenloch angefangen, bis zu einer Zone em¬
por, deren Lage ungefähr der Höhe des inneren
Schenkels des Flügelknorpels entspricht. Von hier
an bis zu einer etwa 1,5 cm über dem Nasenloch
befindlichen, schräg von hinten unten nach vorn
oben aufsteigenden Linie folgt der drüsenlose Binde¬
ge websfilz. Da, wo die ersten Schleimdrüsen er¬
scheinen, hört meist der Charakter des Integumen¬
tum auf, und die typischen Kennzeichen der Schleim¬
haut erscheinen. Doch kann man gelegentlich schon
Schleimdrüsen erblicken in einer Gegend, die in
ihrer äusseren Configuration noch ganz der Kutis
entspricht und deren oberflächliche Schichten stark
verhornt sind.
Wir werden weiter unten sehen, dass die Histo¬
logie dieser Gegend für das Verständnis der Er¬
krankungen dieser Stelle eine grosse Rolle spielt.
Die arteriellen Gefässe des Naseneingangs und
seiner Umgebung sind ausserordentlich zahlreich
und stammen im Wesentlichen aus den Endausbrei¬
tungen der Maxillaris externa. Doch sind daneben
reichliche Anastomosen mit Zweigen der Maxillaris
interna, der Ophthalmica und Ethmoidalis vor¬
handen.
Die Venen begleiten meist die Arterien auf
ihrem Verlaufe und ergiessen sich in die Vena na-
salis anterior profunda, die ihrerseits wiederum in
die Vena facialis anterior mündet. Die Lymph-
gefässe folgen dem Verlaufe der äusseren Kiefer¬
arterie und entleeren sich in die Unterkieferdrüsen.
Unter den Erkrankungen des Naseneingangs
ist zunächst das Erythem zu nennen, welches in
einer abnormen Röthung der Nasenspitze besteht,
vom hellen Roth bis zum dunklen Blauroth schwankt
und der ergriffenen Stelle ein glänzendes, ge¬
schwollenes Aussehen verleiht. Bisweilen, nament¬
lich in vorgeschrittenen Fällen und bei älteren In¬
dividuen, sieht man einzelne erweiterte Gefässe von
geschlängeltem Verlaufe auf der Oberfläche der
Haut. Meist bleibt die Röthung auf die Nasen¬
spitze beschränkt, bisweilen setzt sie sich jedoch
auch auf die Wangen fort und kann dann der er¬
krankten Partie die Form eines Schmetterlings ver¬
leihen, bei dem die Nase den Körper vorstellt. Aus
dem Erythem kann bei länger dauernder Einwir¬
kung der später unten zu beschreibenden Schäd¬
lichkeiten sich das klassische Bild der Acne rosacea
und seines extremsten Stadiums, des Rhinophyma
(Pfundnase), entwickeln. Tritt nämlich zu der Ver¬
änderung der Gefässe noch eine Bindegewebswuche¬
rung der Umgebung hinzu, so treten kleine flache
Papeln auf, die in Folge der Gefässwucherung
ebenfalls eine intensiv rothe, auf Fingerdruck ver¬
schwindende Farbe zeigen. Die einzelnen Knöt¬
chen können auch Zusammenflüssen und gelegent¬
lich bis zur Grösse einer Walnuss auswachsen.
Dabei werden die ursprünglich weichen Knötchen
mit der Zeit hart. In seltneren Fällen unterbleibt
eine Knötchenbildung. Dafür tritt eine gleich-
mässige Hypertrophie der befallenen Stelle ein, so
dass die ganze Nasenspitze in toto vergrössert er¬
scheint bei ziemlich glatter Oberfläche. In allen
Fällen jedoch findet eine Betheiligung der Talg¬
drüsen statt in Form einer einfachen Seborrhöe oder
auch Acne vulgaris, wobei sich dann zahlreiche
Follikel infiltrirt bezw. vereitert erweisen. Die
Ausführungsgänge der Talgdrüsen erscheinen in
manchen Fällen auffallend erweitert, so dass sie als
tiefe Poren auf der gerötheten und geschwollenen
Umgebung sichtbar werden.
Der histologische Befund bei Acne rosacea deckt
sich fast vollständig mit den Befunden bei Elephan¬
tiasis, so dass Lesser keinen Anstand nimmt, die
besprochenen Veränderungen an der Nase als Ele¬
phantiasis nasi zu bezeichnen. Eine Untersuchung
der exstirpirten Stücke ergab im Wesentlichen eine
enorme Vermehrung des Bindegewebes, welches
von sehr erweiterten Venen durchzogen ist, sowie
eine Vergrösserung der Talgdrüsen. Auch Kaposi
schildert die kleinen Knoten, sowie die geschwulst¬
artigen und lappigen Neubildungen als aus neu¬
gebildetem, gallertartigem Bindegewebe bestehend.
Das letztere kann sich zu fest bleibendem Binde¬
gewebe organisiren, aber ebensogut auch zur
Schrumpfung und Resorption gelangen.
Die Aetiologie deB Erythems, der Acne rosacea
und des Rhinophyma ist eine höchst mannigfache,
aber in jedem einzelnen Falle sehr schwer fest¬
zustellen. Geringe Grade der Röthung können
schon nach geringem Echauffement, nach dem Essen,
bei Btarken Kältegraden sich zeigen. Dass die Mit¬
glieder gewisser Familien eine Disposition dafür
mitbringen, darüber besteht kein Zweifel. Charakte¬
ristisch für diese erblich belasteten Individuen ist
es, dass sie noch vor der Pubertät an rothen Nasen
leiden. Ich selbst habe durch drei Generationen
hindurch das traurige Erbtheil einer Acne rosacea
12 *
Digitized by ^»ooQle
92
zu beobachten Gelegenheit gehabt. Der betagte
Grossvater vertilgte, als ich ihn kennen lernte, be¬
trächtliche Mengen Wein und Bier. Allein sein
Sohn sowohl, wie sein Enkel hatten bereits zu einer
Zeit, wo ein übermässiger Genuss von Alkohol noch
gänzlich ausgeschlossen war, ganz deutlich rothe
Nasen. Der übergrosse Genuss von Spirituosen
spielt fraglos in der Aetiologie der rothen Nase
eine grosse Rolle, und zwar soll Branntweingenuss
dunkelblaue Röthe mit starken Teleangiektasieen
hervorrufen, während bei Weintrinkern mehr die
mit Bindegewebshypertrophie einhergehenden Ge¬
schwulstbildungen Vorkommen.
Ferner hat die Function der Geschlechtsdrüsen
einen unzweifelhaften Einfluss auf die NasenrÖthe
bei beiden Geschlechtern. Erstens tritt die Acne
rosacea mit wenigen Ausnahmen erst mit bezw.
nach der Pubertät auf. Dann begegnen wir ihr
bei den verschiedensten Störungen in der weib¬
lichen Sexualsphäre.
Ferner spielen in der Aetiologie der Acne rosa¬
cea eine Rolle alle Stauungen im Gebiete der Pfort¬
ader, sowie Magen- und Darmkatarrhe. Sie wird
bei denjenigen Berufen angetroffen, deren Vertreter
sich allen Unbilden der Witterung aussetzen müssen,
wie Matrosen, Kutscher, Hökerfrauen. Kaposi hat
merkwürdig oft das Auftreten der Acne rosacea
bei Leuten beobachten können, die Jahre hindurch
in übertriebener Weise Kaltwasserproceduren Vor¬
nahmen. Die chronischen Katarrhe der Nase mit
Schwellungen der Muscheln sind nicht ohne Ein¬
fluss auf die Röthe der äusseren Nase, was bei
den vielen Anastomosen zwischen den Gefkssen des
Naseninnern und der Nasenspitze kein Wunder ist.
Moritz Schmidt glaubt sogar, dass das Tragen von
schlecht sitzenden Brillen und Kneifern durch be¬
hinderten Abfluss des venösen Blutes Schuld an
Acne rosacea sein kann.
Die persönlichen Beschwerden der von Acne
rosacea Befallenen sind sehr gering und bestehen
fast nur in einem erhöhten Wärmegefühl. Jedoch
die starke Entstellung des Gesichts und der mit
der Kupfernase stets verknüpfte Verdacht, dass sie
die Folge zu vielen Trinkens sei, treibt die^armen
Kranken dazu, sich selbst den sonderbarsten, thera¬
peutischen Massnahmen zu unterziehen und hetzt
sie von einem Arzt zum anderen. Besondere Ge¬
fahren sind ebenfalls nicht mit der Acne rosacea
verbunden. Man hat niemals bösartige Geschwülste
daraus entstehen sehen. Wohl aber hat man ge¬
legentlich bei gestielten Geschwülsten ein spontanes
Abfallen derselben erlebt.
Die Prognose ist quoad sanadonen completam
nur dann günstig zu stellen, wenn der Kranke
frühzeitig in die Behandlung tritt und sich der¬
selben nicht zu bald entzieht. Die Möglichkeit
einer Heilung ist natürlich da am grössten, wo es
gelingt, die ursächlichen Schädlichkeiten zu er¬
kennen und zu beseitigen.
Die Diagnose macht trotz des wechselvollen
Aussehens, das eine Acne rosacea darbieten kann,
keine erheblichen Schwierigkeiten. Die eigentüm¬
liche Beschränkung auf Nase und Wangen unter¬
scheidet sie leicht von der Acne vulgaris, der
Mangel an Schuppenbildung und der weitere Ver¬
lauf von Lupus erythematoides. Das Fehlen von
Ulcerationen oder umfangreichen Narben lässt eine
Verwechslung mit Lues oder Lupus kaum zu.
Allenfalls könnte noch ein ungeübter Beobachter in
sehr vorgeschrittenen Fällen an Rhinosclerom den¬
ken; doch unterscheidet der ganze Verlauf, die
eigentümliche knorpelartige Härte, sowie das Fort¬
schreiten der Geschwulst auf das Innere der Nase
und die damit verbundene Verengerung der Nasen¬
öffnung das Rhinosclerom deutlich von Rhinophyrna.
Die Behandlung wird natürlich zunächst die
nachweisbaren ursächlichen Schädlichkeiten in jedem
einzelnen Falle zu beseitigen haben. Man wird
also Magen- und Darmkatarrhe, Hämorrhoiden,
Leberkrankheiten, Affectionen der Sexualorgane be¬
handeln, vor dem Missbrauch der Spirituosen warnen
und auf die Witterungsunbilden, sowie übertriebene
Kaltwasserproceduren als Schädlichkeiten hinzu¬
weisen haben. In allen Fällen von chronischen
Nasenkatarrhen, Muschelhypertrophieen etc. wird
man durch galvanokaustische und andere Opera¬
tionen gegen eine Blutüberfüllung des Naseninnern
zu arbeiten haben. Local genügt in leichten Fällen
schon die Application einer lOproc. Schwefelsalbe
oder die Aufpinselung des Bodensatzes einer Mixtur:
Sulfur, praecip., Aq. amygdal. amarar. ana 10,0, Aq.
Calcar. 50,0. — An Stelle des Schwefels wirkt auch
ganz zweckmässig das Ichthyol (2 : 20 Lanolin).
Es empfiehlt sich, die Abends aufgetragenen Salben
aus Schwefel oder Ichthyol am Morgen mit warmem
Wasser und Kaliseife wieder abzuwaschen. Bei
der hierbei meist entstehenden Reizung der Haut
soll man zwiBchenhindurch indifferente Salben an¬
wenden oder die gereizten Stellen mit Princessinnen-
wasser (Bismuth. subnitric. 1,0, Tale. 15,0, Aq.
rosar. 150,0) waschen. Wo jedoch bereits erweiterte
Gefksse vorhanden sind, müssen dieselben durch
methodische multiple Scarification zur Verödung ge¬
bracht werden. Am besten wirken dichte, parallel
zu einander geführte Stichelungen, die in mehr¬
fachen Sitzungen, je nach der Intensität des Falles,
fünf- bis zehnmal zu wiederholen sind. Die danach
auftretenden Blutungen müssen durch Gompression
gestillt werden. Eine nachträgliche Application von
EiBenchlorid oder Argent. nitric. wird von Kaposi
widerrathen. Uebrigens empfiehlt der Letztere bei
den leichteren Formen die Application eines gut
Digitized by ^»ooQle
93
klebenden Quecksilberpflasters, methodische Ein¬
pinselung von Jodtinctur bezw. Jodglycerin. Letz¬
teres wird 8—12 Mal binnen 3—4 Tagen auf die
erkrankte Haut gepinselt und die Haut sodann mit
Guttaperchapapier belegt. Bei den ausgesprochenen
Formen von Geschwulstbildung tritt natürlich das
Messer in seine Rechte, und man muss zu Keil-
excisionen der Haut mit nachträglicher Vereinigung
der Wundränder durch die Naht schreiten. Jurasz
hat derartige Operationen mit gutem Erfolge ge¬
macht. Lassar hat ebenfalls das Abtragen der Ge¬
schwülste mit dem Messer und Jodoform verband
und Thiersch’sche Transplantation danach empfohlen.
Lassar hat auf diese Weise behandelte Fälle in
10 Tagen heilen sehen.
(Deutsche Medicinal-Zeitung. Dec. 1887.)
M.
Vom BUchertische.
Uso familiäre dei rimedi omeopatioi Ricordo dell’
esposione generali di Torino. 1898. Von Dr.
G. Bonino. Turin.
Bei der im vorigen Jahre in Turin stattgefun¬
denen allgemeinen Ausstellung war auch die homöo¬
pathische Heilkunst und Heilwissenschaft würdig
vertreten, und hat sich unser College Dr. G. Bonino
der Mühe unterzogen, zum Andenken an diese Aus¬
stellung, eine Art homöopathischen Hausschatz
seinem Volke darzubieten. Derselbe ist in ähn¬
licher Weise abgefasst wie das Hirscbel’sche Buch,
giebt eine Geschichte der Homöopathie, mit der
das Leben Hahnemann’s verbunden ist, und ertheilt
dem Leser dann Anleitung und Unterweisung,
welche Mittel er in den am häufigsten vorkommenden
Fällen anzuwenden habe. Es gehört aber immer
schon ein Grad von Bildung und Kenntniss der
Physiologie und Pathologie dazu, um sich im
klinischen Theile zu orientiren, zumal da die Krank¬
heiten mit dem schulgerechten Namen bezeichnet
werden. Insofern bleibt C. Hering’s homöopathischer
Hausarzt, der solche Kenntnisse nicht voraussetzt,
noch immer ein unerreichtes Volksbuch. Dafür
wird Dr. G. Bonino’s Buch für den jungen Mediciner,
der einen Einblick in diese Heilmethode sich ver¬
schaffen möchte, ein geeigneter Leitfaden sein.
Anuuaire de Hiomoeopathie & Paris. Von Dr.
Gör&rd Enoausse. 1899.
In diesem Büchlein haben wir eine Zusammen¬
stellung von den Verhältnissen der Homöopathie in
Paris; wir erfahren daraus die Anzahl und das
Locale der homöopathischen Hospitäler und Dispen¬
sarien (Polikliniken), sowie eine Liste der homöo¬
pathischen Aerzte und Apotheker in Paris. Ausser¬
dem finden wir einen Artikel zur Verständigung
mit den allöopathischen Aerzten betreffs unserer
Heilmethode, eine Uebersicht der gebräuchlichsten
homöopathischen Arzneien und deren therapeutische
Anwendung. Wenn wir diese letzteren Artikel für
weniger wesentlich halten, so kann uns das an¬
gegebene statistische Material sehr willkommen sein;
es giebt jedem, der Paris besuchen will, zumal
während des beabsichtigten homöopathischen inter¬
nationalen Congresses im nächsten Jahre, zur Zeit
der Weltausstellung, einen guten Wegweiser.
A text book of m&teria medica and therapeutics
of rare homoeopathic remedies. As Supplement
to Br. A. C. Cowperwaiter’s „M&teria medica 44 or
every greater m&teria mediea. By Oscar Hansen,
M. D. London 1899.
Nunmehr liegt uns ein englisches Buch vor,
aber der Vater desselben ist der liebe, dänische
College Dr. Hansen, der hier im englischen Ge¬
wände erscheint. Ein emsiger Forscher in unserer
Materia medica, hat er letzthin sein Augenmerk be¬
sonders auf die seltener gebrauchten, theilweise
noch gar nicht durch geprüften, sondern mehr ex
usu in morbis gekannten Mittel gerichtet und legt
uns in diesem Werkchen die Frucht seines Sammel-
fleisses vor. Wir erhalten somit einmal ganz kurze
pathogenetische Notizen über eine Anzahl Mittel,
sodann therapeutische, klinische Indicationen, und
zwar überwiegen letztere. Gern hätten wir auch
pharmacologische Notizen über einige neuere, nament¬
lich in Amerika vielfach gebrauchte Mittel gehabt,
so z. B. über Lac caninum, Sabal serrulat. u. a.
Immerhin ist Dr. Hansen’s Werk ein sehr nützliches
Supplement zu den bereits vorhandenen Büchern
über homöopathische Arzneimittellehre — und das
war ja des Autors Absicht.
Zum Schluss erwähnen wir noch eine deutsche
Schrift:
Die Gefahren der künstlichen Sterilität, besonders
in ihrer Beziehung zum Nervensystem. Eine
Studie für Aerzte und Laien. Von Dr. med.
C. Aotolf. Leipzig 1898.
die bereits in vierter vermehrter Auflage erscheint.
Die bedeutsame Frage der facultativen Sterilität,
d. h. der absichtlichen Behinderung der Befruch¬
tung durch mancherlei Manipulationen und mecha¬
nische Mittel, ist in letzter Zeit von berufenen
Aerzten wie auch von meist unberufenen Laien
vielfach erörtert und ins grosse Publikum geworfen
worden. Es haben sich bereits eine Anzahl „Er¬
finder 44 an die Herstellung mehr oder weniger
raffinirter mechanischer Apparate zur Erreichung
des oben gedachten Zweckes gemacht, und ist auf
diesem Gebiete viel gesündigt worden. Dagegen
Digitized by
Google
94
erhebt nun Verf. seine warnende Stimme. Um den
Laien einen Einblick in das zu geben, worum es
sieb hier handelt, giebt er eine übersichtliche Dar¬
stellung der geschlechtlichen Verhältnisse, der
Zeugung und Befruchtung beim Menschen. Dann
bespricht er die mannigfachen anticonceptionellen
Mittel, die bereits im Gebrauch sind, und hieraus
kann auch der Arzt Manches lernen. Schliesslich
stellt er eingehend die Gefahren dar, welche aus
all diesen Manipulationen für die Gesundheit,
namentlich für das Nervensystem beider Geschlechter,
insbesondere aber für das weibliche, entspringen.
Nur ein einfaches physiologisches Mittel lässt er
gelten, die Ausübung des Coitus zu einer Zeit, in
der erfahrungsgemäss die Conception am seltensten
zu Stande kommt, d. h. die Zeit bald nach Ablauf
einer Menstrualperiode. Alles Andere ist natur-
und deshalb gesundheitswidrig — eine Ansicht, in
der wir mit dem Verf. völlig übereinstimmen.
Dr. Moisa.
Selenium in der Impotenz.
Dr. Halbert macht auf Selenium bei Behandlung
der Impotenz aufmerksam. Das Mittel scheint in¬
dessen auf die psychische Seite der Krankheit mehr
Einfluss auszuüben als auf die Schwäche des
Rückenmarks selbst, namentlich bei solchen Kran¬
ken, die das Vertrauen auf ihre geschlechtliche
Potenz verloren haben. Es handelt sich in solchen
Fällen um beginnenden Mangel der Controle des
Gehirns über die unteren Centra des Rückenmarkes.
Anfangs ist hier sogar excessive Geschlechtsthätig-
keit möglich eben in Folge der mangelhaften Con¬
trole des Gehirns, bis die Schwäche in ausge¬
sprochenem Grade sich kund giebt, weil dann die
Gehirnzellen so abgeschwächt sind, dass sie dem
Rückenmark keine motorische Direction mehr geben
können. Man sieht also, dass die Hauptcharakte¬
ristika des Mittels ihre Richtung auf den cerebralen,
psychischen Zustand nehmen. — Der Kranke wird
anfangs in seinen Geschäften vergesslich; der Geist
ist noch ziemlich lebhaft, wenn man an däs Ver¬
gnügen denkt; sobald sich die Aufmerksamkeit
aber auf die To^esgeschäfte richtet, so wird er
stumpf und unzuverlässig. Bei Nacht dagegen ar¬
beitet das Gehirn ganz übermässig, und der Pat.
leidet an Schlaflosigkeit. Durch den Schlaf wer¬
den alle Symptome verschlimmert. In dem Maasse,
als die Impotenz vorschreitet, nimmt auch die Ab¬
stumpfung des Geistes zu, bis eine allgemeine
Gleichgültigkeit und Theilnahmslosigkeit für die
ganze Umgebung Platz greift.
Die bei dieser Art von Fällen so gewöhnliche
Furchtsamkeit wird nicht beobachtet; es findet sich
vielmehr ein Zustand geistiger Unfähigkeit; Stam¬
meln und mangelhafte Articulation sind hier wich¬
tige Symptome. Dabei besteht Verstopfung und
tropfenweiser Abgang des Urins, welche ebenfalls
von dem motorischen Defect des Gehirns abhängen.
Kranke dieser Art gefallen sich in wollüstigen Vor¬
stellungen, deren Befriedigung ihre psychische
Schwäche ihnen nicht gestattet, und dass solche
ein bedeutendes Contingent für die Irrenhäuser
stellen, kann nicht Wunder nehmen.
Zum Schluss berichtete Prof. Halbert über einen
Fall dieser Art, bei dem die fortgesetzte Anwen¬
dung von Selen, fast völlige Wiederherstellung der
Gesundheit herbeigeführt hat.
(The Clinique. — Revue homoeop. beige. Juli 1898.)
Bitte an die Collegenl
Für einen älteren Collegen, Vater schulpflich¬
tiger Kinder, der ohne eignes Verschulden in höchste
Noth gerathen, aber, bestimmte Aussicht hat, bald
wieder in die Höhe zu kommen, wird eine Geld¬
unterstützung, die als Darlehen betrachtet wird,
auf diesem Wege erbeten. Schleunigste Hülfe ist
dringend nöthig, da seine Existenz davon abhängt,
und ist jeder Betrag willkommen. — Gefl. Gaben
nimmt entgegen und ist zu näherer Auskunft bereit
Metz, den 2. Januar 1899.
Dr. Xeinel,
Geh. San.-Rath, Kreisarzt der Stadt Metz
und
Medicinalreferent des Bezirks-Präsidiums.
Wir richten an die geehrten Herren Collegen
die Bitte, diesem im äussersten Westen des deut¬
schen Reiches in Noth gerathenen homöopathischen
Berufsgenossen freundlich zu Hülfe zu kommen.
Herr Apotheker Steinmetz, Leipzig (Verlag die¬
ses Blattes) ist bereit, die eingehenden Beiträge zu
sammeln und an die richtige Adresse zu befördern.
Die Redaction.
LesefrUohte.
Fleischdiät.
Das Verhältniss der Harnsäure zum Harnstoffe
gestaltet sich bei anomalischer Ernährung wie 1:86,
bei gemischter Kost wie 1:27,5, bei vegetabilischer
wie 1:22. Hieraus ergiebt sich, dass eine von
gemischter Kost lebende Person 25 °/ 0 mehr Harn¬
säure ausscheidet als eine von Vegetabilien lebende,
während eine ganz animalische Diät beobachtende
60 °/ 0 mehr als der Pflanzenesser ausscheidet. Halten
I wir diese Thatsache zusammen mit dem häufigen
Digitized by ^»ooQie
95
Vorkommen der Gicht unter den fleischessenden
Engländern, so ist sie gewiss bedeutungsvoll.
Man hat auch dem zu reichlichen Genuss von
Fleisch die Entstehung von Krebsgeschwülsten zu¬
geschrieben. Der übermässige Genuss von Fleisch
erzeugt eine über das normale Mass hinausgehende
Lebensthätigkeit im Epithel, das nun, anstatt nach
aussen zu wachsen, in die weichen tiefergelegenen
Gewebe wuchert, bis es die Lympbgänge erreicht,
sie durchsetzt und bis an die Lymphdrüsen hin¬
gelangt. Hier setzen sieb die neoplastischen Zellen
fest und kommen zu einer so ausgiebigen Entwick¬
lung, deren Resultat dann die Krebsgeschwulst ist.
Die vegetabilische Diät ist deshalb schon vielfach
als Vorbeugungs- und auch als Heilfactor bei Krebs
empfohlen und erfolgreich angewandt worden. Unter
den Fleischsorten wird namentlich das vom Schwein
in dieser Beziehung stark angeschuldigt. — Dem
gegenüber steht leider die Thatsache, dass einer
der eifrigsten Apostel des Vegetarianismus und der
Hydrotherapie, Hahn auf der obern Waid, an
Mast darmkrebs Jahre lang gelitten und daran ge¬
storben ist. (Ref.)
Anzeigen.
Dispensirberechtigter homttopathi-
*cher Arzt übernimmt jederzeit Vertretungen.
Offerten sub A. Z. 980 an die Expedition dieses
Blattes.
Dr. Theinhardt’s
Löst Kindernahrung.
(Hergeatellt aus Milch, Zucker, Gerate, Weizen.)
Bewahrt seit 10 Jahren bei normaler und goitörter
Gesundheit der Kinder.
Von Autoritäten empfohlen als:
Rationellste Ergänzung der verdünnten Kuhmilch.
Leichtverdaulich — durch Löslichkeit und minima¬
len Stärkegehalt.
Knochenbildend — durch seine Nährs&lze;
(ca. 2% Kalkphosphat u. 1,5°/ 0 Phoephorature).
Diätet. Therapeutik. bei Rhacbitis, Scrophulose und
Cholera infantum.
Preis der Dose M. 1.20 (300 g) u. M. 1.90 (500 g Inh.).
Vorräthig in den meisten Apotheken und Drogerien.
Wissenschaft 1 . Urtheile, Analysen u. Gratiamuater durch
Dr. Theinhardt’s Nährmittel - Gesellschaft
Cannstatt (Württbg.).
FORMULAIRE
DE
therapeütiqde positive
(HOMOEOPATHIE)
AVEC
UN EXPOSE SOMMAIRE DE LA DOCTR1NE
ET DE LA MANIERE DE FORMULER;
^ süivi
, D OH lAROBL BtPBBTOlBB THtBAPBDTIQQE,
D’APBES LES IEILLEDRS AOTEOBS FBARQAIS ET BTBANGBRS
PAB
G. SIEFFERT
DOCTEUB EN M^DECINE DE LA FACULTE DF PABIS.
Verlag von Dr. Willmar Schwabe, Leipzig.
Preis gebunden Mark 12.—.
Zu beziehen durch
Taschner & Co., Leipzig.
Homöopathische Central-Apotheke.
Dr. med. prakt. hom. Arzt, Special, f. Kinderkrankh.
einschl. Chirurgie, nicht dispensirb. aber m. prakt. phar-
maceutischer Bildung, Redner und Schriftsteller, wünscht
Praxis mit Fixum zu übern, oder m. vielbeschäft. Collegen
zusammenzuarbeiten. Off. erb. sub „Praxis 11 an die Ex-
ped. der Allg. horaöopath. Zeitung in Leipzig.
Ein homöopathischer Arzt, Dr. med«,
mit Schweizerischem Staatsexamen, sucht
in der Schweiz oder ev. in überseeischen Ländern eine
nachweisbar rentable homöopathische Praxis zu über¬
nehmen.
Offerten sub K. W. 154 an die Expedition dieser Zeit-
schrift.
Joe. Roth’sche Verlagshandlung, München.
Soeben erschien in unserm Verlage:
Der Volksarzt
von
Dr. med. BofFenmeyer.
Anleitung zur Selbstbehandlung nach den
Grundsätzen der Homöopathie
mit Berücksichtigung der Naturheilkunde.
2. vermehrte Auflage.
Preis cart. Mk. 1,50.
Zu beziehen durch alle Buchhandlungen.
Kurpension des Homöopathen
Dr. von Hartungen
Riva a. Gardasee, Tirol.
Carl Gruner’8 homöopathische Offlein (A. Kittel),
Berlin
bat folgende Depöta errichtet, in denen ihre anerkannt
vorzüglichen Arzneien in bester and frischester Qualität
stets, und nur in Originalpackung und zu Original-
preisen zu haben sind:
für Berlin O. und S.O.:
Emmaus-Apotheke, Apotheker E. Seyd, Reichenberger¬
strasse No. 150.
für Berlin N.W.:
Roland-Apotheke, Apotheker Birmane, Thurmstrasse
No. 16.
für Rostock (und beide Mecklemburg):
Universitits-Apetheke, Blücherplatz.
Digitized by L^OOQie
96
Nachstehend verzeichnete Apotheken empfehlen wir
^ Haupt-Depots
unserer homöopathischen Arzneien, Hausapotheken etc. —
Dieselben haben sich verpflichtet, alle Arzneien etc. von
nns nur in Originalpackungen mit einer unsrer Firmen zu
beziehen nnd weiter zu verkaufen, sodass volle Garantie
für Echtheit und beste Qualität den verehrten Käufern
geboten ist.
Karl Otte’s Fischmarkt-Apotheke, Hamburg,
Fischmarkt.
Dr. G. Wiedermann, Löwen-Apotheke, Frei¬
burg i. Baden.
Joh. Manecke, Hof-Apotheke, Magdeburg.
Dr. C. Hofs Apotheke, Pforzheim (Baden),
gegenüber dem Bathhause.
Dr. Fr. Oelze, Krnmmacher’sche Apotheke,
Bielefeld, am alten Markt.
Alfred Fitzau, Rothe Apotheke, Bernburg
(Anhalt), Kaiserstrasse 3 a.
H. Steinhorst, Mohren-Apotheke, Prenziau.
Wed. Bulterman & Cohen, Apotheker, Rotter¬
dam, Hoogstraat.
J. W. Floren, Centraal-Apotheek, Haarlem,
Groote Houtstraat 78.
Weitere Depots folgen in allen grossen Städten.
Die vereinigten
Leipziger homöopathischen Apotheken:
Täschner & Co., Homöopathische Central-Apotheke,
A. Marggrafs homöopathische Offlcin und Carl
Grauer'« homöopathische Offlcin (früher in Dresden).
Auf Reisen and zur Dispensation sehr practisch.
Homöopathische Mittel
in Tablettenform, ä 0,85 Gramm Gewicht.
(Das richtige Quantum für eine einzelne Arzneigabe.)
1 Cylinder ä 12 Stück = 3 Gramm . . . Mk. —.20
1
1 Flacon od.
\ Schachtel
k
24
11
= 6
i»
• • • ii
—.30
1
»i
k
30
n
- 7,5
ii
. . . „
-.35
1
ii
k
40
ii
= 10
ii
. . . „
—.45
1
11
ä
50
ii
= 12,5
ii
• • • n
—.55
1
i»
k
60
ii
= 15
ii
* • • ii
-.65
1
„
ä
80
ii
= 20
»i
• • • ii
—.75
1
»#
k 100
ii
= 25
n
• . • ii
-.90
1
»»
ä 120
ii
= 30
ii
• • • ii
1.10
1
»»
k 150
ti
= 37,5
n
. . . ,,
1.35
1
»i
k 200
ii
= 50
ii
• • • ii
1.80
1
ii
k 400
ii
= 100
n
• • • ii
3.50
A. Marggrafs homöopath. Offlcin, Leipzig.
Marg’aelieg Krebsmittel
gam frisch.
Von Herrn Missionar Mars ist wiederum am 13. Februar
1899 ein grösseres Quantum seines Krebsmittels eingetroffen.
Ich stehe somit wieder gern mit diesem Mittel zu Diensten
und kann es nun erfreulicher Weise auch billiger abgeben,
und zwar 1 Portion: 10,0 mit Gebrauchsanweisung: 1,50 Mk.
(früher 2 Mk).
A. Marggrafs homöopath. Offlcin, Leipzig.
Das homöopathische Krankenhaus zu Leipzig
(Sidonlenstrasse No. 44)
eröffnet im Sommer 1888 und Eigenthum des homöopa¬
thischen Central Vereins Deutschlands, nach Muster der
besten und ersten Krankenhäuser und nach den neuesten
Erfahrungen eingerichtet, wfrd den Anhängern und Freun¬
den der Homöopathie sowohl zur Benutzung in schweren
Krankheitsfällen als auch zur wohlwollenden Unterstütz¬
ung aufs Wärmste empfohlen, damit auch Unbemittelten
der Segen der homöopathischen Heilmethode zu Theil
werden kann. Beitiäge jeder Art, auch die kleinsten,
nimmt der Kassenverwalter, Apotheker W. Steinmetz, in
Firma A. Marggrafs homöopathische Offlcin in Leipzig,
jederzeit dankbarst entgegen.
Die neuen Statuten und Aufnahmebedingungen des
mit einem Krankenpensionate I. und 11. Klasse verbunde¬
nen homöopathischen Krankenhauses hierselbst können
sowohl von der Direction desselben, wie auch von uns
bezogen werden.
Zur Eiweissbestimmung im Harn,
qualitativ und quantitativ, empfehle als das Einfachste
und Praktischste die
Esbach’schen Albuminimeter
mit genauer Gebrauchsanweisung k Mk. 3.
Die dazu gehörige Lösung von Citronen- u. Picrinsäure
gebe ich in jedem Quant, (ä 100,0 = 30 Pf. ohne Flasche) ab.
Zur Zuckerbestimmung im Harn,
qualitativ und quantitativ, empfehle als das Einfachste
und Praktischste die
Limousin’schen Tropfenzähler
mit genauer Gebrauchsanweisung und Berechnungstabelle
ä Paar = Mk. 3.50.
Die dazu gehörige Fehling’sche Lösung, stets ganz
frisch, wird in Glasstöpselgläsern ä 30,0 = 50 Pf. incl.
Flasche abgegeben.
Ferner empfehle ich den Herren Aerzten
C. Hilber’s Reagens-Papiere
zum Nachweis von Zucker und Eiweiss im Ham.
Höchst praktisch in Etuiform (14 cm hoch, 10 cm breit
und l 1 /* cm dick) mit Reagenscylinder und Notizbuch, in
der Tasche zu tragen.
Jedes Etui kostet nur 2 Mk.
A. Marggrafs homöopath. Offlcin in Leipzig.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius MAser in Leipzig.
Digitized by ^»ooQie
Band 138,
Leipzig, den 30* März 189(1
No. 13 u. 14.
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITH«.
Heraasgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlas: TonWilliam Steinmetz(A.MarggraPs Homöopath.Offtein) In Leipzig
Thomaskirchhof 12.
Erscheint litägig eu 2Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 Af. SO Pf'. (Halbjahr). Alle Bnohhandlnngen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs -Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. M&rggraPs homöopafh. Offlein in Leipzig) zn richten
sind, werden mit 20 Pf. pro ^inmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 5— 8 Af. berechnet.
Inhalt. Berliner homöopathisches Krankenhaus. Einladung zur Ordentlichen Generalversammlung am 15. April
1899. — Zur diesjährigen Influenza-Epidemie in Nord-Amerika. Von Dr. W. W. Gleason. Ref. Dr. Mossa. — Formu-
laire de thörapeutique positive (Homoeopathie). Par Dr. G. Sieffert. Besprochen von Dr. Marc Jousset (1’ait medi¬
cal). — Homöopathische Rundschau. Auszug aus dem Journal Beige d’homoeopathie und der Revue homoeopathique
franqaise. Von Dr. med. Roh. Stäger. (Fortsetzung.) — Cocain-Vergiftungen — Lachesis in Endocarditis. Von M. —
Ward’s Island Hospital, New York. Von Dr. Mossa. — XV. Jahresbericht des homöopath. Spitals Manchen. — Bitte an
die Collegen! — LesefrQchte. — Anzeigen.
iW Schluss der Schriftleitung': Freitag vor dem Erscheinungstage.
Berliner homöopathisches Krankenhaus.
Einladung
zur
Ordentlichen Generalversammlung
am Sonnabend, den 15. April 1899, Abends 7 1 /* Uhr, in der Poliklinik des Berliner Vereins
homöopathischer Aerzte, Charlottenstrasse 77/78.
Tagesordnung:
1. Rechenschaftsbericht für das Jahr 1898.
2. Antrag auf Ertheilung der Decharge an das Cnratorium.
8. Bericht des Car&toriums über seine Thätigkeit im verflossenen Rechnungsjahre.
Berlin, 25 . März 1899. Das Curatorium.
Prof. Dr. Liebreich’s Vortrag über:
„Wehrkraft des Organismus gegen Mikro¬
organismen“
auf der 20. Jahresversammlung der Gesellschaft
der deutschen Badeärzte in Berlin.
6. März 1899.
Prof. Liebreich ist kein Freund der Homöo¬
pathie und doch hat diese, obwohl er sie nicht in
der Tiefe studirt und erfasst hat, einen Stachel in
seinem ärztlichen Gewissen zurückgelassen, so dass
er in seinen Heden immer wieder auf sie zurück¬
kommt und, wenn er auch nicht will, gewöhnlich
ein Zeugniss für — und nicht gegen sie — ab-
legen muss. So können wir mit seinem diesjährigen
Vortrage in der balneologischen Gesellschaft in
Berlin ganz zufrieden sein.
Er hat sein Thema: „Wehrkraft des Organis-
1 mus gegen Mikroorganismen“ dahin beschränkt, dass
i er hauptsächlich das Verhalten des Arztes dem
gegenüber behandelt hat — was uns gerade be¬
sonders recht ist. Skizziren wir den Vortrag, so
I ist der Gedankengang des Redners folgender:
I Der Organismus ist nicht leicht mathematisch
richtig zu definiren, denn jede äussere Einwirkung,
13
Digitized by L^OOQle
98
jeder Wechsel des Klimas, der Umgebung bewirkt |
Veränderungen des Organismus. Gegenüber allen I
schädlichen Einwirkungen besitzt der Organismus j
eine gewisse Wehrkraft, die durch die Massregeln
der Gesundheitspflege gestärkt wird. Die Nase und
der Rachen sind z. B. die vollkommensten Staubfänger.
Durch die grossartigen medicinischen Entdeckungen
der Neuzeit sind wir dazu gekommen, das Leben
auf das Leben der Zelle zurückzuführen und diese
zum Ausgangspunkt der ganzen neueren Medicin
zu machen. Aber in Bezug auf die wichtig- j
sten Vorgänge im Leben der Zelle lässt uns die |
Beobachtung in Stich und wir sind auf das Kalkül
angewiesen. Die Kraftäusserungen der Zelle sind
in verschiedener Richtung denkbar, die Kraft ist
zerlegbar. Eine solche Kraftrichtung geht dahin,
eingedrungene Fremdkörper zu vernichten, unschäd¬
lich zu machen. Und wie die eingedrungene Blei¬
kugel im menschlichen Körper verkapselt werden
kann, so kann nach den Menschikow’schen Ent¬
deckungen auch die Kraft der Zelle die schädlichen
Mikroorganismen zerstören. Auch die Entdeckung
Pfeiffer’s, die den Cholera-Bacillus vertilgen lehrt,
gehört hieher. Die Heilbehandlung des Kranken J
hat sich also in erster Linie darauf zu richten, die
Zellen zur Wehrkraft zu bringen, die Wehrkraft
des Organismus zu erhöhen und ihm freien Lauf
zu lassen. Die gesammte Medicin ist in gewissem
Sinne eine Naturheilkunde. J die jenigen also segeln
unter falscher Flagge, die vorgeben, die Naturheil¬
kunde allein und besonders auszuüben. Es ist die
Aufgabe der Therapie, die Natur zu unterstützen.
Wenn wir das erkennen, werden wir uns nicht in
physikalische und diätetische oder andere Schulen
scheiden, die immer wieder als ganz etwas Neues
auftreten, wie eine Pariser „Nouveaute“ und die
sich doch meist historisch entwickelt haben. Früher
hatte man die Meinung, dass das Heilmittel die
Heilung selbstthätig hervorruft, während man jetzt
überzeugt ist, dass es nur die Kraft der Zelle des
Organismus gegenüber den schädlichen Wirkungen
stärkt und anregt und reizt. Aber gerade auch
hier ist nur die Kunst der wissenschaftlich gebil¬
deten Aerzte im Stande, das rechte Mittel zu fin¬
den, während das nicht gebildete Publikum dazu l
nicht fähig ist. Dazu gehören auch die diätetischen '
Vorschriften. Hufeland hat bei Gelegenheit des
ersten Auftretens der Homöopathie, die er leider
nicht kräftig genug ablehnte, vorhergesagt, dass
sie die Aerzte wieder auf die Wichtigkeit der Er¬
nährungsfrage hinweisen würde. Doch ist die Er¬
nährungslehre auch heute noch sehr ausbildungs-
fähig. Wir haben es noch kaum mit einer Ernäh-
rungs-, sondern mehr mit einer Fütterungslehre zu
thun. Wir müssen vor allem lernen, wie die
Wehrkraft der Zelle sich hebt, dann werden wir
wahrhaft naturwissenschaftliche, wahre Naturärzte
sein. (Lebhafter Beifall.)
Nun, im Grunde genommen ist die homöo¬
pathische Heilkunst eine solche Zellgewebstherapie,
wie sie dem Prof.. Liebreich vorschwebt. Krank¬
heit ist bei Hahnemann eine Verstimmung, Störung
der Lebenskraft, dieser so oft von der Wissenschaft
hingerichteten und doch immer wieder auferstan¬
denen Lebenskraft, d. h. der gesammten, als Ein¬
heit zusammengefas8ten Lebensthätigkeit des Orga¬
nismus. Die moderne Wissenschaft lehrt am Ende
nichts Anderes, als eine Auflösung dieser Gesammt-
kraft in eine unermessliche Zahl von Coefficien-
ten, als deren Träger die Milliarden von Zellen, als
die letzten und feinsten organisirten Gebilde des
Organismus, gelten. — Die Anschauung, dass
das Heilmittel die Kraft der Zelle (oder einer
Zellengruppe) gegen die schädlichen Wirkungen
stärkt und anregt und reizt, ist gerade für die
Wirksamkeit des nach dem Aehnliclikeitsprincip
gewählten, das Gebiet der kranken Zellen direct
beeinflussenden Mittels, seit lange bei uns ein¬
gebürgert.
Gern acceptiren wir Hufeland’s prophetischen
Ausspruch, dass „die Homöopathie die Aerzte wie¬
der auf die Wichtigkeit der Ernährungsfrage hin-
weisen würde.“
Warum soll nun der gerecht und billig denkende
Hufeland diese Heilmethode „leider,“ wie Liebreich
sagt, „nicht kräftig genug abgelehnt haben,“ eine
Heilmethode, die so viele, jetzt erst in der moder¬
nen Wissenschaft aufgegangene Lebenskeime in
sich trug.
Kurz vor seinem Tode hat sich der alte Hufe¬
land zu einer ihm nahestehenden Person in Bezug
auf die Homöopathie also geäussert: „Ich musste
mir sie abhalten, denn ich hatte keine Zeit mehr
dazu und hätte von Neuem anfangen müssen, aber
sie ist eine der grössten Erscheinungen in der
Medicin, die je erlebt ward, und ihre Entwickelung
wird unberechenbare Folgen haben, die ich nicht
mehr erleben kann.“
Eine weniger bekannte Aeusserung Hufeland’s
betreffs unserer Methode findet sich in seinem En-
chiridion medieum p. 2, wo es heisst: „Selbst die
di recte Kur der Krankheiten durch sogenannte
Specific a ist ein Werk der Natur, indem das Heilmittel
nur als Anstoss wirkt, die dadurch aber erregte
Reaction und die Umänderung zum Bessern selbst
nur durch Hilfe der innerhalb wirkenden Natur¬
kraft möglich ist, und insofern ist selbst die Ho¬
möopathie, die sich so hoch über die Natur stellt
(nach Hahnemann’s hier und da gethanen Aeusse-
rungen könnte es so scheinen, als ob der homöo¬
pathische Arzt ein Magister und nicht bloss ein
Minister naturae wäre. Ref.j, gerade der beste Be-
Digitized by ^»ooQle
99
weis ihrer wirkenden Kraft, denn auch sie ist nichts i
Anderes, als eine Methode, durch Specifica zu
heilen, und indem sie ähnlich wirkende Mittel wählt,
wirkt sie eben auf das leidende Organ selbst, weckt
die Reaction der Natur in demselben, und erzeugt |
jenen inneren Naturheilungsprocess, der die Krank¬
heit heilt.“ — j
Um dieser Aussprüche willen wollen wir eine
andere Aeusserung Hufeland’s gern verschmerzen, !
obwohl diese letztere uns seiner Zeit viel geschadet
hat. Er nannte nämlich einmal die Homöopathie
ein Grab der Wissenschaft und stellte den Fehl
Schluss auf, ein Homöopath bedürfe weder der
Anatomie, nach Physiologie, noch Pathologie etc. —
Dass dem nicht so ist, brauchen wir heutzutage
nicht mehr zu beweisen. Jenes Urtheil war eben
so wahr und falsch, als wie das eines anderen
grossen Mannes, die Ehe sei das Grab der Liebe
Ja, die Homöopathie hat all* ihr Lebtage,
seit ihrer Begründung vor einem Jahrhundert, die
Bestrebungen und Forschungen der medicinischen
Wissenschaft aufmerksam verfolgt und die auf wirk¬
lich naturwissenschaftlichem Grunde erwachsenen
Entdeckungen, zum Theil auch Theorieen, in sich j
aufgenommen, freilich ist sie auf ihrem eigenen
Boden verblieben und nicht in die moderne
Wissenschaft aufgegangen, sondern hat ihrer aufs
Praktische gerichteten Natur gemäss alle neueren
Erkenntnisse in den Dienst der Krankenheilung j
gestellt; dafür hat sie aber als ein vollgültiges j
Aequivalent der Medicin eine gut ausgebildete |
Experimentirkunst am Gesunden, eine wirklich
physiologische Prüfung von Arzneistoffen und eine
Heilkunst entgegengebracht, die, auf dem Grunde
solcher physiologischen Arzneiprüfungen beruhend,
Mittel darbietet, welche die „Wehrkraft der Zelle“ j
gegen krankhafte Einwirkungen wohl zu benutzen
und zu heben versteht, zumal sie die gesunden
Gewebe beim Heilgeschäft schont und ihre Arbeits¬
fähigkeit, welche eine zweckmässige Diätetik zu
unterstützen bestrebt sein soll, nicht untergräbt.
Dr. Mossa. |
Zur diesjährigen Influenza-Epidemie in Nord-
Amerika.
Von Dr. W. W. Gleason. 1
Die Influenza hat sich in diesem Jahre als ein
genuines, katarrhalisches, epidemisches, anstecken¬
des Fieber gezeigt. Ihre Ansteckungsfahigkeit
ist zwar ebenso oft verneint wie bejaht worden,
aber in dieser Saison ist sie sicherlich ansteckend
aufgetreten, indem sie ganze Familien, Pensions¬
häuser, Hotels und die Schulen in weitem Umfange |
durchzogen hat. Die respiratorischen und gastri- |
sehen Symptome, das hohe Fieber, die schnelle
Kraftlosigkeit, Kopfweh, Husten, Dyspnoe, Ner¬
vosität, Schlaflosigkeit, böser Hals und Schmerz in
Rücken und Gliedern waren stark ausgesprochen.
Die Krankheit hatte unterschiedslos alle Lebensalter,
Stände, vom Säugling bis zum Greise, ergriffen. In
hochgelegenen wie niedrigen Oertlichkeiten, in den
besten wie in den schlechtesten Aussenverhältnissen,
bei Frauen wie bei Männern hat sie geherrscht.
In einem Falle hat sie, wie Verf. in dem von ihm
berichteten, mit Arsen geheilten Falle beobachtete,
eine andere Krankheit vertrieben (oder suspendirt).
Dieser Patient war über ein Jahr lang in Folge
eines acuten, allöopathisch mit Salicylsäure und Bro¬
miden behandelten Rheumatismus, an chronischem
Gliederweh krank gewesen und vom Verf. zwei
Monate lang wegen letzteren Leidens behandelt
wordeu. Es fragt sich, ob das Rheuma, das in den
Fussgelenken sass, wiederkehren werde. Während
die Influenza, wie gesagt, dieses Jahr ausgebrei¬
teter auftrat, erschien sie dem Verf. weniger schwer,
wenigstens der Behandlung zugänglicher; die Mehr¬
zahl der Fälle klärten sich in 4—5 Tagen auf,
und hat Verf. in seiner Praxis keinen schlecht aus¬
gehenden Fall gehabt.
Schwer genasen die Patienten, welche im Be¬
ginne der Krankheit Chinin oder eines der Kohlen-
theerpräparate, deren plumper Gebrauch so manches
Herz und manchen Verstand ruinirt haben, genom¬
men hatten.
Aus seinen in früheren Influenza-Epidemieen
geschöpften Erfahrungen muss Verf. constatiren,
dass die Krankheit, wenn unrichtig behandelt, oder
durch heroische Mittel unterdrückt wird, die Neigung
hat, acute Pneumonie, acute und chronische Bron¬
chitis, Asthma hervorzubringen, und Tuberkulose
oder Phthisis bei den dazu beanlagten Personen zu
erwecken oder, wenn sie bestehen, diese zu stei¬
gern. Der Gang der Krankheit ist ein variabler,
Kopf-und Rückenschmerz, Halsweh, Husten, Schmerz
in den Gliedern oder das Fieber; ein jedes dieser
Symptome kann die Scene eröffnen, können da
sein, ehe man den Fall zu Gesicht bekommt.
Verf. führt nun mehrere Einzelfälle vor, um
so ein Bild von den Krankheitssymptomen zu
geben.
1. Fall. Frau H., 36 Jahr alt, mittlerer Grösse,
mit dunklem Teint, mager. Der Ausbruch der
Grippe geschah in folgender Ordnung:
Rücken: Frostscbauer. Schmerz im Hinterkopf,
der nach dem Wirbel stieg.
Hah: Trocken, schmerzhaft erst rechts, dann
links. Kein Durst. Heiser, Stimme rauh.
Mund: trocken.
Magen: Empfindlich gegen die Berührung der
Kleider.
13*
Digitized by
Google
100
Unterleib: Kolikartige Schmerzen rechterseits
mit Drang zum Uriniren.
Husten: Trocken, verursacht Kopf- und Magen¬
weh. Husten von einer Empfindung, als ob sie
Kohlendampf eingeathmet hätte. — Husten schlimmer
spät Nachmittags und Abends und beim Nieder¬
legen. Auswurf gelb wie Eiter, blutgestreift.
Fieber: Hitzeüberlaufen. Kälte über den ganzen
Körper. Nausea. Durst auf Wasser, von dem er
wenig trinkt. Klebriger Schweiss am Körper im
Bette während der Nacht. Gesicht kalt.
Glieder: Nachts Schmerzen in den Vorderarmen.
Krampfadern am rechten Bein (die schon Jahre
lang vorhanden) verschlimmern sich. Schmerz im
linken Arm.
Lycopodium 30. heilte.
2. Fall. Frau N., 60 Jahre alt, mittlerer Grösse,
mit dunklem Teint, mager. Die Krankheit setzte
ein: Mit einem Gefühl von mehrtägiger Schwäche.
Aengstliche Gemüthsstimmung, verzagt, reizbar.
Kopf: Scheite] heiss, mit Klopfen im Hinterkopf.
Urin: Spärlich und dunkelbraun. I
Hals: Schmerzhaft, trocken.
Nase: Trocken. |
Fieber: Allgemeine Kälte mit heftigem Schmerz
im Kopf , Armen , Rücken , Handgelenken, Fingern , ]
EUbogen , Knieen , Beinen und Füssen. Sehr durstig 1
in der Kälte , al>er das Trinken selbst von wenig
Wasser macht Erbrechen.
Husten: Trocken, thut der Brust so weh, dass
sie diese mit den Händen halten muss.
Athmungsorgane: Heiser. Tiefathmen macht
Schmerz in der rechten Seite. Dyspnoe, muss im
Bett aufgerichtet werden.
Eupatorium perfol. 30. heilte.
3. Fall. Eine 35jähr. Frau, Blondine, Mittel¬
grösse. Der Anfall setzte ein mit:
Husten: Bei Tiefathmen; Auswurf gelbschleimig.
Hals: Trocken bei Nacht.
Rücken: Schmerz unter dem linken Schulter¬
blatt, schlimmer beim Tiefathmen, mit Stichen in
der Lendengegend.
Glieder: Die Arme thun weh, schlimmer bei
Bewegung. Stossender Schmerz im linken Bein.
Schmerz in den Waden. Die Schmerzen springen
von einem Bein zum anderen. j
Fieber: Kälte selbst im warmen Zimmer. Durst I
auf ein Schlückchen kalten Wassers. Abgeschlagen-
heit. ;
Scldaf: Schläfrig, ohne schlafen zu können. |
Schlaflos bei Nacht wegen der sich drängenden
Gedanken.
Magm: Erbrechen grünen, bittern Schleimes.
Pulsatilla 30. war das Heilmittel.
4. Fall. Eine 25jähr. Frau von dunklem Teint,
mässig gut genährt. Niedergeschlagen, muthlos. ,
Kopfweh: Heftiger, congestiver Druck; schwin¬
delig.
Hals: Trocken und wund.
Mund: Trocken, ebenso die Zunge.
Husten: Von Kitzel im Kehlkopie oder von
Schleim, der sich im Hake anhäuft. — Der Schleim
ist zäh , jasetdg, klebrig. — Husten schlimmer vom
Essen oder Tiefathmen.
Magen: Empfindlich, schmerzhaft. Wenn der
Schmerz im Beine zunimmt, nehmen die Magen¬
beschwerden ab.
Nacken: Steif.
Rücken: Schiessende Schmerzen in der Inenden-
gegend, erst auf der linken Seite, dann auf der
rechten , schlimmer von Bewegung. Schmerz im
Steissbein beim Sitzen und beim Aufsteben danach.
Glieder: Schmerz im linken Bein wie Ischias,
der in die Wade hinabschiesst.
Fieber: Frost mit Hitze wechselnd. Verlangen
auf saure Getränke, die aber die Magensyraptome
verschlimmern.
Kali bichrom. (Hochpotenz) heilte.
5. Fall. Eine 42jähr.Frau, untersetzt, mit dunklem
Teint, litt als Kind an Eczem; jetzt hat sie einen
schuppigen Ausschlag am Unterleib und Rücken.
Die Influenza begann mit:
Mund: Brennen. Brennen au der Zungen¬
spitze.
Hals: Zäher Schleim im Halse, der sich beim
Husten löst, aber nicht, herausbefördert werden kann,
sondern verschluckt werden muss.
Gemüth: Wie geistesabwesend; reizbar, ängst¬
lich ; gedächtnissschwach.
Husten: In Paroxysmen mit Athemverlust, als
ob sie nie wieder würde leicht athmen können.
Der Husten entsteht von einer Anhäufung viel
zähen, klebrigen Schleimes im Halse. Sie hustet
so lange, bis der Schleim erbrochen wird.
Urin: Jede Gemüthserregung treibt sie zum
Uriniren.
Brust: Stechen in der Brust, besser vom recht
Stillliegen. Dyspnoe.
Rücken: Weh, als ob der Rücken zerbrechen
sollte, besser vom Liegen. — Steifer Nacken.
Glieder: Taubheit des rechten Armes beim Dar
auf liegen.
Fieber: Frostschauer; sucht die Nähe des warmen
Ofens. Aeusserlich Frostschauer bei innerer Hitze.
Kali carb. (Hochpotenz) heilte.
6. Fall. Eine 61jähr. Frau, abgemagert, ent¬
kräftet. Sie hat ein Erysipel des Gesichts linker¬
seits, und daselbst Neuralgie in der Folge gehabt.
Kopf: Schmerz in der Stirn.
Mund: Zunge feurige oth , trocken , eingerissen.
Hals: Sehr trocken mit heftigem Brennen.
Husten: Husten von der Empfindung, als ob sie
Digitized by ^»ooQle
101
Rauch oder Schwefel eingeathmet habe. Auswurf
weiss, schaumig.
Herz: Der diastolische Ton länger und lauter
als der systolische. Etwas Herzklopfen.
Nacken: Steif.
Rücken: Zerschlagenheitsgefühl in der Lenden¬
gegend; daselbst Schmerz, der zu den Schultern
hinaufschiesst.
Glieder: Schmerz im Arm , auf dem sie Nachts j
liegt. Kniegeschwulst. Steife Kniee. Füsse sehr |
kalt.
Fieber: Heftige innerliche Hitze, und doch muss
sie sich aufdecken. Durst auf grosse Mengen
Wassers.
Schlaf: Unruhe in den Gliedern bei Nacht;
psychische Ruhelosigkeit hält sie wach.
Arsenicum 30. heilte.
7 Fall. Ein SOjähr. Mann, gross, schwer, stark.
Mürrisch, reizbar. Mag keine Gesellschaft um sich.
Kopf: Sehr heiss, während der übrige Körper
kalt, ist. Heftiges Weh in der Stirn , schlimmer
vom Bucken. Schwindel beim Aufrichten aus ge¬
beugter Lage.
Mund: Trocken, ebenso der Hals.
Husten: Bei jeder Bewegung. Bellender Husten
mit Auswurf eines braunen, dicken Schleimes.
Herz: Heftiges Arbeiten des Herzens bei jeder
Bewegung.
Rücken : Schmerz in der Lendengegend.
Gliedei •: Ziehender Schmerz im rechten Ober¬
arm. Schmerz in der Höhe der rechten Schulter,
schlimmer von Berührung oder Druck. — Schmerz
im rechten Knie, schlimmer von Bewegung. Kniee
geschwollen.
Scldaf: Schläfrig bei Tage, aber bei Nacht
schlaflos.
Fieber: Kälte über den ganzen Körper, ausge¬
nommen der Kopf, der heiss ist, mit rothen Backen
und profusem, heissern Scliweiss, der die Glieder¬
schmerzen erleichtert. Heftiger Durst.
Bryonia 30. heilte.
8. Fall. Eine 63jähr. schlanke, abgemagerte
Frau, die ihr lebelaug an Hautaffectionen gelitten
und nachlässig im Anzug und nicht gar zu sehr
reinlich. Sie hat einen chronischen Husten seit
2 Jahren, seitdem sie eine Lungenentzündung durch¬
gemacht.
Fieber: Innerliche Hitze mit einem Gefühl un¬
beschreiblichen Unwohlseins, während Kälte und
Schauder den Rücken hinaufläuft. Das Gesicht ist
sehr roth. Saurer Schweiss.
Kopf: Heftiges Weh in der Stirn und in den
Schläfen mit der Empfindung, als oh ein Band
sich um den Kopf legte. Schuppiger Ausschlag
auf der Stirn.
Ohr: Schwerhörigkeit. Zischen im Ohr.
Nase: Dünner, scharfer Ausfluss. Jucken immer
in der Nase.
Mund: Sehr trocken. Durst.
Hals: Trocken, Gefühl eines Pflocks im Halse.
Schlucken schwierig; stechender Schmerz beim
Schlucken. Rauhes, kratzendes Gefühl im Halse.
Gesicht : Schorfiger Ausschlag auf den Wangen.
Reissender Schmerz auf der rechten Seite des Unter¬
kiefers.
Magen: Leeres Aufstossen. Saures Aufstossen
nach dem Essen. Vollheit nach dem Essen.
Bauch: Zeitweise Schmerz im Leibe, besser
wenn sie vornübergebeugt sitzt. Lautes Gerumpel
im Bauche.
Rx~icken: Schmerz zwischen beiden Schulter¬
blättern, schlimmer vom Bücken, mit Dyspnoe.
Schmerz in den Hüften.
Husten: Hohler, krampfhafter Husten mit einem
gelblichen, blutgestreiften Auswurf. Der Auswurf
ist Morgens reichlich, Abends aber gering.
Glieder: Ziehender Schmerz in den Armen. Fuss-
gelenke steif. Krampf in den Fusssohlen. Die Sohlen
thun weh.
Schlaf: Winseln im Schlaf, der unruhig ist.
Gemüth: Betreibt Alles eilig. Ungeduldig. Stellt
sich unmögliche Dinge vor. Schwindel beim Liegen.
Sulphur 30. heilte.
Verf. bemerkt am Schlüsse, dass in dem Arsenik-
Fall die Temperatur und Pulsfrequenz am höchsten
gestiegen war, die Temp. betrug nämlich 104° F.
(40° C.), Puls 128; dem am nächsten kam der
Lycopodium-Fall. Wahrscheinlich wären die mit
Arsen., Lycopod. und Sulphur behandelten Fälle,
sagt er, in Pneumonie übergegangen, wenn die
Mittel nicht Einhalt gethan hätten. — Im letzten
Fall (Sulphur) blieb nach Beseitigung der Influenza
der chronische Husten zurück.
Ausser dem in jedem Fall bezeichneten Mittel
hat Verf. kein anderes gebraucht; meist hat er
auch keine Veränderung in der Diät angeordnet.
Nur bei den Patienten, wo der Uehergang in Pneu¬
monie drohte, hat er eine flüssige cereale Kost und
Bovinine vorgeschrieben. Trockne Hitze und feucht¬
warme Umschläge wurden örtlich angewandt, wenn
sie dem Kranken zusagten. —
Ref. vermisst in diesen sonst so gut und für
die Mittel wähl durchsichtig beschriebenen Fällen
die Zeit, innerhalb deren die einzelnen Heilungen
zu Stande kamen. —
Ein der Epidemie entsprechendes Heilmittel hat
sich, soweit wir aus der amerikanischen homöo¬
pathischen Presse ersehen konnten, nicht feststellen
lassen, dazu bietet die Influenza bei den verschie¬
den davon Betroffenen wohl ein gar zu variables
Digitized by t^ooQle
102
Krankheitsbild —- und so werden wir bei der
Therapie derselben auf möglichst feine Individuali-
sirung immer angewiesen sein.
(The Hahnemannian Advocate. 15. Febr. 1899.)
Ref. Dr. Moesa.
Formulaire de thärapeutique positive
(Homoeopathie).
Avec un exposö sommaire de la doctrine et de la
maniöre de formuler; suivi d’un repertoire tliera-
peutique d’aprös les meilleurs auteurs fran^ais et
ötrangers.
Par G. Sieffert, docteur en medecine de la Facultö
de Paris.
Leipzig. Dr. Willmar Schwabe, 6diteur. 1899.
Ueber dieses im Verlage von Dr. Willmar Schwabe
in diesem Jahr erschienene Werk des Dr. Sieffert-
Paris, das, in französischer Sprache geschrieben, in
erster Linie die ärztliche Genossenschaft in Frank¬
reich angeht, hat der geehrte College Dr. Marc
Jousset in der Januar-Nummer des Tart medical
bereits Bericht erstattet, den wir hier deutsch wieder¬
geben wollen. Es heisst darin:
Dr. Sieffert hat soeben ein sehr interessantes
Werk veröffentlicht, das praktischen Aerzten grosse
Dienste zu leisten bestimmt ist, sei es, dass sie
die Homöopathie schon längere Zeit ausüben, oder
dass sie diesen Zweig der Therapeutik versuchen
wollen. Sie werden in diesen 600 Seiten das für
die Homöopathie Wissenswertheste finden.
In seinem Vorworte setzt Dr. Sieffert das Allge¬
meine der Homöopathie, die verschiedenen pharma-
ceutischen Präparate, die Materia medica, das Aehn-
lichkeitsgesetz, die Dosen auseinander.
Sodann, und das ist der Grundstock des Werkes,
hält Dr. Sieffert eine Musterung ab über unsere
Arzneimittel in alphabetischer Ordnung; um eine
Idee davon zu geben, wie er jedes Mittel abhan¬
delt, wollen wir hier das, was er von Aconit sagt,
wiederholen:
Aconitum.
Synonyma: Aconit., Napellas, Capuchon, Coque,
Cuchon, Madriette, Thore. (Letzterer Name wird
aber auch für den „ Giftbahnenfuss M gebraucht.
Ref.)
Antidote: Essig, Chamomilla, Coffea, Nux vom.,
Veratr., Wein.
Wirkungsdauer: Kurz. In acuten Fällen muss
man die Dosis oft wiederholen; in chronischen
Fällen alle 24 bis 48 Stunden. Dies Mittel passt
besonders für frische Krankheitsfälle.
Darstellung: Die Essenz wird aus der ganzen
Pflanze, Blüthe, Blätter, Stengel und Wurzel be¬
reitet. Therapeutisches (hier wäre aber doch Patho-
genesie entschieden angemessener. Ref.): In kleinen
Dosen Beschleunigung der Herzthätigkeit und Er¬
höhung der Temperatur, begleitet von Wechsel von
Frost und Hitze, stürmischer Beschleunigung des
Herzens, Schweiss und grosser Schwäche. In stärkern
Dosen Herzlähmung, schwacher Puls, kalter Schweiss,
Paralyse der sensiblen und motorischen Nerven, Er¬
brechen und Diarrhöe, Convulsionen und Tod. —
Uebermässiges Angstgefühl ist charakteristisch.
Dieses Mittel stellt uns also, in seiner Patho¬
genese, zwei verschiedenartige Fieberbewegungen
dar: Die eine mit ausgesprochenen entzündlichen
Erscheinungen, die andere mit bleichem Gesicht,
Kälte und kleinem Pulse. Es ist in allen Fällen
angezeigt, wo erhöhte Temperatur, voller und be¬
schleunigter Puls, grosse Trockenheit der Haut
vorhanden ist— besonders im Anfänge (einer Krank¬
heit. Ref.), wenn diese Indication nicht durch ein
anderes noch passenderes Mittel ausgestochen wird.
„Wenn eine schwere fieberhafte Krankheit, wie
z. B. der diphtheritische Croup, ein specifisches
Mittel erfordert, so ist es durchaus nicht angezeigt,
die Zeit mit Aconit zu verlieren, das eine infectiöse
Krankheit nicht zu heilen im Stande ist. Wenn
die Krankheitsart ein besonderes specifisches Mittel
verlangt, so wird dieses die mit der Krankheit ein¬
hergehenden fieberhaften Symptome zugleich mit
auf heben. Wo Gefahr droht, so sollte man Aconit,
das allein nur im Allgemeinen gegen das Fieber
symptomatisch gerichtet ist, nicht geben.“ (Heinigke).
Seine Wirksamkeit ist dann besonders bemerkbar,
wenn der Kranke aufgeregt und ängstlich ist.
Beim Eintritt von Schweiss ist die Anzeige für
Aconit im Fieber zu Ende. Sein 2- oder 3 tägiger
Gebrauch genügt gewöhnlich, um jede beginnende
Störung in den Organfunctionen, besonders nach
einer Erkältung, auszugleichen. Der Typus des
Aconitfiebers ist weder intermittirend, noch remit-
tirend. Bei einem solchen Fiebertypus handelt es
sich wahrscheinlich um ein infectiöses Fieber, und
in einem solchen Fall wird nicht Aconit, sondern
eher Belladonna angezeigt sein.
Anwendungsweise und Dosirung:
Urtinctur, Dilutionen und Verreibungen. Eins
der am meisten in starken Dosen angewandten Mittel
(? Ref.) (20—30 Tr. der Urtinctur auf 200 Gr. alko-
holisirten Wassers: in der purulenten 1 Hathese und im
Icterus qravis kann man diese Dosis selbst verdoppeln):
In chronischen Leiden, besonders Neuralgieen, infinite¬
simale Dosen; in Phlegmasieen mit geringer fieberhaf¬
ter Bewegung — schwache, aber ponderable Dosen.
In schweren Pyrexien, wenn die Bösartigkeit klar
vorliegt, und die Temperatur sich um 39° C. hält,
oft noch darübersteigt, zumal, wenn urämische Zu¬
fälle erscheinen, wird man alle Stunden, ja, wenn
Digitized by ^»ooQle
108
nöthig, alle halben Stunden ein Gemisch von Aconit- |
Tinctur (5 Tropfen) mit 5 Tropfen Tinctura Veratri |
viridis bis zum Sinken der Temperatur geben.
(Diesen Modus agendi dürften wenige homöo¬
pathische Aerzte, und auch wir nicht, billigen. ^
Ref.j. !
Klinische Indicationen:
Alienatio mentis: Geistesstörung, zumal im An¬
fänge, besonders wenn Fieber dabei ist, sowie
maniakales Delirium, hohe Unruhe, Wuthausbrüche,
grosser Puls, Erregbarkeit, Furcht, verdammt zu
sein, Pu&peralmanie — 3. Dil.
Angina pectoris: Besonders mit nächtlichen An¬
fällen (Angst, Schmerz auf dem Brustbein, unregel¬
mässiger Puls, Herzklopfen, Ohnmachtsanfälle, Angst- ,
anfalle mit Schweiss) — höhere Dilut. I
Appendicitis: Fiebersymptom mit ängstlichem
Gesichtsausdruck, brennenden Schmerzen, Schneiden I
in den Gedärmen, verschlimmert vom geringsten
Druck, durch Bewegung, vom Liegen auf der rech- 1
ten Seite. Der Unterleib fühlt sich bei Berührung i
heiss an. Das Leiden ist eine Folge von Erkäl¬
tung (Douglas).
Arteritis mit heftigem Fieber.
Asthenopie durch Ueberanstrengung der Augen
(Hitze und Hyperämie).
Blepharitis acuta im ersten Stadium der Ent¬
zündung.
Bronchitis im Anfänge mit Fieber — 3. Dil.
Cephalgia congestiva: 6. Dil., im Wechsel mit
Beilad.
Cor: Compensationsstörungeu bei Klappenfeh¬
lern — 3. Dil.
Cholera (Cramoisy) — Urtinctur.
Conjunctivitis catarrhalis: Hauptmittel im ersten
Stadium; besonders in Folge eines fremden Kör¬
pers im Auge (grosse Hyperämie, Oedem, heftige
Schmerzen).
Coryza: Erstes Stadium der fieberhaften Be¬
wegungen der Luftwege — 3. Dil.
Jliathesis purulenta mit Neigung zu Collaps
(2. Varietät des Acon.-Fiebers) — Urtinctur von
1—2 Gramm pro die. 1
Dysenterie: Anfangs mit starkem Fieber mit Pro- |
stration und Neigung zu Collaps (2. Varietät des
Acon.-Fiebers) — mittlere Dilutionen.
Endocarditis chronica (schmerzhafte Symptome)
Urtinctur. (? Ref.)
Erythem der Haut mit geringem Fieber — 3. Dil.
Febris typhoides im Anfänge (Fieber, Kopfschmerz
ohne ausgesprochene Localisation. 1. Fiebervarie¬
tät) — 3. Dil. bis Urtinctur.
Formicatio .
Gicht , acute , und Polyarticularis (während des
Anfalles alle 10 Minuten, später alle 2 Stunden) —
3. Dil.
Hämoptysis in Folge activer Congestion der
Lunge: Angst, Unruhe, Blut, roth und schaumig,
kommt reichlich bei unablässigem Husten, Ohn¬
machtsanwandlungen, kleiner Puls, Schwäche, blasses
Gesicht — niedrige Dilutionen.
Hysterie , die anderen Mitteln trotzt, Krisen, die
sich durch einen Zustand von Ohnmacht oder Schlum¬
mersucht, mehrere Stunden nach der Mahlzeit auf¬
tretend, äussern — mittlere Dilutionen.
Icterus gravis: Urtinctur (2 stündlich 2 Tropfen).
Keratitis interstitialis mit oberflächlicher Ulcera-
tion in Folge von Verletzung oder Erkältung (Rötlie
der Conjunctiva mit Chemosis und Lichtscheu).
Irititis (traumatica) im ersten Stadium, plötzlich
ausbrechend, bei jungen, vollsaftigen Kranken nach
Erkältung.
Laryngitis im ersten, fieberhaften Stadium —
3. Dil.
Lipothymia hysteiica: Oeftere Anfälle.
Menoirhagia (grosse Erregung, Angst, Todes¬
furcht etc.; das Blut ist lebhaft, roth und heiss).
Neuralgiae (brennende Stiche, Kriebeln) beson¬
ders N. brachialis et trigemini — 3. Dil.
Neurosen: Hohe Dilutionen.
Odor hypersensibilis (Hysterie).
Ophthalmia traumatica: Hauptmittel zur Ver¬
hütung und Heilung der auf Verletzung folgenden
Entzündung, intus et extra.
Otitis media suppurativa mit starkem Fieber.
Palpitationes cor dis mit Angst und heftigem
Schmerz in der Herzgegend, der sich bis in den
linken Arm verbreitet, begleitet von Ameisenkriebeln
und Taubheit in den Fingern.
Parese der Augenmuskeln in Folge von Erkäl-
tung.
Pericarditis: (fieberhaft, Herzschmerzen, Herz¬
klopfen, Angst, Lipothymie, und selbst Mitralfeh¬
lern) — Urtinctur.
Peritonitis acuta in allen Stadien, besonders
Pelm-Peritonitis (heftiges Fieber im ersten Sta¬
dium) — Urtinctur.
Pleuritis acuta , zumal im Anfänge, bei grosser
Hyperämie und beträchtlichem Erguss — Urtinctur.
Pneumonia catarrhalis im ersten Stadium —
3. Dil.
Rheumatismus acutus , im Anfänge, bei heftigem
Fieber und profusem Schweisse (1. Aconit-Fieber¬
varietät) — Urtinctur.
Rheumatismus mascularis — 3. Dil.
Scarlatina (anginöse Form) — 3. Dil.; in der
gewöhnlichen Form in Wechsel mit Bellad. 3.
Uraemte: Tinct. Aconit, et tinct. Veratr. virid.,
5 Tropfen stündlich, bei hohem Fieber.
Tic douloureux faciei — 3. Dil. im Wechsel mit
Arnica 3.
Urethritis acuta: Stiche im Orificium und in der
Digitized by k^ooQle
104
Fossa navicularis, mit Brennen beim Harnen; Bren¬
nen im Blasenhalse, ausser der Zeit des Hamens;
reichlicher, grünlicher Ausfluss, schmerzhafte Naeht-
erectionen.
Zum äusserlichen Gebrauch bei Alopecie. Rp.
Tinctura Aconita 15 Gramm, Chloroform 8., Cam¬
phora trit. 8., Olei olivarum 30. — Harrison Allen.
(Selbst diese Autorität macht uns diese Mischung
nicht zusagender. Ref.)
Frostbeulen, Herpes zoster (äusserliche Anwen¬
dung der Tinctur).
Neuralgia orbitalis (ebenso angewandt).
Pharyngitis acuta: Gurgelwasser von 8 Gramm
der Urtinctur mit 250 Gramm Wasser.
Toxicologie: Die Wirkungsdauer von einigen
Stunden in acuten Fällen, von einigen Tagen in
chronischen; das Mittel soll nicht während der
Digestion gegeben werden. Anderseits tritt bei 5 bis
6 Gramm toxische Wirkung ein. Das wirksamste
Antidotum ist die Bouchardat’sche Lösung von Jod¬
kalium 40 und Jod 30 Centigramm auf 1 Liter
Wasser zu 1 / 2 Glase voll zu nehmen. Im dritten
Theil seines Werkes giebt Dr. Sieffert eine kurz¬
gefasste, alphabetisch geordnete Pathologie der wich¬
tigsten Krankheiten, mit Angabe der bei jeder an¬
gezeigten Hauptmittel, aus denen man, wenn man
sich die charakteristischen Eigenthümlichkeiten jedes
Mittels vergegenwärtigt, das für den speciellen Fall
passende leicht wählen kann.
Schliesslich wollen wir dem Dr. Sieffert für sein
treffliches Werk, das wir in den Händen all un¬
serer Collegen zu sehen wünschen, unseren Dank
aussprechen. Dr. Maro Jousset.
Wir unsererseits möchten noch als einen Vor¬
zug des Dr. Sieffert’schen Werkes bervorheben, dass
es, unter den uns bekannten Werken dieser Art,
die neueren, in unseren Arzneischatz aufgenomme¬
nen, zum Theil noch nicht völlig geprüften, nur
ex usu in morbis bekannten Mittel am vollstän¬
digsten enthält. Sodann giebt uns der Autor zu
manchem Mittel einen für die Pathogenese und die
therapeutische Anwendung desselben recht brauch¬
baren und nützlichen Excurs. Beispielshalber führen
wir das an, was er über den Gebrauch von Pulsa-
tilla und Cephalgie in Folge von Ueberanstrengung
beibringt. „In einer Arbeit, welche wir schon mehr¬
fach gelegentlich citirt haben, worin sich Dr. Claude
mit der curativen Wirkung feinerer Dosen beschäf¬
tigt, hat er sich über die systematische Anwendung
von Pulsatilla in der Behandlung der auf Ueber¬
anstrengung beruhenden Kopfschmerzen ausführlich
verbreitet. Nachdem er beobachtet hatte, dass dies
Symptom, das sich durch einen dumpfen, in der
Regio frontalis localisirten Schmerz sowie durch
eine fast völlige geistige Stumpfheit in der Auf¬
fassung und im Gedächtniss auszeichnet, unter dem
Gebrauche von Pulsatilla besser wurde — nach¬
dem es der physischen und geistigen Ruhe und
den Martialien und Arsenicalien, die durch die
chlorotischen Geräusche angezeigt waren, sowie
auch den hygienischen Mitteln (Hydrotherapie, Luft¬
veränderung etc.) getrotzt hatte —, wollte unser
College sich darüber Gewissheit verschaffen, ob diese
Thatsache nicht aus der specifischen Wirkung der
Pulsatilla auf das venöse Gefosssystem erklärt wer¬
den könne. Auf seine Bitte nahm Dr. Parenteau,'
ein junger, ausgezeichneter Augenarzt, an einer
Anzahl von Kranken, die ihm Dr. Claude zu wies,
zahlreiche ophthalmoskopische Untersuchungen vor.
Aus diesen konnte dann festgestellt werden, dass
die Cephalgie von Ueberanstrengung stets mit einer
Volumenzunahme der venösen Gefösse im Augen¬
grunde und andererseits mit einer Volumenabnahme
der Arterien zusammenfiel. Die Dünnheit der letzteren
erreicht bisweilen einen so hohen Grad, dass es
schwer hält, sie aufzufinden, und man nur das
venöse Gefössnetz wahrnimmt. Je nach dem Ver¬
halten der beiden Gefässsysteme kann man die In¬
tensität der Läsion und der hieraus entspringenden
Störungen fast quantitativ bestimmen. Diese Unter¬
suchung liefert also zugleich werthvolle diagnostische
und prognostische Zeichen. Dr. Claude theilt seine
Kranken in mehrere Kategorieen, von denen er eine
Anzahl mit Pulsatilla in starken oder verfemten
Dosen, andere mit anderen Mitteln, wie Hamamelis,
Arnica, Cactus, behandelte. Hamamelis und Cactus
hatten jedes nur in einem Falle Erfolg. Die starken
Dosen von Pulsatilla (10 — 30 Tropfen der Urtinc¬
tur in 24 Stunden) brachten immer eine Steige¬
rung des Leidens. Nur die Dilutionen brachten
beständig eine günstige Wirkung hervor. Die 3. Dil.
(zu 3 Dosen täglich) verringerte die Schmerzen in
3 oder 4 Tagen, sodann schien sie an Wirksam¬
keit zu verlieren.
Wenn man nach Verlauf von einer Woche zu
starken Dosen überging, so gewannen die Schmer¬
zen ihre erste Heftigkeit wieder. Aber die 6. oder
12. Dil. beschwichtigt sie bald wieder, und das
Ophthalmoskop constatirt anatomisch die von dem
Kranken angegebene Besserung der functionellen
Störung. In einer letzten Reihe von Patienten ver¬
sucht Dr. Claude noch höhere Verdünnungen, der
24. und 30. Die Wirkung war = 0, und nur
wenn er von den niedrigen Dilutionen allmählich
zu den höheren aufstieg, machte sich die Heilwir¬
kung bemerkbar, trat deutlicher hervor und hielt
wirklich Stand. Von da an formulirte Dr. Claude
seine Verordnung in folgender systematischerWeise:
5 Dosen Pulsatilla 3. zwei Tropfen in einen Ess¬
löffel warmen Wassers, eine Stunde vor der grossen
Mahlzeit und beim Schlafengehen. Nach zweitägiger
Digitized by GiOOQle
105
Pause Pulsatilla 6. in gleicher Weise. Neue Pause
und allmählich 12., 18., 24. und 30. Dil. Wir
haben noch hinzuzufügen, dass selten der Kranke
genöthigt ist, über die 18. Dil. hinauszugehen.“
Dr. Mosaa.
Homöopathische Rundschau.
Auszug aus dem Journal Beige d’liomoeopathie und
der Revue homoeopatliique fran^aise.
Von Dr. med. Bob. Stäger.
(Fortsetzung.)
2. Otitis media purulenta chronica.
(Von Weaver).
Die Hauptmittel sind:
Psoricum. Gelbgrüner, stark riechender Aus¬
fluss. Tendenz zur Bildung von Pusteln im Ge¬
sicht und am Hals, besonders um den Mund, Nase
und Ohren. Geschwüre am äusseren Ohr mit
Krusten.
Hepar sulf. Wichtiges Mittel, besonders wenn
acute Exacerbationen da sind. Der Kranke ist
schwach, schwitzt leicht und ist sehr reizbar; er
fröstelt beim leisesten Luftzug und zeigt einen
Ausschlag auf der Haut des Rumpfes. Die Regio
masto'idea ist geröthet, geschwollen und druck¬
empfindlich, der Mund trocken; Schwindel und Angst
beim Blicken nach oben.
Silicea passt bei scrophulösen Kranken, beson¬
ders wenn die Knochen ergriffen sind (also Knochen¬
tuberkulose würden wir heute sagen. Ref.) Der
Ausfluss ist sehr übelriechend und dunkel; lanzi-
nirende Schmerzen in den Ohren, starker Schweiss
am Kopf, Schmerzen in den Gliedern und Prostra¬
tion. —
Kali bichrom. ist ein sehr nützliches Mittel in
den letzten Stadien der Krankheit, wenn der Aus¬
fluss sehr dick geworden ist und sich zu Fäden
ziehen lässt. Die Tuba Eustachii ist fast undurch-
gänglich; der Pharynx ist leicht mitgenommen und
Hüsteln besteht.
Capsicum ist indicirt, wenn die Cellulae mastoideae
durchzubrechen drohen; Kopfschmerz, Fieber und
selbst Delirien sind vorhanden. (Beginnende Hirn¬
entzündung. Ref.)
Tellurium . Reichlicher und schon lange dauern¬
der Ausfluss; oft heftiges Pochen im Ohr; die Ohr¬
muschel ist blauroth und ödematös; der Gehör¬
gang ist sehr sensibel beim Berühren und blutet
leicht; Tendenz zu Eczem hinter dem Ohr ist da
und grosse Abgeschlagenheit.
Sulfur . Ausfluss stark riechend, so dass es un¬
möglich ist, Irrigationen zu machen. Er reizt das
Ohr und ruft dadurch einen eczematösen, nässen¬
den Ausschlag hervor. Diese Symptome entsprechen
am meisten Sulfur.
3. Phlyktänuläre Augenentzündung.
(Von Dr. Whinna).
Der Autor bespricht dio Aetiologie, Symptomato¬
logie und Therapie. Am Schluss resumirt er wie
folgt:
Arsen . alb. bei scrophulöser Diathese und grosser
Photophobie.
Calcarea carb . Mandelentzündung.
Calc. jodata, wenn das vorhergehende Mittel
nichts nützte.
Coniam. Photophobie, abundante Secretion,
Lider krampfartig geschlossen.
Graphit , ähnlich dem Arsen. Verschlimmerung
Morgens, blutende Fissuren an den Commissuren
der Lider und an den Nasenflügeln.
Hepar sulj. Photophobie und Thränenfluss, be¬
sonders am Tage und beim Berühren des Auges;
Besserung durch Wärme; leicht blutende Commis¬
suren.
Rhus tox. Heisse, reichliche Thränen. Die
Behandlung ist selbst in den Zwischenpausen
zwischen den Anfällen fortzusetzen. (The hom.
Eye, Ear and Thr. Journal.)
4. Mittel J gegen das Schwitzen.
Aconit. Die bedeckten oder befallenen Portionen
schwitzen enorm. Der Kranke deckt sich ab.
Actaea racemosa , wenn Frost, dann Hitze, dann
Schweiss mit Trockenheit der Haut mit einander
wechseln.
Agnus castus. Schwitzen der Hände beim
Spazieren im Freien.
Aloe soc. Der Schweiss riecht stark, besonders
an den Genitalien.
Alumina hat Unmöglichkeit zu schwitzen. •
Ambra hat profusen nächtlichen Schweiss, be¬
sonders nach Mitternacht.
Ammonium carb. hat Schweiss nur im unteren
Theil des Körpers.
Ammonium muriat. Klebriger Schweiss in der
Hohlhand, namentlich der linken.
Antimon . ci'udum. Schweiss, der zur selben
Stunde immmer wieder erscheint, meistens alle zwei
Tage.
Apocynum cannab . Ascites gebessert durch
Schwitzen.
Argentum nitr. Leichtes Schwitzen während
und nach der Mahlzeit.
Arsenic. alb. Unlöschbarer Durst während des
Schwitzens.
Baryta carbonic. Starker Schweiss links, besonders
am Kopf.
14
Digitized by t^ooQle
106
C'aicarea carb . Copiöser Schweiss am Tage, bei
kühler Temperatur.
Carbo animal. Sobald er die Augen schliesst,
bricht ein profuser Schweiss aus.
Carbo reg. Putrider, nächtlicher Schweiss.
Cinchona off. Schwitzen der betreffenden Seite,
auf der man liegt.
Conium rnac. Tag und Nacht Schwitzen, so¬
bald man schläft oder nur die Augen zumacht.
Cyclamen europ. Nächtlicher Schweiss während
des Schlafes, nur mässig, aber von unangenehmem
Geruch
Dulcamara. Unterdrückung des Schweisses.
Euphrasia . Schweiss oft nur auf der Vorder¬
seite des Körpers (Graphit).
Ferrum. Profuser, klebriger, schwächender
Schweiss von üblem Geruch und lange dauernd. ]
Gelsemium. Schwitzen bessert alle Symptome
(Helleborus).
Graphites. Schwitzen in Folge der geringsten
Bewegung oder dann Unmöglichkeit zu schwitzen.
Guajacum. Profuser Schweiss rechts, am Rücken
(Hepar sulf.).
Hepar sulf. Kalter, klebriger Schweiss mit
Uebelkeit, Tag und Nacht ohne Unterbrechung.
Ignatia. Schweiss auf der Oberlippe beim •
Essen.
Ipecac. Kälte. Verschlimmerung im Freien,
schlechter während des Schwitzens, besser nachher.
Kali carb. Jede Nacht Schwitzen bis am Morgen
ohne Aufhören.
Lachesis. Profuser Schweiss; gelbe Flecken
oder blaurothe Streifen.
Merc. soL Symptome oft vermehrt nach dem
Schwitzen. (The Denver Journal of Homoeopathy).
(Merkwürdigerweise ist hier Sahia off. nicht i
aufgeführt, welche beim Schwitzen besonders der I
Phthisiker ausgezeichnete Dienste leistet, wie der j
Ref. aus Beobachtungen in seiner Praxis weiss.
Auch Atropin sulfuric . gehört in dieselbe Rubrik,
obwohl Salvia bedeutend prompter wirkt, wie Dr.
M. Krahn es bewiesen hat. Ref.)
5. Die Mönifcr’sche Krankheit.
Nach einer Studie Dr. Dudley Wright’s haben
wir gegen die Symptome obiger Krankbeit folgende
Mittel:
Bryonüij wenn der Schwindel von einem katar¬
rhalischen Zustand des Mittelohrs abhängt. Selbst
wenn Eiterung da ist, bemerkt man ein gute Wir¬
kung des Mittels, wenn man es im Wechsel mit
Hepar, Silicea oder einem anderen angezeigten
Mittel giebt.
Wenn überdies die gastrischen Symptome von
Bryonia da sind, ist die Wirkung noch sicherer.
Aurum. Daran hat man besonders bei syphi¬
litischer Grundlage zu denken.
Spigelia. Seine Wirkung auf das innere Ohr
und den Nervus auditivus gleicht deijenigen von
Aurum, aber sie ist oberflächlicher.
Pilocaipin ist von Politzer in die Therapie ein¬
geführt worden; es giebt oft gute Resultate. Kürz¬
lich wurde ein Fall von einer Affection des Laby¬
rinths ohne Vertigo, der jeder Medication Wider¬
stand geleistet hatte und welcher von profusen
Schweissen begleitet war, durch die 2. Potenz des
Mittels wesentlich gebessert.
Chinin wurde viel und oft angewandt, beson¬
ders bei der echten Möniör’schen Krankheit, auch
von Allopathen.
Acidum hydrobromic. Seine Wirkung ist eine
dem Chinin entgegengesetzte. Nach einem Experi¬
ment von Winslow würde dieses Mittel mehr einem
Schwindel entsprechen, welcher einer reflectorischen
Gefässdilatation seinen Ursprung verdankt.
Cocain und Tabacum sind hier und da ange-
I zeigt, doch hat der Autor dieses Artikels keine
persönliche Erfahrungen hierüber.
6. Lachesis trigonocephalus, Crotalus, Elaps
corallinus und Naja tripudians.
Einige Betrachtungen über ihre Naturgeschichte,
über die Eigenschaften ihrer Giftstoffe, die Zu¬
bereitung derselben in der Pharmacie, ihre Patho¬
genese und die verschiedenen angewandten Mittel,
um die Schlangenbisse zu heilen. Von Dr. Price.
Weir, Mitchell und Reichert haben 3 Haupt¬
bestandteile des Schlangengiftes isolirt: 1. ein
Pepton (Pepto-venin) mit localer, langsamer Wir¬
kung (Oedem und Ulceration); 2. ein Paraglobulin
(Globulino-venin), welches das active Princip zu sein
scheint und rings um die Impfstelle eine enorme
hämorrhagische Infiltration erzeugt; 3. ein Albumin ,
dessen Giftwirkung noch zweifelhaft ist. Unter
dem Einfluss des Paraglobulins schwellen die Ge¬
webe an und werden blauschwarz und zwar in
Folge einer Infiltration mit uncoagulirbarem Blut.
Vermöge seiner Wirkung auf die rothen Blutkörper¬
chen verhindert es die Oxydation des Albumins
und gerade dadurch, dass das Fibrin fehlt, bleibt
das Blut in flüssigem Zustaude. Mehr als das
1 Pepton (Pepto - venin) begünstigt es durch seine
I Wirkung auf die Capillaren die Entstehung von
1 Ecchymosen; es übt eine die Herzaction herab-
! setzende Wirkung aus und lähmt die respiratori-
| sehen Centren. Das Opfer einer Schlange, deren
l Gift ein Uebennass an Paraglobulin enthält, wird
länger leben, als wenn das Pepton (Pepto-venin)
vorwiegt. Dies letztere begünstigt besonders die
Oedembildung und die Destruction der Gewebe
durch Eiterung und Gangrän, beschleunigt die cen-
Digitized by k^ooQie
107
trale sowohl als peripherische Circulation, ebenso
wie die Respiration und das durch seine Ein¬
wirkung auf den Nervus pneumogastricus; das
Ende ist eine allgemeine Lähmung. — Das
Gift der Naja enthält nur 2 Proc. Pepto-venin,
während dasjenige von Crotalus 14 Mal mehr hat
Das Pepto-venin der letzteren bedingt weniger Con-
vulsionen, als das der Crotalus. Wenn beide Gifte
ungefähr in gleichem Verhältniss vorhanden sind,
so kann sich ihre Wirkung aufheben.
Das Gift von Lachesis und Elaps wurde noch |
nicht analysirt; da aber Lachesis und Crotalus zur
gleichen Gattung gehören, ist es wahrscheinlich,!
dass ihre Gifte ähnlich sind, ebenso wie aus dem¬
selben Grund das Gift von Elaps demjenigen von
Naja verwandt sein dürfte. Wenn wir aber die ,
pathogenetischen Symptome betrachten, so ist die
Aehnlichkeit zwischen Naja und Lachesis grösser,
was zu dem Schluss berechtigt, es enthalte das
Gift von Lachesis mehr Pepto-venin als Globulin.
Crotalus, in Folge seines Ueberschusses an Globulin,
ist indicirt bei Blutentmischung, torpiden Entzün¬
dungen, Haematemesis, wenn das Blut schwarz und
flüssig ist wie bei: Purpura haemorrhagica, gelbem
Fieber etc. Es erzeugt Herzpalpitationen, während
Lachesis das Symptom eines zusammenschnürenden
Bandes um den Hals und Naja grossen Schmerz !
hat. Während Lachesis besonders auf die linke j
Seite wirkt, hat Elaps eine Verwandtschaft zur '
rechten Seite, und ist angezeigt bei Bluthusten !
(Blut schwarz), wobei das Blut aus der rechten |
Luuge kommt (das Globulin ist überwiegend), ln j
Folge seiner Wirkung auf das Nervensystem ent¬
spricht Naja dem Herzkrampf, Herzklopfen, Dys¬
pnoe etc.; zugleich aber auch der Blutentmischung
mit Hämorrhagie, wobei das Blut schwarz und
dünnflüssig ist. Lachesis passt auch für das Nerven¬
system, besonders der linken Seite, indem es Auf¬
geregtheit und durch seine Wirkung auf das Herz
das charakteristische Symptom von Zusammen¬
schnürung erzeugt. Bei Haemorrhagie und nur in
dem Falle, wenn das Blut schwarz ist und unvoll¬
ständig coagulirt, angezeigt, wirkt Crotalus zumal
auch auf das Nervensystem und das Herz und ist
besonders bei gewissen localen Affectioneu von
Vortheil, so bei Gangrän in Folge Erweichung der
Capillarwände mit Haemorrhagieen(Blut uncoagulirt),
Elaps hat eine Verwandtschaft zur rechten Seite;
die Blutungen bestehen aus sehr dunklem Blut,
welches meist flüssig ist, selten coagulirt. Der Biss
von Naja ist am schnellsten tödtend —
Das beste Gegengift gegen Schlangengift ist
das verdünnte Schlangengift selbst. Die Wirkung
des antitoxischen Serums ist viel schneller als die¬
jenige des Giftes selbst, falls wenigstens das Letztere j
nicht direct ins Blut eingeführt wird. Ein mit dem
Gift immunisirtes Thier, gleichgültig mit welchem
Schlangengift, bleibt gegen das Gift jeder anderen
Schlangenspecies geschützt. Der Beweis hierfür
wurde für elf verschiedene Schlangenarten bereits
erbracht. Dieses Factum beweist, dass keine funda¬
mentale Verschiedenheit in der Hauptwirkung der
verschiedenen Schlangengifte existirt.
Eine Tnjection von einem Gemisch einer tödt-
liclien Dosis Schlangengift und einer genügenden
Menge Serum übte bei einem Kaninchen keine
deletäre Wirkung aus. Das ist nichts anderes , als
eine Bestätigung des AehnUchkeitsgeselzesl (Nart.
Amerc. J. of Hom.)
7. Therapie der Keloide und Narben.
(Von Dr. Bernhard.)
In diesem Artikel empfiehlt der Autor immer
die chirurgische Behandlung, wenn sie betreffs des
Ortes, wo das Keloid sitzt, möglich ist. In gegen¬
teiligen Fällen wird man die Narben vor äüsseren
Reiz schützen, oder wenn Ulcerationen da sind,
wird man einen Verband anlegen.
Die interne Behandlung scheint wenig Einfluss
auf diese Affectionen zu haben; indessen wird man
in gegebenen Fällen an folgende Mittel denken
müssen: an Graphit, wenn die Narbe brennt und
indurirt ist; an Kali bichromicum, wenn die Narbe
wie mit Nadelstichen bearbeitet scheint; an Lachesis,
wenn die Haut roth ist und Schmerz und Ulcera¬
tionen da sind; an Sulfur, acidum, wenn die Narbe
blutroth oder bläulich und schmerzhaft ist.
(Pacific coast journal of Hom., Febr.)
(Fortsetzung folgt.)
Cocain-Vergiftungen.
Da der Gebrauch des Cocain, als Anaestheticum
besonders, in der alten Schule immer allgemeiner
wird, ja, da man dasselbe in der Chirurgie jetzt in
Form von subcutanen Einspritzungen zur Ausführung
selbst bedeutender Operationen dreister als sonst
benutzt, so kann es nicht ausbleiben, dass die
Fälle von toxischen Wirkungen dieses Mittels sich
mehren. Die Excerpta medica bringen in No. 6,
Jahrg. V, drei nicht unbedenkliche Beispiele hier¬
von.
1. Acute Cocain-Vergiftung.
Dr. Partos hatte einem 19jährigen kräftigen
und gesunden Mädchen, dem er einige Tage vor¬
her zwei Zähne unter Cocaininjection ausgezogen,
wieder 8 / 4 einer Pravaz’schen Spritze einer 4pro-
centigen Cocainlösung behufs Extraction eines
dritten Zahns eingespritzt. Es traten diesmal recht
bedrohliche Erscheinungen, in denen Depression
14*
Digitized by ^»ooQle
108
und Exaltation abwechselten, ein, die sich aber auf
eine Morphium-Injection besserten.
2. Cocain-Vergiftung bei einem neuuraonatlichen
Kinde. Dasselbe hatte einen Theelöffel einer 20pro-
centigen Lösung (= 0,8 Cocain) genommen (aus
Versehen? Ref.). 4 Stunden später: Hochgra¬
dige Aufregung mit fortwährenden choreaartigen
Bewegungen des ganzen Körpers , besonders aber
der oberen Extremitäten , gerothetes Gesicht , sehr
erweiterte Pupillen , Kopf leicht nach hinten ge¬
zogen, der ganze Körper mit kaltem Schweiss
bedeckt, Puls sehr frequent , klein , kaum fühlbar.
Nachdem die Aufregung 5 Stunden bestanden,
folgte plötzlich ein Depressionsstadium: äusserste
A iflesch lagen heit, Blässe des Gesichts , Herzschwäche,
Fortbestehen der choreaartigen Zuckungen. Nach
einiger Zeit Erbrechen und Durchfall, welche
sammt dem Schweisse die ganze Nacht anbielten,
während der das Kind wieder munterer wurde und
die Herzschwäche sich allmählich verlor. Am
nächsten Morgen völlige Euphorie . Therapie: ener¬
gische, häufig wiederholte Frictionen des ganzen
Körpers, stündliche Verabreichung von Linden-
blüthen-Lavements, warme Getränke (Kaffee, Thee),
Mixtur von Chloralhydrat und Kali bromatum.
3. Chronische Cocain-Vergiftung.
Einer 35jährigen, an „nervösem Schnupfen“
leidenden Dame hatte ein Specialist öfters Ein¬
schnupfen von einem Pulver verordnet, das aus
Cocain raur. 5,0 und Amylum 100,0 bestand. Dies
that der Pat. so wohl, dass sie gewohnheitsgemäss
20—30 Mal und noch öfter alltäglich 7 Monate
lang solche Prisen nahm, und letztere sich auch
ohne Schnupfenanfall zum Stimmungsbedürfniss ge¬
staltete. Mehrstündige Entbehrung genügte, um
unter Herzklopfen , Beängstigung und Ohnmachts-
gejühl zu reichlichem Wiedergebrauch des Pulvers
anzureizen. Es entwickelte sich bei ihr Gemüths-
reizbarkeit , Gedankenschwäche mit zeitweiser un¬
angenehmer Gedanken flucht , Schlafmangel, halluci-
natorische Anklänge, auffallende PupiUenerweitei'ung
und Neigung zu Cardialgieen .
Entwöhnung unter Ersatz von Naseneinspritz¬
ungen mit Salicylsäure, und innerem Gebrauch von
Chinin und reichlichem Weingenuss, brachte an¬
fangs eine Reihe von Abstinenzbeschwerden: Schlaf¬
losigkeit, Angstanfklle, Congestionen nach dem Kopfe
und Durchfälle, die allmählich weichen, und erst
nach 5 Wochen trat eine ruhigere Stimmung ein;
die Congestionssymptome und die Pupillenerweite¬
rung verschwanden; es folgte aber ein starkes Ab¬
spannungsgefühl .
Dieser Fall zeigt, wie die Resorption von der
Nasenschleimhaut aus auch ziemlich verdünnten
Cocainpulvers bei massenhaftem Verbrauch bedenk¬
liche Wirkungen in den Nervencentren auszulösen
vermag und zu ähnlichen Abhängigkeits- und Ab¬
stinenzerscheinungen führt, wie der gewohnheits-
gemässe hypodermatische Morphiumgebrauch.
Wenn man in letzter Zeit zur Erzielung von
Anästhesie eine Bepinselung der betreffenden
Schleimhäute sogar mit 20proc. Lösung von Cocain
sich gestattet hat, so werden die unliebsamen Er¬
fahrungen nicht ausbleiben, noch weit intensiver
werden freilich die toxischen Wirkungen bei sub-
cutanen Einspritzungen in die Augen treten. H.
Ward’s Island Hospital; New York.
„Es dauert oft lange Zeit, bevor eine grosse
Idee oder ein weit reichendes Princip sich der den¬
kenden Geister, selbst in diesem Lande (i e. Nord-
Amerika) mit solcher Kraft bemächtigt, dass man
jener Idee Gehör schenkt und sie eine unwiderstehliche
Macht wird. Viele Jahre bitterer und harter Ver¬
folgung, viele Jahre des Kampfes sind vergangen,
ehe die grossen therapeutischen Ideen Hahnemann’s
und seines grossartigen Heilsystems die öffentliche
Meinung so stark durchdrungen haben, dass der
Plan ein öffentliches Krankenhaus herzustellen sei¬
nes Erfolges fast von vornherein sicher war. Und
wenn in nur drei Tagen Unterzeichnungen erlangt
worden sind, die über vierhundert Millionen
(400,000,000) an Wert repräsentiren, indem mit
gutem Recht ein würdiger Hospitalbau gefordert
wurde, und diese Petition von A. T. Stewardt, viel-
I leicht dem bedeutendsten unter den kaufmännischen
Königen von New York, und William Cullen Bryant,
dem Dichter und Senior der Tagespresse, dem
Wohlthätigkeitsausschusse (Board of charities) vor¬
gelegt wurde — da war nur eine Antwort mög¬
lich, und die Schlacht war gewonnen. Ein neues
Krankenhaus, als Repräsentant der vervollkommne-
j ten Therapie, wurde den grossen Wohlthätigkeits-
I anstalten unserer Stadt hinzugefügt. Da ein Black-
I well’s Island Hospital unter der Controle des Wohl-
1 thätigkeit8departements bereits besteht, so wünsch¬
ten wir, dass das unsere, seine Schwester, unter
derselben Controle stehend, Ward’s Island Hospital
genannt werden möchte. Dies unser Hospital sollte
i die sogenannte homöopathische Schule vertreten,
I und doch hat dieser Name etwas Sektirerisches,
I und wir wünschten, als Aerzte, die volle Freiheit,
zu denken und zu handeln gemäss den Bahnen
! der immer weiter fortschreitenden Wissenschaft und
Erfahrung, wohin diese uns immer führen möchten,
j Indessen man bestand auf die Bezeichnung ,Ho-
| möopathisches Hospital*, und wir waren genöthigt
^ uns zu fügen. Das ärztliche Collegium war aus
| Mitgliedern der homöopathischen Schule gebildet,
i Es vertritt wohl die vorgeschrittene und liberale
Digitized by
Google
109
Praxis dieser Schule, und doch bis zu einem ge- [
wissen Grade war es recht sektirerisch, das erste |
wirklich nicht sektirerische Hospital, das je in der I
Kulturgeschichte gegründet worden ist. Es sind
dem Geiste des ärztlichen Colloquiums keine Fesseln
angelegt. Die breiten Pforten der Wissenschaft j
sind für Alle geöffnet, und die Entwicklung neuer |
Wahrheiten finden eine freundliche Aufnahme. I
„Man hat das neue Hospital das Muster-Kranken- j
haus unserer Stadt genannt, und wdsbalb? Weil
es mit vorzüglichen Vorstehern besetzt ist, mit
Männern von ausgezeichneter organisatorischer
Tüchtigkeit sowie mit einem ärztlichen Collegium, J
das sich nicht scheut zu denken und zu handeln
in Uebereinstimmung mit den Erkenntnissen der |
medicinischen Wissenschaft. Die Reinlichkeit, das
Licht, der Sonnenschein, die reine Luft, die gut-
auserlesene Ernährung, die Asepsis waren ein Theil
von Hahnemann’s Heilsystem, aus denen sein thera¬
peutisches Gesetz herauswuchs, lange bevor Lister
bekannt war, und in ihnen lag grossentheils das
Geheinmiss der wunderbaren Erfolge seiner An¬
hänger, ehe diese Grundsätze von der überwiegen¬
den Mehrzahl der Aerzte angenommen und in ihrer
Praxis verwendet worden sind. Es war ein ruhm¬
reicher Tag für uns, als wir unser neues Haus
zum ersten Mal betraten und durch den Corridor
und von Raum zu Raum gingen mit ihren langen
Reihen noch unbesetzter Betten, indem wir uns
vorstellten, wie sie sich bald mit unseren Patienten
füllen, und wie die Stadt, deren Diener wir sind,
ein Urtheil über uns sprechen und uns streng ver¬
antwortlich für unser Werk machen werde. Wie
wir von Zimmer zu Zimmer gingen vorbei an den
insassenleeren Betten, die sich bald mit Kranken
und Leidenden füllen werden, die nach Hilfe auf
uns schauen, da schien es, als ob eine Stimme von
einer unsichtbaren Quelle durch die Luft schwebte,
»Wohlan, thut eurer Seele Pforten auf,
Dass alle Herrlichkeit des Weltenalls I
Zu ihr einziehe. Kann die schmale Tafel
Von einem armen Credo doch nicht fassen
Die Glanzesstrahlen, welche schimmern
Von ungezählten Lichtesquellen Thut hinweg
Des Aberglaubens Blenden, dass das Licht i
Durch klare Fenster lliesse, klar wie Wahrheit ,
Und hehr wie Gott. Hinweg der Schutt
Entseelter Lehren, fegt herunter
Das Spinngeweb’ verbrauchter Traditionen,
Und weitet eure Seele für das Licht, I
Das aus Vernunft und Kenntniss strahlt! Herzhaft
Stosst von euch halbe Wahrheit, greift die ganze!‘ |
„Und dieses haben wir, soweit es unsere Fähig¬
keit erlaubt, zu thun versucht, um so unser Kran¬
kenhaus zu einem kleinen Molekül in dem mäch¬
tigen Strom von Freiheit und Fortschritt, der die
Welt durchkreiset, zu machen. !
„Ist es fehlgeschlagen, oder ist die Welt wirk¬
lich ein wenig besser dank jenem Geiste von Frei¬
heit, Fortschritt, klargefassten, schneidigen Ge¬
danken, die von der klinischen Erfahrung des
Hospitals in weite Arbeitsgebiete gebracht und die
ein Theil Ihres Lebenswerkes und die Krone Ihres
Erfolges ausmachen?“
(Medical Times. New York.)
Es ist immerhin eine bemerkenswerthe Erschei¬
nung, meinen wir, wenn eine so bedeutende ärztliche
Zeitung wie die New Yorker Medical Times in einem
Artikel eines Nichthomöopathen, der das in jener Stadt
unter so guten Auspicien ins Leben tretende homöopa¬
thische Hospital so sympathisch begrüsst, ja schwung-
und hoffnungsvoll feiert, seine Spalten geöffnet hat.
Für unsere Sache ist dies Hospital in New York
eine wichtige Errungenschaft, deren volle Bedeu¬
tung aber nicht bloss allein darin liegen wird, dass
die zur ärztlichen Leitung berufenen homöopathi¬
schen Aerzte in souveräner Gedankenfreiheit die
Ergebnisse der „modernen“ Heil Wissenschaft und
Heilkunst zur Geltung bringen, sondern auch den
gediegenen, vielbewährten Grundsätzen der Homöo¬
pathie getreu ihre Therapie ausüben.
Dr. Hossa.
Lachesis in Endocarditis.
Dr. Colwell berichtet in The Clinique vom Juli
vor. Jahres einen Fall von Endocarditis scarlatinosa,
bei dem Lachesis sehr wirksam sich erwies:
Ein 5jähr. Knabe war im Februar 1892 an
Scharlachfieber erkrankt. Die Krankheit nahm einen
massigen, typischen Verlauf ohne Complicationen.
Nach zwei Monaten befand er sich schwer krank
an einer acuten Endocarditis und Rheumatismus
verschiedener Gelenke. Der Zustand ward immer
schlimmer, trotz allem, was man für ihn that. Ob¬
wohl fieberhaft, hatte seine Haut eine eigenthüin-
liche gelbliche Blässe, eine kachektische Färbung,
wie man sie öfters bei Diphtherie und anderen mit
schwerer Blutveränderung einhergehenden Krank¬
heiten antrifft.
Fast von Anfang des rheumatischen Anfalls an
waren alle Symptome bei dem Pat. schlimmer nach
dem Erwachen. Er erwachte, mit Weinen oder
Schreien, wie von Schmerz, und konnte eine Zeit
lang durch Nichts beruhigt werden. Der Schmerz
schien nicht durch zu langes Liegen auf einer
Stelle bedingt zu sein, so dass er durch Bewegung
erleichtert werden konnte (wie bei Rhus), sondern
auch Bewegung änderte nichts.
Dr. Colwell zögerte noch eine Zeit lang, Lachesis,
das hier so deutlich angezeigt war, zu geben; da
aber andere Mittel versagten, und die Sache schlecht
stand, entschloss er sich endlich dazu. Er Hess
Digitized by
Google
110
30 Gran von der 8. Dec.-Verreibung von Lachesis
in ein halb mit Wasser gefülltes Glas auflösen,
wovon Pat. alle halben Stunden einen Theelöffel
voll erhielt.
Nach Verlauf von zwei Stunden zeigte sich
schon eine Wendung zum Bessern, die nach 12 Stun¬
den schon recht merklich war. Die Besserung
schritt stetig fort, so dass er nach 3 Wochen als
gesund entlassen werden konnte. Es blieb ein
leichtes mitrales Murmeln zurück, keine Insufficienz.
H.
Bitte an die Collegen!
Für einen älteren Collegen, Vater schulpflich¬
tiger Kinder, der ohne eignes Verschulden in höchste
Noth gerathen, aber bestimmte Aussicht hat, bald
wieder in die Höhe zu kommen, wird eine Geld¬
unterstützung, die als Darlehen betrachtet wird,
auf diesem Wege erbeten. Schleunigste Hülfe ist
dringend nöthig, da seine Existenz davon abhängt,
und ist jeder Betrag willkommen. — Gefl. Gaben
nimmt entgegen und ist zu näherer Auskunft bereit
Metz, den 2. Januar 1899.
Dr. tfeinel,
Geh. San.-Rath, Kreisarzt der Stadt Metz
und
Medicinalreferent des Bezirks-Präsidiums.
Wir richten an die geehrten Herren Collegen
die Bitte, diesem im äussersten Westen des deut¬
schen Reiches in Noth gerathenen homöopathischen
Berufsgenossen freundlich zu Hülfe zu kommen.
Herr Apotheker Steinmetz, Leipzig (Verlag die¬
ses Blattes) ist bereit, die eingehenden Beiträge zu
sammeln und an die richtige Adresse zu befördern.
Die Eedaction.
XV. Jahresbericht des Homöopath. Spitals
München.
Im Jahre 1898 wurden in diesem homöopathi¬
schen Spital 30 Kranke behandelt, nämlich 8 männ¬
liche und 22 weibliche, in 2669 Verpflegungstagen.
Davon litten 10 an chronischen, die übrigen 20 an
acuten Affectionen, wovon 18 als geheilt entlassen
werden konnten. Von diesen hatten gelitten 1 an
Gebimhyperaemie, 2 an katarrhalischen Halsent¬
zündungen, 1 an Diphtherie, 1 an Periostitis man-
dibulae, 3 an acuter und 1 an chronischer Bronchitis,
3 an acutem Magenkatarrh, 1 au chronischem
Darmkatarrh, 1 an chronischem Blasenkatarrh, 1 an
Peritonitis, 1 an Gebärmutterblutung, 1 an acutem
Gelenkrheumatismus. 1 Myoma uteri konnte ge¬
bessert entlassen werden. — Im Ambulatorium für
Unbemittelte wurden 770 Kranke behandelt.
! Die Finanzen der Anstalt sind in guter Ord-
I nung. Die Spitalverwaltung erhielt auch im ver-
I flössenen Jahre namhafte Zuwendungen in der Höhe
j von 1000, 100, 20, 10 und 6 Mk., in Summa
I 1136 Mk.
Leider haben wir auch von diesem deutschen
homöopathischen Spital, ebenso wie von dem Leip-
1 ziger, keinerlei ausführliche Mittheilungen über die
daselbst behandelten Fälle erhalten. Es ist dies
eine Unterlassungssünde, die uns nicht bloss eiu
für die Wissenschaft und Praxis unserer Heilkunst
wichtiges Material vorenthält, sondern auch der
wachsenden, freudigen Sympathie für unsere Heil¬
stätten hemmend entgegenwirkt. Der kalte, ziffer-
mässige Jahresbericht lässt eben kalt.
1 Dr. Hossa.
Lesefrilchte.
Zar Aetiologie der Hemicr&nie
| bemerkt Fr. Frieser (Wien), dass diese Krankheits-
I form als selbstständiges, primäres Leiden fast nie
1 vorkomme, wenn auch in manchen Fällen eine
erbliche Veranlagung mit Recht angenommen wer¬
den kann. In der weitaus grösseren Zahl der
| Fälle liegen andere Grundkrankheiten vor. So
anämische Zustände, Erkrankungen der weiblichen
Geschlechtsorgane (besonders Lageveränderungen
des Uterus), Otitis media chronica, chronische
Katarrhe der Tuba Eustachii, Nasenaffectionen, z. B.
Polypen, besonders häufig dyspeptische Störungen,
chronische Obstipation, Magenerweiterung, chronische
Magenkatarrhe, Zahncaries (wohl durch Hinein¬
gelangen von Fäulnissstoffen in den Magen), end¬
lich geistige Ueberanstrengungen (so bei Schul¬
kindern); auch Kopfbeschädigungen und heftige
psychische Aufregungen können Anlass zur Hemi-
cranie geben. Mit Beseitigung des Grundübels, mit
Fortschaffung der veranlassenden Momente, wird
die Hemicranie dauernd zum Verschwinden kom¬
men. Wo jene nicht zu haben sind, muss man
die Anfälle zu lindern suchen, zu welchem Zweck
Verf. Menthol valerianicum empfiehlt. Bei abnorm
verengter Pupille hebt er Coffein hervor.
(Münchner Med. Wochenschrift. 1898. No. 35.)
Herma incareerata
geheilt durch Aetherbehandlang.
Dr. E. Friedländer berichtet 2 Fälle:
Der erste betrifft eine 55jährige Frau, die an
einer Hernia inguinalis litt, und wo die Bauch¬
einklemmung schon 4 Tage bestanden hatte. Schon
mehrere Aerzte hatten Stunden lang sich vergeb¬
lich bemüht, nach verschiedenen Methoden, die
I Reposition zu erzielen, so dass für den nächsten
Digitized by ^»ooQle
111
Tag die Operation geplant war. -- Die Hautdecke j
über der Baucbgeschwulst, die wurstartig unter der j
mageren Bauch decke zu fühlen und zu sehen war, ;
war von den vielen Taxisversuchen stark geröthet und j
bei Berührung schmerzhaft. Letzter Stuhlgang vor
5 Tagen, seit 2 Tagen Erblichen bei der gering¬
sten Flüssigkeitsaufnahme , mässige Tympanitis, nor¬
male Temperatur. — Lagerung der Kranken auf ■
den Rücken mit erhöhtem Kreuze, Beine in Beuge¬
stellung. Von 10 zu tO Minuten Auf giessen von je
2 Esslöffeln Aether sulf. auf die Geschwulst und den i
incarcerirten Ring. (Die Umgebung war durch Va- ,
selin geschützt.) Bei leichten Repositionsversuchen |
verkleinerte sich jetzt der Tumor immer mehr und
war nach ^ Stunde — ohne Gurren — verschwun¬
den. Bald darauf Abgang von Flatus und einem
sehr übelriechenden flüssigen Stuhl. Völlige Hei-,
lung. — Im 2. Fall 66jährige Frau mit eingeklemm¬
ter Hernia cruralis wurde nach vergeblichen Ver¬
suchen zur Taxis ebenfalls durch dasselbe Verfahren
hergestellt.
(Wiener med. Wochenschrift. 1896, 1.)
Druckfehler-Verbesserung.
In No. 11/12, p. 82, Spalte 2, Zeile 17, 18 u. 19 von
unten muss es statt Pyrazolor überall Pyrazolon heissen.
Anzeigen.
Dr. med. prakt. hom. Arzt, Special, f. Kinderkrankh.
einschl. Chirurgie, nicht dispensirb. aber m. prakt. phar-
maceutischer Bildung, Redner und Schriftsteller, wünscht
Praxis mit Fixum zu übern, oder m vielbeschäft. Colleg^n
zusammenzuarbeiten. Off. erb. sub „Praxis“ an die Ex-
ped. der Allg. homöopath. Zeitung in Leipzig.
Ein homöopathischer Arzt, Dr. med.,
mit Schweizerischem Staatsexamen, sucht
in der Schweiz oder ev. in überseeischen Ländern eine
naohweiebar rentable homöopathische Praxis zu über¬
nehmen.
Offerten sub K. W. 154 an die Expedition dieser Zeit¬
schrift.
FORMULAIRE
DE
THtoAPEUTlQÜE POSITIVE
(HOIOEOPATHIE)
AVEC
UN EXPOSE SOMMA1RE DE LA DOCTRINE
ET DE LA MANIERE DE FORMULER;
, SÜIVI
_ DON MANDEL-REPERTOIRE THERAPEOTIQÖB,
D’APRÄS LES MEILLEDRS ADTEDRS PRANQA1S ET ETRANGERS
PAR
G. SIEFFERT
DOCTEUR EN MEDECINE DE LA FACULTE DF PARIS
Verlag von Dr. Willmar Schwabe, Leipzig.
Preis gebunden Mark 12.—.
Zu beziehen durch
Täschner & Co., Leipzig.
Homöopathische Central-Apotheke.
Dinpensirberechtigter homöopathi¬
scher Arzt übernimmt jederzeit Vertretungen.
Offerten sub A. Z. 980 an die Expedition dieses
Blattes.
Kaifiepbad I Altrenoinmirte Kaltwasserheilanstalt
für <hs gesammte Nnturhellverfnhreu.
Bahnlinie ■finchee-
kufstein, -Salzburg.
Rosenheim^
Grosser Park.
Herrliche Ge¬
birgslandschaft
Licht-, Luft-, Sonnenbäder Soole-, Moor-, Kräuter-, Sand- und kohlen¬
saure Bäder etc. etc. Stahlquelle. Streng individualisirende Behandlung.
Civile Preise. Prospekt gratis und franco durch dio Badeverwaltung.
Der dirigirende Arzt Ilr. M. Zlmniermnnn (früher Bad Thalkirchen).
| Kurpension des Homöopathen
Dr. von Hartungen
! Riva a. Gardasee, Tirol.
Carl Gruner’8 homöopathische Officio (A. Kittel),
Berlin
! hat folgende Depdts errichtet, in denen ihre anerkannt
vorzüglichen Arzneien in bester und frischester Qualität
stets, und nur in Originalpackung und zu Original-
preisen zu haben sind:
für Berlin O. und
Emmaus-Apotheke, Apotheker E. Seyd, Reichenberger¬
strasse No. 150.
für Berlin N.W.:
Roland-Apotheke, Apotheker Hermann, Thurmstrasse
No. 16.
für Rostock (und beide Mecklemburg):
Universitäts-Apotheke, Blücherplatz.
Cur- und Badeort Augustusbad bei Dresden
(Eisenbahnstation Radeberg, an der Sächsisch-Schlesischen Bahn.)
Wasserheilanstalt, Stahl- und Moorbad, klimatischer Curort,
220 m über dem Spiegel der Ostsee, in einem reizenden Thale, geschützt vor rauheu Winden, inmitten alter, herr¬
licher Waldparkanlagen gelegen, auch für Milch- und Molkenkuren eingerichtet, passend bei allgemeinen Schwäche-
zuständen, Blutarmuth, Skrophulose, Bleichsucht, englischer Krankheit, Herzleiden, Rheumatismus, Gicht, Nerven¬
leiden und verschiedenen Frauenkrankheiten etc. Aeusserst günstige Wohnuogsverhältnisse, niedrige Preise der
Bäder, billige Pension. Dirigirender Arzt Dr. med. Julius Mtytr.
Jede eingehendere Auskunft wird bereitwilligst ertheilt.
Augustusbad bei Radeberg I. 8. Die Bade-Direction.
Digitized by k^ooQle
112
Hahnemanvi-ltüsten und -Bilder,
von
Gyps,
weiss,
ca.
28
cm
hoch,
ohne weisse Console
von
Gyps,
weiss,
ca.
28
cm
hoch,
mit weisser Console
von
Gyps,
broncirt,
ca.
28
cm
hoch,
ohne broncirte Console
von
Gyps,
broncirt,
ca.
28
cm
hoch,
mit broncirter Console
von
Gyps,
weiss,
ca.
60
cm
hoch,
ohne weisse Console
von
Gyps,
weiss,
ca.
60
cm
hoch,
mit weisser Console
von
Gyps,
broncirt,
ca.
60
cm
hoch,
ohne broncirte Console
von
Gyps,
broncirt,
ca.
60
cm
hoch,
mit broncirter Console
i
r weiss,
ca.
28
cm
hoch,
ohne Console \
in Biscuit- I
| weiss,
ca.
28
cm
hoch,
mit Console 1
masse |
| weiss,
ca.
60
cm
hoch,
ohne weisse Console, [
!
1 weiss,
ca.
60
cm
hoch,
mit weisser Console, '
Consolen
auch in
Biscuitmasse
Hahnemann-Porträts (Heliogravüre) ganz neu (Prachtvolles Geschenk) . .
Hahnemann-Abbildungen, Lithographie, gross.4
Habnemann-Abbildungen, Photographien, Visitenkartengrösse.4
Hahnemann-Denkmal (in Leipzig), Abbildungen ..4
Photographieen, Visitenkartengrösse, von anderen hervorragenden homöopathischen
Aerzten (wie CI. Müller, Hirschei, Hering, Heinigke, Lorbacher etc. etc.);
was nicht auf Lager ist, wird, so weit möglich, baldigst besorgt.
A. Marggraf’s Homöopath. Ofiicin in Leipzig.
4 Stück
Mark
4.50
4
Stück
Mark
6.—
4
Stück
Mark
6.50
4
Stück
Mark
9.—
4
Stück
Mark
18.—
4
Stück
Mark
25.—
4
Stück
Mark
25.—
4
Stück
Mark
33.—
4
Stück
Mark
8.—
4
Stück
Mark
11.-
4
Stück
Mark
40.—
4
Stück
Mark
48.—
4
Stück
Mark
8.—
4
Stück
Mark
1.50
4
Stück
Mark
—.50
4
Stück
Mark
—.50
L
4
Stück
Mark
—.75
Günstige Offerte.
Prima deutscher und frans. Cognac.
Durch directe Beziehungen mit einem der ersten Häuser
in Cognac sind wir in der Lage, allen Freunden eines
vorzüglichen, echten französischen Cognacs eine zuver¬
lässig echte und preiswerthe Waare anzubieten:
Echt franz. Cognac * 1 Flac. M. 3,50.
99 99 99 1 )) )) 4*75.
99 99 99 1 99 » ® 50 .
Bei 12 Flaschen franco alle deutschen Bahnstationen
incl. Verpackung und 10% Rabatt.
Hauptniederlagen in Leipzig bei
A. Marggraf s homöopath. Offlein
und
Täschner & Co., Homöopath.Central-Apotheke.
Prima entölten homöopath. Cacao.
Feinste homöopath. Gesundheits-Chokolade.
Bei homöopathischen Curen ausser dem ho¬
möopathischen Gesundheitskaffee als Getränke
gestattet, empfehlen wir in reinsten und besten
Qualitäten und in eigener Packung billigst:
Entölten Cacao in Blechbüchsen
ä 1 Pfd. 4 */ t Pfd. 4 V 4 Pfd.
4 2.80 4 1.50 4 —.80 Mk.
Gesundheits-Chokolade 4 Pfd. = 2 Mk.,
in J / 4 Pfd.-Tafeln 4 50 Pf.
Unsere Präparate sind von reinstem Geschmack,
bestem Arom, höchstem Nährwerthe und leich¬
tester Verdaulichkeit.
ge
O S°
er 3
«1
j-§
Homöopath. Centralapotheke
von Täschner & Co. in Leipzig.
SZSI JEJoIiiieiilmlseii -Tltee SSS5
gegen Nieronkrankheiten, Wassersucht, Gicht, Rheumatismus, Zucker- und andere Krankheiten halten vorräthig und
empfehlen in Packeten ä % Ko. mit Gebrauchsanweisung Mk. —.75
?» »» 4 /§ ,, ,, ,, ,, 1.25
»» »> a Vi »» » »? >, 2.25
Gebrauchs-Anweisung. Man nehme 75—100 Gramm von unserem Bohnenschalenthee und koche dieselben mit
2—3 Liter Wasser 3—4 Stunden, bis solche auf 1 Liter eingekocht sind; bis zu diesem Quantum kann man täglich
gemessen, das normale ist ein Trinkglas voll. — Der Thee allein getrunken schmeckt nicht schlecht, man kann aber
auch, um den Bohnengeschmack zu vermindern, etwas Fleischextract etc. hinzufügen. — Besondere Diät braucht nicht
eingehalten zu werden. — Die Wirkung auf die Nieren ist eine ganz ausserordentlich grosse, was jeder Trinker des
Thees in dem reichlichen Urinlassen merken wird. Ausser dem Trinken des Thees empfiehlt man ärztlicherseits auch
das Baden in demselben, besonders bei Rheumatismus und Gicht, zu einem Bade gehören 5 Liter Extraet, man nimmt
aber hierbei 200 Gramm Thee auf 1 Liter Extraet.
Leipzig. _ A, Marggra f’s homöopathische Offlein.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Moesa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius Mäser in Leipzig.
Digitized by k^ooQle
Band 138,
Leipzig, den 13. April 1899,
ALLGEMEINE
No. 15 u.16
HOMÖOPATHISCHE ZEITH«.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. MarggraPs homöopath. Offlein) in Leipzig
Thomaskirchhof 12.
Erscheint 14tägigzn2Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 M. 60 Pf. (Halbjahr). Alle Buohhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs -Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offloin ln Leipzig) zu riohten
sind, werden mit 20 Pf, pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 6—8 M. berechnet.
Inhalt. Zu Samuel Hahnemann’s 144. Geburtstage am 10. April 1899. — Berliner homöopathisches Kranken¬
haus. Einladung zur Ordentlichen Generalversammlung am 15. April 1899. — Chininum arsenicosum. Von Dr. Schier
in Mainz. — Indicationen für Jod und einige praktische Fälle. — Der internationale homöopathische Congress von
1900. Von Dr. Theodor Kafka. — Professor Eimer Gates psychologische Heilart. Psychologie. Von Dr. Mossa. —
Homöopathische Rundschau. Auszug aus dem Journal Beige d’homoeopathie und der Revue homoeopathique fran^aise.
Von Dr. med. Rob. Stäger. (Fortsetzung.) — Zur Behandlung der Infuenza — Mittelwechsel. Von Dr. Criquelion
(Mons). - Vom Büchertische. Von Dr. Mossa. — Kur- und Wasserheilanstalt „Kaiserbad“ in Rosenheim. — Lese¬
früchte. — Personalia. — Anzeigen.
Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage.
Zu Samuel Hahnemann’s 144. Geburtstage
am 10. April 1899.
Aude sapere!
eil glänzet an der neuen Heilkunst Pforte
Das „Aude sapere!“ — Das hat erwählt
Der Meister kühn zu seinem Losungsworte,
Und dies hat ihn zu Werk und Kampf gestählt.
0, welche Arbeit, bis er die verdorrte
Zeit-Medicin mit Lebenskraft beseelt!
Welch’ Ringen, bis ihn führt zum rechten Horte
Sein Forschersinn mit Menschenlieb’ vermählt! —
Früh hat zum scharfen Sehen, klaren Denken
Der Vater ihn geleitet mit Bedacht;
Und Riesenfleiss stärkt seines Geistes Macht.
So könnt’ er’s wagen und gewann die Schlacht.
Drum woll’n aufs „Aude sapere!“ wir lenken
Den Sinn, wenn heut’ des Meisters wir gedenken!
Stuttgart. Dr. Mossa.
Digitized by L^OOQie
114
Berliner homöopathisches Krankenhaus.
Einladung
zur
Ordentlichen Generalversammlung
am Sonnabend, den 15. April 1899, Abends 7 1 /* Uhr, in der Poliklinik des Berliner Vereins
homöopathischer Aerzte, Charlottenstrasse 77/78.
Tagesordnung:
1. Rechenschaftsbericht für das Jahr 1898.
2. Antrag anf Ertheilnng der Decharge an das Cnratorium.
3. Bericht des Cnratoriums über seine Thätigkeit im verflossenen Rechnungsjahre.
Berlin, 25. März 1899 . Das Curatorium.
Chininum arsenicosum.
Von Dr. Schier in Mainz.
Nachdem College Rischer in Aachen und ich
für die neue deutsche homöopathische Arzneimittel¬
lehre die Bearbeitung von China, Chininum sul-
furicum und Chininum arsenicosum übernommen
hatten, kamen wir zu der Ueberzeugung, dass eine
Nachprüfung des letzten Mittels sehr erwünscht sei.
Wenngleich die beiden Componcnten recht sorg
fähig geprüft sind und das Präparat daher theo¬
retisch genügend bekannt, auch in der Praxis sein-
bewährt befunden ist, so fehlte doch die eigent¬
liche Grundlage für die Anwendung am Kranken¬
bette, nämlich die Prüfung des Compositum am Ge¬
sunden, fast völlig. Bis dato verfügten wir lediglich
über die Publikation einer unfreiwilligen Prüfung
des Dr. Muhr im 88. Bd. dieser Zeitschrift. Col¬
lege Rischer hat nun in dankenswerter Weise
mit einigen seiner Patienten bez. Patientinnen im
vergangenen Winter mehrere Versuche unter allen
Cautelen angestellt, deren Resultat hier folgt:
Prüfung von Chininum arsenicosum.
Namen der Prüfenden:
1. Herr K., Schreinermeister, G7 Jahr.
2. ,, H., Buchbinder, 50 Jahr.
3. ,, P., Beamter, 45 Jahr.
4. ,, Dr. Rischer, Arzt, 30 Jahr.
5. Frl. G., 30 Jahr.
6. ,, K, 19 Jahr.
Die Prüfungen wurden vorschriftsmässig vor¬
genommen, s. Circul. von Dr. Göhrum, und zwar
mit der 12., 6., 3 , 2. D. und Ursubstanz.
Haut. Brennendes Gefühl am ganzen Körper,
welches zum Kratzen veranlasst, darauf ausnahms¬
weise starke Röthung der Haut. Hält ungefähr
einen halben Tag an und verschwindet allmählich.
Verschlimmerung in der Wärme, Besserung in der
Kälte (dieses Symptom wurde 3 Mal beobachtet bei
Prüfung mit der 2. D. von No. 4 und 5). — In¬
tensive Röthung der Haut, der Brust und des
Leibes nach voraufgegangenem leichten Frösteln
und einer mehrstündigen Abgeschlagenheit des ganzen
Körpers. Diese Röthung besteht etwa eine Stunde
und wird von einem erysipelartigen äusserst heftig
brennenden und juckenden Ausschlag gefolgt. Dabei
grosse Erregung im ganzen Körper mit Congestionen
nach dem Kopf. Der Ausschlag zeigt sich auch
in geringem Grade zwischen den Schulterblättern,
verschwindet aber hier nach etwa 2 Stunden wieder.
Puls während des Ausschlages pro Minute 80, Tem¬
peratur 37,8 bez. 38°. Verschlimmerung in der
Wärme, Kälte indifferent. Der Ausschlag hält ca.
3 Tage an und verschwindet allmählich. Stuhl¬
gang während dieser Zeit auffallend hart (Dieses
Symptom des Ausschlages wurde einmal [No. 5]
nach 3 maliger Einnahme einer bohnengrossen Quan¬
tität von D. 2. beobachtet. Die Einnahme erfolgte
in Abständen von je 1 Stunde).
Kopf. Leichte ziehende Schmerzen in der Stirn
und der rechten Schläfe. Dieselben treten etwa
1V., Stunden nach Einnahme der 3. D. ein und ver¬
breiten sich nach etwa ebenso langer Zeit über
den ganzen Kopf. Aeusserer Druck wird gut ver¬
tragen. Nach 3 Stunden verschwinden dieselben
wieder langsam. Das Allgemeinbefinden und be¬
sonders der Appetit sind etwas gestört. (Dieses
Symptom wurde 4 Mal nach Einnahme der 3. D.
beobachtet No. 1, 2, 5 und 6.) — Typisch auf¬
tretende Neuralgie des Nervus supraorbitalis sin.
Tritt auf 12 Stunden nach Einnahme von D. 2.,
Abends 11 Uhr, etwa 1 Stunde nach dem Zubett¬
gehen Die Schmerzanfalle (wahre) wiederholen sich
während 2 Stunden 3 Mal, dabei Hitzegefühl in
dem betroffenen Nervengebiet und schmerzhaftes
Stechen im linken Augapfel. Am andern Morgen
keinerlei Beschwerden mehr. (Dieses Symptom wurde
einmal bei No. 5 beobachtet.) Dauern mir wenige
Digitized by LiOOQle
115
Minuten; in der schmerzfreien Zeit besteht eine
starke Spannung in der ganzen Stirn.
Mund. Röthung und Schwellung des Zahn¬
fleisches, verbunden mit grosser Empfindlichkeit des¬
selben. Beim Kauen treten lebhafte Schmerzen
ein, welche dasselbe sehr erschweren. In einem
Falle konnten während zweier Tage nur flüssige
bez. breiige Substanzen genossen werden (No. 1).
Diese Symptome traten 1 — 2 Stunden nach Ein¬
nahme der 3. bez. 2. D. ein und wurden 4 Mal
beobachtet (1, 1, 3, 5). Nach etwa 24 Stunden
gingen dieselben von selbst zurück. — Starke
reissende Zahnschmerzen, vielfach an den Typus
einer Neuralgie erinnernd, mit hochgeröthetem und
geschwollenem Zahnfleische. Die Prüfenden gaben
jedes Mal an, das Gefühl eines sich entwickelnden
heftigen Zahngeschwüres zu empfinden. Die Be¬
schwerden setzten 3 Stunden nach der Einnahme
von 2. D. ein und hielten 3—4 Tage an, dann
verloren sie sich allmählich. Diese Symptome wurden
2 Mal beobachtet (3, 6). Als Beweis für die Rich¬
tigkeit derselben, sowie überhaupt des homöo¬
pathischen Principes, gelte Folgendes: Als No. 5
zur Prüfung mit D. 2. schreiten sollte, war zu¬
fälligerweise die eben beschriebene Affection des
Zahnfleisches, vermuthlich aus rheumatischen Ur¬
sachen, vorhanden. Eine Gabe von D. 2. genügte,
um innerhalb 2 Stunden sämmtliche Beschwerden
vollständig zu beseitigen. — Röthung und entzünd¬
liche Schwellung beider Mundwinkel, so dass jede
Kauhewegung äusserst schmerzhaft ist. Trat nach
Einnahme von D. 2. innerhalb 4 Stunden auf und
hielt 24 Stunden an. Wurde 2 Mal beobachtet
(4 und 5).
Magen . Leeres Aufstossen etwa Stunde nach
Einnahme der D. 3. auftretend. Daneben geringe
Uebelkeit und Brechreiz. Appetitlosigkeit Die
Beschwerden halten 1 / 2 Tag an und verschwinden
allmählich. Diese Symptome wurden 3 Mal be¬
obachtet (1, 4, 5). — Heftiges Aufstossen mit
starker Uebelkeit und Brechreiz, einmal trat Er¬
brechen ein (No. 5). Daneben kneifende, ziehende
Schmerzen in der Magengegend, Neigung zum
Bücken oder Setzen, um den Leib zu stützen.
Druck auf die schmerzhaften Teile erleichtert, ebenso
Aufstossen. Der Appetit ist völlig geschwunden,
Ekel vor Fleisch, Neigung zu Süssigkeiten. Neben
all diesen Beschwerden ausgesprochene Hinfällig¬
keit und elendes Gefühl im ganzen Körper. Diese
Symptome traten in 2 Fällen (5 und 6) nach der
D. 2. etwa 1 1 / a Stunden nachher ein und hielten
etwa 36 Stunden an. Der Rückgang der Beschwer¬
den erfolgte allmählich. In einem Falle trat noch
heftiges Durstgefühl nach kaltem Wasser auf (No. 5).
Heftige Uebelkeit, Brechreiz, starkes Erbrechen
schleimiger, grünlicher Massen, dabei Schwindel,
Kopfschmerz, krampfartige, heftige, zusammen¬
schnürende Schmerzen in der Magengegend, die sich
auf äussern Druck lindern, dabei ausgesprochene
Hinfälligkeit und Unfähigkeit, auch das Geringste
zu thun. Grosser Durst auf frisches Wasser. Diese
|£Beschwerden traten nach Einnahme der Ursubstanz
| auf, fast genau 2 Stunden hinterher, und hielten
etwa 10—12 Stunden an. Die Prüfung mit dieser
Potenz wurde von No. 4 allein ausgeführt.
Darm . Unbehagliches Gefühl im Leibe, leichte,
kneifende, ziehende Schmerzen, die sich über das
ganze Abdomen gleichmässig verbreiten. Aeusserer
Druck erleichtert. Daneben gelinder, breiiger Stuhl,
etwa 2 Mal tagsüber, mehr als gewöhnlich. Diese
Symptome stellten sich 4 Mal nach Einnahme der
D. 3. etwa 3 Stunden nachher ein (1, 3, 5, 6). —
Heftigere ziehende Schmerzen im ganzen Leibe,
kolikartig, Neigung zum Setzen und Stützen des
Leibes. Druck bessert. Gefühl von Aufgetrieben-
heit des Leibes, Abgang ziemlich starker Blähungen,
gefolgt von dünnem, schleimigem, unter kolikartigen
Schmerzen entleertem Stuhlgang. Grosse Mattig¬
keit und Hinfälligkeit. Diese Symptome stellten
sich 2 Mal nach Einnahme der D. 2. ein (1, 5). —
Stündlich unter heftigen kolikartigen Schmerzen
eintretende dünne, wässerige, übelriechende Durch¬
fälle, verbunden mit grossem Durstgefühl und
| äusserster Hinfälligkeit. Keine Blähungen. Diese
I Symptome erfolgten nach Einnahme (No. 4) der
j Ursubstanz. Die ersten kolikartigen Symptome stellten
sich etwa 1 1 / 2 —2 Stunden nachher ein, und er-
I reichten, verbunden mit den oben bezeichneten
| Durchfallen, etwa 4—5 Stunden hinterher ihren
I Höhepunkt. Die offenbar toxische Wirkung des
j Arsens hielt fast 24 Stunden an und gingen die
| körperlichen Functionen alsdann erst wieder allmäh-
j lieh in den normalen Zustand über. — Die mit der
I 12. bez. 6. D.-Potenz vorgenommenen Prüfungen
verliefen bei sämmtlichen Prüfenden völlig resul-
j tatlos.
* * *
Hiernach können wir nun das Symptomehver-
| zeichnissy wie es für die neue Arzneimittellehre pro-
I jectirt ist, in folgender Weise zusammenstellen:
! Namen dei' Prüfer:
1. Dr. Muhr, Allgem. homöopath. Zeitung,
| Bd. 88, S. 39.
I 2. Dr. Rischer und seine Prüfungsgesell-
; Schaft
1. Seelische Symptome: vacat.
| 2. Nervensystem.
| Allgemeinbefinden gestört (2); mehrstündige Ab-
( geschlagenheit des ganzen Körpers (2); Hinfällig-
| keit und Unfähigkeit, das Geringste zu thun (2);
I grosse Mattigkeit und Hinfälligkeit (2); elendes Ge-
16 *
Digitized by k^ooQle
116
fühl im ganzen Körper (2); äusserste Hinfällig*- |
keit (2); Abspannung der unteren Extremitäten (1). j
Klinische Anwendung: Die nervösen Symptome
an und für sich sind wenig charakteristisch, wenn¬
gleich, auch der Theorie nach, kaum ein anderes
Mittel die asthenischen Erscheinungen so ausge- i
prägt darbietet. Erst das Hinzutreten oder viel- |
mehr Vorangehen anderer Symptome, namentlich !
von Seiten des Magendarmtractus, ergeben eine be-
stimmte Indication. i
I
3. Schlaf und Träume. 1
Schläfrigkeit (1); Schlaf unterbrochen.
4. Fieber und fieberartige Erscheinungen. j
Grosse Erregung im ganzen Körper mit Con-
gestionen nach dem Kopfe (2); intensive Röthe der
Haut, der Brust und des Leibes nach leichtem ■
Frösteln (2). ,
5. Haut.
Brennendes Gefühl am ganzen Körper, welches
zum Kratzen veranlasst, darauf ausnahmsweise starke
Röthung der Haut; Verschlimmerung in der Wärme,
Besserung in der Kälte (2); intensive Röthe der
Haut, der Brust und des Leibes nach leichtem j
Frösteln, diese Röthe besteht etwa 1 Stunde und
wird von einem erysipelartigen, äusserst heftig
brennenden und juckenden Ausschlag gefolgt, Ver¬
schlimmerung in der Wärme (2); Ausschlag (ge- j
ringer) zwischen den Schulterblättern (2).
6. Knochen und Gelenke. j
Schmerzhafte Abspannung der Achsel und Eli- j
bogengelenke (1).
7. Drüsen: vacat.
8. Kopf. I
Schwindel, Kopfschmerz (2); Kopf eingenom- j
men (1); grosse Erregung im ganzen Körper mit
Congestionen nach dem Kopfe (2); Kopf leicht i
drückend schmerzend in Stirn und Schläfen (1); j
leichte ziehende Schmerzen in der Stirn und rechten
Schläfe, verbreiten sich allmählich über den ganzen
Kopf, äusserer Druck wird gut vertrageu (2); Span¬
nung in der ganzen Stirn (2).
Klinische Anwendung: Die Prüfungssymptome ,
betreffen vorzugsweise Neuralgieen in Stirn und
Schläfengegend.
9. Auge und Sehen.
Schmerzhaftes Stechen im linken Augapfel (2).
10. Ohr und Gehör.
Im linken Ohr Gefühl und Geräusch wie von
Heuschrecken (1).
11. Nase und Geruch; vacat.
12. Gesicht.
Schmerz und Hitze im Gebiet des N. supra-
orbitalis sin., in 2 Stunden 3 Mal anfallsweise sich
einstellend (2).
13. Hund und Hundhöhle.
Starke reissende Zahnschmerzen mit stark ge¬
schwollenem und geröthetem Zahnfleische, wie bei
Entwicklung eines Zahngeschwürs (2); Röthe und
Schwellung des Zahnfleisches mit grosser Empfind¬
lichkeit desselben, lebhafte Schmerzen beim Kauen (2);
wegen Schmerzhaftigkeit des Zahnfleisches konnteu
während 2 Tagen nur flüssige bez. breiige Sub¬
stanzen genossen werden (2); Röthe und entzünd¬
liche Schwellung beider Mundwinkel, so dass jede
Kaubewegung äusserst schmerzhaft ist (2).
14. Schlund und Hals: vacat.
15. Hagen.
Appetit gestört (2); Appetitlosigkeit (2); Appetit
völlig geschwunden, Ekel vor Fleisch, Neigung zu
Süssigkeiten (2); grosses Durstgefühl (2); grosser
Durst auf frisches Wasser (2); heftiger Durst nach
kaltem Wasser (2).
Leeres Aufstossen, geringe Uebelkeit und Brech¬
reiz (2); heftiges Aufstossen mit starker Uebelkeit
und Brechreiz (2); Erbrechen (2); heftige Uebel¬
keit, Brechreiz, starkes Erbrechen schleimiger, grün¬
licher Massen (2); krampfartige, heftige, zusammen¬
schnürende Schmerzen in der Magengegend, durch
äusseren Druck gelindert (2); kneifende, ziehende
Schmerzen in der Magengegend, Neigung zum
Bücken oder Setzen, um den Leib zu stützen,
Druck auf die schmerzhafte Stelle erleichtert, ebenso
Aufstossen (2); Drücken hinter dem Magen, das
sich auch nach dem Mittagessen, welches mit Appetit
stattfand, nicht verlor (1).
Klinische Anwendung: Hier überwiegen die Wir¬
kungen des Arsens, worauf besonders der starke
Durst hinweist, sowie die heftigen Schmerzen in
der Magengegend. Die Symptome des acuten fieber¬
haften Magenkatarrhs, wie sie nach allgemeiner
Erkältung und specieller Erkältung des Magens
etwa durch Genuss kalter Flüssigkeiten entstehen,
sind deutlich ausgeprägt. Kommen dazu noch die
unter No. 16 und 18 aufgezählten Erscheinungen
von katarrhalischen, mit starkem Meteorismus (China!)
verbundenen Entzündungen des Darmkanals, so
haben wir ein Krankheitsbild, das unser Mittel
souverän beherrscht.
16. Bauch.
Abends sehr empfindliches Leibschneiden (1);
unbehagliches Gefühl im Leibe, leichte, kneifende,
ziehende Schmerzen über das ganze Abdomen, durch
äusseren Druck erleichtert (2 mehrmals); heftige,
Digitized by t^ooQle
117
ziehende Schmerzen im ganzen Leibe, kolikartig,
Neigung zum Setzen und Stützen des Leibes, durch
Druck gebessert (2); Aufgetriebenheit des Leibes (2);
Drücken im Sonnengeflecht, gegen den Rücken als
klemmendes Gefühl sich äussernd (1).
17. M&stdarm und After: vacat.
18. Stuhl.
Abgang starker Blähungen, gefolgt von dünnem,
schleimigem, unter kolikartigen Schmerzen entleertem
Stuhl (2); breiiger Stuhl (2 viermal); stündlich unter
heftigen kolikartigen Schmerzen eintretende dünne,
wässerige, übelriechende Durchfalle (2); Stuhlgang
auffallend hart (2).
19. Hamwerkzeuge und 20. Geschlechtsorgane:
vacat.
21. Athmungsorgane.
Der Athem ganz leicht, wie wenn der Brust¬
korb hohl wäre (1).
22. Brust: vacat.
23. Kreislaufsorgane.
Gefühl von Stillstand des Herzens (1); Zittern
des Herzens mit einem gurrenden Geräusch, konnte
keinen Herzschlag unterscheiden (1); Herzklopfen,
beim Anlehnen des Rückens fühlbar (1); Herzschlag
unregelmässig, 200 Schläge in der Minute (1).
Kann den linken Puls nicht fühlen (1); grosse
Erregung im ganzen Körper mit Congestionen nach
dem Kopfe (2); leises schnelles Klopfen der Schläfen¬
arterien (1).
Klinische Anwmdung: Bei acuten und subacuten
Entzündungen des Herzens und fieberhaften Er¬
krankungen, welche mit so bedeutender Schwäche
des Herzens einhergehen, dass Herzschlag und Puls
nicht fühlbar sind, dabei, der Chininwirkung ent¬
sprechend, Congestion nach dem Kopfe.
24. Naoken und Bücken.
Rückgrat gegen Berührung drückend, schmer¬
zend (1).
25. Gliedmassen.
Abspannung der unteren Extremitäten (1).
26. Nähere Umstände.
A . Verschlimmerung:
Hautausschlag juckt iu der Wärme mehr (2);
Herzklopfen, fühlbar beim Anlehnen des Rückens (1);
Rückgrat gegen Berührung drückend, schmerzend (1).
B. Besserung:
Leibschmerzen, durch Druck gebessert (2 zwei¬
mal); Magenschmerz, durch Druck auf die schmerz¬
hafte Stelle erleichtert, ebenso durch Aufstossen (2);
bei Kopfschmerzen wird äusserer Druck gut ver¬
tragen (2 mehrmals); brennendes Gefühl in der
Haut, gebessert in der Kälte (2 mehrmals).
Bemerkungen.
Das Symptomenverzeichniss weist noch manche
Lücken auf, die durch spätere Untersuchungen aus-
i gefüllt werden müssen und einstweilen ihr Er¬
gänzung in den bez. ausführlichen Rubriken bei
China und Arsenicum album finden; jedenfalls ist
durch die unter Leitung von Collegen Rischer
1 angestellten Prüfungen die theoretisch vorausgesetzte
Wirkung des Mittels in den wichtigsten Phasen
bestätigt.
Ein besonderer physiologischer und vergleichen¬
der Abschnitt erübrigt sich, da in der betr. Zu¬
sammenstellung bei China bez. Arsen — in der
neuen Arzneimittellehre — alles Wissenswerthe zu¬
sammengetragen ist.
Indicationen für Jod und einige praktische
Fälle.
Aus dem Institute of Medicine berichtet The
Hahnemannian Advocate Juli 1898 über einen lehr¬
reichen Vortrag von Dr. Schumacher über Jod,
aus dem, sowie aus der daran sich knüpfenden
Discussion wir das Bemerkenswerthe raittheilen
wollen, da es uns manchen praktischen Wink für
die Indicationen von Jod giebt.
Zunächst spricht Redner über den Wirkungs¬
kreis von Jod und Jodkalium in der Behandlung
der acuten und croupösen Pneumonie.
Die Pathogenesie von Jod zeigt eine grosse
Einwirkung dieses Mittels auf den Athmungsprocess.
Es zeigt sich: Aengstlichkeit , grosse Beklemmung
der Brust mit brennenden , reissenden oder stechen¬
den Schmerzen , Gefühl , als ob Etwas der Ausdeh¬
nung der Lungen widerstrebe 9 Husten mit asthmati¬
schem Athem und stechenden Schmerzen in der
Bimst; blutstreifigem oder rostfarbenem Auswurfe ,
Kurzathmigkeit mit Schmerz beim Tiefathmen; er¬
schwertes Athmen . Die Prüfungssymptome von
Jod und diese Symptomengruppe stellen die Jod-
Pneumonie dar, ob die physikalische Diagnose die
Krankheit festgestellt hat oder nicht.
In solchen Fällen, wo sich die pleuritischen
Symptome von Jod vorfinden, die physikalische
Untersuchung aber die Gegenwart einer Pneumonie
nachweist, da ist Kalium jodatum das bessere Mittel.
Unter solchen Umständen mag Tartarus emeticus
ohne Erfolg gegeben worden sein.
Kali jod. ist oft auch iu einer secundären crou¬
pösen Pneumonie angezeigt, wenn sich diese im
Verlaufe einer Bronchitis entwickelt und Phosphorus
nicht genügend gewirkt hat.
Wenn die croupöse Pneumonie ihren Sitz in
der Regio clavicularis oder subclavicularis, und es
ist bei dem Patienten eine Disposition zu einer
Digitized by
Google
118
tuberkulösen Ausschwitzung, so ist die frühzeitige i
Anwendung von Jodkalium von hoher Bedeutung. 1
Redner bezieht sich auf die zwölfjährigen Er¬
fahrungen Kafkas mit Jod in der Pneumonie,
welche er in seiner Praxis als völlig richtig er¬
probt hat. Er hat hierbei gefunden, dass Jod ■
allen anderen Mitteln in der croupösen Pneumonie
entschieden überlegen ist, so angewandt, wie Kafka 1
es vorschreibt. Das Stadium, in welchem er diese
Krankheitsform übernommen hat, macht in der Be- !
handlung keinen Unterschied. Er sah von Jod
immer Heilung innerhalb zehn Tagen.
Wenn hohes Fieber und Delirium vorhanden I
ist, so beginnt er mit der 3. Dil. und lässt darauf |
die 2. folgen, wenn diese Erscheinungen sich noch j
steigern. I
Bei der Discussion sagt Dr. Carr, er habe an
dem Vortrage einen Punkt zu tadeln, dass nämlich
Dr. Sch. Jod für croupöse Pneumonie zu empfehlen |
scheint: Er hätte lieber gesehen, wenn Redner |
den Nachdruck auf die für Jod und seine Verbin- |
düngen geltenden Jndicationen gelegt hätte.
Dr. Schumacher: I
Der Unterschied im Gebrauche für diese bei¬
den Mittel bezieht sich auf die Oertlichkeit; sind
die pleuritischen Indicationen vorhanden, so spricht !
das für Kal. jod. Eine Bezeichnung muss man schon »
der Krankheit des Kianken und seiner Umgebung i
wegen geben, ohne dass man sich als Homöopath
von der Nomenclatur beeinflussen lässt. — .
In folgendem Falle, den die Aerztin Dr. Legget |
der Gesellschaft mittheilt, hat das angezeigte Mittel j
die Natur der Krankheit kundgegeben.
Am 22. October 1896 stellte sich eine 33jährige
Frau, die nach ihrer Aussage nie sehr krank
gewesen, mit folgender Krankheitsgeschichte vor:
Sie ist seit 9 Jahren verheirathet, hat 5 Ent¬
bindungen und einen Abortus im 2. Monat gehabt.
Das letzte Kind ist im Juli 1896 geboren. Während
der letzten Schwangerschaft hat sie einen Kropf
nach einem, in einem alten Doctorbuch, gegebenen
Recept behandelt. Innerlich hat sie ein Mittel aus
Jod., Kalium, Sarsaparilla und Taraxum genommen, i
äusserlich Jodtinctur mit weichem Wasser zur Ein¬
reibung gebraucht.
Der Kropf verschwand vor der Entbindung,
kehrte aber später wieder. Während der Schwanger- |
schaft trat Schwellung des linken Beins ein, das !
dann in der Folge bandagirt worden ist. Hierauf i
schwoll auch das rechte Bein an, und, als auch
dieses fest gebunden wurde, ebenso die rechte
Hüfte, wozu sich grosse Beschwerde in der linken
Seite gesellte. Nachdem der Schmerz mehrmals
von der linken zur rechten Hüfte herumgewandert |
war, zog er sich nach dem Kopf, wo er, etw'as
erleichtert nach der Geburt, bis jetzt fortbestan¬
den hat.
Während der Schwangerschaft war der Kopf¬
schmerz anhaltend, wanderte nach der Seite, auf
der sie lag mit dem Gesicht, als ob Etwas in der
schmerzhaften Seite umherrollte. Um die Zeit, wo
sie sich vorstellte, war der Schmerz geringer; sie
hatte aber beständig ein Gefühl von Wundheit und
Schwäche auf dem Wirbel.
Fernere Störungen während der Gravidität
waren gewesen: Hydramnion, ein papulärer und
pustulöser Hautausschlag in der Regio hypogastrica
mit erschrecklichem Jucken und Brennen, was die
Kranke aus dem Bette trieb; das Jucken wurde
durch Kratzen und ein warmes Bad gebessert.
Die Augen waren angegriffen, äusserst licht¬
scheu, und Gläser erleichterten nur auf eine oder
zwei Wochen. Jetzt wurde das Uebel schlimmer
von Licht, besser von Hitze und heissen Um¬
schlägen.
Im oberen Theile des Gesichts war eine Nieder¬
lassung von dunkelrothen, schmerzlosen Flecken,
die Nase hatte ein gerötheteß und geschwollenes
Aussehen, das sich an den Flügeln, am Septum
und vorderen Nasenkanal zeigte. Andere Symp¬
tome waren: die Zunge war tief eingeschnitten,
der Hals rauh, schlimmer beim Schlingen; sie ass
wenig und hat bald darauf Hunger; Gasbildung
oder Aufstossen unmöglich; kalte Hände und Füsse.
Schlaf gut. Sie ist vergesslich, befindet sich in
der Luft besser, aber hat kein Verlangen auszu-
gehen. Schmerz im linken Hypogastrium, schlim¬
mer beim Liegen, in der Nacht Leucorrhöe mild,
„wie das Weisse vom Ei M .
Regeln geordnet, erst dunkel, dann hell; vor
und nach derselben ein Schmerz, fingerspitzengross,
an dem Hüftkamm. Der Kropf war hart, fest,
wenig schmerzhaft.
Da wenig örtliche Indicationen, die auf ein be¬
stimmtes Mittel hindeuteten, vorhanden waren, so
dachte die Aerztin an Mittel, welche Kropf erzeugen
oder bei demselben nützlich sind. Die Anamnese wies
auf Jod (als Antidotum? Ref.); und in der That
entsprach dieses auch den Symptomen am Auge
und der Nase, der aufgesprungenen, eingerissenen
Zunge, dem Druckschmerz oben auf dem Kopf, dem
Trockenheitsgefühl im Halse, den verschiedenen
Hautsymptomen, der durch Auftreibung des Unter
leibes bewirkten Dyspnoe, den Beschwerden beim
Niederlegen, dem häufigen Essen etc. So gab sie
der Kranken eine Gabe Jod (Hochpotenz).
10. November 1896. Besserung, allgemeine
und besondere. Der Kropf ist kleiner geworden.
15. December. Die Besserung steht still.
Wieder eine Gabe Jod.
2. Januar 1897. Entschieden besser.
Digitized by L^OOQie
119
Ein klares Licht fiel auf diesen Fall, als der^l
Ehemann dieser Frau (im zweiten Monate ihrer
Behandlung) die Collegin consultirte und die An¬
gabe machte, dass er vor sieben Monaten eine
syphilitische Ansteckung sich zugezogen hatte. So
ergab sich die Tlmtsache, dass die Frau zur Zeit
ihrer Ansteckung von Seiten ihres Mannes unter
der Einwirkung von Jodkalium gestanden, welches j
Mittel den vollen Ausbruch der Syphilis bei ihr I
eher verhütet als begünstigt haben mag.
Dr. Biegler stellt als charakteristische Zeichen
für Jod: hochgradige Abmagerung , das häufige
Hungergefühl und Furchtsamkeit hin. Die Furcht
ist sehr verschiedenartig, erfüllt den Kranken aber
vollständig. Als Beleg führt er folgenden Fall vor:
14. August 1897.
Patient 21 Jahr alt.
Aengstlich und furchtsam; er ist besorgt vor
Krankheit, vor Unglück, vor einem Unfall, wenn
er aus dem Hause gehen würde, fürchtet sich vor
dem Arzte selbst.
Unfähig zu geistiger Arbeit; er kann seine Ge¬
danken auf Nichts, ausgenommen sehr anstrengende
physische Arbeit, concentriren. I
Er glaubt, verrückt zu werden, und muss in
Bewegung bleiben. !
Er vermeidet Gesellschaft, aus Furcht, dass man j
auf ihn sehen und seinen Geisteszustand bemerken j
werde. .
Aengstlichkeit, die ihn ruhelos macht. I
Er geht beständig herum, will nicht sitzen, I
zupft an seinen Schuhriemen, selbst beim Gehen. |
Er ist ausser sich, wenn der Karren mit Klein- i
holz und Kohlen nicht zur rechten Zeit kommt.
Das Ausladen dieser Gegenstände, überhaupt
recht anstrengende Arbeit, thut er am liebsten.
Deshalb ist ihm der werklose Sonntag unange- j
nehm.
Er thut Alles in Hast; seine Stimmung ist leicht (
erregt und reizbar; jede geistige Arbeit macht ihm
Kopfschmerz; ebenso wirken Gewitter. |
Er ist schlank und ausgemergelt; hat dabei
einen Wolfshunger und isst hastig.
Er kann es nicht leiden, dass man ihn anrühre;
giebt einem nur ungern die Hand zum Grusse.
Entschiedene Abneigung gegen Waschen; gegen
Geräusch.
Reichlicher, eiskalter Schweiss auf dem Hand- j
rücken bei Erregungen. !
Abneigung gegen Hitze und Verschlimmerung !
davon, obwohl er kaltes Wetter nicht liebt. Kälte¬
gefühl.
Er ist mit Merc. bijodatus bis zum Speichel¬
fluss misshandelt worden von einer ärztlichen Hau-
sirerbande, die sich Homöopathen nannte.
Ein Hautausschlag, dessen Formen er nicht an¬
geben kann, ist ebenso wie das danach folgende
Eczem äusserlich unterdrückt worden.
Die Eltern hatten ihn in die Sprechstunde ge¬
bracht, aber keine Ueberredungskunst konnte ihn
zurückhalten. Nachdem Dr. Biegler seine Hände,
die eisig-kalt waren, gefasst, rann er nach dem
Seitengang, wo er sich so fest an den Eingang
anklammerte, dass man ihm die Hände nicht lösen
konnte, bis er zum Zuge wegeilte. So stark war
seiue Angst.
Er bekam Jod in Hochpotenz.
24. August. Es geht ihm viel besser; das
Umherrennen, das Gefühl, verrückt zu werden, hat
sehr nachgelassen; ebenso die Furcht vor einem
Unglück und vor dem Arzt, von dem er jetzt
freundlich spricht.
Der Appetit ist nicht mehr so gefrässig.
Er scheut sich nicht mehr so sehr vor seiner
Umgebung. Er gab, zum ersten Male ein krampf¬
haftes Zucken von Händen, Gesicht und Mund
an. — Im Sessel Drehen und Winden.
16. September. Die geistigen und leiblichen
Symptome bestehen noch, wenn auch in geringerem
Grade. Jod. rep.
5. November. Im Allgemeinen besser, aber
die geistige Fähigkeit noch schlecht. Die Aengst¬
lichkeit und Furcht tritt schwächer hervor.
Calcarea carb. (Hochpotenz).
17. November. Pat. wollte im Sprechzimmer
zwar nicht beim Arzt bleiben, war aber freundlich
und unterhielt sich mit den in einem andern Zimmer
befindlichen Leuten ganz munter.
Sein Gedächtniss ist ausserordentlich gut; er weiss,
auf welcher Seite die Rechnungen in seines Vaters
Bücher stehen, hat aber nicht die Geduld, sie auf¬
zusuchen, kann noch geistige Anstrengung machen.
Das ist, sagt Dr. Biegler, ein Fall, in dem die
Symptome von Jodium und Calcarea fast gleich-
massig gemischt erscheinen. — Ohne Zweifel wird
noch Sulphur am Platze sein, aber nicht nach
Calcarea.
Im Medical Century hat sich Dr. Brown von
Shippensburg, Pa. über den Gebrauch von Jod in
Lungenentzündungen ausgesprochen. Er behauptet,
er habe in verschiedenen Fällen schwere Fälle,
welche durch ihr ungestümes Eintreten einen schweren
Verlauf droheten, unter der Einwirkung von Jod
innerhalb 48 Stunden zum Stillstand gebracht. Die
massgebenden Symptome waren: starker Schüttel¬
frost, kurzer, trockner Husten, schnelles Steigen
der Temperatur, beginnende Heiserkeit, grosse Be¬
klemmung der Brust, frühzeitiger Auswurf von
Blut, sowie reissende, durchstechende Schmerzen
auf beiden Seiten. Er gab die Tinct. Jodii in
Tropfen 1- oder 2 stündlich.
Digitized by ^»ooQie
120
Dass diese Therapie, wo das Jod in für uns
verhältnissmässig recht starken Dosen gegeben wird,
auch nicht immer zum Ziele führt, zeigt Dr. Brown’s
weitere Bemerkung:
Wenn die Krankheit fortschreitet, der Pat. über
grosse Trockenheit auch im Halse klagt, die Wangen
auf der afficirten Seite stark geröthet erscheinen,
das Sputum zäh, klebrig, rostfarbig ist, brennender
und stechender Schmerz in der Brust mit Unmög¬
lichkeit, mit dem Kopf niedrig zu liegen, vorhanden
ist, der Athem und der Auswurf schlecht riechen,
bei abendlicher Verschlimmerung — bei diesen
Symptomen ist Sanguinaria angezeigt.
Der internationale homöopathische Congress
von 1900.
Das Comit6 des obenangeführten Congresses
versendet folgenden Aufruf:
Sehr geehrter College!
In Ueberein8timmung mit dem am Congress von
London im Jahre 1896 gefassten Beschlüsse wird
der nächste fünfjährige Congress um ein Jahr
früher stattfinden und in Paris während der Welt¬
ausstellung von 1900 zusammentreten. Das Datum
wird späterhin bestimmt werden, wahrscheinlich vom
20. Juli ehestens bis zum 15. August spätestens.
Entsprechend einem von der französischen Gesell¬
schaft für Homöopathie an die oberste Commission
für die Congresse gerichteten Ansuchen wurde der
unserige in die Zahl der officiellen Congresse der
Ausstellung aufgenommen. Wir beehren uns, Sie
davon in Kenntniss zu setzen und bitten gleich¬
zeitig uns behilflich zu sein, um uns Arbeiten für
unsere Discussionen und Besucher für unsere
Sitzungen zu sichern. Deshalb werden Sie die
grosse Freundlichkeit haben, die erforderlichen
Massnahmen zu treffen, um die Homöopathen Ihres
Landes für den im nächsten Jahre stattfindenden
Congress zu interessiren.
Alle Auskünfte in Bezug auf diese Versamm¬
lung werden zur geeigneten Zeit in den homöopa¬
thischen französischen Zeitschriften veröffentlicht
werden.
Genehmigen Sie, geehrter College, die Ver¬
sicherung unserer collegialen Gesinnungen.
Die Herren DDr. P. Jousset, Präsident; Richard
Hughes, permanenter Secretär; Leon Simon, Secre-
tär; Victor Chancerel; Gonnard; Marc Jousset;
Love; Tessier.
Alle Arbeiten müssen bis zum 1. Januar 1900
spätestens an den Secretär Dr. Leon Simon, 24
Place Vendöme, Paris, gelangt sein.
Dr. Theodor Kafka.
Professor Eimer Gates psychologische Heilart.
Psychurgie.
Prof. Eimer Gates von Washington hat in der
„Medical Times“ von New York einen Artikel ver¬
öffentlicht mit der Ueberschrift: „Experimentelle
Untersuchungen über Ursache und Heilung von
Krankheiten nach neueren Gesichtspunkten und
neuen Methoden.“
Auf die Beobachtung hin, dass Thiere, auf
eigenthümliche Art behandelt, eine reichliche Ver¬
mehrung von Gehirnzellen in dem Theile des Ge¬
hirns zeigen, welcher die bethätigte Function ent¬
spricht, gelangte er dazu, eine Ars cerebrum for-
mandi aufzustellen. Er sagt: Insofern als die
| Seele jede Wissenschaft und Kunst erzeugt, und
die Grundlage für alle Thätigkeit, für alle Lust
und Unlust bildet, ergiebt sich, dass mehr Seele
zu beschaffen ein ebenso passliches Mittel als hohe
Pflicht wird; ferner folgt daraus, dass der thierische
Organismus nichts mehr und nichts weniger ist als
der Mechanismus für die Entfaltung von Seele, die
Evolution demnach ein Process von Seelen-Verleib-
lichung ist, indem diese Verleiblichung durch die
eigenartigen Thätigkeiten der Seele geschaffen
wird. Erst kürzlich, sagt Verf., ist es mir ge¬
lungen zu zeigen, wie derselbe Process auf ein¬
zellige Organismen anwendbar ist. Die einfachste
Zelle ist fähig, einen Reiz wahrzunehmen und ge¬
wisse zweckmässige Akte auszuführen. Nur die
Seele allein kann aber fühlen und solche sich an¬
passende Reactionen ausführen. Eine Zelle hat
eine Erinnerung für ihre Geschehnisse; und ledig¬
lich die Seele ist der Erinnerung fähig. Ein un¬
belebtes Stück Gelatine kann weder einen Reiz
fühlen noch die Bedeutung einer solchen Erfahrung
im Gedächtniss bewahren, noch zweckmässig, auf
diese Erinnerung hin, agiren, aber ein Stück
Protoplasma kann das Alles thun, und ist somit
belebt. Hieraus folgert Verf., Leben ist Seele,
und die vitalen oder physiologischen Vorgänge sind
lediglich psychologische Processe. Wenn einzellige
Organismen veranlasst werden, verschiedene seeli¬
sche Thätigkeiten auszuführen, so bilden sich dem¬
entsprechend verschiedene Structuren in diesen
Zellen, d. h. wenn eine Zellengruppe veranlasst
wird, einen Reiz zu fühlen und darauf zu reagiren,
und eine andere Gruppe derselben Species von
Zellen einen anderen Reiz zu fühlen und darauf
zu reagiren, und diese Thätigkeiten in beiden Grup¬
pen mehrere Monate unterhalten werden, so werden
sich zwischen diesen beiden Zellengruppen structu-
relle Verschiedenheiten hervorbilden, welche ihren
verschiedenartigen Seelenthätigkeiten entsprechen.
Auch in diesen physiologischen Einheiten ist es die
Seele, die organische Structuren schafft und den
Digitized by ^»ooQie
121
Metabolismus beherrscht. Bekanntlich sind nun alle
Organe des menschlichen Körpers aus Zellen auf¬
gebaut, jede Zelle hat aber, wie gezeigt ist, ihr
eigenes seelisches Leben, und so ist es diese see¬
lische Function, welche die Vitalität ausmacht.
Daraus ergiebt sich der Schluss, dass die phy¬
siologischen Processe nur als psychologische Func¬
tionen zu erklären sind.
(Bis zum beseelten Protoplasma ist Häckel ja
schon lange gekommen; alle physiologischen Vor¬
gänge aber als psychologische Functionen zu er¬
klären ist schon von früheren Philosophen versucht
worden. Ref.)
Besonders interessant sind aber die praktischen
Folgerungen, welche Prof. Gates aus seiner Theorie
abgeleitet hat.
Da nach ihm die Thätigkeiten einer Zelle
psychologische Akte sind, so beruht das so lang
ersehnte Grundgesetz des Heilens auf der Regula¬
tion der psychischen Thätigkeiten von Zellen und
Zellengruppen. „Hierin liegt der Schlüssel zum
Geheimniss von Krankheit und Schmerz und Uebel,
und ebenso der Ariadnefaden zu Gesundheit und
Wohlergehen. M Als ein besonderes wirksames psy¬
chisches Mittel bezeichnet er die
Dirigation.
Darunter versteht er die willkürliche Kraft
eines Individuums, sein Bewusstsein ausschliesslich
auf gewisse Gefühle und Empfindungen einzu¬
schränken, die sich an einem bestimmten Theil
des Körpers bemerkbar machen, und in der Praxis
zu diesen Thcilen mehr Blut hinzuleiten und hier¬
durch die lymphatischen und thermometrischen
Functionen zu beeinflussen. „Wenn ich meine
Aufmerksamkeit auf meinen Daumen fixire und
diese von allen anderen Gefühlen und Empfindun¬
gen in anderen Theilen des Körpers zurückhalte,
sowie von allen Denk- und Gemütsbewegungen,
die spontan in der Seele hervortreten wollen, und
wenn ich so unentwegt meine Aufmerksamkeit auf
meinen Daumen festlege, so werde ich bald in
diesem Theil eine gesteigerte Empfindung verspüren.
Setze ich dies einige Minuten fort, so entsteht ein
Gefühl von Völle und Druck und ein feines thermo- '
electrisches Thermometer wird anzeigen, wie die
Temperatur in diesem Daumen um den Bruchtheil
eines Centigrades höher ist als die des anderen 1
Daumens, und auch der Umfang in jenem Theile
zugenommen hat. |
Verf. hat folgendes Experiment gemacht: I
Er legte seinen rechten Arm in ein gläsernes Gefäss, j
das am Boden weiter als oben war, füllte dieses
mit Wasser und liess den Arm in der Flüssigkeit
still und ohne eine Spannung der Muskeln ruhen.
Ohne die geringste Bewegung zu machen, begann
er, auf den rechten Arm seine Aufmerksamkeit zu
fixiren. Das Gefäss war so mit Wasser gefüllt,
dass ein Tropfen mehr es zum Ueberfliessen brin¬
gen musste. Das Wasser hatte die Temperatur des
Armes. Nach Dirigation von 11 Minuten stellte
sich das Bewusstsein einer Empfindung in diesem
Arm ein, und bald danach fing das Wasser an, über
den Rand des Gefässes zu fliessen, und in 21 Min.
waren 600 Gran (= 20 Gramm) Wasser in Folge
der Volumzunahme des Armes übergetreten. Jetzt
unterzog er den linken Arm der Dirigation, den
anderen völlig ausser Acht lassend und indem er
in der psychischen Fixation eine Ruhepause machte.
„Jene Theile des Gehirns, in denen die Empfin¬
dungen für den rechten Arm eingezeichnet sind,
waren in active Function versetzt und durchblutet
worden, und es währte einige Zeit, bis das Blut
diese Gehirn-Bezirke verliess und ebenso bis das
Blut und der Metabolismus ihre dominirende Thätig-
keit im rechten Arm aufgaben. Man mag diese
Erscheinung „functionelle Beharrlichkeit“ nennen.
Es ist dies das Bestreben einer vorherrschenden
Function sich zu behaupten. Nach einigen Minu¬
ten gelang es ihm, die functionelle Beharrlichkeit
des rechten Armes zu überwinden und die func¬
tionelle Vorherrschaft des linken Armes und der
ihm entsprechenden Gehirnbezirke herzustellen. Er
hatte den linken Arm in einen gleichen Apparat
gebracht. Nach einigen Minuten psychischer Fixa¬
tion begann das Wasser in dem Gefässe, worin der
rechte Arm lag, niedriger zu stehen, ein Zeichen,
dass der rechte Arm an Volumen abgenommen
hatte, während das Wasser in dem anderen Gefäss
über den Rand lief, ein Zeichen, dass nun der
linke Arm an Volumen zugenommen hatte.
(Da das Wasser um den rechten Arm schon
zum Theil abgeflossen war, war es aber doch na¬
türlich, dass sein Niveau sinken musste. Ref.)
Wenn Verf. ein flaches Thermometer auf irgend
einen Körpertheil brachte, so konnte er durch be¬
harrliche Dirigation dieses Theils ein Steigen der
Temperatur an demselben innerhalb 5—25 Minu¬
ten beobachten. Er kann auch die Perspiration
dieses Theils verändern und durch anhaltende Diri¬
gation eines Theils dessen Volumen so beeinflussen,
dass er das Volumen des andern entsprechenden
Körpertheils übertrifft.
Verf. giebt nun einige praktische Beispiele
hierzu.
Eine Frau K., die er vorher in der Kunst der
Dirigation eines Körpertheiles gut unterwiesen hatte,
bildet den Gegenstand des folgenden klinischen
Experiments. — Die Mammae waren bei ihr fast
gänzlich eingesunken. Nachdem sie 14 Wochen
lang täglich eine Stunde Vormittags und ebenso
Nachmittags die linke Mamma der Dirigation unter-
16
Digitized by t^ooQle
122
zogen, war diese mehr als i 1 j 2 Mal stärker als die
rechte. Dann dirigatirte sie in gleicher Weise die
rechte Brustdrüse und nach Verlauf von 9 Wochen
hatte diese denselben Umfang wie die linke.
Ein Herr F. dirigatirte in ähnlicherWeise seinen
linken Arm und den Theil zwischen Schulter und
Ellenbogen; nach Verlauf von 4 Monaten hatten
die Theile 6 Proc. an Umfang zugenommen und
die bezüglichen Muskeln erheblich an Kraft.
Prof. Eimer Gates prüfte sechs Tage hinter¬
einander seine Hand mittelst eines Dynamometer,
jeden Tag mehrmals, um das Maximum seines
Handdruckes festzustellen ; dann dirigatirte er die
Muskeln dieser Hand 5—6 Mal täglich, 14 Tage
lang, ohne aber irgend welche Muskelübung damit
vorzunehmen, und nach Ablauf dieser Zeit war die
Kraft seines Handdrucks um 16 °/ 0 gestiegen.
Frau S., an schwerer chronischer Verstopfung
leidend, hatte schon länger als zwei Jahre den
Stuhl einen Tag um den andern durch mecha¬
nische Mittel erzielen müssen. Die üblichen Heil¬
mittel, sowie auch Einspritzungen und Massage, blieben
erfolglos. Prof. Gates begann die Behandlung da¬
mit, dass er ihr Empfindungs-Erinnerungsbilder von
•Berührung und Temperatur in jenen Theil des 1
Kectums zuführte, der unterhalb der Flexura sig- |
moidea liegt. Dies geschah mittelst Berieselungen ,
mit warmem und kaltem Wasser, deren Temperatur
allmählich bis zur Erzeugung schmerzhafter Em¬
pfindungen nach oben und unten gesteigert, und
mit deren Anwendung schnell gewechselt wurde.
Dieses Verfahren, mit alternirenden warmen und
kalten Sprays, erweckte in den entsprechenden
Gehirnpartieen sensorielle Gedächtnissstructuren von
den Empfindungen, die in dem atonischen Theil
ihres Darmkanals erzeugt waren, und die willkür¬
lichen motorischen Entladungen von diesen Geliirn-
structuren nach dem Rectum befähigten das Gehirn,
mehr Blut und metabolische Kraft zu jenem Theil zu
schicken; der Hauptzweck dieser Zurichtung war
indessen, dass sie in diesen Theilen so viel Fühlung
gewann, um die JHrigation auf sie zu richten. In
dieser Kunst wurde sie dann unterwiesen; sie diri¬
gatirte dann 4 Mal täglich auf das Rectum hin,
und nach Verlauf von 11 Wochen war Alles in
Ordnung.
Die nächste Stufe in der Kunst der Dirigation,
die durch wiederholte Uebung zu erreichen ist,
zielt auf die Erlangung der Fähigkeit, die vollste
und vollständigste Fühlung in einem Theil in der
möglichst kurzen Zeit herzustellen, und das soll be- ,
züglich aller Körpertheile geübt werden. Diese
Uebung macht den Schüler geschickt, die Diriga¬
tion nach Belieben auszuführen, und giebt ihm
auch eine merkwürdige Controle über seinen j
Körper — die Seele nimmt, könnte man sagen, j
bewussten Besitz von Theilen, über die sie vorher
nur eine geringe Herrschergewalt hatte, und die
Gesundheit jeglichen Körpertheils wird erhöht.
Sodann kommt in dieser Kunst die Stufe,
welche darin besteht, einen Wechsel der Diriga¬
tion von einem bereits beherrschten Theile auf
einen andern zu bewerkstelligen, so dass dieser
Wechsel so schnell und so vollständig als möglich
zu Stande kommt. Dies giebt dem Organismus
die Fähigkeit, alle seine Kräfte auf irgend einen
Theil zu concentriren und die Correllation der
Functionen zu steigern. Z. B. nach einer solchen
Dirigation nach einer Körperprovinz hin wird, wenn
der Körper einem kalten Luftzuge ausgesetzt war,
sich weit schneller eine vasomotorische Blutströ-
mung nach jenen Theilen vorfinden, und so Er¬
kältung verhüten. Eine noch weitere Uebung
ermöglicht es, die in dem dirigatirten Theile er¬
regte Empfindung zu differenziren, und was vor¬
her eine einfache Empfindung war, wird ein mehr
c.omplicirter Empfindungs-Status, d. h. man kann
mehrere Empfindungen anstatt einer unterscheiden,
und wenn der Schüler auf eine dieser besonderen
Empfindungen die Dirigation richtet, so wird ein
anderes Resultat erlangt, als wenn er auf eine
andere dieser Empfindungen dirigatirt.
Es ist bekannt, wie man bei einem Hypnoti-
sirten die Aufmerksamkeit einschränken und nach
den verschiedenen Theilen des Körpers so lenken
kann, dass man diese unempfindlich zu machen
oder andere interessante Wirkungen hervorzurufeu
im Stande ist. Indessen der Hypnotismus ist für
das Gehirn von üblen Folgen, und meist gefähr¬
lich. Wer aber in die Kunst der Dirigation ein¬
geweiht ist, der kann noch tiefere Wirkungen, und
das ohne die Gefahr des Hypnotismus, hervor¬
bringen.
Prof. Eimer Gates hat sich mit dem hier be¬
sprochenen Gegenstände von 1876—1890 beschäf-
i tigt. Es gelang ihm durch seine Experimente zu
zeigen, wie man durch Dirigation leicht eine Wir¬
kung hervorrufen könne, ähnlich der von den meisten
Heilmitteln erzeugten. So ist es sehr leicht durch
Dirigation Erbrechen und sogar Schweiss hervor¬
zurufen. Einer seiner Patienten konnte in 20 Minuten
hierdurch Leibesöffnung hervorrufen, ein anderer in
2 Minuten auf den grössten Theil seiner Körper¬
oberfläche Blässe oder Röthung. Manche Personen
können willkürlich Thränen vergiessen. Diese
Thatsachen zeigen schon, dass in einer wissen¬
schaftlich ausgeübten Kunst von Dirigation uns
eine wunderbare Macht über alle leibliche Func¬
tionen gegeben ist.
In Verbindung mit Gehirnbildung eröffnet diese
Kunst der Dirigation einen neuen Weg in der
Digitized by k^ooQie
123
Krankenheilung, und deshalb ist das Studium dieses i
Gegenstandes dringend geboten.
Ref. ist der Ansicht, dass die Hinleitung psy¬
chischer Energie, wenn dieser Ausdruck erlaubt
ist, nach einem atonischen, energielosen, blutarmen
Theile des Körpers durch des Verf. Dirigation
wohl möglich erscheint. Freilich setzt dies anhal¬
tende Fixiren der psychischen Aufmerksamkeit auf
einen bestimmten Theil ein intaktes, ja kräftiges
Gehirn voraus. Doch dafür soll ja seine brain-
building, gehirnbildende vorbereitende Zurichtung
der Kranken dienen.
Bei einem schon krankhaften, sensibiliten re-
agirenden Organe wird diese psychische, anhaltende
oder wiederholte, darauf hingelenkte Aufmerksam¬
keit nur schädlich wirken können, so z. B. bei
Uterin- oder Eierstocksneuralgieen. Hier könnte
die Dirigation vielleicht als ein psychisches Deri-
vatorium angewendet werden. Kann man sich
doch Zahnschmerzen, aber nur bis zu einem
gewissen Grade, erträglich machen, wenn man sich
bemüht, von diesen Schmerzen möglichst durch
eine die Psyche stark in Anspruch nehmende Thätig-
keit zu abstrahiren. — Wer mit dieser Gehirn-
Gymnastik nicht vor- und umsichtig vorgeht, wird
damit ebenso viel Schaden anrichten können, als
wie mit dem Hypnotismus. — Zum Allgemeingut
der Aerzte wird auch diese Kunst schwerlich werden.
(Nach der Homoeopathic World. 1. Febr. 1898.)
Dr. Mossa.
Homöopathische Rundschau.
Auszug aus dem Journal Beige d’homoeopathie und
der Revue homoeopathique franyaise.
Von Dr. med. Hob. Stäger.
(Fortsetzung.)
8. Therapie des Trachoms.
(Von Dr. Bryant.)
Zur Behandlung dieser Affection nimmt Dr.
Bryant seine Zuflucht zur Massage mit Acidum
boricum. Man beginnt mit der Cocainisirung der
Lider, dann kehrt man sie um, applicirt Acidum
boricum in Pulverform und reibt nun tüchtig, bis
die Conjunctiva blutet. Wöchentlich eine Sitzung,
bis zur Heilung. Innere Mittel, die man zugleich
anwenden kann, sind: Aurum muriat. oder Aurum
metallicum.
9. Besondere Wirkung yon Saw Palmetto.
Dr. Vernon Stiles, welcher einen seiner Patienten,
der ein leidenschaftlicher Raucher war und eine
Prostatahypertrophie hatte, 15 Tropfen Saw Pal¬
metto in Urtinctur (3 Mal täglich) zur Bekämpfung
seiner Harnbeschwerden nehmen liess, hatte die
Genugthuung, zu sehen, wie das Mittel die Hyper¬
trophie günstig beeinflusste und zugleich dem
Patienten das Rauchen verleidete. Auch dieses
letztere Resultat schreibt er Saw Palmetto zu, was
eine neue Eigenschaft des Mittels ist, die man
früher nicht kannte.
10. Tachycardie und Morbus Basedowii
bei Kindern. (Von Dr. Haie.)
Ebenso wie diese zwei Krankheiten verschiedene
Symptome haben, ist es auch nothwendig, hierfür
verschiedene Mittel anzuwenden. —
Bei der Tachycardie sind vorzüglich angezeigt:
Veratrum virid., Strophantus, Digitalis, Lycopus
und Aconit, die man in der 1. oder 2. Dilution
giebt.
Morbus Basedowii verlangt: Fucus, 5 —10 gtt.
nach dem Essen, Baryta jod. 2. Verdünnung; Lapis
alba, 6. Dil. vor dem Essen und Abends Thyro'idin
oder sein Extract, 30—50 Centigramm 3 Mal täg¬
lich; endlich Spigelia 6. Dil., 1 gtt. 4 Mal täglich.
Diese Dosen gelten für Kinder unter 12 Jahren.
11. Behandlung der Gicht.
(Von Dr. Mortimer Lawrence.)
Da die Gicht eine Krankheit ist, welche auf
einer Ernährungsstörung beruht, so muss sie mit
einer kräftigenden Diät bekämpft werden, ausge¬
nommen während den acuten Perioden.
Man wird dem Patienten die alkoholischen Ge¬
tränke nicht ganz verbieten; lässt ihn Leberthran
nehmen, und wenn er ihn nicht vertragen kann,
wird man versuchen, Butter und fette Speisen an
seine Stelle zu setzen. Der Patient halte sich in
einem milden und trockenen Klima auf, vermeide
den Meeresstrand und jede Feuchtigkeit. Lange
Zeit hat man Dampfbäder angewendet, um dieses
Leiden zu bekämpfen. Seit einigen Jahren scheint
man mehr auf trockene Hitze zurückgekommen zu
sein. Auch Elektrizität hat man empfohlen, end¬
lich Massage und passive Bewegungen, welche
keinen geringen Nutzen stiften.
Was die Medicamente betrifft, geben viele von
denen, die theoretisch noch so gut indicirt zu sein
scheinen, gar keine glänzenden Resultate, wie man
von ihnen etwa erwarten sollte. Actaea racemosa,
das seine Pathogenese so sehr empfiehlt, giebt
nicht immer einen guten Erfolg. Man kann auch
auf Sulfur nicht zählen. Pulsatilla gab schon gute
Resultate in Fällen, wo die Erscheinungen der
Gicht mit Symptomen des Uterus gepaart waren;
ebenso Sepia. Causticum, obwohl mit grosser
Sorgfalt gewählt und mit Beharrlichkeit lange Zeit
gegeben, brachte keine sichtliche Erleichterung zu
Stande. Colchicum aber war in sehr vielen Fällen
16*
Digitized by LiOOQle
von segensreicher Wirkung; man gab es in Dosen
von 5 gtt. 3 Mal täglich. Im Verlauf von drei
Monaten waren die noduli viel kleiner geworden
und die Gelenke schmerzten weniger bei der Be¬
wegung Jodium ist ebenfalls ein sehr gutes Mittel
und Ferrum jodat., welches die Allopathen ab und
zu anwenden, ist ein Mittel, mit welchem wir
reussiren dürften, wenn unsere gewöhnlichen Mittel
nichts fruchten.
12. Gynäkologische Localtherapie und Indi-
cationen für die Mittel.
(Von Dr. Lewis van Tine.)
Die Medicamente, welche man zur Localappli-
cation in der Homöopathie anwendet, sind gewöhn¬
lich mit Glycerin hergestellt und sie werden mittelst
Tampons, die man in das medicamentöse Glycerin
taucht, in den Uterushals gebracht. Die wichtig¬
sten sind folgende:
Boryglycerin , welches wie ein Antisepticum wirkt
und vermöge des Glyceringehaltes die kleinen
Beckenorgane decongestionirt.
Hydrastis, 25- bis 50procentig, als Extract, mit
Glycerin vermischt, ist nützlich bei Vaginitis chron.
gonorrhoic., bei Cervixkatarrh und Erosionen der
Portio mit reichlichem, gelbem und fadenziehenden
Fluss.
Arütol, in Pulverform oder mit Glycerin ge¬
mischt, erweist sich als vorzüglich bei Portio-
Erosionen, bei specifischer Vaginitis und Schanker.
Ichthyol , 10- bis 25procentig, mit Glycerin wird
gegen Erosionen der Portio angewendet, ebenso
gegen allgemeine Empfindlichkeit der Becken¬
organe.
Acidum, tannicum, als Pulver oder in Glycerin,
bekämpft durch seine adstringirende Wirkung die
Erschlaffung der Vaginalwände und wirkt auch auf
den profusen Fluss, der die Geschwüre der Portio
begleitet. Ebenso wirkt Alaun.
Jodtinctur wird bei Metritis chronica, Sub¬
involution des Uterus und allen chronischen oder
subacuten Eierstocks-Leiden angewendet.
Jodphenol (ein Theil Acid. phenol. zu 2 Theilen
Jodtinctur) findet Verwendung unter denselben Be¬
dingungen wie Jod und ebenso bei Erosionen der
Portio und Cervixkatarrh.
Acidum chromicum ist empfohlen worden in
Fällen von Cervixkatarrh mit eiweisshaltigem und
fadenziehendem Fluss. Wegen der starken Wirkung
darf man das Mittel wöchentlich nicht mehr als
einmal anwenden. (1 Theil Acid. chrom. : 2 Theilen
Wasser.) —
Von internen Mitteln sind zu nennen:
Actaea racemosa bei Ovarialneuralgie und grosser
Empfindlichkeit des Uterus; bei Schmerzen, welche
durch den Unterleib schiessen; ferner hei Katarrh
des Cervix mit hysterischen Symptomen, Hyper¬
trophie der Portio, grosser Empfindlichkeit, beson¬
ders der Ovarien.
Belladonna . Entzündung der Beckenorgane,
Prolapsus uteri, Entzündung des Uterus und der
Ovarien, besonders des rechten; alles ist von
Schmerzen, Ziehen und Schneiden begleitet.
Bryonia . Ovaritis mit stechenden, heftigen
Schmerzen. Pelveoperitonitis.
Calc. carb. Cervixkatarrh. Constanter Schmerz
in der Scheide. Milchartige, sehr profuse Leu-
corrhöe mit Brennen und Jucken.
Chamomilla. Ziehen vom Kreuz nach vorn mit
häufigem Urindrang, reissende Schmerzen in den
Beinen. Scharfer, wässeriger, gelber Fluss.
Gdsemium, Uteruscongestion und Entzündung
der Ovarien mit Schwere in der Regio uterina und
Melancholie.
Ilelonias. Atonie der Genitalorgane, Prolapsus,
schlechte Ernährung und geistige Depression; Krank¬
heitsgefühl und Sensibilität des Uterus; die Kranke
fühlt, dass sie eine Gebärmutter hat. Stark riechen¬
der Fluss mit Erosion der Portio, welche Hämorrha-
gien hervorrufen können. Ausser den localen
Uterussymptomen, den Erscheinungen von Lage¬
veränderung des Uterus oder chronischer Entzün¬
dung, ist im Allgemeinen ein tiefer Lumbalschmerz
vorhanden, bisweilen auch hat die Kranke die
Empfindung einer Centnerlast auf der Brust und
Hirndruck. Pruritus vulvae und vaginae; die be¬
treffenden Theile sind heiss, geschwollen und
schuppen ab. Induration des Uterus
Kreosotum. Entzündung der weiblichen Geni¬
talien, charakterisirt durch Erosionen und fötiden
und excoriirenden Ausfluss. Erosionen der Portio
mit Brennen und Hitze tief in der Scheide, grosse
Hitze und Empfindlichkeit der Schleimhaut, starke
Schmerzen und scharfer, riechender Fluor albus.
Das Mittel ist auch von Vortheil als Palliativum
beim Uteruscarcinom, Epitheliom der Scham mit
brennendem Schmerz wie von glühenden Kohlen und
Fluss. Fluor mit hornartigem, etwas heissendem
Geruch. Pruritus vulvae mit übelriechendem
Schweiss.
Lüium tigrirnnn. Prolapsus des Uterus mit
Schwere und Pressen gegen das kleine Becken,
Empfindlichkeit, stechende Schmerzen, Verlangen
auf die Vulva zu drücken, von unten nach oben
oder die Abdominalwände zu halten. Retroversion
mit Druck auf das Rectum, was zur Obstipation
führt. Reichlicher, oft excoriirender Fluss; Uri-
niren schmerzhaft. Starke Schmerzen in der
Ovarialgegend. Ausser der Lageveränderung des
Uterus und den Ovarialschmerzen findet man
oft Herzklopfen und andere nervöse Symptome
Digitized by ^»ooQle
125
von Seiten des Herzens; manchmal auch fürchter- | Pulsatilla. Nach Erkältung setzt der Urin ein
liehe Schmerzen vom Rücken gegen den Scheitel.
Nur romica. Frischer Prolapsus des Uterus. I
Blasen- und charakteristische Rectum Symptome!
Platina . Pruritus vagiuae. Nymphomanie. Me- I
lancholia sexualis. Uterusprolaps mit beständigem
Druck im Rücken und den Lenden. Chronische
Ovaritis, besonders rechts. Eiweisshaltiger Fluor.
Die Uterussymptome und die Erscheinungen von
Seiten der Ovarien werden von verschiedenen ner¬
vösen Reflexen begleitet, wie Husten, Aphonie,
Palpitationen, Spasmus, Schlaflosigkeit etc. —
Pu-halUla. Leucorrhöe an Stelle der ausgeblie¬
benen Regel, dicker, nicht reizender Fluor mit
Schwellung der Vulva. Oft ist der Fluor klar
und reizend. Prolapsus uteri. Weinerliche Stim¬
mung.
Secale comvtum . Lageveränderung des Uterus,
Subinvolutio uteri. Anschoppung und Schmerz des
Uterus und besonders des rechten Eierstockes.
Sepia . Grosse Trockenheit der Vulva und der
Vagina, schmerzhaft beim Berühren. Symptom
von Herabdrücken, wie wenn etwas zur Scheide
schleimiges Sediment ab, welches am Gefäss klebt.
Lachesis. Gefühl einer rollenden Kugel in der
Harnblase.
Therebinthina . Empfindlichkeit am Hypogastrium,
Blasentenesmus, Hitze in der Nierengegend.
Ilyoscyamus . Retentio urinae, grosser Durst,
trockene Zunge und Delirien.
Carbo vegetab. Bei Greisen und in chronischen
Fällen, wenn das acute Stadium überstanden ist.
Causticum. Wenn in Folge einer langen Re¬
tentio urinae eine Lähmung der Blasenmuskeln ein¬
getreten ist.
Cantharis . Heftiger, beständiger Harnzwang,
grosser Tenesmus; der Harn gleicht geschmolzenem
Blei. (?)
Clumaphila . Trüber Harn; grosse Schwierig¬
keit im Beginn des Hamens. (Fortsetzung folgt)
ZurBehandlung der Influenza-Mittelwechsel.
Von Dr. Criquelion (Mons).
hinauswollte; Gefühl von Völle des Magens und
des Abdomens. Die Frauen kreuzen die Schenkel,
wie wenn sie etwas verhindern wollten, aus der
Vagina herauszugeben. —
Induration der Portio uteri. Endometritis chronica
mit Empfindlichkeit über der Uterusgegend und
dem beständigen Verlangen, zu uriniren. Gelber
oder milchartiger, reizender Fluor.
Sulfur . Pruritus vulvae mit Hitze und Stechen,
Schweissfriesel, schlimmer in der Bettwärme. Pro¬
lapsus uteri mit Schmerzen im Sacrum; Constipation.
Aetzender, starker und gelber Weissfluss. Die
Hitze in der Vagina erlaubt kaum stillzusitzen.
13. Die Medicamente bei der Cystitis.
(Von Dr. M. Aulain.)
Heftiger, aber vergeblicher Drang zum Uriniren.
Petroselinum.
Hepar sulf. Der Urin fliesst tropfenweise.
Aconit . Starkes Fieber, Aufgeregtheit. Bestän¬
diger Harndrang.
Nur vumica . Hitze und Druck in der Blase.
Arsen, alb. Grosse Spannung der Blase.
Camphora. Nach reizenden Mitteln.
Berberis . Stechender Schmerz und periodische
Krämpfe; dicker Schleim, rothes Ziegelmehlsedi¬
ment.
Kali bichromic. Alkalischer, klebriger Urin.
Natr. muriat. Grosse Schmerzen nach dem
Harnen.
Add . phosphor . Der Urin gleicht Milch und
Zersetzt sich sofort.
In der Einleitung bemerkt Dr. Criquelion (Re¬
vue homoeopath. beige, März 1898):
Dieses Leiden ist jetzt endemisch geworden;
seit 1889 sucht es uns jedes Jahr im Anfauge des
Winters unter mehr oder weniger bedeutenden, oft
aber auch unter recht schweren Symptomen heim.
1897, wo er es erst Ende December beobachtete,
traten Anfangs dieses Monats zunächst leichte katar¬
rhalische Affectionen ohne Fieber, ohne Frost, ohne
Zerschlagenheit der Glieder, ohne Kopfschmerzen
ein, welche die vitalen Organe keineswegs ergriffen
und alte, latente Leiden nicht wieder erweckten.
Anfangs Januar 1898 raarkirte sich die Affection
deutlicher als Grippe, doch waren die Bruslorgane
nicht vorherrschend afficirt, wenn es auch vielen,
intensiven Husten, aber ohne Auswurf und ohne
stethoskopische Zeichen gab. Verf. sah heftige
Halsbeschwerden, aber ohne Röthung der Gaumen¬
bögen, der Mandeln und der Schleimhaut des
Schlundes. Die encephalitisclie oder nervöse Form
äusserte sich in vielen Fällen durch heftigen Kopf¬
schmerz, tiefe Abgeschlagenheit, hielt aber nicht
über 24 oder 36 Stunden an unter der Einwirkung
von Arsen, Bryonia, Eupatorium perforatum, und
j blieben die Patienten von jener langen, unendbaren
Reconvalescenz verschont, wo sie, ihrer Geschäfte
ledig, sich immer krank und nicht hergestellt fühlen.
Die abdominelle Form war durchweg wertiger schwer,
weniger hartnäckig; Arsen, in Verbindung mit
Bryonia bei anhaltendem Frostgefühl, und bisweilen
noch Acid. phosph., thaten gute Dienste.
Verf. beobachtete in einer Gemeinde drei Fälle
von hämorrhagischer Influenza bei drei jungen Per-
Digitized by ^»ooQie
126
sonen: eine junge Frau von sonst ausgezeichneter |
Gesundheit zeigte eine Gebärmutterblutung, die
seit zwei Monaten mit geringen Nachlässen anhielt
und allen gewöhnlichen Mitteln der alten Schule
getrotzt batte. Unter Arsen und Acid. phospfior.
wurde es innerhalb acht Tagen besser mit ihr; die j
völlige Erholung war freilich eine langsame. —
Zwei Kinder, obgleich von guter Constitution und
von gesunden Eltern stammend, bekamen Hämo-
ptysis; auch sie erhielten Bryon. 6. und Acid.
phosph. 6. nebst Ars. 6. und kamen zur vollen
Heilung ohne jedes Residuum in der Lunge. — j
Während die homöopathische Behandlung, von An¬
fang an angewandt, die Heilung schnell und ohne
üble Folgen zurückzulassen erfolgte, war dies, wie
Verf. constatiren konnte, bei Anwendung von Pur-
gativen und Antipyrin keineswegs der Fall. Wun¬
derliche Art, Kranke, die von Frostschaudern be¬
fallen sind, die kein Erwärmungsmittel beseitigen
kann, abkühlen zu wollen!
Arsen und Bryonia sind in der Regel die Mittel,
welche den Symptomen der Influenza am besten
entsprechen; Bryonia, für das Frostgefühl, wie I
Hahnemann gut beobachtet hat, und Arsen für die j
Kraftlosigkeit; während Eupator. perf. oft dann an¬
gezeigt ist, wenn das Zerschlagenheits- und Steifig¬
keitsgefühl stark ausgesprochen ist. „Die Verbin¬
dung dieser Mittel erweist sich oft als nothwendig; j
denn selten deckt ein einziges Mittel das ganze
Krankheitsbild,“ und wenn mehrere, gleichzeitig
auftretende Krankheitserscheinungen verschiedene
Mittel herausheben, so zögert Verf. nicht, sie im
Wechsel zu geben. Hiermit hat er sehr gute Er¬
folge erzielt, besonders in den Fällen von alten
Luftröhrkatarrlien mit schwerem, häufigem Husten
und zähem, schleimigem und schleimig-eiterigem
Auswurf. — Die Verbindung von Hep. sulph. 6.,
Pulsat. 6 , Lycopodium 6. und Arsenicum jod. ent¬
spricht solchen rebellischen, oft ominösen Zuständen.
Vier Mittel! wird man sagen. Ja, und oftmals be¬
darf es nicht weniger, um diese chronische, so be¬
denkliche Bronchitis, welche gewöhnlich ein Ein¬
wirken mehrfacher Ursachen auf verschiedenartige
Individuen bekundet, gründlich zu entwurzeln.
Eine 43jähr. Frau suchte am 9. Januar 1897
Verfs. Rath. Sie stellte einen guten Typus von
Morbus Basedowii dar: äusserlich starker Exophthal- |
mos, sehr entwickelter Kropf, heftiges Herzklopfen
und Arythmie, dazu Diarrhöe. — Cactus 3., Ars. 6.,
Jodium 6.
Am 24. Januar merklich besser: die Diarrhöe
hat nachgelassen, das Herzklopfen weniger stark,
die Kropfgeschwulst etwas kleiner.
26. Februar. Im Ganzen besser, nur hat sich
das Hervortreten der Augen nicht in gleichem Masse
verändert. Bell. 6. und Jodium 6.
26. März. Allgemeine Besserung: die Glotz¬
augen entschieden zurückgetreten. Repet.
12. April. Heilung bis auf einen geringen
Grad des Exophthalmos, so dass die Augen ihren
sonderbaren Anblick verloren haben, und zeitweises
Herzklopfen, aber nur bei lebhaften Gemüthsbe-
wegungen. Heilung von Dauer. —
Ref. ist der Ansicht, dass die homöopathische
Schule, um nicht in die zum grossen Theil ja auch
von der älteren aufgegebene Polypharmacie zurück¬
zufallen, die alternirende Anwendung mehrerer Mittel
nur als Ausnahme von der Regel gestatten darf.
Ein reines physiologisches wie pathologisches
Experiment verlangt lediglich den Gebrauch eines
einzigen Mittels. M.
Vom BUchertische.
Der Volksarzt. Anleitung zur Selbstbehandlung
nach den Grundsätzen der Homöopathie und
Naturheilkunde. 2. Auflage, durchgesehen und
theilweise umgearbeitet von Dr. med. Boffenmeyer,
homöopath. Arzt in Reutlingen.
Dieser ursprünglich von der schwäbischen Ho¬
möopathie geförderte „Volksarzt“, ein kleiner ho¬
möopathischer Hausschatz, hat hier sein Publikum
gefunden. Dafür spricht, dass das Buch jetzt in
der 2. Auflage erschienen ist. Es giebt dem Laien
in kurzer, deutlicher Darstellung das für ihn Wissens¬
würdigste sowohl in den theoretischen als prak¬
tischen Dingen der Homöopathie. Dabei werden
auch die Schüssler’schen Mittel berücksichtigt und
am Schlüsse selbst die neueren gebräuchlichen,
hauptsächlich aus Amerika bei uns eingeführten
Mittel.
Sodann werden auch die von der sogen. Natur¬
heilmethode gebotenen Massnahmen kurz besprochen.
Die Anordnung des Stoffes ist recht praktisch und
fasslich. — Soweit wird das Buch als Leitfaden
für das Volk zu empfehlen sein. Auszusetzen
haben wir nur, dass die Mittel meist in niedrigen
Dosen verordnet werden. Colocynth. 4. bei Sommer¬
durchfällen etc. erscheint uns entschieden zu stark
gegriffen; bei Chamomilla ist wenigstens die Wahl
zwischen der 2. und 15. Dil. vorgesehen; aber wie
selten wird der homöopathische Arzt dieses Mittel,
zumal bei Kindern, in einer so tiefen Potenz geben.
Gerade in einem für das Volk bestimmten Buche
wäre um des nihil nocere willen die Anwendung
höherer Potenzen angezeigter gewesen.
Dr. Mossa.
Digitized by k^ooQle
127
Kur- und Wasserheilanstalt „Kaiserbad“
in Rosenheim.
Die ärztliche Leitung des altrenommirten Eta¬
blissements wird vom 1. April d. Js. an in die be¬
währten Hände des Herrn Dr. M. Zimmermann, früher
ärztlicher Director der Kuranstalt „Bad-Thalkirchen tt
übergehen (wissenschaftlich rationeller Betrieb). Die
Anstalt ist bekanntlich für das gesammte Wasserheil¬
verfahren, auch für Mineral-, Soole-, Moor-, Kräu¬
ter-, Sand- und kohlensaure Bäder etc. in vorzüg¬
licher Weise eingerichtet, und steht nach den be¬
reits eingetroffenen Anmeldungen für die kommende
Saison ein sehr hoher Besuch in Aussicht.
Lesefrllchte.
Die Gürtelrose als Vorläufer von Tuberkulose.
Schon 1879 machte Potain auf den Herpes Zoster 1
als prodromales Symptom beginnender tuberkulöser
Infection aufmerksam. Nun stellt Rouher 15 der¬
artige Fälle zusammen. Manchmal folgt die Tuber¬
kulose unmittelbar auf den Zoster; im Allgemeinen
liegt jedoch zwischen diesem Exanthem und der i
diagnosticirbaren Tuberkulose ein Zeitraum von drei I
Wochen bis zu einem Jahre. In einem Falle trat |
die Tuberkulose gar erst nach 4 Jahren deutlich
hervor. Die Symptomatologie verräth im Uebrigen
nicht im Geringsten den Zusammenhang mit der
Tuberkulose. Rouher schreibt das Auftreten des
Zoster dem Einfluss der vom Koch’schen Bacillus
secernirten Toxine auf das Nervensystem zu, wozu
schon ein im Körper befindliches Bacillen-Indivi¬
duum genügt.
Die Seltenheit der Beobachtung erklärt Verf.
mit dem Uebersehen und andererseits damit, dass
Zoster zu seiner Entstehung auch einen geeigneten
Boden braucht, einen Neurastheniker oder sonstigen
Nervenleidenden. — Sollte aber bei der Häufigkeit
der neurasthenischen Constitution einer- und der
Tuberkulose andererseits dieses Zusammentreffen
von Zona und Tuberkulose nicht doch öfter be¬
obachtet worden sein, als dies bisher der Fall war?
__ _ Ref.
Personalia.
Das Dispcnsir-Examen haben bestanden in Ber¬
lin: Dr. Froh ne, Berlin; Dr. Jäger, Hildesheim;
Dr. Mittmann, Colberg. — Herr Dr. med. Kallen¬
bach, bisher in Rotterdam, verlegt am 18. April a. c.
seinen Wohnsitz nach Apeldoorn, Holland.
Med. Dr. Theodor Kafka in Karlsbad,
früher im Hause „Annaberg“, Marktplatz, wohnt und
ordinirt jetzt im Hause „zum Amerikaner“, Sprudelgasse.
Hygiama.
Seit 1891 klinisch vielfach erprobtes diätetisches
Nähr- und Stärkungsmittel.
(Zusammengesetzt aus condens. Milch, Gersten- und
Weizenmehl, Zucker und Kakao.)
Wegen seiner Leichtverdaulichkeit und hohen
N&hrkraft indicirt bei:
Magen - und Darmleiden, Anaemie,
Chlorose, Nervosität, Hyper ein. gravid.,
Typhus ahdom., künstliche Ernährung,
Scroph 21 1ose, Reconvalescenz.
In vielen Hospitälern und Irrenanstalten ständig
im Gebrauch.
Preis der Dose M. 1.60 (300 g) u. M. 2.50 (500 g Inh.).
Vorrftthig in den meisten Apotheken und Drogerien.
Wissenschaftl. Urtheile, Analysen u. Gratiemuster durch
Dr. Theinhardt’8 Nährmittel-Gesellschaft
Cannstatt (Württbg.).
Anzeigen.
ohnt und • Kurpension des Homöopathen
udelgas _ j Dr. von Hartungen
! Riva a. Gardasee, Tirol.
Auf Reisen und zur Dispensation sehr practisch.
Homöopathische Mittel
in Tablettenform* ä 0,25 Gramm Gewicht.
(Das richtige Quantum für eine einzelne Arzneigabe.)
1 1
Cylinder ä
12
Stück
= 3 Gramm . . .
Mk. -.20
1
1 Flacon od. ,
iSchachlel a
24
19
= 0 . . .
„ -.30
1
„ a
30
= 7,5 .
„ " —.35
1
A
40
U
= 10 .
„ -.45
1
„ ä
50
99
= 12,5 „ . . .
,, — «o5
1
„ k
60
= 15 „ . . .
„ —.65
1
., ä
80
= 20 „ ...
„ —.75
1
k
100
H
= 25 „ ...
„ —.90
1
„ ä
120
99
= 30 „ ...
„ 1.10
1
„ ä
150
99
= 37,5 „ ...
„ 1.35
1
,, ä
200
9?
= 50 „ ...
„ 1.80
1
k 400
99
= 100 „ . . .
3.50
A. Marggrafs homöopath. Offlein,
Leipzig.
Inductions-Apparate mit Chromsäure-
Salmiak - Trocken - Elemente. Constante-
Batterien mit Horizontal - Galvanometer-
Stromwender-Rh eostat. Galvanocaustische
Instrumente, D. R. M. 27694, empfiehlt
V. Erbe, Tübingen.
Preisverz. gratis.
Mars’sches Krebsmittel
ganz frisch*
Von Herrn Missionar Mars ist wiederum am 13. Februar
1899 ein grösseres Quantum seines Krebsmittels eingetroffeu.
Ich stehe somit wieder gern mit diesem Mittel zu Diensten
und kann es nun erfreulicher Weise auch billiger abgeben,
und zwar 1 Portion: 10,0 mit Gebrauchsanweisung: 1,50 Mk.
f früher 2 Mk ).
A. Marggraf s Homöopath. Officin, Leipzig.
Digitized by
Google
128
Hahnemann-Bfisten und -Bilder,
. 4 Stück Mark
. 4 Stück Mark
. 4 Stück Mark
4 Stück Mark
4 Stück Mark
4 Stück Mark
4 Stück Mark
4 Stück Mark
4 Stück Mark
. 4 Stück Mark
4 Stück Mark
4 Stück Mark
4 Stück Mark
von
Gyps,
weise,
ca.
28
cm
hoch,
ohne weisse Console
von
Gyps,
weiss,
ca.
28
cm
hoch,
mit weisser Console
von
Gyps,
broncirt,
ca.
28
cm
hoch,
ohne broncirte Console
von
Gyps,
broncirt,
ca.
28
cm
hoch,
mit broncirter Console
von
Gyps,
weiss,
ca.
60
cm
hoch,
ohne weisse Console
von
Gyps,
weiss,
ca.
60
cm
hoch,
mit weisser Console
von
Gyps,
broncirt,
ca.
60
cm
hoch,
ohne broncirte Console
von
Gyps,
1
broncirt,
ca.
60
cm
hoch,
mit broncirter Console
r weiss,
ca.
28
cm
hoch,
ohne Console \
in Biscuit-J
| weiss,
ca.
28
cm
hoch,
mit Console 1
masse ]
| weiss,
ca.
60
cm
hoch,
ohne weisse Console, [
1
l weiss,
ca.
60
cm
hoch,
mit weisser Console, '
Consolen
auch in
Biscuitmasse
Hahnemann-Porträts (Heliogravüre) ganz neu (Prachtvolles Geschenk) . .
Hahnemann-Abbildungen, Lithographie, gross.. 4 Stück Mark
Hahnemann-Abbildungen, Photographien, Visitenkartengrösse ....... 4 Stück Mark
Hahnemann-Denkmal (in Leipzig), Abbildungen.4 Stück Mark
Photographieen, Visitenkartengrösse, von anderen hervorragenden homöopathischen
Aerzten (wie CI. Müller, Hirschei, Hering, Heinigke, Lorbacher etc. etc.); 4 Stück Mark —.75
was nicht auf Lager ist, wird, so weit möglich, baldigst besorgt.
A. Marggraf’s homöopath. Officin in Leipzig.
4.50
6 .—
6.50
9.—
18.—
25.—
25.—
33.—
8 .-
11 .—
40.—
48.—
8 .-
1.50
—.50
—.50
Günstige Offerte.
Prima deutscher und franzis. Cognac.
Durch directe Beziehungen mit einem der ersten Häuser .
in Cognac sind wir in der Lage, allen Freunden eines
vorzüglichen, echten französischen Cognacs eine zuver¬
lässig echte und preiswerthe Waare anzubieten:
Echt franz. Cognac * 1 Flac. M. 4.75.
99 99 99 1 )) 6 50.
Bei 12 Flaschen franco alle deutschen Bahnstationen
incl. Verpackung und 10% Rabatt.
Hauptniederlagen in Leipzig bei
A. Marggraf s homöopath. Officiu
• und
Täschner & Co., Homöopath. Central-Apotheke.
Prima entölten homöopath. Cacao.
Feinste homöopath. Gesundheits-Chokolade.
Bei homöopathischen Curen ausser dem ho¬
möopathischen Gesundheitskaffee als Getränke
gestattet, empfehlen wir in reinsten und besten
Qualitäten und in eigener Packung billigst:
Entölten Cacao in Blechbüchsen
4 1 Pfd. 4 V* Pfd. 4 Vi PW.
4 2.80 4 1.50 4 -^80 Mk.
Gesundheits-Chokolade 4 Pfd. = 2 Mk.,
in % Pfd.-Tafeln 4 50 Pf.
Unsere Präparate sind von reinstem Geschmack,
bestem Arom, höchstem Nährwertlie und leich¬
tester Verdaulichkeit.
Qg-
8«
g-e
K*
2 ^
_ o
5 g
|.§
Homöopath. Centralapotheke
von Täschner & Co. in Leipzig.
SSSS JBolineiihrtlseii -Tiiee SSSS
gegen Nierenkrankheiten, Wassersucht, Gicht, Rheumatismus, Zucker- und andere Krankheiten halten vorräthig und
empfehlen in Packeten ä V 4 Ko. mit Gebrauchsanweisung Mk. —.75
»? »* a »> »> »> »» 1.25
»» j? a h 11 » »1 m 2.25
Gebrauchs-Anweisung. Man nehme 75—100 Gramm von unserem Bohnenschalenthee und koche dieselben mit
‘2—3 Liter Wasser 3—4 Stunden, bis solche auf 1 Liter eingekocht sind; bis zu diesem Quantum kann man täglich
geniessen, das normale ist ein Trinkglas voll. — Der Thee allein getrunken schmeckt nicht schlecht, man kann aber
auch, um den Bohnengeschmack zu vermindern, etwas Fleischextract etc. hinzufügen. — Besondere Diät braucht nicht
eingehalten zu werden. — Die Wirkung auf die Nieren ist eine ganz ausserordentlich grosse, was jeder Trinker des
Thees in dem reichlichen Urinlassen merken wird. Ausser dem Trinken des Thees empfiehlt man ärztlicherseits auch
das Baden in demselben, besonders bei Rheumatismus und Gicht, zu einem Bade gehören 5 Liter Extract, man nimmt
aber hierbei 200 Gramm Thee auf 1 Liter Extract.
Leipzi g._ A. Marggraf’s homöopathische Officin.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius Maser in Leipsig.
Digitized by ^»ooQie
Band 138
Leipzig, den 27 , April 1899.
ALLGEMEINE
No.17u.18
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle nnd Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf 9 homöopath.Offlcln) in Leipzig
Thomaskirchhof 12.
Erscheint Utägig zu2Bogen. 18 Doppelnummern bilden einen Band. Preis JO M. 50Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs -Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlein ln Leipzig) zu riohten
sind, werden mit 20Pf, pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Rahm berechnet. — Beilagen werden mit 6— 6 M. berechnet.
Inhalt. Einladung zur Frühjahrsversammlung des Sächsisch-Anhaltinischen Vereins homöopathischer Aerzte
am 14. Mai in Halle. — Venen-Affectionen, durch Arzneistoffe erzeugt. Von Dr. Cartier. — Behandlung der Skoliose,
aus einem Briefe Hahnemann’s an Dr. Löwe in Prag. Von Dr. Mossa. — Antipyrin. Von Dr. W. Bohn. — Homöopa¬
thische Rundschau. Auszug aus dem Journal Beige d’homoeopathie und der Revue homoeopathique francaise. Von
Dr. med. Roh. Stfiger. (Schluss.) — Heilmittel bei septischen Zuständen, mit besonderer Beziehung auf Endocarditie
ulcerativa. Von Dr. Byres Moir. — Ein Fall von Myxoedem Heilung. — Homöopathischer Centralverein Deutschlands.
Rundschreiben. Von Dr. Dammholz in Berlin. — Reglement für den internationalen homöopathischen Congress im
Jahre 1900. Von M. — Gelbsehen (Xanthopie) nach Kohlenoxyd-Vergiftung. Von M. — Dr. K. Friedr. Walz, russ.
Staatsrath, +. Von Dr. Mossa. — Vom BUchertische. — Lesefrüchte. — Hahnemann-Grab-Denkmal in Paris. 5. Quit¬
tung. — Bitte an die Collegen. 1. Quittung. — Herzliche Bitte für eine Arzt-Wittwe. 4. (Schluss-) Quittung. — Anzeigen.
Schluss der Schriftleitungr: Freitag vor dem Erscheinungstage.
Sächsisch-Anhaltinischer Verein homöopathischer Aerzte.
Unsere diesjährige FrUhjahrSversammlung wird am 14. Mai in Halle abgehalten werden.
Versammlung Mittag 1 Uhr im Grand Hotel Bode. Die theilnehmenden Mitglieder werden
gebeten, ihr Kommen und die Zahl der Couverts zum üblichen Diner an Dr. Daflkert-Halle anzu¬
zeigen.
Der Schriftführer: Der Vorsitzende:
Dr. Alexander Villers. Geh. San.-Rath Dr. Faulwasser.
Venen-Affectionen, durch Arzneistoffe
erzeugt.
Von Dr. Cartier.
(Auszug aus einem Öffentlichen Vortrage am
28. Januar 1899.)
Wenn es einen Gegenstand der Therapie giebt,
bei dem ein Vergleich zwischen der Allöopathie
und Homöopathie schneidend hervortritt, so ist cs
wohl die Behandlung der Venenkrankheiten. Während
die alte Schule sich darauf beschränkt, Bettruhe,
örtliche Applicationen, bisweilen die von der Ho¬
möopathie entlehnte Hamamelistinctur zu verordnen,
dazu eine starke Dosis Geduld, bleibt die Heil¬
kunst Hahnemann’s nicht bloss eine Zuschauerin
bei einer Venenentzündung, sondern sie besitzt
Mittel, welche direct auf die afficirten Gewebe
wirken.
Wohlverstanden, die Ruhe im Bett oder auf
einem Sopha bildet ein Erforderniss ersten Ranges
bei einer Venenentzündung nebst den geeigneten
Mitteln, aber die Homöopathie vermag die Dauer
der Unbeweglichkeit abzukürzen.
| Die Venen können sich entzünden unter dem
| Einfluss einer Verletzung, einer Infection, der
gichtischen oder rheumatischen Diathese, von Krampf¬
adern, des Wochenbetts und so ergiebt sich eine
Phlebitis traumatica, septica, rheumatoides, varicosa,
puerperalis etc., krankhafte Zustände, welche ohne
ärztliche Dazwischenkunft eine Gehrauchsunfahig-
I keit der Glieder von mehreren Wochen bis mehreren
| Monaten herbeiführen.
I Die Venen erleiden dabei eine besondere Ver-
17
Digitized by L^OOQle
Wir maohen die Herren Aerzte besonders auf das in dieser Nummer auf Seite 139 befindliche Rundschreiben aufmerksam!
130
änderung ihrer Häute, woraus sich der varicöse
Zustand mit seinen Folgen, eine subacute oder
chronische Phlebitis, was man gewöhnlich entzün¬
dete Krampfadern nennt, ein niedriger Grad von
Phlebitis, oder trophische Störungen, varicöse Ge¬
schwüre, herausbilden. — Die localen Varicen mit
ihren Folgen werden als Varicocele bezeichnet,
wenn sie ihren Sitz im Hoden, als Hämorrhoiden,
wenn sie am After sitzen, als Scheidenvaricen, wenn
an der Scheide etc. Diese kurze Auseinander¬
setzung soll nun zum Plan für das therapeutische
Studium der venösen Krankheiten dienen.
Phlebitis.
Hamamelis ist unbestreitbar das in venösen Ent¬
zündungen am meisten bekannte und auch an¬
gezeigte Mittel. Das hier charakteristische Zeichen
für dieses Mittel giebt der die venöse Congestion
begleitende eigenthümliche Schmerz: es ist kein
heftiger Schmerz, sondern eine Art unangenehme
Spannung, von Druck längs dem Verlaufe der
Venen. Wie Farrington sagt, ist es nicht das Ge¬
fühl von Quetschung oder Zerschlagenheit der
Arnica, auch nicht das empfindliche in der Ober¬
fläche der Haut des Körpers sitzende Weh von
Lachesis, oder das stechende Weh von Apis — es
ist eben ein unbestimmtes, der venösen Congestion
eigenartiges Wehgefühl.
Diese Spannung der Venen bedingt noch ein
anderes Charakteristicum, das fast noch wichtiger
ist: die Neigung von Hamamelis zu Geffcsszerreissun-
gen, zu venösen Hämorrhagieen. Gerade in Fällen
von stark erweiterten, entzündeten Varicen, die zu
platzen drohen , da wirkte Hamamelis wunderbar.
Wenn die erkrankten und erweiterten Venen so
stark in der Haut hervortreten, dass, wie es scheint,
nur eine schwache Gewebsschicht sie kaum an dem
Platzen hindert, dann führt Hamamelis alsbald eine
Abschwellung herbei, die Gewebe sind weniger ge-
röthet und weniger heiss — und es kommt zu
keiner Ruptur der Krampfadern.
Sind venöse Blutungen eingetreten, was bei den
Hämorrhoiden besonders der Fall ist, so übt Hama¬
melis wieder seinen wohlthuenden Einfluss aus. Doch
erinnert Verf. sich einer schweren Hämorrhoidal¬
blutung bei einem jungen Manne, die bereits eine
hochgradige Anämie herbeigeführt hatte, wo Hama¬
melis versagte, und Trillium und Ipecac. die Blu¬
tung stillte.
Pulsatüla macht der Hamamelis in venösen Ent¬
zündungen den Rang streitig. Jene wirkt auf das
Geffcsssystem, insbesondere auf das rechte Herz,
die Venen und Capillaren. Schwäche des venösen
Blutlaufes, gehemmter Rückfluss des Blutes zum
Herzen gehören zu den hervorragendsten physio¬
logischen und therapeutischen Wirkungen der Pulsa-
tilla, notabene, wenn, ihre besonderen charakteristi¬
schen Eigenschaften hinzukommen. Sie wird immer
vorwiegend beim weiblichen Geschlecht wirksam sein,
zumal wenn jene wandernden Schmerzen zugegen
sind. Ferner sind Lachesis und andere Schlangen¬
gifte in Phlebitis sehr wirksam. C. Hering hat be¬
sonders die übermässige Empfindlichkeit der Haut,
die so gross ist, dass man keine Bedeckung ver¬
tragen kann, als charakteristisch hervorgehoben.
Demnach ist das Mittel angezeigt in venösen Ent¬
zündungen mit grosser Sensibilität der Haut , welche
durch Berührung gesteigert wird, wozu noch andere
nervöse und circulatorische Störungen, wie z. B.
Ameisenkriebeln , ein in Phlebitis sehr häufiges Sym¬
ptom, hinzukommen.
Apis mellijera hat Oedem und Stichschmerz,
welch letzterer aber ebenso der Lachesis eigen ist.
Soll daher Apis nützen, so wird das Oedem vor¬
herrschen müssen, wie in den Fällen von Phleg¬
masia alba dolens , bei welchem Leiden freilich
Pulsatilla und Hamamelis vorzugsweise gerühmt
werden.
Noch auf ein Mittel in der Phlebitis weist Verf.
hin, um so mehr, als es hierbei wenig gebraucht
und doch so wirksam ist, das ist Arsen. Der bren¬
nende Schmei'z zieht sich als vorherrschendes Sym¬
ptom durch die Pathogenese dieses Mittels, und
selten wird dieser Schmerz bei einer acuten und
intensiven Phlebitis fehlen, ja oft genug geben die
an Phlebitis Erkrankten an, dass sie die Vene in ihrer
Länge nach wie eine Feuerlinie empfinden. Unter
solchen Umständen kann sich wohl kein Mittel mit
Arsen messen, sei es in der 6., 12. oder 30. Dil.
Dem Verf. schwebt immer folgender Fall vor:
Ein Wallgräber wurde in das (homöopathische)
Spital Saint-Jacques aufgenommen. Die Armen
haben keine Zeit zur Ruhe und wenn bei ihnen
eine Venenentzündung erscheint, so nimmt sie, in
Folge der Ueberanstrengung, meist eine sehr be¬
denkliche Form an.
Dieser Mann war von einer Phlebitis und Peri¬
phlebitis befallen; die ganze Innenfläche des Schen¬
kels war eine enorme rothe Masse und die Tempe¬
ratur stieg auf 39,5® C. Während einiger Zeit
versuchte Verf. die üblichen Mittel, aber ohne
Besserung und Verminderung der Temperatur; da
klagte Pat., dass ihm der Schenkel wie Feuer
brenne. Er bekam daraufhin Arsen 30. und 6.
Die hohe Temperatur, die sich bisher Morgens und
Abends auf derselben Höhe gehalten, ging im Ver¬
laufe von zwei Tagen auf die Norm herunter.
Das Brennen verschwand, Röthe und Geschwulst
verringerten sich schnell, es blieb nur einige Tage
das Ameisenkriebeln; und nach 14 Tagen konnte
I der Mann seine Arbeit wieder aufnehmen. — Nach
| den ursächlichen Momenten werden noch eine An-
Digitized by k^ooQle
131
zahl anderer Mittel bei Phlebitis in Betracht kommen.
So empfehlen bei Phlebitis traumatica die Autoren:
Arnica, Conium, Hepar. — Verf. gab in einem
Falle von Phleb. septica besonders Lachesis, dessen
Wirksamkeit bei Sectionsvergiftungen, wobei es sich
um eine septische Lymphangitis handelt, unzweifel¬
haft ist; doch wirkt es ja ebenso auf die Venen,
und bei einer Phlebitis, deren Ausgangspunkt ein
varicöses Geschwür, also eine Infection von aussen
her, ist.
Tritt im Wechsel oder gleichzeitig mit einer
rheumatischen oder gichtischen Entzündung Phle¬
bitis auf, so könnten die Rheumatismus-Mittel, zu¬
mal Pulsatilla, am Platze sein.
In der Phlebitis suppurativa giebt Lilienthal
Apis, Arnica, Conium, Hepar, Mercur, Silicea,
Sulphnr an. Doch könnte auch Veratrum viride,
Myristica sebifera, Schlangengift, Tarantula cubensis
und andere angezeigt sein. Diese Gruppe von
Mitteln verdient auch in der puerperalen Phlebitis
Beachtung.
Varices.
Haben wir Mittel, um die Varicen, die Krampf¬
adern, wieder zur Norm zurückzuführen? Ja und
nein. Wir besitzen Mittel, um die Entzündung zu
verhüten, um die Symptome zu beschwichtigen;
aber an eine Heilung von Varicen kann Verf. nicht
glauben. Die Gummistrümpfe sind noch immer
das beste, um die Krampfadern erträglich zu machen:
sie mindern die Schmerzen, ja, indem sie die Venen
stützen, können sie zur Heilung beitragen. Sobald
aber Beissen, Stechen, Hitze eintritt, muss man
die Strümpfe weglassen und sich zur Ruhe an¬
schicken.
Oftmals hat Verf. schmerzhafte Varicen mit
Zincum 6. gebessert, welches Mittel auch andere
Complicationen verhütet. Die so häufig durch tiefere
Varicen veranlassten Krämpfe werden von Cuprum 6.,
12. oder 13. merkwürdig geheilt.
Lycopodium, dies auf die Leber so entschieden
wirkende Mittel, erleichtert die auf Leberleiden
beruhenden varicösen Beschwerden. Ebenso wirkt
Carduus marianus, nach Rademacher ein Leber¬
und Milzmittel, günstig auf schmerzhafte Varicen
und varicöse Geschwüre.
Acidum fluoricum soll nach Dr. Epps eine ganz
vorzügliche Wirkung nicht nur auf entzündete, son¬
dern auch varicöse Venen haben, also auf das
venöse Gewebe selbst
Uleerft vftrioosa.
Schon oben ist Carduus marianus und Acidum
fluoricum als Mittel bei diesem Leiden erwähnt
worden.
Ist das varicöse Geschwür einfach, ohne syphi¬
litische oder anderweitige Complicationen, so hat
sich Clematis, innerlich und äusserlich, bei den
französischen Aerzten einen grossen Ruf erworben.
Clematis etwa in der 6. Dil. als Lösung, eine
Pommade mit Clematis, äusserlich angewandt, und
Bettruhe, kürzen die Dauer eines Ulcus varicosum
erheblich ab. So hat auch Verf. im homöopathi¬
schen Spital für chronische Kranke, zu Wards
Island bei New-York, wo er eine grosse Anzahl
von varicösen Fussgeschwüren sah, beobachten können,
wie Clematis, in obenangegebener Weise gebraucht,
allen anderen vielgerühmten Mitteln den Rang ab¬
gelaufen hat.
(Revue homoeopathique fran^aise. Febr. 1899.)
M.
Behandlung der Skoliose,
aus einem Briefe Hahnemann’s an Dr. Löwe
in Prag.
„Was das schiefe Mädchen anbelangt, so würde
ich nie zu Maschinen rathen, die, so weit ich diese
kenne, gar weit davon entfernt sind, ihre Absicht
zu erreichen, dass sie im Gegentheile weit mehr
schaden, und da überdem diese der Skoliosis zu
Grunde liegende Knochenweiche eine rein psorische
Krankheit ist, so geben Sie am Besten nach Tinct.
Sulph. °, ot \ 000 erst Calc., dann Acid. phosph., dann
Baryt und Phosph. und Silicea, wobei sie sich in
freier Luft zu Fusse ergehen und täglich mehr¬
mals mit beiden Händen an einen hohen horizontal
befestigten Stab anhängen, einige Minuten hin und
her schwenken und so baumeln soll. Dass sie
Kaffee, Thee und Gewächssäure vermeide, werden
Sie wohl anbefehlen. Mit mesmeritischen Händen
die gekrümmten Theile bestreichen, hat oft allein
geholfen, und man sollte es wenigstens zu Hilfe
nehmen.
Leben Sie recht wohl und behalten Sie lieb
Ihren S. Hahnemann.
Cöthen, den 23. September 1831.
Ein Freund von mir hat mit Rhus toxic, eine
starke Knochenverkrümmung geheilt. Ich rathe
daher, dieses zuerst zu versuchen, vorzüglich, da
Toxicodendron wahrscheinlich ein Antipsoricum ist.“
Wahrscheinlich handelt es sich in diesem Falle
um eine jener Rückenverkrümmungen, wie sie bei
scrophulösen oder rhachitischen Kindern, nament¬
lich bei Mädchen mit schwacher Muskulatur, Vor¬
kommen. Hahnemann setzte eine psorische Grund¬
lage des Leidens voraus; seine Psora umfasst ja
das grosse Gebiet der Scrophulose wie auch das
der englischen Krankheit. Die von ihm empfohlenen
Mittel bieten in solchen Fällen noch jetzt den
17*
Digitized by k^ooQle
132
Grundstock unserer Therapie. Die gleichzeitige
Anwendung einer milden Heilgymnastik und sanfter
Massage (Mesmeriren) werden wir ebenfalls heran¬
ziehen, wenn kein entzündlicher Process in den
Wirbelknochen oder Bändern zugegen ist, zumal
da die Muskeln sich hier meist in einem erschlafften,
oft an Lähmung grenzenden Zustande befinden.
Unter solchen Umständen wird auch das von un¬
serem Meister am Schlüsse des Briefes angeratliene
Mittel, Rhus toxicod., selbst, wenn es nicht in die
Kategorie der Antipsorica gehörte, angezeigt sein.
Die Frage, ob veränderte Muskelthätigkeit oder
die Knoehenaffection bei solchen Verkrümmungen
das Primäre ist, ist meist recht schwer zu ent¬
scheiden. — Wenn Hahnemann gegen Krankheits¬
namen stark geeifert hat, so bezog sich das nur
auf das oft heillose auf das nomen morbi gerichtete
Kuriren vieler Praktiker; sonst musste er schon,
um sich mit einem Collagen über einen Krankheits¬
fall zu verständigen, sich der Krankheitsnamen be¬
dienen, wie das aus diesem Briefe zu ersehen ist.
Es ist indessen anzunehmen, dass der ihn um Rath
fragende Arzt ihm den Zustand seiner Kranken
eingehend geschildert haben werde.
Schliesslich sei noch erwähnt, dass vorstehender
Brief von Dr. Gerstel in Wien im 53. Bd. dieser
Zeitung, Nr. 13, p. 107, veröffentlicht worden ist.
Dr. Mossa.
Antipyrin.
In der 8. Nummer des XV. Jahrganges der
Deutschen medicinischen Wochenschrift veröffent¬
licht Herr Dr. Gaston Graul die Selbstbeobachtung
einer Antipyrin-Intoxication, die uns eine Gruppe
bei jeder der unfreiwilligen Vergiftungen gleich¬
artig aufgetretenen Symptome bietet. Die sehr inter¬
essante Mittheilung der mehrmaligen Selbstbeobach¬
tung eines Arztes, die sich fast wie ein Prüfungsbild
ausniromt, enthält mehrere Symptome, die in der
Arbeit des Herrn Dr. van Royen-Utrecht nicht ent¬
halten sind, während natürlich die grössere Zahl
bekannt ist. Am Schlüsse des Dr. Graulichen
Artikels finden wir einen kurzen Vergleich mit
einigen anderen Fällen aus der wissenschaftlichen
Literatur.
Man verzeihe uns einige Wiederholungen von
Symptomen, die durch die Arbeit des Herrn Col-
legen van Royen schon bekannt sind. Dieselben
durften aber bei der Wiedergabe der von Herrn
Dr. Graul gemachten Beobachtung, im Rahmen des
Utrechter Schemas, nicht fehlen.
Fieber: Schüttelfrost, Temperatursteigerung,
T. = 38,8—39.
Haut: multiple Furunculose.
Gesicht: Leichtes Oedem, besonders der beiden
Augenlider.
Mund, Gaumen, Zunge:
Blasenbildung am harten Gaumen; beiderseits der
Mittellinie zwei prallgefüllte Blasen von etwa Pfennig -
grösse. Kauen äusserst erschwert.
Profuse Salication. Rhagadenbildung.
Lippen stark geschwollen; weisser Zungmbehg.
Auf der Zungenmitte ein livider, glatter , glänzender ,
etwa pfenniggrosser Fleck, der von einem scharfen,
rotlum Rande umzogen ist. Dieser sehr gleichmässig
beobachtete Fleck scheint ein charakteristisches
Symptom darzustellen.
Die Efßorescenzen an Zunge und Gaumen sind
äusserst schmerzhaft.
Gefühl von Trockenheit im Munde .
Rachen: Leichte Angina .
Nase: Heftiges, anhaltendes diesen.
Urin: angehalten und von dunkler Farbe.
Geschlechtsorgane: oedema praeputii, eczerna
madidans scroti.
Brust: Beklemmung.
Kreislauf: Beschleunigte Herzaction, Puls =
90 —100.
Extremitäten: Schmerzhafte Röthung der End¬
phalangen beider Hände mit Oedem, stark juckende
Schwellung. Kleine Blasen mit wässerigem Inhalt
an den Interphalangealgdenken. Später Abschilfe¬
rung der Haut.
Fleckiges, polymorphes, nicht juckendes Erythem
der Innenseite beider Beine , auf Fingerdruck nur
schwer verschwindend, bis über Kniehöhe ziehend.
Besondere Symptome: Die Erscheinungen nehmen
mit jeder neuen Vergiftung zu, es bildet sich eine
Idiosynkrasie.
Nun erfolgte allerdings die Intoxication nicht
mit reinem Antipyrin, sondern sogenanntem Migrä-
nin (Antipyrini 1,0, Coffeini 0,09, Acidi citrici ad 1,1).
Wie weit durch die Zusätze von Coffein und Citronen-
säure die reine Wirkung des Antipyrins geändert
wurde, lässt sich natürlich nicht ohne Weiteres be*
urtheilen.
Es ist bekannt, dass die Citronensäure die Haut-
thätigkeit stark anregt. Empirisch wurde sie früher
gegen Scorbut und Stomatitis innerlich und äusser-
lich angewendet, ebenso bei diphtherischer Angina.
Coffeinsymptome kann ich — vielleicht ausser der
Pulsbeschleunigung, die aber auch dem Antipyrin
an sich entspricht — nicht in dem toxischen Bilde
finden.
Interessant ist in dem Bilde der Antipyrinver-
giftung das Auftreten von Fieber und Schüttel¬
frost — die „conträre“ Wirkung, wie sie Dr. Graul
nennt und von welcher literarisch mehrere Be¬
obachtungen vorliegen.
Die verschiedenen Dosen, welche Vergiftungs-
Digitized by c^ooQie
133
Symptome hervorbrachten, variiren zwischen 5,0 g 1
(hochgradiger Collaps) und 0,08 g (Blasenbildung I
am Gaumen, in der Scrotal- und Analgegend).
Herr Dr. Graul beobachtete an sich die ge- j
schilderten Symptome nach 1,1 Migränin (= 1,0 Anti- |
pyrin). Die Dauer der Wirkung erstreckte sich j
über 2 Wochen und nach diesen trat als Schluss- i
effect die Furunculose auf. Dr. W. Bohn. I
Homöopathische Rundschau.
Auszug aus dem Journal Beige d’homoeopathie und
der Revue homoeopathique franqaise.
Von Dr. med. Bab. Stäger.
(Schluss.)
Equisetum. Enuresis, ausgesprochene Blasen¬
reizung. Blase schmerzhaft. Druck in der Blase, j
Acidum benzoicum. Reizbare Blase; Urin kommt
tropfweise, ist sehr dunkel und riecht ammoniakalisch
(wie Pferdeharn. Ref.). — j
14. Die Indicationen von Strophantus. j
Die Anzeigen für das Mittel sind die folgenden:
1. Die Contractiouen des Herzens folgen sich
rapid, aber mit weniger Kraft und mit Irregularität;
2. die Abwesenheit von vasomotorischen Wirkungen i
empfiehlt seine Anwendung bei gehobener arterieller ,
Spannung, wie bei Nephritis, Arteriosclerosis und |
dem Atherom der Greise; 3. wenn die Diurese
spärlich ist, und der Blutdruck dadurch zunimmt, !
wendet man das Mittel ebenfalls an; 4. die Abwesen¬
heit von Magenstörungen bei der therapeutischen I
Dosis machen das Mittel um so werthvoller in
Fällen, wo man es lange Zeit fort geben muss.
Die Fälle, wo das Mittel versagen kann, sind: 1.
Vorgerückte Degeneration des Myocards; 2. Aeusserste |
Obstruction der Circulation in Folge Insufficirung
oder Stenose der Klappen; 3. eine Combinatiou der
verschiedenen Möglichkeiten. (The Post-Graduate.)
15. Calcarea fluorica.
Das Mittel wird in der 3. und 12. Trituration j
sehr empfohlen gegen allerlei Verhärtungen. Bei j
der Scrophulose, wenn besser indicirte Medicamente I
zu keiner Besserung der aufgeschwollenen Cervical-
drüsen führen wollen, ist Calc. fluorica unsere
einzige Zuflucht. (Der Chirurg wird zum Messer
greifen. Ref.) Die „Gerstenkörner“ und andere
Indurationen der Augenlider verschwinden mit un¬
glaublicher Schnelligkeit auf dessen Gebrauch hin. I
16. Yerbascum thapsus
ist ein nutzbringendes Mittel in allen katarrhalischen
Affectionen. Husten verschwindet sofort (diese
Ausdrucksweise ist zu affirmativ; so drückte man
sich etwa vor 300 Jahren naiven Medicinglaubens
aus. Ref.). Man nimmt alle 2 Stunden 1—2 gtts.
der Tinctur oder Essenz und macht zugleich Ein¬
reibungen (2 Mal täglich) von Wollblumenöl auf
Brust und Hals. Gesichtsschraerzen nach Erkältung
finden in Verbascum ein ausgezeichnetes Heilmittel.
17. Comocladia bei Eczem.
Die Wirkung dieses Mittels auf die Haut er¬
innert an Rhus tox. Es erzeugt ein Erythem, Ge¬
schwulst und papulösen Ausschlag Es hat nicht
die Kraft Blasen zu ziehen wie Rhus, aber es
führt mehr zu Suppuration, zumal an den Beinen.
Es verursacht ferner Hitzefühl, Brennen, Jucken*
und Stechen. Verschlimmerung bei Berührung
dieser genannten Symptome. Linderung durch Be¬
wegung, Reiben, Kratzen und im Freien. Das Ge¬
sicht ist für die Rothe und Schwellung die Lieblings¬
stelle; für die Plaques der Rumpf und die unteren
Extremitäten; für die Suppuration die Schenkel.
Comocladia kann indicirt sein bei acutem Eczema
erythematosa des Gesichtes mit ausgesprochener
Schwellung und theilweisem Verschluss der Lider,
oder bei chronisch. Ezccma erythematosa des Ge¬
sichtes, welches sich durch häufige Rückkehr der
Geschwulst der Augenlider charakterisirt. —
Es passt auch bei papulösem Eczem des Rumpfes
und der Extremitäten, wenn der Ausschlag papulös
bleibt und nicht pustulös oder vesiculös wird. (The
Chironian.)
18. Pathogenetische Wirkungen von SaloL
Ein Apotheker beobachtete an sich selbst die
folgenden pathogenetischen Symptome nach Ver¬
arbeitung von Salol:
Freitag, 22. Oktober. Er hat mit Salol-Pulver
zu thun.
Dienstag, 26. October. Gefühl von Rauhigkeit
im Hals beim Sprechen und in den Gelenken, wie
wenn die Gelenkschmiere fehlte.
Mittwoch . Status idem; nur mehr Schmerzen im
Handgelenk. Schreibkrampf.
Montag. Schmerzen in der Hand beim Tragen
eines Buches.
Freitag. Sehr heftiges Kopfweh, besonders
über den Augen. Er kann vor Schmerz kaum
aufrecht gehen. Linderung nach 3 Tropfen Bryonia
und feuchten Compressen.
Samstag. Dumpfer Schmerz im Kopf.
SoJintag. Kopfschmerz hält an und ist noch
heftiger.
Montag. Rauhigkeit im Kniegelenk. Schlimmer
am Abend. Kopfweh Abends besser.
Dienstag. Das Besteigen einer Leiter fallt
Digitized by ^»ooQle
1S4
schwer und er muss sich setzen. Das Kopfweh
geht besser.
Mittwoch. Die Steifigkeit oder Rauhigkeit in
den Gelenken geht besser, aber die Hinterbacken
sind empfindlich. Die Gliedmassen sind beim Be¬
rühren ebenfalls empfindlich. Er arbeitet neuerdings
in Salol und zwar mit einer grössem Quantität .
Während dieser ganzen Zeit ziehen sich die Hände
zusammen und er kann den kleinen Finger nicht
ohne Schmerz ausstrecken.
Montag . Kein Schmerz, ausgenommen im rechten
Arm Abends und zwar nur ein klein wenig.
Freitag. Schmerz im linken Gesäss, besonders
beim Gehen; leichtes Kopfweh. Der drohende Kopf¬
schmerz zertheilt sich. Rheumatische Schmerzen im
linken Knie und Arm; der Schmerz sitzt an der
Innenseite der Gelenke.
Samstag. Leichter Schmerz im linken Arm.
Ein anderes Mal beim Verarbeiten von Salol
empfand dieselbe Person Schmerzen in der Schulter.
Der Urin roch etwas nach Veilchen. Das war das
erste Symptom gewesen und die anderen Er¬
scheinungen wichen nicht früher, als bis der Geruch
verschwunden war. (The homoeopathic World.) —
19. Hautsymptome tod Opium.
Im Allgemeinen glaubt man, dass Opium keinen
Hautausschlag erzeugen könne. —
Gewöhnlich sind die Eruptionen, welche Opium
hervorbringt, auf das Gesicht beschränkt, oft aber
befallen sie noch den übrigen Körper. Am häufig¬
sten sind es wirkliche Erytheme und bisweilen haben
sie scarlatinösen Charakter. In einigen Fällen röthet
sich die Haut stark, starker Schweiss stellt sich
ein, der Puls ist beschleunigt und die Haut fühlt
sich heiss an. Nach Burgisser genügen hierzu oft
kleine Dosen, z. B. einige Tropfen Laudanum. In
der Grosszahl der Fälle endet die Eruption mit
Desquamation, welche kleinartig oder grossblättrig
sein kann; sie gleicht oft der bei Scharlach. (The
homoeopathic World.) —
Heilmittel bei septischen Zuständen,
mit besonderer Beziehung auf Endocarditis
ulcerativa.
Von Dr. Byret Moir, Arzt am London Homoeo-
pathical Hospital.
Bis in die jüngste Zeit war die Mehrzahl sep¬
tischer Fälle in der chirurgischen Abtheilung des
Krankenhauses zu finden, aber in Folge der in
der chirurgischen Behandlung eingetretenen Revo¬
lution ist das jetzt nicht mehr so, und sieht man
wenigstens in diesem Hospital nur wenige septische
Fälle auf der chirurgischen Seite.
Dagegen beobachten wir noch eine beträcht¬
liche Zahl auf der innern Station, und da erhebt
sich die Frage: Was kann bei septischen Fällen,
wo von einem chirurgischen Eingriff nicht die
Rede ist, mit innerlichen Mitteln geleistet werden?
Der Zustand, den wir hier besonders besprechen
wollen, betrifft die infectiöse oder ulcerative Endo¬
carditis, die eine wahre Septicämie darstellt. Unter
Septicämie ist aber zu verstehen eine Störung, die
durch das Eindringen lebender Mikroorganismen in
den Körper und deren Wachsthum und Vermehrung
in demselben verursacht wird. Das Gift wird hier
continuirlich innerhalb des Körpers erzeugt. In
Supraemia andererseits wird das Gift in der Wunde
erzeugt, also ausserhalb des Körpers, wird von
diesem Theile aufgenommen und wird hier durch
Beseitigung der ursprünglichen Quelle der Krank¬
heit in der Regel zu einem günstigen Ausgange
gelangen.
Die ulcerative Endocarditis ist häufig, obwohl
nicht immer pyämisch , d. h. es bilden sich secun-
däre Abscesse durch septische Emboli, von denen
lebende pyogene Mikroorganismen nach verschie¬
denen Körpertheilen verschleppt werden. Wir haben
dann bei ulcerativer Endocarditis die Wucherung
von Mikroorganismen an den Herzklappen, und es
erfolgt eine allgemeine Infection des Organismus.
Am häufigsten kommen hier der Staphylococcus
pyogenes aureus, der Streptococcus pyogenes und
der Diplococcus pneumoniae vor. Die Bacillen des
Tuberkels, der Diphtherie, des Typhus, sowie des
Diplococcus gonorrhoeae hat man öfters in Gesell¬
schaft mit den pyogenen Organismen gefunden.
Manche Fälle vollenden ihren Lauf, ohne dass
es zu einer wahren Pyämie kommt, und dies muss
von dem Charakter der vorhandenen Mikroorganis¬
men abhängen. Es wird noch mehr Fleiss auf die
Bestimmung der den verschiedenen Mikroorganis¬
men zukommenden Symptome verwendet werden
müssen, wenn die Serum-Therapie recht wirksam
gemacht werden soll; denn, obwohl manche Fälle
von dem Anti-Streptococcus-Serum günstig beein¬
flusst worden sind, so fanden doch auch viele Miss¬
erfolge statt und wahrscheinlich wird jenes Serum
nur da anwendbar sein dürfen, wo der Strepto¬
coccus allein anwesend ist, und keine Mischung
verschiedener Toxinen vorliegt.
Verf. bespricht zuerst einen Fall von einem
86jähr. Mann, der, wie man es in sehr vielen
Fällen von ulcerativer Endocarditis sieht, eine
Schädigung der Herzklappen bereits von einem
früheren Anfalle von Rheumatismus acutus davon¬
getragen hatte. Die Temperatur-Zeichnungen be¬
ginnen mit dem 30. Juni 1897 und endigen am
Digitized by ^»ooQle
135
16. Februar 1898 mit dem Tode des Patienten.
Indessen hat der fieberhafte Zustand wohl schon
mindestens zwei Monate gewährt, ohne dass der
Kranke an das Bett gefesselt worden war.
Während des ganzen Zeitraums, vom 30. Juni
bis zum 16. Februar, hatte sich keine normale
Temp. für 24 Stunden gezeigt. Eine der auf¬
fallendsten Thatsacben in diesem Falle sind die
verbältnissmässig wenigen Symptome. Der Kranke
lag im Bette, und doch konnte man nicht sagen,
dass er leidend war; er sah wohl aus, verlor wenig
an Fleisch, so dass man zuerst der Sache wenig
Bedeutung beilegen mochte. Sein Athmen war un¬
verändert, und erst bei Einsicht in die Körper¬
wärme und bei Untersuchung des Herzens konnte
man sagen, wie krank der Mann wirklich war.
Späterhin natürlich wich diese Unsicherheit, als sich
Infarkte in der Milz, den Nieren und anderen
Organen entdecken Hessen, die viel Schmerz ver¬
ursachten; und gegen das Ende des Falles traten
oft Convulsionen ein. Es Hess sich freilich hier
die Infectionsquelle nicht bestimmt nachweisen, aber
klar war die Geschichte seines vorangegangenen
rheumatischen Fiebers. Dr. Moir sah ihn erst in
der letzten Zeit seiner Krankheit, nachdem ihn
schon verschiedene Aerzte in Behandlung gehabt.
Es Hess sich nur feststellen, dass er einige Wochen
vor seiner schweren Krankheit auf einem Yacht¬
schiff herumgesegelt und im Hafen von Margrate
gelegen habe. Dort aber soll das Wasser stark
verunreinigt sein, und da mag er sich einige Keime
geholt haben.
Wie häufig derartige Fälle Vorkommen und
welche Gewebsveränderungen in Betracht kommen,
dafür sprechen folgende in derselben Woche ins
Hospital aufgenommenen Fälle.
Am 9. März d. J. wurde ein 45jähr. Mann mit
der Anamnese eines rheumatischen Fiebers, das
wahrscheinlich eine Affection der Klappen davon¬
getragen, aufgenommen. Sechs Wochen vorher
hatte er eine Structur der Harnröhre gehabt; man
hatte einen silbernen Katheter eingeführt, was
grosse Schmerzen und Hämorrhagie nebst Ausfluss
verursachte. Hierin war offenbar die Quelle einer
Infection gegeben; zwei Wochen nach der Kathetri-
sation war Schüttelfrost und Kopfschmerz einge¬
treten. Fünf Tage vor seiner Aufnahme war eine
Verstopfung der rechten Schenkelarterie durch einen
Embolus constatirt worden. Hier ist ein Fall, in
dem man die Ursache des Uebels bestimmt nach¬
weisen kann. — Die Herzsymptome waren nicht
deutlich ausgesprochen. Man hörte systoHsches Mur¬
meln, am lautesten an der Herzspitze, sowie Ver¬
schärfung des zweiten Tones an der Basis. Den
11. März kam ein Anfall von Athemnoth mit Cya-
nose und der Tod trat binnen fünf Minuten ein.
Der Befund post mortem zeigt einen völligen Ver¬
schluss der Arterie und Gangrän des ganzen Beines.
Ein grosser Embolus fand sich in der Arteria femoralis
dextra, der sich bis zum Ursprung der Arteria pro-
funda erstreckte, der seinen Ausgang offenbar von
den (gewiss sehr schnell entstandenen) Wucherun¬
gen an der Aortenklappe genommen hatte, ln
der Milz zeigt sich ein sehr bedeutender hämor¬
rhagischer Infarkt, der zum Theil sich in eine
Pulpa umgewandelt hatte.
Der nächste Fall betraf eine 23jähr. Frau, die
bis zu dieser Attacke nicht krank gewesen war.
Bei der Aufnahme ins Spital war sie schon eine
Moribunda, lebte aber noch fünf Tage im Kranken¬
hause. Sie gab eine dreiwöchentliche Krankheit
an, aber ausser einem systolischen Murmeln an der
Valvula mitralis war kein Zeichen vorhanden, das
auf die Natur ihres gegenwärtigen Leidens hin¬
deutete; ihr collabirter Zustand hatte mehr Aehn-
lichkeit mit dem Ende eines Typhusfalles. Post
mortem fanden sich Infarkte in Nieren und Milz.
Ferner berichtet Verf. von einem 14jährigen
Knaben, der im Jahre 1897, vom 10. März bis
2. October, im Hospital sich befand. Hier ergab
sich: Insufficienz der Mitralklappe mit etwas Peri-
carditis, die Monate lang von einem hektischen
Fieber begleitet war. Dabei ausgesprochene Anämie
mit Leukocytose. Eine Zeit lang bestand allge¬
meine Anasarca und hochgradiger Ascites. Dreimal
wurde das Wasser abgezapft, wonach es sich merk¬
würdig besserte und die Temp. normal wurde. Bei
seiner Aufnahme war ein präsystolisches Murmeln,
ein systolisches Aftergeräusch an der Herzspitze
und ein anderes in der Regio tricuspidalis. Das
Herz war stark hypertrophisch. Spigelia, Strophan-
tus und Naja erwiesen sich am wirksamsten. Der
Knabe kann jetzt bei jedem Wetter ausgehen und
scheint nicht zu leiden. Da hier eine bedeutende
Herzhypertrophie besteht, so ist es fraglich, ob es
sich hier um eine infective Form gebandelt habe
oder nicht. Angesichts der Temperaturcurven hat
Verf. die Frage bejaht; die Temp. war ja nicht
die der Pericarditis; Adhärenzen am Pericardium
haben nicht bestanden. Eine einfache Endocar-
ditis würde nicht für jene lange Zeit eine solche
Temperaturcurve gegeben haben, so dass wohl der
Schluss gerechtfertigt erscheint, das Leiden für
eine Art ulcerativer Endocarditis, die glücklich zum
Stillstand gebracht worden ist, zu halten.
Der nächste Fall, der wieder eine andere, ziem¬
lich beunruhigende Temperaturcurve gab, betraf
ein 18jähr. Mädchen. Diese wurde im vorigen
Jahre wegen acutem Rheumatismus ins Hospital
aufgenommen; aber der sich bei ihr entwickelnde
Zustand nahm den Anschein einer infectiösen Endo-
Digitized by
Google
136
carditis an. Es trat ein systolisches Murmeln mit I
sehr schnellem Pulse, profuser Schweiss und Schüttel¬
fröste ein. Am 29. Juli zeigt die Temperaturcurve
einen plötzlichen Abfall, während der Puls stieg.
Sie wurde plötzlich schlechter, der Puls stieg auf
240, unter Dyspnoe und Cyanose und völligem
Collaps. Die Temp. fiel auf 95° F. (= 85° C.
Ref.); sie hatte viermal Schüttelfrost, und der Zu¬
stand schien hoffnungslos. Strophantus 2 m (= 2 Gran)
zweistündlich wurde gegeben und bewirkte be-
merkenswerthe Besserung. Nach 3 1 / 2 Monaten ver-
liess sie das Spital. Ausser Strophanthus wurde
noch Arsen und Naja 6. verabreicht. — Verf. hätte
auch, wie er eingestellt, diesen von Dr. Epps be
obachteten und behandelten Fall für hoffnungslos
halten müssen: bei einem Pulse von 240 und einer
schnell auf 35° C. sinkenden Temp. — was ist da
für Aussicht? — Noch lebt sie.
Nun, was die Behandlung anbelangt, so wandte
sich Verf., da er eine Anzahl solcher Fälle im
Spital hatte, deshalb um Rath an Dr. Hughes.
Dieser rieth Aconit, in der Urtinctur, oder Chininum
arsenicosum an, die Verf. denn auch in manchen
Fällen anwandte. Aconit hat sicherlich manche
hierher gehörige Symptome; es hat selbst in den
Klappen der Versuchsthiere Vegetationen erzeugt,
doch scheint das Mittel nur einer einfachen Endo-
carditis, aber nicht einer wirklich infectiösen zu
begegnen. In einem Falle, der zur infectiösen
Form gehört, schien es recht wirksam; der Patient
ging geheilt aus der Anstalt; ein oder zwei Jahre
später starb er an einem zweiten Anfall dieses
Leidens. Post mortem zeigte sich an der Auri- '
cula sinistra cordis eine grosse Narbe, welche als
das Resultat der alten, ausgeheilten Ulceration er¬
schien. In manchen anderen Fällen hat Aconit
dem Verf. nichts genützt, noch weniger das Chili,
ars. In den letzten Jahren hat man mit den Anti¬
toxinen viele Versuche angestellt. Das Serum vom
Anti-Streptococcus hat wenigstens in puerperalen
Zuständen etwas geleistet, in den meisten Fällen
jedoch von Endocarditis ulcerativa hat es versagt.
In dem ersten Fall, den Verf. erwähnt hat, sind
5 oder 6 Einspritzungen mit Anti-Streptococcus-
Serum gemacht worden; dies hat aber nicht die
geringste Einwirkung auf die Temp. oder den
Allgemeinzustand gehabt. — Ein anderes Mittel,
das in Amerika sehr viel bei alten septischen Zu¬
ständen gebraucht worden ist, ist das Nuclein oder
Acidum nucleinicum. Dies stellt ein Präparat aus
sterilisirtem Hefen-Extract dar, und hat man es in
der Absicht gegeben, um den natürlichen Wider¬
stand gegen die Krankheit zu verstärken, indem
man ein keimtödtendes Element, das dem Nuclein
der weissen Blutkörperchen entspricht, in das Blut
einführt. Seine Kraft, Leucocytosis zu erzeugen,
ist experimentell liacbgewiesen. Nuclein enthält
einen hohen Procentsatz von Phosphor.
Die anderen Mittel, zu denen Verf. sich zuletzt
gewandt hat, gehören zu den Schlangen-Giften,
von denen wir wohl noch das Meiste erwarten
dürfen. In Bezug auf Lachesis in septischen Zu¬
ständen so kennen wir jetzt seine Anwendbarkeit
in infieirten Fingern und Wunden, sowie in Infec-
tionen, welche durch die Lymphgefässe fortgeleitet
werden. Crotalus ist ebenfalls in septischen Zu¬
ständen gebraucht worden.
In den beiden gebesserten Fällen waren Stro¬
phanthus und Naja die Mittel, welche am günstigsten
wirkten. Der Knabe hat Naja eine Zeit lang ge¬
nommen und, wie es scheint, mit gutem Erfolge. —
Nun kommen wir zu der schwierigsten Frage,
wie können wir diesen hier besprochenen Zustand
im frühen Stadium diagnosticiren ? Haben wir es
| mit einer einfachen, oder einer ulcerativen Endo¬
carditis zu thun? Das Blut giebt in den meisten
Fällen keine Indication. Trotz sorgfältiger Unter¬
suchung desselben auf Mikroorganismen sind diese
in keinem Falle darin entdeckt worden. Selten wird
man den Streptococcus darin finden. Wenn das
Unheil in den Herzklappen begonnen hat, so können
einige wenige Wochen eine grosse Zerstörung bringen.
Und im Frühstadium ist es nicht leicht, zu sagen,
ob der Fall wirklich zu der infectiösen Form ge¬
hört. —
Die in der Versammlung der britischen ho¬
möopathischen Gesellschaft über diesen Vortrag ge¬
pflogene Discussion ergab noch manche interessante
und belehrende Bemerkung, auf die der Vortragende
in einem Resume folgende Antwort ertheilte. In
Bezug auf die Dosis der Schlangengifte und den
Weg, auf dem sie wirken, habe er an Dr. Hay-
ward, homöopathischer Arzt in Liverpool, die grösste
Autorität auf diesem Gebiete, geschrieben, dessen
Fälle von bösartigem Scharlachfieber, die jener mit
diesen Mitteln behandelt, ihn zur Anwendung dieser
Mittel geführt habe. Erst wenn er ein Blasen¬
pflaster auf den Nacken legte und die Mittel in
die Wunde brachte, wirkten sie so heilsam. Dr. Hay-
ward ist aber der Meinung, dass sie per os ebenso
gut wirken, als subcutan. Naja hat er in der
6. Dil. gebraucht, Crotalus hypodermatisch, Dr. Hay-
ward rieth ihm, dieses Mittel in der 3. Dil. mit
einigen Tropfen Aqua destil. gemischt anzuwenden.
Auch das Nuclein, das die Amerikaner vielfach in
1 Tuberkulose gebrauchen, habe er in dem citirten
Fall hypodermatisch angewendet, und die Wirkung
war unzweifelhaft. — Die alte Lehre über infec-
tiöse Endocarditis war, dass sich in jedem Falle
' Eiter bilde, dem war aber nicht so. In den von
ihm mitgeth eilten Fällen war kein Zeichen von
I Eiter. In anderen Fällen habe er Abscesse über
Digitized by ^»ooQie
137
den ganzen Körper gesehen. Sie müssen von ver¬
schiedenen Infectionskeimen herrühren, und dies
war wohl der Grund, weshalb, seiner Meinung nach,
die Anwendung von Anti-Streptococcus-Serum oft¬
mals resultatlos geblieben sei. M.
Ein Falt von Myxoedem-Heilung.
(Aus der Revue homoeopatliiquc frangaise I
März 1899.)
In der Soci6t6 frangaise d’homoeopathie kamen
folgende interessante Beobachtungen zum Vor trage
und zur Besprechung:
Ein Fall von Myxoedem, beobachtet von Dr. Petit.
Demselben wurde im November 1896 im hom.
Spital Saint-Jaques, als er die Mittwocbsconsultation
daselbst abhielt, ein Kind vorgeführt mit der
Diagnose des Myxoedem. Diese war im Höpital
des enfants vor 3 Jahren gemacht und der Fall für
unheilbar erklärt worden.
Man hatte sich damit begnügt immerzu all¬
gemeine Verhältnissmassregeln zu geben, der Mutter |
aber erklärt, dass hier gar nichts zu machen sei.
Der Knabe, 12 Jahr alt, mass kaum 88 Centi- J
meter, konnte nicht gehen, gab auch keine Zeichen
von Intelligenz. Der untersetzte, dicke Körper, die
dünnen Glieder, die verdickten Gelenke, die kurzen,
breiten, dicken Füsse und Hände, der dicke Kopf
mit noch offenen Fontanellen, das breite Gesicht,
der grosse Mund, die vorspringenden Augenknochen,
das greisenhafte Aussehen, die matten Haare, die I
glatte und weiche Haut gaben dem Kinde mehr ,
den Anstrich eines Kretin als eines Myxoedematösen.
Bei Untersuchung des Halses waren die Lappen
der Schilddrüse nicht aufzufinden . i
Seine Milchzähne, mehr oder weniger cariös,
waren nicht ausgefallen und hatte sich noch kein
Ersatzzahn gezeigt.
Die Sprache war eine gutturale, wenig articu-
lirte und schwerverständlich. Vom Intellect war
nichts zu merken; nur die Besorgniss zu fallen
flösste ihm eine Furcht ein, die sich durch ein I
rauhes, thränenloses Schreien äusserte. Wo man |
ihn hinstellte, da blieb er, indem er nur einige
Schritte machen konnte, wobei er sich auf die |
Kiste stützte. Man gab ihm das Essen löffelweise; l
seine Verdauung war schlecht und die Verstopfung 1
hartnäckig.
Dieser Knabe lebte nicht bei seinen Eltern;
dieselben hatten ihn bei einer kinderlosen Tante
untergebracht, die für ihn mit lobenswerther Hin¬
gebung sorgte. Sie gab betreffs erblicher Ver¬
anlagung an, ein Grossvater des Kindes habe sich i
aufgehängt, nachdem er Zeichen einer Störung in- |
folge von Alcoholismus gegeben hatte. — Seine
Mutter war infolge eines schweren Typhus im Alter
von 14 Jahren geistig beschränkt geblieben. Der
Vater scheint im vollen Besitz seiner geistigen
Fähigkeiten zu sein; 4 oder 5 Geschwister sind
jung an Meningitis gestorben.
Als das Kind zehn Monat alt war, bemerkte
man in seiner Familie, dass es nicht wie andere
Kinder im gleichen Alter sei; es schien auf keiner¬
lei Liebkosung zu achten; es lächelte niemals und
rührte sich kaum. — Im Alter von 3 Jahren kam
es dann zu seiner Tante, die für dasselbe wie für
ihr eigenes Kind sorgte.
Diese Einzelheiten konnte Dr. Petit über diesen
Fall feststellen; ausser der Atrophie der Schilddrüse
war keine Ursache aufzufinden.
In Hinsicht auf letzteren Umstand rieth Dr. Petit
der Frau, Schilddrüsenhörner vom Hammel bei
ihrem Metzger sich zu verschaffen und dem Knaben
täglich zwei derselben fein gehackt in kalter Fleisch¬
brühe zu geben.
Nach ziemlich grossen Schwierigkeiten kam sie
dieser Anordnung nach. Die Wirkung dieser Schild¬
drüsenkur trat aber vom ersten Tage so stark auf,
dass Dr. Petit selbst darüber erschrocken war. Von
der ersten Nacht an wurde dieses fast regungslose
Kind plötzlich von einer ausserordentlichen Unruhe
ergriffen, stiess Geschrei aus, warf seine Betten weg
und liess aus dem halbgeöffneten Munde Ströme
von Speichel fliessen.
Sonst immer eiskalt, bekam es jetzt eine
brennende Hitze, die Arm- und Fuss-Gelenke zeigen
ein Erythem, wie solches ein starkes Senfbad er¬
zeugt.
Eine Woche lang halten diese beunruhigenden
Symptome an, trotzdem die Dosis herabgesetzt wurde;
statt 2 Drüsen nahm das Kind nicht mehr als die
Hälfte von einer.
Nach Verlauf der ersten Woche liess der Speichel¬
fluss nach, die Röthe der Theile erblasste, und die
Intelligenz des Kindes erwachte nach und nach.
Bald konnte es sich auf den Füssen halten und
gehen, ohne sich auf die Möbel zu stützen; seine
Sprache wurde verständlicher, die Ersatzzähne kamen
hervor, die Körperlänge nahm zu, das Gesicht be¬
kam einen Ausdruck — und heute ist er ein guter
Schüler, der zu lesen und schreiben beginnt.
Seit dem Monat November 1896 hat der Ge¬
brauch der Schilddrüse, mit Pausen von 14 Tagen,
einem, selbst zwei Monaten im letzten Jahre, während
seines Aufenthaltes in Dieppe stattgehabt. Und es ist
merkwürdig, wie jedes Mal, wenn der Knabe wieder
von der Schilddrüse einnahm, die nächtliche Auf¬
regung wieder eintrat, während er gleichzeitig einen
neuen Schritt in seiner leiblichen und geistigen
Entwickelung gemacht zu haben schien.
18
Digitized by k^ooQle
138
Jene beim Beginn der Schilddrüsenbehandlung
beschriebenen Symptome sind in der Organotherapie
nichts Seltenes, weshalb man sich eine strenge
Ueberwachung derselben zum Gesetz machen soll.
Redner sah, wie ein an morbus Addisonii Leidender
nach dem Verbrauch von 4 Kapseln mit Neben-
Niere vom Kalbe in vier Tagen hingerafft worden
ist. Solche Thatsachen müssen uns warnen, nie
aus dem Auge zu verlieren, dass wir es hier mit
einer zweischneidigen Waffe zu thun haben.
Zwei Photographieen von dem kleinen Patienten
und die genauen Maasse seiner Hand vor der Be¬
handlung gestatten einen Schluss von dem in zwei
Jahren und fünf Monaten erreichten Fortschritt.
In der That hat sich die Länge der Hand ver¬
doppelt und die Taille misst 1 m 14 cm. —
Zum Schluss sagt Dr. Petit, man müsse das 1
Thyroidin, wie es in den Apotheken bereitet wird, i
mit grosser Vorsicht anwenden; denn, wie es bis- i
weilen ein sehr wirksames, so ist es auch ein sehr 1
gefährliches Mittel. —
Ein Fall von typhoidem Fieber.
Ein 13 j. Mädchen von scrophulöser Constitution,
ein Kind sehr elender Eltern, schlecht genährt, in
ungesunder Wohnung, nicht menstruirt. Sie kam
am 10. November 1898 in das Höpital Hahnemann
mit dem Zeichen eines beginnenden typhoiden
Fiebers. T. 39,4. Puls 120, hinfällig, schlaflos,
Kopfweh, Schwindel, wenn sie aufrecht sitzt,
Appetitlosigkeit, Meteorismus, Empfindlichkeit in
der fossa iliaca dextra bei Druck. Dr. Joli, der
dienstthuende Arzt, gab ihr Arsen. 6., 3 Tropfen
in 125 Gramm Wasser, 3stündlich einen Löffel voll.
Am 12. November. Der anhaltende Meteoris¬
mus und die Verstopfung veranlasst Dr. Simon
Nux vom. 6. zu geben.
14. November. Der typhöse Zustand tritt stärker f
hervor; die Prostration nimmt zu, unruhige Träume¬
reien bei Nacht, bei Tage ohne Delirien, leichtes
Zittern der Arme, wenn sie diese bewegt; Gesichts¬
blässe, matter Blick, hohle Wangen. Merkwürdiger
Weise ist die Zunge normal und bleibt so bis zur
Genesung.
Baptisia 1. zehn Tropfen.
Vom 15. zum 16. verordnete Dr. Simon in
Rücksicht auf die Somnolenz, Verstopfung und 1
Tympanitis Opium 6. und 12. Jetzt lassen sich
Roseolaflecke sehen; Nasenbluten erschien ein Mal,
die Zunge zitterte beim Versuche sie heraus zu
strecken.
18. Nov. Da die Temperatur bedeutende
Schwankungen zeigt (Abends 40,8 u. 41, Morgens
39,2), giebt Verf. Veratrum viride 3. 5 Tropfen.
Der Puls blieb auf derselben Höhe, 120 Schläge.
19. Nov. Temp. war Morgens 39,6 und Abends
40°. P. 120. Die Roseolaflecke treten zahlreich i
auf, so auch um den Schwertfortsatz des Brust*
beins. Auf die Verstopfung war jetzt Diarrhöe
gefolgt. Zeichen von Bronchitis: Husten, etwas
erschwertes Athmen, feinblasiges Rasseln hier und
da. Nasenbluten; der Kranke schnaubt beständig
Blut aus. Am 20. und 21. steigt die T. auf 41°
Abends
21. Nov. Arsen 6.; am 23. Arsen. 3. trit. 0,10.
Vom 22. Abends bis zum Morgen des 23. ist die T.
heruntergegangen von 41 0 auf 86,2. Der Puls ging
von 120 auf 108 Schläge. Die Diarrhöe hat fort¬
bestanden; die Gesammtheit der Symptome hat sich
aber trotzdem gebessert. Am 25. hat Kopfweh,
Diarrhöe und Bauchauftreibung nachgelassen. Diesen
Tag keine Arznei.
26*. Nov. Abend-Temperatur steigt auf 39,8 0
und am 27. auf 40°. Der Kranke klagt über
Schmerzen im rechten Ohr, die immer zunehmen.
Die regio mastoidea ist etwas geschwollen und
druckempfindlich; man fühlt einige Drüsen unter
dem Kopfnicker, in der Nähe seiner oberen In¬
sertion, geschwollen. Arsen 6. am 26., Bellad.
am 27.
28. Nov. Da sich im Ohrenkanal ein Abscess
zu bilden schien, ward M. sol. 6. verschrieben.
29. Nov. Hep. sulf. 6. Der Abscess öffnet
sich während des Tages; der Eiter ergiesst sich
durch den äusseren Gehörgang.
Vom 1. bis 7. December. Silicea 30. mit
Pausen von 3., 5. und 6. Die Temperatur hat sich
an dem ersten Tage regelmässig gesenkt; am 3.
zeigte sie 86,8 °. Vom 3. zum 6. haben wir un¬
gewöhnliche Temperatursprünge gehabt: 40° und
39° am Abend, 36,8° und 36° am Morgen. —
Schwankungen, wie sie selten beobachtet werden.
Die Kranke ist auf dem deutlichen Wege der Besse¬
rung. Am 7. hat sie einen natürlichen Stuhl und
sie bekommt wieder Farbe im Gesicht, ihr Geist
ist klar und der Schlaf gut. Seit einigen Tagen
hat sich grosser Hunger eingestellt, so dass man
sie besser ernähren kann. Der Ohrenausfluss dauert
fort.
Am 7. Dec. Calc. carb. 30.; am 8. und 9.
Sacch. lact.
Am 10. Dec. Der Ohrenschmerz wird heftiger
als je, die Zunge roth und trocken, die regis ma¬
stoidea ist angeschwollen. T. steigt wieder auf 38,2 °.
11. Dec. Wenig verändert. — Merc. sol. 6.
12. T)ec. Die Zunge, wie auch der Appetit,
sind wieder gut, aber die Ohrenschmerzen haben
sich nicht verringert, trotzdem der Eiter beständig
ausfliesst. Die T. sprang jäh auf 40° Abends.
13. Dec. Morgens T. 37,2. Aconit Urtinctur
10 Tropfen. Danach sinkt die T. auf 37,6 Abends.
14. Dec. T. Abends wieder 88°; vom anderen
Morgen aber an jähes Absinken auf 36°. — Von
Digitized by ^»ooQle
139
diesem Tage ab hat die T. 37 0 nicht mehr über¬
schritten; eine Medication war nicht mehr nöthig.
Die Herstellung zur Gesundheit hat sich fast von
einem Abend bis Morgen vollzogen. Der Abscess
im äusseren Gehörgang hat allein die Genesung
verzögert.
Dieser Fall erschien dem Verf. mittheilenswerth,
namentlich wegen der bedeutenden Schwankungen
der Temperatur in allen Stadien der Krankheit,
sowie wegen der durchweg vorhandenen Reinheit
der Zunge. —
So recht klar kann Ref. den Einfluss der ver-
ordneten Mittel auf den Verlauf der Krankheit resp.
ihrer Symptome nicht erkennen. M.
Berlin, im April 1899.
Homöopathischer Centralverein in Deutschland.
Rundschreiben.
Die diesjährige Versammlung des homöopathi¬
schen Centralvereins rückt mit Riesenschritten näher.
Kaum vier Monate trennen uns noch von der
Tagung in Elberfeld. Als klinisches Thema für
dieselbe war 1898 in Salzburg die „Perityphlitis“
gewählt worden.
Um nun dem Referat hierüber eine möglichst
zuverlässige Grundlage zu geben, war in Salzburg
1898 an alle Collegen der Ruf ergangen, ihre Be¬
obachtungen über Fälle von Perityphlitis und ver¬
wandten Erkrankungen zu Gunsten des Referates
zur Verfügung zu stellen. Desgleichen erging im
Decemberheft 1898 der Zeitschr. des Berl. Ver.
hom. Aerzte und in der Allg. hom. Ztg. 1899
No. 7/8 der Ruf und die dringendste Bitte an
alle homöopathischen Collegen, durch ausfürlichere
oder kürzere Berichte über die Erfolge oder Miss¬
erfolge bei der Behandlung einschlägiger Fälle
nach Kräften zur möglichst klaren, zuverlässigen
und umfassenden Gestaltung des Referates auf dem
Central vereine beizutragen.
Auf Grund dieser wiederholten Bitten und Auf¬
rufe sind nun im Ganzen — 2, sage zwei Zu¬
schriften eingegangen. — Die Zeit drängt! Soll
aber das Referat wirklich die Quintessenz der in
homöopathischen Arzneikreisen herrschenden An¬
sicht über die beste und aussichtsvollste Behand¬
lung obiger Krankheitsformen wiedergeben, so muss
schleunigst Material beschafft werden.
Es ergeht deshalb nochmals die dringendste
Bitte an alle Collegen in Deutschland, Oesterreich
und der Schweiz, Angaben über Behandlungsart
und Erfolge bei einschlägigen Erkrankungen bal¬
digst an den Unterzeichneten gelangen zu lassen. —
Sehr erwünscht würde die Berücksichtigung der
in obigen beiden Zeitschriften angegebenen 11 Punkte
sein, doch ist (wie schon dcyt hervorgehoben) auch
jede kürzere, allerdings möglichst zuverlässige An¬
gabe hoch willkommen. — Allen Collegen, die sich
durch Zusendung geeigneten Materials um das Zu¬
standekommen eines möglichst zuverlässigen Re¬
ferates verdient machen, sei im Voraus schon hier
der beste Dank ausgesprochen.
Gleichzeitig soll aber dieses Rundschreiben be¬
nutzt werden, um allen Collegen nochmals die
thätige und rührige Mitarbeit an der grossen neuen
deutschen Arzneimittellehre aufs Wärmste ans Herz
zu legen. Alle Collegen und alle Vereine, soweit
sie nicht an anderen Prüfungen theilnehmen, wer¬
den dringendst gebeten, durch Prüfung des Lathyrus
sativus und durch Ausarbeitung einzelner Mittel
zum guten Gelingen des grossen Werkes beizu¬
tragen. Ist es doch für uns deutsche Aerzte jetzt
geradezu eine Ehrenpflicht, etwas Tüchtiges zu
schaffen, da, durch unser Vorgehen angeregt, die
englischen Collegen beschlossen haben, ein ähn¬
liches grosses Werk zu schaffen.
Also nochmals die Bitte an alle Collegen: „Jeder
stelle seinen Mann!“
Alle fertigen Arbeiten zur Arzneimittellehre
bitten wir bis Mitte, spätestens Ende Mai an Dr. Gise-
vius jun., Berlin N., Chausseestr. 118, einzusenden,
da zur Tagung in Elberfeld der I. Band schon er¬
scheinen soll. Desgleichen möchten alle fertig¬
gestellten Prüfungsprotokolle über Lathyrus sativus
spätestens Anfang Juni eingehen.
Berlin SW , Gneisenaustr. 112.
Dr. Dammholz.
Reglement
für den internationalen homöopathischen Congress
im Jahre 1900.
1. Der Congress wird in Paris in einem Saale
eines der Gebäude der Weltausstellung zu einer
noch zu bestimmenden Zeit und Dauer abgehalten
werden.
2. Bei der Eröffnung der ersten Sitzung wird
man zur Bildung des Bureaus schreiten, und wer¬
den die Mitglieder desselben in geheimer Abstim¬
mung nach absoluter Stimmenmehrheit gewählt. Es
wird bestehen aus einem Präsidenten, zwei Vice-
präsidenten, einem bleibenden Secretär, einem allge¬
meinen Secretär, zwei Secretär-Gebilfen und einem
Schatzmeister.
Der bleibende Secretär ist der Wahl nicht unter¬
worfen.
Die Versammlung kann aus der Zahl der frem¬
den Mitglieder oder Anderer, denen sie eine Ehre
erweisen will, Ehren-Präsidenten ernennen.
3. Der Congress ist zulässig für alle diejenigen,
18*
Digitized by ^»ooQle
140
welche in ihrem Lande die Medicin auszuüben ge¬
setzlich berechtigt sinä.
Die mit keinem legalen Titel Versehenen sind
als Zuhörer zulässig; sie können den Sitzungen bei¬
wohnen, können aber an den Debatten und Be¬
schlüssen nicht Theil nehmen.
4. Das Organisations-Comite wird sich mit den
fremden Aerzten in Verbindung setzen, um zu er¬
langen :
a) Einen Special bericht für jedes Land, betreffs
der die Homöopathie betreffenden Thatsachen, die
in ihrem Lande seit der Veröffentlichung des letzten
fünfjährigen Berichts zu verzeichnen sind;
b) Arbeiten aus den verschiedenen Zweigen der
homöopathischen Theorie und Praxis, Arbeiten,
welche in der Sitzung besprochen und in der Zu¬
sammenstellung der Verhandlungen veröffentlicht
werden sollen.
5. Alle Arbeiten müssen in den Händen des
Organisations-Comitös bis zum 1. Januar 1900 sein.
6. Die vom Organisations-Comite anerkannten
Arbeiten werden im Voraus gedruckt und an die
Congressmitglieder, die sie wünschen, vertheilt, an¬
statt in einer Sitzung vorgelesen.
7. Für die Discussion werden die Arbeiten, je
nach den behandelten Gegenständen, in folgende
Gruppen zusammengestellt:
a) Allgemeine Medicin: Physiologie, allgemeine
Pathologie, Bakteriologie, Aetiologie, Diagnostik
und Prognostik;
b) Materia medica und Pharmacie;
c) Allgemeine Therapie: Posologie, Polyphar-
macie, Isopathie, Serotherapie, Organotherapie,
Elektrotherapie, Hygiene;
d) Angewandte Therapie: Monographieen und
Beobachtungen;
e) Specialfächer: Geburtshilfe und Gynäkologie,
Pädiatrie, Dermatologie, Ophthalmologie, Otologie,
Laryngologie, Chirurgie, Odontologie, Thierheil¬
kunde;
fj Verschiedenes: Geschichte der Homöopathie,
Berufsangelegenheiten (Unterricht, Propaganda,
Presse, Hospitäler, Polikliniken).
8. Es werden mehrere Mitglieder des Congresses
vorher bestimmt werden, um von den Arbeiten aus
den bezeichneten Gruppen Kenntniss zu nehmen
und einen Gesammtbericht darüber vorzubereiten.
Zum Vortrage eines jeden Berichts sind zehn Minuten
vorgesehen, worauf sofort die Discussion darüber
beginnt; jeder Eedner soll dann das Wort auf fünf
Minuten haben.
9. Der Vorsitzende soll das Recht haben, nach¬
dem er das Bureau darüber befragt, den Schluss
der Debatte auszusprechen, wenn er sieht, dass
eine Frage Anlass zu einer Debatte von solcher
Länge giebt, dass sie die Discussion anderer wich¬
tiger Gegenstände abzuschneiden droht.
10. Die Verfasser der Arbeiten werden, falls
sie gegenwärtig sind, das Recht haben, vor Schluss
der Debatte das letzte Wort zu sagen; hierzu wer¬
den ihnen zehn Minuten gestattet.
11. Die französische Sprache ist beim Congress
die officielle, ausgenommen in den Discussionen,
wo man sich des Englischen, Deutschen, Italienischen
oder Spanischen bedienen kann, unter der Be¬
dingung jedoch, dass man sich vorher eines Dol¬
metschers unter den anwesenden Mitgliedern ver¬
sichert hat.
12. In seiner letzten Sitzuug wird der Congress
über Ort und Zeit des nächsten fünfjährigen Con¬
gresses bestimmen.
13. Die wirklichen Mitglieder haben einen Bei¬
trag von 20 Frcs. zu leisten; der für die nach
Artikel 3 dieses Reglements als Zuhörer Bezeich¬
neten ist auf 10 Frcs. festgesetzt. Dieser Beitrag
ist bestimmt, die Kosten für die Correspondenz,
den Druck der eingereichten Schriften etc. zu
decken und giebt den Subscribenten beider Kate-
gorieeu das Recht auf ein Exemplar des vom Con¬
gress herausgegebenen Berichts.
14. Die homöopathischen Aerzte Frankreichs
geben ihren ausländischen Collegen ein Gastmahl,
wofür Ort und Zeit noch festgestellt werden wird.
Durch eine Subscription unter den französischen
Anhängern der Homöopathie werden die Kosten
bestritten werden. X.
Gelbsehen (Xanthopie) nach Kohlenoxyd-
Vergiftung.
Dr. R. Hilbert-Sensburg berichtete in den Memora-
bilia von Betz, 140 Jahrg., p. 73, über einen Fall
von Kohlenoxyd-Vergiftung bei einem kräftigen
jungen Manne, die 6ich durch ein bis dahin bei
dieser Intoxication beobachtetes Endsymptom aus¬
zeichnet. Der junge Mann lag exphyktisch da;
Gesicht blass, Puls gespannt, 140 in der Minute.
Pupillen eng, reagiren nicht auf Lichtreiz. Respi¬
ration oberflächlich, oft von Schluckbewegungen
unterbrochen. Hauttemperatur nicht erhöht. An¬
rufen und Schütteln rufen keine Reaction hervor.
Lüftung des Zimmers, künstliche Einathmung.
Einige Injectionen von Aether und Secale cornu-
tum wirkungslos. Reizung der Brust durch Senf¬
papiere und der Nervi phoenici mit starken Induc-
tionsströmungen bewirken nach ca. einer Stunde
Tieferwerden der Respiration und endlich auch
spontane Muskelbewegungeu. Nach einer weiteren
halben Stunde kehrt das Bewusstsein zurück. Pat.
ist gerettet.
Digitized by t^ooQle
141
Es blieb noch geraume Zeit Kopfschmerz und
Schwerbesinnlichkeit, und ein interessantes Symp¬
tom. Alle Gegenstünde, die er betrachtete, erschie¬
nen ihm glänzend schwefelgelb , namentlich helle, wie
Papier, Wolken u. dergl., aber auch dunkle und
anders gefärbte Dinge. Dabei ergiebt die Unter¬
suchung der Augen sonst nichts Abnormes, nur
dass die Sehschärfe herabgesetzt ist. — Das Gelb¬
sehen findet auf beiden Augen statt und erleidet
durch Schluss des einen oder anderen keine Ver¬
änderung.
Dies Phänomen dauerte bis zum Abend und,
als er nach einer guten Nacht am nächsten Morgen
ganz gesund erwachte, war auch das Gelbsehen
weg.
Das hier beobachtete Gelbsehen, das mindestens
8—10 Stunden gedauert und mit der völligen Ent¬
giftung des Organismus ihr Ende erreicht hatte,
ist unzweifelhaft auf Rechnung des Kohlenoxyd¬
gases zu schreiben, da Pat. früher niemals daran
gelitten hat. Das Gift mag direct oder indirect
durch das veränderte Blut auf das Nervencentrum
gewirkt haben.
Eine Färbung der Häute des Auges oder der
brechenden Medien war nicht vorhanden.
Dies Gelbsehen ist mithin unter die durch In-
toxicationen hervorgerufene Chromatopie zu zählen;
so hat man beobachtet Rotlisehen nach Vergiftung
mit Bilsenh autsarnen und Duboisin, Gelb- oder
Grünsehen nach Santonin, Gelbsehen nach Pikrin¬
säure, nach äusserlichem Gebrauch von Chromsäure,
Violettsehen nach Pilzvergiftung.
Die homöopathischen Prüfungen ergaben eine
Reihe von Farbenerscheinungen auf Mittel, deren
Dosis wohl kaum je bis zur Vergiftung stark ge¬
griffen war. So hatten Prüfer Blausehen von
Strontian, Gelbsehen von Cantharis und Digitalis,
Grünsehen von Digit., Sepia, Strontian.
Rotlisehen von Bell., Con., Crocus, Hyoscyamus,
Sarsap., Stront.; ein Sehen vielfacher, bunter Farben
fand statt bei: Cic., Digit., Kali c., Nitr., Strontian.
M.
Dr. K. Friedrich Walz, russ. Staatsrath, f.
Noch haben wir der Pflicht nachzukommen,
dem Collegen Dr. Walz, einem tüchtigen Veteranen,
der im Februar d. J. heimgegangen ist, einige
Worte des Nachrufs zu widmen.
Seiner Heimath nach war er ein Süddeutscher;
er ist nämlich am 12. October 1820 in Karlsruhe
in Baden geboren, wo sein Vater die Stellung eines
Ministerialraths bekleidete. Hier besuchte er das
Lyceum, machte 1839 seine Maturitätsprüfung, und
ging dann zum Studium der Medicin zuerst nach
Bonn und sodann nach Würzburg. Ganz besonders
zog ihn die Gynäkologie an, weshalb er an letzterer
Universität einen besonderen Curs in diesem Fache
unter dem ausgezeichneten Professor Doutrepont
durchmachte. Wieder nach Bonn sich wendend,
ward er hierselbst Assistent an der inneren Klinik
und machte dann, in allen Disciplinen wohl vor¬
bereitet, sein Staatsexamen 1843 in Berlin und er¬
warb sich mit einer Dissertation De placentae retar-
datione et metrorrhagia die Doctorwürde. — Die
Gynäkologie hielt ihn fest, und so nahm er gern
die zweite Assistenzarztstelle an der geburtshilf¬
lichen Berliner Klinik unter dem Geheimrath Prof.
Busch an, während der nachmals als Professor der
Geburtshilfe in Leipzig berühmt gewordene Dr. Cr4dö
als erster Assistenzarzt fungirte und auch als Docent
an der Universität thätig war. Hier in der Klinik
wie auch in der städtischen Praxis fand Walz nun
reiche Gelegenheit, sein Wissen und Können in
der geburtshilflichen Kunst nach allen Seiten zu
erweitern. Diese sollte ihm dann auch zu einer
extraordinären ärztlichen Stellung, freilich ausser¬
halb Deutschlands, den Boden bereiten.
Als sich nämlich der russische Reichskanzler
Fürst Bariatinsky wegen eines dirigirenden Arztes
an einem in St. Petersburg zu eröffnenden Hospital
für Frauenkrankheiten an Prof. Busch wandte,
schlug letzterer den Dr. Walz als die hierzu ge¬
eignete Persönlichkeit vor. So kam College Walz
nach Petersburg an dieses unter der Protection der
Kaiserin stehende Krankenhaus und hat diese ehren¬
volle Stellung 22 Jahre lang bekleidet. — Er hat
sich in diesen Jahren einer glänzenden Praxis in
den hohen und höchsten Kreisen der russischen
Hauptstadt zu erfreuen gehabt. Seine Erfolge wurden
auch höchsten Ortes durch Titel und Orden Seitens
Russlands und auch Preussens anerkannt. So er¬
hielt er den Titel als kaiserlich russischer Staats¬
rath und den rothen Adler- und Kronenorden.
Hier kam er nun mit dem tüchtigen Vertreter
der Homöopathie, Dr. von Villers, dessen Erfolge
zumal in Behandlung der Diphtherie so eclatant
waren, in dauernde, freundschaftliche Beziehungen
und wurde durch diesen zum Studium unserer Heil¬
methode angeregt. Mit der Zeit wurde Dr. Walz
ein tüchtiger Kenner derselben und hat sich dann
nicht gescheut, sie auch offen vor der medicinischen
Welt zu bekennen.
Bis zum Jahre 1867 blieb er in Russland, dann
aber sah er sich genöthigt, wegen Kränklichkeit
seiner Gemahlin, einer geh. Baronin von Maltzahn,
welcher das nordische Klima übel bekam, seine
Stellung und Praxis in Petersburg aufzugeben um
nach Deutschland zurückzukehren. Hier fand er
im Kriegsjahre 1870/71 Gelegenheit, als dirigi-
render Oberarzt des Reservelazareths in Wetzlar
seinem Vaterlande zu dienen. — Schliesslich Hess
Digitized by
Google
142
er sich als homöopathischer Arzt in Frankfurt a. 0.
nieder, im Jahre 1874, nachdem Dr. Sommer, der
dort eine bedeutende Klientel für die Homöopa¬
thie gewonnen hatte, verstorben war.
Hier hat er nun den Rest seines so thätigen
Lebens, 25 Jahre, als vielgesuchter homöopathischer
Arzt in reichgesegneter Wirksamkeit verlebt. Am
23. October 1898 ward ihm das seltene Glück des
50jährigen Doctorjubiläums zu Theil, wobei ihm
Prof, von Bergmann als Decan der medicinischen
Facultät der Universität Berlin die herzlichsten
Glückwünsche und das honoris causa erneuerte
Doctordiplom übersandte. Von verschiedenen ho¬
möopathischen Vereinen, so auch vom Central verein
der homöopathischen Aerzte Deutschlands, wurde
er durch Ehrendiplome ausgezeichnet. Und gerade
letztere Auszeichnungen hat er in der That voll¬
auf verdient, da er sich nicht in vornehmer Zurück¬
haltung unserer, vielfach angegriffenen und gefähr¬
deten Sache gegenüber verhielt, sondern mannhaft
und energisch für sie eintrat. Als Mitglied des
Centralvereins erfüllte er seine Pflicht durch regel¬
mässiges Erscheinen auf den Jahresversammlungen,
rege Theilnahme an den Verhandlungen und opfer¬
freudige Geldbeiträge, wo es noth that. Mit Schmerz
erfüllte es deshalb den Schreiber dieses, als er in
den letzten Jahren das freundliche, joviale Gesicht
des alt und kränklich gewordenen Collegen Walz
auf den Congressen nicht mehr erblickte.
Hervorhehen wollen wir noch, mit welch regem,
unermüdlichem Eifer er die in Folge der Kuh¬
pocken - Impfung auftretenden Schädigungen, wie
Hautausschläge, zumal syphilitischer Natur, klar¬
zulegen und durch objective, getreue Beobachtung
den Thathestand festzustellen bemüht gewesen ist
und zur Erreichung dieses Zweckes selbst grössere
Reisen nicht gescheut hat. —
Nun ist er nach wohlverbrachtem, segensvollem
Tagewerk, im 79. Lebensjahre, am 2. Februar d. J.
zur ewigen Ruhe eingegangen, ein ehrenvolles An¬
gedenken bei den seiner ärztlichen Obhut anver¬
trauten Familien und in den Reihen der homöo¬
pathischen Berufsgenossen hinterlassend. R I. P.!
Dr. Mossa.
Vom BUchertische.
Dr. Schöppel’s Tafeln über die an den Universi¬
täten Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz
geltenden Gesetze und Verordnungen. Tafel I:
Die an den deutschen Universitäten geltenden
Aufnahmebestimmungen. Graz 1898. Preis 8 Mk.
Männliche und weibliche Candidaten des Uni¬
versitäts-Publikums, besonders solche, denen das in
Oesterreich obligate Gymnasial-Studium fehlt, finden
in dieser Tabelle I alle nöthigen Aufklärungen über
die Dispensationen vom Vorstudium, welche an den
deutschen Universitäten Oesterreichs, Deutschlands
und der Schweiz zulässig sind, in klarer Ueber-
sicht geordnet. Dr. Mossa.
LesefrUchte.
Ein frühes pathognomonisches Symptom für
Masern 1896 machte Koplik (New-York) bekannt,
dass er bei den Morbillis ein auf der Wangen¬
schleimhaut localisirtes Exanthem beobachtet habe,
das mit Beginn der Prodromi einsetzt, also zu einer
Zeit, wo die Diagnose meist noch unsicher und
das daher für Masern pathognomisch sein soll. —
Stabsarzt Dr. Slawyk hat nun in der Berliner Charitö-
Klinik diese Koplik’sehen Flecke im Winter 1897
näher studirt. Von 32 in der Klinik selbst auf¬
tretenden Fällen zeigten sie sich 81 Mal und von
52 eingelieferten von Morbillis bei 45. — Es sind
bläulich-weisse, leicht erhabene, 0,2 bis 0,6 im Durch¬
messer haltende, rundliche Efjiorescenzen, welche sich
meist im Centrum von Unsengrossen, gerötheten Schleim-
hautstellen befinden . Ihr Sitz ist die Wangenschleim¬
haut (meist den unteren Backenzähnen gegenüber);
selten anderswo (einige Male Lippenschleimhaut,
1 Mal Zunge); ihre Zahl je 6—80 auf jeder Seite
(vereinzelt aber auch Hunderte); bisweilen kommt
der Ausschlag nur einseitig vor, fast ein Zusammen-
fliessen der Flecke. Durch Tupfen sind sie nicht
zu entfernen, wohl aber mit der Piucette, ohne
Schmerz und Blutung. — Sie kommen bestimmt
nur bei Masern vor, also ein sicheres diagnostisches
Zeichen! Sie erscheinen gewöhnlich am ersten oder
zweiten Tage der Prodromi, nehmen oft bis zum
Auftreten des Hautexanthems an Zahl zu, bleiben
3—4 Tage stehen, um dann zu verschwinden,
(durchschnittliche Dauer 6 — 7 Tage), gewöhnlich
wenn das Exanthem zu verblassen beginnt. Sie
machen weder Belästigung, noch Geschwürsbildung.
(Deutsche Medic. Wochenschrift. 1898. 17.)
Hahnemann-Grab-Denkmal in Paris.
Aufruf aus No. 11/12, 136. Bd. etc.
5. Quittung.
Von Herrn Dr. med. Endriss, Göppingen
Mark
5.-
Mk.
Betrag der 1. Quittung .
n n 2. »
n » 3 . «
5.—
350.—
20 .—
301.45
181.—
Mk. 807.45
Weitere Beiträge nimmt gern entgegen und
befördert weiter
Leipzig, 11. April 1899.
William Steinmetz.
Digitized by t^ooQle
143
Bitte an die Collegen!
(aus No. 7/8 des 188. Bandes vom 16 /4. 1899)
bezüglich eines in Noth gerathenen älteren Arztes
in den Reichslanden.
1. Quittung. Mark
Von Herrn Dr. med. Mossa, Stuttgart . . 5.—
„ „ San.-Rath Dr. med. Ide, Stettin . 10.—
„ „ » „ w Elb, Dresden 15.—
„ „ Dr. med. Endriss, Göppingen 4.—
n n n n Veith, Breslau . . . 10.—
n n n n Schlegel, Tübingen . 4.—
n n n n Göhrum, Stuttgart . . 5.—
„ „ Wilh.Weymar, Mühlhausen i. Th. 80.05
Mk. 83.05
Besten Dank für diese Gaben mit der herz¬
lichen Bitte um weitere Zuwendung, da Bedürftig¬
keit und Würdigkeit in gleicher Weise vorliegen.
Leipzig, den 11. April 1899.
Hochachtungsvoll
William Steinmetz.
Herzliche Bitte für eine Arzt-Wittwe.
No. 13/14 und 15/16, 137. Bd.
4. und Schluss-Quittung über eingegangene Beiträge.
Mark
Von Herrn Dr. med. Schlegel, Tübingen . 5.—
„ „ Dr. med. Cramer, Karlsruhe
(Baden).5.—
Mk. 10.—
Betrag der 1. Quittung. 97.10
n »2. n . . 25.60
n »3. „ . n 30.05
Mk. 162.75
Mit nochmaligem herzlichen Danke im Namen
der bedrängten Wittwe für alle freundlichen Gaben
schliesse ich diese Sammlung, falls nicht unerwartet
noch der Eine oder der Andere sich zu einer Bei¬
hilfe entschliessen sollte, die ich natürlich gern an¬
nehme und weiterbefördere.
Leipzig, den 18. April 1899.
Hochachtungsvoll
William Steinmetz..
Anzeigen.
Med. Dr. Theodor Kafka in Karlsbad,
früher im Hause „Annaberg“, Marktplatz, wohnt und
ordinirt jetzt im Hause „zum Amerikaner“, Sprudelgasse.
Kurpension des Homöopathen
Dr. von Hartungen
Riva a. Gardasee, Tirol.
Auf Reisen und zur Dispensation sehr practisch.
Homöopathische Mittel
in Tablettenform, & 0,25 Gramm Gewicht.
(Das richtige Quantum für eine einzelne Arzneigabe.)
1
Cy linder ä 12 Stück
= 3 Gramm . . .
Mk. —.20
1
(Flacon od. 1 94 .
(Schachtel a ”
>»
= 6
99 • • •
„ -.30
1
„ k 30
jj
- 7,5
II • •
„ -.35
1
„ ä 40
= 10
II . • •
„ —.45
1
„ ä 50
>>
= 12,5
II • • •
„ —.55
1
„ k 60
11
= 15
„ —.65
1
„ ä 80
»♦
= 20
99 • • •
„ —.75
1
„ k 100
»»
= 25
II • • .
„ —.90
1
„ ä 120
= 30
II ...
„ 1.10
1
„ ä 150
jj
= 37,5
II • . •
„ 1.35
1
„ ä 200
= 50
II • • •
„ 1.80
1
„ k 400
>>
= 100
99 • • •
3.50
A. Marggrafs komöopath. Officin,
Leipzig.
Mars’sches Krebsmittel
gans frisch«
Von Herrn Missionar Mars ist wiederum am 13. Februar
1899 ein grösseres Quantum seines Krebsmittels eingetroffen.
Ich stehe somit wieder gern mit diesem Mittel zu Diensten
und kann es nun erfreulicher Weise auch billiger abgeben,
und zwar 1 Portion: 10,0 mit Gebrauchsanweisung: 1,50 Mk.
(früher 2 Mk).
A. Marggrafs Homöopath. Officin, Leipzig.
BAD UPPSPRINGE
Eisenbahn-Station Paderborn.
Arminias-Quelle, stickstoffreiche Kalktherme.
Erfolgreiches I nnnßlinhthkß besonders im
Heilmittel gegen kUliyoll|JIIIIIU>v er8 ten Stadium.
Asthma and Katarrhe der Respirations-Organe.
Saison: Rai bis September.
Pensions-Hotel; IfurliQIIC staubfrei inmitten
neu renovirt. IVUI ■■«WO. des Parks gelegen.
Auskunft durch die Brnnnen-Administration.
Kaisepbad I A 1 t r enommirte Kaltwasserheilanstalt
--* für das gesammteNatn rhcllvorfnlireii.
Grosser Park.
Bahnlinie München-
Kufstein, -Salzburg.
Licht-, Luft-, Sonnenbäder Soole-
RosenlteimJ
Herrliche Go-
__birgslandschaft
Moor-, Kräuter-, Sand- und kohlen-
i-.ionc-, IjUi i-, sonnennaaer öoole-, Moor-, Krauter-, band- und kohlen-
saure Bäder etc. etc. Stahlquelle. Streng individualisirende Behandlung.
Civile Preise. Prospekt gratis und franco durch die Badeverwaltung
Der dirigirende Arzt Dr. M. Ziinmormann (früher Bad Thalkirchen).
Tencrinm Scorodonia.
Im 131. Bande dieser Zeitung, in No. 25/26, vom
19. December 1895, Seite 199 berichtete Herr Dr. Goullon
aus belgisohen Journalen über wunderbare Heilungen
von Brustkranken (Lungenspitzen - Cavernen, Schwind¬
sucht, Beseitigung tuberculoser Testikel) mit diesem
Mittel. Von allen Seiten wurde es darauf verlangt,
aber leider war es weder in Deutschland, noch Belgien,
noch sonstwo trotz aller Bemühungen aufzutreiben.
Endlich habe ich vorigen Sommer diese Pflanze in
schönster Qualität durch die liebenswürdige Vermitte¬
lung des Herrn Dr. med. Schlegel in Tübingen be¬
kommen und stehe mit der Tinctur und Potenzen gern
zu Diensten.
Leipzig. A. Marggrafs komöopath. Officin.
Digitized by ^»ooQle
Die Revisionen der ärztlichen Hausapotheken betreffend,
Auf häufig vorkorameude Anfragen theile ich hierdurch mit, dass die Herren Revisoren bei selbstdispensirenden
homöopathischen Aerzten bisher Folgendes verlangt haben:
1. Den Approbationsschein. Alle Nicht-Separanda und die weiteren Potenzen
2. ’ Das Zeugnis» über des in Berlin bestandene der Venena und Separanda von D. 4 (inclusive)
Dispensirexamen« aufwärts müssen ausserhalb der Gift- und Separanda-
3. Die Genehmigung zum Halten einer homoopa- schränke in einem dritten Schranke aufbewahrt werden
thisohen Hausapotheke. (Diese wird von dem Re- und „sch warz auf weiss“ signirt sein.— Manche Revi-
gierungspräsidenten auf Antrag nach Prüfung der Yer- soren gehen soweit, für die äusserlichen Mittel Signa-
hältnisse widerruflich ertheilt.) turen ,,weiss auf roth“ zu verlangen, eine derartige
4. Eine Sammlung aller das Selbstdispenslren der Reichsverordnung ist mir jedoch nicht bekannt und bin
homöopathischen Aerzte Deutschlands betreffen* ich der Ansicht, dass man sich diesem Wunsche nicht zu
den Gesetze (z. B. Lorbacher’s Anleitung und die fügen hat. Sind die äusserlichen Mittel sonst richtig
neueren Vorschriften, publicirt in Nr. 5/6 der Allg. signirt— „schwarz auf weiss“ oder „roth auf weiss“, je
homöopath.Ztg., 128.Bd., oder die neuesten Apotheker- nachdem sie Nichtseparanda oder Separanda sind — und
gesetze von Medicinalassessor Feldbaus, Münster i. W.) in sechseckigen Gläsern, so sind sie vorschriftsmässig
5. Ein Journal über die abgegebenen Arzneien (Men- eingereiht.
gen, Inhalt und Taxpreise derselben) mit Namen der Die nöthigen Etiketten sind laut früheren Offerten
Patienten, Datum etc. alle hier zu haben.]
(Alle Mittel müssen jetzt bei Abgabe an die Patien- f) Die nöthigen Waagen, Gewichte, Mörser und Löffel für die
ten mit einer Signatur versehen sein, die ausser dem Gifte und Nicht-Gifte; erstere mit entsprechender Sig-
Namen des dispensirenden Arztes auch den Namen nirung, analog den Vorschriften, die unter e) genannt sind,
des Patienten, Datum, Buchnummer und Anwendungs- In manchen Regierungsbezirken verlangt man nur:
weise des Arzneimittels trägt; solche Etiketten liefere 1 Mörser, 1 Waage, 1 Löffel, je mit „Gift“ signirt.
ich sehr gern und stehe mit Proben zu Diensten.) In anderen für jede Giftsorte, wie Arsenicalia, Alcaloide,
6 . Eine homöopathische Pharmakopoe. (Es ist nicht Mercurialia und Phosphorus, je 1 Waage, 1 Mörser und
gesagt, welche, und nimmt man am besten die von 1 Löffel, separat und besonders signirt.
Dr. Schwabe, da in den Apotheken Nord- und Mittel- (Alles ist auf Lager und wird auf Wunsch geliefert.)
Deutschlands allgemein nach dieser gearbeitet wird.) g) Manchmal wird auch eine Tarirwaage verlangt, die von
7. Revision »massige Einrichtung der Hausapotheke. Aerzten fast nie gebraucht wird und sehr theuer ist (Unter
Dazu gehört: 50—60 Mark sind sie nicht zu haben; ich habe daher
a) Ein separates Zimmer. solche in einfachster Ausführung, auf einfachem Brette,
b) 1 Schrank für die Venena, Tab. B. \ laut für Revisionszwecke genügend, hersteilen lassen, die ich
(Giftschrank) I meinen zum Preise von 24 Mark offeriren kann)
c) 1 „ „ „ Separanda, Tab. C.| früheren h) Ein Arbeitstisch und die sonstigen Utensilien zur Bereitung
(Separandaschrank)] Offerten. von Potenzen, Verreibungen etc. und zur Abgabe der
d) 1 „ „ ,, Nicht-Separanda Arzneien, als: präcisirteWaagen, Gewichte, Mörser,Löffel,
e) Alle in Lorbacher’s Anleitung angegebenen 52 Mittel Trichter, Mensurirgläschen, Fläschchen, Schachteln, Korke,
inD. l.bez.C 1.flüssigen Potenzen oderVerreibungen Beutel etc. etc.
(in einfach. Gläsern mit Korkstöpseln oder in solchen i) In einigen Regierungsbezirken wünschen die Herren Revi-
mit Glasstöpseln, — Quantitäten ä 15,0 genügen). soren von allen in den ärztlichen Hausapotheken vor-
[Alle Venen* — Tab. B. — Urstoffe, Ur- handenen Mitteln die 1. Potenzen vorräthig zu sehen,
tincturen und ihre D. 1., D. 2. und D. 3. Potenzen während meistens nur die unter e) angeführten 52 Mittel
müssen im Giftschranke aufbewahrt werden und in solchen verlangt werden.
„weiss auf schwarz“ signirt sein. ’ k) Ganz peinliche Revisoren verlangen sogar auch ein Waaren*
Alle Separanda — Tab. C. — Urstoffe, Eingangsjournal mit Angabe der Bezugsquellen und Auf-
Urtincturen und ihre D. 1., D. 2. und D. 3. fülirung jedes einzelnen bezogenen Mittels, wozu ich als
flüssigen Potenzen oder Verreibungen müssen im Belege ganz specificirte Rechnungen liefern muss, auf
Separaudaschranke aufbewahrt werden und „roth denen jedes Mittel mit Namen, Gewicht, Potenz und
auf weiss“ signirt sein. Preis einzeln aufgeführt ist.
Alles hier Aufgeführte liefere ich nach früheren Offerten, mit denen ich erneut gerne zu Diensten stehe, bestend
und billigst.
Alle Herren Aerzte ersuche ich um gef. Benachrichtigung, falls nach ihren bei Revisionen gemachten Erfahrungen
obige Angaben nicht vollständig oder falls abweichende Anforderungen gestellt worden sind, damit man in die Lage
kommt, in dieser Angelegenheit ganz exaete Angaben machen zu können, was bisher bei der verschiedenen Handhabung
in den einzelnen Regierungsbezirken nicht möglich war.
Hierzu noch folgende ergänzende Mittheilungen:
Zu No. 8 . Wer das Dispensir-Examen bestanden hat, muss durch seinen zuständigen Kreis-Physicus das vom
Minister ausgefertigte Berechtigungs-Attest der betr. Regierung einsenden Es bedarf zur Ausübung der homöo¬
pathischen Praxis mit Selbstdispensation ebenso wenig einer Genehmigung Seitens der Regierung, wie zur ärztlichen
Praxis überhaupt. Auf die Nachsuchuug einer solchen Genehmigung darf sich kein homöopathischer Arzt einlassen.
Zu No. 5. Angabe der Buchnummer ist nicht überall erforderlich, die Signaturen müssen aber besagen:
Zeit und Gabe, wie die Arzneien zu nehmen, — in Buchstaben —, bei flüssigen Mitteln zum innerlichen Gebrauch
die Etiquetten auf weissein Grunde (in runden Gläsern); zum äusserlichen Gebrauch die Etiquetten auf rotkent
Grunde (in 6 eckigen Gläsern).
Zu No« 7. Alle Venena (Tab. B) in Urstoffen und Ur tincturen zu halten, ist von der Regierung in Minden ver¬
boten und der Minister hat dieses Verbot bestätigt. — AlleMedicamente sollen in 1. Verdünnung (Potenz) vorhanden sein.
A. Marggraf’s homöopathische Offlein, Leipzig.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Offioin) in Leipzig.
Druck von Julius Mäser in Leipzig.
Digitized by ^»ooQie
Band 138
Leipzig, den 11. Mai 1899.
No. 19 u. 20.
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG.
Heraasgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Terlag von William Steinmetz (A. MarggraPs homöopath. Offlein) ln Leipzig
Thomaskirchhof 12.
Erscheint Htägig zu 2 Bogen. 13 Doppelnummem bilden einen Band. Preis JOM. 50 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs -Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. MarggraPs homöopath. Offloin in Leipzig) zn richten
sind, werden mit 20 Pf, pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 5— 8 M. berechnet.
Inhalt. Einladung zur FrQhjahrsversammlung des Sächsisch*Anhaitinischen Vereins homöopathischer Aerzte
am 14. Mai in Halle. — Die Grundgesetze der arzneilichen Organtherapie und ihre Bedeutung für die Praxis. Vor¬
trag, gehalten in der Sitzung des Greifswakler medicinischen Vereins am 11. März 1899. Von Prof. Hugo Schulz,
Greifswald. — Die physiologische Wirkung der Chinarinde und der Chininsalbe. Bearbeitet für die neue deutsche
Arzneimittellehre von Dr. Schier, Mainz. — Berliner homöopathisches Allerlei. Von Dr. Gisevius jun. — Nausea et
vomitus gravidarum. Vortrag von Dr. Franz Elliot-Kansas in der Missouri Valley Medical Association. — Vom
Büchertische. — Lesefrüchte. — Anzeigen.
flW Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage.
Sächsisch-Anhaltinischer Verein homöopathischer Aerzte.
Unsere diesjährige Frühjahrsversammlung wird am 14. Mai in Halle abgehalten werden.
Versammlung Mittag 1 Uhr im Grand Hotel Bode. Die theilnehmenden Mitglieder werden
gebeten, ihr Kommen und die Zahl der Couverts zum üblichen Diner an Dr. Dankert-Halle anzu¬
zeigen.
Der Schriftführer: Der Vorsitzende:
Dr. Alexander Villers. Geh. San.-Rath Dr. Faulwasser.
Die Grundgesetze der arzneilichen
Organtherapie und ihre Bedeutung für die
Praxis.*)
Vortrag, gehalten in der Sitzung des Greifswalder
medicinischen Vereins am 11. März 1899.
Von Professor Dr. Hugo Schulz, Greifswald.
M. H.l Unter den vielen Methoden, deren die
interne Therapie zur Erreichung ihrer Zwecke sich
bedient, steht, was Ausdehnung und Verschiedenheit
der Anwendungsformen ihres Materials anlangt, die
arzneiliche Therapie zweifellos obenan. Mit einem
Gefühle inneren Grauens sieht der augehende
*) Sonderabdruck aus der „Deutschen Medicinischen
Wochenschrift“ 1899, No. 14.
Jünger des Aeskulap die unendliche Menge von
Mitteln und Recepten in dem neuesten Compila-
torium zusammengestellt, das er sich zur Vervoll¬
ständigung seiner Bibliothek erstanden hat. Nach
einigen verzweifelten Anläufen, sich auch nur
einigermassen in die Materie hineinzuarbeiten, legt
er das Buch bei Seite und greift nach einer der
bekannten compendiösen Taschenausgaben, in denen
er eine viel geringere Anzahl „langbewährter“
Recepte vorfindet und die in Folge sinnreicher
innerer Einrichtung ihm auch das weitere Nach¬
denken über den Fall möglichst erleichtern. Es
ist richtig, meine Herren, ein Einzelner vermag
heute die Masse der Arzneimittel nicht mehr zu
übersehen, auch dann nicht, wenn er ihr Studium
sich zur speziellen Aufgabe gemacht hat. Wir
haben aber für solche Fälle, wo die Menge der
19
Digitized by L^OOQie
146
Einzelheiten erdrückend und verwirrend wirkt, in
allen Gebieten der wirklich exacten Wissenschaft
ein Mittel, mit dessen Hilfe wir das scheinbare
Chaos beherrschen und ordnen, bei seinem Studium
uns den leitenden Faden durch das Labyrinth
schaffen können. Dies Mittel heisst kurzgesagt:
Suchen und Finden des Gesetzes oder der Gesetze,
von denen aus alles sich naturgemäss und ohne
Zwang weiter entwickeln muss, oder, mit deren
Hilfe wir kurze und bündige Erklärungen gewinnen
für das, was wir geschehen sehen.
Wenn ein Arzt gegen irgend eine Krankheit
ein Arzneimittel giebt, von dem er mehr als nur j
palliative Hilfe erwartet, so unterwirft er das er- j
krankte Organ oder den leidenden Organismus dem
Einfluss des Reizes, den der Arzneistoff ausüben
soll. Mit anderen Worten: Es wird ein Verhältniss,
eine Art von Wechselbeziehung geschaffen zwischen
dem Arzneimittel einer- und dem Organ anderer¬
seits. Es fragt sich: Existiren für diese gegen¬
seitigen Beziehungen bestimmte, feststehende Ge- j
setze und wie lassen sie sich therapeutisch ver-
werthen?
Der unausgesetzte Process von Werden und j
Vergehen, der das normale Leben eines Organes '
ausmacht und bedingt, lässt sich unschwer mit dem
Verhalten einer feinen Waage vergleichen. Wie
sie in gleichmässiger Amplitude um ihren Ruhe¬
punkt schwingt, so bewegt sich auch das normale j
Organ in seinen Lebensvorgängen innerhalb einer j
gewissen Breite, die wir als die physiologische be- !
zeichnen. Nähert sich das Organ allzusehr und !
ausgesprochen der oberen oder unteren Grenzlinie, |
so reden wir von einem beginnenden pathologischen
Zustande. Er wird um so deutlicher, je mehr der
Grenzwerth der normalen Amplitude einseitig er¬
reicht wird, und spricht sich in zweifellosester Ge¬
stalt dann aus, wenn die Grenze überschritten wird i
oder bleibt. Aufgabe der inneren Therapie ist es, I
diese pathologischen Schwingungen wieder zu nor- ^
malen zu machen. Benutzt sie zu diesem Ende
Arzneistoffe, so müssen diese folgerecht befähigt
sein, in der gewollten Weise auf das kranke Organ
einwirken zu können. Die eigentliche Arbeit aber
hat das Organ selbst zu leisten. Kann es auf den
Arzneireiz, dessen passende Auswahl vorausgesetzt, j
in genügender Weise reagiren, so erreichen wir
unseren Zweck. Ist ihm diese Möglichkeit aus ihm
seihst heraus benommen, so stehen wir machtlos
da. Unmöglichkeit, auf den Arzneireiz noch reagiren
zu können, ist der Sinn des alten Spruches: Contra j
vim mortis nulla herba in bortis!
Wiederholt schon habe ich hier von der Reiz- i
Wirkung gesprochen, die ein Arzneistoff ausübt.
Die Anschauung, dass bei seinem Wirken das je-
weiL in Frage kommende Organ einem Reize unter¬
worfen wird, ist nicht neu. Am deutlichsten, wenn
auch in einseitiger Befolgung ihrer Consequenzen,
ist sie wohl von Brown ausgesprochen worden.
Aber heute erst sind wir in der Lage, uns das
Gesetzmässige in der Reizwirkung einfach und so
verdeutlichen zu können, dass auch die ärztliche
Praxis ihren Gewinn daraus zu ziehen vermag.
Zum leichteren Verständniss für die folgende
Auseinandersetzung wird es sich empfehlen, zunächst
vom gesunden Organ auszugehen und das Gcsetz-
mässige festzustellen in den Beziehungen zwischen
ihm und irgend einem Arzneistoffe, der es zu be¬
einflussen vermag.
Unser College Rudolf Arndt hat das Ver¬
dienst, zuerst, und zwar zur Deutung des Gesetzes
der Entwickelung und des Verlaufes der Psychosen,
das Ihnen allen bekannte, zuerst von Pflüger ge¬
nau präcisirte, sogenannte Zuckungsgesetz und
ferner das demselben speziell für pathologische
Fragen sich anschliessende Ritter-Valli * sehe Ge¬
setz zur Grundlage seiner weiteren Ueberlegungen
gemacht zu haben. Veranlasst durch das Studium
dieser Frage, habe ich dann im Jahre 1887 die
Giltigkeit derselben Gesetze für die Arzneiwirkung
bewiesen.*) Arndt hat seiner Zeit unter dem
Namen des „biologischen Grundgesetzes“ folgende
Sätze aufgestellt: „Kleine (schwache) Reize fachen
die Lebensthätigkeit an, mittelstarke fördern sie,
starke hemmen sie, stärkste heben sie auf. Aber
durchaus individuell ist, was sich als einen schwachen,
einen mittelstarken, einen starken oder einen
stärksten Reiz wirksam zeigtDiese Sätze ent¬
halten zwei wesentliche Punkte: Die Bedeutung der
Intensität des Reizes und, was besonders zu be¬
achten, die strenge Berücksichtigung der Indivi¬
dualität des gereizten oder zu reizenden Organes,
mit anderen Worten: des einzelnen Falles. Und
nun, meine Herren, prüfen Sie einmal die Richtig¬
keit des biologischen Grundgesetzes, indem Sie sich
kurz erinnern an die Verschiedenheit und doch
streng dem Gesetze folgende Wirkung eines Arznei¬
stoffes, wie zum Beispiel des Alkohols, auf das ge¬
sunde menschliche Gehirn. Ebenso, wie die psy¬
chischen Functionen durch kleine Alkoholdosen an¬
gefacht werden, durch grössere mehr und mehr
vorübergehender oder dauernder Vernichtung an¬
heimfallen, genau so verhält es sich überall, wo
wir in der lebenden Natur die Aeusserungen vor¬
handener Reizwirkungen studiren wollen. Gestatten
Sie noch ein weiteres Beispiel. Wir sind gewohnt,
Substanzen, die in einer gewissen niedrigen Menge
wirkend als noch für das Lehen gefährlich sich er¬
weisen, als Gifte zu bezeichnen. So ist das Sublimat
*) Zur Lehre von der Arzneiwixkung. Vircbow’s Archiv
Bd. CYIII, S. 42«L
Digitized by Y^ooQle
147
ein starkes Protoplasmagift, das heisst, es wirkt
noch in geringen Mengen tödtlich oder doch
schädigend auf das Leben der Gewebe und Organe
ein. Man kann das unter anderem sehr deutlicli
wahrnehmen bei der Hefenzelle, deren bekannte
physiologische Leistung, die Production von Alko¬
hol und Kohlensäure aus Zucker, noch durch stark
verdünnte Sublimatlösungen unmöglich gemacht
wird. Vom Standpunkte des biologischen Grund¬
gesetzes aus stellt also Sublimat in den gebräuch¬
lichen Verdünnungen einen „stärksten“ Reiz für
die Hefezelle dar. Ist das Gesetz richtig, so muss
dieser Reiz sich unter bestimmten Bedingungen so
modificiren lassen, dass er zum „schwachen“ wird
und dann anregend statt tödtend auf die Hefezellen
einwirkt. Dass dem in der That so ist, habe ich
zuerst nachgewiesen*), und die Untersuchungen
anderer Forscher haben meine Befunde bestätigt.
Verdünnt man Sublimat in dem Verhältnisse von
1 : 7—800000 Theile Wasser, was also der Lösung
von Sublimat zu einem Gramm in 7—800 1 Wasser
entspricht, und behandelt mit einer solchen Lösung
die Hefe, dann arbeitet sie ganz gewaltig und
liefert erheblich mehr der als Product dieser Arbeit
bestimmten Kohlensäure, als ohne diesen Zusatz.
Dasselbe gilt für Jod, Brom, Arsen, Salicylsäure,
Ameisensäure in gewissen, von der Art dieser Sub¬
stanzen abhängigen Modalitäten. Aus alle diesem
folgt: Richtig gewählt sind die reizwirkenden Stoffe
befähigt, gegebenen Falles auch schon in minimal
erscheinenden Quantitäten auf normale Organe so
zu wirken, dass eine erhebliche Steigerung ihrer
physiologischen Thätigkeit daraus folgen kann.
Die praktische Medicin arbeitet aber bekannt¬
lich mit kranken Organen, und es würde ihr nicht
viel damit geholfen sein, wenn die bisher gegebenen
Auseinandersetzungen nur für die gesunden Organe
und Organismen Giltigkeit hätten. Wir müssen zur
Klarstellung dieser Frage nunmehr auf einen
zweiten, ebenso wie das Zuckungsgesetz physio¬
logisch feststehenden Lehrsatz zurückgehen. Das
Ritter-Valli’sche Gesetz, die Lehre vom Elektro-
tonus ahsterhender Nerven lehrt uns, dass für sie
schon Ströme zur Erzeugung von Reizerscheinungen
genügen, die für den gesunden Nerven kaum als
Reiz sich geltend machen. Für uns folgert daraus:
Also muss ein krankes Organ feiner reagiren auf
einen Arzneistoff, dessen Einfluss es überhaupt
unterworfen werden kann, als ein gesundes. Dosen,
die das gesunde Gewebe kaum beeinflussen, müssen
dem kranken Organ gegenüber schon als leistungs¬
fähig sich erweisen. Gestatten sie zur Ulustrirung
einen höchst alltäglichen Beleg, der zugleich zeigt,
dass unter bestimmten Verhältnissen die „Er-
*) Ueher Hefegifte. Pflüger’s Archiv Bd. XL1I, S. 517.
krankung“ gar nicht einmal so besonders tief¬
gehend zu sein braucht, um ein Organ reizeinpfind-
lich zu machen. Die Raucher unter Ihnen wissen,
dass sie mit jedem Zuge ihrer Cigarre ein Quantum
an Ammoniak und anderen reizenden Substanzen
reichen Dampfes entnehmen, das die Schleimhaut
der Mund- und Rachenhöhle überströmt, ohne dass
man dabei besonders viel merkt. Man hat sich
daran gewöhnt, es besteht eine Art Gleichgewichts-
verhältniss zwischen dem Empfindungsvermögen der
Schleimhaut und dem Reiz des Tabaksdampfes.
Eines Tages bekommt man eine leichte Angina,
und sofort wird der gewohnte Cigarrenrauch schmerz¬
haft empfunden. Warum? Inspicirt man seine
Rachenhöhle, so findet man dort, abgesehen von
einiger Schwellung und vermehrter Röthung der
Schleimhaut, alles in bester Ordnung. Nirgends ist
vor allem ein Epithelialdefect ersichtlich, der den
Zutritt des Dampfes zu bisher geschützt gewesenen
Theilen gestattete. Aber die geringfügige Ver¬
änderung, die wir feststellen, bedingte vom Augen¬
blick ihres Entstehens an für die Schleimhaut und
damit auch für die in ihr befindlichen Nerven eine
Ernährungsstörung, eine Veränderung des physiolo¬
gischen Gleichgewichts. Der dadurch erzeugte Reiz
addirt sich zu dem durch Tabaksrauch hervor¬
gerufenen. Dadurch wird dieser, sonst kaum em¬
pfunden, lästig und schmerzhaft. Es lehrt aber
das hier gewählte Beispiel noch etwas Anderes. Es
zeigt uns, wie bedeutungsvoll der Zustand des
Organes ist für seine Reaction auf Reizwirkungen,
die es treffen. Es erklärt eine grosse Anzahl von
pathologischen Erscheinungen hinsichtlich ihrer Ent¬
stehung, gleichgültig, welcher Art der schädigende
Reiz ist. Dass ein aus seinem normalen Gleich¬
gewicht gebrachtes Organ ein Heerd zur Ent¬
wickelung der verschiedensten Leiden werden kann,
und dass nicht zum mindesten die Beschaffenheit
des Nährbodens auch in der Genese der Infections-
krankheiten ihre hervorragende, wenn nicht allein
ausschlaggebende Bedeutung hat, ergiebt die an
das bisher Gesagte anknüpfende, weitere Ueber-
legung. Denken Sie nur an die Häufigkeit der
Entwickelung von Furunkulosis bei Diabetikern und
Chlorotischen. Die in ihrer Ernährung gestörte
Haut erweist sich mit einem Male als passende
Brutstätte und geeigneter Nährboden für Infections-
erreger, die auf dem gesunden Organ keine Ge¬
legenheit zur Weiterentwickelung finden. Einen
anderen, der Arzneiwirkung direct entnommenen
I Beleg für die Richtigkeit des Gesagten finden wir
| unter Anderem in der Behandlung der Rhachitis mit
Phosphor. Warum erkranken die so behandelten
i Kinder nicht an Phosphorvergiftung? Die Antwort
liegt jetzt klar da: Die eingeführten Phosphor-
I mengen sind für die gesunden Organe viel zu ge-
19*
Digitized by k^ooQle
148
ringfügig, um irgend welchen unangenehmen Effect
an ihnen deutlich werden zu lassen. Aber da, wo
das Periost pathologisch arbeitet und ein Knochen¬
gewebe entstehen lässt, das auf die Bezeichnung
als normales keinen Anspruch erheben kann, da
sehen wir den Phosphor anfassen, sehen wir die
Thätigkeit des Periostes zur normalen, physiolo¬
gischen Höhe sich heraufarbeiten und das von ihm
abhängige Knochenwachsthum sich entsprechend ge¬
stalten. Und wenn Sie dem Phthisiker Morphin
in der üblichen Verdünnung mit Bittermandelwasser
geben, so sehen Sie den pathologischen Hustenreiz
sich mildern, ohne dass die narkotische Wirkung
des Alkaloids auf das Gehirn zum Ausdruck ge¬
langt. Kranke Organe , kranke Organismen , reagiren
schon auf Arzneireize, die für gesunde noch als
wirkungslos angesehen werden können .
Die Aufgabe, festzustellen, welche Organe der
Wirkung eines Arzneimittels unterstehen, und damit
gleichzeitig dessen Angriffspunkte im Körper kennen
zu lernen, lässt sich in verschiedener Art und Weise
lösen. Der älteste Weg ist zweifellos die Be¬
obachtung der Arzneiwirkung am Krankenbette
selbst. Zur Aufklärung mancher, das ärztliche
Interesse herausfordernder Erscheinungen wie auch
zu einer vorläufigen Orientirung über das Verhalten
bis dahin unbekannter Mittel wird der Thierversuch
unternommen und stets unumgänglich nothwendig
bleiben. Vieles lehrt auch die Geschichte der Ver¬
giftungen, der bewussten und unbewussten Eingriffe
in Leben und Gesundheit. Besonders geeignet aber
zum Studium der Arzneiwirkung ist, wie das auch
in früherer Zeit schon mehrfach anerkannt wurde,
der Versuch am gesunden Menschen. In zweck¬
entsprechender Weise und unter möglichster Aus-
schliessung alles dessen, was zu Irrthümern Ver¬
anlassung bieten kanD, angestellt, liefert diese Me¬
thode ganz besonders deutliche und speziell für
die Therapie werthvolle Ergebnisse. Wesentlich ist
dabei, dass man nicht in der Weise vorgeht, dass
grössere Arzneidosen auf einmal genommen werden,
sondern dass man dem zu untersuchenden Arznei¬
körper dadurch, dass man ihn täglich, oft wochen¬
lang, in kleinen Mengen nimmt, Zeit lässt, seine
Wirkung zu entfalten. Man sieht dann den Arznei¬
reiz sich allmählich entwickeln, lernt eine Reihe
mehr allgemeiner und bei genügender Zahl von
Einzelbeobachtungen auch individuellere Angriffs¬
punkte kennen, deren Gesammtheit dann das eigent¬
liche Bild der Arzneiwirkung darstellt. Eine fast
zwanzigjährige Anwendung dieser Art des Arznei¬
studiums giebt mir die Berechtigung, über deren
Brauchbarkeit für Theorie und Praxis mich in dieser
Weise äussern zu können. Gern möchte ich an
dieser Stelle es aussprechen, dass ich mich bei
dieser Art der Arzneiprüfung der oft recht opfer¬
vollen Unterstützung einer grossen Zahl meiner
Schüler und jüngeren Collegen habe erfreuen
dürfen.
Solche Selbstversuche mit Arzneimitteln führen,
wenn sie ein bestimmtes Stadium erreicht haben,
zu einem Ergebnisse, das auf den ersten Blick
befremdlich scheinen will. Man erlebt Veränderungen
und Schmerzempfindungen an Organen, von denen
man weiss, dass sie für den Kliniker gerade be¬
stimmend sind, das zum Versuche gewählte Mittel
therapeutisch zu benutzen. Die Erklärung dafür
ist ebenso einfach wie schliesslich selbstverständlich.
Wir erfahren zunächst, dass das betroffene Organ
durch das gewählte Mittel überhaupt angefasst
wird. Die Physiologie lehrt, dass es am letzten
Ende gleichgiltig ist, welcher Art der Reiz sein
muss, mit Hilfe dessen wir den Nerven anregen
und die Muskelzuckung auftreten sehen. Das, wo¬
rauf es ankommt, ist die Intensität des Reizes,
deren feinere Abstufung für physiologische Zwecke
allerdings am bequemsten durch Anwendung des
elektrischen Stromes zu erzielen ist. Die weitere
Ueberlegung dessen, was wir aus der allgemeinen
Pathologie wissen, führt dann zu folgendem Schluss:
Da jedes Organ, abgesehen von der Genese der
sogenannten Neubildungen, die uns zur Zeit noch
nicht genügend klar ist, auf einen schädigenden
Einfluss immer nur in der, durch seine anatomische
und histologische Structur und seine physiologische
Stellung ein für allemal feststehenden Art und
Weise sich verändern kann, so müssen auch die
Arzneireize, bei einer gewissen Intensität angelangt,
entsprechende Organveränderungen auftreten lassen.
Die äusseren, reizenden Momente wechseln, ihr
Object, das auf sie reagirt, bleibt dasselbe. Nun
begreifen wir das Gesetzmässige in der Beobachtung,
die der Münchener Chirurge Nussbaum einmal
ausgesprochen hat, dass es Constitutionen gebe, bei
denen man durch den Gebrauch des schwefel¬
haltigen Ichthyols Ekzeme machen könne, trotzdem
derselbe Stoff so wunderbar oft auf Ekzeme heilend
wirke. Und ferner sehen wir den Grund ein,
warum Strümpell bei Besprechung der Therapie
der Tabes dorsalis in seinem Lehrbuch mit Recht
sagt: „Darin, dass trotz des Vorkommens einer
,Ergotintabes‘ das Ergotin auch als Mittel gegen
die Tabes empfohlen wird, liegt nur ein schein¬
barer Widerspruch. Es ist sehr wohl möglich, dass
dasselbe Mittel, welches in grossen Dosen gewisse
Fasersysteme zur Atrophie bringt, in kleineren
Dosen irgendwie günstig (erregend) auf dieselben
einwirkt.“ Es kann eben gar nicht anders sein,
als wir es in der That geschehen sehen. Einen
geradezu typischen Beleg dafür haben wir in einer
Thatsache, die schon so oft in der Literatur das
Für und Wider den Autoren in die Feder dictirt
Digitized by
Google
149
hat. Das luetische Virus hat in einem bestimmten
Stadium seines Wirkens im Organismus dieselben
Angriffspunkte, wie das Quecksilber. Wird letzteres
nun zur Ungebühr angewandt, so müssen die Or¬
gane, die es doch nur in ihrem Kampfe um die
Existenz mit dem luetischen Gifte in heilbringender
Weise unterstützen sollte, ebenso erkranken, wie
unter dem Einfluss der Lues allein. Daher erklärt
es sich denn auch, wie der Streit der Mercurialisten
und ihrer Gegner überhaupt möglich sein konnte.
Es treten uns unter der vorher genannten Voraus¬
setzung in der That Krankheitsbilder entgegen, die
die Entscheidung schwer machen, ob wir es mit
Lues oder Quecksilbervergiftung zu thun haben.
Und solcher Beispiele giebt es noch viele. Sie
liefern den wenig erfreulichen Beitrag zur Geschichte
der Arzneikrankheiten, die fast immer ihren Grund
haben in der, allerdings nicht bewussten, Ueber-
tretung eines fundamentalen Naturgesetzes.
|
i
Bei jedem Versuche, durch Arzneimittel Organ¬
leiden zu beseitigen, die Arzneikräfte in ziel¬
bewusster Weise auszunutzen, müssen die Gesetze,
die Ihnen zu entwickeln ich heute die Ehre gehabt
habe, die Grundlage bilden. Gleichgiltig ist dabei,
ob die vollkommene Heilung möglich ist, oder ob |
wir nur die Art des Bestrebens der Natur fördern |
können, die in der schliesslichen Vernarbung des
einmal zerstörten Gewebes ihren Ausdruck findet.
Man darf von der Arzneiwirkung auch nicht zu
viel verlangen wollen.
M. H.l Ich habe heute als Vertreter der Arznei- 1
mittellehre zu Ihnen gesprochen. Der Ihnen ge¬
schilderte Weg ist meiner Ueberzeugung nach der
einzige, auf dem weiter arbeitend die Pharmako¬
therapie die Stellung sich dauernd sichern kann,
die ihr gebührt Feststehende und anerkannte Ge¬
setze der Physiologie und Pathologie bilden den I
Ausgangspunkt dieses Weges. Er giebt uns zu- j
nächst ein ganz anderes Bild, als das gewohnte es
ist, von dem Werthe der Arzneimittellehre selbst.
Ihr Studium gestaltet sich deshalb zu einem be¬
sonders anregenden, weil wir dabei immer nur die
Erkenntniss der Wechselwirkung zwischen Arznei-
stoff und menschlichen Organ oder Organismus im
gesunden und kranken Zustande als festes Ziel im
Auge behalten. Den Vortheil eines derart be¬
triebenen Studiums der Arzneiwirkungslehre hat
die ärztliche Praxis. Es führt uns ohne weiteres
und aus innerer Nothwendigkeit heraus zu einer
arzneilichen Organthei'cipie.
Die von Virchow begründete Cellularpathologie \
und ihre fundamentale Bedeutung für die Ent¬
wickelung der gesammten Pathologie würde uns die
Berechtigung geben, anstatt des eben benutzten
Ausdruckes „Organtherapie“ lieber den, der all- (
gemeinen Anschauung vielleicht mehr entsprechen¬
den der „Cellulartherapie“ für die Ihnen heute ge¬
gebenen Anschauungen zu wählen. Absichtlich habe
ich davon Abstand genommen. Der Arzt behandelt
am Krankenbette nicht kranke Zellen, sondern
kranke Organe. Das, was er sieht und was der
Patient fühlt, sind nicht die an den einzelnen
Zellen geschehenden Veränderungen, sondern die
von den Organen im einzelnen und in der Ge-
sammtheit gebotenen, vom Normalen abweichenden
Erscheinungen. Die Zelle gehört der theoretischen
Wissenschaft, das Organ, der Organismus der Praxis.
Was an den pathologisch arbeitenden Zellen sich
vollzieht, wenn wir Arzneistoffe wirken lassen, da¬
von können wir uns höchstens Vorstellungen machen,
von einem gegründeten Wissen ist in dieser Hin¬
sicht heute noch keine Rede, kanu es auch bei der
grossen Schwierigkeit, die der endlichen Lösung
dieser Frage entgegensteht, nicht wohl sein. Mit
Hypothesen, seien sie auch noch so geistreich er¬
dacht und auf den ersten Anblick bestechend, ist
aber der ärztlichen Praxis, der Therapie im wahrsten
Sinne des Wortes, nicht gedient. Es mag einmal
die Zeit kommen, wo wir die volle Berechtigung
haben werden, von einer arzneilichen Cellular¬
therapie reden zu dürfen, ohne dabei nur mit einem
Begriffe zu arbeiten. Das uns zunächst gesteckte
und erreichbare Ziel, die arzneiliche Organtherapie,
hoffe ich Ihnen heute als factisch erreichbar ge¬
schildert und die zu ihrer Erreichung und erfolg¬
reichen Durchführung unumgänglichen Grundgesetze
ihrem Wesen nach entwickelt zu haben. —
Sehr gern haben wir die von dem geehrten
Herrn Verfasser freundlich gewährte Erlaubniss zum
Wiederabdruck des obigen Vortrages benutzt; ist
derselbe doch in hohem Grade geeignet, die Collegen
der alten Schule mit Grundanschauungen bekannt zu
machen, welche mit den von der homöopath. Schule
vertretenen Prinzipien in der Wirkungslehre der
Arzneien, deren praktische Anwendung und Gaben¬
grösse so nahe verwandt und von ihm durch Zurück¬
führung auf physiologische Gesetze, durch das Ex¬
periment und stricte, logische Deduction begründet
sind. Angesichts der von Herrn Prof. Schulz für
die Medicotherapie entwickelten Grundsätze, die
er mit unermüdlicher, dankenswerther Ausdauer
den ärztlichen Berufsgenossen immer wieder und
wieder vorlegt, werden sie schliesslich doch zur
Erkenntniss kommen müssen, dass die Homöopathie
nicht die Caricatur von Heilwissenschaft und Heil¬
kunst sei, wie einige aus ihrem Lager, jedenfalls
mehr aus Unkenntniss als Böswilligkeit, sie wieder
und wieder darzustellen belieben. D. R.
Digitized by k^ooQie
150
Die physiologische Wirkung der Chinarinde
und der Chininsalbe.
Bearbeitet für die neue deutsche Arzneimittellehre
von Dr. Schier, Mainz.
„Die vielfachen Versuche, zu einer Theorie der
Wirkung des Chinins zu gelangen,“ — schreibt
Griesinger noch in seinen ,, Infectionskrank-
heiten“ — ,,haben bis jetzt keine Resultate er¬
geben. Dass es den sog. Chininrausch erregt, dass
es die Gallenabsonderung zu verringern scheint,
dass es bei grösseren Gaben die Pulsfrequenz herab¬
setzt und den Herzschlag, oft nach primärer Auf¬
regung, schwächt, dass es bei Gesunden die Harn-
säureausscheidung vermindert, dass bei starken Ver¬
giftungen zuweilen das Blut sich nicht mehr gerinnbar
zeigt und spontane Blutungen auftreten — alle
diese vereinzelten Thatsachen fördern uns nicht.
Während die erfahrungsm/issige Wirkung des Chinin
auf Neurosen verschiedener Entstehung an eine
vornehmliche Wirkung auf die Nen'enapparate auch
bei der Intennittens denken lässt, so zeigt sein
günstiger Erfolg hei noch nicht zu alten, aber schon
fieberloscn Milztumoren und den damit verbundenen
mässigen Graden der Kachexie, wie auch bei den
anhaltenden Fiebern, dass ihm auch ein sehr er¬
heblicher Einfluss auf die im Intermittensprocesse
gestörten vegetativen Vorgänge und Blutverämlerungen
selbst zukommt. Milzschwellung, aussetzende oder
anhaltende Fieberanfälle, andere nervöse Störungen,
Affection der Gastro-Intestinalschleimhaut, Nieren-
affection, alle diese Vorgänge, insofern sie durch
die Wechselfieberursache bedingt sind, scheinen
durch das Chinin nicht eines nach dem andern,
sondern wie aus einem gemeinschaftlichen Mittel¬
punkt heraus modificirt und gehoben zu werden.“
Heute unterliegt es nicht dem geringsten Zweifel,
dass, homöopathisch ausgedrückt, den Typus der
Chinakrankheit das einfache Malariafieber bildet;
diese Thatsache ist für die Erklärung der physio¬
logischen Wirkung unseres Mittels von äusserster
Wichtigkeit und bedarf daher besonderer Erläute¬
rung. Die Wirkung der Chinarinde, deren Unter¬
suchung bekanntlich Hahnemann zur Entdeckung
des Aehnlichkeitsgesetzes führte, — vergl. Culleus,
Materia medica II, S. 109, Leipzig 1790 — ist
auch, wie kaum ein anderes Mittel, geeignet, uns
die äussersten Consequenzen dieser Heilmaxime klar
zu machen. Die Thatsache, dass nicht jede der
vielen Formen des Wechselfiebers der sicheren
Wirkung der officinellen Königschinarinde unter¬
liegt, lässt, unter steter Zugrundelegung des Aehn¬
lichkeitsgesetzes, die Annahme gerechtfertigt er¬
scheinen, es möchten den verschiedenen Formen des
Malariafiebers die mannigfachen Varietäten des China¬
baumes und der ihm verwandten Gewächse ent-
1 sprechen. Die kosmischen und terrestrischen Ein-
1 flösse, welche bei den animalischen Lebewesen,
speciell dem Menschen, die Disposition zu Erkrankung
an Malaria verursachen hez. die Existenzfähigkeit
der Malariaprotozoen bedingen, sind von mass¬
gebendem Einflüsse auf das Gedeihen der China¬
rindenbäume und der verwandten Gewächse, sie
produciren quasi durch Vermittelung des hier wie
in so vielen Fällen antagonistisch wirkenden Pflanzen¬
reiches selbst den potenzirten Heilstoff, der auf den
erkrankten Menschen ähnlich wirkt wie das krank¬
machende Agens und so das Simillimum darstellt.*)
Das Verhältniss des Chinins als Heilmittel gegen¬
über den übrigen Chinaalkaloiden gestaltet sich in
den einzelnen Krankheitszuständen verschieden, doch
steht Chinin bei dem Malariafieber höher als die
übrigen Chiuinbasen und wird in der Allopathie
. auch wegen der Möglichkeit genauer Dosirung be¬
kanntlich fast durchgängig als völliger Ersatz der
Rinde verwendet.
Nach dem homöopathischen Princip also, sowohl
wie auf Grund der Erfahrung, steht fest, dass die
Königschinarinde in toto das Simillimum für das
einfache Malariafieber — nach meiner Theorie speciell
die Rinde der jeweiligen Cinchonaart für die betr.
endemische Form der Malaria — darstellt, ausser¬
dem ein Simile ist für manche andere Beschwerden,
welche nicht durch Malaria bedingt, doch den durch
jene Krankheit hervorgerufenen Symptomen ähn¬
lich sind.
Die in den oben citirten Bemerkungen Grie-
*) Anmerkung. Ich habe diese Theorie, welche, wie
man auf den ersten Blick sieht, don wichtigsten philo¬
sophischen Postulaten, dem Zweckraässigkeitsgesetze sowie
dem tiesetze der Einfachheit in. der Natur, auch den Er-
fahrungsthatsachen. entspricht, in mehreren Aufsätzen,
welche zumeist in der Allg. homöopath. Ztg. Bd. 125 u. flgd.
publicirt wurden, des Näheren erläutert und begründet.
Eine der betr. Beweisstellen darf ich, da sie zum Thema
gehört, kurz hier recapitnliren (vergl. 1. c. Bd. 125 S. 120):
1 in II. Bd. seiner .,Reisen in Südafrika“ schreibt Living-
stone gelegentlich der Schilderung seines Aufenthaltes in
; der portugiesischen Station Tete amZambesi: „Am 4. April
trat mit dem Neumond plötzlicher Temperaturwechsel ein,
■ und der Commandant, ich und fast alle Bewohner seines
Hauses wurden von heftigem Fieber befallen. Mein Chinin
und die übrigen Mittel waren fast ganz erschöpft und
frische Mittel hier nicht zu finden Die Portugiesen sagten
mir indessen, es wüchsen Chinarindenbäume bei ihnen, in
geringer Anzahl in Tete, ganze Wälder bei Serma und
nahe am Delta von Kiliniane. Man sieht das Walten der
i Vorsehung darin, dass das Heilmittel gegen das Fieber in
grösster Menge sich dort findet^ wo man seiner am meisten
bedarf. Als ich die Blätter sah, fand ich, dass es nicht
die Cinchona longifolia war, von welcher das Chinin in
den Handel kommt, aber aus Namen und Eigenschaft der
j Riude erkannte ich, dass es ein verwandter Baum sein
I müsse. Ich wandte sogleich ein Decoct der Wurzelrinde
I an, und dies that so gute Wirkungen, dass meine Leute
solche Rinde sammelten und in kleinen Säcken für die
i Heimkehr auf bewahrten.“
Digitized by
Google
151
singer’s unentschiedene, bis heute durch wissen¬
schaftliche Versuche Seitens der Schulmedicin noch
immer nicht ganz klargestellte Frage, ob das Chinin
vorzugsweise auf das Nervensystem wirke oder die
bei der Malaria gestörten vegetativen Vorgänge
und Blutveränderungen beeinflusse, ist für den Ho¬
möopathen leicht zu beantworten: Die Chinarinde
beseitigt nicht einzelne durch das Malariafieber her¬
vorgerufene Symptome, sondern löscht als Similli-
mum die Krankheit in toto, das Fieber sowohl wie
die dadurch entstandene Kachexie, mit naturgesetz¬
licher Nothwendigkeit und Sicherheit aus — nota¬
bene, sobald die Bedingungen des Aehnlichkeits-
gesetzes erfüllt sind.
Physiologisch ist diese Wirkung erklärlich: ein¬
mal durch die specifische Giftwirkung der China¬
rinde auf die Malariaprotozoen, dann auch durch
die Herabsetzung der Lebensenergie der farblosen
Blutkörperchen, welche im Blute selbst sowohl als
im Knochenmark und Milz den Keimboden der
Krankheitserreger darstellen, endlich und haupt¬
sächlich durch die Steigerung der vitalen Energie
des befallenen Organismus ira Kampfe gegen das
eingedrungene Gift. Ob bei der Malaria die Pro¬
tozoen die einzige Ursache der Erkrankung bilden
oder nur als Parasiten aufzufassen sind, für welche
die endemischen Einflüsse den Nährboden im Blute
vorbereiten, ist hier irrelevant.
Ceci hat constatirt, dass die von Klebs und
Tommasi als Erzeuger des Malariafiebers aufge¬
fundenen Protozoen äusserst empfindlich auf Chinin
reagiren; ihre vitale Energie wird durch die spe¬
cifische Giftwirkung des im Blute kreisenden Chinins
vernichtet oder doch zum Mindesten so sehr ge¬
schwächt, dass sie der gleichzeitig wirkenden Heil¬
tendenz des Organismus, welche ja in vielen Krank¬
heitsfällen allein die Heilung vollbringt und durch
das Chinin in ganz specifischer Weise zum Kampfe
gegen die Infection gesteigert wird, nicht lange zu
widerstehen vermag.
Auch gegen andere niedere Krankheitserreger
erweist sich das Chinin als starkes Gift und wirkt
um so intensiver, je ähnlicher in ihren Lebens¬
bedingungen die betr. Organismen den Protozoen
der Malaria sind.
Bringt man, nach Binz, 1 Tropfen Pflanzen¬
jauche unter dem Mikroskop zusammen mit 1 Tropfen
neutraler oder schwach basischer Chininlösung, so
gewahrt man bei einer Concentration von etwa
1 : 200 sofortige Lähmung der lebhaft umher-
schwärroenden Organismen; sie liegen regungslos
da, werden fast augenblicklich schwärzlich granulirt
und zerfliessen bald zu Detritus. Selbst noch bei
einer Verdünnung von 1:20,000 zeigten frische Para-
mecien in Heujauche schon nach 5 Minuten be¬
ginnende Lähmung und waren nach 2 Stunden
bewegungslos, einige Stunden später zu Detritus
: zerfallen. Den letzten Grund anzugeben, weshalb
das chemisch fast indifferente Chinin den zerstören¬
den Einfluss auf das Protoplasma dieser Organis¬
men ausübt, vermögen wir bis jetzt nicht, werden
es wahrscheinlich auch niemals vermögen. Wir
können höchstens diese specifische Wirkung dahin
umschreiben, dass das Chinin diese Gebilde, welche
sehr leicht ersticken, — so dass sie in einer ver¬
schlossenen Flasche nach kurzer Zeit zerfallen, —
der Fähigkeit beraubt, Sauerstoff aufzunehmen. Die
Erklärung Rossbach’s, der oxydationshemmende
Einfluss des Chinins auf manche Arten von Proto-
i plasma beruhe auf dem Zustandekommen einer Ver¬
bindung zwischen beiden, welche viel schwerer
oxydirbar sei als das Protoplasma allein, ist auch
zu grob, als dass wir uns ihr anschliessen könnten;
auch Binz constatirt, dass die plötzliche Wirkung
, neutraler Chininlösungen auf die grösseren Gebilde
in dieser Weise nicht erklärt werden können, welche
zuweilen fast augenblicklich von Chinin geradezu
zerrissen wurden; oft platzen sie, ihr aufgeblähter
Kern stürzt hervor, und binnen wenigen Minuten
1 ist jede Spur der Zellform und der Organe ver¬
schwunden.
Wie schon oben angedeutet ist, lässt das Chinin
eine ganze Reihe von Fermenten unversehrt; be¬
sonders widerstandsfähig gegen dasselbe zeigen sich
die Infusorien, welche in stark kochsalzhaltigem
Wasser leben. Auch die Umwandlung von Stärke
in Zucker durch den Speichel, von Eiweiss in
Peptone durch den Magensaft sah Binz in fast un¬
gestörter Weise in Gegenwart von Chinin vor sich
gehen. Im Allgemeinen aber wirkt es, je nach
seiner Concentration, verzögernd oder unterdrückend
auf die von geformten Fermenten abhängigen Pro-
cesse, namentlich auch auf die Fäulnissgährung der
Eiweisskörper, die Gährung des Alkohols, der Milch¬
säure und Buttersäure aus dem Zucker, der Essig¬
säure aus dem Alkohol, des Sumpfgases aus der
I Cellulose; auch die Vergiftung des lebenden Thieres
durch faulige Jauche, das septicftmische Fieber,
versuchte man durch Chinin zu bekämpfen, wenn¬
gleich mit nicht zufriedenstellendem Erfolge, da bei
der ungenügenden Specifität der Wirkung zu grosse
lebensgefährliche Dosen erforderlich waren.
Sehr in die Augen fallend ist andererseits der
lähmende Einfluss des Chinins auf die weissen Blut¬
körperchen, selbst noch bei einer Verdünnung des
Chinins von 1 : 20,000. Am deutlichsten beweisen
dies die Versuche von Binz, der bei künstlich her¬
vorgerufener Entzündung im Froschmesenterium con-
statirte, dass das Chinin bei innerlicher Darreichung
I sowohl als bei örtlicher Application den Durchtritt
I der weissen Zellen bedeutend hemmt oder ganz
| auf hebt, und auf diese Weise den Eiterungsprocess
Digitized by
Google
152
auf hält bez. zum Stillstand bringt; auch bei ge- |
sunden Warmblütern, z. B. Katzen, gelang es ihm |
nachzuweisen, dass Chinin die Quantität der weissen j
Blutzellen vermindert, zuweilen auf 7*o des Nor¬
malen. Diese Resultate wurden bestätigt durch die
Arbeiten von Herbst, Schauenbroich, Jerusa-
limsky u. a. Der Erfolg ist unabhängig von dem
Verhalten des arteriellen Druckes und kommt da¬
durch zu Stande, dass den weissen Blutkörperchen
unter den Symptomen der Lähmung die Affinität
zum Sauerstoffe des Hämoglobins, der das Incitament
ihrer selbständigen Bewegungen und damit ihrer
Emigration aus Venen und Capillaren ist, geschmälert
wird. Das Chinin bindet, wie auch die Versuche
von Manassein beweisen, den Sauerstoff quasi
fester an das Hämoglobin und verzögert also auch
in rein elementarer Weise, ohne Intervention des
Nervensystems, die Verbrennung im Blute.
In denjenigen Fällen also, in welchen das Chinin
specifisch wirkt, vor allem bei der einfachen Malaria,
ist der Temperaturabfall physiologisch erklärlich
durch die hemmende Beeinflussung der pi'oloplas-
matischen Zellenthätigkeit einerseits , durch die directe
Vernichtung des inficirenden Agens andererseits; eine
Abhängigkeit der Wirkung vom Herzen sowie von
den die Temperatur regulirenden Centren des Nerven¬
systems ist wohl denkbar, doch zur Erklärung der
Wirkung nicht erforderlich. Es wird ja in den
einschlägigen specifischen Fällen durch das Chinin
nicht allein der Fieberanfall unterdrückt, sondern
die Kachexie, von welcher der Fieberanfall nur ein
Symptom ist, in ihrer Totalität gehoben. Auch die
prophylaktische Wirkung des Chinins gegen das
Malariagift wäre durch eine blosse, jedenfalls sehr
rasch vorübergehende Wirkung auf das Central¬
nervensystem nicht erklärbar.
Dass die Chinarinde keine allgemeine Einwirkung
auf die Temperatur durch Vermittelung der wärme-
regulirenden Centralorgane hat, geht auch daraus
hervor, dass ihre temperaturerniedrigende Eigen¬
schaft bei Weitem nicht beständig und gleichmässig
ist. Wenngleich in den meisten Fällen die Tein
peratur — zuweilen, d. h. in nicht specifischen
Fällen, nur in geringem Grade — fällt, so ist doch
andererseits nicht bloss von homöopathischer Seite
aus festgestellt, dass häufig die Temperatur erhöht
wird. Jerusalimsky z. B. erzielte in 3 Versuchen
eine bedeutende Temperaturerhöhung nach der
Chinineinführung; er gelangte zu der Annahme,
durch Reizung des wärmeregulirenden Nerven-
centrums entstehe durchweg Erniedrigung der Tem¬
peratur, durch Lähmung desselben eine Wärme¬
steigerung. Es liegt auf der Hand, dass durch die
verschiedengradige Empfindlichkeit dieser Centren
bei gesunden Individuen auf gleiche Gaben Chinin
in dem einen Falle Erniedrigung der Temperatur
resultirt, in einem andern Falle Steigerung der
Temperatur.
Für die Erklärung der Heilwirkung in spe¬
cifischen Erkrankungsfällen ist aber, wie bereits
erwähnt, ein Zurückgreifen auf den vermittelnden
Einfluss des Centralnervensystems nicht erforder¬
lich.
Auf alle Fälle steht auch fest, dass Hahne-
mann’s Behauptung, man könne durch eine be¬
stimmte Dose der Chinarinde mit Sicherheit bei
einem )eden Individuum eine Art Wechselfieber er¬
zeugen, nicht gerechtfertigt ist; schon die Versuche
von Prof. Jörg (Kritische Hefte II, S. 148 —158,
Leipzig 1822) widerlegen diese These Hahne-
mann’s evident. Andererseits können aber auch
die Gegner der Homöopathie nicht mehr weiter
leugnen, dass die Symptome, welche Hahnemann
und seine Schüler mit der Chinarinde erzeugten,
durchaus objectiv sind und jederzeit bei einer
grösseren Anzahl von Personen mit Sicherheit wieder
eruirt werden können. Sehr interessante diesbezüg¬
liche Thatsachen findet man in der Monographie
über Chin. sulf. im Bd. II, Heft 2 des Journals
für Arzneimittellehre von Hartmann und Noack.
Speciell die dort citirten Beobachtungen von H i r s ch el
und Witt mann müssen dem Verlangen der Allo¬
pathie genügen, dass die Chinarinde nicht allein
Frost, Hitze und Schweiss einzeln oder zusammen,
sowie alle das Wechselfieber concommitirenden Er¬
scheinungen hervorbringe, sondern selbst die perio¬
dische Wiederkehr der Phänomene deutlich nach-
weisen lasse. Auch fehlt es ja nicht an bestätigenden
Beobachtungen Seitens der Allopathen, z. B. Clie-
vallier’s, der constatirte, dass Arbeiter, welche in
Chininfabriken mit dem Puiverisiren von China¬
rinde sich beschäftigten, von eigenthümlichen Fieber¬
anfällen befallen wurden. Das Fieber trat mit starkem
Hitze- und Kältegefühl auf, so dass es mit einem
Wechselfieber verglichen werden konnte, und endete
mit einem heftigen Anfalle; in einem Falle war der
Fiebertypus 3 tägig und wurde durch Salicin ge¬
hoben. (Gaz. des Höp. 121. 1850.)
Auch Lewin muss in seinem bekannten Werke
„Die Nebenwirkungen der Arzneimittel“ zugeben,
dass das Chinin bez. die Chinarinde typische Fieber¬
anfälle bei manchen Individuen hervorruft und dass
„die vielfach angezweifelte Selbstbeobachtung von
Hahnemann als eine zulässige anzusehen ist.“
Gehen wir jetzt zur Beschreibung der Chinin¬
wirkung auf die einzelnen Organe bez. Körper¬
regionen über, wobei wir, des beschränkten Raumes
halber, nur das Wichtigste herausgreifen können,
so haben wir uns zunächst zu beschäftigen mit der
Beeinflussung des Centralnervensystems und der Psyche
durch unser Mittel. Depression des Gemüths, Willens
und Intellects, auch enorme Schwäche des centralen
Digitized by c^ooQie
153
Apparats, findet sich bei den Prüfern recht aus¬
gesprochen und häufig vergesellschaftet mit reiz¬
barer Empfindlichkeit, Zanksucht und Ideenflucht.
Die Thierversuche bestätigen diese Wirkungen.
Eulenburg und Simon constatirten bei Kaninchen
regelmässig Unsicherheit der Bewegungen, Zittern,
Abnahme der Empfindlichkeit der Extremitäten und
Paralyse der Hinterbeine. Nichttödtliche Dosen be¬
dingen nach Bernatzik bei Kaninchen Schwindel,
Mattigkeit, Zittern, Erbrechen und eigenthümliche
Unruhe, die vielleicht das Vorhandensein von Hallu-
cinationen andeutet, convulsivische Zuckungen, Be¬
täubung und mehrstündige Schwäche. Von einer
peripheren Wirkung kann für die Erklärung der
paralytischen Erscheinungen nicht die Rede sein,
da nach Eulen bürg und Simon weder die directe
Muskelreizbarkeit noch die Erregbarkeit der Nerven-
stämme und der Ursprünge der motorischen Nerven¬
fasern im Rückenmarke afficirt werden.
Professor Hugo Schulz hat 10 gesunden Stu¬
denten Wochen lang täglich kleine Chinindosen ge¬
geben und hebt unter den dadurch verursachten
Erscheinungen Seitens des Centralnervensystems her¬
vor: Anfangs Druckgefühl und Schwere im Kopfe,
dann Apathie, Unlust zu jeder Thätigkeit, melan¬
cholische Stimmung oder Aufregungszustände, die
sich bis zu Angstanfällensteigerten; daneben Schwin¬
delanfälle, unruhiger, durch ängstliche Träume ge¬
störter Schlaf. Bei mehreren Herren bildete sich
ein starker Ekel gegen das Chinin heraus, bei 2
sank die Widerstandsfähigkeit gegen Alkohol, bei
1 die gegen Tabak sehr auffallend herab.
Schramm (Schmidt’s Jahrbücher Band 114,
S. 302) heilte in Folge von Intermittens auftretende
eclamptische und epileptoide Anfälle durch Chinin.
Nach grossen Dosen kommt es zu einem bisweilen
auf bedeutende Aufregung folgenden Zustand von
Sopor, in welchem sich ein hoher Grad von Collaps
ausbilden und selbst der Tod folgen kann; die
letale Gabe variirt natürlich sehr; die niedrigste
war in einem Falle von Baldwin bei einem 6jähr.
Kinde 0,5 gr, doch ist es sehr zweifelhaft, ob man
es hier mit einem reinen, nicht etwa mit Strychnin
verfälschten Präparate zu thun hatte, denn anderer¬
seits Hess Maillot 12 gr des Sulfats, Stille 34 gr
in 1 Tage nehmen, ohne dass das Leben gefährdet
wurde. In den wenigen Fällen, in welchen Chinin
im Uebermass und in aufgelöster Form gereicht,
den Tod bewirkte, erfolgte derselbe gewöhnlich
erst nach 10—12 Stunden. Die Obduction ergab
stets bedeutende Gehirnhyperämie, auch bei den
Thierversuchen, ferner Hyperämie der Lungen,
weniger constant Congestion des Rückenmarks, der
Leber und Nieren.
Der niedrigste Grad der Intoxication, gewöhn¬
lich als physiologische Wirkung des Chinins be¬
zeichnet, zeigt vorwaltend cerebrale Erscheinungen,
weshalb man auch von einem C/üninrausche, ivresse
ä la Quinquina, redet; er verläuft meist in 6 bis
12 Stunden günstig und findet sich bei den Prüfungen
ziemlich regelmässig. Charakteristisch ist, neben
unseren homöopathischen Prüfungen, der Selbst¬
versuch von Th au, der 2 gr Chin. sulf. nahm,
nach 8 / 4 Stunden grosse Abnahme der Tastempfind¬
lichkeit und Dumpfheit der Schallwahrnehmungen
bemerkte; in 1 Stunde trat Schwindel, Brausen
vor den Ohren, Unwohlsein und leiser Halbschlummer
ein, aus dem er, nach 1 Stunde geweckt, sich
taumelnd erhob; er verfiel bald wieder in Halb¬
schlummer und lag in apathischem Zustand 4 Stuu-
den, worauf er ohne Schwindel seiner Beschäftigung
nachgehen konnte.
Die Dumpfheit der Schallwahrnehmungen kann
längere Zeit andauern und bei ausgesprochenen In-
toxicationen kann Taubheit nicht nur mehrere Tage,
sondern selbst Abnahme des Gehörs Jahre lang
persistiren.
Neben dem Acusticus wird häufig der Opticus
afficirt, so dass Blindheit oder Gesichtstrübung zur
Beobachtung kommt. Verlust der Sprache ist seltener.
Alle diese Symptome, auch die Abnahme der Tast¬
empfindlichkeit und das Erbrechen, documentiren
die Betheiligung des Gehirns. Kirchner fand bei
Hunden, Katzen und Kaninchen nach interner Appli¬
cation von 3 gr Chin. hydrochl. intensive Hyperämie
im Labyrinth, dessen Flüssigkeit kein Chinin ent¬
hielt, ausserdem Trübung und Ecchymosirung der
Paukenhöhlenschleimhaut. Dass das Chinin einen
Congestivzustand des Ohres bewirke, bewies auch
Roosa (Schmidt’s Jahrbücher Bd. 174, S. 294)
durch Versuche an 3 gesunden Collegen.
Charcot, der gegen die Meniöre’sche Krank¬
heit Chinin gab, verfolgte dabei den Plan, das den
Anfall einleitende Pfeifen im Ohr durch das Chinin¬
geräusch zu ersetzen, ging also quasi homöopathisch
vor; eine junge Dame litt an plötzlichen Schwindel¬
anfällen mit Erbrechen und Niederstürzen, denen
heftiges Pfeifen im Ohr voranging; durch Chinin
in mässigen Dosen, doch gross genug, um Ohren¬
sausen zu bewirken, hörten die Anfälle nach einigen
Wochen auf. Briquet erzählt, dass nach Gaben
von 3—5 gr, innerhalb 24 Stunden mehrere Tage
genommen, incomplete Amaurose in 4 Fällen auf¬
trat. Zwei Mal dauerte sie keinen ganzen Tag,
ein Mal etwas länger, das andere Mal 1 Monat.
Auch v. Gräfe veröffentlicht in seinem Archiv
1857 III, S. 396 zwei charakteristische Fälle. Pro¬
fessor Schulz constatirte bei seinen Experimenten
vorübergehendes Ohrensausen, Taubheitsgefühl, ein
Mal Gehörstäuschungen; zu schweren Störungen —
Läuten und Klingen — kam es wohl deshalb nicht,
weil nicht, wie bei den üblichen Chinindosen, eine
20
Digitized by t^ooQle
154
plötzliche Hyperämie des Ohres eintrat. Ferner
fand er Flimmern vor den Augen, Schwere der
Lider, starke Injection der Conjunctiva, alles Folgen
einer starken Blutüberfüllung der Augen; einer der
Herren sah mit seinem gedunsenen Gesicht, den
rothen feuchten Augen wie ein starker Säufer aus.
(Schluss folgt.)
Berliner homöopathisches Allerlei.
Die Schriftleitung der „Allgemeinen“ stellt an¬
dauernd dankenswerthester Weise ihre Spalten den
Berichten zur Verfügung, die bestimmt sind, das
Interesse der Berufsgenossen auf dem Laufenden
zu erhalten und zu erwärmen bezüglich der Be¬
strebungen für das allgemeine Wohl und Wehe
unserer gemeinsamen Sache und rechtfertigt so
immer wieder ihren altehrwürdigen, für jeden
homöopathischen Arzt beherzigenswerthesten, Namen
auf das Glänzendste.*)
In der vorletzten Nummer wurde über eine
Eingabe bezüglich der ärztlichen Ehrengerichte in
Preussen berichtet. Die Sache schwebt noch, wie
aus den politischen Blättern ersichtlich, und auch
die allopathischen Aerzte haben begonnen, sich in
Anträgen zu regen, die Aehnliclies bezwecken
wie wir.
Auf dem polemischen Markt war in dem Sammel¬
werk Samuel-Eulenburg eine Arbeit des ersteren
Herrn über „Medicinische Sekten“ erschienen, die
sich bezüglich unserer Methode in altgewohnten
Gleisen in nicht sehr aufregendem Tempo bewegte.
Nun ist aber aus demselben Werk in diesen
Tagen eine Arbeit von Behring erschienen: „All¬
gemeine Therapie der Infectionskrankheiten“, die
das Interesse eines jeden homöopathischen Arztes
auf das Allerwärmste in Anspruch nehmen muss.
Es ist ja das Urtheil des Verfassers über die Ho¬
möopathie schon genügend bekannt; aber nirgends
ist es so deutlich, welchen Eiertanz derselbe auf¬
führen muss, um über all die für die Richtigkeit
dieser Methode sprechenden Thatsachen und Aus¬
sprüche — wie er selbst sagt, nach unsem jetzigen
Kenntnissen war der Grundsatz Hahnemann’s gar
nicht so übel — doch zu einem Verdammungs-
urtheil kommen zu können.
Sein einziger Vorwurf ist der übliche des Fehlens
der Temperatursteigerung bei dem China-Experiment
Hahnemann’s; die übrigen Sünden desselben deutet
er mit den schon ähnlich früher gebrauchten, ein
Urtheil aber keinen Beweis, den er bisher immer
schuldig geblieben ist, bildenden Sätzen dunkel an:
*) Die »Allgemeine®, erfreut über diese Anerkennung,
wird sich derselben immer würdig und würdiger zu zei¬
gen bestrebt sein. D. R.
„Wenn Hahnemann nichts weiter verbrochen
hätte als seinen therapeutischen Grundsatz, dann
brauchte es um seine Reputation gar nicht so schlecht
zu stehen. Er hätte damit sogar die Mission Pasteur’s
schon im Beginne des Jahrhunderts übernehmen
können. Seine Sünden liegen ganz wo anders. Ihm
fehlte das naturwissenschaftliche Gewissen Pasteur’s,
welcher Hypothesen und Grundsätze zwar respek-
tirte, aber doch nur insoweit, als die Thatsachen
der Erfahrung damit übereinstimmten. ,Nous avons
une passion impörieure, c’est Ia vörite*, war Pasteur’s
Geständniss und Wahlspruch. Hahnemann hat diese
naturwissenschaftliche Denkungsweise nicht gehabt.
Schon Bretonneau kennzeichnete die praktische Ho¬
möopathie, bei aller Anerkennung des ihr zu Grunde
liegenden gesunden Gedankenkeims, als Charlata-
nerie und constatirte, dass es für die Lehre von
der isotherapeutischen Wirkung krankheitserregen¬
der Stoffe gut war, wenn sie von wissenschaftlich
denkenden Medicinern ignorirt und vergessen wurde.
,Dans l’intöret de l’art mödical mieux vaut qu’un
fait majeur soit oubliö que perverti 1 , ist sein hierauf
bezüglicher Ausspruch.“
Diese nicht hübschen Sätze finden ihre Ent¬
schuldigung in dem Beweis, dass dem Verfasser
das Wesen der Homöopathie noch nicht aufgegan¬
gen ist mit der kurz darauffolgenden Angabe, „die
Homöopathie ist wie die Allopathie rein sympto-
matologische Therapie“; allein ein gewisser unbe¬
haglicher Eindruck bleibt doch, dass ihn die passion
supörieure de la veritö nicht vermocht hat, eine
Sache erst gründlich zu studiren, ehe er solches
über sie äussert; doch würde es auch übel ange¬
bracht sein, eine so wenig hoffähige Verwandtschaft
unnöthig öffentlich anzuerkennen, sonst würde die
streng wissenschaftliche Medicin zu dem Ausspruch
Berechtigung haben: „Es thut mir lang’ schon weh,
wenn ich dich in der Gesellschaft seh.“
Die dann folgende Zusammenstellung theilweise
schon bekannter Thatsachen und theoretischer Aus¬
führungen ist dagegen so wichtig, dass jedem Col-
legen dringend das Studium gerathen werden kann.
Es ist unmöglich, an dieser Stelle darauf ein¬
zugehen, selbst auf Punkte, die so bedeutsam für
die Homöopathie sind, wie die bekannte Hypothese
von Ehrlich über das Zustandekommen der Immuni-
; tät durch allmählich gesteigerte Giftzufuhr: „Die¬
selbe Substanz im lebenden Körper, welche, in der
Zelle gelegen, Voraussetzung und Bedingung einer
Vergiftung ist, wird Ursache der Heilung, wenn
sie sich in der Blutflüssigkeit befindet.“
All dieses Material wird ja von den Collegen
an Berufsgenossen Villers gesendet, welcher mit der
Versendung der Agitationsbroschüren die Verarbei¬
tung dieser polemischen Artikel zu einem Aufsatz
verbindet, der, in einer unserer Zeitschriften ab-
Digitized by ^»ooQle
155
gedruckt, dem Centralverein vorgelegt, in Sonder¬
abzügen mit zur Versendung an die allopathischen
Collegen kommt.
Der bereitwilligen Mühewaltung des Collegen
wird der Lohn nicht fehlen, waren doch unsere
Ferienkurse wieder von 8 Aerzten besucht. Eine
Zahl, deren verhältnissmässige Geringfügigkeit dar¬
auf beruht, dass wir, mit der Ehrengerichtssache
beschäftigt, die Anzeigen im A. C. A. zu spät erst
einrücken Hessen, was von den Herren des Kurses
bitter beklagt wurde.
Wie sehr unserer Sache übrigens die Streitig¬
keiten im eigenen Lager, die nun beigelegt sind,
schaden, sah man aus den Aeusserungen eines der
Herren, der auf Grund der Lektüre der Salzburger
Verhandlungen meint, ein so streitsüchtiger Verein
verlocke nicht zum Eintritt.
Es wird sich also wohl empfehlen, wenn je
solche Differenzen sich wieder ergeben, dieselben
Heber an eine Commission zu verweisen und die
gemeinsamen Verhandlungen lieber für die wissen¬
schaftlichen Gegenstände mehr als bisher frei zu
halten, für die das thatkräftige Interesse der Col¬
legen ja andauernd hoffentlich mit Erfolg angerufen
wird.
Wie sehr zeitgemäss die diesbezüglichen Vor¬
schläge sind, ersieht man aus den Arbeiten unserer
englischen Collegen, die unter ausdrücklicher Be¬
tonung der deutschen Veröffentlichungen eine Ma-
teria medica in Angriff nehmen, die fast genau der
deutschen entspricht mit grösstentheils gleichlauten¬
der Begründung.
Der Plan ist ersichtlich aus der Bearbeitung
von Kali bichromicum, von Ord im letzten Heft der
Berliner Zeitschrift übersetzt. — Doch erscheint die
deutsche Methode in ihren Einzelheiten empfehlens-
werther, denn die Krankengeschichten nehmen einen
Ungeheuern Raum fort, gehören nicht in eine Ma-
teria medica, und das physiologische Bild erscheint
unter mehreren Rubriken auseinander gezerrt.
Die Forderung der Section für Materia medica
der Britischen homöopathischen Gesellschaft nach
einer zeitgemässen physiologischen und angewende¬
ten Arzneimittellehre und neuen Prüfungen fand
Hayward sehr nothwendig.
Sie sei nothwendig für das Ansehen der Ge¬
sellschaft und der Homöopathie. Uebereinstimmend
mit den deutschen Ausführungen forderte er,
die in allopathischen und homöopathischen Werken
Hegenden Bausteine zusammenzutragen. Das sei
unsere Pflicht als Wächter der Wahrheit in der
Wissenschaft; nicht abstossend und reizend, sondern
anziehend und überzeugend müsse das Werk sein.
Madden und Wilkinson fordern neue Prüfungen,
zu deren Ausführung es aber nothwendig wäre,
dass nicht einer auf den andern warte, ob der erst
so freundlich wäre; eine gute Mahnung auch für uns.
Clarke, Hughes, Goldsbrough und Andere be¬
tonen gleichfalls die Nothwendigkeit der neuen
Materia medica. Aus ihren und den Ausführungen
des Ausschusses ergiebt sich:
Auch dort besteht die Ueberzeugung der Noth-
wendigkeit, neben den ausschlaggebenden homöo-
| pathischen Prüfungsergebnissen die allopathischen
! Resultate in einer Form anzuordnen, die die Richtig-
| keit des Simileprincips auch für den Anfänger über-
| zeugend darstellt; also einen Weg zeigt für das
Verständniss und Studium des Mittels.
Hier sei hinzugefügt: Es giebt eine Reihe von
Collegen, die sich mit den Absichten der ganzen
Arbeiten noch nicht im Geringsten vertraut gemacht,
als Grund ihrer ablehnenden Stellung immer wie¬
derholen: Eine neue kritiklose Zusammenstellung
all des alten Arzneimittelwustes brauchen wir nicht,
wir müssen eine gereinigte Materia medica haben.
Es sei dahingestellt, wie weit es berechtigt ist, un¬
sere gesammte homöopathische Arzneimittellehre in
ihrer Zuverlässigkeit anzuzweifeln, nach unseren
bisherigen ausgedehnten Studien für das neue Werk
scheint die Berechtigung recht wenig berechtigt.
Allein die neuen physiologischen Bilder mit Be¬
nutzung der so hoch gepriesenen objectiven Ergeb¬
nisse der Allopathen zeigen uns sofort einen grossen
Theil der Symptome als absolut sicher.
Nun kommen die Angstmeier der andern Rich¬
tung und sagen: das ist ein ganz gefährlicher Weg.
Ja, meine verehrten Herren, wir werfen ja
nichts über Bord, auch wenn es nicht in das ,,Pro¬
krustesbett* 1 des physiologischen Arzneibildes hinein¬
passt; allein wir hoffen doch durch diese neue
Methode einen Schritt weiter zu dem noch weit
entfernten Ideal der vollkommenen Form unserer
Arzneimittellehre gethan zu haben, nach dessen
Zurücklegung wir sehen werden, ob und wie weit
wir vorwärts gekommen sind.
Unterdessen hat uns mehr als aUe diese Cunc-
tatoren gefördert die wackere Prüfung, im letzten
Heft, des vielleicht wichtigsten Mittels der ganzen
Materia medica durch die so sehr verdienten Col¬
legen Schier und Rischer.
Vivant sequentes. Gisevius jun.
Nausea et vomitus gravidarum.
Vortrag von Dr. Franz Elliot-Kansas in der Missouri
Valley Medical Association.
Jeder Geburtshelfer, der sich mit der Nausea
und dem Erbrechen der Schwangeren eingehend be¬
schäftigt, kommt zu dem Schlüsse, dass er mit dem
20 *
Digitized by ^»ooQle
156
Versuche, dieses Problem zu lösen, eine Herkules-
Arbeit auf sich nimmt. Kölliker hat gefunden, dass
das Wachsthum des schwängern Uterus vorzugsweise
auf Veränderungen in dessen Muskulatur beruht.
Die Muskelfasern wachsen schnell und erreichen
das 7—11 fache ihrer ursprünglichen Länge und
das 2—5 fache der ursprünglichen Breite. Gleich¬
zeitig entwickeln sich neue glatte Fasern von em¬
bryonalen Muskelzellen, die sich besonders in der
inneren Schicht der Gebärmutterwandung aufge¬
speichert finden. Man hat behauptet, dass, wenn
dieser Vorratli von embryonalen Elementen einmal
verbraucht ist, eine neue Schwangerschaft nicht
mehr eintrete oder diese nicht sich vollständig ent¬
wickle. Dieses Wachsthum oder Hyperplasie des
uterinen Muskelgewebes beschränkt sich auf die
ersten fünf Monate. Es zeigt sich somit, dass die
ganze Gebärmutter ringförmige Fasern enthält und
thatsächlich ein Sphincter-Organ wird.
Manche Autoren haben den Flexionen und Ver¬
sionen des Uterus eine grosse Bedeutung für die
Hyperemesis gravidarum beigelegt, während Andere
auf die Erosionen und Excoriationen hingewiesen
haben. Andere wieder betonen die Entzündung \
des Beckengewebes oderPeritonaeums oder chronische
Metritis. Wieder andere Autoren machen die chloro-
tische Blutbeschaflenheit. einen Reizungszustand des
Magens, Nierenstörungen, Morb. Brightii u. a. ver¬
antwortlich.
Dr. Elliot stellt sich die Sache nun so vor:
Das Ei steigt nicht in die Uterinhöhle hinab
vor Ablauf von 12—14 Tagen nach eingetretener
Conception, in welcher Zwischenzeit die Schleimhaut
hypertrophisirt, während die Gewebe des Uterus
sich wenig verändern. Bald fangt aber der Foetus an,
von innen nach aussen einen Druck auszuüben, die
Fasern des Uterus werden länger und breiter, es
bildet sich neues Gewebe von den embryonalen
Zellen her; eine reichliche Blutmenge wird für die
Bildung der neuen Uterus-Wandung benöthigt.
Dieses Wachsthum und der Ersatz findet vor¬
herrschend während des Schlafes statt, wobei das
Blut aus seinen gewöhnlichen Kanälen zu diesem
einen Organ hingelenkt wird. Diese beiden Be¬
dingungen — der intrauterine Druck und das
schnelle Wachsthum der Gebärmutter-Muskulatur —
bewirken auf dem Wege des Reflexes einen con-
trahirten und folglich anaemischen Zustand des
Magens.
Dieser Zustand des Magens ist es nach Verf.,
welcher die Nausea der Schwangeren hervorbringt.
Eine Gravida, sagt Verf., welche die Nacht über
thätig bleibt, wird ein kräftiges Frühstück ohne
Beschwerde zu sich nehmen, gestattet man ihr aber,
während der Nacht auch nur eine Stunde zu
schlafen, so giebt dies dem Uterus Gelegenheit, j
mit seinem Wachsthum zu beginnen (? Ref.), sowie
auch mit dem inner-wandigen Druck, der Magen
wird contrahirt, und Patientin bekommt Uehelkeit
beim Aufstehen. Wie oben gesagt, sollte man den
Uterus als ein Sphincter-Organ betrachten; irgend
ein Druck und irgend eine Reizung, die innerhalb
seiner Wandungen statt hat, wird nun die benach¬
barten Sphincteren zur Contraction bringen. In der
Regel findet man hier im Magen weder Empfindlich¬
keit noch Reizung oder gar Entzündung oder Con-
gestion, wie man gemeinhin annimmt, sondern nur
einen anaemischen Zustand.
Die Gravida kann nach einem Brechanfall ein
tüchtiges Mahl zu sich nehmen, indem das Erbrechen
eine Erschlaffung des Magens bewirkt und damit
eine freie Rückkehr des Blutes zum Magen ge¬
stattet.
In einem Fall, wo der Foetus aus irgend welcher
Ursache abstirbt, aber die Placenta und der Uterus
noch sich weiter entwickeln, wird das Erbrechen
nachlassen und die Nausea nur in unregelmässigen
Intervallen auftreten. So wird auch eine Geschwulst
im Uterus dieselbe Wirkung haben.
Jener iutraabdominale Druck und die Hyper¬
plasie der Gebärrautterwandung sind physiologische
Erscheinungen. Seitdem sich Verf. davon überzeugt
hat, dass Nausea und Vomitus gravidarum auf diesen
Bedingungen beruht, hat sich seine Behandlung
solcher Fälle wesentlich geändert. Sie ist nicht
daraufgerichtet, eine vermeintliche Entzündung zu
haben, sondern eine Erschlaffung des Magens herbei¬
zuführen. Sind Erosionen am Cervix, so behandle
man sie; sind Flexionen oder Versionen vorhanden,
so mag ein gut passendes Pessarium eine Er¬
leichterung bringen.
Verf. giebt dem Ehemann oder der Kranken¬
pflegerin Anweisung, den Magen der Patientin, be¬
vor diese Morgens aufsteht, zu massiren (kneten).
Anfangs wird es etwas wehthun, wie dies heim
Fassen einer jeden contrahirten Muskel geschieht,
doch die Erfolge sind in manchem Falle so wunder¬
bar, dass die Kranke sich bald willig diesem Ver¬
fahren unterwirft. — Er giebt die angezeigten
Medicamente der Patientin so lange sie noch im
Bett liegt. Betreffs der anzuwendenden Ver¬
dünnungen hat sich seine Ansicht dahin geändert,
dass er Mittel wie Secale, Caulophyllum, Cimici¬
fuga und Bryonia, die man bei vorhandener rheuma¬
tischer Diathese verordnet, nie unter der 12. Dil ,
fünf Tropfen auf die Zunge, im Bette gehen soll.—
. Andere nützliche Mittel sind Bell. 2. Dil. (? ! Ref.),
Lobelia 1., Ipec. 1., Nux 8., Phosphor, acid. 2.,
Camphora monobrom. 2., Cocain 3. Dil. Pulsatilla
ist besonders nützlich, wo der Magen contrahirt
und aufwärts gezogen auf das Zwerchfell drückt
| und Schmerz unter dem Brustbein verursacht —
Digitized by c^ooQie
ein Zustand, den man oft antrifft und durch Pulsat.
beschwichtigen kann. —
In Fftllen, wo das Leiden einen gefährlichen
Charakter anzunehmen droht, kann man seine Zu¬
flucht noch zu manchem Palliativ-Mittel nehmen,
so Bestreichen des Cervix mit Bell.-Salbe, was eine
Erschlaffung des Magens zur Folge hat, Dilatation
des äusseren Muttermundes etc. — M.
Vom BUchertische.
Der krankmachende Einfluss
atmosphärischer Luftdrnckschwankungen
(barometrisches Minima).
Ein Beitrag zur Lehre von den Ursachen der Früh¬
jahrs- und Herbsterkrankungen, insbesondere der
Influenza.
Von Dr. Heinrich Lahmann.
Stuttgart. A. Zimmer’s Verlag (Ernst Mohrmann).
1899.
Besprochen von Dr. Mossa.
Dr. Lahmann hat in dem uns vorliegenden
Schriftchen, auf Grund eigener Beobachtungen, die
atmosphärischen Luftdruckschwankungen, zumal die
barometrischen Minima, in ihrem Einfluss auf die
Entstehung von Frühjahrs- und Herbsterkrankungen
festzustellen, und so einen Beitrag zur Aetiologie
der Lehre vom Genius epidemicus zu liefern sich
bemüht Sehr gut bemerkt er: „Wenn wir un¬
serem Zeitalter in Bezug auf die Medicin ein all¬
gemeines charakteristisches Beiwort geben wollen,
so ist es das der ursächlichen Forschung . M Zu¬
nächst freilich kommt die Ausbeute der Bacterio-
logie, „vorausgesetzt, dass die auf dem Pilzfunde
aufgebauten Theorieen in eine brauchbare Praxis
übersetzt wären, aber den an gewissen Infections-
krankheiten Leidenden zu Gute. Die viel zahl¬
reicheren Kranken anderer Art gehen dabei leer
aus.“
Hier kommen zuvörderst die auf diätetischem
Gebiete liegenden, biochemischen Momente, die
diätetische Blutentmischung, wie Lahmann es nennt,
in Betracht, zum Andern die individuelle Disposition.
Ein wichtiger Moment aber, die meteorologische
und tellurischen Einflüsse sind in ihrer pathogenen
Einwirkung noch nicht gründlich klargelegtworden —
und doch ist die Thatsache von der Periodicität
gewisser Seuchen unläugbar, und drängt sich dem
Kliniker der Genius epidemicus in seiner Praxis
immer wieder und wieder auf — und die Beobach¬
tung, dass der Herbst und das Frühjahr in unserer
Zone die höchste Erkrankungsziffer darbiete, liegt
vor Allem da.
In der That, sagen wir, nicht nur die Lebens¬
weise, die Diätetik, sondern auch, und wohl in noch
höherem Maasse, die veränderte Atmosphäre ist für
die Aetiologie, Pathologie und Therapie ein wesent¬
liches Moment.
Verf. machte zunächst bei den in seiner An¬
stalt befindlichen Neurasthenikern die Beobachtung,
dass bei ihnen in unregelmässigen Zeitabschnitten
wiederkehrende, oft nur wenige Tage andauernde,
bei der Mehrzahl der Kranken übereinstimmende
Veränderungen im Befinden, theils Störunge**
Verdauungsgebiet, im Circulationsapparat, theiL
sensiblen Nervenbahnen oder im seelischen Zu
stände sich geltend machten.
Diese kritischen Schwankungen fielen über¬
wiegend auf kritische Tage nach Falb, aber nur
solche, an denen barometrische Minima beobachtet
wurden.
Es handelte sich also hierbei um plötzliche Ver¬
minderung des Luftdrucks.
Damit wird auch der Druck, den die Luft auf
unseren Körper ausübt, geringer werden, und dies
wird sich in den Functionen unseres Magendarm¬
kanals, der Lungen und des Gefässsystems äussern.
Die physikalischen und physiologischen Bedingun-
| gen, die hier in Wechselwirkung treten, und die
| daraus sich ergebenden pathologischen Erscheinungen,
| werden dann, zunächst also theoretisch, aufgestellt,
sodann an den Wirkungen von Luftdruckschwankun¬
gen an gesunden Menschen, an Arbeitern im Caisson
(Senkkasten bei Brückenbauten) und Bergsteigern,
erhärtet. In den Caissons gewöhnen sich die Ar¬
beiter, wie die Gebrüder Tauszk beobachtet haben,
bald an den daselbst herrschenden Luftdruck von
2,5 Atmosphären: der anfängliche Schwindel, das
Herzklopfen, die Dyspnoe verlieren sich später
gänzlich. Aber beim Verlassen der Kasten stellt
sich eine Reihe krankhafter Empfindungen ein:
„Viele klagen über Kältegefühl in den unteren
Extremitäten und über diffuse rheumatoide Schmer¬
zen in denselben. Letztere schrieben die Leute
der kalten Luft zu, obwohl zwischen der T. im
Caisson und der Aussenluft kein wesentlicher Unter¬
schied zu constatiren war. Thatsächlich suchten
sie nach Verlassen des Caissons beim warmen Ofen
Linderung gegen die Parasthesien!
In der von gedachtem Autoren veröffentlichten
Krankheitsgeschichte beginnt die Erkrankung im
Augenblick, wo die Leute den Kasten verlassen,
wo sie also plötzlich aus einer Luft mit einem
Druck von 2,5 Atmosphären herauskommen. Dem¬
nach, schliesst Dr. Lahmann, ist es der plötzlich
verminderte Luftdruck, der jene Erkrankungen ver¬
ursacht.
v. Liebig hat in seiner Abhandlung: „Der Luft¬
druck in den pneumatischen Kammern und auf
Digitized by c^ooQie
158
Höhen“ dargethan, dass unter vermindertem Luft¬
druck die Ausdehnung der Lunge sich verringert,
wodurch die Athmung erschwert, und ein Gefühl
von Beklommenheit erzeugt wird. In einem Experi¬
ment bei 429 mm Barometerstand (wie etwa oben
auf dem Mont Blanc) bekam er mehrmaliges Auf-
stossen. Betreffs der Blutvertheilung führt er eine
Beobachtung Lortet’s an, bei der auf dem Mont
Blanc bei 4500 m Höhe die Venen der Hände ,
der Vorderarme und der Schläfen sehr stark an¬
geschwollen waren; die Gesichtsfarbe wurde blass und
cyanotisch; es traten starke Kopfschmerzen auf und
Alle litten an Kälte der Hände und, Füsse . Dieses
war auf der Höhe, in welcher Schlafsucht und
Uebelkeit eintrat. — Nasenbluten bringt Erleichte¬
rung. Tschudi erwähnt blutige Diarrhöeen als häu¬
fige Begleiterscheinung der Bergkrankheit im Hoch¬
lande von Peru.
Die Barometerabfälle von 20 bis 80 mm Queck¬
silbersäule bedeuten nuu aber etwa soviel, als wenn
man plötzlich in eine um 200 bis 300 m höhere
Lage versetzt werde und daraus lässt sich ermessen,
wie solche Einflüsse auf empfindlichere Nerven¬
systeme einwirken.
in Bezug auf den elastischen Brustkorb und
zumal die elastische Lunge hat man diese Ein¬
wirkung schon gewürdigt; in Bezug auf den weichen
Bauch mit seinem quasi flüssigen und gasförmigen
Inhalt ist dieses weniger geschehen, und unterzieht
sich Verf. eingehend dieser Aufgabe, wobei die
pathologischen Verhältnisse, wie sie beim vasomoto¬
rischen und sympathischen (abdominellen) Neura¬
stheniker sich ausbilden, ganz treffend geschildert
und begründet werden.
Indessen nicht nur bei nervösen, sondern auch
anders gearteten Constitutionen macht sich die Ver¬
minderung des Luftdrucks geltend; zumal in den
Uebergangsjahreszeiten, die für den Menschen, wie
die für die Thiere schwächende Mauserungsperiode,
von Störungen in der Wärmeregulirung so allge¬
mein begleitet sind. Hier sind Perioden von starken,
häufigen Luftdruckschwankungen gegeben, die dann
auch die Ursachen für endemisch oder epidemisch
verbreitete katarrhalische, anginöse und rheumatische
Krankheitsformen bilden werden.
Nach Verf. Beobachtungen ist aber nicht jeder
Barometerahfall an sich „kritisch“, d. h. von auf¬
fallend weithin krankmachender Wirkung, sondern
dies hängt von der Art des Abfalls, vom vorherigen
Verhalten des Luftdrucks und nicht zum mindesten
von der allgemeinen Wetterlage und Temperatur
ab. Beispielsweise werden wir im Sommer weit
seltener verbreitete, höchstens individuelle Klagen
bei Barometerstürzen vernehmen. Manche starke
Depression des Luftdrucks kann durch eine plötz¬
liche Erhöhung der T. ausgeglichen werden, da |
die periphere Durchblutung durch den Wärmereiz
erhöht wird; andernfalls kann manche schwache
Depression durch grossen Temperatursturz in ihrer
Wirkung verstärkt werden. Langsam eintretende,
schleichende Barometerminima sind für Viele be¬
deutungslos; folgen sich aber zwei oder drei schnell
(im Laufe von 1 — 3 Tagen) aufeinander, so kann
man eine cumulirende Wirkung constatiren. Dass
der eine schon bei Beginn des Abfalls, während
andere das Maximum ihrer Beschwerden erst 1 bis
2 Tage später haben, erklärt sich aus der indivi¬
duellen Verschiedenheit in der Perception von
Reizen.
Verf. sucht nun an der Hand eines umfang¬
reichen Beobachtungsmaterials, unter dem die
Neurastheniker vorwiegen, und unter Benutzung
graphischer Kurven die von ihm bisher erörterte
Theorie über solche „kritische Perioden“ durch
praktische Beispiele zu bestätigen und fordert die
Collegen zur Nachprüfung der von ihm festgestellten
Thatsachen auf. Eine gute Illustration von der prak¬
tischen Bedeutung des Zusammenhanges zwischen
atmosphärischen Einflüssen und temporärer Krank¬
heitsdisposition liefern die Witterungs- und Krank¬
heits-Verhältnisse des Winters von 1898/99, deren
Nachwirkung wir im laufenden Jahre noch deut¬
lich verspüren. Wenn nun Verf. den Schwankungen
des Luftdrucks hierbei den wesentlichen Einfluss
zuschreibt, so verkennt er doch nicht, dass noch
manche andere Momente dabei mitwirken können.
Er sagt p. 31: „Man wird gleich uns die Bemer¬
kung machen, dass das labile Gleichgewicht im
Nervensystem der Neurastheniker und der periodi¬
schen Neurastheniker, d.h. der mit einem feinfühligen
Nervensystem Ausgestatteten, von vielerlei atmo¬
sphärischen Einflüssen tangirt wird, z. B. von der
Temperatur, von der Feuchtigkeit der Luft, von
WärmestrahlungsVerhältnissen, von der Luftbewe-
gung, sicher auch von der Luftelektrizität (und
dem Ozongehalt. Ref.). w
Manche praktische Winke für Prophylate und
Therapie werden dem Leser willkommen sein. —
Nach Allem könuen wir diese Schrift Dr. Lahmann’s,
die viel Anregendes und praktisch Verwerthbares
darbietet, dem Studium unserer Collegen empfehlen.
LesefrUchte.
Perityphlitis.
Dr. Gustav Kohen ist kein Freund der opera¬
tiven Behandlung der Perityphlitis, zumal in der
Privatpraxis, wo sich die Prognose ganz anders
stellt als in der des Spitals. Der praktische Arzt
bekommt den Kranken meist viel früher in Be¬
handlung, spätestens 5 — 6 Stunden, auch fällt hier
Digitized by
Google
159
die für den Kranken höchst nachtheilige Wagen¬
fahrt weg. Daher die Neigung der Chirurgen zum
operativen Eingriff! — Dagegen erkennt Autor die
Berechtigung der Operation in anfallsfreiem Stadium
(? Ref.) an, besonders bei der arbeitenden Klasse;
sonst sprechen seine Erfahrungen jedoch dafür, dass
man auch ohne Operation auskommen kann , da er
seit 15 Jahren 65 Kranke mit 110 Anfällen be¬
handelt hat, von denen nur 1 gestorben ist (Sepsis?),
1 opeinrt wurde , alle anderen wurden ohne Opera¬
tion geheilt, obwohl schwere und complicirte Fälle
darunter waren . Er fand, dass Recidive nach den
schweren Fällen seltener auftreten als nach leich¬
ten. — Der perityphlitische Tumor bestehe aus pare-
tischen und miteinander verklebten Darmschlingen.
Das bei der Palpation so oft gefühlte Gurren ist
ein Zeichen beginnender Darm-Lähmung. In solchen
Fällen giebt er statt Opium kleine Dosen Bitter¬
wasser. — Oft wird beim Eindrücken nicht über
Schmerzen geklagt, die jedoch bei nachgelassenem
Drucke sofort erscheinen. — In fieberlosen Fällen
mit häufigen Recidiven, wo die Kranken Schmerzen
haben und der Tumor sofort in Beginn des Anfalls
erscheint, hat Autor eine leichte Massage sehr wirk¬
sam befunden; bei kreisförmigen Reibungen ver¬
kleinert sich die Geschwulst unter dem Finger und
ist oft nach 15 Min. langer Massage ganz ver¬
schwunden; am nächsten Tage ist sie wieder da,
aber kleiner, und massirt man dann weiter, bis
etwa nach 14 Tagen dauernde Heilung einge¬
treten ist.
(Excerpta medica. V. No. 6. p. 253.)
Anzeigen.
Dr. med. Gotthold Layer,
praktischer homöopathischer Arzt und Specialarzt
für Frauenkrankheiten,
ist von Pforzheim nach Wildbad (Württ. Schwarzwald),
Villa Haisch, Hauptstrasse, übergesiedelt.
Med. Dr. Theodor Kafka in Karlsbad,
früher im Hause „Annaberg“, Marktplatz, wohnt und
ordinirt jetzt im Hause „zum Amerikaner“, Sprudelgasse.
Kurpension des Homöopathen
Dr. von Hartungen
Riva a. Gardasee, Tirol.
Auf Reisen und zur Dispensation sehr practisch.
Homöopathische Mittel
In Tablettenform, & 0,85 Gramm Gewicht«
(Das richtige Quantum für eine einzelne Arzneigäbe.)
1 Cylinder ä 12 Stück = 3 Gramm . . . Mk. —.20
i f
Flacon od.
Schachtel
24
30
40
50
60
80
100
ä 120
ä 150
ä 200
k 400
6
7,5
10
12.5
15
20
25
30
37.5
50
= 100
A. Marggrafs homöopath.
„ -.30
, -.35
, —.45
, —.55
, —.65
, . (o
, —.90
, 1.10
, 1.35
, 1.80
„ 3.50
Offlcin, Leipzig.
Mars’scheg Krebsmittel
ganz frisch.
Von Herrn Missionar Mars ist wiederum am 13. Februar
1899 ein grösseres Quantum seines Krebsmittels eingetroffen.
Ich stehe somit wieder gern mit diesem Mittel zu Diensten
und kann es nun erfreulicher Weise auch billiger abgeben,
und zwar 1 Portion: 10,0 mit Gebrauchsanweisung: 1,50 Mk.
(früher 2 Mk).
A. Marggrafs homöopath. Officln, Leipzig.
Dr. Theinhardt’s
Löst Kindernahrung.
(Hergestellt aas Miloh, Zucker, Gerste, Weizen.)
Bewahrt seit 10 Jahren bei normaler und gestörter
Gesundheit der Kinder.
Von Autoritäten empfohlen als:
Rationellste Ergänzung der verdünnten Kuhmilch.
Leichtverdaulich — durch Löslichkeit und minima¬
len Stärkegehalt.
Knochenbildend — durch seine Nährsalze;
(ca. 2°/ 0 Kalkphosphat u. 1,6°/ 0 Phosphorsfture).
Diätet. Therapeutik. bei Rhachitis, Scrophulose und
Cholera infantum.
Preis der Dose M. 1.20 (300 g) u. M. 1.90 (500 g Inh.).
Vorrathig in den meisten Apotheken und Drogerien.
Wissenschaft 1. Urtheile, Analysen u. Gratismuster duroh
Dr. Theinhardt’s Nährmittel - Gesellschaft
Cannstatt (Württbg.).
Günstige Offerte.
| Prima deutscher und französ. Cognac.
Durch directe Beziehungen mit einem der ersten Häuser
in Cognac sind wir in der Lage, allen Freunden eines
vorzüglichen, echten französischen Cognacs eine zuver¬
lässig echte und preiswerthe Waare anzubieten:
Echt franz. Cognac ** 1 Flac. M. 5.—.
99 99 99 1 99 99
Bei 12 Flaschen franco alle' deutschen Bahnstationen
incl. Verpackung und 10% Rabatt.
Hauptniederlagen in Leipzig bei
A. Marggrafs homöopath. Officiu
und
Täschner & Co., Homöopath. Central-Apotheke.
Digitized by L^OOQle
160
Cur- und Badeort Augustusbad bei Dresden
(Eisenbahnstation Radeberg, an der Sächsisch-Schlesischen Bahn.)
Wasserheilanstalt, Stahl- und Moorbad, klimatischer Curort,
220 m über dem Spiegel der Ostsee, in einem reizenden Thale, geschützt vor rauhen Winden, inmitten alter, herr¬
licher Waldparkanlagen gelegen, auch für Milch* und Molkenkuren eingerichtet, passend bei allgemeinen Schwäehe*
zuständen, Blutarmuth, Skrophulose, Bleichsucht, englischer Krankheit, Herzleiden, Rheumatismus, Gicht, Nerven¬
leiden und verschiedenen Frauenkrankheiten etc. Aeusserst günstige Wohnuugsverhältnisse, niedrige Preise der
Bäder, billige Pension. Dirigirender Arzt Dr. med. Julius Meyar.
Jede eingehendere Auskunft wird bereitwilligst ertheilt.
Augustusbad bei Badeberg i. 8 . Die Bade-DirCCtion.
BAD LIPPSPRINGE
Eisenbahn-Station Paderborn.
Arminias-Quelle, stickstoffreich© Kalktherme.
Erfolgreiches I nnnonnhthicn besonders im
Heilmittel gegen MIIIIJClIJJIIllllOD ersten Stadium.
Asthma und Katarrhe der Respirations-Organe.
Saison: Mai bis September.
Pensions-Hotel; K||rh')||C staubfrei inmitten
neu renovirt. lYUI IldUD. ij©»p*rks gelegen.
Auskunft durch die Brunnen-Administration*
Nachstehend verzeichnete Apotheken empfehlen wir
als Haupt-Depots
unserer homöopathischen Arzneien, Hausapotheken etc. —
Dieselben haben sich verpflichtet, alle Arzneien etc. von
uns nur in Originalpackungen mit einer unsrer Firmen zu
beziehen and weiter zu verkaufen, sodass volle Garantie
für Echtheit und beste Qualität den verehrten Käufern
geboten ist.
Karl Otte’s Fischmarkt-Apotheke, Hamburg,
Fischmarkt.
Dr. 0. Wiedermann, Löwen-Apotheke, Frei¬
burg i- Baden.
Joli. Manecke, Hof-Apotheke, Magdeburg.
Dr. C. Hofs Apotheke, Pforzheim (Baden),
gegenüber dem Rathbanse.
Dr. Fr. Oelze, Krummacher’sche Apotheke,
Bielefeld, am alten Markt.
Alfred Fitzau, Rotlie Apotheke, Bernburg
(Anhalt), Kaiserstrasse 3 a.
H. Steinhorst, Mohren-Apotheke, Prenzlau.
Wed.Bulterman & Cohen, Apotheker, Rotter¬
dam, Hoogstraat.
J. W. Floren, Centraal-Apotlieek, Haarlem,
Groote Houtstraat 78.
Weitere Depöts folgen in allen grossen Städten.
Die vereinigten
Leipziger homöopathischen Apotheken:
Täßchner & Co., Homöopathische Central-Apotheke,
A. Marggrafs homöopathische Officin und Carl
Gruner’s homöopathische Officin (früher in Dresden).
Das homöopathische Krankenhaus zu Leipzig
(Sidonienstrasse No. 44)
eröffnet im Sommer 1888 und Eigenthum des homöopa¬
thischen Gentralvereins Deutschlands, nach Muster der
besten und ersten Krankenhäuser und nach den neuesten
Erfahrungen eingerichtet, wird den Anhängern und Freun¬
den der Homöopathie sowohl zur Benutzung in schweren
Krankheitsfällen als auch zur wohlwollenden Unterstütz¬
ung aufs Wärmste empfohlen, damit auch Unbemittelten
der Segen der homöopathischen Heilmethode zu Theil
werden kann. Beitläge jeder Art, auch die kleinsten,
nimmt der Kassenverwalter, Apotheker W. Steinmetz, in
Firma A. Marggrafs homöopathische Officin in Leipzig,
jederzeit dankbarst entgegen
Die neuen Statuten und Aufnahmebedingungen des
mit einem Krankenpensionate I. und II. Klasse verbunde¬
nen homöopathischen Krankenhauses hierselbst können
sowohl von der Direction desselben, wie auch von uns
bezogen werden.
Den Herren Aerzten empfehle sümmtllche Artikel
zur Krankenpflege:
Verbandstoffe,
ärztliche und sonstige Instrumente,
Instrumententaschen
und Wundverband-Apotheken
in allen Grössen, in bester Qualität und zu billigsten
Preisen.
Ausführliche, speciell chirurgische Preislisten werden
auf Verlangen gratis und franco verschickt.
Leipzig. A. Marggrafs Homöopath. Officin.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius lläser in Leipzig.
Digitized by ^»ooQle
Band 138. Leipzig, den 25. Mal 1899. No.21u.22.
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG.
Heraasgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A.HfarggraPs homöopath. Offlein) in Leipzig
Thomaskirchhof 12.
Erscheint 14tägig zu 2 Bogen. IS Doppelntunmern bilden einen Band. Preis IO M. 50 Pf (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs - Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlcln ln Leipzig) zu richten
sind, werden mit 20 P/. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 5—8 Af. berechnet.
Inhalt. Die physiologische Wirkung der Chinarinde und der Chininsalbe. Bearbeitet für die neue deutsche
Arzneimittellehre von Dr. Schier, Mainz. (Schluss.) — Ehrengerieht und Medicinalreform. Von Dr. A. Sperling.
Referat von Dr. Stiegele junior im Verein der homöopathischen Aerzte Stuttgarts am 20. April 1899. — Hautaffectio-
nen bei Diabetikern. Heilwirkung von Karlsbad *Dr. Kafka. Von M. — Keine Abrüstung. Von Dr. Mossa. — Meli-
lotus. Von M. — Kalium jodatum in Neuralgia. — Sabal serrulata (Saw Palmetto) bei Prostata-Hypertrophie. Von
Dr. W. Reily. — Rüokensymptome in Bezug auf die Menstruation. Von M. — Antipyrin. Von Dr. S. J. van Roijen. — Kali
biehromicum in seiner Wirkung auf die Augen. Von M. — Lesefrüchte. — Todes anzeigen. — Danksagung. — Anzeigen.
Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage.
Die physiologische Wirkung der Chinarinde
und der Chininsalbe.
Bearbeitet für die neue deutsche Arzneimittellehre
von Dr. Schier, Mainz.
(Schluss.)
Sehr ausgesprochen ist die Wirkung des Chinins
auf einige Complexe des sensiblen Nervensystems,
am deutlichsten auf den Trigeminus; typisch ist das
Interrnittiren der Beschwerden, welche im Einzelnen
im symptomatischen Abschnitte beschrieben sind, so¬
wie die Entstehung und Verschlimmerung der Sym¬
ptome durch Bewegung.
Bertholle (Schmidt’s Jahrbücher 138, S. 21)
beseitigte mit 0,6 gr Chinin hysterische Paroxys-
men, die bei einer jungen Frau seit 3 Monaten
alle Abende auftraten und 4 Stunden anhielten;
die gleiche Gabe reichte hin, eine seit 10 Jahren
jede Woche erscheinende Cepbalalgie zu beseitigen,
ebenso günstige Wirkungen erzielten Döbout und
Serre von Chinin bei hemikranischen Anfällen, die
wöchentlich, halbwöchentlich und monatlich auf¬
traten.
Auch Schuh und Fischer (Schmidt’s Jahr¬
bücher Bd. 122) sowie viele andere Forscher be¬
stätigen die bezüglichen charakteristischen Sym¬
ptome, welche Hahnemann und seine Schüler in
ihren Prüfungen mit Chinarinde eruirten.
Die Wirkung der Chinarinde auf die Temperatur
ist schon oben bei Beschreibung der Allgemeiti-
wirkung unseres Mittels hervorgehoben worden; es
wurde dort auch betont,* dass das Chinin als die
Temperatur herabsetzendes Mittel um so intensiver
wirke, je ähnlicher in ihren Lebensbedingungen
die betreffenden Krankheitserreger den Malaria¬
protozoen organisirt seien. Manassein will durch
grosse Gaben des salzsauren Chinins fast völlige
Unterdrückung des künstlichen putriden Fiebers er¬
zielt haben, jedoch nur durch an sich lebensgefähr¬
liche Dosen.
Buchanan Baxter hält höchstens eine Be¬
schränkung septischer Processe, nicht aber eine Ver¬
nichtung der Mikrozoen im Blute für möglich. Auch
Thier versuche von Binz und Fickert gaben keines¬
wegs zufriedenstellende Resultate, es wurde nur
mitunter der Eintritt des Todes hinausgeschoben
und die Höhe des Fiebers gemildert. Vulpian
und Bochefontaine halten es nach ihren Ver¬
suchen geradezu für unmöglich, bei Septicämischen
eine Vernichtung der Vibrioniden zu bewirken, da
die Einführung von 17 gr Chinin erforderlich wäre.
Ferrari hat wegen der Analogie mit dem Sumpf-
tieber des Menschen Hunderte von milzbrandkranken
Thieren mit Chinin behandelt, nach seiner Statistik
mit ausgezeichnetem Erfolg.
Nach Skoda unterbricht Chinin bei Pneumonie
21
Digitized by ^»ooQle
162
mit intermittirendem Fieber die Paroxysmen, hemmt
auch die Entwicklung des entzündlichen Infiltrats
und ist vortheilhaft zur Bekämpfung der Athem-
notli, bei unregelmässigen, schnellen und unaus¬
giebigen Contractionen des Herzens, wenn diese
durch Erschöpfung der Nervenkraft bedingt sind.
Wir kommen damit zur Besprechung der Be¬
einflussung von Kreislauf - und Athmungsorganen
durch unser Mittel.
Im Allgemeinen tritt nach kleinen Dosen eine
geringe Vermehrung der Herzschläge und Steige¬
rung des Blutdruckes, nach grossen Dosen eine
Verringerung der Pulsfrequenz und arteriellen
Druckes ein. In der Mehrzahl der Beobachtungen
von Prof. Schulz zeigte sich eine beträchtliche
Steigerung der Herzthätigkeit, bei 2 stieg die Herz-
action nur am Morgen, sank aber Mittags und
Abends fast bis zur Norm, bei 2 endlich bestand
während der ganzen Versuchszeit eine deutliche
Verminderung der Herzthätigkeit. Die Beeinflussung
der Gefässe zeigte sich in einer Schädigung ihrer
Form, die sich oft schon durch ein gedunsenes
Aussehen und eine Injection der Conjunctiva äusserte,
diese Einwirkung auf Herz und Gefasse war keine
ganz gleichmässige, sondern mehr eine periodische,
wenigstens trat in allen Fällen, nachdem die Chinin¬
wirkung bereits deutlich Platz gegriffen hatte, für
1 oder 2 Tage ein deutlicher Nachlass der Sym¬
ptome ein. Die Experimentalstudien, welche La borde
an Kaninchen, Hunden und Fröschen vornahm, er¬
gaben ähnliche Resultate. Der functionellen Steige¬
rung des Herzmuskels Folgte — nach stärkeren
Dosen — ein fortschreitendes Abfallen mit zu¬
nehmenden lntermittenzen und Abschwächung des
Herzstosses, welcher allmählich in eine Art Zittern
überging, endlich Asphyxie und wirkliche Asystolie;
es sind daher starke Chiningaben in doppelter
Weise geeignet, eine Aufhebung der Herzthätig¬
keit zu veranlassen: Durch Ueberreizung oder durch
functionelle Erschöpfung in Folge der ataktischen
Erscheinungen, und diese Wirkung legt, zumal bei
prädisponirenden krankhaften Zuständen, die Ver-
muthung eines Zusammenhanges mit den mehrfach
beobachteten plötzlichen Todesfällen bei Typhus
und Fieber ähnlicher Art durch Herzsynkope sehr
nahe.
Die Puls Verlangsamung ist, nach Eulenburg,
vom Vagus unabhängig, da vorherige Vagusdurch¬
schneidung dieselbe nicht modificirt, und resultirt
entweder aus Lähmung der automatischen Erregungs¬
ganglien im Herzen, oder aus Schwächung des
Herzmuskels oder aus beiden zugleich.
Auch die Respirationsthätigkeit wird durch
grössere Gaben Chinin vermittelst Beeinflussung des
Respirationscentrums retardirt und abgeschwächt,
schliesslich gelähmt, wobei künstliche Respiration
den Eintritt des Todes verzögern kann; einige Ex¬
perimentatoren (Baldwin u. A.) constatiren hierbei
Stasen und Lungenhepatisation. Dass das Chinin
auch auf die Gefassnerven der Lunge durch peri¬
pherische Reizung wirkt, beweist, abgesehen von
der bekannten Allgemeinwirkung auf das Blutsystem,
die Entwicklung der Hyperaemia neuroparalytica,
von welcher Baldwin, Malier und Andere sprechen,
und die auch Simon bestätigt, der nach grossen
Chinindosen in 4 Fällen Bluthusten eintreten sah,
welcher jedesmal nach Weglassen des Mittels aus¬
blieb und von gar keinen organischen Verände¬
rungen in den Lungen oder im Herzen begleitet
war.
Schon in minimalen Gaben erregt das Chinin
einen bittern Geschmack auf der Zunge. Buch¬
heim und Engel geben für weinsaures Chinin eine
Verdünnung von 1 : 10000 als wahrnehmbares Mi¬
nimum an (weinsaures Morphin 1 :2000, weinsaures
Strychnin 1 : 48000). Kleine Gaben von Chinin¬
salzen regen die Secretion des Magensaftes an und
wirken dadurch günstig auf die Verdauung, sie
veranlassen aber auch in manchen Fällen reflecto-
risch Vermehrung der Speichelsecretion und Er¬
brechen. Bei einem an Quartana leidenden Manne
wurde nach Darreichung von 1,25 gr Chinin mehr¬
stündiger Speichelfluss beobachtet. Das Erbrechen
ist zuweilen auf directe Reizung der Magenschleim¬
haut zurückzuführen, in manchen Fällen aber nur
ein Ausdruck des beginnenden Chininrausches, denn
es stellt sich auch nach subcutaner Application ein.
Bei längerem Gebrauche auch kleiner Gaben kann
Chinin gastrische Störungen, Hitze und Druck im
Epigastrium, Verlust des Appetits, Empfindlichkeit
gegen äusseren Druck, Meteorismus, Ekel, auch
Diarrhöe bewirken.
Auch Prof. Schulz constatirte bei seinen ein¬
schlägigen Versuchen anfangs nur leichte Reiz¬
symptome, später die verschiedenen Erscheinungen
des Magendarmkatarrhs. Er meint, dass diese Ver¬
dauungsstörungen nicht durch directe Chininwirkung,
sondern durch eine Alteration der Blutzufuhr zu
Magen und Darm zu erklären seien, indem die ver¬
änderte Blutzufuhr die secretorischen Verhältnisse
und die Thätigkeit der glatten Muskulatur beein¬
flusse. Von einer entfernten Nervenwirkung könne
hier ebensowenig die Rede sein, wie bei der Milz,
die auch dann noch zur Contraction durch Chinin
angeregt wird, wenn ihre sämmtlichen Nerven durch¬
schnitten sind.
In auffallender Weise beeinflusst nämlich das
Chinin die Milz , welche sowohl im Zustande patho¬
logischer Vergrösserung als im physiologischen durch
kräftige Dosen eine entschiedene Verkleinerung er¬
fährt. Die Thierversuche von Jerusalimsky u. A.
beweisen auf das Evidenteste, dass die Milz durch
Digitized by c^ooQie
163
Chinin sowohl in ihrem Aussehen stark verändert Atonie als auch während der Gravidität, so dass
wird als auch hinsichtlich ihrer Consistenz; sie wird 1 Abortus herbeigeführt werden kann. Auch bei
fest, derb, die Oberfläche nicht gleichmässig, son- trächtigen Thieren ist abortive Wirkung von Chinin
dern stellenweise granulirt, die Farbe verändert sich nicht selten (Chirone, Dupuis, Laborde). Chi-
von der grau-röthlichen in eine violett-hellrothe, rone hält die Contraction des Uterus ebenso wie
stellenweise bilden sich kleine Anschwellungen von diejenige der Milz durch Chinin für Folge einer
bläulicher Farbe; die Verkleinerung des Volumens Wirkung auf die glatten Muskelfasern, welche sich
ist schon einige Minuten nach Einführen des Chinins nach seinen Versuchen auch an den Gefässen und
eine bedeutende. Diese Chininwirkung ist, wie ! an der Darmmuskulatur zu erkennen giebt, indem
ebenfalls durch Thierversuche als zweifellos eruirt | Zunahme der Peristaltik und gleichzeitig des Darm¬
ist, eine rein locale durch Beeinflussung der Gefass- | lumens bei Thieren hervortreten,
muskeln oder der Muskeln der Trabecula oder bei- | Affectionen der Haut durch Chinin sind, auch
der zu gleicher Zeit. Die Abschwellung der Fieber- i nach kleinen Dosen, etwas Gewöhnliches. Diese
railz und das Verschwinden der überhaupt noch j Arzneiexantheme treten auf in Form von Urticaria,
reparablen Milztumoren bei Malariaerkrankung in j Erythema diffusum, ja selbst universellem Eczem
Folge von Chinindarreichung wird uns durch den (Wa Ile n berg) und Purpurahaemorrkagica(Dumas)
nämlichen Gedanken klar. Ist das Nisten des Auf die entblösste Haut in Pulverform gebracht
Malariagiftes in der Milz, naph Klebs und Tom- , oder subcutan in Lösung injicirt, bedingen Chinin-
masi, die Ursache ihres Anschwel lens, so ergiebt | salze meist Schmerz und nicht selten Entzündung
sich ziemlich einfach, dass mit der Ursache auch j und Abscedirung, nach Trousseau endermisch so-
die Wirkung aufhören muss. gar Schorfbildung. Erwähnenswerth ist hier das
Auch die Thätigkeit des Chinins bei sonstigen Exanthem in Chininfabriken, welches als Knötchen--
mit Milzanschwellung verlaufenden Fiebern ist er- bildung an verschiedenen Körpertheilen, namentlich
klärlich durch Wirkung auf die krankheitserregen¬
den Organismen einerseits, durch Einschränkung der
krankhaft gesteigerten Arbeit des Organs anderer¬
seits. Wo ein in der Milz lange hausendes Krank¬
heitsgift die Gewebe des Organs eingreifend entartet
hat, da ist, wie das die Erfahrung u. A. bei der
Amyloidmilz zeigt, das Chinin machtlos, um so
machtloser, je unähnlicher das krankmachende Agens
dem Malariagift gegenüber sich verhält.
Nieren und Hamxcege werden ebenfalls von
unserem Mittel afficirt. Da es zum grössten Theile
durch den Harn ausgeschieden wird, so kann es,
wie schon Briquet anführt, in grossen Gaben Al¬
buminurie erregen, sowie katarrhalische Entzündung
in der Blase. Aehnliche Störungen, Ischurie und
Strangurie, hat Duchassaing in Tropengegenden
häufig neben Hämaturie nach Verordnung grösserer I
Dosen Chininsulfat beobachtet. Auch von sicilia- I
nischen und griechischen Aerzten ist in den letzten
Jahrzehnten das Auftreten von Hämaturie oder Hä¬
moglobinurie als directe Folge des Chiningebrauches
constatirt. Tomaselli in Catania hat 1874 einige
Fälle mitgetheilt, wonach bei schweren Sumpffiebern
schon wenige Decigramme Chinin blutigen Harn
und Icterus hervorrufen. Doch gehen auch hier,
wie bei Mercur und Syphilis, die Ansichten der
Autoren auseinander, ob die citirten Erscheinungen
auf das Krankheitsgift oder auf das Heilmittel zu¬
rückzuführen seien, eine Bestätigung des Aehnlich-
keitsgesetzes, wie sie eclatanter kaum denkbar ist.
Analoge Wirkung wie auf die Milz besitzt das
Chinin auch auf den Uterus , den es zu Contractio- I
wen reizt, sowohl im Puerperium bei bestehender j
Armen und Beinen, verbunden mit Anschwellung
| der Genitalien und Röthung der Augen auftritt
! und häufig die Arbeiter zum Aufgeben ihrer Be-
| schäftigung zwingt. Zur Erklärung reicht die An¬
nahme einer vasomotorischen Reflexneurose nicht
I aus, da hierdurch schwerlich eine solch enorme
1 Exsudation erzeugt würde, wie dies in einzelnen
an Scarlatina erinnernden universellen Exanthemen
dieser Art der Fall ist.
Im Blute erfolgt nur eine sehr beschränkte
Veränderung des Chinins, so dass dasselbe fast oder
ganz vollständig sowohl bei Gesunden als bei Fiebern¬
den in den Secreten unverändert erscheint, zum
grössten Theile im Harn, und zwar ist in den
meisten Fällen die Elimination in 2—-3 Tagen be¬
endet. Eine theilweise Veränderung des Chinins
im Organismus in amorphes Chinin und ein Oxy-
dationsproduct Dihydroxylchinin oder eine diesem
Körper nahestehende Verbindung (Chitenin nach
Skr au p) ist von Kerner nachgewieseu.
Ehrengericht und Medicinalreform.
Von Dr. A. Sperling.
Referat von Dr. Stiegele junior im Verein der ho¬
möopathischen Aerzte Stuttgarts am 20. April 1899.
Zuerst wendet sich der Verfasser gegen die in
der Vorlage ausgesprochene Absicht, die staatliche
Controle mit Aufbietung eines grösseren Beamten¬
apparates in die Institution hereinzuziehen. Er
plaidirt für die „freien“ Ehrengerichte, die voll-
21 *
Digitized by c^ooQie
164
ständig einen internen Charakter haben und sich
in Sachsen bereits bewährt haben, wo der Staat
nur die kleine Nachhilfe nöthig hatte, den Beitritt
zu den Bezirksvereinen für alle Aerzte obligatorisch
zu machen. Die Nothwendigkeit der grossen ge¬
planten Massregel, der Einrichtung von staatlichen
Ehrengerichten, scheint ihm wenig befriedigend be¬
gründet zu sein. Die Zahl der in den 10 Jahren
des Bestehens der Aerztekammem zur Aburtheilung
gelangten Fälle beträgt nur 265. Bei der Wür-
digung des statistischen Materials fehlte aber eine
wichtige Zusammenstellung all der Fälle, die schon
in den ärztlichen Vereinen zur Verhandlung kamen;
dieses erweiterte statistische Material würde den Be¬
weis liefern, dass die künftigen Ehrengerichte sich
im Grunde nur mit Lappalien zu beschäftigen
haben werden, die keineswegs geeignet sein dürften,
das Gefühl der Beunruhigung in der Aerzteschaft
aufkommen zu lassen. Sperling glaubt, dass hier¬
für (Reclameunwesen, Kurpfuscherei, persönliche
Beleidigungen) die intimen ärztlichen Ehrengerichte
genügen würden.
Es würde sich aus dieser Zusammenstellung
aber auch zeigen, dass die oben berührten Ver¬
fehlungen einzelner Aerzte zum Theil auf der Ent¬
wicklung der socialen Verhältnisse beruhen. Die
Verringerung der Geldleistung für die gethane Be¬
rufsarbeit seit dem Bestehen des Kranken-Versiche-
rungs-Gesetzes drückte einerseits die moralische Be-
werthung der ärztlichen Thätigkeit, wie sie anderer¬
seits ein gegenseitiges Unterbieten und Wettlaufen
um die Gunst der Kassen Vorstände zur Folge hatte.
Durch die Einführung der freien Arztwahl, die in
die misslichen Verhältnisse einige Besserung brachte,
und die durch die alleinige Energie der Aerzte¬
schaft zu Stande kam, hat sich aber doch wieder
gezeigt, dass dieselbe zu kräftiger Selbsthilfe durch¬
aus geeignet ist, ihr also auch die Verwaltung des
Ehrengerichts überlassen werden kann.
Bei Betrachtung der an zweiter Stelle der Be¬
gründung vorgeführten Punkte ist ebenfalls Ver¬
schiedenes einzuwenden. Es wird darauf hinge¬
wiesen, dass ein jahrzehntelanger Wunsch der
Aerzteschaft durch die Gesetzesvorlage seine Be¬
friedigung finden solle. Dabei wird eine Kund¬
gebung des ärztlichen Vereins zu Köln aus dem
Jahre 1842 angeführt. Die 57 Jahre mit ihren
grossen socialen Umgestaltungen, die seither ver¬
strichen sind, dürften aber die Beweiskraft des ge¬
nannten Urtheils erheblich abschwächen, abgesehen
davon, dass sich die Kölner Herren für rein ärzt¬
liche Ehrengerichte aussprachen.
Mehr Beachtung verdienen die neueren Stimmen
aus der Aerzte weit. Verfasser glaubt, dass es nicht
bestritten werden kann, dass die Aerzteschaft im
grossen Ganzen der von dem Entwurf vorgeschlage¬
nen staatlichen Form der Ehrengerichte viel mehr
abgeneigt ist, als es nach den Beschlüssen der
Aerztekammem den Anschein hat. Den hervor¬
tretenden Zwiespalt zwischen den Aerzten und den
Aerztekammem erklärt Sperling damit, dass sich
in den Aerztekammem der amtliche Einfluss be¬
reits sehr geltend macht. Die Thatsache ferner,
dass der Ausschuss der Aerztekammem sich mit 9
gegen 3 Stimmen dahin ausgesprochen hat, auf
die Aufnahme des Satzes über die Nichtzuständig¬
keit des Ehrengerichts für politische, wissenschaft¬
liche und religiöse Ansichten der Aerzte verzichten
zu wollen, findet eine einigermassen entschuldigende
Erklärung darin, dass die langwährende Nicht¬
erfüllung des Wunsches der Aerzte weit nach einer
Reform der Medicinalangelegenheiten die Ansprüche
herabgedrückt und zu dem Entschluss geführt ha^,
sich wenigstens des hingehaltenen Strohhalmes zu
bemächtigen. Durch dieses Verhalten, der Preis-
gebung eines grossen Stückes Freiheit, tritt zu
Tage, dass die politische und sociale Stellung der
Aerzte nur eine niedrige Stufe erreicht hat. Zur
Lösung grosser Aufgaben sind sie nie herangezogen
worden. Sie haben aber auch nicht verstanden,
zur Selbsthilfe zu greifen.
Die „Begründung“ bleibt also den Beweis da¬
für, dass der vorliegende Gesetzentwurf zweck¬
mässig oder gar noth wendig ist, schuldig. Auch
einzelne Paragraphen erregen starke Bedenken.
Speciell Paragraph 3, der die politische, wissen¬
schaftliche und religiöse Gesinnung oder Thätigkeit
des Arztes dem Bereich der Ehrengerichtsbarkeit
entrückt. Was also noch für die ehrengerichtliche
Thätigkeit übrig bleibt sind intern-ärztliche Wäsche¬
reien einiger befleckter Persönlichkeiten, die ebenso
intern abgemacht werden können. Andererseits sind
bei Nichtaufnahme des Paragraphen schwere Miss¬
brauche der richterlichen Gewalt zu befürchten.
Sodann wendet sich Sperling gegen Paragraph 2.
Dem Ehrengericht unterstehen die beamteten Aerzte
nicht. In der Begründung wird aber der Begriff
„beamtete“ Aerzte soweit geführt, dass kaum noch
Aerzte übrig bleiben, die sich nicht durch die eine
oder andere Hinterthür in diese Kategorie einreiben
können. Aber auch gegen die Ausnahmestellung
der beamteten Aerzte an sich hat Sperling viel
Widerspruch erhoben. Der Minister hat aber erklärt,
dass er sich hierin nicht auf Concessionen einlassen
werde. Vom ärztlich-socialen Standpunkt aus ist
es sehr zu bedauern, wenn die Ehrengerichte die
verschiedenen Kategorieen von Aerzten von ein¬
ander trennen sollten, anstatt ihnen ein Einigungs¬
mittel zu sein. Uebrigens wird es auch schwierige
Complicationen geben, wenn ein Arzt mit einem
beamteten, z. B. einem Professor, in Conflict geräth.
Der letztere ist ja der ehrengerichtlichen Instanz
Digitized by
Google
165
gar nicht unterstellt und so kommt ein Ausweg i
nur auf das Anrufen der ordentlichen Gerichte I
hinaus. Der vom Director der Medicinalabtheilung
bei der ersten Lesung erläuterte Sinn des Para¬
graph 3, dass Jedermann befugt ist, den Arzt vor
das Ehrengericht zu citiren, weist auf üble Con-
sequenzen hin.
Der Mangel einer Standesordnung als gesetz¬
liche Grundlage für die ehrengerichtliche Thätig-
keit der dazu Berufenen macht sich sehr geltend,
weil in der Begründung betont wird, dass die Fest¬
stellung des Begriffs „Standesehre“ gegenwärtig
nicht ausführbar sei und dieses erst durch eine
längere ehrengerichtliche Praxis geschaffen werden
müsse.
Verfasser betont sodann, dass es einen grossen
Fehler bedeuten würde, wenn man das Wohl und
Wehe der Aerzteschaft als Generalidee der Me-
dicinalreform betrachten wollte. Der leitende Ge¬
danke muss sein, die lebende Generation stark zu
erhalten, die folgende stark zu machen.
In den vorliegenden Entwürfen ist dieser Ge¬
danke zu wenig oder gar nicht vertreten. Auch
das Umlagerecht der Aerztekammern vermag diesen
Gesichtspunkt nicht zur Ausführung zu bringen,
da es für die eigentlichen Interessen und Bedürf¬
nisse des ärztlichen Standes wenig Geld übrig
lässt.
Der Generalidee, die ein Entwurf entwickeln
soll, die Pflege der Volksgesundheit, sucht Verf.
nun mit einem eigenen Vorschlag durchzuhelfen.
Die Staatsregierung beschliesst, dass die ge-
sammte Aerzteschaft des Königreichs Preussen zu
einem grossen Verband zusammengeschlossen wird.
Die Verpflichtung gegen den Verband besteht in
einer jährlichen Zahlung von 10 Mk. oder in einer
Kopfsteuer, die nach einem für das ganze König¬
reich geltenden Procentsatz der Einkommensteuer
festzusetzen ist. Gewählt wird ein Directorium von
2 Mitgliedern und 1 Aufsichtsrath, den der Aus¬
schuss der Aerztekammer zu stellen hat.
Zweck des Verbandes besteht:
I. In der Förderung der Volksgesundheits¬
pflege.
II. In der wissenschaftlichen und technischen
Ausbildung der Aerzte in allen Zweigen ärztlichen
Wissens und Könnens.
III. In der Fürsorge für Mitglieder und Hinter¬
bliebene des ärztlichen Standes.
IV. In der Förderung aller Zweige des ärzt¬
lichen Wissens und Könnens (Prämien und Preis¬
aufgaben). Die Thätigkeit des Verbandes richtet
sich entsprechend den als Zweck angeführten
Punkten: I und II: Auf die Schaffung von Ein¬
richtungen, welche gleichzeitig der Volksgesund¬
heitspflege und der ärztlichen Ausbildung dienen.
V. Auf die Einrichtung von Pensions- und
Wittwenkassen.
IV. Auf die Aussetzung von Prämien für gute
Lösungen ärztlicher Aufgaben.
Die ärztliche Ehrengerichtsbarkeit übernehmen
die Aerztekammern, und als Präsident der Berufs¬
instanz des Ehrengerichtshofes, welcher von dem
Ausschuss der Aerztekammern gebildet wird, fungirt
der Director der Medicinal-Angelegenheiten in betr.
Hinsicht. Die Kosten der Ehrengerichtsbarkeit trägt
die Verbandskasse.
Verfasser glaubt, dass auf diese Weise durch
Gründung von Heimstätten für Kranke, Wöchne¬
rinnen und Reconvalescenten ärztliche Hochschulen
entstehen, die eine gewisse Loslösung der Aerzte
von der Universität bedeuten würde, die an den¬
selben doch nur als Eindringlinge betrachtet werden.
Ferner werde es auch keine Schwierigkeiten
bereiten, ein Stammkapital zu bilden, welches für
die Zwecke der Pensions- und Wittwenkasse be¬
stimmt ist.
Noch einen weiteren Vortheil verspricht sich
Verfasser. Er führt die Ausdehnung des Kur¬
pfuscherei wesens namentlich darauf zurück, dass die
sogen, physikalischen Heilmethoden, wie Wasser¬
kur und Massage, von den Aerzten zulange den
Laien überlassen worden sind. Durch die „ärzt¬
lichen Hochschulen“ wäre der Aerztewelt Gelegen¬
heit gegeben, ein Versäumniss nachzuholen und
dadurch die Kurpfuscherfrage zur Lösung zu
bringen.
Hautaffectionen bei Diabetikern.
Heilwirkung von Karlsbad-Dr. Kafka.
Auf eine Anfrage bei Herrn Coli. Dr. Kafka,
über seine Erfahrungen betreffs Hautaffectionen bei
Diabetikern, erhielt ich von ihm folgende dankens¬
werte, ausführliche Antwort, die ich zu allgemei¬
nem Nutz und Frommen hier gern veröffentliche.
Der College schreibt:
a) Die Haut bei Diabetikern ist in schweren
Fällen trocken und schuppig, sehr häufig ist sie je¬
doch normal. Es ist aber auch keine Seltenheit,
dass Diabetiker transpiriren. Ich habe Patienten in
Behandlung gehabt, welche selbst über übermässige
Schiveisssecretion klagten.
b) Einzelne Diabetiker klagen über Hautjucken,
ohne dass ein wirklicher Grund nachweisbar ist.
Die Ursache dieses Pruritus liegt wohl in der
Reizung der Hautnerven durch den in den Capil-
laren enthaltenen Zuckergehalt. — Pruritus vulvae
ohne nachweisbare Erkrankung der Haut ist nicht
selten und gehört zu den peinlichsten Erscheinungen.
Das Jucken zwingt die Kranken zu häufigem
Digitized by
Google
Kratzen der Haut und sie zeigt dann, wie gross
die Vulnerabilität der Haut der Diabetiker ist. Es
zeigen sich an den Kratzstellen förmliche Substanz¬
verluste.
Im vorigen Jahre behandelte ich eine an Dia¬
betes leidende Dame, die mit fast 10 Proc. Zucker
nach Karlsbad kam Sie hatte ein unaufhörliches
Jucken an den Genitalien, was zur Nachtzeit un¬
erträglich wurde. Sie musste kratzen, sie mochte
wollen oder nicht.
Kalte Abwaschungen, Essigeinreibungen etc.
äusserlich, innerlich Sulphur, Dolichos pruriens —
Alles half nichts; ich rieth ihr nun, nichts dagegen
zu thun, und den Erfolg der Karlsbader Kur ab¬
zuwarten. Der Zuckergehalt im Harn nahm in er¬
freulicher Weise stetig ab und damit auch das
Hautjucken, so dass die Patientin, die sonst Nachts
kein Auge schliesscn konnte, jetzt wieder zu schlafen
im Stande und darüber ganz glücklich war. Als
sie vollständig zuckerfrei wurde, war der Pruritus
vollständig geschwunden.
Eine andere, 42 jährige Patientin, die ich jetzt
in Behandlung habe, und die Anfangs April d. J.
mit 7 Proc. Zucker hierher kam, ist jetzt völlig
zuckerfrei nach 18 tägigem Kurgebrauche, und das
Jucken an der Vulva, das sie zwei Jahre lang er¬
schrecklich geplagt hat, hat ganz aufgehört; auch
sind die Krätzeffecte gut verheilt.
Prof. Dr. Seegen beschreibt (Diabetes mellitus.
Berlin 1879) einen hierher gehörigen, interessanten
Fall. Er betrifft einen wohlgenährten, 189 Pfd.
wiegenden Patienten, welcher Prof. Hebra wegen
seines anhaltenden Hautjuckens consultirte. Bei der
Untersuchung zeigten sich an den Oberarmen und
am Nacken zahlreiche Krätzeffecte, theils blutig ge¬
färbte Borken; theils mit bedeutendem Substanz¬
verluste geheilte Stellen. (Wir sehen bei Dia¬
betikern leicht Eiterungen des Unterhautzellgewebes
eintreten ) — Hebra veranlasste eine Harnanalyse;
diese ergab einen Zuckergehalt von 4 Proc. Am
13. Mai 1869 kam Patient nach Karlsbad; am
19. Juni war er ganz zuckerfrei, und die Haut¬
erscheinungen waren verschwunden; das Gesammt-
befinden vortrefflich. Eine im Herbst und Winter
1869 wiederholte Harnanalyse zeigte keine Spur
von Zucker.
Andere traumatische Schädigungen der Haut
bei Zuckerkranken heilen immer sehr langsam und
die einfachsten Schnittwunden gehen leicht in Eite¬
rung über. So wie sie aber längere Zeit die Kur
gebrauchen, und sich der Zucker vermindert, tritt
baldige Heilung ein.
Hierher gehört auch die grosse Disposition der
Diabetiker zu Furunkulose und Carbunkelbildung.
Furunkel erscheinen meist im Beginn der Krank¬
heit. Die Diabetiker erzählen uns gewöhnlich, wie
i
I
I
sie einige Jahre an Furunkel gelitten haben, woraut
dann Abmagerung, Schwächegefühl etc. sich ein¬
gestellt habe. Forscht man nun tiefer, so findet
man, dass bei ihnen noch andere auf Diabetes be¬
zügliche Symptome mit der Furunkulose zugleich
vorhanden waren; letztere somit selbst schon ein
Symptom des Diabetes bildete.
Im weiteren Verlauf eines vorgeschrittenen Dia¬
betes habe ich nie Furunkel beobachtet; diese sind
stets eins der ersten Symptome. Ich denke mir,
dass der im Blute vorhandene Zucker als Reiz auf
das Unterhautzellgewebe wirkt und die Entzündung
veranlasst. Mit der Zeit accommodirt sich aller¬
dings das Gewebe dem Zuckergehalt, so dass dieser
nicht mehr als Reiz wirkt.
Unzweifelhaft mag Furunculose auch durch an¬
dere Blutentmischungen veranlasst werden, aber die
Erfahrung lehrt, dass diese nicht gar selten eine
der ersten Erscheinungen bei Diabetes sei, so dass
es wohl angezeigt ist, bei jedem Fall von Furun¬
culose den Harn auf Zucker zu untersuchen. Hier¬
durch wird es oft gelingen, die Krankheit gleich
bei ihrem ersten Auftreten zu erkennen und sie
entsprechend zu behandeln.
Carbunkelbildung gehört auch häufig zu deu
ersten Symptomen des beginnenden Diabetes; des¬
halb ist auch bei dieser Hautaffection eine Harn¬
analyse nicht zu unterlassen.
Ein Diabetiker aus meiner Praxis bekam einen
mächtigen Furunkel im Nacken, nachdem die ersten
Symptome des Diabetes bereits entwickelt waren,
und auch der Bruder dieses Patienten, der später
an Diabetes gestorben ist, hatte im Beginn der
Krankheit an einem Carbunkel gelitten.
Bei Frauen bildet sich zuweilen eine ganze
Reihe kleiner Furunkel an den Schamlippen. Häu¬
figer noch zeigen sich Exzeme an den männlichen
und noch mehr an den weiblichen Genitalien, welche
den Kranken in hohem Grade peinigen. Offenbar
wirkt der zuckerhaltige Urin hier als Reiz. Die
Franzosen nennen diese Art Exzem, das sich von
dem gewöhnlichen in nichts unterscheidet, Exzöme
glycosenique.
Derartige Hautausschläge werden durch eine
Karlsbader Kur immer günstig beeinflusst, ja selbst
in der Regel geheilt. —
Ref. hat selbst einen Fall beobachtet, wo ein
Mann im Anfang der Fünfziger, der in Folge einer
Apoplexie auf der rechten Seite, besonders am
Arme, gelähmt war, eine Hautaffection über den
Malleolus externus des rechten Fusses bekam. Es
war eine nässende Hautschrunde mit brennend¬
stechendem Schmerze, die in die Tiefe zu gehen
drohte und Gangrän befürchten liess. Da Patient
überdies an starkem Durste litt, w'eshalb er viel
Flüssigkeit zu sich nahm, auch viel hellfarbigen.
Digitized by t^ooQle
167
klebrigen Urin Hess, so wurde eine Harnanalyse
gemacht, und diese ergab einen bedeutenden Pro¬
zentsatz von Zucker. Es hatte sich also bei diesem
Periplegitischen ein Diabetes mellitus ausgebildet.
Unter entsprechender Diät und der Verabreichung
von Arsen 30. und Sizygium jambolinum 30. im
Wechsel nahm der Zucker ab, und im gleichen
Maasse wurde auch das Hautleiden gebessert. Es
bildete sich eine decolorirte Narbe an der kranken
Hautstelle, und diese ist noch jetzt, nach 1 Jahr,
bemerkbar.
Dass Gangrän der Haut gern auf diabetischem
Boden sich ausbildet, und wie schwerbedenklich
unter solchen Umständen die Prognose lautet, ist
bekannt. M.
Keine Abrüstung.
Nachdem wir in der vorigen Nummer dieser
Zeitung in der angenehmen Lage gewesen sind,
ein für die Homöopathie, auf Grund echt natur¬
wissenschaftlicher Methode, von competenter Seite
ausgesprochenes günstiges Votum unseren Berufs-
genossen vorzulegen, haben wir ihnen heute da¬
gegen von unliebsamen Aeusserungen, misstönenden
Stimmen aus dem uns gegnerischen Lager Meldung
zu thun. Wenn nun auch die entsprechenden Ant¬
worten hierauf alsbald in die Oeffentlichke.it er¬
schallen werden, so halten wir es doch für unsere
Pflicht, diese Presserzeugnisse, als Chronist der
Zeitstimmen, hier zu verzeichnen.
Da stossen wir zunächst auf eine Broschüre,
wir könnten sie auch ein Pamphlet nennen, „Ueber
Kurpfuscherei“ von Friedrich Metterhausen, prakt.
Arzt in Soltau (Hannover). Der Verf. hat zwar
die Gewogenheit, die homöopathischen Aerzte nicht
geradezu unter die Kurpfuscher zu rangiren, aber
viel besser kommen wir doch auch nicht weg,
ein Brandmal soll uns doch damit aufgedrückt wer¬
den, wenn er neben der Naturheilmethode, die er
thörichter Weise vom Vater Kneipp ableitet, auch
die Homöopathie in die Kategorie der ketzerischen
Afterwissenschaften einreiht. Verf. hält eben die
auf den Universitäten gelehrte Heilwissenschaft und
Heilkunst für die allein gültige, wissenschaftliche
und jede davon abweichende Richtung als ver-
dammlich. Es fällt ihm daher gar nicht ein, unsere
Heilmethode einer wissenschaftlichen Prüfung zu
unterziehen. Dagegen sucht er sie vom moralischen
Standpunkte aus zu brandmarken als ein Product
absichtlichen Truges, gemeinen Eigennutzes, mit
der Tendenz entstanden, durch einen mystischen
Obscurantismus den Volksgeist in die Dämmerung
des Mittelalters zurückzubringen, und so zu ver¬
dummen, um ihn erst recht beherrschen und das
Volk ausbeuten zu»können. Von der wahren Natur¬
wissenschaft, in specie der wissenschaftlichen Heil¬
kunst dagegen erwartet er alles Heil, leibliches
nicht bloss, sondern auch geistiges und sittliches.
Dies in einer Zeit zu behaupten, wo die herrschende
Schule so emsig damit beschäftigt ist, einen ethi¬
schen Codex für ihre Mitglieder zu schaffen, ist
das nicht höchst naiv ? Hat nicht überdies die
moderne Naturwissenschaft durch den von ihr auf
allen Gassen gepredigten Materialismus und Natura¬
lismus der Sittlichkeit unseres Volkes fast unheil¬
bare Wunden geschlagen? Dass Verf. der über¬
zeugenden und versittlichenden Macht der Natur¬
wissenschaften doch nicht gar zu viel vertraut, geht
daraus hervor, dass er die Staatsgewalt gern heran¬
kriegen möchte, ihre wuchtige Hand auf Alles, was
Kurpfuscherei heisst, aber auch auf die ihm verhassten
„Afterwissenschaften“ zu legen. Ja, er macht dem
Staat gehörige Vorwürfe darüber, dass er die Ho¬
möopathie geschützt hat (von diesem Schutze haben
wir freilich nicht viel erfahren, wir haben uns
höchstens einer mühsamen Duldung zu erfreuen
gehabt), und fordert ihn energisch auf, seines
Amtes zu walten, d. h. all dieser Ketzerei das
Lebenslicht auszublasen.
Doch wir wollen hiermit abbrechen, da, wie
uns Coli. Dr. Grünewald in Frankfurt a. M mit-
getheilt, demnächst eine kräftige Antwort auf dieses
Pamphlet erscheinen wird.
Zweitens haben wir zu berichten über einen
Artikel in dem General-Anzeiger der Stadt Frank¬
furt a. M. vom 28. April c., der aus der „Post“
herübergenommen, die „Heilung der menschlichen
Leidenschaften“ nach Dr. Gallaverdin betrifft. —
Wir haben früher diese Behandlungsart mit homöo¬
pathischen Mitteln in unserem Blatte besprochen,
von der wir bei Trunksucht gewiss manchen guten
Erfolg erwarten dürfen, waren dagegen gegen die von
dem geehrten Collegen bei sexuellen Leidenschaften
auf diesem Wege zu erlangenden Heilresultate
etwas skeptisch. — Der gedachte Artikel im Frank¬
furter General-Anzeiger ist nun so von Ironie
durchtränkt, stellt den Gegenstand (wie es die
Presse so gern bei Mittheilungen aus der homöo¬
pathischen Welt tbut) von lächerlicher Seite dar,
dass Dr. Grünewald sich bewogen fühlte, beifol¬
gende Richtigstellung in demselben Blatte zu geben.
Es ist schon anzuerkennen, dass das Blatt dieselbe
aufgenommen hat:
,,Die Heilung menschlicher Leidenschaften.
Zu dem der ,Post‘ entnommenen Artikel in
No. 99 des ,Frankf. Gen.-Anz.‘, die Heilung mensch¬
licher Leidenschaften durch Homöopathie betreffend,
wird uns von einem hiesigen Arzte geschrieben:
So sehr es zu begrüssen ist, in Ihrem Blatte etwas
Digitized by
Google
168
über die immer wieder von s\ph redenmachende
Homöopathie zu hören, so überraschend könnte es
den Kenner berühren, dass Ihre Notiz lediglieh
Mittheilungen vom äussersten Flügel des homöo¬
pathischen Lagers bringt, dessen Bewegungen nicht
alle zu ihm Gehörigen mitmachen. Die überwiegende
Zahl homöopathischer Aerzte der Jetztzeit schliesst
sich einer so weitgehenden Beeinflussung der mensch¬
lichen Seelentliätigkeit, wie der in Rede stehende
Artikel solche zu schildern beliebt, nicht an. Gleich¬
wohl stehen wir auf dem jetzt allein berechtigten
naturwissenschaftlichen Boden, Körper und Geist
nicht nur als ein gemeinsames Ganzes, sondern
auch als von einander abhängig und für den ge¬
sunden oder kranken Zustand für einander be¬
dingend anzusprechen. Eine Heilkunst, welche
Krankheitserscheinungen nicht nur in dem sonst
üblichen Sinne mit jeweiligen von einem Mode¬
charakter nicht freizusprechenden Mitteln vorüber¬
gehend unterdrückt oder nur gewaltsam verschiebt,
sondern dem Gesammtorganismus einen naturgesetz¬
lichen Ausgleich der kranken Organzustände in
wirklich heilendem Sinne vermittelt, ist thatsächlich
auch im Stande, das seelische Befinden der Kranken
umstimmend zu beeinflussen. Aus diesem Grunde
hat auch im Lande des Fortschrittes der praktische,
nüchtern denkende Amerikaner die Leitung einiger
der grössten Anstalten für Geistes- und Nerven¬
kranke homöopathischen Aerzten anvertraut. Hier
sind wir leider noch nicht so weit. Sogar in einem
grossen Theil der gebildeten Kreise herrscht noch
eine unglaubliche Unwissenheit über das Wesen
und die Principien der Homöopathie! Falsche Be¬
griffe, die bekanntlich noch viel schlimmer und
folgenschwerer sind, als gar keine, erschweren die
Aufklärung und zwar um so mehr, als die Ver¬
treter der alten Schule, weit entfernt sich selbst
aufklären lassen zu wollen, dieses Falschwissen in
den ihnen zugänglichen Kreisen noch unterstützen.
Es ist dies um so unverständlicher, als auf allen
naturwissenschaftlichen Gebieten die fortschreitenden
Forschungen immer mehr und mehr Beweismaterial
für die Existenzberechtigung der homöopathischen
Heilmethode liefern. Speciell die medicinische
Forschung bringt mit jedem Jahre in besonders
beachtenswerthen Arbeiten aus der Feder des der¬
zeitigen medicinischen Universitätsprofessors Herrn
Dr. Hugo Schulz zu Greifswald unzweideutige, nicht
mehr misszuverstehende Bestätigungen für die wissen¬
schaftliche Begründung und Berechtigung der Ho¬
möopathie. Seine ,Pharmakotherapie‘, im Lehrbuch
der allgemeinen Therapie und der therapeutischen
Methodik, von Geh. Med.-Rath Professor Dr. Eulen¬
burg und Professor Dr. Samuel, sowie sein in
No. 14 der ,Deut. Med. Wochenschrift 4 vom 6. April
1899 veröffentlichter Vortrag über ,Die Grund¬
gesetze der arzneilichen Organtherapie und ihre
Bedeutung für die Praxis 4 decken sich ihrem In¬
halte nach mit den Principien der Homöopathie in
den Hauptpunkten voll und ganz. So ist denn der
Hahnemann-Sehulz’sche Weg nach der Ueberzeugung
des Herrn Professor Dr. Schulz: ,der einzige, auf
dem weiter arbeitend die Pharmakotherapie die
Stellung sich dauernd sichern kann, die ihr ge¬
bührt etc. 4 In einer Zeit, in welcher die verschie¬
densten exact wissenschaftlichen Arbeiten nicht bloss
völlig ungesucht, sondern den Forscher wohl ge¬
radezu unangenehm überraschend auf die Wahrheit
der Homöopathie hinweisen, kann uns eine ge¬
hässige Entstellung der Thatsachen, wie sie Herr
Professor Dr. Samuel in seinem ,Medicinische Sekten 4
oder Herr Metterhausen aus Soltau in seiner eben
erschienenen Broschüre ,Ueber Kurpfuscher 4 bringt,
nichts weiter anhaben. Letzterer wird, soviel wir
hören, in Kurzem eine Erwiderung zu theil, unter
dem Titel: »Zuckungen eines Homöopathen nach
seiner Hinrichtung. Offener Brief an den Henker
aus dem Jenseits seiner Begriffswelt. 4 Der Artikel,
der zu vorstehendem Veranlassung gab, wird wohl
bei der, wenn auch langsam, so doch stetig in immer
weiteren Schichten der denkenden Bevölkerung
platzgreifenden Erkenntniss für die Bedeutung der
Homöopathie gebührende Beurtheilung gefunden
haben. Dr. Gr. 44
Wir sind Herrn Collegen Grünewald für diese
tapfere und geschickte Erwiderung zu Danke ver¬
pflichtet. Unser amtlicher, d. h. vom Centralverein
bestellter polemischer Apparat arbeitet viel zu lang¬
sam, da ist es gut, wenn auf solche Zeitungs¬
artikel, wenn es geboten erscheint, eine schnelle
Antwort erfolgt. Dr. Moisa.
Melilotus.
Ueber diese bei uns wenig gekannte und ge¬
brauchte Arzneipflanze findet sich in The homoeo-
pathic Recorder vom 25. Januar d. J. ein inter¬
essanter Artikel von Dr. G. W. Bower.
Verf. hat sich eine Tinctur aus den Blüthen
der Melilotus alba, sowie auch der M. officinalis
(mit gelben Blüthen) und auch eine solche aus den
Wurzeln bereitet. Hinsichtlich der Wirkung konnte
er aber keinen sonderlichen Unterschied bei diesen
verschiedenen Präparaten finden. So hat er denn
in den letzten fünf Jahren sich nur der Melilotus
alba bedient und die Tinctur aus der ganzen
Pflanze hergestellt. Er giebt hierzu folgende Vor¬
schrift:
Man sammle die Pflanze in der Blüthe, reinige
sie, zerschneide und thue sie in reinen Alkohol
(nicht Wasser), lasse sie 6 oder 12 Monate stehen,
Digitized by ^»ooQle
so wird man eine weinfarbige, haltbare Tinctur ge¬
winnen. Er hat sie in Globulis gegeben, die er
mit der 1. centesimal. Dil. getränkt hat.
Dr. Sieffert spricht in seinem Formulaire de
thörapeutique positive p. 244 ebenfalls von der
Melilotus alba (Mölilot blanc, Mölilot de Sibirie).
Wir nennen die Pflanze weissen Steinklee.
Als physiologische Wirkungen giebt er an:
Starke Gehirncongestionen und locale Congestionen
nach der Lunge, dem Becken und After, begleitet
von reichlichen Blutungen aus Nase, Lunge etc.,
Abgeschlagenheit von Körper und Geist
Als klinische Indicationen sind aufgestellt: Con-
gestiver Kopfschmerz, Kinderkrämpfe (vom Zahnen),
Puerperalkrämpfe, Hämorrhagieen (Nasenbluten mit
Husten und Brustbeklemmung), Hypochondrie, Me-
lancholia religiosa, Spasmen.
Farrington präcisirt in seiner kl. Arzneimittel¬
lehre p. 237 den für Melilotus geeigneten Kopf¬
schmerz dahin: „Das Mittel verursacht äusserst heftige
Hirncongestion mit Kopfweh, der den Kranken fast |
zum Wahnsinn treibt. Es scheint dem Kranken j
wirklich, als ob das Gehirn durch die Stirn brechen
wollte. Das Pulsiren ist dabei fast so heftig, wie !
bei Glonoin. Bei einer der Prüfungen dieses Mittels
hatte eine Dame diesen congestiven Kopfschmerz
mit Prolapsus Uteri und heftigem Herzklopfen.“
Ob der Gebärmuttervorfall schon früher bestan¬
den, ist nicht gesagt.
Dr. Bowen theilt uns einige Fälle aus seiner
Praxis 1. c. mit. Es betrifft i
Fall 1 einen Kopfschmerz bei einem Franzosen. !
Der Schmerz war so heftig, dass Pat. zu sterben
meinte, war anhaltend und verhinderte ihn an aller
Arbeit. Dr. B. gab ihm eine Gabe Melilotus 1. Cent.,
fand aber bei weiterem Examen, dass hier Nux
vom. besser angezeigt war. Er ging deshalb in '
seine Apotheke, um dieses Mittel zu holen; als er ]
nach 5 Minuten zurückkam, fand er den Mann auf
Händen und Knieen auf dem Boden liegend und
den Kopf wüthend schüttelnd. Auf die Frage,
was ihm fehle, antwortete er nicht, so dass Dr. B.
glaubte, der Mann sei durch das Mittel verrückt
geworden. Bald stand Pat. aber auf und sagte: |
„Dieser Schmerz ist ganz weg. Ich habe ihn eben !
ausprobirt.“ |
Fall 2. Nasenbluten. j
Vor mehreren Jahren ward Dr. B. aufs Land j
zu einem Mädchen gerufen, das drei Tage schon
an Nasenbluten gelitten hatte. Man hatte die Tam¬
ponade gemacht, aber das Blut war ihr in den I
Mund gelaufen; dabei war sie so nervös ge- j
worden, dass man den Tampon hatte herausnehmen
müssen. Es war Verblutung zu befürchten. —
Sie war kalt, blass und fast pulslos. Sie bekam
Melilotus. Allmählich liess die Blutung nach, und
nach */ 2 Stunde hörte sie ganz auf. Doch gab
Verf. jetzt die zweite Dosis und nach Verlauf einer
Stunde die dritte. Er liess zur Vorsicht noch
mehrere Dosen für den nächsten Tag da. Sonst
noch China 3 — 4 Mal täglich. — Die Blutung war
nicht wiedergekehrt.
Fall 3. Haemorrhagie post partum.
Zu einer Frau eilig gerufen, die nach der Ent¬
bindung eine starke Metrorrhagie bekam, fand Verf.
dieselbe mit blassem Gesicht und kalten Händen.
Die Nachgeburt war laut Angabe abgegangen. Er
machte eine schnelle Untersuchung, wobei ihm das
heisse Blut über die Hand rann. Er gab eine
Dosis Melilotus, das sich ihm bei einer profusen
Menstruation wirksam gezeigt hatte, bereitete einen
Tampon vor und ein Tuch, um die Glieder zu
binden und so das Blut möglichst zu sparen. Ehe
der Tampon fertig war, sagte Pat.: „Ich fühle
mich besser; das Blut geht mir nicht mehr ab.“
Dem war in der That so; es fand sich auch kein
Blut im Uterus angehäuft. Die Tamponirung war
nicht mehr nöthig. Es wurden an diesem Tage
noch di ei Gaben des Mittels verabreicht; sodann
China alle 3 — 4 Stunden.
Fall 4 und 5. Zwei Fälle von Mania acuta
hat Verf. mit Melilotus geheilt: Die ersten Dosen
hat er stärk gegeben. Je heftiger der Fall, desto
schneller und sicherer ist der Erfolg, und das be¬
zieht sich sowohl auf die genuine Manie, als auch
auf solche Fälle, die dem übermässigen Gebrauche
von Stimulantia entspringen.
Die Melancholie ist dem Mittel nicht so zugäng¬
lich. — Ob seine Wirkung mehr dem Nerven¬
system zu Gute kommt, oder dem venösen, die
Capillaren controlirenden Kreisläufe, kann Verf.
nicht entscheiden. Bei Congestionen, Nasenbluten,
Epilepsie und Eclampsie des Kindesalters, vertraut
er dem Mittel unbedingt; die günstige Wirkung
tritt schon in wenigen ziugenblicken sichtlich ein;
sie ist eine unmittelbare.
Aus diesen Beobachtungen geht jedenfalls so
viel hervor, dass Melilotus ein auf die Circulation
mächtig wirkendes Mittel ist. —
Wir wollen noch einige pharmakologische Be¬
merkungen hinzufügen. Die Herba cum flore me-
liloti citrinae war ehedem officinal. Seine botani¬
schen Namen sind theils Melilotus officinalis, theils
Trifolium mel. offic. deutsch: Melilotenklee, Me-
loten-, Schoten- oder güldner Klee, auch Honig-,
Bär- oder Steinklee. Er gehört in die Familie
Papilionaceae — Loteae —Trifoliaceae. Die trauben¬
artigen Blumen mit bleibendem, glockigem Kelche
und gelben, schmetterlingsartigen Kronen haben
einen starken, süsslichen Geruch, der den Motten
zuwider sein soll und einen bitterlichen, schleimigen
Geschmack.
22
Digitized by ^»ooQie
170
Als wirksame Bestandteile gelten ätherisches
Oel, ein bitterer Extractivstoff und Melilotin. Dieses
Steatopton krystallisirt in weissen, glänzenden Nadeln,
wenig in kaltem, mehr in heissem Wasser, leicht
in Alkohol und Aether löslich, reagirt weder sauer
noch alkalisirt, hat einen angenehmen Geruch und
einen etwas scharfen, angenehmen Geschmack und
soll dem Coumarin der Tonkabohnen identisch |
sein. (?) — Früher hat man das Mittel innerlich
gegen spastische Unterleibsaffectiouen, Koliken, Bläh¬
beschwerden, Dysurie angewandt; dann hat es in
äusserlicher Anwendung, namentlich in der Form
des Emplastrum meliloti, sonst als Infus, zur Zer-
theilung und Erweichung von Geschwülsten, Drüsen¬
verhärtungen, Milchknoten und bei Eiterungen sein
Dasein in der Materia medica gefristet. Heute ist
es aus ihr fast ganz verschwunden. — Das in ihr
enthaltene ätherische Oel und der krystallisirbare
Stoff, Bestandtbeile, die wir bei so manchem recht
wirksamen aethereo-oleosum antreffen, deuten wohl
auf eine Wirksamkeit dieses Mittels hin. welche
dessen theilweise Prüfung und die angeführten
Heilerfolge einigermassen näher bestimmt haben. —
Inwieweit die Volksheilkunst von dem güldenen
Klee Gebrauch gemacht hat, darüber kann uns
vielleicht ein Kenner der Kräuterbücher Bescheid
geben. • M.
Praktische Notizen.
Kalium jodatum in Neuralgia*
Dr. Jaquet hat bei zwei Patienten nach dem
Gebrauch von Jodkalium eine Gesichtsneuralgie
beobachtet. Die homöopathischen Prüfungen dieses
Mittels geben in der That lanzinirende Schmerzen
im Oberkiefer, Gesicht und in der Lendengegend
an. — Dr. Jousset hat Jodkaliura in der 12. Dil.
mit ausgezeichnetem Erfolge in Ischias gebraucht.
Bei Hartland und Trinks findet sich das Sym¬
ptom: „Schmerz in der Hüfte, der den Kranken
zu hinken nöthigt, nebst stechenden Schmerzen in
den Armen.“ (Medical Counseller.)
Asa foetida in einem Falle von übermässigem
Niesen.
Ein 24j. junger Mann, blond, nervösen Tem¬
peraments, kommt seit 3 Tagen nicht aus dem
Niesen heraus. Aehnliche Anfalle, die vor mehreren
Jahre mehrere Wochen im Juni und Juli dage¬
wesen, waren weder auf locale Mittel noch einer
klimatischen Behandlung gewichen. Die Gewebe
der Nase waren gegenwärtig hyperämiscli und so
empfindlich, dass die leichteste Berührung der Nasen¬
schleimhaut einen heftigen, langen Nieseanfall be¬
schleunigte, dabei war die Brust beengt, und von
flüchtigen Schmerzen heimgesucht. Er war in solchen
Anfällen immer höchst nervös gewesen. Er bekam
Asa foetida 2. Dec. — und wegen seiner Neigung
zum Schweiss musste er seinen Flanell ablegen
und sollte im Zimmer ohne Schuhe und Strümpfe
gehen. Nach Verlauf von zwei Tagen kam es
nicht mehr als zu 12 maligem Niesen und von da
ab ging die Genesung schnell und ungestört vor
sich. — (Dr. 0. S. Smith in Amer. Hom.)
In der Pathogenese von Asa foetida finden wir,
abgesehen von der hier obwaltenden nervösen Er¬
regung, das Symptom: „Oefteres, heftigeres Niesen“,
sowie auch „gesteigerte Hautperspiration„Druck
auf der Brust* *, so dass das Mittel in der That hier
wohl angezeigt war.
Arnica montana in Tonsillitis — Angina fau-
cium.
Dr. M. A. Wesner giebt an, dass Arnica eine
Art von Angina coupiren kann, wenn folgende
Symptome vorhanden sind: Heftiger Schmerz beim
Schlingen, der sich auf ein oder beide Ohren er¬
streckt ; Pat. kann nichts Festes schlucken, Flüssiges
bringt er in grösseren Quantitäten leichter hinunter
als in kleinen; immer aber ist es sehr schmerzhaft.
Er kann den Mund nur mit Mühe öffnen; der Hals
ist an der Aussenseite geschwollen und empfindlich;
eine oder beide Mandeln sind stark geschwollen
und hellroth gefärbt; die Schwellung hat einen
ödematösen Anstrich und breitet sich noch auf- und
vorwärts auf den weichen Gaumen und das Zäpfchen
fort, der auch leicht geröthet erscheint. Dazu
kommt Fieber, Frost, Hitze, Durst; seine Stimme
ist rauh und undeutlich; meistentheils kann er nicht
liegen; die Muskeln thun weh; ein Gefühl allge¬
meinen Unwohlseins. Man achte auf den Charakter
der Schwellung — ihre hellrothe Farbe, Gedunsen¬
heit und Ausbreitung. — Folgender Fall beleuchtet
dies näher:
Ein 35jähr. Mann erkrankte im Februar 1898
j unter Frost, Hitze und Durst; seine Temperatur
i war 102° F. (fast 39° C.); er kann nicht liegen
oder schlafen; die rechte Halsseite ist geschwollen
und druckempfindlich. Die rechte Mandel war hell¬
roth und so stark geschwollen, dass sie die linke
berührte Der weiche Gaumen und das Zäpfchen
war so dick wie ein Mannes-Daumen. Alles hatte
ein gedunsenes Aussehen. Er konnte nichts Festes
oder etwas Flüssiges schlucken; letzteres brachte
er gelegentlich in grösserer Menge, aber unter
grosser Anstrengung, herunter. Er erhielt Arnica
6. Dec. in Wasser stündlich. Am folgenden Tage
war die Temperatur normal; Pat. hatte liegen und
einen Theil der Nacht schlafen können. Seine
rechte Mandel war um die Hälfte reducirt, und die
Geschwulst des Zäpfchens und weichen Gaumens
war völlig versehwunden. Alle Symptome der Angina
vergingen ohne Eiterung in zwei Tagen.
'Amer. Hon».)
Digitized by L^OOQie
171
Lappa major in Hautkrankheiten.
In Eczema ist sie oft ein wirksames Mittel, sei
es ein Eczem im Gesicht oder am Körper; beson¬
ders aber wirkt es günstig, wenn diese Krankheit
die Kopfhaut ergreift. (Amer. Hom.)
Arsenicum jodatum bei cancroiden Geschwüren.
Uranium nitricum bringt -— in zu starken Dosen
bei Diabetes gebraucht — eine Nierenentzündung
hervor, die der von der Cantharis bewirkten sehr j
ähnlich ist.
Hydrastis canadensis bei bösartigen Zungen¬
geschwüren.
Ein 60j. Mann hatte vor mehreren Jahren eine
Enteritis, bei der er unter anderen Mitteln auch
Sublimat und Aesculus erhalten hatte. Syphilis ist I
nicht dagewesen. Im vorigen Jahre verspürte er
in der Zunge einen lebhaften, dauernden und all¬
mählich sich steigernden Schmerz; gleichzeitig er- j
schien eine Geschwulst auf dem hinteren Theile
der Zunge. Ein Chirurg hatte die Diagnose auf
Cancer gestellt. — Der Tumor war exulcerirt, von
länglicher Form, und nahm einen Raum von 3 bis
4 Centimeter ein. Der Kranke konnte weder essen |
nooh sprechen. — Es wurde verordnet, von der
Tinct. Hydrastis canad. täglich 3 — 4 Tropfen zu
nehmen; ausserdem wurden Compressen, die mit |
eiuer Lösung des Mittels von 1:10 befeuchtet
waren, auf die krankhafte Stelle gelegt — und
war Pat. sehr gewissenhaft in der Anwendung dieser
Compressen. Nach vier Monaten trat völlige Hei¬
lung ein. (Dr. Jousset senior.)
Einen ähnlichen Fall berichtet. Dr. Bower.
Der bimförmige, harte, warzenartige Tumor sass
auf der linken Seite der Zunge. Drei Aerzte
hatten ihn für Cancer erklärt und bereits die Ope¬
ration beschlossen. Dr. B. verordnete Hydrastis 6.
mehrmals täglich, mit zeitweisen Pausen. Der Zu¬
stand besserte sich bald; aber der Kranke bekam
sehr heftige Schmerzen um das Auge herum.
Jetzt wurde Hydrastis 6. mit Sanguinaria 6. im
Wechsel gegeben. j
Unter dem Einflüsse dieser Mittel haben die
Schmerzen aufgehört; Pat. kann gut essen und
sprechen und hat kein Fieber mehr. (Er hatte
vorher Sublimat-Einspritzungen bekommen.) — Ob
die Geschwulst vergangen ist, ist im Berichte nicht
erwähnt.
(Revue homoeopath. fran^aise. Januar 1899.)
Kalium jodatum: Wirkuug auf die Nieren.
Ein an chronischem Tripperrheumatismus leiden- j
der Mann bekam, nachdem er 4 Tage lang täg- !
lieh 2 Gramm Kal. jodatum genommen, eine leichte |
Zona am Auge, die von einer Neuralgie des N.
facialis dexter, ohne Paralyse, begleitet war. —
Der Umstand, dass dasselbe Mittel in gleicher
Dosis nach mehrtägigem Gebrauch bei diesem Kranken j
eine linksseitige Gesichtslähmung von sechswöchent¬
licher Dauer vor 4 Jahren, und vor 2 Jahren hef¬
tige Schmerzen in der Lumbo-dorsal-Gegend bewirkt
hatte, gestattet es, jene oben angegebenen Nerven¬
störungen auf die Wirkung von Jodkalium zurück¬
zuführen.
Vielleicht kann man dieselben durch die Ver¬
änderung in den Nervenzellen erklären, wie solche
Nageotte und Ettlinger bei den Intoxicationsver-
suchen an Thieren mittels Jodkalium beobachtet
haben. (Le mouvement therapeutique et medical.
Mai 1898.)
Bei den homöopathischen Prüfungen sind übrigens
angemerkt: stechende Schmerzen im Oberkiefer, im
Gesicht, sowie in der Lendengegend. — Schmerz
in der Hüfte, der zum Hinken nöthigt, dabei durch¬
fahrende Stiche in den Armen (eine Art Ischias).
Sulphur in Hochpotenz wird bei einer stillen¬
den Frau, welche die Milch verliert, diese Secre-
tion wieder reichlich herstellen in zwei oder drei
Tagen, nachdem sie eine Gabe dieses Mittels ge¬
nommen hat. Dasselbe geschieht auch bei Thieren. —
Eine wesentliche Bedingung dabei ist, dass man
das Mittel nicht wiederholt.
(Dr. Gaudy. Journal beige d’Homoeopathie.
Mai —Juni 1898.)
Sabal serrulata (Saw Palmetto) bei Prostata-
Hypertrophie.
Von Dr. W. Reily.
Man bat gesagt, dass von je zehn Männern
neun eine Prostatavergrösserung im Alter zwischen
35 und 75 Jahren haben.
Boowcks Prüfung, siehe „Hale’s Saw Palmetto“,
zeigt, dass die Symptome dieses Mittels fast genau
mit den Störungen in der Prostata und insbesondere
mit dem Zustand von nervöser Reizung überein¬
stimmen, wie solche der Prostata-Hypertrophie voran¬
gehen. Da findet sich dieselbe Reizung des Blasen¬
halses mit erschwerter Harnentleerung, ein Gefühl
von Schwere, das gewöhnlich von Kälte der an¬
grenzenden Theile mit Mangel an Geschlechtstrieb
begleitet ist. Oftmals tritt ein Abfluss von Prostata¬
flüssigkeit ein, manchmal nur die Blasensymptome.
Die folgenden Fälle, die Verf. mittheilt, ver¬
anschaulichen drei der am häufigsten bei Prostata¬
leiden sich kundgebenden Erscheinungsgruppen, für
die sich Saw Palmetto ihm nützlich erwiesen hat.
1. Fall. Ein 56jähriger Mann, Bankier.
Befinden gut bis vor 6 Jahren, wo er zuerst einen
häufigen Urindrang bemerkte, der ihn so belästigte,
dass er schliesslich einen Arzt befragte, der ihn
22 *
Digitized by ^»ooQle
172
längere Zeit mit nur vorübergehender Erleichterung
behandelte.
Er ging dann von einem Doctor zum anderen
mit nicht besserem Erfolge, und hierdurch muthlos
und verzagt geworden, versuchte er nun alle mög¬
lichen patentirten Mittel der Reihe nach. Nach¬
dem er so drei Jahre an sich herumexperimentirt,
kam er schliesslich zur Homöopathie als ultimum
refugium.
Am 28. December fand Verf. folgende charakte¬
ristischen Erscheinungen vor:
Sehr verzagt — reizbar — Theilnahme macht
ihn ärgerlich — starker Tenesmus des Blasenhalses
mit Gefühl von Schwere nebst einer Empfindung
von Kälte , die sieh nach dm äusseren Genitalien
ausbreitete . Zeitweise scharfe Schmerzen, die sich
aufwärts nach dem Unterleibe und abwärts in die
Schenkel zogen, besonders in den linken, der wegen
einer Schusswunde im mittleren Drittel amputirt
worden ist. — Appetit veränderlich. — Chronische
Verstopfung. — Urin normal, abgesehen von dem
häufigen Abgänge, der ihm dann auch die nächt¬
liche Ruhe störte.
Nux vom., Geisern., Cimicifuga und andere
Mittel, die angezeigt erschienen, brachten wenig Besse¬
rung Da kam dem Verf. die Pathogenese von
Saw Palmetto vor die Augen, und verblüfften ihn
die Aehnlichkeit der Symptome des Mittels und
denen des vorliegenden Falles der Art, dass er es
zu geben sich entschloss. Die Dosis war 5 Tropfen
der Tinctur Morgens und Abends.
Der Erfolg war ganz nach Wunsch. Die Besse¬
rung ging stetig vor sich: die lästigen Symptome
schwanden allmählich und nach Verlauf von acht
Wochen war der Tenesmus vesicae vergangen, der
Appetit gut; Pat konnte 8—9 Stunden ununter¬
brochen schlafen und den Harn bei Tage 4 bis
5 Stunden zurückhalten. Gleichzeitig mit dem Ver¬
schwinden dieser Symptome verging auch eine sehr
schwere Form von Eczem an den Händen, an dem
Pat. manche Jahre zu leiden gehabt hat.
2. Fall. Ein 45jähriger Mann, Verwalter eines
Provinzial-Krankenhauses, früher gesund, litt seit
einem Jahre an allmählich sich steigerndem Drang
zum Uriniren. Er ist sehr verzagt, missleidig;
Appetit wechselnd; Geschlechtstrieb gering, und auf
dessen Befriedigung folgen ziehende Schmerzen im
Kreuz, etwas Blasendrang, aber noch mehr treibt
es ihn, das Wasser loszulassen. Der Urinstrahl ist
dünn und kraftlos. — Kälte der äusseren Ge-
schlechtstheile mit etwas Druckschmerz in der Regio
prostatica bis nach den Schenkeln und dem Bauche
hin. Sabal serrulata 5 Tropfen Abends und
Morgens.
Die Symptome besserten sich allmählich, bis
nach drei Wochen keine Spur von irgend einer
Beschwerde mehr bestand; es hat auch kein Rück¬
fall stattgefunden.
3 . Fall . Ein 35 jähriger Mann, Geschäftsagent.
Vordem gesund, ist er seit etwa 1 l /a Jahren von
einem häufigen Drang zum Wasserlassen belästigt
worden. Starke ziehende Schmerzen in der Prostata-
Gegend, die sich bis ln den Rücken und in den
Schenkel erstrecken. Zeitweise starker Abgang von
Prostatasaft. — Urin normal. — Schmerz im Rücken,
weit schlimmer nach dem Coitus . — Geschlechts¬
trieb sehr vermindert.
Saw Palmetto 5 Tropfen, 2 Mal täglich, be¬
wirkten in 14 Tagen eine volle Heilung.
Zu erwähnen ist noch, dass in all diesen Fällen
ein heftiger Schmerz auf dem Wirbel des Kopfes
und manche Symptome eines gastrischen Katarrhes
vorhanden waren, welche alle unter der Einwirkung
des Mittels vergingen.
Verf. hat überdies von demselben gute Erfolge
in Blasenentzündung, sowohl bei acuter als chroni¬
scher, erzielt, sowie er es auch oftmals in Eier¬
stocksleiden angezeigt gefunden hat.
(The Hahnemannian Advocate. 16. Dec. 1898.)
M.
RUckensymptome in Bezug auf die
Menstruation.
Herabdrängendes Weh im Kreuz, als ob die
Regel kommen würde. Apis.
Grosser Druck von innen nach aussen während
der Regel. Nux vom.
Brennen im Kreuz, besonders bei Verzögerung
der Regel. Phosphor.
Abends Kälte im Rücken, Erwachen um Mitter¬
nacht mit Krampf und Kältegefühl im Magen, das
bis Mittags anhält. Kali carb.
Schmerz im Kreuz anstatt der Regel. Spongia.
Schmerz im Kreuz wie vor der Regel. Bar. c.,
Berb , Coccul., Hydrast. can., Lycopod., Pulsat.,
Spongia.
Schmerz im Rücken wie wehenartig vor der
Regel. Dig.
Schmerz im Rücken vor der Regel, der in Ge¬
bärmutterkrämpfe endigt. Vib. opulus.
Wehenartige Schmerzen im Rücken während
der Regel. Agaricus, Calc. c., Nitric. acid., Sulf.
Schreckliche Schmerzen im Rücken während der
Regel. Sarsap.
Prolapsus Uteri während der Regel. Ammon,
muriat.
Rückenschmerz mit spärlicher Regel. Lac.
deflor.
Rückenschmerz in Folge unterdrückter Regeln.
Pulsat.
Digitized by ^»ooQle
173
Rückenschmerz alle paar Minuten während der
Regel. Ustil.
Rückenschmerz schlimmer während der Regel
beim Gehen. Magn. raur.
Reissender Rückenschmerz während der Regel.
Caust.
Kreuzschmerz während der Regel. Jod, Ra-
tanhia.
Zeitweiser Rückenschmerz während der Regel.
Magn c.
Ziehender Rückenschmerz während der Regel,
besser vom Bücken, schlimmer vom Strecken.
Magn. c.
Schmerz, als wenn der Rücken zerbrechen würde,
während der Regel. Vib opulus.
Schmerz im Rücken und Lenden und Unter¬
leib, als ob di« Regel kommen sollte, Abends
schlimmer im geschlossenen Zimmer, besser in offner
Luft und bei Bewegung. Vib. opulus.
(The homoeop. Physician. Januar 1898.) M.
Antipyrin.
Es freut mich sehr, dass Herr College W. Bohn,
vielleicht durch meine Arbeit veranlasst, mein Schema
von Antipyrin weiter vervollständigt hat. Ich war
mit meiner Arbeit schon soweit, dass sie nur ein¬
zelne Verbesserungen brauchte, um für den Druck
fertig zu werden, als No. 3 des XXV. Bandes der
Deutschen medicinischen Wochenschrift erschien.
Ich könnte also die Beobachtung des Herrn Gaston
Graul nicht mehr aufnehmen.
Wenn die Herren Collegen der Universitäts-
Medicin die Güte haben, ihre unabsichtlichen Prü¬
fungen fortzusetzen und zu publiciren, bekommen
wir von Zeit zu Zeit brauchbares Material für
unsere Arzneimittellehre.
Utrecht, 2. Mai 1899.
Dr. S. J. van Roijen.
Kali bichromicum
in seiner Wirkung auf die Augen.
Dr. Frederick William Payne-Boston hat folgende
auf die Augen bezüglichen Symptome in C. Hering’s
Guiding Symptoms als zuverlässig und curativ er¬
probt gefunden:
Hornhaut-Abscess mit Hypopyon, die Hornhaut,
nach innen zu durchbohrt, gestattet dem Eiter
aus dem Abscess auf den Grund der vorderen
Kammer zu gelangen, die er mehr oder weniger
ausfüllt.
Dicke Hornhaut-Narben , von alten Geschwüren
herrührend.
Trübung der Hornhaut bei scrophulöser Con¬
junctivitis.
langwierige , starke Verdunkelung der Horn¬
haut , nach Keratitis ulcerosa.
Conjunctiva geschwollen, zeigt kleine Punkte
von einem schmutzig-gelblichen Braun, welche das
ganze Gewebe durchsetzen.
Pustldöse Phlyktaenen auf der Cornea mit stechen¬
den Schmerzen, besonders im linken Auge.
Vesiculose Phlyktaenen auf der Cornea , beson¬
ders am Rande derselben.
Kali bichrom. hat kleine, weisse, granuläre
Pusteln auf der Hornhaut, mit stechender Empfin¬
dung darin, geheilt.
Ein eigenthümliches Symptom der Hornhaut,
welches Kali bichrom. geheilt hat, ist das Gefühl,
als ob eine Haut darauf läge (cf. Ratanhia).
Ein undurchsichtiger Hornhautfleck , zu dem
grosse rothe Blutgefässe von der injicirten Con-
junctiva über den klaren Aussenrand der Hornhaut
laufen. (In einem Zustande katarrhalisch-scrophu-
löser Ophthalmia.)
Kali bichrom. hat sich in einem Fall von ko¬
nischer Cornea nützlich erwiesen. (Calc. jod., Eu-
phrasia, Pulsat.)
Die für Kali bichrom. passenden Hornhaut¬
geschwüre haben oft die Eigenthümlichkeit, in die
Tiefe zu dringen wie ein Lochbohrer (cf. Kali
hydroj. und Lachesis), während das Silicea-Gescliwür
mit grossem Substanzverlust in die Breite geht und
das von Calcar. carbon. lang und tief ist, wie ein
Messerschnitt, dem Rande der Hornhaut nahe liegt
und gern perforirt.
In einem Falle von Pannus und Trachom., wo
die rechtsseitige Hornhaut völlig und die linke
theilweise verdunkelt und ein zäher, fadenziehen¬
der Ausfluss zugegen war, bei entschiedener Besse¬
rung, wenn der Kranke auf dem Gesicht lag, half
Kali bichrom. schnell.
Ebenso erwies es sich heilsam in einem Falle
von croupöser Conjunctivitis, in dem starke Che¬
mosis und die charakteristische fadenziehende, zähe
Absonderung, bedeutende Lidschwellung und Horn¬
hautverdunkelung zugegen war.
Ferner heilt es einen Fall von katarrhalischer
Conjunctivitis mit sparsamer, aber charakteristischer
Absonderung, schlimmer Morgens beim Erwachen,
eine wahre Descemetitis mit fein punktirten, un¬
durchsichtigen Auflagerungen in der Membrana
Descemetii, bei mässiger Reizung des Auges.
Granuläre Lider mit dichtem Pannus auf der
rechten, weniger auf der linken, Cornea; Patient
Digitized by t^ooQle
174
glaubte durch eine rothe oder gelbliche Atmosphäre
zu schauen.
Blepharitis ciliaris, Jucken und Rothe der ent¬
zündeten, brennend schmerzenden Lider; derTarsal-
rand erschien rauh und kratzte wie scharfer Sand
den Augapfel.
Ein grosser Polyp, der von der Conjunctiva
palpebralis des oberen Lids herabhing, ist durch
Kali bichrom. 30. geheilt worden. (Bei der ophthal-
moskopischen Untersuchung zeigten sich die Ge-
fässe der Netzhaut vergrössert und ausgedehnt.)
Amblyopia mit Blindheit, von Kopfschmerz be¬
gleitet; wenn das Sehvermögen wiederkehrt, wird
der Kopfschmerz heftig unter grosser Abneigung
gegen Licht und Geräusch; er muss liegen. Schwin¬
del begleitet oft das verdunkelte und verworrene
Sehen.
Oftmals erscheinen bei den für Kal. bichrom.
passenden Sehstörungen die Gegenstände dem Kran¬
ken gelb , das findet sich aber auch bei Alumina,
Amylnitrit, Canth., Cedron, China, Chin. sulph.,
Chelidon., Cina, Digit., Jod., Plumb., Podophyllum.
(The Hahnemannian Advocate. 15. Oct. 1898.)
M.
Lesefrttchte.
Eierstockscyste — Blutung — Molimina
menstrualia.
Ein 40jähriges Fräulein, gesund und kräftig,
mit stets schmerzloser, sehr pünktlich erscheinender
Menses, bekam nach starker Anstrengung, bei der
Pflege der kranken Mutter, im November 1895,
öfteres Drängen zum Uriniren bei erschwerter und
zögernder Entleerung, die, nachdem sie einige Tage
ausschliesslich noch im Knieen möglich gewesen
war, am 13. Januar zur vollen Ischurie wurde. —
Nach wiederholtem Katheterismus änderten sich
die Beschwerden: es trat öfteres Harnträufeln und
starker Drang auf der Blase ein; und fiel von
dieser Zeit an die Zunahme des Leibumfanges
und das leidende Aussehen der Pat. der Umgebung
auf. Verf. ist der Ansicht, dass bis Mitte Januar
der später constatirie Ovarialtumor im Wesentlichen
das kleine Becken ausfüllte , und um diese Zeit in
dev freien Bauchhöhle emporstieg. Am 28. April
1896 stellte sich Pat. zuerst in der Klinik vor mit
prallelastischem, etwa mannskopfgrossen, links¬
seitigen Ovarialcystom, das den Uterus retrovertiite.
Es wurde kurz und schonend nur äusserlich palpirt
und percutirt und die combinirte Bauclidecken-
Mast darin exploration ausgeführt; auf Lendenunter -
sucliung aber und Kugelzange im Hinblick auf den
nnmätelkar bevorstehenden Eintritt der Menstruation
verzichtet. Darauf irrte die Pat. eine Stunde in
der Stadt umher und fuhr Abends nach ihrer Hei-
matb, wobei schon Spuren der Menses sich zeigten.
In der Nacht erwachte sie mit dem Gefühl, als ob
etwas im Leibe geplatzt sei, und etwas sich darin
ergossen hätte; sie war eiskalt, zeigte rapiden
Kräfteverfall und erholte sich erst nach Anwen¬
dung von Excitantien. Morgens, am 29. April, be¬
gann die regelmässige Menstruation. Ara 4. Mai
wurde die Operation unternommen, wobei die Ge¬
schwulst noch grösser und gespannter erschien. Es
fanden sich in dem grössten Loculus zwei Liter
braunschwarzen, klumpig-geronnenen Blutes. — Die
Heilung verlief günstig. —
Dieser Fall erinnert eindringlich an die klinische
Bedeutsamkeit des dem menstrualen Blutabgang
vorangehenden Congestionszustandes. Man spricht
nur immer von Schonung der Frauen während der
Periode; es ist aber zu bedenken, dass auch schon
vor Eintritt derselben ein erhöhter Druck in den
Arterien des kleinen Beckens besteht, der eine ge¬
steigerte Gefahr der Hämorrhagie bedeutet. Ferner
warnt dieser Fall vor manchen Eingriffen, nament¬
lich vor derben, dreisten und lange ausgedehnten
Untersuchungen in der Zeit unmittelbar vor der
Menses. Die Gefässberstung, an der hier die Pat.
die meiste Schuld trug, wäre wahrscheinlich in der
Sprechstunde bei der Untersuchung eingetreten,
wenn letztere nicht in besonders schonender Weise
vorgenommen worden wäre.
(Prof. H. Löhlein-Giessen. — Excerpte medica.
VI. Jahrg. No. 1, p. 8.)
Eine plötzliche Berstung in einem bereits früher
glücklich operirten Fall von Ovarialcyste hat Ref.
hier vor einigen Jahren bei einer Frau beobachtet,
die in Folge eines starken Ekels von einem hef¬
tigen Erbrechen befallen wurde. Wenn es ihm
auch gelungen ist, durch innerliche und äusserliche
Anwendung von Bellad. die intensiven Schmerzen
des gewaltig ausgedehnten Unterleibes und die
secundären Erscheinungen (Dys- und Strangurie)
zu heben, so musste schliesslich doch, um das
Grundleiden zu beseitigen, eine abermalige Ovario-
tomie ausgeführt werden, die auch diesmal ohne
Complication glücklich verlief.
In einem französischen Blatte lesen wir:
Dr. Huchard sprach in einer Versammlung der
Pariser Akademie der Medicin über Tlialliumacctat,
das Dr. Corabemale in Lille bei profusen Schweissen
in manchen schweren Krankheiten früher empfohlen
hatte. Die gute Wirkung des Mittels wird aber
durch die Thatsache aufgehoben, dass es bei seiner
Anwendung sehr bald ein starkes Ausfallen der
Digitized by ^»ooQle
175
Haare hervorruft. Dr. Hucbard legte der Gesell¬
schaft mehrere Photographieen vor von Patienten,
die nach kurzem Gebrauch des Thalliums ganz
kahlköpfig geworden sind. Weshalb er sehr energisch
gegen den Gebrauch des Mittels auftrat.
Dr. Clarke macht zu dieser Mittheilung in seiner
Homoeopathic World die treffende Bemerkung: Da
haben wir wieder den Unterschied zwischen beiden
Schulen! Den Allöopathen ist dies nur eine „sonder¬
bare“ Wirkung des Mittels, die dazu dient, das
Mittel zu verurtheilen. Für den Homöopathen geht
hier ein Licht auf von einem neuen Mittel für ein
sehr beschwerliches Leiden, zu dessen Heilung bis¬
her noch wenig Mittel zu Gebote stehen.
Thallium, TI., ist ein selten vorkommendes Metall,
spec. Gew. 14,8, das von Crookes in dem bei der
Destillation von Selen gebliebenen Rückstand ent¬
deckt worden ist, und zwar mittels des Spectrums,
in dem es eine grüne Linie bildet, woher es seine
Bezeichnung von {grünem Spross) erhalten
hat. Das Metall hat eine blauweisse Färbung und
ist so weich, dass man es mit dem Fingernagel ein¬
ritzen kann. — Man braucht es zur Herstellung
einer Glasart mit stark lichtbrechender Kraft.
Todes-Anzeige.
Heute Vormittag verschiod nach längeren Leiden
mein innig geliebter Mann
Dr. med. Arnold Lorbacher.
Zugleich im Namen der übrigen Hinterbliebenen
zeigt dies tiefbetrübt an
Clara verw. Lorbacher«
Leipzig, am 10. Mai 1899.
Todes-Anzeige.
Am 10. d. M. verschied der langjährige und ver¬
dienstvolle Vorsitzende unseres Vereins und unseres
Krankenhauses, der erfolgreiche Förderer unserer
Heilmethode, unser geliebter Senior
Herr Dr. med. Arnold Lorbacher.
Durch seinen rastlosen Eifer, sein stets ruhmvolles
Eintreten für unsere Interessen und sein tiefes wissen¬
schaftliches Forschen ist er uns stets ein leuchten¬
des Vorbild gewesen. Sein Andenken und sein Geist
worden bei uns Allen — als der Besten Einer —
dauernd fortleben und fortwirken, und rufen wir Ihm
ein inniges „Habe Dank“ und ein herzliches „Ruhe
sanft“ in Himmelshöhen nach.
Der Verstand des Homöopathischen Centralvereins
Deutschlands und dasCuratorium des Homöopathischen
Krankenhauses zu Leipzig.
Danksagung.
Der am 10. d. M. hier verstorbene
Herr Dr. med. Lorbacher
hat letztwillig dem hiesigen homöopathischen
Krankenhause und der Unterstutzungskasse
für Wittwen homöopathischer Aerzte je
500 Mark ausgesetzt.
Diese beiden Beträge sind ain gestrigen
Tage an den Verwalter dieser beiden Kassen
von Frau Dr. Lorbacher ausgezahlt worden.
Wir sprechen dem lieben Entschlafenen für
diese letzten, ihn und uns ehrenden Beweise
der Liebe und Treue, die er für unsere Sache
und für diese beiden wesentlich durch ihn ge¬
schaffenen Institutionen bis zum Tode bewahrte,
unseren tiefgefühltesten innigsten Dank aus.
Leipzig, den 19. Mai 1899.
Das Curatorium des homöopathischen
Krankenhauses zu Leipzig
und
das Curatorium der Unterstützungs¬
kasse für Wittwen homöopatb. Aerzte.
Anzeigen.
Dr. med. Dierkes aas Paderborn praktizirt
in jeder Saison in Bad liip^springe» Die Herren
Collegen werden gebeten, ihren Patienten die Adresse
mitzugeben. .
Günstige Offerte.
Prima deutscher und fraiis. Cognac.
Durch dSrecte Beziehungen mit einem der ersten Häuser
in Cognac sind wir in der Loge, allen Reimden eines
vorzüglichen, echten französischen Cognacs eine zuver-
lässig echte und preiswerthe Waare anzubieten:
Echt franz. Cognac # * 1 Flac. M. 5.—.
» n 1 n » 6.50.
Bei 12 Flaschen franco alle deutschen Bahnstationen
incl. Verpackung und 10% Rabatt.
Hauptniederlagen in Leipzig bei
A. Marggraf s homöopatb. Offtein
und
Tiischner & Co., Homöopath. Central-Apotheke.
Digitized by
Google
176
Cur- und Badeort Augustusbad bei Dresden
(Eisenbahnstation Radeberg, an der Sächsisch-Schlesischen Bahn.)
Wasserheilanstalt, Stahl- und Moorbad, klimatischer Curort,
220 m Ober dem Spiegel der Ostsee, in einem reizenden Thale, geschützt vor rauhen Winden, inmitten alter, herr¬
licher Waldparkanlagen gelegen, auch für Milch* und Molkenkuren eingerichtet, passend bei allgemeinen Schwäche¬
zuständen, Blutarmuth, Skrophulose, Bleichsucht, englischer Krankheit, Herzleiden, Rheumatismus, Gicht, Nerven¬
leiden und verschiedenen Frauenkrankheiten etc. Aeusserst günstige Wohnu igsverhältnisse, niedrige Preise der
Bäder, billige Pension. Dirigirender Arzt Dr. med. Julius Meyer.
Jede eingehendere Auskunft wird bereitwilligst ertheilt.
Augustusbad bei Radeberg I. 8. IMe Bad6 a Dir6Cti0H«
Homöopathischer disponsirberechtigter Arzt übernimmt
Vertretungen.
Gef. Offerten sub W. 2938 an die Expedition dieses
Blattes erbeten.
Med. Dr. Theodor Kafka in Karlsbad,
früher im Hause „Annaberg“, Marktplatz, wohnt und
ordinirt jetzt im Hause „zum Amerikaner“, Sprudelgasse.
Kurpension des Homöopathen
Dr. von Hartungen
Riva a. Gardasee, Tirol.
I Kaiserbad K Altrenommirte Kaltwasserheilanstalt
für das pesammte Nntu rhc 11 Vorfahren.
Bahnlini^München^^^^^jQ^fc»^ h Grosser
Kufstein. -Salzburg. I K tloWIllCMl I Herrliche Go-
bi rgs landschaft
Licht-, Luft-, Sonnenbäder Soole-, Moor-, Kräuter-, Sand- und kohlen-
eaure Bäder etc. etc. Stahlquelle. Streng individualisirende Behandlung.
Civile Preise. Prospekt gratis und franco durch die Badcverwaltung.
Der dirigirendo Arzt Dr. H. Zimmermann (früher Bad Thalkirchen).
BAD LIPPSPRINGE
Eisenbahn-Station Paderborn.
Armlnius-Quelle, stickstofTreiche Kalktherme.
Erfolgreiches I imnOnnhlhicO besonders im
Heilmittel gegen ^UIIIJ üll|IIIUIIöwersten Stadium.
Asthma und Katarrhe der Respirations-Organe.
Saison: Rai bis September*
Pensions-Hotel; Kiipkoiic staubfrei inmitten
neu renovirt. IMII IlClUo. rf es p Ar ks gelegen.
Auskunft durch die Brunnen-Administration.
Mars’sches Krebsmittel
gans frisch.
Von Herrn Missionar Mars ist wiederum am 13. Februar
1899 ein grösseres Quantum seines Krebsmittels eingetroffen.
Ich stehe somit wieder gern mit diesem Mittel zu Diensten
und kann es nun erfreulicher Weise auch billiger abgeben,
und zwar 1 Portion: 10,0 mit Gebrauchsanweisung: 1,50 Mk.
(früher 2 Mk).
A. Marggrafs Homöopath. Officio, Leipzig.
Carl Gruner’s homöopathische Officio (A. Kittel),
Berlin
hat folgende Depöta errichtet, in denen ihre anerkannt
vorzüglichen Arzneien in bester und frischester Qualität
stets, und nur in Originalpackung und zu Ori$inal-
preisen zu haben sind:
für Berlin O. und 8.0«:
Emmaus-Apotheke, Apotheker E. Seyd, Reichenberger¬
strasse No. 150.
für Berlin N.W.:
Roland-Apotheke, Apotheker Bermann, Thurmstrasse
No. 16.
für Rostock (und beide Mecklenburg):
Universitäts-Apotheke, Blücherplatz.
'S.
Das homöopathische Krankenhaus zu Leipzig
(Sidonieustra*se No. 44)
eröffnet im Sommer 1888 und Eigenthum des homöopa¬
thischen Centralvereins Deutschlands, nach Muster der
besten und ersten Krankenhäuser und nach den neuesten
Erfahrungen eingerichtet, wird den Anhängern und Freun¬
den der Homöopathie sowohl zur Benutzung in schweren
Krankheitsfällen als auch zur wohlwollenden Unterstütz¬
ung aufs Wärmste empfohlen, damit auch Unbemittelten
der Segen der homöopathischen Heilmethode zu Theil
werden kann. Beitiäge jeder Art, auch die kleinsten,
nimmt der Kassenverwalter, Apotheker W. Steinmetz, in
Firma A. Marggrafs homöopathische Officin in Leipzig,
jederzeit dankbarst entgegen.
Die neuen Statuten und Aufnahmebedingungen des
mit einem Krankenpensionate 1. und 11. Klasse verbunde¬
nen homöopathischen Krankenhauses hierselbst können
sowohl von der Direction desselben, wie auch von uns
bezogen werden.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig.
Drnck von .Tnlinn Mä*er in Leipzig
Digitized by ^»ooQle
Band 138
Leipzig, den 8. Juni 1899.
No. 23 u. 24,
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A.Marggrafs homöopath. Offlein) in Leipzig
Thomaskirchhof 12.
Erscheint Utagig eu 2 Bogen. IS Doppelnummern bilden einen Band. Preis WM. 50 Pf. (Halbjahr). Alle Buohhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs -Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. M&rggrafs homöopath. Offlcln ln Leipzig) zu richten
3ind, werden mit 20 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 6—8 M. berechnet.
Inhalt. Einladung zum Abonnement. — Dr. Arnold Lorbacher, gest. am 10. Mai 1899. Eine Skizze seines
Lebens und Wirkens. — Ulcera varicosa — Clematis vitalba. — Diagnose und Prognose der Cholelithiasis. Referat
von Dr. Th. Kafka in Karlsbad. — Das Selbstdispensirrecht der Aerzte und Homöopathen. — Materia medica. —
Scorbut-Rhachitis. Yon Dr. J. Roberson Day, Arzt für Kinderkrankheiten am London Homoeopathical Hospital.
Ref. Dr. Mossa. — Indicationen für Staphisagria. Yon M. — Kurpfuscher Frage Yon Emil Schlegel, praktischer
homöopath. Arzt in Tübingen. — Tinctura Jodii in der Diarrhöe der Phthisiker. Yon M. — Ehrengerichte der Aerzte
in Preussen. — Anzeigen.
Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage.
Einladung zum Abonnement.
Um in der Zusendung dieser Zeitung keine Unterbrechung eintreten zu lassen, werden die ge¬
ehrten Abonnenten um gefällige rechtzeitige Erneuerung des Abonnements auf Band 139 (2. Halbjahr
1899) höflichst ersucht. Alle Postanstalten und Buchhandlungen, sowie die Unterzeichnete YerlagS-
handlung selbst nehmen Bestellungen zum Preise von 10 Mark 50 Pfg. pro Band entgegen. Probe-
numraern stehen stets unberechnet und portofrei zu Diensten. „ . . ..
... x • Hochachtungsvoll
Leipzig, im Juni 1899. , , __ . .
die Verlagshandlung von William Steinmetz
(i. Fa. A. Marggrafs Homöopath. Offlein.)
Dr. Arnold Lorbacher,
gest. am 10. Mai 1899.
Eine Skizze seines Lebens nnd Wirkens.
Wohl erfüllt uns der Heimgang eines alten,
lieben Freundes mit Trauer, aber diese Trauer
wird in ihrem Schmerze gemildert, wenn unserem
Geiste sich die Fülle von Segen und Wohlthun
vergegenwärtigt, die aus einem so ausgereiften
Leben, fruchtbar an Rath und That, uns zugeflossen
ist. Es klingt dann in das Geläute der Trauer¬
glocken der Ton herzlichen Dankes und freund¬
licher Erinnerung, die über das Grab hinausreicht,
hinein.
Mit diesen Empfindungen steht die grosse ho¬
möopathische Familie Deutschlands am Grabe unseres
am 10. Mai c. von uns geschiedenen lieben, „alten“
Lorbacher.
Unser Arnold Fr. Phil. Heinrich Lorbacher ist
geboren 1818 in Gross-Sömmerda, einem Städtchen
in Thüringen, woselbst sein Vater als Obersteuer-
Inspector damals lebte. Dieser wurde aber als Be¬
amter oftmals versetzt, und so hat auch unser Lor¬
bacher den Wohnsitz während seiner Jugend oft
wechseln müssen. Sein Vater befand sich in be¬
scheidenen, aber ausreichenden Vermögeusverliält-
nissen, so dass er seinen Kindern eine gute Er¬
ziehung und Ausbildung gewähren konnte. Unser
23
Digitized by t^ooQie
178
Lorbacher hatte nämlich noch einen Bruder, der
als Cigarrenfabrikant in Bremen längst verstorben ist,
und drei Schwestern, von denen zwei, unverheiratet
geblieben, noch hochbetagt in Leipzig leben, und
die dritte an den homöopathischen Arzt Dr. Kohl¬
mann jun. in Gross -Wanzleben verheiratet war.
Letzterer war acht Jahre älter als unser L. und
begegnet uns in den Präsenzlisten des Centralver¬
eins anfangs der 40 er Jahre. — Auch dessen Vater
war schon homöopathischer Arzt, und L.’s Vater
selbst war ein eifriger Anhänger der Homöopathie,
wie das auch sein Besuch der Generalversamm¬
lungen des Centralvereins, 1834 in Cöthen und
1844 in Magdeburg, bezeugt.
Unser L. besuchte zunächst die Latein-Schule
in Halle, dann das Gymnasium zu Mühlhausen in
Thüringen. Nach absolvirtem Abiturientenexamen
wandte er sich dem Studium der Medicin zu, und
zwar erhielt er seine medicinische Ausbildung auf
der Universität Greifswald. Hier promovirte er am
25. November 1844 und machte daselbst auch, wohl¬
vorbereitet, sein Staatsexamen und liess sich dann
als praktischer Arzt in Eisleben nieder. Er hat
sich wohl sehr bald der Homöopathie zugewandt,
denn schon 1845 finden wir zum ersten Mal den
Namen des damals 27 jährigen Dr. Arnold Lorbacher j
in der Präsenzliste des Centralvereins, in welchem
Jahre er unter der Leitung von Franz Hartmann
und CI. Müller in der homöopathischen Poliklinik
in Leipzig einen praktischen Kursus in der Homöo¬
pathie durchmachte. Er war ja, sozusagen, in einer
homöopathischen Atmosphäre aufgewachsen; hatte
die Leistungsfähigkeit unserer Heilmethode schon
frühzeitig beobachten können, so dass die Annahme
derselben bei ihm wohl ohne schwere innere Kämpfe
vor sich gegangen sein wird. — Wie er aber in
den Geist derselben eingedrungen, bei aller Hoch¬
achtung für den Meister Hahnemann nicht prüfungs¬
los auf jedes Wort desselben schwörend, welche
bedeutende Mittelkenntniss er sich durch emsiges,
unablässiges Studium unserer Arzneimittellehre
erworben und die so erlangten Kenntnisse unter
Beistand seines diagnostischen Scharfblicks und An¬
wendung der durch die moderne Heilkunst ge¬
gebenen diagnostischen Hilfsmittel am Kranken¬
bett zu verwerthen wusste, das hat seine lange,
segensreiche Praxis bewährt; und das können wir
auch aus seinen publicistischen Arbeiten beurtheilen.
Denn gern hat er von seinen praktischen Erleb¬
nissen und Beobachtungen seinen Berufsgenossen
in unseren Zeitschriften oft ausführliche und sehr
lehrreiche Mittheilungen gemacht. —
Eins seiner ersten, wenn nicht gar erstes, Debüts
auf dem schriftstellerischen Gebiet ist wohl seine
Arbeit: „Einiges aus den Scharlachfieber-Epidemieen
in Eisleben und Umgegend vom December 1850
bis November 1851“ in der damals von Clothar
Müller und Veit Meyer herausgegebenen Homöo¬
pathischen Vierteljahrs-Schrift, worin sich L. in der
That als guter Beobachter, tüchtiger Diagnostiker
und Praktiker einführt.
Im Jahre 1848 verheirathete er sich mit einer
jungen Dame, geb. Franke aus Eilenburg, und
begründete so in Eisleben seinen Hausstand.
Von hier siedelte er, um ein grösseres Arbeits¬
feld zu gewinnen, im Jahre 1869 nach Leipzig
über, woselbst er bis an sein Ende verblieb und
zur Entfaltung seiner Thätigkeit volle und weite
Gelegenheit gefunden hat. So übernahm er nach
Dr. V. Meyer* s Tode, 1872, die Stelle als zweiter
Arzt an der homöopathischen Poliklinik in Leipzig,
während CI. Müller die erste bekleidete, und als
Letzterer starb, rückte Lorbacher an seine Statt
(1877). Diese Poliklinik hatte das erste homöo¬
pathische Krankenhaus in Leipzig, das, mit zu
geringen Mitteln gegründet, nur eine kurze Zeit
geblüht und dann eingegangen war, überlebt und
wirkt noch bis auf diese Tage segensreich da¬
selbst; auch ist es für so manchen angehenden ho¬
möopathischen Arzt eine förderliche Ausbildungs¬
stätte geworden. In demselben Jahre wurde L.
auch zum Vorsitzenden des homöopathischen Cen¬
tralvereins Deutschlands erwählt, welches Ehrenamt
er bis zum August 1895 bekleidete.
Seine schriftstellerische Thätigkeit widmete er
zunächst der Redaction der 1870 von Dr. W. Schwabe
ins Leben gerufenen Populären Zeitschrift für Ho¬
möopathie, sodann übernahm er 1878 die Redac¬
tion der Allgemeinen homöopathischen Zeitung,
welche er bis 1889 führte. Es gehörte fürwahr
eine tüchtige Arbeitskraft dazu, all* diese Aufgaben,
neben einer ausgedehnten Praxis in und ausser
dem Hause, zu erfüllen, und zwar, wie dies un¬
serem L. nachgerühmt werden darf, mit Sorgfalt
und Gewissenhaftigkeit! Dabei war ihm des Lebens
Mühsal auch nicht erspart. Im Jahre 1878 starb
ihm seine Gattin. Zwei Jahre blieb er Wittwer,
dann (1880) vermählte er sich zum zweiten Male
mit Fräulein Clara Berger, an der er wieder eine
! liebevolle Lebensgefährtin gefunden hat.
j L. erfreute sich bei kräftiger Constitution einer
I ausgezeichneten Gesundheit, so dass ihn sein sieb-
| zigster Geburtstag, ein Freuden- und Ehrentag für
: alle seine Freunde und Berufsgenossen, in voller
| Frische und Rüstigkeit Leibes und Geistes antraf.
Nachdem er 1892 die 50jährige Jubelfeier der
homöopathischen Poliklinik in Leipzig mit einem
historischen Rückblick auf die Entwickelung und
| Thätigkeit dieser Anstalt begrüsst hatte, gab das
| Jahr 1895 Gelegenheit zur Feier seines 50jährigen
| Doctor-Jubiläums, das ihm von allen Seiten die
Digitized by LiOOQle
179
lebhaftesten Zeichen allgemeiner Hochachtung und I
Anerkennung und Sympathie entgegenbrachte.
Die Universität Greifswald sandte ihm das er¬
neuerte Doctor-Diplom; unsere homöopathischen
Zeitschriften und auch der Centralverein widmeten
ihm anerkennende Zuschriften. In Leipzig ver¬
anstalteten seine Freunde und Collegen ein solennes
Festmahl, an dem auch die ihm verwandten allöo-
pathischen Koryphäen, der Obermedicinalrath Dr.
Berger und der Geheimrath, Professor der Chirurgie
an der Leipziger Universität, Dr. Benno Schmidt, die
ihn nicht nur hochschätzten, sondern aufrichtig lieb¬
ten, theilnahmen.
Es ist mir noch immer eine freudige Erinne¬
rung, zu dieser Feier durch ein im dithyrambischen
Schwünge verfasstes und von den Festgenossen
wirklich mit Jubel gesungenes Festlied einen kleinen
Tribut beigetragen zu haben, während ich in der
Allgem. homöopath. Zeitg. vom 25. November 1894
die Glückwünsche dieser Zeitschrift selbst und die
der homöopathischen Collegen unter Würdigung
seiner Verdienste um unsere Sache zum Ausdruck
brachte. In dieser Zeitschrift, deren langjähriger
Mitarbeiter und Schriftleiter der Verewigte war,
hat er ja den grössten Theil seiner praktischen Er-
fahiungen niedergelegt, und nicht bloss das, son¬
dern er hat uns immer wieder in gediegenen Ar¬
tikeln auf das hingewiesen, was zum Gedeihen der
Homöopathie nach innen wie nach aussen noth
thut, versöhnend und vermittelnd zwischen den
Ultras nach rechts wie nach links, sowie auch
manchem Angriff von gegnerischer Seite kräftig
und würdig begegnet.
In seinem 70. Jahre hatte Lorbacher die Ge-
nugthuung, die Erfüllung eines von ihm lange ge¬
hegten und mit unermüdlichem Eifer erstrebten
Plans zu erleben, die Eröffnung eines homöopathi¬
schen Krankenhauses in Leipzig am 1. Juli 1888.
Wie sehr ihm dieses Hospital, das ihm ein Benjamin
aber zugleich auch ein Benoni (Schmerzenskind)
war, bis in sein höchstes Alter am Herzen gelegen,
ist uns Allen wohlbekannt.
Noch eine seiner Arbeiten haben wir zu er¬
wähnen, seines Schriftchens „ Anleitung zum methodi¬
schen Studium der Homöopathie; Vorbereif ungscursus
zur Erlangung des Selbstdispensirrechts homöo¬
pathischer Arzneien im Königreiche Preussen. (< (Ver¬
lag von Dr. W. Schwabe.) Diese Broschüre hat
manchem jungen Arzt den Weg zur Homöopathie
bedeutend erleichtert.
Doch das höhere Alter machte schliesslich sein
Recht auch an diesem allzeit wackeren und thätigen
Mann geltend. So sah er sich denn genöthigt,
1895, also im 77. Lebensjahre, den Vorsitz im Cen¬
tralverein niederzulegen, nachdem er schon früher
von der Leitung der Poliklinik zurückgetreten war.
Aber auch noch während dieses wohlverdienten
Feierabends seines Lebens war er nicht völlig un-
thätig; haben wir doch noch im vergangenen Jahre
aus seiner emsigen Feder ein Fragment aus der
Entwicklungsgeschichte der Homöopathie in diesem
Blatte bringen können. Sein Geist blieb klar und
frisch, während sein Körper in dem letzten Jahr
wirklich alterte. Bis dahin meist gesund, fing er
mit dem Anfänge dieses Jahres ernstlicher zu
kränkeln an, Prostatabeschwerden mit asthmatischen
Zufällen machten ihm die letzten Tage noch recht
schwer, bis ihn der Tod am 10. Mai von allem
Leid erlöste.
Ein herrlicher Blumenschmuck bekränzte den
Sarg, darunter die Blumenspenden des Homöo¬
pathischen Centralvereins, des Sächsisch-Anhaitini¬
schen, sowie des Berliner Vereins homöopathischer
Aerzte. Nach dem Geistlichen sprach noch Ober¬
stabsarzt Dr. Rohowsky, als Vorsitzender des Cen¬
tralvereins, des letzteren Dank gegen den Todten
aus für seine mehr als zwanzigjährige aufopfernde
Thätigkeit. Die Mehrzahl der homöopathischen Aerzte
und Apothekenbesitzer Leipzigs und Dr. Dammholz
als Vertreter der Berliner Collegen, sowie eine De¬
putation der Loge „Minerva zu den drei Palmen“,
geführt von unserem Herrn W. Steinmetz, sodann
i eine beträchtliche Anzahl hervorragender Persön¬
lichkeiten Leipzigs gaben unserem L. das letzte
Geleit.
Die Wittwe und eine erwachsene, verheirathete
Adoptivtochter (eigene Kinder hatte L. nicht) blicken
trauernd dem Heimgegangenen nach. Das Leipziger
Tageblatt brachte einen recht sympathischen, von
sachkundiger Hand geschriebenen Nachruf,
j Wollen wir ein Gesammtbild vom Wesen und
der Thätigkeit unseres L. entwerfen, so würde es
j kaum treffender ausfallen, als wie es College Dr.
| Weber-Köln bei Gelegenheit des 70. Geburtstags
I im Namen des homöopathischen Centralvereins zu
| ihm sprechend, gezeichnet hat.
„Im Dienste unseres gemeinschaftlichen Berufes,
sowie in unausgesetzter, thätiger Tbeilnahme an
den Lebensäusseruugen der Homöopathie, sowohl
j in wissenschaftlicher Richtung, als auch in der För-
| derung ihres Ansehens und Einflusses in der grossen
i Welt haben Sie als privater und poliklinischer Arzt,
i als Leiter und Mitarbeiter der »Allgemeinen homöo¬
pathischen Zeitung* und als ständiges geschäfts¬
führendes Mitglied des Vorstandes unseres Central¬
vereins diese Zweige Ihrer Thätigkeit mit reichem
Inhalt ausgefüllt, und können, von der Höhe Ihres
Alters zurückschauend bis in die Zeiten Hahne-
mann’s, mit innerer Genugthuung sich sagen, dass
die Spuren Ihres Wirkens auf dem Gebiete der
j Homöopathie nicht verwehen noch erlöschen werden.
Digitized by
Google
180
In Ihrer persönlichen Auffassung und Ausübung
der Homöopathie als Heilkunst ist Ihnen unser
Aller Meister Hahnemann das Vorbild gewesen, dem
Sie sich am engsten angeschlossen haben. Als
alter Hahnemannianer nahm bei Ihnen der selbst¬
ständige Einzelfall, nicht seine Einordnung in das
klinische System, die oberste Stelle ein; die Be¬
fähigung aber zur vorbedachten Lösung der jedes
Mal damit gestellten gesonderten Aufgabe vermit¬
telst hochverfeinerter, seltener und einfacher Arznei¬
gaben entsprang mühevoller, unermüdlicher Er¬
werbung ausgezeichneter Arzneimittelkenntniss. So
hielten Sie die homöopathische Therapie in unmittel¬
barster, nicht durch klinische Abstractionen ver¬
mittelter Verbindung mit ihrem unerschöpflichen
Mutterboden der Reinen Arzneimittellehre Hahne-
mann’s und seiner Nachprüfer.
Wenn die Centralvereins-Mitglieder um Ihrer
ärztlichen Bedeutung willen sich Glück wünschen,
Sie, hochverehrter Herr College, unter sich zu
zählen, so ehrt dieser Verein in Ihnen nicht we¬
niger Ihre uneigennützigen Bemühungen und Ihre
Opfer für die Wohlfahrt der Homöopathie und ins¬
besondere des Centralvereins selbst.
Ihre ergebnisreiche Sammlung für das in Aus¬
sicht genommene Berliner Krankenhaus, Ihre so
glückliche Mitarbeit an der Errichtung des heuer
eröffneten homöopathischen Spitals in Leipzig, Ihre
sorgfältige Thätigkeit als erster Arzt der homöo¬
pathischen Klinik daselbst, Ihre gewissenhafte Ge¬
schäftsführung in unseren Vereinsangelegenheiten,
Ihre lebendige Theilnahme in Wort, Schrift und
Person an diesem einzigen Band und Verband der
leider viel zu sehr getrennt arbeitenden homöo¬
pathischen Collegen — alles dieses hat Ihnen für
die Homöopathie und den Centralverein schon eine
geschichtliche Bedeutung verliehen, die Niemand
stärker als der Verein selbst zu würdigen und mit
dem wärmsten Dank zu begrüsseu berufen sein
dürfte.“
Es sei uns gestattet, zu diesem so trefflichen
Bilde noch einige ergänzende Züge zu liefern. Lor-
bacher’s Wirksamkeit als Praeceptor Homoeopathiae
Germanicae verdient wohl hervorgehoben zu wer¬
den. Geben wir daher dem Collegen Dr. Stifft das
Wort, indem wir das den Meister und Schüler
ehrende Zeugniss desselben aus Anlass jenes 70. Ge¬
burtstages an dieser Stelle wiederholen. Dr. Stifft
sagt (siehe ,,AIlgem. homöopath. Zeitg.“ No. 21/22,
p. 162): „Seit dem Jahre 1888 ist es mir ver¬
gönnt gewesen, in stetiger geistiger Berührung mit
Dr. Lorbacher zu bleiben, von ihm zu lernen, neben
ihm zu wirken. Wie manche Anregung, wie manchen
Wink für praktisches Handeln, wie manche Auf¬
klärung in schwierigeren Fragen verdanke ich der
liebenswürdigen Collegialität des verehrten Col-
I legen! Stets werde ich dankbar für dieses schöne,
! mir so werthvolle collegiale Verhältniss sein.
Wenn wir in das Studium der Homöopathie
eingetreten sind und uns aus unseren Lehrbüchern
mit ihren leitenden Principien, mit ihrer Charakte¬
ristik der Arzneimittel und ihren Indicationen be¬
kannt gemacht haben, um unsere so erlangten Kennt¬
nisse nur therapeutisch zu verwerthen, so ergeht
es uns wie dem Wanderer, der zum ersten Male
eine ihm bis dahin nur aus dem Reisehandbuche
bekannte Gegend betritt. Er kennt wohl die brei¬
testen Strassen, die gewöhnlich richtige Route, die
er wandern muss, um am meisten von seinem
Marsche zu gemessen und zu seinem Endziel am
sichersten und bequemsten zu gelangen, aber er
kennt noch nicht die mannigfachen, weniger be¬
kannten kleineren Wege und Nebenrouten, die ihn
bei gewissen Anzeichen und unter aussergewöhn-
lichen veränderten Verhältnissen besser und mit
mehr Erfolg nach demselben Ziele hinführen. Trifft
er nun aber sogleich einen mit der Gegend wohl-
bekannten und getreuen Führer, der ihm zur Richt¬
schnur seines Weges sichere, praktische Winke zu
geben versteht, so wird er vor mannigfachen Ent¬
täuschungen bewahrt bleiben, ein rascheres und
besseres Urtheil über Land und Leute bekommen
und am vollkommensten die erhoffte Befriedigung
von seiner Reise erlangen. So geht es auch dem
jungen homöopathischen Therapeuten Die Lehr¬
bücher können nur in grossen Zügen die Therapie
vorzeichnen; die richtige Ausführung des Einzelnen
bleibt ihm allein überlassen, seiner Beobachtung,
seiner sich mehrenden Erfahrung, — wenn ihm
nicht das Glück zu theil wird, einen erfahrenen Be-
I rather zur Seite zu haben. Ein solcher Berather
ist mir unser verehrter Dr. Lorbacher stets ge¬
wesen. In mannigfachen Gesprächen hat er mich
| aus dem Schatze seiner Erfahrungen auf dieses
und jenes kleine Symptom, auf diese und jene
| Mittelwirkung aufmerksam gemacht; manchen prak¬
tischen Wink verdanke ich ihm für die Anwendung
von Arsen, Phosphor, Silicea, Mercur. praecipitatus
ruber, Thuja, Causticum und anderer Mittel, den
ich dann in der Praxis erprobt gefunden habe.“
Auch gesteht dieser authentische Zeuge, dass er
, sich von der Anwendbarkeit mancher Mittel, wie
z. B. Silicea, auch in hohen Potenzen, in gemein¬
schaftlicher Arbeit mit Lorbacher am Krankenbett
habe überzeugen können. — Gerade für die Wirk¬
samkeit der höheren Potenzirungen ist Lorbacher
in der That wiederholt nicht als theoretischer An¬
walt, sondern als Praktiker auf Grund seiner Er¬
fahrungen und guter klinischen Erfolge aufgetreten.
Aber auch in dieser oft so brennenden Frage von
der Gaben grosse, die nahe daran war, eine uuheil-
I bare Spaltung in unserem Lager zu veranlassen,
Digitized by
Google
181
wie auch bei anderen die Gemüther tief erregen¬
den Streitfragen, ist er massvoll, beschwichtigend
aufgetreten, um, so weit es möglich war, Friede
und Eintracht in unserem Lager zu erhalten. So
hat er noch in hohem Alter von 76 Jahren in
No. 8/9 des 129. Bandes dieser Zeitschrift durch
einen Artikel „Zum Ausgleich“ seine Stimme mahnend,
beschwichtigend und vermittelnd in dem Streite der
Parteien erhoben.
Diese ausgleichende, vermittelnde Stellung war
bei unserem Lorbacher aber nicht jenes aus poli¬
tischer Klugheit fliessende juste milieu, sondern sie
entsprang seinem sittlichen Charakter, seiner Liebe
zum Frieden, die das Einende sucht und das Tren¬
nende zwar nicht übersieht, aber aus Achtung
gegen den ehrlichen Gegner milde beurtheilt. Wie
in der Heilkunst strebte der Verewigte auch im
Sittlichen unablässig nach Vervollkommnung. Er
besass grosse Herzenseigenschaften, die jedoch, da
ihm das Herz nicht auf der Zunge sass, und er
eine ernste, mehr reservirte Natur war, mehr im
stillen Kreise seiner Familie und seiner intimen
Freunde hervorleuchteten. Doch haben auch seine
Kranken, die ihm ohnedies wegen seiner grossen
Gewissenhaftigkeit und Unermüdlichkeit als ärztlichen
Helfer hoch schätzten, es wohl gemerkt, dass sie
für ihn mehr als Versuchsobjecte waren, dass sie
in ihm einen Freund batten. — Nach aussen wirkte
er hauptsächlich nur als Arzt und für die Homöo¬
pathie; von allem anderen hielt er sich zurück.
Wohl aber nahm er an den Arbeiten und Be¬
strebungen der Maurerloge sehr regen Antheil, und
war es ihm vor wenigen Jahren noch vergönnt,
sein goldenes Maurer-Jubiläum zu begehen, von
seinen Brüdern, denen er so oft aus dem reichen
Schatze seines Wissens mitgetheilt und innige Liebe
erwiesen, hoch geehrt und viel geliebt. —
Einen solchen Mann bis zu seinem vollsten,
ausgereiften Lebensalter in unseren Reihen besessen
zu haben, preisen wir als ein besonders gnädiges
Geschenk der göttlichen Vorsehung. Er starb, aber
seine Werke folgen ihm nach; sein Andenken wird
in Segen bleiben. Möge sein Bild unserer jetzigen
Generation, und auch der folgenden, zum Vorbilde,
zur Nachahmung dienen! Dr. Mossa.
Ulcera varicosa — Clematis vitalba.
Ein 46jähriges Fräulein, an Gicht leidend und
von einer gichtischen Familie stammend, hat seit
vier Jahren an Fussgeschwüren gelitten. Selbige
sind abgerundet, von der Grösse eines Fünffranken¬
stückes oder etwas drüber, und sitzen an der
Aussenseite beider Beine und halten, so oft sie J
auftreten, immer mehrere Wochen an. Am 12. Jan., |
wo sie Dr. Jousset junior sah, zeigte sie zwei Ge¬
schwüre am linken Bein, das eine etwas unterhalb
des Malleolus externae, das andere 10— 15 Centi-
meter darüber; diese Geschwüre bestehen bereits
seit zwei Monaten trotz verschiedener örtlicher Mittel
und Bettruhe.
Das Aussehen der Kranken ist im Ganzen be¬
friedigend, indessen bemerkt mau Kreislaufstörungen,
vornämlich an den Beinen, besonders an den
Knieen, die sich durch bläuliche, marmorirte Ader¬
netze charakterisiren; auch zeigen sich einige kleine,
sehr feine Varices.
Clematis vitalba 3. innerlich und dasselbe Mittel
äusserlich, 10 Tropfen in 1 / i Glas Wasser zum
Befeuchten von Compressen, die mehrmals täglich
erneuert werden sollen.
Am 25. Januar sind die Geschwüre, besonders
das untere, kleiner an Umfang.
Am 3. Februar ist das untere Geschwür voll¬
kommen geheilt: das obere entschieden besser.
4. April. Obwohl die Kranke fast immer still
gelegen, hat sich das obere Geschwür wieder ge¬
öffnet , so dass Clematis innerlich und äusserlich
wiederholt wird.
22. April. Das Geschwür breitete sich immer
mehr aus. Hydrastis innerlich und äusserlich eine
Salbe von 1 Gramm auf 30.
27. April. Keine Besserung. Dr. Jousset senior
räth Arsen 3. trit. zu geben und das Geschwür
mit einem Pulver von 1 Arsen zu 1000 Amylum
zu bestreuen. Ziemlich schnelle Besserung, und
nach Verlauf von drei Wochen war das Geschwür
wieder vernarbt.
Diagnose und Prognose der Cholelithiasis.
Referat von Dr. Th. Kafka in Karlsbad.
Unter diesem Titel bringt die Wiener Monats¬
schrift „Heilkunde“ einen Artikel aus der Feder
des Hofraths Dr. Riedel in Jena. Die Gallenstein¬
krankheit und wann operirt werden soll, bildet jetzt
ein aktuelles Thema in allen ärztlichen Vereinen
und Versammlungen. So z. B. auch die Broschüre
des Dr. Kehr in Halberstadt, der sehr bald zur
Operation schreitet, trotzdem er selbst doch zuerst
die Kur in Karlsbad gebraucht hat, bevor er sich
zu einer solchen Operation an sich selbst ent¬
schlossen hatte. Prof. Dr. Wölfler in Prag wiederum
glaubt nach einem im Verein Deutscher Aerzte ge¬
haltenen Vortrage nur dann zur Operation schreiten
zu müssen, sobald eine Ulceration nachweisbar ist.
Eine Ulceration in den Gallenorganen bei Zeiten
nachzuweiseu, ist aber meistens sehr schwierig, und
man wird sich event. daher noch sehr überlegen
müssen und doch vorher alle anderen Kurarten, wie
Digitized by
Google
182
z. B. eine Kur in Karlsbad, anwenden müssen, be¬
vor man zur Operation schreitet.
Ueber die Diagnose äussert sich Strümpell
wie folgt: Die Diagnose der Cholelithiasis kann in
manchen Füllen leicht und mit voller Sicherheit ge¬
stellt werden, währeud in anderen Fällen die ganze
Krankheit unter so vieldeutigen und dunkeln Symp¬
tomen auftritt und verläuft, dass ein bestimmtes
Urtheil über die Natur des Leidens unmöglich ist.
Die grösste diagnostische Bedeutung haben jeden¬
falls die Kolikanfälle. Man soll sich daher zur
Regel machen, bei allen anfallsweise auftretenden
heftigen Schmerzen in der Magen- und Lebergegend,
zumal bei Frauen im mittleren Lebensalter, an die
Möglichkeit von Gallensteinen zu denken. Jeder
leichte dabei bemerkliche Icterus macht die Diagnose
wahrscheinlicher, während, wie erwähnt, das Fehlen
von Icterus keineswegs gegen die Diagnose „Gallen¬
steine“ spricht. Der sicherste Beweis für diese
Annahme ist dann gegeben, wenn es gelingt, nach
dem Anfalle Steine in den Stuhlentleerungen auf¬
zufinden. Doch kann immerhin in vielen typischen
Fällen die Diagnose auch ohne den directen Nach¬
weis der Corpora delicti sicher begründet werden.
Zu hüten hat man sich auch vor Verwechselungen
von fest zusammengeballten Nahrungsresten (Pflanzen¬
resten nach reichlichem Obstgenuss u. dergl.) mit
wirklichen Gallensteinen.
90°/ o der Gallensteinkranken sind zu Anfang
frei von Icterus; wenn man also die Gallenstein¬
diagnose auf Icterus incipiens oder gar auf den
Nachweis von Steinen im Stuhlgange stützen will,
so wird man nur in 10°/ o der Fälle die Diagnose
stellen können. Von den restirenden 90% hat
sicherlich kaum die Hälfte sofort beim Beginn des
Leidens typische, d. h. schwerere Kolikanfälle, die
meisten leiden an sogenannten Cardialgieen, manche
nur an gelegentlichem Unbehagen, Appetitmangel,
Erbrechen nach Aerger. Das sind Individuen, bei
denen einzelne grosse Steine frei in einer hydropi-
schen Gallenblase umherschwimmen; Ductus-cysticus
lediglich verschwollen, kein Stein im Blasenhalse.
Bei längerer Dauer des Leidens mehrt sich die
Procentzahl der Icterischen, weil manche Kranke
erfolgreiche Anfälle erleiden; trotzdem rechne ich
auf Icterus nur in 25 % der Fälle, wenn man die¬
jenigen in Abzug bringt, die secundär in Folge
von Carcinoma vesicae felleae Icterus bekommen.
Von jenen 25% entleert aber kaum die Hälfte die I
Steine per vias naturales, bei der zweiten Hälfte !
bleiben sie vorläufig im Ductus choledochus stecken, |
sie können sich später entleeren oder auch nicht.
Die Hauptsache ist, dass in den Fällen, die zu An¬
fang frei von Icterus sind (90%), die Diagnose
gestellt wird, weil diesen Kranken in leichter und
gefahrloser Weise zu helfen ist; aber hier hapert |
die Diagnose noch in bedenklicher Weise, weil der
„erfolglose“ Gallensteinkolikanfall nicht genügend
anerkannt ist. Diese Diagnose auf circumscripte
Peritonialreizung — als solche charakterisirt sich
| der erfolglose Gallensteinkolikanfall mit seiner Auf¬
treibung der Oberbauchgegeud, der Empfindlichkeit
derselben, der Uebelkeit resp. dem Erbrechen —
ist aber in der That meist zu stellen; nur die ana¬
logen Schmerzattacken bei Verwachsungen der
Gallenblase (nach Abgang der Steine per vias natura¬
les) machen ganz besondere diagnostische Schwierig-
1 keiten, desgleichen die schmerzhafte an Stelle der
I Gallenblase fixirte, sogenannte Wanderniere, die hier
I keine Wanderniere mehr ist.
Sind die begleitenden Erscheinungen des Kolik¬
anfalles nicht sehr charakteristisch, so ist die sichere
Unterscheidung zwischen Gallensteinkoliken und
Darmkoliken, Cardialgieen, Nierensteinkoliken und
rein nervösen visceralenNeuralgieen, wie sie nament¬
lich bei neurasthenischen oder hysterischen Krankeu
auftreten, sehr oft schwierig, ja sogar unmöglich.
Erst eine längere Zeit fortgesetzte Beobachtung
der Krankheit und eine sorgfältige Abwägung aller
Symptome und des gesammten Krankheitsbildes
können dann zu einem einigermassen sicheren Ur¬
theil führeu. Es ist nicht zu bezweifeln, dass in
tausend und abertausend Fällen besonders die
Cardialgie auf Gallensteine zurückzuführen ist. Man
muss immer bedenken, dass wenigstens zwei Mil¬
lionen im Deutschen Reiche Gallensteine haben.
Sehr schwierig ist die Diagnose in solchen
Fällen, wo ohne das Vorhergehen typischer Ein¬
klemmungssymptome schwere fieberhafte Entzün¬
dungen im Bereiche des Abdomens auftreten, deren
Ausgangspunkt nicht näher bestimmbar ist. Auch
hier kann man sich nur dadurch vor häufigen
diagnostischen Irrtliümern schützen, dass man bei
allen derartigen anfangs dunkeln Erkrankungen
auch an die Möglichkeit der Cholelithiasis denkt
und durch eine sorgfältige Anamnese und Unter¬
suchung die etwa auffindbaren Anhaltspunkte er¬
mittelt. Lebervergrösserung, Empfindlichkeit und
Vergrössening der Gallenblase, zeitweiliger Icterus,
Fieberanfälle, Milztumor, endlich die allgemeinen
Verhältnisse der Kranken (Alter, Geschlecht, Con¬
stitution) sind vor Allem zu berücksichtigen. Die
besonderen Erscheinungen sind fast in jedem Falle
verschieden, so dass sich specielle diagnostische
Regeln kaum aufstellen lassen. Schwere fieberhafte
Entzündungen im Bereiche des Abdomens, deren
Ausgangspunkt nicht näher zu bestimmen ist, gehen
in der That entweder von der Gallenblase oder von
einem dislocirten Wurmfortsätze aus. Da Verlage¬
rungen des Wurmfortsatzes nach oben und nach
innen relativ häufig sind (ca. 10% meiner durch
Operation klargestellteu 120 Fälle. Riedel.), so wird
Digitized by c^ooQie
183
man bei jüngeren Individuen in erster Linie mit
Appendicitis, bei älteren weiblichen Personen mit
Gallenblasenentzündungen rechnen; selbstverständ¬
lich fehlt in solchen Fällen meist Lebervergrösse-
rung, desgleichen hatten die Patienten fast nie
Icterus gehabt.
Wo viele Echinokokken Vorkommen, ist mit der
Vereiterung eines in der Leber und im Mesenterium
steckenden Echinococcus zu rechnen, doch ist damit
natürlich das Capitel nicht erschöpft Eigentlich j
ist jetzt meine Besprechung der Strümpell’schen
Arbeit beendet, da ich ja ausschliesslich die Patho¬
genese und Diagnose des Gallensteinleidens erörtern
wollte; ich kann aber doch die Fortsetzung des
friedlichen, wissenschaftlichen Duelles nicht unter¬
lassen, zumal gleich die nächsten über die Prognose
des Gallensteinleidens handelnden Zeilen das Gegen-
theil von dem besagen, was ich für zutreffend
halte. (Riedel.)
Die Prognose beurtheilt Strümpell folgender-
massen: „Die Prognose der Cholelithiasis muss
eigentlich in jedem Falle als eine zweifelhafte be¬
zeichnet werden, da, wie aus dem früheren hervor¬
geht, die Anwesenheit von Gallensteinen eine Menge
verschiedener gefährlicher Folgezustände nach sich
ziehen kann. Dieselben hier nochmals aufzuzählen,
ist unnöthig. Selbst in günstig verlaufenden Fällen
muss man auf den stets möglichen Eintritt von
Rückfällen gefasst sein. Immerhin ist es zweifel¬
los, dass auch völlige und dauernde Heilungen Vor¬
kommen, indem die Steine aus dem Körper ent¬
fernt werden und keine neuen Zeichen der Krank¬
heit eintreten.“
Wenn die Therapie der Gallensteinkrankheit so
bleibt wie bisher, so kann man Vorstehendes pure
unterschreiben. Wird sie geändert und verliert zu¬
gleich das Publicum die Furcht vor der Operation —
und das ist die Hauptsache — so rechne ich auf
90°/ o definitiver Heilungen, falls die Operation
rechtzeitig ausgeführt wird. Von diesen 10°/ o wird
die Hälfte dem Carcinoma vesicae felleae zum Opfer
fallen. Es ist geradezu tragisch, dass die meisten
Individuen, die an Carcinom in Folge von Steinen
erkranken, von diesen Steinen nichts gemerkt haben;
weder sie, noch ihre Aerzte waren also in der
Lage, das Unglück abzuwenden. Die zweite Hälfte
geht entweder acut an Gallensteinentzündung zu
Grunde (sehr selten), oder es wird gleich bei den
ersten Attacken von Gallensteinkolik ein Stein in
den Ductus choledochus geworfen und da auf¬
gehalten. Setzt nun ausnahmsweise rasch Paralienitis
infectiosa ein, so wird der Kranke zu Grunde gehen;
lässt er sich frühzeitig opcriren, so ist Rettung
möglich. Wollte man die Prognose des Gallen¬
steinleidens insgesammt bestimmen, also auch die
Fälle mitrechnen, in denen sich die Steine nicht
rühren, so würde die Prognose natürlich noch viel
ungünstiger zu stellen sein.
„Was die einzelnen Erscheinungen anlangt,“
sagt Strümpell, „so ist der Kolikanfäll selbst wohl
fast niemals lebensgefährlich. Unter den möglichen
Perforationen ist der Durchbruch nach dem Dünn¬
darm der günstigste. Derartige Fisteln können
manchmal sogar wieder vollständig heilen.
Von den besonderen Folgezuständen ist noch
i dauernder Verschluss des Ductus hepaticus oder
(häufiger) des Ductus choledochus zu nennen, wie
er theils durch eine anhaltende Steineinklemmung
oder durch eine Narbenstrictur zu Stande kommt.
So entstehen chronischer Icterus und eigenthüm-
liche Leberveränderungen, welche wir später näher
kennen lernen werden.“
Dieser Meinung muss ich das eben über „an¬
haltende Steineinklemmung“ Gesagte entgegenhalten.
Chronischer Icterus kann und wird meistens beim
Stein im Ductus choledoehus eintreten, er braucht
aber durchaus nicht immer einzutreten.
„Auf eine interessante Erscheinung, “ sagt
Strümpell wieder, „müssen wir noch aufmerksam
machen, nämlich auf den Zusammenhang zwischen
Cholelithiasis und späterer Carcinombilduiig in der
Gallenblase oder den Gallenwegen. Diese auch
klinisch sehr bedeutsame Thatsaehe hängt mit der
allgemeinen Beobachtung zusammen, dass andauernde
mechanische Schleimhautreize, Narbenbildungen
u. dergl. überhaupt die Veranlassung zur Entstehung
eines Carcinoms werden können. Die secundäre
Carcinombildung nach Cholelithiasis findet eine
völlige Analogie m der Carcinombildung nach Magen-
ulcus, bei Nephrolithiasis u. a.“ Auf die Häufig¬
keit des Gallenblasencareinoms kann gar nickt genug
aufmerksam gemacht werden. Zuweilen i$t ein
Acut entzündlicher, mit Icterus verlaufender Process
das erste Symptom der Krankheit, so dass das Lei¬
den absolut nicht von einer um einen Choledochus¬
stein spielenden Paralienitis unterschieden werden
kann; meist beginnt es allerdings ohne Icterus,
lediglich mit Schmerzen in der Gallenblase; auch
! diese Schmerzen können anfallsweise anftreten.
Die Besprechung der Therapie leitet Strümpell
mit folgenden Warten ein: „Die Therapie der
Cholelithiasis besteht erstens in der symptomatischen
Behandlung der durch die Gallensteine hervor¬
gerufenen Beschwerden und zweitens in dem Ver¬
suche, die Steine aus dem Körper zu entfernen
und eine weitere Neubildung derselben zu verhin¬
dern.“
„Unter den einzelnen Symptomen erfordert der
Gallensteinkolikanfall am häufigsten ein ärztliches
Eingreifen.“ Es werden Opium und Morphium,
Einreibungen, warme Bäder, eventuell Excitantien
empfohlen; zum Schlüsse sagt Strümpell: „Ist der
Digitized by
Google
184
Kolikanfall überstanden, so verordnet man in der
Regel den Gebrauch leichter Abführmittel (Bitter¬
wasser), um die Entleerung der etwa in den Darm
gelangten Steine zu beschleunigen.“
Da die meisten Gallensteinkoliken nichts weiter
sind, als erfolglose Entzündungen der Gallenblase,
so werden die gereichten Abführmittel selten „die
Entleerung der etwa in den Darm gelangten Steine
beschleunigen“, trotzdem sind sie absolut nöthig
und zwar deshalb, weil es kein besseres Mittel
giebt, um die Schmerzen zu beseitigen, als ein
energisches Eccoproticum. Ist der Darm entleert,
so strömt das Blut fort von der Gallenblase in die
Blutgefässe des Darms, und dadurch hört der Schmerz
oft so vollständig auf, dass zuweilen messerscheue
Individuen nach der Wirkung des Abführmittels
sich der Operation entziehen, „weil es ihnen so gut
ginge, wie nie zuvor.“ Man wird also zunächst
Morphium geben (das ist immer die letzte Zuflucht
der Allopathen. D. Ref.) bis der Schmerz gelindert,
das Erbrechen vorüber ist. Dann folgt ein mög¬
lichst intensiv wirkendes Abführmittel. Darnach
werden die Schmerzen für kürzere oder längere
Zeit verschwinden, falls nicht Paralienitis infectiosa
in der Gallenblase spielte.
Verläuft der Anfall sofort mit Icterus, liegt
also eine vollkommen erfolgreiche Attacke vor, so
wird in der That das Abführmittel die Entleerung
der etwa in den Darm gelangten Steine beschleu¬
nigen, gleichzeitig auch die Gallenblase von Blut
entlasten, so dass die Anwendung desselben auf
jeden Fall angezeigt ist. (Lavements mit Glycerin
oder Oel können ein Abführmittel meistens erfolg¬
reicher ersetzen, weil solche Patienten meistens eine
sehr reizbare Magenschleimhaut besitzen und leicht
erbrechen. Der Ref.)
„Dauern die Einklemmungserscheinungen längere
Zeit an oder wiederholen sie sich in kurzen Pausen,
so kann man einen Versuch mit einem der zahl¬
reich empfohlenen Mittel anstellen, welche theils
auf die Gallenausscheidung fördernd, theils angeb¬
lich auf die Steine selbst lösend einwirken sollen.
Die in -letzter Hinsicht gemachten Versuche sind
wohl als rein illusorisch zu bezeichnen. (Aether,
Terpentin etc.). Als Mittel, welche die Secretion
der Galle befördern sollen, gelten vorzugsweise die
alkalischen Wässer und das salicylsaure Natron.
(In der homöopathischen Therapie China, Podo-
phyllura, Cholestearin, Calculi biliares titur. Prof.
Stadel mann hat experimentell die günstige Wir¬
kung der Gallensäuren auf Beförderung der Gallen-
secretion nachgewiesen. Darauf wird aber von den
Herren noch gar keine Rücksicht genommen. D. Ref.)
Obwohl die genaueren experimentellen Unter¬
suchungen dieser Annahme eine tiefere Unterlage
nicht gegeben haben, so zeigt doch die ärztliche
Erfahrung, dass man über die genannten Mittel
kein ganz absprechendes Urtheil fallen darf.
Namentlich, sagt Prof. Riedel, haben sich die Karls¬
bader Quellen seit langer Zeit einen besonderen
Ruf bei der Behandlung der Cholelithiasis erworben.
Man wendet das Karlsbader Wasser sowohl zur
Zeit stärkerer Beschwerden als namentlich nach den
überstandenen Anfällen an. Gestatten es die äusseren
Verhältnisse des Kranken, so lässt man die Kur
am Besten in Karlsbad selbst vornehmen. Nicht
selten werden dann während der Kur Gallensteine
entleert und die Kranken sind darnach oder sogar
für immer von ihrem Leiden befreit. Ausser Karls¬
bad kommen auch die Trinkquellen von Kissingen,
Homburg, Ems und namentlich Vichy in Betracht.“
(Schluss folgt.)
Das Selbstdispensirrecht der Aerzte
und Homöopathen.
Wir bringen den nachfolgenden Artikel aus der
„Apotheker-Zeitung“, No. 40, 1899, und gedenken,
später Stellung zu ihm zu nehmen. — Vorweg
müssen wir aber die hier festgehaltene Eintheilung
der Aerzteschaft in „Aerzte und Homöopathen“, ob
sie von Dr. Springfeld oder dem Berichterstatter
herrührt, für geschmacklos halten, ja als ehren¬
rührig für uns zurückweisen. Richtiger und an¬
gemessener wäre es doch gewesen, von dem Selbst¬
dispensirrecht der praktischen, insbesondere der ho¬
möopathischen Aerzte zu reden. D. R.
Unter dem obenstehenden Titel ist soeben von
dem Medicinalassessor beim Königlichen Polizei¬
präsidium in Berlin Dr. Springfeld eine Zusammen¬
stellung der gesetzlichen Bestimmungen und Ver¬
ordnungen erschienen, welche auf das Selbstdispen¬
sirrecht der Aerzte und Homöopathen in Preussen
Bezug haben. Au sich bedeutet die Sammlung und
Erläuterung der genannten Bestimmungen eine er¬
freuliche Bereicherung der Literatur. In hohem
Maasse befremdend muss aber das dem Buche bei¬
gegebene Vorwort wirken, das nachstehend unver¬
kürzt wiedergegeben wird:
„Das Selbstdispensirrecht wurde seit dem Mittel-
alter den Aerzten vorwiegend aus zwei Gründen
beschränkt.
Einmal war die Beschaffung der Medicamente
und ihre Zubereitung in die zum Einnehmen passende
Form so zeitraubend und schwierig, dass eine Ver¬
einigung des ärztlichen und pharmaceutischen Ge¬
werbes eine technische Unmöglichkeit, jedenfalls
für den Patienten mit Gefahren verknüpft war, und
sodann lag die Scheidung der einzelnen Gewerbe¬
betriebe von einander durch möglichst unübersteig-
Digitized by ^»ooQie
185
liehe Schranken im Zuge einer Zeit, welche In¬
nungen, Gilden und Zünfte erstehen Hess. Die
ehemalige ßerufspflicht des Arztes, seinen Kranken
die Heilmittel selbst zu bereiten und zu verab¬
folgen, wurde in den St&dten zu einer Pflicht¬
widrigkeit und selbst auf dem Lande, wo in Er¬
mangelung von Apotheken die Selbstdispensation
gebieterisch vom öffentlichen Wohle gefordert wurde,
zu einem im Interesse der Apothekenprivilegien
vielfach beschränkten Sonderrecht.
Als das Zeitalter der Zünfte dem der Gewerbe¬
freiheit gewichen war, blieb mit den Apotheken¬
privilegien die Trennung beider Gewerbe bestehen.
Sie Hess sich vom Standpunkte des öffentlichen
Wohles auch noch eine Zeit lang wenigstens hin¬
sichtlich solcher differenten Mittel rechtfertigen,
deren Güte, Echtheit und richtige Dosirung der
Apotheker besser als der Arzt gewährleisten konnte,
deren Dispensation schwierig und zeitraubend war
und die der Apotheker selbst zubereitete oder
wenigstens abwog und abfasste.
Diese Basis einer gesetzlichen Beschränkung
des Sclbstdispensirrechtes wird von Tag zu Tag
mehr durch die Entwickelung der pharmaceutischen
Technik, durch die Steigerung des Arzneibedürf-
nisscs in Stadt und Land und durch die unserem
Jahrhundert eigenartige Form der Arzneiversorgung
aus Krankenkassen erschüttert.
Die Production von Arzneimitteln entglitt den
Händen des Apothekers und soweit er die Herstel¬
lung nicht prüfbarer Medicamente dem pharma-
ceutisch-chemischen Grossindustriellen hat überlassen
müssen, d. h. zu 80°/ 0 des Umsatzes, ist letzterer
auch der eigentliche Träger der Verantwortung für
die Güte der Waaren, seine Zuverlässigkeit allein
schützt das Publikum vor Vergiftungen, nicht die
strafrechtliche, formelle Verantwortlichkeit des Apo¬
thekers. Der Kreis der Mittel, welche die Gross¬
industrie in richtig dosirter haltbarer, conserven-
ähnlicher Form abgefasst für den sofortigen Consum
auf den Markt wirft, Mittel, welche der Apotheker,
ohne auch nur die Verpackung lösen zu brauchen,
automatisch abgiebt, hat in den letzten Jahren
ständig an Ausbreitung gewonnen. Schon jetzt
würde selbst ein pharmakologisch anspruchsvoller
Arzt seinen ganzen Arzneibedarf mit dosirten Mitteln
(Kapseln, Tabletten, abgetheilten Pulvern etc.)
decken können. Die gewerbliche Abgabe solcher
Mittel mit dem ärztlichen Gewerbe zu verbinden
ist jedenfalls weder eine technische Unmöglichkeit
mehr, noch mit Gefahr für den Patienten verknüpft.
Für diese Mittel ist der Apothekenzwischenhandel
aber auch ganz zwecklos: Er verlangsamt und ver¬
teuert die Arzneiversorgung namentlich auf dem
platten Lande erheblich und befördert auch die
Verderbniss und das Unwirksamwerden der Mittel
dadurch, dass die Waare im Geschäft des Zwischen¬
händlers in grösseren Massen ohne jede Controle
über das Alter lagern muss.
So lange Arzt- und Arzneibedürfniss auf dem
Lande gering waren, machte die Beschaffung von
Medicamenten keine überwindlichen Schwierigkeiten.
Heute muss der Grossgrundbesitz mit grösseren
Arbeitermassen wirtschaften, der ärmste Arbeiter
weist einen grösseren Arzneiconsum auf als sein
Brodherr, in Dörfern von 300 Einwohnern ver¬
suchen Aerzte die Niederlassung und die Not¬
wendigkeit von Dispensiranstalten macht sich in den
kleinsten Ortschaften fühlbar. Hier, wo Apotheken
niemals würden existiren können, widerstreitet jede
Beschränkung des Selbstdispensirrechts den Inter¬
essen der landwirtschaftlichen Arbeitgeber und der
Patienten. Sie verhindert oder erschwert den natür¬
lichsten und sichersten Ersatz der Apotheke. Sie
verhindert die Niederlassung der Aerzte, die unter
dem Verbote des Selbstdispensirens gezwungen sind,
sich an bestehende Apotheken anzuschliessen, durch
eine Vereinigung des ärztlichen und pharmaceu¬
tischen Gewerbes aber sehr wohl auch in kleineren
Ortschaften die Möglichkeit einer Existenz Anden
würden. Die für unsere Zeit unzulängliche Arzt-
und Arzneiversorgung ist mitschuldig an unserer
ungenügenden Kenntniss der hygienischen Verhält¬
nisse des platten Landes und an seiner mangel¬
haften Sanirung. Die Beschränkungen des land-
ärztlichen Dispensirrechtes sind aber nicht einmal
für die Apothekenbesitzer selbst vortheilhaft ge¬
wesen, denn in den Taschen der Krankenpflege¬
rinnen sind wandelnde Dispensir-Anstalten, in den
Drogerien wilde Apotheken und in den Schränken
der Gastwirthe Niederlagen der pharmaceutisch-
chemischen Grossindustrie erstanden, welche das
Absatzgebiet des Apothekers weit gründlicher be¬
schränken, als je eine ärztliche Hausapotheke es
vermocht hätte.
Endlich ist auch in den Städten, wo industrielle
Arbeiter auf engem Raum zusammengedrängt wohnen,
und die Krankenkassen nicht nur das Arzneibedürf¬
niss enorm gesteigert, sondern auch in Folge des
Massenconsums zu einer Schablonisirung der Art
der Versorgung geführt haben, die Beschränkung
des Selbstdispensirrechtes der angestellten Kassen¬
ärzte weder überall nothwendig, noch ein Vortheil
für Apotheker, für die Kassen und ihre Mit¬
glieder.
Hier drängt die Entwickelung mit Nothwendig-
keit auf die Errichtung von Kassenapotheken bezw.
den Ankauf von Apotheken oder Fabriken durch
Kassen hin und auf eine Betheiligung der ange¬
stellten Kassenärzte an der Arzneiabgabe aus solchen
Apotheken. Hemmt man diese Entwickelung, so
wird das Bedürfnis der Kasse auf mehr oder
24
Digitized by k^ooQie
186
weniger illegalem Wege durch Drogistenschränke,
Arzneiniederlagen der Kassen, selbstdispensirende
Kurpfuscher befriedigt und die Arzneiversorgung
verschlechtert, zum mindesten eingeengt werden.
Die Beschränkung der fabrikmässig hergestellten
Zubereitungen auf Apotheken, für welche der Apo¬
theker thatsächlich keine Garantie übernehmen kann,
trotzdem sich aber gemäss Ziff. 10 pag. 7 der
Arzneitaxe einen Zuschlag von 60°/ 0 berechnen
darf, und die Ausdehnung des Verbotes der Selbst¬
dispensation auf diese Mittel, lässt sich kaum mehr
begründen. Der Patient verliert durch die Wege
zur Apotheke und das Warten auf Abfertigung
Zeit, die Waare wird durch das Lagern in den
Apotheken nicht besser und die Kasse zahlt enorme
Summen, die bei zweckmässiger Organisation der
Arznei Versorgung sich sehr wohl reduciren Hessen
und dem ärztlichen Stande zu gute kommen
könnten.
Die Bedeutung, welche die Betheiligung der
Aerzte an der Arzneiabgabe unter diesen Verhält¬
nissen für die Arznei Versorgung in Stadt und Land
wenn nicht schon gewonnen hat, so doch in nicht
allzuferner Zukunft gewinnen muss, rechtfertigt den
Versuch einer eingehenden Darstellung der Grund¬
lagen des halb in Vergessenheit gerathenen Selbst¬
dispensirrechtes.
Angesichts des geringen Gebrauchs, den die
Aerzte von ihren Rechten bisher gemacht haben,
kann es nicht Wunder nehmen, dass dieses Kapitel
der Medicinalpolizei zu den am wenigsten bearbei¬
teten gehört. Man ist bei näherem Studium der
Frage überrascht über die Menge unklarer Ver¬
hältnisse — und über die Ausdehnung, welche dem
Selbstdispensirrecht, wenigstens in manchen Theilen
der Monarchie, noch heute allem Anscheine nach
thatsächlich zukommt.
Die erste monographische Bearbeitung eines
recht viele Schwierigkeiten bietenden Gebietes hat
Anspruch auf nachsichtige Beurtheilung. Die bei
Handhabung der Gesetze entstehenden Fragen end¬
gültig zu beantworten, ist Sache des Richters, sie
zu stellen aber und das Material zu ihrer Lösung
zusammenzutragen, Sache des Medicinalbeamten, der
sich den Zweifeln ja nicht entziehen kann und ge¬
zwungen ist, bis zur richterlichen Entscheidung
sich sein eigenes Urtheil zu bilden.
Wenn die nachfolgende Zusammenstellung den
Aerzten eine Grundlage für selbständige Beurthei¬
lung der Grenzen ihrer Rechte und Pflichten und
die Anregung zur weiteren Entwickelung des Selbst¬
dispensirrechtes geben sollte, hat sie ihren Zweck
erfüllt.“
Der Verfasser hat unter den Gründen, warum
das Selbstdispensirrecht der Aerzte beschränkt worden
ist, die wichtigsten nicht angeführt. Er hat es ver¬
säumt, zu bemerken, dass der Arzt im allgemeinen
nicht die genügende Vorbildung für das Selbst-
dispensiren der Arzneien besitzt. Dass jeder Arzt
gewisse gekaufte Arzneimittel weiter abgebeu kann,
etwas besser als das der Kurpfuscher und der
Krämer kann, soll nicht angezweifelt werden. Es
fehlt ihm aber in der Regel die ausreichende Kenut-
niss und Fertigkeit, um die Echtheit, Güte und
Reinheit der von ihm abgegebenen Arzneien zu
beurtheilen. Der Verfasser hat einen nicht minder
wichtigen Grund zu erwähnen vergessen, den er in
einem Erlass seines Vorgesetzten Ministeriums vom
23. September 1871 hätte finden können. Es ist
dort die Rede von dem Verbot der Ausübung der
ärztlichen Praxis für die Apotheker und warum
dieses Verbot keinem anderen Staatsbürger als dem
Apotheker auferlegt wird: ,,Ein Apotheker, welcher
sich mit Behandlung von Krankheiten befasst, ver¬
letzt die besonderen Pflichten seines Berufes. Die
hiergegen gerichteten Strafbestimmungen haben mit
der Medicinalpfuscherei keinen Zusammenhang, son¬
dern beruhen auf der durch die gegenseitige Con-
trole bedingten Scheidung zwischen den Thätig-
keiten des Arztes und des Apothekers. Dem Ver¬
bote des Kurirens Seitens der Apotheker entspricht
das Verbot des Selbstdispensirens Seitens der Aerzte. “
Man dürfte an massgebender Stelle beute noch
genau so über diesen Gegenstand denken, wie vor
30 Jahren. Ganz gewiss würden die Apotheker
durch eine Erweiterung des Dispensirrechtes der
Aerzte geschädigt werden können, aber ob die
Aerzte dadurch gewinnen würden, wenn man den
Apotheker durch eine solche Massnahme, direct zum
Kurpfuscherthum dräugte, ist doch mindestens zweifel¬
haft. Jedenfalls ist in einem geordneten Staats¬
wesen die muthwillige Entfachung eines solchen
Interessenkampfes schlechterdings undenkbar.
Zu den nachweislich unrichtigen Behauptungen
in dem Vorwort gehört die, dass der Apotheker
,,die Herstellung nicht prüfbarer Medicamente dem
pharmaceutiscli-chemischen Grossindustriellen — zu
80°/ 0 des Umsatzes“ habe überlassen müssen. Dass
es einzelne Berliner Apotheken giebt, bei denen
der Specialitätenhandel leider annähernd diesen Um¬
fang erreicht, mag möglich sein. Wenn der Ver¬
fasser aber eine solche ganz vereinzelte Thatsache
verallgemeinert, so ist das eine Oberflächlichkeit,
vor der sich ein Mann, der in amtlicher Stellung
vielfache Beziehungen zu den Apotheken hat, be¬
sonders hüten sollte.
Nicht minder oberflächlich, ganz gelinde be-
urtheilt, ist der Satz: „Der Patient verliert durch
die Wege zur Apotheke und das Warten auf Ab¬
fertigung Zeit, die Waare wird durch das Lagern
I in den Apotheken nicht besser und die Kasse zahlt
i enorme Summen, die bei zweckmässiger Orgaui-
Digitized by ^»ooQle
187
sation der Arzneiversorgung sich sehr wohl redu-
ziren Hessen und dem ärztlichen Stande zu gute
kommen könnten.“ Will der Verfasser ernstlich
glauben machen, dass die Waare durch das Lagern
in ärztlichen Hausapotheken weniger beeinflusst
würde, als durch die sachkundige Lagerung und
Behandlung in wirklichen Apotheken? Wer nur
einigerraassen mit den Zuständen ärztlicher Haus¬
apotheken bekannt ist, kann so etwas unmöglich
schreiben. Oder sollte der Verfasser gemeint haben,
der ärztliche Inhaber einer Hausapotheke würde
die Wahl eines Arzneimittels nicht nach der Eigen¬
art des Krankheitsfalles, sondern unter Berück¬
sichtigung seines Waarenlagers treffen und so in
der Lage sein, seine Vorräthe durch Räumung
seines Lagers stets rechtzeitig vor dem Verderben
zu schützen? Das wäre ein schwerer Vorwurf gegen
seine ärztlichen Standesgenossen, den diese gewiss
entrüstet zurückweisen würden. Die Schlussworte
des angeführten Satzes aber sind der unverfrorenste
Ausdruck des ,,öte-toi, que je m’y mette“, eines
Grundsatzes, dem man, wie bisher, auch in Zukunft
im preussischen Medicinalwesen hoffentlich nicht
huldigen wird.
Die Springfeld’schen Gerichte werden, wie die
Erfolge seiner bekannten, vor etwa 3 Jahren er¬
schienenen Schrift über das Apothekenwesen gezeigt
haben, nicht so heiss gegessen, wie sie gekocht
sind. Die Apotheker sehen jedoch aus dem oben
wiedei gegebenen Vorwort klar, in welcher Weise
ihre Interessen von preussischen Medicinalbeamten
einer gewissen Schule vertreten werden.
Materia medica.
Anacardium-Wirkung bei äusserlicher
Application.
Dr. Louise Turton hatte sich unachtsamer Weise
die Hand mit der Tinctur von Anacardium ange¬
feuchtet und dann die linke Gesichtsseite berührt.
Am nächsten Tage waren ihre Augen geschwollen
und entzündet unter Antillen von Jucken und hef¬
tigem Brennen, die jedes Mal etwa 5 Minuten an-
hielten. Tags darauf ausgesprochene Anschwellung
des Gesichts, so dass das linke Auge gänzlich und
das rechte theilweise geschlossen war, eine Empfin¬
dung, als ob die Haut nässt. Am dritten Tage
erscheint das Gesicht so stark entzündet, wie bei
Erysipelas, aber ohne Fieber, verschlimmert von
Kälte. Bei der Berühtung die Empfindung, als ob
ein klebriger Stoff auf der Haut fliesse. Nach
5 Tagen waren Oedera und Rötlie verschwunden;
die Haut erscheint trocken und schilfert sich mehrere
Tage lang ab. Nur Gesicht und ein Theil des
Halses waren afficirt worden. Die Hand, welche
mit dem Medicament in Berührung gekommen, blieb
frei. Es Hess sich kein Symptom von Anacardium
sonst constatiren. Rhus, welches auch das Oedem,
Brennen uud den Pruritus zeigt, bietet nicht die
Empfindung von den Nässen eines klebrigen Stoffes.
Apis und Arsen besserten die Symptome bald.
(American Journal of Hom.)
Apis melliflca.
Pathologisch-anatomische Veränderungen.
Nach den Thierversuchen von Dr. Langer in
Prag bewirkt das Bienengift eine Necrose der Ge¬
webe ira Centrum der Applicationsstelle, während
es in der Umgebung derselben eine Infiltration,
Oedem und Hyperämie zur Folge hat. Die Phago-
cyten helfen mit bei der Elimination des Giftes.
In Folge der örtlichen Anwendung desselben be¬
obachtet man bei den Thieren gleichzeitig eine
Vermehrung des Appetites und des Durstes (während
bei unseren homöopathischen Prüfungen Appetit¬
losigkeit und mehr Durstlosigkeit als Durst, selbst
bei Trockenheit des Halses, angegeben ist. Ref.),
und oft Albuminurie.
Etwa 15 Minuten nach einer intravenösen Ein¬
spritzung von 6 c. c. einer l,5procentigen Lösung
des Bienengiftes ging der Blutdruck merklich herab
und der Puls verlangsamte sich. Eine anderweitige
Einspritzung von */ 2 zu 1 c. c. brachte keine Herab¬
setzung des Blutdruckes mehr hervor, aber die Be¬
wegungen des Versuchsthiers schienen diesen Druck
zu erhöhen. Es zeigten sich klonische Krämpfe
über den ganzen Körper nebst Trismus, Nystagmus
und Emprosthotonus. Während der Pausen in den
Krämpfen lag das Thier auf der Erde, auf der ge¬
lähmten Seite. Die Athmung wurde immer schwächer
bis zum eintretenden Tod.
Die Autopsie ergab folgenden Befund:
Die Pupillen stark erweitert; das Gehirn voll
Blut aber ohne Bluterguss in die Hirnsubstanz; die
Venen der Hirnhäute blutstrotzend; das Pericar-
dium durch blutstreifiges Serum völlig ausgedehnt;
merkliche Dilatation des rechten Herzens und Con-
traction des linken; schwarzes Blut mit einigen
Gerinnseln in den Höhlen des rechten Herzens; das
Endocardium und die inneren Wände der grossen
Gefasse rosig gestreift. Das Mikroskop zeigt nur
sehr wenige rothe Körperchen im Blute. — Die
Lungen lufthaltig mit kleinen hämorrhagischen In¬
farkten auf der äusseren Fläche. Die Leber stark
angeschoppt, ohne nenneuswerthen Bluterguss. Die
Gallenblase purpurfarben. Die Milz unverändert.
Die Nieren sehr hyperämisch, ihr Gewebe ist vom
Blute gleichmässig gefärbt Das Becken ist eben¬
falls stark congestionirt. Die Harnblase zusammen¬
gezogen, ohne Urin, zeigt zahlreiche Ekchymosen
24*
Digitized by t^ooQle
188
auf ihrer Schleimhaut. Der Darmkanal blutstreifig;
das Duodenum, Jejunum und Ileum enthalten blutigen
Schleim. Zahlreiche Blutpunkte auf der Peritonäal-
Bekleidung des Magens. Das Pancreas mit Blut
infiltrirt. Linsenförmige Hämorrhagieen in den Gang¬
lien des Mesenterium.
Diese Experimente sprechen deutlich für die
Anwendung von Apis bei hydropischen Ausschwitzun¬
gen undvornämlichbeiPericarditis mit Ausschwitzung,
sowie nicht minder in Exanthemen, die mit Hämor¬
rhagieen complicirt sind, wie in den schweren For¬
men der Masern.
Scorbut-Rhachitis.
Von Dr. J. Bobergon Day, London,
Arzt für Kinderkrankheiten am London Homoeopa-
thical Hospital.*)
Scorbut-Rhachitis ist eine Krankheit von hohem
Interesse, insbesondere als es eine solche ist, die
sich verhüten lässt. Dr. T. Barlow hat zuerst die
Aufmerksamkeit auf dieselbe gelenkt. Sie kommt
ziemlich häufig bei einigen Monaten alten Kindern,
hauptsächlich zwischen dem 9. und 18. Monat, vor,
und zwar sowohl bei den Kindern der Reichen als
der Armen. Ihre Aehnlichkeit mit Scorbut ist
grösser, als die mit Rhachitis, obwohl sie gemein¬
hin bei rhachitischen Kindern erscheint.
Die Ursachen, welcher dieser Krankheit zu
Grunde liegen, sind dieselben wie jene, welche bei
Erwachsenen Scorbut bedingen, nämlich ungeeignete
Ernährung. Sie tritt bei an der Mutterbrust ge¬
stillten Kindern niemals auf, wohl aber bei künst¬
lich ernährten. Eine gewisse Disposition kommt
wohl noch hinzu, denn manche Kinder gedeihen
recht wohl bei einer Nahrung, die bei anderen
Scorbut erzeugt.
Man hat überzeugend dargethan, dass in frischer
Milch und in frischer Nahrung eine feine Eigen¬
tümlichkeit vorhanden ist, die wir, aus Mangel an
einer besseren Bezeichnung, das anti-scorbutische
Element nennen. Zerstört man dies Element durch
Hitze oder andere zwecks Conservirung der Nahrung
gebräuchliche Methoden — so ist Scorbut die Folge.
Giebt man dieses Element dem von Scorbut be¬
fallenen Kinde zurück, so wird es wieder gesund.
Wir denken hierbei an die Heilwirkung des
Liraonensaftes und frischer Kartoffeln bei scorbu-
tischen Seeleuten. Bei der künstlichen Ernährung
der Kinder tritt nun gleich von Anfang an eine
rechte Schwierigkeit entgegen; füttern wir sie mit
roher oder unsterilisirter Milch, so können wir die
Kinder manchen ernsten Krankheiten preisgeben,
*) The Monthly Homoeopathic Review. Juni 1. 1898.
z. B. der Tuberkulose (von tuberkulösen Kühen
her), dem Scharlachfieber oder der Diphtherie; ste-
rilisiren wir dagegen die Milch, so schützen wir
die Kinder vor diesen Uebeln, aber dann laufen
sie Gefahr scorbutisch zu werden. So stecken wir
in der Gabel eines Dilemma.
Glücklicherweise sind wir im Stande, jenes anti-
scorbutische Element dem Kinde auf anderem Wege
als durch die Milch darzubieten, und zwar durch
sichere, und doch ebenso nahrhafte Substanzen.
Die klimatischen und allgemeinen hygienischen
Verhältnisse verschlagen nichts zu der Verhütung
dieser Krankheit, welche die Kinder des Reichen,
wo aller Luxus und alle modernen Einrichtungen
vorhanden sind, sowohl als auch die des Armen
befällt. Die beiden Fälle, welche Verf. später
bespricht, kommen aus gesunden Gegenden, und
der eine aus einem geräumigen, luftigen, von einem
Garten umgebenen Hause.
Der Anfang der Krankheit ist ein plötzlicher.
Das Kind wird verdriesslich, schreit und weint,
wenn man es berührt, liegt hilflos da, und die
Beine hängen wie gelähmt. Der Anblick des Kindes
ist auffallend, der gesunde, frische Teint ist ver¬
gangen, statt dessen wird es blass und erdgrau.
In dem einen Fall zeigte sich die rechte Schulter
stark geschwollen, ebenso der Schaft des Humerus
und des linken Schenkels; diese Zeichen treten früh
und sehr auffällig hervor. Die starken, blauen
Venen, die sich auf der rechten Schulter markirten,
Hessen eine Zeit lang an ein schnell wachsendes
Sarcom denken. Diese Schwellungen waren gegen
Berührung äusserst empfindlich und Barlow hielt
sie für charakteristisch: sie hängen, wie die wenigen
bisher gemachten Sectionen ergeben haben, von
subperiostalen Blutergüssen ab.
Die Knochen bleiben hiervon dauernd ver-
grössert; die Ossification findet statt, wenn Genesung
erfolgt.
In anderen Fällen zeigen die Schleimhäute eine
grosse Neigung zum Bluten. Das Zahnfleisch ist
schwammig — es ist dies ein frühzeitig, häufig er¬
scheinendes Symptom; schon bei einfachem Finger¬
druck sieht man Blut aus der Basis der Zähne
sich ergiessen. Auch aus dem Darmkanal, der
Blase oder der Vagina kann Blutung stattfinden.
Es kann sich auch Blut in die Augenhöhle ergiessen,
und diese Haemorrhagie kann mitunter so stark
sein, dass der Augapfel hervorgedrängt wird (pro-
ptosis).
Die Haut zeigt oft Zeichen wie von Quetschung,
Suggillationen, von leichtem Druck, ja, wenn man
das Kind nur antastet, so kann es zu subcutaner
Haemorrhagie kommen — Flohstiche nehmen einen
petechialen Charakter an. — Die Muskeln schwinden
und werden sehr schlaff. Die Dentition verzögert
Digitized by t^ooQie
189
sich und gewöhnlich stellen sich auch die Symptome
von Rhachitis ein, wie z. B. reichlicher Schweiss
auf dem Kopfe, bei weit offen bleibenden Fonta¬
nellen. — Es kann geringes Fieber zugegen sein.
1. Fall. Ein 10 Monate altes Mädchen, das ,
einzige Kind gesunder Eltern, wog 10 V 9 Pfund. 1
Sie war bei der Geburt gesund; die Mutter hatte !
aber bald danach Peritonitis, so dass das Kind ent- i
wohnt werden musste.
Dr. Day sah das Kind zuerst am 23. September
1897 und fand es in hohem Grade abgemagert
und schlaff. 14 Tage vorher hatte ein spontaner
Bluterguss in die rechte Augenhöhle stattgefunden,
so dass das Auge blutunterlaufen war. Dasselbe
war früher bereits auf der linken Seite geschehen.
Bei Berührung weinte sie und bekam bald davon
Brauschen. Solcher zwei zeigten sich am Rücken.
Das Zahnfleisch war nicht schwammig, auch trat
keinerlei Blutung aus dem Munde oder einem
anderen Theile auf.
Zur Nahrung wurde Milch und Gerstenwasser
und Saft von rohem Fleische angeordnet.
Calcarea carbonica 6. 1 Gran 3 Mal täglich.
Am 7. October. Es ward noch Leberthran zu
den obigen Verordnungen hinzugefügt.
Am 28. October. Es hat um 1 Pfund 5 Unzen
in 10 Tagen zugenommen.
Am 4. Nov. Fernere Gewichtszunahme um
3 / 4 Pfund — es ist etwas lebhafter.
2. Dec. Chapman’s Weizenmehl und gedörrte
Pflaumen wurden der Diät beigefügt.
10. Jan. Das Gewicht betrug 15 Pfund 10 Unzen
und am 24. Jan. war das Kind völlig wohl.
2. Fall. Ein sehr merkwürdiger Fall. Mädchen, i
11 Monate alt, das zweite Kind in der Familie. —
Das andere Kind befand sich bei bester Gesund¬
heit. — Sie hatte nur einen Monat die Brust be¬
kommen, dann ward sie aufgefüttert mit Kuhmilch
und Melldo’s Nahrung für J / 2 Jahr, die letzten
4 Monate mit Savory’s und Moore’s Nahrung, aus¬
schliesslich mit gekochter Milch und Wasser zu¬
bereitet.
Nach der Gebart wog sie 8 Pfund, aber am
Ende des Monats nur 5 Pfund. Die letzten beiden
Monate hat sie die Gebrauchsfähigkeit ihrer Füsse j
verloren und erträgt keine Berührung — wird sie
bewegt, so jammert sie laut. Reichlicher Schweiss *
am Kopf während des Schlafes.
Am 17. Januar 1898 hängen die Beine wie
gelähmt herab; die Muskeln äusserst schlaff; eine
Schwellung am unteren Ende des linken Ober¬
schenkels, die sehr weich war, ebenso eine Schwellung
an der rechten Schulter. Sie hat erst 1 Zahn.
Calc. c. 6. — 1 Gran 3 stündlich und Bovinin.
Humanisirte (? Ref.) Milch, zu Hause aus frischer
Milch bereitet, anstatt der patentirteü Nährmittel.
Weintrauben werden erlaubt.
7. Febr. Es waren 3 Zähne seit der Kur durch¬
gebrochen. Die Schwellungen waren bedeutend
stärker, und deren Oberfläche zeigt sich mit dicken
Venen marmorirt. Der rechte Arm war kraftlos,
die Schwellung am linken Schenkel sehr schmerz¬
haft. T. 99,4° F.
Es ward wieder Savory’s und Moore’s Nahrung
gegeben.
12. Febr. Die Ernährungsfrage macht viel
Schwierigkeit. Das Kind ist appetitlos, muss mit
einem Löffel gefüttert werden. Schwarze Stückchen
in den Entleerungen (Blut?), die Schwellungen
haben noch mehr zugenommen. Rep. Calc. c. 6.,
dazu noch Chamom. 3. Dec. Pili., 2 stündlich.
17. Febr. Sehr viel besser. Es wurde die
Nahrung gern genommen, die Schwellungen haben
abgenommen. Da ihre Schwäche so gross und alle
Bewegungen ihr solche Schmerzen machten, so ward
sie einfach in Gamgee-Gewebe eingeschlagen. —
Ein Theelöffel Rahm ward jetzt zu jedem Mahl
zugesetzt.
19. Febr. Weit besser; sie setzt Fleisch an.—
Stetig fortschreitende Besserung, nur durch Masern
am 12. März unterbrochen.
Eine Photographie mit Röntgen-Strahlen von
den vergrösserten Gliedmassen zeigt, welch be¬
deutende Veränderungen die Knochen erlitten hatten.
Dr. Motsa.
Indicationen für Staphisagria.
Dieses, oftmals angezeigte, aber selten ge¬
brauchte Mittel passt besonders in krankhaften
Zuständen, die ihren Ursprung dem Aerger, Krän¬
kung durch Beleidigungen, verdanken, oder solchen,
die von Säfteverlust, Masturbation oder geschlecht¬
lichen Ausschweifungen herrühren. Auch hat es
sich bei Beschwerden von Quecksilber-Missbrauch
nützlich erwiesen. Von der Seite des Gemüths
finden wir bei Staphisagria Neigung zu Aerger und
Verdriesslichkeit. Kinder zeigen einen unlustigen,
störrischen Sinn, schreien nach Dingen, die sie,
wenn man sie ihnen giebt, widerwillig zurück-
stossen.
Hypochondrische oder hysterische Beschwerden,
die von unverdienten Zurechtweisungen, oder von
geschlechtlichen Ausschweifungen herrühren. Der
letzteren Ursache entspricht dann eine ausge¬
sprochene Gedächtnisschwäche.
Der Kranke klagt bei Staph. häufig über einen
„Gehirnschmerz“, oft so schlimm, als „ob das Ge¬
hirn in Stücke zerrissen würde“; gewöhnlich kommt
Digitized by ^»ooQle
190
er Morgens beim Aufstehen, wird schlimmer von
Bewegung, besser von Ruhe und Wärme.
Charakteristisch ist bei dem oft zusammen¬
drückenden Kopfweh, dass es nach Gähnen vergeht.
Das Gesicht hat einen krankhaften Ausdruck,
die Augen sind eingefallen. Es besteht ein star¬
kes Verlangen nach Branntwein oder Tabak, also
nach Reizmitteln, um die eingebüsste Nervenkraft
anzuregen und zu steigern. — Dem entspricht auch
der Heisshunger, selbst nachdem man eben gespeist
bat. — Die Nahrung schmeckt bitter oder schal.
Diese gastrischen Störungen sind begleitet von sehr
stinkenden reichlichen Blähungen. Kolik nach
Aerger verlangt oft Staph Mit dem Gefühl, als
sollte ein Flatus abgehen, geht unvermerkt ein
dünner Stuhl ab. — Dies Symptom kann von Hä¬
morrhoiden abhängen, die sich bei Staph.-Kranken
oft gepaart mit Prostata-Anschwellung und von
heftigem Schmerz im Rücken und durchs ganze
Becken begleitet finden. Bei dieser Prostata-
Geschwulst zeigt sich häufiger Harndrang mit ge¬
ringem Abgänge eines dünnstrahligen, röthlichen
Harns; ein Drängen, als ob die Blase nicht ent¬
leert wäre; Abgang dunklen Harns in Tropfen;
Schmerz vom After längs der Harnröhre nach
Gehen oder Fahren.— Mitunter brennende, stechende
oder heissende Schmerzen in den Hoden.
Staph. ist ferner angezeigt bei Schnupfen, der
von häufigem Niesen begleitet ist, und bald ein
mildes, wässeriges Secret, bald einen dicken Schleim
herausfördert.
Die schxcache Stimme von Staph. hängt mehr
ab von Schwäche der Stimmorgane als von einem
Katarrh. — Der Husten ist gewöhnlich ein bron¬
chialer, krampfhafter, hohltönender. Der Auswurf
ist gelblich, schleimig-eitrig.
Sie macht (cf. Bry.) Schmerzen in den Schulter¬
gelenken, nur bei Bewegung oder durch diese
verschlimmert. Ein lähmiges Gefühl in den Armen
und in den Metacarpo-pharyngeal-Gelenken, schlim¬
mer von Bewegung; ferner ein zuckendes Reissen
in den Fingerspitzen. — In trocknen herpetischen
Ausschlägen auf den Gelenken mit juckendem,
nach dem Kratzen brennendem Schmerz passt Staph.:
ebenso in scorbutischen Geschwüren mit vielem
Jucken und Brennen und jauchigem, stinkendem
Eiter. — Trockne, gestielte Condylome, zumal nach
Missbrauch von Mercur, sprechen für Staph. —
Gemäss dem entnervten Charakter der Staphis.-
Kranken finden wir bei ihnen viel Gähnen und
Schläfrigkeit; ein Gähnen und sich Dehnen, bis die
Thränen kommen, andererseits aber auch nervöse,
nächtliche Schlaflosigkeit; der Schlaf tritt spät ein
infolge von Gedankenzudrang, oder auch von
Brennen und Jucken der Geschwüre oder Flechten.
Es passt bei frühzeitiger Senilität, sei es in
I Folge von Schwächungen oder kindlicher, das spä-
tere Leben untergrabender Constitutionsanomalieen;
! dann wiederum bei kleinen Kindern, bei denen die
| unselige Erbschaft von Syphilis oder Psora sich in
I Rhachitis, Scorbut, und anderen Krankheitsformen
I mit hoher Lebensschwäche äussert. — Die Einwir-
j kung des Mittels auf die Hals-, Nacken-, Achsel¬
und selbst Leistendrüsen, in denen es harte An¬
schwellungen verursacht, macht es in Fällen hoch¬
gradiger Scrophulose, zumal bei Verdacht auf
Syphilis, sehr brauchbar. — Sein Parallelismus mit
Mercur ist wohl zu beachten. M.
| Kurspfuscher-Frage.
I ,,Also wird beschlossen, dass gesund¬
machen einen Arzt gebe und die Werk
machen Meister und Doefcor, nicht
I Kaiser, nicht Papst, nicht Facultät,
| nicht Privilegien.“ Paracelsus.
1 Meine
{ Antwort auf die Umfrage der ärztlichen
Commission über Kurpfuscherei.
In der Kunst gilt, wer was kann; in der Heil¬
kunst, wer „ heilen “ kann. — Wer in die göttliche
I Einrichtung der Heilkräfte unseres Organismus roh
i und gewaltthätig eingreift, sei cs durch innere, oder
durch äussere Mittel, der ist ein Kurpfuscher; ob
approbirt oder nicht, ist gleichgültig. Wer sich
weise und fein zurückhält, ist ein Arzt; ob approbirt
oder nicht, ist gleichgültig. — Wir unterscheiden
uns nicht nach der Approbation, sondenn eben nach
der Feinheit und Zurückhaltung gegen die Krank¬
heitsvorgänge; andererseits nach der Grobheit und
Dünkelhaftigkeit unserer 4nmassung. — Es giebt
Aerzte unter den „Laien“ und Kurpfuscher unter
den Approbirten.
* * *
Soeben erscheint zur Kurpfuschereifrage:
Zuckungen eines Homöopathen nach seiner
| Hinrichtung.
Offener Brief an den Henker, Herrn Metterhausen,
aus dem Jenseits seiner Begriffswelt.
Zu beziehen durch alle Buchhandlungen, sowie
auch vom Verfasser
' Emil Schlegel,
prakt. homöopath. Arzt in Tübingen.
Tinctura Jodii in der Diarrhöe der Phthisiker.
i
Dr. Renzi, Professor an der medicinischen Klinik
zu Neapel, hat, wie die „Semaine medicale“ mit-
1 theilt, von dem innerlichen Gebrauch der Jodtinctur,
, neben einer Potio gummosa, bei den Diarrhöen der
/
Digitized by ^»ooQie
101
an Lungentuberkulose Leidenden oft gute Erfolge | lieb oder molkenartig sind. Diese molkenartige
gesehen. Der Kranke nimmt täglich 5 oder 6 Mal j Beschaffenheit weist auf ein Pancreasleiden hin.
einen Löffel voll von der Potio, in die er selbst | Jod hat solche Affinität zum Drüsengewebe, dass
1 Tropfen der Jodtinctur hineingiesst, ausserdem I es zweifellos das Pancreas so gut wie andere Drüsen
wendet er Lavements von 200 Gramm lauwarmen
Wassers mit einem Zusatz von 50 Centigramm
Salicylsäure und einigen Tropfen Opiumtinctur an.
Bei dieser Polypharmacie ist freilich schwer zu
SAgen, ob hier wirklich das in verbältnissmässig
kleinen Dosen gegebene Jod den Heilerfolg er¬
zielt hat. Vom homöopathischen Standpunkte aus
werden wir bei den an Tabes meseraica leidenden
Kindern mit langwierigen erschöpfenden Durchfall¬
stühlen, die von heftigen Leibschmerzen, Drängen
und Pressen nach dem Unterleibe begleitet sind,
an Jod denken. Die Entleerungen können mussig
oder wässerig, schaumig, weissschleimig oder selbst
mit Blut gemischt sein.
Farrington hebt besonders eine Form der Diarrhöe
als für Jod passend hervor: hier ist die Milz ver-
grössert, sehr hart und druckempfindlich. Auch
die Leber muss afficirt sein, weil die Stühle weiss-
afficirt. —
Wer die Hartnäckigkeit der bei Tuberkulosen
vorkommenden Durchfälle aus Erfahrung kennt,
wird sich glücklich schätzen, wenn Jod wirklich
das leisten möchte, was ihm Prof. Dr. Renzi, der
aus irgend welchem theoretischen Grunde auf das¬
selbe gerathen ist, zuzuschreiben geneigt ist.
_ M.
Ehrengerichte der Aerzte in Preussen.
Bei der Abstimmung der preussischen Collegen
über den Regierungsentwurf betreffs der Ehren¬
gerichte haben sich nur 750 für, 7000, also eine
erdrückende Mehrheit, gegen denselben aus¬
gesprochen. — Damit ist das Schicksal dieses Ent¬
wurfs, ja wohl vorläufig das der ganzen Ehren¬
gerichtsfrage entschieden.
Anzeigen.
Homöopathischer dispensirberechtigter Arzt übernimmt
Vertretungen.
Gef. Offerten sub W. 2938 an die Expedition dieses
Blattes erbeten. _
Dr. med. Dierkes , Homöopath. Arzt, aus
Paderborn pmktizirt in jeder Saison in Bad Lipp-
fspringe. Die Herren Collegen werden gebeten, ihren
Patienten die Adresse mitzugeben.
Kurpension des Homöopathen
Dr. von Hartungen
Riva a. Gardasee, Tirol.
Mars’sehes Krebsmittel
gam frisch.
Von Herrn Missionar Mars ist wiederum am 13. Februar
1899 ein grösseres Quantum seines Krebsmittels eingetroffen.
Ich stehe somit wieder gern mit diesem Mittel zu Diensten
und kann es nun erfreulicher Weise auch billiger abgeben,
und zwar 1 Portion: 10,0 mit Gebrauchsanweisung: 1,50 Mk.
(früher 2 Mk).
A. Marggrafs Homöopath. Offlein, Leipzig.
Hvmama.
Seit 1891 klinisch vielfach erprobtes diätetisches
Nähr- und Stärkung8mIttel.
(ZuiammenResHtzt aut condent. Miloh, Gersten* und
Weizenmehl, Zuoker und Kakao.)
Wegen seiner Lelohtverdaulichkeit und hohen
N&hrkraft indicirt bei:
Magen - und Darmleiden , Anaemie,
Chlorose , Nervosität , Hyperem. gravid
Typhus ahdom ., künstlicher Ernährung,
Scrophulose, Reconvalescenz.
In vielen Hospitälern und Irrenanstalten ständig
im Gebrauch.
Preis der Dose M. 1.60 (300 g) u. M. 2.50 (500 glnh.).
Vorräthig in den mellten Apotheken und Drogerien.
Wissensohaftl. Urtheile, Analysen u. Gratismuster durch
Dr. Theinhardt’8 Nährmittel-Gesellschaft
Cannstatt (Wurttbg.).
Cur- und Badeort Augustusbad bei Dresden
(Eisenbahnstation Radeberg, an der Sächsisch-Schlesischen Bahn.)
Wasserheilanstalt, Stahl- und Moorbad, klimatischer Cnrort,
220 m über dem Spiegel der Ostsee, in einem reizenden Thale, geschützt vor rauhen Winden, inmRten alter, herr¬
licher Waidparkanlagen gelegen, auch für Milch- und Molkenkuren eingerichtet, passend bei allgemeinen Schwäche*
zuständen, Blutarmuth, Skrophulose, Bleichsucht, englischer Krankheit, Herzleiden, Rheumatismus, Gicht, Nerven¬
leiden und verschiedenen Frauenkrankheiten etc. Aeusserst günstige Wohnungsverhältnisse, niedrige Preise der
Bäder, billige Pension. Dirigirender Arzt Dr. med. Julius Meyer.
Jede eingehendere Auskunft wird bereitwilligst ertheilt.
iigwtutad bei Radeberg i. 8. ®ie Bade-Direction.
Digitized by c^ooQie
192
Wichtig!
Revisionsmässige Einrichtung
der ärztlichen Hausapotheken betr.
Nachdem in einem Regierungsbezirke in Weslphalen
wiederum neue Anforderungen gestellt worden sind, gebe
ich Folgendes bekannt:
Der Phosphor und seine Präparate dürfen nicht mehr
in den bisherigen Giftschränken untergebracht werden,
sondern in einem besonderen eisernen Schränkchen.
Für Morphium muss auch ein besonderes Schränkchen
mit den Mitteln in 3*eckigen Gefässen und den nöthigen
Utensilien (Waage, Mörser, Löffel, Gewichte etc.) angeschaflt
werden.
Desgleichen für Moschus ein besonderer Kasten mit
den Mitteln in revisionsmässig signirten Gefässen, und den
nöthigen Utensilien (Waage, Mörser etc.).
Ich offerire somit Folgendes:
1. Eiserne Phosphor* Schränkchen, 29 cm
hoch, 34 cm breit, 17 cm tief, mit 2 Abtheilungen,
leer 15.— Mk
In diese kommen die schon vorhandenen Gefässe
und Utensilien.
2. Morphium-Schränkchen von Holz, imitirt
Nusshaum oder Eiche etc., 47 cm hoch, 26 cm breit, 17 cm
tief, aussen Porzellanschild „Morphium.“ leer 20.— Mk.
Enthaltend:
1 dreieckiges Gefäss für Morphium
purum —.60 Mk.
1 „ ,, für Morphium x
Verreibungen I —.60 „
1 „ „ für Morphium-1
Lösung'' —.90 „
1 Mörser mit Pistill und Schrift 3.50 ,,
1 Handwaage mit Schrift 5.50 „
1 Trichter mit Schrift 1.— „
1 Löffel -.90 „
Diverse Gewichte 2.50 „
1 Pincette für Gewichte —.75 „
3. Moschuak&eten aus Blech, 25 cm lang, 13 cm
breit, 12 cm hoch, signirt „Moschus,“ leer 6 — Mk.
Enthaltend:
gelbes Glasstöpselglas: 25, 0 , für
Tinct. moschi - .30 Mk.
„ Glasstöpselglas: 25. 0 , für
Moschus-Verreibung —.35 „
1 Porzellanmörser mit Pistill und
Schrift
1 Handwaage mit Schrift
1 Horulöflfel mit Schrift
1 Trichter mit Schrift
12 Pulverschiflfchen mit Schrift
1 Pincette für Gewichte
Diverse Gewichte
eg
* 5 .
«
Ph
O) fci
• 5-1
:3 i
6 •
1
s^s
3. -
5.50
-.90
1 .-
6 .-
-.75
2.50
A. Marggrafs Homöopath. Officin, Leipzig.
BAD LIPPSPRINGE
Eisenbuhii-Station Paderborn.
Arminias-Quelle, sMckstolfreiebe Kalktherme.
Erfolgreiches I iinflQVinhthicQ be80nder8
Heilmittel gegen LUIIIJUIIpIlUllöUersten Stadium.
Asthma und Katarrhe der Respirations-Organe.
Saison: Hai kls September.
Pensions-llötel; |/i||*hsillC staubfrei inmitten
neu renovirt. I\U1 llaUo. <; e sParks gelegen.
Auskunft durch die Bronnen-Administration.
Im Verlage der Homöopathischen Central-Apotheke von
Täschner & Co., Leipzig, und A. Marggrafs homöopathi¬
scher Officin, Leipzig, sind folgende empfehlenswerte
homöopathische Bücher und Schriften erschienen:
Gross-Hering, Vergleichende Arzneiwirkungslehre. l.Aufi.
1893. geb. M. 20,-.
Brnckner, Homöopath Behandlung der Augen- und Ohren¬
krankheiten. 1. Aufl. 189 L brosch. 2.50, geb. 3.—.
Kleiner homöopath. Hausfreund. 6. Aufl. 1894. brosch.
1.—, geb. 1.50
Homöopath. Volksschriften, Nr. 1—28, in diversen (1.—8.)
Auflagen, ä 10 Pfg.
Hendrichs, Zahnschmerzen. Deutsch. 2. Aufl. 1888. —.30.
Holland., 1. Aufl., — .50.
Allgemeine homöopath Zeitung. 135. Band. [2. Halbjahr
1897.) Halbjährlich 10.50.
Müller, Charakteristik. Deutsch, 3. Aufl. 1890, geb. 1.50.
Spanisch, 2. Aufl. 1891, brosch. 2.—, geb. 2.50.
Homöopath. Allerlei. 1890. brosch. 1.-, in Parthien billiger.
La Curacion y Profilaxia per el Tratamiento Homeopätico
de Las Prinzipates enfermedades Infecciosas. 2. Aufl.
1893. brosch. 1.20.
Diverse kleine Anweisungen zur Heilung einzelner Krank¬
heiten. ä 20 Pf.
Hlrschel. Der homöopathische Arzneischatz in seiner An¬
wendung am Krankenbette. Für Familie und Haus
neu bearbeitet von Dr. med Goullon in Weimar.
16. Auflage, geb. 4 M.
Hübner, Homöopath. Thierarzt. 9. Aufl. 1892. cart. 3.—.
geb. 3.75.
— Krankheiten der Pferde. 9. Aufl. 1894. brosch. 1.20.
geb. 1.60.
Günther, Kleiner homöopath. Thierarzt. 2. Aufl. 1888.
geb. 1.50.
Hausmann, Kleine Schriften. Gesammelt und herausge¬
geben von Dr. C. Bojanus, seu. 1895. cart. 1.50.
Homöopath. Hilfstabellen. Belehrung über die Bereitung
der Potenzen aus den Urtincturen, Starke des zu ver¬
wendenden Alcohols etc. mit einer Anlage über Lutze’s
Chiffre-Schrift. 1.—.
Homöopathische Arzneitaxe, bearbeitet in Uebereinstim-
mung mit allen in Deutschland bisher erschienenen
officiellen und im Gebrauch befindlichen homöopathischen
Arznei taxen. —.30.
Bönnlnghausen’s Therapeutisches Taschenbuch für homöopath.
Aerzte, neu herausgegeben von Dr. med. Fries, brosch.
10.—, geb. 11.-.
Die GrundzDge der modernen wissenschaftlichen Homöopathie,
von Dr. Hans Wapler. brosch. —.50.
Die Unhaitbarkeit der Hochpotenzen, von Dr. Kallenbach,
Rotterdam, brosch. —.80.
Knukel, Dr. med., Die homöopathische Behandlung der
Heiserkeit, brosch. —.50.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius Mässr in Leipsig.
Digitized by L^OOQle
Band 139.
Leipzig, den 6. Juli 1809.
No. 1 u.2.
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITH«.
Heraasgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. MarggraPs homöopath. Offlein) in Leipzig
Thomaskirchhof 12.
Erscheint Htägig zu 2 Bogen. 18 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 M. 60 Pf\ (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs -Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welohe an Rudolf Mosse
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offloln ln Leipzig) zu riohten
sind, werden mit 20 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile nnd deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 6— 8 M. berechnet.
Inhalt. Bekanntmachung, die am 9. und 10. August a. c. in Elberfeld stattfindende Generalversammlung des
Homöopathischen Centralvereine Deutschlands betr. —- Die Arzneibehandlung der Tuberkulose. Von Prof. Dr. Hugo
Schulz. — Podophyllum durch klinische Thatsachen beleuchtet. Von Dr. George Black, M. B., Edinburg. — Blei¬
vergiftung. — Aerztliche Ehrengerichte in Preussen. Ton Dr. Mossa. — Ein Vergiftungsfall mit Hydrastis cana-
densis. Von M. — Vergleichende Diagnose zwischen Belladonna und Stramonium. — Pathogenetische und klinische
Notizen. Von M. — Vom BQchertische. — Glückwunsch. — Personaiia. — Anzeigen.
Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage.
ra. diesjährig. Bekanntmachung.
67. Generalversammlung des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands
wird abgehalten werden
am 9. und IO. August iu Elberfeld
im Hotel Weidenhof. Am Tage vorher, 8. August, Nachmittags 4 Uhr, vorbereitende Sitzung der Materia-
medica Commission in demselben Lokale, in dem die Generalversammlung tagt.
Tagesordnung:
Mittwoch, 9. August, im Hotel Weidenlrof:
Geschäfts-Sitzung, pünktlich Tormittags 8 Uhr:
1. Abstimmung über die zur Aufnahme Angemel
deten.
2. Geschäfts-Bericht:
a) des Vorstandes des Centralvereins,
b) des Kuratoriums des Krankenhauses,
c) des dirigirenden Arztes desselben,
d) des Vorstandes der Poliklinik.
3. Rechnungslegung des Kassenverwalters nnd Er-
theilung der Entlastung auf Grund der von dem
vereideten Revisor vorgenommenen Revision der
Kasse und der Rechnungsablage.
4. Neuwahl bez. Bestätigung des Kassenverwalters.
5. Neuwahl bez. Bestätigung des Institutsarztes.
6. Bericht über die Vereinsbibliothek.
7. Bestimmung des nächstjährigen Versammlungs¬
ortes.
8. Bericht des Propaganda Ausschusses.
9. Bericht und Anträge des Ausschusses für die
deutsche Arzneimittellehre.
Anträge:
Der Berliner Verein homöopathischer Aerzte be¬
antragt,
„dass von jetzt an der Director des homöo¬
pathischen Krankenhauses zu Leipzig verpflich¬
tet sein soll, alljährlich rechtzeitig vor der
Generalversammlung dem Directorium einen ein¬
gehenden wissenschaftlichen Bericht über seine
Thätigkeit einzureichen, sowie demselben auf
Verlangen seine Kranken Journale vorzulegen.“
Donnerstag, 10. Angnst, Tormittags 9 Uhr:
Wissenschaftliche Sitzung im Hotel Weidenhof.
Gemäss dem Beschluss der vorjährigen General¬
versammlung übernimmt Herr Dr. Groos-Barmen
den Vorsitz.
Vortrags-Thema:
1. Herr Ober Medicinalrath Dr. v. Sick über: „Pro¬
fessor Samuel und die Homöopathie —, mit ent¬
sprechender Zurückweisung des von dem Ge¬
nannten gegen unsere Heillehre gerichteten An¬
griffes.“
Digitized by c^ooQie
2
3. Discussion.
4. Aufstellung neuer Themata für die nächste Jahres¬
versammlung.
Fest- Programm:
2. Dr. Gisevius jr. referirt über sein in der vor¬
jährigen Generalversammlung übernommenes
Thema: „Perityphlitis und ihre innerliche und
chirurgische Behandlung.“
Dienstag, 8. August, im Hotel Weidenhof:
Nachmittags 4 Uhr Sitzung der Materia-mediea-
Commlssion.
Ton Abends 8 Uhr an:
Begrfissung im Hotel Weidenhof.
Mittwoch, 9. August, Vormittags 8 Uhr, ebendaselbst:
Geschäftliche Sitzung.
Daran schliesst sich an:
Mittags 127 a Uhr: Frühstück daselbst.
Nachmittags 2*/ 4 Uhr: Abfahrt nach Remscheid
nach Station Schaberg, Hüngeten, Kaiser-
Wilhelm-Brücke. — Kaffee.
Abends Rückfahrt.
Donnerstag, 10. August, Vormittags 9 Uhr:
Wissenschaftliche Sitzung ebendaselbst.
Mittags 1 Uhr: Festessen im Speisesaale.
Gegen 4 Uhr: Abfahrt nach Barmen mit der
elektrischen Strassen bahn; daselbst mit
Zahnradbahn nach dem Töllethurm. Kaffee.
Spaziergang durch Barmer-Anlagen nach
der Stadthalle.
Abends Goncert.
Absteige-Quartiere: Hotel Weidenhof, Hotel
Post, Hotel Europäischer Hof, Hotel Vic¬
toria; alle in der Nähe des Bahnhofes.
Der Vorstand:
Dr. Windelband-Berlin. Dr. Weber-Köln a. Rh.
Dr. Rohowsky-Leipzig.
Die Arzneibehandlung der Tuberkulose.
Von Prof. Dr. Hugo Schulz.
Sonderabdruck aus der „Deutschen Medicinischen
Wochenschrift“ 1899, No. 21.
Wenn man die Behandlung der Tuberkulose
mit Arzneistoffen eingehender studirt, so macht
man dabei eine eigenartige Erfahrung. Arbeitet
man das Thema so durch, dass man, vom Neuesten
ausgehend, allmählich in die hinter uns liegenden
Zeitepochen sich vertieft, oder geht man den um¬
gekehrten Weg: Das Resultat bleibt im Grossen
und Ganzen stets dasselbe.
Dieselben, dem Pflanzenreich oder der unbe¬
lebten Materie entnommenen Arzneimittel, die —
soweit sie bekannt sein konnten — vor fünfzig,
vor hundert und vor Hunderten von Jahren gegen
die Tuberkulose, insbesondere die Lungentuber¬
kulose und ihre Begleiterscheinungen angewandt
wurden, begegnen uns heute wieder. Sie haben
zum Theil das Geschick gehabt, noch einmal wieder
entdeckt zu werden, nachdem sie längere oder
kürzere Zeit der Vergessenheit anheimgefallen waren.
Andere, die einst hochstanden, sind heute in die
zweite Rangklasse, die sogenannten Volksmittel ver¬
setzt worden. Vielen ist auch ein neuer Name
bescheert, um sie auf diese Weise in den Augen
der Patienten und wohl auch hier und da der
Aerzte wieder zu heben und zu empfehlen. Man
kann geradezu sagen: Mit Ausnahme einiger, erst
durch die moderne Entwickelung der Chemie über¬
haupt existenzfähig gewordener Präparate und ab¬
gesehen von einigen Droguen, die, aus fernen Län¬
dern stammend, früher nicht bekannt sein konnten,
begegnen wir in der alten und neuen Literatur
immer wieder denselben Mitteln zu demselben Zweck.
Es ist eine alte Erfahrung, dass es mit der aus¬
sichtsvollen Behandlung von Krankheiten, gegen
welche eine besonders grosse Anzahl von Behand¬
lungsmethoden, seien sie geartet wie sie wollen,
empfohlen wird, übel aussieht. Und es giebt wohl
specioll auf dem Gebiete der Arzneimittelbehand¬
lung keine Eirankheitsform, die einen solchen Reich¬
thum an Mitteln im Laufe der Zeit hat entstehen
lassen, wie die Lungentuberkulose. Wir haben in
dieser anerkannten Thatsache den Ausdruck zweier,
in ihren letzten Beweggründen recht weit ausein¬
ander gehender Bestrebungen. Man kann geradezu
die gegen die Lungentuberkulose empfohlenen Mittel
in zwei grosse Gruppen theilen. Die eine ist her-
vorgegangen aus dem zielbewussten Kampfe mit der
Krankheit selbst. Aerzte und Laien aller Zeiten
haben versucht, gegen die grausame Zerstörerin
von Gesundheit und Leben, die Vernichterin ganzer
Geschlechter, Mittel zu finden, die eine sichere
Waffe, eine verlässliche Wehr und Hilfe gewähren
sollten.
Dieses Mühen ist, wie die Erfahrung lehrt, nicht
ganz vergeblich gewesen. Es steht fest, das9 in
kundiger Hand, die von einem denkenden Gehirn
geleitet wird, bestimmte Arzneistoffe sogar bei der
Lungentuberkulose Erhebliches leisten können, vor-
, ausgesetzt, dass die Ansprüche, die an ihre Leistungs-
, fähigkeit gestellt werden, nicht über das Maass des
Digitized by
Google
3
Erreichbaren und Möglichen hinausgehen. Alle die
vielen Mittel, die zu dieser Gruppe gehören, haben
ihre Existenzberechtigung, mögen sie lege artis ver¬
ordnet sein oder als Volksmittel in Anwendung
kommen, mögen sie dieser oder jener Schule und
gerade herrschenden Doctrin entsprungen sein. Der
Erfolg drückt ihnen seinen Stempel auf, der, wenn
er auch vom Staub der Zeiten einmal verdeckt
wird, doch immer wieder hervortritt, wenn eine
kundige Hand nach ihm sucht und forscht. Arbeit,
oft jahrelange Arbeit und vorurtheilslose Beobach¬
tung an zahlreichen Krankenbetten ist nothwendig,
um solchen, der Vergessenheit und Nichtbeachtung
anheimgefallenen Mitteln ihre Stellung wieder zu
erwerben und zu sichern. Und genau dasselbe gilt
für bisher unbekannte Stoffe, von denen man sich
Hilfe gegen die Krankheit verspricht. Der Lohn
solcher Arbeit liegt dann im Erfolge, dem Erfolge
am Krankenbette, der schliesslich den einzig wahren
Lohn für alle Mühe bildet.
Wesentlich, man kann eigentlich direct sagen:
ganz und rein materiell ist die Grundlage, auf der
die zweite Gruppe von Mitteln gegen die Tuber¬
kulose und ihre Krankheitsbilder beruht. Sie wird
am letzten Ende lediglich und allein gebildet durch
die auri sacra fames. Der Unfug, um kein härteres
Wort zu gebrauchen, irgend welche Mittel anzu¬
preisen, über deren Wirkung und Art überhaupt
nichts bekannt ist, nicht einmal aus der dürftigsten
Empirie heraus, Mittel, deren Zusammensetzung
den Stempel des Schwindels an der Stirne trägt,
hat gerade zu Ende unseres Jahrhunderts gewaltig
um sich gegriffen. Die Angst der Patienten und
ihrer Angehörigen vor dem Weiterschreiten der
tückischen Krankheit, vor dem sicher vorauszusehen¬
den, traurigen Ende wird in ebenso raffinirter wie
schamloser Weise mit allen Hilfsmitteln moderner
Reclame ausgenutzt. Es sind auch nicht nur Ein¬
zelne, die es verstehen, das Leid und die Noth
Anderer für ihren Geldbeutel ergiebig zu machen.
Die Industrie selbst muss zum gleichen Zwecke her¬
halten. Unter den oft wunderbarsten Namen bringen
die chemischen Fabriken alle möglichen Präparate
auf den Markt. Auf den Namen kommt viel an.
Man kann von alle den Herrlichkeiten mit einer
Variante dasselbe sagen, was Mephisto dem Schüler
klar macht: „Ein Name muss die Menge glauben
machen, dass ihre Kraft viel Kräfte übersteigt!“
Was liegt dem Handel daran, ob ein Präparat hilft?
Gehen muss es, ein Geschäft muss damit zu machen
sein, dann lässt sich darüber reden. Und der sug¬
gestiven Wirkung der zum grösseren Vorth eile des
Geschäftes in Scene gesetzten Reclame und ihrer
pseudowissenschaftlichen, fadenscheinigen Decora-
tion unterliegen die Patienten und gegebenen Falles
auch einmal der Arzt selbst. Genug von diesem
trüben Capitel! Was bei einem solchen Treiben
herauskommt, herauskommen muss, liegt auf der
Hand. Wer Augen hat zu sehen, sieht es alle
Tage. Wann wird die Medicin sich wieder frei¬
machen von dieser Fessel, die sich um sie gelegt
hat unter dem verführerischen Vorgeben, der Humani¬
tät, der ärztlichen Wissenschaft, den Kranken dienen
zu wollen?
Ich will im Folgenden den Versuch machen,
eine übersichtliche Darstellung der Arzneistoffe zu
bieten, die zur Behandlung der Tuberkulose, vor¬
nehmlich der der Athmungsorgane, und ihrer Be¬
gleiterscheinungen in Betracht gekommen sind. Auf
Vollständigkeit kann selbstverständlich eine solche
Uebersicht keinen Anspruch machen. Das Arma-
mentarium ist zu gross, um jedem einzelnen seiner
Bestandteile in gleicher Weise gerecht werden zu
können. Das mag zur Entschuldigung dienen, wenn
der eine oder der andere meiner Leser hier und
da etwas vermissen sollte. Diejenigen Mittel, von
denen man sich eine mehr allgemeine Wirkung auf
den gesammten Organismus neben der Beeinflussung
des eigentlichen Krankheitsheerdes verspricht, sollen
den Anfang machen. An sie werden sich die Prä¬
parate anschliessen, die in erster Linie einer spe -
| ciellen Indication gerecht werden sollen.
Es ist wohl kaum zu bezweifeln, dass der An¬
fang einer medicamentellen Behandlung der Lungen¬
tuberkulose in der Weise gemacht worden ist, dass
man die Kräfte gewisser Kräuter wirken Hess, von
denen man sich Gutes versah. Die Ausnutzung
pflanzlicher Producte zu Heilzwecken ist sicher viel
älter, wie die Anwendung von Chemikalien, selbst
in deren rohester Form. So spielen denn auch
heute noch bestimmte Kräuter in der Volksmedicin
und Kräuterkuren in der ärztlichen Kunst ihre Rolle
ebenso, wie in weit fern liegender, alter Zeit. Ueber
das Wie?, ja sogar über das Ob? ihrer Wirkungs¬
fähigkeit wissen wir eigentlich heute noch nicht
mehr, wie man damals wusste. Aus einzelnen der
Kräuter sind Substanzen isolirt worden, mit denen
man Untersuchungen für sich anstellen kann, auch
angestellt hat, ohne damit erheblich weiter zu
kommen. Wir wollen uns denn auch hier nicht
lange mit theoretischen Erwägungen abgeben, son¬
dern ohne Weiteres eine kleine Liste aufstellen
von denjenigen Pflanzen und Pflanzentheilen, die
in der Regel in Gestalt eines Thees längere Zeit
hindurch gebraucht wurden und noch werden. Da
haben wir zunächst einige Droguen aus der Klasse
der Farrenkräuter. Die Hirschzunge, Scolopen-
drium, das Milzkraut, Ceterach officinarum, die
Wurzelstöcke des gemeinen Engelsüss, Polypodium
vulgare, und die Mauerraute, Asplenium ruta muraria,
alle sind heute nicht mehr offlcinell, aber das Volk
glaubt noch an sie und braucht sie gegen den
1 *
Digitized by ^»ooQle
4
Husten, der nicht weichen will, und die böse, fliegende
Hitze in den Abendstunden. Gin recht altes Mittel
ist die Agrimonia, der Odermennig, das Eupatorion
der Alten, eine allerorts wildwachsende Pflanze, der
wir in der alten Literatur häufig als besonders heil¬
sam gegen hartnäckige Brustbeschwerden begegnen.
Dann weiter in bunter Reihenfolge: das Schöll¬
kraut, Chelidonium majus, der weisse Andorn, Mar-
rubium vulgare, das Prasion des Dioskorides, im
Volke einfach Lungenkraut genannt. Ein anderes
Lungenkraut, einst wie die ebengenannten hoch¬
gerühmt, ist die blau blühende Pulmonaria offi-
cinalis. Sie ist vergeben, ebenso wie die Lungen¬
flechte, die Sticta pulmonaria, deren Plinins schon
Erwähnung tliut.*) Vom Ehrenpreis der Veronica
officinalis, heisst es in Hecker’s „Kunst, die Krank¬
heiten des Menschen zu heilen M , dass sie gerühmt
werde, „in Brustaffectionen, mit welchen Anhäufung
des Schleimes verbunden sei, also bei anfangender
schleimiger Lungensucht, ja selbst bei der eitern¬
den.“ Ferner haben wir noch zu nennen: die
Folia Hederae terrestris, die Blätter des bekannten
Gundermann, einer unserer ersten Frühlingsblumen,
heute botanisch ßlechoma hederacea genannt. Dann
das Immergrün, Vinca minor, den Waldmeister,
Asperula odorata, den Gamander, Teucrium Marum,
und das Teucrium Scordium, den Lachenknoblauch.
Die Wurzel der Wegwarte, Cichorium Intybus,
Kraut und Wurzel des rotlien Wiesenknopfes, Po-
terium Sanguisorba, das Bruchkraut, Herniaria, die
wilde Skabiose, der Ysop, die Blüthen des gemeinen
Rohres, Arundo Phragmites, der Sonnenthau, Dro¬
sera, Abkochungen der grünen Ranken der gewöhn¬
lichen Brombeerstaude, die Wurzeln des Bocks¬
bartes, Tragopogon, in Milch gesotten, alle wurden
herapgezogen zur Hilfe im Kampfe mit der Krank¬
heit. Die hier aufgeführte Reihe Hesse sich noch
beträchtlich erweitern. Aber es sind der Mittel
noch viele zu nennen, und so müssen wir uns be¬
schränken. Nur einer Pflanze sei gedacht, weil sie
einmal eine ähnliche Rolle gespielt hat wie heute
der unter dem wohlklingenden Namen: Homeriana
in den Handel gebrachte Vogelknöterich. Ich meine
die bekannte, auf unseren Kornfeldern häufige La-
biate, den Hohlzahn, die Galeopsis ochroleuca. Witt¬
stein berichtet unter anderem von ihr: Die erste
Nachricht, welche aus neuerer Zeit von ihr vor¬
handen ist, gab 1792 der Stiftsvikar Martenstock
in seiner Flora von Bonn, wo er berichtet, dass
die Pflanze in Köln einen sehr grossen Ruf habe
•) Die Homöopathie hat auch diesem Mittel, wie
so manchem andern, von der herrschenden Schule
vergessenen, seinen wenn auch bescheidenen, so doch
bestimmten Wirkungskreis, auf Grund physiologischer
Prüfung, angewiesen. D. li.
und bei beginnender Schwindsucht stark gebraucht,
anfänglich theuer bezahlt und meistens von Blanken¬
heim bezogen worden sei. Nach dem Berichte des
Dr. Lejeune in Verviers ist die Galeopsis ochro¬
leuca in den Ardennen als Ganot bekannt und ein
Bestandtheil des sehr weit verbreiteten Brusttrankes
der Demoiselle Libert in Malmedy. In den oberen
Rheingegenden wurde die Pflanze ungefähr seit
1807 unter dem Namen Lieber’sche Auszehrungs¬
kräuter verbreitet. Sie heissen nach dem Regie¬
rungsrath Lieber zu Kamberg im Nassauischen,
der mit seinem Geheimmittel einen einträglichen
Handel trieb, das Päckchen zu 24 Loth für 3 Gul¬
den verkaufte und soviel absetzte, dass er die
Pflanze in Quantitäten von 40 Centnern bezogen
haben soll. Ein Apotheker Wolf, der erfahren
hatte, dass Lieber seine Kräuter in der Eifel bei
Blankenheim sammeln Hess, reiste dorthin und stellte
den Schwindel fest. Die preussische Regierung er-
liess schliesslich 1824 eine Anzeige, worin gesagt
wurde, was es mit den Lieber’schen Kräutern für
eine Bewandtniss habe und dass man in den Apo¬
theken das Pfund zu acht Groschen haben könne. —
Da haben wir einen niedlichen Beitrag zur Ge¬
schichte des Geheimmittelschwindels.
Der ausgeprägt bittere Geschmack, der manchen
Pflanzen eigen ist, hat ebenfalls schon früh dahin
geführt, sie auch gegen die Lungentuberkulose zu
versuchen. Der Enzian, der gemeine Löwenzahn,
das Tausendgüldenkraut, die Kardobenedicte, das
bittere Kreuzkraut (Polygala amara, eine Verwandte
der Senega) sind kurgemäss benutzt worden. Be¬
sonders anzuführen ist noch das isländische Moos
mit seinem Gehalt an rein bitter schmeckender Ce-
trarsäure, die in neuerer Zeit wieder empfohlen
wurde, weil sie unter anderem auch das Fieber
beschränken und in der Behandlung der Lungen¬
tuberkulose eine Rivalin der früher vielfach ge¬
gebenen Chinarinde darstellen sollte. Wir werden
auf die Behandlung des Fiebers bei der Tuber¬
kulose noch zurückzukommen haben. Endlich wären
dann noch zu nennen die Kräutersaftkuren. Heute
kommt eigentlich nur noch die Traubenkur in Be¬
tracht, früher wurde der Saft der Rüben, der Gurken,
der Schlehen, der Brennnessel, der Erdbeeren kur¬
gemäss gegeben; ebenso der im Frühjahr gewonnene
Birkensaft und der an Oxalsäure reiche Saft des
zierlichen Schmuckes unserer Laubwälder, des
Sauerklees.
Alle die vielen, bisher genannten Mittel sollten
wohl eigentlich neben der Beseitigung der unmittel¬
baren Beschwerden, des Hustens, der starkep Schleim-
production, der Schmerzen, „allgemein umstimmend“
wirken. Mit anderen Worten: Man erwartete von
ihnen einen gewissen Einfluss auf das Verhalten
und Befinden des gesammten Organismus, seine
Digitized by ^»ooQie
5
allgemeine Ernährung, Se- und Excretionen und so
fort. Von einem ähnlichen Standpunkte aus sind
zu bcurtheilen die Heilmethoden, bei denen Fette
und die Milch verschiedener Thiere eine Rolle
spielten. Ziegenmilch, besonders aber die Esels¬
milch sind auf diesem Gebiete zur Berühmtheit ge¬
langt, dann die Stutenmilch und ihr Gähruugs-
product, der Kumys. Selbst Milchzucker für sich
ist gegeben worden. Und unter den Fetten war
in den fünfziger Jahren das Ochsenklauenfett sehr
beliebt, nachdem Olivenöl und Wallrath schon früher
herangezogen worden waren. Das Fett des Hundes
und des Dachses ist in den Augen des gemeinen
Mannes heute immer noch nicht zu verachten. Eine
besondere Rolle spielt der Leberthran. Wir wissen,
dass neben seinem wesentlichen Bestandtheil, dem
Fett, Jod in ihm vorhanden ist, bis zu fast einem
halben Gramm im Liter. Kommt für den einzelnen
Löffel voll Leberthran dabei auch nicht viel Jod
heraus, so summirt es sich doch mit der Zeit, und
es kann dann seinen bekannten, günstigen Einfluss
geltend machen auf die erkrankten Gewebe und
den ganzen Stoffwechsel. Die schliesslich auf den¬
selben wirkenden Bestandtheil, das Jod, heraus¬
kommende Anwendung der Spongia usta und des
Fucus vesiculosus, unseres gemeinen Blasentangs,
ist heute verlassen.
Wir wären damit zu den Stoffen gelangt, die,
bei der Tuberkulose als Arzneimittel gebraucht,
uns in Bezug auf die Art ihres Wirkens etwas
besser bekannt sind. Um auf das eben schon er¬
wähnte Jod noch einmal zurückzukommen, so hat
man dasselbe theils in Dampfform, mit oder ohne
Zusatz von Tinctura Conii inhaliren lassen, hat das
Kaliumsalz und organische Jodverbindungen an¬
gewandt. Die Stimmen über den Werth der Jod¬
therapie gehen, abgesehen von der Anwendung,
die die Chirurgie bei Gelenktuberkulose von den
Jodverbindungen macht, weit auseinander. Man
sah eben eine Zeit lang im Jod ein Specificum
und machte den Fehler, die Krankheit generell,
anstatt den Kranken speciell zu behandeln. Eines
schickt sich nicht für Alle, und wenn die Krank¬
heitsveranlagung nicht derartig ist, dass das Jod
wirksame Reactionen auslösen kann, so muss der
Erfolg seiner Anwendung negativ bleiben. Aus
sich selbst heraus muss der Organismus, muss das
kranke Organ den Heilungsprocess in Scene setzen,
unsere Arzneien können immer nur unterstützend
wirken durch die Anregung, die sie geben. Ganz
ähnlich wie beim Jod liegt die Sache beim Arsen,
diesem uralten Mittel gegen die Auszehrung. Queck¬
silberpräparate, Gold in seiner Verbindung mit Chlor
oder mit Cyan sind gegeben und verlassen worden.
Die ersteren, besonders Sublimat, gab van Swieten
bei syphilitischer Complication, die Goldpräparate
l wurden einst von Wen dt und Pourche in die
i Therapie eingeführt. Eisen ist immer nur im An¬
fangsstadium der Lungentuberkulose am Platze ge¬
wesen, aus naheliegenden Gründen. Es wurde mit
| Jod oder auch Kali carbonicum vereint gegeben.
, Schwefel ist ein Mittel von eingreifender Kraft,
| sein Einfluss, besonders auf das venöse System,
macht ihu aber unter Umständen zu einem zwei-
| schneidigen Schwert. Auch die Anwendung des
I Schwefelwasserstoffes zu Inhalationen, besonders in
j den Thermen der Pyrenäen in Gebrauch und vor
einigen Jahren von einem französischen Arzte so¬
gar vom ab oralen Ende des Körpers aus angewandt,
hat nicht gehalten, was man hoffte. Verbindungen
des Schwefels mit Kalk, dann die modernen orga-
| nischen Schwefelpräparate, das Ichthyol und wie sie
alle heissen, haben immer nur eilten begrenzten
! Werth. Vom Phosphor und besonders der Phos¬
phorsäure haben die Alten viel gehalten. Heute
ist die unterphosphorige Säure Gegenstand der Re-
I clame geworden. Sie entstammt der Empfehlung
C hure hi 11*8, der 1865 mit seiner Theorie von der
: Phospholigie herauskam, der Annahme, der Mangel
1 an oxydablem Phosphor im Bluteiweiss sei der
Grund der Tuberkel-Diathese. Die Neuzeit hat
organische Phosphor Verbindungen hervorgebracht,
Phosphat, Phosphergot und Phospho-Guajakol. Und
in der allemeuesten Behandlungsweise mit Nukleinen
spielt sicher deren Phosphorgehalt seine Rolle mit.
Von Belang ist dann weiter die Anwendung des
Kalkes. Wissen wir auch nicht viel von ihm und
ist sicher die alte Ansicht, dass er unmittelbar zur
Verkalkung der Tuberkelknoten führe, nicht richtig,
so ist doch seine Leistungsfähigkeit nicht zu be¬
streiten. Balneologische Erfahrungen sprechen da¬
für. Interessant ist eine Mittheilung Osianders,
dass eine lang bestandene Hämoptyse durch fort¬
gesetzten Gebrauch von Gummi arabicum geheilt
wurde. Wir wissen, dass die Asche desselben
wesentlich aus organischen Kalkverbindungen be¬
steht.
Die Kalisalze, namentlich das kohlensaure, haben
ebenfalls ihre Bedeutung für die Behandlung der
Lungentuberkulose. In der Griffith’schen Mixtur
ist es mit Eisen und Myrrhe zusammen enthalten.
Bei den zumeist baineologisch gebrauchten Natron-
salzeu kommt neben deren allgemeiner Wirkung
besonders ihr typischer Einfluss auf die Lebens-
bedingungen der Bronchialschleimhaut in Betracht,
ebenso wie beim Chlorammonium.
Schon verhältnissmässig früh hat man versucht,
| durch Einathmenlassen gewisser Gase die Lungen¬
tuberkulose zu bekämpfen. Das Prototyp ist das
| alte Verfahren, wo man die Luft der Kuhställe in-
; haliren liess. Sauerstoff, Stickstoff, Wasserstoff sind
I schon in deu dreissiger Jahren angewaudt worden.
Digitized by ^»ooQle
6
Interessant ist in dieser Hinsicht die Erfahrung, die
man in Lippspringe mit dem kombinirten Gebrauche
des kalkhaltigen Wassers und dem Einathmen der
an Stickstoff reichen Gase seiner Quelle gemacht
hat. Von specieller Bedeutung ist noch die In¬
halation von Ozon. Es gab einmal eine Zeit, wo
man daran dachte, die Tuberkelbazillen selbst fassen
und die Eiterheerde in der Lunge selbst direct des-
inficiren zu können. Heute wissen wir, dass das
unmöglich ist, dass es immer und immer nur dar¬
auf ankommt, den Nährboden zu ändern, zu bessern.
Eigene Erfahrungen an Patienten, die wochenlang
in meinem Institute Ozon einathmeten, haben mich
belehrt, dass das Ozon nicht das leistet, was von
ihm vorausgesetzt wurde. (Schluss folgt.)
Podophyllum
durch klinische Thatsachen beleuchtet.
Von Dr. George Black, M. B., Edinburg.
i. Fall . Congestive Eierstocksneuralgie.
Am 20. September 1895 stellte sich eine 26j.
Frau, mit frischer Gesichtsfarbe, mittlerer Grösse
und Stärke, blonden Haaren und grauen Augen,
vor. Sie klagte über einen Schmerz in der linken
Bauchseite, als dessen Stelle sie die linke Eier¬
stocksgegend bezeichnet; auch hatte sie Schmerz
im Rücken, in der Lendengegend. Der Seiten¬
schmerz hatte in geringem Grade schon seit Jahren
bestanden, war aber in letzter Zeit schlimmer ge¬
worden.
„Wenn ich athme,“ sagte sie, „so scheint es
nach oben zu ziehen, und dann schmerzt es. Zur
Zeit der Periode fühle ich es nicht, auch nicht bald
darnach. Es ist eine Art stechenden Schmerzes;
etwas ist er immer da, aber wenn ich den Athem
aufziehe, sticht es mehr.“ Bisweilen kommt es ihr
vor, dass die Stelle etwas geschwollen sei, das geht
aber wieder vorüber und macht keine Veränderung
im Schmerze. Das Uriniren ist schmerzlos; kein
Harndrang. Dabei Verstopfung; zwei bis drei Tage
keine Oeffnung. Im After hat sie auch zeitweise
Schmerz, gewöhnlich dann, wenn der Seitenschmerz
schlimmer ist. Ihre Menstruation trat im 17. Lebens¬
jahre ein, war immer regelmässig, abgesehen vom
vorletzten Monat, wo sie ausblieb. Damals war sie
in Cornwall. Als sie nach ihrer Heimath zurück¬
kehrte, kam die Periode wieder.
Podophyllum 1. trit. in der Form von Kügel¬
chen, 4 Stück in einem Glase Wasser; 3 Mal täg¬
lich einen Löffel voll.
7. October. Sie fühlt sich viel besser; der Schmerz
hat länger als eine Woche ausgesetzt; der Stuhl
war ebenfalls besser, jeden anderen Tag regel¬
mässig erschienen. Der Schmerz im Rücken hat
ganz aufgehört.
Das Befinden der Frau hielt sich etwa 3 Jahre
lang gut; dann kam ein leichtes Recidiv des Eier¬
stocksschmerzes, das wieder dem Podophyllum
wich. —
In der Cyclopaedia of Drug Pathogenesy wird
der Fall angeführt, wo ein 20j. Mädchen, nach¬
dem sie 2 Gran Podophyllum genommen, am sechsten
Tage „Schmerz im rechten Ovarium und Uterus“
bekommen hat. Von anderer Seite ist ein „dumpfer,
weher Schmerz in der linken Eierstocksgegend“
verzeichnet. — Der hier beobachtete günstige Ein¬
fluss auf die Verstopfung der Patientin kann nicht
als eine homöopathische Wirkung des Mittels an¬
gesehen werden, sondern die Dosis, welche den
Eierstocksschmerz beseitigte, wird wohl einen leichten
physiologischen Einfluss auf den Darm gehabt haben.
(Wäre hier Bryonia nicht in erster Linie angezeigt
gewesen? Ref.)
2. Fall . Congestive Eierstocksneuralgie mit Pro¬
lapsus und Retroversio Uteri.
Frau W., 35 Jahr alt, gross, mit hellbraunem
Haar und grauen Augen, von mittlerer Stärke, kam
am 15. October 1893 in Behandlung. Sie gab an,
dass sie einen Tag nach einem, vor 10 Wochen
gehabten Abortus Schmerz in der linken Eierstocks¬
gegend bekommen habe; dieser sei gewöhnlich
nagend, zeitweise durchschiessend. Wenn sie von
der gebeugten in die aufrechte Stellung sich er¬
heben wollte, war er sehr scharf; in der linken
Eierstocksgegend begann er und schoss nach den
Geschlechtstheilen herab. Bei der Untersuchung
ergab sich eine Senkung und Rückwärtsbeugung
der Gebärmutter; der Fundus im Douglas*sehen
Raume liegend; während das Orificium gegen die
Symphysis pabis gerichtet war.
Podophyllum 1. tritur., 6 Pillulae in einem Glase
Wasser, 3 Mal täglich 1 Löffel voll.
26’. Octobei'. Zwei Tage nach dem Einnehmen
verspürte sie eine Besserung, und am Ende der
Woche war der Schmerz gänzlich vergangen. Heute
ist der Uterus in weit besserer Lage. —
Beim ersten Besuch zeigte sich der Unterleib
stark ausgedehnt, so dass Pat. fürchtete, es möchte
etwas von dem Abortus zurückgeblieben oder etwas
in der Bildung begriffen sein. Es war aber*, wie
die Percussion ergab, eine einfache Tympanitis.
2 November . Der Schmerz in der linken
Ovarialgegend ist vergangen, auch ist die Schwel¬
lung weit geringer geworden, aber der Eierstock
ist noch druckempfindlich; dasselbe zeigt sich über¬
dies auch am rechtsseitigen. Sie klagt ferner über
einen lebhaften Schmerz in der Regio hypogastrica.
Er thut so weh, dass sie nicht weiss was sie thun
soll, und dann schiesst er wieder abwärts. Bis-
Digitized by ^»ooQle
7
weilen fühlt sie das Herabdrängen in solchem
Maasse, dass sie sich niedersetzen muss; zu an¬
deren Zeiten fühlt sie dagegen nichts davon. Mor¬
gens, wenn sie aufsteht, ist ihr besser; schlimmer
aber zur Nachtzeit. Es sticht und prickelt zeit¬
weise in den Geburtswegen. Prolapsus ist noch
etwas vorhanden; aber die Retroversio entschieden
besser.
a In seinem Manual of Pharmacodynamice, 4. Auf¬
lage p. 764, sagt Dr. Hughes: „Es liegt ein gutes
Beweismaterial dafür vor, dass Podophyllum einen
günstigen Einfluss auf den Vorfall der Gebärmutter
wie auch des Afters ausübt.“ — Der obige Fall
giebt auch einigermassen eine Bestätigung.
3. Fall . Diarrhöea.
Ein S 1 /^’. Knabe, klein, schlecht ernährt, mit
hellbraunem Haar. Er lag (es war am 10. Aug.
1893) schlafend auf dem Rücken. Beim Aufrichten
röthete sich das vorher blasse Gesicht plötzlich.
Er litt seit 14 Tagen an Durchfall; die Entleerun¬
gen waren gelblich, schleimig; die letzte stark gelb
und weniger schleimig. Gestern und heute war
nur ein, aber sehr dünnflüssiger Stuhl erfolgt. Vor¬
gestern hatte er Alles erbrochen und gestern früh
war ihm wieder übel, seitdem aber nicht mehr.
Das Kind sieht matt und schwach aus, kann kaum
den Kopf aufrechthalten.
Podophyllum 3., 4 stündlich 1 Globulus.
Am 11. August. Die Diarrhöe hat aufgehört.
4 . Fall. Diarrhoea.
Ein etwa 5j. Mädchen, die Schwester jenes
Knaben, braunhaarig, gut genährt, frischfarbigen
Gesichts, mit grossen grauen Augen, langen Wim¬
pern. Seit drei Wochen hatte sie Durchfall; dann
ging es eine Weile besser, nun ist er aber wieder¬
gekehrt. Vergangene Nacht war sie 4 Mal, heute
bis gegen Mittag 2 Mal zu Stuhl gewesen. Die
letzte Entleerung war mehr gelb und grün und
schleimig als die frühere. Es ging jedes Mal nicht
viel ab; kein Drang; kein Blut; aber Schmerz vor
der OefFnung. P. 136.
Podophyllum 3., 2 stündlich 1 Globulus.
Den folgenden Tag war kein Stuhl einge¬
treten.
5 . Fall . Diarrhoea.
Eine 79j. Frau war gestern noch ganz wohl
und in der Kirche gewesen. Heute, am 31. Juli
1893, war ihr beim Erwachen übel, und es trat,
ehe sie aus dem Bette aufgestanden, Diarrhöe ein.
Das Erbrochene war gelb, wie Galle aussehend.
Anfangs waren die Entleerungen sehr dunkel, jetzt
gelb von Farbe, und gingen unfreiwillig ab. Ihre
Hände waren eiskalt, ebenso war die Stirn kalt. Sie
liegt mit den Kleidern schlafend im Bett. Den Tag
über hat sie nichts gegessen noch getrunken; sie
hat Durst, wie sie sagt, weist aber Getränke zurück.
P. 112. Jetzt ist die Haut warm beim Anfühlen,
die Zunge trocken, mit einem dünnen grauen Belag.
Bei Nacht hatte sie etwas Kuchen, mit etwas Braten¬
fett und Korinthen gemacht, genommen, unmittel¬
bar darnach aber erbrochen.
Podophyllum 3., 2 Globuli sofort, und nach
jedem Durchfall. Nach der ersten Dosis war der
Durchfall sistirt. Zwei oder drei Tage später war
die Darmthätigkeit normal.
6. Fall. Diarrhoea.
Ein 24j. Dienstmädchen, dunkelhaarig, wohl¬
genährt, hatte seit mehreren Tagen an Diarrhöe
gelitten. Die Entleerungen kamen dann, wenn sie
etwas gegessen oder getrunken hatte, und waren
wässeriger Art.
Podophyllum 3., 2 Glob. sofort, und ebenso nach
jedem Durchfall.
Nach der ersten Dosis des Mittels war kein
Stuhl mehr erfolgt.
7. Fall . Diarrhoea. — Erbrechen. — Mastdarm¬
vorfall.
Ein 68j. Mann war unter Erbrechen uud Diar¬
rhöe schwer erkrankt. Er sass sehr blass am
Feuer, elend aussehend, klagte über heftigen Durst,
Schmerz im Leibe.
Am 20. Juli. Der Durchfall hielt Tag und
Nacht an. Es war starkes Leibkneifen vorhanden.
Er hatte eine dicke und weisse, klare Masse und
ebenso gefärbtes Wasser entleert. Es quälte ihn
ein starker Brechreiz. Die Stühle liefen von ihm
wie Wasser. Nach Angabe der Tochter waren sie
von milchähnlicher Farbe und sehr stinkend.
Veratrum album 30. wurde nach jedem dünn¬
flüssigen Stuhl gegeben. — Nach der ersten Gabe
hatte das Erbrechen stillgestanden und war auch
kein Stuhl seitdem erfolgt.
21. Juli . Während der vergangenen Nacht
Nausea und mehrmaliges Erbrechen mit gleich¬
zeitiger Diarrhöe. — Bei Tage war aber beides
ausgeblieben. Wenn er etwas trinkt, so fangen
alle seine Eingeweide, wie er sagt, zu rumpeln an.
Er klagt über Schwäche.
23. Juli. Pat. klagt sehr über einen schreck¬
lich brennenden, beissenden Schmerz am Gesäss.
Bei der Untersuchung fand sich ein Vorfall des
Rectums. Er erhielt Podophyllum 3., 2 stündlich
2 Globuli.
25. Juli. Der heftig brennende Schmerz war
nach */ t Stunde vergangen. Der Leibschmerz und
Stuhlgang hat seit der ersten Gabe des Mittels
sistirt.
Verf. hat es nicht notirt, aber noch in der Er¬
innerung, dass in diesem Fall die Diarrhöe, welche
Anfangs (nach Veratrum) nachgelassen, zeitweise
wieder erschienen war, bis Podophyllum gegeben
wurde.
Digitized by
Google
8
„Heftiger Schmerz in den Gedärmen, Erbrechen,
zuerst des Mageninhalts, dann von Galle, Durch¬
fall mit grünen, wässerigen Entleerungen, viel
Durst, Brennen und grosse Abgeschlagenheit“ sind
charakteristische Zeichen für Podophyllum. Der
Hauptsitz seiner Wirksamkeit ist wohl das Duo¬
denum, deren Schleimhaut man mit blutigem Schleim
bedeckt gefunden hat.
Schmerzhafter Vorfall des Mastdarms bei jedem
Stuhle bei Diarrhöe ist eine specielle Indication für
das Mittel, welche durch die schnelle Besserung
in dem hier mitgetheilten Falle eine gute Bestä¬
tigung gefunden hat.
(The Monthly Homoeop. Review. 1. Mai 1899.)
M.
Blei-Vergiftung.
Individuelle Anlage.
Der Eintritt der Bleivergiftung scheint in ge¬
wissem Grade von einer individuellen Anlage ab¬
zuhängen; denn von einer Anzahl Personen, die
alle der Bleieinwirkung ausgesetzt sind, selbst wenn
sich bei ihnen Anzeichen vorfinden, dass das Metall
in den Organismus eingedrungen ist, werden einige
in hohem Grade, einige wenig oder andere gar
nicht an Bleivergiftung leiden. Begünstigt wird
diese durch körperliche Schwäche und durch das
Vorhandensein der Gicht,
Das in den Organismus eingeführte Blei häuft
sich in den Geweben und Organen an. Bei Hunden,
denen man Blei mit dem Futter zuführte, fand man
dasselbe in folgender Reihenfolge in den Organen
enthalten: Knochen, Nieren, Leber, Rückenmark,
Gehirn, Muskeln, Darm, an andern Stellen aber
nur Spuren. Beim Menschen dagegen fand man,
wenigstens in einem Fall, im Gehirn viel mehr Blei
als in der Leber, und im Rückenmark überhaupt
keines, während in einem andern Fall die Leber
viel davon enthielt und das Gehirn gar keins, und
in einem dritten Fall enthielt das Rückenmark das
Metall, das Gehirn aber nicht.
Abgesondert wird das Blei von der Leber, den
Nieren und, wie man behauptet, von der Schleim¬
haut des Darmkanals. Lehmann fand, dass es fast
ganz mit der Galle abging, wenn man es einem
Thiere subcutan einspritzt. Hat es sich einmal in
den Organen angesammelt, so geschieht seine Eli¬
mination nur langsam, indem es wahrscheinlich eine
Verbindung mit dem Eiweiss eingeht.
Symptome.
Einwirkung auf das Blut.
In der Regel geht eine zuweilen unbemerkt
bleibende allgemeine Ernährungsstörung den an¬
dern Symptomen vorher. Es bildet sich eine Anä¬
mie, die häufig hochgradig wird. Das Hämoglobin
ist in demselben Verhältniss wie die Blutkörperchen
vermindert, und die Anaemia saturnina unterscheidet
sich dadurch von der Chlorose, bei der die Reduc-
tion des Hämoglobins grösser ist als die der rothen
Blutkörperchen. Die Bleianämie gleicht mehr der
perniciösen Anämie. Man nimmt an, dass die Ver¬
minderung der Blutkörperchen hier die Folge der
Bleianhäufung in den Knochen sei, und in der That
hat man Atrophie und Degeneration des Knochen¬
marks bei Bleivergiftung nachgewiesen. In Folge
der Anämie wird die Muskelkraft der Kranken
herabgesetzt. Bei der chronischen Bleivergiftung
ist die Körperwärme in der Regel normal, zuweilen
zeigt sich ein geringes, aber anhaltendes Fieber;
treten aber acute Symptome von Seiten des Nerven¬
systems auf, so ist häufig Fieber zugegen.
Nieren.
Das Blei wird durch die Nieren ausgeschieden,
und so zeigt der Urin in seiner Zusammensetzung
manche Abnormitäten: die Menge der Harnsäure
ist verringert. Daher sind Bleikranke oft von einer
Art Gicht geplagt (Arthritis saturnina), wenn sie
das mittlere oder ein höheres Lebensalter erreichen,
und die Nieren können erkranken wie bei gichti¬
schen Personen; sie werden indurirt und granulär.
Abgesehen von der hierdurch hervorgerufenen Albu¬
minurie findet man sonst zeitweise Eiweiss im Urin,
z. B. während der Kolikanfälle. Wir wissen nicht,
ob die Bleivergiftung direct die Degeneration der
Nieren bewirkt, oder indirect dadurch, dass sie die
Gicht hervorruft, jedenfalls ist der Effect um so
wichtiger, als der Zustand zur Erkrankung der Arte¬
rien und des Herzens und so zur Hamblutung führen
kann. Auf diese Weise erfolgt dann auch am häufig¬
sten der Tod bei Bleivergiftung. — Eine andauernde
Bleieinwirkung ist zum Zustandekommen der Nieren¬
entartung nicht nothwendig; letztere kann sich auch,
ohne dass wirkliche Gicht auftritt, entwickeln. Prof.
Rosenstein — in seiner Pathologie und Therapie
der Nierenkrankheiten — hat indessen bei seinen
Versuchen mit Bleivergiftung an Hunden keine Ver¬
änderungen in den Nieren erkennen können, ob¬
gleich die Thiere unter den Erscheinungen der Epi-
lepsia saturnina, also an den Folgen der Bleiver¬
giftung, zu Grunde gegangen waren; er sieht sich
deshalb genöthigt, da, wo granulirte Niere oder
Albuminurie bei Bleivergifteten vorkommt, diese
Befunde als Complicationen zu erklären.
Rücksichtlich der Bleikolik, des bekanntesten
Symptoms, wollen wir bemerken, dass Maier eine
Degeneration der Ganglien in der Darmwandung,
sowie des Sympathicus abdominalis bei Kaninchen
nach chronischer Bleivergiftung nachgewiesen hat.
Aehnliche Veränderungen fand er an einem blei¬
vergifteten Manne; bei diesem war der Plexus
coeliacus vom Bindegewebe umgeben und infiltrirt,
Digitized by t^ooQle
9
die sympathischen Zellen waren zum Theil atro¬
phisch, aber die Fasern nur wenig verändert. Blei¬
anhäufung in der Darmmucosa hat man hier viel¬
fach an getroffen.
Nervöse Symptome.
1. Sensible Erscheinungen.
Schmerzen in den Extremitäten sind sehr häufig
und werden entweder in den Muskeln und Gelenken
angegeben, oder ihr Sitz ist nicht genau zu be¬
stimmen. Meist sind sie dumpf oder ziehend¬
reissend oder zuweilen scharf und neuralgisch.
Man hat sie als „saturnine Arthralgien“ bezeichnet,
doch stehen die GelenkachmeTzen nicht immer im
Vordergründe. Häufig besteht Schmerzhaftigkeit
der Muskeln, zuweilen Kriebeln in den Extremi¬
täten („heftige, ruckweise, kriebelnde Schmerzen
in den Knochen“ heisst es in den homöopa¬
thischen Prüfungen). Sehr selten zeigt sich An¬
ästhesie an bestimmten Stellen; so hat man herab¬
gesetzte Tastempfindung an der Rückseite des
Vorderarms und an der Vorderseite des Beins an
der andern Körperseite beobachtet (wahrscheinlich
in Folge einer Neuritis). „Muskelsteifigkeit“ kann
mit den Schmerzen verbunden sein; dann und wann
zeigt sich auch ein schmerzhafter Wadenkrampf.
Haben die Schmerzen einen ausgesprochen neural¬
gischen Charakter, so treten scharf ausstrahlende
Schmerzen im Verlaufe der Nerven auf und durcli
Druck auf die Nervenstämme kann eine Schmerz¬
steigerung bewirkt werden.
2. Locale Muskellähmung und Atrophie.
Diese gehören zu den häufigsten Folgen der
Bleivergiftung. Es lassen sich hier zwei Formen
unterscheiden. Einmal, und das ist die Mehrzahl,
geht die Lähmung der Atrophie voraus und die
Muskeln zeigen die „Entartungsreaction“ d. h. Ver¬
lust der faradischen und normalen Reaction der
galvanischen Erregbarkeit des Muskelgewebes (wie
bei traumatischen Läsionen der Nerven). Hier sind
vorzugsweise die Extensoren des Handgelenkes und
der Finger ergriffen.
Oder 2. Atrophie und Lähmung treten gleich¬
zeitig auf und entwickeln sich gleichmässig; denn
sowohl die faradische als auch die galvanische Erreg¬
barkeit im Verhältnis zur Atrophie ist herabgesetzt,
gerade wie bei der progressiven Muskelatrophie.
Diese Form kann überall auftreten, doch ist ihr
Lieblingssitz die kleinen Handmuskeln. Zwischen
diesen beiden Formen, die degenerativen und die
primär-atrophischen, bestehen häufige Uebergänge.
Bei der ersteren folgt nicht immer Atrophie,
sondern einzelne Muskeln können aus der Lähmung,
ohne atrophisch zu werden, zur Norm zurückkehren.
Selten ist dies jedoch der Fall bei den Muskeln an
der Hinterseite des Unterarmes, die fast immer der
Atrophie anheimfallen. In der Regel ist diese Exten¬
soren-Lähmung doppelseitig; zuerst wird der rechte
Arm afficirt (weil er mehr gebraucht wird?), dann
wird, sei es nach wenigen Tagen, oder Wochen
und in seltenen Fällen nach mehreren Monaten, der
linke ergriffen; manchmal werden auch beide gleich¬
zeitig afficirt. Die Lähmung nimmt allmählich zu,
bis sie ihren Höhepunkt erreicht. Die erste Schwierig¬
keit zeigt sich bei der Streckung der Finger, häufig
des Mittel- und Ring-, zuweilen des Zeige- uud
Mittelfingers, und zwar ist die Bewegung im Meta-
karpo-phalangeal-Gelenk behindert (lange Exten¬
soren). — Die Lähmung der Fingerstrecker ist
meist an der Ulnarseite am grössten: der Zeige¬
finger kann noch am besten, der kleine Finger da¬
gegen am schlechtesten extendirt werden. Bald
werden auch die Extensoren des Handgelenks ge¬
lähmt, bald die radialen, bald die ulnaren zuerst,
und es entsteht eine Abweichung nach einer Seite
hin. Schliesslich hängt die Hand schlaff herab
und kann nicht mit dem Vorderarm in eine Ebene
gebracht werden.
Die Finger-Beuger bleiben normal, doch wird
ihre Wirksamkeit durch die Lähmung der Strecker
schwer geschädigt, da die zur kräftigen Beugung
nöthige Streckung der Handgelenke fehlt. Daher
bedingt Beugung der Finger auch Beugung des
Handgelenks und der Verlauf der Sehnen wird so
verkürzt, dass die Maximalcontraction der Flexoren
nur schwach ist. Die wiederholte Beugung des
Carpus verursacht eine geringe Dislocation der
Carpalknochen nach hinten und wahrscheinlich auch
eine Distension der Synovialsäcke, die mit den
Knochen in Verbindung stehen, so dass eine Pro¬
tuberanz auf dem Handrücken entsteht, als Gubler’-
scher Tumor oder als „Ueberbein“ bezeichnet.
In den meisten Fällen beschränkt sich die
Lähmung auf die genannten Muskeln, die alle vom
N. radialis versorgt werden, während der auch
von dem Nerv versorgte Supinator longus und
der Abductor pollicis longus meist verschont bleiben.
Mitunter geht die Lähmung auch auf den Ober¬
arm über, wo sie dann am häufigsten den Deltoi-
deus, selten den Biceps und Brachialis, noch seltner
den Triceps ergreift.
In den Beinen tritt sie nur hier und da auf,
und zwar ergreift sie dann die vom N. peroneus
versorgten Ijjxtensoren mit Schonung des Tibialis
anticus (entsprechend dem Supinator longus am
Arm).
Gowers beobachtete einmal dauernde Lähmung
des Sphincter ani mit gleichzeitiger Anästhesie der
Haut am Anus und Steissbein.
I Die zweite, durch die primäre Atrophie charak-
| terisirte Form zeigt sich besonders an den kleinen
i Handmuskeln, erstreckt sich aber mitunter auch
| auf die anderen Muskeln der Extremitäten. Die
2
Digitized by c^ooQie
10
Atrophie entwickelt sich langsam pari passu mit
der Lähmung.
Sensible Erscheinungen.
Meist besteht selbst im Beginn der Lähmung
nur geringer oder gar kein Schmerz in den er¬
griffenen Extremitäten; selten zeigen sich scharfe,
ausstrahlende Schmerzen vor dem Auftreten der
Lähmung, und zwar häufiger in den Armen. Auch
ist die Sensibilität an den Extremitäten im Allge¬
meinen normal; nur hier und da zeigt sich die
Tastempfindung etwas herabgesetzt, die aber, un¬
regelmässig verbreitet, der Vertheilung der Nerven
nicht entspricht.
Ein sehr seltenes Symptom der Bleilähmung ist
Jjökrrmng des Kehlkopjs . Eins oder beide Stimm¬
bänder können gelähmt sein und atrophisch werden.
In einem Falle war der M. arytaenoideus, in einem
andern waren alle Muskeln einer Seite und an
einem dritten die Mm. cricoarytaenoidei post, ge¬
lähmt; die letzteren zeigten sich bei der Autopsie
blass und atrophisch. So sollen auch die in Blei¬
werken arbeitenden Pferde an Lähmung der Kehl¬
kopfsmuskeln erkranken.
Vereinzelte Muskelkrämpfe treten selten auf.
Gower sah einmal Krampf der Vorderarm-Flexoren
als Vorläufer der Paralyse. Ein anderer an Blei¬
vergiftung Leidender mit Koliken, aber ohne Läh¬
mungen, machte einen kurzen, aber ausgesproche¬
nen Anfall von Tetanie durch. Die Paroxysmen,
auf die Arme beschränkt, treten eine Woche lang
mehrere Male täglich ein. (Schluss folgt.)
Aerztliche Ehrengerichte in Preussen.
Am 10. Juni hat im preussischen Abgeord¬
netenhause die Abstimmung über den Gesetzentwurf
betreffend die ärztlichen Ehrengerichte stattgefun¬
den. Die Majorität hat dann den Gesetzentwurf
im Ganzen definitiv angenommen, nachdem noch
über Einzelheiten für und wider gesprochen, ja
dies Ganze als unzweckmässig bekämpft worden
ist. Der Herr Abgeordnete Henning hat bei dieser
Gelegenheit wieder in anzuerkennender Weise eine
Lanze für die Homöopathie gebrochen. Ob Alles völlig
zutreffend ist, was er hierbei angeführt, ist aber
doch fraglich. So heisst es im stenographischen
Bericht seiner Bede: „Man hat gesagt, eine etwaige
Beschränkung der homöopathischen Heilmethode
durch dies neue Gesetz sei durch den § 3 aus¬
geschlossen, in dem es heisst, dass politische, wissen¬
schaftliche oder religiöse Meinungen nicht von Ein¬
fluss auf die Bildung des Ehrengerichts sein sollen.
Aber, meine Herren, das Uebel liegt gerade in
dem Umstande, dass die homöopathische Therapie
behördlicherseits nicht als wissenschaftlich im engeren
Sinne des Wortes anerkannt wird. Daraus kann
leicht die Folgerung entstehen, dass homöopathische
Aerzte — immer staatlich approbirte Aerzte vor¬
ausgesetzt — von einer Ehrenmitgliedschaft aus¬
geschlossen sind, ebenso wie sie von ärztlichen Ver¬
einen ausgeschlossen sind, und nicht zu amtlichen
Consultationen hinzugezogen werden dürfen. Es
reicht also die Bestimmung des Wissenschaftlichen
allein nicht aus, um der von mir vertretenen Sache
genügenden Schutz in der neuen Gesetzgebung zu
gewähren.“ —
Nun, so schlimm stehen die Dinge wohl auch
in Preussen nicht; die Staatsbehörden als solche
fragen im Allgemeinen doch nicht nach der thera¬
peutischen Stellung des Arztes, selbst die Medicinal-
behörden werden das Gutachten eines homöopathi¬
schen Arztes, wenn es auf rein sachlicher, wissen¬
schaftlicher Basis begründet ist, nicht zurückweisen ;
die Gerichtsbehörde hat wohl kaum je das Gut¬
achten eines homöopathischen Arztes, da sie gar
nicht in der Lage ist, seine therapeutischen An¬
schauungen zu kennen, beanstandet. So habe ich
es wenigstens während meiner 20 jährigen Praxis
in Bromberg kennen gelernt. — Freilich, zu com-
munalen oder staatlichen Stellen wird man dem ho¬
möopathischen Arzt im Ganzen selten Zutritt ge¬
währen, zumal, wenn eingefleischte Vertreter der
alten Schule unter den Stadtverordneten oder den
Regierungscollegien eine massgebende Stimme führen.
Da nun aber die Behörde auf die Wahl der Mit¬
glieder eines ärztlichen Ehrengerichts keinen Ein¬
fluss hat, so kann unsere Stellung als homöopathische
Aerzte diesem neuen Institute gegenüber, indem
wir den uns oft feindseligen, wissenschaftlichen
Gegnern auf Gnade und Ungnade preisgegeben
sind, eine bedenkliche, unangenehme werden. —
Wenn der Regierungscommissar auf den vom Herrn
Abgeordneten Henning ausgesprochenen Wunsch,
dass die königliche Regierung dafür wirken möge,
dass in den Aerztekammern so wie in den Ehren¬
gerichten auch Vertreter der Homöopathie sich be¬
finden mögen, erwiderte, dass es den homöopathi¬
schen Aerzten überlassen bleiben müsse, bei den
Wahlen dafür zu sorgen, dass auch ein Vertreter
ihrer Richtung in jene Institutionen hineinkomme,
so ist das leicht gesagt, aber, wie die Dinge liegen,
wohl immer schwer, wenn überhaupt je, durch¬
zuführen. —
Der ablehnenden Haltung eines erklecklichen
Theiles der Aerzte gegen das Gesetz wurde gegen¬
über dem zustimmenden Votum der Aerztekammern
gar kein Gewicht von Seiten der Regierung bei¬
gelegt. Dass diese sich nicht beikommen lässt, auf
den Wunsch" des Abgeordneten Dr. Arendt^ einzu¬
gehen, den Aerztekammern resp. dem Ehrengerichte
die Befugniss einzuräumen, einen Arzt, der sich
Digitized by
Google
11
vergangen, aus dem Aerztestande auszuschliessen,
bezw. ihm die ärztliche Approbation zu entziehen,
ist recht und billig. Mag das Gesetz hierdurch,
wie Dr. Arendt sagt, eine Waffe ohne Heft und
Klinge werden; ist das nicht für unsern Stand zu¬
träglicher und heilsamer, als wenn die Institution
wie ein zweischneidiges Schwert drohend über dem
Haupte des schon ohnehin so mühseligen praktischen
Heilkünstlers schwebt? Die Regierung sagt sich:
Ihr babt’s gewollt; gut, da habt ihr’s; möge es
euch gut bekommen! Dr. Mossa.
Ein Vergiftungsfall mit Hydrastis canadensis.
Dr. Miodowsky hat in der Berl. Klin. Wochschr.
vom 30. Januar 1899 folgenden Fall von einer
Hydrastis-Vergiftung mitgetheilt:
Einem 65j. Mann war wegen einer Bronchitis
mit reichlichem Auswurf das Extr. fluidum von
Hydr. canadensis zu 20 Tropfen pro Dosis ver¬
ordnet worden. Er hatte, nach seiner Aussage,
2 Gaben, die letzte vor dem Schlafengehen ge
nommen. Bald darnach bekam er Atliembeschwer-
den, so dass er aufstehen und im Zimmer umher¬
gehen musste. Indessen die Symptome verschlim¬
merten sich, und als Dr. M. gerufen wurde, fand
er Pat. vorgebeugt sitzend und die Lehnen seines
Stuhles mit den Händen umfassend. Sein Gesicht
war livid; die Augen wanderten ängstlich im Zimmer
herum. Der Athem war schnell, mit grosser An¬
strengung der respiratorischen Hilfsmuskel. Bei der
Inspiration hörte man Rasseln, selbst in der Ent¬
fernung; die Exspiration war von einem pfeifenden
Geräusch begleitet. Der Puls war klein, weich,
leicht zusammenzudrücken und langsam. Die Stirn
des Pat. war mit kaltem Schweiss bedeckt. Die
Percussion der Lunge ergab nirgends Dämpfung,
aber bei der Auscultation hörte man überall (feines
und mittleres) Crepitiren, besonders auf der linken
Seite, wo stellenweise auch bronchiales Athmen
war. — Die Herztöne waren Anfangs, wegen des
Lungengeräusches, schwer zu unterscheiden, später
erwiesen sie sich als rein, aber verlangsamt. Der
Spitzenstoss konnte nicht gefühlt werden. Nach der
Anwendung von Stimulantien (Acther, Wein, Kaffee,
Senfpapier etc.) trat allmählich Besserung ein Das
Athmen wurde langsamer, weniger crepitirend und
pfeifend, der Puls kräftiger und regelmässiger und
das Sensorium klarer, so dass Pat. auf Fragen ant¬
worten konnte.
Da kein Herzgeräusch während dieses Anfalles
zu vernehmen und der Kranke sonst ein kräftiger
Mann war, so meint Dr. Miodowsky, dass das Mittel
die Erscheinungen durch Erzeugung von Herz¬
schwäche mit secundärer Congestion und Oedem
der Lungen herbeigeführt habe. Diese Erklärung
stimmt mit den Resultaten, welche Felmer bei seinen
Thierversuchen erlangt hat, überein. — M.
Vergleichende Diagnose
zwischen Belladonna und Stramonium.
Dass weder acute Vergiftungen mit ihrem stürmi¬
schen Verlaufe noch Thierversuche mit ihrem Mangel
an Wirkungszeichen auf die Psyche einen klaren
Aufschluss über die pathogenetischen Wirkungen
eines Mittels geben können, diese Thatsache tritt
uns frappant entgegen, wenn wir uns an das Stu¬
dium solcher altbekannter, und von der herrschen¬
den Schule trotzdem so wenig erkannten Mittel wie
z. B. die beiden Narkotica Belladonna und Stramo-
nium machen.
Prof. Nothnagel sagt in seinem Handbuch der
Arzneimittellehre über Stramonium: „Nach den vor¬
liegenden Untersuchungen von Lichtenfels und Fröh¬
lich, Wertheim, namentlich aber Schroff, Cooperu. A.
und nach den bekanntgewordenen Vergiftungsfällen,
scheinen die Wirkungen von Stramonium auf den
gesunden Organismus genau dieselben zu sein wie
beim Atropin; nur ein Unterschied des Grades be¬
steht nach Schroff, indem Daturin noch einmal so
stark wirkt wie Atropin.“
Von den Prüfungen, die Hahnemann und seine
Schüler mit der grössten Sorgfalt an sich selbst
unternommen, wird da drüben natürlich gar keine
Rücksicht genommen. Diese Experimente zeigen
allerdings, wie die Wirkungen beider genannter
Arzneistoffe in mancherlei Beziehungen parallel
laufen, in anderen aber doch eine deutliche Diver¬
genz bei ihnen zu unterscheiden ist.
Eine werthvolle Gegenüberstellung beider Mittel
giebt uns Herrn. Gross in seiner „Vergleichenden
Arzueiwirkungslehre“, herausgegeben von Dr. Faul¬
wasser, die wir zu allgemeinem Nutz und Frommen
hier wiedergeben wollen:
Belladonna; Stramonium.
Ueberwiegend rechts. — Links. — Haar meist hell.
Haar meist dunkel.
Fettsucht — Apoplexia Abmagerung — Apoplexia
sanguinea. nervosa.
Paralyse öfters schmerz- Paralyse meist schmerzlos
haft, einseitig. und doppelseitig.
Schmerzhafte Ausschläge. Schmerzlose Ausschläge.
Puls bisweilen aussetzend Puls bisweilen doppel-
und langsam bei häu- schlägig, und sehr
figen Athemzügen. schnell bei ruhigem
Athmen.
Wird der Puls langsam, Wird der Puls langsam,
| so ist er voll. so ist er schwach.
Durst am seltensten im Durst in Hitze und
Frost, oft vor dem Frost Schweiss oder zwischen
und nach dem Schweiss. beiden; fehlt im Frost.
2 *
Digitized by ^»ooQie
12
Belladonna« Stramoninm.
Man trinkt oft, aber jedes- Man trinkt selten, aber
mal wenig. jedesmal viel.
Hirnentzündung mit Ver- Hirnentzündg. mit Besse
schlimmerung im Lie- rung im Liegen, unwill-
gen. kürlicher Bewegung des
Kopfes und öfterem
Aufheben des Kreuzes.
Liebe zur Einsamkeit. Furcht vor Einsamkeit.
Furcht vor Vergiftung Befürchtung des Verstan
oder Apoplexie. desverlustes.
Misstrauen — Nachtheile Hoffahrt—Verliebtheit —
von Zorn. Nachtheile von üblen
Nachrichten.
Gedächtniss sehr lebhaft Gedächtnisschwäche,
oder sehr schwach.
Weitsichtigkeit. Kurzsichtigkeit.
SchmerzhaftesZucken ein- Schmerzloses Zucken
zelner Gesichtsmuskeln. einiger Gesichtsmus¬
keln.
Beschwerden vorherr- Beschwerden, vorherr¬
schend am harten Gau- sehend am weichen Gau¬
men, sowie am Oberarm. men und Unterarm.
Abneigung gegen Saures. Appetit auf Saures.
Anmerkung. Säuren sind keine Antidote bei
Vergiftungsfällen mit Belladonna, aber ein Gegen¬
mittel bei Stramoniumvergiftung. Const. Hering.
Geruchlose Flatus. Stinkende Blähungen.
Harn öfter dunkel als Harn blass. — Harnver-
hell. — Incontinentia haltung öfter als un¬
öfter als Hamverhal- willkürlicher Harnab-
tung. gang.
Monatsfluss vorherr- Hegel vorherrschend zu
sehend zu früh. spät.
Puerperal - Convulsionen Puerperal • Convulsionen
mit Blutandrang nach mit reichlich. Schweiss
dem Kopfe. (Lippe).
Athem vorherrschend Athem laut,
leise.
Pferd höchst unruhig oder Pferd wird bei jedem Ge-
stier, lässt nicht die räusch unruhig, beisst
Vorderfüsse mustern, und schlägt mit Leicht-
nicht aufsitzen, über- beweglichkeit um sich,
schlägt sich.
Nachlass nach Mitternacht Verschlimmerung Nachts
und Vormittags. u. Morgens. — Nachlass
bei Tage und Abends.
Schlimmer von Licht, be- Vom Licht ebenso oft ge-
sonders Kerzenlicht. bessert wie verschlim¬
mert; schlimmer beson¬
ders vom Sonnenlicht.
Schlimmer im Frühling. Schlimmer im Herbst.
Vorherrschend schlimmer - Vorherrschend besser
von Saurem, in der linken Seitenlage, sowie beim
Liegen auf der schmerzhaften Seite.
Vorherrschend besser .—>—* Vorherrschend schlimmer
beim Bücken, sowie von äusserem Druck und in der
rechten Seitenlage, sowie beim Liegen auf der schmerz¬
haften Seite.
NB. Stramonium hat meist die Ueberempfindlich-
keit der Belladonna gegen Schmerz in Ueberein-
stimmung mit der vorherrschenden charakteristischen,
constitutionellen Reizlosigkeit, die dem Stram. eigen-
thümlich ist. H. Gross.
Ausgenommen bei Paronychie und anderen Eite¬
rungen, wo im Gegentheil die grosse Empfindlichkeit
gegen Schmerz Stramonium indicirt. O. Hering.
Zur Ergänzung und theilweisen anatomischen Be¬
gründung fügen wir der obigen Parallele eine „differen¬
tielle Analyse“ beider Mittel, wie letzthin sie die März
nummer d. J. im The Hahnemann Advocate ge
bracht hat.
Belladonna. Stramoninm.
| 1. Gehirn. 1. Gehirn.
| Intensive Congestion und Active Congestion , die vor
Entzündung , die Gehirn- der Entzündung still
und Rückenmarkshäute steht, aber höchster Grad
' ergreifend, mit hohem psychischer Exaltation
Fieber, Gefässstörun- und wiithendes Delirium
gen, Sinnesreizbarkeit mit wenig oder gar
und Hyperaesthesie der keinem Fieber und ohne
sensiblen und motori- Schmerz. Coma.
sehen Nerven.
2. Sensorium. * 2. Sen so ri um.
a) Irritabilität der Sinne mit a) Irritabilität der Sinne mit
vorherrschender Ueber- Verlangen nach Licht
empfindlichkeit des Ge- und Gesellschaft oder
hörs. Photomania.
b) Wildes Delirium, fieber- b ) Tolles Delirium , unbän-
haft, lärmend, in Folge diges, im Laufe acuter
von Blutandrang und Krankheiten, mit hef-
Entzündung mit rothem tigen,unbändig.,psycho-
Gesicht, blutunterlaufe- motorischen Erschei¬
nen Augen, erweiterter nungen, etwas Con-
Pupille, klopfenden gestion, mit oder ohne
Carotiden, Kopfweh. Fieber.
c) Erregung, Verwirrung in c) Exaltation , Verwirrung ,
Folge acuter Congestion schreckhafte Hallucina-
mit vorübergehenden tionen, Illusionen, mit
Hallucinationen.Hlusio- mässigem oder gar kei
nen, Furcht, Heftigkeit, nem Fieber, Schwatzen,
Neigung herumzulaufen Singen, Beten, Fluchen;
oder aus Zimmer und Furcht, Argwohn, Spä-
Bett zu entfliehen. Er hen \ unbändiger Trieb zu
sieht Thiere, Feuers- Schlagen, Beissm, Reissen
brünste, Leichen, Gei- etc. Sieht Geister, Rat-
ster, Ungeheuer, In- ten, Mäuse, Würmer,
sekten etc. Katzen, Schlangen etc.
d) Afama, fieberhaft, zeit- d)Mania, stark ausgespro-
weise, unbestimmt. Er dien, veränderlich, gut¬
hält sich plötzlich für artig, heiter, fromm, ge¬
reich; geschwätzig,dann schwätzig, hauptsäch
stumm; lustig, dann lieh aber tollen Charak-
streitsiiehtig; glaubt ters bis zur vollen Wuth. —
sich angegriffen vonRäu- Melancholie religiöser
bern,Larven,schwarzen Art, oder mit Selbst-
Hunden und Insekten. mordgedanken.
Gelächter; närrische Ge¬
bärden.
i e) Depression , in Folge von e) Depression, in Folge
Congestion, mit Reizungs- von Congestion oder Er
| Symptomen Schlummer- regtheit; Schlafsucht,
I sucht . Stupor , daraus er- Stupor mit schnarchen-
I weckt, ist der Kranke dem Athemgeräusch
i gewaltthätig; oder etc., ausgehend — oder
I Wechsel von Delirium nicht — in Coma mit
| und Stupor. Suppressio urinae.
| f) Schlaf, nicht erfrischend, f) Schlaf , tief mit Schnar-
gestört durch ängstliche chm, durch schreckliche
I Träume von Mördern, Träume von Untliieren
Räubern oder Feuer. oder geschlechtlichen
| Erwacht mit Schrecken, Organismus gestört. Er -
Digitized by c^ooQie
13
Relladonna.
wie verwirrt. Schlaflosig¬
keit vor Angst oder Ge¬
hirn-Erschöpfung.
3. Rückenmark.
Congestion , En tzündun g,
tonische Zusatnmenziehun-
gen , Steifigkeit, Opistho¬
tonus. Clonische Krämpfe,
Zuckungen, Zittern.
Epilepsieartige Krämpfe ,
mit Vor- und Rückwärts¬
bewegungen. Spasmen ,
durch Berührung oder
lautes Geräusch er¬
neuert.
4. Paralytische Zu¬
stände.
Pupillen er weitert. Paralyse
des Sphincter vesicae
mit unwillkürlichem
Urinabgang.— Enuresis.
5. Allgemeines.
Fieberdelirium mit grosser
Gefä8sstauung und Un¬
erträglichkeit von Licht
und Geräusch. — Vor
übergehende Hallucina-
tionen. — Congestiver ,
klopfender Kopfschmerz —
Halsw eh.— Dysphagie. —
Krampfhafter Husten.—
Glatter Scharlachaus¬
schlag. Schmerzen kom¬
men und gehen schnell.
Schlimme Wirkungen von
Zugluft , vom Eaarah-
schneiden und plötzlichem
Wechsel von Warm und
Kalt. — Bei jungen und
platonischen Personen.
Stramonium. !
i cacht mit wichtiger,
sonderlicher Miene.
Schlaflosigkeit in Folge
fortgesetzter Exaltation
öde* Gehirn-Erschöpf
ung.
3. Rückenmark.
Keine Congestion od. Ent¬
zündung. Isolirte Spas¬
men. Choreaartige Bewe¬
gungen. Epileptische
Krämpfe; besonders
partielle, an den Ober¬
gliedern mit graeiösen,
kreisförmigen Bewegun¬
gen. — Krämpfe beim
Anblick von Wasser er¬
neuert.
4. Paralytische Zu¬
stände.
Pupillen ertc itert. Unvoll¬
ständige Blasenläh¬
mung; der Urin träufelt
langsam und schwach. —
Parese der Sprach-
organe.
5. Allgemeines.
Maniakale Aufregung mit j
hartnäckiger Schlaf¬
losigkeit und Verlangen
nach Licht und Gesell¬
schaft. - Erschreckende
Hallucinationen. — Hef¬
tige Wuthausbriiche. — 1
Säuferwahnsinn. - Scheu ;
vor Wasser, Dysphagie, j
Hydrophobie. — Photo¬
manie. — Erotomanie. - !
Lustigkeit. — Exstase. —
Melancholie mit religio- j
sen und Verfolgungs¬
ideen. — Täuschung
über Gestalt, Grösse
oder Stellung des Kör- [
pers. — Stammeln. — :
Aphasie. — Suppressio
urinae. Schmerzlosig¬
keit bei den meisten
Beschwerden. — Ueble
Folgen von Alkohol
oder unterdrückten Aus- |
Schlägen. x. i
Pathogenetische und klinische Notizen.
Baryta in seniler Herzschwäche.
Dr. M. Haie hat gefunden, dass Baryta eins
der besten Mittel beim senilen Herzen sei, wo die i
übrigen Herzmittel wenig zu wirken scheinen. j
Ein Symptom findet sich freilich nicht in der ]
Pathogenese von Baryum. — Die Empfindung von
hinsinkender Leere (Oedigkeit nennen es oft die
Leute. Ref.) oder Ohnmacht in der Herzgrube, die |
bei verschiedenen Herzmitteln, wie Digitalis, Ignatia, |
Veratr. album, Convallaria und Cactus grandifl. an¬
getroffen wird. (Sonst findet es sich noch bei
Hydrastis, Lachesis und Caladium.) Wo aber dies
Symptom bei alten Leuten vorkommt, ist dennoch
Baryta fast specifisch.
(Baryta bat sonst noch: Herzklopfen beim Liegen
auf der linken Seite, oder durch Denken daran er¬
neuert — ist ein Alters-Mittel par excellence. Ref.)
Acidum lacticum bei Arthritis deformans.
Die entzündliche Wirkung der Milchsäure auf
die Gelenke ist homöopathischerseits bisher nur in
acutem Gelenkrheumatismus verwendet worden, bei
welcher Affection die Milchsäure ätiologisch wohl
selbst eine Rolle spielt. — Dr. Zolatorin hat nun
(cf. American Homoeopathist vom 15. Januar) von
diesem Mittel auch bei Arthritis deformans guten
Erfolg gesehen.
Er berichtet einen Fall, wo ein Patient, der
dieses seit 10 Jahren gehabt und 1 Jahr lang hatte
im Bette zubringen müssen, nach 3wöchentlichem
Gebrauch dieses Mittels aufstehen, umhergehen,
und seine Geschäfte wieder aufnehmen konnte. —
Cocain . Ein charakteristisches Symptom bei
chronischer Cocain Vergiftung, als „Magnan’s Sym¬
ptom“ bekannt, ist die Empfindung, als ob fremde
Körper unter der Haut sich befinden.
Dr. R. T. Cooper berichtet einen Fall, wo dieses
Symptom bei einem Patienten mit chronischem
Rheumatismus vorkara, und der durch */ 4 gr von
Cocain, wenigstens zur Zeit, entschieden gebessert
wurde.
Hypodermatische Anwendung von Rhus in einem
Typhusfalle.
Dieser betraf ein 16j. Mädchen, welche am
14. Tage nach zweimaliger Darmblutung in einen
collabirten Zustand verfiel. Sie lag unbeweglich,
flach auf dem Rücken, mit weitgeöffneten, starren
Augen; jeder Versuch, sich zu bewegen, schien ihr
grosse Beschwerden zu machen. Bei der Unter¬
suchung fand man, dass sie vom Hinterhaupte bis
ans untere Ende der Wirbelsäule völlig starr
war. Die Zunge war trocken; dünnflüssige Stühle
gingen unfreiwillig ab. Um 9 Uhr Abends wurde
eine subcutane Einspritzung von Rhus 6. gemacht,
die um 11 Uhr wiederholt wurde; um 12 Uhr
schloss sie zum ersten Mal die Augen und schlief
mehrere Stunden ruhig. Am Morgen war die Rücken¬
starre verschwunden. Bei Nacht war keine Ent¬
leerung erfolgt, ebenso wenig in den zehn folgen¬
den Tagen. Dann hatte sie einen natürlichen und
reichlichen Stuhl. Rhus wurde (wie oft ist nicht
angegeben) bis zur Genesung fortgesetzt.
(The Clinique. Dec. 1898.)
Kali phosphoricum in nervöser Dyspepsie.
Dr. W. T. Laud hat von Kali phosph. unter
folgenden Bedingungen gute Erfolge gesehen bei
Digitized by c^ooQie
14
nervöser Dyspepsie: Patient ist ein Neurastheniker,
Ohnmachts(Hinsein)-Empfindung im Magen, durch
Essen zeitweise besser; Verschlimmerung der gastri¬
schen Symptome durch Aufregung oder Kummer;
Urin vermindert, mit Ueberschuss von Phosphaten.
(N. Amer. Journ. of Homoeopath. Dec. 1898.)
Brom in Oophoritis.
Dr. Olds sagt über die Indicationen von Brom
bei Eierstockskrankheiten in The Homoeopathic
Journal of Obstetrics:
Der Menstrualfluss erscheint zu früh und hat
eine hellrothe Färbung. Vor der Regel zeigen sich
Schmerzen im Unterleibe, besonders ein Bohren im
linken Eierstock, lanzinirende Schmerzen im Rücken
und Kopfweh. Während der Regel kann ein Ab¬
gang von Flatus aus der Scheide stattfinden. Dieses
sonderbare Symptom ist in Fällen von Dysmenor-
rhoea membranacea beobachtet worden. — Dabei
kann sie den Coitus nur schwer ertragen, weil sie
jedes Mal jenen bohrenden, stechenden Schmerz im
Eierstock hat. Die Eierstöcke, und‘auch die an¬
deren Drüsen, sind vergrössert und werden hart. —
Dieses sonderbare, wohl nur selten beobachtete
Symptom von Flatusabgang aus der Vagina ist
sonst noch bei Lycopodium angegeben. (Ref.)
Ledum palustre bei Karbunkeln.
Dr. Ingall macht auf die Anwendbarkeit von
Ledum bei Karbunkeln aufmerksam. Er hat eine
Anzahl von Fällen mit diesem Mittel in 7 —14 Tagen,
ohne operativen Eingriff, erfolgreich behandelt. —
Er giebt die 1—10 Tabletten innerlich, stündlich;
und äusserlich macht er Leinsamenumschläge, die
mit Ledum (1: 10) angefeuchtet und den Tag über
aller halbe Stunden gewechselt werden. Bei Nacht
legt er eine baumwollene Compresse, die mit fol¬
gender Lösung getränkt ist, auf: Rp. Ledum, Alko¬
hol, Aqua aa 60,0. — Dies Verfahren setzt er täg¬
lich fort, bis die Masse leicht entfernt ist, was
zwischen dem 3.-6. Tage geschieht. Dann füllt
er die Höhle durch sterilisirte, mit obiger Lösung
getränkte Gaze. Die Granulationen bilden sich
schnell und schliessen bald die Oeffnung.
(Ob Verf. wirklich die bösartigen Karbunkel
oder nur die Furunkel gemeint hat, ist nicht recht
ersichtlich. Ref.)
(Medical Times, New York.)
Ein Stramonium-Fall.
Ein Fräulein, deren Mutter 3 Monate vor der
Geburt ihrer Tochter wahnsinnig geworden und
niemals wieder völlig gesund geworden war, hatte
kein Anzeichen von dieser erblichen Belastung bis
zu ihrem 80. Jahre gegeben. Dann aber gab, wie
es schien, ein Zerwürfniss mit ihrem Geliebten den
ersten Anstoss zu einer geistigen Störung, die An¬
fangs unbedeutend, bald aber, wahrscheinlich unter
dem Einfluss gewisser spiritualistischer Sitzungen,
bedenkliche Erscheinungen entwickelte. Das leitende
Symptom war eine Hallucination des Gehörs i sie
hörte fortwährend Stimmen, die sie ihrer längst ver¬
storbenen Grossrautter zuschrieb, in ihren Ohren
tönen. Dazu kam, wie zu erwarten war, Schlaf¬
losigkeit, Furcht vor Alleinsein, Furcht vor der
Dunkelheit, Appetitverlust, Verlust an Interesse,
selbst für ihre Lieblingsbeschäftigungen.
Dr. Selfridge-Californien hielt sich bei der Mittel¬
wahl an die „Stimmen im Ohr“. Dies ist ein vor
Allem bei Stramonium vorkommendes Symptom.
Dies Mittel gab er alsbald in der 200. mit dem
Erfolg, dass der Zustand fünf Tage später merk¬
lich besser war. Binnen vier Wochen war er, ab¬
gesehen von einem oder zwei leichten Recidiven,
bedeutend besser und von der Zeit an ging die
Genesung stetig vorwärts, bis alle krankhaften
Zeichen verschwunden waren. Zuerst hörten die
„Stimmen“ auf, dann kam der Schlaf zurück; sie
wandte sich wieder der Haushaltung zu, fand allmäh¬
lich wieder Gefallen an der Musik. Das Symptom,
welches am letzten schwand, war ihre Abneigung
vor dem Alleinsein.
(Pacific Coast Journal of Homoeopathy.) M.
Vom Bllchertische.
Zackungen eines Homöopathen nach seiner
Hinrichtung.
Brief an den Henker Herrn Dr. Metterliausen,
aus dem Jenseits seiner Begriffswelt.
Hier haben wir eine treffende Antwort aufMetter-
hausen’s feindseligen Angriff auf die Homöopathie.
Der Titel könnte eine mit Blut geschriebene Re¬
plik vermuthen lassen; nichts von dem! Der Ver¬
fasser, den wir wohl kennen, wenn er sich auf dem
Schriftchcn auch nicht genannt hat, weiss in feiner,
geistvoller, mehr jronisirender als dreinschlagen¬
der, erheblich begründeter Weise den Angriff in
sein Nichts zurückzuführen. Dabei giebt er gleich¬
zeitig Herrn Metterhausen und seinen Gesinnungs¬
genossen Gine wohlwollende, tiefgehende Lection
über das, worum es sich in der Homöopathie wirk¬
lich handelt, mit einem Hinblick auf den gegen¬
wärtigen Stand der Medicin und das Ziel, wonach
diese zu streben habe — nicht abstracto Wissen¬
schaft, sondern mehr concrete Kunst. — Wir em¬
pfehlen diesen „Brief“ allen Collegen zur Lectüre
und zur weiteren Verbreitung. Dr. Mossa.
Digitized by ^»ooQle
15
Glückwunsch.
Am 3. Juli ist es einem unserer verdientesten
Veteranen, dem Herrn Collegen Sanitätsrath Dr.
Johannes Schweikert in Breslau vergönnt gewesen,
sein 60jähriges Doctor-Jubiläum zu begehen, und
senden wir ihm zu diesem Freuden- und Ehrentage
unsere herzlichsten Glück- und Segenswünsche.
Der Jubilar schaut auf eine lange, reichge¬
segnete, ihm und der homöopathischen Heilkunst
zu hoher Ehre gereichende praktische Thätigkeit
zurück, aus der er im Verein der homöopathischen
Aerzte Schlesiens oftmals ebenso interessante als
belehrende Mittheilungen gemacht, und die unsere
Zeitung gern dem homöopathischen Aerztekreise
zur Kenntniss gebracht hat. Obwohl er dem Alter,
der Jubilar hat ja das schöne Lebensalter von
83 Jahren erreicht, seinen Tribut nicht vorent-
lialten kann, so hat er doch immer noch das Otium
mit dem Negotium verbinden können. — Möge es
ihm durch Gottes Gnade beschieden sein, auch
noch das schöne Ziel des eisernen Doctorjubiläums
zu erreichen!
Wie wir vernehmen, hat auch unser Central¬
verein dem Jubilar im Namen der homöopathischen
Aerzte Deutschlands einen Glückwunsch überreichen
lassen.
Personalia.
Das Dispensir-Examen haben bestanden:
Dr. med. Strehle-Gielow i. M.
„ „ Mittelstedt-Berlin.
„ „ Köring-Delbrück i. W.
„ „ Eckert-Breslau.
(Letzterer ist ein Schüler des Herrn Dr. med.
Weidner Breslau.)
Anzeigen.
Sichere Existenz
für einen homöopathischen Arzt.
In bester Lage einer grösseren Industriestadt
Sachsens ist eine erste Etage, bestehend in
6 Zimmern nebst Zubehör per 1. October c. bezieh
bar, zu vermiethen.
Diese Wohnung haben bereits seit 20 Jahren
Aerzte innegehabt und eine sehr ausreichende Praxis
betrieben. Ganz besonders dürfte aber ein Homöo¬
path eine gute Existenz finden, da in dieser Stadt
und Umgegend nur 1 homöopathischer Arzt prakti-
zirt. Gef. Offerten unter H. 901 nehmen Haasenstein
& Vogler A. G., Dresden, entgegen.
Dr. med* Dierkes, homöopath. Arzt, aus
Paderborn praktizirt in jeder Saison in Bad EIpp-
*p ringe. Die Herren Collegen werden gebeten, ihren
Patienten die Adresse mitzugeben.
Auf Reisen and zur Dispensation sehr practisch.
Homöopathische Mittel
in Tablettenform, ä 0,95 Gramm Gewicht«
(Das richtige Quantum für eine einzelne Arzneigabe.)
1
Cylinder ä 12
Stück
—
3 Gramm .
. . Mk.
-.20
1
IFlacon od. , n,
\Schachtel ^
M
=
6 „
• • »1
-.30
1
k 30
r=
7,5 „
• es
-.35
1
„ k 40
=
10 „
—.45
1
„ ä 50
—
12,5 „
• •
—.55
1
„ k 60
=
15 „
—.65
1
ä 80
20 „
—.75
1
k 100
—
25 „
—.90
1
ä 120
=
30 „
1.10
1
„ ä 150
yy
=
37,5 „
• • H
1.35
1
„ ä 200
V
=
50 „
• • >1
1.80
1
„ k 400
=
100 „
• * M
3.50
A. Marggrafs homöopath* Offlein, Leipzig.
Dr. Theinhardt’s
Lösl. Kindernahrung.
(Hergestellt aus Milch, Zucker, Gerste, Weizen.)
Bewährt seit 10 Jahren bei normaler und gestörter
Gesundheit der Kinder.
Von Autoritäten empfohlen als:
Rationellste Ergänzung der verdünnten Kuhmilch.
Leichtverdaulich — durch Löslichkeit und minima¬
len Stärkegehalt.
Knochenbildend — durch seine Nährsalze;
(»ra. 2°/ 0 Knlkphosphat u. 1,5°' 0 Phosphorsäure).
Diätet. Therapeutik. bei Rhachitis, Scrophulose und
Cholera infantum.
Preis der Dose M. 1.20 (300 g) u. M. 1.90 (500 g Inh.).
Vorrftthig in den meisten Apotheken und Drogerien.
Wissenschaft]. Urtheile, Analysen u. Gratismuster duroh
Dr. Theinhardt’s Nährmittel - Gesellschaft
Cannstatt (Württbg.).
Carl Gruner’s homöopathische Officin (A. Kittel),
Berlin
hat folgende DepötS errichtet, in denen ihre anerkannt
vorzüglichen Arzneien in bester und frischester Qualität
stets, und nur in Originalpackung und zu Original¬
preisen zu haben sind:
für Berlin O. und S.O. :
Emmaus-Apotheke, Apotheker E. Seyd, Reichenberger¬
strasse No. 150.
für Berlin X.W.:
Roland-Apotheke, Apotheker Bermann, Thurmstrasse
No. 16.
für Rostock (und beide Meckleraburg):
Universitäts-Apotheke, Blücherplatz.
Digitized by L^OOQie
1 «
Bohnenhülsen - Thee
gegen Nierenkrankheiten, Wassersucht, Gicht, Rheumatismus, Zucker- und andere Krankheiten halten vorräthig und
empfehlen in Packeten ä V 4 Ko. mit Gebrauchsanweisung Mk. —.75
>» >> k V* ji » M u 1.25
?> »j ^ /1 »» » »» »» 2.25
Gebrauchs-Anweisung. Man nehme 75—100 Gramm von unserem Bohnenschalenthee und koche dieselben mit
2—3 Liter Wasser 3—4 Stunden, bis solche auf 1 Liter eingekocht sind; bis zu diesem Quantum kann man täglich
gemessen, das normale ist ein Trinkglas voll. — Der Thee allein getrunken schmeckt nicht schlecht, man kann aber
auch, um den Bohnengeschmack zu vermindern, etwas Fleischextract etc. hinzufügen. — Besondere Diät braucht nicht
eingehalten zu werden. — Die Wirkung auf die Nieren ist eine ganz ausserordentlich grosse, was jeder Trinker des
Thees in dem reichlichen Urinlassen merken wird. Ausser dem Trinken des Thees empfiehlt man ärztlicherseits auch
das Baden in demselben, besonders bei Rheumatismus und Gicht, zu einem Bade gehören 5 Liter Extract, man nimmt
aber hierbei 200 Gramm Thee auf 1 Liter Extract.
Leipzig. A. Marggraf’s homöopathische Officin.
Nachstehend verzeichnete Apotheken empfehlen wir
als Haupt-Depots
unserer homöopathischen Arzneien, Hausapotheken etc. —
Dieselben haben sich verpflichtet, alle Arzneien etc. von
uns nur in Originalpackungen mit einer unsrer Firmen zu
beziehen und weiter zu verkaufen, sodass volle Garantie
für Echtheit und beste Qualität den verehrten Käufern
geboten ist.
Karl Otte’s Fischmarkt-Apotheke, Hamburg,
Fischmarkt.
Dr. G. Wiedermann, Löwen-Apotheke, Frei¬
burg i. Baden.
Joh. Manecke, Hof-Apotlieke, Magdeburg.
Dr. C. Hofs Apotheke, Pforzheim (Baden),
gegenüber dem Rathhause.
Dr. Fr. Oelze, Krummacher'sche Apotheke,
Bielefeld, am alten Markt.
Alfred Fitzan, Rothe Apotheke, Bernburg
(Anhalt), Kaiserstrasse 3 a.
H. Steinhorst, Mohren-Apotheke, Prenzlau.
Wed. Bultcrman & Cohen, Apotheker, Rotter¬
dam, Hoogstraat.
J. W. Floren, Centraal-Apotheek, Haarlem,
Groote Houtstraat 78.
Weitere Depots folgen in allen grossen Städten.
Die vereinigten
Leipziger homöopathischen Apotheken:
Täschner & Co., Homöopathische Central-Apotheke,
A. Harggrafs homöopathische Officin und Carl
Groner’s homöopathische Offlein (früher in Dresden).
BAD LIPPSPRINGE
Eisenbahn-Station Paderborn.
Arminias-Quelle, stickstoffreiche Kalktherme.
Erfolgreiches I unnannklhlCa besonders im
Heilmittel gegen ■»IllJwllpllllllbO ersten Stadium.
Asthma und Katarrhe der Respirations-Organe.
Saison: Mai bis September.
Pensions-Hotel; 1 /ii|»l|fl||C staubfrei inmitten
neu renovirt. IIÄUo. des Parks gelegen.
Auskunft durch die Brunnen-Administration«
Prima entölten homöopath. Cacao.
Feinste homöopath. Gesundheits-Chokolade.
Bei homöopathischen Curen ausser dem ho¬
möopathischen Gesundheitskaffee als Getränke
gestattet, empfehlen wir in reinsten und besten
Qualitäten und in eigener Packung billigst:
Entölten Cacao in Blechbüchsen
ä 1 Pfd. ä */ 2 Pfd. ä V 4 Pfd.
ä 2.80 ä 1.50 " ä —78lTMk7
Gesundheits-Chokolade ä Pfd. = 2 Mk.,
in 1/4 Pfd.-Tafeln ä 50 Pf.
Unsere Präparate sind von reinstem Geschmack,
bestem Arom, höchstem Nährwertlie und leich¬
tester Verdaulichkeit.
§£
© PrJ
0 {B
99 g.
Ji
0 -
Homöopath. Centralapotheke
von Täschner & Co. in Leipzig.
Bönninghausens
Therapeutisches Taschenbuch
in neuer deutscher Auflage.
Brosch. 10.— Mk., geh. 11.— Mk.
Aufträgen sieht die Unterzeichnete Verlagshandlung gern entgegen.
A. Harggrafs homöopath. Officin, Leipzig.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius lfJUer in Leipzig.
Digitized by t^ooQle
ßnnd 159
Leipzig, den 20. Juli 1809
No.3 u. 4.
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITIVG.
Herausgegeben Ton
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A.Marggrafs homöopath. Offlein) in Leipzig
Thomaskirchhof 12.
Erscheint 14 tägig zu 2 Bogen. IS Doppelnummern bilden einen Band. Preis WM, 60Pf, (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. O flicin ln Leipzig) zu richten
sind, werden mit 20 Pf, pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit J —8 M, berechnet.
Inhalt. Bekanntmachung, die am 9. und 10. August a. c. in Elberfeld stattfindende Generalversammlung des
Homöopathischen Centralvereins Deutschlands betr. — Beobachtungen aus dem homöopathischen Krankenhause zu
Leipzig. Von Dr. Stifft. — Die Arzneibehandlung der Tuberkulose. Von Prof. Dr. Hugo Schulz. (Schluss.) — Prä-
ludienklfinge zur Versammlung in Elberfeld. Ileus-Fall. Von Dr. Gisevius jun. — Weckruf zum „Sammeln“ in Elber¬
feld. Von Dr. Mossa. — Die Heilung der Diphtherie auf homöopathischem Wege, insbesondere durch Mercurius
cyanatus. Ref. Dr. Goullon. — Das Selbstdispensirrecht der Aerzte und Homöopathen. Von Dr. Springfeld, Medi-
cinalassessor keim Königl. Polizeipräsidium in Berlin. — Neue Materia medica. Quittung. — Bitte an die Col-
legen! 2. Quittung. — Dank. — Quittung der UnterstQtzungskasse für Wittwen homöopathischer Aerzte. — Quittung
des homöopathischen Krankenhauses zu Leipzig. — Anzeigen.
•9" Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage.
DU diesjährig. Bekanntmachung.
67. Generalversammlung des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands
wird abgehalten werden
am 9. und IO. August In Elberfeld
im Hotel Weidenhof. Am Tage vorher, 8 . August, Nachmittags 4 Uhr, vorbereitende Sitzung der Materia-
medica Commission in demselben Lokale, in dem die Generalversammlung tagt.
Tagesoi
Mittwoch, 9« August, im Hotel Weidenhof:
Geschäfts-Sitzung, pünktlich Yormittags 8 Uhr:
1. Abstimmung über die zur Aufnahme Angemel
deten.
2. Geschäfts-Bericht:
a) des Vorstandes des Centralvereins,
b) des Curntoriums des Krankenhauses,
c) des dirigirenden Arztes desselben,
d) des Vorstandes der Poliklinik.
3. Rechnungslegung des Kassenverwalters und Er- |
theilung der Entlastung auf Grund der von dem
vereideten Revisor vorgenommenen Revision der
Kasse und der Reelinungsablage.
4. Neuwahl bez. Bestätigung des Kassenverwalters.
5. Neuwahl bez. Bestätigung des Institutsarztes.
6. Bericht über die Vereinsbibliothek. ;
7. Bestimmung des nächstjährigen Versammlungs¬
ortes. I
8. Bericht des Propaganda Ausschusses. j
9. Bericht und Anträge des Ausschusses für die j
deutsche Arzneimittellehre. I
(lnnng:
Anträge:
Der Berliner Verein homöopathischer Aerzte be¬
antragt,
„dass von jetzt an der Director des homöo¬
pathischen Krankenhauses zu Leipzig verpflich¬
tet sein soll, alljährlich rechtzeitig vor der
Generalversammlung dem Directorium einen ein¬
gehenden wissenschaftlichen Bericht über seine
Thätigkeit einzureichen, sowie demselben auf
Verlangen seine Kranken-Journale vorzulegen.“
Antrag der Vereinigung homöopathischer Aerzte
Norddeutschlands:
Das Curatorium des Krankenhauses wird alle
drei Jahre von der Central Vereins Versammlung
gewählt; dasselbe muss ausser dem dirigirenden
Arzte noch zwei andere ärztliche Mitglieder des
Centralvereins als Mitglieder haben.
Donnerstag, 10. August, Vormittags 9 Uhr:
Wissenschaftliche Sitzung im Hotel Weidenhof.
Gemäss dem Beschluss der vorjährigen General¬
versammlung übernimmt Herr Dr. Groos-Barmen
den Vorsitz.
Digitized by c^ooQie
Nachtrag
18
Yortrags-Themata:
1. Herr Ober-Medicinalrath Dr. v. Sick Über: „Pro
fessor Samuel und die Homöopathie —, mit ent¬
sprechender Zurückweisung des von dem Ge¬
nannten gegen unsere Heillehre gerichteten An¬
griffes.“
2. Dr. Gisevius jr. referirt über sein in der vor¬
jährigen Generalversammlung übernommenes
Thema: „Perityphlitis und ihre innerliche und
chirurgische Behandlung.“
3. Discussion.
4. Aufstellung neuer Themata für die nächste Jahres
Versammlung.
Fest-Programm:
Dienstag? 8. August, im Hotel Weidenhof:
Nachmittags 4 Uhr Sitzung der Materia-medioa-
Commission.
Yon Abends 8 Uhr an:
BogrQssnng im Hotel Weidenhof.
Mittwoch, 9. August, Vormittags 8 Uhr, ebendaselbst:
Geschäftliche Sitzung.
Daran schliesst sich an:
Donnerstag, 10. August, Yormittags 9 Uhr:
Wissenschaftliche Sitzung ebendaselbst.
Mittags 1 Uhr: Festessen im Speisesaale.
Gegen 4 Uhr: Abfahrt nach Barmen mit der
elektrischen Strassenbahn; daselbst mit
Zahnradbahn nach dem Töllethurm. Kaffee.
Spaziergang durch die Barmer Anlagen nach
der StadthaUe.
Abends Goncert.
JA ©
•gl?
S p
Mittags 127 t Uhr: Frühstück daselbst.
Nachmittags 2 3 / 4 Uhr: Abfahrt über Remscheid
nach Station Scbaberg, von da nach Müng-
sten, Kaiser-Wi lhelm-BrU cke. — Kaffee.
Abends Rückfahrt.
Absteige-Quartiere: Hotel Weidenhof, Hotel
Post, Hotel Europäischer Hof, Hotel Yic-
toria; alle in der Nähe des Bahnhofes.
Zimmer vorher bestellen.
Der Vorstand:
Dr. Windelband-Berlin. Dr. Weber-Köln a. Rh.
Dr. Rohowsky-Leipzig.
Beobachtungen aus dem homöopathischen
Krankenhause zu Leipzig.
Von Dr. med. Stifft, Leipzig.
Zor Behandlung der acuten Pneumonieen.
I.
Wenn wir von den unter dem Namen der
Pneumonie verstandenen acut-entzündlichen Alveo¬
larinfiltrationen sprechen, so haben wir darunter,
um vollständig zu sein, zu verstehen: die croupöse
Pneumonie, die katarrhalische Pneumonie, die inter¬
stitielle und das erste Stadium der käsigen (tuber¬
kulösen) Pneumonie. Die beiden letzteren Formen
scheide ich zunächst aus, die interstitielle Pneu¬
monie, weil sie von keinem klinischen Interesse
ist und nur selten acut im Verlaufe einer croupö-
sen oder katarrhalischen Pneumonie auftritt, die
käsige Pneumonie, weil sie besser im Gesammtbilde
der Lungentuberkulose besprochen wird. Zunächst
einige Bemerkungen über croupöse Pneumonieen.
Die croupöse Pneumonie verläuft nach meinen
Beobachtungen unter drei verschiedenen Formen,
die sowohl pathologisch-anatomisch nach Ausdehnung
und Sitz, als auch, was besonders für die homöo¬
pathische Behandlung von Interesse ist, homöo¬
therapeutisch, nach ihrer Heilbarkeit durch unsere
specifischen Mittel, untereinander gesondert sind.
Die erste Form ist diejenige, wo durch den ent¬
zündlichen Process ein durch Percussion und Aus-
eultation leicht diagnosticirbarer, mehr oder weniger
grosser, compacter Infiltrationsbezirk gesetzt wird.
Hinzu kommt: Acuter Beginn, kritischer Verlauf,
typisches pneumonisches Sputum. Diese Form, das
klassische, schulgerechte Bild der Pneumonie, gilt
für die weitaus häufigste, aber vielleicht mit Un¬
recht ; wenigstens habe ich die nun zu besprechende
zweite Form hier in Leipzig und in unserem Kranken¬
hause häufiger zu beobachten Gelegenheit gehabt.
Diese zweite Form charakterisirt sich besonders
dadurch, dass die entzündliche Infiltration, also die
Localisirung der pneumonischen Infection, hinter
[ andere Erscheinungen zurücktritt, weil sie weniger
compakt, mehr diffus oder, ich möchte sagen, disse-
| minirt auftritt, wie bei der käsigen (tuberkulösen)
j Pneumonie. Ich schliesse natürlich hier diejenigen
Fälle aus, wo der grosse Infiltrationsherd central
liegt, und deshalb tagelang nicht diagnosticirt wer-
| den kann. Der Beginn dieser Form ist nicht so
acut, wie der der ersteren; die geringen Lungen¬
erscheinungen contrastiren mit der Höhe des Fiebers,
der Unruhe und Prostration des Kranken, das Spu-
I tum ist wenig, die ersten Tage oft gar nicht blutig.
Der Temperaturabfall tritt meist ebenfalls kritisch
ein; nicht selten aber beobachtet man ein wieder¬
holtes Ansteigen der Temperatur, ohne dass, wie
bei den Wanderpneumonieen, ein deutliches Fort¬
schreiten des pneumonischen Processes auf andere
Lungen-Abschnitte zu constatiren wäre, bis dem
länger dauernden intermittirenden Charakter der
Pneumonie durch eine endgültige Krise ein Ende
gesetzt wird. Gerade in diesen Fällen habe ich
auch mehrfach in den Vordergrund tretende Gehirn-
Erscheinungen beobachtet, heftige Kopfschmerzen
mit Unruhe und Delirien oder mit deutlich neural-
Digitized by ^»ooQle
Berichtigungen.
19
gischem Charakter und markante Durchfälle. Tritt
in diesen Fällen der Tod ein, so erfolgt derselbe
oft unerwartet unter Deutlicherwerden der Infiltra¬
tionsbezirke, Dyspnoe, Herzschwäche und Lungen¬
ödem.
Die dritte Form, die ich als „Eisenpneumonie tt
bezeichnen möchte wegen der wunderbaren Heil¬
wirkung, die man hier durch „Eisen“ erzielt, ist
wohl die seltenste, tritt aber zeitweise unzweifel¬
haft auch epidemisch auf, wie ich dies im Jahre
1885 in Klein-Schneen, einem Dorfe bei Göttingen,
beobachtet habe, und ist durch bestimmte Erschei¬
nungen wohl charakterisirt. Hier erkrankten in
einer bestimmten Strasse binnen einer Woche vier
Personen an derselben Form der Pneumonie, die
ich im selben Sommer auch an anderen Orten mehr¬
fach beobachten konnte. Diese dritte Form charak¬
terisirt sich speciell durch ihren gewöhnlichen Sitz
in den Oberlappen der Lungen , weshalb ich sie
anfangs für acute Miliartuberkulose hielt. Sie tritt
aber bei den kräftigsten Männern auf und heilt
ohne jede Spur eines tuberkulösen Processes aus.
Der Sitz der Erkrankung lässt sich sehr bald durch
Auscultation und Percussion nachweisen uud charak¬
terisirt die Erkrankung als croupöse Pneumonie;
sie nimmt oft den ganzen Oberlappen ein. Bei
tuberkulös-bronchopneumoni8chen Spitzenaffectionen,
mit denen diese Form der croupösen Pneumonie
leicht verwechselt werden kann, habe ich diesen
physikalischen Befund nie beobachtet. Es kommen
aber auch Fälle vor, wie der später diesbezüglich
angeführte, wo der Unterlappen einer Lunge er¬
griffen ist; doch ist dies nach meiner Beobachtung
weit seltener. Sie beginnt mit Schüttelfrost, ver¬
läuft mit hohem Fieber, grosser Prostration, starken
Schweissen , die nicht kritisch sind, und hochgradiger
Schlaflosigkeit, aber mit geringen Schmerzen. Häufig
werden bei dieser Form charakteristische Delirien
beobachtet, vielleicht weil sie besonders gern Per-
souen betrifft, die mehr oder weniger Alkoholisten
sind und deren durch Alkoholgenuss beeinflusstes
Blut ganz besonders zum Auftreten dieser Form
der Pneumonie disponirt macht. In einem Falle
sah ich die ganze Krankheit unter dem Bilde des
Delirium tremens verlaufen. Das Sputum ist fast
rein blutig , entweder in Klümpchen oder dünn¬
flüssig erscheinend, und hellroth. Ferrum aceticum
Rademacheri wirkt hier specifisch und führt rasch
einen kritischen Temperatur-Abfall herbei, während
bei andersartiger Behandlung — ich gab früher
Chinin oder Natr. salicylicum — der Verlauf länger
und gefährlich wird. Hier im homöopathischen
Krankenhause habe ich diese Form .drei Mal be¬
obachtet. Die gewöhnlich indicirten homöopathi¬
schen Mittel wirkten nicht, — Ferrum prompt.
Was die von uns eingeschlagene Therapie an¬
geht, so war dieselbe je nach der Form und dem
Stadium, in dem die Entzündung in Behandlung
kam, eine verschiedene. Wenn wir auch leider nur
über eine so geringe Zahl von acuten croupösen
Pneumonieen verfügen, dass ich mir nicht erlauben
darf, daraufhin ein massgebendes Urtheil für die
Behandlung zu gründen, — in den Jahren 1800
bis 1899 wurden behandelt: 2 Fälle der ersten
Form, 3 Fälle der zweiten Form, 3 Fälle der
dritten Form,— so ergab doch die klinische Beobach¬
tung, dass bei der eingeschlagenen Therapie der
Verlauf ein relativ leichter, die Krankheitsdauer
eine kurze war; nur 1 Fall, hereditär tuberkulös,
endete durch schwere Hämoptoe.
Für die erste Form der croupösen Erkrankung,
speciell in ihrem ersten Stadium, besitzen wir in unserem
Arzneischatze ein Mittel, bei dessen Anwendung man
kaum einem Widerspruche begegnen dürfte — den
Aconit . Sowohl die Ergebnisse der physiologischen
Prüfung wie auch diejenigen der toxikologischen For¬
schung ergeben das unzweifelhafte Bild der Lungen-
Hyperämie mit ihren Begleiterscheinungen, von den
geringsten Anfängen bis zur vollkommensten Ausbil¬
dung. Hiermit hört aber auch die Aehnlichkeit
der Aconitwirkung mit dem in Frage stehenden
pathologischen Entzündungsprocesse auf, d. h. also,
mit dem Beginn der rothen Hepatisation, denn noch
Niemand hat meines Wissens eine derartige ent¬
zündliche Infiltration als Folge einer Aconit-Ver¬
giftung nachgewiesen. Kamen bis zu diesem Zeit¬
punkte heftige Pleurodynieen — bei oberflächlich
gelegenem Entzünduugsprocess — vor, so habe ich,
offen gestanden, von Bryonia niemals eclatantere
Wirkung gesehen, wohl aber von der Eisblase,
einem Priessnitz oder im Nothfalle einer Morphium-
Einspritzung; anders verhielt es sich, wenn sich
zu dem pneumonischen ein pleuritischer Entzün-
dungsprocess hinzugesellte.
In den weiteren Stadien der Pneumonie waren es
vorzugsweise zwei Mittel, welche von entschiedener
Wirkung zu sein schienen, Phosphor und Tartarus
stibiatus, — ich sage absichtlich „zu sein schienen“,
denn bei der geringen Beobachtungszahl und dem
häufig ohne alles Zuthuu günstigen Verlauf der Pneu¬
monieen halte ich mich nicht für berechtigt, von einer
sicheren Wirkung zu sprechen. Phosphor schien
mir dann besonders zu passen, wenn nach Ablauf
der stürmischen Erscheinungen das Exsudat nicht
zur Resorption kommen, das Fieber noch nicht
weichen wollte und der Appetit stark darnieder
lag, d. h. also da, wo die Metamorphose und Auf¬
saugung des gesetzten Infiltrates nicht vorwärts¬
schreiten wollte. Ich erinnere mich eines im Jahre
1889 behandelten Falles, wo nach einer Pleuropneumo¬
nie ein hohes Exsudat zurückgeblieben und der untere
Lappen der rechten Lunge vollständig atelektatiscb
8 *
Digitized by ^»ooQie
20
geworden war. Der betreffende Kranke, ein aus¬
wärtiger Landwirth, wurde als schwindsüchtig uns
zugewiesen. Hier trat auf Phosphor eine so stür¬
mische Reaction ein, dass die Resorption unter
reichlichem fibrinösen, mit hellrothem Blut gemeng¬
ten Auswurf erfolgte, aber ganz fieberlos. Nach
acht Tagen waren Exsudat und Atelektase ge¬
schwunden, die Lunge vollkommen normal und der
Kranke gesund. Derselbe blieb noch mindestens
1 Jahr in Beobachtung und war dann wieder stark
und kräftig wie zuvor. Besonders aber bewährte
sich der Phosphor in der von mir als zweite Form
bezeichneten croupösen Affection, wie ich schon
vorweg erwähnen will. Tartarus slibiatus gab ich
besonders dann, wenn sich zur Einschmelzung des
Exsudates stärkere bronchitische Erscheinungen bei
tympanitischem Percussionston hinzugesellten. —
Was die zweite Form, unter der die croupös-pneu-
monische Entzündung auftreten kann, anlangt, so
habe ich dieselbe sowohl im Krankenhause als auch
in der Privatpraxis häufiger auftreten sehen. Sie
charakterisirt sich besonders, wie schon gesagt,
durch weniger stürmischen Eintritt, Zurücktreten
der eigentlich pneumonischen Erscheinungen und
weniger typischen Verlauf. Das Mittel, welches
mir hier das homöopathisch-therapeutisch richtigste
und wirksamste zu sein scheint, ist der Phosphor.
Vielleicht sind es gerade diese Fälle gewesen, die
seiner Zeit Fleischmann zu dem entschiedensten
Fürsprecher dieses Mittels machten und zu dem
Ausspruch veranlassten, dass eine Pneumonie, die
nicht durch Phosphor zu heilen sei, überhaupt
homöopathisch nicht geheilt werden könnte. Sorge
schränkte die Anwendbarkeit des Phosphor in der
Pneumonie nach dem Aehnlichkeitsgesetze schon
wesentlich ein Da wir aber nirgends eine so vollstän¬
dige Uebereinstimmung in Arzneisymptomatologie
und Pathologie finden können, wie es ja so sehr
wünschenswerth wäre, so muss meines Erachtens
die Empfehlung eines Mittels für die Praxis neben
der theoretischen Calkulation ganz wesentlich ge¬
stützt sein auf die praktische und klinische Be¬
obachtung. (Schluss folgt.)
Die Arzneibehandlung der Tuberkulose.
Von Prof. Dr. Hugo Schulz.
Sonderabdruck aus der „Deutschen Medicinischen
Wochenschrift“ 1899, No. 21.
(Schluss.)
Das bekannte Verhalten der sogen. Aethereo-
Oleosa, Ozon bildend wirken zu können, lässt
sich unmittelbar auch nicht zu einer Erklärung i
ihres ebenso häufigen, wie berechtigten Gebrauches
heranziehen. Wir wissen von ihnen, dass sie die
secretorischen Functionen der Schleimhäute deut¬
lich ändern, dass sie schmerz- und hustenlindernd
wirken. Neben dem, immer nur mit Vorsicht brauch¬
baren, Terpentinöl steht das Eukalyptusöl als ein
bedeutungsvoller Repräsentant dieser ganzen Gruppe
da. Auch hier stehen mir eigene Beobachtungen
zu Gebote, um ein solches Urtheil abgeben zu
können. Abgesehen von diesen beiden spielen Ab¬
kochungen und andere Präparate pflanzlicher Her¬
kunft, die mehr oder weniger reich sind an flüch¬
tigen Oelen, ihre Rolle in der ärztlichen und der
volksthümlichen Behandlung der Lungentuberkulose.
Es würde auch hier wieder eine stattliche Reihe
von Pflanzennamen sich aufführen lassen, aber der
Raum macht seine einschränkenden Anforderungen
geltend. Nur noch des vielgebrauchten Anisöles
und des aus ihm hergestellten Liquor Ammonii ani-
satus sei gedacht. Auch die eigenthümlichen harz¬
artigen Verbindungen, die Myrrhe, das Ammoniacum,
ja selbst die Asa foetida rechnen hierin und haben
ihre Verwendung gefunden.
Die sogen. Balsame , insbesondere der Peru-
balsam, fordern noch eine besondere Berücksich-
I tigung. Man wusste lange, dass namentlich der
erstgenannte sehr brauchbar sei gegen eitrige Secret-
bildung auf Schleimhäuten, namentlich des Bron¬
chialbaumes. Den wesentlichen Bestandtheil des
Perubalsams bildet die Zimmtsäure. Sie ausgiebig
geprüft zu haben und an Stelle des unhandlichen
Rohproductes die reine Säure und ihr leicht lös¬
liches Natronsalz in die Therapie eingeführt zu
haben, ist das Verdienst Lander er’s. Seine Arbeiten
und Beobachtungen geben der Hoffnung Raum, dass
dieser Zweig arzneilicher Behandlung der Tuber¬
kulose bestimmt ist, Blüthen und Früchte zu zei¬
tigen und für die Therapie einen Beitrag zu liefern,
dessen sich Arzt und Patient in gleicher Weise er¬
freuen dürfen.
Als in den ersten Decennien unseres Jahr-
I hunderts Reichenbach die Stoffe bekannt machte,
die er aus dem Theet • isolirt und mit zum Theil
I recht bizarren Namen belegt hatte, ging die ärzt-
| liehe Welt daran, die neuen Körper für die Praxis
durchzuprüfen. So empfahl denn Rampold das
I Kreosot zur Behandlung der Phthisis pulmonum,
j Er gab es innerlich zu einige* Tropfen in Wasser:
! „wo ein Zustand von schnellem Zerfliessen der
Tuberkelmasse eintritt, so dass ohne sehr weit ver-
j breitete Ablagerung von Tuberkeln schnell ein Ver-
j zehren des thierischen Stoffes und Bildung von
Eiterhöhlen entsteht, wobei zugleich Atonie das
Vorherrschende und nichts von sthenisch entzünd¬
lichem Zustande vorhanden ist“ (Hecker). Man
hatte schon früher Producte der trockenen Destil¬
lation, besonders das Oleum animale foetidum, dann
Digitized by ^»ooQle
Steinöl benutzt, aber die Reichenbach’schen Ent¬
deckungen führten weiter, und so haben wir heute,
dank den Fortschritten der Chemie, noch andere
Verbindungen zur Verfügung, die eine sichere und
handlichere Verwendung ermöglichen. Besonders
zu erwähnen ist hier neben dem mehr in den
Hintergrund getretenen Kreosot das Guajakol, das
zum Ausgangspunkt einer grösseren Reihe neuer
Präparate gedient hat. Vieles darunter ist in erster
Linie hervorragend durch einen schönen Namen.
Der denkende Arzt wird sich dadurch nicht blenden
lassen. Das Einfachste ist immer das Beste, und
es führt überall weiter, einige wenige Präpaiate
auf ihre Leistungsfähigkeit bin genau durchzuarbeiten
und zu kennen, als durch stetes Abspringen auf
etwas Neues am letzten Ende weiter nichts zu för¬
dern, wie die Höhe der Dividenden von Actien-
gesellschaften.
Es sind übrigens nicht allein die zusammen¬
gesetzteren Verbindungen dieser ganzen grossen
Gruppe arzneilich benutzt worden. Mit dem Aceton
sind schon in den fünfziger Jahren Versuche an¬
gestellt, ja selbst der letzte Rückstand aller trocke¬
nen Destillation, die Kohle, hat ihre Lobredner
gefunden.
Unwesentlich ist der Gebrauch der Alkaloide
zur allgemeinen Behandlung der Lungentuberkulose
Ausser dem oben schon erwähnten Coniin, beziehent¬
lich der Coniumtinctur, sind Aconit und Colchicum
einmal empfohlen und bald wieder vergessen worden.
Dem Piperidin ist es nicht besser gegangen.
Den Schluss dieses ganzen Abschnittes mögen
die Präparate bilden, von deren innerem Aufbau
und, offen gestanden, auch deren eigentlicher Wir¬
kungsart wir noch gar nichts wissen. Es rechnen
hierin die eigenthümlichen Substanzen, die, als der
Lebensthätigkeit der für die Phthise am letzten
Ende verantwortlich gemachten Mikroorganismen
entsprossen, angesehen werden. Es sind das ins¬
besondere das sogen. Tuberkulin in seinen ver¬
schiedenen Arten, dann das aus dem Tuberkulin
durch Behandlung mit Wasserstoffsuperoxyd be¬
reitete Oxytuberkulin und* endlich das Oxysepsin.
Es ist hier nicht der Oit,**uf diese Producte der
Neuzeit näher einzugehen. fcfeir den Pharmakologen
hat der Umstand, dass maft' so gar wenig über
ihren inneren Aufbau und da» v eigentlich in ihnen
wirkende Princip weiss, etwas Unbequemes. Das¬
selbe gilt in noch ausgesprochenerer Weise für die
allerneueste Behandlung der Tuberkulose mit Lungen¬
substanz, dem, wenn ich nicht irre, von Brune st
empfohlenen Glycerinauszug aus dem Lungengewebe.
Diese, den Bestrebungen auf dem modernen Ge¬
biete der Organsaft- oder, wie sie heute ge¬
nannt wird, der Opotherapie entsprossene Behand¬
lungsmethode erinnert an die altehrwürdige Ver¬
wendung der Fuchslunge, Pulmo vulpis, zum gleichen
Zwecke.
Wir wären damit zum zweiten Theil unserer
Aufgabe gelangt und hätten demgemäss die arznei¬
lichen Behandlungsformen der bei der Tuberkulose
vorzüglich in Betracht kommenden Einzelsymptome
nunmehr zu besprechen. Die Anomalieen der Se-
cretion, wie sie die Tuberkulose in ihrem Anfang
und der weiteren Entwickelung zeitigt, sind schon
sehr früh Gegenstand der Pharmakotherapie ge¬
wesen. Die ältesten Repräsentanten auf diesem
Gebiete sind die Emctica. Ihnen, speciell dem
Antimon, begegnen wir schon in der klassischen
Zeit, jüngeren Datums ist die Ipecacuanha. Ihnen
schlossen sich an das kohlensaure Natron und bc
sonders das Kochsalz. Beide kommen wesentlich
in Betracht bei dem kurgemässen Gebrauche der
Quellen, deren hervorragenden Bestandteil sie bilden.
Ebenso gehört hierin der Salmiak, der zu Anfang
unseres Jahrhunderts sogar zur Abfassung beson¬
derer Monographieen Veranlassung gegeben hat.
Es ist von höchstem Interesse, dass die sogenannte
schleimlösende Wirkung der letztgenannten Mittel
schon vor 100 Jahren von dem Hallenser Pharma¬
kologen Carl Gren auf ihren letzten Grund hin
erkannt ist. Gren sagt in seinem, 1798 erschie¬
nenen „System der Pharmakologie“ von den so¬
genannten Resolventien, insbesondere den alkalischen
Salzen: „Diese Dinge verrichten ihre arzneyliehe
Wirkung auf andere Weise, als dass sie Menstrua
für zu zähe, pituitöse Säfte beiiq inneren Gebrauche
abgeben sollten. Sie sind dies nicht einmal ausser
dem Körper, wie eine genaue chemische Unter¬
suchung lehrt, und schon der Umstand, dass jene
Substanzen in der geringen Masse, als man sie an¬
wendet, so allgemeine auflösende Kräfte für die Masse
der Säfte äussern sollten, hätte zu einer näheren
Kritik jener Meynung führen sollen. Die widernatür¬
lich dicke Consistenz der aus einem Secretionswerk-
zeuge abgesonderten Flüssigkeit ist kein Zeichen
von zu dicker Beschaffenheit der Säfte, welche dem
Absonderungsorgane zugeführt werden. — Die ver¬
änderte Consistenz der abgesonderten Flüssigkeit
zeigt vielmehr veränderte Thätigkeit in dem Ab¬
sonderungsorgane selbst, und folglich eine ab¬
geänderte Beschaffenheit desselben an, die eigent¬
lich gehoben werden muss, wenn das dadurch er¬
zeugte Product widernatürlich ist.“ Wie oft hören
wir heute noch die Meinung ausgesprochen, dass
die Alkalien gerade wegen ihrer alkalischen Be¬
schaffenheit befähigt seien, unmittelbar schleim¬
lösend zu wirken! Auch die, ebenfalls vorher schon
genannten, Aethereo-Oleosa spielen eine wesentliche
Rolle bei der Therapie der perversen Secretion der
Bronchialschleimhaut. Erwähnt sei endlich noch
der Gebrauch der Benzoe wie auch der Senega,
Digitized by c^ooQie
die heute wohl kaum noch eine wesentliche Rolle, i
speciell bei ausgesprochener Lungenphthise, spielen. *
In hohem Grade beängstigend wirkt es auf den
Phthisiker, wenn er in seinem Sputum die Folgen
beginnender Alteration der Lungengefasse bemerkt,
wenn er Blut spuckt, wie der landläufige Ausdruck
lautet. Und diese Angst steigert sich zum höchsten
Grade, wenn es sich um eine eigentliche Hämoptoe,
einen Blutsturz handelt. Zahlreich sind die Mittel,
die gegen die Hämoptyse angegeben wurden. Die
unorganischen, sogenannten Adstringontien, beson¬
ders Blei und Alaun, dann für schwere Fälle das
Eisenchlorid sind im Gebrauche. An ihre Seite
treten die pflanzlichen Präparate, die sich durch
einen besonderen Gehalt an Tannin auszeichnen,
wie auch dieses selbst. Wir finden in der älteren
Literatur Mittheilungen, dass Blutspeier geheilt
wurden durch lange fortgesetzten Aufenthalt in einer
Lohmühle, deren Atmosphäre mit den feinen, gerb¬
säurehaltigen Staubtheilchen durchsetzt war. Dann
sind zu nennen einzelne Säuren, besonders wieder
die Phosphorsäure und die Schwefelsäure. Diese
ist in neuerer Zeit wieder sehr empfohlen worden,
auch in Gestalt ihres Natronsalzes in kleinen Dosen
fortgesetzt zu nehmen Nicht zu übersehen ist der
Gebrauch des Kochsalzes bei stärkeren Blutungen
Sollte in ihm, wie im Liquor Ferri sesquichlorati
nicht der Chlorcomponent eine besondere Rolle
spielen? Von pflanzlichen Droguen ist besonders
zu erwähnen das Secale für acute, stärkere, sowie
die Digitalis bei den mehr chronisch sich zeigen¬
den, geringfügigen Blutungen. Es existirt noch
eine grössere Zahl gegen Lungenblutungen ge¬
bräuchlicher Mittel, von denen erwähnt sein mögen
die Wurzel der Baumwollenstaude, die Hydrastis,
die aus Mexiko eingeführte Commelina tuberosa.
Als Volksmittel dienen die Schafgarbe, die Blüthen
der Königskerze, Wollblumen genannt, dann ferner
der rothe Weiderich, Lythrum salicaria, der Bein¬
well, Symphytum officinale, die ehemals als Radix
dentariae officinellen Wurzeln einer Plumbagoart
und endlich die Bellis perennis, das bekannte Maass¬
liebchen. Harze, insbesondere Mastix und Weih¬
rauch, gaben die Alten gegen Lungenblutungen
auch der Zimmt kommt in ihrem Thesaurus medi-
caminum vor. Mit den bisher aufgeführten Prä¬
paraten und Droguen ist auch diese Reihe selbst¬
verständlich in keiner Weise erschöpft. Eine Auf¬
zählung aller zur Behandlung der verschiedenen
Krankheitsbilder, die die Tuberkulose zeitigt, em¬
pfohlener und angewandter Mittel würde Buchform
annehmen.
Die Schiceisse, von den Alten mit Recht als
colliquative bezeichnet, die, anstatt den Kranken
zu kräftigen und als wohlthuende, kritische Phäno¬
mene schätzbar, den Zerfall des ergriffenen Orga¬
nismus geradezu befördern, sind selbstverständlich
ebenfalls Gegenstand der Therapie geworden. Die
Anzahl der hierher gehörenden Mittel ist, im Ver¬
gleich zu den bisher besprochenen, nur gering.
Die neueste Zeit hat auf diesem Gebiete das essig¬
saure Thallium, die Chloralose und die Campher-
säure, sowie das aus der Cotorinde stammende
Cotoin uns bescheert. Aeltercn Datums ist der
Gebrauch des Atropins und des Alkohols in Form
von Cognak oder dergleichen. Beide, das Alkaloid
und das Universalgenussmittel zeigen schon beim
gesunden Menschen eine ganz typische Wirkung
auf die Gefässe der Haut und damit auch auf die
von ihnen ernährten weiteren Hautbestandtheile.
Und so sehen wir sie denn beim Phthisiker ihren
anregenden Einfluss auf das im Kampfe mit der
Krankheit erlahmende Gewebe der Haut und ins¬
besondere auf die in sie eingebetteten Schweiss-
drüsen ausüben. Die Anregung kann selbstver¬
ständlich nur so lange Vorhalten, als das erregte
Gewebe noch reactionsfähig ist. Einmal ist es da¬
mit zu Ende und die Hilfe, die der Arzneireiz
bringen soll, muss illusorisch werden. Alte Volks¬
mittel sind der Lärchenschwamm und die Salbei.
Ersterer scheint ein unzuverlässiger Vertreter der
ihm gestellten Aufgabe zu sein, das aus ihm her-
gestellte Agaricin kann sogar direct schädlich wirken.
Die Salbei ist, abgesehen von der durch keinen
irgend in Betracht kommenden Preis überall mög¬
lichen Anwendung, absolut unschädlich und leistet
dabei gleichwohl gerade bei den Schweissen der
Phthisiker oft recht erhebliche Dienste. Ihr äthe¬
risches Oel wirkt sehweisserregend bei Gesunden,
die geringen, ira Salbeithee vorhandenen Quanti¬
täten desselben genügen, als wirkungsvolle Erreger
die pathologisch arbeitenden Schweissdrüsen zu be¬
einflussen.
Hat das Tuberkulosegift den Darm ergriffen
und seine Functionen zu vernichten begonnen, dann
treten als weiteres, den Organismus schwächendes
Moment die Durchfälle ein. Wir besitzen eigent¬
lich bis jetzt kein Mittel, sie andauernd und mit
Erfolg zu bekämpfen. Wismuthpräparate, Opium,
die oben schon erwähnten Adstringentien, dann die
Colombowurzel sind mit wechselndem aber selbst¬
verständlich niemals dauerndem Erfolg gegeben
worden. Die Durchfälle sind das Symptom einer
mit tödtlicher Sicherheit weiter schreitenden Alte¬
ration der anatomischen Beschaffenheit und physio¬
logischen Arbeitsleistung des Darmrohres. Kein
Arzneimittel der Welt ist im Stande, zerstörtes Ge¬
webe wieder herzustellen. Und so wird die Thera¬
pie der Phthisikerdurchfelle immer nur eine zeit¬
weilige, symptomatische sein können, ebenso wie
die so mancher anderen Begleiterscheinung der
Tuberkulose. Alle diese verschiedenen Symptome
Digitized by c^ooQie
23
haben das Ueble an sich, erst recht deutlich zu
werden, wenn der Krankheitsprocess schon über
ein bestimmtes Maass hinaus gediehen, der Organis¬
mus selbst schon erheblich reducirt worden ist.
Dann hört es eben auf mit einer Therapie, die
eine völlige Wiederherstellung ermöglichen möchte.
Contra vim mortis nulla herba in hortis!
Es ist noch nicht gar lange her, seitdem die
Therapie zur Erkenntnis gekommen ist, dass im
ausschliesslichen oder doch fast ausschliesslichen
Suchen und Gebrauchen von solchen Mitteln, die
die fieberhaft gesteigerte Temperatur herabmildern
können, nicht die Hauptaufgabe der arzneilichen
Behandlung liege. Wie viele dieser sogenannten
Antipyretica sind nicht aufgetreten und wieder ver¬
schwunden! Gerade das Misslingen der antipyre¬
tischen Behandlung der Febris hectica ist ein deut¬
licher Beweis dafür, wie ohnmächtig eine Therapie
dasteht, die die Bekämpfung eines einzigen Sym¬
ptoms einer Krankheitsform sich zur Aufgabe stellt,
die den ganzen Organismus in schwerste Mitleiden¬
schaft zieht. Wie man in jener Epoche das Fieber
zu behandeln pflegte, das dem Tuberkulösen so
sicher ist wie nur etwas, davon macht man sich
heute oft kaum eine Vorstellung mehr. Chinin,
Salicylsäure, Natriumbenzoat waren die ersten Prä¬
parate, die angewandt wurden. Ihnen ist dann
eine ganze Schaar anderer gefolgt. Sie wirkten
wohl, man konnte das Fieber wohl nieder zwingen.
Aber es kam wieder, und es ist eine naheliegende
Frage, ob das andauernde Operiren mit schliesslich
doch nicht gerade gleichgültigen Stoffen am Ende
nicht mehr geschadet wie genutzt hat. Sogar der
Alkohol hat in dieser Hinsicht einen dauernden
Standpunkt sich nicht erobern können. Die Hoff¬
nung, dass seine innere Anwendung nebenher auch
noch den Vorth eil habe, materialersparend für den
in übernatürlicher Verbrennung stehenden Organis¬
mus wirken zu können, und dass seine leichte Ver¬
brennbarkeit das Körpereiweiss zu schonen berufen
sein möchte, ist nach den neuesten Arbeiten auf
diesem- Gebiete, besonders denen von R. Rose¬
mann, mindestens nicht mehr als sicher stehend
zu betrachten.
Wir kommen zum Schlüsse. Wenn der Arzt
einsehen muss, dass sein ernstestes Mühen vergeb¬
lich ist, dass die Krankheit ihren Weg unerbittlich
weiterschreitet, dann bleibt ihm immer noch eine
Aufgabe, die von jeher eine der höchsten in der
Therapie unheilbarer Krankheiten gewesen ist: das
Lindern des Schmerzes, Der quälende Husten, der
dem Phthisiker die Ruhe raubt, die mit ihm ver¬
bundenen Schmerzgefühle, die gemeinschaftlich die
Nächte des Kranken zur Pein werden lassen und
den letzten Rest von Lebenshoffnung vernichten
wollen, lassen sich beseitigen oder doch herab¬
mildern. Freilich auch nur für eine bestimmte Zeit,
aber jede schmerzfreie Stunde ist ein Gewinn.
Die gebräuchlichen, milderen und eingreifenderen
Hautreizmittel, die ableitend wirken sollen, lassen
in der Regel bald im Stiche. Auch der Gebrauch
der wegen ihres Schleimgehaltes oder aus anderen
Gründen beliebten pflanzlichen Präparate, des Eibisch,
des Huflattig, und ähnlicher, hält nicht lange vor.
Res ad triarios venit, die Narkotika müssen den
ungleichen Kampf aufnehmen. Da haben wir, ab¬
gesehen von den auch hier wieder uns begegnen¬
den, aber auf die Dauer nicht nachhaltig genug
wirkenden Aetliereo-Oleosis zunächst die narko¬
tischen Eigenschaften der Blausäure zu erwähnen.
Dies furchtbare Gift wird in genügender Verdünnung
zu einem Wohlthäter des Kranken. An die Stelle
der alten Aqua Laurocerasi ist heute das Bitter¬
mandelwasser getreten. Freilich giebt unsere alkaloid¬
frohe Zeit, die durch die rasche Wirkung der iso-
lirten Principien gewisser Pflanzen verwöhnt ist,
dasselbe in der Regel gleich von vornherein mit
Morphin gepaart. Aber es heisst beim Phthisiker
in einem gewissen Stadium vor allen Dingen: Zeit
gewinnen, und je länger man den Patienten ohne
die sogenannten Heroica beruhigen kann, um so
besser ist es für ihn. Es kommt doch einmal der
Augenblick, wo man ohne sie nicht mehr aus-
kommen kann. Sie für das Letzte aufzusparen und
die durch den fortgesetzten Gebrauch unvermeid¬
liche Gewöhnung an ihre Wirkung so lange hinaus¬
zuziehen, wie es irgend angeht, ist auch eine Kunst.
Dann bleiben uns das Opium, das Morphin, die
Datura, der Hyoscyamus und die vielen organischen
Verbindungen, die als schlafmachend und schmerz¬
lindernd gepriesen werden. Dann ist jedes Mittel
am Platze, vorausgesetzt, dass es hilft. Und dann
kommt das Ende, sicher und unerbittlich, und die
arzneiliche Therapie der Tuberkulose steht am
Ende ihres Könnens. Dass sie in der Hand des
Arztes gleichwohl eine mächtige Waffe ist, weiss
jeder, der im Kampfe mit der Tuberkulose ge¬
standen hat und steht. Ueber ein gewisses Maass
kann sie ebenso wenig hinaus wie jede andere Art
der Therapie überhaupt. Aber innerhalb ihrer
Grenzen vermag sie, zweckentsprechend geleitet
und nicht nur einem einmal beliebten Schema fol¬
gend, Erhebliches zu leisten. Auch die arzneiliche
Therapie der Lungentuberkulose hat ihre Ideale!
Präludienklänge zur Versammlung
in Elberfeld.
Entsetzt ruft der etwaige Leser: Schon wieder
soweit. Es fallt ihm vielleicht auf die Seele und
wieder in das Gedächtniss, was er alles für diesen
Digitized by
Google
24
Termin sich für seine geliebte Homöopathie zu
leisten vorgenommen hatte.
Da es nun so schwer ist, gemeinsame Maass-
regeln trotz der Kleinheit unsers Lagers zur Aus¬
führung zu bringen und erfahrungsgemäss auf
unsern Tagungen der bellum civile auf Kosten der
Bestrebungen fürs gemeine Wohl einen unge¬
messenen Raum einzunehmen pflegt, so seien schon
heute einige bezügliche Punkte zur Sprache ge¬
bracht.
Die allgemeinen Wünsche für einen regen Be¬
such, für eine rege Werbetätigkeit unter den
homöopathischen Collegen und Anderes mehr wird
unzweifelhaft die Redaction in bekannter berufen¬
ster Weise zum Ausdruck bringen; hier seien einige
Specifica erörtert.
Zunächst ist es dringend erwünscht, dass alle
Collegen der Theilnahme an der Commissions¬
sitzung am 8. August ein reges Interesse entgegen¬
bringen, dass ein jeder Verein vertreten ist. Denn
hier werden die Berichte und Anträge für die
Hauptversammlungen vorbereitet betreffs der Neuen
Arzneimittellehre, der Propaganda, der Prüfungen
und weitern Anregungen.
Wer dazu etwas mitbringt, für den ist dies der
Tag und die Stunde. Jeder aber wird unsere ge¬
meinsamen Ziele und Bestrebungen mit wärmerem
Blicke ansehen, sich in dieselben mehr einleben,
wenn er sich an diesen eingehenderen Vorarbeiten
betheiligt. Das ist um so zweckmässiger, weil, wie
eben betont, die unerquicklichen Discussionen be¬
kannter Art einen so breiten Raum einnehmen, dass
z. B. in Salzburg ein grosser Theil der wahrlich
mühsam genug zusammengebrachten wissenschaft¬
lichen Beiträge nicht mehr zur Erledigung kommen
konnte. Wie wenig das zur Hebung des Central¬
vereins beiträgt, ergab die Entrüstung der wacke¬
ren Autoren, die sie dem Unterzeichneten gegen¬
über Luft machten. Sie haben ihre Sachen wieder
mit nach Hause genommen, wo sie noch liegen.
Dann äusserte ein älterer College in unserm letz¬
ten Ferienkurs, der aufmerksam unsere Zeitungen
liest, er gehe in einen solchen streitenden Verein
nicht hinein. — Es ist geradezu eine Lebensfrage,
dass, soweit solche Verhandlungen überhaupt noth-
wendig sind, sie auf das sachlich geringste Maass
beschränkt werden.
Die angenehmen Nachrichten bezüglich der
Arzneimittellehre und der Propaganda, die Aende-
rungen und Anträge in dem Betrieb der Prüfungen
seien Elberfeld ausschliesslich Vorbehalten; über die
Propaganda aber sei hier im Voraus auf frischer
That eine Bemerkung gemacht: Abgesehen von
einigen Stilübungen geringerer Art, zeitigte die
Polemik unserer Gegner besonders zwei Blüthen:
die von Herrn Samuel und von Herrn Metters¬
hausen , die in diesen Blättern erwähnt worden
sind. Die beiden für uns günstigem Werke waren
das von Herrn Schulz, ganz dem homöopathischen
Standpunkt entsprechend, das von Herrn Behring,
der That aber nicht der Absicht nach, wie eben¬
falls hier besprochen.
Nun ist im vorigen Jahre in Salzburg be¬
schlossen: es wird einer, für dieses Jahr war es
Herr Villers, die ganzen Leistungen sammeln, da¬
raus einen Artikel machen, denselben in einem
unserer Blätter abdrucken und in billigen Sonder¬
abzügen mit der Werbeschrift zusammen im näch¬
sten Jahre an einen Theil der allopathischen
Collegen senden. Derselbe wird uns nun in Elber¬
feld seine, wofür schon der Name bürgt, vorzüg¬
liche Arbeit vorlegen.
Nun haben einzelne Collegen, wie Herr Grüne¬
wald, Frankfurt a. M., Herr Schwarz, Branden¬
burg, in kurzen Artikeln in der politischen Presse
einzelne kleinere Schädlinge besorgt, was, wie die
Schriftleitung schon hervorhob, sehr dankenswerth
ist, da der Apparat des Centralvereins zur Abwehr
solcher Tagesleistungen viel zu langsam arbeitet.
In den letzten Tagen ist eine ausgezeichnete
Widerlegung des Pamphlets des Herrn Wetters¬
hausen von Herrn Schlegel erschienen. Schade,
dass die Kenntniss derselben sich auf die homöo¬
pathischen Kreise beschränken muss, da der Herr
Verfasser leider nicht den eben erwähnten Weg
zur Veröffentlichung beschritten hat, der allein es
ermöglicht, solche Abwehrartikel denjenigen mit-
zutheilen, für die sie bestimmt sind.
Möge derselbe und alle die Herren, die eine
solche Lanze für unsere Sache brechen wollen,
künftig nach Möglichkeit letzteren wählen. Sonst
scheitert die beabsichtigte Wirkung.
Ira Uebrigen auf Wiedersehen in Elberfeld.
* * *
Wegen des für dort gewählten klinischen Themas
und im Anschluss an die vor einiger Zeit in diesen
Spalten geschilderten beiden Ileus-Fälle, die mit
Erfolg mit Lufteinblasungen behandelt worden,
folge hierunter ein dritter derartiger
Ileus-Fall.
Mädchen von 15 Jahren. Früher verschiedene
Male an leichten Blinddarm - Entzündungen be¬
handelt, war seit einem Jahr frei von allen Be¬
schwerden mit Ausnahme einer sehr hartnäckigen
Verstopfung, die täglich mit Klystieren bekämpft
wurde. Vor acht Tagen geimpft. — Erkrankte
15. Mai: Morgens 7 Uhr, urplötzlich im völlig¬
sten Wohlbefinden mit einem Schmerz im Leibe,
Erbrechen und hohem Fieber.
20. Mai: Abends 8 Uhr, sah ich sie zuerst.
Digitized by Google
25
T. 40,2. P. 150, sehr klein. Erbrechen, Lippen
trocken, Gesicht verfallen, dünner Stuhl. Bauch
stark meteoristisch und druckempfindlich, besonders
die Blindd&rmgegend. Grosse Unruhe, Kreuz- |
schmerzen. Diagnose: Peritonitis im Anschluss an !
Perityphlitis. Therapie: Auf den Pauch Priessnitz
(keine Eisblase). Aconit 3 , Bryon. 3., stündlich
wechselnd. Hohe Einläufe.
21. Mai: Morgens, Bild unverändert. Nachts
kein Schlaf. T. 38,0. P. 140. Oberhalb des
Nabels eine querverlaufende, geblähte, sehr em¬
pfindliche Darmschlinge. Blinddarmgegend sehr
empfindlich. Nahrung völlig verweigert.
Abends: T. 39,5. P. 160. Facies hippocra-
tica, Lippen schwarz, Athem süsslieh stinkend.
Aeusserste Unruhe. Der spärlich gelassene Harn
enthält Indican. Seit Freitag früh keine Blähungen
mehr, die Eingiessungen kommen nur gefärbt zu¬
rück. Die gelähmte Schlinge erhebt sich über die
Oberfläche des Bauches. Massenhaftes Kotherbrechen.
Diagnose: Ileus. Therapie: Lufteinblasungen mit
Gummischlauch. Zu diesem Zwecke ist die Auf¬
bietung der gesammten Lungenkraft erforderlich,
das Zeichen der genügenden Füllung sind lebhafte
Schmerzensäusserungen der Patientin. Es erfolgt
alsbald der Abgang von lauten Blähungen. —
Heisse Breiumschläge. Opium 3. d. d., stündlich
4 Tropfen.
22. Mai: Morgens. Die ganze Nacht sind
Winde abgegangen. Auf Eingiessungen stückiger,
harter Koth. T. 38,0. P. 150. Leib weicher,
Schlinge verschwunden. Kein Erbrechen, trinkt
etwas, keine Schmerzen, Schlaf. Therapie: Um¬
schläge, heisse. Opium.
Abends: T. 38,4. P. 130. Auf Eingiessungen
massenhafter Stuhl. Winde gehen andauernd.
24. Mai: Abends. T. bis 38 6. P. 110, un¬
regelmässig. Kein Erbrechen, Stuhl auf Ein¬
giessungen. Coecum - Gegend noch empfindlich.
Therapie : Heisse Umschläge, Eingiessungen. Solu-
bil. 3., Plumbum 3., zweistündlich abwechselnd
bohnengross.
26. Mai: Abends. T. bis 38,5. P. 105. Leib
weich, schmerzlos. Blinddarmgegend empfindlich.
Auf Eingiessungen massenhafter Stuhl. Therapie:
dieselbe.
27. Mai: Abends T. 38,1. P. 100.
29. Mai: T. Abends 37,5. P. 90.
30. Mai: T. Abends 38,0. P. 90.
31. Mai: T. Morgens 38,9. P. 100.
T. Abends 38,5. P. 110.
1. Juni: T. Morgens 37,9. P. 100.
T. Mittags 37,5. P. 105.
T. Abends 39,7. P. 130.
Zunge etwas reiner als am 31. Mai. Therapie:
Heisse Umschläge. Sublimat 5. d. d.
2. Juni: T. Morgens 37,5. P. 100,
T. Abends 39,0. P. 125.
3. Juni: T. Morgens 37,2. P. 120.
T. Abends 39,3. P. 120.
In der rechten Darmbeingrube ist eine zwei
handflächengrosse Dämpfung percutirbar. Sehr
druckempfindlich; anscheinend Fluctuation:
Diagnose: Paratyphlitischer Abscess.
Therapie: Operation.
4. Juni: 9 1 / 2 Uhr Morgens. In Chloroform
Narcose Probe-Punktion. Dieselbe weist stinkenden
Eiter nach. Darauf Längsschnitt über die Höhe
der Dämpfung. Es entleert sich über 1 Liter
stinkenden Eiters. Der Finger gelangt in eine
riesige, buchtige Höhle, die mittels einer Gegen¬
öffnung in der rechten Lumbargegend drainirt
wird.
Sofortiges Absinken der Temperatur und re-
actionsloser Verlauf unter gleichzeitiger Darreichung
von Silicea und Plumbum.
Bei der Epikrise dieses Falles sei bezüglich der
Aetiologie und Therapie des Ileus auf den er¬
wähnten Artikel verwiesen. — Der Abscess hatte
seinen Grund wahrscheinlich in der bis zu seiner
Lösung 3 Tage lang bestehenden Verlegung des
Darmes. Es ist denkbar, dass dieselbe die Lebens¬
vorgänge des Darmes so weit lähmte, dass derselbe
für die Darmbacterien, bacterium coli commune,
durchgängig wurde und sich eine umschriebene
Entzündung entwickelte, die durch die Mesenterial¬
falten hindurch in dem retroperitonealen Raume
eine Eiterung erzeugte.
Die Art der Entstehung derselben im Anschluss
an den Ileus ist nicht ohne Interesse. Die Dia¬
gnose ergab sich aus der bezeichnenden Fieber-
curve mit den hohen abendlichen Spitzen und
tiefen morgendlichen Remissionen, sowie aus dem
localen Befund. Bezüglich der Therapie ist hervor¬
zuheben, dass hier die eine absolute Indication zur
Operation vorlag, deren sonstige Berechtigung bei
der Perityphlitis eines der Hauptobjecte der weit¬
gehenden Meinungsdifferenzen bildet, die eine mög¬
lichst umfassende Statistik zur Klärung auch für
unsere Kreise erheischen. Die anderen Indicationen
werden uns in der diesjährigen und wahrscheinlich
auch noch in der nächstjährigen Centralvereins¬
versammlung beschäftigen, besonders die Frage
der Nothwendigkeit der Operation ä froid.
Gisevius jun.
Weckruf zum „Sammeln“ in Elberfeld.
Der werthgeschätzte Herr College Gisevius, der
die ihm vom Centralverein übertragenen und auch
freiwillig übernommenen gewichtigen Aufgaben mit
jugendlicher Manneskraft trägt und zu erfüllen
4
Digitized by k^ooQie
26
eifrigst bemüht ist, dabei aber noch allezeit den
Blick aufs Ganze gerichtet hält, erwartet von uns,
als dem Schriftleiter der ,,Allgemeinen“, dass wir
bei der herannahenden Hauptversammlung in Elber¬
feld nach unserer Gepflogenheit wieder zum „Sam¬
meln“ blasen. Da wünschen wir uns denn des
alten Helden Roland gutes Horn Olifant, um die i
in sicherer Ruhe Sitzenden zum Aufbruch, die
Säumigen zu ihrer Pflicht, die Gleichgiltigen zum
energischen Aufraffen eindringlich zu rufen. Zwar
befindet sich die Homöopathie zur Zeit nicht in
solcher Noth, wie jener Held in Roncesvalles, aber
an Angriffen und Gegnern fehlt es uns auch nicht.
Was die in Preussen geschaffenen Aerztekammern
und Ehrengerichte den homöopathischen Collegen
bringen werden, wissen wir nicht; auf der Hut,
auf der Vedette müssen wir jedenfalls stehen; die
aus dieser Medicinalreform heraustretende Con-
stellation könnte doch zu manchen uns unliebsamen
Reibungen und Zusammenstössen führen. — Wir
stehen unter dem Zeichen der von Berlin in unse¬
rem Lager angeregten grossen Aera der That; die
neue homöopathische Arzneimittellehre wird in
Elberfeld den Hauptgegenstand unserer Beschäfti¬
gung bilden. Es wird sich zeigen, wie weit die
Dinge gediehen sind; so viel können wir jetzt
schon einsehen, dass noch viel Arbeit vor uns
liegt. Hoffentlich wird aus dem Centralverein
ein frischer, lebendiger Zug sich den mitwirkenden
Kräften mittheilen. Soll aber das Centrum seine
volle centrale Kraft entfalten, so müssen die cen-
tripetalen Kräfte ihre lebendigen Energieen nicht
vorenthalten, mit anderen Worten, ein jedes
Mitglied des Centralvereins hat die heilige Pflicht,
zur Hauptversammlung zu erscheinen, um mitzu-
rathen, und das Mitthaten wird dann als schöne
Frucht daraus erwachsen. —
Alle Stände und Berufsgenossenschaften durch¬
dringt jetzt das Streben auf Grund gemeinsamer
Interessen sich zu concentrirter Vereinigung zu-
sammenzuschliessen, und durch vereinte Kraft zu
erreichen, was dem Einzelnen, und sei er noch so
thätig und leistungsfähig, nicht möglich ist. Nun,
sollte denn in unserem Lager nicht auch der Wunsch
aufs Lebhafteste empfunden werden, auch unser
Plätzchen an der Sonne zu haben. Leider ist aber
das Bewusstsein gemeinsamer Interessen, gemein¬
samen Wohl und Wehes, von Zusammengehörigkeit
in unseren Reihen noch gar schwach, sonst würde
sich nicht so mancher isoliren, um stillbeglückt
bloss seiner eigenen Freuden zu warten. Was
kümmert ihn das homöopathische Krankenhaus in
Leipzig, was der Wittwenfonds, was die neue
deutsche Arzneimittellehre, was neue Mittelprüfungen,
was die homöopathischen Journale, die lebendigen '
Zungen unserer Heilwissenschaft, wenn er, der
Einzelne, nur in dem Kampfe ums Dasein, in dem
grossen socialen Wettbetrieb obenauf bleibt. Da¬
rum möge unser Weckruf wie das schmetternde
Horn Olifants in die kalten, gleichgiltigen Herzen
dringen und die Mitglieder des Centralvereins aus
allen deutschen Gauen, vornehmlich aber die lieben
i Rheinländer und Westphälinger, die immer so
wacker und thätig an der homöopathischen Heil¬
kunst und Heilwissenschaft mitgewirkt haben, aber
auch alle Berufsgenossen und Freunde der Homöo¬
pathie nach Elberfeld zur gemeinsamen Tagung
! rufen! Dr. Mossa.
Die Heilung der Diphtherie auf homöo¬
pathischem Wege
insbesondere durch Mercurius cyanatus.
Rathschläge für Eltern.
XI. Auflage der Dr. Villers’sohen Schrift.
Theilweise neu bearbeitet von einem homöopathischen
Arzte.
Verlag von Carl Grüner’« homöopathischer Officin
in Leipzig und Berlin.
Cyan, mercur. erfreut sich bleibenden guten
Rufes gegen die typische Diphtheritis sowohl wie
gegen die maligne brandige, also lebensgefährlichste
Form. Als Prototyp gilt der Heilungsfall, welchen
das Söhnchen unseres hochverehrten, leider nun
verstorbenen Collegen Dr. D. v. Villers betraf, an
dessen Krankenbett die verzweifelten Eltern sassen,
den sicheren Tod des geliebten Kindes vor Augen.
Da erschien Dr. Beck wie ein rettender Engel. Er
empfahl, zunächst auf rein theoretisch-homöopathi¬
sche Gründe gestützt, das intensive Gift in ge¬
hörig verdünnter Form und es vollzog sich das
Wunder der Heilung. Seitdem hat Cyan, mercur.
sich Eingang verschafft in die Kreise der Aerzte
beider Schulen und ich glaube, die kleine Schrift
befindet sich im Irrthum, wenn sie meint, dass die
allopathischen Aerzte das Mittel wieder hätten fallen
lassen, weil es homöopathischen Ursprunges sei. Ein
schwedischer allopathischer Arzt hat eine reiche
Casuistik von Diphtheritis - Heilungen mit Cyan,
mercur. veröffentlicht. . Er hat fast keinen lethalen
Ausgang mehr zu verzeichnen gehabt.
Die kleine Abhandlung betont die Nothwendig-
keit hoher Potenzirung des Cyan, mercur. und der
alte Villers gab nie tiefere Potenz als die 30. Das
ist auch im Allgemeinen nachalimungswerth, sollte
aber doch nicht abhalten, im Versagungsfall die
Gaben-Leiter einige Sprossen herabzusteigen. Die
zwölfte und neunte Decimale rufen schwerlich In-
toxications-Symptome hervor, wie denn die Allo-
' pathie sogar 0,01 nicht zu tief findet und auch
| ihre Resultate aufzuweisen hat.
Digitized by t^ooQle
27
Auf frische Präparate ist aber hier ganz be¬
sonders zu halten.
Bemerkenswerth ist noch, dass in dem Villers’-
schen Falle eine wirkliche Bräune (diphtheritischer
Croup) vorlag (S. 10), gegen welchen der Schul-
medicin nichts übrig bleibt als die Tracheotomie
oder Kehlkopfschnitt (neuerdings hat ein Münchener
Kinderarzt ein Verfahren eingeführt, wobei die
Membranen ohne Messer entfernt werden). Also ge¬
rade in solchen desperaten Diphtheritis-Erkrankungen
besitzen wir im Cyan, mercur. ein gutes Mittel,
wenn auch die Verehrer von Acidum nitric. so lange
bei ihrer Panacee bleiben werden, als dieselbe ihre
Schuldigkeit thut.
Wir empfehlen das Schriftchen als einen guten,
/olksthümlichen Wegweiser; denn es enthält auch
die Beantwortung der Fragen: Woran und wie ist
diese Krankheit zu erkennen? Was ist zu thun?
Was ist zu lassen? Und endlich beschäftigt sich
dasselbe noch in anerkennenswerther Weise mit den
Krankheiten, welche im Gefolge oder in Ver¬
bindung mit der Diphtherie auftreten.
Dr. Goullon.
Das Selbstdispensirrecht der Aerzte und
Homöopathen.
Von Dr. Springfeld, Medicinalassessor beim Königl.
Polizeipräsidium in Berlin.
Berlin 1899.
Wir haben bereits in No. 23/24 des vorigen,
138., Bandes unserer Zeitung auf diese Schrift von
Medicinalassessor Dr. Springfeld aufmerksam ge¬
macht mit dem Bemerken, dass wir auf dieselbe
wieder zurückkommen werden. Dort haben wir
zunächst eine Stimme, aus dem diese Angelegen¬
heit nicht weniger als den Arzt selbst iuteressiren-
den Kreise der Apotheker, aus der Apotheker¬
zeitung No. 40, 1899, über diese Schrift citirt. Der
pharmaceutische Recensent begrüsst die Schrift als
einen Versuch, eine geordnete Zusammenstellung*
der in den preussischen Landestheilen geltenden
medicinalpolizeilichen Bestimmungen und über das
Selbstdispensirrecht der praktischen, in specie, der
homöopathischen Aerzte, polemisirt besonders aber
gegen einige von dem Verf. in der Vorrede gegen
das Fortbestehen des Monopols der Apotheker be¬
treffs des Dispensirrechts angeführten Gründen und
schliesst mit den etwas gereizt klingenden Worten:
„Die Apotheker sehen aus dem oben wiedergege¬
benen Vorwort klar, in welcher Weise ihre Inter¬
essen von preussischen Medicinalbeamten einer ge¬
wissen Schule vertreten werden.“
Nun, beim Selbstdispensirrecht der Aerzte kommen
doch, abgesehen von den Interessen der Apotheker,
auch die der Aerzte selbst und dann die des Publi¬
kums in Betracht, und dass ein preussischer Medi¬
cinalassessor einmal, ohne Voreingenommenheit für
die Interessen eines Standes, diese wichtige Frage
auf Grund der thatsächlichen, auf das Allgemein¬
wohl zielenden Verhältnisse bespricht, gereicht ihm
in unseren Augen zur Ehre.
Sehr richtig heisst es in der Vorrede: die ehe¬
malige Berufopßicht des Arztes, seinen Kranken
die Heilmittel selbst zu bereiten und zu verab¬
folgen, wurde in den Städten zu einer Pflichtwidrig¬
keit und selbst auf dem Lande, wo in Ermange¬
lung von Apotheken die Selbstdispensation gebiete¬
risch vom öffentlichen Wohle gefordert wurde, zu
einem im Interesse der Apothekerprivilegien viel¬
fach beschränkten Sonderrechte.
Was wir mehr hervorgehoben sehen möchten
und als Fundamentalsatz hingestellt, das ist der
Unterschied, den der Gesetzgeber zwischen ein¬
fachen Mitteln (simplicia) und zusammengesetzten
(composita) Anfangs gemacht hat, und während er
jene den Aerzten zur Bereitung und Verabfolgung
überliess, diese, die Medicamenta composita, den
Apotheken zuwies. Mit dieser Thatsache glaubte
auch Hahnemann einen Rechtsboden für das Selbst-
dispensiren der von ihm nach einer eigenartigen
Methode dargestellten Mittel gefunden zu haben.
Aber er drang auch hiermit nicht durch; denn die
Pharmaceuten erklärten, auch dies Diluiren, die
Verreibung der Arzneien mit einem unarzneilichen
Stoffe wie Milchzucker für eine Mischung, ja selbst
die Darstellung hirsekorngrosser, mit Arznei be¬
feuchteter Streukügelchen als in ihr Gebiet ge¬
hörig — und der strenge Gesetzgeber oder viel¬
mehr -ausleger stellt sich auf den unerschütterlichen
Standpunkt, dass dem Arzte nicht die Darstellung
solcher Mittel, seien sie auch Simplicia, sondern
das Verabreichen derselben an Andere, seien es
auch seine Patienten, verboten sei.
Doch das sind dem homöopathischen Arzte be¬
kannte, unleidliche Geschichten, und sollte er nicht
eine besondere Freude darüber haben, wenn end¬
lich einmal ein Medicinalbeamter für das Dispensir¬
recht, wenigstens für eine Erweiterung desselben,
eintritt?
Dr. Springfeld führt als Thatsachen, welche
die Basis einer gesetzlichen Beschränkung des
Selbstdispensirrechts immer mehr erschüttern, an:
1. die Entwicklung der pharmaceutischen Technik,
2. die Steigerung der Arzneibedürfnisse in Stadt
und Land, sowie 3. die unserem Jahrhundert eigen¬
artige Form der Arzneiversorgung aus Kranken¬
kassen.
Was den ersten Punkt betrifft, so wird dieser
von jenem Recensenten bestritten, und doch wird
Verf. annähernd Recht haben mit seiner Bebaup-
4*
Digitized by ^»ooQle
28
tung, dass heut zu Tage die überwiegende Pro¬
duction von Arzneistoffen in den Händen der
pharmaceutisch-chemischen Grossindustriellen ruht.
Denken wir bloss an die Anzahl von antiseptischen
Stoffen, welche auf den chemischen Markt gekom¬
men sind — und wie so wenige von diesen in
unseren Apotheken dargestellt werden! Denken
wir an die von der herrschenden Schule mit Vor¬
liebe angewandten Alcaloide und nun gar erst an
die Unzahl der isopathischen Organ - Mittel, und
schliesslich an die Serum-Heilmittel. Hat der Verf.
nicht wirklich Recht, wenn er behauptet, die Pro¬
duction von Arzneimitteln entgleitet den Händen
des Apothekers, und soweit er die Herstellung nicht
prüfbarer Medicamente den pharmaceutischen Gross¬
industriellen hat überlassen müssen, d. h. zu 80 Proc.
des Umsatzes, ist letzterer auch der Träger der
Verantwortung für die Güte der Waaren; seine
Zuverlässigkeit allein schützt das Publikum vor
Vergiftungen, nicht die strafrechtliche, formelle
Verantwortlichkeit des Apothekers. Der Kreis der
Mittel, welche die Grossindustrie in richtig dosir-
ter, haltbarer, conservenäbnlicher Form abgefasst
für den sofortigen Consum auf den Markt wirft,
Mittel, welche der Apotheker, ohne auch nur die
Verpackung lösen zu brauchen, automatisch abgiebt,
hat in den letzten Jahren ständig an Ausbreitung
gewonnen. Die gewerbliche Abgabe solcher Mittel
mit dem ärztlichen Gewerbe zu verbinden , ist jeden¬
falls weder eine technische Unmöglichkeit mehr , noch
mit Gefahr für den Patienten verbunden. Wenn
Verf. aber für die Krankenkassen und die Gross¬
industriellen auf dem Lande eigne Apotheken mit
dem Selbstdispensirrecht als eine Frage der Zukunft
ansieht, so wird der Betrieb solcher Specialapotheken
sich doch nicht so einfach herstellen lassen; Räumlich¬
keit und geschultes Personal zur Besorgung dieses
Geschäfts werden jedenfalls beschafft werden müs¬
sen, was ohne Kostenaufwand nicht abgehen wird.
Für Schreiber dieses liegt ein Grund zur Frei-
gebung des Dispensirrechts an die Aerzte wesent¬
lich in der modernen Technik der subcutanen
Mittelanwendung, wie sie von der Mehrzahl der
Praktiker ausgeübt wird. Sie nehmen freilich die
verordneten Lösungen aus den Ortsapotheken (ab¬
gesehen von den Serum-Heilmitteln), aber das Dis-
pensiren der Einzeldosis liegt de facto schon in
ihrer Hand. Damit ist eine weitgehende Durch¬
brechung der medicinalpolizeilichen Verordnungen
gegeben, gegen die kein Staatsanwalt etwas aus-
richten kann.
Für die homöopathischen Aerzte ist in Preussen
der Weg zur Erlangung des Selbstdispensirrechts
gegeben und hat Verf. die diesbezüglichen Vor¬
schriften im Ganzen gut geordnet zusammengestellt.
Das Hauptverdienst des Schriftchens liegt, un¬
serem Ermessen nach, darin, dass es die Aerzteschaft
im Ganzen an das ihnen, zum Theil durch eigne
Schuld, entzogene Recht zum Dispensiren vor die
Augen und ins Gewissen rückt und sodann, dass
es zeigt, wie die socialen Verhältnisse die Fest¬
haltung des Apotheker-Vorrechts nach dieser Rich¬
tung hin unmöglich machen werden. Einst wird
auch diesem Monopol das Ende kommen.
_ Dr. Mossa.
Neue Materia medica.
1. Quittung.
Als Grundstock zu einem Fonds für die Schaf¬
fung der vom homöopathischen Centralverein Deutsch¬
lands geplanten Herausgabe einer neuen Materia
medica hat mir am heutigen Tage Herr Dr. med.
Gisoviusjun., Berlin, Mk.l2.10(Mitarbeiter-Honorar für
die Allgemeine homöopathische Zeitung) überwiesen.
Ich spreche hierfür den herzlichsten Dank aus
und bin zur Annahme weiterer Beiträge für diesen
Zweck gern bereit.
Leipzig, den 7. Juli 1899.
William Steinmetz,
Kassenverwaller des Centralvereins
Hahnemann-Grab Denkmal in Paris.
6. Quittung.
Von Herrn Dr. med. Kernler, Stadt¬
arzt, Weingarten . . . Mk. 5.—
„ „ Geh. Hofrath Dr. med.
Stiegele, Stuttgart . . „ 40.—
Mk. 45.—
Betrag der früheren Quittungen . . „ 807.45
Mk. 852.45
Bestens dankend für diese Beiträge bin ich auch
ferner zur Annahme und Weiterbeförderung weite¬
rer Beiträge gern zu Diensten.
Leipzig, 8. Juli 1899.
William Steinmetz.
Bitte an die Collegen!
(aus No. 7/8 des 138. Bandes vom 16./4. 1899)
bezüglich eines in Noth gerathenen älteren Arztes
in den Reichslanden.
2. Quittung.
Von Herrn Dr. med. Kernler, Stadt¬
arzt in Weingarten. . . Mk. 5.—
„ „ Geh. Hofrath Dr. med. Stie¬
gele, Stuttgart .... „ 10.—
Mk. 15—
k Betrag der 1. Quittung.. 83.05
| Mk. 98.05
Digitized by ^»ooQle
29
Diese Gaben habe ich an den betreffenden
Herrn abgeföhrt und spreche ich hierdurch in sei¬
nem Namen allen edlen Gebern den aufrichtigsten
und herzlichsten Dank aus. Sollten noch weitere
Beiträge beabsichtigt sein, so bin ich zu deren
Empfangnahme und Weiterbeförderung natürlich
gern bereit.
Leipzig, den 8. Juli 1899.
William Steinmetz.
Dank.
Erneuten Dank haben wir dem am 10. Mai a. c. ver¬
storbenen Herrn Dr. Lorbaoher auszusprechen und
nachzurufen, da er ausser den in No. 21/22 des 138.
Bandes d. Z. bekannt gegebenen Legaten für unser
Krankenhaus und die Wittwenkasse (je 500 Mk.) auch
seine umfangreiche Bibliothek und Instrumente den
Bibliotheken des Centralvereins, der Poliklinik und
des hiesigen homöopathischen Laienvereins naeh
bestimmten Vertheilungsvorschriften letztwillig über¬
wiesen hat. — Wir haben diese Schenkung in den
letzten Tagen erhalten und genau nach seinen
Wünschen vertheilt. — Aufrichtiger und herzlicher
Dank sei auch für diesen Beweis seiner fürsorgenden
Gesinnung für unsere Institutionen ausgesprochen.
Seinen Namen haben wir auf den Stifter-Tafeln des
homöopathischen Krankenhauses zum dauernden Ge¬
dächtnis anbringen lassen.
Leipzig, den 8. Juli 1899.
I. A.: William Steinmetz.
Quittung.
Für die Unterstfitzungskasse fiir Witt wen
homöopathischer Aerzte sind bei dem Unter¬
zeichneten in der Zeit vom 25. November 1898
bis heute folgende Beiträge eingegangen:
Mark
von
Herrn
Dr. med. Hafa, Herrnhut . .
10.15
n
tt
Dr. med. Oscar Hansen, Kopen-
hagen *).
5.—
n
tt
Dr. med. Wilh. Meyer, Hagen,
Jahresbeitrag.
10.—
n
Dr. med. Weidner, Breslau,
Jahresbeitrag.
10.—
n
»»
Dr. med. Weidner, Breslau*) .
4.—
tt
tt
Dr. med. Gisevius jun., Berlin,
Jahresbeitrag.
10.—
n
n
Dr. med. Wugk, Königsberg
i. Pr., Jahresbeitrag ....
15.—
M
n
Geh. San.-Rath Dr. Faulwasser,
Bernburg, Jahresbeitrag
10.-
tt
tt
Dr. med. Henze, Halle, Jahres¬
beitrag .
15.—
Latus Mk.
89.15
Transport Mk.
89.15
von
Herrn
Dr. med. Schlegel, Tübingen,
Jahresbeitrag .
8.37
»
»
Dr. med. Leeser, Bonn, Jahres¬
beitrag .
10.—
n
rt
Dr. med. Dünninghaus, Siegen,
Jahresbeitrag .
10.—
tt
tf
Dr. med. Sanders, Bock, Jahres¬
beitrag .
10.—
I
tt
tt
Dr. med. Feldmann, M.-Glad-
bach, Jahresbeitrag ....
5.10
tt
Dr. med. Greenfield, Cottbus,
Jahresbeitrag .
10.—
tt
tt
Dr. med. Göhrum, Stuttgart,
Jahresbeitrag.
10.—
tt
tt
Dr. med. Mattes, Ravensburg .
1.60
tt
tt
Dr. med. Teichmann, Som-
merschenburg.
6.—
tt
tt
Sanitätsrat Dr. Ide, Stettin
10.—
ff
ft
Dr. med. Groos, Barmen, Jahres¬
beitrag .
15 —
tt
tt
Dr. med. Förster, Görlitz, Jahres¬
beitrag .
5 —
rt
tt
Dr. med. Groos, Erfurt, Jahres¬
beitrag .
5.—
tt
tt
Geh. Hofrath Dr. med. Stiegele,
Stuttgart, Jahresbeitrag . .
10*—
1 tt
i
i
n
Dr. med. Burkhard, Berlin,
Jahresbeitrag .
10.—
i ”
n
Sanitätsrath Dr. Schweikert,
Breslau, Jahresbeitrag . . .
5.—
i »
tt
Dr. med. Lorenz, Stuttgart*) .
12.80
t ”
„
Dr. med. Zengerle, Aulendorf .
1.—
■
tt
Dr.med Mayntzer,Trier, Jahres¬
beitrag .
6.—
1 ”
n
Dr. med. Cramer, Karlsruhe,
Jahresbeitrag .
12.16
I
w
tt
Dr. med. Oberholzer, Zürich,
Jahresbeitrag .
20.—
i
1 tt
1
n
Dr. med. Doerr, Mainz, Jahres¬
beitrag .
40.—
ft
i
tt
Dr. med. Lorbacher, Leipzig,
testamentarisch verwilligt .
500.—
ft
tt
Dr. med. Lorbacher, Leipzig*)
10.—
”
tt
Dr. med. Mende-Ernst, Zürich,
Jahresbeitrag.
10.—
iff
tt
Dr. med. Schwarz, Baden-Baden
3.05
68
Jahresbeiträge ä 8 Mk. von Central-
1
vereinsmitgliedern.
Mk"
544.—
1379.23
Mit dem besten Dank für diese freundlichen
Zuwendungen verknüpfe ich die aufrichtige Bitte
um weitere Gaben zur Linderung von Noth und
Sorgen würdiger bedrängter Wittwen, in deren
*) Mitarbeiter-Honorare der Allg. homöopath. Zeitg.
Digitized by ^»ooQie
30
Namen ich stets den herzlichsten Dank aussprechen
soll.
Leipzig, den 20. Juli 1899.
William Steinmetz,
z. Z. Kassenverwalter.
Quittung.
Für den Betriebsfonds des homöopathischen
Krankenhanses ZU Leipzig sind bei dem Unter¬
zeichneten in der Zeit vom 25. November 1898 bis
heute folgende Beiträge eingegangen: Mark
Von Frau Rittergutsbesitzer Timmich auf
Wolfersdorf .
3.—
Von Herrn
Dr. med. Mossa, Stuttgart, Jah-
resbeitrag .
10.—
n
11
Obennedicinalrath Dr. v. Sick,
Stuttgart .
10.—
n
n
Dr. med. Wilh. Meyer, Hagen,
Jahresbeitrag .
10.-
n
n
Dr. med. Weidner, Breslau,
Jahresbeitrag .
10.—
77
77
Dr. med. Gisevius jun., Berlin,
Jahresbeitrag .
10.—
71
n
Dr. med. Gisevius jun., Berlin*)
5.44
X
n
n
Carl Langer, Polsnitz, Jahres-
beitrag .
3.—
r
71
Dr. med. Wugk, Königsbergi. Pr.
17.30
n
71
„ „ Wapler, Zeugen-
gebühren.
2.—
r>
71
Geh. San.-Rath Dr. Faulwasser,
Bernburg, Jahresbeitrag
20.—
n
n
Dr. med. Henze, Halle, Jahres-
beitrag .
15 —
n
11
Dr. med. Schlegel, Tübingen,
Jahresbeitrag .
10.-
n
n
Dr. med. Endriss, Göppingen,
Jahresbeitrag .
7.—
n
n
Dr. med. Weber, Cöln a. Rh.,
Jahresbeitrag .
10.-
71
17
Dr. med. Baltzer, Stettin, Jah¬
resbeitrag .
8.—
71
ii
Kiöner, Potsdam*) ....
6.40
n
Prinzess Bentheim-Tecklenburg, Ru-
dolstadt, Jahresbeitrag ....
15. -
„
Herrn
Dr. med. Dünninghaus, Siegen,
>
Jahresbeitrag . . ' .
10.—
71
71
Dr. med. Sanders, Bock, Jah-
resbeitrag .
10.- :
n
rt
Dr. med. Kafka, Karlsbad
3.73
n
7)
„ „ Göhrum, Stuttgart,
Jahresbeitrag.
10 -1
Latus Mk.
205.87 '
*) Mitarbeiter-Honorare der Allgemeinen homöopath.
Zeitung.
Transport Mk.
205.87
von
Herrn Wilhelm Weymar, Mühlhausen
i. Th., Jahresbeitrag ....
100.05
71
Sanitätsrath Dr. Ide, Stettin,
Jahresbeitrag.
6.75
rt
Dr. med. Hendrichs, Cöln a. Rh.,
Jahresbeitrag.
20.—
71
71
Dr. med. Groos, Barmen, Jah-
resbeitrag.
10.—
n
11
Dr. med. Förster, Görlitz, Jah-
resbeitrag .......
5.—
71
71
Dr. med. Schnütgen, Münster,
Jahresbeitrag.
10.—
71
Sanitätsrath Dr. Schweikert,
Breslau, Jahresbeitrag . . .
10.—
Frau
Brückmann, Manastrzec .
1.37
71
w verw. Dr. Sobiesky-Gillet,Genf, ^
19.80
71
Herrn Brütting, Neuenhof . . .lg,
2.—
77
Lehrer Ringk, Schwerin .1,3
2.80
11
Frau
Gebauer, Dürlettel . . .1 ®
20.50
n
Herrn Wilh. Merkel, Raschau . .[ ?
63.63
n
Frau
Oberthierarzt Gundelach,) ’S
Detmold . 1
2.—
n
Frau
Daub, Eiserfeld . . . .1 ^
20.—
71
Herrn
Fritzsch, Jüterbog . . .I®
1.35
71
71
Dr. med. Kröning, Brom-J 2
berg . / Q
20.—
71
71
Dr. med. Oberholzer, Zürich,
Jahresbeitrag .
100.—
71
71
Dr. med. Doerr, Mainz, Jahres-
beitrag .
100.—
11
71
Dr. med. Fries, Zürich, Jah-
resbeitrag.
10.—
77
71
Dr. med. Hammerschmidt, Elber-
feld, Jahresbeitrag ....
10.—
71
71
Dr. med. Stifft, Leipzig, Jah-
resbeitrag .
10.—
11
71
Dr. med. Siegrist, Basel, Jah-
resbeitrag.
7.—
n
77
Dr. med. Kallenbach, Rotter-
dam, Jahresbeitrag ....
13.—
71
71
W. Steinmetz, Leipzig*)
4.16
71
Frau
Anna Doerge, Leipzig, Jahres-
beit
rag.
20.—
vom
Berliner Verein homöopath. Aerzte,
Jahresbeitrag.
300.—
von
Freifrau von der Malsburg, Cassel,
Jahresbeitrag.
30.—
71
Herrn
Dr. med. Lorbacher, Leipzig,
testamentarisch verwilligt .
500.-
71
71
Stadtrath Dr. Wangemann, Leip-
zig, Jahresbeitrag ....
20.—
Latus Mk.
1645.28
*) Mitarbeiter-Honorare der Allgemeinen homöopath.
Zeitung.
Digitized by ^»ooQie
31
Transport Mk. 1645.28
von Herrn Dr. med. Lorbacher, Leipzig*) 10.—
vom Verein der homöopathischen Aerzte
Oesterreichs, Jahresbeitrag . . . . 100.33
von Herrn Dr. med. Oscar Hansen, Kopen¬
hagen .10.—
von Herrn Apotheker Dr. C. Hof, Pforz¬
heim .100.—
„ „ Dr. med. Mende-Ernst, Zürich,
Jahresbeitrag. 8.—
„ Centralvereins-Mitgliedern: j
69 Jahresbeiträge ä 6 Mk.414.— |
Mk. 2287.61
*) Mitarbeiter-Honorare der Allgemeinen homöopath.
Zeitung.
Herzlichen Dank für diese Beiträge; — weitere
Zuwendungen sind dankbarst dringend erbeten, um
das Unternehmen auch ferner in bisheriger Weise
weiterführen zu können.
Leipzig, 20. Juli 1899.
William Steinmetz,
z. Z. Kassen Verwalter.
Personalien.
Am 9. Juli a. c. ist der Geh. Sanitätsrath und
Kgl. Kreisphysikus a. D. Dr. med. Larisch, liomöo
pathischer Arzt in Namslau (Schlesien) hochbe¬
tagt gestorben. — Eine der nächsten Nummern
dieses Blattes wird einen Nekrolog aus der Feder
des Herrn Dr. med. Weidner-Breslau bringen.
Anzeigen.
Sichere Existenz
für einen homöopathischen Arzt.
In bester Lage einer grösseren Industriestadt
Sachsens ist eine erste Etage, bestehend in
6 Zimmern nebst Zubehör per 1. October c. bezieh
bar, zu vermiethen.
Diese Wohnung haben bereits seit 20 Jahren
Aerzte innegehabt und eine sehr ausreichende Praxis
betrieben. Ganz besonders dürfte aber ein Homöo¬
path eine gute Existenz finden, da in dieser Stadt
und Umgegend nur 1 homöopathischer Arzt prakti
zirt. Gef. Offerten unter H. 901 nehmen Haasenstein
& Vogler A. G., Dresden, entgegen.
Dr. med. Dierkes, homöopath. Arzt, aus
Paderborn praktizirt in jeder Saison in Dad Lipp-
springe. Die Herren Collegen werden gebeten, ihren
Patienten die Adresse mitzugoben.
Hygiama.
Seit 1891 klinisch vielfach erprobtes diätetisches
Nähr- und Stärkungsmittel.
(Zusammengesetzt aus condens. Milch, Gersten* und
Weizenmehl, Zucker und Kakao.)
Wegen seiner Leichtverdaulichkeit und hohen
Nährkraft indicirt bei:
Magen - und Darmleiden, Anaemie,
Chlorose, Nervosität, Hyperem . gravid.,
Typhus abdornkünstlicher Ernährung,
Scroph idose, Heconvalescenz .
In vielen Hospitälern und Irrenanstalten ständig
im Gebrauch.
Preis der Dose M. 1.60 (300 g) u. M. 2.50 (500 g Inh.).
Wissenschaftl. Urtheile, Analysen u. Gratismuster durch
Dr. Theinhardt’s Nährmittel-Gesellschaft
Cannstatt (Württbg.).
Bönninghansens
Therapeutisches Taschenbuch
in neuer deutscher Auflage.
Brosch. 10.— Mk., geh. 11.— Mk.
Aufträgen sieht die Unterzeichnete Verlagshandlnng gern entgegen.
A. Uarggrafs homöopath. Officin, Leipzig.
Digitized by k^ooQle
32
Soeben ist im Verlage von Carl Gruner’s Homöopath.
Officin, Leipzig und Berlin, erschienen:
Die Heilung der Diphtherie
auf homöopathischem Wege
insbesondere durch
Merciirius cyanatus.
Rathschläge für Eltern.
XI. Auflage der Dr. Villers* sehen Schrift.
Theilweise neu bearbeitet
von einem homöopathischen Arzte.
Preis 50 Pfg.
Alles Nähere aus der Besprechung in dieser Nummer
ersichtlich. _
Im Verlage von A. Marggrafs Homöopath. Officin in
Leipzig ist erschienen:
Die homöopathische Behandlung
der
Augenkrankheiten
sowie der
Ohrenkrankheiten
nach den Erfahrungen der homöopathischen
Specialisten
DDr. Vilas, Norton und Houghton
zum Gebrauche für practische Aerzte.
Bearbeitet von
Dr. Th. Bruckner,
homöopathischer Arzt in Basel.
9*/i Druckbogen. 8°. Preis gut geh. M. 3.—,
brosch. M. 2.50.
Ausführliche Besprechung dieses Buches in No. 23/24
des 128. Bandes dieser Zeitung. _
Im Verlage von A. MarggraPs homöopathischer
Officin in Leipzig ist erschienen:
Die vergleichende
Arzneiwirkungslehre
von
Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering.
Aus dem Englischen bearbeitet und herausgegeben
von
Sanitätsrath Dr. med. Faulwasser, Bernburg a. S.
Complet geh. 20 Mark.
Dieses neue Werk will den vorhandenen homöo¬
pathischen Arzneimittellehren keine Goncurrenz machen,
denn nach Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe
wesentlich von ihnen. — Es bringt Arzneivergleiche,
Mitteldiagnosen, welche allein und ausschliesslich die
Unterschiede je zweier derselben enthalten und in anti¬
thetischer Gegenüberstellung die betreffenden Verschieden¬
heiten scharf hervorheben.
Diese vergleichende Arznei wirkungslehre ist vielmehr
ein Supplement aller vorhandenen homöopathischen
Arzneimittellehren.
Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen
homöopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer
Zunge konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen.
Jedem homöopathischen Arzte und gebildeten Laien
ist die Anschaffung dieses Werkes dringend zu empfehlen.
BAD UPPSPRIN6E
Eisenbahn*Station Paderborn.
Arminias-Quelle, stickstoffreiche Kalktherme.
Erfolgreiches I unflOnnhthicO besonders im
Heilmittel gegen l«UIIIJvll|JllllllöQ er8 ten Stadium.
Asthma und Katarrhe der Respirations-Organe«
Saison: Hai bis September«
Pensions-Hotel; IfiirhoilC staubfrei inmitten
neu renovlrt. ^1 llalla« des Parks gelegen.
Auskunft durch die Brunnen-Administration.
Im Verlage der Unterzeichneten Firma ist erschienen:
Dr. Franz Hausmann’s
Kleine Schriften.
Nebst einem Anhänge:
Handschriftlicher Nachtrag von Dr. Hausmann mit Satz¬
fehlerverbesserungen zu seinem grossen Werke:
Ueber die Ursachen und Bedingungen der Krankheiten.
Gesammelt und herausgegeben von
Dr. C. Bojanus sen., Samara.
Diese hochinteressante Sammlung wird Aerzten und
Laien aufs Wärmste zum Studium empfohlen. Durch
besondere Nebenumstände soll dieses 13 Druckbogen in
Octavformat umfassende Buch broschirt zum billigen
Preise von nur Mk. 1.50 verkauft werden, um ihm eine
möglichste Verbreitung zu sichern.
Leipzig. A. Marggrafs Homöopath. Officin.
Das homöopathische Krankenhaus zu Leipzig
(Sidonienstrasse No. 44)
eröffnet im Sommer 1888 und Eigenthum des homöopa¬
thischen Central Vereins Deutschlands, nach Muster der
besten und ersten Krankenhäuser und nach den neuesten
Erfahrungen eingerichtet, wird den Anhängern und Freun¬
den der Homöopathie sowohl zur Benutzung in schweren
Krankheitsfällen als auch zur wohlwollenden Unterstütz¬
ung aufs Wärmste empfohlen, damit auch Unbemittelten
der Segen der homöopathischen Heilmethode zu Theil
werden kann. Beitläge jeder Art, auch die kleinsten,
nimmt der Kassenverwalter, Apotheker W. Steinmetz, in
Firma A. Marggrafs homöopathische Officin in Leipzig,
jederzeit dankbarst entgegen.
Die neuen Statuten und Aufnahmebedingungen des
mit einem Krankenpensionate I. und II. Klasse verbunde¬
nen homöopathischen Krankenhauses hierselbst können
sowohl von der Direction desselben, wie auch von uns
bezogen werden.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius Mäser in Leipsig.
Digitized by L^OOQle
Band 139.
Leipzig, den 3. August 1899.
No.5 n. 6.
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG.
Heraasgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle nnd Verlag von William Steinmetz (A. Marggrars homöopath. Offlcln) in Leipzig
Thomaskirchhof 12.
Erscheint litägig zu 2 Bogen. 18 Doppelnummem bilden einen Band. Preis 10 Af. 60 Pf . (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs -Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse
in Leipzig und dessen Filialen öder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggraf*s homöopath. Offlcln in Leipzig) zu riohten
3ind, werden mit 20 Pf, pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit S— 8 M, berechnet.
Inhalt. Bekanntmachung, die am 9. und 10. August a. c. in Elberfeld stattfindende Generalversammlung des
Homöopathischen Centralvereins Deutschlands betr. — Beobachtungen aus dem homöopathischen Krankenhause zu
Leipzig. Von Dr.Stifft. — Blei-Vergiftung. Yon M. (Schluss.) — Ueber Apispräparate. Von Dr.Stiegele jun.-Stuttgart. —
Aletris farinosa in Uterinkrankheiten. Von M. — L’Omiopatia in Italia. Von Dr. Mossa. — Einige Mittel bei Leiden
der weiblichen Brustdrüsen. — Zur physiologischen Bestimmung der Lebensdauer des Menschen. Von M. — Nekrolog.
Von Dr. Weidner-Breslau. — Zur Centralvereinsversammlung in Elberfeld. — Lesefrüchte. — Anzeigen.
Schluss der Schriftieitung: Freitag vor dem Erscheinungstage.
Die diesjährige
Bekanntmachung.
67. Generalversammlung des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands
wird abgehalten werden
am 9. und IO. August in Elberfeld
im Hotel Weidenhof. Am Tage vorher, 8 . August, Nachmittags 4 Uhr, vorbereitende Sitzung der Materia-
medica Commission in demselben Lokale, in dem die Generalversammlung tagt.
Tagesordnung:
Mittwoch, 9. August, im Hotel Weidenhof:
Geschäfts-Sitzung, pünktlich Vormittags 8 Uhr:
1. Abstimmung über die zur Aufnahme Angemel
deten.
2. Geschäfts-Bericht:
a) des Vorstandes des Centralvereins,
b) des Curatoriums des Krankenhauses,
c) des dirigirenden Arztes desselben,
d) des Vorstandes der Poliklinik.
3. Rechnungslegung des Kassenverwalters und Er-
theilung der Entlastung auf Grund der von dem
vereideten Revisor vorgenommenen Revision der
Kasse und der Rechnungsablage.
4. Neuwahl bez. Bestätigung des Kassenverwalters.
5. Neuwahl bez. Bestätigung des Institutsarztes.
6. Bericht über die Vereinsbibliothek.
7. Bestimmung des nächstjährigen Versammlungs¬
ortes.
8. Bericht des Propaganda-Ausschusses.
9. Bericht und Anträge des Ausschusses für die
deutsche Arzneimittellehre.
Lnträge:
Der Berliner Verein homöopathischer Aerzte be¬
antragt,
„dass von jetzt an der Director des homöo¬
pathischen Krankenhauses zu Leipzig verpflich¬
tet sein soll, alljährlich rechtzeitig vor der
Generalversammlung dem Directorium einen ein¬
gehenden wissenschaftlichen Bericht über seine
Thätigkeit einzureichen, sowie demselben auf
Verlangen seine Kranken-Journale vorzulegen.“
Antrag der Vereinigung homöopathischer Aerzte
Norddeutschlands:
Das Curatorium des Krankenhauses wird alle
drei Jahre von der Centralvereins Versammlung
gewälilt; dasselbe muss ausser dem dirigirenden
Arzte noch zwei andere ärztliche Mitglieder des
Central Vereins als Mitglieder haben.
Donnerstag, 10. August, Vormittags 9 Uhr:
Wissenschaftliche Sitzung im Hotel Weidenhof.
Gemäss dem Beschluss der vorjährigen General¬
versammlung übernimmt Herr Dr. Groos-Barmen
den Vorsitz.
Digitized by c»ooQie
Nachtrag.
u
Vortrags-Themata:
1. Herr Ober-Medicinalrath Dr. v. Sick über: „Pro¬
fessor Samuel und die Homöopathie —, mit ent¬
sprechender Zurückweisung des von dem Ge¬
nannten gegen unsere Heillehre gerichteten An¬
griffes.“
2. Dr. Gisevius jr. referirt über sein in der vor¬
jährigen Generalversammlung übernommenes
Thema: „Perityphlitis-und ihre innerliche und
chirurgische Behandlung.“
3. Discussion.
4. Aufstellung neuer Themata für die nächste Jahres¬
versammlung.
Fest - Programm:
Dienstag, 8. August, im Hotel Weidenhof:
Nachmittags 4 Uhr Sitzung der Materia-medica-
Commission.
Von Abends 8 Uhr an:
BegrQssung im Hotel Weidenhof.
Mittwoch, 9. August, Vormittags 8 Uhr, ebendaselbst:
Geschäftliche Sitzung.
Daran schliesst sich an:
Donnerstag, 10. August, Vormittags 9 Uhr:
Wissenschaftliche Sitzung ebendaselbst.
Mittags 1 Uhr: Festessen im Speisesaale.
Gegen 4 Uhr: Abfahrt nach Barmen mit der
elektrischen Strassen bahn; daselbst mit
Zahnradbahn nach dem TÖllethurm. Kaffee.
Spaziergang durch die Barmer Anlagen nach
der Stadthalle.
Abends Conoert«
•g
a
9
bti
Mittags 127t Uh*: Frühstück daselbst.
Nachmittags 2 s / 4 Uhr: Abfahrt über Remscheid
nach Station Sehaberg, von da nach Müng-
sten, Kaiser-Wilhelm-Brüoke. — Kaffee.
Abends Rüokfahrt.
Absteige - Quartiere: Hotel Weidenhof, Hotel
Post, Hotel Europäischer Hof, Hotel Kor-
bach; alle in der Nähe des Bahnhofes.
Zimmer vorher bestellen.
Der Vorstand:
Dr. Windelband-Berlin. Dr. Weber-Köln a. Rh. Dr. Rohowskj-Leipzig.
Trotz Nachtrag und Berichtigungen sind immer noch Fehler im diesmaligen Festprogramm! So schreibt
Herr Dr. Hammerschmidt, dass es ein Hotel Victoria seit 2 Jahren nicht mehr giebt; an dessen Stelle tritt Hotel
Korbach. — Auch sei es noch nicht sicher, dass die Fahrt nach MQngsten in angegebener Weise erfolge.
(Die „Expedition“ der „Centralvereins Mittheilungen“ und dieser Zeitung ist an diesen Fehlern schuld¬
los; sie hat drucken lassen, was ihr geschickt wurde.)
Beobachtungen aus dem homöopathischen
Krankenhause zu Leipzig.
Von Dr. med. 8tifft, Leipzig.
Zar Behandlung der acnten Pnenmonieen.
(Schluss.)
Wenn nun auch die Prüfungserscheinungen des
Phosphor von Seiten der Brustorgane keine sehr
hervortretenden und charakteristischen sind, — auch
nach acuter Phosphorvergiftung hat man in den
Lungen nur Hyperämie und Spuren katarrhalischer
Entzündung gefunden; Moneret beschreibt allein,
so weit mir bekannt, eine intensivere pneumonische
Entzündung, und Schulz beobachtete bei Phosphor¬
fütterung Infarktbildung, — so gewinnen dieselben
doch durch Zusammenhalten mit gewissen anderen
Allgemeinerscheinungen ganz wesentlich an Bedeu¬
tung. Betrachten wir das Bild der acuten Phos¬
phorvergiftung, so treten zwei Formen, die häufig
auch combinirt erscheinen, so sehr in den Vorder¬
grund, dass man daraufhin von einem Phosphoris¬
mus intestinalis acutus und einem Phosphorismus
cerebrospinalis acutus gesprochen hat: Gastroenteritis
mit heftigen Diarrhöen, Puls anfangs stark und
erregt, später klein, erhöhte Temperatur, Dyspnoe
mit Angst und Druckschmerz in der Brust, ab¬
hängig angeblich von einer Affection der Herz¬
nerven in Folge gebildeten Phosphorwasserstoffes,
verstärktes Vesiculärathmen bei sonorem Percus¬
sionston, Unruhe, Zittern, Kopfschmerz, Delirien,
Convulsionen. Vergleichen wir diese Erscheinungen
mit manchen Fällen von Pneumonie, so tritt ge¬
legentlich eine ganz auffallende Aehnlichkeit der
Symptome hervor, ja sogar bis zu dem bei Phos-
phorvergiftung und bei Pneumonie beobachteten
Icterus! Hierzu ein Krankheitsfall:
Hermann W., aufgenommen am 5. April 1899
mit einer Abendtemperatur von 41,1. Patient war
vor ca. acht Tagen erkrankt mit allgemeinem Un¬
wohlsein, Appetitverlust, trockenem Husten, etwas
Dyspnoe, heftigen Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit.
Untersuchung ergab: Hohes Fieber, harten, frequen¬
ten Puls, verschärftes Athmen, besonders im rechten
Unterlappen, mit spärlichen Rasselgeräuschen. Das
geringe Sputum ab und zu blutig tingirt, bei
tieferem Athmen unbestimmter Schmerz in der
rechten Seite, wo dann auch Reibeger&usche hör¬
bar wurden, wodurch der Fall als eine Pleuro¬
pneumonie dextra anzusehen war. Es wird Aconit 8.
gegeben und ein Priessnitz verordnet.
Temperaturen:
Morgens
Mittags
Abends
6.
April: 37,7
—
40,7
7.
„ 38,4
—
30,3
8.
„ 38,2
—
40,4
9.
„ 37,3
37,0
38,1
Digitized by
Google
Berichtigungen,
35
6. bis 9. April: Zustand ziemlich der gleiche:
Heftige Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Unruhe.
Auf der Brust treten rechts unten stärkere Rassel¬
geräusche auf, Auswurf zäh, blutig gefärbt, keine
Dämpfung. Am 9. Morgens Pseudokrise.
Temperaturen:
Morgens
Mittags
Abends
10. April:
39,1
40,1
38,8
11. „
38,3
39,0
39,7
12. „
37,0
37,3
40,1
13. „
38,5
37,9
38,1
14. „
36,6
37,1
36,6
von da ab fieberfrei.
10. bis 14. April: Stärkere Dyspnoe, heftige
Brustschmerzen, Lungenbefund derselbe; Durchfall,
leichte Delirien. Ord.: Bellad. 8. und Bryonia 3.,
welche etwas beruhigen. Am 12. Pseudokrise;
tagsüber Befinden wieder schlechter, schneller
Puls, starke Unruhe, Durchfall. Es wird Phosphor 6‘.
gegeben. Abends Temperatur wieder 40,1, am
anderen Morgen 38,5, und von da allmählicher
Abfall. Schon am 13. tritt mehr Ruhe, etwas
Appetit, in der folgenden Nacht Schlaf ein, Durch¬
fall plötzlich beseitigt. Vom 14. ab Reconvales-
cenz mit auffallend schneller Besserung. Am
10. Mai wurde Patient gesund entlassen. — Ich
gebe zu, dass Phosphor vielleicht gerade in der
Zeit der wahren Krise gegeben worden ist, obwohl
der Temperatur*Abfall eigentlich nicht so auffallend
wie bei den beiden vorausgegangenen Pseudokrisen
war; jedenfalls aber war der normale Verlauf der
Pneumonie gestört und wurde durch Phosphor auf
das Günstigste beeinflusst. Neben Phosphor halte
ich in diesen Fällen auch die Belladonna für häufig
indicirt, besonders bei Hervortreten der Gehirn-
und Darm-Erscheinungen, jedoch nur im Beginn
der Erkrankung.
Ich komme nun zu der dritten Form, den von
mir als Eisenpneumonieen bezeichneten Entzün¬
dungen. Zu der Anwendbarkeit des Eisens in
diesen Formen bin ich durch Rademacher ge¬
kommen, der in seiner Erfahrungs-Heillehre eine
ganze Reihe von offenbar croupös-pneumonischen
Lungenaffectionen beschreibt, die er als eine in
den Lungen sich äussernde Störung des Gesammt-
organismus ansieht und die er durch kein Mittel
besser heilen konnte, als durch Eisen. Zum Zu¬
standekommen dieser Form gehört jedenfalls eine
besondere Alteration des Blutes, wie ja auch die
Affection des Gefässsystemes in ganz auffälliger
Weise in den Vordergrund tritt: Pulsbeschleunigung,
Aufregung und Angst, Blutungen, Schweisse. Ver¬
gleichen wir hiermit die Resultate homöopathischer
Prüfungen, so finden wir als Allgemeinerscheinungen
Erhöhung des Stoffwechsels, vermehrte Aus¬
scheidungen unter Eintritt von grösserer Schwäche,
Anfällen von Zittern und Ohnmächten; Eisen ist
ein mächtiges Reizmittel für alle Organe (Schulz).
Im Besonderen treten hervor Congestivzustände,
die sich auf zarteren Membranen (Conjunctiva) bis
zu Entzündungserscheinungen steigern können,
Herzklopfen, Athemnoth, Klopfen der Karotiden,
Schlaflosigkeit, Nasenbluten, Hyperästhesie und
Hitzegefühl auf der Haut, congestive Nerven¬
schmerzen. Valentinen beobachtete Blutungen (Apo¬
plexie) nach Gebrauch der Pyrmonter Stahlbrunnen.
Nach fortgesetzten Fütterungen mit Eisensalzen hat
man beiThieren Blutungen aus Nase, Maul und Uterus
auftreten sehen. Bei acuten Vergiftungen treten
die Allgemeinerscheinungen hinter die Aetzwirkungen
der angewandten Präparate zurück. Jedenfalls
wirkt das resorbirte Eisen auf die Bestandteile
des Blutes in eigenthümlicher Weise ein; das
Fibrin verliert seine Coagulationsfähigkeit.
Wollen wir nun das Eisen nach homöopathischen
Grundsätzen anwenden, so finden wir für dasselbe
natürlich einen weit grösseren Wirkungskreis wie
die alte Schule. Immer aber werden wir da, wo es
passt, Irritationserscheinungen finden, nicht nur in
acuten, sondern auch in chronischen Krankheiten.
So wurde es auch von Rademacher gegen Delirium
tremens, wo sich die irritirende Wirkung des al-
koholisirten Blutes auf das Gehirn so deutlich aus¬
prägt, als gelegentliches Heilmittel erprobt. Die¬
selbe Erscheinung tritt oft genug im Verlaufe
der Eisenpneumonieen hinzu. Hierzu ein Krank¬
heitsfall.
Alfred 0., 33 Jahre, Schreiber, wurde am
10. November 1898 in die Klinik aufgenommen.
Beginn der Erkrankung Tags vorher mit Schüttel¬
frost. Temp. 38,8. Puls 120. Linker unterer
Lungenlappen im Stadium der Anschoppung. Knister¬
rasseln, leichte Dämpfung. Dünnblutiger Auswurf.
Grosse Aufregung, allgemeine Schweisse. Es wird
Aconit gegeben. Nacht vom 10. bis 11. November
sehr schlecht, Delirien alkoholischen Charakters.
Temperaturen:
Morgens
10. November: —
Mittags
Abends
38,8
11.
40,2
40,2
40,5
12.
38,8
—
37,4
13.
36,6
—
36,5
14.
36,3
—
37,1
15.
36,7
—
36,7
16.
36,8
—
36,6
Am 11. November wird Ferr. acet Rademacheri
gegeben, Abends bei 40,5 ein kühles Bad, worauf
die Temperatur auf 39,3 fällt. In der Nacht
wieder starke Delirien bei grosser Schwäche. Am
12. November fällt die Temperatur vom Morgen
bis Abend; die Unruhe, Schwäche und die Schweisse
5*
Digitized by t^»ooQle
36
dauern an. Vom 13. November ab normale Tem¬
peratur mit Rückbildung aller Erscheinungen, spe-
ciell auch der physikalischen Brustsymptome. Nur
das Delirium tremens dauert trotz wiederholter
Alkoholgaben in so heftiger Weise fort, dass zu
Chloralhydrat gegriffen werden musste, dem in der
Nacht vom 14. auf den 15. noch eine Morphium-
Einspritzung hinzugefügt wurde. Von da ab war
das Delirium wie mit einem Schlage unter Eintritt
tiefen Schlafes geschwunden und der Zustand nor¬
mal. Vom 16. November ab wurde Phosphor ge¬
geben und der Kranke am 26. November gesund
entlassen. — Wie in diesem Falle, so beobachtete
ich auch in mehreren anderen meiner Privatpraxis
die gleich gute Wirkung des Eisens; in 2 Fällen
war ebenfalls ein heftiges Delirium hinzugetreten,
doch dauerte dies nur kurze Zeit und schwand
mit der Entfieberung von selbst, so dass weder Chloral¬
hydrat noch Morphium nöthig wurden. Zu diesen
Mitteln aber werde ich unter gegebenen Umständen
im Krankenhause wie in der Privatpraxis unbeirrt
greifen, zum Wohle der Kranken, zur Beruhigung '
der Umgebung und meiner selbst. Es ist lächer- I
lieh, in der homöopathischen Krankenhauspraxis |
das Morphium verbieten zu wollen; wer dies thut,
muss wenig Erfahrung und noch weniger ver¬
ständige Logik im Kopfe haben. —
Es erübrigt, noch Einiges über den Verlauf und
die Behandlung der in den Jahren 1890—99 be¬
obachteten 8 Fälle von katarrhalischer Pneumonie
zu sagen. Hierunter waren 2, welche ältere Per¬
sonen betrafen, mit tödtlichem Ausgange; der eine
Fall betraf eine Pneumonia catarrhalis, die zu einer
bestehenden schweren Myocarditis, der andere eine
Pneumonia catarrhalis, die zu einer Lebercirrhose
hinzugetreten war.
Bei kräftigen Leuten mittleren Alters verläuft die
katarrhalische Pneumonie, wie bekannt, fast durchweg
gut und ähnlich einer Capillarbronchitis, von der sie
sich nur durch das höhere Fieber und die schwere¬
ren Allgemeinerscheinungen, gelegentlich auch durch
den physikalischen Befund, unterscheidet. Bei Kin¬
dern und Greisen ist sie gefährlich. Wenn wir den
Anschauungen der neueren Pathologen folgen, so
müssen wir das Entstehen der katarrhalischen Pneu- |
monieen nicht allein zurückführen auf eine Atelek- j
tase der kleinsten Bronchien und Alveolen durch
Verstopfung der Zuführungsgänge, denn die zu¬
führenden Bronchiolen können luftdurchgängig ge- i
funden werden, sondern man muss zu ihrem Ent- 1
stehen noch die Wirksamkeit entzündungserregender |
Factoren heranziehen. Hierdurch erklärt sich auch
das Auftreten schwerer lobulärer Pneumonieen im
Gefolge des Typhus, des Keuchhustens, der Masern
und Pocken. In ihrem Verlaufe führt die katar¬
rhalische Pneumonie zu reichlicher eiteriger Ein¬
schmelzung im Gegensätze zu der croupösen Pneu¬
monie, und bekanntlich auch gelegentlich zur
Bildung von Broncliiektasieen und Lungeuabscess.
Man beobachtet aber auch eine hämorrhagische
Form, und diese ist es, die man klinisch vielleicht
mit der von mir als zweite Form der croupösen
Pneumonie, die eben auch mehr lobulär auftritt,
verwechseln kann. Nach Symptomen und Verlauf
glaubte ich aber die von mir beobachteten Fälle
als croupöse auffassen zu müssen, Sectionsbefunde
fehlten. Für uns Homöopathen ist übrigens diese
Differentialdiagnose nur von wissenschaftlichem
Interesse, insofern wir daraus Anhaltspunkte für
die Erklärung unserer Mittelwirkungen zu gewinnen
suchen. In praxi werden wir unter Umständen
eine croupöse wie eine katarrhalische Pneumonie
behandeln müssen, und ich möchte sogar speciell
die schwereren Formen der Letzteren für eine
Domäne des Phosphor erklären. Hier habe ich
seine Wirksamkeit besonders nach Masern und
Keuchhusten öfter glänzend bewährt gefunden,
also gerade in den Fällen von lobulärer Pneumonie,
die höchstwahrscheinlich wie die croupöse, in-
fectiöser Natur waren. In den aus Capillarbronchitis
hervorgegangenen, also mehr katarrhalischen Fällen
habe ich besonders die Ammonium- und Antimon¬
salze angezeigt gefunden, wenn im Beginn Aconit,
Bryonia oder Rhus nicht ausreichten. Die Wirkung
der Ammonium- und Antimonsalze auf die Schleim¬
häute der Luftwege ist zu gut bekannt, um dar¬
über noch Besonderes sagen zu müssen. In An¬
wendung gezogen wurden: Ammonium carbonicum,
Ammonium jodatum und Tartarus emeticus in
dritter Decimalpotenz. In den beiden tödtlich ver¬
laufenen Fällen von katarrhalischer Pneumonie, die
wahrscheinlich auf Hypostase beruhten, trat so
schnell Lungenödem hinzu, dass von einer Mittel¬
wirkung nicht mehr die Rede sein konnte. Noch be¬
merke ich, dass ich bei der Behandlung der acuten
Pneumonieen auch Werth legte auf die Anwendung
roborirender Diät, lauwarmer Bäder und Priess-
nitz’scher Umschläge. Dr. Stifft.
Blei-Vergiftung.
(Schluss.)
Tremor ist bei der chronischen Bleivergiftung
seltner als bei anderen Metallintoxicationen und
erscheint theils in der Form des Tremor senilis
oder mehr in der von Paralysis agitans, besonders
in den nicht paralysirten Muskeln. Er kann aber
auch die Lippen und Zunge befallen. Gelegentlich
kommt wohl auch ein Krampf des Sphincter vesicae
mit Dysurie vor.
Digitized by ^»ooQie
37
Erscheinungen in Folge örtlicher Application
des Blei. Monorreau beobachtete an sich selbst eine
deutliche Verminderung der Sensibilität an der
Hautstelle, wo das Blei eingerieben wurde.
Ein Schmied, der mit der Unken Hand in Blei
gearbeitet hatte, an Kolik und Radialislähmung
litt, zeigte am linken Arm eine ausgedehnte An¬
ästhesie, während die Sensibilität am rechten un¬
verändert war. Ein anderer Kranker, der stark
mit Blei imprägnirte Schuhe trug, litt an Anästhesie
beider Füsse, sowie an Parese einiger Unterschenkel¬
muskeln.
Cerebrale Störungen . Encephalopathia saturnina.
Störungen von Seiten der Hirnfunctionen treten zu¬
weilen bei einer schweren Bleivergiftung, hier und
da auch bei leichteren Fällen auf, und sind diese
acut, oder subacut oder chronischer Art. Kommt
es zu einer Hemiplegie, so ist in der Kegel die
motorische Lähmung nur gering, die sensible Stö¬
rung dagegen bedeutend, und es kann partielle
oder vollständige Hemianästhesie erfolgen, welche
auch auf die Specialsinne übergeht. Diese Er¬
scheinungen sind im Allgemeinen vorübergehend,
also wohl nur die Folgen functioneller Störungen,
wie sie bei Hysterischen Vorkommen. Diese Hemi¬
plegie ist aber nicht zu verwechseln mit der bei
lange andauernder Bleivergiftung so häufig vor¬
kommenden und durch eine Hirnblutung bedingten.
Viel häufiger beobachtet man allgemeine cere¬
brale Störungen, die sich in Convulsionen, Delirium
und Coma äussern. Mitunter gehen leichtere Symp¬
tome, wie Schwindel, Geräusche in den Ohren,
Tremor, Ruhelosigkeit und Schlaflosigkeit voraus.
Die Convulsionen, gleich im Anfänge oder während
des Deliriums auftretend, sind epileptiform und be¬
stehen aus tonischen und klonischen Spasmen; sie
sind entweder allgemein oder ergreifen die eine
Seite eher oder in stärkerem Grade. — Oft setzt
das acute Delirium plötzlich ein und ist ungemein
lebhaft mit einem hohen Grade von Erregung, zu¬
weilen mit Gesichts- yuid Gehör-Hallucinationen ver¬
bunden, so dass es, wenn auch Tremor saturni-
nus vorhanden, mit dem Delirium tremens grosse
Aehnlichkeit hat. Auf dies Delirium folgen meist
Coma und Convulsionen; das erstere ist jedoch
nicht absolut, so dass man den Kranken für einige
Augenblicke aufwecken kann; doch fällt er schnell
wieder in seine Bewusstlosigkeit zurück. Zuweilen
begleitet leichtes Fieber die Hirnerscheinungen;
der Tod kann unter wiederholten Convulsionen
und tiefem Coma — durch Respirationslähmung
eintreten. — Eine wichtige Begleitung dieser acu¬
ten Hirnaffection, die gar nicht selten erscheint,
ist Neuritis optica.
Es werden aber auch chronisch verlaufende
Gehirnaffectionen, entweder im Anschluss an das
acute Stadium oder selbständig, beobachtet. So
hat man in mehreren Fällen von Bleivergiftung
noch Jahre lang nach Ablauf der toxischen Ein¬
wirkung erscheinende Convulsionen gesehen, die in
ihrem Charakter. und Verlauf mit denjenigen der
gewöhnlichen Epilepsie Aehnlichkeit hatten, während
andere Symptome fehlten.
Psychopathia saturnina.
Eine chronische Geistesstörung macht sich noch
öfter geltend als obige Symptome. Die gewöhn¬
liche Form ist eine mit Delusionen verbundene
Melancholie. Zuweilen treten psychische und moto¬
rische Erscheinungen auf, welche an die Dementia
paralytica erinnern, aber sich schneller entwickeln
als diese. Man hat auch eine echte allgemeine
Paralyse der Irren mit Exaltationszuständen bei
Bleikranken beobachtet, und sie mag auch auf
Bleiintoxication zu beziehen sein.
Wirkung auf das Sehorgan.
Störungen von Seiten der Augen spielen bei
der Bleivergiftung eine wichtige Rolle. Das Sehen
kann beeinträchtigt sein, ohne dass ophthalmosko¬
pische Erscheinungen zu finden sind. Vollständige
Amaurose, der urämischen ähnlich, ist beobachtet
worden, auch da, wo sich keine nephritischen Symp¬
tome zeigten. Die unvollständige Amblyopie ist
mit einer concentrischen Einengung des Gesichts¬
feldes und Störung des Farbensehens verbunden.
Ferner hat man von ringförmigen Scotomen be¬
richtet, Gower vorübergehendes Grünsehen.
Häufig findet man die acuten wie die chroni¬
schen Symptome der Bleivergiftung in so mannig¬
facher Weise combinirt, dass dadurch in den ein¬
zelnen Fällen ein ganz verschiedenartiges Krank¬
heitsbild zu Staude kommt. — Nicht immer besteht
Kolik; die Lähmung kann auftreten, ohne dass eine
Kolik vorhergegangen ist, und kann ihrerseits wieder
fehlen, wenn Tremor und Schmerzen schon lange
vorhanden sind.
Pathologische Anatomie.
Gewebsveränderungen finden sich nur da, wo
das Blei mit Schwefel zusammenkommend mit die¬
sem eine Verbindung eingeht, vorzugsweise in den
Fällen mit localisirter Lähmung und Atrophie.
Die atrophischen Muskeln sind klein und blass,
bisweilen gelblich und bröcklich. Bei Fällen von
kurzer Dauer sind einzelne Muskelfasern schmaler
als die normalen; zuweilen zeigt sich in den Striae
eine Tendenz zu longitudinaler und transversaler
Spaltung. Hat die Atrophie lange bestanden, so
sind die Fasern überaus schmal, colloid- oder wachs¬
artig, häufig auch körnig oder fettig degenerirt.
Schliesslich verschwindet jede Spur von Muskel¬
gewebe, an deren Stelle dann Bindegewebe er¬
scheint.
Digitized by
Google
3 $
Die Veränderungen in den Nerven kommen in
den intramuskulären Verästlungen besonders zum
Vorschein, sind in den grösseren Aesten meist be¬
deutend, werden aber um so geringer, je weiter
von der Peripherie der Nerv untersucht wird. Der
Radialis und seine Aeste sind in erster Linie hieran
betheiligt; doch sind nur selten alle Fasern des¬
selben degenerirt. In der Regel sind hier normale
und degenerirte Fasern mit einander vermengt, und
je weiter nach oben, desto zahlreicher werden die
normalen Fasern.
In der Mehrzahl der Fälle macht die Degenera¬
tion weit vor den vordem Wurzeln Halt; diese
bleiben normal; doch hat man hier und da auch
bei ihnen ähnliche Veränderungen, eine Mischung
von normalen und degenerirten Fasern, wie in den
peripherischen Nerven beobachtet. Die hintern
Wurzeln waren stets intakt. So war auch im
Rückenmark selbst bei lange bestehender Blei¬
lähmung keine Läsion nachzuweisen, ebenso im
Hirn, selbst in den Fällen mit wohlmarkirten Hirn¬
erscheinungen. In den Hirnhäuten kamen zuweilen
leichte Spuren von Entzündung vor, aber in dem
Fall von Dementia paralytica war die Entzündung
in der Pia und der äusseren Oberfläche der Dura
deutlich ausgesprochen.
Diese bei der Bleivergiftung nachgewiesenen
pathologisch-anatomischen Befunde weisen deutlich
auf einen der peripherischen Nerven treffenden
Einfluss des Metalls hin, und die Kenntniss, die
wir von dem Auftreten einer primären degenerativen
Neuritis als die Folge vieler toxischer Agentien
besitzen, wirft auch ein Licht auf die Pathologie
der Bleivergiftung. Dieselbe ergreift die motorischen
Fasern entschieden mehr als die sensiblen; dies
unterscheidet die Bleivergiftung von der sonst
analogen der AlcoholVergiftung, bei der auch die
sensiblen Fasern afficirt werden.
Die specifische Richtung der Bleivergiftung auf
den Radialis beruht nach Gower ebenso auf einer
besonderen Eigenthümlichkeit der Nerven, als auf
einer solchen des Mittels, da ja auch von anderen
Giften der Radialis vorzugsweise afficirt wird.
„Es ist zweifelhaft, ob das Blei direct auf die
Muskeln einwirkt. Die Ernährungsstörungen in
ihnen und die Veränderungen ihrer elektrischen
Erregbarkeit sind dieselben, wie sie bei primären
Nervenaffectionen beobachtet werden, und sie er¬
klären sich durch die Annahme der Neuritis (ohne
directe Einwirkung von Seiten des Bleies).
Jedenfalls ist die Einwirkung des Bleies aber
nicht bloss auf die peripheren Nerven beschränkt.
In schweren Fällen können auch die motorischen
Zellen des Rückenmarks und der vordem Wurzeln
ergriffen werden. Wahrscheinlich haben die meisten
Gifte, welche zuerst und hauptsächlich auf die
peripheren Partieen der motorischen Nerven ein¬
wirken — auf die Peripherie des unteren Segments
der motorischen Bahn — auch die Tendenz auf
die Zellen, von denen die motorischen Fasern ent¬
springen, einzuwirken, somit also auf das ganze
untere Segment.
Viele Thatsachen sprechen ausserdem dafür, dass
die „atrophische Paralyse“ der Muskeln, wo Atro¬
phie und Entartungsreaction schnell auf die Läh¬
mung folgen, von einer acuten Degeneration der
peripheren Fasern abhängen, während die langsamer
eintretende Atrophie mit der langsam entwickelten
Paralyse und Entartungsreaction auf eine chronische
Veränderung in den genannten Zellen des Rücken¬
marks zurückzuführen sind.
Wichtigkeit des Bleisaums für die Diagnose der
Bleivergiftung.
Ein charakteristisches Symptom der Bleivergif¬
tung, das wir bisher nicht berührt haben, ist die
Entstehung eines schmalen, bläulich-schwarzen
Saums am Zahnfleisch, dicht an den Zähnen. Dieser
Saum besteht aus Bleisulfat; der Schwefel stammt
aus den Eiweisskörpern, die sich zwischen Zähnen
und Zahnfleisch ansammeln. (Der bei der Silber¬
vergiftung vorhandene Saum ist dem Bleisaum
ähnlich, dann dient die Hautverftlrbung als unter¬
scheidendes Merkmal der Argyrosis.) — Indessen
kann der Bleisaum noch lange Zeit bestehen, nach¬
dem die Wirkung des Bleies im Körper längst auf¬
gehört hat. Der Saum wird selbst von Jodkalium,
welches das Blei sonst aus den organischen Ver¬
bindungen der Gewebe löst und eliminirt, nicht
immer beeinflusst.
Man hat das Jodkalium denn auch therapeu¬
tisch benutzt, um die Elimination des Bleies aus
dem Organismus damit zu erzielen. Das Jodblei
ist zwar ein unlösliches Salz, es ist aber thatsäch-
lich erwiesen, dass die Zufuhr von Jodkali die
Ausscheidung des Bleies im Urin, vielleicht in einer
complicirten chemischen Verbindung, sehr erhöht.
Die Bleimenge im Urin nimmt dabei einige Wochen
lang zu, um dann langsam zu sinken.
So waren in einem Falle, bei dem vorher kein
Blei im Urin nachweisbar war, auf täglich 0,3 Jod¬
kali am 1. Tage 0,005 im Harn enthalten; am
4. 0,012, am 14. 0,022. Dann Hess die Menge
langsam nach, und nach zwei weiteren Wochen
waren nur noch Spuren vorhanden. Die ausge-
schiedene Menge ist übrigens viel geringer als man
erwarten sollte, vielleicht aus dem Grunde, dass
die Leber, nicht die Niere, die Hauptmenge elimi¬
nirt. — So lange noch acute Erscheinungen be¬
stehen, wird man mit der Verordnung von Jod¬
kalium vorsichtig sein müssen, da durch das plötz-
Digitized by ^»ooQle
$9
liehe Freiwerden des bis dahin an die Gewebe
gebundenen Bleies und die schnelle Aufnahme
desselben in den Blutstrom die toxischen Einflüsse
leicht gesteigert werden können.
(Aus W. R. Gower’s Handbuch der Nerven¬
krankheiten. III. Band.) H.
Ueber Apispräparate.
Von Dr. Stiegele jun.-Stuttgart.
Bis auf den heutigen Tag ist die Frage nach
der Art des im Bienengift enthaltenen wirksamen
Princips strittig. Den verschiedenen, hierüber auf¬
gestellten Hypothesen entsprechen die verschiedenen
Darstellungsweisen der zu Prüfungs- oder Heil¬
zwecken gefertigten Präparate. Die einen Autoren
plaidiren für die Aufnahme des Giftes durch Wasser,
die anderen bevorzugen den alcoholischen Auszug.
Zu den ersteren gehören Haie, Altschul, Marcy.
Haie nimmt 10—12 lebende Bienen, wirft sie in
eine Tasse und übergiesst sie mit heissem Wasser.
Ausser diesem Verfahren schlägt er zwei Ersatz¬
methoden vor. Die Urtinctur, wie die drei ersten
Verdünnungen, lässt er mit destillirtem Wasser an¬
fertigen, von der 4. Verdünnung an nimmt er reinen
Alcohol. Die zweite Ersatzmethode nimmt eine
Milchzuckerverreibung in Aussicht. Darüber später.
Haie wie Altschul sind der Ansicht, dass der
Alcohol das unverdünnte Gift zerstört und dass es
in alcoholischer Lösung gerinnt.
Den entgegengesetzten Standpunkt vertreten
Hering, Humphrey und andere, denen die Deven-
ter’sche und Scliwabe’sche Pharmacopöe im wesent¬
lichen gefolgt sind. Deventer verwendet weniger
stark concentrirten Alcohol. Nach Schwabe werden
„lebende Bienen in eine Flasche gebracht, durch
Schütteln derselben zornig gemacht und mit der
fünffachen Gewichtsmenge starkem Weingeist über¬
gossen. Durch acht Tage mit zweimaligem täg¬
lichem Umschütteln macerirt, wird diese Tinctur,
indem man den oben stehenden klaren Theil ab¬
giesst, potenzirt.“ Nach Hering soll der Alcohol-
rückstand nur die indifferenten Stoffe enthalten.
Dieses Verfahren soll die leichte Zersetzlichkeit
des Giftes in wässeriger Lösung vermeiden und die
Gefahr der Verflüchtigung der besonders von Hering
als wichtig betonten Stoffe verringern.
So war der Streit unentschieden, bis neuere
Untersuchungen Längere die Frage wieder brennend
gestalteten, sie aber auch in manchen Punkten ihrer
endgültigen Lösung nahe brachten. Im Folgenden
seine Darstellung des Giftes und die damit ange-
stellten Versuche.
Stacheln sammt Adnexen werden in 06procenti-
gem Alcohol gesammelt, nach Abflltriren des Alco-
hols bei 40° getrocknet, dann zu einem feinen
Pulver verrieben und dieses wiederholt mit Wasser
extrahirt. Durch Filtriren dieses wässerigen Ex-
tractes erhielt er eine klare, gelblich-bräunliche
Flüssigkeit, welche bei ihrer Anwendung je nach
der Concentration typische Reaction hervorrief.
Diese typische Reaction bestand darin, dass bei
subconjunctivaler Injection oder auch wie später
bei einfacher Einträufelung in’s Auge reichlicher
Lidschlag, Lidschluss, Abwischbewegungen mit den
vorderen Extremitäten, Thränenfluss, Hyperämie
und Chemosis der Conjunctiva erfolgte. Je nach
der Concentration zeigte sich nun früher oder
später reichlich eitriger Inhalt im Conjunctivalsacke
und croupöser Belag auf der Conjunctiva. Die Er¬
scheinung war so prompt eintretend, dass sie
schon durch einen Tropfen mit einem Gehalt von
0,00004 g nativen Giftes hervorgetufen wurde.
Bezüglich des Einflusses, den das Bienengift auf
thierische Gewebe auszuüben vermag, theilt Langer
vorläufig Folgendes mit.
„Das Aufträgen des genuinen Bienengiftes oder
einer 2procentigen Giftlösung auf die unversehrte
Haut vermag absolut keine reizende Wirkung her¬
vorzurufen, während die Schleimhaut der Nase und
des Auges in specifischer Weise reagiren. Appli-
cirt man hingegen das native Gift oder Tröpfchen
von wässerigen Giftlösungen in kleinste Schnittwunden
oder sticht durch ein solches Tröpfchen mit einer
Nadel in die Haut ein, so tritt das verschieden
stark ausgeprägte Bild auf, welches wir beim ein¬
zelnen Aculeatenstich beobachten können. Eine
solche „ catane “ Application, wo das Gift nicht
unter die Cutis gelangt, ruft bekanntlich nach der
Art des stechenden Insectes verschieden starken
Schmerz hervor; um die Stichstelle bildet sich eine
an Ausdehnung sichtlich zunehmende Quaddel, die
Anfangs blass erscheint, allmählich aber sich aus¬
breitend mit randständigen, unregelmässig gezackten
Ausläufern in einen bis über handtellergrossen
Herd entzündlicher Röthung und Schwellung über¬
geht, in dessen Centrum man die Stichstelle nur
mehr als ein kleines miliares Knötchen erkennen
kann, welches öftere einen kleinsten Blutpunkt
zeigt. Dieses kleine, derb anzufühlende Knötchen
überdauert oft tagelang die einzelne Stichverletzung,
während die Erscheinungen der örtlichen Entzündung
(Röthung, Schwellung) in der Regel binnen 48 Stunden
verschwinden.
„Die subcutane Application einer lprocentigen
bis 2procentigen Lösung genuinen oder trockenen
Giftes verursacht gleichfalls Schmerz. Die Thiere
(Kaninchen und Hunde) zeigen sich nach der In¬
jection sehr unruhig und führen Abwehrbewegun-
Digitized by
Google
40
gen gegen die Jnjectionsstelle hin aus. Die durch
die injicirte Flüssigkeit abgehobene Hautpartie nimmt
binnen 2 Stunden, wo bereits vollständige Resorp¬
tion stattgefunden hat, allmählich eine blasse Farbe
an, während in dem randständigen Oedem bis über
linsengrosse Suffusionen auftreten, und die Blut¬
gefässe der Umgebung sich stark gefüllt zeigen.
Während nun im Verlauf von 2—8 Tagen das
Oedem um den Injectionsbezirk fast vollständig
verschwindet, und die randständigen Suffusionen
ihre regressive Metamorphose antreten, nimmt die
primär anämische Stelle derbere Beschaffenheit an
und bildet sich im weiteren Verlaufe zu einem
trockenen, lederartigen, von der Unterlage unab¬
hebbaren, braunen Schorf aus, der erst nach Wochen
abgestossen wird.“
Auf die Wirkungen der intravenösen Applica¬
tion will ich jetzt nicht eingehen, da sie dem Zweck
dieser Zeilen ferner liegen.
Langer steht also mit seiner Darstellungsweise
den principi^llen Anschauungen Hale’s, der nur
eine Löslichkeit des Giftes in wässerigem Medium
für möglich hält, nahe. Er betrachtet also nur den
Alcoholrückstand als wirksam in schroffem Gegen¬
satz zu Hering, der in dem alcoholischen Auszug
minus Rückstand das speciiische Agens vermuthet.
Nun fehlt allerdings in den Langer’sehen Versuchs¬
reihen der noch zu erbringende Beweis, dass der
alcoholische Auszug minus Rückstand unwirk¬
sam sei.
Diese Lücke der Beweisführung habe ich in
den nachstehenden Versuchen auszufüllen unter¬
nommen. Ich benutzte dazu eine Apis-Urtinctur,
ein Präparat, das, den Hering’schen Hypothesen zu
Folge, einen grossen Gehalt nativen Giftes voraus¬
setzen Hess und einen alcoholischen Auszug minus
Rückstand darstellt. Ebenso war mit Bestimmtheit
zu erwarten, dass die Versuchsergebnisse sich mit
den Langer’schen decken würden, da ja dieselbe
Giftspecies mit ähnlichen quantitativen Bedingungen
zur Anwendung kommen sollte.
1. Ich träufelte in mein linkes Auge in zwei
zeitlich von einander getrennten Versuchen je einige
Tropfen des Präparates ein. Es erfolgte reichlicher
Thränenfluss, der Abwisc^reflex stellte sich eben¬
falls prompt ein — aber eine typische Reaction
der Conjunctiva, wie sie von Langer vielfach be¬
obachtet und beschrieben worden ist, stellte sich
in keinem Falle ein. Die auftretenden oben ge¬
nannten Symptome wie Thränensecretion etc. er¬
scheinen ebenso prompt bei Anwendung concen-
trirten Alcohols.
2. Der Cutis meines linken Armes incorpo-
rirte ich durch 7 Schnittchen das Präparat; unter
lebhaftem Jucken entwickelten sich Infiltrationen
mit geringer Erhebung über das Niveau der Um¬
gebung, die eine gleichmässige hellrothe Verfärbung
aufwiesen, und unter allmählich abnehmendem
Juckreiz binnen 24 Stunden verschwunden waren.
Von einer Quaddelbildung und anderen für das
incorporirte Bienengift specifischen Erscheinungen
war nicht der geringste Ansatz zu bemerken. Zu¬
dem wies ein am rechten Arm mit 96 procentigern
Alcohol angestellter Controlversuch genau die näm¬
lichen Erscheinungen auf.
3. Eine subcutane Injection einiger Tropfen
der Tinctur in meinen rechten Arm bewirkte hef¬
tige, brennende Schmerzen, die sich im Zeitraum
einer halben Stunde verloren; eine starke Infiltra¬
tion war noch nach 24 Stunden zu fühlen. Das
waren die einzigen örtlichen Symptome. Also keine
Quaddelbildung, kein randständiges Oedem mit
Suffusionen und stark gefüllten Blutgefässen, keine
Spur von der Reaction, wie wiT sie nach Bienen¬
stichen zu sehen gewohnt sind. Allgemeine Symp¬
tome traten überhaupt nicht in Erscheinung.
Bei einer zweiten Versuchsperson verfuhr ich
in derselben Weise. Die Einträufelung in die
Conjunctiva unterliess ich hierbei wie auch später;
gegenüber der Reaction, wie sie bei cutaner und
subcutaner Application des Giftes erfolgt, erscheint
mir die conjunctivale Versuchsform im Gegensatz
zu Langer nicht einmal so charakteristisch. Bei
Erforschung der Specifität müssen wir uns zu Ver¬
gleichszwecken doch an die Gewebe halten, die
bereits als Träger significanter toxicologischer Ein¬
wirkung bekannt sind; dass aber von den Bienen
die Conjunctiva mit besonderer Liebhaberei als
Giftdepot benutzt würde, dürfte selten möglich ge¬
wesen sein. Lewin weiss nur von einem typischen
Fall. Es muss daher das von Langer dort erzeugte
pathologisch-anatomische Bild gegenüber den häufi¬
gen specifischen Veränderungen des Unterhautzell¬
gewebes in seiner Bewerthung zurückstehen; dazu
kommt, dass das bewirkte anatomische Bild auf
dieser Schleimhaut auch zu leicht durch andere
Bedingungen wie Fremdkörper, Erkältung etc. ge¬
schaffen wird. Auch bei der Fern Wirkung des in
die Haut gelangten Bienengiftes ist die Conjunctiva
nur in sehr seltenen Fällen betheiligt. Das Re¬
sultat der genannten Versuche war, wie bei meiner
eigenen Prüfung, ein negatives, und blieb es, nach¬
dem ich in die Versuchsreihe noch eine dritte Person
aufgenommen hatte.
Was ergiebt sich zunächst aus den Langer 1 sehen
und meinen Versuchen? Die Hering’sche Ansicht,
der Alcoholrückstand enthalte nur indifferente Stoffe,
ist absolut unhaltbar. Es erscheint im Gegentheil
der Schluss berechtigt, den Mangel an wirksamen
Bestandteilen der Tinctur zuzuschieben. Bei dieser
Negation des experiraentellen-therapeutischenWerthes
genannten Präparates muss jedoch eine moderirende
Digitized by c^ooQie
41
Einschränkung gemacht werden, auf die ich später
zurückkommen werde. Allein sicher ist, dass bis¬
her mit falschen theoretischen Voraussetzungen ge
arbeitet wurde. Man wollte auch das Bienengift
in die grosse Zahl der Stoffe einreihen, die eine
wirkungsvolle Bestätigung des Aehnlichkeitsgesetzes
enthalten. Die toxicologische Grundlage der ganzen
Beweisführung war in überzeugendster Art durch
die vermittelst Bienenstiche unfreiwillig erfolgenden
Prüfungen am gesunden Menschen gegeben. Die
klinische Anwendung musste nunmehr durch niedriger
gewählte Dosen die Möglichkeit therapeutischer Be¬
einflussung von Krankheitserscheinungen ähnlich
dem durch Bienenstiche erzeugten Symptomenbild
erhärten. Jetzt sind wir an der Fehlerquelle. Der
Beweis wurde geführt mit einem Präparat, das in
Folge Mangels an specifischen wirksamen Stoffen
nicht einmal die toxicologischen Vorbedingungen
erfüllen, geschweige denn deren klinische Bestäti¬
gung gewährleisten kann.
Nachdem ich diese Beobachtung gemacht hatte,
war die ganze Reihe des „klinischen Materials“,
das ich mir gesammelt hatte, in seiner Bedeutung
erheblich geschmälert. Ich habe jeden Fall mit
kritischem Urtheil gemustert und kam dabei zu der I
Erkenntniss, dass bei den ein wandsfreiesten und
überzeugendsten Krankengeschichten entweder na- j
tives Gift oder eine wässerige Lösung desselben
zur Anwendung gekommen war. Ich möchte hier¬
bei namentlich an die von Haie und Mayländer
beschriebenen Fälle erinnern; sie erhalten ihren
besonderen Werth noch durch die Exactheit der
Diagnose wie durch die lange, bis zur Application
des Mittels verstrichene Dauer ihres Bestehens.
Nun hat Hering unter bedauerlicher Ignorirung der
im Rückstand enthaltenen Agentien den therapeu¬
tischen Hauptwerth auf die flüchtigen Stoffe ge¬
legt. Welcher Art dieselben sind und inwiefern
die Ameisensäure bei ihren Effecten betheiligt ist,
ist noch unentschieden und kann vorderhand auch
unberücksichtigt bleiben. Der Hering’sche Gedanke
an sich stellt schon einen so wichtigen Gesichts¬
punkt dar, dass sich eine gewisse Reserve in der
vollständigen Ablehnung Herings wohl verstehen
lässt. In den alcoholischen Auszug gehen die
flüchtigen Stoffe über. An sie haben wir wohl zu
denken, wenn man die mit grossem Energieaufwand
verfochtenen Behauptungen erfahrener Praktiker
über Apisheilungen hört. Viel eindringlicher sprechen
aber zu Gunsten der flüchtigen Agentien die Prüfun¬
gen, die von dem württembergschen Verein homöo¬
pathischer Aerzte angestellt wurden und an anderer
Stelle veröffentlicht werden. Wenn man die Prüfungs*
resultate studirt, so drängt sich aus einer gewissen
gesetzmässigen Folge der Erscheinungen, aus dem
wiederholten Auftreten gleicher Symptome bei ver¬
schiedenen Individuen, aus der Congruenz charak¬
teristischer Momente der neuen Prüfung mit denen
der vor Jahrzehnten angestellten, die Ueberzeugung
von specifisch wirkenden Stoffen auf. Das sind die
flüchtigen Principien. Dem widerspricht auch nicht
die Beobachtung, dass bei recht hohen Potenzen
charakteristische Symptome auftreten. Gerade aus
den physikalisch-chemischen Eigenschaften flüchtiger
Stoffe heraus verstehen wir das Auftreten solcher
Erscheinungen. Ihre Energetik ist bekanntlich von
der Oberflächenvergrösserung in hohem Maasse ab¬
hängig. Damit stimmen auch die Erfahrungen ge¬
wiegter Praktiker, die eine specifische Wirkung nur
bei Verabreichung höherer Potenzen feststellen
konnten. Ferner steht der Fall, dass hochdifferen-
zirte Protoplasmagebilde und ihre Derivate noch in
hohen Verdünnungen specifisch zellreizende Eigen¬
schaften entfalten, durchaus nicht ohne Anteceden-
tien. Ich erinnere nur an die Wandlungen, die
die Tuberkulintherapie seit ihrem ersten Auftreten
in der Dosirungsfrage gemacht hat; man ist da all¬
mählich factisch zu homöopathischen Potenzen her¬
untergegangen *).
Wenn man sich nun das bisher Gesagte über¬
legt, so muss sich einem Jeden ein mächtiges Be-
dürfniss, vollends klar zu sehen, aufdrängen. Wir
wissen, dass wir gegenwärtig mit zwei Präparaten
arbeiten, die allem nach in physiologischer wie
therapeutischer Hinsicht grosse Differenzen auf¬
weisen. Auf der einen Seite Apis, das in seiner
Bereitungsweise Hering’schen Anschauungen ent¬
spricht; demgegenüber Apisin, das den Voraus¬
setzungen Langers und Haies nahekommt. Wir
kennen den Charakter der Apispräparate aus den
angestellten Prüfungen und den klinischen Ver¬
suchen. Wir können zugeben, dass bei der Hering’¬
schen Darstellungsart das Aehnlichkeitsgesetz zu
seinem Recht gelangt, wenn man als tertium com-
parationis die flüchtigen Stoffe annimmt. Ueber
Apisin wissen wir wenig. Seine ersten Potenzen
stellen Milchzuckerverreibungen der wässerigen Gift¬
lösung dar. In ihm sehen wir die Vereinigung
aller wirksamen Principien, denn durch die Milch¬
zuckerverreibungen werden auch die flüchtigen
Stoffe gebunden. Es wäre daher logischer und dem
Sprachgebrauch entsprechender, den dem alcoholi¬
schen Auszug entstammenden Präparaten den Namen
Apisin beizulegen, da sie mit der willkürlichen Los¬
lösung einzelner Bestandtheile (der flüchtigen Körper)
vom wirksamen Ganzen eine subordinirte Begriffs¬
stellung erhalten.
Diese Loslösung kann nicht gutgeheissen werden.
Sie hat dazu geführt, dass die Aehnlichkeitsbeziehun-
gen auf unzureichender Basis aufgebaut wurden.
•) oder hinaufgestiegen. Red.
6
Digitized by ^»ooQie
42
Die Bestandteile des Giftes, die für die Verglei¬
chung von Vergiftungssyniptomen und Krankheits-
erscheinungen die wichtigsten Anhaltspunkte bieten
mussten, wurden von vornherein ignorirt.
Es war von jeher das Bestreben der homöo¬
pathischen Arzneiverordnungslehre, das Individuum,
gleichviel welchem Naturreich entstammend, als
solches zu prüfen und therapeutisch zu verwerten.
Warum denn bei Bienengift eine Abspaltung vor¬
nehmen?
Die Entwickelung der Digitalistherapie ist am
besten geeignet, zu zeigen, dass die Zerstörung der
individuellen Einheit, die Loslösuug einzelner Alca-
loide von dem Charakter der ganzen Pflanze für
die Verwendung am Krankenbett zu unverlässlichen
Wirkungen führt. Ich verkenne damit keineswegs
den Werth der Beobachtungen, die uns aus den
Forschungen nach der Wirkung der Alcaloide der
Nerven und Muskelgifte (Morphin, Strychnin etc.)
erwachsen sind — werden ja doch dabei Hahne-
mann’sche Postulate nach möglichster Vereinfachung
medicamentöser Verordnungen erfüllt — nur ein
analytisches Vorgehen, erst nach gründlicher Unter¬
suchung der Totalwirkungen die Erkenntniss der
durch einzelne Componenten gesetzten Effecte an¬
zustreben, möchte ich damit befürworten.
Mein Zögern gegenüber der Veröffentlichung
der therapeutischen Qualitäten des Bienengiftes in
dem ersten Band der neu zu schaftenden Arznei¬
mittellehre dürfte durch meine Darlegungen ge¬
nügend motivirt sein.
Abgesehen von den sachlichen Schwierigkeiten,
die sich namentlich auch auf das pharmaceutische
Gebiet erstrecken, wäre es ein schwerer, tactischer
Fehler, das junge Werk von vornherein mit einem
solchen Conto von Unsicherheit zu belasten. Die
Vorschläge, die sich für mich als Schlussfolgerungen
aus dem Gesagten ergeben, unterbreite ich der
collegialen Kritik.
Es ist unumgänglich nothwendig, dass das bis¬
her als Apisin bezeichnete Präparat der experi¬
mentellen Prüfung und der therapeutischen Ver¬
wendung mehr wie bisher zugetheilt wird, da es die
Hauptbestandteile des Giftes in sich vereinigt. Die
Frage nach der Concentration des zur Darstellung
nötigen Alcohols ist ebenfalls experimenteller
Prüfung zu unterziehen. Nächstdem ergiebt sich,
dass der Gebrauch der bisher gebräuchlichen Apis-
tinctur und der ihr entstammenden Potenzen, weil
zu falschen Schlüssen führend, nicht ratsam ist;
zum mindesten muss der Kreis der Indicationen
ganz bedeutend eingeengt werden. In der Tendenz
dieser Arbeit kann es nicht liegen, weiteres darüber
auszuführen; es ist das Sache späterer Versuche.
Aletris farinosa in Uterinkrankheiten.
Wir haben oft darüber zu klagen, dass so
manche von der homöopathischen Schule geprüfte
und therapeutisch verwertete Heilmittel von Aerzten
der alten Schule als Specifica in gewissen Krauk-
heitszuständen, ohne Angabe der Quelle, woraus sie
geschöpft haben, in die medicinische Welt, ja ins
grosse Publikum hinausgeworfen werden; wir dürfen
aber auch nicht vergessen, dass ein Theil der neuen
amerikanischen Mittel der Praxis der amerikanischen
Eklektiker entlehnt, nur teilweise oder noch gar
nicht geprüft, von homöopathischer Seite aufgenom¬
men worden ist. Zu diesen letzteren gehört auch
Aletris farinosa. Haie giebt freilich in seinen
„Neuen amerikanischen Heilmitteln“ eine kurze
Pathogenese dieser Arzneipflanze; doch sind die
aufgeführten Symptome grösstenteils ex usu in
morbis entnommen.
Farrington charakterisirt das Mittel in seiner
„Klinischen Arzneimittellehre“, p. 307, ganz treffend
dahin: ,,Das ist eine der bittersten Substanzen, die
wir kennen. Sie ist sehr nahe bei Senecio und
Helonias. Nach allopathischer Sprachweise ist sie
ein Tonicum. Sie ist besonders nützlich bei Frauen,
die ausser Uterinleiden und Weissfluss hartnäckige
Verstopfung haben und sich sehr abquälen müssen,
um eine Entleerung zu bewerkstelligen. Viel
schaumiger Speichel häuft sich im Munde an. Hier
muss auch noch erwähnt werden, dass, wo Aletris
Heilmittel ist, Schwäche der Verdauung sich findet;
Speisen belästigen die Kranken und liegen schwer
im Magen.“
Wir sind letzthin an dieses Mittel sehr lebhaft
erinnert worden durch eine jener uns überschwem¬
menden kleinen Brocliüren aus den Officinen der
chemischen Industrie. In der Regel wirft man diese
Schriftchen alsbald nach einem flüchtigen Blick in
den Papierkorb, zumal wenn sie einem in so fettem
grossen Druck, wie dies mit der Ueberschrift Aletris
Cordial (Rio) unter die Augen kommen. Doch hier
und da lohnt es sich, von solchen Dingen Notiz zu
nehmen.
Der Aletris Cordial ist ein aus der Aletris fari¬
nosa, dem amerikanischen Einhornbaum, mit ver¬
schiedenen aromatischen Stoffen hergestelltes Prä¬
parat — doch scheint die Wirkung der Aletris von
diesem Beigemengsei nicht gar sehr modificirt zu
werden, wie man aus den mitgetheilten Kranken¬
geschichten, wenn diese eben glaubwürdig sind,
schliessen kann.
So berichtet 1. c. ein Dr. med. Goliner-Erfurt
über die guten Erfolge, die er mit diesem Prä¬
parat bei dysmenorrhöischen Frauen und Mädchen
und den Menstruationsstörungen bleichsüchtiger Mäd¬
chen erzielt hat, wo es das Eisen weit hinter sich
Digitized by c^ooQie
43
lasse. — Auch bei ausgesprochenen Fällen von
Hysterie hat es ihm gute Dienste geleistet, so bei
folgender Patientin:
Eine 87 j. Frau, Mutter von 3 Kindern, klagte
über hysterische Beschwerden und Menorrhagieen.
Die Untersuchung ergab: Hypertrophie der ver¬
längerten Portio vaginalis, Descensus und Retro-
versio Uteri. Später litt sie an einer Perimetritis
mit starker Exsudatbildung. Auf der Höhe dieser
Krankheit kam es zu heftigen hysterischen Krämpfen
und Depressionserscheinungen, besonders zu Ohn¬
mächten. Anästhesie der Haut und Muskeln, so¬
wie partielle Hemiplegie wurden gleichfalls bei
ihr beobachtet, abwechselnd mit Delirien. Narco-
tische und antihysterische Mittel brachten nur vor¬
übergehende Erleichterung. Jetzt erhielt Patientin
Aletris Cordial, 2 Mal täglich 1 TheelÖffel. Der Er¬
folg war günstig. Die Krämpfe und andere hyste¬
rische Beschwerden gingen zurück, das Allgemein¬
befinden der Patientin besserte sich zusehends. —
Ob das Mittel auf die pathologischen Veränderun¬
gen des Uterus eingewirkt habe, sagt Verf. frei¬
lich nicht. M.
L’Omiopatia in Italia.
XXXV. Heft. 1899.
Das Organ des homöopathischen italienischen
Instituts berichtet wieder über einen langsamen,
wenn auch stetigen Fortgang unserer Sache in
Italien. So hat das dispensario omiopatico in Turin
im Laufe des Jahres 1898 eine kleine, aber fort¬
schreitende Zunahme in der Zahl der dort Hilfe¬
suchenden zu melden, — eine Thatsache, die um
so bemerkenswerther ist, als sich die Anzahl der
Ambulatorien und (unentgeltlichen) Polikliniken fast
monatlich in Turin vermehrt, in dem Maasse,
dass den armen Kranken nur die Qual bei der
Wahl bleibt. Freilich nicht allen dieser Ambu¬
latorien ist ein blühendes und kräftiges Leben be¬
stimmt; wie viele siechen nach einem kurzen Zeit¬
raum scheinbaren und flüchtigen Wohlseins an
Inanition dahin; ja Collegen, welche sich an den
öffentlichen Ambulanzen betheiligen, gestehen offen,
dass es sonst die Kranken waren, welche auf den
Arzt warteten, während es jetzt der Arzt ist, der
auf die Kranken wartet. — Wie in den früheren
Jahren, so stellten auch in diesem die Augen¬
kranken das grösste Contingent. Dass man ein so
zartes Organ, wie das Auge, mit der grössten Be¬
hutsamkeit behandeln müsse, zu dieser Erkenntniss
scheinen endlich auch viele allopathische Aerzte
gekommen zu sein, indem sie vom Sublimat so
schwache Lösungen, wie 1:10000, ja selbst 30 000
anwenden.
Es wurden Verordnungen gemacht 4493
Besuche im Hause der Kranken . 152
4645
Consultationen von Dr. Bottino in
der Apotheke und im Hause . 893
5538
Für die innerliche Behandlung sorgen DDr. G.
Boniuo, C. Bottino und V. Rabajoli; für die chirur¬
gische die DDr. S. Denattris und M. Serivano. —
Ueber das homöopathische Dispensarium in
Florenz erstattet Dr. Baldelli einen ausführlichen
Bericht, aus dem wir einige praktische Blüthen
pflücken wollen.
Unter den Krankheiten der Atlimungsorgane ist
ein Fall von Pleurodynie hervorzuheben. Der
Schmerz trat linkerseits äusserst heftig auf und ver¬
schlimmerte sich bei der kleinsten Bewegung unter
grosser Dyspnoe.
Ranunculus bulbosus brachte sofortige Erleich¬
terung, und zwar in der 3. Dil., während die
höheren nicht anschlugen.
Interessant ist die Heilung zweier Fälle von
langwieriger Diarrhöe bei jungen Kindern, wo die
in Folge von Schreck erstandene Krankheit allen
Mitteln der alten Schule 3 Monate lang Trotz ge¬
boten, während sie auf wenige Gaben Ignatia 80.
bald nachliess, — eine gute ätiologische Kur!
Zincum 200. und 1000. erwies sich sehr wirk¬
sam bei der Enuresis eines jungen Mädchens, die
nur bei Tage beim Gehen und Stehen sich zeigte.
Ein armes Mädchen war an einem acuten Ge¬
lenkrheumatismus erkrankt. Einreibungen von Ich¬
thyol auf die Gelenke hatten die Schmerzen in
denselben beschwichtigt, so dass das Kind geheilt
schien, aber Tags darauf entwickelten sich die
Zeichen einer Endocarditis. Dr. Baldelli fand die
kleine Patientin in einem Zustande angstvoller
Qual mit Cardiopalmus, etwas Fieber, spärlichem
Urin, wogegen Strophantus und Digitalis nichts
ausgerichtet hatten. Er verordnete Abrotanum 80.
Dies besserte zwar die Herzsymptome, rief jedoch
die Gliederschmerzen wieder hervor, die ihm nun,
sowie dem später gereichten Cactus grandifl., nicht
weichen wollten, sondern sich noch verschlimmerten
und durch ihre Flüchtigkeit das Kind sehr herunter¬
brachten, so dass es schliesslich seinem Leiden er¬
lag; betrauert von seinen Eltern, die der hieran so
unschuldigen Homöopathie den schlimmen Ausgang
zuschrieben, obgleich Dr. B. ihnen von Anfang an
in diesem übel zugerichteten Falle keine Hoffnung
auf Heilung gemacht hatte. —
Vor 3 Jahren wurde dem Verf. ein Jüngling
vorgeführt, der schon zwei Mal wegen einer skro-
phulösen Caries am Calcaneum operirt worden war.
Die kranke Stelle war mit Jodoform bedeckt und
6 *
Digitized by k^ooQle
44
mit Verband versehen. Man hatte schon eine dritte
Operation vorgeschlagen. Die Prognose war un¬
günstig, da die Mutter an Tuberculosis gestorben
war. Es waren auch bereits verschiedene mehr
oder weniger umschriebene Abscesse, Periostitiden,
aufgetreten; wo er sich stiess, bekam er Schmerzen.
Calc. carb. et phosphor. in verschiedenen Dilutionen
waren die Hauptmittel, welche die Lebenskraft des
jungen Organismus anregten, sodann die Seeluft,
Bäder und Sand unterstützten wesentlich die innere
Behandlung, die länger als ein Jahr fortgesetzt
wurde. Heute ist der junge Mensch frisch und
munter und von ungewöhnlicher Thätigkeit und
Intelligenz.
Von Tuberculin 80., 3 bis 4 Gaben in einem
Monat, hat Verf. bei tuberkulösen Patienten wieder¬
holt gute Wirkungen gesehen: das Fieber liess
nach, die Eiterungen besserten sich und lieferten
ein pus bonum; das ganze Befinden hob sich.
Dr. Mossa.
Einige Mittel bei Leiden der weiblichen
Brustdrüsen.
H. C. Allen hat die Indicationen von einigen
Mitteln bei Leiden der Mammae so angegeben:
Wenn die geschwollenen Brüste weder heilen,
noch in Eiterung übergehen, dunkelroth, fast stein¬
hart sind, die Schmerzen von den Brustwarzen aus¬
gehen und über den ganzen Körper ausstrahlen;
wenn die Brustwarzen wund und rissig, so ist Phy-
tolacca indicirt. — Schmerzen, die von der Brust¬
warze über die Mamma sich strahlenförmig aus¬
breiten, sprechen für Belladonna, gehen sie von
da durch den unteren Winkel der Scapula, beim
Saugen des Kindes, für Croton tiglium. — Bei
wehenartigen Schmerzen, die jedes Mal beim Säugen
eintreten, Silicea. — Sind die Brüste sehr empfind¬
lich bei Berührung während der intramenstruellen
Zeit, so denke man an Medorrhinum. — Schwel¬
lung und Verhärtung der Mammae während der
Menses, Hisse in der Brustwarze, meisthin an der
Basis (Sepia an der Spitze), oder harte Narben,
die nach Brustabscessen zurückgeblieben sind, er¬
fordern Graphites. Empfindlichkeit und Härte der
Mammae, einige Tage vor der Menses, steinhart
oder mit harten, innen sitzenden Knötchen, Co-
nium. — Hyperämie der Brüste, einige Tage vor
den Menses, und eine so übermässige Empfindlich¬
keit dieser Theile, dass sie diese beim Treppen¬
steigen halten muss, Lac caninum.
Beständiger Schmerz in der Gegend unterhalb
der linken Brust, der durch die Brust bis zum
unteren Winkel des Schulterblattes zieht, Husten
und tiefes Einatbmen, Sanguinaria, — Schmerz in
der Regio inframammaris, der aber nicht hindurch¬
geht, Actaea racemosa.
(American Homoeopathist.) x.
Zur physiologischen Bestimmung der
Lebensdauer des Menschen.
Flourens hat den Satz aufgestellt: So lange
die Knochen mit ihren Ansätzen (Epiphysen) nicht
verbunden sind, wächst das Thier.
Hiermit ist der Dauer des Wachsthums ein
bestimmter Termin gegeben. Das Verhältniss des
Wachsthums zur Lebensdauer stellt sich auf etwa
1:5. Die feste Verbindung der Knochen mit
ihren Ansätzen tritt z. B. beim Kameel mit 8,
beim Pferd mit 5, beim Ochsen und Löwen mit 4,
beim Hund mit 2, bei der Katze mit l 1 /^ Jahren
ein. Das Kameel hat eine Lebensdauer von
8X5 — 40, das Pferd von 25, der Ochs und
Löwe 15—20, der Hund 10—12, die Katze von
9 —10 Jahren. Bei dem Menschen tritt diese Ver¬
bindung ungefähr mit dem 20. Jahr ein, somit
wird sich sein normales Leben auf 100 Jahre
stellen, wofür auch statistische und geschichtliche
Thatsachen hinlänglich sprechen. Und doch ist
dieses Verhältniss kein allgemein in der ganzen
Thierwelt gültiges. Bei den niederen Thieren ist
es jedenfalls unvollkommen oder gar nicht anwend¬
bar. Die Insecten sind ja überwiegend sehr kurz¬
lebig; ebenso viele niedere Wirbelthiere. Von
zahlreichen Fischarten weiss man, dass sie be¬
ständig wachsen, und dass vielleicht nur im höch¬
sten Alter hierin ein Stillstand eintritt.
Daraus ersieht man, dass sich das Verhältniss
der Dauer des Wachsthums zu der des Lebens
nach der Klasse der betreffenden Lebewesen richtet,
und dass die Lebensdauer um so höher steigt,
einer je höheren Organisation das Thier angehört.
Aber selbst in den Ordnungen der einzelnen
Klassen herrscht Verschiedenheit, denn selbst in
einzelnen Thierfamilien treten Abweichungen von
der Regel auf. Nach Flourens* Beobachtungen
z. B. tritt die Verwachsung der Epiphysen beim
Kaninchen nach dem ersten Jahre, beim Meer¬
schweinchen bereits mit 7 Monaten ein. Nach dem
oben angegebenen Gesetz müsste also das normale
Leben des Kaninchens 5, das des Meerschweinchens
etwa 3 Jahre dauern, und doch ist erwiesen,
dass diese Thiere ein Alter von 8 resp. 6—7
Jahren erreichen. Hier wäre das Verhältniss also
nicht 1 : 5, sondern 1 : 8 resp. 1 : 10. -—
Der Mensch mit seinem höchst vollkommenen
Organismus müsste Anwartschaft auf recht hohe
Lebensdauer haben. Hufeland bestimmte auch die
Zeit des Wachsthums für den Menschen auf
Digitized by ^»ooQle
45
25 Jahre und das Verhältnis desselben zur Lebens¬
dauer wie 1:8; folglich würde seine normale
Lebensdauer sich auf 200 Jahre beziffern. Diesem
Resultat widersprechen jedoch sowohl Geschichte als
Statistik. — Das Wachsthum des Menschen in die
Höhe ist mit dem 20. Lebensjahre abgeschlossen.
Mit dem 40. Jahre ist dies auch mit dem in die
Breite der Fall. Darüber hinaus kann der Körper
zwar an Umfang zunehmen, aber dies ist weniger
weitere Entwicklung der Organe, als Ansatz von
Fett, einer wenig productiven Masse. Nach der
Entwickelung in die Höhe und Breite geht in der
Tiefe unseres Organismus eine innere Arbeit vor
sich, die Erkr&ftigung, welche alle Theile fester,
vollständiger, functionsfähiger macht. Diese Arbeit
fällt zwischen das 40. und 55. Jahr, nach Flourens
sogar bis ins 65. und 70. Jahr. Hier lässt er das
erste, das kräftige Greisenalter beginnen, während
er das hohe Alter in das 85. Jahr verlegt. Doch
in der Regel tritt der Verfall, das Verblühen schon
nach dem 60. Jahre ein und macht sich an Leib
und Geist deutlich bemerklich. — Im Ganzen ist
also das Verhält niss der Epiphysen Verwachsung zur
Lebensdauer des Menschen wie 1 : 5 als die Regel
zu betrachten. M.
Nekrolog.
Carl Larisch wurde am 20. November 1816
in Breslau geboren als Sohn des homöopathischen
Arztes Dr. Larisch. Das Gymnasium besuchte er
in Neisse, seine medicinischen Studien machte er
theils in Breslau theils in Berlin, wo er 1839 zum
Dr. med. promovirt wurde.
Seine ärztliche Thätigkeit übte er zuerst als
Allopath aus in Breslau, ging aber 1844 nach Bad
Charlottenbrunn in Schlesien, wo er 8 Jahre lang
als Bade-Arzt thätig war und sich grosser Beliebt¬
heit erfreute.
Am 6. Mai 1845 verheirathete er sich mit Frl.
Franziska Grossmann, Tochter eines Fabrikbesitzers
aus Tannhausen in Schlesien, und lebte mit ihr in
glücklichster Ehe. Leider wurde ihm seine Gattin
vor ca. 10 Jahren durch den Tod entrissen.
Von Charlottenbrunn siedelte er im Jahre 1851
oder 1852 nach Namslau über und wurde daselbst
Königl. Kreisphysikus.
Später ernannte ihn der Köuig zum Sanitätsrath.
Bisher war Larisch noch immer allopathischer Arzt
gewesen. Da fügte es das Schicksal, dass er anno
1866 schwer an Typhus abdomin. erkrankte und von
seinen allopathischen Collegen aufgegeben wurde.
In dieser Noth suchten seine Angehörigen Hilfe
hei der Homöopathie. Dr. Larisch genas und wandte
sich von diesem Zeitpunkte an der Homöopathie
zu, deren eifrigster Vertreter er von nun an wurde.
Hatte Larisch schon als allopathischer Arzt
durch seine tiefe Bildung und Gewissenhaftigkeit
viel Freude und Dank in seinem Berufe geerntet,
so begann doch erst jetzt für ihn eine Zeit reich¬
ster Erfolge. Weit und breit wurde sein Name
als Homöopath bekannt und gerühmt. Ganz be¬
sonders hervorstechende Erfolge hatte er bei einer
schweren Cholera-Epidemie in Namslau zu verzeich¬
nen und sich dabei unsterbliche Verdienste erworben.
1891 legte Sanitätsrath Larisch sein Physikat
nieder, nachdem er vorher, im Jahre 1885, mit
dem Rothen Adler-Orden IV. Kl. decorirt worden,
und später aus Anlass seines 50jährigen Amtsjubi¬
läums ihm im Jahre 1889 der Titel als Geheimer
Sanitätsrath verliehen worden war. Aber auch in
seinem Ruhestande suchten ihn immer noch Kranke
und Elende auf, um seinen Rath zu erbitten,
welchen er Niemandem versagte. Insbesondere
fand die Armuth bei ihm stets ein mildes Herz
und hilfreiche Hand. Dies documentirt Geheimrath
Larisch auch durch viele milde Stiftungen. So
z. B. gründete er zum Andenken an sein geliebtes
Weib eine Franziska-Stiftung für arme Wöchne¬
rinnen mit einem Grundkapital von 8000 Mark,
ferner eine andere Stiftung mit 7000 Mark für
Arme ohne Unterschied der Confession in Namslau.
Larisch hatte auch in der Stadtverwaltung sich
hervorgethan, war Stadtverordneter von Namslau ,
bekleidete ausserdem noch andere städtische Aemter
als Mitglied des Magistrats. Seit fast 50 Jahren
Bürger der Stadt Namslau hat der Heimgegangene
für dieselbe stets ein ausserordentlich reges Inter¬
esse bewiesen und jederzeit, wo sich ihm Gelegen¬
heit bot, gern und mit grossem Erfolge seine
reichen Gaben in den Dienst derselben gestellt.
Besonders verdienstvoll war seine Thätigkeit
als Mitglied der Sanitäts- und der Schuldeputation.
Viele Jahre gehörte er auch dem Kreistage als
Vertreter der Stadt Namslau an. In Anerkennung
seiner grossen Verdienste verlieh ihm die Stadt
Namslau im Jahre 1894 das Ehrenbürgerrecht.
Bis in sein letztes Jahr erfreute sich Geheim¬
rath Larisch eines relativen Wohlseins; insbeson¬
dere blieb er geistig frisch und rege bis zu seinem
Tode.
So ist denn Einer der Besten aus unserer Mitte
gerissen worden! Von tiefem Schmerz erfüllt wei¬
nen an seinem Sarge nicht nur seine Pflegetochter,
Frau Oberstlieutenant Hildebrand und deren Ver¬
wandte, nicht nur seine zahlreichen Clienten, seine
treue Pflegerin, Frl. Fischer, sondern es trauert
um ihn die ganze Bürgerschaft Namslau, es trauern
um ihn seine engeren Collegen, Freunde und Be¬
kannte. Mir selbst, dem es vergönnt war, ihn his
zum Tode zu behandeln, ist ein väterlich, wohl¬
wollender, uneigennütziger Freund und Berather
Digitized by ^»ooQle
46
gestorben. Gott gebe ihm die ewige Ruhe und lasse
ihn für sein wahrhaft christliches Leben gemessen
die Freuden des Jenseits. Weidner-Breslau.
Zur Centralvereinsversammlung in Elberfeld.
Der homöopathische Centralverein tagt in die¬
sem Jahre in den Westmarken des Deutschen Reiches,
unweit der Grenze des stammverwandten und be¬
freundeten Holland. Die Lehre Hahnemann’s ist
verhältnissmässig spät in die holländischen Aerzte-
kreise verpflanzt worden, erst in den 50er Jahren;
dafür aber hat sie um so fester Wurzel gefasst,
und gegenwärtig ist unser Nachbarland auf dem
besten Wege, eine wirkliche Hochburg für die
wissenschaftliche Homöopathie zu werden.
Der erste eingeborene holländische Arzt, welcher
das Specifitätsgesetz: Similia similibus auf seine
Fahne schrieb und sich offen zur Homöopathie be¬
kannte, ist der noch jetzt in Utrecht prakticirende
und sich allgemeiner Achtung erfreuende Dr. S. J.
van Roijen gewesen. Im vergangenen Jahre war
es ihm vergönnt, in voller geistiger und körper¬
licher Frische sein 40jähriges Doctorjubiläum zu
feiern. Dieses Jubiläum ist deshalb ganz besonders
bemerkenswerth, weil unter denen, die dem Jubilar
ihre Glückwünsche darbrachten, sich zwei seiner
Söhne befanden, die ebenfalls homöopathische, Aerzte
sind. Ausserdem ist der Jubiläumstag der Geburts¬
tag des Vereines holländischer homöopathischer
Aerzte geworden.
Die alten Beziehungen Dr. S. J. van Roijens
zu Deutschland — er ist seinerzeit von dem vor¬
trefflichen Dr. Clotar Müller in Leipzig in die Lehre
Hahnemann’s eingeführt worden — und sein Inter¬
esse für die Bestrebungen des Centralvereins, wel¬
ches er wiederholt und noch in jüngster Zeit durch
seine Mitarbeit an der Materia medica betliätigt
hat, und die Nähe des Versammlungsortes haben
ihn veranlasst, seine Theilnahme an der diesjähri¬
gen Versammlung des Centralvereins anzumelden.
Wirbegrüssen diesen Entschluss Dr.vanRoijen’s in
Elberfeld zu erscheinen mit aufrichtiger Freude und
heissen den um unsere Sache hochverdienten Senior der
holländischen Collegen bei uns herzlich willkommen.
Viribus unitis!
Im Namen der Leipziger Freunde:
Dr. Wapler.
Lesefrüchte.
Rhinitis sicca anterior.
Dr. Siebenmann beschreibt unter dem Titel:
„Der trockene Katarrh und die Epithelmetaplasie
der knorpeligen Nase“ ein wohl charakterisirtes,
für die Praxis sehr wichtiges Krankheitsbild. Das¬
selbe soll nach des Autors Beobachtungen über
mehr als 10 °/ 0 aller Nasenleiden überhaupt aus¬
machen.
Diese Rhinitis sicca äussert sich im Beginn
durch ein lästiges Gefühl von Trockenheit und
Spannung in der Schleimhaut des Vestibuluras. Der
firnissartige Ueberzug der erkrankten Schleimhaut
verfilzt, wenn er hinabfliesst, die Vibrissae und be¬
wirkt auf die Innenfläche der Nasenflügel wie auf
den häutigen Septum Borken und eczematöse Reiz¬
zustände. Im Anfangsstadium erscheint die Schleim¬
haut bei ziemlich normaler Dicke röthUchbraun, bei
Sondenberührung oft klebrig , zuweilen trocken oder
wie gefirnisst , ähnlich der am trocknen Katarrh er¬
krankten hinteren Rückenwand. Jetzt ist eine
Restitutio ad integrum noch möglich, namentlich
wenn dieser Zustand als Residuum einer gewöhn¬
lich acuten Rhinitis erscheint. — Geht der Process
weiter, so nimmt die Schleimhaut allmählich eine
graue Färbung an. Der Kranke sucht sich die
durch Borken verengte Luftpassage frei zu machen;
er schnaubt, schneuzt, bohrt mit dem Finger , wo¬
bei gewöhnlich mehrmalige heftige Blutungen ent¬
stehen, die manchmal lange anhalten und beim
geringsten Anlasse sich wiederholen. Es bilden
sich auch an den gereizten Stellen, namentlich da,
wo Härchen ausgerissen sind, öfters Furunkel —
eine abscedirende Folliculitis (wie bei Blepharitis
ciliaris, die auch oft gleichzeitig mit dem hier
beschriebenen Leiden auftritt). Weiterhin sehen
wir die erkrankte Schleimhaut epidermisiren , d. h.
immer mehr sich trülten , trocken icerden und schliess¬
lich ein hellgraues , epidermisartiges oder faseriges
Aussehen annehmen. In vereinzelten Fällen ist das
ganze Septum befallen, und zwar der Art, dass die
Grenze zwischen Cutis und früherer Schleimhaut
gänzlich verwischt ist Dehnt sich diese Verände¬
rung'»auch auf die knöchernen Wandungen der
Nasenhöhlen fort, so haben wir das Bild der Rh.
atrophica (Ozaena). Indem in allen Stadien mit
den in trockenem Zustande entfernten Borken auch
Theile des lebenden Gexcebes weggerissen werden,
so werden, da diese Wunden hier schwer granu-
liren, sondern sich wieder mit frischer Borke be¬
decken, allmählich, bei wiederholten Eingriffen,
nach den oberflächlichen Lagen auch die tieferen
der Weichtheilsbekleidung abgetragen. Wird schliess¬
lich der Knorpel zerstört , so kommt es zur Perfo¬
ration, , und da deren Ränder das gleiche Verhalten
zeigen wie die frühere grosse Wundfläche, so wird
bei fortgesetztem Bohren oder gewaltsamem Schneu¬
zen der Defect sich immer mehr erweitern. Ge¬
wöhnlich aber geniren die auf den Perforations¬
rändern liegenden Borken in diesem Stadium nur
Digitized by ^»ooQle
47
wenig, so dass die mechanischen Insulte ausbleihen, i
und der Process so zum Stillstände gelangt. Nur
in seltenen Fällen kommt es auf der gereizten
Schleimhaut zur Wucherung und Bildung von poly¬
pösen Excrescenzen (blutender Septumpolyp). Wich¬
tiger ist es, wenn der an die erkrankten Stellen
kommende Fingernagel infectiöses Material hinein¬
bringt. Es kommt dann zur Furunculose , oder auch |
zum Gesichtserysipel, So geht auch die primäre
luberctdose der Nase , ebenso der Lupus meist
von hier aus, ferner finden wir hier auch die Ent¬
stehungsquelle zu den idiopathischen acuten Septum-
pldegmonen , die wegen ihrer entstellenden Wirkung
auf die Form des Nasenrückens höheres Interesse
beanspruchen.
Wie steht es nun mit der Therapie?
Verf. räth, consequent die auch bei Blepharitis
ciliaris gebräuchlichen Salben anzuwenden, welche
die Borken aufweichen und die Secretion leicht
anregen; ferner verbiete man das Bohren und ge-
BAD LIPPSPRINGE
Eisenbahn-Station Paderborn.
Arminias-Quelle, sticbstoffreiche Kalktherme.
Erfolgreiche» j nnnnnnlithica be80nders im
Heilmittel gegen ^”liyöll|lllllllwöer8ten Stadium.
Asthma und Katarrhe der Respirations-Organe.
Saison: Mat bis September.
Pensions-Hotel; l/iiphsillC staubfrei inmitten
neu renovlrt. IltlUO. des Parks gelegen.
Auskunft durch die Bronnen-Administration.
Soeben ist im Verlage von Carl Gruner’s Homöopath.
Officin, Leipzig und Berlin, erschienen:
Die Heilung der Diphtherie
auf homöopathischem Wege
insbesondere durch
Mercurins cyanatus.
Rathschläge für Eltern.
XI. Auflage der Dr. Villers’schen Schrift.
Theilweise neu bearbeitet
von einem homöopathischen Arzte.
Preis 50 Pfg.
Alles Nähere aus der Besprechung in Bd. 139, No. 3/4
dieser Zeitung ersichtlich.
waltsame Schneuzen, schneidet am besten die Vibris-
sae kurz ab und verordne constitutionsverbessernde
Mittel, wie Soolbäder, Eisen, Arsen, Leberthran,
Kreosot u. a. — Gegen das habituelle Nasenbluten ,
welches oft eins der ersten auffälligen Symptome
ist, verwendet er seit einer Reihe von Jahren mit
grossem Nutzen das Kali hypermanganicum in Sub¬
stanz, ein Mittel, dessen hämostatische Wirkung in
der Praxis viel zu wenig gewürdigt werde. Es
wird als feines Pulver mit einem ganz kleinen,
dem Sondenende aufgedrehten, befeuchteten Watte-
bäuschchen auf die betreffende Stelle (den Ueber-
schuss nachträglich wegtupfend) eingerieben oder
aufgedrückt, und leistet so auch bei der Behand¬
lung variköser Venen des knorpligen Septums Vor¬
zügliches. — Der allgemein sonst gebräuchliche
Galvanokauter wirkt nicht so rasch und begünstigt
zudem die Epidermisirung zu sehr, als dass man
ihn hier empfehlen könnte. — (Münchner med.
Wochenschrift. 1895. No. 44) M.
Dp. med. Dierkes, homöopath. Arzt,^ aus
Paderborn praktizirt in jeder Saison in Dad Lipp-
springe. Die Herren Collegen werden gebeten, ihren
Patienten die Adresse mitzugeben.
Dr. Theinhardt’s
Lösl. Kindernahrung.
(Hergestellt aus Milch, Zucker, Qerste, Weizen.)
Bewährt seit 10 Jthren bei normaler und gestörter
Gesundheit der Kinder.
Von Autoritäten empfohlen als:
Rationellste Ergänzung der verdünnten Kuhmilch.
Leichtverdaulich — durch Löslichkeit und minima¬
len Stärkegehalt.
Knochenbildend — durch seine Nährsalze;
(ca. 2% Kalkphosphat u. V>°/o Phosphors&ure).
Diätet. Therapeutik. bei Rhachitis, Scrophulose und
Cholera infantum.
Preis der Dose M. 1.20 (300 g) u. M. 1.90 (500 g Inh.).
Vorräthig in d*n meisten Apotheken und Drogerien.
Wissenschaftl. Urtheile, Analysen u. Gratismuster durch
Dr. Theinhardt’s Nährmittel - Gesellschaft
Cannstatt (Württbg.).
Bönninghausens
Therapeutisches Taschenbuch
in neuer deutscher Auflage.
Brosch. 10.— Mk., geh. 11.— Mk.
Aufträgen sieht die Unterzeichnete Verlagshandlung gern entgegen.
A. Jlarggrafs homöopath. Officin, Leipzig.
Digitized by t^ooQie
48
Leipziger Kinderpulver. (Kinderhonig.)
Zuverlässigstes Mittel gegen Brechdurchfall der Kinder.
Bei den jetzigen Behandlungs weisen der Brech¬
durchfälle der Kinder erzielt man bis jetzt keine
erhebliche Verringerung der Sterblichkeit.
Die medicamentöse Behandlung ist eine ziemlich
erfolglose und muss man das Hauptaugenmerk auf
die Biiit richten.
Zunächst wird beim Brechdurchfall der Urin alka¬
lisch, dann der bis dahin saure Stuhlgang und endlich
ist sogar das Erbrochene gleichfalls stark alkalisch.
Die eingehendsten und sorgfältigsten Versuche haben
ergeben, dass weder das Bauclispeicliel-Secret, noch
das des Magens im Stande ist, Eiweisskörper zu ver¬
dauen, resp. Peptone zu bilden. Das Pancreas-Secret
ist bei den Brechdurchfällen der Kinder ferner nicht
im Stande, Stärke und Rohrzucker in Traubenzucker
überzuführen. Selbst der Speichel des Kindes, welcher
übrigens meistens ganz fehlt, invertirt Stärke, im Gegen¬
satz zum normalen, nur sehr wenig, fast gar nicht.
Hat man dem an Brechdurchfall leidenden Kinde
Hafermehl oder sonstige Kindermehle gegeben, wobei
gesunde Kinder oft sehr gut gedeihen, so findet sich
bei der Analyse der Fäces meist reichlich Stärke, Ei-
weiss und Rohrzucker, welcher der Nahrung zugesetzt
wurde. Die Herren Aerzte werden dringend gebeten,
während der Brechdurchfälle sorgfältige quantitative,
vergleichende Analysen der Nahrung und der Excre¬
mente vorzunehmen. Sie werden sich überzeugen,
dass die jetzt berühmten Kindermehle, welche bei
gesunden Kindern sich sehr bewährt haben, fast so
in den Excrementen sich wieder finden, wie sie ge¬
nossen sind, so dass man oft aus den Fäces die Nah¬
rung resp. das Kindermehl bestimmen kann.
Aus diesen chemischen Untersuchungen ist aber
der Schluss zu ziehen, dass Magen und Darm während
des Brechdurchfalles nicht ihre physiologischen Auf¬
gaben erfüllen, also kein Eiweiss in Pepton, keine
Stärke und keinen Rohrzucker in Traubenzucker um¬
wandeln. Es darf aber bekanntlich nur Traubenzucker
absorbirt werden, kein Dextrin und kein Rohrzucker.
Diese Thatsachen zeigen den Weg, den man zu
gehen hat.
Die Darmwände resorbiren auch während des
Brechdurchfalles, wo sie »nicht physiologisch thätig
sind, alles Gelöste einfach nach physikalischen Ge¬
setzen, — also auch den gelösten, aber nicht inver-
tirten Rohrzucker. — Es ergiebft sich aus dieser Er-
kenntniss die Pflicht, dem kranken Kinde die nothwendigen
Nahrungsmittel (also Eiweiss und Kohlehydrate) in bereits
verdauter Form zu reichen, da das Kind, wie nach¬
gewiesen, sie nicht mehr verdauen kann.
In diesem Sinne ist nun dieses Kinderpulver (bez.
Honig) dargestellt.
Man nimmt von diesem Pulver (oder Honig) einen
Theelöffel voll in die Saugflasche mit 0 Nummern (Stri¬
chen) Wasser. — Bedingung ist jedoch, dass nichts
Anderes genossen wird, als nur dieses Pulver, so lange
der Zustand ernst ist, nicht einmal Wasser oder Fenchel-
thee; auch keinerlei Zusatz darf gemacht werden; be¬
sonders kein Zuckerwasser (Rohrzucker). In weniger
schlimmen Fällen giebt man dieses Kinderpulver nicht
allein, sondern in Lösung mit Gersten- oder Hafer¬
schleim zu gleichen Theilen vermischt. Auch wenn
die Besserung fortschreitet, ist diese Mischung ge¬
stattet, lässt man aber den Zusatz dieses Kinderpulvers
zu früh fort, so tritt in der Regel das Erbrechen bald
wieder ein. — Haben die Kinder einige Tage nicht
gebrochen und sich erholt, so gestattet man wieder die
frühere Nahrung. Milch, selbst die Muttermilch, darf
anfangs nur in sehr geringen Mengen gereicht werden.
Der Erfolg ist folgender:
Das Erbrechen hört stets und ausnahmslos sofort
und dauernd auf; der übermässige Stuhlgang mildert
sich, hört aber meistens nicht ganz auf und bleibt
vorläufig grünlich schleimig. Diese Stühle enthalten
aber keine Spur von Zucker. Der Traubenzucker,
den die Kinder in dem Pulver (oder Honig) bekommen
haben, ist resorbirt; es ist auch keine Spur von Pepton
in den Stühlen; demnach ist auch dieses resorbirt. —
Das Pepton verwandelt sich nicht im Darmkanal, son¬
dern in den Zellen der Darm wand wieder in Eiweiss. —
Dagegen findet sich stets auch in solchen Stühlen das
im Pepton stets noch vorhandene Eiweiss (Albumose)
ganz wieder und zwar fast quantitativ.
Da sich die gewöhnliche Nahrung der Kinder,
Kindermehle etc., sehr oft so in den Fäces wieder¬
findet, dass man noch bestimmen kann, welches Kin¬
dermehl das Kind bekommen hat, so ist das ein Be¬
weis, dass nichts Erhebliches von demselben verdaut
sein kann.
Durch dieses Präparat dagegen werden die Kinder
sogleich wieder munter, nachdem sie vorher bereits be¬
denkliche Schwäche gezeigt haben. Fühlte man den
Leberrand in Folge von Herzschwäche bereits in der
Nähe des Nabels, so findet man diesen Rand am fol¬
genden Tage bereits zurückgegangen: ein Beweis,
dass die Herzthätigkeit sich wieder gehoben hat.
Die Kinder nehmen dieses Mittel sehr gern: es
ist ausserdem viel einfacher (ohne Kochen) zu be¬
reiten, als Haferschleim und Kindermehle.
Jede Mutter lobt dasselbe; — es sei einfach zu¬
zubereiten und helfe prompt. — Die Kinder werden
zusehends besser und nehmen an Gewicht zu. Ganz
besonders hervorzuheben ist, dass dieses diätetische
Präparat 15 Procent Albuminate enthält, während die
anderen Kindemahrungsmittel (Kindermehle etc.)
deren höchstens 12 Procent enthalten und auch nur
in Form von Eiweiss, das selbst beim Kinde nur etwa
die Hälfte in Pepton umzuwandeln vermag.
Zum Schluss sei ausdrücklich hervorgehoben, dass
in den wenigen Fällen, in welchen dieses Präparat
allein eine vollkommene Heilung nicht erzielte, die
geeignete gleichzeitige medicamentöse Behandlung
ausnahmslos zum Ziele führte, welche sich vor Be¬
ginn der Anwendung dieses Präparates als erfolglos
erwiesen hatte.
Der Umsicht des Arztes muss es überlassen blei¬
ben, in besonderen Fällen das tägliche Quantum und
den Verdünnungsgrad, abweichend von den oben an¬
gegebenen Zahlen, zu bestimmen.
Pro Tag braucht man gewöhnlich 50 Gramm dieses
Mittels. In Honigform lässt es sich billiger darstellen
als pulverförmig, weshalb es in zwei Formen zu haben
ist; die Wirksamkeit ist jedoch in beiden die gleiche.
Eine Portion von 50 Gramm kostet in Pul verform 1,35 Mk.
„ » „ „ „ „ „ Honigform 0,80 „
Nur zu haben bei:
Apotheker W. Steinmetz in Leipzig
und seinen Depositären.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Leipzig.
Drnck von Julius Maser in Leipzig.
Digitized by ^»oooie
Band 139
Leipzig, den 17. August 1899
No. 7 n. 8.
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG.
Herausgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle nnd Verlag von William Steinmetz (A.Marggrafs homöopath.Offlein) in Leipzig
Thomaskirchhof 12.
Erscheint Htftgig zu2 Bogen. 18 Doppelnummern bilden einen Band. Preis IO M. 60 . /. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mossa
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offloin ln Leipzig) zu richten
sind, werden mit 20 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 6—8 Af. berechnet.
Inhalt. Indicationen für Natrum muriaticum als Frauen-Mittel. Von Dr. Mossa. — Französische Schule för
Homöopathie. Oeffentliche Curse in der Mairie von Saint Sulpice. Ueber Dyspepsieen. Auszug aus dem dritten,
dort von Dr. Cartier gehaltenen Vortrage. — Statistischer Bericht über die Krankenfrequenz in der homöopathi¬
schen Heilanstalt zu Leipzig in der Zeit vom 21. Juni 1898 bis 20. Juni 1899. Von Dr. Stifft, dirig. Arzt. — Vor-
Ifiufiger Bericht Ober den Verlauf der 67. Generalversammlung des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands in
Elberfeld am 9 und 10. August 1899. Von Dr. Mossa. — Cocain-Vergiftungen. — Die innerliche oder operative Be¬
handlung der Appendicitis. Von Dr. Frederick W. Elliot-Boston. — LesefrOchte. — Homöopathische Ferienkurse fOr
Aerzte in Berlin. — Anzeigen.
Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage.
Indicationen für Natrum muriaticum
als Frauen-Mittel.
Von Dr. Mossa.
Wenn wir hier Natrum muriaticum als Frauen-
Mittel betrachten, so wollen wir damit nur sagen,
dass es beim weiblichen Geschlechte mancherlei
krankhafte Zustände giebt, die auf Grund pliysio
logischer Tbatsachen wie der symptomatischen Er¬
scheinungen im Kochsalz ihr entsprechendes Gegen¬
bild, ihr Omoion und desshalb auch ihr Heilmittel
finden werden. Es ist doch auch nicht von un¬
gefähr, dass das weibliche Geschlecht ein so
bedeutendes Contingent für die kochsalzhaltigen
Mineralquellen stellt.
Schon die Kochsalz-Prüfungen, welche Hahne-
mann und seine Mitarbeiter bei weiblichen Personen
angestellt haben, zeigen zum Theil sehr charakte¬
ristische, oft tiefgehende Symptome und sind diese
bei den Nachprüfungen der österreichischen homöo¬
pathischen Aerzte meist bestätigt und ergänzt worden.
Wir treffen hier Bilder hysterischen Gepräges,
wie sie kaum, ausser bei Sepia, bei einem anderen
Mittel erscheinen: förmliche Crises hysteriques, so
lesen wir bei Hahnemann:
Anfall: es lief ihr vom steifen Genick in den Kopf;
die Augen thaten ihr weh, es war ihr sehr übel,
unter Frost und Besinnungslosigkeit (den 8. Tag).
Anfälle wie Mutterstaupe (Hysteria); es zog ihr
aus der linken Achsel nach dem Kopfe; es presste
dann in den Schläfen, als wollte das Gehirn zer¬
platzen; das Gehirn schmerzte wie zerschlagen und
wie wund, unter steten Ziehschmerzen aus der
Achsel nach dem Kopfe und steter Uebelkeit wie
vom Magen zum Erbrechen; sie musste sich legen,
unter Frost, bei Gesichtshitze (den 8. Tag).
Anfall: Zur Zeit des Abendessens war es ihr
periodisch sehr übel (ohne dass sie zuvor gegessen
hatte), und sie bekam bei jedem Uebelkeits-
paroxysmus einen argen Frost; nach dem Nieder¬
legen ward sie im Bette bald warm, 'hne folgende
Hitze, und wachte Nachts zwei Mal auf mit einem
empfindlichen Ziehen in der Stirne hin und her,
mit feinem Pochen dazwischen.
Sie wird ungemein aufgeregt, darauf fängt es,
unter grosser Angst, an in den Fingerspitzen zu
knebeln, dann in Hand und Arm; der Arm schläft
ein, wie abgestorben, und das Kriebeln und die
Gefühllosigkeit steigt am Halse hinauf in die Lippen
und Zunge (welche wie steif wird), während es in
dem einen Zahne bohrt; darauf Kopfschwäche mit
fehlerhaftem Sehen; auch das Bein schläft ein und
ist wie in den Gelenken abgestorben — meist gegen
Abend (nach 10 Stunden).
Anfall: Früh (nach Milchgenuss) so übel und
zitterig in den Gliedern, eine Stunde lang; es ward
Digitized by L^OOQle
50
ihr schwindlig und schwarz vor den Augen; sie
wäre gefallen, wenn sie sich nicht angehalten hätte.
Anfall: Vormittags wird es ihr brechartig und
schwindelig, mit Wühlen in der Herzgrube und mit
Frost, wie mit kaltem Wasser übergossen; wo sie
hinsah, ging alles mit ihr im Kreise herum, als
sollte sie vorwärts fallen. Der Kopf war ihr schwer,
dass sie kaum gehen konnte und er deuchte ihr
schwerer als der übrige Körper.
Am mattesten ist sie früh im Bette und beim
Sitzen; im Gehen fühlt sie keine Mattigkeit.
Sie darf die Füsse durchaus nicht mit Gehen
anstrengen, sonst wird ihr’s vor Müdigkeit ganz
schwach und übel.
Mancher möchte denken, die hier gegebenen
Symptomencomplexe seien Erscheinungen, welche
die Phantasie einer hysterischen Person ausgeheckt
hat. Hiergegen bemerken wir, seit Charcot’s Ar¬
beiten über die Hysterie darf man mit solchen
vagen, absprechenden Anschauungen nicht mehr
an diesen den weiblichen, nach Charcot sogar auch
den männlichen Organismus tief erfassenden patho¬
logischen Zustand herantreten, obwohl die Homöo¬
pathen gerade auf Grund der bei Mittelprüfungen
hervortretenden, oft so wunderbaren, bizarren Ver¬
änderungen im Leiblichen wie im Psychischen schon
lange vor Charcot die Realität jener hysterischen
Erscheinungen anerkannt und bei der Behandlung
berücksichtigt haben.
Die hysterische Disposition mag ja bei Hahne-
mann’s Prüferin vorhanden gewesen sein, das kön¬
nen wir immerhin zugeben, um so leichteres Spiel
hatte bei ihr die dahin gerichtete Thätigkeit von
Natrum muriaticum.
Dass übrigens Hahnemann den Prüfungen an¬
derer, zumal weiblicher Personen gegenüber sich
nicht kritiklos verhalten hat, das ersehen wir aus
der von Dr. Watzke in seiner vorzüglichen Zu¬
sammenstellung der Nachprüfung des Kochsalzes
von Seiten der österreichischen homöopathischen
Aerzte gemachten Bemerkung, Hahnemann habe
die Resultate, welche die von einem unter Dr.
Scliröter’s Aufsicht gemachte Kochsalzprüfung bei
einem 18jähr. Mädchen ergab, nicht in sein Re¬
gister der Natr. mur.-Prüfungen aufgenommen. Und
doch war das junge Mädchen gesund, bis auf einen
Kopfgrind, der vielleicht noch zur Zeit der Prüfung
vorhanden gewesen sein mag. — Treten wir in den
engeren Kreis des Weiblichen, des Geschlechtslebens
und der Geschlechtsorgane, so hat das Kochsalz
eine stark ausgesprochene Wirkung auf dieselben.
Dr. Reiss berichtet von einem 24jähr. brünetten
Mädchen mit lebhafter Gesichtsfarbe, cholerischer
Temperatur, regem Geiste, starker Constitution, das
früher einmal in Folge von kaltem Bade während j
der Menstruation bleichsüchtig geworden war, jetzt
aber regelmässig menstruirt, folgende die Menstrua¬
tion betreffenden Symptome:
Die Prüferin hatte vor Eintritt der Menses
Stechen von den Lenden bis in die Gebärmutter,
besser durch Zusammenkrümmen und Sitzen, schlim¬
mer durch Gehen. Die Regel floss stärker, das Blut
zeigte eine dunklere Farbe; während der Regel
bohrender Schmerz um den Nabel, Uebelkeit, Herz¬
klopfen, Mattigkeit am ganzen Körper, Zittern der
Glieder, der Augenlider, drückender Kopfschmerz,
schabender, halbseitiger Gesichtsschmerz; dabei war
sie ärgerlich und empfindlich. Nach dem Aufhören
der Regel zeigten sich noch folgende Beschwerden:
Weissfluss, milchiger Urin, Darmschneiden mit Ab¬
weichen, Schwerathmigkeit, Herzklopfen, Stechen
und Schneiden im Kopfe, Zucken im Körper vor
dem Einschlafen; Beschleunigung des Pulses, bleiche
Gesichtsfarbe. Nach Aerger kehrte der Monatsfluss
wieder zurück.
Der Geschlechtstrieb war während der Dauer
der Prüfung auffallend vermindert.
Die in diesem Falle gebrauchte Quantität des
Mittels war stark: 1 Mal eine, danu 7 Mal in
mehrtägigen Intervallen je zwei Drachmen des rohen
Kochsalzes.
Im Handbuche der homöopathischen Arznei-
! mittellehre von Trinks und Clotar Müller findet sich
folgende Zusammenstellung der hierher gehörigen
Symptome: Pressen und Drängen aus der Seite des
Bauches nach den Geburtstheilen zu, früh Morgens,
zum Ruhigsitzen nöthigend, um einen Muttervorfall
zu verhüten. Jucken und Ausgehen der Haare
am Schamhügel. Trockenheit der Scheide mit
schmerzhaftem Coitus. Auf den Coitus erst grosse
Leichtigkeit und Behaglichkeit, bald darauf aber
grosse Reizbarkeit und Aergerlichkeit. Herbeirufen
der bald zu erwartenden Regel, fast augenblicklich
(nach dem Einnehmen des Mittels), und stärker als
gewöhnlich; in der Nachwirkung scheint sich die
Regel zu verzögern und geringer zu werden. —
Wiederkehr der bei einem Fall 85 Tage ausge¬
bliebenen Regel mit grosser Schwere der Beine,
und Wiedererscheinen des bei einer 50jähr. Frau
*/* Jahr lang unterbliebenen Monatlichen. — Sehr
starke Regel schwärzlichen Blutes, auch Nachts
fliessend; Regel stärker als sonst, zur gehörigen
Zeit, mit weniger Leibweh, aber Frost dabei, den
ganzen ersten Tag mit vielem Gähnen, besonders
Nachmittags. Regel um drei oder 7 Tage zu früh,
gering, dabei Kopfschmerzen beim Husten, Bücken
und Niesen, als sollte der Kopf zerspringen. Ver¬
mehrung der schon fliessenden Regel, Verlängerung
derselben bis zu acht Tagen. Erst Abkürzung des
Regeltermins und dann Verlängerung desselben.
I Regel nach 18 Tagen, danu nach 7 Wochen, end-
Digitized by
Google
51
lieh ganz aasbleibend; sehr hartnäckige Unter¬
drückung der sonst pünktlichen Regel.
Vor Eintritt der (verspäteten) Regel: Aengst-
lichkeit und Weichlichkeitsgefühl, süssliches Heran¬
steigen im Schlunde und darauf Ausspucken bluti¬
gen Speichels. Vor der Regel: grosse Traurigkeit,
Beängstigung und Ohnmachtsgefühl, bei kaltem
Becken und innerer Hitze, reissender Zahnschmerz,
mit Stechen, beim Zutritt der freien Luft in den
Mund; nach dem Eintritt: Nachts starkes Fieber
mit argem Durste und Schlaflosigkeit, sehr harter
Stuhl, Hitze im Gesichte, Abends: Schnüren im
Unterleibe, öfteres Brennen und Schneiden im Schosse
beim Harnen, sowie im Sitzen beim Mittagessen.
Nach der Regel: Kopf schwer und benommen,
wie von Blutandrang, weibliche Impotenz, Abneigung
vor Beischlaf und trockene Scheide. — Scheidefluss
mit Jucken an der Scham, nach vorangegangenem
Leibweh zusammenziehender, nach unten zu pressen¬
der Art wie zur Regel, früh; Nachts, grünliches
Aussehen, ärger beim Gehen, sehr starker Scheide¬
fluss mit sehr änderndem Schmerz.
Indessen die Pathogenese des Mittels giebt uns,
unterstützt von den physiologischen Veränderungen,
die dasselbe im Blutleben hervorbringt, noch manche
eigenartige Zeichen, die uns für die therapeutische
Anwendung von Bedeutung werden können. Das
Kochsalz längere Zeit fortgebraucht erzeugt nämlich
eine Dyskrasie des Blutes, die sich als Anämie,
Chlorose, ja selbst als scorbutische Diathese dar¬
stellen kann. Wie diese Blutmischung die Func¬
tion der reproductiven Organe, namentlich der
Gebärmutter und des Eierstockes, zu stören geeig¬
net ist, so kann wiederum anderseits die gestörte
Function in diesen Geschlechtsorganen primär auf-
treten und so einen den Symptomen der Kochsalz¬
krankheit analogen Zustand im Organismus be¬
dingen.
Belehrend in dieser Beziehung ist eine Be¬
obachtung, die Dr. Rowley in den Medical Advance
im Jahre 1894 mitgetheilt hat:
Eine weibliche Person, die seit Jahren dem Ge¬
nüsse von Kochsalz im Uebermass ergeben gewesen
war, war allmählich an einer Anämie hohen Grades
erkrankt. Die Schleimhäute, wie auch die gesammte
Haut, zeigten eine ausserordentliche Blässe; es be¬
stand eine äusserste Abmagerung. Chronische Ver¬
stopfung — die Regel ganz unordentlich — dabei
grosse Schwäche und excessive Hyperästhesie und
Sensibilität. Die Beschränkung des Salzgebrauches
und eine Dosis Natrum mur. 200. brachte eine völlige
Heilung der Patientin allmählich zu Stande.
Die wahrscheinlich von einer Reizung des Rücken¬
markes ausgehende Hyperästhesie der Hautnerven,
die oft unter dem klinischen, freilich sehr unbe¬
stimmten Bilde der Spinalirritation auftritt, hat bei
Natrum muriaticum den eigenthümlichen Zug, dass
die Kranke sich besser fühlt, wenn sie auf dem
Rücken liegt. Dies Besserungsgefühl unter diesen
Umständen macht sich selbst bei Vorhandensein einer
Lageveränderung der Gebärmutter mit dem ominösen
Kreuzweh bemerklich.
Bezeichnend für die Natr. mur.-Kranke ist ihre
Empfindlichkeit gegen die kühle Luft, die sie daher
scheut, und doch hat sie wegen ihrer auf Anämie
beruhenden Kurzathmigkeit wieder förmlichen Luft¬
hunger, und würde sie sich gern in freier Luft
bewegen, wenn nicht die durch jede Anstrengung
beschleunigte Herzthätigkeit, Herzklopfen, Herz¬
zittern oder -flattern, sie zur Ruhe zwängen.
Die vom Herzen zu den Arterien getragene
Blutwelle ist so schwach, dass der Puls leicht aus¬
setzt; namentlich fällt bei Natr. mur. (wie auch bei
Acid. muriaticum) gern der dritte Pulsschlag aus.
Als besonders auffälliges Symptom von Natr.
mur. wird ein Gefühl von Kälte am Herzen (oder
! in der Herzgegend?) angegeben. — Die Natr. mur.-
f Kranke fröstelt überhaupt sehr leicht; Frösteln und
I Frostüberlaufen, besonders im Rücken, Kälte der
| Hände und Füsse, die ausserordentlich schwer durch
künstliche Mittel zu erwärmen sind, sind keine
seltenen Erscheinungen.
Und doch fühlt sich die Natr. mur.-Kranke bei
warmem Wetter schlechter als bei kühlem, die
Sommerhitze bringt ihr das höchste Schwächegefühl,
dass ein Gang in der Sonnenhitze sie in Ohnmacht
versetzen kann (Mangel an Sauerstoff, Ozon, der
Luft?). Der Schweiss tritt auch gar zu leicht bei
Bewegung ein und zwar oft recht stark.
Dass bei einer solchen Körperconstitution die
Psyche nach der Seite des Gemüths hin eine
traurige, ängstliche, sorgenvolle, weinerliche Stim¬
mung, also einen melancholischen Hauptzug, tragen
werde, lässt sich wohl denken.
Aber diese Melancholie hat sozusagen eine
salzige Beimischung; es ist nicht die stillduldende
von Pulsatilla, sondern eine reizbare, ärgerliche,
und während jene durch Zuspruch und Trost ge¬
mildert und beruhigt wird, wird die von Natr. mur.
gerade durch Trostworte gesteigert; die Natr. mur.-
Kranke will nicht getröstet werden.
Dabei kommt das Denkvermögen herunter, das
Gedächtniss ist geschwächt; geistige Thätigkeit, wie
körperliche, verschlechtert den Gesammtzustand.
Es treten eine bedeutende Anzahl Erscheinungen
am Gehirn auf, die theils den Charakter der Con-
gestion, theils den der Anämie haben; wie schwer
und unsicher die physiologische Deutung der unter
dem Bilde einer Cephalalgie auftretenden Erschei¬
nungen ist, ist bekannt; und gerade bei den Kopf¬
schmerzen der Chlorotischen und Anämischen wird
diese Klassificirung erst recht schwierig, und führt
7*
Digitized by ^»ooQle
52
dieselbe, wenn wir uns bei der Therapie lediglich
an diese Stütze halten wollen, oft genug auf einen
Irrweg und einen Fehlgriff. — Halten wir uns da¬
gegen an die Qualität der Symptome, so haben wir
bald dumpfen, betäubenden Schmerz, bald einen
stechenden, der bis in die Schläfen und Ohren aus-
strahlt, mit Druck und Schwere über den Augen
wechselnd; bald tritt das Gefühl von Lockersein
und Schwappen im Gehirn auf, bald das Gefühl,
als sei das Gehirn zu gross und als wollte der
Kopf auseinanderplatzen; vornämlich macht sich ein
Wühlen, Pochen und Klopfen, Pulsiren geltend,
namentlich im Hinterhaupte, am Schädelgrunde, aber
auch in der Schläfe und Stirn, oft ein förmliches
Hämmern. — Die Neuralgia ciliaris, die wir bei
chlorotischen Frauen oft antreffen, ist auch beim
Natr. mur. zu finden.
Trotz der Stichhaltigkeit dieser das weibliche
Geschlecht betreffenden Zeichen beim Kochsalz ist
unsere Literatur bisher aber sehr spärlich an
gynäkologischen Beobachtungen und Heilungsfallen
mittels dieses hochwichtigen Mittels, während die
BalneoJogen die Wirkung der Kochsalzquellen auf
diesem Gebiete zu preisen nicht müde werden.
Französische Schule für Homöopathie.
Oeffentliche Curse in der Mairie von Saint-Sulpice.
Ueber Dyspepsieen,
Auszug aus dem dritten, dort von Dr. Cartier ge¬
haltenen Vortrage.
Aus diesem Auszuge wollen wir wieder einige
uns besonders interessirende pathologische Er¬
scheinungen und deren homöopathische Behandlung
auslesen, so die Affeclionen der Magenschleimhaut.
Die Magenschleimhaut kann eine Veränderung
erfahren in Bezug auf die Secretion ihrer Drüsen —
ein Zustand, der von höchster Wichtigkeit in der
Pathologie des Magens, gewiss drei Viertel der
chronischen Verdauungsstörungen (Dyspepsieen) aus¬
macht. Bald handelt es sich um eine zu reichliche
Absonderung des Magensaftes, und wir haben eine
Hyperpepsie oder Hyperchlorhydrie, bald im Gegen-
theil ist die Absonderung des Succus gastricus zu
gering, und der Kranke leidet, wie man sagt, an
einer Hypopepsie oder Hypochlorhydrie.
Die Hyperchlorhydrie.
Die Hyperchlorhydrie hängt von einer über die
Norm hinausgehenden Thätigkeit der Magendrüsen
mit saurer Reaction (also von überschüssigem sauren
Magensaft) ab, welche von Brennen im Magen be¬
gleitet ist. Die herrschende Medicin verschreibt
hier dem chemischen Princip zu Folge alkalische
Mittel, welche, indem sie die Säure binden und
neutralisiren, Erleichterung bringen können. Manche
Homöopathen, das Simile fast zum Ison ausdehnend,
geben Säuren in Dilutionen, Acidum nitricum, sul*
phuricum, lacticum, hydrochloricum etc. Dr. Cartier
meint aber, dass man mit den Säuren kaum schneller
einen Erfolg haben werde, als mit anderen homöo¬
pathisch angezeigten und durch die Praxis bereits
bewährten Mitteln. Uebrigens ist es keineswegs
ein Leichtes, die Hyperchlorhydrie und das wahre
Soodbrennen, die Pyrosis, zu beseitigen.
Das Arsen ist hier nicht so wirksam wie in
dem Magenbrennen, das die acute Gastritis be¬
gleitet.
Phosphorits ist bei folgenden charakteristischen
Symptomen sehr nützlich: Brennen im Magen , das
bis in die Speiseröhre hinauf steigt, Schründen und
Kratzen und Brennen darin verursachend, mit
Trockenheit des Halses bei Tag und Nacht. Auch
der Geschmack im Munde wird sauer, besonders
nach dem Essen.
Capsicum ist ein viel versprechendes Mittel im
Soodbrennen, wie auch im chronischen Magen¬
brennen. Verf. hat einen sehr hartnäckigen Fall
von Pyrosis geheilt, indem er von der Urtinctur
des Capsicum 10 Tropfen in 250,0 Aq. dest.
2 Esslöffel voll nüchtern nehmen Hess. Von Hughes
wird Pulsatilla wegen der Schmerzen, Calcarea carb.
wegen der Magensäure, Lycopodium und Nux vom.
für die Pyrosis gegeben. Auch Iris versicolor und
Plumbum u. a. m. können angezeigt sein. Die
Hyperchlorhydrie kann sich bei manchen Kranken
erst nach dem Essen äussern; unter dem Einfluss
der digestiven Erregung sondert die Magenschleim¬
haut mehr ab, als für die Verdauung erforderlich
ist; oft aber ist die Hypersecretion der Art, dass
die Kranken im nüchternen Zustande leiden; der
an Nahrungsstoffen leere Magen ist so mit Magen¬
saft gefüllt, dass eine Mahlzeit oder etwelche Auf¬
nahme von einem Nahrungsstoff die Dyspepsie er¬
leichtert, indem sie die Hypersecretion nutzbar
machen.
Für dieses Symptom, Besserung beim Eissen , ist
Conium in der 6. Dil. ein vorzügliches Mittel, zumal
wenn der Schmerz sein Maximum in der Höhe des
Brustbeins erlangt. — Auch Petroleum soll diesem
Symptom, „Besserung beim Essen“, entsprechen,
doch ist diesem Mittel ein nauseöser Zustand, etwa
wie bei der Seekrankheit, angemessen.
Alkohol und andere toxische Mittel wirken nicht
nur auf die den Magensaft secernirenden Drüsen,
sondern auch die anderen, wie die Schleimdrüsen
des Magens, und verursachen einen Schleimkatarrh
des Magens, eine Dyspepsia pituitosa, ein Er-
Digitized by t^ooQle
53
brechen von schleimigen und sauren Stoffen. Nux
vomica und Kali bidiromicum sind für Trinker, die
an jenem Uebel leiden, die besten Mittel; dabei
mögen sie Wasser in ihren Wein giessen und vor
Allem Maass halten!
Die Hypoohlorhydrie.
Häufiger noch als der oben beschriebene Zu¬
stand kommt heutzutage der der Hypochlorhydrie
vor, ein Zustand verlangsamter Verdauung, besser
Bradyspepsie genannt. Hier, wo der Kranke für
die Verdauung nicht genügenden Magensaft ab¬
sondert, treten alle Symptome verlangsamter Ver¬
dauung auf: Flatulenz, Auftreibung des Magens,
Schwere, Congestion, Schläfrigkeit und Schwer¬
beweglichkeit nach der Mahlzeit etc. Merkwürdig
ist, wie sich in der durch Mangel an Magensaft
hervorgerufenen, abnormen Gährung Fäulnisssäuren,
welche der Digestion nicht dienen, entwickeln, wie
Butter-, Essig- und Milchsäuren!
Die französischen Homöopathen empfehlen in
diesem Zustande von verlangsamter Verdauung die
beiden Mittel Nux vom. 6. und Graphit. 12. im
Wechsel, von denen das erstere */a Stunde vor dem
Essen, das andere 2 Stunden nach demselben ge¬
reicht wird. Statt Graphit hält aber Dr. Jousset
Lachesis am Platze, wenn der Kranke nervösen
Temperaments ist und in der Magengrube sehr em¬
pfindlich ist.
Ein bisher zu wenig beachtetes Mittel ist Grra-
tiola; es folgt gut auf Nux vomica, und passt be¬
sonders bei den Dyspepsieen der Frauen, aber
ohne gleichzeitige Gebärmutterstörungen: Krämpfe,
Schmerzen, Druck iin Magen, Gähnen, Erweiterung
(ähnlich wie bei Nux). (Berührung bessert die
meisten Beschwerden von Gratiola, während diese
bei Nux vom. mehr verschlimmert werden. Ref.)
Lycopodium passt bei der Bradyspepsie, zumal,
wenn die Leber betheiligt ist. Mangel an Secre-
tion und an Zusammenziehung .des Magens; Be-
dürfniss zu essen, aber schnelle Sättigung; Neigung,
nach der Mahlzeit zu schlafen; Verstopfung etc.
Bryonia ist nützlich bei Trockenheit aller Schleim¬
häute; die Faeces bilden harte Kügelchen wie
Ziegenkoth; indessen ist Bryonia vorzugsweise auf
die Tunica muscularis wirksam.
Endlich ist Anacardium zu nennen. Wenn der
Kranke Nachts erwacht, ist das Mittagessen noch
nicht verdaut.
Affection der Tunica musoularis.
Die Muskelhaut des Magens kann der Sitz einer
krankhaften Tonicität sein, die sich durch Con-
tractionen, Krampf, Spasmen und Erbrechen äussert, j
oder aber der Sitz einer Muskelerschlaffung, die
sich durch Atonie, Gasanhäufung und Erweiterung
des Magens kundgiebt. Wenn auch die von einer
Veränderung der Tunica mucosa und muscularis,
weil sie oft vereint mit einander Vorkommen und
ihre Symptome sich vermischen, klinisch nicht immer
scharf geschieden werden können, so bleibt nichts¬
destoweniger die Sonderung beider pathologisch-
I anatomischen Bedingungen für die Aetiologie und
Pathogenesie der Dyspepsieen von hohem Belaug.
Gesteigerter Tonus der Muskelhaut.
Von dem krampfhaft - schmerzhaften Zustande
zeugt bei einer Anzahl von Kranken, besonders von
jungen Mädchen, eine so hochgradige Spannung
des Magenmuskels, dass es bei ihnen zu einem
1 nauseösen, unangenehmen Zustande nach der Mahl¬
zeit kommt. Nichts beschwichtigt diese krankhafte
Reizung wohl mehr als heisses Wasser , unmittelbar
gebraucht. —
Wird die Sache schlimmer, tritt Erbrechen hinzu,
so ist Kreosot entschieden eines der besten Mittel
(so bei Vomitus gravidarum); bei erfolglosem Brech¬
würgen ist Cocculus am Platze; auch Ipecacuanha
hat seinen bestimmten Wirkungskreis hier. — Phos¬
phor ist sehr nützlich Keim Erbrechen der Anämi¬
schen mit spasmodischer Schwäche der Muscularis,
wo man den Champagner als Hilfsmittel nebenbei
gebrauchen kann. — Bei Spasmen des Oesophagus
hat Verf. Baptisia als sehr wirksam erprobt.
Beim Magenfo'ampf haben wir, neben der Milch,
in der Nux vomica ein ausgezeichnetes Mittel, zu¬
mal bei Männern; ist der Krampf jedoch nervösen
Ursprungs, so passt, besonders bei Frauen , Gra¬
tiola besser. Versagt Nux vomica, so stelle man
ein neues Examen des Kranken an. Ist eine Er¬
kältung, Rheumatismus, vorangegangen, die sich auch
auf der Muscularis festgesetzt haben kann, so wird
Bryonia angezeigt sein, zumal bei Gefühl von Druck
im Mayen , wie von einem Steine, Empfindlichkeit
des Magens , wenn man ihn berührt oder betastet ,
was auf einen mehr entzündlichen Zustand hin¬
weist; hier ist das wahre Heilgebiet für Bryonia.
Atonie der Muscularis des Magens.
Die Atonie oder Erschlaffung der Tunica mus¬
cularis fällt meistentheils mit einer Hypopepsie,
Dyspepsie aus Magenschwäche, zusammen. Der
Magen, welcher seinen normalen Tonus verloren,
wird durch die Gährungsproducte aufgetrieben und
erweitert sich. — Indessen giebt es Magenerweite¬
rungen ganz schmerzloser Art; so haben die starken
Biertrinker, wie in Deutschland, oft eine sehr be¬
trächtliche Mageu er Weiterung, ohne davon zu leiden,
Digitized by c^ooQie
54
indem das Bier den Magen auswäscht und faulige
Gährungsprocesse so nicht aufkommen lässt (viel¬
leicht wirkt auch der Hopfen hierbei mit. Ref.)
Die Magenerweiterung kann sich übrigens bei an¬
gemessener Diät allmählich wieder zurückbilden und
der Magen seinen Tonus wiedergewinnen.
Eins der peinlichsten Symptome bei der Magen¬
erweiterung ist die Gasbildung und Anhäufung. Da
ist es sehr merkwürdig, wie das absorbirende Mittel
par excellence, die Kohle, die vom chemischen
Standpunkte aus in grossen Dosen gegen die Fla¬
tulenz gegeben wird, auch in infinitesimaler Dosis
diese Wirkung ausübt. Wir geben Carbo vege-
tabilis oder animalis unter solchen Umständen in
hohen Dilutionen. Letzteres zeichnet sich durch
ein sehr ausgesprochenes Kältegefühl in der Magen¬
grube aus. — Nebstdem ist an Antimonium cru~
dum zu erinnern, besonders bei geruchlosem Ructus;
bei den Gasanhäufungen der Gichtiker von Far-
rington besonders empfohlen. Auch Formica kann
unter Umständen gut thun. (Wir erwähnen noch
China und Acidum carbolicum als werthvolle Mittel
bei excessiver Gasbildung, zumal putrider Art.
Referent.)
Vertigo stomachalis ist häufig eine Folge¬
erscheinung der Magenerweiterung. Hier ist Rhus
toxicodendron wie auch beim Schwindel ex anae-
mia cerebri das Hauptmittel, während es beim con-
gestiven Schwindel, sowie bei dem der Plethorischen
nichts leistet.
Gastralgie.
In der mit einem Netz von Nerven- und Blut¬
gefässen durchzogenen Muscularis des Magens, die
hierdurch gegen Schädlichkeiten so empfindlich ist,
kann sich eine Neuralgie dieser Nerven unter dem
Bilde der Gastralgie darstellen. Unter der Zahl
der gegen dieses Leiden angezeigten und erprobten
homöopathischen Mittel nimmt das Bismuth einen
hohen Rang ein, Verf. giebt es in der 3.—6. Dil.
Der äusserst empfindliche Magen ist der Sitz von
krampfhaften Magenschmerzen, welche von saurem
Aufstossen, zumal von Brechreiz und Neigung zu
Diarrhöeen begleitet sind. Bisweilen gesellt sich
Herzklopfen mit Erbrechen unmittelbar nach dem
Essen hinzu.
Hierauf bespricht der Redner die Dyspepsieen,
welche durch Affection eines anderen Organes, das
vom Magen entfernt sein kann, hervorgerufen wer¬
den. Hier interessirt uns besonders das, was er
über die Dyspepsia neurasthenica sagt: „Die Neu¬
rasthenie, diese in ihrem Wesen noch so myste¬
riöse Krankheit, die das ganze Menschengeschlecht
zu befallen droht, bringt sehr häufige und sehr
hartnäckige gastrische Erscheinungen mit sich. Wir
haben es hier mit einer sicherlich nervösen Dyspepsie
zu thun, deren Ausgangspunkt aber nicht im Magen,
sondern in den Nervencentren zu suchen ist. Je
mehr man darauf erpicht ist, einem hieran leiden¬
den Neurastheniker Magenmittel gegen das Uebel
zu geben, je weniger kommt man zum Ziel. Man soll
die Nervencentra zunächst stärken, und dann wird
die Dyspepsie schon verschwinden. Dafür spricht
schon die Thatsache, dass kein Lebewesen auf
Erden die Einathmung reiner Luft zur Verdauung
weniger entbehren kann, als der Neurastheniker.
Man mag alle Amara, alle Purgative des gegen die
Anorexia neurasthenica aufgestellten Codex geben,
nichts wird einem solchen aus dem Gleichgewicht
gekommenen Wesen das Gefühl des Appetits mehr
wiederbringen, als die Luftveränderung, besonders
H öhenluft. Die subcutanen Einspritzungen von Stoffen,
die dem Nervencentrum heilsam sind, bringen dem
Neurastheniker eine bessere Verdauung, als alle
Pepsine der Welt; es ist nur schade, dass diese
Impfungen früher oder später, trotz aller anti¬
septischen Vorsichtsmassregeln, Abscesse veranlassen.
Dies ist das Unangenehmste bei der hypoderma-
tischen Methode. Anacardium, das man in der
nervösen Dyspepsie so gepriesen hat, hat dem Redner
in den meisten Fällen versagt. — Phosphor bringt
bisweilen einen Erfolg, wenn es nicht zu sehr er¬
regt; denn das Mittel wirkt auf die Nervencentra.
Ebenso kann Kali phosphoricum dem Neurasthe¬
niker Besserung verschaffen. — Gratiola thut
gute Dienste, wenn diese Dyspepsie, was oft der
Fall ist, von einem gastrischen Katarrh begleitet
ist. —
Es ist richtig, dass diese beim Neurastheniker
erscheinende Dyspepsie auch der homöopathischen
Behandlung meist grosse Schwierigkeiten bereitet.
Das kranke Individuum in toto mit dem ganzen
Complex der krankhaften objectiven und subjectiven
Erscheinungen wird uns in der That hier ganz be¬
sonders das Heilobject sein, nicht die einzelne
Neuralgie. — Ob es bei solchen Lehrvorträgen
über die homöopathische Heilmethode zweckmässig»
ist, die Gegenstände nach Art der Handbücher über
specielle Pathologie zu behandeln, will uns nicht
recht einleuchten. Die Homöopathie verlangt in
erster Linie die feinste Individualisirung des Einzel¬
falls, alles Gruppenartige führt auf Abwege, con-
crete Fälle, ausgewählte Beispiele aus der Literatur
und eigenen Praxis werden den Neuling tiefer in
das Wesen unserer Heilkunst einzuführen geeignet
sein; das Pathologische und Anatomisch - Physio¬
logische braucht dabei nicht vernachlässigt zu wer¬
den. Aber der Mitteldiagnostik werden wir noch
mehr Aufmerksamkeit zu schenken haben, als der
Krankheitsdiagnose. M.
Digitized by ^»ooQie
55
Statistischer Bericht
Uber die Krankenfrequenz in der homöopathischen Heilanstalt zu Leipzig
in der Zeit vom 21. Juni 1S9S bis 20. Juni 1899.
Zahl der Verpflegten { ““
Zahl der Verpflegungetage { g^en 3^3
Erkrankung
I. Infections- und Allgemeine Krankheiten.
Rheumatismus articul. acutus ot chronic.
Typhus abdominalis.
Aktinoraycosis.
Gonorrhoea acuta .
Gonorrhoen chronica.
Ulcus molle.
Primäre Syphilis.
Constitutionelle Syphilis.
Scrofulosis universalis.
Tuberculosis universalis.
Arthritis chronica.
Chlorosis.
Anaemie.
Bösartige Neubildungen:
Carcinoma oesophagi.
Carcinoma ventriculi.
Carcinoma uteri.
Lymphosarkom.
II. Lokalisirte Krankheiten:
A. Krankheiten des Nervensystems.
Hemiplegio.
Syringomyelie.
Tabes dorsalis.
Ischias .
Neuritis N. Ulnaris.
Epilepsie. .
Neurasthenie.
Hysterie.
B. Krankheiten der Augen und Ohren.
Keratitis parenchymatosa.
Otitis media catarrhalis chronica.
C. Krankheiten der Athmungsorgane.
Rhinitis chronica.
Laryngitis catarrhalis chron.
Bronchitis acuta purulenta.
Bronchitis capillaris.
Pneumonia catarrhalis.
Pneumonia crouposa. • - • »
Latus 1 . .
Be*
stand
am
21.Juni
1898
M. W.
Zu*
gang
M. W.
Ge¬
heilt
M. W.
Ausgang
der Krankh
Ge* ü
bfNHort geh
MW. M.
___ U
eit
i- 1
eilt
w.
Ge-
dtorben
M.,W.
Be¬
stand
am
20. Juni
1899
MW.
8
7
5
5
1
2
2
_
—
2
—
2
—
—
— 1
_
—
—
—
—
—
—
1
—
—
—
—
—
1
— 1
—
—
—
—
—
—
8
—
7
—
1
—
—
—
—
—
—
—
—
—
8
—
4
— 1
3
—
—
—
—
—
1
—
i
<
_
_
4
2
2
1
1
—
_
—
_
—
1
1
1
—
7
4
3
1
5
3
—
—
_
—
—
—
1
—
—
—
—
—
—
—
—
— 1
—
—
1
—
—
—
2
1
—
—
—
1
— 1
1
1
—
—
_
2
1
1
_
_
1
1
—
—
—
1
—
1
_
2
_
3
_
3
—
1
—
—
—
—
—
1
—
—
—
4
—
31
—
1
—
—
—
—
—
_
1
_
_
_
1
1
1
_
_
—
_
—
1
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
1
—
—
—-
—
—
—
—
—
—
1
—
—
1
1
1
1
—
—
1
—
—
—
1
—
—
-
—
—
—
—
—
1
—
—
—
1
1
—
—
—
—
—
5
—
5
—
—
—
, -
—
—
—
_
—
1
—
1
— 1
i —
—
_ I
—
—
—
—
1
_
2
1
1
—
—
1
1 1
1 -
—
1
—
_
| _
6
_
2
3
—
—
I —
—
1
—
_
8
5 1
r
2
1
_
—
1
—
—
—
—
—
—
1
—
—
—
—
2
—
—
2
—
—
—
—
—
1
L
_
_
_
_
_
_
1
_
_
1
—
—
! —
1
—
—
—
—
—
—
—
_
| —
(3
3
6
3
—
—
—
—
—
—
—
_
—
—
1
—
—
—
—
—
—
—
—
1
—
—
1
—
—
—
—
—
I —
1
—
—
1
1
I —
—
—
—
—
—
—
S
5
76
40
46
10
17
1 14
6
i 2
1 2
4
8
1 9
Digitize • ' t^ooQle
50
Erkrankung
Be¬
stand
am
21. Juni
1898
M. W.
Zu¬
gang
M. W.
Ce- I
heilt
MW. 1
Ausgang
der Krankheit
Ce- Un-
beHsert geheilt
M. W.| M. W.
Ge¬
storben
M. W.
Be¬
stand
am
20. Juni
1899
M. W.
Bronchopneumonia chronica. . .
_
_
1
_
_
_
1
_
_
_
_
_
_
_
Pleuropneuraonia dextra.
—
—
1
—
1
—
—
_|
—
—
—
—
—
—
Pleuritis sicca.
—
—
1
—
1
—
—
— 1
—
—
—
—
—
—
Pleuritis exsudativa chronica.
—
—
1
1
—
—
1
1
—
—
—
—
—
—
Catarrhus apic. pulmon. acut.
—
—
—
1
—
1
—
—
—
—
—
—
—
—
Tuberculosis pulmonum. ...
3
—
14
7
—
—
10
3
3
3
4
—
—
1
D. Krankheiten der Circulationsorgane.
Insuff. valv. Mitralis.
—
—
3
—
—
2
—
_
—
1
—
—
—
Myocarditis chronica.
—
1
—
—
—
—
—
*—
—
-
1
—
—
ArteriosclerosiB.
—
—
1
—
—
—
—
—
_
—
1
—
—
—
E. Krankheiten der Verdauungsorgane.
Tonsillitis follicularis.
—
—
—
1
_
11
—
-1
_
—
_
—
—
—
Dyspepsie. ...
—
-
3
2
3
2:
—
—
—
—
—
—
—
Cardialgie.
—
—
2
2
2
2
—
—
—
—
—
—
—
—
Catarrh. ventriculi chronicus.
1
—
5
—
2
_
2
—
2
—
—
—
—
—
Ulcus ventriculi.
—
1
2
1
—
2
—
—
_
—
1
—
1
—
Catarrhus intestinalis chronicus .
1
—
5
—
4
—
1
—
1
—
—
_
—
—
Typhlitis stercoralis..
—
—
1
—
1
—
—
—
—
—
_
—
—
Haemorrhoiden .
—
—
1
—
1
—
—
— i
_
_
_
_
_
—
Fistula ani.
—
—
1
—
1
_
—
— 1
_
—
—
_
—
—
Cirrhosis hepatis.
—
1
—
2
—
—
—
3
—
—
—
—
—
—
F. Krankheiten der Harn- und Geschlechtsorgane.
Cystitis pumlenta.
—
1
1
1
—
2
—
—
—
—
—
—
1
—
Nephritis acuta.
—
—
—
1
—
1
—
—
—
—
—
—
—
Nephritis chronica parenchvmat. ....
—
—
—
1
—
—
—
—
—
—
1
—
—
Haematurie.
1
—
—
—
1
_
—
_
—
—
—
—
—
_
Orchitis acuta (gonorrh.).
—
—
2
—
2
_
—
_
_
—
_
_
—
_
Varicocele..
—
—
1
_
_
_
_
_
1
_
_
_
_
_
Endometritis acuta.
—
—
_
2
_
2
_
_
_
_
_
_
■_
_
Myoma uteri.
—
—
—
1
_
—
—
_
1
_
_
—
—
Haematoma retro-uterin..
—
—
—
1
_
_
_
1
_
_
_
_
_
_
Parametritis chronica adhaes.
-
—
-
2
—
1
—
1
-
—
—
—
—
—
G. Krankheiten der Bewegungsorgane.
Osteomyelitis chronica.
—
—
3
1
2
_
_
_
1
1
_
_
_
_
Tendovaginitis traumaticaa. .
—
—
1
1
: _
—
_
_
—
_
_
—
—
Gonitis chronica (tuberculosa).
—
—
2
—
—
_
1
_
1
—
_
—
—
—
Myositis rheumatica acuta et chron.
_
—
14
1
9
l
5
_
_
_
_
_
_
_
Pes planus inflammat..
—
—
1
—
1
—
—
—
—
—
—
—
-
—
H. Krankheiten der äusseren Bedeckungen.
Psoriasis.
1
2
1
1
1 l
1
Eczema squamosum universale.
—
—
2
—
1
—
—
_
_
—
—
—
1
—
Ulcus cruri8.
—
—
4
1
4
l
_
_
_
_
_
_
_
_
Lymphadenitis inguinalis. ....
—
—
2
—
1
,—
_
_
_
_
_
1
_
Furunculosis.
—
—
1
_
1
_
_
_
_
_
_
_
_
_
Mentagra.
—
—
1
—
1
—
—
—
—
—
—
—
—
—
1. Verletzungen.
Ulcus scissum man.
_
_
1
_
1
_
_
_
_
_
_
_
_
_
Ulcus scissum ped.
_
_
_
2
_
2
_
_
_
_
_
_
_
_
Distorsio genu .
—
—
1
_
1
_
_
_
_
_
_
_
_
Contusion.
-
1
—
—
—
—
—
—
—
—
—
1
—
Latus 2 . .
6
5
82
; 32
43
1 19 |
1 1
24
II
9 ;
1 9
5
7
2
5
1 2
Digitized by ^»ooQie
57
Erkrankung
Be¬
stand
am
21 .Juni
1898
M. W.
Zu¬
gang
M.|W.
Ge¬
heilt
M.|\V. |
Ausgang
der Krankheit
Ge- In¬
bessert gehellt
M.|W.[ M.JVV.
Ge¬
storben
| M. W.
Be¬
stand
am
20. Juni
1899
M. W.
K. Intoxikationen.
p
1
Intoxicatio Plumbi chronic.
— —
2 —
2
_
_
_
_
_
_
Alcoholißmus chron. (Tremor alcoh.).
— | -
3 —
—
—
2
—
—
1
—
L. Parasiten
Pediculi capitis.
— |_
- 2
—
2
—
II
_
_
_
_
_
Scabies (Eczema scabiei).
_1_
1 I -
-
—
-“II —
—
—
—
i
—
Latus 3 . .
6 | 2
2
2 1
-
—1| — |
_
j_
—
2 '
—
19 238 128 66 22 15 26
257 257
Es wurden insgesammt behandelt 257 Kranke
in 8972 Verpflegungstagen, d. h. in pro Kopf 34,91
Verpflegungstagen. Diese Verpflegungsdauer muss
auf den ersten Blick für homöopathische Behand¬
lung etwas hoch erscheinen, doch erklärt sie sich
aus der Art der behandelten Krankheiten, die lange
Zeit der Behandlung erforderten: constitutioneile
Syphilis (12), Chlorosa (5), Bösartige Neubildungen
(4), Ischias (5), Neurasthenie (6), Hysterie (8),
Lungentuberkulose (24), chronische Magen- und
Darmkatarrhe (12) etc. Von einer Unterscheidung
der Verpflegungsdauer in acuten und chronischen
Krankheitsfällen wurde Abstand genommen, da die¬
selbe streng objectiv kaum möglich erscheint. Die
Arzneikosten pro Verpflegungstag stellen sich auf
0,032 Mark
In I. Classe wurden behandelt —, in II. Classe
10 Männer, 7 Frauen, in III. Classe 162 Männer,
73 Frauen, 5 Kinder, davon auf Rechnung der
Ortskrankenkasse 135 Männer, 38 Frauen, 1 Kind;
auf Rechnung der Dienstbotenkasse 7 Frauen, der
Central-Malerkasse 1 Mann, der Postkasse 1 Mann,
der Krankenkasse der Bäcker-Innung zu Leipzig
2 Männer.
In Freistelle wurden behandelt 9 Männer,
25 Frauen, 4 Kinder in 2235 Verpflegungstagen.
In zahlreichen Fällen konnten Kranke, welche be¬
reits vor ihrer Genesung von ihren Kassen aus
gesteuert und nicht in der Lage waren, das Ver¬
pflegungsgeld selbst weiter zu zahlen, in Freistellen
übernommen und bis zu ihrer Genesung weiter
behandelt werden — auch ein Segen der für jede
Anstalt so hochwichtigen Stiftungen.
Dr. Stifft, dirig. Arzt.
Vorläufiger Bericht
über den Verlauf der 67. Generalversammlung
des Homöopath. Centralvereins Deutschlands
in Elberfeld am 9. und 10. August 1899.
Die Wahl Elberfelds zu unserem diesjährigen
Congresse hat sich schliesslich doch als eine glück¬
liche erwiesen. Wenn wir auf die sonstigen Fre¬
quenzlisten hinblicken, so war die Versammlung
nicht schlecht besucht; es waren zwischen 30—33
Anwesende zu verzeichnen, darunter freilich einige
Nicht-Mitglieder des Vereins, aber sehr liebe,
werthe Genossen. Aus der Nähe, aus Rheinland
und Westphalen, hätten wir jedoch, zumal nach
unserem kräftigen Aufruf, mehr Theilnahme er¬
wartet. — Die Sitzungen verliefen unter der um¬
sichtigen Leitung des gewählten Vorsitzenden glatt
und förderlich; leider begannen sie, infolge des
späten Erscheinens der Mitglieder, meist lange erst
Digitized by ^»ooQle
58
nach dem Ablauf des akademischen Viertels; schon
die vorbereitende am Dienstag, den 8., war gut
besucht; die geschäftliche am 9. brachte in man¬
chen Punkten Klärung, die wissenschaftliche er¬
freute uns mit gediegenen Vorträgen. Aber auch
das Dulce kam neben dem Utile zu seinem Rechte.
Die Herren Collegen in Elberfeld und Barmen
haben ja mit grosser Umsicht und Liebenswürdig¬
keit dafür Sorge getragen, uns das Bergische Land,
das nicht bloss ein gewerbthätiges Centrum ersten
Ranges ist, sondern sich durch hohe Naturschön¬
heit und im wahrsten Sinne des Worts jetzt durch
ein hochragendes Kunstwerk deutscher Technik,
die Kaiser Wilhelm-Brücke, die in diesen Tagen
durch unsern Kaiser ihre Weihe empfangen soll,
auszeichnet, in genussreicher Weise vor Augen zu
führen — und das in der angenehmen, heiteren
Gesellschaft unserer mitanwesenden Frauen.
Die Berichte ergaben, dass das begonnene Werk
der neuen homöopathischen Arzneimittellehre im
Laufe des verflossenen Jahres wacker gefordert
worden ist, so dass es immer mehr greifbare Ge¬
stalt gewinnt; die Propaganda hat durch Schrift
und Wort, in specie durch die in Berlin von den
unermüdlichen Collegen ins Leben gerufenen Ferien-
Kurse gute Früchte getragen, wofür die Aufnahme
von 22 neuen, meist durch jene Mittel unserer
Therapie gewonnenen, Mitglieder in den Central¬
verein ein kräftiges Zeugniss ablegt. —
Abgesehen von manchen noch etwas trüben
Punkten haben wir von unserer Versammlung in
Elberfeld den Eindruck gewonnen, dass unsere
Sache vorangeht, und wir, bei weiterer, fortgesetz¬
ter Arbeit in Eintracht und Frieden, um die Zu¬
kunft der Homöopathie in Deutschland nicht bange
zu sein brauchen. —
An Thatsaclien melden wir noch vorläufig den
Austritt des Herrn Collegen Oberstabsarzt Dr. v. Ro-
howsky aus dem Vorstande des Central Vereins und
die Wahl des Collegen Dr. Stifft an seine Stelle. —
Als Sitz für die nächstjährige Versammlung ist
Dresden gewählt worden. Dr. Mossa.
Cocain-Vergiftungen.
Die Fälle von acuter Cocain-Vergiftung, oftmals
mit tödtlichem Ausgange, mehren sich in auffälliger
Weise.
So berichtet Dr. Sarland (The Lancet. Novem¬
ber 1895) einen solchen: 1. Eine junge Frau hatte
gegen Zahnschmerzen etwa 0,8 Cocain mur. in
wässeriger Lösung genommen. — Unmittelbar dar¬
auf Schwindelund epileptiforme Convulsionen, welche
sich 9 Mal wiederholten und nach 40 Minuten den
Tod herbeiführten.
Die Section ergab starke Blutüberfüllung der
Gehirnhäute und Lungen, sonst nichts Wesent¬
liches.
2. Einem kräftigen Manne wurden gegen 4 gr
einer 4%. Cocain - Lösung in die Harnröhre ein¬
gespritzt. Wenige Secunden danach heftige Con¬
vulsionen und innerhalb 4 Minuten, trotz energischer
Anwendung von Amylnitrit, trat der Tod ein. Ganz
in derselben Art war der Hergang bei einem
zweiten Manne, dem von derselben Lösung nur
20 Tropfen in die Harnröhre gespritzt ward. In
beiden Fällen ergab die Section: intensive Lungen-
congestion.
3. Bei einer jungen Frau war eine kleine kos¬
metische Operation im Gesicht vorgenommen worden,
worauf Carbolsäure auf die Wunde angewandt wurde.
Wegen heftiger Schmerzen trug man 4 °/ 0 . Cocain-
Lösung auf. Nach wenigen Minuten heftige Er¬
regung, Uebelbefinden und Tod.
4. Einem 29jähr. Manne, der wegen Mastdarm-
fistel operirt werden sollte, wurden 20 Tropfen
einer 4 °/ 0 . Lösung subcutan eingespritzt, und nach
10 Minuten dieselbe Dosis noch ein Mal. 3 Minuten
später Bewusstlosigkeit und Convulsionen, nach einer
weiteren Minute Exitus letalis. (Med. Journal.
Tokio 1895. 1.)
5. Eine 35jähr. Frau nahm 1,25 Cocain. Da¬
nach alsbald Schwindel und wilde Delirien. Hier
trat bei geeigneter Behandlung Genesung ein.
Fälle mit günstigem Ausgange nach so hohen Dosen
sind nur sehr wenige veröffentlicht. — Die Behand¬
lung soll in Morphiumeinspritzungen bestehen, wo
frühzeitiger Collaps mit tetanischen Krämpfen und
Cyanose auftritt; Stimulantia, Strychnineinspritzung,
Alkohol, Aether soll man bei Herzschwäche an¬
wenden. — Oft sah man die Erscheinungen auch
ohne Behandlung schwinden.
Einen sehr ausführlich beschriebenen Fall von
Cocain-Vergiftung von den Harn wegen aus brachte
die Berliner kl. Wochenschrift 1896. No. 22.
Ein 37jähr. kräftiger Mann, nicht neuropathisch
beaulagt, zeigte Symptome einer Harnblasen¬
geschwulst, und wurde deshalb unter Cocainanästhe-
sirung der Harnröhre 4 Mal von anderer Seite und
1 Mal von Dr. Nitze cystokopisch untersucht. Es
wurde ihm jedesmal eine frisch bereitete Lösung
von Cocain mur. 2,0:30,0 mittels einer Injections-
spritze von 6 cm Inhalt in 5 Portionen nach ein¬
ander durch die Urethra in die Blase gespritzt.
Die Theile blieben etwa 3 Minuten in Berührung
mit dem Cocain, dann wurde die bis dahin ver¬
schlossen gehaltene Orific. urethrae est. geöffnet,
so dass 6 — 8 cm Cocain-Lösung wieder abflossen,
und ein Rest in der Blase verblieb. Die 6. Cocain-
Anwendung fand zum Behuf der Exstirpation des
Tumor statt, die'gut, ohne besonderen Bluterguss
Digitized by ^»ooQle
50
vor sich ging. — Etwa 60 Minuten danach 7. Cocain-
Anästhesie, um die Basis der Geschwulst mittels
galvanokaustischem Brenner zu vernichten. — Kaum
waren aber die letzten 6 cm Cocain eingespritzt,
als Pat. über Kopfschmerzen , Schwindel und Ohren¬
sausen klagte, um dann sofort unter Verlust des
Bewusstseins in die heftigsten klonischen Krämpfe
zu verfallen. Sofort Entfernung des Cocain und
Ausspülung der Blase. Die klonischen , mitunter
auch tonischen Krämpfe begannen an der Gesiclits-
und Kaumuskulatur , hielten 45 Minuten an und
wiederholten sich dann erst alle 1—2 Minuten,
hierauf seltner. Respiration sehr unregelmässig , zeit¬
weise völlig aussetzend . Pupillen anfangs ad maxi-
mum erweitert, Conjunctivalreflexe vollkommen er¬
loschen; starke Cyanose des Gesichts, Puls sehr
verlangsamt ®/ 4 Stunde lang künstliche Athmung.
Nun erst war die Athmung wieder regelmässig,
aber mehr verlangsamt und flach, Pupillen mittel¬
weit, Puls regelmässiger und voller, Sensorium je¬
doch noch vollständig benommen. Etwa 1 Stunde
nach Anwendung des Cocain zeigte sich der Corneal-
reflex wieder lebhaft, auf Hautreiz energische Ab¬
wehrbewegungen, aber noch gänzliche Bewusst¬
losigkeit. 2*/ 2 Stunde später reagirte er auf lautes
Anrufen, befand sich aber noch in Somnolenz.
B 1 /^ Stunde nach den ersten Vergiftungszeichen
Wiederkehr des Bewusstseins, doch noch völlige
Amnesie, die erst nach 7 Stunden schwand. Jetzt
zeigte sich Schwindel, Eingenommenheit des Kopfes,
grosse Trockenheit des Mundes , Uebelkeit , Erbrechen,
Mattigkeit Tags darauf Wohlbefinden. — 7 Tage
später wurde Pat noch einmal cocainisirt (! Ref.)
mit Sol. Cocain 1,0:30,0, wobei sich keine Ver¬
giftungserscheinungen zeigten .
Der Berichterstatter sagt am Schlüsse: Der Fall
zeigt, wie heimtückisch das Cocain ist, und wie
machtlos wir sind, derartige gelegentlich uns über¬
raschende Fälle zu vermeiden. Das Präparat war
gut; eine Idiosynkrasie lag nicht vor, denn 6 Mal
hat Pat. die Anästhesie gut ertragen, das 7. Mal
nicht. Wunden, Risse etc. nach der Cystokopie
konnten auch nicht schuld sein, dass vielleicht eine
grössere Menge Cocain resorbirt worden ist. Kurz,
wir stehen vor einem Räthsel, dürfen aber trotz¬
dem das Cocain nicht deshalb aus unserer Praxis
verbannen, da solche Fälle doch recht selten sind
und wir kein besseres Mittel auf diesem Gebiete
besitzen.
Dr. Nitze hat trotz mehrerer tausend Fälle, wo
er die Cocainisirung in gleicher Weise anwandte,
nur obigen Fall und merkwürdigerweise noch vor
einigen Wochen einen ähnlichen erlebt.
Aus diesen Mittheilungen ersehen wir, dass
Cocain ein intensiv auf das Gehirn und Rücken¬
mark wirkendes Mittel ist, das, in starken Dosen
I
I
I
!
i
i
angewandt, das Leben in höchstem Maasse bedroht.
Beim innerlichem Gebrauch hat es in 4°/ 0 . Lösung
mehrfach den Tod herbeigeführt; hier führte sogar
6°/ 0 . Lösung in äusserlicher Application fast auch zu
diesem Ausgange. — Ein Mal so gebraucht, und
vielleicht nach einer längeren Zwischenzeit wieder¬
holt, möchte es nicht so deletär wirken; im letzt¬
berichteten Falle stürmte man aber gar 7 Mal in
kurzen Intervallen auf denselben Kranken mit der
Injection einer starken Lösung per Urethram ein,
da ist doch eine cumulative Wirkung, eine Ueber-
sättigung des Pat. mit diesem tiefwirkenden Agens
leicht möglich. — Die Chirurgen haben deshalb
alle Ursache, mit der Cocain-Anästhesie doch recht
vorsichtig vorzugehen, die Zahnärzte ganz beson¬
ders, die es eine Zeit lang für höchst unschuldig an¬
gesehen haben.
Eine kunstgerechte physiologische Prüfung des
Cocain fehlt uns noch; sie würde uns in demselben
wahrscheinlich ein recht brauchbares Mittel an die
Hand geben.
Die innerliche oder operative Behandlung
der Appendicitis.
Von Dr. Frederick W. Elliot-Boston.
Vortrag in der chirurgischen und gynäkologischen
Gesellschaft von Massachusetts.
(Aus dem North American Journal of Homoeopathy.
April 1899.)
Die folgenden Fälle, welche Verf. aus den von
ihm beobachteten ausgelesen, hält er als typisch
für gewisse Formen von Appendicitis.
1. Fall. Ein 23jähr. Fräulein, Buchhalterin,
leidet an chronischer Verstopfung und Kopfweh.
Wegen Dysmenorrhoea membranacea ist ihr, inner¬
halb zwei Jahren, der Uterus zwei Mal ausgekratzt
worden, worauf der Zustand geheilt erschien. Die
gegenwärtigen Symptome, Anfangs ganz unbedeu¬
tend, nahmen nach und nach heimtückischer Weise
zu, und jetzt ist sie wegen der Schmerzen in der
Regio iliaca dextra gänzlich unbrauchbar. T. 101.
P. 110; keine Uebelkeit oder Erbrechen; grosse
Druckempfindlichkeit und schwache Fluctuation über
Mr. Burney’s Punkt. Wiederherstellung in 14 Tagen
unter Anwendung von Oliven-Oel per os et anum,
nach der von Dr. Terry in New York angegebenen
Methode und homöopathischen Mitteln. — Kein
Recidiv.
2. Fall. Ein 7 jähr. zarter, ehrgeiziger Knabe,
bekam beim Fussballspiel einen Schlag in die rechte
Seite; der Schmerz an dieser Stelle war dumpf.
Wiederherstellung unter derselben Behandlung wie
bei No. 1, nur dass statt Olivenöl heisses Wasser
gebraucht worden ist. Kein Recidiv.
8 *
Digitized by ^»ooQie
60
8. Fall. Frau, 28 Jahr, Haushälterin, bekam
im 7. Monat der Schwangerschaft eine gut aus¬
gesprochene Appendicitis; der rechtsseitige M. rectus
ist rigid; hohe Temperatur, schneller Puls, elendes
Gesicht; nervös, besorgt, sehr herunter; die Dämpfung
ist nicht deutlich begrenzt, localisirte Druckempfind¬
lichkeit und Schmerz. Nausea. Wiederherstellung
unter Behandlung mit heissem Wasser. Kein Re-
cidiv. Sie brachte zur rechten Zeit ein gesundes
10 Pfund schweres Kind zur Welt.
4. Fall. Ein SOjähr. Mann, kräftig und gut
genährt, zeigte zuerst die Symptome einer acuten
Peritonitis, ohne einen besonders umschriebenen
Schmerzpunkt oder Empfindlichkeit; er weigerte
sich, ins Hospital zu gehen, besserte sich allmählich
unter dem Gebrauch von Salzen und kalten ört¬
lichen Umschlägen. Am neunten Tage trat plötz- |
lieh ein Rückfall ein, und jetzt liess er sich ins
Hospital aufnehmen. Am folgenden Tage wurde
hier die Operation gemacht, wobei sich eine allge¬
meine suppurative Peritonitis, von dem perforiten
Wurmfortsatz ausgehend, zeigte. Tod in drei
Tagen.
5. Fall. Ein Händler, bis dahin gesund, ein
enthusiastischer Radler, war plötzlich von einem
heftigen, kolikartigen Schmerz im Unterleib nieder¬
geworfen worden. Geringes Fieber, alle Symptome
besser am Ende von 24 Stunden, so dass er auf
dem Wege der Genesung erschien. Plötzlich wieder
schlimmer, wurde er ins Hospital aufgenommen, wo
die Operation alsbald gemacht wurde, und er in
24 Stunden, noch nicht drei Tage nach dem ersten
Anfall, verstarb.
6. Fall. Ein 30jähr. Mann, gut gebaut, aus¬
nehmend stark und kräftig, hatte drei Anfälle gut
überstanden. Der letzte war milder als die vorigen
beim Beginn, aber die Symptome hielten an; die
Operation war nach verschiedenen Consultationen
und langen Berathungen beschlossen. Er hatte gar
nicht das Aussehen eines schwer Erkrankten. Er
ward zu Hause operirt. Bis zum sechsten Tage
nach der Operation ging Alles gut, da erschien,
ohne alle Vorboten, ein anhaltendes Brechwürgen,
das allen Mitteln trotzte. Tod unter urämischen
Erscheinungen am 9. Tage nach der Operation,
dem 12. der Krankheit.
7. Fall. Ein 36jähr. Mann, in einem Marmor¬
geschäft, der gewohnt war, schwere Marmorstücke
zu heben. Vor 12 Jahren war er von einem
schwerbeladenen Wagen überfahren worden, wobei
ihm die Räder über den Unterleib, gerade über die
Hüften gegangen waren, die Verletzung war viel- ,
leicht geringer, weil es auf weichem Sandboden ge- ]
schah. Er hatte oftmals Schmerzanfälle in der
rechten Seite gehabt, die in den letzten zwei Jahren I
heftiger und häufiger ein traten. Jetzt war er ge- |
rade von einem solchen genesen, der ihn auf
mehrere Tage ins Bett geworfen hatte. Sein Arzt
hatte ihn davon unterrichtet, dass er an einem
krankhaften Zustande der Appendix leide und dass
jeder neue Anfall gefährlicher für ihn würde, wes¬
halb er sich an einen Chirurgen wenden solle. Er
suchte Dr. Elliot auf. Die Untersuchung zeigte
bei dem starken, hahnebüchenen Mann eine kleine
Geschwulst in der Gegend der Appendix, die nur
bei tiefem Drucke etwas schmerzhaft war, Ope¬
ration im Baptist-Hospital. — Einschnitt von 1 ! / a
Zoll; l*/ 2 Wochen im Bette; nach 14 Tagen ent¬
lassen.
Dieser Appendix fand sich sehr verlängert und
eingeschnürt an einem Punkte, in einem Drittel der
Länge vom Darm (dies ist die anatomische Stelle,
I welche am wenigsten Blutzufuhr und deshalb die
niedrigste Lebenskraft hat und somit der Lieblings¬
sitz pathologischer Veränderungen ist). Eine dünne
silberne Sonde ging mit Schwierigkeit durch diese
Strictur. Die Wände des so gebildeten Sackes
waren verdünnt und durch Eiter stark ausgedehnt.
Die Schleimhaut war tief ulcerirt. Offenbar füllte
sich die Höhle zeitweise an, und, wenn der Druck
hierdurch zunahm, wurde die Strictur überwunden,
so dass das Secret seinen Weg in den Blinddarm
fand, womit der Anfall zur Zeit vorüber war. Mit
jedem Anfall jedoch wurde die Strictur dichter, die
Wände dünner und schwächer, und es war nur
eine Frage der Zeit, wann die Ruptur in der Peri-
toneal-Höhle stattfinden würde.
8. Fall. Ein 14jähr. Schulknabe, von zarter
Gesundheit, machte eines Sonntags nach einer kräf¬
tigen Mahlzeit eine Fahrt von 12 (engl.) Meilen
auf seinem Zweirad, und fühlte sich bei seiner
Heimkehr nicht ganz wohl. Am Montag etwas
besser, verschlimmerte sich sein Zustand am Diens¬
tag. Als ihn Dr. E. an diesem Tage Nachmittags
5 Uhr sah, zeigte sich etwas Geschwulst, und bei
tiefem Drucke ein wenig Empfindlichkeit. T. 99,4 °F.,
P. 80. Gesicht unverändert, die Funktionen nor¬
mal; die Eltern waren daher nicht wenig erstaunt,
als der Arzt sie von dem Ernste der Sache und
der Möglichkeit einer Operation in Kenntniss setzte.
Indessen wurde vorläufig eine Behandlung mit heissem
Wasser eingeleitet, bis der Knabe sich merklich
wohl befand. Am Freitag, Nachmittags 6 Uhr, war
der P. 76, stark, voll, regelmässig; T. 99. Ge¬
sicht heiter. Der Zustand erschien in der That
sehr günstig und die Heilung in Sicht. Sonnabend
in der Nacht 2 Uhr zum Knaben gerufen, fand
, Dr. E. eine auffallende Verschlimmerung. Das Ge-
| sicht war ängstlich, livid, das Athmen schnell, flach,
P. 140, schwach, fadenförmig; T. 104; deutlicheört-
I liehe Druckempfindlichkeit und eine breite Dämpfung.
| Ein herbeigerufener Chirurg operirte im Hause so-
Digitized by ^»ooQle
61
bald als thunlich. — Der Appendix erwies sich
gangränös am Ende und durchbohrt; in der Bauch¬
höhle war reichlicher Eiter und verhärtete Fäkal¬
stoffe, der Appendix wurde abgeschnitten, der Eiter
und die Fäcalien mittels eines Schwammes entleert,
darauf folgte eine ausgiebige Rieselung mit nor¬
maler Salzlösung und eine Gazedrainage. Der kleine
Patient war am Schlüsse der schleunig beendeten
Operation dem Collapsus nahe, aber durch Stimu¬
lantia und Strychnin wieder belebt. Eine Woche
lang war der Zustand kritisch; es öffnete sich ein
grosser post-peritonealer Abscess.
Die Reconvalescenz zog sich in die Länge.
Eine Nachoperation wegen einer Hernie war nicht
erforderlich.
Der gegenwärtige Gesundheitszustand vortreff¬
lich.
9. Fall. Eine 64jähr. Wittwe, die einen kleinen
Laden hält, nervös, ist seit Jahren wegen Magen¬
schwäche in ärztlicher Behandlung, immer halb¬
invalide. Vor 15 Jahren hatte sie eine Geschwulst
in der rechten Seite, die zeitweise sehr schmerz¬
haft war, gewöhnlich aber beim Liegen, und damit
auch der Schmerz, verschwand. — Jetzt zeigte sich
bei der ersten Untersuchung eine kleine und aus¬
nehmend schmerzhafte Schwellung rechterseits, ge¬
rade über dem Pouparti’schen Bande. Versuche,
diese zurückzubringen, waren erfolglos. Operation
alsbald im Hause. Schenkel-Hernie; der Sack ent¬
hielt den Darm und den mit ihm verflochtenen und
eingeschnürten Appendix. Letzterer wurde excidirt.
Heilung. —
Es ist anzunehmen, dass eine sehr grosse An¬
zahl, wahrscheinlich 90 Proc. primärer Fälle von
Appendicitis von selbst oder unter ärztlicher Be¬
handlung heilen (diese Schätzung stützt sich auf
sorgfältige Statistik, unter anderen die von Dr.
Ritter im St. Hedwig-Spital zu Berlin, der an 968
Fälle zusammengestellt hat); ferner, dass die Mehr¬
zahl derer, die einen ersten Anfall überstanden
haben, keinen weiteren bekommen
Es kommt der Krankheit nicht die hohe Sterb¬
lichkeitsziffer zu, welche ihr manche Chirurgen zu¬
geschrieben haben. Bei 300 Sectionsbefunden in
Chicago zeigte sich, dass 100 Individuen einmal
im Leben eine Appendicitis gehabt und alle von der
Krankheit genesen waren. Von den übrigen chirur¬
gisch behandelten 10 Proc. sind nur wenige von
jenem fulminanten Typus.
Alle fulminanten Fälle sollten sechs Stunden
sorgfältig beobachtet werden. Hat sich dieser Cha¬
rakter der Krankheit dann herausgestellt, so soll
man einen Chirurgen zu einer Berathung herbei¬
ziehen, nicht wegen seines Messers, sondern wegen
seines Urtheils über die Räthlichkeit einer Ope¬
ration. Falls nach Ablauf von zwölf Stunden keine
Besserung eingetreten, soll man in der Regel zur
Operation schreiten.
Die Frage ist von Interesse, ob nicht Fussball
und das Radeln in manchen Fällen als directe Ur¬
sache eines Anfalls anzusehen sind.
Der zarte Appendix wird bei gewissen in diesen
Sports beobachteten Stellungen über den scharfen,
gespannten, harten Rand des Psoasmuskels ge¬
zogen, was unter Umständen von gefährlichen Folgen
sein kann.
Diagnose.
Diese ist in der Regel klar und unzweideutig
bei Gegenwart der Hauptsymptome: erhöhte Tem¬
peratur, schneller Puls, Nausea oder Erbrechen,
örtlicher Schmerz, merkbare Geschwulst, Empfind¬
lichkeit bei tiefem oder oberflächlichem Druck;
Starrheit der Bauchwandung. In manchen Fällen
ist sie jedoch schwer oder unmöglich. Hierfür
liefert ein hervorragender Arzt aus der Nachbar¬
schaft dem Verf. ein sehr lehrreiches Beispiel.
Dieser hatte vier Anfälle von Appendicitis, von
denen jeder einzelne durch die klassischen Sym¬
ptome gekennzeichnet war. Die Diagnose war von
einem sehr bedeutenden Chirurgen und Arzt der
Hauptstadt festgestellt worden. Es schien gar kein
Zweifel betreffs der Natur, der Gefahr und der
Dringlichkeit eines operativen Eingriffs möglich.
Aber der kranke Arzt wies die vorgeschlagene
Operation zurück. Er hatte die Kühnheit, von
jedem Anfalle, trotz der ungünstigsten Prognose,
gesund davon zu kommen. Als er später an einer
anderen Krankheit starb, fand sich bei der Autopsie
sein Appendix — völlig normal, ohne jedes Zeichen
einer früheren oder derzeitigen Verletzung. Um¬
gekehrt hat jeder erfahrene Chirurg Fälle be¬
obachtet mit gar keinen oder unbedeutenden Sym¬
ptomen, ohne erhebliche Temperaturerhöhung, ohne
merkliche Beschleunigung des Pulses, ohne fühl¬
baren Tumor und Rigidität der Bauchwand, ohne
Nausea, localisirten Schmerz oder Druckempfind¬
lichkeit, die von einem Zustand verhältnissmässigen
Wohlbefindens plötzlich und fast ohne jeder Warn¬
signale in einen Status verhängnisvollen Collapsus
übergingen, wie sich dies an dem unter No. 8 bei¬
gebrachten Fall sehr nahe zeigt. —
Arzneiliche und andere Hilfsmittel.
Von homöopathischen Mitteln haben sich Bryon.,
Nux vom. und Ipecacuanha wirksam gezeigt (und
Bellad., Mercur? Ref,). — Opium in materiellen
Dosen ist streng contra-indicirt.
Ein volles Glas mit heissem Wasser stündlich, bis
reichlicher Schweiss, Oeffnung und Diurese eingetreten
ist; nebstdem ein hoch hinaufgehendes Enema von
heisser Seifenlösung, von wenigstens 2 Quart. Ein
reines Colon ist eine nothwendige Bedingung für
einen gesunden Wurmfortsatz oder um einen kranken
Digitized by t^ooQle
62
zur Gesundheit zurückzubringen. — Olivenöl reich¬
lich per os oder anum ist in manchen Fällen nütz¬
lich und heilbringend (unter welchen Umständen?
Ref.). Salzhaltige Laxantia, wenn Wasser oder Oel
unwirksam sind. (Diese Indication möchten wir nicht
unterschreiben. Ref.).
Ein Eiswickel oder in Eiswasser getränkte und
ausgewundene Handtücher häufig auf den Unter¬
leib zu legen. (Kühlende, später Priessnitz’sche Um¬
schläge scheinen uns zweckmässiger. Ref.).
Die Diät eines von einer Appendicitis Genesen¬
den so 11 ebenso sorgsam gewählt und innegehalten
werden, als die eines Typhus-Reconvalescenten; der
Kranke soll nach jedem schweren Anfall wenigstens
14 Tage im Bette verbleiben.
Trotz der von manchen Chirurgen veröffent¬
lichten Listen von 75 oder gar 100 ohne einen
Todesfall verlaufenen Operationen, steht es fest,
dass eine im acuten Stadium gemachte Appen-
diceotomie immerhin ein ernster und oftmals ein
unsicherer operativer Eingriff ist. Dr. W. W. Keen
von Philadelphia hat sich bei der letzten Versamm¬
lung der American Medical Association zu Denver
dahin ausgesprochen: „Ich protestire gegen den
Gebrauch von Opium, seltene Fälle ausgenommen,
weil es die Symptome der Krankheit verdeckt und
den Kranken ins Grab zu bringen pflegt. Ich be¬
streite die Behauptung, dass durch Operation alle,
ausser 2 Proc. der Fälle gerettet werden. Ich
fordere jeden hier anwesenden Operateur heraus,
100 gesunde Personen zu nehmen und an ihnen
zu operiren, ohne mehr als 2 Proc. zu verlieren.
Wir fehlen alle, meine Herren; ich weiss nicht
weshalb, aber das, dass wir fehlen. Ich halte die
Operation nicht in allen Fällen für nothwendig.
Ich möchte lieber einen lebendigen Menschen mit,
als einen Todten ohne Appendix haben. Ich halte
auch nicht dafür, wie jener witzige Franzose, dass
kein Fall ohne Autopsie vollständig sei. Ist der
Kranke nach 48 stündiger Beobachtung nicht
schlechter, so lass ihn in Ruhe, dass es ihm wohl¬
gehe!“ Die Statistik ist oftmals irreführend. Es
giebt ein berühmtes bon mot eines englischen Staats¬
mannes, „dass nichts so viel lüge als Thatsachen,
ausgenommen Zahlen“. Ein College, der jüngst von
einer Sommerreise zum Studium des London-Spitals
heimkehrte, berichtet über ein Gespräch mit einem
der leitenden Chirurgen Londons, betreffs der Sta¬
tistik eines gewissen amerikanischen Chirurgen, der
eine Reihe von 85 consecutiven Appendiceotomieen
ohne einen Todesfall für sich in Anspruch nimmt,
eine Reihe von nicht ausgewählten Fällen, sondern
von verschiedenen Typen, acute, chronische und
recidivirte. Der Commentar, den jener gab, war:
„Entweder liegt da eine Täuschung vor oder Ihr
in Amerika entfernt ein gut Theil gesunder Wurm- j
fortsätze“. Dazu gab er als Illustration noch fol¬
gendes Geschichtchen:
Ein ihm befreundeter Patient war epileptischen
Anfällen unterworfen. Er hatte eine Reise nach
Amerika vor, aber ehe er auslief, nähte er eine
Karte in seine Weste, auf die er Folgendes schrieb:
„Ich bin ein Epileptiker. Sollte man mich bewusst¬
los auf der Strasse antreffen, so bitte ich, meinen
Appendix nicht zu entfernen, da dies unschuldige
Organ einige Jahre vorher, als ich Boston besuchte,
ausgeschnitten worden ist.“
Nachdem Verf. noch einige praktische Winke
für die Technik der Operation angegeben, schliesst
er: Ohne Frage ist die unselige Meinungsverschie¬
denheit zwischen Aerzten und Chirurgen betreffs
der Appendicitis an manchem Todesfall schuld. —
Ist die Zeit noch nicht da, wo man den Dogmatis¬
mus bei Seite legt und eine Appendicitis von Allen
als eine sowohl in das Bereich des internen wie
chirurgischen Arztes gehörige Krankheit angesehen
und jeder Fall für sich besonders auf Grund der
vorhandenen Specifica diagnosticirt wird, abseits
von statistischen Tabellen, die selten am Kranken¬
bett brauchbar sind, ohne Leidenschaft und vor¬
gefasste Meinungen?
Die medicinische Literatur zeigt in der That,
dass der Conservatismus unter den leitenden Chirur¬
gen Englands, Deutschlands und mancher medi-
cinischen Central-Amerikas betreffs der Operation in
Fällen von Appendicitis im Zunehmen ist, indem
man die chirurgische Behandlung unter Vorhanden¬
sein klarer und unzweideutiger Indicationen für zu¬
lässig hält.
LesefrUchte.
Ein einfaches Mittel, um das Beschlagen des
Kehlkopfspiegels zu verhüten, giebt Dr. A. Kirn¬
stein (Berlin) an. Wenn man nämlich auf einem
trocknen Kehlkopfspiegel eine winzige Spur gelber
Schmierseife verreibt und die Fläche dann mit einem
trockenen Tuche in kreisenden Bewegungen putzt,
bis der Spiegel wieder blank ist, so bleibt das so
präparirte Glas beim Anhauchen vollständig klar.
Einen so präparirten Spiegel kann man unerwärmt
nach Verf. in den Rachen des Pat. einführen und
zur Untersuchung der Luftwege benutzen, ohne je
eine Trübung des Gesichtsfeldes durch Anlaufen des
Glases zu erfahren . — Da wird man wohl auch das
Anlaufen der Brille, wenn man aus der Winter¬
kälte in das warme Zimmer eines Kranken tritt,
auf diese Weise gut verhüten können. Der nächste
Winter wird uns zu diesem Versuche schon Ge¬
legenheit geben.
Digitized by
Google
79
Homöopathische Ferienkurse für Aerzte
in Berlin.
Die diesjährigen Herbst-Vorträge finden statt
vom 2. bis 28. October 1899 am Montag, Mittwoch
und Freitag Abend 1 / a 8 Uhr in der Poliklinik
Charlottenstr. 77, II.
Den Herren Gollegen steht ausserdem der Be¬
such der Poliklinik wochentäglich von 3 / 2 2 Uhr ab
frei.
Die Vorträge umfassen ausgewählte Kapitel
aus der Homöopathie und zwar:
1. Oct. 2. Ueber Hahnemann's Leben
und Werke und über Princi-
pien der Homöopathie. . . . Dr. Gisevius jun.
2. „ 4 Ueber Stoffwechselkrank¬
heiten . Dr. Kröner.
3. „ 6. Ueber Atropin u. Belladonna,
Merkur, Phosphor . Hofarzt Dr. Windelband.
4. Oct. 9. Ueber Augenkrankheiten . . Dr. Borehmann.
5. ,11. Ueber Metrorrhagieen . . . . Dr. Dahlke.
6 . „ 13. Ueber Hautkrankheiten . . . Dr. Dammholz.
7. „ 16. Ueber Bryonia, Nux vom.,
8 . , 18. Ueber Nervenkrankheiten . . Dr. Kröner.
9. „ 20. Ueber Darmkrankheiten . .
Hofarzt Dr. Windelband.
10. „ 23. Ueber Skrophulose. Dr. Gisevius jun.
11. , 25. Ueber Mittel wähl. Dr. Sulzer.
12. „ 27. Ueber Beziehungen der Arz¬
neimittel unter einander . . Dr. Dahlke.
Auf Wunsch ist Herr Apotheker Kittel, Berlin
W., Kurfürstendamm 1, bereit, in näher zu be¬
stimmenden Stunden Anleitung über Reactionen
der Arzneimittel, über Arzneimittelbereitung nach
homöopathischen Grundsätzen etc. zu geben.
Weitere Auskunft ertheilt jederzeit: Dr. Damm-
holz, Berlin S.W., Gneisenaustr. 112.
Berliner Verein homöopath. Aerzte.
Anzeigen
BAD UPPSPRINGE
Eisenbahn-Station Paderborn.
Armlnlns-Qnelle, stlckstoffrelche Kalktherme.
Erfolgreiches I nnnOnnhthicO besonders im
Heilmittel gegen ^UIIlJÖII|J II1111 OG ersten Stadium.
Asthma und Katarrhe der Respirations-Organe.
Salsoi: Mal bl« September.
Penslons-Hötel; 1/iiphailC »taubfrei inmitten
neu renovirt. ■■ÄUOe des Parks gelegen.
Auskunft durch die Bronnen-Administration.
Soeben ist im Verlage von Carl Gruner’s homöopath.
Officin, Leipzig und Berlin, erschienen:
Die Heilung der Diphtherie
auf homöopathischem Wege
insbesondere durch
Mercnrlus cyanatus.
Rathschläge für Eltern.
XI. Auflage der Dr. Villers’schen Schrift.
Theilweise neu bearbeitet
von einem homöopathischen Arzte.
Preis 50 Pfg.
Alles Nähere aus der Besprechung in Bd. 139, No. 3/4
dieser Zeitung ersichtlich.
Dr. med. Dierkes, homöopath. Arzt, aus
Paderborn praktizirt in jeder Saison in Dad Iiipp-
springe. Die Herren Collegen werden gebeten, ihren
Patienten dio Adresse mitzugeben.
Dr. Theinhardt’ s
Löst Kindernahrung.
(Hergestellfc aus Milch, Zucker, Gerste, Weizen.)
Bewahr« seit 10 Jahren bei nermalor und gestörter
Gesundheit der Kinder.
Von Autoritäten empfohlen als:
Rationellste Ergänzung der verdünnten Kuhmilch.
Leichtverdaulich — durch Löslichkeit und minima¬
len Stärkegehalt.
Knochenbildend — durch seine N&hrsalze;
(ca. 2°/ 0 Kalkphosphat u. l,5°/ 0 Phosphorelure).
Diätet. Therapeutin bei Rhachitis, Scrophulose und
Cholera infantum.
Preis der Dose M. 1.20 (300 g) u. M. 1.90 (500 g Inh.).
VorrAthig in den meisten Apotheken und Drogerien.
Wissenschaft!. Urtheile, Analysen u. Gratismuster durch
Dr. Theinhardt’8 Nährmittel - Gesellschaft
Cannstatt (Wiirttbg.).
Bönninghausens
Therapeutisches Taschenbuch
in neuer deutscher Auflage.
Brosch. 10.— Mk., geh. 11.— Mk.
Aufträgen sieht die Unterzeichnete Verlagshandlung gern entgegen.
A. Marggrafs homöopath. Offtein, Leipzig.
Digitized by L^OOQle
so
Im Verlage der Unterzeichneten Firma ist erschienen:
Dr. Franz Hausmann’s
Kleine Schriften«
Nebst einem Anhänge:
Handschriftlicher Nachtrag von Dr. Hausmann mit Satz¬
fehlerverbesserungen zu seinem grossen Werke:
lieber die Ursachen und Bedingungen der Krankheiten.
Gesammelt und herausgegeben von
Dr. G. Bojanus sen., Samara.
Diese hochinteressante Sammlung wird Aerzten und
Laien aufs Wärmste zum Studium empfohlen. Durch
besondere Nebenuftistände soll dieses 13 Druckbogen in
Octavformat umfassende Buch broschirt zum billigen
Preise von nur Mk. 1.50 verkauft werden, um ihm eine
möglichste Verbreitung zu sichern.
Leipzig. A. Marggraf 8 Homöopath. OfÜcin.
Aul Reisen und zur Dispensation sehr practisch.
Homöopathische Mittel
1» Tabletten form i & 0,85 Hramm Gewicht.
(Das richtige Quantum für eine einzelne Arzneigabe.)
1 Cylinder ä
12 Stück
= 3 Gramm .
. . Mk. -.20
1 1 Flacon od. «
1 1 Schachtel "
24
»>
= 6 „
. . „ -.30
1 ft &
30
tt
= 7,5 „
. • „ -.35
1 ,, ä
40
= 10 „
. . —.45
1 „ ä
50
tt
= 12,5 ..
. . „ -.55
1 „ k
60
j*
= 15 ,.
. . „ -.65
1 ., ä
80
7»
= 20 .,
. . ,. —.75
1 „ a
100
tt
= 25 „
. . „ —.90
1 „ ä 120
= 30 „
. . „ 1.10
1 «, ä
150
tt
= 37,5 „
. . „ 1.35
1 ., 4 200
= 50 „
. . „ 1.80
1 „ k 400
= 100 „
. . ., 3.50
A« Marggrafs homoopath. Offlein, Leipzig«
Hochfeines Tafel- (Speise ) Oel.
Allen Freunden eines vorzüglichen Speise- oder Salat-
Oeles empfehle ich, aus ersten Häusern bezogen, billigst
hochfeinstes Provenceröl (Huile Vierge)
gold-gelb, von feinstem Geruch und Geschmack
kry stallklar
I a 1 Flasche : 500,0 Gramm incl. Flasche Mk. 1.70.
H a 1 . . : 500,0 , 1.40.
Bei grösseren Mengen noch billiger.
„Nicotiana-Seife“
Souveraines Mittel gegen alle parasitären
Hautkrankheiten, spec. Scabies.
Zu einer einfachen Krätzekur bedarf es nur oif)68
Stückes „Nicotiana-Seife“ im Gewicht von 50 Gr.
Preis 75 Pfennige«
Gebrauchs -Anweisung.
In der städtischen Krankenanstalt zu Bremen, woselbst
die ersten Versuche mit dieser Seife angestellt sind und
dieselbe jetzt dauernd gebraucht wird, hat sich folgende
einfache Anwendungsweise am besten bewährt: Der Körper
des Patienten wird an zwei aufeinander folgenden Tagen,
Morgens und Abends, mit der Seife eingeschäumt, den
Schaum lässt man eintrocknen und giebt vor jedem Ein¬
schäumen, sowie nach Beendigung der Kur ein warmes
Vollbad. Da die Seife neutral ist, so hat sie irgendwelche
Reizungen nicht erzeugt, auch ist sie von solchen Leuten,
die bereits stärkere Eczeme hatten, sehr gut vertragen.
Vorzüge der „Nicotiana-Seife“ sind, dass die Kur mit
derselben billig ist, dass die Patienten selbst, sowie auch
ihre Umgebung nicht unter dem penetranten Gerüche der
bisherigen Mittel zu leiden haben, die Seife vielmehr angenehm
parfümirt ist und endlich, dass die Kur reinlich ist.
Die Seife enthält 0,7—0,9°/ o Nicotin.
Leipzig. Täschner & Co.
_ Homöopathische Centralapotheke.
Günstige Offerte.
Prima deutscher und französ. Cognac.
Durch directe Beziehungen mit einem der ersten Häuser
in Cognac sind wir in der Lage, allen Freunden eines
vorzüglichen, echten französischen Cognacs eine zuver¬
lässig echte und preiswerthe Waare anzubieten:
Echt franz. Cognac ** 1 Flac. M. 5.—.
99 99 99 1 9 f 99 6.50.
Bei 12 Flaschen franco alle deutschen Bahnstationen
incl. Verpackung und 10% Rabatt.
Hauptniederlagen in Leipzig bei
Leipzig. A. Marggraf s Homöopath. Officin.
A. Marggrars homoopath. Offlcm
und
Täschner & Co., Homöopath. Central*Apotheke.
Gur- und Badeort Augustusbad bei Dresden
(Eisenbahnstation Radeberg, an der Sächsisch-Schlesischen Bahn.)
Wasserheilanstalt, Stahl- und Moorbad, klimatischer Curort,
d T ? piegel 1 er 0stsee ' in einem reizenden Thale, geschützt vor rauhen Winden, inmitten alter, herr-
d Ri * kan Ik eg t n, i aUch D [ U - r ^l 1 ' und Molkenkuren eingerichtet, passend bei allgemeinen Schwäche-
zustanden, Blutarmuth, Skrophulose, Bleichsucht, englischer Krankheit, Herzleiden, Rheumatismus, Gicht, Nerven-
‘®^ en u ““. verschiedenen Frauenkrankheiten etc. Aeusserst günstige Wohnungsverhältnisse, niedrige Preise der
Bäder, billige Pension. Dingirender Arzt Dr. med. Julius Meyer.
Jede eingehendere Auskunft wird bereitwilligst ertheilt.
Aogntubad bei Radeberg i. 8. Oie Bade-Direction.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Moisa-Stuttgart.
Geachäftaiteile und Verlag von Willita St.iim.t2 (A. Marggraf’» homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius Mäser in Leipzig.
Digitized by {jOoq le
Band 139
Leipzig, den 14. September 1899. No. 1111.12.
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITH«.
Heraasgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle nnd Verlag von William Steinmetz (A. MarggraPs homöopath.Offlein) in Leipzig
Thomaskirchhof 12.
Erscheint Utttgig zu2 Bogen. lSDoppolnuramorn bilden einen Band. Preis 10 Ai, 60 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs -Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagsh&ndlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offloin in Leipzig) zu richten
sind, werden mit 20 Pf, pro einmal gespaltene Petitzeile und eueren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 6—8 Ai. berechnet.
Inhalt. Vorbemerkung der Redaction. Die Homöopathie vor dem Richterstuhle des Experiments. Von
Dr. Gisevius, praktischer Arzt zu Berlin. — 67. Generalversammlung des Homöopathischen Centralvereins Deutsch¬
lands in Elberfeld am 9 und 10 August 1899. Von Dr. Mossa. (Schluss.) — LesefrOchte. — Anzeigen.
Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage.
Vorbemerkung der Redaction.
Herr College Gisevius jun.-Berlin hat sieh der
Mühe unterzogen, eine neue „Werbeschrift“ für
die homöopathische Heilkunst unter den Aerzten
der herrschenden Schule, die der Stimme der ;
Wahrheit zugänglich sind, abzufassen. Er hat in
derselben vor Allem das Experiment, dieses grosse
Organon aller wahren Naturwissenschaft, vor dem
jeder wissenschaftlich denkende Arzt Respect hat,
als die Grundlage der Homöopathie an die Spitze
gestellt, alles theoretische Räsonnement möglichst
vermeidend', und sucht hauptsächlich durch die
Gegenüberstellung der durch Prüfung am Gesun¬
den, also durch das physiologische Experiment, hei
einer Reihe von Mitteln erforschten pathogene¬
tischen Erscheinungen und deren praktische Ver¬
wendung als Indicationen, auf Grund des Aehnlicli-
keitsgesetzes, in einer Anzahl beweiskräftiger con-
creter Fälle die Richtigkeit und praktische Brauch¬
barkeit der homöopathischen Heilmethode ad oculos
zu demonstriren. Die Auswahl der herangezogenen
Mittel, sowie auch die der concreten Fälle, unter
denen beachtenswerthe Beobachtungen des Ver¬
fassers selbst erscheinen, halten wir für treffend.
Ehe aber die Propaganda-Commission an den
weiteren Druck dieser Schrift geht, hält sie es für
angemessen, dieselbe dem Urtheil der Mitglieder
des Centralvereins und auch der anderen Berufs¬
genossen zu unterbreiten, und ist die Redaction
dieser Zeitung gern bereit, desfallsigen Aeusse-
rungen Raum zu gewähren.
Die Homöopathie vor dem Richterstuhle
des Experiments.
Von Dr. Gisevius jun., praktischer Arzt zu Berlin.
„Cur ego hac tertia parte librum Paracelsi
coelum Philosophorum dictum explicandum sum-
serim, latere te nolui, benevole lector, ne me ma-
teria destitutum crederes scribendi, si non aliorum
scriptis meum librum augerem: quod hic boni scri-
bere institui, vel absque Paracelsicorum librorum
admistione facere potuissem, verum hac proprie
causa, quia Paracelsus superiori seculo complures
elegantissimos libros communi commodo publicavit,
sed satis obscuros et ob hoc ab- iinperitis falsos
habitos et contemtos, sed quia arcanis referta me-
rito maximi faciendos. In quibus postquam veri-
tatem deprehendi, aegerrime tali sinistros de hoc
viro sermones, quasi omnium rerum rudi et vaga-
bundo, cui ingenuina philosophia, Medicina et
Alchyraia pauci aequales fuerunt. Quin eo res de-
venit, ut # gnavus Medicinae studiosus, strenuus alias
veritatis sectator, eam ex scriptis ipsius investiga-
turus, se illis delectari indicinam facere non audeat,
verum propter malevolos istis nolens volens absti-
nere, cumque maiori turba in tenebris haerere co-
gatur; dubium vero non est, quin lumen olim nobis
a Paracelso accensum bonorum scriptis renovatum
a multis amabitur. u
So lautet der Anfang der Praefatio, die in
einem alten Druck Johann Rudolph Glauber, der
Urheber des Sal mirabile, seiner Neuherausgabe
11
Digitized by c^ooQie
9S
Durchfall schleimig*grün, schwarzer Schleim
mit hartnäckigem Erbrechen; Abführen wie schmutzi¬
ges Wasser, Blut — mit ausserordentlicher Kälte
der Extremitäten und intensivem Zwang.
Nur spärlich Haematurie, Albuminurie.
Puls klein, fadenförmig; Wadenkrämpfe.
Frost, ausserordentliche Hitze mit kleinem,
schwachen und sehr häufigen Puls.
Ergänzend sei noch hervorgehoben, dass Virchow
sogar (Archiv, 47. Band, S. 524) selbst betont hat,
dass das Bild der acuten As-Vergiftung der schwer¬
sten Cholera klinisch und anatomisch genau ent¬
spricht.
Ausser den angeführten Symptomen enthalten
die homöopathischen Register eine solche Masse
auf den Magen befindlichen Erscheinungen, dass
sich Krankheitsbilder der verschiedensten Magen-
Erkrankungen ergeben vom leichten Katarrh bis
zu den schwersten destructiven Processen.
Nach dem Simile-Grundsatz angewendet, schliesst
der therapeutische Erfolg die Beweiskette.
Dieser bleibt jedoch aus, wenn man As nun
bei allen Magen-Erkrankungen schematisch an¬
wendet, die bei oberflächlicher Betrachtung dem
groben As-Bilde entsprechen. Hier liegt der Schwer¬
punkt und das Geheitnniss des Erfolges wieder in
der genauen Berücksichtigung der sogenannten be¬
gleitenden Symptome.
„Quälender Durst, Vollsein nach geringem
Speisegenuss. Schwäche-Gefühl in der Magengrube,
besser durch Essen, aber sobald der Kranke zu
essen beginnt, hat er Drang zu diarrhöeschem
Stuhl. Die Magenkrämpfe treten periodisch, be¬
sonders Nachts auf. Aeussere Wärme lindert.“
Ein Paar Fälle aus der unendlichen Zahl bre-
vissima manu: Apotheker; seit 15 Jahren: Bei
grosser Uebelkeit nach Speisegenuss, auch Nachts
heftiges Speiseerbrechen, dann gallig gefärbte
Flüssigkeit, scharf, sauer. Nachher heftiger Schmerz
in der Magengegend bis zum Nabel, Brennen wie
von glühender Kohle. Poltern im Bauch, Blähungen.
Bei Anspannung der Bauchpresse Schmerzen im
Leibe. Grüner Durchfall mit Zwang und Brennen
im After.
Angst, Unruhe, Schlaflosigkeit, Schnupfen, Nasen¬
bluten, Appetit fehlt, Aufstossen, Gesicht fahl,
Todesfurcht. (Gastritis chronica acida.)
Binnen wenigen Wochen Heilung mit As.
Frau von 44 J. Seit 4 Jahren Krampf 5—6
Mal. Beginnt mit zusammenziehenden Schmerzen
im 1. Hypochonder, darauf Angst und Beklemmung
auf der Brust, mit brennendem Schmerz und
schwerem Athmen, Hitze, Ohnmacht. Dann reich¬
licher Scbweiss. Aeussere Wärme lindert, nach
Essen schlimmer. (Cardialgie.)
Mit As Heilung in 14 Tagen.
Die Casuistik ist unerschöpflich.
Die Affectionen des Dai'ines betreffend, so sei
hier nur auf eine Thatsache verwiesen. Virchow
hält das As-Bild für identisch mit dem der Cholera
asiatica.
Die letzte grosse Cholera-Epidemie in Hamburg
hatte in den ersten 2 Monaten 80 °/ 0 Mortalität.
Von 317 homöopathisch behandelten starben 1^.
Wenn 12 Patienten, die mangels Pflege in Kranken¬
häuser gebracht wurden und 31, die aus ver¬
schiedenen Gründen in anderweitige Behandlung
übergingen, hinzugerechnet werden, so beträgt die
Mortalität 15 1 / 2 °/ 0 -
Die Behandlung erfolgte mit As.
Die zweite Phase der Vergiftung begreift Ver¬
änderungen der parenchymatösen Organe der Brust -
und Bauchhöhle , sowie der Haut in sich. —
Daneben treten Schlcimhautaffectionen auf: Hart¬
näckiger Bindehautkatarrh , grippeartiger Schnupfen ,
Katarrhe der Kehlkopf - und Xi^röArenschleimhaut.
Das ausgeworfene Secret ist schleimig, hier und
da etwas blutig. — Dem ersten Angriffspunkte
entsprechen aus den homöopathischen Prüfungen
zahlreiche Augensymplome, die in ihrem Gesammt-
bild eine starke Schwellung der Lider mit inten¬
siver Rothe der Ränder und ausserordentliche
Schmerzhaftigkeit zeigen. Dabei massenhafte dünne
Absonderung von grosser Schärfe. —
Vergleiche:
Frau von 54 J., seit 8 Tagen Conjunctiv.
Rhinit. catarrli. Nachts Sclera geröthet, Lider öde-
matös, Stechen im Bulbus, Photophobie — Sand¬
körnchengefühl, Brennen, Ciliarneuralgie. Ausfluss
brennend heisser Thränen. Flor vor dem Auge. —
Starke Nasen-Absonderung. — Kopf eingenommen.
Mattigkeit, Frost, Durst, Schlaflosigkeit.
As heilte in wenigen Tagen.
Ebenso sind die Nasensymptome der homöo¬
pathischen Prüfungen sehr bezeichnend. Absonde¬
rung einer dünnen, ätzenden Flüssigkeit. Dabei
Verstopfungsgefühl, dumpfer, klopfender Kopf¬
schmerz. Halte dagegen:
Im letzten Jahre kamen 3 Fälle von mehr¬
jährigem Schnupfen in Behandlung mit den obigen
Kennzeichen. Dabei Fehlen von Geruch und Ge¬
schmack, keine Polypen.
Ein Fall zeichnete sich dadurch aus, dass der
Schnupfen seit 5 Jahren anfallsw^eise Nachts auf¬
trat. — Alle wurden in wenigen Wochen mit A 9
geheilt.
Die oben angedeuteten Schädigungen der Bron¬
chien werden verstärkt durch die unten zu er¬
wähnenden Veränderungen des Herzens und der
Blutgefässe, die auch den Lungenkreislauf schä¬
digen.
Digitized by
Google
Die Betheiligung der Bronchien drückt sich in
folgenden homöopathischen Prüfungs-Resultaten aus:
„Asthmatisches Athmen: muss sich mit der
Brust vornüber neigen, muss des Nachts aus dem
Bette springen. Grosse Atheinnoth. Gesicht cya-
notisch und mit kaltem Schweiss bedeckt. Grosse
Angst. Nachthusten, muss aufsitzen, sobald der
Husten beginnt, — um 1 Uhr Nachts mit Schwer-
athmen. Zusammenschnüren der Brust mit grosser
Angst und Unruhe, Abends, beim Bergaufgehen.“
Vergleiche:
Gebrauch des As bei den Schmugglern Steiermarks
zur Aufbesserung der Athrnung bei dem Tragen
schwerer Lasten.
Ferner:
Asthma seit 8 Jahren:
Sobald er sich Abends zum Schlafen legt: Brust¬
krampf, Engbrüstigkeit, Exspiriuin pfeifend; Zu¬
sammenpressen auf der Brust und in der Kehle,
das ihn zum Vorbücken und Aufsitzen nöthigt mit
Erleichterung. Athmen immer schwieriger, das Aus-
athmen fein wie höchster Fistelton. Dabei ver¬
zweifelnde Angst, Schweiss; Anfall 3—4 Stunden,
lässt erst nach Mitternacht nach.
As heilt in kürzester Zeit. — Trotzdem die
homöopathische Literatur eine grosse Reihe ähn¬
licher Heilungen enthält, muss hier immer wieder
für das Gelingen des Experimentes die Anwendung
von As eben wie für den genau passenden As-Fall
gefordert werden.
Der Einfluss des Giftes auf das Herz kann bei
acuter Vorgiftung zum Tode durch Herzlähmung
führen, da der Herzmuskel degenerirt; bei grossen
Dosen wohl auch die Herzganglien, wie es der
anatomische Befund beweist. — Hinzu kommen die
homöopathischen Prüfungsergebnisse: „Herzklopfen
mit Angst, kann nicht auf dem Rücken liegen;
Angina pectoris, plötzliche Bewegung über dem
Herzen; peinlicher Praecordial-Schmerz; Puls klein,
sehr häufig, unregelmässig, fadenförmig; schliesslich
Oedeme “
Bei der klinischen Nutzanwendung sei darauf
aufmerksam gemacht, wie genau sich der Effect
mit den experimentell gefundenen Thatsachen deckt.
Nur Schwächezustände des Herzens mancherlei Art
von rein functioneller bis zu schwerer Myocarditis
oder Cor adiposum passen für das Mittel, aber
Klappenfehler nur insofern, als die Herzwandungen
mit beteiligt sind, denn nur diese greift das Gift
an (vergleiche im Gegensatz Aconit.).
Was diese beschränkte Wirkung thun kann,
dafür seien folgende Fälle angeführt:
Frau 74 Jahre alt. Abgemagert. Viel an
Gicht und Herzstörungen leidend; seit 6 Wochen
Dyspnoe und Herzklopfen, besonders bei Bewegung
und Rückenlage, drückender Kopfschmerz. Lippen
und Nase cyanotisch; Taubheit. Trockener Husten.
Herzhypertrophie und Insufficienz der Bicuspidalis.
P. 120. Haut kühl. Unterschenkel und Füsse
ödematös. Schlaflosigkeit. Angst.
Durch Arsen wurden die Beschwerden auf
längere Zeit beseitigt.
Mann von 50 J. Seit 12 J. Mitral-Insufficienz.
Viele Curmethoden erfolglos. Kachexie. Nächtliche
Dyspnoe. Appetitlosigkeit. Bronchial katarrh. Ge¬
sicht und Glieder ödematös. Seit 2 Jahren arbeits¬
unfähig.
Durch Arsen binnen Kurzem Wohlbefinden und
Arbeitsfähigkeit.
Nach Vriejeus wird durch As das Blut zer¬
stört; es ist auch mikroskopisch nachgewiesen.
Die Zersetzungsproducte werden in der Haut
abgelagert. Aus den homöopathischen Prüfungen
ergeben sich zahlreiche Symptome, die je nachdem
das Bild verschiedener schwerer Bluterkrankungen
ergeben: Chlorose, perniciöse Anaemie, Leukaemie
(Milz-Tumoren der Prüfungen), Werlhofsche Blut¬
krankheit (Petechien der Prüfungen).
Dagegen.
Mädchen, 6 Jahre. Skrophulös. Hautvenen-
Geflecht auffallend entwickelt. Oft Nasenbluten.
Ueber den ganzen Körper, selbst in der Conjunc-
tiva massenhafte schwarzblaue Flecken. Blutungen.
Morbus Werlhofii.
Lange ärztlich behandelt.
Arsen heilte in kürzester Zeit.
Weiter zeigt die As-Vergiftung andere Stoff¬
wechselstörungen, so rapide Abmagerung.
Dazu aus homöopathischen Prüfungen: „Grosse
Abmagerung, erdfarbenes Gesicht, blaue Ränder um
die Augen, grosse Schwäche in allen Gliedern, Ab¬
neigung gegen jede Thätigkeit, starkes Ruhe-Be-
dftrfni8S.“
Vergleiche damit:
Kleine Dosen As werden z. B. in Steiermark
zu Mastkuren an Menschen und Pferden benutzt;
alternde Koketten erneuern die schwindende Körper¬
fülle in den As-Brunnen Süd-Tirols. Direct an-
gestellte Versuche ergaben z. Z. rapide Gewichts¬
zunahme. — Diese Fett ansetzende, in die Körper-
Oekonomie tief eingreifende Wirkung kommt
natürlich auch bei vielen sonst As indicirenden
Krankheiten zur Geltung, bei denen nebenbei die
Ernährung zurückging.
Das Arsenic- Fieber:
Acltere Autoren, Ortila, Takenius, berichten
ausdrücklich über Fieber, die in den späteren Sta¬
dien chronischer As-Vergiftung sich einstellten.
Imbert-Gourbeyre bringt eine längere Reihe von
Beispielen. Klose in Reichenstein sah bei As-
Arbeitern in den späteren Stadien hektisches Fieber.
Lancereaux berichtete vor Kurzem an die franzö-
13*
Digitized by ^»ooQle
100
sische Akademie über eine Vergiftung, bei der das
intermittireude Fieber bis zu 39,5 stieg.
Dazu aus homöopathischen Prüfungen: „Frost
ohne Durst, darauf Hitze mit grossem Durst und
ohne Schweiss; nach Stunden tritt Schweiss ein,
worauf die Beschwerden zunehmen; Leber und
Milz ist geschwollen.
Trockene Hitze Abends und Nachts mit Durst
und häufigem Trinken nur geringer Mengen auf
einmal.
Gegen Ende des Fiebers Schweiss, womit alle
früheren Symptome verschwinden.
Alle diese Thatsachen zeigen ausserdem den
Charakter des intermittirenden, typisch Wieder¬
kehrenden.
Hiernach folge ein Fall aus der unendlichen
Zahl geheilter Intermittenten.
Tertiana in Polen bekommen; Chin. half end¬
lich nicht mehr zur Unterdrückung. Zuletzt brachte
er aus dem Lazareth eine Quartana mit, die mit
heftigen Kolikschmerzen anfing, die Ohnmächten im
Gefolge hatten. Körper kalt, nach einer halben
Stunde Frost, dann Fieber mit Nachlass der Schmerzen
und Schweiss, dann grosse Schwäche. Leiden be¬
steht seit */ 4 Jahr.
Arsen, heilte in Kurzem. Doch muss jeder Ma¬
lariafall sorgfältig untersucht werden mittels des |
Arznei-Bildes von As, ob dieses oder ein anderes J
Intermittensmittel indicirt ist.
Nieren;
Die Menge des Urins sinkt bei As-Vergiftung.
Derselbe enthält Blut und Cylinder. |
Tenesmus. j
Dazu die homöopathischen Prüfungssymptome: |
„Der Urin ist spärlich, geht mit Schwierigkeit ab,
brennt bei der Entleerung.
Urin dunkelbraun, trübe, mit rothem, sandigem
Sediment; mit Blut gemischt.
Wachs und Fettcylinder. Oedeme.
Vergleiche damit:
Bursche von 18 Jahren, seit mehreren Wochen
ärztlich behandelt, zeigt jetzt bedeutenden Ascites
und Anasarca, besonders im Gesicht und an den
Gliedern. Urin spärlich, massenhaft Albumen.
Dyspnoe. Respiration beschleunigt. Herzklopfen.
Puls weich und schnell. Durchfall. Kopfschmerz. ;
Schwäche. j
Heilung mit Arsen in 8 Tagen. 1
Die Haut wird in ausgedehntester Weise von
dem Gifte verändert. Es treten auf papulöse, pustu- ^
löse, Urticaria- und rubeolaartige Ausschläge. An¬
schwellungen und Geschwüre an verschiedenen
Körperstellen. Haare und Nägel fallen aus.
Die entsprechenden Symptome aus den homöo¬
pathischen Prüfungen sind entsprechend von der
grössten Mannigfaltigkeit. Sie zeigen Affectionen
von einfacher Trockenheit und Schuppen der Haut
bis zum Herpes, Eczem, Pruritus, Psoriasis, Urti¬
caria, Petechieen.
i Vergleiche damit:
Die ausgedehnte Anwendung des Mittels Seitens
der Hautspecialisten.
| Verschieden davon ist die homöopathische An-
1 wendung durch Beobachtung der schärferen Indi-
| cationen, wie sie den Prüfungsbildern entstammen.
Dann aber sei hier noch eine Bemerkung einge-
i flochten. Die Frage der homöopathischen Doso-
I logie, mittels der die ganze Lehre lächerlich ge-
! macht zu werden versucht wird, wird in diesem
Abriss nicht erörtert, da sie für den vorliegenden
Zweck irrelevant ist. Doch sei bei dieser Gelegen¬
heit festgestellt:
In der dritten Phase von Brouardel und Bouchet
ergreift das Gift das Centralnervensystem . Eine
grosse Reihe von Autoren hat aus Beobachtungen
von Menschen- und Thierversuchen hier eine lange
Reihe von Thatsachen sichergestellt; unter ihnen
■ Hahneraann in seinem Werke: „Ueber Arsen-Ver¬
giftung, ihre Hülfe und gerichtliche Ausmittelung u
| (Leipzig, 1786, bei Crusius). Betreffen diese Thiere,
so hat ein französischer Homöopath Prof. Imbert-
Gourbeyre zahlreiche Beobachtungen am Menschen
(Vergiftungen) veröffentlicht.
Gelähmt werden bisweilen alle 4 Extremitäten.
Hemiplegieen; Atrophieen mit consecutiver Klauen¬
hand. Elektrische Erregbarkeit ist herabgesetzt. —
Parästliesieen, Anästhesieen, Hemianästhesieen. Da¬
bei oft Schwindel, Ohnmacht, Krämpfe.
Die homöopathischen Prüfungen ergaben unter
Anderm:
Muskelzuckungen.
Krampfhafte Bewegungen der Hände und des
ganzen Körpers. Auch mit Schreien.
Klonische Krämpfe.
Pelziges Gefühl und Zittern in den Gliedern.
Schwäche der Extremitäten.
Lähmung der Unterglieder mit Anästhesie etc.
Vergleiche den üblichen Gebrauch bei Myelitis,
Tabes, progressiver Bulbärparalyse, Chorea etc.
In der Homöopathie richtet sich der Gebrauch
von As bei diesen Leiden nach der jeweiligen
Uebereinstimraung des Krankheitsbildes mit dem
Arsen-Bilde.
So:
Mann von 36 J. Seit zwei Jahren oft Brenn¬
schmerz im Magen, Drücken im Rückgrat. Dann
Schwindel und Krämpfe mit Bewusstseins-Verlust
15 Minuten dauernd. Nachher Druckschmerz im
Hinterhaupt. Morgens süsser Geschmack. Brennen
im. Magen. Durchfall mit Brennen im After,
Strangurie.
Durch As nach vier Wochen dauernd geheilt
Digitized by t^ooQie
101
Als Ischias und Prosopalgie werden in den
Vergiftungs-Protokollen rein sensible Störungen be¬
zeichnet.
Dazu Prüfungs-Ergebnisse:
„Brennende, stechende Schmerzen wie von
glühend heissen Nadeln in der linken Gesichts-
hälfte.
Heftiger Schmers l&pgs den rechten unteren
Maxillar-N erven. tt ^ y
Die Ischias-SylUpJ^e seien übergangen.
Dagegen.
Allgemein erfolgreich bei gewissen Neuralgieen
benutzt, doch bisweilen mangels genauer Indica-
tionen versagend.
Ganz besonders reagiren die auf larvirter Malaria
beruhenden intermittirenden Formen f die typisch
auftreten.
So waren einer Frau von ca. 35 Jahren alle
Zähne ausgezogen wegen wüthender Trigeminus-
Neuralgie. Dieselbe bestand nach wie vor.
Sie erhielt Arsen mit sofortigem Erfolg.
Cantharis:
Die ausserordentlich reizende Wirkung dieses
Mittels auf die gesammten Harnorgane ist sattsam
bekannt.
Die betreffenden Symptome nach Vergiftungen
sind nach Robert folgende:
„Heftiger Schmerz in der Nierengegend, äusserst
quälender Harndrang, Brennen in der Harnröhre,
Cylinder — Eiweiss — und bluthaltiger Harn. Kopf¬
schmerz, Schwindel, Coma.“
Die Cantharidin-Nephritis betrifft stets die Glo-
meruli und die gewundenen Kanäle. In dem
Glomerulis kommt es zu einer so massenhaften
Auswanderung weisser Blutkörperchen, dass der
Gefössknäuel davon ganz comprimirt werden kann.
(Robert.)
Ebenso Husemann.
Bei den von Prof. Schroff in Wien angestellten
Versuchen erlitt sein Schüler Heinrich eine schwere
Entzündung der gesammten Harnorgane, die 14 Tage
dauerte.
Dazu aus homöopathischen Prüfungen:
„Schwindel mit Schwanken. Schwere des Kopfes.
Kopfschmerz. Convulsionen.
Schmerz in der Nierengegend. Nierenentzün¬
dung. Krampfhafter Harndrang mit schneidenden
Schmerzen. Unaufhörlicher Harndrang mit tropfen -
weisem Harnträufeln. Schmerzhaftes Uriniren mit
Abgang zähen Schleims. Abgang von flüssigem
oder geronnenem Blute. Vollständige Harnverhal¬
tung.“
Endlich sei noch auf die allbekannte blasen¬
bildende Kraft des Mittels hingewiesen.
Dazu folgende Heilungen als Beispiele:
„The British medical Journal“ vom Jahre
1898 schreibt Dr. Beven: „Die günstige Wirkung
von Cantharides bei innerlicher Anwendung auf
gewisse Affectionen der Nieren scheint mir nicht
allgemein bekannt zu sein; deshalb bedarf es keiner
Rechtfertigung, wenn ich folgenden Fall zur Kennt-
niss der Berufsgenossen bringe:
Mann von 68 Jahren. Gesund bis er vor
einem Jahr eine Masse Blut durch die Urethra
entleerte. Die Blutung kehrte immer wieder, trotz¬
dem alle Hämostatica der Pharmakopoe • Catechu,
Campeche-Holz, Gerbsäure, Eichenrinde, Alaun,
Eisen, Ergotin, Hamamelis etc. versucht wurden
und ein ausgezeichneter Chirurg in einem Londoner
Krankenhaus ihn untersuchte.“
10 Monate nach Beginn der Erkrankung über¬
nahm Dr. Beven den Patienten und fand massen¬
hafte Blutkörperchen und Epithelien im Urin. Verf.
verordnete Cantharis. Nach 24 Stunden stand die
Blutung. Nach 10 Tagen wieder etwas Blut,
dann Heilung. Diese Beobachtung ist von um so
grösserem Interesse, weil Dr. Beven nicht der
homöopathischen Schule angehört: „Die Wirkung
der Canthariden,“ sagte er, „war merkwürdig, in¬
dem sie in 24 Stunden die Blutung stillten, während
diese unter dem gewöhnlichen Hämostaticis in einem
Zeitraum von 10 Monaten nicht nur nicht gewichen,
sondern gesteigert worden ist. . . . Dieses Mittel
bewirkt auch eine sehr auffällige Verminderung
des Gehaltes von Eiweiss im Urin bei Personen,
die an grosser, weisser Niere leiden, wenn man es
in kleinen Dosen reicht.“
Der zweite Fall ist homöopathischer Seits (Verf.)
beobachtet:
Junge von 8 Jahren:
Diphtherie: Am zweiten Tage wenig Eiweiss.
Vierter Tag fast Anurie. Bis zum 13. Tag: Urin
' und Eiweissmenge wechselnd. Doch sehr selten
: 1 j 2 Liter.
Am 13. Tage: Oedem und Anasarca so ge¬
stiegen , dass der Kranke wie eine Tonne ge¬
staltet ist.
16. Tag. Die Eiweissmenge hat soweit zuge¬
nommen, dass die ganze Urinsäule erstarrt. Massen¬
haft Cylinder. Jetzt fast nur Blut entleert,
makroskopisch und mikroskopisch erkennbar, Blut¬
erbrechen, Nasenbluten. — Ueber den ganzen Körper
treten lebhaft juckende , mit tritbem Semem gefüllte
Bläschen auf. — Darauf wird Cantharis verordnet.
Nach wenigen Stunden setzen wahre Urinflutlien ein.
Am dritten Tage Eiiceiss und Oedem völlig ver¬
schwunden.
Die Nutzlosigkeit aller bis dahin verwendeten
i Mittel, homöopathischer und Wasserprozeduren, die
Digitized by
Google
102
Hoffnungslosigkeit des Falles und die sofortige
Wirkung des homöopathischen genau angezeigten
Mittels (Blasenbildung) lassen die Schärfe dieses
Experimentes ganz besonders hervortreten.
„Nicht nur über die Nützlichkeit gewisser Heil¬
mittel in gewissen Fällen, nicht nur über die Zweck¬
mässigkeit gewisser Arzneien und therapeutischer
Methoden — sogar über den Werth unserer ge¬
summten innem Therapie befinden sich die An¬
sichten im Widerstreit.“ Ephraim sagt es. (Volk-
mann’sche Vorträge. No. 70.) Er findet den Grund
in dem Fehlen einer Statistik der Therapie. — Auch
er preist das Experiment als Richter-Ideal für die
Medicin. Aber es ist nach ihm deswegen wenig
verwendbar, weil gleiche Ursachen und gleiche Ob¬
jecte für gleiche Wirkungen nothwendig sind und
wir: ,,es eben in der Medicin nicht mit gleichen
Dingen zu thun haben, sondern mit Wesen, die
nicht nur einander, sondern zu verschiedenen Zeiten
sich selbst ungleich sind; und in noch höherem
Grade gilt dies natürlich von dem Verliältniss der
Thiere, der hauptsächlichsten Objecte der medici-
nischen Experimente, zu dem Menschen. Darum
können wir eben die aus einem Thier- oder Men¬
schenexperiment erhellenden ursächlichen Verhält¬
nisse nur dann auf einen andern Organismus über¬
tragen, wenn die Gleichheit desselben mit dem
Versuchsobjecte und zwar in dem betreffenden
Punkte dargethan ist.“
Hahnemann aber bat uns die Möglichkeit er¬
öffnet, der Therapie das untrügliche Experiment
zu Grunde zu legen, welche sich aufbaut auf der
Gleichartigkeit seiner Glieder, die erforscht werden
kann, aus der jedesmaligen genauen Feststellung
der feinen Symptome, wie sie dem genauen Forscher
das Krankheitsbild und das Arzneibild darbieten.
Ist er hier saumselig, so misslingt das Experiment.
* * *
Den Berufsgenossen aber sei dringend em¬
pfohlen, durch Studium der Homöopathie sich zu
überzeugen, dass die hier mitgetheilten einzelnen
Thatsachen nur Repräsentanten grosser Reihen sind.
Gelegenheit zum Studium der Homöopathie in
Deutschland ist gegeben: Im Leipziger homöopa¬
thischen Krankenhaus; in Berlin, wo jedes Früh¬
jahr und Herbst Ferienkurse stattfinden zu gleicher
Zeit, wie die sonstigen ärztlichen Ferienkurse; die
Anzeigen erfolgen rechtzeitig im Aerztlichen Central¬
anzeiger. — In Stuttgart im Diakonissen-Hospitale.
In Wien befinden sich gleichfalls homöopathische
Krankenhäuser.
Auskunft über diese Punkte, sowie über Lite¬
ratur, homöopathisches Dispensirexamen in Preussen
durch Dr. Dammholz-Berlin, Gneisenaustr. 112.
Vorschläge für die Anstellung von Arznei-
prüfungen.
Von Dr. Schier, Mainz.
Damit die Prüfung von Lathyrus sativus, welche
zunächst nach dem officiellen Beschluss des Central-
vereins in Angriff genommen werden soll, in ein¬
heitlicher Weise veranstaltet wird, erlaube ich mir,
hier den Herren Coli« tpr einige Vorschläge zu
unterbreiten, nachdem icn 3JHrEnt1astung, nament¬
lich der Berliner Collegen, die Sammlung und Be¬
arbeitung der Resultate übernommen habe.
Vor allem ersuche ich die hoffentlich recht
zahlreichen Theilnehmer 'und Theilnehmerinnen —
die vollen Namen werden nur veröffentlicht, wenn
es nicht verbeten ist —' mit den Experimenten
möglichst sofort zu beginnen; die nächsten Monate
sind ja im Allgemeinen die relativ ruhigsten in
der Praxis und eine Arbeit, welche stets ver¬
schoben wird, dürfte schliesslich nur mit Wider¬
willen und dementsprechend geringem Erfolge ge¬
leistet werden.
Vorschläge zu machen, auf deren allgemeine
Ausführung nach früheren Erfahrungen kaum zu
rechnen ist, darf ich mir wohl ersparen. Tempe¬
raturmessungen, sphygmographischc Curven, Urin¬
untersuchungen sind recht erwünscht, doch nicht
unbedingt erforderlich, zumal nicht vorausgesetzt
wird, dass die Prüfer solch gewaltige Dosen des
ohnehin nicht sehr giftigen Mittels nehmen, dass
davon derartige objective nachweisbare Symptome
resultiren. Die Eruirung dieser bleibt vielmehr
Thierversuchen Vorbehalten, zu deren Ausführung
zweifellos einige Collegen fähig und bereit sind.
Durchaus erforderlich aber für die kritische
Classificirung der Symptome ist die Bekanntgabe
der Constitutionsverhältnisse des Prüfers; hierher
gehören: Die Constitution im Allgemeinen (ob kräftig,
schwach, mittelkräftig), das Körpergewicht, die Kor-
pergrösse, das Temperament, die Lebensgewohn¬
heiten (speciell auch bezüglich des Schlafes und
Stuhlgangs), bei Damen die Verhältnisse der Periode,
Gesichtsfarbe, Farbe der Haare und Augen, das
Allgemeinbefinden, Lebensgescbichte bezüglich über¬
standener Krankheiten, Vererbungsverhältnisse;
wünschenswerth ist auch eine Aufzählung der in
den letzten Wochen vor Beginn der Prüfung etwa
constatirten abnormen objectiven und subjectiven
Symptome.
Bezüglich der Lebensweise wird keine Aende-
rung erwartet, zumal Massigkeit und Regelmässig¬
keit als selbstverständlich vorausgesetzt werden darf;
Potatoren und Gourmands haben ja nicht so viel
wissenschaftlichen Eifer, dass sie sich an Arznei¬
prüfungen betheiligen werden.
Besonders ausgesprochene Phasen der Witte-
Digitized by ^»ooQie
rung während der Versuche sollten in den Proto¬
kollen Erwähnung finden, wie denn überhaupt die
begleitenden Umstände (Verschlimmerung und Besse¬
rung in Folge derselben) zumeist die wichtigsten
differentiellen Anzeichen ergeben.
Die Dosen des Mittels werden den einzelnen
Prüfern völlig anheimgestellt; da der Central verein
beschlossen hat, nur ein M^el gleichzeitig zu prüfen,
so wird die hoffentlich rjy ^zahlreiche Betheiligung
von Hoch- und Tiefpo^b&lern ©s ermöglichen, den
über die Potenzenfrage begehenden verschiedenen
Anschauungen genügend Rechnung zu tragen.
Ueber die vortheilhafteste Art des Einnehmens
differiren ebenfalls die Ansichten. Die einen ver¬
langen, man solle eine einzige Dosis viele Stunden,
Tage, selbst Wochen hindurch auswirken lassen,
dann eine stärkere G.abe nehmen etc. Andere
wollen von einer raschen Wiederholung derselben
Gabe (eventuell 1 / 4 —1 stündlich) die besten Erfolge
gesehen haben. Offenbar kommt es bei der dies¬
bezüglichen Wahl der Methode auch auf die Wir¬
kungsart des Mittels selbst, z. B. ob cumulirend
oder nicht, an. Im Allgemeinen dürfte die erste
Methode vorzuziehen sein, schon deshalb, weil die
zweite geradezu eine Angewöhnung an das Mittel
bedeutet, welches dann gar keine Symptome mehr
machen kann. Doch möge auch hier jeder Prüfer
seiner individuellen Ansicht gemäss handeln; auf
je verschiedenartigeren Wegen dasselbe Resultat
erreicht wird, desto unantastbarer ist es.
Diejenige Prüfung, welche die meisten Sym¬
ptome ergiebt, braucht noch lange nicht die beste
zu sein. Vielmehr bitte ich die Herren Collegen
dringend, möglichste Selbstkritik zu üben und mir
die Nothwendigkeit, dem Einen oder Anderen auf
die Hühneraugen zu treten, wie dies die Oester-
reicher reichlich thaten, zu ersparen. Abgesehen
davon, dass mir dies subjectiv überhaupt höchst
unangenehm wäre, muss ich in dieser Hinsicht ja
schon aus dem Grunde sehr vorsichtig sein, weil
Mancher eine herbe Kritik seiner Leistung zum
Vorwände nehmen dürfte, sich in ein stillbeschau-
ljches Dasein zurückzuziehen.
Ist ein Symptom unsicher, so wartet man am
besten sein Wiederauftreten ab, um es dann mit
Angabe auch der ersten Beobachtung zu notiren.
Im Uebrigen empfehle ich dringend, die Beobach¬
tungen sofort, sei es auch nur auf ein fliegendes
Blatt, zu notiren und nicht abzuwarten, bis Ge¬
legenheit ist, es ins eigentliche Protokoll einzu¬
tragen. Tag und Stunde des Einnehmens sowohl,
als des Auftretens der Symptome bitte genau an¬
zugeben, Alles in der dritten Person. Krankheits-
namen, z. B. Neuralgie, Katarrh, rheumatische
Schmerzen etc., sind durchaus zu vermeiden, da
sie ein Urtheil enthalten, welches nur aus einer
Combination gleicher Beobachtungen von möglichst
vielen verschiedenen Prüfern resultiren soll.
Die positiven Symptome sind die werthvollsten,
also solche, welche der Prüfer noch nie bei sich
beobachtet hatte; das Verschwinden von Symptomen,
welche bereits vor den Experimenten bestanden
hatten, kann nur mit speciellem Hinweis auf diese
Thatsache notirt werden. Steigert sich ein bereits
vor der Prüfung beobachtetes Symptom während
derselben, so ist es mit Vorsicht aufzunehmen und
am besten erst bei deutlicher Wiederholung zu ver¬
merken. Gegenüber solchen Symptomen endlich,
welche schon vor der Prüfung bestanden haben,
zeitweilig verschwinden und während der Prüfung
wiedererscheinen, ist äusserster Scepticismus am
Platze. Zehn positive Symptome der ersten Art,
welche bei 50 verschiedenen Prüfern einigermassen
gleichmässig auftreten, sind weit werthvoller als
1000 Symptome, die von ein oder zwei Prüfern
resultiren.
Die Empfänglichkeit der einzelnen Individuen
gegenüber den Prüfungsmitteln ist sehr verschieden;
man darf nicht gleich die Flinte ins Korn werfen,
wenn die ersten Versuche resultatlos verlaufen.
Die Depression, welche mich befiel, als die erste
meiner früheren Prüfungen, nämlich die im Herbst
1898 angestellte Prüfung mit Vinca minor Anfangs
recht spärliche Resultate ergab, war insofern selbst
verschuldet, als ich mit zu grossen Erwartungen
an die Sache heranging. Später ging es dann
besser und z. B. die im Sommer 1894 von uns
angestellte Prüfung des Ranunculus sceleratus er¬
gab recht hübsche Resultate. (Vergl. No. 21/22 u.ff.
des 129. Bandes dieser Zeitung.)
Von Rechts wegen sollten die Prüfer den Namen
des Mittels nicht kennen, um jede Autosuggestion
in dieser Hinsicht zu vermeiden; da indessen La-
thyrus sativus in seiner Wirkung noch so sehr
wenig studirt ist, so verschlägt die Bekanntgabe
des Mittels dies Mal gar nichts.
Schliesslich bitte ich nochmals dringend, die
Versuche sofort zu beginnen und alsbald nach Be¬
endigung derselben die Protokolle an meine Adresse
einzusenden: Dr. Schi er-Mainz, Schottstr. 1.
Mater perlarum.
Bei der Wichtigkeit, die dieses Mittel, wie
schon aus den von den Collegen in Berlin ver¬
anstalteten Prüfungen hervorgeht, beanspruchen
darf, geben wir hiermit eine Zusammenstellung der
bisher beobachteten pathogenetischen Erscheinungen,
wie sie uns College Gisevius jun. übermittelt hat.
Zunächst geben wir noch einige pharmakolo¬
gische Notizen über dieses Mittel.
Digitized by ^»ooQie
104
Die Knochenentzündung der Perlmutterdrechs¬
ler, von Englisch zuerst im Jahre 1869 beobachtet,
verläuft der Phospbornekrose im Ganzen analog,
nur dass sie nicht wie letztere den Kiefer, sondern
irgend einen Knochen befällt. Die Erkrankung
betrifft vorzugsweise jugendliche Individuen, wie
ja auch das an den Prüfungen betheiligte Kind
ausserordentlich stark reagirte.
Unter reissenden Schmerzen, welche denen bei
Osteomyelitis ähnlich sind, schwillt nach mehrjähri¬
ger Beschäftigung mit dem Perlmutter-Drechseln
ein Knochen an; schliesslich kommt er zur Nekrose.
Der Perlmutter-Staub besteht aus 95 °/ 0 kohlen¬
saurem Kalk und 5°/ 0 Conchylin.
Von unseren Prüfern sind angegeben:
Knochenschmerzen mit objectiver Schwellung
2 Mal.
Knochen schm erzen ohne objective Schwellung
3 Mal.
Mangel dieser Symptome 2 Mal, dann aber
auffallende Müdigkeit in den Gliedern.
1. Psyche.
2. Nervensystem.
3. Schlaf und Träume.
4. Fieber.
5. Haut.
Auf beiden Unterschenkeln, besonders links,
Hämorrhagieen.
6. Knochen und Gelenke:
Schmerz oberhalb des rechten Knies.
Linkes Knie druckempfindlich.
Schmerz auf der Vorderseite des linken Knöchel¬
gelenkes.
Leichter Druckschmerz am innern Epicondylus
des linken Kniegelenkes.
Intensiver Schmerz in der linken Ulna.
Intensiv lähmender Schmerz im linken Hüft¬
gelenk sehr druckempfindlich.
Schmerz in der Tuberositas tibiae dextrae.
Gefühl von Verrenkung in der rechten Scapula.
Schmerz im rechten Knie, rechten Unterarm, rech¬
ten Femur. Stiche durch den linken Femur.
Schmerz Grundphalang 5. Finger rechte Hand,
Mitte des linken Radius.
Schmerz in der Articul. sacro-iliaca, im rechten
Rippenbogen in der Mammillarlinie, rechten Tibia-
tarsal-Gelenk, linken Index. Obere Ende des
rechten Humerus. Verrenkungsgefühl der rechten
Scapula. Bohrender Schmerz im linken Hallux.
Schwellung des linken Knöchels.
Schmerzen in den Hüftgelenken.
Leichtes Ziehen im rechten Arm.
Reissen bald im Arm, bald in den Füssen.
Leichter Schmerz im rechten Handgelenk,
ziehende Schmerzen in der linken Schultergegend.
Schwellung der Mittelhandknochen.
Reissen in allen Gelenken.
7. Kopf: Kopfschmerzen.
8 . Augen — Gesicht. Ausgesprochene Con¬
junctivitis.
9. Ohr und Gehör:
Stechender Schmerz im rechten Ohr bei weitem
Oeffnen des Mundes.
Vollheitsgefühl und j^-'^cken ijn rechten Ohr
und Schmerz im rechte&vW^.
Gleich nach vollendeft^iü^rüfung ©ine ausge¬
prägte Otitis media mit /Empfindlichkeit des Proc.
mastoid.
10. Nase und Geruch.
11 . Gesicht.
12. Mund und Mundhöhle: Zahnschmerzen.
Zahnschmerz. Zahn wird cariös.
13. Pharynx und Hals: *
Schnürende Trockenheit im Hals.
Pharynx stark geröthet.
14. Magen:
Nach dem Essen Sodbrennen.
Brennendes, aufsteigendes Gefühl vom Magen,
15. Abdomen: Leibschmerzen.
Schmerz im Unterleib, drückend, brennend, Ge¬
fühl wie geschwollen.
16. Rectum und Anus.
17. Stuhl: Blähungen.
Stuhlverstopfung.
18. Harnorgane.
19. Geschlechtsorgane: weibliche:
Weissfluss.
Ausfluss: gelblich, Wäsche fleckend.
Menses: weniger Schmerzen.
Menses: schwächer.
20. Athmungsorgane:
Trockener Husten.
21. Brust.
22. Circulationsorgane. Pulszahl vennehrt bis
auf 120.
23. Nacken und Rücken:
Heftige Schmerzen in der linken Lurabalgegend.
Schmerz im rechten Schulterblatt.
Halswirbelsäule bei Bewegung sehr empfindlich.
Schmerzen im Kreuz.
Rückenschmerz.
24. Extremitäten: A. Obere.
B. Untere: linke Fussgelenk knarrt sehr laut
beim Drehen.
Rechtes Knie müde, wird nachgeschleppt.
25. Modalitäten:
Schmerzen in der linken Lumbalgegend, besser
durch viel arbeiten.
Schmerz auf der Vorderseite des linken Knöchel¬
gelenkes, besser in der Ruhe.
J Schmerz im rechten Schulterblatt: schlechter
I durch Athmen; besser durch Bewegung und Druck.
Digitized by ^»ooQle
105
Zahnschmerz besser durch Niederlegen.
Kopfschmerz schlechter durch Niederlegen.
Schmerzen schlimmer in Bettwärme.
Schmerzen und Schwellung im Knochen be¬
ginnen 4 Uhr Nachmittags.
Zwei in der jüngsten Zeit auf diese Prüfungs¬
resultate hin mit Mater perlarum behandelte Fälle
sind hier vielleicht zur Bestätigung von Interesse.
Bei einem jungen Manne von 16 Jahren hatte sich
seit 2 Jahren im Anschluss an einen Stoss eine
spindelförmige Verdickung der linken Tibia ent¬
wickelt, die ca. 10 cm lang und 5 cm hoch war.
Die Diagnose lautete auf Osteomyelitis chronica.
Er war Monate lang homöopathisch behandelt
worden. Vergeblich.
Mater perlarum wirkte vorzüglich.
Er hatte vorher bisweilen Wochen lang vor
Schmerzen nicht gehen können.
Der andere Fall betraf ein junges Mädchen
von 18 Jahren mit Tumor albus genu, die trotz
Jodoform-Injection und einem Stützapparat vor
Schmerzen nicht auftreten konnte. Das Knie war
total geschwollen, druckempfindlich, ankylotisch.
Nach 4 Monaten lief sie ohne Apparat.
Im Anschluss an dies noch weiter zu be¬
arbeitende Mittel haben die Berliner Collegen Ver¬
suche mit Meerschweinchen angestellt, die theils
mit Silicea, Calcarea phospliorica und Mater per¬
larum gefüttert wurden; dieselben sollen später
mit Tuberkelbazillen inficirt werden, um zu sehen,
ob durch diese Mittel ein locus minoris resistentiae
geschaffen wird, wo die Mikroorganismen sich an¬
siedeln können. — Wir sind Hevrn Kittel für
Beschaffung und Unterbringung der Thiere zu gröss¬
tem Danke verpflichtet.
Die Beobachtung, dass durch Phosphor-Einwir¬
kung erkrankte Knochen auffallend oft tuberkulös
werden, lässt aus diesen Thierversuchen ein thera¬
peutisch verwendbares Resultat erwarten.
Aus Chicago.
In Memoriam!
Die homöopathische Universität in Chicago, ja
die homöopathische Wissenschaft überhaupt, hat in
der letzten Zeit drei, wenn wir das Jahr vorher
mit hinzurechnen, vier bedeutende Männer ver¬
loren: DDr. Professoren Mitchell, Haie, Hoyne und
Burt. Die drei ersten sind Verfasser von Werken,
namentlich über Materia medica, die einen bleiben¬
den Werth haben.
Prof. Mitchell war ein ausgezeichneter, ernster
und begeisterter Lehrer, der auch wirklich, wie es
einem Professor der homöopathischen Therapie ge¬
ziemt, von der Wirksamkeit der Heilmittel über¬
zeugt war, und auch Kranke mit Krebs und Appen-
dicitis, wo so viele homöopathische Aerzte jetzt
gleich zum Messer greifen, für innerliche Behand¬
lung zugänglich hielt. Er litt an einem hyper¬
trophischen Herzen und dies führte ihn zu tieferem
Studium der Brustkrankheiten. Er starb plötzlich
in Folge von Aneurysma der Aorta.
Prof. Haie war der thätige und glückliche
Pionier auf dem Gebiete der amerikanischen Materia
medica. Seine „New Remedies“, welche 1864 her¬
auskamen, bilden eine Sammlung von Prüfungen in
Amerika einheimischer Mittel; gleichwohl war er
nicht etwa der Meinung, als ob diese einheimischen
Mittel die ausländischen verdrängen sollten. Seit
Jahren erhob er als der einzige Mann seine Stimme
für Mittelprüfungen und führte solche auch, von
seinem getreuen Kämpen Burt unterstützt, selbst
aus. Er hatte auch ein scharfes Augenmerk auf
das Gebiet der Eklektiker, und es gelang ihm mehr
als irgend einem Anderen, diesen Flügel der Aerzte-
welt zur Annahme unserer Lehren zu bewegen. —
Bei all dieser Arbeit auf dem Gebiete der Eklek¬
tiker wies er doch, als man ihn kurz vor seinem
Tode fragte, welche Mittel man den jungen Stu¬
denten zuerst lehren solle, auf Ilahnemann’s Materia
medica pura hin. Haie hat eine eigene Regel be¬
treffs der Anwendung homöopathischer Potenzirungen
aufgestellt; er gab starke Dosen für die primären
ähnlichen Symptome und kleine Dosen für die
secundären. Sein Hauptmerk war natürlich auf die
primäre Wirkung der Mittel gerichtet (d. i. die
physiologische. Ref.), und so entstand seine Regel
von den starken Dosen und der Aufstellung von
einer doppelten Wirksamkeit der Mittel, je nach
der Dosis. Auch Hahnemann versuchte sich von
den primären Symptomen leiten zu lassen — und
doch lässt sich nicht leugnen, dass die von einem
Mittel in dem Organismus erzeugten reactiven oder
secundären Symptome die wirklich kurativen sein
müssen. — Bei Digitalis stimmt die Hale’sche Regel;
bei anderen Mitteln kommt man damit nicht zum
Ziel. — Seine umfassenden Arbeiten sind sehr
werthvoll, und haben manche schon mehrere Auf¬
lagen bereits erlebt.
Prof. Burt, wohlvertraut mit den Wäldern von
Canada und den einheimischen Arzneipflanzen, suchte
die Wirkung derselben durch Prüfungen an sich
selbst, wobei er kühner und opferfreudiger als
irgend ein Prüfer vorging, festzustellen. Seine erste
selbständige Schrift (er arbeitete sonst in Gemein¬
schaft mit Dr. Haie) war die „Pathogenese der
Stigmata Madis“ und „Polyporus“. Sein populärstes
Werk war ein Symptomen-Index mit physiologischen
Umrissen, Charakteristiken von Mitteln, das mehr¬
fach aufgelegt worden ist. Erweitert wurde es zu
einer „Physiologischen Materia medica“ in der Art
14
Digitized by k^ooQie
wie Heinigke’s Werk. Er wurde dann zum Pro¬
fessor der Materia medica berufen und gab dann
die ,,Remembrance“ heraus, eine Sammlung von
Mittelcharakteristiken und eine Condensirung seiner
grössten Werke.
Prof. Hoyne stammte aus Chicago, wo er in
der. städtischen Schule und Universität seine Aus¬
bildung erhielt. Er promovirte am Bellevue Ho¬
spital Medical College und war ein Schüler des
bekannten Chirurgen Prof. Frank-Hamilton. Er be¬
absichtigte auch sich der Chirurgie zu widmen, aber
unter der Einwirkung seines Onkels, Professor Dr.
S. Smith, der die Homöopathie in Chicago ver¬
breitete, und seines Grossvaters Dr. Temple, eines
ausgezeichneten homöopathischen Praktikers in St.
Louis, wandte er sich der Homöopathie zu. Durch
Prof. C. C. Smith, der von Philadelphia nach Chicago
übergesiedelt war, bekam Hoyne eine ausgesprochene
Richtung zur Anwendung von Hochpotenzen. So
wurde der hoffnungsvolle Chirurg ein enthusiasti¬
scher Anhänger der Hochpotenzen-Therapie — ein
Kernschuss mit der 200. (denn höher stieg man
damals nicht) zog den Thatenlustigen in hohem
Grade an. Zu der Professur für Materia medica
im Hahnemann Medical College (Chicago) berufen,
liess er die leitenden Symptome der Mittel, nach
der Art Hering’s, auf Karten anbringen, und
sammelte, um seine Vorlesungen über Materia
medica zu illustriren, Einzelffclle, die er dann als
„Clinical Therapeutics“ in zwei Bänden herausgab.
Letzthin sammelte er Material zu einem dritten
Bande, in dem er, nach dem Vorbilde von Rückert’s
und Raue’s Werk, die Heilungssymptome in den
Einzelfkllen, welche den Mitteln zuzuschreiben sind,
hervorheben wollte. Besonders interessirten ihn die
klinischen Hautleiden und Syphilis. Eine Frucht
dieser Studien war sein schätzbares Werk „Urinary
and Venereal Diseases“. Er selbst litt an der
Blase. Das Mittel, was ihm am meisten Erleichte¬
rung brachte, war Pulsat. Wie ein schwarzer
Schatten zog es über sein Antlitz, als er zwei Tage
vor der Steinoperation sagte, für einen Blasen stein
aus oxalsaurem Kalk scheint es kein Heilmittel zu
geben. (Prof. H. C. Allen meint freilich, der nor¬
male Urin sei das Heilmittel. Wird aber normaler
Urin einen Stein in der Blase auflösen?) Wie
jetzt das Schicksal der (homöopathischen) Collegen
in Chicago sich gestalten wird, das ist eine die ganze
Aerzteschaft interessirende Frage. M.
Indicationen für Lachesis.
Es ist wohl hauptsächlich der typhoide Charakter
einer Erkrankung, der für Lachesis spricht. Unter
Einwirkung des Lachesis-Giftes wird das Blut ent¬
mischt, zersetzt; der Faserstoff desselben wird zer¬
stört; es bilden sich Ecchyraosen, Haemorrhagieen,
asthenische Entzündungen, Abscesse, bösartige Ent¬
zündungen, Gangraena, Pyaemie und mit all dem
entwickelt sich ein typhoider Zustand.
Die Symptome, welche in diesen Umständen
auf Lachesis hinweisen, sind:
Der Patient ist nervös, ängstlich, redselig,
springt von einem Gegenstand zum andern. Zu¬
weilen Furcht, vergiftet zu werden, sodass er die
verabreichte Arznei zurückweist. Bisweilen nehmen
seine Vorstellungen einen sonderbaren Zug an; er
bildet sich ein, todt zu sein, und als würden Vor¬
bereitungen zu seinem Begräbniss gemacht. Eh* ist
geneigt zu murmelndem Delirium. Ein ander Mal
sinkt der Kranke in einen immer tieferen Zustand
von Torpor, mit Kälte der Glieder, Zittern der
Hände und des Rumpfes. — Soll er die Zunge
hervorstrecken, so kommt diese zögernd heraus,
oder verfangt sich in den Zähnen; zittert beim
Ausstrecken; sie ist gewöhnlich mit einem schwarz¬
braunen Belag bedeckt, zeigt kleine Bläschen an
der Spitze. Die Lippen platzen auf und geben
dunkles Blut von sich. Auf dies geschwätzige
Reden folgt gemeinhin Depression und Schwäche.
Bei manchen Typhösen herrscht das Gefühl vor,
als ob sie unter einer sie überwältigenden Gewalt
stünden. Der Kranke ist immer schlimmer nach
dem Schlaf. Es ist in der Regel Diarrhöe zu¬
gegen, die sich durch einen schrecklichen Gestank
der Entleerungen auszeichnet. Selbst wenn diese
geformt und sonst ganz natürlich erscheinen, geben
sie diesen penetranten Geruch von sich.
Lachesis kann auch in einem späteren Stadium
des Typhus angezeigt sein, wenn der Kranke in
Stupor daliegt mit herabfallendem Unterkiefer und
anderen Zeichen drohender Gehirnlähmung.
Lachesis ist bisweilen angezeigt bei Gesichts¬
rose , namentlich wenn diese die linke Seite ein¬
nimmt. Anfangs mag das Gesicht glänzendroth
sein, doch bald nimmt es eine dunkelbläuliche
Färbung an. Die Infiltration ins Zellgewebe ist
beträchtlich, sodass das Auge der afficirten Seite
geschwollen erscheint. Zu der bläulichen Gesichts¬
farbe kommt noch bedeutende Schwäche als
Charakteristicum hinzu. Selbst schon im Anfang,
wenn die Haut noch roth ist, ist der Puls schwach,
beschleunigt; die Füsse werden gern kühl, der
Kopf ist angegriffen, sodass der Pat. bald schlaf¬
trunken wird, unter murmelndem Delirium, oder
dem oben angegebenen entgegengesetzten Zustande
von typhöser Erregung mit Geschwätzigkeit.
Auf die weiblichen Genitalien wirkt Lach, ent¬
schieden; besonders hat es zu den Ovarien, zumal
zum linken, specifische Beziehung. Ovaritis, Ovar-
algie, Geschwulst können durch dasselbe gehoben
Digitized by ^»ooQle
107
werden, wenn die Theile gegen den Druck der
Kleider empfindlich sind. . Die Regel ist spärlich,
schwach, das Blut klumpig, dunkel und sehr
stinkend; dabei Schmerz in den Hüften, hat nach
dem linken Ovarium ein Gefühl von Herabziehen —
Alles besser, wenn der Blutfluss eingetreten ist.
Die Gebärmutter verträgt nicht den leisesten Druck.
Lach, kann bei Metritis puerperalis in Frage kom¬
men, zumal, wenn der Lochialfiuss stinkend ist.
Das Gesicht ist purpurroth, die Kranke bewusstlos.
Ulcera cruris mit bläulichem Rande; die Theile
sind livid, empfindlich; die Geschwüre brennen bei
Berührung. Sie breiten sich gern oberflächlich aus,
haben nur wenig Absonderung. Dunkelbläuliche
oder schwärzliche Blasen umgeben die Ulcera und
die Haut ist ringsum abgestorben. Bisweilen hört
die Absonderung auf; die Kranke ist betäubt, kalt,
das Bein wird ödematös und eine bläulich-rothe
Schwellung längs dem Verlaufe der Venen zeigt
auf Phlebitis hin.
Lach, beeinflusst deutlich den Kreislauf; es be¬
wirkt Hitzeanwandlung, wie in der Klimax, Blut¬
andrang nach dem Kopf bei Kälte der Füsse, Herz¬
klopfen, mit dem Gefühl einer Einschnürung um
das Herz, als ob dieses mit Bändern eng festge¬
bunden sei.
Das Mittel ist auch bei Wassersucht an gezeigt,
wenn der Urin dunkel, fast schwarz ist, Eiweiss
enthält und die Haut über den ödematösen Theilen
dunkel, bläulich-schwarz ist. — Ferner kann es bei
Scarlatina in Anwendung kommen, und zwar in
bösartigen Formen. Das Kind ist schlummersüchtig,
fällt leicht in einen tiefen Schlaf. Der Ausschlag
kommt nur sehr unvollständig oder sehr langsam
hervor, und hat eine dunkle Purpurfärbung; öfters
ist er untermischt mit einer Maserneruption. Es
kommt leicht eine Complication mit einer membra-
nösen Ausschwitzung im Halse, die einen diphtherie¬
artigen Charakter trägt, hinzu. Die Halsdrüsen
sind geschwollen. Das Zellgewebe des Halses ist
entzündet und droht zu abscediren. Schaut man in
den Hals, so findet man ihn dunkelroth und eine
schmutzigweisse Auflagerung auf den Mandeln, be¬
sonders auf der linken. Die Zunge ist am Grunde
schmutziggelb belegt, und die rothen Papillen ragen
durch den Belag hervor. Der Puls ist schwach
und die Haut fühlt sich kühl an. Dabei ist Neigung
zum Erguss dunklen Blutes aus Mund und Nase.
Bei der Diphtherie ist Lach, am Platze , wenn
die Membran zuerst auf der linken Mandel sich
bildet und von da nach der rechten fortschreitet.
Die Halssymptome sind schlechter vom Leerschlucken ,
während Essen , Schlucken fester Nahrung bessert.
Beständig ein Gefühl von einem Pflock in der
linken Halsseite, der bei jedem Schluckact hinab¬
steigt, aber dann zurückkommt. Bisweilen beim
Erwachen aus dem Schlafe ein Gefühl als ob Nadeln
im Halse wären, das Erstickungsnoth macht. Sind
die Mandeln stark geschwollen, so kommen die
Flüssigkeiten durch die Nase heraus. Die Fauces
sind von dunkler Purpurfarbe. — Grosse Abge-
schlagenheit. — Die Herzthätigkeit ist geschwächt.
Verschlimmerung nach dem Schlaf. Der Hals ist
gegen die leiseste Berührung empfindlich; leidet
nichts Festes um sich.
(The Hahnemannian Advocate. 15. Sept. 1898.)
M.
Gähnen als Begleiterscheinung des Hustens.
Anacardium orientale:
Nach den Anfallen von Keuchhusten lange an¬
haltendes Gähnen und Schlaftrunkenheit. (Bönning¬
hausen.)
Opium:
Angreifender, schwerlöslicher Husten, dessen An¬
fällen stets Gähnen folgte, bei einer Dame zur
Zeit einer beginnenden Grippen-Epidemie. Husten
nach Gähnen oder Gähnen steigert den Husten:
Arn., Cina, Mur. acid., Nux vom., Staphisagria.
Ansteckungsgefahr der Tuberculose.
Die Frage über directe Ansteckungsgefahr der
Tuberculose scheint wieder in ein neues Stadium
getreten zu sein. Bisher hielt man das getrock¬
nete und zerstäubte Sputum eines Tuberculösen
als Vermittler der Ansteckung, während die kranke
Person für ungefährlich galt. Jetzt hat nun Prof.
Flügge-Breslau nebst seinen Schülern experimental
zu erweisen gesucht, dass der Phthisiker selbst
eine nicht unbedeutende Gefahr für seine Um¬
gebung darstellt. — Beim Sprechen , Räuspern ,
Husten und Niesen soll er nämlich die Bacillen
in weite Entfernungen um sich verbreiten. Dr. Hübe-
ner spülte sich den Mund mit einer wässerigen
Aufschwemmung von Prodigiosascultur. (Es ist
dieses ein gutartiger mit rother Farbe wachsender
Bacillus.) Danach sprach er 10 Minuten mit lauter
Stimme, während sterile Culturplatten in seiner
Nähe aufgestellt waren, und siehe da! eine ausser¬
ordentlich grosse Zahl von Colonien der Prodigiosas
entwickelte sich auf den Platten. — Sodann hat
man bei stark hustenden Phthisikern, namentlich
in den Morgenstunden, sehr reichliche Tuberkel¬
bacillen, theils vereinzelt theils in ganzen Haufen,
auf Objectträgern 0,5—1 m von ihnen entfernt,
aufgefangen.
Fränkel-Berlin hält es für ausgemacht) dass
schon beim blossen Sprechen Tuberkelbacillen aus
dem Munde von Schwindsüchtigen in die Luft ge-
U*
Digitized by t^»ooQle
108
langen. Dass diese Bacillen in der Mundflüssigkeit
enthalten sind, ist von Flügge direct nachgewiesen;
dass beim Sprechen Flüssigkeitstheile, bei dem
einen Menschen mehr, beim andern weniger, in die
Luft spritzen, ist bekannt und kann durch Sprechen
gegen einen geneigt vor den Mund gehaltenen
Spiegel auch noch besonders bewiesen werden.
Das sind allerdings bedenklich erscheinende
Thatsachen, die sicherlich, wenn sie ins Publikum
durch die Tagespresse gelangen, eine grosse Panik
hervorrufen werden, die insbesondere aber auch
den Arzt, der viel mit Schwindsüchtigen zu thun
hat, nicht unberührt lassen.
Da ist denn bereits B. Frankel (Berliner kl.
Wochenschrift. 1899. Nr. 2) mit Vorschlägen zu
Schutzvorrichtungen hervorgetreten.
Eine vollständige Isolirung der Phthisiker ist
unmöglich; eine gut% Lüftung der Räume, wo
Schwindsüchtige sich aufhalten, kann den Gesunden
einigermassen vor der Anspritzinfection bewahren.
Zur sichern Prophylaxe hat nun B. Fränkel eine
Schutzmaske , die hier der Kranke zu tragen hat,
construirt, mittels welcher sein Mund bei freige-
lassener Nase durch dichte Mulllagen verschlossen
wird. Wenn man diese Maske mit Fichtennadelöl
oder dergl. tränkte, so trügen sie die Patienten,
indem sie davon eine heilsame Wirkung erwarteten,
nicht ungern.
Die Mullschichten zeigten sich in vielen Fällen
nach eintägigem Gebrauch der Maske schon ma¬
kroskopisch verunreinigt; in 50 °/ 0 enthielt die
Verunreinigung Tuberkelbacillen. Bei der Mehr¬
zahl blieb aber die Maske trotz des Sprechens
rein, und es Hessen sich keine Bacillen auf der¬
selben Anden.
Fränkel will nun, dass die Kranken mindestens
da, wo sie dauernd mit Gesunden einen Raum
theilen, angehalten werden sollten, diese Maske zu
tragen.
Für Krankenhäuser, wo die Phthisiker neben
leicht inßcirbaren, geschwächten Personen liegen,
mag dies gerathen und vielleicht auch durchführ¬
bar sein. Ob aber Phthisiker im gewöhnlichen
Leben bereit sein werden, eine solche Maske zum
Schutze für ihre Mitmenschen zu tragen, das ist
eine andere Frage. Es wird schon schwer halten,
jene an eine angemessene „Hustendisciplin“ zu
gewöhnen, d. b., dass sie in Gegenwart Anderer
den Husten womöglich unterdrücken und stets nur
in das vorgehaltene Taschentuch husten. Dass ein
Kranker den Husten selbst auf eine längere Zeit
unterdrücken kann, das kann man in Kirchen und
Theatern beobachten. Während vor und dann
wieder nach der Predigt oft ein sehr unerquick¬
liches Räuspern, Hüsteln und Husten zu hören ist,
herrscht, so lange der Prediger auf der Kanzel ist,
eine um so mehr wohlthuende Stille. —
Eine gründliche Reinhaltung des Mundes, na¬
mentlich öfteres Ausspülen desselben nach dem Ex-
pectoriura wird man dem Phthisiker zur dringenden
Pflicht machen müssen. —
Der Gesunde aber wird die Vorsicht zu be¬
obachten haben, beim Verkehr, zumal beim Sprechen,
mit den Kranken, ihrem Munde nicht zu nahe zu
kommen. Je widerstandsfester er sich hält, desto
weniger hat er von den Bacillen zu fürchten.
Ueberdies ist ja auch ein grosser Theil der in
der Sputis enthaltenen Tuberkelbacillen abgestorben.
M.
Digitalis in Pneumonia senilis.
DigitaUs ist nach Dr. E. V. Ross ein sehr wirk¬
sames Mittel bei Pneumonia alter Leute, wenn sich
folgendes Krankheitsbild darbietet:
Trockner Husten mit Schleimrasseln über beiden
Lungen, ohne Auswurf; kommt es zum Auswurf,
so hat dieser das Aussehen von „Pflaumenbrühe“.
Gesicht blass, todtenähnlich, oder von cyano-
tischer Färbung.
Extremitäten kalt und cyanotisch.
Puls schwach, häuüg, unregelmässig, selbst
intermittirend.
Grosse Hinfälligkeit.
Brechübligkeit zum Sterben, oder Gefühl von
Hinsein, als sollte das Leben erlöschen, in der
Herzgrube.
Diese Symptome zeigen einen verzweifelten Zu¬
stand an, deuten klar auf drohende Lungenlähmung.
Das pflaumenbrühähnliche Sputum, das für Di¬
gitalis charakteristisch ist, gilt als ein sehr un¬
günstiges Zeichen, indem es eine hochgradige Blut¬
entmischung anzeigt. —
Bei Patienten über 60 Jahr alt ist die Sterb¬
lichkeit nach Grisolle ca. 59°/ 0 .
Antimon, tartar. ist in derartigen Fällen das
nächste Analogon zu Digitalis. — (The homoeopath.
Physician. Mai 1897.) M.
Jodium.
Dr. G. J. Burch hat in The Clinique eine Studie
über die Wirkung des Jods in Frauenkrankheiten
veröffentlicht, die manche charakteristische Indication
darbietet.
Als Typus für die Jodkranke stellt er hin: Die
betreffende Patientin ist gross, abgemagert, schwach,
jung, mit dunklen Augen, Haaren und Teint. Von
psychischer Seite ist sie vergesslich und furchtsam;
hat oft eine schreckliche Furcht; dies grenzt an
Digitized by ^»ooQle
109
Irrsinn. Sie kann sich nicht ruhig verhalten; muss
irgend etwas betreiben; wenn sie sich ruhig ver¬
hält, meint sie sterben zu müssen. Sie ist unge¬
stüm. Bisweilen phantasirt sie davon, sich oder
eine ihr theure Person zu todten; stürzt sich plötz¬
lich mit solcher Gewalt auf diese, dass man sie
kaum von ihr losreissen kann. Sie versenkt sich
nicht so in den Gegenstand ihres Missbehagens,
wie man es bei Igk ' # findet, noch verfolgt sie
denselben wie die Nuxvomica- oder Sepiakranke
bis zum Selbstmord. Sie weiss, dass ihr Trieb
nicht natürlich ist und sie sucht ihm zu wider¬
stehen. Die Haut hat eine Erdfarbe und ist zu¬
sammengeschrumpft und welk, und giebt der Kranken
ein älteres Aussehen. Hierin ähnelt das Mittel dem
Sulphur; das letztere jedoch ruft Plethora abdo¬
minalis, Hitzeüberlaufen, Schmerz auf dem Scheitel
des Kopfes, Verschlimmerung in den Stunden vor
der Mahlzeit etc. hervor. Unter Jodwirkung ist
der Unterleib eher eingezogen als hervorgewölbt.
Die Drüsen entwickeln sich auf Kosten des
übrigen Körpers, ausgenommen der Brustdrüsen,
welche zusammengeschrumpft sind. Die angeschwolle¬
nen Drüsen zeichnen sich aus durch Härte und Un¬
empfindlichkeit. Wer das Mittel in starken Dosen
giebt, darf dessen Einwirkung auf die Schilddrüse
nicht vergessen. Uebrigens nehmen auch die Man¬
deln, die Leber und die Milz an dieser allgemeinen
Drüsenanschwellung Theil. Geschwulst der Mandeln
und der Gebärmutter kommen häufig verbunden
vor. —
Ein wichtiges Symptom von Jod ist der be¬
ständige Hunger. Gewisse Mittel haben Hunger zu
bestimmten Tageszeiten oder nach bestimmten
Speisen, dagegen hat der für Jod reizempfindliche
Kranke ihn immer, ohne eine besondere Neigung
zu einem besonderen Nahrungsmittel. Mit dem
Hunger steigt auch die Schwäche des Geistes so¬
wohl wie die des Körpers. Beim Essen kommt
eine schnelle, aber vorübergehende Besserung. Es
tritt auch viel Aufstossen, Flatulenz, Schmerz im
Magen, und ein wässeriger, käseartiger Stuhl wie
von unverdauten Stoffen unter Morgen-Verschlimme¬
rung ein.
Die Geistesschwäche von Jod ist der von Arsen
sehr ähnlich, aber die Jodkranke verträgt keine
Hitze; sie hält sich gern an einem kühlen Orte auf.
Was die Einwirkung von Jod auf die weib¬
lichen Geschlechtsorgane betrifft, so erzeugt es An¬
schwellung und Verhärtung des Uterus und ver¬
mindert dessen Sensibilität. Es bringt gern Metror-
rhagieen, namentlich nach dem Stuhlgang, hervor.
Beim Uterus-Carcinom mit starker Blutung ist Jod
oftmals ein Palliativ. Es ruft auch einen heftigen
Schmerz auf einem Punkt zwischen Gebärmutter
und rechtsseitigem Eierstock hervor. Es hat eine
gelbliche, scharfe und blutig gefärbte Leukorrhoe,
besonders zur Zeit der Periode. Das Gewebe des
Eierstocks ist ungewöhnlich fest und kann der Sitz
von Geschwulst-Cysten sein. Diese sind aber un¬
schmerzhaft. — Die Kranke hat die Empfindung,
als ob der Uterus ihr wie ein fremder Körper im
Becken läge. Wenn auch Oedem bei diesem Mittel
vorkommt, so braucht dieses doch nicht — wie bei
Apis und Arsen — die Ursache von Beckenaus¬
schwitzungen abzugeben. — Bei Herzschwäche und
Erschöpfung vom Treppensteigen, Verschlimmerung
während des Essens, passt Arsenicum jodatum; Jod¬
kalium dagegen, wenn Oedem der Hände und der
Lider auf eine Nierenaffection hinweist. Ebenso,
wenn starke Dosen Mercur. gebraucht worden sind.
Nach Missbrauch von Jod ist Hep. sulph. das
Hauptmittel.
Terebinthina-Symptome.
Ein Mann, mit sehr brünettem Teint, berich¬
tete, dass, wenn er irgendwie mit Terpenthin in
Berührung käme, er folgende Wirkungen davon
verspüre:
1. Häufiges Verlangen zu uriniren; es dauert
aber immer einige Zeit, ehe der Urin abfliesst.
2. Bisweilen, wenn der Urin halb entleert ist,
stockt er plötzlich einige Augenblicke und geht
dann wieder erst ab, und ist dann von einem bren¬
nenden Schmerz von der Eichel bis zum Mittel¬
fleisch hin begleitet.
3. Brennen in der Harnröhre von vorn nach
hinten nur während des Urinirens.
4. Mitunter kann er den Urin nur während des
Stuhlgangs lassen. (Aloes, Alumina.)
Reichlicher während des Stuhls. Ammon, mur.
ox. ac.
Kann den Urin nur im Stehen lassen. Sassa-
parilla.
Kann den Urin nur im Sitzen lassen. Zincum.
Muss immer Stuhlgang haben, wenn er Urin
lässt. Mur. acid.
Beim Uriniren entgeht ihm der Stuhl. Squilla.
Beim Stuhlgang fliesst ihr der Ham nie mit
ab, bei der Schwangerschaft mit Atonie der innern
Geschlechtstheile; er kann nur bei vorgebeugter
Stellung gelassen werden. China. (Heilwirkung.)
(The homoeopath. Physician. Juni 1897.)
M.
Reflex-Krämpfe.
Ein 13jähriges Mädchen, seit 3 Monaten krank,
hat alle 3 Wochen einen Krampfanfall gehabt; in
der letztvergangenen Woche 3 Mal.
Digitized by
Google
110
Sie verliert plötzlich das Bewusstsein. Dabei
gerötetes Gesicht; blutiger Schaum vor dem Mund.
Nach den Krämpfen schläft sie den ganzen Tag.
Sie treten immer Morgens auf. Cephalalgia supra-
orbitalis und occipitalis. Sehr nervös. Menstruirt
seit 8 Jahren; jetzt treten die Regel alle 3 Wochen
ein. —
Schwindelig. — Verstopfung. — Appetit und
Schlaf gut.
Bis in die letzte Woche unter allöopathischer
Behandlung — aber ohne Erfolg: das letzte Mittel
hat den allgemeinen Zustand nur verschlimmert.
Nux vomica 30. (eine Gabe).
10. Februar. Etwas besser. S. 1.
13. Februar. Wieder Krampfanfall.
18. Februar. Bei näherer Untersuchung zeigte
sich: Vaginitis granulosa, der Uterus antiflectirt,
der Cervix offen. — Der linke Eierstock prolabirt
und druckempfindlich. Die intra-uterine Unter¬
suchung schmerzlos, das Cavum uteri 2 8 / 4 " tief. —
Hymen offen. Die äusseren Geschlechtstheile anä¬
misch und livid; die Haut des Unterbauches und
der Beine blass und schlaff. Im Urin überschüssige
Phosphate; sonst normal.
Verdacht auf Masturbation.
Hyoscyamus 1000. (1 Gabe).
20. Februar. Kein Kopfweh; die Nervosität
ist vergangen. S. 1.
24. Febr. Sie fühlt sich besser. S. 1.
3. April. Vollkommen wohl. S. 1.
Nach mehr als einem Jahre stellt siesich wie¬
der vor und gab an, dass sie seitdem ungestört
gesund gewesen sei. Dr. Eric von der Goltz.
(The homoeopathic Physician. Juni 1897.)
H.
Danksagung.
Der kürzlich in Arnsberg in Westphalen ver¬
storbene homöopathische Arzt,
Herr Dr. med. Albert Amberg
hat dem
Homöopathiaohen Krankenhause zu Leipzig
letztwillig die Summe von
500 Mk.
ausgesetzt, und zwar nach dem Wortlaute seines
Testamentes:
„aus Dankbarkeit für die Homöopathie, durch
welche er viele sonst nicht erreichte Heil¬
erfolge erzielt habe.“
Wir rufen auch diesem edlen Geber unseren
aufrichtigsten und herzlichsten Dank und ein inniges
„Ruhe sanft“ in die Ewigkeit nach.
Leipzig, im September 1899.
Das Curatorinm des Homöopathischen
Krankenhanses za Leipzig.
Homöopathische Ferienkurse für Aerzte
in Berlin.
Die diesjährigen Herbst-Vorträge finden statt
vom 2. bis 28. October 1899 am Montag, Mittwoch
und Freitag Abend i j 9 8 Uhr in der Poliklinik
Charlottenstr. 77, II.
Den Herren Collegen steht ausserdem der Be¬
such der Poliklinik wocho^Piich von 1 / a 2 Uhr ab
frei.
Die Vorträge umfassen ausgewählte Kapitel
aus der Homöopathie und zwar:
1. Oct. 2. Ueber Hahnemann's Leben
und Werke und über Princi-
pien der Homöopathie; . . . Dr. Gisevius jun.
2. „ 4. Ueber Stoffwechselkrank¬
heiten .Dr. Kröner.
3. „ 6. Ueber Atropin u. Belladonna,
Merkur. Phosphor . Hofarzt Dr. Windelband.
4. , 9. Ueber Augenkrankheiten . . Dr. Borchmann.
5. „ 11. Ueber Metrorrhagieen . . . . Dr. Dahlke.
ö. „ 13. Ueber Hautkrankheiten . . . Dr. Damntholz.
7. „ 16. Ueber Bryonia, Nux vom.,
Rhus tox.Dr. Burkhard.
8. „ 18. Ueber Nervenkrankheiten . . Dr. Kröner.
9. „ 20. Ueber Darmkrankheiten . .
Hofarzt Dr. Windelband.
10. „ 23. Ueber Skrophulose.Dr. Gisevius jun.
11. „ 25. Ueber Mittel wähl.Dr. Sulzer.
12. „ 27. Ueber Beziehungen der Arz¬
neimittel unter einander . . Dr. Dahlke.
Auf Wunsch ist Herr Apotheker Kittel, Berlin
W., Kurfürstendamm 1, bereit, in näher zu be¬
stimmenden Stunden Anleitung über Reactionen
der Arzneimittel, über Arzneimittelbereitung nach
homöopathischen Grundsätzen etc. zu geben.
Weitere Auskunft ertheilt jederzeit: Dr. Damm¬
holz, Berlin S.W., Gneisenaustr. 112.
Berliner Verein homöopath. Aerzte.
Personalien.
Im Anfang des Monats September starb in
Arnsberg der homöopathische Arzt Dr. Albert
Amberg, den Lesern unserer Zeitung durch Ver¬
öffentlichung mancher sehr anziehenden Kranken¬
geschichte bekannt. Von jüdischen Eltern ge¬
boren, erhielt er in Arnsberg seine Gymnasial¬
bildung in den 50er Jahren, und zeichnete sich
durch seinen Fleiss und seine gediegenen Kennt¬
nisse vor vielen seiner Mitschüler vorteilhaft aus.
Er war nicht verheiratet, nicht frei von Hypo¬
chondrie, erfreute sich aber eines ausgezeichneten
Rufs als Arzt. Dr. med. Groos-Erfurt
Berichtigung.
Mit grosser Theilnahme habe ich den Vortrag
des Collegen Dr. Hammerschmidt in Elberfeld über
die Entwicklung der Homöopathie im Wupperthal
Digitized by ^»ooQie
111
gelesen. Bei dieser Gelegenheit geschieht auch
meiner Erwähnung als Bruder des Dr. Ernst Groos
in Barmen, der, früher in Magdeburg, jetzt in Er¬
furt practicire. Ich erlaube mir berichtigend zu
bemerken, dass mein Umzug nach Erfurt nicht er¬
folgt ist, um dort von neuem die ärztliche Thätig-
keit wieder aufzunehmen, sondern um nach ange¬
strengter Thätigkeit für einige Jahre noch der
Ruhe zu geniessen. Ausserdem lebt Herr Dr. Roth
hier, im Alter von 72 Jahren. Schon während
meines Aufenthalts in Mühlhausen i. Th. war er
hier als homöopathischer Arzt thätig und geniesst
nun auch die wohlverdiente Ruhe.
Dr. med. Groos-Erfurt.
ms
Die
Herbstversammlung des Sächsisch-Anhaltinischen Vereins homöopathischer Aerzte
findet Sonntag, den 8. Ootober, in De&gau im Hötel Kaiserhof statt.
Beginn der Sitzung 1 Uhr. Diner 3 Uhr.
Vorsitzender: Schriftführer:
Geh. Sanitätsrath Dr. Faulwasser. Dr. Alexander Viller«.
Anzeigen.
BAD UPPSPRINGEI s£
Dr. med. Dierkes, homöopath. Arztaus
Paderborn praktizirt in jeder Saison in Bad liipp-
springe. Die Herren (Jollegen werden gebeten, ihren
Patienten die Adresse mitzugeben.
Eisenbahn-Station Paderborn.
Armlnius-Quelle, stickstoffreiche Kalktherme.
Erfolgreiches I nnnOnnhthicO besonders im
Heilmittel gegen l-llllljüll|jlltlilwü ersten Stadium.
Asthma und Katarrhe der Respirations-Organe.
Saison: Mai bis September*
Pensions-Hotel; 1/iipkaiiQ staubfrei inmitten
neu renovirt. ■■«1*0. des Parks gelegen.
Auskunft durch die Bronnen-Administration.
Soeben ist im Verlage von Carl Gruner’s homöopath.
Officin, Leipzig und Berlin, erschienen:
Die Heilung der Diphtherie
auf homöopathischem Wege
insbesondere durch
Mercnrius cyanatus.
Rathschläge für Eltern.
XI. Auflage der Dr. Villers’schen Schrift.
Theilweise neu bearbeitet
von einem homöopathischen Arzte.
Preis 50 Pfg.
Alles Nähere aus der Besprechung in Bd. 139, No. 3/4
dieser Zeitung ersichtlich.
Hygiama.
Seit 1891 klinisch vielfach erprobtes diätetisches
Nähr- und Stärkungsmittel.
(Zusammengesetzt aus condens. Milch, Gersten- und
Weizenmehl, Zuoker und Kakao.)
Wegen seiner Leichtverdaulichkeit und hohen
Nährkraft indicirt bei:
Magen - und Dannleiden , Anaemie ,
Chlorose, Nervosität, Hyperem. gravid .,
Typhus abdom., künstlicher. Ernährung,
Sct'ophulose, Reconvalescenz.
In vielen Hospitälern und Irrenanstalten ständig
im Gebrauch.
Preis der Dose M. 1.60 (300g) u. M. 2.50 (500gInh.).
Vorrithig in den meist«» Apotheke» und Drogerie».
Wissenschaft!. Urtheile, Analysen u. Gratismuster dnrch
Dr. Theinhardt’s Nährmittel-Gesellschaft
Cannstatt (Wiirttbg.).
Bönninghausens
Therapeutisches Taschenbuch
in neuer deutscher Auflage.
Brosch. 10.— Mk., geb. 11.— Mk.
Aufträgen sieht die Unterzeichnete Verlagshandlung gern entgegen.
A. Harggrafs homöopath. OfAcin, Leipzig.
Digitized by
Google
Die Revisionen der ärztlichen Hausapotheken betreffend.
Auf häufig vorkommende Anfragen theile ich hierdurch mit, dass die Herren Revisoren
homöopathischen Aerzten bisher Folgendes verlangt haben:
mit Nachtr&gen.)
bei sclbstdnpensirenden
1. Den Approbationsschein.
2. Das Zeagniss über das in Berlin bestandene
Dispensirexamen.
3. Die Genehmigung zum Halten einer homöopa¬
thischen Hausapotheke. (Diese wird von dem Re¬
gierungspräsidenten auf Antrag nach Prüfung der Ver¬
hältnisse widerruflich ertheilt.)
4. Eine Sammlung aller das Selbstdispensiren der
homöopathischen Aerzte Deutschlands betreffen¬
den Gesetze (z. B. Lorbacher’s Anleitung und die
neueren Vorschriften, publicirt in Nr. 5/6 der Allg.
homöopath.Ztg., 128. Bd., oder die neuesten Apotheker¬
gesetze von Medicinalassessor Feldhaus, Münster i. W.)
5. Ein Journal über die abgegebenen Arzneien (Men¬
gen, Inhalt und Taxpreise derselben) mit Namen der
Patienten, Datum etc.
(Alle Mittel müssen jetzt bei Abgabe an die Patien¬
ten mit einer Signatur versehen sein, die ausser dem
Namen des dispensirenden Arztes auch den Namen
des Patienten, Datum, Buchnummer und Anwendungs-
wei8e des Arzneimittels trägt; solche Etiketten liefere
ich sehr gern und stehe mit Proben zu Diensten.)
6. Eine homöopathische Pharmakopoe. (Es ist nicht
gesagt, welche, und nimmt man am besten die von
Dr. Schwabe, da in den Apotheken Nord- und Mittel-
Deutschlands allgemein nach dieser gearbeitet wird.)
7. Revieionsmässige Einrichtung der Hausapotheke.
Dazu gehört:
a) Ein separates Zimmer.
b) 1 Schrank für die Venena, Tab. B. | laut
(Giftschrank) I meinen
c) 1 ,, „ „ Separanda, Tab. U.| früheren
(Separandaschrank)J Offerten.
d) 1 „ „ Nicnt-Separanda
e) Alle in Lorbacher’s Anleitung angegebenen 52 Mittel
in D. 1. bez. C. 1. flüssigen Potenzen oderVerreibungen
(in einfach. Gläsern mit Korkstöpseln oder in solchen
mit Glasstöpseln, — Quantitäten & 15,0 genügen).
[Alle Venen* —- Tab. B. — Urstofle, Ur-
tincturen und ihre D. 1., D. 2. und D. 3. Potenzen
müssen im Giftschranke aufbewahrt werden und
„weiss auf schwarz“ signirt sein.
Alle Separanda, — Tab. C. — Urstofle,
Urtincturen und ihre D. 1., D. 2. und D. 3.
flüssigen Potenzen oder Verreibungen müssen im
Separandaschranke aufbewahrt werden und „roth
Alle Nicht-Separanda und die weiteren Potenzen
der Venena uud Separanda von D. 4 (inclusive)
aufwärts müssen ausserhalb der Gift- und Separanda-
schränke in einem dritten Schranke aufbewahrt werden
und „8ch warz auf weiss“ signirt sein. — Manche Revi¬
soren gehen soweit, für die äusserlichen Mittel Signa¬
turen „weiss auf roth“ zu verlangen, eine derartige
Reichsverordnung ist mir nicht bekannt und bin
ich der Ansicht, dass man *esem Wunsche nicht zu
fügen hat. Sind die äusserlioaen Mittel sonst richtig
signirt — „schwarz auf weiss“ oder ,,roth auf weiss“, je
nachdem sie Nichtseparanda oder Separanda sind — und
in sechseckigen Gläsern, so sind sie vorschriftsmässig
eingereiht.
Die nöthigen Etiketten sind laut früheren Offerten
alle hier zu haben.]
f) Die nöthigen Waagen, Gewichte, Mörser und Löffel für die
Gifte und Nicht-Gifte; erstere mit entsprechender Sig-
nirung, analog den Vorschriften, die unter e) genannt sind.
In manchen Regierungsbezirken verlangt man nur:
1 Mörser, 1 Waage, 1 Löffel, je mit „Gift“ siguirt.
In andereu für jede Giftsorte, wie Arsenicalia, Alc&loide,
Mercurialia und Phosphorus, je 1 Waage, 1 Mörser und
1 Löffel, separat und besonders signirt.
(Alles ist auf Lager und wird auf Wunsch geliefert.)
g) Manchmal wird auch eine Tarirwaage verlangt, die von
Aerzten fast nie gebraucht wird und sehr theuer ist. (Unter
50—60 Mark sind sie nicht zu haben; ich habe daher
solche in einfachster Ausführung, auf einfachem Brette,
für Revisionszwecke genügend, hersteilen lassen, die ich
zum Preise von 24 Mark offeriren kann.)
h) Ein Arbeitstisch und die sonstigen Utensilien zur Bereitung
von Potenzen, Verreibungen etc. und zur Abgabe der
Arzneien, als: präcisirteWaagen, Gewichte, Mörser,Löffel,
Trichter, Mensurirgläschen, Fläschchen, Schachteln, Korke,
Beutel etc. etc.
i) In einigen Regierungsbezirken wünschen die Herren Revi¬
soren von allen in den ärztlichen Hausapotheken vor¬
handenen Mitteln die 1. Potenzen vorräthig zu sehen,
während meistens nur die unter e) angeführten 52 Mittel
in solchen verlangt werden.
k) Ganz peinliche Revisoren verlangen sogar auch ein Waaren-
Eingangsjournal mit Angabe der Bezugsquellen und Auf¬
führung jedes einzelnen bezogenen Mittels, wozu ich als
Belege ganz specificirte Rechnungen liefern muss, auf
denen jedes Mittel mit Namen, Gewicht, Potenz und
Preis einzeln aufgeführt ist.
bestens
auf weiss“ signirt sein.
Alles hier Aufgeführte liefere ich nach früheren Offerten, mit denen ich erneut gerne zu Diensten stehe,
und billigst.
Alle Herren Aerzte ersuche ich um gef. Benachrichtigung, falls nach ihren bei Revisionen gemachten Erfahrungen
obige Angaben nicht vollständig oder falls abweichende Anforderungen gestellt worden sind, damit man in die Lage
kommt, in dieser Angelegenheit ganz exacte Angaben machen zu können, was bisher bei der verschiedenen Handhabung
in den einzelnen Regierungsbezirken nicht möglich war.
Hierzu noch folgende ergänzende Mittheilungen:
Za No. 3. Wer das Dispensir-Examen bestanden hat, muss durch seinen zuständigen Kreis-Physicus das vom
Minister ausgefertigte Berechtigungs-Attest der betr. Regierung einsenden Es bedarf zur Ausübung der homöo¬
pathischen Praxis mit Selbstdispensation ebenso wenig einer Genehmigung Seitens der Regierung, wie zur ärztlichen
Praxis überhaupt. Auf die Nachsuchung einer solchen Genehmigung darf sich kein homöopathischer Arzt einlassen.
Zu No. 5. Angabe der Buchnummer ist nicht überall erforderlich, die Signaturen müssen aber besagen:
Zeit und Gabe, wie die Arzneien zu nehmen, — in Buchstaben —, bei flüssigen Mitteln zum innerlichen Gebrauch
die Etiquetten auf weisseni Grunde (in runden Gläsern); zum äusserlichen Gebrauch die Etiquetten auf rotliem
Grunde (in 6 eckigen Gläsern).
Za No« 7. Alle Venena (Tab.B) in Ur st offen und Urtincturen zu halten, ist von der Regierung in Minden ver¬
boten und der Minister hat dieses Verbot bestätigt. — AlleMedicamente sollen in 1. Verdünnung (Potenz) vorhanden sein.
A. Marggraf’s homöopathische Offlein, Leipzig.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Offlein) in Leipzig.
Druck von Julius Mäser in Leipzig.
Digitized by u^ooQie
Band 139.
Leipzig« den 12. Oetober 1899.
Ho. 15 n. 16.
ALLGEMEINE
IOMÖOPATIIISCIIE ZEITIM
Heraasgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle and Verlag von William Steinmetz (A.Marggraf*s ho möopath. Offlein) ln Leipzig
Thomaskirchhof 12.
Erscheint 14t&gig eh 2 Bogen. 18Doppelnummern bilden einen Band. Preis WM. 50Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Poetanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs -Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welohe an Rudolf Mosse
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. MarggraTs homöopath. Offlein in Leipzig) su richten
sind, werden mit 20 Pf '. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 6— 8 M. berechnet.
Inhalt. Zur Wirksamkeit von Colchicum autumnalo im Rheumatismus. Von Dr. Mossa. — Zur neuen Phar-
makopOe. Von Dr. Greenfield, Cottbus. — Zur Werbeschrift von Dr. Gisevius jun.: „Die Homöopath vor dem
Richterstuhle des Experiments. 11 Von Dr. $. J. van Royen, Utrecht. — Zur Pestbehandlung. Von E. Schlegel, Arzt
in TObingen. — Klinische Vortrfige Ober die Therapie der Nervenkrankheiten. Von Prof. Halbert-Chicago. — Aus
der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in MOnchen. — Die Behandlung der trachomatfisen Lider mittels
Massage mit Borsfiure. Von Dr. William Spencer, Philadelphia. — Ueber die Einwirkung von Alkohol auf die Ver¬
dauung. — Die Revisionen der Ärztlichen Hausapotheken betreffend. (Vervollständigt mit Nachträgen.) Berichtigung.
Ministerialerlass, betreffend die homöopathischen Hausapotheken. — LesefrOchte. — Anzeigen.
•W Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. '•Z
Zur Wirksamkeit von Colchicum autumnale 1
im Rheumatismus.
Von Dr. Hossa.
Die nasskühle Witterung des Herbstes, die sich
jetzt nach den so überaus heissen Sommertagen,
wo man bei Nacht wie bei Tage aus dem Schweisse
nicht herauskam, geltend macht, wobei diese über¬
mässige Hautth&tigkeit so plötzlich unterbrochen
wird, wird nicht verfehlen, eine ergiebige Anzahl
rheumatischer Leiden zu zeitigen, welche der
„ Herbstzeitlosen M eine günstige Gelegenheit bie¬
ten, ihre sch&tzenswerthen Heilkräfte uns darzu¬
bringen.
Darum halten wir es für zeitgemäss, den Wir¬
kungskreis dieses wichtigen Heilmittels, wie er sich
auf Grund der vorhandenen Prüfungen und reiner
klinischer Beobachtungen ergeben hat, einmal näher
ins Auge zu fassen. Denn so wenig Grund wir haben,
es als ein souveränes Specificum für Rheumatismus
oder Gicht anzuerkennen, so wenig sind wir be¬
rechtigt, seine treffliche Wirksamkeit in den für
dasselbe passenden rheumatischen und gichtischen
Leiden abzuleugnen. Es gilt eben, den Wirkungs¬
kreis des Mittels bestimmt und deutlich zu um¬
grenzen, so dass dann die klinischen Indicationen
schärfer hervortreten.
Die Indicationen, welche Kafka in seiner ho¬
möopathischen Therapie, Bd. II, p. 299, über die
Anwendung von Colchicum in gewissen Fällen von
acutem Gelenkrheumatismus giebt, sind folgende:
„Ein wichtiges und hilfreiches Mittel, sagt er
1. e., ist Colchicum 3., wenn eine allgemeine Ent¬
zündung der Gelenke vorhanden ist, und die Kran¬
ken so überempfindlich sind, dass die leiseste Er¬
schütterung der Luft, des Bettes, des Fussbodens etc.
die Schmerzen unerträglich macht, wenn das Fieber
und die Schmerzen in den Abend- und Nachtstun¬
den exacerbiren und hierbei mit copiöser Schweiss
verminderter , sehr saturirter Hamabsonderung und
mit unlöschbarem Durste verbunden sind; wenn
die grösseren Gelenke, z. B. am Knie, am Ell¬
bogen, an der Schulter etc. intensiv geröthet und
heiss, die kleinen Gelenke jedoch, z. B. an den
Fingern und Zehen, geschwollen und steif erschei¬
nen, und in den letztgenannten Organen bei der
grössten Schmerzhaftigkeit die Empfindung vor¬
herrscht, als wären sie gelähmt oder eingeschlafen,
wenn zugleich in Folge der Heftigkeit des Fiebers
und der Schmerzen der Athem sehr beschleunigt
und der Herzschlag sehr bedeutend verstärkt ist, so
dass eine Complication mit Endo- oder Pericarditis
zu befürchten ist.
„In einem solchen Falle wirkt Colchicum, in
15
Digitized by t^ooQle
114
Solution und stündlich gereicht, viel verlässlicher J
als Bell, oder als Aconit; binnen 24 Stunden kön¬
nen die heftigsten Schmerzen gemildert und die
allgemeine Gelenkentzündung sistirt sein. Da bei
derartigen Erscheinungen sehr häufig die oben-
genannten Complicationen eintreten, so muss man |
•ehr genau und oft den Thorax und das Herz j
untersuchen. In der Peri- und Endocarditis haben
wir kein genügendes Resultat von diesem Mittel
gesehen, sondern mussten zur Spigelia greifen,
deren Wirkung in solchen Fällen viel zuverlässi¬
ger ist.“
Hiervon weicht das Krankheitsbild, das Bähr
(Bd. II, p. 660) von dem Colchicum-Rheuma giebt,
in manchen Punkten erheblich ab. „Colchicum,
giebt er 1. c. an, ist kein Mittel für eigentliche
acute Rheuma, wohl aber vortrefflich in den ge¬
mischten subacuten Affectionen der Gelenke und
Muskeln, wo bei ersteren lediglich die äusseren
Gelenktheile leiden. Das Fieber ist nicht heftig,
mit stetem Frösteln untermischt, ohne oder mit
ganz unbedeutendem Schweisse, wobei doch der
Harn sehr saturirt ist und stark sedimentirt. Die
schmerzhaften Gelenke sind nicht geschwollen oder
geröthet; die Schmerzen nehmen Nachts und durch
Bewegung und durch Berührung erheblich zu. Die
Krankheit entstand durch feuchtkalte Witterung.“
Mir scheint es, als ob beide Autoren den Wir¬
kungskreis des Colchicum zu eng gefasst haben;
die von anderen homöopathischen Aerzten und von
mir seihst gemachten Beobachtungen lassen sich
weder in die eine noch die andere Kategorie völlig
unterbringen.
Eigene Beobachtung .
Ein 9 8 / 4 Jahr altes Mädchen mit dunkelbrau¬
nem Haar und blassgelbem Teint, der sich aber bei
schneller Bewegung und Erregung das Gesicht schnell i
rötbet. Ihr Grossvater väterlicherseits ist an Phthi-
sis gestorben; der Vater kräftig und gesund, aber
venös, hat Neigung zu Durchfallen. Ihre Mutter
leidet an Dysmenorrhöe und ist in hohem Grade
nervös-hysterisch. — Die Geschwister zeigen mehr
oder weniger einen scrophulösen Zug (chronischen
Nasenkatarrh, Drüsenanschwellungen, Kropf), so
dass sie sämmtlich diesen Sommer eine mehrwöchent¬
liche Kur im Soolbade von Jagstfeld gebrauchten.
Patientin fröstelt oft, erkältet sich leicht, hat
Neigung zu Diarrhöeen, die mehr rheumatischen
als gastrischen Ursprungs erscheinen. Im Frühling \
dieses Jahres hat sie bereits einen leichten Fall
veu Rheumatismus acutus des linken Fussgelenkes
mit blasser Anschwellung und ziemlicher Schmerz¬
haftigkeit gehabt, der bei Bettruhe, Watteein wick¬
ln^ und einigen Gaben Aconit unter Schweiss¬
ausbruch bald vorüberging.
Am 8 . September klagte sie Abends über Frost
und Schwere in den Gliedern; das Wetter hatte
um diese Zeit einen jähen Uebergang von sehr
hoher, trockner Wärme unter starken Regengüssen
und Gewittern zur feuchten Kühle durchgemacht:
auch hatte Pat. in der Schulstube in der Nähe des
offenen Fensters gesessen, was ihr niemals gut be¬
kommt.
Am 9. September blieb sie zu Hause, im Bett,
bekam von der ängstlichen Mutter Aconit, daneben
aber auch, um so mit Doppel kraft auf Schweiss
hinzuwirken, eine Tasse Lindenblüthenthee. Es
trat wohl auch Schweiss ein, aber das Leiden war
damit nicht abgeschnitten, so dass man meine Hilfe
nachsuchte.
Am 10. September fand ich Pat. im Bette auf
dem Rücken liegend, das Gesicht blassgelb, aber
mit einem grossen dunkelrothen Fleck auf der
Mitte der Wangen. Die Hauttemperatur ist etwas
erhöht, der Puls macht 120 kleine, leicht unter¬
drückbare Schläge; der Herzschlag dagegen ist
bedeutend verstärkt. — Sie klagt über reissenden
Schmerz im linken Fuss, besonders auf dem Rist
desselben; scheut jede Bewegung, weil diese den
Schmerz vermehrt, ebenso Berührung. Der linke
Fuss zeigt auch eine Anschwellung, besonders an
der Aussenseite des Gelenks, um den Malleolus
externus, von blasser, bleigrauer Färbung. — Stuhl
verstopft. Anorexie. Sie erhielt Bryonia 6., Mor¬
gens und Abends 2 Tropfen.
11. September. Die Nacht war sehr unruhig
gewesen; der Schmerz hatte zur Nacht bedeutend
zugenommen, so dass sie oft laut wimmern musste. —
Es ging nur sehr wenig, dunkelrother Urin ab,
doch kein Stuhl. — Milch, etwas Gerstenschleim,
Weintrauben. Bryon. cont.
12. Sept. Die Schmerzen hatten wieder gegen
Abend und während der Nacht sich erheblich ge¬
steigert: Pat. zeigt eine solche Ueberempfindlichkeit ,
dass sie bei der geringsten Erschütterung des Deck¬
bettes, ja schon bei Annühei'ung an den kranken
Theil laut jammert. Jetzt war auch der rechte Fuss
und das linke Hüftgelenk schmerzhaft. Der rechte
Fuss war überdies in derselben Weise wie der
linke angeschwollen. In den Zehen hatte sie die
Empfindung, als ob diese steif und stan' wären. —
Der Puls war noch immer frequent und klein, der
Herzschlag übermässig stark, der Urin spärlich und
dunkelroth. — Zunge etwas gelb belegt, wenig
Appetit, ziemlich starker Durst. — Die Haut mässig
warm, etwas feucht. — Beklemmung auf der Brust.
Wenn sie, was hier und da geschieht, hustet, so
steigern sich die Schmerzen in den kranken Thei-
len ausserordentlich.
Da Bryonia so wenig gewirkt, die vorhandenen
Symptome und das ursächliche Moment, die nass¬
kühle Witterung, entschieden auf Colchicum bin-
Digitized by ^»ooQie
115
deuteten, so gab ich der kleinen Kranken jetzt
von diesem Mittel, und zwar von der 6. Dil. 6 Tro¬
pfen in einem Glase Wassers gelöst, 2stündlich
1 Theelöffel.
13. Sept. Die abendliche und nächtliche Ex¬
acerbation war ausgeblieben, so dass Pat. wieder
einmal schlafen konnte. Die Anzahl der Pulse
war auf 100 herabgesunken. Der linke Fuss war
abgeschwollen und weniger schmerzhaft. Der Urin
war reichlicher und weniger dunkel gefärbt. Es hatte
sich Stuhl eingestellt, wobei erst feste, dann dünn¬
breiige, braune, stinkende Massen entleert wurden.
Das linke Fussgelenk war abgeschwollen, das rechte
dagegen noch stärker geschwollen und noch schmerz¬
haft. Die Kleine ist etwas munterer geworden.
14. Sept. Wieder etwas unruhige Nacht, wäh¬
rend welcher das rechte Fussgelenk abgeschwollen,
dagegen das linke wieder geschwollen war. Colch.
cont.
15. Sept. Pat. hatte die Nacht gut geschlafen,
und war Morgens recht munter. Wenn auch das
linke Fussgelenk noch geschwollen, so hatte doch
der Schmerz bedeutend abgenommen, und nament¬
lich war jene Hypersensibilität gewichen. P. 72,
Haut mässig warm, leicht schwitzend. Sie hatte
2 dünne Stuhlentleerungen gehabt, mehr Urin von
dunkelgelber Färbung gelassen. Der Appetit ist
erwacht. — Gerstenschleim, Reis mit Fleischbrühe.
Colchicum cont., aber nur 3 Mal täglich 1 Thee¬
löffel.
16. Sept. Jetzt hat auch der Ictus cordis
seine normale Stärke erreicht. Die Kleine fühlt
sich ganz wohl, so dass sie im Bette spielt und
liest. Der Schmerz im 1. Hüftgelenk ist gewichen,
die Schwellung des 1. Fussgelenkes gesunken. Sie
kann beide Füsse jetzt frei bewegen und ihre Be¬
dürfnisse ausserhalb des Bettes verrichten.
Colchicum 2 Mal täglich 1 Gabe.
So schritt die Besserung stetig fort, und konnte
die Kleine am 18. September das Bett verlassen. —
Einen ähnlichen Fall bei einem 10jährigen
Knaben, bei dem ein Fussgelenk ebenfalls eine
solche blasse Anschwellung zeigte, und wo die
Hypersensibilität eben so hervorstechend war, hatte
ich vor mehreren Jahren zu behandeln, und hat
auch bei diesem Colchicum die Heilung herbei¬
geführt.
Diese beiden von mir beobachteten Fälle, wo¬
bei Colchicum zur Anwendung, und zwar mit Er¬
folg, gekommen ist, liegen, möchte ich sagen, in
der Mitte zwischen den von Kafka und Bähr auf¬
gestellten Indicationen Fieber war in beiden vor¬
handen, aber es hatte mehr einen subacuten Cha¬
rakter (Bähr), mehr einen erethischen als synocha-
len Typus. Die verstärkte Herzthätigkeit bei
frequentem, aber kleinem Pulse, hielt immer die
Besorgniss rege, dass das Herz in den krankhaften
Process hineingezogen werden möchte. — Während
Bähr keine, Kafka eine ausgesprochene Anschwel¬
lung und Röthe der ergriffenen Gelenke für pas¬
send hält, boten dagegen meine Beobachtungen
wohl Anschwellungen, aber von blasser, bleigrauer
Färbung. Der spärliche dunkelrothe Urin, der
nach Bähr noch starkes Sediment fallen lässt, ist
für Colch. sicherlich charakteristisch, obwohl er ja
auch bei einer Reihe anderer Mittel vorkommt.
Unsere homöopathische Literatur ist bisher noch
sehr arm an klinischen Beobachtungen in dieser
Beziehung. Die alte Schule hat zwar von die¬
sem Mittel, früher noch mehr als zur Zeit, Ge¬
brauch gemacht, besonders in gichtischen Affectio-
nen, aber die Autoren sprachen sich bald sehr
günstig, bald wieder absprechend für seine Heil¬
wirkungen aus. Das meiste Lob haben ihm immer
die englischen Aerzte gespendet, vielleicht deshalb,
weil das nasskalte Klima ihres Landes günstige
Chancen für Colchicum darbietet. Sie haben es
bei Gicht, wie bei Rheumatismen, acuten wie fieber¬
losen, chronischen Fällen oft mit sehr gutem Er¬
folg gebraucht. In der Regel bedienten sie sich
des Vinum seminis Colchicis und das oft in star¬
ken Gaben und lange fortgesetzt.
Dr. Williams, der mit diesem Mittel viel ope-
rirte, sagt, es wirke in chronischen Fällen vorzüg¬
lich schmerzstillend und bringt dem Kranken den
der nächtlichen Schmerzen wegen so sehr entbehr¬
ten Schlaf. Er behauptet, das aus den Samen
bereitete Präparat habe nicht die unangenehmen
Nebenwirkungen auf Magen und Darm, wie die aus
der Wurzel dargestellte Tinctur.
Die von Williams mitgetheilten Heilungen chro¬
nischer Rheumatismen haben manches Interesse für
uns. So berichtet er von einem 30jährigen Manne,
der an heftigen Schmerzen in den Lenden, Schul¬
tern und Armen litt; dabei war er fieberlos, hatte
Appetit und Stuhl. Infolge seiner Beschäftigung
beim Malzdarren war er häufig plötzlichem Wechsel
von Kälte und den heissen Dämpfen des feuchten
Malzes ausgesetzt. Die Krankheit hat seit 3 Jahren
allmählich zugenommen, bei stetem Mangel an
Schlaf. Sechs Tage nach dem Gebrauch von Col¬
chicum Hessen die Schmerzen gänzlich nach, und
zwar auf die Dauer.
2. Ein 65jähriger Mann, seit mehreren Jahren
an heftigstem Rheumatismus in Armen und Beinen
leidend, musste endlich mehrere Wochen, da die
Schmerzen unerträglich geworden und ihm die Be¬
wegung unmöglich machten, das Bett hüten. Aller
Schlaf fehlte. Endlich konnte er sich wieder fort¬
schleppen ; sein Körper war aber durch das lange
Leiden so zusammengezogen, dass er nicht aufrecht
stehen oder gehen konnte. Er erhielt Colch. —
lb*
Digitized by ^»ooQie
116
Nach drei Wochen war er wieder so weit, dass er
sein Geschäft als Kutscher besorgen konnte. —
Nach einigen Jahren litt er wieder an heftigen
Gliederschmerzen; die Gelenke waren so schmerz¬
haft und die Hacken so heraufgezogen, dass ihm
das Gehen äusserst beschwerlich war. Auch hier
half Colch. binnen 1 Monat vollständig.
In den Colchicum-Prüfungen, resp. Vergiftungen
sind mehrfach starke Krämpfe und schmerzhafte
Muskelzusammenziehungen an den Füssen, beson¬
ders an der Fusssohle, beobachtet worden.
8. Eine 55jährige Frau, viele Jahre dem Rheu¬
matismus, besonders in den Lenden und in der
linken Hüfte unterworfen, hatte 8 Monate das Bett
nicht verlassen können, ohne die heftigsten Anfälle
zu erleiden. — Seit den letzten 8 Monaten ist sie
seiten schmerzensfrei. Die Schmerzen traten meist
Nachmittags 4 Uhr sehr intensiv auf, hielten bis
8 Uhr an, wo sie dann wieder nachliessen, um
Morgens 1 Uhr wiederzukehren; sie gingen bis zur
linken Schulter und die Brust und dauerten meh¬
rere Stunden an.
Die Zunge mit braunem Schleim belegt. Kein
Fieber, wenig Appetit, etwas Durst; Haut weder
heiss noch trocken; der ganze Körper abgemagert.
Mehrwöchentliche Behandlung war erfolglos. —
Nun Colchicum, das in weniger als einer Woche
die Schmerzen erheblich linderte, den Appetit hob
und unter Eintritt von Schlaf und Appetit und
Kraftzunahme Genesung herbeiführte.
Derartige Beobachtungen können wir freilich
von unserem homöopathischen Standpunkte nicht
als mustergültig hinstellen, da die Krankheitsbilder,
trotz einzelner prägnanter Striche und Züge, doch
zu allgemein gehalten sind. Immerhin geht aber
aus ihnen hervor, dass Colchicum auch in chroni¬
schen Fällen von Rheumatismus, unter geeigneten
Umständen, viel zu leisten vermag.
Wir müssen deshalb den Rahmen der Colchicum-
Indicationen weiterspannen, als es oben geschehen
ist — und das ist von Farrington in seiner klini¬
schen Arzneimittellehre treffend geschehen.
Colchicum hat, sagt dieser Autor ganz richtig,
eine specielle Affinität zu den fibrösen Geweben,
wozu er die Sehnen und Aponeurosen der Muskeln,
Gelenkbänder und selbst das Periost mit einbegreift.
Die durch Colchicum erzeugte Schwellung kann
dunkelroth, aber auch blass sein, neigt wenig zur
Eiterung (es wird sich um seröse Ergüsse handeln);
sie ist äusserst empfindlich gegen Berührung und
Bewegung und hat grosse Neigung, von einem
Gelenk zum andern überzuspringen. So ist das
Mittel bei einem Rheumatiker indicirt, wenn
Schmerz und Geschwulst in dem einen Gelenk be¬
ginnt und von da nach einem anderen wandert,
oder von der einen Körperseite nach der anderen
hinübergeht. Die abendliche und nächtliche Ver¬
schlimmerung ist stark markirt. Ueber die Be¬
schaffenheit des Harns haben wir genügend ge¬
sprochen. — Für chronische Fälle ist Schwäche,
wie sie aus Mangel an Schlaf sich ausbildet, be-
achtenswerthes Symptom. — Farrington hebt eben¬
falls die übermässige Reizbarkeit und Ueberempfind-
lichkeit der Colch.-Kranken stark hervor. Jede
kleine äussere Einwirkung, wie Licht, Geräusch
oder starke Gerüche, belästigen sie und die Schmer¬
zen dünken ihnen unerträglich.
Nebst dem heftige schneidende und stechende
Schmerzen in der Brust, besonders am Herzen mit
grosser Oppression und Athemnoth. Gefühl, als
wäre die Brust von einem festen Bande zusammen¬
geschnürt — Indicationen, die bei einer rheuma¬
tischen Affection der Brust* und des Herzens zu
verwerthen sein möchten. —
Wir können nicht umhin, einzugestehen, dass
manche der hier angeführten Symptome nicht direct
aus der Quelle der Pathogenesie des Mittels ge¬
flossen , sondern aus klinischen Beobachtungen,
Heilanzeichen sind, die sich freilich mehrfach be¬
stätigt haben. Indessen, von diesem abgesehen,
bleiben doch noch eine beträchtliche Reihe patho¬
genetischer Symptome charakteristischer Art, die
uns für die Wahl der Herbstzeitlosen in rheumati¬
schen Zuständen als Leitfaden dienen können. So
können wir Farrington wohl zustimmen, wenn er
behauptet: „Colchicum steht fast einzig da bei
Gicht und Rheumatismus. Es giebt keine Mittel,
die in dieser Beziehung ihm ähnlich wären an Wirk¬
samkeit. u
Zur neuen Pharmakoptfe.
Von Dr. Greenfield, Cottbus.
Als vor etwa zwei Jahren eine Commission zur
Bearbeitung einer neuen homöopathischen Pharma¬
kopoe zusammentrat, wurde dieselbe in homöo¬
pathischen Kreisen vielfach mit Freuden begrüsst.
Denn einerseits zeigten die vorhandenen Pharma-
kopöeen thatsächlich wesentliche Mängel, anderer¬
seits konnte man in diesem Schritte der Regierung
ein Entgegenkommen erblicken und für die Zu¬
kunft weitere Zugeständnisse erhoffen. Auch der
Umstand, dass allopathische Apotheker zugezogen
wurden, brauchte nicht nothwendigerweise als böses
Omen aufgefasst zu werden, da die berufensten
Vertreter der homöopathischen Pharmacie unsere
Interessen vertraten. Leider liess der erste Misston
nicht lange auf sich warten. In Folge von Mei¬
nungsverschiedenheiten sahen sich die Leipziger
Herren veranlasst, aus der Commission auszuschei¬
den; ob mit Recht oder Unrecht bleibe dahingestellt.
Digitized by c^ooQie
117
Während nun die Commission ihre Arbeiten fort¬
setzte, wurde jetzt auch die Schwabe’sche Pharma-
copoea polyglotta einer Neubearbeitung unterzogen,
deren Entwurf kürzlich allen homöopathischen
Aerzten zugeschickt worden ist.
Der erste allgemeine Theil ist mit wenigen Ver¬
änderungen in die Neuauflage übernommen worden.
Neu und entschieden als Fortschritt zu begrüssen
ist der Abschnitt: „Allgemeine Methoden zur Unter¬
suchung der homöopathischen Arzneipräparate.“
Derselbe stellt allgemeine Regeln auf für die Be¬
stimmung des speciüschen Gewichts, des Extract-
gehalts, der fetten Oele, der Trockensubstanz und
der Alcaloide.
Eine ganz wesentliche Bereicherung soll aber
der specielle Theil erfahren. Es sollen bei allen
Mitteln „sowohl kurze prägnante Beschreibungen
der Rohstoffe und Präparate, als auch Vorschriften
für die Prüfung auf Identität, Reinheit und Gehalt
aufgenommen werden.“
Um die diesbezüglichen Untersuchungen mit
Erfolg an stellen zu lassen, hat der Herausgeber in
Leipzig ein chemisches Laboratorium eingerichtet,
in welchem eifrig Mittelanalysen gemacht werden.
Wenn es der Schwabe’schen Verlagsbuchhandlung
gelingt, alle homöopathischen Arzneien in derselben
rollkommenen Weise bearbeiten zu lassen, wie die
bisher fertiggestellten und im Entwurf veröffent¬
lichten 14 Mittel, so kann sie mit Recht be¬
anspruchen, eine Pharmakopoe geliefert zu haben,
die allen billigen Ansprüchen genügt. Damit würde
aber die Nothwendigkeit einer neuen Pharmakopoe
wegfallen. Es ist ja auch gar nicht wahrscheinlich,
dass die Commission ein besseres Werk zu Stande
bringen wird; wenigstens berechtigt der Entwurf
des allgemeinen Theiles, welcher uns vorliegt, durch¬
aus nicht zu einer solchen Annahme. Derselbe ist
sehr knapp gehalten, giebt auf 8 Seiten die all¬
gemeinen Grundsätze der homöopathischen Arznei¬
bereitungsweise und unterscheidet sich nur in zwei
Punkten principiell von der Schwabe’sehen Pharma¬
kopoe.
Die erste Abweichung betrifft die Valenzfrage.
Im Gegensatz zu Habnemann’s Vorschrift sollen
die Ausgangsstufen aller Arzneien, gleichviel ob
es sich um reine Urstoffe (z. B. Säuren, Metalle)
oder um Tincturen, Essenzen etc. handelt, als Ur-
potenzen bezeichnet und im Verhältnis von 1 : 10
(resp. 1 : 100) weiter potenzirt werden. Es ist das
zweifellos eine Vereinfachung, und haben wir daher
bei der Abstimmung auch für diesen Modus ge¬
stimmt. Da aber die Schwabe’sche Pharmakopoe
die bisherige Hahnemann’sche Berechnungsweise
nicht aufgeben will, so ist zu befürchten, dass eine
heillose Verwirrung eintritt, die besonders Anfängern
die grössten Schwierigkeiten bereiten und so der
Ausbreitung der Homöopathie direct hinderlich wer¬
den kann.
Von weit grösserer Tragweite ist aber die zweite
Abweichung des Commissionsentwurfes, welche die
Anfertigung der Tincturen und Essenzen betrifft.
Zunächst sei bemerkt, dass die Bezeichnung Essenz
ganz wegfällt, und die alkoholischen Auszüge sämmt-
lich die Bezeichnung Tinctur erhalten, wogegen
sich ja nichts Besonderes einwenden lässt Der
Commissionsentwurf unterscheidet nur 2 Zuberei¬
tungsarten: Die frischen Pflanzen, Thiere und deren
Theile werden mit der doppelten Menge Alkohol
übergossen und nach 14 tägigem Stehenlassen aus-
gepresst und abfiltrirt, während die getrockneten
Stoffe mit 10 Gewichtstheilen Weingeist übergossen,
im Uebrigen aber ähnlich behandelt werden.
Nach der Hahnemann’sehen Methode dagegen
werden 1. die saftreichen Pflanzen erst ausgepresst
und wird dann der Saft mit der gleichen Menge
Alkohol vermengt; 2. die weniger saftreichen erst
mit 2 / 8 Weingeist angefeuchtet und dann ausgepresst;
3. bei einer Reihe von Pflanzen, die viel zähen
Schleim enthalten, wird die doppelte Menge Alkohol
zugesetzt und dann ausgepresst. Der Arzneigehalt
wird nach der Menge des zugesetzten Alkohols be¬
rechnet und werden dementsprechend von 1. und 2.
zur Herstellung der ersten Decimalpotenz 2 Ge-
wichtBtheile, von 3. 6 Gewichtstheile genommen
und mit Alkohol auf 10 Gewichtstheile ergänzt.
Die sogen. Tincturen, die durch Uebergiessen
trockener Substanzen mit 10 Gewichtstheilen Wein¬
geist hergestellt werden, gelten als erste Decimal¬
potenz. Es ist nun sehr fraglich, ob die Abweichungen
des Commissionsentwurfes wirkliche Verbesserungen
sind. Die Analysen im Schwabe’sehen Laboratorium
haben wenigstens bisher einen höheren Arznei¬
gehalt der nach dem Commissionsentwurf bereiteten
Essenzen nicht ergeben. Eines aber ist sicher.
Ein grosser, wenn nicht der grösste Theil der deut¬
schen homöopathischen Aerzte wird nicht gewillt
sein, die bisherigen bewährten Mittel preiszugeben,
um mit unbekannten Präparaten zu arbeiten und
das um so mehr, als die angesehensten und ver¬
lässlichsten homöopathischen Centralapotheken sich
der neuen Pharmakopoe nicht anschliessen. Es
würde also die Uneinigkeit unter uns Homöopathen,
die an sich schon gross genug ist, noch vermehrt
werden und das zu einer Zeit, da wir mehr denn
je zusammenstehen sollten.
Es wäre demnach das Zweckmässigste, die Com¬
missionsarbeiten gänzlich fallen zu lassen und der
Regierung die Annahme der Schwabe’schen Pharma-
copoea polyglotta vorzuschlagen. Es bedeutet das
für die Mitglieder der Commission unzweifelhaft
Digitized by
Google
118
ein Opfer; aber wir hoffen, dass sie im Interesse
unserer guten Sache auch vor einem solchen nicht
zurückschrecken werden.
Zur Werbeschrift von Dr. Gisevius jun.:
„Die Homöopathie vor dem Richterstuhl
des Experiments.“
Von Dr. S. J. van Royen-TJtrecht.
I.
Als ein erfreuliches Zeichen von dem regen
Interesse, welches diese Schrift bei den Herren
Collegen erweckt hat, theilen wir hier die Aeusse-
rung unseres werthgeschätzten, von Elberfeld her
in freundlicher Erinnerung stehenden Veteranen,
Herrn Dr. S. J. van Royen-Utrecht, mit.
Sehr geehrter Herr College!
Mit Vergnügen las ich Ihre Schrift ,,Die Homöo¬
pathie vor dem Richterstuhle des Experiments“. Die
Redaction der ,,Allg. hom. Zeitg.“ ruft das Urtheil
der Collegen an, und deshalb erlaube ich mir, j
Ihnen folgende Bemerkung zu machen. |
Obgleich die A esculns f&Me schlagend sind, achte
ich dieses Mittel für allopathische Collegen weniger
geeignet, weil sie die pathogenetische Wirkung
gar nicht kennen. Die Wahl auch für den Allo¬
pathen bekannter Mittel ist gross genug. !
Kann ich Ihnen dienen mit einem schönen Fall
von Cicuta virosa nebst den Vergiftungsgeschichten
aus der Traitö de Toxicologie von Orfila, einer un¬
verdächtigen Autorität, dann steht er zu Ihrer
Verfügung. !
Der betreffende Fall ist dieser: j
Cicuta virosa . Ein 20jähriges Fräulein, das
an Menstruationskrämpfen gelitten hat, welche aber
geheilt sind, ist seit 9 Jahren epileptisch. I
17. Decemher 1894. Die Anfälle kommen j
alle 6, 7 oder 8 Wochen. Sie fangen an mit i
Zuckungen in den Armen und Beinen. Zwang¬
weises Drehen des Kopfes mit Steifheit der Hals¬
muskeln, Kopfschmerz im Hinterkopfe, Stumpf- !
sinnigkeit. Gefühl von Ohnmächtigwerden, Rücken-
und Lendenschmerz. Der Anfall endet mit Gähnen.
Cicuta virosa 6., ein Mal täglich.
8. Januar 1895. Sie hat wieder einen An- !
fall gehabt. Contin. Cicuta virosa. j
24. Januar 1895. Kein Anfall. Cont. Cicuta |
virosa.
20. Februar 1895. Hat etwas Ziehen ge- t
habt, aber keinen Anfall.
Von da an bis 5. Juni kein Anfall, nur noch |
von Zeit zu Zeit etwas Ziehen. Cicuta virosa
1 Mal während einer Woche. — j
11. Juli 1896. Kein Anfall seit 3. Januar 1895,
nur etwas Ziehen in Armen und Beinen und etwas
Schwindel.
26. September 1899. Seit Januar 1895
kein Anfall. Nur von Zeit zu Zeit, das letzte
Mal, September 1898, ein Gefühl, wobei sie fürchtet,
einen Anfall zu bekommen. Keine Arznei.
Vergleiche nun mit dieser Krankheits-Geschichte
Orfila, Traite de Toxicologie, 5 e edition, II. 412 sqq.,
Wirkung von Cicuta virosa auf den thierischen Or¬
ganismus.
,,Un jeune chien — — fut en proie ä des
mouvements convulsifs tr£s violents; bientöt il
affrait un emprostothonos, bientöt un opistotho-
nos.“ —
„Moeder, . . . un gar<;on de 6 ans, fut en
proie ä des mouvements convulsifs horribles, perdit
l’usage des sens et serra fortement la bouche; il
grinQait les dents, tournait les yeux d’une ma-
niöre surprenante.“
„Eblouissement, obscurcissement de la vue,
vertiges, cöphalalgie.“
„D’autresfois un dölire furieux ou des atta-
ques d’öpilepsie plus ou moins rapprochöes.“
Ihr ergebener
Dr. S. J. van Royen.
Der Verfasser der Werbeschrift, wie auch der
Schriftleiter dieser Zeitung, geben zu, dass die
Ausstellung von Dr. van Royen nicht unbegründet
ist. Aesculus hippoc. ist in der That, und nament¬
lich nach seiner in den mitgetheilten Heilungen
bethätigten Wirkung, den Aerzten der alten Schule
ein wenig oder gar nicht bekanntes Mittel. — In¬
dessen tritt seine Wirkung in den haemorrhoidalen
Störungen so prägnant hervor, dass wir diese Fälle
doch nicht daran geben möchten. — Vielleicht dient
gerade die Neuheit dieses auf Grund der Arznei¬
prüfung am Gesunden gewonnenen Pathogenese so
schlagend wirkenden Mittels als ein Reiz für die
Herrn Collegen aus dem anderen Lager, sich mit
unserer Arznei-Mittel-Lehre, die solche Schätze
birgt, näher zu beschäftigen.
Für die Mittheilung des Cicuta-Falles sind wir
Dr. van Royen zu Dank verpflichtet, (cf. p. 121
d. Nummer.) Dr. Hosia.
Zur Pestbehandlung.
Von E. Schlegel, Arzt in Tübingen.
Als vor einem Jahre die Pestffclle in Wien vor¬
kamen, suchte ich mich an der Hand allopathischer
und homöopathischer Werke über die Natur und die
Heilbarkeit der Beulenpest zu unterrichten. Ich
verstehe unter „Natur“ nicht etwa Hypothesen
Digitized by ^»ooQie
119
über das Contagium, sondern die ^tatsächlichen
Naturerscheinungen der Erkrankung selbst, die
Symptome. Diese finden wir in geeigneten neueren
und älteren Lehrbüchern ausführlich beschrieben,
auch hat ein in Italien thätiger Arzt, dessen Namen
ich mich nicht entsinne, eine gute einfache, für
den homöopathischen Arzt brauchbare Beschreibung
der vorjährigen Pestfalle gegeben, wobei mir be¬
sonders die Initialsymptome wichtig schienen: grosse
Müdigkeit und gleichgültige Gemüthsdepression , weiss¬
helegte Zunge , leichte Gedunsenheit, des Gesichts . Ich
habe damals die Arzneimittellehre überdacht und
kam zu der Ansicht, dass Kalium chloratum ein
sehr beachtenswerthes Mittel bei der Pest sein
dürfte, auch fand ich begreiflich, dass in homöo¬
pathischen Schriften Ignatia als hilfreich erwähnt
wird. Im weiteren Verlauf der Erkrankung an
Beulenpeat gestaltet sich bekanntlich das Bild in
den einzelnen Epidemieen sehr verschieden und die
Seuche kann auch als sehr schwere infectiöse
Lungenentzündung verlaufen. Es versteht sich,
dass die Schlangengifte, sowie Arsenic. die Aehn-
lichkeit ihrer Wirkungen manchfach aufdrftngen;
dem Beginn der Krankheit entsprechen sie aber
im Allgemeinen nicht. Ohne Zweifel werden sich
indessen Mittel finden lassen, die in nicht allzu¬
schweren Erkrankungsfällen Heilwirkung auf Grund
der Aehnlichkeit der Naturerscheinungen äussern
und die Sterblichkeit herabdrücken, wie dies ja
auch bei Cholera der Fall ist. — Da wir abermals
vor der Möglichkeit stehen, eine Verbreitung der
Seuche in Europa gewärtigen zu müssen, hielt ich
es nicht für überflüssig, in dieser Kürze auf die
Stellung der Homöopathie zur Sache hinzuweisen
und hier noch einen sehr interessanten Brief ab¬
zudrucken, den ich von einem Rigenser Herrn er¬
hielt, als im vorigen October die Gefahr von Wien
aus actuell geworden war. Der Brief lautet:
„Durch die Pestfälle in Wien ist meiner Frau
und mir eine Mittheilung in das Gedächtniss ge¬
kommen, die mir Ihnen gegenüber doch erwähnens-
werth erscheint. In den siebziger Jahren war
häufig ein alter Herr, General von Erdberg, russi¬
scher Ingenieurgeneral, bei uns im Hause, welcher
in früheren Jahren an der asiatischen und kauka-
sichen Grenze gestandeu hatte. Irgendwo — des
Ortsnamens erinnere ich mich nicht mehr — war
die Beulenpest ausgebrochen und raffte viele Men¬
schen dahin. Die Aerzte konnten nicht mit ihren
Mitteln helfen und war das einzige Mittel, dass
alle Häuser und Kleider der Gestorbenen verbrannt
wurden, selbst auch viele Leichen. Da war ein
einfacher Feldscheer bei dem Regiment, der furcht
los zu den Kranken ging, ohne von der Krankheit
ergriffen zu werden. Wer sich von ihm behandeln
lassen wollte, den stellte er wieder her. Der
General von Erdberg, der sich mit diesem Feld¬
scheer sehr gut stand, war auch erkrankt, und die
Aerzte liessen ihn als Todescandidaten unbeachtet
liegen. Da kam der Feldscheer zu ihm, behandelte
und pflegte ihn, bis der General gesund wurde.
Erst in hohem Alter starb der alte Herr in Peters¬
burg. Das Mittel war Tabaköl, welches sich in
der Pfeife des Feldscheers gesammelt hatte. Dieses
liess er aus der Pfeife aus dem Rohre auströpfeln,
machte dem Kranken in den Achselhöhlen in erster
Linie, oder auch, wo sich sonst Beulen zu zeigen
begannen, kreuzförmige Hautaufschnitte, rieb das
Tabaköl hinein und zwar mehrere Mal täglich,
bis die Krankheit gebrochen war. Der Tabak,
den der Feldscheer rauchte, war keine feine Sorte,
sondern die ganz ordinäre Sorte, in Russland unter
dem Namen Machdrka bekannt. Der Feldscheer hatte
sich selbst ebenso eingerieben, obgleich er nicht
krank war und dadurch wahrscheinlich immunisirt.“
Das hier wirksam gefundene Mittel ist also ein
sehr nicotinreiches Tabakpräparat Dass Nico-
tina tabacum ein heroisches Mittel sei, dass es bei
schweren acuten Verdauungsleiden, bei einge¬
klemmten Hernien, Collapszuständen, sowie als
Hustenmittel (Keuchhusten) Grosses leistet, wissen
Viele von uns. Bei Rademacher hat der Tabak
hohen Ruhm gegen Bluthusten, wie auch als Nerven¬
mittel. In ersterer Hinsicht ist Extractum nico-
tinae die Medicin, dem im Briefe genannten
„Tabaköl“ (Tabaksaft) nahestehend; als Nerven¬
mittel wirkt dann Aquae nicotianae, das wässerige
Destillat, besser. Schon in des Tabernaemontani
Kräuterbuch, Ausgabe Basel 1731, wird der Tabak
herba sancta, sana sancta, genannt, ein Beweis be¬
sonderer Hochschätzung seiner Heilkräfte: „Des¬
gleichen sei es auch gar ein herrlich Wundkraut
und vertreibe allerlei hitzige Geschwulst, aber an
alten und schwachen Personen sei es gar nicht
sicher zu brauchen, sondern allein an jungen und
starken.“ — „Mit dem Saft wol gerieben und dann
die zerstossenen Blätter übergebunden, vertreibt
allerhand Kröpf, Drüsen, Feigwarzen, Pestilenz¬
blattern.“ Man darf auf solche Empfehlungen der
guten Alten nicht zu viel geben; sie wissen bei¬
nahe jedem Mittel Aehnliches nachzurühmen und
doch: der Prüfung ist die Sache werth, zumal ein
Zeugniss aus neuerer Zeit in jener Mittheilung vor¬
liegt. Merkwürdig ist, dass die alten Aerzte einen
sehr ausgedehnten Gebrauch von Tabacum gemacht
haben müssen, da Tabernaemontanus 5 verschiedene
arzneiliche Präparate aufzählt und mit Nennung
von Gewährsmännern kundgiebt. —
Die Anwendungsart des Tabaksaftes bei un-
serm russischen Feldscheer darf uns nicht be¬
fremden: wir haben ja heut zu Tage öfter von
directen Einverleibungen in erkrankte Theile oder
Digitized by
Google
120
in den allgemeinen Kreislauf Gebrauch zu machen:
Sublimat, Arsenic., Morphium, die verschiedenen
Sera und alles Mögliche wird so ingerirt; ich würde
sehr empfehlen, im Ernstfall die Heilmethode des
Feldscheers genau nachzumachen , wenigstens in den
ersten Fällen.
Ob diese Pestbehandlung auf Ueberlieferung be¬
ruht haben mag? Ich möchte es sehr bezweifeln,
traue vielmehr dem tapfern Feldchirurgen die Ur¬
heberschaft der Idee zu, dass eine so scheussliche
Krankheit mit dem Saft aus der Pfeife, der „ekel¬
haft und stinkend wie die Pest“ ist, zu kuriren
versucht werdet) dürfe. Es war vielleicht nur ein
Gedankenblitz bei dem alten Herrn, eine momen¬
tane Erleuchtung, der das Experiment auf dem
Fusse folgte.
Zum Schluss läöchte ich noch darauf hin weisen,
dass Blutserum vom Aasgeier , vielleicht auch vom
Raben , sich zu Heilversuchen ebenfalls eignen
dürfte. Diese Thiere sind ja befähigt, Infections-
stoffe weitgehend zu bewältigen. Die Pestleichen,
die von den indischen Parsen auf den „Thürmen
des Schweigens“ niedergelegt werden, sind schon
sehnlich von Geierscharen erwartet, welche augen¬
blicklich über den stets neu gedeckten Tisch her¬
fallen.*) —
Klinische Vorträge Uber die Therapie der
Nervenkrankheiten.
Von Prof. Halbert-Ghioago.
I. Thuja.
Die an nervösen Krankheiten Leidenden geben
oft so sonderbare Symptome an, dass man sich
fragt, ob die Krankheit wirklich existirt oder viel¬
leicht ein Product der Einbildung ist. In allen
Fällen ist es des Arztes Aufgabe zu heilen, sei es
die krankhafte Vorstellung des Patienten, sei es
die Affection, von der er wirklich ergriffen ist. Des¬
halb hat man den verschiedenartigen Empfindungen
des Leidenden die grösste Aufmerksamkeit zu
schenken, denn in vielen Fällen bilden diese Sen¬
sationen die schätzbarsten Anzeigen zur Mittelwahl.
Dies zeigt sich auch in folgendem Fall.
Ein 29jähriger Mann klagte über eine Gesichts-
neuralgie, die ihm grosse Schmerzen verursachte.
Er war bereits von einer grossen Reihe von Aerzten,
aber ohne den geringsten Erfolg behandelt worden,
so dass er sehr verzagt war. Auch die Bemühungen
des Prof. Halhert waren anfangs resultatlos; das
Leiden blieb auf demselben Fleck. Schon manch-
*) Umschläge mit starkem Tabaksdecoct auf die
Müzbrandbeule (pustula maligna), besonders wenn sie
schmerzlos geworden und durch einen tiefen Ein¬
schnitt blossgelegt ist, ist ein in Russland bekanntes
Volksmittel. Red.
mal hatte ihn Farrington’s Handbuch aus solchen
Verlegenheiten gerissen, und so auch in diesem
Fall. Beim Durchblättern des Buches stiess Verf.
auf Thuja, in dessen Pathogenese sich: „Ver¬
schlimmerung der Symptome in sitzender Stellung“
findet — ein Symptom, das bei diesem Patienten
gerade zutraf. Er war oftmals genöthigt, sich
horizontal niederzulegen, um sich Erleichterung zu
verschaffen.
Bei Thuja erscheint die Neuralgie in der regio
facialis und nimmt von da den Kopf ein; der
Kranke hat die Empfindung, als werde ihm ein
Nagel in die Stirn eingedrückt. Der gedachte
Patient hatte dieses Symptom nicht ausgesprochen.
Er klagte über heftige, stechende Schmerzen, die
in der regio zygomatica anfingen und sich über die
Augen nach dem Kopfe erstreckten. Indessen in
Ermangelung eines passenderen Mittels gab Verf.
Thuja 8. Dil. Der Erfolg trat nicht sofort ein;
aber am Ende der ersten Woche zeigte sich merk¬
liche Besserung, und beim Fortgebrauch des Mittels
verschwand die Neuralgie allmählich.
Zu erwähnen ist noch, dass der Kranke früher
von einem venerischen Leiden mit Condylomen
afficirt gewesen. Letztere waren durch örtliche
Mittel beseitigt worden. Ausserdem hatte er an
einer chronischen Prostatitis gelitten, sowie an zeit¬
weisen Anfällen von Gelenkrheumatismus. Der
gonorrhoische Zug ist hierbei unverkennbar, und
diese Antecedentien rechtfertigen die Wahl des
Mittels um so mehr.
Thuja ist ein Arzneistoff, der in der Neurasthe¬
nie am Platze ist, wenn sich auf Geschlechts-
affectionen späterhin neuralgische Zufälle zeigen,
die einer Arthritis rheumatica oder einer, den
N. facialis betreffenden Neuralgie ähnlich sind.
Ebenso wichtig ist aber das Mittel, wenn der untere
Theil des Rückenmarks durch ein Leiden der Ge¬
schlechtsorgane afficirt gewesen ist, und sich nach
mehreren Jahren Reflexsymptome hiervon im obe¬
ren Theil des Rückenmarks entwickeln. Diese ner¬
vösen, in Folge jugendlicher Geschlechtsstörungen
auftretenden Erscheinungen kommen uns so häufig
vor, dass wir uns glücklich schätzen köinitni, in
der Thuja ein hier wirksames Mittel zu besitzen.
Diese hat auch die Tendenz, das Rectum und die
Blase zu lähmen — Störungen, die in der Regel
Neuralgien im Gebiete des N. accinctus herbeiführen.
II. Asa foetida in nervösen Affectionen.
Die Asa foetida ist schon lange in Nerven¬
krankheiten gebraucht worden. Sie wurde empirisch
als ein Nerventonicum verordnet. Studiren wir
das Mittel vom homöopathischen Gesichtspunkte
aus, so sehen wir, dass seine physiologischen
Symptome einen krankhaften Zustand, der der
Neurasthenie und Hysterie analog ist, darstellen.
Digitized by
Google
121
Es liegt in dem Mittel ein spasmodischer Zug,
der einer eigentümlichen nervösen Spannung ent¬
spricht und sich durch Starrheit der Muskeln
äussert. Diese Wirkung kann periodisch auftreten,
wenn das Nervensystem sehr gespannt und sehr
erregt ist. Asa foetida ist sehr nützlich in der
Hysterie, denn diese Affection ist ja immer durch
Anfälle von nervöser Spannung gekennzeichnet.
Der Globus hystericus ist eine wie bei dieser
Krankheit so bei Asa foetida sehr markirte Er¬
scheinung. Diese Spasmodität tritt auch in folgen¬
dem Falle hervor:
Ein 32jähriger Mann, einer neurasthenischen
Familie entstammend, ist nervös, reizbar, psychisch
angegriffen. Er hat keine bestimmte Carriere er¬
griffen, weil er weder Geduld noch Vertrauen zu
sich selbst hatte; er behauptete, keine Hand¬
arbeiten verrichten zu können, wegen einer hefti¬
gen, in den Armen und Beinen empfundenen
Muskelspannung; andererseits verursachen ihm
Kopfarbeiten zu viel Ermüdung., ln den Muskeln
hat er ein Gefühl von heftiger Zusaramenziehung;
die Reflexe sind durchweg erhöht. Er klagt über
einen krampfhaften Druck auf der Brust, als ob
sich die Lunge nicht vollständig erweitern könnte
der Bauch ist hart und gespannt infolge von Starr
heit der Muskeln. In verschiedenen Muskelgruppen
bestehen spasmodische Zusammenziehungen, auch
stellt sich zeitweise das Symptom des Globus bei
ihm ein. Ueberdies ist der Kranke beständig be’
schlechter Laune, so dass, wie es scheint, sein
Leiden seinen Gemüthszustand ebenfalls ergriffen
hat. Asa foetida 3. Dil. brachte Anfangs keine
bemerkenswerthe Veränderung, da aber dieses
Mittel deutlich angezeigt war, so wurde es mehrere
Monate fortgegeben. Der Kranke besserte sich
ganz allmählich, und ist jetzt entschieden auf dem
Wege zur Genesung.
Dieser Fall beweist den Werth des angezeigten
Mittels in erster Linie, in zweiter die Nothwendig-
keit in der Anwendung desselben fortzufahren,
wenn man einen günstigen Erfolg erzielen will.
Setzt man ein gut gewähltes Mittel nicht lange
genug fort, so setzt man sich oft Misserfolgen aus.
III. Cicuta virosa in epileptoiden Fällen.
Dieses Mittel hat eine reizende Wirkung auf
die Medulla spinalis; sodann übt es einen sedativen
Eindruck auf die Gehirnganglien. Die von ihm
bewirkten Krämpfe ergreifen vorzugsweise die
Arme und Beine; dauert seine Wirkung eine
Zeit lang fort, so nimmt der Körper die Opistho¬
tonus-Stellung an. Die Convulsionen sind heftig
und häufig vom Verlust des Bewusstseins begleitet,
woraus sich ein oft mehrere Tage anhaltender
kataleptischer Zustand entwickelt. Charakteristisch
für dieses Mittel ist die Tendenz zur Lähmung;
diese ist die Folge der übermässig hoben Spannung
der Glieder-Muskeln — einer Spannung, die von
einer excessiven Nervenreizung während des Par-
oxysmus herrührt. Cicuta virosa ist ferner angezeigt,
wenn eine sehr ausgesprochene Cyanose des Ge¬
sichts und Schaum vor dem Munde zugegen ist.
Der Kranke bietet eine hochgradige Sensibilität
vor den Anfällen dar; dies ist die charakteristische
Aura des Arzneikörpers.
Cicuta besitzt ferner eine sehr bedeutende
Wirkung auf das Zwet'chfell; so bemerkt man ge¬
wöhnlich Singultus vor und nach dem Krampf;
der Kranke macht beim Atbmen grosse An¬
strengungen und vermag nur schwer zu schlucken.
Eine andere Indication für das Mittel ist der
Ausbruch von Pusteln, die gegen Berührung sehr
empfindlich sind, einige Tage vor dem Anfall.
Ein 26jähriger Handlungsgehilfe litt seit etwa
3 Monaten an Anfällen epileptoider Art. Diese
Attacken waren sehr heftig und nöthigten mehrere
Tage zu Hause zu bleiben wegen der Schwäche
und der Schmerzen, die er in den Gliedern infolge
der Muskelkrämpfe verspürte. Seine Geistes-
thätigkeit war wenig beeinflusst, so dass er —
I was sonst nicht der Fall zu sein pflegt — seinem
I Geschäfte ohne Mühe obliegen konnte. Verf., der
' ihn bei einem seiner Anfälle beobachten konnte,
I war betroffen von der Heftigkeit des Opisthotonus,
| der Gesichtscyauose und von der Neigung zum
Schlucksen nach dem Krampf. Ein anderes be-
merkenswerthes Symptom bei ihm war das schwere
Schlingen fester Speisen einige Zeit nach dem An¬
fall. Diese Erscheinung war so stark ausgesprochen,
dass der Kranke noch mehrere Tage nur flüssige
Nahrung zu sich nahm und auch dies geschah nur
mühsam. Ausserdem war er jeden Monat, und zwar
einige Tage vor dem Anfalle, vom Ausbruche druck¬
empfindlicher Bläschen im Gesichte heimgesucht.
Nach vergeblicher Anwendung verschiedener
1 Mittel kam Verf. auf Cicuta virosa, dessen Patho-
; genese so auffallend ähnliche Symptome darbietet.
Patient bekam es in der 2. Dil. mehrere Wochen
hindurch. Der nächste Anfall war weniger heftig.
Das Mittel wurde fortgesetzt, selbst in der Dosis
von 10 Tropfen der Urtinctur, sobald die ersten
Zeichen der Aura erschienen. Verf. konnte eine
| deutliche Abnahme in der Dauer und Heftigkeit
| des folgenden Anfalls beobachten. Schliesslich gab
i er die 30. Dil. fast ein Jahr hindurch. Verf.
kann nicht behaupten, dass der Kranke völlig ge-
| heilt sei, sein Zustand hat sich aber wenigstens
j bedeutend gebessert. Seit 5 Monaten hat kein An-
i fall mehr stattgefunden und der letzte war sehr leicht.
Das Mittel hat sicher die Heftigkeit der Muskel¬
krämpfe, das Schlucksen und die dem Anfall nach-
i folgenden paralytischen Erscheinungen verringert.
16
Digitized by ^»ooQie
122
Bei Cicuta virosa ergreift der pathologische Pro-
ce8s zuerst die spinalen Zellen, sodann das vasomo¬
torische System durch Vermittlung des Sympathicus.
IV. Agaricus in der Paralysis agitans nebst
gastrischen Krisen.
Ein 50jfthriger Mann befragte Verf. wegen
einer Schüttellähmung, die sich von Tag zu Tag
steigerte. Sein Fall, wie die meisten dieser Art,
schien unheilbar. Das Gesicht war unbeweglich;
es zeigte sich das charakteristische Zittern, der
Gang in kleinen Schritten, der vornüber gebeugte
Körper, und andere für die Krankheit typische
Symptome. Die Sensibilitätsstörungen waren mannig¬
fach und sehr deutlich. Besonders schwer empfand
er ein Gefühl von Nagen in der Magengrube, und
wenn er hiervon befreit werden könnte, sagte er,
würde er sein Leiden leicht ertragen.
Verf. verschrieb ihm mehrere, bereits in der
Paralysis agitans gebrauchte Mittel; aber, sagte er:
„ich gestehe mein Unrecht ein, denn alle diese
Mittel waren für die Krankheit gewählt, aber nicht
gemäss der beobachteten Symptome.“ So ver¬
gingen mehrere Monate ohne einen Erfolg. Ich
machte sodann eine strenge Prüfung aller Sym¬
ptome, indem ich aus meinem Geiste jeden Ge¬
danken an die Affection selbst zu verbannen be¬
müht war. Da wurde ich von der beständigen
Hindeutung des Kranken auf die nagende Em¬
pfindung im Magen betroffen; ich erfuhr, dass
dieses Symptom begleitet war von einem Gefühl
von Ameisenkriebeln in der Rückengegend. Durch
beständiges Kratzen dieser Theile suchte er sich
eine Erleichterung zu verschaffen, aber er bewirkte
damit nur eine um so stärkere Reizung. Diese
Empfindung quälte ihn nur bei Tage; bei Nacht
spürte er nichts davon.
Im Farrington blätternd, fand Verf. diese Sym¬
ptome in der Pathogenese von Agaricus muscarius
gut beschrieben, als Erfahrungen, die einer Spinal¬
irritation zugeschrieben wurden.
Ferner zeigten sich beim Kranken noch andere
nervöse Symptome, wie Brennen und Beissen in
den Händen, Füssen und Ohren, als ob sie er¬
froren wären, Contractionen in den Gesichtsmuskeln,
Brennen und Wehthun längs des Rückenmarks,
bei grosser Empfindlichkeit desselben gegen Be¬
rührung, Lidkrämpfe mit Schwindel, etc. Mit
anderen Worten, das war nach den Symptomen
ein so recht für Agaricus passender Fall. Auch
bessern sich bei diesem Mittel alle Symptome bei
Nacht und während des Schlafes , und das war ja
gerade bei unserem Kranken so sehr eigenthüm-
lich, dass seine Leiden mit dem Tage anfingen
und bei Nacht verschwanden.
Darauf hin erhielt Patient Agar. musc. in der
3. Dec. Dil. Zwei Monate später schrieb er, dass
I dies das erste Mittel sei, welches ihm Erleichterung
zu schaffen vermöge. Er fuhr damit längere Zeit
fort, und zwar mit vorzüglichem Erfolge. Die Em¬
pfindung im Magen ist vollständig verschwunden.
Zum Schluss sagt Verf.: „Ich bin von der in
diesem Falle von Paralysis agitans eingetretenen
Besserung sehr überrascht worden; denn, trotzdem
die pathologischen Verhältnisse dieselben geblieben
und die Hauptsymptome noch vorhanden sind, so
hat doch der Kranke mehr Kraft und mehr Con-
trolle über seine Bewegung, und das Zittern hat
sich merklich vermindert; er schreitet mit mehr
Sicherheit, und scheint die Coordination voll¬
kommener zu sein.“ (The Clinique Revue homoeop.
beige. Nov. 1898.)_ M.
Aus der Versammlung deutscher Natur¬
forscher und Aerzte in München.
In der gemeinsamen Abtheilung für innere
Medicin und Hygiene sprach Prof. H. Büchner-
München „Ueber natürliche Schutzeinrichtungen des
Organismus und deren Beeinflussung zum Zweck
der Abwehr von Infectionserregern.“ Schon 1894
lautete das Gesammtergebniss der Untersuchungen,
dass das Blut als das grosse bakterienfeindliche
Schutzmittel im Körper angesehen werden müsse.
Es handelt sich nunmehr darum, die Art dieser
Wirkung näher zu beleuchten und die praktischen
Folgerungen daraus zu ziehen. Die bei der Ab¬
wehr von Infectionserregern wirksamen Stoffe des
Blutes sind nach den neuesten Ergebnissen offenbar
als eine Art von Verdauungsmittel aufzufassen.
Dieselben sind im Stande, Bakterien ebensogut auf¬
zulösen , wie fremde rothe Blutkörperchen. Zu
solchen verdauenden, auflösenden Wirkungen sind
auch die weissen Blutkörperchen befähigt. Diese
Wirkung des Blutes ist bisher weit unterschätzt
worden, trotz der vorzüglichen Arbeiten und
Forschungen des Chirurgen Prof. Bier, der nach¬
wies, dass durch Blutanstauung die Knochen- und
Gelenktuberkulose, der acute und chronische Ge¬
lenkrheumatismus häufig in überraschender Weise
geheilt werden können. Auch die Steigerung der
arteriellen Blutzufuhr durch Anwendung heisser
Luft erzielt Heilwirkungen; namentlich ist dies
aber der Fall bei derjenigen Vermehrung der Blut¬
zufuhr, welche durch Alkoholverbände in bestimmten
Körpertheilen hervorgerufen werden kann. Die
chirurgische Erfahrung lehrt, dass unter solchen
Verbänden die heftigsten Zellgewebs- und Lymph-
gefössentzündungen, Furunkel, Abscesse etc. un¬
mittelbar zum Stillstand und zur Heilung gebracht
werden, lediglich durch die raschere und stärkere
Durchblutung der Organe. Eine scheinbar unwich¬
tige, in Wirklichkeit recht schädliche, weil so un-
Digitized by
Google
123
gemein häufige Erkrankung, welche durch Alkohol¬
anwendung geheilt und verhütet werden kann, ist
auch die sogenannte Zahnfäule. Schlechte, schmerz¬
hafte, abbröckelnde Zähne haben bei uns zu Lande
sehr viele Menschen; aber die wenigsten wissen,
dass sie durch regelmässige, täglich zweimalige An¬
wendung von Alkohol zum Zahnputzen ihre Zähne
allmählich wieder gesund machen und gesund er¬
halten können, und zwar weit sicherer als durch
alle Zahntincturen, Pulver, Pasten u. dergl. Auch
diese Wirkung beruht auf der verstärkten Zufuhr
von Blut zu den Zähnen, wodurch diese besser
ernährt und besser in den Stand gesetzt werden,
den Angriffen der Bakterien Widerstand zu leisten.
Noch wichtiger ist die Thatsache, dass durch
Alkoholverbände viele, bereits verzweifelt scheinende
Fälle von Knochen- und Gelenktuberkulose noch
geheilt werden können, wie sich das durch Ver¬
suche in der Münchener chirurgischen Klinik, die
auf Veranlassung des Vortragenden ausgeführt
wurden, herausstellte. Die Zahl der Fälle ist zwar
wegen der Kürze der Zeit noch gering, aber die
Ergebnisse sind sehr günstige, zum Theil glänzende.
So erfolgte z. B. hei einem 15jährigen Mädchen
mit tiefen tuberkulösen Fisteln am rechten Hand¬
gelenk, das wegen bisheriger Aussichtslosigkeit der
Behandlung bereits zur Operation bestimmt war,
unter Alkohol verband innerhalb 4 Wochen voll¬
ständige Heilung. Es ist zweifellos anzunehmen,
dass sich noch weitere Krankheitsformen finden, die
durch Alkoholverbände geheilt werden können, und
im allgemeinen ist zu erwarten, dass die Medicin
von den jetzt klarliegenden, resorptiven und heilen¬
den Wirkungen des Blutes eine immer zweck-
mässigere und wirksamere Anwendung machen wird.
X.
Die Behandlung der trachomattteen Lider
mittels Massage mit Borsäure.
Von Dr. William Spencer, Philadelphia.
Aus einem Vortrage, den Dr. Spencer in the
Homoeopathic Medical Society von Pennsylvanien
im September 1894 gehalten, geben wir hiermit
einen Auszug, der sich besonders auf den prak¬
tischen Theil bezieht.
Das Trachom charakterisirt sich durch langsam
fortschreitende Veränderungen in der Bindehaut
der Augenlider, denen zufolge diese Membran
hypertrophisch, gefässreich und durch feste Er¬
hebungen rauh wird. Die Hypertrophie der Schleim¬
haut erscheint unter papillärer, granulöser oder ge¬
mischter Form. Das Sehen ist durch die Mit-
affection der Hornhaut, die sich als Pannus oder
Geschwürigkeit zeigt, gestört. Bei der Behandlung
dieser Krankheit kommen nur die mildesten Fälle,
oder solche, die frühzeitig behandelt werden, zur
völligen Heilung mit Wiederherstellung des Seh¬
vermögens. In anderen Fällen bleiben Reste zu¬
rück, die einen bleibenden Fehler in der Cornea,
den Lidern oder der Bindehaut verursachen. Die
absondernden Drüsen werden oblitterirt, die Binde¬
haut kann nicht die erforderliche Feuchtigkeit
liefern, und so entsteht eine lästige Trockenheit
und Reizung der Lider. Durch Schrumpfung der
Gewebe werden die Haarfollikel verzogen, die
Haare gehen aus oder richten sich gegen den
Bulbus herab. Die Lidspalte ist verkürzt, die
Lider können nicht gehörig von einander gehalten
werden, die Tarsi treten hervor als straffe Wülste.
Als Hauptaufgabe hat die Therapie die Be¬
seitigung und Absorption der granulären Neu¬
bildungen betrachtet, und sind die hierzu ange¬
wandten Verfahren — eine Legion, und doch ist
das Ziel selten vollständig erreicht worden.
Durch einen Artikel in dem Journal für Oph¬
thalmologie, Otologie und Laryngologie, Juli 1891,
wurde die Aufmerksamkeit des Vfs. auf die An¬
wendung der Massage mittels Borsäure gelenkt,
und, da sich eine Anzahl von Fällen trachomatöser
Augenkranker in der Dispensiranstalt des Hahne-
mann - Hospitals befanden, so erschien das Ver¬
fahren des Versuches werth. Seitdem ist es dort
in allen acuten wie chronischen Fällen angewendet
worden, ohne alle andere Beihelfer, ausser Atro¬
pin in Photophobie höheren Grades oder bei
Iritis und Hornhautgeschwüren.
Man anästhesirt das Auge mit einer Cocain-
Lösung, reinigt es mit Seife und Wasser, wenn’s
nöthig ist, verstäubt dann reichlich gepulverte Bor¬
säure über die nach aussen gewendeten Lider, und
reibt dies mit der Spitze des Zeigefingers, unter
tüchtigem Drucke, gehörig ein.
Bei dem ersten Aufbringen und Einreiben des
Pulvers bildet sich eine dicke Paste, indem die
Reizung der Conjunctiva eine starke Absonderung
von Feuchtigkeit veranlasst. Ist die Paste aufge¬
zogen oder gelöst, so thut man wieder Pulver auf
und setzt die Massage fort.
Dies geschieht mehrmals während der Behand¬
lung, bis die Secretionen keine Paste mehr bilden
und heim Einhalten der Procedur das Gewebe und
das Pulver völlig trocken sind. Ist die Cornea
durch Pannus mit betheiligt, so macht man durch
die geschlossenen Lider eine indirecte Massage der
Cornea. Im Anfänge dieses Verfahrens wird sich,
da die Conjunctiva hyperaemisch ist, etwas Blutung
zeigen. Das wird aber nach einigen Proceduren
aufhören. Obwohl dies Verfahren dem Anschein
nach sehr rauh ist, so folgt doch geringe Reaction
darauf, und Patient kann, nachdem man die äusse-
16*
Digitized by ^»ooQle
140
einem Typhuskranken gebraucht worden ist? Ref. ]
muss aber dieses Experimentiren mit noch wenig
bekannten Mitteln an einem Typhus- Kranken, und j
zwar in starken Dosen, als unverantwortlich erklären, j
Fronmüller hat übrigens schon 1883 3 Vergif-
tungsfälle nach äusserlicher Anwendung des Naph- ,
thalins auf Wunden veröffentlicht. Die Symptome
waren: Plötzlich auftretendes Fieber mit starker
Pulsfrequenz, zweimal mit Schüttelfrost beginnend,
Appetitslosigkeit, Durst und Kopfschmerz, einmal
drohender Collapsus, unwillkürlicher Abgang von
Kotli und Urin , maniakalische Aufregung , einmal
Urin sehr eiweisshaltig mit Cylindern im Sediment ,
einmal dunkel, ebenfalls mit viel Eiweiss.
Dazu kommt nun ein neuerlich von Dr. Zangerle
aus der medicinischen Poliklinik in Maryburg mit-
getheilter, interessanter Fall.
Ein in den Wald zum Holzsammeln geschickter
12jähriger Knabe kam Abends 9 Uhr in einem
Zustande nach Hause, den der Vater für einen
Rausch com Alkoholgenuss hielt, weshalb er den
Jungen züchtigte. Der Knabe hatte taumelnden
(Jang, war ludh bewusstlos , sprach kein Wort , gab
auf Fragen keine Antwort und reagirte auch nicht
auf die Prügel. Die Kameraden des Knaben ver¬
sicherten dem Vater, dass sein Sohn keinen Alkohol
genossen, auch keine Beeren im Walde, wohl aber
zwei Bonbons, die ihm ein Schulgenosse geschenkt |
hatte, worauf allmählich die Erkrankung eingetreten j
sei. — Pat. bekam grosse Mengen Milch und Zucker, |
worauf bald Erbrechen erfolgte.
Dr. Zangerle fand den Jungen am anderen
Morgen noch etwas müde und schläfrig, sonst aber
war Alles normal. —
Es stellte sich heraus, dass jene Bonbons in
einer Droguerie als Mottenmittel verkaufte Naph -
thalin - Tabletten gewesen waren. Sie sahen wie
Zucker aus und bestanden aus mechanisch zusammen¬
gepresstem Naphthalin, das sich bei der Unter¬
suchung als durchaus rein erwies, etwa 2 Gramm
an Gewicht.
Ein anderer Knabe, der nur einen solchen Bonbon
verspeiste, war darnach ebenfalls, aber leichter erkrankt.
Werden die Empfehler des Naphthalins diesen
Thatsachen gegenüber dieses Mittel als ein un¬
schuldiges anzupreisen die Stirn haben? Für den
einigermasseu einsichtsvollen Arzt steht es wohl I
als ein Axiom da, dass ein Mittel, welches dem
Gesunden nicht schaden, d. h. bei ihm keinerlei
pathogenetische Erscheinungen erzeugen, auch dem
Kranken nicht helfen kann. Deshalb ist es Ref.
immer aufgefallen, wie ein so guter Beobachter
wie Rademacher die Heilmittel in solche dem
menschlichen Organismus freundliche und feindliche
hat eintheilen können.
Die Prüfungen von manchen für „freundlich“
erklärten Mitteln, wie z. B. Kupfer und Eisen, die
R. an sich selbst ausgeführt hat, sind freilich höchst
oberflächlich: und andererseits war sein Organismus
wohl von jener hahnebüchenen, für den Besitzer
sehr schätzbaren Art, die von Arzneireizen nur
wenig angekränkelt wird.
Für uns steht fest, dass unter den neuen chemi¬
schen Mitteln gar manche eine grosse Heilwirkung
in sich bergen, nicht obgleich, sondern gerade weil
sie am Gesunden so bedeutende Reizerscheinungen
hervorrufeu können.
Dieser Gedankengang, der doch gar nicht so
paradox ist, will den Vertretern der herrschenden
Schule so schwer in den Kopf, sonst würde sie
nicht neuere Mittel, die in der That am rechten
Ort und in der rechten Dosis gegeben, entschie¬
dene Heilwirkungen äussern und oft geäussert
haben, alsbald wieder verwerfen, sobald die klinische
Beobachtung oder unfreiwillige Experimente am
Gesunden „toxische“ oder besser pathogenetische
Wirkungen zu Tage gefördert haben, — ein Spiel,
das sich vor dem aufmerksamen Beobachter immer
wieder erneuert. Erst das pathogenetische, nicht
bloss physiologische, Experiment am gesunden Men¬
schen und auch Thier — dann der klinische Ver¬
such! So verlangt es die Wissenschaft der Mediein;
das Ausprobiren der neuen Mittel an allen mög¬
lichen Kranken, und sei es in noch so vielen Uni¬
versitätshospitälern, fördert die Erkenntniss in der
Arzneimittel-Wirkungslehre im Ganzen wenig.
Dr. Mossa.
Faciamus experimentum in anima vili!
Wie und wo ist dieser wirklich verruchte Aus¬
spruch von ärztlicher Seite gethan worden?
Der gelehrte, grosse Latinist Muret erkrankte
auf einer Fussreise nach Italien in einem Alpcn-
dorfe in bedenklicher Weise. Sein Arzt rief einen
Collegen zur Berathung. Dieser schlug ein heroi-
| sches Mittel vor mit der Bemerkung: Faciamus
I experimentum in anima vili, d h. also: Machen wir
einmal ein Experiment an einer gewöhnlichen, be¬
langlosen Seele, einem werthlosen Leben, um das
sich doch Niemand kümmert. Der Herr College
bekam aber eine Antwort, die ihm vor dieser Seele
sicherlich Respect einflösste. Denn der durch diesen
Ausspruch tief erschrockene, und wohl auch empörte
Kranke raffte sich auf und rief in gutem Latein:
„Etiam ego redemptus sum pretioso sanguine
Christi.“ —
Freilich der moderne Arzt, falls er ein Leben
so niedrig anschlagen sollte, hätte eher von einem
corpus vile gesprochen, aber auch so wäre der
Ausspruch eines echten Schülers des Ilippokrates
unwürdig. M.
Digitized by L^OOQle
125
Die Revisionen der ärztlichen Hausapotheken betreffend. StrÄÄJnf)
Auf häufig vorkommende Anfragen theile ich hierdurch mit, dass die Herren Revisoren bei selbstdispensirenden
homöopathischen Aerzten bisher Folgendes verlangt haben:
1. Den Approbationsschein. Alle Nicht-Separanda und die weiteren Potenzen
2. Das Zeugntss ttber das in Berlin bestandene der Yenena und Separanda von D. 4 (inclusive)
Dispensirexamen. aufwärts müssen ausserhalb der Gift- und Separanda-
3. Die Genehmigung zum Halten einer homöopa- schränke in einem dritten Schranke aufbewahrt werden
thischen Hausapotheke. (Diese wird von dem Ke- und „schwarz auf weiss“ signirt sein. — Manche Revi-
gierungspTäsidenten auf Antrag nach Prüfung der Ver- soren gehen soweit, für die ausser liehen Mittel Signa-
hältnisse widerruflich ertheilt.) turen „weiss auf roth“ zu verlangen, eine derartige
4. Eine Sammlung aUer das Selbstdispensiren der Keichsverordnung ist mir jedoch nicht bekannt und bin
homöopathischen Aerzte Deutschlands betreffen- ich der Ansicht, dass man sich diesem Wunsche nicht zu
den Gesetze (z. B. Lorbacher’s Anleitung und die fügen hat. Sind die äusserlichen Mittel sonst richtig
neueren Vorschriften, publicirt in Nr. 5/6 der Allg. signirt — „schwarz auf weiss“ oder „roth auf weiss“, je
homöopath. Ztg., 128.Bd., oder die neuesten Apotheker- nachdem sie Nichtseparanda oder Separanda sind — und
gesetze von Medicinalaasessor Feldhaus, Münster i. W.) in sechseckigen Gläsern, so sind sie vorschriftsmässig
5. Ein Journal ttber die abgegebenen Arzneien (Men- eingereiht.
gen, Inhalt und Taxpreise derselben) mit Namen der Die nöthigen Etiketten sind laut früheren Offerten
Patienten, Datum etc. alle hier zu haben.]
(Alle Mittel müssen jetzt bei Abgabe an die Patien- f) Die nöthigen Waagen, Gewichte, Mörser und Löffel für die
ten mit einer Signatur versehen sein, die ausser dem Gifte und Nicht-Gifte; erstere mit entsprechender Sig-
Namen des dispensirenden Arztes auch den Namen nirung, analog den Vorschriften, die unter e) genannt sind,
des Patienten, Datum, Buchnummer und Anwendungs- In manchen Regierungsbezirken verlangt man nur:
weise des Arzneimittels trägt; solche Etiketten liefere 1 Mörser, 1 Waage, 1 Löffel, je mit „Gifl“ signirt.
ich »ehr gern und stehe mit Proben zu Diensten.) In anderen für jede Giftsorte, wie Arsenicalia, Alcaloide,
6. Eine homöopathische Pharmakopöe. (Es ist nicht Mercurialia und Phosphorus, je 1 Waage, 1 Mörser und
gesagt, welche, und nimmt man am besten die von 1 Löffel, separat und besonders signirt.
Dr. Schwabe, da in den Apotheken Nord- und Mittel- (Alles ist auf Lager und wird auf Wunsch geliefert.)
Deutschlands allgemein nach dieser gearbeitet wird.) g) Manchmal wird auch eine Tarirwaage verlangt, die von
7. RcYisioDsmttssIge Einrichtung der Hausapotheke. Aerzten fast nie gebraucht wird und sehr theuer ist. (Unter
Dazu gehört: 50—60 Mark sind sie nicht zu haben; ich habe daher
a) Ein separates Zimmer. solche in einfachster Ausführung, auf einfachem Brette,
b) 1 Schrank für die Venena, Tab. B. | laut für Revisionszwecke genügend, herstellen lassen, die ich
(Giftschrank) I meinen zum Preise von 24 Mark offeriren kann.)
c) 1 ,, „ „ Separanda, Tab. C.| früheren h) Ein Arbeitstisch und die sonstigen Utensilien zur Bereitung
(Separandaschrank)J Offerten. von Potenzen, Verreibungen etc. und zur Abgabe der
d) 1 „ „ ,, Nicht-Separanda Arzneien, als: präcisirte Waagen, Gewichte, Mörser, Löffel,
e) Alle in Lorbacher’s Anleitung angegebenen 52 Mittel Trichter, Mensurirgläschen, Täschchen, Schachteln, Korke,
in D. 1. bez. C 1. flüssigen Potenzen oderVerreibungen Beutel etc. etc.
(in einfach. Gläsern mit Korkstöpseln oder in solchen i) In einigen Regierungsbezirken wünschen die Herren Revi-
mit Glasstöpseln, — Quantitäten ä 15,0 genügen). soren von allen in den ärztlichen Hausapotheken vor-
[Alle Yenena — Tab. B. — Urstoffe, Ur- handenen Mitteln die 1. Potenzen vorräthig zu sehen,
tincturen und ihre D. 1., D. 2. und D. 3. Potenzen während meistens nur die unter e) angeführten 52 Mittel
müssen im Giftschranke aufbewahrt werden und in solchen verlangt werden.
„weis 8 auf schwarz“ signirt sein. k) Ganz peinliche Revisoren verlangen sogar auch ein Waaren-
Alle Separanda — Tab. C. — Urstoffe, Eingangsjournal mit Angabe der Bezugsquellen und Auf-
Urtincturen und ihre D. 1., D. 2. und D. 3. führung jedes einzelnen bezogenen Mittels, wozu ich als
flüssigen Potenzen oder Verreibungen müssen im Belege ganz specificirte Rechnungen liefern muss, auf
Separandaschranke aufbewahrt werden und „roth denen jedes Mittel mit Namen, Gewicht, Potenz und
auf weiss“ signirt sein. Preis einzeln aufgeführt ist.
Alles hier Aufgeführte liefere ich nach früheren Offerten, mit denen ich erneut gerne zu Diensten stehe, bestens
und billigst.
Alle Herren Aerzte ersuche ich um gef. Benachrichtigung, falls nach ihren bei Revisionen gemachten Erfahrungen
obige Angaben nicht vollständig oder falls abweichende Anforderungen gestellt worden sind, damit man in die Lage
kommt, in dieser Angelegenheit ganz exacte Angaben machen zu können, was bisher bei der verschiedenen Handhabung
in den einzelnen Regierungsbezirken nicht möglich war.
Hierzu noch folgende ergänzende Mittheilungen:
Zu No. 5. Angabe der Buchnummer ist nicht überall erforderlich, die Signaturen müssen aber besagen:
Zeit und Gabe, wie die Arzneien zu nehmen, — in Buchstaben —, bei flüssigen Mitteln zum innerlichen Gebrauch
die Etiquetten auf welssani Grunde (in runden Gläsern); zum äusserlichen Gebrauch die Etiquetten auf rotheiu
Grunde (in 6 eckigen Gläsern).
Zu No. 7. Alle Venena (Tab. B) in Urst offen und Urtincturen zu halten, ist von der Regierung in Minden ver¬
boten und der Minister hat dieses Verbot bestätigt. — AUeMedicamente sollen in 1. Verdünnung (Potenz) vorhanden sein.
A. MarggraPs homöopathische Offlein, Leipzig.
Berichtigung.
Zu No. 3 der vorstehenden „die Revision der
ärztlichen Hausapotheken betreffenden “ Angaben habe
ich seit Längerem auf Anregung eines homöopathi¬
schen Arztes in Westfalen auf Grund seiner Er¬
fahrungen noch folgende Mittheilung gebracht:
Digitized by v^ooQie
142
„Zu No. 3. Wer das Dispcnsir-Examen bestan¬
den bat, muss durch seinen zuständigen Kreis*
Physicus das vom Miuister ausgefertigte Berech¬
tigungs-Attest der betr. Regierung einsenden. Es
bedarf zur Ausübung der homöopathischen Praxis
mit Selbstdispensation ebenso wenig Genehmigung
Seitens der Regierung, wie zur ärztlichen Praxis
überhaupt. Auf die Nachsuchung einer solchen Ge¬
nehmigung darf sich kein homöopathischer Arzt •
einlassen.“ j
Heute schreibt mir nun Herr Ilofarzt Dr. Windel- '
band-Berlin, als Vorsitzender des Vereins selbst-
dispensirender preussischcr homöopathischer Aerzte,
wofür ich bestens danke, dass diese Notiz nicht
richtig sei und diejenigen homöopathischen Aerzte,
welche ihr Dispensirrecht ausüben wollen, in Cou-
flict mit dem Minister und in die Gefahr bringen !
könne, ihr Dispensirrecht überhaupt zu verlieren! — j
Diese Herren müssen sich vielmehr streng nach
dem Ministerial-Erlas8 vom 19. Januar 1897, den ,
ich schon am 11. März 1897 in No. 11/12 des ,
134. Bandes der Allgemeinen homöopathischen Zei¬
tung veröffentlicht habe, richten. — Ich lasse daher |
in Zukunft gern diese, von mir nur gut gemeinte I
Anmerkung weg und verweise erneut und ausdrück¬
lich auf vorstehend genannten und nachstehend ab- !
gedruckten Ministerialerlass.
Leipzig, 3. October 1899.
William Steinmetz.
Ministerialerlass,
betreffend die homöopathischen Hausapotheken-
Die Vorschriften des Reglements über die Be’ i
fugniss der approbirten Medicinalpersonen zum !
Selbstdispensiren der nach homöopathischen Grund- i
Sätzen bereiteten Arzneimittel vom 20. Juni 1843
(G.-S. S. 305) haben vielfach die Auslegung er¬
fahren, dass Aerzte, welche die im § 3 des Regle¬
ments bezeichnete Prüfung bestanden haben, schon
auf Grund des erlangten Befähigungszeugnisses ;
sich zum Selbstdispensiren homöopathischer Arznei- !
mittel für berechtigt halten, ohne hierzu die Er- .
laubniss des Ministers der geistlichen etc. Angelegen¬
heiten erhalten zu haben. Dass diese Auslegung j
eine irrige ist, ergeben die Vorschriften der §§ 2 '
und 3, welche das Recht, nach homöopathischen
Grundsätzen bereitete Arzneimittel selbst zu dis-
pensiren, ausser von der durch das Bestehen einer
Prüfung nachzuweisenden Befähigung noch von
einer besonderen Erlaubnis des Ministers ausdrück¬
lich abhängig machen. Wer ohne diese Genehmi¬
gung homöopathische Arzneimittel selbst dispensirt, +
solljgemäss der Bestimmung im § 8 daselbst von
der Befugniss hierzu für immer ausgeschlossen
bleiben und ausserdem nach den allgemeinen Vor- ,
Schriften über den unbefugten Verkauf von Arz
nein bestraft werden.
Indem ich Veranlassung nehme, die vorstehenden
Anordnungen des Reglements erneut in Erinnerung
zu bringen, bemerke ich zugleich, dass ich beab¬
sichtige, bei der Handhabung dieser Angelegenheit
in Zukunft nach Massgabe der nachstehenden Ge¬
sichtspunkte zu verfahren.
1. Denjenigen homöopathischen Acrzten, welche
bisher ohne ministerielle Erlaubnis homöopathische
Arzneimittel selbst dispensirt haben, wird die Ge¬
nehmigung ohne Weiteres ertheilt werden, sofern
nicht Verfehlungen des Antragstellers gegen die
medicinal-polizeilichen Vorschriften oder sonstige die
Zuverlässigkeit der Person in Frage stellende llin-
derungsgründe eiue Versagung erforderlich er¬
scheinen lassen.
2. Der Umstand, dass bei den vorhandenen
Apotheken eines Ortes homöopathische Arznei¬
abgabestellen eingerichtet sind, bildet kein Hinder¬
niss für die Ertlieilung der Genehmigung.
3. Beim Wechsel des Wohnortes des Arztes
erlischt die Genehmigung nicht; dagegen ist der
Arzt verpflichtet, von dem Wechsel dem Regierungs¬
präsidenten, und, falls der Wohnort in den Bezirk
einer anderen Regierung verlegt wird, auch dem
Präsidenten dieser Regierung Anzeige zu erstatten.
4. Die zur Zeit bestehenden Vorschriften über
die Einrichtung und Beaufsichtigung der ärztlichen
Hausapotheken bleiben auch ferner massgebend
(vgl. die §§ 49, 50 der Vorschriften über Ein¬
richtung und Betrieb der Apotheken etc. vom 16. De-
ccraber 1893, M. Bl. f. i. V. 1894, S. 11, und
§§ 1, 25, 26 der Anweisung zur amtlichen Besich¬
tigung der Apotheken etc. vom 16. December 1893,
daselbst S. 12 und 15).
Indem ich die entgegenstchendcn Bestimmungen
des Runderlasses vom 14. November 1895 aufhebe,
ersuche ich Ew. Hochwohlgeboren ergebenst, bei
berichtlichen Anträgen die vorstehenden Gesichts¬
punkte gefälligst zu beachten.
Berlin, den 19. Januar 1897.
Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und
Mcdicinalangclegenheitcn.
Bosse.
Lesefrlichte.
Die Behandlung der Ozaena init Citronensiiure.
Von Dr. Hamm in Braunsehweig.
Für die Behandlung der Ozaena sind schon un¬
zählige Mittel angegeben worden, ohne dass aucli
nur eius derselben die Bezeichnung eines wirk¬
lichen Heilmittels verdiente. Das kann auch nicht
Digitized by Google
127
Fällen beobachten konnte, verläuft ungefähr
folgendermassen: Der Kranke wird plötzlich auf¬
geregt, sieht wirr um sich, betrachtet die Um¬
gebung verwundert, gestikulirt lebhaft, will fort,
redet wirr oder tobt gar; das Gesicht ist stark ge-
röthet, die Athmungsbewegungen sind tief und an¬
gestrengt. Die objective Untersuchung ergiebt sy¬
stolische Geräusche an der Herzspitze oder Zeichen
von Herzschwäche, Temperatur normal, Oedeme
brauchen nicht vorhanden zu sein, ebenso fehlt
häufig Albumen im Harn. Das ganze Krank¬
heitsbild erinnert zunächst an einen urämischen
Anfall, doch fehlen zu dem Bilde Sopor und Somno¬
lenz und ferner die bei der Urämie stets vorhan¬
denen Zuckungen. Ob als Ursache der Erschei¬
nungen, ähnlich wie bei der Urämie, die Entstehung
toxischer Körper anzunehmen ist, die in übergrosser
Menge aus der ödematösen Flüssigkeit in das Blut
aufgenommen und nicht schnell genug ausgeschieden
werden, so dass sie das Centralorgan vergiften,
erscheint Verf. höchst zweifelhaft, da er den Sym-
ptomencomplex auch bei fehlenden Oedemen beob¬
achtete. Die Aufregungszustände auf embolische
Processe zurückzuführen, erscheint ihm ebenfalls
gewagt, da er niemals Spuren von Lähmungen be¬
merkte. Der Anfall selbst pflegt nach einigen 6
bis 10 Stunden oder mehr zu verschwinden, um
dann nach Monaten wieder aufzutreten. Die Pro¬
gnose ist eine günstige, was zu wissen um so wich¬
tiger ist, als der Anfall den Eindruck einer plötzlich
aufgetretenen Geisteskrankheit macht; doch muss
man die Angehörigen auf die fast regelmässig auf¬
tretenden Recidive hin weisen. Für die Behandlung
des Anfalles genügt es, den Kranken unter guter
Bewachung zur ruhigen Bettlage zu veranlassen,
eventuell Morphiumeinspritzung, bei mangelhafter
Herzaction Digitalis bei gleichzeitig gereichtem
Opiat; in der anfallsfreien Zeit Behandlung des zu
Grunde liegenden Herzleidens.
(Sep.-Abdr. D. m. W. 11. Mai 99.)
Anzeigen.
Im Verlage von A. Marggraf’s Homöopath. Officin in
Leipzig ist erschienen:
Die homöopathische Behandlung
der
Augenkrankheiten
sowie der
Ohrenkrankheiten
nach den Erfahrungen der homöopathischen
Specialisten
DDr. Vilas, Norton und Houghton
zum Gebrauche für practische Aerzte.
Bearbeitet von
Dr. Th. Bruckner,
homöopathischer Arzt in Basel.
9V, Druckbogen. 8°. Preis gut geb. M. 3.—,
brosch. M. 2.50.
Ausführliche Besprechung dieses Buches in No. 23/24
des 128. Bandes dieser Zeitung.
Hygiama.
Seit 1891 klinisch vielfach erprobtes diätetisches
Nähr- und Stärkungsmittel.
(Zusammengesetzt aus oondens. Milch, Gersten- und
Weizenmehl, Zucker und Kakao.)
Wegen seiner Leiohtverdauliohkelt und hohen
Nährkrait indicirt bei:
Magen - und Darmleiden , Anaemie,
Chlorose, Nervosität, Hyperem . gravid .,
Typhus ab dom,, künstlicher Ernährung ,
Scrophulose, Reconvalescenz.
In vielen Hospitälern und Irrenanstalten ständig
im Gebrauch.
Preis der Dose M.1.60 (300g) u. M. 2.50 (öOOglnh.).
Vorrftthig in den meisten Apotheken und Drogerien.
Wissensohaftl. Urtheile, Analysen u. Gratismuster durch
Dr. Thelnhardt’s Nährmittel-Gesellschaft
Cannstatt (Württbg.).
Bönninghausens
Therapeutisches Taschenbuch
in neuer deutscher Auflage.
Brosch. 10.— Mk., geh. 11.— Mk.
Aufträgen sieht die Unterzeichnete Verlagshandlnng gern entgegen.
A. Marggraf’s homöopath. Offtein, Leipzig.
Digitized by L^OOQie
12S
Nachstehend verzeichnete Apotheken empfehlen wir
als Haupt-Depots
unserer homöopathischen Arzneien, Hausapotheken etc. —
Dieselben haben sich verpflichtet, alle Arzneien etc. von
uns nur in Originalpackungen mit einer unsrer Firmen zu
beziehen und weiter zu verkaufen, sodass volle Garantie
für Echtheit und beste Qualität den verehrten Käufern
geboten ist.
Karl Otte’s Fischmarkt-Apotheke, Hamburg,
Fischmarkt.
Dr. G. Wiedermann, Löwen-Apotheke, Frei¬
burg i- Baden.
Joh. Manecke, Hof-Apotheke, Magdeburg.
Dr. C. Hofs Apotheke, Pforzheim (Baden),
gegenüber dem Rathhause.
Dr. Fr. Oelze, Krummacher’sche Apotheke,
Bielefeld, am alten Markt.
Alfred Fitzau, Rothe Apotheke, Bernburg
(Anhalt), Kaiserstrasse 3 a.
H. Steinhorst, Mohren-Apotheke, Prenzlau.
Wed. Bulterman & Cohen, Apotheker, Rotter¬
dam, Hoogstraat.
.!. W. Floryn, Centraal-Apotheek, Haarlem,
Groote Houtstraat 78..
Weitere Depots folgen in allen grossen Städten.
Die vereinigten
Leipziger homöopathischen Apotheken:
Tftschner & Co., Homöopathische Central-Apotheke,
A. Marggrafs homöopathische Offloin und Carl
Gruner’s homöopathische Offloin (früher in Dresden).
Hochfeines Tafel- (Speise-) Oel.
Allen Freunden eines voizüglicben Speise- oder Salat-
Oeles empfehle ich, aus ersten Häusern bezogen, billigst
hochfeinstes Provenceröl (Huile Vierge)
gold gelb, von feinstem Geruch und Geschmack
krystallklar
I a 1 Flasche : 500,0 Gramm incl. Flasche Mk. 1.70.
Ii a 1 , : 500,0 „ 1.40.
Bei grösseren Mengen noch billiger.
Leipzig. A. Marggrafs homöopath. Offlein.
Im Verlage von A. Marggrafs homöopathischer
Offlcin in Leipzig ist erschienen:
Die vergleichende
Arzneiwirkungslehre
von
Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering.
Aus dem Englischen bearbeitet und herausgegeben
von
Sanitätsrath Dr. med. F&nlw&sser, Bernburg a. S.
Complet geh. 20 Mark.
Dieses neue Werk will den vorhandenen homöo¬
pathischen Arzneimittellehren keine Concurrenz machen,
denn nach Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe
wesentlich von ihnen. — Es bringt Arzueivergleiche,
Mitteldiagnosen, welche allein und ausschliesslich die
Unterschiede je zweier derselben enthalten und in anti¬
thetischer Gegenüberstellung die betreffenden Verschieden¬
heiten scharf hervorheben.
Diese vergleichende Arznei wirkungslehre ist vielmehr
ein Supplement aller vorhandenen homöopathischen
Arzneimittellehren.
Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen
homöopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer
Zunge konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen.
Jedem homöopathischen Arzte und gebildeten Laien
ist die Anschaffung dieses Werkes dringend zu empfehlen.
Auf Reisen und zur Dispensation sehr practisch.
Homöopathische Mittel
in Tablettenform, & 0,£5 Gramm Gewicht»
(Das richtige Quantum für eine einzelne Arzneigabe.)
1 Cylinder
ä
12 Stück
—
3 Gramm
. . . Mk.
-.20
1 1 Flacon od.
1 IScl'achlel
k
24
»»
=
6 „
. . . „
-.30
1 „
k
30
=
7,5 „
• . • ,,
-.35
1
k
40
n
=
10 „
. • . V
—.45
1
ä
50
>>
=
12,5 „
• • • »»
—.55
1
k
60
>»
=
15 „
• • • »
-.65
1
ä
80
»»
=
20 „
. . ,,
—.75
1
ä
100
,,
—
25 „
. . . ,1
—.90
1
ä
120
=
30 „
• . .
1.10
1
ä 150
j»
=
37,5 „
• • • »»
135
1
ä
200
=
50 „
• • • »»
1.80
1 „
k 400
»>
=
100 „
3.50
A. Marggrafs homöopath. Offtein, Leipzig.
Cur- und Badeort Augustusbad bei Dresden
(Eisenbahnstation Radeberg, an der Sächsisch-Schlesischen Bahn.)
Wasserheilanstalt, Stahl- und Moorbad, klimatischer Curort,
220 m über dem Spiegel der Ostsee, in einem reizenden Thale, geschützt vor rauhen Winden, inmitten alter, herr¬
licher Waldparkanlagen gelegen, auch für Milch- und Molkenkuren eingerichtet, passend bei allgemeinen Schwäche¬
zuständen, Blutarmuth, Skrophulose, Bleichsucht, englischer Krankheit, Herzleiden, Rheumatismus, Gicht, Nerven¬
leiden und verschiedenen Frauenkrankheiten etc. Aeusserst günstige Wohnungsverhältnisse, niedrige Preise der
Bäder, billige Pension. Dirigirender Arzt Dr. med. Julius Msysr.
Jede eingehendere Auskunft wird bereitwilligst ertheilt.
Aoxn.tn.bad bei Badeberx l. s. Pie Bade-Pirection.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr.- Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officio) in lioipzig.
Druck von Julius Maser iu Leipzig.
Digitized by ^»ooQle
Band 139.
Leipzig, den 26. Oetober 1899,
No. 17 u. 18
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITH«.
Heransgegeben von
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A.Marggrars Homöopath. Offlein) in Leipzig
Thomaskirchhof 12.
Erscheint 14tägig zu 2 Bogen. 13 Doppolnummern bilden einen Band. Preis 10 Af. 50 Pf\ (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 189.S). — Inserate, welche an Rudolf Mosse
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. MarggraFa homöopath. Offloln ln Leipzig) zu richten
lind, werden mit 20 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Boilagen werden mit 6—8 Af. berechnet-
Inhalt. Viscum album, die Mistel, ihre Naturgeschichte, traditionellen Heilkräfte, sowie ihr Gebrauch im Volke
und der wissenschaftlichen Medicin in Behandlung von Krankheiten nebst neueren Prüfungen des Mittels. Von
Dr. George Black, London 1899. — Bericht über die Herbstversammlung der Schweizer und süddeutschen homöo¬
pathischen Aerzte in Rorschach am 23. und 24. September 1899. Von Dr. med. H. Göhrum Stuttgart. — Jod-Ver¬
giftung. — Toxicologische Wirkungen von Naphtalin. — Faciamus experimentum in anima vili! — Die Revision
der ärztlichen Hausapotheken betreffend. (Vervollständigt mit Nachträgen.) Berichtigung. Ministerialerlass, betreffend
die homöopathischen Hausapotheken. — Lesefrüchte. — Anzeigen.
9 ^ Schluss der Schriftleitun#: Freitag vor dem Erscheinungstage.
Viscum album, die Mistel,
ihre Naturgeschichte, traditionellen Heilkräfte,
sowie ihr Gebrauch im Volke und der wissen¬
schaftlichen Medicin in Behandlung von Krank¬
heiten nebst neueren Prüfungen des Mittels.
Von Dr. George Black, London 1899.
Dr Black giebt uns in diesem Werke eine reckt
ausführliche Monographie über das Viscum album,
dies geschichtlich wie arzneilich merkwürdige
Mittel. Er hat den 8toff aus den verschiedensten
Quellen geschöpft, aus alten und neueren Schrift¬
stellern, und, was uns das Wichtigste ist, die physio¬
logische und therapeutische Wirksamkeit möglichst
zu erforschen sich bemüht. Seine eigenen Prü¬
fungen und Beobachtungen, die eine besondere
Richtung des Mittels auf das Gehörorgan darthun,
sind beachtenswerth. — Zu bedauern ist, dass die
Anordnung des reichen Materials nicht planvoller,
übersichtlicher geschehen ist: so fehlt namentlich
eine systematische Zusammenstellung der Patho-
genesie.
Dr. Black’s Werk wird für den, welcher dieses
Mittel für unsere geplante Neue homöopathische
Arzneimittellehre bearbeiten möchte, viel brauch¬
bares Material liefern; um ihm zu Hilfe zu kom¬
men, wollen wir vorläufig die von dem Verfasser
an sich und einigen anderen Personen, darunter
auch einige weiblichen Geschlechts, veranstalteten
Prüfungen hier wiedergeben, die die von unserem
Prüfungsmeister, Herrn Collegen Schier, im 130.
Bande dieser Zeitung gelieferten Prüfungsresultate,
welche der Verf. aber nicht gekannt zu haben
scheint, da er ihrer gar nicht erwähnt, theils be¬
stätigen, theils ergänzen.
J)r. Black’s Prüfung an sich selbst.
Er ist 43 Jahre alt, von mittlerer Grösse, mager;
sein früher braunes Haar ist jetzt beträchtlich mit
grau gemischt; die Augen grau. Seit 27 Jahren
ist er ein vollständiger Abstinenzler (sich aller
Spirituosen enthaltend). Seit 8 Monaten hat er
sich auch des Fleisches vom Metzger, Geflügels,
Wildprets und der Fische enthalten.
Am 6- November (Freitags), Nachmittags 4 Uhr
15 Min., nahm er 5 Tropfen der 3. Dcc.-Dil. von
Viscum album.
Nach etwa einer Stunde spürte er ein dumpfes
Weh im Kopfe. In der Nacht vom G. zum 7. Nov.
träumte er viel, behielt aber nichts in der Erinne¬
rung von den Träumen, die jedoch nicht angenehm
waren.
7. November (Sonnabends). Wieder 5 Tropfen
um dieselbe Zeit, ebenso um 11 Uhr Abends. Wie¬
der dumpfes Kopfweh, das aber länger anhielt.
Vollheit im Kopfe. Zuriickkehrend von einer Reise
17
Digitized by k^ooQle
sind bei ihm nicht so stark ausgesprochen als bei
Crotalus.
Naja tripudians (die Cobra) wieder übertrifft
jene beiden Schlangengifte an Energie der Giftig¬
keit, und tritt seine Wirkung tiefer auf das Nerven¬
system als auf das Blut hervor Ist also die Prostra¬
tion aussergewöhnlieh gross schon beim Ausbruch
der Krankheit und droht Herzlähmung, so kann
man an Naja denken.
von Moltke, dem grossen Strategen, hat man
erzählt, dass er auf Grund tiefgehendster Studien
der Verhältnisse der Länder, mit denen Preussen in
einen Krieg verwickelt werden könne, einen sorg¬
fältig ausgearbeiteten Feldzugsplan in seinem Pulte
liegen gehabt, der dann im concreten Fall auch
wirklich zur Ausführung gekommen und zum Siege
geführt habe. — Nun, die durch das Experiment
gewonnene Arzneimittellehre der homöopathischen
Schule liefert uns auch die Mittel zur Kriegsbereit¬
schaft gegen Krankheiten, sobald uns die eigen¬
artigen Erscheinungen derselben bekannt geworden
sind, selbst wenn wir ihr eigentliches Wesen noch
nicht kennen. So war es bei der Cholera, beim
gelben Fieber und auch bei der Diphtherie, und
so hat es sich jüngst auch bei der Pest in Indien
gezeigt.
,,Major Deane,“ heisst es in dem Artikel der
Monthly Homoeopathic Review, „ist jetzt dabei, in
Indien zu versuchen, was die Homöopathie gegen
die Pest ausrichten kann. Die Sterblichkeit bei
der gewöhnlichen Behandlung, sagt er, mag zwischen
60 bis 95 Procent liegen; 70 bis 80 Procent mag
etwa die Durchschnittsziffer sein. Bei 50 ) Fällen,
die er selbst behandelte, hatte er eine Sterblich¬
keit von 54 Procent; bei seinen letzten 19 Fällen,
nachdem er schon mehr Erfahrung gesammelt hatte,
kamen 6 Todesfälle vor, also 31,11 Proc., ein Re¬
sultat, das er festhalten zu können hofft.
Er hat Crotalus und Naja in hypoderuiatischen
Einspritzungen angewandt. — Interessant ist die
Bemerkung, dass das Gift dieser Schlangen, welches
von der Homöopathie schon längst bei septischen
Zuständen gebraucht worden ist, aber auch das
mancher Pilze Tox-Albuminate darstellen, welche
den Toxinen mancher pathogenen Bakterien ähn- j
lieh sind.“ f
Dass Major Deane’s Therapie und seine Heil¬
erfolge die Aufmerksamkeit weiter Kreise auf sich
gezogen,, dafür spricht der Bericht des Special¬
correspondenten der „Lancet“ vom 8. Juli c.: 1
„Aussicht auf Hilfe in der Pestbehandlung ist
von einer wenig erwarteten Seife durch die Methode
der Einimpfung von Schlangengift gekommen. So
weit sie versucht worden ist, scheint sie von fast
unmittelbarer Besserung begleitet zu sein; einige
Versuche au Affen geben weitere Aussicht auf Er- !
folge Man hat das Gift der Cobra (Naja), mit
Glycerin gemischt, hypodermatisch angewendet. Die
Anzahl der so behandelten Fälle ist noch zu gering,
um eine vergleichende Statistik aufzustellen; aber
man berichtet, die Kranken hätten nach der Ein¬
spritzung eine schnelle und deutliche Besserung ge¬
zeigt. Anfangs machte man den Versuch mit einer
Dose von 1 / B Gran, aber später gebrauchte man
eine grössere bis auf v« Gran mit schlagenderem
Erfolge. Es ist zur Zeit schwer, das Rationale des
Verfahrens einzusehen; aber vielleicht steht das
Gift der Pest und der Cobraschlange in einem anta¬
gonistischen Verliältniss in ihren Wirkungen auf
das Nervensystem. Das Pestgift möchte vielleicht
durch seine Wirkung auf das Nervensystem tödten,
indem es die vitalen Centra lähmt; das Schlangen¬
gift, ihm vielleicht chemisch verbunden, mag sich
dem Pestgift direct feindlich erweisen. Erklärungen
sind natürlich vorläufig rein speculativ, so dass
wir weitere Experimente nach dieser Richtung mit
grossem Interesse ab warten.“
Nun die „unerwartete Seite“, aus der, wie der
Correspondent sagt, Hilfe für die Pestbehandlung
in Sicht ist, ist das homöopathische Lager mit
seinem wohlgerüsteten Arsenal an geprüften Mitteln,
und was das Rationale dieses Verfahrens betrifft,
so steht dies Verfahren unter dem therapeutischen
Gesetz der Aehnlichkeit, von dem geleitet eine
Anzahl homöopathischer Aerzte die Indication der
Schlangengifte in der Pest schon lange voraus¬
bestimmt hatten, bis schliesslich Major Deane das
experimentum crucis zur Verwunderung der die
Homöopathie Nichtkennenden oder Nichtkennen-
Wollenden, zum Heile der Menschheit, ausgeführt
hat. —
Der Typus der Pest für Anwendbarkeit der
Schlangengifte ist ein deutlich-umschriebener; es
giebt aber Fälle genug, die mit Erscheinungen von
Seiten des Gehirns oder der Lungen oder des
Darmkanals complicirt sind, welche andere Mittel,
wie Apis, Hyoscyamus, Phosphor oder Arsen erfordern.
Die Vorschrift des Individualisirens gilt, wie überall
in der homöopathischen Therapie, auch in dieser
Seuche. —
Der Major Deane hat dem Review die Berichte
über 18 Pestfälle eingesandt, die wir hier zur Illustra¬
tion des Obengesagten mitzutheilen uns verpflichtet
halten.
1. Fall. Ein 9jähr. Mädchen ward am 24. Dec.
1898 aufgenommen. Seit 3 Tagen krank unter
Fieber, heftigen Frostschaudern, Schmerz und Ge¬
schwulst in der rechten Achselhöhle.
T. 101,2° F. (38,4° C.) P. 116. R. 46. Schlura-
mersüchtig; unfähig zu sitzen oder zu stehen,
Zunge belegt, roth an der Spitze und den Rän¬
dern. — In den folgenden Tagen schwankte die
Digitized by L^OOQle
147
Temperatur zwischen 99 und 104° F. (38 —40° C.), I 5. Januar. 9 Uhr 15 Min. Abends. Murmeln¬
der Puls zwischen 100 und 132. Der Schmerz in der
Geschwulst war sehr heftig; am 29. Dec. ist ihr
das Bewegen des Kopfes sehr schwer: es zeigen
sich Beulen auf beiden Seiten des Halses, die an
Umfang zunehmen. Schlucken erschwert, die Axillar¬
beule vergrössert und verbreitet sich auf den rechten
Arm, der sehr empfindlich gegen Druck ist.
Sie hat bisher Naja innerlich genommen.
Am Abend des 30. December war Athem und
Schlucken schwer.
Dr. Deane legte ein Blasenpflaster über die Ge¬
schwulst an der rechten Halsseite (der Kopf war
gegen die linke Schulter fixirt) und auf die bloss¬
gelegte Oberfläche eine Tinctur von Crotalus 1: 1000
und gab Apis m. 5. stündlich.
Am nächsten Morgen war der Schmerz viel ge¬
ringer, obwohl sich der Umfang der Geschwulst
unverändert zeigte. Das Athmen war leichter, und
der Gesichtsausdruck des Kindes war nicht mehr
so gar leidend. Die Geschwulst am rechten Arm
hatte sich bis zum Ellbogen hingezogen und war
sehr empfindlich.
Apis alle 2 Stunden.
Am 31. December stieg die T. auf 104,2° F.;
aber am 1. Januar 1899 sah das Kind munterer
aus als bisher, das Athmen und Schlucken erschien
nicht mehr bedenklich. Die Zellgewebsentzündung
am Arm stand alsbald still.
Am 3. Januar ist notirt, dass die Geschwulst
über dem linken Winkel des Unterkiefers stark
hervortrat. — Der weitere Verlauf bot nichts Be¬
sonderes dar. Die rechtsseitige Halsbeule absce-
dirte. — Die Kleine konnte am 14. Februar als
gesund entlassen werden.
(Crotalus wurde hier also endermatisch ange¬
wandt und gleichzeitig Apis innerlich, so dass, ob¬
wohl der Erfolg günstig, das Heilexperiment kein
reines zu nennen ist. Ref.)
2. Fall. Ein 18jähr. Mädchen, aufgenommen
am 2. Januar 1899 um 4 Uhr 50 Min. Nachmit¬
tags. Fieber trat erst gestern ein, nach ihrer Aus- i
sage, aber seit 3 Tagen bestand eine Beule in der
linken Schenkelgegend. T. 104° F. P. 140 R. 40.
Kopfweh, Augen geröthet. Schlummersüchtig;
auf Fragen antwortet sie nicht ordentlich. Rollt
den Kopf hin und her.
Apis 2 stündlich.
3. Januar. T. 104,6° F. P. 140. R. 36.
Weniger Rollen des Kopfes. 9 Uhr 15 Min. Abends
Neigung zu murmelnden Delirien; sie will auf
Fragen nicht antworten.
Crotalus Viooo m. 3. (c. 3 Gran), zweistündlich,
per os.
4. Januar. T. 101,4° F. P. 88. R. 36. Scheint
besser.
des Delirium, spricht beständig mit sich, pflückt an
den Betttüchern, spuckt die Arznei aus.
Gegen äussere Eindrücke unempfindlich. Der
Zustand erinnert lebhaft an Delirium tremens.
Hyoscyamus 2 stündlich.
6. Januar. T. 100,6° F. Hat letzte Nacht etwas
geschlafen, doch delirirt sie noch, obwohl sie etwas
klarer im Kopf. T. 98,4° F. Sie antwortet auf
Fragen, aber fallt darnach wieder ins Delirium — un¬
ruhig.
7. Januar. Heute früh bei Bewusstsein.
8. Januar. Weniger Unruhe, zeigt auf Ver¬
langen die Zunge.
Hyoscyamus 3 stündlich.
Schlaf bei Nacht gut.
9. Januar. T. 99,4° F. Das Delirium lässt
nach. Von dem Tage an ging die Genesung, ob¬
wohl Pat. noch einige Tage sehr schwach, gut von
statten.
Die Beule eiterte und ward am 12. Februar
geöffnet.
Hyoscyamus hat hier gut gewirkt und hält es Verf.
auch aus anderen Beobachtungen für ein bei der
Pest unter den obwaltenden Umständen sehr brauch¬
bares Mittel.
3. Fall.
25jähr. Frau, aufgeuommen am 21. Jan. 1899.
Seit 4 Tagen krank; zuerst Geschwulst in der
rechten Schenkelgegend, dann Fieber, etwas Husten.
Die Beule ist sehr empfindlich. T. 98,4° F. P. 102.
R. 26. — Herztöne verhüllt. Der Puls weich und
leicht zusammenzudrücken.
Lachesis 1 I \ OQO m. 5. zweistündlich.
22. Januar. Starker Kopfschmerz. R. 26. P. 74.
T. 99,8° F.
24. Januar. Abends vorher T. 101,8° F. Kein
Schlaf, Frostschauer, heftiges Kopfweh.
R. 40. P. 116. T. 104,6° F.
Abends T. 105° F.; leichter trockner Husten,
Puls sehr weich; das Sphygmogram zeigt Mangel an
Tonus in den Gefassen.
Naja 1 / 10<)0 ni. 3. hypodermatisch injicirt.
Innerhalb 2 Stunden T. 102° F. Während der
Nacht wurde die Iujection 2 Mal wiederholt.
25. Januar. T. 98,4° F. P. 96. R. 32.
Die Beule ist noch immer sehr empfindlich; die
Gefässe zeigen mehr Tonus, der Dicrotismus des
Pulses lässt nach. Von da ab ging der Bubo, ohne
Eiterung, zurück; derGesammtzustand erregte keiner¬
lei Bedenken mehr.
Am 14. Februar wurde sie als gesund ent¬
lassen.
4. Fall.
Ein 6jähr. Mädchen, Tochter von der Frau in
Fall 3, aufgenommen am 21. Januar 1899. Soll
19*
Digitized by k^ooQie
148
seit 6 Tagen fieberhaft erkrankt sein; die Krank¬
heit begann mit Schmerz und Schwellung der
rechten Halsseite. T. 105° F. R. iS. P. 144.
Kopfweh, Delirium trat einige Stunden nach ihrer
Aufnahme ein; sie lag mit zurückgezogenem Kopf,
sehr ruhelos und reizbar, so dass starker Verdacht
auf beginnende Meningitis sich erhob. — Hinten
in der linken Achselhöhle rauhes Atlimen.
Apis mellif. (Tinctur) m. 5., stündlich, von
4 Uhr Nachmittags an.
22. Januar. T. 100,4° F. R. 38. P. 124.
Vergangene Nacht schlaflos. — Hat heute früh
den Kopf hin und her gerollt.
M. T. 99,4° F. Sie schlief von 10 Uhr Vor¬
mittags bis 6 Uhr Nachmittags.
23. Januar. T. 98,4° F. R. 30. P. 80. Der
Allgemeinzustand merklich besser; die Zurück¬
ziehung des Kopfes und die hochgradige Reizbar¬
keit sind vergangen. Von' da ab ungestörte Ge¬
nesung. Die Beule eiterte und war am 28. Jan.
eröffnet.
Entlassen am 14. Februar.
5. Fall. 35jähr. Frau. 24. Jan. 1899. Sie
hat vor 4 Wochen zwei Kinder an der Pest ver¬
loren. Um 11 Uhr Vormittags stellte sich Fieber
ein. — Die Augen waren entzündet; etwas Kopf¬
weh. Der Puls kaum zu fühlen, Herztöne sehr
schwach. T. 108,2° F. P. 132. R. 34.
Naja 3 /iooo» m - *>., hypodermatisch; in der
Nacht 1 Mal wiederholt.
25. Januar. T. 98,8° F. P. 80, deutlich zu
fühlen. R. 80.
Die Herztöne deutlicher. — Eiweiss im Urin.
26. Januar. Die Congestion der Augen weit
geringer. T. 101° F.
28. Januar. Kein Eiweiss. — Der weitere Ver¬
lauf hat nichts Bemerkenswerthes.
Am 4. Februar entlassen.
Anmerkung des Verfasseis: Ich bin überzeugt,
dass Apis die Gehirnsymptome, welche bei Kindern
mit Halsbeulen gewöhnlich sind, beseitigt, cf. Fall 1
wegen der Apiswirkung.
6. Fall. 60jährige Frau, 25. Januar 1899.
Vor neun Tagen hat sie ihre an der Pest ver¬
storbene Tochter begraben. Fühlt sich seit zwei
Tagen krank.
Jetzt klagt sie über Schmerz am ganzen Körper,
heftiges Kopfweh und grossen Durst. In dem
linken Schambug eine kleine, aber sehr empfind¬
liche Beule. Zunge rein. T. 102° F., P. 124,
klein und weich. Die Haut heiss, Calor mordax.
25. Jan., 4 Uhr 30 Min. Nachmittags. R. 40.
Naja Vioou» m - hypodermatisch.
7 Uhr Abends. T. 103,2. P. 112. R. 32. Ein¬
spritzung wiederholt.
9 Uhr Abends. Puls voller.
Um 10 Uhr nochmals injicirt. — und das Mittel
zweistündlich per os.
26. Jan. T. 104°. P. 110. R. 40. Schlief gut,
Kopfweh vergangen.
Morgens ruhelos, rollt den Kopf hin und her.
Naja, m. 10., hypodermatisch.
27. Jan. T. 100,8° F. P. 84. R. 28. Sieht
klarer und munterer aus.
Die Beule verging ohne Eiterung.
Entlassen am 12. Februar.
Der 8. Fall betrifft einen 30jährigen Mann,
der am 31. Januar 1899 aufgenommen wurde. Das
Fieber setzte vor 2 Tagen mit Schüttelfrost ein.
Sein Vater war vor 4 Tagen an der Pest gestor¬
ben. — Die Augen congestionirt, besonders das
linke; die Zunge weiss belegt. Die Herztöne sind
durch die Athmungsgeräusclie maskirt. Zittern des
Körpers.
T. 102,0° F. P. 136. Keine Beulen.
Naja ’/ioocm m - 10., hypodermatisch.
31. Jan., Vormittags. T. 103,4° F. R. 50.
P. 130.
Injection wiederholt um 3 und 4 Uhr Nach¬
mittags.
5 Uhr Nachmittags. T. 104°. R. 54. P. 110,
sehr schwach. Atlimen mühsam und geräuschvoll.
Tod um 2 Uhr Nachts am 1. Febr.
9. Fall. 35jähriger Mann, aufgenommen am
2. Februar 1899. Er zeigt stark ausgesprochene
Zeichen von der Lepra: verdickte Ohren und
Tuberkel an der Stirn; trockene, schuppige und
glänzende Haut; die Zehen und Nägel beider Füsse
afficirt. Gestern hatte er Diarrhöe und verschie¬
dene wässerige Entleerungen vor der Aufnahme.
Geschwulst in der linken Schenkelgegend seit
7 Tagen, die von Frost und Hitze begleitet war. —
Die Haut ist heiss und trocken; Pat. ist schlummer¬
süchtig.
T. 103,2° F. P. 138. R. 36. Der erste Herz¬
ton verkürzt. Puls schwach und leicht zusammeu-
zudrücken.
Crotalus 1 / 10oo , m. 10., injicirt.
10 Uhr Vormittags. T. 103° F. P. 126. R. 26.
Wiederholte Einspritzung und in. 10 per os,
wenn er wach ist, zweistündlich.
3. Febr. T. 101° F. P. 108. R. 24. Er fühlt
sich besser. Die Beule ist gross und empfindlich
bei Druck. Bei Nacht hat er heftigen Schmerz
darin gehabt.
Abends. T. 103,4° F. P. 112. R. 32.
4. Febr. T. 97,6° F. P. 96. R. 22.
Abends. T. 103,8° F. P. 112. P. 36. Puls
voller.
5 Uhr Abends. Wieder eingespritzt.
6 Uhr 30 Min. Abends. T. 101,2° F. P. 120.
R. 28.
Digitized by ^»ooQle
149
5. Febr. T. 97,2° F. P. 94. R. 20.
Von da an ging die Genesung gut vor sich.
Die Beule wurde gebäht am 4. Febr. und am 9.
geöffnet uud der Eiter entleert. Jetzt am 19. Febr.
ist die Wunde fast geschlossen.
10. Fall. Frau Venkatee, 35 Jahre alt, wurde (
gleichzeitig mit ihrem Manne am 5. Febr. aufgenom¬
men; es war ein merkwürdiges Duplikat (siehe ,
Fall 11). Ihre Tochter war vor zwei Tagen an j
der Pest (ohne Beulen) gestorben.
T. 103,4° F. R. 32. P. 120, pulsus celer. ;
Augen entzündet. IIerzbewegung unregelmässig. Sie
giebt an, seit 5 Tagen krank zu sein. Keine Beule .
Geistig ganz klar. Brennen in Augen und
Fusssohlen. Zunge gefurcht und zitternd.
Sie war offenbar moribund. —
Sie erhielt Crotalus 1 j l 000 , m. 10., hypodermatisch,
aber ohne Erfolg, und sie starb 2 Stunden nach
der Aufnahme.
11. Fall. Ihr Ehemann, ebenfalls 35 Jahre alt,
will auch seit 5 Tagen krank sein; die Krankheit
setzte mit Frostschauern ein. Jetzt Kopfweh, Puls
schnellend, Herztöne nicht vernehmbar.
T. 103,4° F. R. 42. P. 120.
Augen entzüudet. Keine Beule. * 1
Crotalus wie im vorigen Falle um 10 Uhr
40 Min. Vormittags und um 12 Uhr 35 Min. in-
jicirt. ,
Um 1 Uhr 30 Min. Nachmittags war der P.
ein wenig besser, nicht so schnellend; und um
4 Uhr 30 Min. waren die Herztöne hörbar.
Crotalus, m. 5., per os, 1 j 2 stündlich.
6 Uhr Abends. T. stieg auf 105,4° F. Es
trat Sclilucksen ein, kein Schmerz; Haut trocken
und brennend heiss. Geist klar. — Pulslos.
Er starb um Mitternacht.
12. Fall. Frau, 23 Jahre, am 5. Febr. 1899
aufgenommen. Ihr Vater war in Yellakanka vor
15 Tagen an der Pest gestorben. Vor 10 Tagen :
hat sie, wie sie angiebt, einen Tag Fieber mit
Fieberschauer gehabt. Heute früh zeigte sich j
eine Anschwellung unter dem rechten Ohrläppchen. ;
Sie klagt über Schmerz beim Schlucken. Puls |
weich und leicht zusammenzudrücken. Erster Herz- I
ton verdeckt. T. 100° F. P. 130. R. 28.
Naja Vioooi m - 10., eingespritzt, und m. 5. zwei¬
stündlich per os.
6. Febr. T. 99,4° F. P. 104. R. 30. Der
erste Herzton deutlicher. — Schmerz in der Beule, j
die sehr empfindlich, aber kleiner geworden ist. ,
Von da ab war die T. offenbar von dem schmerz-
haften Zustande der Beule beeinflusst. Letztere |
wurde kataplasmirt und innerlich kleine Dosen ,
Belladonna gegeben. Die Symptome standen schnell j
still und die Beule wurde ohne Eiterung zurück- ’
gebildet. ,
Entlassen am 18. Febr.
13. Fall. 30jährige Frau, am 7. Febr. auf-
geuommen. Das Fieber fing gestern unter Frost
an, und heute früh wurde eine Anschwellung in
der linken Schenkelbeuge bemerkt. Die Augen
etwas entzündet. — In ihrem Hause war noch kein
Pestfall; sie hat vor 8 Tagen einen Pestkranken
besucht. Seit 1 Monat schwanger.
T. 105° F. P. 150. R. 44.
12 Uhr 45 Min. Vormittags. Naja Vm>o, m. 5.,
hypodermatisch, um 1 Uhr 45 Min. wiederholt.
2 Uhr Nachmittags. T. 105° F. P. 148. R. 40.
8 Uhr Nachmittags. P. 128. R. 42. Neigung
zum Schlaf.
8. Febr. T. 104° F. P. 156. R. 44. Sie
schlief gut. Die Zunge dick weiss belegt. — Puls
sehr weich.
9. Febr. Von da ab verschlimmerte sich ihr
Zustand. Um 3 Uhr Mittags war der Puls faden¬
förmig, nicht zählbar. Stilles Delirium. T. blieb
zwischen 104 — 105° F.
Sie hatte 3 Einspritzungen von Naja 1 / 500 ; dar¬
auf eine gute Nacht.
10. Febr. T. 103° F. P. 160. R. 44. Die
Harnblase sehr ausgedehnt; der Katheter wird ein¬
geführt.
Naja 1 / ö00 , m. 10., eingespritzt.
Herztöne stärker, nicht so verschleiert. Aus
der Vagina ein dunkler, jauchiger Ausfluss.
Abends. T. 102° F.
11. Febr. T. 100° F. Noch Delirium und all¬
gemeines Zittern des ganzen Körpers — oft ein
bedenkliches Zeichen.
Hyoscyamus, m. 10., zweistündlich. Die Lähmung
der Blase hält an.
13. Febr. T. 103° F. P. 140. R. 40.
Das Delirium liess nach, die Zunge reinigt sich
an der Spitze. Das Muskelzittern dauert noch fort. Es
wurden gestern kleine Dosen Opium im Wechsel
mit Hyoscyamus verordnet.
14. Febr. T. 103° F. Hat vergangene Nacht
gut geschlafen. Weniger Muskelzittern. Der Pelz
auf der Zunge klärt sich. Kein Delirium.
15. Febr. T. 101,2° F. Die Beule ist kleiner.
Sie fühlt sich wohler; spricht verständig.
16. Febr. T. 102° F. Die Blase noch immer
gelähmt. Die Zunge reinigt sich schnell.
P. 110. R. 44. Kein Lungensymptom. Das
Muskelzittern hat ganz nachgelassen.
Es kennzeichnet den Zustand, iu dem Pat. sich
befunden hat, gut, dass ein Sanitätsbeamter, der
den Fall vorher gesehen hatte, sein Erstaunen aus¬
drückt, sie noch lebend zu finden.
In der Uteringegend zeigte sich etwas Em¬
pfindlichkeit. Der Scheidenausfluss hat eine rothe
Färbung angenommen und jetzt aufgehört.
Digitized by
Google
150
Sie ist in der Genesung. Die Blasenlähmung Die Abend-T. vom 16. war 104,8° F. P. 104. Sie
ist vollständig vergangen. lag schwer und stumpf da; wollte keine Frage be-
14. Fall. lOjähriger Knabe, aufgenommen am antworten. — Die Beule war sehr empfindlich; die
8. Febr. 1899. Er kam mit der Bahn an; hatte I Gewebe über und um die Drüse erschienen mehr
vergangene Nacht Fieber gehabt. I afficirt und infiltrirt als die Drüse selbst.
T. 105,2° F. P. 156, klein. R. 48.
Zunge nicht belegt. Kein Husten. Beulen in
den rechten Leisten- und Schenkelgegenden. Augen
etwas entzündet.
3 Uhr 30 Min. Nachmittags. Naja m. 10.,
eingespritzt.
9 Uhr Abends. T. 104,2° F. P. 150. R. 42.
9. Febr. T. 103,6° F. P. 100. R. 42. Er
hatte eine gute Nacht; nimmt Speise. Bekam
gestern Abend Bell, im Wechsel mit Arsen; aber
am Nachmittag des 9. Febr. bekam er Delirien, Er¬
brechen und Diarrhöe, wobei zwei Spulwürmer aus
dem Munde entleert wurden. Das Herz wurde un¬
regelmässig und er verfiel schnell und starb um
5 Uhr 30 Min. Nachmittags.
15. Fall. 40jähriger Mann, 9. Febr. 1899, er¬
krankte gestern unter Fieber und am Abend er¬
schien eine Beule in der 1. Schenkelgegend.
T. 101,4° F. R. 34. P. nicht zu fühlen. Be¬
wusstsein klar. Augen entzündet, Sprache schwer
und schleppend. Zunge weiss mit rother Spitze.
Körper kühl. Die Beule ist gross und empfindlich.
Kein Husten.
Naja Yßoo» m * 10., cingespritzt.
Nach einigen Stunden setzte Husten ein mit
Delirium, die Sprache war völlig die eines Be¬
trunkenen.
Einspritzung wiederholt um 6 Uhr Abends,
aber keine Reaction. — Er starb um Mitternacht.
16. Fall. Mädchen, 8 Jahre alt, 9. Febr. 1899.
Auch ihr Vater war diesen Morgen mit Pest auf¬
genommen worden.
T. 105,2° F. P. 110. R. 40. Haut heiss und
trocken.
Naja J / 50w , m. 10., eingespritzt.
4 Uhr Nachmittags. Sie schläft. T. 105,8° F.
R. 28. P. 132, klein und schwer zu zählen.
Einspritzung um 7 Uhr Abends wiederholt.
10. Febr. T. 102,4° F. Sie hat die ganze
Nacht gut geschlafen, sieht besser aus. Erster
Herzton schwach, der zweite ziemlich scharf.
3 Uhr Nachmittags. In einem singenden Deli¬
rium. T. 105. P. 156. R. 24. Herztöne deut¬
Apis, m. 5., zweistündlich.
17. Febr. T. 98° F. Bewusstsein klar; sie
streckt die Zunge auf Verlangen heraus. — Die
| Beule weniger empfindlich. Autor sah das Kind
I Anfangs März wieder, nachdem er den Dienst im
| Hospital verlassen, und fand sie genesen.
17. Fall. 10jährige Knabe, 10. Febr. 1899.
Seit 3 Tagen Fieber und Geschwulst unter dem
rechten Kieferwinkel, die schon vor dem Fieber
dagewesen sein soll. — Zunge weiss.
j T. 1(10,2° F. P. 138. K. 24.
Die Beule erschwert ihm das Oeftiien des Mun-
i des sehr; sie ist sehr empfindlich.
I Naja Vaoo» m. 10., eingespritzt.
Abend-T. 103,8° F. P. 120. R. 36. Diesen
I Abend ward er durch den Tod eines Patienten im
Krankenzimmer erschreckt.
Kleine Dosen Opium.
11. Febr. T. 99° F. Schmerz in der Beule.
12. Febr. T. 97° F. Die Beule ging schnell
zurück. Schlaf gut. — Hiernach besserte er sich
bald und konnte am 17. Febr. entlassen werden.
18. Fall. 30jähriger Mann am 13. Febr. 1899
um 10 Uhr 45 Min. Vormittags aufgenommen.
Augen stark congestionirt und das Gesicht roth-
glühend. Er ist in einem halbbewussten Zustand,
aus dem man ihn nicht erwecken kann. — Haut
trocken, sehr heiss. Er soll auf dem Wege zum
Hospital eine grüne Flüssigkeit erbrochen haben.
T. 102,4° F. P. 96, klein, unterdrückbar. R. 28.
Kleine Beule in der linken Schenkelgegend;
wenn man diese drückt, so zieht er zurück.
Naja J / 500 , m. 10., eingespritzt.
Um 11 Uhr 45 Min. Vormittags wiederholt
Ebenso um 3 Uhr 45 Min. Nachmittags.
Um 4 Uhr Nachmittags. T. 104 ° F. Ruhelos.
Runzeln der Stirn. Augen offen und starr. Er
rollt den Kopf; Zittern der Halsmuskeln.
Puls voller, aber weich und leicht zusammeu-
gedrückt.
Um Mitternacht T. 102 0 F.
14. Febr. Während der Nacht kein Schlaf;
licher.
nimmt mühsam etwas Nahrung zu sich; er lässt
11. Febr. Ein kleiner, sehr empfindlicher Bubo sich so weit aufwecken, dass er die Zunge zeigt;
zeigt sich in der rechten Achselhöhle. diese ist auf dem Rücken weiss, au der Spitze
Vom 10. bis 16. wurde sie mit kleinen Dosen den Rändern roth. Augen weniger geröthet.
Arsen und Opium behandelt; am 14. hörte das Der Körper zitterig.
Delirium auf. 5 Uhr Abends starb er.
In der Nacht vom 12. hatte sie gesunden I Anmerkung. Die in diesen Fällen gebrauchte
Schlaf; am 13. bemerkte man Zunahme der Beule, j Naja war in den angegebenen Dilutionen mit
Digitized by ^»ooQie
151
Glycerin hergestellt, und stammte von Dr. Deane’s
selbstbereiteten Präparaten her. —
Wir erfahren aus diesen Beobachtungen, wie
schwer der Kampf auch der homöopathischen Mittel ■
gegen eine den Organismus so tief durch- und zer- I
setzende Seuche wie die Pest ist, wie manches
Opfer er kostet, dass er aber trotzdem nicht so
trost- und hoffnungslos ausfallt als die bisher da- ,
gege;i gebrauchte Therapie: auf die Ergebnisse i
der Serumthernpie sind wir gespannt.
Dr. Hossa. I
Carbolgangrän.
Nach den Untersuchungen von E. Müller und
Frankenburger ist schon 2procentige Carbollösung
im Stande, durch örtliche Einwirkung auf die rothen
und weissen Körperchen Gerinnungen in den Ka¬
pillaren, in den Arteriolen und Venen und hier¬
durch den localen Gewebstod herbeizufübren.
Der Carbolbrand ist immer trockene Mummification,
welche fast ausschliesslich an den Fingern und
Zehen vorkommt. Begünstigt wird er durch die
auästhesirende Wirkung der Carbolsäure; die Pa¬
tienten lassen gern die Umschläge auf den früher
schmerzhaften Fingern liegen, und sind dann s hr
erstaunt, dass die erst grauwciss, dann schwarz
gewordenen Finger abgestorben sein sollen, ohne
dass sie irgend eine Empfindung davon gehabt.
Begünstigend für das Zustandekommen des Brandes j
wirken überdies gleichzeitige Circulationsstörungen, i
welche durch starke Umschnürung, Entzündung |
oder Verletzung bedingt sind. Eine sehr zarte [
Haut (bei Kindern), Anämie und mangelhafte |
Herzthätigkeit prädisponiren ebenfalls dazu. Es j
kommt hierbei weniger auf die Concentration als
auf die Anwendungsdauer der Lösung an. —
Deshalb hat man die Carbolsäure Umschläge
mit Recht jetzt meist ausser Gebrauch gesetzt von
ärztlicher Seite, während sie beim grossen Publi¬
kum leider noch immer beliebt sind. M. 1
Zwei Natrum muriaticum-Fälle. I
1. Fall. Harriet M. Gemüthsstimmung beweg- I
lieb, dunkler Teint, schwarzes Haar und ebensolche
Augen, kräftig. 30 Jahr alt. Unverbeirathet. Ge¬
wicht 120 Pfund. Wärterin. Datum: 1. Dec 1897.
Chronische Heiserkeit und Halsweh bei Sonnen- j
Untergang oder vor einem Regen, schlimmer an
der Seeküste; Feuchtigkeit und Staub. Staub reizt I
ihr sogar die Lippen und das Zahnfleisch; empfind- ,
liebes Trockenheitsgefühl im Halse, trotz mehr als |
normaler Speichelabsonderung. Der Speichel ver- .
mehrt beim Lachen und Sprechen.
Die Wirbelsäule in der Lendengegend be¬
schädigt durch einen Sturz vom Pferde vor acht
Jahren, wobei eine Rippe gebrochen war, so dass
sie ein halbes Jahr im Bette liegen musste; wäh¬
rend der ganzen Zeit furchtbares Erbrechen.
Sie erbricht jetzt sehr leicht, sobald sie sieb
ermüdet.
Hat ihr Lebelang viel Salz gegessen.
Hat fast immer in Boston gelebt, aber jetzt
thut ihr die Seeluft nicht gut.
Schwitzt niemals, ausser bei ungewöhnlicher
Anstrengung um gegen etwas Hartes zu stossen
zu ihrer Erleichterung, was seit jener Verletzung
von ihr geschieht.
Körperwärme immer etwas unter der Norm.
Natrum muriaticum Hochpotenz, eine Gabe.
Dies genügte zu vollständiger Heilung; inner¬
halb eines Jahres kein Recidiv. — Die Ver¬
schlimmerung von Staub, bei Sonnenuntergang, vor
einem Regen, der vermehrte Speichel beim Lachen
und Sprechen, das Erbrechen nach Ermüdung,
Fersenschmerz, alles war unter der Einwirkung von
Natrum muriaticum verschwunden.
2. Fall. Eine 35j. Frau, Mulattin.
Mattherzig, gross, schlank von Gestalt.
Tuberculöse Diathese, fleischige Faser.
Ihr Lebelang an Verstopfung leidend, Stühle
hart, dunkelgrün, fast schwarz, wie Schafkotli.
Fühlt sich immer matt.
Beim Ausgehen in die frische Luft überfällt
sie ein grosses Angstgefühl, so dass sie wieder
nach Hause eilt.
Husten trocken, der von einem Reiz unterhalb
des unteren Theils des Brustbeins herzukommen
scheint.
Heiserkeit Abends und Morgens; kein Halsweh.
Schwitzt schrecklich, wenn sie Morgens ausgeht.
Zeitweise wie bleischwer im ganzen Körper.
ln den Augen beim Vornüberbeugen ein Gefühl,
als sollten sie herausfallen.
Brüste schmerzhaft zur Zeit der Menses.
Starkes Herabziehen in der Gebärmuttergegend.
Gefühl, als sei der Rücken zerbrochen, zeit¬
weise.
Widerwille gegen alle Speisen, ausser Brod
und heissem Wasser, die ihre ganze Nahrung aus¬
machen; hiervon isst sie tüchtig, wird dabei aber
immer magerer.
Dies war der Status praesens am 13. Mai 1898.
Verf. sagt: Beim Studium dieses Falles fand er
keine genügende Indication für irgend ein Mittel.
Da erinnerte er sich des Auspruchs eines unserer
Meister, jedes Symptom involvire das ihm entgegen¬
gesetzte. So wandte er das Symptom „Verlangen
nach Brod M in das Gegentheil um in „Abneigung
gegen Brod“, wie es sich bei Natrum mur. findet,
Digitized by t^ooQle
152
und deshalb verordnet© er es, freilich mit wenig
Hoffnung, der Patientin und gab ihr am 13. Mai,
sowie am 3. Juli und 12. August je eine Gabe
einer Hochpotenz. Die Besserung zeigte sich
bald und schritt bis zur Beseitigung aller krank¬
haften Symptome fort. —
Die Begründung für die Wahl von Natr. mur.
im 2. Fall steht auf schwachen Füssen und er¬
innert uns lebhaft an das deutsche Sprüchwort:
„Umgekehrt wird ein Schuh daraus.“ Die grosse
Scheu der Kranken vor der freien Luft, das Müdig¬
keit«- und Ermattungs-Gefühl, die grosse Neigung
zu Schweiss bei Bewegung, dazu der Kitzelreiz
zum .Husten in dem unteren Theil des Brustbeins
und die langwierige, chronische Verstopfung und
da« Herabpressen ad uterum nebst dem Kreuz¬
schmerz können wohl auf Natrum mur. hinweisen,
wenn auch die Gemüthsart und das Temperament frei¬
lich einen ganz anderen Charakter trägt. M.
Viscum album, die Mistel,
ihre Naturgeschichte, traditionellen Heilkräfte,
sowie ihr Gebrauch im Volke und der wissen¬
schaftlichen Medicin in Behandlung von Krank¬
heiten nebst neueren Prüfungen des Mittels.
Von Dr. George Black, London 189!*.
(Fortsetzung.)
24. December. Vergangene Nacht gut ge¬
schlafen ; war gestern Tags über recht herab¬
gestimmt. — Beim Schreiben und Lesen heute Vor¬
mittag verschiedene einzelne, scharfe, augenblick¬
liche Schmerzanfalle im unteren Tlieile des rechten
Schenkels nach hinten; sie scheinen oberflächlich
zu sein, ein dumpfer Schmerz im linken Schenkel,
der im N. ischiadicus selbst zu sitzen schien. —
Beim Umherbewegen fühlt er nichts; es kommt
nur, wenn er sitzt und still bleibt. — Keine
Arznei. —
26. December. Gestern fast den ganzen Tag
ein heftiger, scharfer Schmerz am Aussenrande der
rechten Achsel-Gegend, nach dem Schulterblatt zu;
er war noch beim Schlafengehen ziemlich schlimm;
heute ist er weg. Vor jenem Schmerz zeigte sich
ein ähnliches, aber weniger markirtes Weh in der
linken Brustgegend, besonders beim Tiefathmen.
Auch dieses ist heute vergangen. An der linken
Halsseite eine grosse Papel, empfindlich gegen Be¬
rührung; ein rother Hof, etwa ein Sixpence gross.
27. December. Ein sehr anhaltendes, heftiges
Weh auf der linken Seite des Afters, stundenlang;
ganz besonders trat es Abends hervor, wo es den
linken Schenkel einzog durch eine Art heftig¬
ziehenden Heissens. Er hatte auch einen oder zwei
ziemlich scharfe Schmerzanfalle neuralgischen Cha-
I rakters und einen dumpfen Schmerz in dem unteren
Tlieile der rechten Augenhöhle; dieses kam, nahm
etwas zu und schwand allmählich hinweg. Die
Schwere im Nacken hat sich gelegt. — Ein lautes,
singendes Geräusch etwa 6 Mal im rechten Ohr in
2-3 Minuten. — Eine Art krachendes Geräusch
iin linken Ohr bei Anstrengung während des schweren
Stuhles.
1 Januar. Zwischen 12 und 1 Uhr Nachts zu
Bette gegangen, spürte er beim Liegen ein sonder¬
bares, allgemeines Zittern durch den Körper, als
ob alle Muskeln in fibrillärer Contraction sich be¬
fänden; es war nicht ein einfacher Ruck, auch kein
| anhaltendes Zucken des Muskels oder eines Theils
] desselben, sondern ein allgemeiner, den ganzen
! Körper treffender Zustand. Er hielt an, bis er in
! Schlaf verfiel.
! Diese vom 15. November bis 1. Januar, also
1 über einen Zeitraum von mehr als 60 Tagen, aus-
geführte, .standhafte Prüfung der Mistel von dem
geehrten Herrn Collegen Dr. George Black hat
vollen Anspruch auf unsere Anerkennung. — Er
hat an den an sich selbst beobachteten Symptomen
möglichst Kritik zu üben versucht — und doch
ist es nicht völlig klar, ob der bei rauhem Winter¬
wetter entstandene Katarrh ein reines Product der
Prüfung oder der Witterung gewesen ist. — Die
theil weise recht tiefgehende Wirkung des Mittels
auf das Muskel- und Nervensystem (zumal den Lum-
bartheil und in specie den N. ischiadicus) ist deut¬
lich markirt, ebenso die auf das Herz und die
Blutgefässe des Kopfes und das Gehör. Die Dilu¬
tionen, von der 3. Decimale an, brachten schon
ein gut Theil mehr oder weniger gut ausgesproche¬
ner Befindungsveränderungen, die dann unter dem
Gebrauch der Urtinctur an Intensität und zum Theil
auch an Extensität Zunahmen; es kam unter Ein¬
wirkung der letzteren zu einem höchst charakte¬
ristischen Glottiskrampf und schliesslich zu einem
allgemeinen Tumor des Körpers. — Es ist von
hohem Interesse, die Beschreibung der subjectiven
Empfindungen, z. B. im Gehirn, die Dr. Black an
| sich erfahren hat, mit denen zu vergleichen, welche
Dr. Schier und seine Mitprüfer beobachtet haben,
i Man ersieht, wie schwer oft ein Ausdruck über
eine bisher nie gehabte Empfindung, Sensation, in
der Sprache zu finden ist. —
Wir reihen hieran die von 2 Prüferinnen mit-
getheilten Prüfungsergebnisse:
2. Prüfung.
Ein 20jähr. Mädchen, gut gebaut, etwas über
Mittelgrösse und ganz robust, mit blondem Haar
i und grauen Augen; einige erweiterte Gapillargefässe
i laufen in unregelmässiger Linie über die Sclerotica.
| An der Stirn zahlreiche Acnepusteln. Als Kind
Digitized by ^»ooQle
158
Keuchhusten und Scarlatina. — Menstruation regel¬
mässig, von 2 tägiger Dauer. — Stuhl regelmässig.
Vom 26. November bis Ende des Monats 1896
nahm sie in nicht regelmässigen Zwischenzeiten
von der 2. Dec. von Viscum album, von 5 bis
20 Tropfen steigend. I
Vom 3.—8. December von der 1. Dec.
December 8., 9., 10., 12., 13. und 15. Dosen von
1 —10 Tropfen der Urtinctur; am letzten Tage
80 Tropfen.
16. December. Gegen 11 Uhr 30 Minuten
Abends, als sie zu Bette ging, zwei heftige Stösse
am Herzen, wonach ein erschreckliches Herzklopfen
folgte. Nach 1—2 Minuten mässigte es sich wieder
zu dem gewöhnlichen Rhythmus. Dann eine Art
Zittern in den Gliedern; die Zähne klapperten; es
überkam sie ein allgemeines Beben; dies hielt etwa
1 Stunde an. Nachdem das Herzklopfen und Zittern
vergangen war, wurde das Gesicht glutroth. —
Heute Morgen fühlte sie sich zitterig; Schmerz
zwischen den Schultern — ein Wehthun. Links
vom Brustbein, und gerade über der Brustwarze,
ein Wehgefühl, deutlicher beim Tiefathmen. Beim
Erwachen Schmerz in der Kreuzgegend brennender
Art, von Bewegung nicht verändert, der bis jetzt,
10 Uhr 30 Min. Vormittags, anhielt. — Vergangene
Nacht häufiger Urinlassen als sonst. — Sie konnte
keinen Theil des Körpers ruhig halten; bald ruckte
ein Bein, bald ein Arm. Die Rucke wurden immer
schwächer, bis sie auf hörten. — (Vor 7 Jahren
hatte sie eine ähnliche Art von Rucken gehabt,
das nach dem Zubettgehen ein trat, damals dauerte
es aber immer länger als jetzt.) — Diesen Morgen
gab es ihr, wenn sie sich schnell drehte, einen j
Ruck und, wenn sie etwas auf heben oder einen i
Fuss vorwärts setzen wollte, war es ihr, als ob es
zuckte. Sie ging 2 Mal zu uriniren, während dieses
Zitterns; darnach schien es etwas nachzulassen,
kam dann aber wieder. — In der letzten Nacht
war der Urin (vor dem Zittern) sehr hellfarbig, die
jedes Mal entleerte Menge die gewöhnliche, aber
im Ganzen war die Quantität vermehrt. Seit 3 bis
4 Tagen vermehrte Speichelabsonderung; Bluten
des Zahnfleisches. Heute Brechübel vor Frühstück
und Mittagbrod.
December 18., 19., 21., 22. Viscum album 8.,
von 15 — 30 Tropfen pro dosi; die grösste Tages- |
gäbe war 40 Tropfen.
25. December 5 Tropfen der 80.
7. Januar 1897. Letzte Nacht etwas Herz¬
klopfen, ehe die Zuckungen kamen; diese dauerten
3 Stunden, dabei eine sonderbare Empfindung. Es
war ihr kalt, plötzlich kam ein Gefühl von Hitze
über sie, ohne dass sie wirklich heiss war. Dar¬
nach wurde ihr schrecklich heiss; sie hatte heftiges
Kopfweh, ein Klopfen, Alles schien ungeheuer gross
herum (3 Uhr Morgens). Beim Zubettgehen war
ihr ganz wohl gewesen. — Die Zuckungen be¬
gannen in den Beinen; doch war es mehr ein allge¬
meines, überall verbreitetes Springen und Zucken.
Das ganze Bett schien zu beben; die Zähne klap-
l perten erst, wenn sie aus dem Bette stieg. Weder
vor, noch während, noch nach dem Zittern ein
Herzklopfen. Beim Zittern und nach demselben
hat sie immer das Gefühl, als ob sie etwas Schreck¬
liches thun werde (so pflegte es ihr auch vor 7 Jahren
bei jenen Anfällen zu Muthe zu sein; damals half
ihr Valeriana-Wurzel). Sie hat 2 oder 8 Mal Wasser
gelassen, dies war etwas blass. — Sie schlief wenig,
denn eingeschlafen, wachte sie bald wieder auf.
1. Februar. Sie fühlt sich jetzt noch zitterig,
als ob sie von einer schweren Krankheit genesen
wäre; schlechter beim Aufstehen als beim Schlafen¬
gehen. Kopfweh, bald in dem Wirbel, bald in der
Stirn, dumpfes Weh; andere Mal mehr neuralgisch;
Kopf und Gesicht empfindlich, der Schmerz ist
scharf, besonders am Abend und nach Arbeit: fühlt
sich schwach. Hatte scharfen Schmerz in der Ovarial-
gegend, kommend und gehend, seit 2 Wochen.
Bewegt sie sich, oder die mit ihr im selben Bette
schlafende Mutter, so wird sie zitterig und die Eier¬
stocksschmerzen sind schlimmer. Uriniren nicht
häufiger; kein Uterinschmerz. Letzte Regel dauerte
länger, war geringer, ohne erhöhten Schmerz. Kreuz-
schroerz. Stuhl gut. — Heisshunger.
Einige Monate später gab sie folgenden Bericht
über ihr Befinden: Klopfender Schmerz oben am
Wirbel des Kopfes, der sich über den ganzen Kopf
ausbreitete, so dass sie fast verwirrt war. Schiessende
Schmerzen im Kopf und an verschiedenen Körper¬
teilen, besonders auf der linken Brustseite. Ein
ziemlich heftiger Schmerz in der linken Seite, der
einmal x / 4 Stunde lang anhielt. Herzklopfen, mit
der Empfindung, als ob sie sinnlos sei. — Gefühl
einer schweren Last zwischen den Schultern, und
bisweilen Schmerz. — Bisweilen grosses Kältegefühl
im Rücken; öfters Gefühl brennender Hitze den
Rücken herab (in der Kreuzgegend). Bisweilen
war es ihr, als ob eine Haut über den Augen
wäre. — Empfindung, als sollte sie Jemand beissen,
wenn sie die Zähne nicht fest zusammenhielt. —
Eine unselige Empfindung, als ob sie eine schreck-
| liehe That verrichten würde, wenn sie sich nicht
energisch beherrschte. Manchmal, wenn sie draussen
war, kam es ihr vor, als ob sie Jemand von der
Taille her herunterziehen wollte, und alsbald dar¬
nach ist es ihr, als ob der obere Theil des Kör¬
pers in der Luft schwebte. Oefters Gefühl von
Uebelkeit und Schwindel. Sie liegt in der Nacht
wach, und es kommen die schrecklichsten Bilder
vor die Phantasie, aber bald kann sie einschlafen,
wenn sie sich sehr bemüht, an etwas Angenehmes
20
Digitized by ^»ooQle
154
zu denken. Beim Wachen in der Nacht ist ihr
immer sehr heiss, ausgenommen die Kniee, Beine
und Füsse, die sehr kalt sind.
5. Februar 1898. Die obige Darstellung ent¬
spricht theilweise dem gegenwärtigen Zustande des
Fräuleins. Sie ist noch von denselben Empfindungen,
die für sie eine schreckliche und höchst unheilvolle
Realität haben, gequält. Ihr Zustand ist wirklich
äusser8t bedauern8werth. Sie ist sehr intelligent,
gut erzogen und ihrer Aufgabe als Pflegerin völlig
gewachsen. Sie macht den Eindruck einer stark
physischen und stark geistigen Persönlichkeit mit
einer über das gewöhnliche Maass weit hinaus¬
gehenden Willensstärke. Sie war mit Dr. Black
und anderen Aerzten bei Kranken unter Umstän¬
den, welche die stärksten Nerven angreifen, ohne
je durch die geringste Gemüthserregung in ihrer
Pflichterfüllung gestört zu sein. Jetzt aber fühlt
sie sich überaus elend, fürchtet, ihren Verstand zu
verlieren und einen epileptischen Anfall zu be¬
kommen, dass sie am liebsten in einem Asyl unter¬
gebracht wäre. Der Gedanke, dass sie eine schreck¬
liche That thun werde, will nicht von ihr weichen,
und drängt sie wohl nach Schutz und Ueherwachung,
um ihre Selbstbeherrschung durch andere unter¬
stützt zu sehen. — Dieser ganze Complex geistigen
und physischen Elends soll sich, wie sie nach¬
drücklich erklärt, nach dem Einnehmen von Vis-
cum album entwickelt haben. Ihre Mutter meint,
es habe in ihrem Körper gelegen, aber jener furcht¬
bare Arzneistoff habe Alles zum Vorschein gebracht.
Dr. Black selbst ist die Sache nicht klar. Ohne
Zweifel, meitit er, seien die heftigen Erschütte¬
rungen, die nervösen Rucke und das Zittern, das
sie beim Einnehmen der Urtinctur erfahren, dem
Mittel zuzuschreiben, vielleicht ebenso der zweite
heftige Anfall, indessen ist zu bemerken, dass sie
8—4 Monate vor Beginn der Prüfung durch den
plötzlichen Tod ihres Vaters eine heftige Gemüths-
erschütterung erhalten, deren Nachwirkung wohl fort¬
gedauert habe. Ferner ist in Bezug auf den Kreuz¬
schmerz, über den sie geklagt hat und an dem sie
noch leidet, zu erwähnen, dass sie, hei der Pflege
einer Hysterischen, die, wenn nicht wirklich geistig
gestört, doch nahe daran war, eines Tages, als sie
dieser, die von ihr weggelaufen war, nachlief, auf
das Gesäss hinfiel und sie sich einige Nächte nicht
ohne Schmerz im Bette umdrehen konnte; welcher
Schmerz sich dann noch mehrere Wochen bemerk¬
bar machte. Freilich soll er einige Wochen vor
der Prüfung aufgehört haben. — Die Schwester
der Prüferin ist ein Prototyp der Nervosität, leidet
auch an Migräne. — Diese Thatsachen sind bei
dieser Prüfung in Rechnung zu bringen.
8. Prüfung.
Eine 87 j. Frau, Mutter von drei Kindern, mit
' schwarzen Haaren, nussbraunen Augen, mittelgross
und mittelkräftig, von sanftem Wesen. Während
der Schulzeit, vom 14. zum 15. Jahre, hat sie er¬
heblich gelitten an Rheumatismus in den Gelenken
der zwei ersten Finger und in den Handgelenken.
Späterhin hatte sie auf dem Rücken der linken
Hand ein Ganglien, etwa 1 Zoll lang, das die
Hand und das Handgelenk schwächte. Auch hatte
sie Anschwellungen wie grosse Erbsen an der
Aussenseite der linken Hand. 12 oder 18 Jahre
alt litt sie viel von Rheuma im rechten Schulter¬
gelenk. — Zwischen dem 6. und 10. Lebensjahre
hat sie Scharlachfieber, Varioliden und Keuchhusten
gehabt, 1883 Influenza. — Menstruation regelmässig,
eher etwas zu spät als zu früh. Vor 6 Monaten
nach der Geburt des zweiten Kindes starke Menor¬
rhagie.
Sie nahm ein am 14., 17., 18., 19. und 21. De-
cember eine Dose von der 3. Dilution von 10 bis
80 Tropfen.
Es trat Rucken und Zucken der Muskeln ein.
Schiessende Schmerzen in der linken Eierstocks¬
gegend und bei Bewegung Lendenweh und Steifig¬
keit. —
4. Prüfung.
Ein Mädchen, 27 Jahr alt, von mittlerer Grösse
und Stärke, mit braunem Haar, blaugrünen Augen,
guten Zähnen. Letzten Winter Influenza und Bron¬
chitis. — Vor 2 Jahren Anämie mit Oedem des
linken Beins und Herzschwäche (nach Aussage des
Arztes). (Ruhe, Ferrum und Digitalis besserten.)
Als Kind Masern, Scharlachfieber und Keuchhusten.
5 Jahre Krankenpflegerin. Die Menstruation be¬
gann im 17. Jahre, nicht sehr regelmässig. Nur
1 Mal menstruirt in 3 Monaten vor 2 1 /« Jahren;
Dauer derselben gewöhnlich 1 Tag. Die letzte
Periode dauerte 2 Tage nach dreimonatlichem Inter¬
vall. Das Blut sehr hell und sehr gering an Menge.
Vorher fühlt sie sich schwach, muss sich Öfters
hinsetzen, um nicht ohnmächtig zu werden. An
zwei Stunden grosse Schmerzen im Hypogastrium,
immer Vorzeichen der ein tretenden Regel. Im Bette
ist alles gut, heim Aufsein fühlt sie sich aber dann
schwach bis zur Ohnmacht. Sehr wenig Rücken¬
schmerz. Stuhl regelmässig. Urin in gewöhnlicher
Menge, schmerzlos. Nach starkem Gehen oder Laufen
hat sie bisweilen Schmerz in der linken Seite, über
dem Hüftbein. P. 76, regelmässig; R. 20; beides
im Sitzen. T. 98° F. im Munde.
Brust . Athmungsgeräusch in der rechten Lungen¬
spitze weniger gut. — Herztöne überall klar und
rein. —
5. November um 4 Uhr Nachmittags 5 Tropfen
von Viscum album 3. Dec. auf Milchzucker.
7. November. Keine Wirkung. — Die gleiche
Dosis 4 Uhr Nachmittags.
Digitized by
Google
155
8. November. Um 4 Uhr 20 Min. Nachmittags
12 Tropfen.
9. November. Sie weiss nicht, ob es von
dem Mittel herrührt, aber sie hat etwas schiessen¬
den Schmerz über der Gegend des linken Eier¬
stocks gehabt, und nach ] / 2 Stunde ein dumpfes
Weh (wie sie es ähnlich vor etwa 8 Monaten nach
einem langen Spaziergang empfunden). Gestern |
war sie ziemlich schnell und weit gegangen. Das
Weh trat ein, als sie heimkam und sich nieder¬
setzte. Beim Gehen spürte sie nichts. Sie träumte
die ganze Nacht von ihren Tagesgeschäften. Sie
konnte mit den Dingen nicht recht fertig werden.
Es standen eine Menge Flaschen am Fenster, und
je mehr sie reinigte, desto mehr waren da. Appetit
gut. Viscum album 3. Dec., 15 Tropfen auf S. 1.
10. November. Sie konnte die ganze Nacht
wegen Schmerzen im rechten Bein bis 4 Uhr Mor¬
gens nicht schlafen. Der Schmerz fing an in der
Kniekehle, ging die Mitte der Wade hinab, wandte
sich dann zu der Crista tibiae herum; er schoss
so einige Minuten hinab, dann blieb ein Weh
zurück. Sie konnte das Bein nicht still halten;
dieses zuckte zeitweise, that aber bis heute früh
weh. Einen ähnlichen Schmerz hat sie bei der
Regel in der Wade. Wenn sie sich von einer
Seite zur anderen bewegte, und ebenso das Bein,
so war der Schmerz geringer. — Nach dem Auf¬
stehen hielt der Schmerz noch etwas an, jetzt ist
er weg. Keine Arznei.
11. November. Das Bein that ihr letzte Nacht
in derselben Weise weh; hörte das Weh zeitweise
auf, so fühlte sie Hitze daselbst; wie ein Brennen
mitten in der Wade. Das Weh dauerte nicht so
lange als in der vorigen Nacht. — Sie konnte
dabei nicht still liegen, legte das Bein immer an
eine andere, kühle Stelle im Bette, was etwas er¬
leichterte. — Keine Medicin.
12. November. Vergangene Nacht, nachdem
sie eine kleine Weile im Bette gelegen, schwache
Wiederkehr des Schmerzes; er hielt nicht lange an.
Viscum album 3. Dec., 10 Tropfen auf Milch¬
zucker.
13. November. Diese Nacht kein Schmerz;
Schlaf gut, und fühlt sich nach demselben wohl.
27. November. 5 Tropfen der 2. Dec. auf
Milchzucker.
Sie war gestern „unwohl“; die Periode war
dies Mal etwas früher als sonst gekommen.
28. November. 15 Tropfen der 2. Dec. um 1
5 Uhr Nachmittags.
Gestern Abend schrecklich müde, als ob sie
schwer gearbeitet und nicht geruht hätte. — Und
doch konnte sie nicht schlafen; dabei war sie ganz j
schmerzfrei. Diesen Morgen war der Regelfluss
wieder erschienen (nach 14 Tagen recidivirt), was i
sonst nie vorgekommen. Sonst immer 2 Tage, dies
Mal nur 1 Tag. — Die Augen sind ihr schläfrig,
sie kann sie kaum offen halten; es ist ihr, als ob
die Lider zu schwer wären. Keine Arznei.
30. November. Fühlt sich noch sehr müde.
2. December. Die Periode Hess gestern nach.
Gegen drei Tage hatte sie noch die Müdigkeit ge-
I habt; auch konnte sie die Augen nur schwer offen
halten und mochte mit Niemand reden. — Heute
wohlauf.
5. December. 20 Tropfen auf Milchzucker.
8. December. Sie hat seitdem noch von der
1. Dec. 2 Mal 5 Tropfen auf Milchzucker genom¬
men, dann 16 Tropfen auf drei Gaben vertheilt. —
Keine besondere Wirkung. Heute 1 Tropfen der
Urtinctur auf S. 1. um 4 Uhr 30 Min. Nachmit-
tags.
9. December. Fühlt sich matt, konnte wegen
Zahnweh nicht schlafen; ging deshalb zum Zahn¬
arzt. —
10. December. 1 Mal bei Nacht und mehrere
Mäle heute Morgen ein Gefühl in der Regio hypo-
gastrica, wie sie es vor dem Eintritt der Regel zu
haben pflegt; so jetzt um 2 Uhr 40 Min. Es ist
ein Hitzegefühl und ein anhaltendes, ermüdendes
Weh; sie klagt über einen Schmerz wie Zahnweh,
der nur in der linken Schamleiste anhebt. Nicht
erheblich, aber er macht einen müde. Etwas Schmerz
in der linken Eierstocksgegend, die auch etwas
druckempfindlich erscheint. Die Zehe that ihr in
der Nacht weh.
Viscum album 0, 6 Tropfen auf S. 1. um 4 Uhr
30 Min. Nachmittags.
11. December. Fühlt sich heute weit besser.
Heute früh etwas Weh in der linken Eierstocks¬
gegend, das aber bis zum Nachmittag völlig ver¬
schwunden war. Urtinctur 10 Tropfen in Wässer.
12. December. Sie hatte schreckliches Weh
in der linken Eierstocksgegend und abwärts, etwa
einen Zoll über der Schambeinfalte; dies weckte
sie um 8 Uhr Morgens. Der Schmerz dauerte
gegen eine Stunde und war äusserst heftig, wie
sie ihn nie empfunden. Nachdem er vergangen,
fühlte sie sich recht übel und schauderte vor Kälte.
Es war ein ununterbrochener Schmerz. Lange vor
demselben hatte sie Schmerz in der Brust; dieser
aber kam und ging öfters; sein Sitz war in der
Regio sternalis, nahe der Mamma, und ging
von rechts quer herüber. Dabei sehr schläfrig,
1 konnte heute sich gar nicht ermuntern. Es ging
eine kurze Zeit weg, aber beim Tiefathmen kam
es wieder. Auf der linken Seite ist ihr das Liegen
unangenehm; der Schmerz auf der Seite (im linken
Eierstock) wird dann schlimmer, und ergriff dann
auch das linke Hüftbein. Derartigen Schmerz hat
sie nie zuvor gehabt, so dass sie jetzt wünscht,
20 *
Digitized by ^»ooQle
15 «
sie hätte die Medicin nie getrunken. P. 96 um
8 Uhr 30 Min. Nachmittags.
14. December. Gestern etwas Weh in der
linken Seite. — Heute früh um 11 Uhr Nasen¬
bluten.
15. December. Das Nasenbluten kam nicht
wieder. Letzte Nacht Haut sehr trocken; glänzend,
etwa wie beim Scharlachfieher. Viscum album 0,
6 Tropfen um 8 Uhr 30 Min. Nachmittags.
16. December. Keinerlei Symptome. 4 Uhr
Nachmittags 10 Tropfen der Urtinctur in Wasser.
17. December. Kein Schmerz, aber starkes
Rucken in Händen und Füssen, „wie bei einer
Person mit Veitstanz“, lange Zeit. Hätte sie etwas
in der Hand gehabt, so wäre es ihr zweifelsohne
entfallen. Es kam, nachdem sie eine Zeit lang im
Bette gewesen (etwa gegen 1 Uhr Nachts). Zu¬
erst sprang die linke Hand, dann beide Beine; das
Herz schien dabei sehr schnell zu schlagen. Hielt
sie die linke Hand fest mit der rechten, so liess
es etwas nach. Dabei Neigung, mehr Urin zu
lassen; sie musste dazu aufstehen, was sonst *nie
der Fall ist, und liess mehr Urin als sonst, was
auch noch heute früh geschah. Dann fühlte sie
aufeinanderfolgende Stiche, die etwas über der Wurzel
(Spitze? Ref.) der linken Brust zu der Mamma
abwärts gingen. Solche Rucke hatte sie auch schon
eine Nacht zuvor gehabt; letzte Nacht waren sie
aber weit heftiger. — Am linken Arm und Bein
war es am schlimmsten. Es dauerte an 2—8 Stun¬
den. Beim Liegen auf dem linken Arm liess es
etwas nach. Sie spürte auch etwas Hüpfen oder
Springen der Muskeln des Epigastriums und Unter¬
leibes. Ihre Zähne klapperten. Keine Arznei.
19. December. Schmerz im linken Bein, in
der Wade, letzte Nacht im Bette; mehr oder weniger
die ganze Nacht über. Der linke Arm zuckte, aber
nicht viel, bald nachdem sie (um 11 Uhr) zu Bette
gegangen war; etwa 1 / f Stunde.
21. December. Letzte Nacht einige Rucke
im Arm und Bein linkerseits, etwa 1 Stunde, von 12
bis 1 Uhr. Der Urin hatte nach dem Stehen eine
milchweisse Färbung. Brauchte zum Urinlassen
nicht aufzustehen. Um dieselbe Zeit einige Stiche
im oberen Theil der linken Brust. — Keine Me¬
dicin.
22. December. Gestern Kopfweh; heute Nasen¬
bluten.
Viscum album 3. Dec., 10 Tropfen um 4 Uhr
80 Min. Nachmittags, um 7 Uhr Abends wieder
10 Tropfen in Wasser.
23. December. Beim Sitzen spürte sie diesen
Nachmittag ein schmerzhaftes Weh in der oberen
und unteren Fläche beider Waden, bis zur Mitte
gehend. Sie muss die Beine bewegen, nie im
Bette. Sie kann sie beim Sitzen nicht still halten.
Dieses Gefühl, das sie früher nie gehabt, dauerte
von 3 Uhr 30 Min. bis jetzt, 5 Uhr Nachmittags.
26. December. Gestern Abend 7 Uhr 30 Min.
10 Tropfen der 8. Dec.; heute früh 8 Uhr 30 Min.
und Abends wieder je 10 Tropfen.
Am 27. December um 12 Uhr 30 Min. Mittags
eine Stunde lang Zucken in Armen und Beinen,
zuerst im linken Arm, eine Stunde lang um 12 Uhr
30 Min., nicht sehr stark. — Im Bette sehr ruhe¬
los. Diesen Morgen fand sie fast alles Bettzeug
auf dem Boden. Sie fühlte sich recht elend, hatte
alle Nachtkleider aufgeknöpft, wohl wegen Hitze.
In der Nacht zum 24. December bemerkte sie
einige rothe Flecke auf der Brust und 1—2 am
Halse, linkerseits. Sodann zeigten sie sich im Ge¬
sicht, unter dem Kinn und an dem Brustkasten;
sie waren roth und hart, ohne Kopf. — Auf dem
Gesicht bemerkt man jetzt eine Papel, roth und
prominent unter dem Finger. (Desgleichen hat sie
früher nie gehabt.) — Wehgefühl in der Regio
hypogastrica wie vor der Regel.
Viscum album 3. Dec., 10 Tropfen Morgens.
28. December. Bis Mitternacht wohl; dann hef¬
tige Schmerzen in der linken Eierstocks- und Nabel¬
gegend; sehr schwach, wenn sie sich bewegen
wollte. Sie fand sich auf dem Fussboden statt im
Bette. Heute früh trat die Regel ein. Den ganzen
Morgen hinfällig. Der Schmerz in der linken Seite
dauerte bis 20 Minuten vor 2 Uhr Nachmil tags,
und wurde dann geringer. Dieser Schmerz war
unerträglich, so dass ihr das Weinen ankam. (Vor
5 — 6 Jahren hatte sie beim Eintritt der Menses
ein Weh in der linken Eierstocksgegend, aber nie¬
mals bedeutend; ein solches kam auch bisweilen zu
anderen Zeiten — aber es war nie so schlimm als
nach Einnehmen des Mittels.) Immer ist die linke
Seite afficirt. P. 88—92. Die linke Ovarialgegend
und bis zum Schambein herab empfindlich gegen
Druck.
1. Januar 1897. Seit dem 28. December kam
der Schmerz jede Nacht und weckte sie oftmals,
so dass sie bis gegen Morgen nicht zu schlafen im
Stande war. Der Schmerz und die afficirten Theile
sind die gleichen wie früher. Am 30. December
hatte die Periode aufgehört; und dieser Tag sowie
die folgende Nacht war gut; am 31. December
Morgens kam sie wieder, hielt aber nur kurze Zeit
an. Heute ist es weit stärker, und sie fühlt sich
sehr matt, zu nichts zu gebrauchen. Kopf und
Beine haben ihr sehr weh gethan. Rücken schmerz¬
los. Urin und Stuhl ungestört. — Sie hat Der¬
artiges ihr Lebelang nicht durchgemacht. —
Bemerkung des Referenten. Es ist zu be¬
dauern, dass der College Dr. Black über das weitere
Befinden dieser so schwer von dem Mittel ergriffe¬
nen Prüferin nichts mitgetheilt hat. — Die Ein-
Digitized by
Google
157
Wirkung der Mistel auf das weibliche Geschlecht 1
ist in diesen hier gegebenen Prüfungen deutlich |
gekennzeichnet. Die Richtung desselben auf den j
linksseitigen Eierstock und die abwärts davon liegen¬
den Theile, sowie auch auf die Gebärmutter, zu¬
mal als Molimina menstrualia und Pellans, ist stark
ausgesprochen. Die Einwirkung auf das motorische
Nervensystem, das Rucken, Zucken, Werfen der
Ober- wie Unterglieder ist bis zu dem Bilde einer
Chorea entwickelt. Ebenso ist die Action auf das
Herz stark ausgeprägt. —
Die Geduld und Ausdauer dieser Prüferinnen
ist wirklich bewundernswerth zu nennen. —
Hieran wollen wir nun einige therapeutische
Anwendungen von Viscum album von Seiten des
Dr. Black anreihen.
1. Fall. Myalgie.
Ein 57jähriges Fräulein, mit dunklem Haar
und Augen, mittlerer Grösse und Stärke, die sich
sonst wohl befunden, ruft am 6. Februar 1898
wegen Schmerz zwischen den Schultern Dr. Black’s
Rath. Die Bewegung derselben ist sehr beschwer¬
lich. So kann sie sich Morgens beim Aufstehen
kaum allein anziehen. Der Schmerz fängt, im
Bette liegend, Morgens an. Hat sie sich beim Auf¬
sein einige Zeit herumbewegt, so fühlt sie nichts
davon. Am vorigen Tage war auch das zweite
Gelenk des rechten Mittelfingers geschwollen; das
verging aber nach einiger Zeit. Das Leiden be¬
steht etwa seit 8 Tagen.
Viscum album 30., 5 Tropfen auf Milchzucker,
eine Gabe um 5 Uhr Nachmittags.
Am 7. Februar. Weniger Schmerz als seither.
Am 10. Februar. Sie klagt über eine kne¬
belnde (juckende) Empfindung von der rechten
Schulter, nach vorn unter die Achsel, nach der
Brusthin sich ziehend. Viscum album *30., 12 Tropfen i
in ein Glas halb mit Wasser, 4 stündlich einen 1
Theelöffel voll. — Autor begegnete ihr draussen
und war erstaunt, wie munter sie dahintrabte. Der |
Schmerz, sagte sie, ist nicht vergangen, aber er
ist im Verschwinden. — I
Am 14. Februar. Er zeigte sich ein paar Stun- (
den Morgens, aber kein Vergleich mit seiner früheren
Stärke; sie kann sich wieder, ohne Aufschrei, an¬
ziehen. Seitdem sie das Mittel genommen, hat sie
keinen Schmerz mehr in der rechten Seite gehabt;
aber zwischen den Schultern hat sie noch eine Spur
davon. Die Schwellung der Fingergelenke liess
allmählich nach und kam nicht wieder.
2. Fall. Lumbago.
Eine 30jähr. Frau, mit dunkelbraunem Haar
und dunkelgrauen Augen, stellte sich am 1. März
1898 vor. Als sie vor 3 Tagen Abends aus der
Stadt heimgekehrt war, bekam sie Abends Frost- !
schauer. Am anderen Morgen that ihr der Rücken j
sehr weh; als ob er in Stücke zerrissen würde;
sie hatte das Verlangen, etwas dagegen zu drücken.
Jetzt ist es noch sehr schlimm; es muss ihr Jemand
beim Aufstehen behilflich sein. Wenn sie den linken
Arm bewegt, kommt es ihr in den Rücken. Selbst
das Aufschnaufen thut ihr weh. — Der Sitz des
Schmerzes ist in der Lendengegend und die Wirbel¬
säule aufwärts. T. 98° F. P. 70. Die Zunge ist
rein. Sie kann nichts essen, obwohl sie sich sterbends-
matt fühlt. Schluss (folgt.)
Senecio aureus
in einem Falle von Mania puerperalis.
Von Dr. Seiden H. Talcott.
Eine 26jähr. Frau, Mutter von zwei Kindern,
wurde am 17. Juni 1896 in das Middletown State
Hom. Hospital aufgenommen. Die Verwandten sagten
aus, dass sie während ihrer Schwangerschaft sich
fortwährend darüber geängstet habe, dass das zu
erwartende Kind ebenso wie das zuerst geborene
todt zur Welt kommen werde. Am 8. Juni fand
die Entbindung statt; das Kind war kräftig und
gesund. Als sie am 17. d. M. ins Krankenhaus
kam, war sie in einem Zustande einer heftigen
acuten Manie. Ihr Aussehen war nicht schlecht;
sie ist gross und stattlich, aber von schlaffer Ge-
websart. Sie ist geistig sehr aufgeregt: mit einer
hysterischen Hyperästhesie. Ihre Temperatur war
103 F., der Puls 112, Respiration 28. In den
ersten drei Monaten trat im Hospital in ihrem phy¬
sischen Befinden eine geringe Besserung ein; aber
die maniakalische Erregung hatte statt ab- eher
zugenommen. Ein Mal stieg die T. auf 105°, ge¬
wöhnlich hielt sie sich aber auf 103° F. Sie er¬
hielt die üblichen Mittel: Aconit, Baptisia, Bella¬
donna, Hyoscyamus, Pulsatilla und Stramonium,
wie sie angezeigt erschienen, aber der psychische
Zustand wollte sich nicht bessern. Die T. blieb
hoch; sie geberdete sich wie eine verworrene, ge¬
walttätige, immer bewegliche, kaum zu bändigende
Person. — Wir erfuhren schliesslich, dass die
Lochien plötzlich nach der Entbindung aufgebört,
der Menstrualfluss noch nicht wieder erschienen
war. In Anbetracht der Amenorrhoe, verbunden
mit beständiger psychischer Aufregung, heftigem
Kopfschmerz, grosser nervöser Reizbarkeit und
Schlaflosigkeit, sowie hysterischem Erethismus, gaben
wir Senecio aureus in der 3. Dec.-Dil., zweistünd¬
lich in Tropfen. Am 15. Sept. nahm sie die erste
Gabe. In weniger als 3 Tagen begann die Besse¬
rung, die dann stetig fortschritt. Am 26. war sie
ziemlich verständig, und der Schlaf war gut. Im
October zeigte sich die Monate lang ausgebliebene
Periode wieder zum ersten Mal. Am 20. October
Digitized by
Google
158
erscbien sie frei vou allen Wahngebilden und im
geistigen Gleichgewicht, war aber noch sehr kraft¬
los. Obwohl sie wohlgenährt und gesund aussah,
konnte sie Wochen lang die gewöhnliche Beschäf¬
tigung nicht Aushalten. Eine solche Schwäche des
ganzen Organismus folgt manchmal auf derartige j
schwere maniakalische Anfälle.
Auf den Wunsch ihrer Verwandten war sie auf
einen Monat nach Hause entlassen. Eine Zeit lang
ging es hier gut, dann kam ein Rückfall und am
17. November trat sie wieder in das Spital. —
Um diese Zeit war sie aufgeregt, heftig, gewalt¬
tätig. Bellad. beschwichtigte etwas, aber nicht
vollständig, und so wurde wieder zu Senccio ge¬
griffen. Von da ab besserte sie sich in leiblicher
wie geistiger Hinsicht sehr bald. Die Periode kam
rechtzeitig und gut und alle physischen und psy¬
chischen Functionen befanden sich in normaler
Ordnung.
Ara 15. Febr. 1897 wurde sie auf einen Monat
beurlaubt, und konnte am 19. März als geheilt
entlassen werden. Seitdem hat sie sich leiblich j
wie geistig einer guten Gesundheit erfreut. Verf. I
schliesst: j
„Wenn auch die Prüfung von Senecio aureus
nicht vollständig und die Gemüthssymptome nur
schwach vertreten sind, so genügen diese doch bis- |
weilen zur Wahl des Mittels. Es scheint die Mitte
zu halten zwischen dem wilden, erregten, ungestü¬
men Geisteszustand von Belladonna und dem mil¬
den, thränenreichen und veränderlichen von Pulsa-
tilla. — Eine Wiederherstellung vorn Wochenbett-
Wahnsinn ohne Wiederkehr der menstrualen Func¬
tion ist etwas Seltenes, und zur Erreichung dieses
Zweckes wird man Senecio in Zukunft mehr be¬
achten müssen.“
(North American Journal of Homoeopathy.
November 1897.) M.
Lesefrüchte.
Einfluss der Schwangerschaft anf das Herz.
Larchey hat behauptet, dass der linke Ventrikel
durch die Schwangerschaft hypertrophisch werde:
dieses findet aber hauptsächlich bei eklainptischen j
Frauen statt. Prof. Pinard ist der Ansicht, dass
die Schwangerschaft an sich keine Herzkrankheit
hervorbringe. Auch auf das Endocardium wirkt
die Schwangerschaft nicht direct krankmachend;
kommt bei einer Gravida Endocarditis vor, so wird
das Herz derselben schon vorher krank gewesen
sein, ebenso wird das bei einer Myo- oder Peri-
carditis der Fall sein.
Hat eine schwanger gewordene Frau ein Herz- ■
leiden, ohne dass die Nieren ergriffen sind, wo also ,
eine gute Complication besteht, so kann die Frau
alle Phasen der Gravidität ohne Unfall überstehen.
Sind aber die Nieren bereits erkrankt, so wird man
bei der Gravida Herzerscheinungen beobachten, wie
hydrostatische Störungen, Athemlosigkeit und Athem-
beklemmung, sowie Lungenerscheinungen, die, wenn
sie nicht beachtet und gehörig behandelt werden,
lebensgefährlich werden können. Da man jedoch
im Voraus nicht wissen kann, ob die Nieren er¬
griffen werden oder ob sich Compensation bilden
werde, so ist die Frage, ob ein herzkrankes Mäd¬
chen heirathen dürfe, nicht so leicht zu beant¬
worten.
Der Einfluss von Herzleiden auf den Verlauf
der Schwangerschaft äussert sich in der Häufigkeit
frühzeitiger Geburten. Die Placenta ist bei dieser
gewöhnlich von weisser Farbe. Während des Kreisens
beobachtet man bei solchen Frauen öfters: Dyspnoe,
Herzinsufficienz, plötzlichen Tod; hier kommt zur
Herzkrankheit aber noch eine Deformität der Wir¬
belsäule, Pleuritis, Pericarditis oder auch Erweite¬
rung der Geburtsorgane hinzu. Dann haben wir
also indessen keine normale Schwangerschaft vor
uns. Hier und da beobachtet man auch einen
Lungenkatarrh mit Erstickungsanfällen.
Höchst selten, und nur wenn die Leber ange¬
griffen ist, kommen während der Nachgeburtsperiodo
Blutungen vor. Man hat den herzkranken Frauen
den Rath ertheilt, nicht zu heirathen oder doch
keine Kinder zu gebären; kommen Kinder, diese
nicht selbst zu säugen. Die Thatsachen sprechen
hingegen dafür, dass auch Herzkranke ohne Un¬
fälle Kinder gebären.
Die Prognose hängt vom Zustande der Nieren
ab; bei einer Buckligen und bei Amnionwasser¬
sucht wird sie ungünstig sein.
Was die Behandlung der herzleidenden Gravidae
betrifft, so ist für sie Ruhe, Vermeidung aller An¬
strengung notwendig; die Nieren- und Darmfunctionen
sind sorgfältig zu überwachen, für Nachtruhe ist
zu sorgen.
Jaconet empfiehlt als Kost 2 Liter Milch täg¬
lich von 5 Monaten an, sowie Digitalis als Infus.
Kommt man zu einer Gravida mit Herzer¬
scheinungen, so sind nach Prof. Pinard geboten:
1. schnelle Entleerung des Uterus; 2. Aderlass.
Letzteren empfiehlt er auch, ohne Verzug, bei
acutem Lungenödem vorzunehmen.
(Vorlesung des Prof. Pinard — Klinik Bandelocque
in Paris. Le monde medical.)
Ein nenes Symptom zur frühzeitigen Er¬
kenntnis» von Lnngen-Tuberkniose.
Dr. Murat (Gazette hebdomadaire de mädecine
et Chirurgie, 5. März d. J.) macht auf ein sub-
Digitized by ^»ooQie
159
jectives Symptom aufmerksam, das er häufig bei
Personen mit beginnender Tuberkulose angetroffen
hat. Da es schmerzlos ist, achten in der Regel die
Kranken darauf nicht, bis man sie darauf aufmerk¬
sam macht. Es besteht in einer merklichen Vibra¬
tion in der ergriffenen Lungenspitze beim lauten j
Sprechen. Bisweilen sucht der Patient instinctiv I
das Vibriren zu vermindern, indem er den Arm der
entsprechenden Seite gegen die Brust drückt. Dies
Symptom ist die natürliche Folge von der Ver- ;
dichtung des Lungengewebes und ist der Broncho-
phonie seinem Wesen nach analog, geht dieser aber
öfters voraus, wie Dr. Murat aus seinen Beobach* |
tungen constatiren kann. Wenn ein Kranker, einer
beginnenden Tuberkulose verdächtig, tiefe Exspira¬
tionen zu machen gelernt hat, und man leitet seine
Aufmerksamkeit auf diesen Punkt hin, so wird er |
gewöhnlich das Vibriren auf der afficirten Seite
wahrzunehmen im Stande sein, als ob die tuber¬
kulöse Lunge mit dem Kehlkopfe in Verbindung
stände, während auf der gesunden Seite dieses Ge¬
fühl nicht zu bemerken ist. — Sollte sich diese
Beobachtung bewahrheiten, so hätten wir allerdings
ein schätzbares Hilfsmittel zur frühzeitigen Dia¬
gnose der Lungen-Tuberkulose.
Personal-Nachrichten.
Der homöopathische Arzt Dr. Reignerie ist von
Strassburg i. E. nach Lahr (i. Baden) übergesiedelt,
und Dr. Schönebeck (Soltau) an seiner Stelle nach
Strassburg verzogen.
Anzeigen.
Galvanisirte Stahldrahtschlundröhren
das vorzüglichste, stets sicher wirkende, und allein vollkommen unschädliche medicinische Instrument gegen die
Trommelsucht (Aufblähen) der Wiederkäuer.
Die Trommelsucht hat ihren Grund darin, dass durch gieriges Fressen von thaufeuchtem Griinfutter,
welches schnell in Gährung übergeht, im Magen Gase entstehen, die einen so starken Druck auf dessen
Wände ausüben, dass das Platzen eine unbedingte Folge ist.
Schnelle Hilfe ist also die Hauptsache!
Daher ist von den zuweilen angewandten unsinnigen Mitteln, wie Aderlässen, Auf- und Abtreiben der
Thiere, sowie auch von der Anwendung des Troicarts auf’s Entschiedenste abzurathen. Der grosse Nach¬
theil des letzteren liegt in den Verletzungen, welche dem Thiere beigebracht werden, die Eiterungen, Ab¬
magerung etc. leicht zur Folge haben können.
Alle diese Nachtheile sind durch das
galvanisirte Stahldrahtschlundrohr
vollkommen ausgeschlossen! Daher darf dasselbe keinem Landwirth fehlen!
Versäumen also auch Sie nicht
sich umgehend bei mir dieses medicinisclie Instrument zu kaufen, damit Sie in vorkommenden Fällen Ihr
Rindvieh resp. Ihr Schaf schnell und sicher von den Qualen der Trommelsucht befreien können.
Preise von galvanischen Stahldrahtschlundröhren.
1 grosses Schlundrohr (für Kühe etc.) mit Maulholz.Mk. 3.—.
1 kleines Schlundrohr (für Schafe und Kälber) mit Maulholz. „ 2.50.
Gedruckte Gebrauchsanweisung dabei.
Zu beziehen durch
Täschner & Co., Homöopath. Central-Apotheke, Leipzig.
Bönninghausen’s
Therapeutisches Taschenbuch
in neuer deutscher Auflage.
Brosch. 10.— Mk., geh. 11.— Mk.
Aufträgen sieht die Unterzeichnete Verlagshandlung gern entgegen.
A. Marggrafs homöopath. Officin, Leipzig.
Digitized by ^»ooQle
160
Im Verlage der Homöopathischen Central-Apotheke von |
Täschner & Co., Leipzig, und A. Marggraf’s homöopathi¬
scher Officin, Leipzig, sind folgende empfehlenswerthe j
homöopathische Bücher und Schriften erschienen:
Gross-Hering, Vergleichende Arzneiwirkungslehre. l.Aufl.
1893. geb. M. 20,-.
Bruckner, Homöopath. Behandlung der Augen- und Ohren¬
krankheiten. 1. Aufl. 1894. brosch. 2.50, geb. 3.—.
Kleiner homöopath. Hausfreund. 6. Aufl. 1894. brosch.
1.—, geb. 1.50.
Homöopath. Volksschriften, Nr. 1—28, in diversen (1.—8.)
Auflagen, ä 10 Pfg.
Hendrlchs, Zahnschmerzen. Deutsch. 2. Aufl. 1888. —.30.
Holland., 1. Aufl., — .50.
Allgemeine homöopath. Zeitung. 135. Band. (2. Halbjahr
1897.) Halbjährlich 10.50.
Mflller, Charakteristik. Deutsch, 3. Aufl. 1890, geb. 1.50.
Spanisch, 2. Aufl. 1891, brosch. 2.—, geb. 2.50.
Homöopath. Allerlei. 1890. brosch. 1.-, in Parthien billiger.
La Curacion y Profilaxia per el Tratamiento Homeopätico
de Las Prinzipates enfermedades Infecciosas. 2. Aufl.
1893. brosch. 1.20.
Diverse kleine Anweisungen zur Heilung einzelner Krank¬
heiten. & 20 Pf.
Hlrsohel, Der homöopathische Arzneischatz in seiner An¬
wendung am Krankenbette. Für Familie und Haus
neu bearbeitet von Dr. med. Goullon in Weimar.
16. Auflage, geb. 4 M.
Hübner, Homöopath. Thierarzt. 9. Aufl. 1892. cart. 3.—.
geb. 3.75.
— Krankheiten der Pferde. 9. Aufl. 1894. brosch. 1.20.
geb. 1.60.
Gflnther, Kleiner homöopath. Thierarzt. 2. Aufl. 1888.
geb. 1.50.
Hausmann, Kleine Schriften. Gesammelt und herausge¬
geben von Dr. C. Bojanus, sen. 1895. cart. 1.50.
Homöopath. Hilfstabellen. Belehrung über die Bereitung
der Potenzen aus den Urtincturen, Stärke des zu ver¬
wendenden Alcohols etc. mit einer Anlage über Lutze’s
Chiffre-Schrift. 1.—.
Homöopathische Arzneitaxe, bearbeitet in Uebereinstim-
mung mit allen in Deutschland bisher erschienenen
officiellen und im Gebrauch befindlichen homöopathischen
Arzneitaxen. —.30.
Bönninghausen’s Therapeutisches Taschenbuch für homöopath.
Aerzte, neu herausgegeben von Dr. med. Fries, brosch.
10.—, geb. 11.—.
Die GrundzOge der modernen wissenschaftlichen Homöopathie,
von Dr. Hans Wapler. brosch. —.50.
Die Unhaltbarkeit der Hochpotenzen, von Dr. Kallenbach,
Rotterdam, brosch. —.80.
Kunkel, Dr. med., Die homöopathische Behandlung der
Heiserkeit, brosch. —.50.
Dr. Theinhardt’s
Lösl. Kindernahrung.
(Hergestellt au* Milob, Zucker, Gerste, Weizen.)
BewShrt seit 10 Jahren bei normalor und gestörter
Gesundheit der Kinder.
Von Autoritäten empfohlen als:
Rationellste Ergänzung der verdüuuten Kuhmilch.
Leichtverdaulich — durch Löslichkeit und minima¬
len Stärkegehalt.
Knochenbildend — durch seine Nährsalze;
(ca. 2°/ 0 Kalkphosphat u. 1,5% Phosphorahure).
Diätet. Therapeutik. hei Rhachitis, Scrophulose und
Cholera infantum.
Preis der Dose M. 1.20 (300 g) u. M. 1.90 (500 g Inh.).
Vorrftthig in den meisten Apotheken und Drogerien.
Wissenschaft 1. Urtheile, Analysen u. Gratismuster durch
Dr. Theinhardt’s Nährmittel - Gesellschaft
Cannstatt (Württbg.)*
Soeben ist im Verlage von Carl Gruner’s homöopath.
Officin, Leipzig und Berlin, erschienen:
Die Heilung der Diphtherie
auf homöopathischem Wege
insbesondere durch
Mercurius cyanatus.
Rathschläge für Eltern.
XI. Auflage der Dr. Villers’scheu Schrift.
Theilweise neu bearbeitet
von einem homöopathischen Arzte.
Preis 50 Pfg.
Alles Nähere aus der Besprechung in Bd. 139, No. 3/4
dieser Zeitung ersichtlich.
Receptnr-Tarirwaagen.
Da neuerdings bei Revisionen auch mehrfach Tarir-
waagen verlangt worden sind, welche jedoch die Herren
Aerzte nie brauchen und die im Allgemeinen nicht unter
50 — 60 Mark zu haben sind, so habe ich billige und für
Revisionszwecke völlig genügende, mit Präcisionsstempel
versehene und geaichte Receptur-Tarirwaagen auf einfachem
Brette anfertigen lassen, die zum billigen Preise von nur
24 Mark offcriren kann.
Leipzig. A. Marggrafs homöopath. OfDcin.
Cur- und Badeort Augustusbad bei Dresden
(Eisenbahnstation Radeberg, an der Sächsisch-Schlesischen Bahn.)
Wasserheilanstalt, Stahl- und Moorbad, klimatischer Curort,
420 m über dem Spiegel der Ostsee, in einem reizenden Thale, geschützt vor rauhen Winden, inmitten alter, herr¬
licher Waldparkanlagen gelegen, auch für Milch- und Molkenkuren eingerichtet, passend bei allgemeinen Schwäche¬
zuständen, Blutarm uth, Skrophulose, Bleichsucht, englischer Krankheit, Herzleiden, Rheumatismus, Gicht, Nerven¬
leiden und verschiedenen Frauenkrankheiten etc. Aeusserst günstige Wohnungsverhältnisse, niedrige Preise der
Bäder, billige Pension. Dirigirender Arzt Dr. med. Juiips Meyer.
Jede eingehendere Auskunft wird bereitwilligst ertheilt.
Aaguitusbad bei Badebers i. s. Pie Bade-Pirection.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttg&rt.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius Maser in Leipzig.
Digitized by L^OOQie
Band 139,
Leipzig, den 23. November 1899. No.21ll.22,
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITEN«.
Herausgegeben Ton
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle and Verlas; ron William Steinmetz (A. MarggraFs homöopath. Offlein) in Leipzig
Thomaskirchhof 12.
Erscheint 14tftgig zu 2 Bogen. 13Doppelnnmmern bilden einen Band. Preis WM. 50Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlein ln Leipzig) zu richten
sind, werden mit 20 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 6—8 M. berechnet.
Inhalt. 12. Herbstversammlung des Vereins der homöopathischen Aerzte Württembergs in Stuttgart am 5 No¬
vember 1899. Bef. Dr. Mossa. — Die bevorstehende ärztliche Standesordnung und die Stellung der homöopathischen
Aerzte zu derselben. Vortrag von Dr. Weiss-Gmünd. — Spongia marina bei Herzleiden. Von Dr. Mossa. —
Drei Fälle von Appendicitis aus meiner Praxis. Von Dr. Schier in Mainz. — Viscum album, die Mistel, ihre Natur¬
geschichte, traditionellen Heilkräfte, sowie ihr Gebrauch im Volke und der wissenschaftlichen Medicin in Behandlung
von Krankheiten nebst neueren Prüfungen des Mittels. Von Dr. George Black, London 1899. (Schluss.) — Lese¬
früchte. — Mittheilung. — Kaiserbad in Rosenheim. — Anzeigen.
W3~ Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage.
Die Stelle des dirigirenden Arztes am homöopathischen Kran-
kenhause zu Leipzig soll vom I. April 1900 ab anderweitig besetzt werden.
Die Stelle ist dotirt mit einem Jahresgehalt von 4000 Mark. — Gesuche sind
bis zum 15. December a. c. an den Unterzeichneten Vorsitzenden einzureichen, hei
dem anch Näheres zu erfahren ist.
Leipzig, den 6. November 1899.
Das Curatorium des homöopathischen Krankenhauses.
Dr. med. Stifft, Vorsitzender.
12. Herbstversammlung
des Vereins der homöopathischen Aerzte
Württembergs in Stuttgart
am 5. November 1899.
Die Versammlung des Vereins der homöopa¬
thischen Aerzte Württembergs fand dieses Jahr
ziemlich spät statt, aber sie war durch schönes
Alt-Weiber-Sommerwetter begünstigt und zahlreich
besucht, auch von Collegen ausserhalb der schwarz-
rothen Grenzpfähle. Die Zahl der Anwesenden
betrug 22. Es erschienen daselbst:
1. Kirn-Pforzheim. 3. Boffenmeyer - Reut-
2. Weiss-Gmünd. lingen.
4. Glökler - Kirchheim-
Teck.
5. Eckermann - Metzin¬
gen.
6. Reichel-Calw.
7. Stiegele jun.-Stutt¬
gart.
8. Grüuewald - Frank¬
furt a. M.
9. Sellentin - Darmstadt.
10. Cramer-Karlsruhe.
11. J. Layer-Pforzheim.
12. Förg-Heilbronn a. N.
13. G. Layer-Wildbad.
14. Endriss-Göppingen.
15. Jaeger-Hall.
16. Lorenz-Stuttgart.
17. Schier-Mainz.
18. v. Sick-Stuttgart.
19. Göhrum-Stuttgart.
20. Mossa-Stuttgart.
21. Sigmundt - Spaichin-
gen.
22. Pfleiderer-Bondorf.
Der derzeitige Vorsitzende, HerrObermedicinalrath
Dr. v. Sick, eröffnete die Sitzung um 5 1 I 2 Uhr, und
21
Digitized by t^ooQle
162
nach Wiederbestätigung des bisherigen Vorstandes,
des Obermedicinalraths Dr. v. Sick als Vorsitzen¬
den, Dr. Göhrum als Schriftführer und Dr. Lorenz
als Kassenwart, begrüsst er die auf die Einladung
hin zahlreich erschienenen Collegen. Sodann warf
er einen kurzen Rückblick auf die Verhandlungen
des Central Vereins in Elberfeld. Er hat daselbst j
den Eindruck gewonnen, dass die persönliche, uns
so sehr schädigende Feindseligkeit unter einzelnen
Mitgliedern im Verschwinden begriffen und ein ver¬
söhnlicher Geist die Mehrzahl beseele. Je mehr
das friedliebende Element vorherrsche, desto er-
spriesslicher wird das Ergebniss der Centralvereins¬
versammlungen ausfallen, weshalb Redner die süd¬
deutschen Collegen dringend zum Besuch derselben
auffordert. Der Centralverein ist nun doch das
Centralorgan für die homöopathischen Interessen
in Deutschland, weshalb es unsere Pflicht sei, den¬
selben zu kräftigen. Die durch die Berliner Col¬
legen demselben eingeflösste frische Bewegung ver¬
spricht Gutes. — Der vom Redner in Elberfeld
gehaltene Vortrag ,,Professor Samuel und die Ho¬
möopathie“, über den die homöopathischen Zeit¬
schriften ausführlich berichtet, sei nun bereits als
Werbeschrift im Druck erschienen und stehe den
Collegen für sich und zur weiteren Verbreitung
zur Verfügung. — Auch von einer der Homöo¬
pathie zwar befreundeten, officiell aber der alten
Schule zugehörigen, competenten Persönlichkeit ist
ihm volle Zustimmung zu dem im Vortrage Aus¬
geführten zu Theil geworden. — So lauge indessen
die homöopathischen Anschauungen nicht Allgemein¬
gut der Aerzte geworden seien, würden wir in
einer Sonderstellung verbleiben, welche durch die
Agitation der Laien, so nützlich diese für die Ver¬
breitung unserer Heilmethode auch gewesen, eher
verschärft als gebessert werden könnte. — Zu
manchen Bedenken haben in Elberfeld die Verhand¬
lungen über das Leipziger homöopathische Kran¬
kenhaus Anlass gegeben; indessen ist zu erwarten,
dass die zur Zeit vorhandenen Schwierigkeiten bald
wieder zur Ausgleichung kommen werden. — Be¬
treffs der daselbst ausgeübten Therapie wünscht
Redner, dass man von dem symptomatischen Ver- |
fahren nach dem Usus der alten Schule so selten
als möglich Gebrauch machen möchte. Er selbst hält
es z. B. beim etwaigen Eintritt von Delirium tremens
bei einer an Pneumonie erkrankten Person für an¬
gezeigt, die dem Gesaimntzuxtand einschliesslich
der Hirnaffection entsprechenden homöopathischen ,
Mittel zu verabreichen, und nicht gleich durch
Morphium in stärkeren Dosen das Säuferdelirium
zu unterdrücken. Andernfalls verfällt man dem
Vorwurf, dass man bei drohenden Symptomen ]
genöthigt sei, immer zum allopathischen Verfahren
zu greifen und stellt die Homöopathie hierdurch
leicht bloss; auch ist Redner davon überzeugt, dass
die homöopathische Behandlung, unter obigen Um¬
ständen, dem Kranken entschieden mehr fromme. —
Zu erwähnen sei noch, dass der Centralverein
Dr. Kröner-Potsdam zum Vertreter der deutschen
Homöopathie beim internationalen Congress zu Paris
im nächsten Jahre ausersehen habe. — Für die
Einrichtung der Ferien-Kurse in Berlin spendet
Redner den dortigen Collegen hohes Lob.
Die Aufnahme des Dr. Pfleiderer in den Ver¬
ein der homöopathischen Aerzte Württembergs er¬
folgt ohne Widerspruch.
Der Vorsitzende ertheilt jetzt das Wort an
Dr. Weiss-Gmünd zum „Bericht über die bevor¬
stehende ärztliche Standesordnung und die Stellung
der homöopathischen Aerzte dazu“.
Da wir den mit grossem Beifall aufgenommenen
Vortrag des Dr. Weiss, der dieses wichtige Thema
mit grosser Sachkenntnis und scharfem Urtheil
nach allen Seiten gründlich erwogen hat, in ex¬
tenso bringen, so geben wir an dieser Stelle nur
die vom Vortragenden den Mitgliedern des Vereins
zur Beschlussfassung vorgelegten Anträge:
1. Es ist dringend wünschenswerth, dass jedes
Mitglied seinen Eintritt in den zuständigen
Bezirksverein erkläre, um in demselben bei
Besprechung der vom Landesausschuss ihm
vorzulegenden Entwurf einer Standesordnung
den Standpunkt der homöopathischen Aerzte
zu vertreten und gegen Beschlüsse, welche
die Actionsfreiheit der homöopathischen Heil¬
methode beeinträchtigen können, formellen
Protest zu erheben.
2. Den Vorsitzenden des Vereins, Herrn Ober-
medicinalrath I)r. v. Sick, zu ersuchen, eine
im Sinne der Ausführungen des Redners ge¬
haltene Erklärung des Vereins bei der Be¬
gutachtung des Entwurfes zu einer Standes¬
ordnung der Württemberger Aerzte im Königl.
Medicinalcollegiura abzugeben.
3. Es mögen diese Resolutionen des Vereins in
Gestalt eines ausführlichen Memorandums vor
der Einbringung des Gesetzentwurfes durch
das Kgl. Ministerium an die Kammern der
betreffenden Commission, resp. den Präsiden¬
ten derselben überreicht werden.
Der Vorsitzende eröffnet die Besprechung die¬
ser Anträge, zunächst des ersten, indem er aus¬
führt: Es haben bisher nur sehr wenige homöopa¬
thische Aerzte von dem ihnen, wie jedem anderen
Arzt, zustehendeu Rechte des Eintritts in den zu¬
ständigen Bezirksverein Gebrauch gemacht. Er
selbst habe es schon seit langer Zeit gethan und
sei mit dem Anträge 1 von Collegen Weiss, dass
die anderen Collegen es auch thun möchten, völlig
einverstanden. Er habe auch den Sitzungen des
Digitized by k^ooQie
163
Bezirksvereius I so oft beige wohnt, als dort ihn |
interessirende Themata auf der Tagesordnung stan¬
den. So nahm er auch jüngst Antheil daran bei
Besprechung der Standesordnung, namentlich wegen
des viel erörterten § 11, welcher bestimmt, dass
„ politische , religiöse , wissenschaftliche Fragen dem 1
Ehrengerichte nicht unterliegen Ein Arzt war gar ,
der Meinung, dass wissenschaftliche Fragen über¬
haupt aus den Bezirks vereinen ausgeschlossen wer¬
den sollten. Da dies zu weit geht, so erklärte
sich v. Sick dagegen. — Die von Manchen ge¬
hegte Besorgniss, man werde etwaige Polemik von
homöopathischen Aerzten gegen das Heilverfahren
der herrschenden Schule trotz dem § 11, wie er
jetzt gefasst sei, dennoch vor die Schranken des
Ehrengerichts ziehen können, weil ja der Homöo¬
pathie von ihren Gegnern der wissenschaftliche
Charakter abgesprochen werde, könne er nicht
theilen. So wollten einst difficile Leute, als in
einem Staate absolute Religionsfreiheit gewährt j
wurde, doch noch einen besonderen Schutz für die
Atheisten, weil man besorgte, dass diese als reli
gionslos durch jenes Gesetz nicht genügend ge¬
schützt seien. In praxi sei ein solcher Fall aber
kaum vorgekommen.
Mossa. Bisher sind wir Aerzte meist inter-
esse- und theilnahmlos aneinander vorübergegangen,
wenn nicht hier und da einmal eine unliebsame
Friction stattgefunden hat. Das einzige Band, was
mich mit der Gesammtheit noch verknüpft, war
der Beitrag für die — Wittwenkasse. Durch die
Standesordnung wird diese Isolirung aber wohl auf¬
hören; wir werden den Bezirks vereinen beitreten
müssen, deshalb sei es jetzt an der Zeit, freiwillig
denselben beizutreten, um unsere Sache bei Zeiten
zu vertreten und einen Modus vivendi mit den
allopathischen Coli egen zu gewinnen.
Lorenz erklärt sich mit Weiss’ Anträgen ein¬
verstanden, auch in dem, was die Prophylaxe be- l
trifft; die neue Standesordnung könnte Gefahr für
uns bringen, deshalb möchte er rathen und be¬
antragen, eine ständige Commission aus unserer
Mitte zu erwählen, die den Verlauf der Dinge im
Auge behält, um zur rechten Zeit abwehrende
Schritte thun zu können. I
v. Sick stimmt dem zu.
Weiss erwartet von seinem 1. Anträge schon ,
eine solche prophylaktische Wirkung.
Förg ist mit Antrag 1 einverstanden, da man
ihn aber im Ortsverein von Heilbronn schroff zu¬
rückgewiesen habe, so sei es ihm, nachdem er
deshalb aus dem Bezirks verein ausgeschieden, jetzt
nicht möglich, in letzterem wieder die Aufnahme |
nachzusuchen.
Der Vorsitzende lässt nun zunächst über Weiss’ |
Antrag 1 abstimmen; dieser wird von der Versamm- |
lung angenommen; sodann über Lorenz’ Antrag
betreffs Niedersetzung einer Commission; auch die¬
ser, als praktisch allgemein anerkannt, wird accep-
tirt und wird sofort zur Wahl der Commissions¬
mitglieder geschritten. Als solche werden v. Sick,
Lorenz, Weiss, Glökler uud Göhrum vorgeschlagen
und auch gewählt. — Die beiden anderen Anträge
von Weiss werden vorläufig noch zurückgelegt, da,
wie der Vorsitzende ausführt, der geschäftsmässige
Gang derartiger Angelegenheiten eine geraume
Zeit in Anspruch nehmen werde. Die Commission
werde unsere Sache nach Kräften wahren und ver¬
treten.
Inzwischen war die Zeit des auf 8 r / 2 Uhr an¬
gesetzten gemeinschaftlichen Abendessens heran¬
genaht, und so wurde dieser gastronomische Theil
der Tagesordnung in Ausführung gebracht. —
Mossa, angeregt durch den Gedanken, dass diese
Herbst Versammlung des Vereins die letzte in die¬
sem Jahrhundert ist, gab bei der Tafel diesem
Säculum, das die Homöopathie in der Wiege, in
ihrem Wachsen und Gedeihen gesehen, einen
Scheidegruss. Er erinnerte die jüngere Generation
an die schweren Kämpfe, welche unsere Heilkunst
nicht nur nach aussen, sondern auch im eigenen Lager
zu bestehen gehabt hat, indem jeder Satz der von
Hahneraann aufgestellten Lehre und Praxis durch
die Feuerprobe einer oft äusserst scharfen Kritik
hindurch gehen musste. Wie frühzeitig entbrannte
der bis auf die neueste Zeit fortgesetzte Streit
zwischen den Makro- und Mikro-Dosisten, wie ge¬
waltig donnerte und blitzte der Alte von Cöthen
gegen die Halb- oder Dreiviertel-Homöopathen!
Aber unter all diesen Kämpfen, gegen welche der
in unseren Tagen gegen das Leipziger homöopa¬
thische Krankenhaus nur ein kleines Intermezzo
bildet, erstarkte die Homöopathie und ist zu einem
starken, riesigen Baume herangewachsen, der seine
Aeste über die ganze cultivirte Erde erstrecke,
und auch innerlich ist sie gereift. Wenn wir uns
nun am Ende des neunzehnten Jahrhunderts des
blühenden Zustandes unserer Heilkunst erfreuen,
so darf uns dennoch nicht der Gedanke beikommen,
dass wir, die wir die reiche Erbschaft angetreten,
nun die Hände in den Schooss legen dürfen, son¬
dern eingedenk des Goethe’schen Wortes: ,,Was
du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um
es zu besitzen,“ muss ein Jeder von uns bestrebt
sein, zum weiteren Ausbau unserer Heilkunst und
zur vollen Anerkennung derselben in der Wissen¬
schaft wie im Staat nach Kräften mitzuwirken.
Homoeopathia vivat, fioreat, crescat a seculo ad
seculum! — Dieser Spruch fand bei den Versam¬
melten einen begeisterten Anklang.
Leiblich gestärkt und geistig erfrischt ging die
Gesellschaft wieder in das Sitzungszimmer an die
21 *
Digitized by ^»ooQie
164
ernste Arbeit. Zunächst brachte der Vorsitzende
die Frage, an welchem Tage in der Woche wir
künftig unsere Versammlung abhalten sollten, zur
Sprache. Hierbei stellte es sich heraus, dass der ;
Sonntag den meisten Collegen der am besten ge- !
eignete Tag erschien; nur wurde der Wunsch aus¬
gesprochen, die Sitzung auf eine frühere Stunde
des Nachmittags anzusetzen, dem in der Folge denn
auch entsprochen werden soll.
Weiter kam er auf die Arzneiprüfungen zu
sprechen und ertheilte Dr. Schier-Mainz betreffs
dieser Angelegenheit das Wort.
Schier forderte die Anwesenden dringend auf, '
an den Arzneiprüfungen, dieser für uns so wich- I
tigen Sache, regen Antheil zu nehmen, und sobald |
als möglich mit der Prüfung von Lnthyrus sativus ,
das für dieses Jahr vom Centralverein als Prüfungs¬
mittel bestimmt ist, an sich selbst und ihren Be¬
kannten zu beginnen, damit er im Stande sei, die j
Redigirung der Prüfungsprotokolle rechtzeitig zu |
erledigen. Für die sich bereit erklärenden Herren j
werde Dr. Schwabe in grosser Liberalität das Prä¬
parat liefern. — j
Sodann erhielt Mossa das Wort zu seinem an- ]
gemeldeten Vortrage: „Spongia bei Herzkrank¬
heiten.“
Da wir diesen Vortrag ebenfalls ausführlich in
dieser Nummer bringen, so wollen wir hier nur die
lebhafte, au dieses Thema sich anschliessende Dis-
cussion wiedergeben.
v. Sick dankt dem Redner für die Mittheilungen
und fragt ihn, ob er die Spongia noch in anderen
ähnlichen Fällen angewandt und erprobt habe Er
selbst hätte unter ähnlichen Umständen eher an
Kali carbon. gedacht.
Mossa: In einem Falle, wo er Aneurysma aortae
diagnosticirt, habe es wenig gewirkt Ein dem ge¬
schilderten völlig ähnlicher Fall mit den hervor¬
gehobenen charakteristischen Zeichen ist ihm nicht
wieder vorgekommen.
Kirn erinnert daran, dass in der gerösteten j
Spongia neben Jod sicherlich auch Kohle (eine Art j
Carbo animalis. Ref.) und wohl auch Kali carbo-
nicum enthalten sei. (Carbo veget. und animalis
können bei Asthma mit asphyktischen Symptomen
sehr wirksam sein, zumal bei alten Personen; hier
ist aber einmal der chronische Katarrh der Luft¬
röhre, dann aber auch die Flatulenz das ursächliche
Moment. Ref.)
v. Sick. Spongia stellt in der That ein sehr
complicirtes Mittel dar, das aber doch wieder eine
Einheit bildet und als solches geprüft worden ist.
Göhrum constatirt, dass er bei Kranken mit
Herzaffectionen oftmals den nach der Weihe’schen
Methode für Spongia sprechenden Schmerzpunkt
gefunden habe. Dieser liegt im U. linken Inter-
costalraum, rechts von der Mamillarlinie.
G. Lay er berichtet folgenden Spongia-FaU. Elin
11 jähriges Mädchen, dessen Eltern an Gelenkrheu¬
matismus gelitten, erkrankte an rheumatischen Be¬
schwerden, die durch Natrum sulphuricum und
Bryonia beschwichtigt wurden. Im Mai bei recht
kaltem Wetter stellte sich ein schweres Recidiv ein.
Von der Schule nach Hause gekommen, bekam sie
Anschwellung der Gelenke, bald zeigten sich auch
Herzbeschwerden. Sie wurde apathisch, cyanotisch,
der Puls kaum fühlbar. Dazu Oedem und Kälte
des Körpers. Am Herzen lässt sich eine Dilatation
nachweisen.
Eingedenk einer Bemerkung von Farrington
über die Wirkung von Spongia auf das Herz gab
Lay er Spongia 200., 20 Globuli in einem Glase
Wasser, 1 / 2 stündlich einen Theelöffel voll. Am
anderen Morgen war Pat. wesentlich besser.
v. Sick hat bei bedenklichen Zuständen in
acuten Leiden, namentlich Lungenentzündung, wo
Cyanose, rasselnder Athem, Collapsus zugegen war,
in manchen Fällen von Carbo vegetabilis Besserung
und Heilung beobachtet.
Sigmundt ist durch einen Fall von schwerem
Typhus bei einer Frau, wo die Prognose wegen
Zutritt einer hypostatischen Pneumonie sehr trübe
war, und die von Prof. Rapp (neben Wein) verab¬
reichte Carbo vegetabilis der Krankheit eine ent¬
schiedene Wendung zum Bessern gab, zuerst von
der Homöopathie überzeugt worden.
Kirn. Nach Weihe ist Jod ebenfalls ein wich¬
tiges Herzmittel.
Göhrum sagt, Spongia sei auch im Beginne
von Herzleiden brauchbar, was Mossa nach den
bisherigen Beobachtungen, abgesehen von dem so
acuten Falle von G Layer, für noch nicht er¬
wiesen hält.
Stiegele junior berichtet eine treffliche Wir¬
kung von Carbo vegetabilis bei einer Frau, die
längere Zeit an Parese des gesammten Darmtractus
gelitten. Sie lag im Bette, an Kräften sehr her¬
untergekommen, mit grosser Gemüthsdepression; die
Darmentleerung war schleimig. Sechs Wochen war
sie ohne Erfolg mit Abführmitteln behandelt wor¬
den. — Carbo vegetabilis 6. brachte bald eine
wesentliche Besserung im Magen und Darm; damit
verschwand auch die psychische Depression. Nach
5 wöchentlicher Behandlung war der Stuhl völlig
geregelt.
End riss hat Carbo veget. in mehreren Fällen
von schwerer Athemnoth mit chronischen Darmka¬
tarrhen, hartnäckiger Verstopfung, hoher Flatulenz,
zeitweiligem Herzklopfen sehr wirksam gefunden.
Es waren meist alte Leute, die nur wenig Löffel
Essen zu sich nahmen.
Digitized by k^ooQle
165
Sigmund t bestätigt dies aus seiner Gegend; die
Verstopfung wechselt in derartigen Fällen oft mit
Durchfall: Carbo veget. sei ein wahres Polychrest.
Er gebraucht das Mittel in der 6. Dil.
Cr am er beobachtete derartige Fälle in Karls¬
ruhe oft bei Frauen. — Eine Frau glaubte an
beginnender Schwindsucht zu leiden, sie hatte
Schmerzen oben unter den Lungenspitzen, dabei
öfters Herzklopfen, Meteorismus, Verstopfung. Carbo
veget. 8. Dil. half.
Sigmundt hebt noch das schlechte Vertragen
von Fetten bei diesen Pat. hervor.
Schier. Bei manchen Kranken kommen auch
Kröpfe, oft von sehr geringem Umfange, vor; hier
sei Spongia 3. oder 2. angezeigt.
G. Layer hat bei einem 7 — 8jährigen Mädchen
einen parenchymatösen Kropf nach einer Gabe
Spongia 200. aller 8 Tage in Zeit von 3 — 4 Wochen
sich verkleinern sehen; der Kropf kam dann wie¬
der, und wich abermals auf Spongia.
Schier wendet ein, es komme, wie er an sich
selber beobachtet, ein zeitweises Ab- und An¬
schwellen des Struma vor. Die Beschwerden waren
aber gerade beim Anschwellen geringer. — Der
Einfluss des Mondes auf diese Schwankungen sei
nicht zu verkennen.
Layer. Obiger Kropf dauerte schon mehrere
Jahre. — Schliesslich verging er.
Kirn. Die Schilddrüse sei ein Organ für die
Regulirung des Blutdruckes, woher ihr Zusammen¬
hang mit Herzkrankheiten und das Auftreten von
Schlaganfällen, Blödsinn nach Exstirpation des
Kropfes.
Pf lei der er ist der Ansicht, dass nach der
Operation das Blut eine chemische Veränderung
erleide, indem nach Ausschaltung der Schilddrüse
aus dem Kreisläufe eine Dyskrasie des Blutes ent¬
steht. Der Idiotismus der Kropf kranken ist durch
eine Kur mit Schilddrüsensubstanz gehoben worden.
Mossa. Junge Mädchen leiden in der Ent¬
wicklungsperiode oft an Struma, das durch homöo¬
pathische Mittel, wie Calc. c. oder auch Natrum rour.,
gebessert wird, manchmal wohl auch selbst ver¬
geht. — Gegen den indurirten Kropf ist es schwer,
etwas auszurichten.
Cramer. Es ist ihm aufgefallen, dass in der
Pathogenesie von Spongia bald das Tief-, bald das
Hochliegen im Bette als charakteristisch hinge¬
stellt sei.
G. Layer. Das Hochliegen oder Aufsitzen der
Spongia-Kranken kommt als Symptom in dem mo¬
mentanen Anfall vor; sonst befinden sie sich im
Tiefliegen besser, da zumal bei Kropfkranken das
Gehirn schlecht mit Blut versorgt ist.
Schier meint, es sei hier nur ein scheinbarer
Widerspruch. Patienten, die eine Neigung zu
I Lungenkrankheiten haben, die liegen gern, während
| die mit Herzkrankheiten lieber aufsitzen.
Mossa. Solche scheinbare Widersprüche kom¬
men in unseren Arzneiprüfungen vielfach vor: so
bei vielen Patienten Verstopfung und Durchfall,
z. B. bei Sulphur und Natrum mur. — Dies hängt
theils von der Gabengrösse ab, theils sind es
Schwankungen, Oscillationen (v. Grauvogl), die in
dem Auf- und Absteigen in der Function eines
Organs beruhen. Er erinnerte hierbei an die seiner
Zeit von Prof. Hoppe-Basel bekannt gemachten Ver¬
suche über An- und Abschwellung der Blutgefässe,
bei denen merkwürdiger Weise höhere Potenzen
einen stärkeren Impuls zeigten als die niederen.
v. Sick weist auf die von Hahnemann aufge¬
stellte Lehre von den Wechsel- und Gegenwirkungen
eines Mittels hin.
Sigmundt. Rapp sagte, solche Gegensätze in
der Wirkung kämen bei allen Mitteln vor.
Sellentin erinnert an die Primär- und Secun-
där-Wirkung der Mittel. —
Damit endete diese ausgiebige, interessante und
lehrreiche Discussion. Die Tagesordnung war er¬
schöpft, doch gab der Vorsitzende und die Ver¬
sammlung dem Collegen G. Layer gern Gelegen¬
heit, sein Correferat über gynäkologisch-therapeu¬
tische Behandlung, an dem er in der Versammlung
zu Rorschach verhindert gewesen, hier zum Vor¬
trag zu bringen, wobei er freilich in vielen Punkten
den Ausführungen des Referenten Künzli ent¬
gegentrat.
Künzli räth als Vorbeugungsmittel — zur
Verhütung von Endometritis — nach jedem Abortus
und schweren Geburten mit operativem Eingriffe
Apis und Arsen, zu geben.
Layer will schon vorher dafür Sorge bei den
Gravidis tragen, dass es nicht zur Einnistung von
Bakterien komme und die Constitution der Frau
gekräftigt werde. Zu dem Zwecke nehme jede
Gravida aller 8 Tage ein warmes Bad, jedes iertel-
jahr eine V aginalausspülung von 8 / 4 Liter Wasser,
*/ 4 Liter 96°/ 0 gen Alkohol und 1 Esslöffel Aruika-
Tinctur, in den letzten 4 Wochen aber aller acht
Tage ein solches; bei der Geburt Vaseline, unter
Alkohol aufbewahrt. Bei diesem Verfahren hat
Redner, wie er sagt, in seiner 7 8jährigen Frauen¬
praxis keinen Fall von Puerperalfieber erlebt, an
dem er sich hätte die Schuld beiraessen können. —
1 Während der Geburt giebt er Arnica; wenn Blu-
t tung zu befürchten ist, wenn Placenta adhaesiva
früher vorgekommen, Hydrastis canadensis, 30.
6.-3.; bei acuter Sepsis: Alkoholausspülung; Aus¬
räumung etwaiger Placentar-Reste ist geboten. Bei
eingetretener Metritis: Arsen., Apis, Bryon.; vor
Mercurius warnt er jedoch, äusserlicli warme Kata
| plasmate, nie Eisblase!
Digitized by ^»ooQie
166
Die von Künzli bei chronischer Endometritis
empfohlenen intrauterinen Einspritzungen von Jodo¬
form-Lösungen oder Jodoform-Tampons verwirft er;
hier genüge die homöopathische Behandlung voll¬
ständig. Jodoform erscheint deshalb unschuldig,
weil es langsam resorbirt wird infolge der grossen
Schleimabsonderung.
Die Leukorrhoe sei keine selbständige Erkran¬
kung, sondern nur ein Symptom; mit der Gruud-
krankheit höre auch der Weissfluss auf. Durch
äusserliche Mittel beseitigte Leukorrhoe mache in
kürzerer oder längerer Zeit eine Metastase nach
einem anderen Organ; so seien Mamillarknoten oft
die Folge eines malträtirten Gebärmutterleidens —
ebenso manche Migräne und Psychosen haben hierin
ihre Wurzel. — Aehnlich verhalte es sich mit der
äusserlichen Unterdrückung von Fussgeschwüren
und Milchschorf.
Kirn beobachtete einen Fall, wo nach äusser-
licher Behandlung und Beseitigung eines Ulcus
cruris hochgradige Dyspnoe auftrat, die erst nach
Sulp hur wieder wich.
Sellentin dagegen redet bei diesen Leiden
auch der äusserlichen Behandlung das Wort. Er
hatte eine Frau zu behandeln, der man wegen
eines gangränescirenden Schenkelgeschwürs das
Bein in einer Klinik amputiren wollte: Nachdem
Sulphur und Arsen, jod. wenig gefruchtet, wandte
er eine Salbe von Argentum nitricum (0,01 auf 50)
an. Unter Anwendung derselben bildete sich eine
gute Granulation und das Geschwür kam zur Ver¬
heilung. — Allerdings war in diesem Falle ein
Trauma die Veranlassung des Leidens gewesen,
nämlich eine Contusion am Schienbein. —
Lay er spricht sodann über die von Künzli bei
Uterinfibromen empfohlene Massage, welche er miss¬
billigen muss. Auch Thure-Brandt und Ziegenspeck,
Autoritäten auf diesem Gebiete, hätten die Massage
bei diesem Leiden nicht angewandt. Layer meinte,
es läge bei Künzli eine Verwechselung mit Cysten
vor. Gegen solche habe ihm die Massage manche
gute Dienste geleistet. Er zerdrückt die Cyste,
wobei freilich ein Choc selten ausbleibt, der aber
nie einen hohen Grad erreicht. Hat die Cyste
keinen infectiösen Inhalt, so schadet ihre Entleerung
in die Bauchhöhle gar nicht. Hierüber muss uns
die Anamnese und genaue Untersuchung Aufschluss
geben. —
Redner erklärt sich bereit, wenn es die Col-
legen wünschen, die gynäkologische Therapie vom
Standpunkte des homöopathischen Arztes zum Gegen¬
stände eines späteren Vortrages zu machen.
Beachtenswerth ist J. Layer’s Mahnung, die
gynäkologische Untersuchung bei kranken Frauen
nie zu versäumen, um nicht in der Diagnose und
Therapie zu Fehlgriffen zu kommen. Zur Beleuch-
| tung seines Ausspruchs berichtete er einen Fall
mit ödematöser Anschwellung an den unteren Ex¬
tremitäten, besonders der einen Seite. Von einer
I Erkrankung der Brust- oder Bauchorgane, der Leber
oder Nieren war nichts nachzuweisen. Bei der
| Untersuchung der Beckenorgane fand er aber eine
parametrische Geschwulst, die auf die Vena iliaca
einen starken Druck ausübte und so zu der An-
I Schwellung Anlass geben musste. —
Im Verlaufe dieser Verhandlungen war aber
die Zeit bis um 11 Uhr Nachts vorgerückt; der
Vorsitzende schloss nun die Sitzung mit einem Dank
auf die zahlreich erschienenen Mitglieder des Ver-
| eins und ihre lebendige Theilnahme an den Dis-
cussionen zu den Vorträgen, aus denen man so
manches für die Praxis Brauchbare habe entnehmen
j können. —
Nachträglich sei noch bemerkt, dass die Col-
I legen Glökler-Kirchheim o. Teck, Reichel-Calw,
| Eckermann - Metzingen, Stiegele junior - Stuttgart,
Pfleiderer - Bondorf, Cramer - Karlsruhe, Sellentin-
Darmstadt, Lorenz-Stuttgart und G. Layer-Wildbad
an der Prüfung von Lathyrus sat. theilnehmen
wollen und bis spätestens März ihr Prüfungsproto-
' koll an Collegen Schier-Mainz einzusenden ver¬
sprochen haben. Hoffen wir, dass sie, ohne gar
zu sehr dabei zu leiden, ergiebige pathogenetische
Zeichen von diesem Mittel an sich erfahren mögen.
Dr. Hossa.
Die bevorstehende ärztliche Standesordnung
und die Stellung der homöopathischen Aerzte
zu derselben.
Vortrag von Dr. Weiss-Gmünd.
Sehr geehrte Herren Collegen!
Der unermüdliche Herr Schriftführer unseres
Vereins hat mich unlängst aufgefordert über die
bevorstehende ärztliche Standesordnung und die
Stellung der homöopathischen Aerzte dazu am
! heutigen Abend Bericht zu erstatten. Ich habe
1 mich dieser Aufgabe gern unterzogen, weil ich in
meiner Eigenschaft als homöopathischer Arzt und
zu gleicher Zeit als einer der ältesten Mitglieder
des 5. ärztlichen Bezirksvereins und des Gmünder
( Ortsvereins in dieser Frage hinlänglich orientirt zu
, sein glaube. Wenn es je für die Aerzte im All¬
gemeinen von Wichtigkeit war zu einem Gesetz¬
entwurf rechtzeitig Stellung zu nehmen, so ist dies
der Fall bei dem uns vorliegenden Entwurf einer
ärztlichen Standesordnung, bei der zumal für die
homöopathischen Aerzte in hervorragender Weise
das Wort gilt „tua res agitur“. Meine Herren!
Bekanntlich galten die deutschen Aerzte vor dem
Digitized by k^ooQle
167
Gesetz als Gewerbtreibende. § 6 der Reichs- 1
gewerbeordnung bestimmt nämlich: Auf.... die
Ausübung der Heilkunde findet das gegenwärtige
Gesetz insoweit Anwendung, als dasselbe ausdrück¬
lich Bestimmungen darüber enthält. Die wichtigste |
von diesen Bestimmungen ist diejenige des § 29, i
die gleichsam die Grundlage für die Stellung des j
praktischen Arztes bildet und die Approbations- i
Vorschriften sowie die Freizügigkeit des Arztes im |
ganzen deutschen Reich enthält. Die praktischen I
Aerzte gehören sonach zu den Gewerbtreibenden,
die einer besonderen „ Approbation u bedürfen, nur
wer eine solche besitzt ist berechtigt sich als Arzt
zu bezeichnen, dagegen ist die Ausübung der Heil¬
kunde im Allgemeinen freigegeben.
Soweit nun aber in der Reichsgewerbeordnung
weitere Bestimmungen fehlen, können für die Aus¬
übung der Heilkunde landesgesetzliche Vorschriften
erlassen werden. Z. B. für ärztliche Standes- und
Gebührenordnungen etc.; und solche Erlasse und
Gesetze betreffend die staatliche Organisation des
ärztlichen Standes sind bis jetzt nur in den Bundes¬
staaten Preussen, Bayern, Sachsen, Württemberg,
Baden, Hessen, Oldenburg, Braunschweig, Hamburg |
und Elsass-Lothringen vorhanden, in den übrigen >
16 Bundesstaaten noch nicht. Die Berufsthätigkeit I
des wfirttembergischen Arztes speciell bewegte sich
bis dato in dem Rahmen der durch die Reichs¬
gewerbeordnung und die Verfügung des Königlich
Württembergischen Ministerium des Innern betreffend
die ärztlichen, thierärztlichen und pharmaceutischen
Vereine vom 30. December 1875 sowie der König]. \
Verordnung betr. die Gebühren der Aerzte etc. vom j
17. März 1899 sammt der Verfügung des Ministe¬
rium des Innern betr. die Gebühren der approbirten
Aerzte etc. für die Geschäfte der Privatpraxis vom
25. März 1899 gegebenen Normen. Nach § 1 des i
Ministerialerlasses von 1875 sind die approbirten (
Aerzte befugt, zur Vertretung ihrer gemeinsamen J
Interessen einen ärztlichen Landesverein zu bilden,
der von der Regierung als das Organ des ärztlichen
Standes anerkannt wird, wenn und so lange er den
vorgeschriebenen Bedingungen entspricht. Wer nach
§ 3 Mitglied des ärztlichen Vereins werden will
hat einem Bezirksverein beizutreten. Der Beitritt ,
ist von dem Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte j
abhängig, bleibt aber dem Ermessen jedes Einzelnen
anheimgestellt. Der Austritt muss beim bleibenden
oder zeitlichen Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte |
erfolgen. Im übrigen bleibt er dem Belieben des
einzelnen Mitglieds Vorbehalten. Der ärztliche :
Landesverein gliedert sich in 8 Bezirksvereine,
welche die einzelnen Ortsvereine in sich begreifen.
Die Bezirksvereine haben wissenschaftliche, colle-
giale und sociale Standesaufgaben zu erfüllen und
können selbständig Anträge an die betr. Unter- !
behörden des Landes bringen sowie auf Veranlas¬
sung der letzteren sachverständige Gutachten an
dieselben abgeben.
Die einzelnen Bezirksvereine wählen je auf die
Dauer von 3 Jahren einen Delegirten und für jeden
derselben einen Stellvertreter aus ihrer Mitte. Diese
Delegirten bilden den Ausschuss des ärztlichen
Landesvereines. Diesem Ausschuss liegt ob „sich
mit Fragen und Angelegenheiten zu befassen und
darüber in Berathung zu treten, welche entweder
die ärztliche Wissenschaft und Kunst als solche
oder das Interesse der öffentlichen Gesundheits¬
pflege betreffen oder auf die Wahrung und Ver¬
tretung der bürgerlichen- und Berufsinteressen der
Aerzte sich beziehen. Ausserdem wird der Aus¬
schuss von dem Ministerium des Innern oder dem
Medicinalcollegium in den genannten Angelegen¬
heiten gutächtlich gehört, und in der Regel all¬
jährlich einmal zur Theilnahme an den Verhand¬
lungen im Ministerium des Innern oder im Medi¬
cinalcollegium über wichtigere derartige Gegenstände
beigezogen. Uebrigens steht dem Ausschuss noch
zu, unaufgefordert in Sachen der Medicinaiverfassung
und Medicinalverwaltung Anträge zu stellen, auf
vorhandene Mängel und Uebelstände aufmerksam
zu machen und wünschenswerthe Verbesserungen
in Vorschlag zu bringen.
Disciptinarbefugnisse stehen den Bezirksvereinen
nicht zu; einzelne Vereine, wenn ich recht unter¬
richtet bin, ausschliesslich die Ortsvereine, haben
eine Standesordnung ausgearbeitet, darunter der
Gmünder ärztliche Verein, auf welche sie ihre
Mitglieder verpflichten.
Meine Herren! Sie ersehen aus dem Gesagten,
dass die freiheitlichen Errungenschaften der Reichs¬
gewerbeordnung, nämlich Freizügigkeit des Arztes,
Freiwilligkeit der Hilfeleistung und Freigebung der
Ausübung der Heilkunde durch die bisherige Landes¬
gesetzgebung in keinerlei Weise beschränkt worden
sind. Nach den bestehenden Bestimmungen findet
also kein Beitrittszwang zu den Vereinen statt und
stehen dem Bezirksvereine keinerlei disciplinarische
Befugnisse über seine Mitglieder zu. Er ist also
ausser Stande, unwürdigen Collegen den Eintritt
in den Bezirksverein zu wehren oder solche, wenn
sie schon Mitglieder sind, aus dem Verein auszu-
schliessen, so lange sie noch im Besitze der bürger¬
lichen Ehrenrechte sind. Z. B. diene ein Fall aus
dem 5. ärztlichen Bezirksverein, bei welchem ein
anrüchig gewordener College, gegen welchen von
seiner Vorgesetzten Behörde eine Disciplinarunter-
suchung mit nachfolgender Amtsentsetzung ein¬
geleitet werden musste, nicht dazu bewogen werden
konnte, seinen Austritt aus dem Verein zu erklären.
Der Verein war genöthigt sich daraufhin aufzu¬
lösen und musste nach Jahresfrist vollständig neu-
Digitized by ^»ooQle
168
organisirt werden, wobei er immer noch Gefahr
lief durch die Beitrittserklärung des betr. Herrn,
die zum Glück nicht erfolgte, wieder zu nichte zu *
werden, allein nicht nur aus dem Mangel jeglicher
Disciplinarbefugnisse der Bezirksvereine, sondern
auch aus der Freiwilligkeit des Beitritts zu den¬
selben erwuchs eine Reihe der schwerwiegendsten
Missstände. Ich brauche den Herren Collegen die
ganze Jeremiade der letzten 2 Jahrzehnte nicht
vorzuerzählen, da Sie zum grössten Theil sie
schaudernd selbst erlebten. Nur hervorheben möchte
ich, dass die junge Organisation des ärztlichen
Standes gleich bei ihrem Anfang auf die schwer¬
sten Proben gestellt wurde, die es nur geben kann,
denn sie fiel in die Zeit der Socialgesetzgebuhg.
Mächtige Verbände von Krankenkassen, Alters¬
und Invaliditätskassen, berufsgenossenschaftliche
Organisationen, grosse Verbände von Lebens ver-
sicherungs- und Unfallversicherungs-Gesellschaften
suchten dem ärztlichen Stand Gesetze aufzuerlegen,
bei deren Ausarbeitung er nicht gehört, sein Inter¬
esse nicht gewahrt und seine Ehre nicht berück¬
sichtigt worden war; nicht zu vergessen ist dabei,
dass auch die Regierungen, obwohl der Erfolg der
Socialgesetzgebung die Wissenschaftlichkeit und
Gewissenhaftigkeit des ärztlichen Standes zur Vor- !
aussetzung hatte, die Wünsche und das Gutachten
des ärztlichen Standes nur selten einholten, noch
weniger aber berücksichtigten. Kein Wunder also,
dass unter solchen Verhältnissen die Beschlüsse der
ärztlichen Bezirksvereine grösstentheils wirkungslos !
blieben und dass verschiedene Aerzte es vorzogen
den Vereinen, welche ihnen nur Pflichten auf¬
legten, aber keine Rechte und keinen Schutz er-
theilten, fern zu bleiben, ihren Sonderinteressen j
nachzugehen, durch Unterbietung den Werth der (
ärztlichen Dienstleistung überhaupt in den Augen
des Publikums herabsetzten und den ganzen Stand
durch entwürdigende Dienstverträge zu benach-
theiligen. Zu dem Allem kam noch das Unglück
des unerhörten Anwachsens des ärztlichen An¬
gebots, das eine scharfe Concurrenz in bisher
nicht üblichen Formen und ein unsauberes Re-
clamewesen hervorrief. Kurz, wer überhaupt ein
feines Gefühl für sociale Strömungen und die
öffentliche Meinung hat, wird mir ohne Weiteres
zugeben, dass trotz des Aufschwungs der ärzt¬
lichen Wissenschaft in den letzten 25 Jahren im
Durchschnitt der Arzt in der allgemeinen Achtung
gesunken ist. Dass diese Missstände bestehen
unterliegt keinem Zweifel, wie ihnen aber abzu¬
helfen, darüber gehen 'Me Meinungen noch weit
auseinander. Entspreche ad dem socialen Zug un¬
serer Zeit lag der Gedanke nahe, durch eine
bessere Organisation des ärztlichen Standes zunächst
einmal eine einheitliche Behandlung aller Fragen,
die ihn betreffen, anzustreben und dem ,,divide et
impera“, das bisher befolgt worden war, ein Ende
zu machen. Diesem von der überwiegenden Mehr¬
zahl der deutschen Aerzte getheilten Wunsche
haben die Regierungen sieb nicht verschliessen
können und so sind nach der Reihe in Preussen,
Sachsen, Württemberg und Bayern Gesetzesent-
würfe eingebraebt und Gesetze gegeben worden,
welche die berufsgenossenschaftliche Neuorganisa¬
tion des ärztlichen Standes auf Grund der ge¬
machten Erfahrungen in den betreffenden Ländern
ins Werk setzen sollen; wir haben es in unserem
engeren Kreise zunächst mit dem auf Anregung
der Königlich Württembergischen Regierung durch
eine Commission des ärztlichen Landesausschusses
ausgearbeiteten Entwurf einer Neuorganisation un¬
seres Standes zu tbun, welcher sich in seinen Grund¬
zügen an die frühere Ordnung anschliessend als neue
Leitgedanken Zwangsbetheiligung, Standesordnung
und Ehrengericht und Umlagebefugniss enthält.
Und dieser Entwurf, meine Herren, welcher in
No. 27 des Jahrgangs 1899 des „Medicinischen
Correspondenzblattes“ enthalten ist, wird Ihnen
ohne Zweifel seinem Wortlaut nach bekannt sein,
so dass ich mir wohl die Wiedergabe heute er¬
sparen kann. Dieser Entwurf also ist es, welcher
gegenwärtig den Bezirksvereinen zur Durchbera-
thung vorliegt. Nachdem der Entwurf in den
meisten Bezirksvereinen im Princip angenommen
und den Delegirten der Auftrag zu nur wenigen
und unwesentlichen Abänderungen gegeben worden
ist, unterliegt es gar keinem Zweifel, dass der Ent¬
wurf auf den Wunsch der überwiegenden Mehrzahl
der württembergischen Aerzte, vielleicht mit einigen
redactioneilen Abänderungen des begutachtenden
Königlichen Medicinalcollegiums vom Königlichen
Ministerium des Innern den Abgeordnetenkammern
vorgelegt wird. Ich würde es für unnütze Zeit¬
vergeudung ansehen, wenn wir bei dieser Sachlage
uns mit Vorbringung principieller Bedenken gegen
die Zwangsbestimmungen, welche er im Unter¬
schied gegen das frühere Vereinsgesetz enthält,
auf halten würden; da solchen, wenn sie je in un¬
serem engeren Kreise vorhanden wären, in An¬
betracht der grossen Majorität, die sich für die¬
selben ausgesprochen hat, an massgebender Stelle
sicher keine weiteren Folgen gegeben würden. Wir
haben uns also, meine Herren, und damit komme ich
zum 2. Theil meines Themas, als württembergische
Aerzte mit diesem „Fait accompli“ abzufinden
und wären wir als Homöopathen, welche in wissen¬
schaftlichen Dingen eine esoterische Stellung ein¬
nehmen, auch noch so geneigt diese Stellung auf
( das sociale Gebiet zu übertragen, so sind wir ein¬
fach genöthigt mit den Thatsachen zu rechnen und
rebus sic stantibus uns auf den Boden des kommenden
Digitized by
Google
169
Vereinsgesetzes mit allen übrigen Aerzten des
Landes uns zu stellen. (Schluss folgt.)
Spongia marina in Herzleiden.
Von Dr. Mossa.
Am 31. Januar 1898 ging mir folgender Kran¬
kenbericht zu:
Eine 39 Jahre alte Frau (aus dem Eisass) leidet
6—7 Jahre am Herzen, ihr Arzt constatirte einen
organischen Herzfehler, den er auf einen Gelenk¬
rheumatismus bezog, den sie, freilich schon vor
30 Jahren, durchgemacht hat. Bei Tage geht es
ihr leidlich gut, von jeder stärkeren Bewegung je¬
doch, besonders vom Treppensteigen, das ihr schwer j
fällt, bekommt sie Herzklopfen. Sie fühlt das Herz
links in der Herzgrube anschlagen. Seit einem |
Jahre ist aber ihr Zustand bedeutend schlimmer
geworden, namentlich bei Nacht. Fast jede Nacht,
regelmässig zwischen 2—-3 Uhr, stellt sich folgen¬
der schwerer Anfall ein: Sie wird dann durch
starkes Herzklopfen aus dem Schlafe geweckt; das¬
selbe ist verbunden mit heftigem Zittern am ganzen
Körper und Zähneklappern, starker Beklemmung
der Brust und Athemnoth, so dass sie zu ersticken
fürchtet. Dieser schreckliche Anfall hält fast eine
Stunde an; wenn er vorüber ist, fühlt sie sich
äusserst matt. Was die anderen Functionen be¬
trifft, so ist der Appetit gut; trotzdem nimmt die
Abmagerung und Schwäche so zu, dass sie in der
Wirthschaft gar nichts leisten kann. Die Men¬
struation ist regelmässig; vor ihrem Eintritt stellen
sich solche Anfälle gern ein. Sie hat 4 Kinder ge¬
boren. — Gesichtsfarbe kränklich. Die bisherige
Behandlung war fruchtlos. —
Dass es sich hier um einen sehr schweren Fall
von organischem Herzleiden, wohl einen Klappen¬
fehler handelte, geht aus der einfachen Darstellung
hervor. Sollte ich die bei mir Hilfe suchende Pa¬
tientin kurzweg abweisen? Dagegen sträubte sich
mein menschliches wie ärztliches Pflichtgefühl.
Mochte es auch der homöopathischen Heilkunst
nicht gelingen, die seit vielen Jahren bestehende
Vitium cordis zu beseitigen, so könnte es doch noch
möglich sein, die so schrecklichen Erscheinungen
der Angina pectoris zu beschwichtigen, sagte ich
mir, und schritt in Gottes Namen an die Behand¬
lung.
Therapie. Unter all den mir bekannten Heil¬
mitteln erschien mir keins für diesen Fall ge¬
eigneter als — Spongia. Ich schickte der Patientin
5 Pulver mit Spongia 30., 5 mit Spongia 200. und
10 mit Saccharum lactis. Sie nahm zunächst an
3 Abenden je ein Pulver von Spong. 30., dann
3 Pulver S. 1., hierauf Spongia 200. auf 3 Abende,
3 S. 1., 2 Spong. 30., 3 S. 1., 2 Spong. 200. u. s. f.
Am 5. März kam folgender Bericht, 10 Tage
nachdem Patientin das letzte Pulver verbraucht
hatte. Nach dem 4. Pulver, schreibt sie, ging es
etwas besser. Die Anfälle kamen seitdem nicbt
mehr zum vollen Ausbruche; das Herzklopfen ist
nicht mehr so stark, auch nicht so lange anhaltend
als sonst. Der Schlaf ist ruhiger. Es ging von
Tag zu Tag besser. — Nach dem 17. trat eine
Verschlimmerung ein, die aber bald wieder vor¬
überging. Der Appetit vortrefflich; Kraft und Lust
zur Arbeit hat zugenommen. — Der Stuhl erfolgt
ohne künstliche Mittel. Erst vor 3 Tagen bekam
sie wieder einmal einen ziemlich heftigen Anfall
von Herzklopfen, der aber doch bei Weitem nicht
so lange dauerte als sonst.
Spongia 30. und 200. contin.
6. Juli. Der Zustand ist im Ganzen besser;
nur beim Treppensteigen, bei Schreck und nebligem
Wetter klopft das Herz stärker. Die Menstruation
tritt alle 25 Tage ohne Beschwerden ein. 80 Pulse.
Spongia contin. —
28. September 1899, also nach mehr als einem
Jahre, kam erst wieder ein Bericht. Während
dieses Zeitraums hat sie keine Mittel mehr erhalten.
Die Frau hat den ganzen Winter 1898 und bis
zum Juni 1899 eine gute Zeit gehabt, indem die
Anfalle fast gänzlich ausgeblieben sind. Jetzt treten
sie aber wieder von Zeit zu Zeit auf, immer noch
um dieselbe Zeit, zwischen 2—3 Uhr Morgens,
dauern aber jetzt höchstens eine halbe Stunde.
Ob bei noch längere Zeit fortgesetzter An¬
wendung des Mittels ein noch günstigeres Resultat
erzielt worden wäre, diese Annahme ist nicht ganz
| von der Hand zu weisen. Jedenfalls hat Spongia
I einen entschieden wohlthuenden Einfluss auf dieses
so hoffnungslos scheinende Leiden ausgeübt, wenn
sie auch die hier sicherlich zu Grunde liegenden
organischen Veränderungen am Herzen nicht hat
aufheben können. —
Uomöopathicität des Mittels.
Die Einwirkung des Röst-Schwammes auf das
Herz tritt schon in den von Hahnemann berich¬
teten Prüfungen hervor, namentlich bei einer weib¬
lichen Person. Diese war bei jeder, noch so un¬
bedeutenden Bewegung des Körpers schwach , das
Blut wallt ihr in die Brust herauf , das Gesicht
wird heiss , der Körper fängt an zu glühen , die
Adern sind hart aufgetrieben und der Atlieni ver¬
geht ihr; erst nach langer Ruhe kann sie sich wieder
erholen. Dann heisst es:
„Nach einer mässigen Bewegung im Freien
wird sie plötzlich schwach und wankt auj den Stuhl
zu; unter grosser Angst , Uebelkeit , Gesichtsblässe ,
kurzem , keuchendem Athem wallt es vom Herzen in
22
Digitized by ^»ooQle
170
die Brust herauf, als wollte es nach oben ausbrechen.
Schmerz in der Herzgegend. Dabei schliessen sich
die Augen unwillkürlich, fast krampfhaft und Tlirä-
nen brechen durch die geschlossenen Wimpern; sie
hat Bewusstsein, ist aber unfähig, durch den Willen
auf die Glieder zu wirken.“
Mag bei dieser letzteren Prüferiu Hysterie mit
im Spiele sein, jedenfalls sind die bei ihr und der
ersten Prüferin unter Einwirkung von Spongia ein¬
tretenden Erscheinungen von hochgradiger Con-
gestion nach dem Herzen einem so guten Be¬
obachter, wie unser Hahnemann es war, als positive
erschienen.
Einen bedeutenden Schritt zur weiteren Er¬
kenntnis brachte eine von Dr. Wells an einer
Kranken gemachten Beobachtung:
Eine Herzleidende bekam vom Genuss eines
Stückes gerösteten Schwammes: Schreckliches Herz-
klopfen , lebensgefährliche Athemnoth; die Lippen
wurden blau, der Athcm schnappend; dabei heftige
Schmerzen am Herzen mit Schreck und Furcht.
Dies veranlasste Dr. Wells, die Spongia bei Kranken
mit organischen Herzleiden zu erproben, so in fol¬
gendem, typisch gewordenen Falle:
Bei einem an acutem Rheumatismus leidenden
Manne war das Rheuma (und schon zum zweiten
Mal) von den Lendenmuskeln auf das Herz ge¬
wandert. Pat. erwachte Nachts zwischen 1 —2 Uhr
mit Erstickungsgefühl , schallendem Husten , sehr
schwerem Athem, unter äusserster Besorgnis, Auf¬
regung und Angst. Das Herz schlägt gewaltsam ,
reissend schnell; jeder Herzschlag ist von einem
lauten Blasen, wie aus einem Blasebalg begleitet . —
Spongia 200. half schnell. Es handelte sich hier
um eine alte Ablagerung au den Klappen.
Späterhin hat C. Hering in der Allgeiu. liom.
Zeitung, Jahrgang 1868, No. 18, auf die Wirkung
von Spongia bei alten Herzleiden aufmerksam ge¬
macht. —
Er fand es wirksam in einem Falle, bei dem
täglich mehrere Anfälle von Hitze mit hohem Angst¬
gefühl, Schmerz in der Herzgegend, Weinen, Un-
tröstlichkeit, — Pat. möchte am liebsten auf der
Stelle sterben — vorhanden waren.
Folgende Heilungsgeschichte ist auch inter¬
essant :
Eine Frau hat unregelmässige Herzschläge , Er¬
stickung drohendes Herzklopfen bei der geiingsten
Anstrengung, zumal beim Treppensteigen; wenn sie
den Arm über den Kopf erhebt, wird sie ohn¬
mächtig. Im Bette muss sie mit dem Kopfe hoch
liegen; sie erwacht oft Nachts unter Schreck und
Furcht, als ob sie ersticken müsste . Die physi¬
kalische Untersuchung ergab Zeichen von Klappen¬
ablagerungen. Spongia half. C. Hering fand unser
Mittel dann besonders wirksam, wenn die Herz¬
klappen der Sitz des Leidens sind, und wenn die
Kranke plötzlich unter Schreck bei Nacht erwacht.
Wiederholt hat er selbst Abnahme des Klappen¬
geräusches unter der Einwirkung von Spongia, in
der 200., constatiren können.
Auch Jahr giebt an, von Spongia bei Krankeu
mit Klappenfehlern nur Gutes beobachtet zu haben,
wenn jenes charakteristische Symptom: „Erwachen
mit Schreck und Furcht zu ersticken“ bei ihnen
zugegen war. Ebenso hat ihm dieses Mittel in
einem Fall alter Brustbräune (Angina pectoris) mit
gleichzeitigen Klappenfehlern bedeutende Erleichte-
rung gebracht, wenngleich in diesem Falle Arsen
sich noch wirksamer gezeigt hat.
C. Hering macht besonders auf Spongia auf¬
merksam, wenn der acute Rheumatismus das Herz
befallen und zu fibrösen Ablagerungen an dcu
Klappen geführt hat. Ferner hat man Spongia bei
Aneurysma der Aorta mit Nutzen gebraucht, wenn
ein in Paroxysmen auftretender Husten, der sich
beim Liegen ausserordentlich steigerte, zugegen
war.— Vergleicht man nun die bei meiner Kranken
geschilderten Symptome mit denen, welche Dr. Wells
freilich bei einer schon Herzleidenden beobachtet
hat, die dann aber auch durch andere klinische
Heilerfolge bestätigt worden sind, so ist eine zwischen
beiden Reihen bestehende Aehnlichkeit unverkenn¬
bar. —
Das bei meiner Patientin noch hinzukommende
Symptom von Zittern am ganzen Körper und Zähne¬
klappen während der nächtlichen Anfälle ist wohl
nur als eine accessorische Erscheinung in dem
Bilde der durch ihre Dauer und Intensität bis zur
Asphyxie gesteigerten Stenocardie zu betrachten
und durfte deshalb auf die Mittelwahl keinen be¬
stimmenden Einfluss ausüben. — Sehen wir mit
Romberg eine solche Stenocardie als eine Neu¬
ralgie des Herznerven-Geflechts an, bei der eine zu
bestimmten Zeiten, namentlich während des nächt¬
lichen Schlafes, bis zum höchsten Grade gesteigerte
Blutstauung im Herzapparate das veranlassende
Moment bildet, so erscheint uns die Wirkung der
hochpotenzirten Spongia in diesen Fällen erklär¬
licher. — Grosse, massive Gaben des Mittels würden
gewiss unheilvoll wirken.
Aus dieser pharmakodynamischen Studie hat
sich uns wieder die Thatsache ergeben, wie wichtig
auch die aus einem reinen klinischen Experiment
genommenen Wirkungssymptome eines Mittels für
die Praxis werden, ja, wie solche uns eine bei
einem Mittel durch das Experiment am Gesunden
wenig oder noch gar nicht herausgetretene Wir
kungsrichtung aufdecken können.
Deshalb war es mir lieb, in C. Herings kurz¬
gefasster, von Dr. Gisevius-Berlin übersetzten ho¬
möopathischen Arzneimittellehre bei Spongia die
Digitized by k^ooQle
171
Indication für Herzaffectionen, deren klinischer Ur¬
sprung durch die bekannten Zeichen ausgedrückt
ist, kurz und bündig, aber das Wesentliche ent¬
haltend, angegeben zu finden.
3 Fälle von Appendicitis aus meiner Praxis, j
Von Dr. Schier in Mainz.
1. Auguste Z. in K., 14 Jahre alt, kam am j
9. April 1897 in meine Behandlung wegen chro¬
nischer recidivirender Erkrankung des Wurmfort¬
satzes. Das Mädchen hatte bereits über 2 Jahre
mit dem Leiden zu thun und während des letzten
Jahres fast beständig zu Bett liegen müssen. Der
erste Anfall im Jahre 1895 war von dem allo¬
pathischen Hausarzte schulgerecht behandelt worden i
mit Eisapplicationen und Opium. Dieser Behänd- |
lung ist cs wohl auch zuzuschreiben, dass die Er¬
krankung nicht gründlich ausheilte und ein Recidiv
nach dem anderen sich zeigte, dass die Patientin 1
im Jahre lb96 und im ersten Quartal 1897 kaum
mehr aus dem Bette konnte, wegen gewaltiger
Steigerung der Schmerzen, sobald sie die geringste
Bewegung ausführte. Da sich zweifellos Verwach¬
sungen gebildet hatten, war die Aussicht auf gänz¬
liche Wiederherstellung ’ recht mässig. Der Haus¬
arzt hatte die Operation für dringend nöthig erklärt,
doch wollten die Eltern, bevor sie sich hierzu ent¬
schlossen, noch einen Versuch mit der Homöopathie
machen. Aus eigener Initiative hatten die Eltern
seit längerer Zeit das Eis durch Umschläge mit
warmem Flachs ersetzt, eine Anwendung, welche
ich nur gutheissen konnte, obgleich mir von irgend
welcher spedfischen Wirkung des Flachses nichts
bekannt war.
Mercurius sol. D. 3. und Belladonna D. 4. waren
die homöopathischen Mittel, welche zunächst in
3 stündlichem Wechsel gereicht wurden und mit so
gutem Erfolge, dass die Patientin am 3. Mai das
Bett auf einige Stunden tagsüber verlassen konnte.
Auch das Allgemeinbefinden hob sich allmählich |
wieder, der bis dahin träge Stuhlgang wurde regel- j
mässiger, obwohl an der milden Diät — Vorzugs- I
weise Schleimsuppen und Milch — nichts geändert ’
wurde, und im Monate Juni stellte sich die Regel |
zum ersten Male ein. ,
Indessen machte die Besserung darnach nicht |
die wünschenswerthen Fortschritte, auch Silicea und (
Sulfur, welche verschiedentlich dazwischen gereicht
wurden, um zur Lösung der Verwachsungen mit¬
zuwirken, förderten nicht viel, immerhin brachte
ich die Patientin, welche ich inzwischen mehrmals ,
besucht hatte, so weit, dass sie im August die i
weite Reise, circa 60 Kilometer, zu mir wagen und
meine Sprechstunde aufsuchen konnte. Die Schmerz- i
haftigkeit war immer noch eine bedeutende, nament¬
lich beim Gehen; länger als l j l Stunde konnte sie
sich im Freien nicht bewegen. Eine Garantie,
dass ich das Leideu in absehbarer, bestimmter Zeit
völlig beseitigen werde, konnte ich unter diesen
Umständen nicht bieten, und ontliess daher die
Patientin aus meiner Behandlung, da ihr und ihren
Eltern von allen möglichen Basen und Vermitt¬
lungspersonen allopathischer Aerzte die Operation
als das ultimum refugium dringend empfohlen wurde.
Ob die letztere ausgeführt wurde, und ob der Er¬
folg ein guter war, ist mir unbekannt, gewiss aber
ist mir, dass bei richtiger Behandlung zu Beginn
des Leidens dasselbe in relativ kurzer Zeit recidiv-
frei hätte gehoben werden können, wie das bei
den zwei folgenden Fällen gelang.
2. Frau Lehrer S. in N., 41 Jahre alt, bekam
im März 1898 einen acuten Anfall von Appendicitis
mit Schmerzhaftigkeit und faustgrosser Schwellung
in der Gegend des Wurmfortsatzes, Stuhl Verstopfung,
gänzlicher Appetitlosigkeit und Fieber, welches zeit¬
weilig bis 39,5° stieg, bei einer Pulsfrequenz von
120 pro Minute. Im Uebrigen war die Patientin
organisch normal und bis dahin kaum jemals krank
gewesen.
Absolute Bettruhe wurde angeordnet, Nahrung,
da kein Verlangen darnach bestand, gar nicht ge¬
reicht, der Durst mit Citronenlimonade gestillt; auf
die schmerzhafte Stelle wurden heisse Leinsamen¬
umschläge applicirt, Mercur. sol. D. 3. und Bella¬
donna D. 3. in ^stündlichem Wechsel gegeben.
Am 2. Tage stellte sich spontan Stuhlgang ein,
Appetit zeigte sich, so dass Schleimsuppe und Milch
gereicht werden konnteu; das Fieber und die
Schmerzhaftigkeit, auch die Geschwulst, vermin¬
derten sich und am 3. Tage war jede Gefahr vor¬
über. Die Medicamente wurden am 2. Tage in
stündlichem, am 3. Tage aber in 2stündlichem
Wechsel gereicht, am 5. Tage konnte die Patientin
bereits zeitweilig ausser Bett sein und am 8. Tage
nach Beginn der Erkrankung aus der Behandlung
entlassen werden. Recidive sind bis jetzt nicht
vorgekommen, das Befinden ist ein durchaus nor¬
males geblieben.
3. Frau H. in M., 28 Jahre alt, erkrankte am
7. Juni a. c. ganz plötzlich an Appendicitis in der¬
selben Weise wie Nr. 2, doch war der Anfall noch
heftiger. Die Temperatur stieg über 40°, die Puls¬
frequenz betrug zeitweilig 140 pro Minute und die
Schmerzhaftigkeit und allgemeine Nervosität war
so bedeutend, dass jede Bewegung im Bette, sogar
die Erschütterung der Möbel im anstossenden Zim¬
mer, der Kranken unerträglich war. Die Patientin
war im Allgemeinen bis dahin gesund gewesen und
glaubte den Anfall auf eine Erkältung zurückführen
zu können.
22 *
Digitized by k^ooQie
172
Die Behandlung war dieselbe wie bei Nr. 2,
sie war aber dadurch erschwert, dass die Kranke
ca. 20 Kilometer von hier entfernt an einem schwer
zu erreichenden Orte wohnte, so dass ich sie in
der Woche nur 1 — 2 Mal besuchen konnte. Die
heissen Umschläge steigerten den Schmerz ins Un¬
geheuere, sie wurden daher zunächst durch lau¬
warme ersetzt; da aber auch diese nicht vertragen
wurden, musste ich zu kalten Umschlägen mit circa
8° Wasser greifen, welche sich als sehr wohlthuend
erwiesen und alle 10 Minuten erneuert wurden.
Da nichts destoweniger die Schmerzen nicht
dauernd abnahmen, auch nach der Mitte des Leibes
zu ausstrahlten und die durchaus hart sich an-
fühlende Geschwulst einen immer grösseren Umfang
annahm — sie war am 11. Juni über faustgross —,
so ersetzte ich Belladonna durch Bryonia D. 3.,
welche anfangs in ^stündlichem Wechsel mit Mer-
curius sol. D. 8., später seltener gereicht wurde.
Die Diät bestand in schleimigen Wassersuppen mit
Zusatz von Somatose, gegen Milch empfand die
Patientin einen unüberwindlichen Ekel ; als Getränk
wurde auch hier Citronenlimonade gereicht.
Am 12. Juni endlich stellte sich spontan Stuhl¬
gang ein, vorzugsweise hellgelb, wässerig, mit Blut¬
fasern vermischt, von schauderhaftem Gerüche, der
dann in kurzen Pausen sich wiederholte bis zu
10 Mal in 24 Stunden. Die Schmerzhaftigkeit liess
daraufhin etwas nach, auch die Geschwulst und
das Fieber verminderten sich, um vom 17. Juni
ab wieder allmählich zuzunehmen. Da zeigte sich
am 19. Juni die Periode, obwohl Patientin bereits
am 4. Juni und zuvor immer pünktlich alle vier
Wochen die Menses gehabt hatte. Diese Erschei¬
nung war offenbar kritischer Natur, denn von nun
ab trat im weiteren Gefolge von durch fälligen,
äusserst foetiden Stühlen durchgreifende Besserung
ein, doch konnte die Patientin nicht vor Ende des
Monats zeitweilig das Bett verlassen und wurde
erst Mitte Juli aus der Behandlung entlassen. Ob
in diesem Falle der Infectionsstoff das Parametrium
in Mitleidenschaft gezogen hat, lasse ich dahin¬
gestellt, wahrscheinlich ist es in hohem Grade. Bis
jetzt, Anfang November, hat die Patientin keinerlei
Folgenerscheinungen gehabt.
Im Anschluss an diese Fälle möchte ich noch
ein Vorkommniss eigenthümlicher Art erwähnen.
Vor circa 2 Jahren behandelte ich einen an Magen-
carcinom erkrankten etwa 60jährigen Mann. Die
Anamnese ergab, dass derselbe 8 —10 Jahre zuvor
an mehrmals recidivirender Appendicitis gelitten
hatte und die Angehörigen erzählten mir, ihr sehr
alter und erfahrener, inzwischen verstorbener Haus¬
arzt habe ihnen die spätere Erkrankung des Vaters
an Magenkrebs mit Wahrscheinlichkeit in Aussicht
gestellt; seine Erfahrung habe ihm gezeigt, dass
Magenkrebs die spätere fast regelmässige Folge der
Blinddarmentzündung sei.
Ich habe inzwischen mein Augenmerk auf diesen
Punkt gerichtet und in der That in mehreren Fällen
diese Behauptung bestätigt gefunden: 3 von meinen
8 in den letzten 2 Jahren an Magencarcinom er¬
krankten bez. gestorbenen Patienten hatten früher
an Appendicitis gelitten. Wie der causale Zu¬
sammenhang, wenn er überhaupt besteht, zu er¬
klären ist, steht dahin. Die Annahme, dass der
Appendix eine physiologische Function ausübt, ist
ja recht wahrscheinlich, wenn letztere bis jetzt auch
nicht bekannt ist. Ob wohl das die Appendicitis
bewirkende Protozoon — die specifische Dyskrasie
als Grundlage vorausgesetzt — dasselbe ist, wie
das carcinomatÖ8e? Ob es eine jüngere Entwick¬
lungsstufe des letzteren darstellt, so dass dieses
von jenem abstammt? Merkwürdig ist auch die
gleichzeitige Zunahme der Appendicitis und des
Carcinoms, freilich nicht nur des Magencarcinoms,
1 von Jahr zu Jahr seit 10—15 Jahren. Sollte das
Carcinom sich etwa dann bilden im Gefolge von
I Appendicitis, wenn die letztere mit Eis und Opium
| unterdrückt und so der Selbstreinigungsprocess des
| Organismus behindert wird, die Dyskrasie bestehen
bleibt?
Viscum album, die Mistel,
ihre Naturgeschichte, traditionellen Heilkräfte,
sowie ihr Gebrauch im Volke und der wissen¬
schaftlichen Medicin in Behandlung von Krank¬
heiten nebst neueren Prüfungen des Mittels.
Von Dr. George Black, London 1899.
(Schluss.)
Beim Husten grosser Schmerz in Brust und
Rücken. Gestern hat sie etwas dicken grünlich-
gelben Schleim herausgebracht.
Viscum album 3. zweistündlich.
2. März. — Sie kann sich heute selbst im
Bette aufsetzen und von einer Seite auf die andere
drehen: weit weniger Schmerz im Rückeu.
3. Fall. Lumbago.
Eine 60jährige magere, gebrechliche Frau, mit
weissen Haaren und braunen Augen, hat an Blasen-
katarrh gelitten, der unter Ferr. phosph. und Kali
chlor, sich gebessert hat. Am 20. Februar klagt
sie, dass sie an den zwei vorhergehenden Tagen
Frostschauer gehabt; sie könnte nicht warm wer¬
den. Tags vorher Schmerz in der rechten Lenden-
I gegend bis zur rechten Hinterbacke; heute war
| der Schmerz noch schlimmer, der bei der gering-
j sten Bewegung sich steigert. T. 101. P. 112.
I Gesicht geröthet; Zunge grau belegt.
Digitized by LiOOQle
173
Viscum album dreistündlich.
21. Febr. Kann sich heute früh etwas leichter
bewegen. T. 99° F. P. 96. Contin.
22. Febr. T. normal. P. 72. Fühlt sich besser:
der Rückenschmerz ist fast vergangen; sie kann
sich ohne Schmerz bewegen und drehen. — So
schnell war die Besserung bei ihr sonst nie ein¬
getreten.
4. Fall. Rheumatismus aponeurosis lumbaris.
Eine 45jähr. Frau, mittelgross und mittelstark,
klagte am 23. Febr. 1898 über Schmerz am un¬
tern Theil des Rückens, in der Kreuzgegend, der
zwei Tage vorher sie befallen hatte. Konnte sich
weder nach rechts noch nach links hin drehen.
Stark verschlimmert durch Bewegung. Sie nahm
sofort Aconit, das sie bis jetzt fortgebraucht hat,
und legte Flaschen mit heissem Salz und heissem
Wasser auf, was ihr etwas Erleichterung brachte.
Bewegung ist ihr aber noch sehr schmerzhaft. Sie
hatte Schmerz in dem Unterleib und in den Seiten.
Die Erkrankung erfolgte nach Erkältung im Nebel,
unter Frostschauer. Sie beschreibt den Schmerz
als einen schrecklich zusammenkrallenden, als ob
es ihr ans Leben ginge. Anfangs muss sie sehr
häufig Wasser lassen; jetzt nicht mehr so oft.
T. 99,4° F. P. 80. Actaea racemosa 0 4 Tro¬
pfen in ein Glas Wasser, zweistündlich 1 Thee-
löffel.
24. Febr. Nicht besser. T. 99,4° F. P. 80.
Bei der geringsten Bewegung heftiger Schmerz,
so dass sich die Augen mit Thränen füllen.
Viscum album 3. zweistündlich.
25. Febr. Die Nacht war besser; sie kann
sich besser bewegen, fühlt sich besser. T. 100° F.
P. 72.
Contin. Das Fieber nimmt allmählich ab, und
in zwei oder drei Tagen war sie die Treppe her¬
untergegangen; aller Schmerz im Rücken war weg.
In Metrorrhagieen, worin Verf. Viscum album
mehrfach angewendet hat, war der Erfolg wenig
ermuthigend; in Fällen von Placenta-Retention war
er =» nihil.
Ischias .
Patient meldet sich am 24. Juli 1893. Vor
2 oder 3 Jahren war er unfähig, sich ins Bett zu
legen, weil er das Liegen nicht ertragen konnte.
Der Sitz des Schmerzes war in der Mitte des rech¬
ten Hinterbacken, von wo er sich hinten längs der
Schenkel zur Kniekehle und von da an der Rück¬
seite des Beines bis kurz über das Fussgelenk er¬
streckte. Er hatte das Gefühl, als ob die Sehnen
hinter dem Knie angespannt wären und als ob das
Bein heraufgezogen würde. Er bekam Viscum album
und am 29. Juli berichtete er, dass er nach Ein¬
nehmen des Mittels 1 l j % Stunden schmerzensfrei
gewesen; was bei ihm seit Anfang seiner Ischias
nicht vorgekommen war. Leider war dem Collegen
der Vorrath an Viscum ausgegangen. Er gab dem
Kranken Carbo bisulphid (Carboretum sulphuris,
Schwefelkohlenstoff), welcher dem Kranken volle
Heilung brachte.
Rheumatismus mit Anschwellung des linken
Fussgelenks.
Ein 60j. Mann, schwächlich, zart gebaut, mit
rothem Haar, hämorrhagischer Diathese, hat seit
einer Woche Schmerzen in den Beinen, nachdem
er sich in feuchter Nebelluft erkältet hatte. Seit
vorigen Montag, beim Aufstehen Morgens, that ihm
das linke Fussgelenk weh, so dass er die Treppe
hinunter humpeln musste. Besonders war es
schmerzhaft, wenn er es bewegen, namentlich von
einer Seite zur andern wenden wollte. Das Ge¬
lenk ist angeschwollen und druckempfindlich, be¬
sonders wenn er den Malleolus des anderen dagegen
presst. Sonst ist kein Gelenk weiter afficirt Vis¬
cum album 3., 12 Tropfen in l / 2 Glas Wasser
4 stündlich 1 Löffel voll. — Nach 5 Tagen war
alle Schwellung vergangen; er kann das Bein nach
allen Richtungen ohne Schmerz bewegen.
Rechtsseitige Kniegeschwulst.
Ein 20jähr. Mädchen, blind, hatte vor zwei
Jahren in Folge eines Falles eine Contusion am
rechten Knie erlitten. Damals schien Alles gut
vorüber zu gehen; aber seit länger als einem Jahre
war es ihr, als ob ein kleiner Knochen aus seiner
Lage gekommen wäre; da zeigte sich eine An¬
schwellung, die seither immer stärker geworden ist.
Sie kann des Schmerzes wegen jetzt nur mühsam
gehen; wenn sie längere Zeit gesessen, thut cs
entsetzlich weh.
Das rechte Kniegelenk ist zur Zeit, am 10. April
1894, geschwollen, um zwei Zoll dicker als das
linke; die rechte Wade ist um einen Zoll schwächer
als die linke; Schlaf und Appetit gut. Die An¬
schwellung des Gelenks ist an der Innenseite be¬
sonders bemerkbar, wo dasselbe gespannt und voll
ist; es ist aber auch über- und unterhalb der Knie¬
scheibe geschwollen und gespannt. Gegen Druck
nicht empfindlich. Die Periode hat 2 Mal aus¬
gesetzt. Pulsat. 30. eine Gabe.
19. Mai. Tags darauf noch schlimmer; sie
kann kaum 3 Schritte gehen. Sie hatte es auf
eigenen Antrieb mit Jod eingepinselt, bis die Haut
platzte und sie es nicht mehr aushalten konnte.
Nach 14 Tagen ging es besser, auch mit der Be¬
weglichkeit des Beines. Bei der Untersuchung
zeigte sich jedoch das Kniegelenk eher mehr ge¬
schwollen. Der Umfang des rechten Kniees betrug
15 Zoll, der des linken 12 1 / 2 . Viscum album 3.,
Digitized by
Google
174
6 Tropfen in l r2 Glas Wasser, 3 Mal täglich
1 Löffel voll.
2. Juni. Sie giebt au, besser damit geben zu
können. Sie hat nicht mehr den Schmerz, wie ei-
früher war. Umfang 14 1 / 2 Zoll rechts.
25. Juli. Ebenso. Sie kann weit besser sieh
bewegen. Viscuin alb. wurde fortgegeben, die
Dosis auf 12 Tropfen erhöht.
Gehör-Leiden.
Eine 30jähr. Frau, Mutter von drei Kindern,
mit dunkelbraunem Haar, grauen Augen, kräftig, j
unter Mittelgrösse.
15. Februar 1898. Seit ihrem neunten Jahre
hat sie mit dem linken Obre wenig gehört. Wahr¬
scheinlich kam es nach den Maseru. Nach dem I
Ohren weh kam ein Ausfluss, mehr oder weniger
stark, stinkend, fast unerträglich. Der Ausfluss I
hört auf, wenn Schmerz eintritt; so seit vorigem
Freitag. Es war eine Art Brummen und Rollen
seitdem bis Sonntag Abend, wo es, als sie aus der
Kirche nach Hause kam, schrecklich zunahm. Es
kommt nickweise. Der Schmerz ist so, als ob ihr
Jemand das Ohr losschrauben wollte. Der äussere
Theil des Ohrs wird sehr kalt; ebenso wird die
Nase auf dieser Seite eiskalt. Der Kopf ist ihr
schwer wie ein grosser Klumpen. — Bei der Unter¬
suchung zeigt sich das Trommelfell eingerissen und,
wenn man durch die runde Oeffnung des Risses
blickt, tritt eine rothe, fleischig aussehende Masse
hervor. Die Regio mastoidea ist nicht empfindlich
gegen Druck; der grösste Schmerz scheint gerade i
hinter dem Ohrläppchen zu sitzen. Liegt sie auf
der linken Seite des Kopfes, und hebt sie ihn auf,
so ist ihr, als ob ein schweres Gewicht von dieser
Seite herabhänge. Wenn der Eiter hervorbrechen
will, so vernimmt sie eine Stunde lang ein zischen¬
des, siedendes Geräusch, dann giebt es einen Knall,
und sie weiss, dass es zum Durchbruch gekommen
ist und sie hat Erleichterung. Das hat sich öfters '
wiederholt, so alle oder alle 2 Monate.
Viscum album 30., 12 Tropfen in 1 / 2 Glas j
Wasser, 2 stündlich einen Löffel voll.
16. Februar. Den Tag über besser bis jetzt.
Sie schlief besser, wenn auch nicht ganz ruhig.
Nachdem sie eingeschlafen, schreckte sie plötzlich
wieder auf. Den Tag über hat sie nur das rollende, *
brennende Gefühl im Ohre gehabt; keinen Schmerz. ,
Erst beim Ausgehen wurde dieses schlimm.
21. Februar. Dr. B. fand die Patientin bei
ihrer Arbeit singend und wohlgemuth. Aller Schmerz i
war weg und kein Ausfluss dagewesen — etwas, |
was vordem ihr nie passirt war. Sonst hatte jeder j
Anfall mit einem Abscess und dessen Aufbruch
geendet. Ref. Dr. Mossa.
Lesefruchte.
Ein Dr. Weiss empfiehlt gegen Epistaxis nach vor¬
angegangener Berieselung der Nasenhöhle mit Wasser
von 45 — 50° C. eine solche mit einer Lösung von
5 g Gelatine in 200 ccm 7 proc. Kochsalzlösung.
(Journal des practiciens. Jan. 1899.)
Zur Physiologie des Peritoneum.
1. Das Peritoneum absorbirt und sondert Flüs¬
siges ab. Festes geht durch dasselbe hindurch,
besonders im diaphragmatischen Abschnitt, wenn
es in einer Flüssigkeit gelöst ist. Bei den Ver¬
suchen tritt die Absorption mehr hervor als die
Secretion.
2. Bei der Physiologie des Peritoneum hat man
besonders auf den interendothelen Raum mit seiner
Erweiterung und Zusammenziehung zu sehen. Die
Deckplatten sind vielleicht wenig betheiligt. Das
metamorphisirt erhärtete Protoplasma der Deckplatte
ist hauptsächlich auf mechanischem Wege behülf-
lich, die Bewegung des Bauchfells zu erleichtern,
wozu dann auch das viscerale, durch den inter-
dothelen Raum abgehende Secret mitwirkt. In¬
dessen spielt die Deckplatte ohne Zweifel eine
Rolle bei der Osmose.
3. Das peritoneale Secret wird entweder auf
dem Wege der lymphatischen (d. i. der inter¬
stitiellen) Räumlichkeiten oder der Blutgefässe be¬
wirkt. Die Lyinphgefässe scheinen dies aber in
erster Linie zu thun.
4. Die Localität, wo die Absorption fein ver-
theilter, in Flüssigkeit suspendirter Körnchen sich
experimentell am meisten nachweisen lässt, ist die
Regio diaphragmatica. Die vielen interstitiellen
Räume lymphatischer Kanäle im Zwerchfell werden
schneller mit den feinen Stoffpartikelchen gefüllt,
und zwar schon einige Minuten, nachdem die Sub¬
stanz in das Peritoneum eingespritzt ist.
5. Im Peritoneum findet ein Flüssigkeitsstrom
in der Richtung nach dem Zwerchfell hin statt.
6. Das Peritoneum im getödteten Thier absor¬
birt Flüssigkeiten ähnlich wie im lebenden noch
einige Stunden nach dem Tode, und zwar bis auf
36 Stunden. Das lebende Thier absorbirt bis
auf 10 per Cent seines Körpergewichts; 30 Mi¬
nuten nach dem Tode bis 6 per Cent innerhalb
Ys Stunde.
7. Das Peritoneum ist ein Lymphsack.
8. Bei der anerkannten Schnelligkeit der peri¬
tonealen Absorption könnten Iujectionen in das
Peritoneum bei ausgedehnten, gefährlichen Blu¬
tungen das Leben retten.
9. In 30 Minuten absorbirt die peritoneale
Höhle während des Lebens bis zu 10 per Cent
des Körpergewichts.
Digitized by t^ooQie
17S
10. Die schnelle Flüssigkeitsabsorption des Peri¬
toneum spricht gegen die Irrigation bei Laparoto-
mieen, da Infectionskeime weithin schnell verbreitet
werden können.
11. Die Leucocythen bilden eine Schutzwehr
für das Peritoneum, indem sie das Fremdartige,
seien es vegetabilische Keime oder anorganische
Partikel, durch Digestion, Abfangen Fortschaffen
oder Sterilisiren unschädlich machen.
12. Die so bedeutende Activität des Zwerch¬
fells in Absorption macht es zu einer höchst ge¬
fährlichen Infections-Oertlichkeit.
13. Die gefährlichsten Herde in Peritonitis sind
jene Stellen von überaus thätiger Absorption, wie
Zwerchfell und Dünndarm, deren Absorption und
Infection tödtet. Die günstigen, die Schutzherde vor
Peritonitis, sind die Stellen mit langsamer Absorp¬
tion, woselbst sich Exsudate bilden. Die dem Peri-
1 toneum günstigen Herde sind die der dicken Ge-
! därme, die Becken-Appendiculäro — und Gailblasen¬
gegend.
Mittheilung.
Dein prakt. homöopathischen Arzte
| Dr. med. Roth in Erfurt
1 ist der Titel „Sanitätsrath“ verliehen worden, wozu
; auch wir ihn herzlichst beglückwünschen.
Die Kur- und Wasserheilanstalt „Kaiserbad“ in
Rosenheim erfreut sich trotz der vorgerückten Jahres
zeit noch eines guten Besuches. Dieselbe bleibt den
ganzen Winter über in Betrieb. Die Frequenz der
diesjährigen Kurgäste hat die des vergangenen Jahres
1 schon im September überschritten. Die ärztliche
| Leitung ist eine streng wissenschaftlich rationelle.
Anzeigen.
Galvanisirte Stahldrahtschlnndröhren
das vorzüglichste, stets sicher wirkende, und allein vollkommen unschädliche medicinische Instrument gegen die
Trommelsucht (Aufblähen) der Wiederkäuer.
Die Trommelsucht hat ihren Grund darin, dass durch gieriges Fressen von tliaufeuchtem Grünfutter,
welches schnell in Gährung übergeht, im Magen Gase entstehen, die einen so starken Druck auf dessen
Wände ausüben, dass das Platzen eine unbedingte Folge ist.
Schnelle Hilfe ist also die Hauptsache!
Daher ist von den zuweilen angewandten unsinnigen Mitteln, wie Aderlässen, Auf- und Abtreiben der
Thiere, sowie auch von der Anwendung des Troicarts aufs Entschiedenste abzurathen. Der grosse Nach¬
theil des letzteren liegt in. den Verletzungen, welche dem Thiere beigebracht werden, die Eiterungen, Ab¬
magerung etc. leicht zur Folge haben können.
Alle diese Nachtheile sind durch das
galvanisirte Stahldrahtschlundrohr
vollkommen ausgeschlossen! Daher darf dasselbe keinem Landwirth fehlen!
Versäumen also auch Sie nicht
sich umgehend bei mir dieses medicinische Instrument zu kaufen, damit Sie in vorkommenden Fällen Ihr
Rindvieh resp. Ihr Schaf schnell und sicher von den Qualen der Trommelsucht befreien können.
Preise von galvanischen Stahldrahtschlnndröhren.
I grosses Schlundrohr (für Kühe etc.) mit Maulholz.Mk. 3.—.
1 kleines Schlnndrohr (für Schafe und Kälber) mit Maulholz. „ 2.50.
Gedruckte Gebrauchsanweisung dabei.
Zu beziehen durch
Täschner & Co., Homöopath. Central-Apotheke, Leipzig.
Bönninghansen’s
Therapeutisches Taschenbuch
in neuer deutscher Auflage.
Brosch. 10.— Mk., geb. 11.— Mk.
Aufträgen sieht die Unterzeichnete Verlagshandlung gern entgegen.
A. MarggraFs homöopath. Offtein, Leipzig.
Digitized by k^ooQle
176
Inselbad
bei Paderborn. „ Sommer und
Winter sreöffhet u. besucht. Vor¬
zügliche Heilerfolge. Prospekte gratis.
Wandelhalle, Sanatorium für Nervenleiden Mildes Klima,
Wintergarten und alle chronischen Krankheiten. Centralheizung
Spezial-Anstalt für Asthma
u. verwandt. Erkrank, der Athmungsorg. (Nasen- u. Halsleid., Bronchialk.,
Emphysem). Physlkal.-dlätet. Heilverfahren. Die Direktion .
Empfohlen durch die homöopathischen Aerzte:
Herrn Dr. med. Rörig, Paderborn, und
Herrn Hofarzt Dr. med. Windeiband, Berlin S.W.,
Königgrätzerstrasse 88.
Rec eptu r -Tarir waagen.
Da neuerdings bei Revisionen auch mehrfach
Tarir waagen verlangt worden sind, welche jedoch
die Herren Aerzte nie brauchen und die im All¬
gemeinen nicht unter 50 - 60 Mark zu haben sind,
so habe ich billige und fair Revisionszwecke völlig
genügende, mit Präcisionsstempel versehene und
geaichte Receptur-Tarirwaagen auf einfachem Brette
anfertigen lassen, die zum billigen Preise von nur
24 Mark offeriren kann.
Leipzig.
A. Marggrafe Homöopath. OfRcin.
Im Verlage der Homöopathischen Central-Apotheke von |
Täschner & Co., Leipzig, und A. Marggrafs homöopathi¬
scher Officin, Leipzig, sind folgende empfelilenswerthe
homöopathische Bücher und Schriften erschienen:
Gross-Hering, Vergleichende Arzneiwirkungslehre. l.Aufl.
1893. geh. M. 20,-.
Bruckner, Homöopath. Behandlung der Augen- und Ohren¬
krankheiten. 1. Aufl. 1894. broscli. 2.50, geh. 3.—.
Kleiner homöopath. Hausfreund. 6. Aufl. 1894. broscli.
1.-, geh. 1.50.
Homöopath. Volksschriften, Nr. 1—33, in diversen (1.—9.)
Auflagen, a 10 Pfg.
Hendrichs, Zahnschmerzen. Deutsch. 2. Aufl. 1888. —.30.
Holland., 2. Aufl., — .50.
Allgemeine homöopath. Zeitung. 139. Band. (2. Halbjahr
1899.) Halbjährlich 10.50.
Mttller, Charakteristik. Deutsch, 3. Aufl. 1890, geh. 1.50.
Spanisch, 2. Aufl. 1891, broscli. 2.—, geb. 2.50.
Homöopath. Allerlei. 1890. brosch. 1.—, in Parthien billiger.
La Curacion y Profilaxia per ei Tratamiento Homeopätico
de Las Prinzipates enfermedades Infecciosas. 2. Aull.
1893. brosch. 1.20.
Diverse kleine Anweisungen zur Heilung einzelner Krank¬
heiten. ä 20 Pf.
Hlrsokel. Der homöopathische Arzneischatz in seiner An¬
wendung am Krankenbette. Für Familie und Haus
neu bearbeitet von Dr. med. Goullon in Weimar.
16. Auflage, geh. 4 M.
Hübner, Homöopath. Thierarzt. 9. Aufl. 1892. cart. 3.—.
geb. 3.75.
— Krankheiten der Pferde. 9. Aufl. 1894. broscli. 1.20.
geh. 1.60.
Günther, Kleiner homöopath. Thierarzt. 2. Aufl. 1888.
geb. 1.50.
Hausmann, Kleine Schriften. Gesammelt und herausge¬
geben von Dr. C. Bojanus, sen, 1895. cart. 1.50.
Homöopath. Hilfstabellen. Belehrung über die Bereitung
der Potenzen aus den Urtincturen, Stärke des zu ver¬
wendenden Aleohols etc. mit einer Anlage über Lutze’s
Chiffre-Schrift. 2. Aufl. 1.—.
Homöopathische Arzneitaxe, bearbeitet in Uebereinstim-
mung mit allen in Deutschland bisher erschienenen
officiellen und im Gebrauch befindlichen homöopathischen
Arzneitaxen. —.30.
Bönninghausen^ Therapeutisches Taschenbuch für homöopath.
Aerzte, neu herausgegeben von Dr. med. Fries, brosch.
10.—, geb. 11.—.
Die Grundzüge der modernen wissenschaftlichen Homöopathie,
von Dr. Hans Wapler. brosch. —.50.
Die Unhaltbarkeit der Hochpotenzen, von Dr. Kallenbach,
Rotterdam, brosch. —.80.
Kunkel, Dr. med., Die homöopathische Behandlung der
Heiserkeit, brosch. —.50. I
Im Verlage von A. Marggrafs homöopathischer
Officin in Leipzig ist erschienen:
Die vergleichende
Arzneiwirkungslehre
von
Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering.
Aus dem Englischen bearbeitet und herausgegeben
von
Sanitätsrath Dr. med. Faulwasser, Bernburg a. S.
Coraplet geb. 20 Mark.
Dieses neue Werk will den vorhandenen homöo¬
pathischen Arzneimittellehren keine Concurrenz machen,
denn nach Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe
wesentlich von ihnen. — Es bringt Arzneivergleiche,
Mitteldiagnosen, welche allein und ausschliesslich die
Unterschiede je zweier derselben enthalten und in anti¬
thetischer Gegenüberstellung die betreffenden Verschieden¬
heiten scharf hervorheben.
Diese vergleichende Arznei wirkungslehre ist vielmehr
ein Supplement aller vorhandenen homöopathischen
Arzneimittellehren.
Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen
homöopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer
Zunge konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen.
Jedem homöopathischen Arzte und gebildeten Laieu
ist die Anschaffung dieses Werkes dringend zu empfehlen
Auf Reisen und zur Dispensation sehr practisch.
Homöopathische Mittel
in Tablettenform, ä 0,25 Gramm Gewicht*
(Das richtige Quantum für eine einzelne Arzneigabe.)
1 Cylinder ä 12
Stück
= 3 Gramm . . .
Mk.
-.20
Us24
i)
= 6
,, ...
—.30
1 4 30
i>
= 7,5
,, ...
»»
-.35
1 „ i 40
»i
= 10
,, ...
—.45
1 i) ^ ,50
i»
= 12,5
,, ...
>»
—.55
1 „ 4 60
i»
= 15
,, ...
,,
-.65
1 „ ä 80
>»
= 20
M ...
,,
—.75
1 „ 4 100
»»
= 25
,, ...
I«
—.90
1 „ 4 120
51
= 30
|, • . .
»»
1.10
1 „ 4 150
5»
= 37,5
,, ...
ii
1.35
1 „ 4 200
»?
= 50
»I ...
ii
1.80
1 „ 4 400
n
= 100
7»
3.50
A. Marggrafs Homöopath. Officin,
Leipzig.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius Milser in Leipzig.
Digitized by AjOOQie
Band 139.
Leipzig, den 7 . Deeembev 1899 . No.23 U.24
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG.
Heraasgegeben yon
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs Homöopath. Offlein) in Leipzig
Thomaskirchhof 12.
Erscheint 14tägig zu2 Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 Ai* 60Pf* (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welohe an Rudolf Mosse
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlein in Leipzig) su riohten
sind, werden mit 20 Pf . pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 6—8 Ai* berechnet.
Inhalt. Einladung zum Abonnement. — Drei Fälle aus der Hospitalpraxis. Von Dr. Giles F. Goldsbrough,
Assistenzarzt am Londoner homöopathischen Spital. Bef. Dr. Mossa. — Die bevorstehende ärztliche Standesord¬
nung und die Stellung der homöopathischen Aerzte zu derselben. Vortrag von Dr. Weiss-GmOnd. (Schluss.) —
L’Omiopatia in Italia. 36. Heft. 1899. Mittheilungen aus dem kleinen homöopath. Spital von Dr. B. Rabajoli.
Bef. Dr. Mossa. — Die Zustände des Auges diagnostisch bei allgemeinen Krankheiten. Nach Dr. D. A. Mac Lachlan
in Detroit von Dr. Th. Kafka in Karlsbad. — Aloä in einem Falle von Incontinentia et faecum. Von Dr. Sam.
van den Berghe. Bef. Dr. Mossa. — Dr. von Hartungen’s Homöopathisches Sanatorium in Riva am Gardasee. — Zur
Diät beim Menschen. — Vom BOchertische. — Lesef rächte. — Mittheilung. — Druckfehler-Berichtigung. — Bethel,
Sarepta, Nazareth und Wilhelmsdorf. — GemeinnOtziges. — Anzeigen.
Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. '•Z
Einladung zum Abonnement
Um in der Zusendung dieser Zeitung keine Unterbrechung eintreten zu lassen, werden die ge¬
ehrten Abonnenten um gefällige rechtzeitige Erneuerung des Abonnements auf Band 140 (1. Halbjahr
1900) höflichst ersucht. Alle Postanstalten und Buchhandlungen, sowie die Unterzeichnete VerlagS-
handlung selbst nehmen Bestellungen zum Preise von 10 Mark 50 Pfg. pro Band entgegen. Probe¬
nummern stehen stets unberechnet und portofrei zu Diensten.
Leipzig, im December 1899.
Hochachtungsvoll
die Verlftgshandlung von William Steinmetz
(i. Fa. A; Marggrafs Homöopath. Offtcin.)
Drei Fälle aus der Hospitalpraxis.
Von Dr. Gilea F. Goldsbrough,
Assistenzarzt am Londoner homöopathischen Spital.
Verf. schickt voraus, dass die folgenden Fälle,
die mehr oder weniger von chronischem Charakter
und wegen ihrer Eigenart uns vom therapeutischem
Gesichtspunkte aus interessant erscheinen, seiner
Obhut im London Homoeopathic Hospital wäh¬
rend des verflossenen Vierteljahres unterstanden
haben. Würde er die sie betreffenden interessiren-
den Punkte jetzt nicht veröffentlichen, so würden
diese wahrscheinlich in den voluminösen Kranken¬
journalen des Hospitals begraben und für das ärzt¬
liche Gesichtsfeld verloren sein.*)
*) Bef. wünscht, der ärztliche Leiter unseres homöo¬
pathischen Krankenhauses in Leipzig, sowie auch der
1. Fall. Malaria-Fieber — Chronisches Sumpf-
fieber — Vergrösseremg der Milz — Arsen —
Chinin — Ceanothus. — Entschiedene Besserung.
Ein 28j. unverheiratheter Beamter wurde am
4. August 1896 in das Hahnemann-Spital wegen
Malaria-Fieber aufgenommen. Die Geschichte seiner
Krankheit ergab Folgendes: lm fünften Lebens¬
jahre überstand er ein typhoides Fieber (Typhus.
Kef.). Vor sieben Jahren hielt man ihn für brust¬
krank, die rechte Lunge war afficirt; er nahm
Leberthran. Damals befand er sich als Soldat in
der indischen Armee. 1892 ging er nach Afrika,
wo er sich alsbald ein Malaria-Fieber zuzog. Da¬
von genesen, blieb er bis zum Februar dieses
I des kleinen Hospitals in München, möchten sich diese
I beherzigenswerthe Bemerkung ihres Londoner Oollegen
i nicht vergeblich gesagt sein lassen.
23
Digitized by A^OOQle
1*8
Jahres (1896) ziemlich gesund, wo dann das Fieber '
(wohl in Afrika) recidivirte, und seitdem ist er
ab und zu immer krank gewesen.
Status praesens bei seiner Aufnahme:
Pat. ist ziemlich gut genährt, von ausge¬
sprochen gelbblasser Gesichtsfarbe, die Lippen und
Lidbindehaut besonders blass. Seine Grösse be- j
trägt 5'9" und sein Körpergewicht 9 Stein 7 1 /* Ibs.
(etwa 135 Pfd.). Er ist immer leicht im Gewicht
gewesen. — Seine Fieberanfälle beschreibt er, wie
folgt: Frostschaucr, der um 2 Uhr Nachmittags
beginnt, danach bald Hitze, Schweiss fängt um
4 Uhr Nachmittags an, der bis zum Abend an¬
hält. Es tritt alle oder aller zwei Tage ein An¬
fall ein. — Mitunter fehlt das Froststadium, und
es zeigt sich nur Hitze mit darauffolgendem Schweiss. |
Beim Herannahen eines Anfalls fühlt er Müdigkeit |
und Durst; der Durst ist besonders beim Frost ;
hervorstechend, weniger während der Hitze und I
des Schweisses. Nach dem Anfall klagt er über I
Kopfweh quer über den Augen nebst Schwindel,
Gesichtstrübung und Lichtscheu.
Bei der Untersuchung des Bluts vermittels ■
Glowers’ Haemocytometer und Oliver’s „Tinto- |
raeter“ für die Abschätzung von Haemoglobin —
beides unter der Leitung von Dr. Blackley an¬
gewendet — ergab sich der Gehalt des Haemo-
globins auf ca. 43 °/ 0 des normalen und von rothen
Blutkörperchen kamen 3500000 auf den Cubik-
Millimeter. Letztere wechseln sehr in Grösse und
Form. — Die Leukocythen (die weissen Blutkörper¬
chen. Ref.) erscheinen etwas vermehrt. Die Unter¬
leibsorgane normal, ausgenommen die Milz , welche
bis in die Nabellinie hinabreicht; ihre grösste Länge
betrug 9". Der Kreislauf und auch die Lungen
zeigen keine Störung. Urin reichlich, sp. Gew.
1,008, sauer reagirend, ohne Eiweiss oder Phos¬
phate. Pat. schläft gut; seine Stimmung ist nicht
gedrückt. Nimmt er grosse Dosen Chinin, so wird
er schwerhörig. Der Appetit ist gut, die Zunge
rein, der Stuhlgang regelmässig und von normaler
Beschaffenheit.
Krankheitsverlauf und Behandlung.
Vom 4.—20. August stand Pat. unter Obhut
von Dr. Blackley. Zunächst bekam er Oenanthe
crocata 1., 3st. 1 Tropfen, und ward auf die
1. Form in der Diät gesetzt. Dies Verfahren
dauerte bis zum 7. August, worauf bis zum 11. j
Sacch. lactis folgt. Die Temperaturcurve zeigt j
einen unregelmässigen Gang des Fiebers, da aber 1
damals die Temperatur nur Morgens und Abends !
aufgenommen wurde, so mögen manche besondere
Unregelmässigkeiten der Beobachtung entgangen |
sein.
Am 10. August zeigte eine neue Blutunter¬
suchung 30 °/ 0 an Haemoglobin vom normalen.
Arsen, album 3. Dec. 5 Tropfen 3 Mal täg¬
lich, und am 12. Liquor arsenicalis 1 Tropfen
3 Mal täglich.
Am 17. ward das Blut wieder untersucht; es
ergab an Haemoglobin 50 °/o vom normalen,
rothe Blutkörperchen 1700000 auf 1 Cubik-Milli-
meter. Rep. Liquor arsenicalis gtt. 2. 3 Mal
täglich.
20. August ist angemerkt: Heftiger Fieberfrost
gestern um den Mittag, T. stieg bis auf 103 0 F.
(ca. 39,5° C.\ Er fühlte sich heute früh sehr
deprimirt und hinfällig; etwas Kopfweh. Wie die
Fiebertabelle zeigt, hatte sich die T. mehrere Abende
nacheinander auf 103 0 F. gehoben; in der Nacht
vom 22. auf 104 0 F.
Am 22. August zeigte sich bei der während
des Hitzestadiums vorgenommenen Blutanalyse das
Plasmodium in einer Anzahl rother Blutkörperchen.
Ceanothus american. 1. gtt. 3 Mal täglich wurde
von Dr. Minster verordnet.
Am 24. sah Dr. Goldsbrough den Patienten
zum ersten Mal. Der Mann fühlte sich sehr krank,
täglich Fieberanfälle: der Kopfschmerz hatte zu¬
genommen, die Hinfälligkeit war gross. Ceanothus
wurde fortgesetzt; ausserdem wurde Chin. sulph.
Vs ® r * gegeben, sobald ein neuer Frostschauer be¬
gann , und J /a stündlich bis zum Einsetzen des
Schweisses fortgesetzt werden.
Wie die Fiebermessungen um 4 Uhr ergaben,
erwies sich diese Behandlung sehr wirksam; denn
nur ein Mal stieg seitdem die T. auf 103° F. und
nur einmal auf 101,8° F.
Vom 7.—10. September schien es, als ob das
Chinin seine Kraft eingehüsst habe, und da Pat.
von Anfang an grosse Dosen dieses Mittels ge¬
nommen, so ward dasselbe ausgesetzt. Nun wurde
Ceanothus allein genommen und zwar in der
1. Dec. Dil. 3stündlich 5 Tropfen am 10. September,
in der Urtinctur zu je 3 Tropfen 3 Mal täglich
am 14. September und zu je 5 Tropfen am 28. Sep¬
tember. Vom 10. September an überschritt die
T. 100,8° F. nur 2 oder 3 Mal, und vom 18. Sep¬
tember erhob sie sich nicht mehr auf 100 0 F.,
ausgenommen den 25., wo sie in vier Stunden auf
100,4° F. stand. Am 29. September verliess der
Mann das Hospital. Die Milz, am 14. gemessen,
hatte in ihrer grössten Länge jetzt 8". — Er zeigte
sich nach 14 Tagen wieder in der Poliklinik; sein
Zustand war derselbe. Er fühlte sich sehr wohl,
wie er sagte, aber seine T. stieg gelegentlich noch
auf 100° F. oder etwas darüber.
Verf. fügt folgende Schlussbemerkung hinzu:
Es ist zu hoffen, dass dieser Fall unter fortgesetzter
Beobachtung bleibt und dessen weiterer Verlauf
nebst Untersuchung des chronischen Malaria-Siech-
thums, an dem Pat. offenbar leidet, zum Bericht
Digitized by c^ooQie
179
kommt. Inzwischen ist es von Interesse, die Wir¬
kung der dem Pat. im Hospital verordneten Mittel
zu constatiren. Es mochte erwartet werden, dass,
wenn die Fieberanfälle nachliessen, eine fortgesetzte
Arsenikanwendung den constitutioneilen Zustand des
Kranken erheblich verbessert haben würde. In¬
dessen, so lange die Paroxysmen auftreten, ist
Chinin unzweifelhaft ein hier homöopathisch an¬
gezeigtes Mittel, und hätte der Kranke nicht
in frühem Anfällen von diesem Mittel unge
bührlich starke Dosen gewohnheitsgemäss ge¬
nommen, so würde es in diesem Falle sich sicher
heilkräftiger gezeigt haben.
Unsere Kenntniss von Ceanothus als homöo¬
pathisches Mittel ist noch ganz unreif; abgesehen
davon, dass es mit der Milz in Beziehung steht,
sind uns seine Wirkungen auf den gesunden Orga¬
nismus unbekannt.
Die hier angewandten Dosen mögen gross er¬
scheinen, aber es waren solche, wie man sie ur¬
sprünglich bei Milzvergrösserung in Gebrauch ge¬
zogen hat.
2. Fall. Chronische Diarrhöe mit Symptomen,
welche eine Tuberkulose vortäuschte — Arsen —
Calcarea — Heilung.
Ein 20j. Dienstmädchen, mager, von mittlerer
Grösse, ward am 7. Juli 1896 aufgenommen. —
Pat. ist niemals kräftig gewesen; drei Monate alt
hatte sie einen Abscess in der Leistengegend und
von ihrem dritten Jahr bis etwa vor einem Jahr
hat sie immer an Absonderungen aus Ohren und
Augen gelitten. Vor 4 Jahren bestand sie die
Influenza, worauf ein rheumatisches Gliederweh von
elfwöchentlicher Dauer folgte. Auch in den darauf¬
folgenden beiden Jahren ward sie von der Influenza
befallen.
Vor drei Jahren war die Regel, soweit immer
normal, infolge Erkältung bei ihr ausgeblieben. —
Ferner hat sie häufig an „schwärenden“ Fingern
gelitten. Vor einem Jahre war sie wegen Ab¬
zehrung und Diarrhöe in einem Krankenhause ge¬
wesen, das sie aber nach neun Wochen an Gewicht
leichter als bei ihrem Eintritt verliess. Seitdem
war es mit ihr stetig bergab gegangen, da sie be¬
ständig an wässerigen, sehr stinkenden, schwächen¬
den Diarrhöen litt. Vergangene Woche kam noch
Erbrechen hinzu. — Die Diarrhöe war durch
strenge Milchdiät einigermassen auf eine Zeit lang
eingeschränkt worden.
Status praesens bei der Aufnahme .
Appetit sehr gering, auf alles Mögliche. Immer
Durst. Zähne sehr defect, Athem übelriechend;
das Zahnfleisch schwammig. Zunge roth, glasirt
und ziemlich gefurcht. — Mund wund. Geschmack
und Geruch sehr herabgesetzt. Nach jeder Mahl¬
zeit schwer und aufgetrieben mit saurem Auf-
stossen. Gasrumpeln im Leibe* Kneipende Schmerzen
in der Regio hypogastrica bei Bewegung und beim
Husten. Bisweilen windet sie sich vor Schmerz,
der durch Druck und heisse Flanellumschläge ge¬
mildert wird. Der Unterleib ist über dem unteren
Theil, besonders auf der linken Seite, druckempfind¬
lich, tympanitisch, aber nicht ausgedehnt. Mehrere
Stühle in 24 Stunden, besonders häufig zur Nacht¬
zeit eintretend; sie sind blassgelb, wässerig, stin¬
kend, brennend heiss, begleitet von Tenesmus;
nach der Entleerung besser. Herzklopfen und Dys¬
pnoe bei Bewegung. Sie wird zuweilen ohnmächtig;
liegt unbehaglich, flach, im Bette. Puls schnell,
regelmässig, von niedriger Spannung und geringem
Umfange. Herztöne normal. Trockner, erschüttern¬
der Husten. Brust sehr abgemagert. Herabgesetzte
Athembewegung. Percussion zeigt R. 0. und unter
dem Schlüsselbein und der Intrascapular-Gegend
etwas Dämpfung. Die Exspiration ist verlängert
und fast bronchial. Bronchophonie. Keine feuchten
Geräusche. — Das Uriniren macht Brennen. Urin
oft dunkel, sp. Gew. 1028, sauer reagirend, mit
einer Spur von Phosphaten, Die Haut am Stamm
trocken und rauh. Zeichen von Panaritien an den
Fingern beider Hände. Nachts schwitzt sie etwas.
Schlaf unruhig und wenig in der ersten Hälfte der
Nacht. — Kopfweh beim Lesen. Schwindel beim
Aufstehen und Husten. Fernsehen kann sie nicht.
Gehörvermögen mangelhaft; zeitweise Ohrenfluss.
Der rechte Meatus ist mit Ohrenschmalz verstopft;
der linke enthält eine braune stinkende Masse, die
Wandungen sind weich, mit Granulationen bedeckt.
Pat. ist sehr nervös und deprimirt. In den kleinen
Gelenken hat sie bisweilen Schmerz.
Verlauf und Behandlung.
Zuerst richtete man seine Aufmerksamkeit auf
den Zustand der Ohren und des Mundes; diese
wurden gereinigt und möglichst asepticirt. — Einige
Zähne wurden entfernt. — Verordnet wurde Arsen
3. Dec. und bis zum 2. August fortgesetzt. Die
Diät bestand zunächst in Milch mit Kalkwasser;
dann wurden mehlige Stoffe, Saft von rohem
Fleisch, Reispudding, Brot mit Butter, sowie Cacao
verabreicht. Dies besserte den allgemeinen Zu¬
stand der Pat., hatte aber auf die Darmfunction
wenig Einfluss. So heisst es z. B. am 21. Juli:
„Um 1 oder 2 Uhr Nachts sehr reichliche und
stinkende Entleerungen; diese bestehen in einer
beträchtlichen Menge dunkelbrauner Flüssigkeit
mit etwas braunem Schaum darauf und enthalten
unverdautes Milchgerinnsel, sowie etwas flüssigen
fäculenten Stoff.“ Der Schmerz wie oben geschildert.
: Dieser Zustand dauerte bis zum 15. August, wo
die Diarrhöe, nach einem Gang in die frische Luft,
noch zunahm. Seit dem 3. August war Ignatia
1. Dec. mit Ars. alb. 3. Dec. im Wechsel gegeben
23*
Digitized by ^»ooQle
180
worden. Am 18. August erhielt sie Colocynthis
l.Dec. Am 19. zeigten sich 4 Stühle in 24 Stunden,
ebenso am 21. — Am 24. sah Verf. diesen Fall
zum ersten Mal, und nach einer Musterung des ge-
sammten Symptombildes musste er Arsen innerlich
als angezeigt halten; doch entschied er sich, da
das Mittel in der niederen Potenz fehlgeschlagen,
für eine höhere. Er gab also Arsen 12. 3 Mal
täglich 1 Tropfen vor dem Essen. Am 26. August
heisst es im Krankenjournal: Nur 1 Stuhl in
24 Stunden, dunkler. Pat. fühlt sich durchweg
besser. Ars. ausgesetzt, bis etwa die Entleerungen
sich wieder häufen sollten.
81. Aug. Die beiden letzten Tage drei Stühle,
dünnflüssig. Ars. repet. am 30. Heute nur ein
Stuhl.
I. Sept. Zwei dünne Entleerungen in 24 St.,
blass.
3. Sept. Ein reichlicher stinkender Stuhl und
zwei kleine in 24 St.
7. Sept. Zwei lockere Stühle in 24 St.; sie
sind jetzt von einem gelben, halbfesten, pulver¬
förmigen Material. Die Leibschmerzen sind weit
geringer. Pat. hatte jedes Mal, wenn der Stuhl
wieder lockerer ward, von Ars. alb. 12. genommen,
und es war durchweg besser mit ihr.
Dieser Fall zeigt das tuberkulöse Gepräge so
ausgesprochen, dass Verf., obwohl die fortschreitende
Besserung des Zustandes jetzt unverkennbar war,
späterhin, am 7. September, von Calcarea carbo-
nica 80. 2 Mal täglich 3 Tropfen gab — und
Butterbrot mit dazwischen gelegten feinen Schichten
rohen Fleisches (Sandwiches) zur Kost hinzufügte. —
Das Journal weist danach folgende beachtenswerthe
Veränderungen auf.
8. Sept. Gestern ein kleiner, lockerer Stuhl.
10. Sept. Seitdem keine Entleerung.
II. Sept. Ein Mal Stuhl in der Nacht und
zwar geformt.
12. Sept. Dito. Stuhl geformt, blass, gelb,
wie Glaserkitt. Pat. ist hungrig, wünscht mehr
Nahrung.
17. Sept. Keine Diarrhöe; Stuhl immer ge¬
formt. Täglich Seezunge und jene Fleisch-Brot-
schnittchen. — Haselhuhn gestattet; dies macht
aber etwas Schmerz. Pat. hat seit der letzten
Wägung um 4 Pfd. zugenommen.
20. Sept. Sie wird als geheilt entlassen.
Als sie sich im October wieder vorstellte, hatte
sie dermassen an Fleisch angesetzt, dass sie Verf.
erst gar nicht wieder erkannte. — Sie ist völlig
gesund nach ihrer Angabe. —
3. Fall. Erschöpfung von Ueberanstrengung —
Gastrische Neurose — Vorgetäuschte Geschwulst
im Unterleibe — Bettruhe — Lycopodium — Gen¬
tiana lutea — Chamomilla — Hergestellt.
Mary A. G., 56 Jahr alt, in einem grossen
Haushalt beschäftigt, wurde am 7. September 1896
in Quin Ward aufgenommen.
Krankheitsgeschichte: Vor fünf Monaten bekam
sie heftige Schmerzen, die unter den Armen an¬
fingen, das Epigastrium befielen und sich um den
Rücken herum erstreckten. Sie hatte die Empfin¬
dung von etwas Heissem den Rücken herab. Sie
hatte in 14 Monaten einen Stein (14 Pfd. Ref.) an
Körpergewicht verloren, war magerer und schwächer
geworden. Wegen jenen Schmerzen hat sie sich
in den letzten 2 oder 3 Monaten oftmals mitten
in der Arbeit niederlegen müssen. Häufig Auf-
stossen beim Schmerz. Verschiedene Male hat sie
auch — ohne jeden Schmerz — hellrothes Blut
ausgehustet, worauf am nächsten Tage die Brust
im obern Theile web that. Dabei bestand gewöhn¬
lich Weichleibigkeit, zumal am Morgen; diß Ent¬
leerungen waren halbfest, von normaler Farbe. Sie
ist die Jüngste unter ihren Geschwistern. — Die
Menstruation hat bereits seit 12 Jahren aufge-
hört. — Bis vor 11 Jahren war sie gesund ge¬
wesen; damals soll sie ein „Lebergeschwür“ ge¬
habt haben und hat Blut gehustet. Fünf Jahre
zuvor bekam sie die Influenza, wonach sie die
Augenlider nur mit Mühe erheben konnte. In
ihrer Lebensweise ist sie immer regelmässig und
mässig gewesen. Es war für sie in einem gut-
situirten Hause gut gesorgt worden, aber sie batte
schwer zu arbeiten. Ihre Familiengeschichte ist
günstig, abgesehen davon, dass eine ihrer Schwestern
in einem Asyl sich befindet und eine andere,
27 Jahre alt, an Schwindsucht gestorben ist.
Status praesens 3 Tage nach der Aufnahme.
In Dr. Epp’s Privatklinik, von wo sie in’s
Spital geschickt worden war, hatte sie eine Woche
vorher Arsen, jodat. 4. Dec. und Millefolium 1. Dec.
im Wechsel erhalten, was auch nach der Aufnahme
weiter gegeben worden ist. —
Pat. sieht mager und elend aus, leidet an Kopf¬
weh, HitzanWandlungen und oft an „abgestorbenen“
Fingern. Beim Versuch zu arbeiten, überkommt
sie ein Anfall von Zittern. Sie ist sehr herabge¬
stimmt und schwach; verliert bei längerem Sprechen
die Stimme. Die Haut ist trocken und blass; Nachts
Schweiss. Die Zunge ist rein, der Appetit dürftig;
das Essen bringt gewöhnlich, nach einer Stunde,
Schmerz um den Nabel mit der Empfindung, als
sei daselbst Wind und ein harter Körper. Auf-
stossen mit dem Geschmack des Genossenen oder
faulig. Zeitweise Würgen und Uebelkeit, wenn
der Schmerz heftig auftritt.
Der Zustand des Unterleibes charakterisirt den
Fall ganz besonders. Der Bauch ist ahgemagert
und etwas eingezogeu. Eine vorzugsweise druck¬
empfindliche Zone befindet sich dicht um oder über
Digitized by k^ooQie
181
dem Nabel; schon bei der geringsten Berührung |
daselbst weicht Pat. zurück. Die Untersuchung !
wurde so angestellt, dass zur Simulation keine Ge¬
legenheit gegeben war. Bei leichter Palpation j
fühlt man in dieser Gegend einen festen Körper, [
wie etwa eine Billardkugel; er scheint an die Leber
zu grenzen, und lässt sich unten besser als oben
umschreiben. Es lässt sich an ihm deutliche Pul¬
sation und bei der Auscultation ein bestimmtes Ge¬
räusch constatiren. Man konnte somit leicht zu
Diagnose eines Aorten-Aneurysma verleitet werden.
Durch die Bauchwand war die peristaltische Be¬
wegung zu sehen; das Colon descendens scheint mit ,
Faeces gefüllt. Seit der Aufnahme kein Stuhlgang.
Urin der Menge nach normal; sp. Gew. 1010; er ;
enthielt Phosphate, kein Eiweiss. — Pat. ist kurz-
athmigund hat etwas beschwerlichen, trocknen Husten.
Kein abnormes physikalisches Zeichen in der Brust.
Herzklopfen bei der geringsten Kraftanstrengung.—
Herztöne normal. P. 90, regelmässig, an Umfang
und Spannung gut.
Bei einer sorgfältigen Untersuchung der Kran¬
ken, fühlte sich Verf. überzeugt, dass er es hier
mit keinem Fall von Aorten-Aneurysma zu thun |
habe, sondern mit einem Zustande allgemeiner ner¬
vöser Herabstimmung, welche die gastrische Gegend i
und noch mehr den Plexus solaris afficirt und auch |
eine Parese des Colon herbeigeführt habe. Jener
Körper, den man dort fühlt, war nichts anderes, als
ein Theil des so ausgedehnten und mit Fäcal- j
stoffen gefüllten Colon. Die der ganzen Krank- '
heit zu Grunde liegende Ursache, die Ueberan i
strengung durch schwere Arbeit, machte ihren
Einfluss auf die anderen Organe geltend, und
ist derselben auch die Haemoptysis, ohne eine Er¬
krankung der Lunge, zuzuschreiben. Für diese
Diagnose sprach deutlich der hochgradige neuro¬
tische Zustand der Patientin.
Sollte diese Ansicht richtig sein, so musste Bett¬
ruhe für die Kranke sehr erspriesslich sein. Für
damals erschien Lycopodium am Ersten angezeigt. !
Dies wurde ihr in der 12. Dil. gegeben. Für
Oeffnung wurde durch ein Lavement gesorgt.
14. Sept Sie fühlt sich besser; Bauch weniger
empfindlich; weniger ’ Gasanhäufung. Oeffnung er¬
folgt nur auf Lavement. Die umschriebene Zone
von Schmerz und Druckempfindlichkeit, wie oben
geschildert. Pat. fühlt daselbst ein Klopfen, was
offenbar von der Pulsation der Aorta herrührte,
und bezeichnet es als sehr empfindlich.
Dieses Symptom erschien Verf. so charakte¬
ristisch, dass er nach einem Mittel suchte, bei dem j
nebst der Totalität der anderen Erscheinungen
dieses Symptom besonders ausgesprochen war. Er ,
fand zwei Mittel: Gentiana lutea und Oleander, die
er vorher nie gebraucht hatte. Unter Gentiana !
haben wir, in Allen’s Encyclopaedie, das Symptom
von Empfindlichkeit in der Nabelgegend bei Be¬
rührung genau angegeben, und zwar von zuver¬
lässigen Prüfern. Auch die übrigen Verhältnisse
des Abdomen bei diesem Mittel schienen mit denen
des vorliegenden Falles hübsch übereinzustimmen.
Eingedenk obenein, wie die alte Schule Gentiana
als tonisirendes Mittel gebraucht, entschloss er sich
zu einem Versuch mit diesem Mittel. Die Wirkung
war schnell und bestimmt, wie sich aus folgenden
Aufzeichnungen ergiebt.
Am 19. Sept. war Gentiana lutea 1. Dec. zu
2 Tropfen 3stündlich verordnet worden. Am 21.
sagt das Journal: „Der klopfende Schmerz hörte
eine Stunde nach dem Einnehmen des Mittels auf,
und hat sie ihn seitdem nicht mehr empfunden.“
Auch war die äusserliche Empfindlichkeit weit ge¬
ringer. Seit 3 Tagen arbeiteten die Därme von
selbst. — Am 26. Sept. heisst es: ,,Die Besserung
hielt an. Rep. Sie konnte gewöhnlichen Druck
auf der früher schmerzhaften Stelle jetzt gut er¬
tragen.“ — Am 28. Sept. war sie durch eine un¬
ruhige Stubengenossin sehr gestört worden, so dass
sie niedergeschlagen und reizbar ist. — Chamo-
milla 6. Sie blieb bis zum 8. October im Kranken¬
hause; Besserung war auf der ganzen Linie ein¬
getreten.
Später hat sie bei einem Besuch berichtet:
Der Bauchschmerz ist völlig vergangen; sie kann
gut essen und nimmt an Fleisch zu. Der Darm¬
kanal arbeitet regelmässig. Hinzuzufügen ist noch,
dass während ihres Aufenthalts im Krankenhause
Pat. Diät ,,erster Klasse“ bekommen hat. (The
monthly homoeopathic Review. 1. December 1896.)
Dr. M088&.
Die bevorstehende ärztliche Standesordnung
und die Stellung der homöopathischen Aerzte
zu derselben.
Vortrag von Dr. Weiss-Gmünd,
(Schluss.)
Damit soll nicht gesagt sein, dass wir alles
blindlings und unbesehen acceptiren. Ich möchte
nämlich die Herren Collegen auf den berüchtigten
§ 11 des Entwurfes aufmerksam machen, welcher
uns homöopathischen Aerzten bei missverständlicher
Auslegung sehr unbequem werden könnte. Der
Zusatzantrag Lieh , politische, religiöse und tech¬
nische Fragen können kein Gegenstand der Ver¬
folgung sein, erscheint mir doch nicht so ganz
überflüssig, und in dankenswerther Weise hat auf
Antrag des Ortsvereins Gmünd der Bezirksverein
Aalen den Zusatzantrag Lieb in der Fassung durch
Digitized by ^»ooQle
182
den Referenten wieder hergestellt, dass medicinisch
technische Fragen nicht zum Gegenstand der Ver¬
folgung gemacht werden dürfen.
Wir dürfen dem verehrten Herrn Voi'ritzen -
den unseres Vereins, der jüngst eine so scharfe
Lanze mit einem wissenschaftlichen Gegner der
Homöopathie gebrochen hat, mit vollem Recht Zu¬
trauen, dass er an massgebender Stelle eine der¬
artige Redaction des § 11 befürworten wird, die
eine missbräuchliche Anwendung desselben auf die
Homöopathie und ihre ärztlichen Vertreter absolut
ausschliesst. Haben wir uns betreffs der Vereins¬
gesetzgebung auf denselben Standpunkt gestellt,
wie unsere übrigen württembergischen Collegen,
so treten bei der Beurtheilung der bevorstehenden
StAndesordnung für den homöopathischen Arzt er¬
hebliche Bedenken in den Vordergrund. Nach § 6
sollte u. A. jeder Bezirksverein durch Satzungen
die Rechte und Pflichten der Mitglieder und eine
Standes- und Ehrengerichts-Ordnung festsetzen.
Mit Recht wurde schon in der Ausschusssitzung
des Landesvereins hierzu bemerkt, dass solche Ord¬
nungen besser für den ganzen Landesverein er¬
lassen werden und auch in verschiedenen Bezirks¬
vereinen, im Interesse einer einheitlichen Fassung,
der Entwurf einer Standes- und Ehrengerichts¬
ordnung als Sache des Landesausschusses erklärt.
Wir werden wohl mit der Annahme nicht fehl¬
gehen, dass ein solcher Entwurf, wenn er an die
Bezirksvereine hinausgeht, wie schon dies Vereins¬
gesetz sich eng an diejenigen Ordnungen an-
schliessen wird, die schon in anderen deutschen
Bundesstaaten bestehen, insbesondere in Sachsen,
wo sie bereits Gesetz geworden. Der Wichtigkeit
dieses Punkts halber kann ich die Herren Collegen
mit der wörtlichen Verlesung der sächsischen Standes¬
ordnung nicht verschonen. (Es folgt die Verlesung
der sächsischen Standesordnung.)
Meine Herren! Das Alles wird in dem künf¬
tigen Entwurf einer Standesordnung für die württem¬
bergischen Aerzte wörtlich oder dem Sinne nach
enthalten sein. Darüber darf keinen Augenblick
ein Zweifel bestehen bleiben, dass auch von dem
homöopathischen Arzt diejenigen Paragraphen,
welche persönliche Reclame, unlautern Wettbewerb
und malhonettes Benehmen überhaupt mit Strafe
bedrohen, ohne Weiteres wie von jedem verstän¬
digen Arzt angenommen werden müssen. Ganz
anders aber müssen wir uns zu denjenigen Ab¬
schnitten der verlesenen Standesordnung verhalten,
welche geeignet sind, mehr oder weniger jede Agi¬
tation für unsere therapeutische Methode zu ver-
pönen, weil sie der Eigenart derselben keine Rech¬
nung tragen. Ich rechne darunter insbesondere
§ 6, betr. ausschliesslich briefliche Behandlung (Bei¬
spiel von Vollbeding) gewerbsmässig. Dann § 7,
| betr. Krankenbehandlung und Vertretung durch
| Nichtärzte. Während andererseits auch wir darauf
| beharren müssen nach § 9, dass für jeden Arzt
die Consultationspflicht mit einem andern gesetz-
| lieh festgelegt wird. Dass auch der homöopathische
i Arzt ohne jede persönliche Reclame ganz gut aus-
kommen kann, beweist eine grosse Anzahl württem-
bergischer homöopathischer Aerzte aus alter und
I neuer Zeit, welche sich nicht bloss einer grossen
, Praxis und des Vertrauens ihrer Patienten erfreuen,
sondern auch in ärztlichen Vereinen und öffent-
j liehen Aemtern eine ehrenvolle Stelle einnehmen.
Meine Herren! Da Se. Excellenz der Herr
j Kultusminister die wissenschaftliche Begründung der
| homöopathischen Heilmethode als hinlänglich er-
| bracht erachtet, sie an der Universität ungehindert
| lehren und ausüben lässt, müssen wir nach dem
Grundsatz handeln: si nequeo superos, Acheronta
| movebo. Wir rufen die Laien nicht zu Schieds¬
richtern für eine innere Streitfrage der wissenschaft-
I liehen Medicin auf, aber wir können solange nicht
aufhören, uns in populären Schriften an die Laien-
| weit zu wenden, als uns die Fachblätter grössten-
1 theils verschlossen sind und solange die meisten
I politischen Zeitungen, ja sogar die Monatsschriften
I und illustrirten Zeitungen der herrschenden Schule
freiwillige Handlangerdienste leisteten, sind wir ge-
| nöthigt, durch Wort und Schrift in allen uns zu-
] gänglichen Kreisen für die von uns erkannte Wahr-
1 heit Propaganda zu machen. Dafür aber, dass der
! Eigenart der homöopathischen Heilmethode, welche
( sich zu einer Volksmethode im Lauf der v Jahre
entwickelt und für arztarme Districte geradezu zu
einer volkswirthschaftlichen Nothwendigkeit gestaltet
hat, vom Gesetzgeber künftighin schon in der zu
erlassenden Standesordnung hinlänglich Rechnung
getragen wird, dafür stehen uns meines Erachtens
i mehrere gangbare Wege offen. Ich beantrage, der
| Verein der homöopathischen Aerzte Württembergs
wolle beschliessen:
1. Es wird von jedem Mitglied desselben dringend
gewünscht, seinen Eintritt in den zuständigen Be-
I zirksverein zu erklären und in demselben bei Be-
i sprechung des vom Landesausschuss demselben vor-
j zulegenden Entwurfs einer Standesordnung den
i Standpunkt der homöopathischen Aerzte in der an-
| gegeben Richtung zu vertreten, und gegen Be-
j Schlüsse, welche die Actionsfreiheit der homöo¬
pathischen Heilmethode beeinträchtigen könnten,
formellen Protest zu erheben.
i 2. Der Verein der homöopathischen Aerzte
Württembergs wolle den Vorsitzenden des Vereins,
Herrn Obermedicinalrath Dr. v. Sick, ersuchen, er
möge eine im Sinne obiger Ausführungen gehaltene
( Erklärung bei der Begutachtung des Entwurf» zu
Digitized by ^»ooQle
183
einer Standesordnung der württembergischen Aerzte
im königlichen Medicinalcollegium abgeben.
3. Es sollen diese Resolutionen des Vereins in
Gestalt eines ausführlicheren Memorandums vor der
Einbringung des Gesetzentwurfs durch das könig¬
liche Ministerium an die Kammern der betr. Com¬
mission resp. jedem Präsidenten derselben über¬
reicht werden.
Meine Herren, wir sind an einen Wendepunkt
der Homöopathie in unserem engeren Vaterland
und dem ganzen Deutschen Reich angekommen.
Möge der von mir beantragte Verzicht der homöo¬
pathischen Aerzte auf alle Sonderinteressen den
übrigen ärztlichen Collegen beweisen, dass wir ho¬
möopathischen Aerzte uns als Kinder einer Mutter,
unserer medicinischen Wissenschaft, fühlen, und
dass wir uns mit allen Berufsgenossen auf socialem
Gebiete solidarisch erklären. — Möge dann aber
auch von der anderen Seite der Widerstand gegen¬
über unserer Heilmethode sich auf das Gebiet be¬
schränken, dem der ganze Streit angehört, nämlich
die wissenschaftliche und vorurtheilsfreie Kritik
und unserer Methode die Bahn frei werden; wir
sind Alle davon überzeugt, dass unsere Heilmethode
diese Prüfung mit Glanz bestehen wird zum Wohl
der Menschheit und zur Ehre der Heilwissenschaft!
L’Omiopatia in Italia.
36. Heft. 1899.
Mittheilungen aus dem kleinen homöopath. Hospital
von Dr. B. Rabajoli.
1. Ein 15 jähriges Mädchen hatte von Kindheit
an an verschiedenen skrophulösen Affectionen, wie
Crusta lactea, Geschwulst der Halsdrüsen etc., ge¬
litten. Seit 5 Jahren besteht ein bis heute fort¬
dauerndes Augenleiden. Das linke Auge zeigt die
Residuen einer vorgeschrittenen Keratitis und eine
leichte Entzündung der Bindehaut. Das rechte
Auge zeigt eine parenchymatöse Keratitis in voller
Entwicklung, wozu sich plötzlich ein Geschwür der
Hornhaut, das ein Staphylom zu bilden neigt, ge¬
treten ist.
Kal. chloratum und einige Dosen Kali bichrom.
während der Zeit, wo sich das Geschwür zu ent¬
wickeln begann, gegeben, brachten in einigen Tagen
eine völlige Heilung mit Zurücklassung eines
weissen Fleckes.
2. Ein 15 jähriges Mädchen mit Diabetes mellitus.
Weder in der Familien- noch in der Lebens¬
geschichte der Kranken Hess sich ein Grund für
eine so frühzeitige Entwicklung dieses Uebels,
dessen erste Symptome vor etwa 4 Jahren sich
zeigten, ausfindig machen.
Die Menge des täglich entleerten Urins betrug
während der Beobachtungszeit im Durchschnitt fünf
Liter und die des Zuckers, nach Fehling’s Methode
gemessen, ergab als Tagesmittel 100 Gramm.
Zuerst wurde Uranum nitricum gegeben und
eine mässig beschränkte, nicht ausschliessliche
Fleischdiät angeordnet. Hierbei kam die Zucker¬
ausscheidung auf einen Grad, der Gutes verhiess;
ebenso mässigte sich der intensive Durst und die
Kräfte nahmen zu.
Aber nach einigen Tagen begann die Kranke,
um eine ihrem Gaumen mehr zusagende Kost
zu erlangen, alle Künste anzuwenden, um den
Arzt über die Quantität des entleerten Urins zu
täuschen; sie verdünnte letzteren mit Wasser,
um auch über den Zuckergehalt desselben zu
täuschen. Kurz, alle seitdem gemachten Harn¬
analysen waren falsch und die Patientin verlor, um
einem kindischen Wunsche zu genügen, eine kost¬
bare Zeit, und ging aus dem Spital, war im All¬
gemeinen besser, aber ohne nennenswerthe Verände¬
rung in Bezüg auf Quantität und Qualität des Urins.
3. Eine 37 jährige Frau kam mit den Sym¬
ptomen einer linksseitigen Ischias und hartnäckiger
Verstopfung ins Spital. Es wurden mehrere Mittel,
:.ber immer mit ungenügendem Erfolge gegeben.
Da zeigt es sich bei näherer Untersuchung, dass
es sich um eine mechanische Ursache, um eine Retro-
versio Uteri und starke Adhaerenzen des Uterus in
der Fossa iliaca sinistra handelte. Da Pat. sich
aber einer Operation nicht unterziehen wollte, wurde
sie entlassen.
Wir haben diese beiden mit einem Misserfolg
endenden Fälle hier wiedergegeben, um zu zeigen,
wie man nicht alle in einem homöopathischen Spital
vorkommenden Misserfolge der Ungeschicklichkeit
der homöopathischen Aerzte zuschreiben darf.
4. Ein 80 jähriger Mann litt schon verschiedene
Male an Ophthalmie und insbesondere an einer
granulösen Conjunctivitis. Er kam aus einem an¬
deren Krankenhause, das er verlassen hatte, weil
er sich nicht länger einer örtlichen, höchst schmerz¬
haften Behandlung, die den Zustand seiner Augen
immer mehr verschlimmerte, unterziehen wollte.
Das rechte Auge zeigte eine leichte Injection
der Bindehaut. Am linken ist die Bindehaut des
unteren Lides erheblich hypertrophisch und ge-
röthet. Die Conjunctiva tarsalis zeigt sich auf¬
fallend granulös und tracheomatös. Die Cornea
hat auch an dem entzündlichen Processe theil-
genomraen und hat sich ein kleines Geschwür auf
derselben gebildet.
Jequirity, Kali bichrom., Jod. flav., Hydr.
bichlor., und als Beihilfe Warm-Wasser-Umschläge
auf die Augen, brachten bald den fast hoffnungs¬
losen Zustand zu entschiedener Besserung.
Digitized by
Google
184
5. Ein 19jähriges Mädchen, von »Seiten der
Eltern nicht belastet, bekam vor zwei Monaten in
Folge plötzlicher Schweissunterdriickung Arthritis
im rechten Handgelenk; in wenigen Tagen schwoll
die Hand unter so heftigen Schmerzen an, dass sie
nicht einmal den Druck des Betttuches ertragen
konnte. Einen Monat lang war salicylsaures Natron
fast täglich, aber mit negativem Erfolge gebraucht
worden.
Sie erhielt Kali hydrojodicum und genas voll¬
ständig.
6. Eine 45jährige Frau bekam Ende vorigen
Jahres ein Ekzem am ganzen Kopfe, das sich in
einigen Tagen über Augen, Ohren, ja das ganze
Gesicht ausbreitete. In einem städtischen Hospitale
wurden nur örtliche Mittel angewandt, und in zehn
Tagen war der Hautausschlag beseitigt. — Einen
besseren Erfolg hätte sie sich nicht wünschen
können, aber die Kranke war doch nicht zufrieden,
denn in dem Maasse, wie das Ekzem schwand,
stellte sich bei ihr eine Art innerer Unruhe, häu¬
fige Aufregungen und schliesslich Wahnbilder und
Delirien ein, so dass sie in eine Irrenanstalt zu
gehen genöthigt war, wo sie einen Monat verblieb.
Nachdem sie diese etwa 14 Tage verlassen, er¬
schien das Ekzem aufs Neue, welches schnell wie¬
der das ganze Gesicht (sie konnte die Augen nicht
öffnen), die Ohren, den Hals und einen Theil der
Kopfhaut einnahm; es bildete sich eine dicke
Kruste, unter der eine fortwährende Secretion statt- I
fand, die der Pat. ein unerträgliches Beissen und
Jucken verursachte. In diesem Zustande suchte
sie Hilfe im homöopathischen Hospital. Aeusser-
liche Mittel wurden nicht gebraucht; innerlich be¬
kam sie Rhus radicans, Hepar sulph. und Clematis.
Innerhalb 25 Tagen war das Ekzem völlig ver¬
schwunden, doch blieb sie noch 14 Tage in der
Anstalt, bis das zurückgebliebene Hautjucken völlig
geheilt war. Während der 40tägigen Kur hatte
sie an 5 Kilogramm an Körpergewicht zugenommen.
Klinische Bemerkungen von Dr. Bonino.
Heüeboruts niger .
Ein 59jähriger Bauersmann, nie erheblich krank
gewesen. Ein Bruder von ihm ist kurze Zeit irre
gewesen. — Seit etwa einem Monate hatte sich
bei dem Pat. in Folge von Geschäftssorgen eine
Art von Psychopathie mit dem Gefühl von Trunken¬
heit, Taumeln, Schwierigkeit sich auf den Beinen zu
halten, Gleichgültigkeit gegen Alles, entwickelt;
Fragen verstand er schwer und beantwortete sie,
wenn er sich dazu aufraffen konnte, langsam; er
fühlte kein Verlangen zu essen oder zu trinken !
oder seine Nothdurft zu verrichten. Er litt an Ver¬
stopfung; er ist schlaf los und sitzt still mit leerem
Blicke da; ist abgemagert. jJyoscyamus brachte
etwas Schlaf, aber Helleborus niger war es Vor¬
behalten, in einigen Tagen den Mann von seinen
schweren Leiden zu befreien und ihn seiner Familie,
die schon das Schlimmste gefürchtet hatte, wieder¬
zugeben. Das Mittel wurde in der 3. und 6. Dilu¬
tion, 2 — 3 Dosen täglich, gegeben und bewirkte
eine stetig zunehmende Klärung des psychopathischen
Zustandes, bis dieser endlich völlig gehoben war.
Secale cornutum.
Hier haben wir es nicht mit einem Fall zu
thun, der so geartet war, dass er mit einem ein¬
zigen Mittel geheilt werden konnte, aber er scheint
dem Verf. aus zwei Gründen besonders beachtens-
wertb. Erstlich betraf es eine Frau von 42 Jahren,
Mutter von vier Kindern, welche wegen eines
Magen- und Darmkatarrhs, der der schulgerechten
Behandlung in einem Krankenhause ersten Ranges
an sechs Monate getrotzt hatte, und trotz aller
guten Pflege sehr heruntergekommen, die Hilfe
der Homöopathie suchte; sodann giebt er eine Be¬
stätigung eines charakteristischen Symptoms von
Secale cornutum, nämlich äusserliche Kälte mit
schlechtem Ertragen von Bedeckung, ein Symptom,
das unter den anderen choleraartigen Erscheinungen
hervorleuchtete, diese aber waren Erbrechen, Singul-
tus mit heftigen Schmerzen im Magen, Diarrhöe,
1 Aphonie, fadenförmiger, zeitweise unfühlbarer Puls,
kalte Haut, die mit kaltem Schweisse bedeckt war,
Athemnoth, spärlicher, brennend heisser Urin. —
Arsenicum, das zuerst verabreicht wurde, vermochte
die Steigerung des Uebels nicht zu hemmen, so
dass die Prognose von Stunde zu Stunde ungün¬
stiger wurde, bis man, in Rücksicht auf jenes oben
erwähnte Symptom zu Secale cornutum griff, unter¬
stützt von einigen Gaben Veratrum album. Letzteres
machte den Singultus aber jedesmal stärker, welcher
dann erst dem Secale wich. —
Der Kampf dauerte 40 Stunden, bis sich eine
leichte Reaction und ein auf Arsenik hinweisender
Durst zeigte, worauf letzteres Mittel gegeben wurde,
worauf sich die Frau gradatim erholte. Es blieb
I nur etwas schwache Verdauung, die noch Berück¬
sichtigung erforderte.
Aus der Poliklinik in Bom von Dr. Carlo Ladelei.
Ein 2 7a jähriges Kind hatte in seinen ersten
Lebenstagen einen starken Ausbruch von Crusta
lactea gehabt, der durch verschiedene Salben ver¬
trieben worden war. Späterhin zeigte es bedeutende
Schwäche in den Untergliedern in dem Grade, dass
es im Alter von 2 Jahren erst gehen konnte, unter
dem Gebrauch verschiedener Kalkpräparate und
Bädern mit Wein und Eisen.
Jetzt, etwa seit 8 Monaten, wo es ziemlich gut
zu gehen anfing, sind seine Beine allmählich wie-
Digitized by ^»ooQle
185
der schwächer geworden, und kann es sich nicht
auf den Füssen halten.
Verordnet wurde Sulphur 6. Seit 14 Tagen
zeigten die unteren Glieder wieder etwas mehr
Widerstandskraft, und so wurde das Mittel noch
weitere 10 Tage gegeben. Hierauf bekam es
Calc. carb. in verschiedenen Dilutionen und nach
Verlauf von 2 x / 2 Monaten hat das Mädchen völlig
die Gebrauchsfähigkeit der Unterglieder wieder er¬
langt, so dass es eine Freude ist, es gehen und
laufen zu sehen.
Phytolacca. Ein 20jähriger Mann litt über zwei
Monate an einem gastro-intestinalen Katarrh. Ohne
Gebrauch von Abführmitteln kein Stuhl. Er klagt
über fortwährende Leibschmerzen, besonders nach
dem Essen, starkes Brennen im Magen und häufige
Brechneigung. Phytolacca 4. Darnach verging,
innerhalb 4 Tagen, die Brechneigung; es waren
in zwei vorhergehenden Tagen zwei spontane, etwas
compacte Entleerungen erfolgt; die Leibschmerzen
sind weit geringer, doch wird er noch von’ bestän¬
digem Rumpeln in den Gedärmen mit Abgang vieler
stinkender Winde geplagt.
Carbo vegetabilis 4. brachte ihm in 8 Tagen
vollständige Genesung.
Ein 47 jähriger Mann litt schon über 8 Monate
an Darmkatarrh. Obstipatio habitualis mit spär¬
lichen, mühsamen Entleerungen alle 7 oder 8 Tage,
starkes Brennen am After; der Koth ist mit blutigem
Schleim gemischt; Getöse in den Därmen und be¬
ständige Schmerzen nach dem Essen.
Er erhielt am 30. März Phytolacca 4.
4. April. Die Stuhlgänge erfolgen häufiger
und mit Schaum bedeckt. Phytolacca 6.
12. April. Diarrhöeartige Entleerungen mit
starken Schmerzen und Schweregefühl im After.
Phytolacca 80.
20. April. Die Entleerungen sind jetzt regel¬
mässig, die Schmerzen geringer, das Kollern im
Bauch aber hat zugenommen. Carbo animalis 3. trit.
5. Mai. Alles gut; nur haben sich heftige,
immer mehr und mehr zunehmende schneidende
Schmerzen im Unterleibe eingefunden (vielleicht eine
Arzneiwirkung von der in so starker Gabe ge¬
reichten Fleischkohle. Ref.). Nach Mercur. corros. 18.
verschwanden diese und Pat. konnte als völlig ge¬
heilt entlassen werden; er hat jetzt regelmässig,
ohne irgend welche Beschwerden, alle 24 Stunden
Leibesöffnung.
Eine 48jährige Frau litt seit mehreren Jahren
an einer Neurasthenie, die sie ungemein plagte.
Zur Zeit klagte sie über völlige Appetitlosigkeit
und ein sehr lästiges Gefühl, als ob eine Menge
kleiner Insekten beständig über das Gehirn liefen;
ausserdem empfindet sie in den Ohren das Geräusch
von einem grossen siedenden Kessel.
Petroleum 6. In etwa 20 Tagen hörten diese
Symptome fast völlig auf; jetzt aber stellte sich in
grösseren oder geringeren Zwischenräumen ein all¬
gemeines Jucken (Pruritus) auf der Haut ein.
Aconit. Nap. 6. Dil. Unter Anwendung dieses Mittels
innerhalb 7—8 Tagen erschien auf dem ganzen
Körper ein reichlicher, miliariaartiger, höchst jucken¬
der Ausschlag. Sulphur. 30. stillte in weniger als
2 Tagen dieses Jucken und in etwa 2 Wochen
war die Frau völlig gesund.
Ein 15jähriges, noch nicht menstruirtes Mäd¬
chen, von lymphatisch - skrophulöser Constitution,
zeigte die Drüsen am Halse, die submuskulären,
und die in den Weichen stark geschwollen und
schmerzhaft.
Calcarea carb. 200. und Graphit. 200. bewirkten
nach dreimonatlicher Behandlung eine vollständige
Rückbildung der Drüsen.
Febris intermittens tertiana.
Ein 2 6jähriger Mann litt seit ca. 2 / a Jahre an
einer Febris intermittens tertiana. Das Fieber be¬
ginnt gegen 11 Uhr Vormittags mit starkem Frost,
hält 5—6 Stunden an, wobei die T. auf 40° C.
steigt und fällt dann unter reichlichem Schweisse.
Beim Anfall ist immer Brechreiz und Fremitus in¬
testinalis zugegen. Er hat per os und per injec-
tionem 60 Gramm Chinin genommen.
Dr. Ladelei, während eines Anfalls, den man
wohl einen perniciösen nennen konnte, gerufen,
verordnete 0,20 Ipecacuanha in der 3. Verreibung,
in einem halben Glase Wassers gelöst, alle 10 Mi¬
nuten einen Esslöffel voll. Der Anfall wurde glück¬
lich überwunden und 2 Tage darauf kehrte das
Fieber ohne bedenkliche Erscheinungen wieder.
Jetzt Ipec. 30. Es kamen noch 2 Anfälle, der
eine leichter als der andere, und sodann war die
Krankheit, mit diesem Mittel allein, geheilt. —
Es sind dies schöne Resultate, welche der ho¬
möopathische College in Rom in seiner poliklinischen
Thütigkeit bei einer Clientei erreichte, wo die äusseren
Umstände, wie Diät und gute WohnungsVerhältnisse
und Abwartung sicherlich viel zu wünschen übrig
Hessen und deshalb zur Erreichung der Heilung
nicht beitragen konnten. Dr. Mossa.
Die Zustände des Auges diagnostisch bei
allgemeinen Krankheiten.
Nach Dr. D. A. Mac Laohlan in Detroit, Mich.,
Transact. 1898, S. 398.
Von Dr. Th. Kafka in Karlsbad.
Wir leben in einem praktischen Zeitalter.
Vorüber sind die Tage, wo blosser Muth, Ent¬
schlossenheit oder Heroismus Schlachten gewann;
24
Digitized by
Google
186
ho bewies es ruhmreich Admiral Dewey auf Manila,
dass Wissenschaft (Gehirn, Praxis und Präcision)
auch nothwendig ist. (? Red.)
Ebenso wie in der Schlacht, verhält es sich
beim Kampfe gegen die Krankheit. Die Zeit ist
vorbei, wo bloss grobe und aufschneiderische Auf¬
geblasenheit, sonore Stimme und eine Metzgerhand
den Chirurgen ausmachte oder wo blosse angenom¬
mene Würde, Geheimniss und die Lancette und
eine Pillenschachtel einen Arzt kennzeichnete.
Wissenschaft ist nöthig und auch Geschick. Ich
glaube, es war Wendel! Holmes, der äusserte:
„Wissenschaft ist feines Möbel für das obere Stock¬
werk, wenn gesunder Menschenverstand im Parterre
ist; aber ohne gesunden Menschenverstand im Par¬
terre und ersten Stock ist die blosse Wissenschaft
im zweiten Stockwerk für den Patienten mehr vom
Uebel. „Wissenschaft; ist Macht, tf wenn gut an¬
gewandt. Wir müssen medicinisches Wissen haben,
aber Geschicklichkeit ist das essentielle für die Er¬
zielung des Erfolges.
Chirurgie und Therapie haben seit undenkbaren
Zeiten einen Ehebund geschlossen und ,,was Gott
vereinigt hat, soll der Mensch nicht trennen.“ Es
giebt heutzutage Leute, die diese beiden trennen
wollen, aber es giebt weder einen Richter noch
eine Jury unterm Himmel, die sie scheiden könnten,
denn sie sind durch ein unlösliches Band verbunden.
Welches ist das Band, das sie zusaramengehalten
hat und stets Zusammenhalten wird? Es ist die
Kunst der Diagnose, denn dadurch allein können
wir entscheiden, ob Chirurgie oder innere Behand¬
lung in einem gegebenen Falle erforderlich ist oder
ob, wenn der Arzt den Fall schon in Behandlung
hat, die Zeit gekommen ist, den Chirurgen holen
zu lassen.
Die Tage sind vorüber, wo der Doctor nur
„klug und weise“ auszusehen, kein Wort zu
sprechen, und nach der Totalität der Symptome
etwas zu verschreiben brauchte und entweder dem
Genesungsfeste oder der Begräbnisfeier, die darauf
folgte, präsidirte. Die „Dienstmädchen“ der Me-
dicin, Hygiene und Sanitätslehre, um nicht von
der herangebildeten öffentlichen Meinung zu reden,
machen es nicht länger möglich, eine Diagnose zu
erkünsteln oder zu erschwindeln. Der Patient ist
nicht der einzige, der berücksichtigt werden muss;
seine Verwandten, seine Nach baren und selbst seine
Mitbürger müssen beschützt werden. Deshalb ist
eine Diagnose bestimmend, ob der Chirurg zu
Rathe gezogen werden muss oder nicht. Wir müs¬
sen deshalb uns aller Mittel bedienen, die die
Wissenschaft und Kunst zu unserer Disposition
gestellt hat. Eben die sonst im Allgemeinen ausser
Acht gelassenen Hilfsmittel und Erscheinungen am
Auge können unserer Beachtung und unseres Stu¬
diums zu diesem Zwecke werth sein. Wir werden viel¬
leicht finden, dass durch einen Blick durch diese Fenster
der Seele der Schlupfwinkel so manches Einschlei¬
chers und Friedensstörers in dem Tempel, der für
den Menschen nach des Schöpfers eigenem Eben¬
bild, als dessen vorzüglichstes Kunstwerk geschaffen
wurde, entdeckt wird. Es ist deshalb die Hoffnung
des Schreibers, Ihre Gedanken und Aufmerksam¬
keit auf dieses einzige und unentbehrliche Organ
zu richten, als ein Mittel um die Zeichen der Zer¬
störung oder Unordnung in der complicirten Struc-
tur der grauen und weissen Substanz, der Neu-
roglia, der Zellen, der Fasern und der Axencylinder
zu entziffern, aller dieser Materien, die den ge-
heimnissvollen und bewunderungswürdigen Mechanis¬
mus, genannt das Nervensystem, ausmachen. In¬
soweit als dies letztere controllirt und regulirt, an¬
regt und hemmt jedes Organ und Gewebe, jeden
Gedanken und jede Handlung des Lebewesens,
sind wir durch dessen Manifestationen im Stande,
die Ursache, die Beschaffenheit und Oertlichkeit
von vielen Verletzungen und Erkrankungen, die
der Menschheit zukommen, zu erkennen.
Beginnen wir mit den äusseren Abtkeiluugen
des Auges, so können wir eine grosse Menge
Kennzeichen und Symptome von Allgemeinerkran¬
kungen bemerken. Unfähigkeit das untere Augen¬
lid zu schliessen zeigt Lähmung der Orbicularis,
herrührend von Läsion des Gesichtsnerven, sei es
nun eine Geschwulst, Otitis, specifische Erkrankung
oder Verletzung der Ohrspeicheldrüse etc. Ptosis
oder Herabsinken des oberen Augenlides allein
zeigt an eine cortikale Nervenstörung, gerade ganz
vorn im centralen vordem Convolute oder Hysterie.
Schwarze Ränder um die Augen kommen von der
Periode, Augenerkrankungen etc. und Verfärbung
der Lider zeigen Leber- und Gebärmuttererkran¬
kungen an, braune Flecke auf den Lidern weisen
auf Addison’s Erkrankung der Nebennieren hin.
Oedem der Augenlider weist auf Herz- oder
Nierenkrankheiten hin, auf Arzneivergiftung (Arse¬
nik) und Trichinose, bei der es nicht nur ein wich¬
tiges, sondern auch oft das erste objective Sym¬
ptom ist. Congestion oder Entzündung der Augen¬
lider deutet auf Augenanstrengung hin, aber auch
auf Magen-, Gebärmutter- und Eierstockserkran¬
kungen. Eine gelbe Bindehaut verräth auch einem
Laien eine Lebererkrankung, sowie eine über¬
triebene Blässe derselben Anämie oder Kachexie
zur Grundlage hat. Blutaustretungen in der Binde¬
haut bei alten Leuten weisen auf atheromatöse
Degeneration und sind oft Vorboten von Schlag¬
fluss; bei jungen Leuten kommen sie bei Keuch¬
husten , nach epileptischen Paroxysmen vor etc.
Phlyctänuläre Geschwüre der Bindehaut und der
Hornhaut deuten gewissermassen auf Dyskraaie oder
Digitized by ^»ooQie
187
schwache Leberthätigkeit, von Struma verursacht
oder von infectiösen und septischen Erkrankungen,
Tuberkulose und Eczem (speciell der Nase), ver¬
spätete Menstruation etc. Die Hornhaut bietet ein
verschiedenartiges diagnostisches Aeussere dar. Der
Arcus senilis, die graue Linie um den Rand der
Cornea bei älteren Leuten, ist oft ein Zeichen von
fettiger Entartung der anderen Gewebe und ist
vergesellschaftet mit Fettherz.
Neuroparalytuche Geschwüre der Cornea weisen
auf eine Verletzung des Trigeminus hin, durch Er¬
krankung der Nerven selbst, syphilitischen Ablage¬
rungen und Schädelbruch. Xerosis oder Trocken¬
heit der Hornhaut und der Bindehaut kommt auch
zuweilen von Affectionen des Trigeminus, mehr
beobachtet bei Kindern mit schweren Krankheiten,
wie Scharlach, Masern, Typhus und Cholera infan¬
tum und bei Erwachsenen mit Gelbsucht. Gewöhn¬
lich verkündet sie den herannahenden Tod und ihr
Verschwinden (der Xerosis) zeigt Besserung an.
Interstitielle Entzündung oder Infiltration der Horn¬
haut ist das hauptsächlichste diagnostische Kenn¬
zeichen der Hornhaut; es verkündigt erbliche
Syphilis in ungefähr 70 Procent aller Fälle. Sie
kommt vor im Alter von 6—20 Jahren, ist stets
chronisch und gewöhnlich begleitet von anderen
bekannteren Zeichen der angeborenen Syphilis z. B.
besonderer Gestaltung des Gesichts und des Schädels,
cariösen Zähnen, Taubheit, geschwollenen Drüsen,
Anschwellung des Periosts etc. Gelegentlich be¬
obachtet man sie bei erblicher Syphilis und noch
seltener bei Sqrophulose.
Die Iris liefert eine grosse Reihe von Anzeigen
von Allgemeinerkrankungen, besonders in der Do¬
mäne des Nervensystems. Gewöhnlich sind die
Regenbogenhäute glänzend von Ansehen. Trübe,
matte Regenbogenhaut ist ein Zeichen von Ent¬
zündung, die gewöhnlich ein Kennzeichen von er¬
erbter Syphilis bei Kindern, so wie Iritis eine
Krankheit der Erwachsenen ist. Bei den letzteren
ist dies bezeichnend für die rheumatische, scro-
phulöse und tuberkulöse Diathese oder von speci-
fischer Erkrankung, ein grosser Procentsatz aller
Fälle rührt her von erworbener Syphilis. Man darf
indessen nicht vergessen, dass Trauma, Infection
und Ausbreitung von anderen Th eilen her in vielen
Fällen mitspielt, und dass ein unregelmässiges
Aussehen der Regenbogenhaut oft einer vorher¬
gegangenen Entzündung mit Verwachsungen (vordere
und hintere Synechien) oder angeborenen Defecten,
wie Colobom, Fortbestehen der Pupillarmembran etc.
entspricht. Ein Tuberkel oder Blatter in der Iris
ist fast stets ein syphilitisches Gumma. Durch
ihre Bewegungen beweist uns die Regenbogenhaut
indessen die grössten Dienste in der Diagnose.
Gewöhnlich sind die Pupillen gleich grosse und
Ungleichheit ist immer pathologisch. Sie ziehen
sich gleichmässig zusammen, wenn Lichtstrahlen in
beide Augen eindringen oder nur in ein Auge
(consensuelle Reaction) und eine Unmöglichkeit es
zu thun, zeigt Blindheit an; es ist deshalb ein
werthvolles, diagnostisches Kennzeichen in vielen
Zuständen. Die Pupillen ziehen sich zusammen in
Folge von Reizung des Opticus oder der moto¬
rischen Augennerven oder von deren Centren;
Lähmung des Sympathicus, Accommodation und Con-
vergenz; Andrang des Blutes zu den Gefössen der
Regenbogenhaut und Wirkungen gewisser Arznei¬
mittel (Miotica).
Die Iris erweitert sich bei Paralyse des Opticus,
der augenbewegenden Nerven und bei Trauma oder
Zerstörung ihrer Centren; Lähmung des sympathi¬
schen Nerven, Accommodation und Convergenz, Fülle
der Irisgefhsse und gewisse Arzneiwirkungen (My-
driatica). Von Pupillarkennzeichen bei Erkrankungen
des Nervensystems möge constatirt werden, dass
dieselben nur vorhanden sind, wenn die Störung
oberhalb der Verbindung des sympathischen Nerven
mit dem Rückenmarksstrang stattfindet.
Man kann behaupten, dass auch im Allgemeinen
die Erweiterung der Pupille auf Gehirndruck hin¬
deutet, die Zusammenziehung der Pupillen zeigt
Reizung; die Erweiterung kommt häufiger bei Ge¬
hirnerkrankung, die Zusammenziehung ist die Regel
bei Rückenmarksverletzungen. Rückenmarkserkran¬
kungen mit Erweiterung weisen auf einfache Reizung
(Anregung des Sympathicus); die Rückenmarks¬
symptome mit Zusammenziehung weisen hin auf
eine zerstörende Verletzung (Paralyse des Sympa¬
thicus).
Der Zustand der Pupille liefert oft die erste
Andeutung einer Gehirn- oder Rückenmarkserkran¬
kung und da die Heilung so häufig davon abhängt,
dass die Behandlung bei Zeiten beginnt, kann die
Kenntniss von den pupillaren Anzeigen nicht genug
gewürdigt werden.
Erweiterung wird verursacht durch Hämorrhagie,
Abscess, Geschwülste und Gehirnerschütterungen,
Meningitis (im letzten Stadium), Hysterie und Epi¬
lepsie (letztes Stadium), Melancholie, Anämie, Trige¬
minuserkrankung, Eclampsie (Urämie), Diphtherie,
Keuchhusten (markirt den Uebergang vom katarrha¬
lischen zum convulsiven Stadium), diffuser Encepha-
i litis, Trichinose, Morbus Basedowii, und durch fol*
| gende Gifte: Aconit, Amylnitrit, Atropin, Belladonna,
I Bromkali, Cocain, Kohlensäure, Cyankali, Duboisin,
i Ergotin, Aether, Aethylnitrit, Gelsemium, Glonoin,
Hyoscin, Hyoscyanin, Kleesäure, Stramonium und
verschiedene Ptomaine. (Schluss folgt.)
24*
Digitized by ^»ooQie
188
Aloe in einem Falle von Incontinentia et
faecum.
Von Dr. Sam. van den Berghe.
Anfangs vorigen Jahres wurde der belgische
College wegen eines jungen Mädchens, einer
Klosternovize, consultirt, die an unfreiwilligem Ab¬
gänge des Urins und der Faeces litt.
Die Kranke, einige zwanzig Jahre alt, blond,
lymphatisch-sanguinisch, gut menstruirt, war sonst
immer gesund gewesen, abgesehen von einer scro-
phulösen Augenkrankheit, welche die Erblindung
eines Auges zur Folge gehabt hatte. Jetzt leidet
sie, ausser jener Incontinenz, an einer Cephalalgie,
die sich als ein unbestimmtes Gefühl von Schwere
und in einem druckenden Schmerz in der Stirn
äussert.
Nach Aussage der Kranken und dem Zeugnisse
ihrer Familie hat diese traurige Schwäche erst
nach ihrem Eintritt in’s Kloster, also seit einigen
Monaten, begonnen.
Seit dieser Zeit hat sich die Krankheit ge¬
steigert, und zwar in einem solchen Grade, dass
die Novize überall unzweideutige Spuren auf ihrem
Gange in Gestalt fäcaler Stoffe zurücklässt und
deshalb ihren dienstlichen Functionen nicht nach-
kommen kann. Sonderbarerweise entgleiten selbst
die gut geformten Faeces dem Anus, ohne dass
die Kranke das geringste Bedürfnis zu Stuhl zu
gehen verspürt; sie wird dies erst zu spät gewahr,
wenn die Excremente schon auf dem Boden sind.
Am 9. Februar wird verordnet: Aloe 30., 5 |
Glohuli täglich.
Am 16. Februar zeigt sich bedeutende Besse¬
rung: es ist weder Kopfschmerz, noch jene Incon¬
tinentia mehr vorhanden, wenn man der optimisti¬
schen Aussage der Patientin, die nicht gern aus
dem Kloster entlassen werden wollte, trauen durfte.
Es wird deshalb auf sorgsame Beobachtung von
einer weniger interessirten Seite gedrungen.
Das Mittel wird fortgesetzt.
Am 23. Februar wird wieder auffallende und
anhaltende Besserung von der Superiorin bestätigt.
Die Incontinentia hat aufgehört; nur zeigt die Bett¬
wäsche noch Spuren von Enuresis. — Das Mittel
wird ausgesetzt.
Im März, wo Dr. van den Berghe das Mädchen
noch einmal sah, wurde völlige Herstellung be¬
richtet.
Im Jahre 1895 hat er einen ähnlichen Fall
mit demselben Mittel unter gleichem Erfolge be¬
handelt
Ein 4—5jähriger Knabe litt seit mehreren
Wochen an unfreiwilligem Abgänge von Urin und
Stuhl; letzterer war diarrhöeartig: jedes Mal, wenn
es zum Uriniren kam, so geschah dies bei Tage
wie bei Nacht unwillkürlich.
Es wurde eine völlige Heilung in 4 Tagen
durch Aloe 30. erzielt; ein Rückfall nach Verlauf
von vier Monaten wich ebenso schnell demselben
Mittel. — (Journal beige d’homoeopathie. Vol. VI.
No. 1. Jan. —Febr. 1899.) —
Wenn ein Arzt der alten Schule solche ausser-
gewöhnliche Heilungen berichtet, so pflegt man
sich selten Rechenschaft darüber zu gehen, auf
Grund welchen therapeutischen Gesetzes diese zu
Stande gekommen sind. Auf den Gedanken, eine
solche Incontinentia mit Aloe zu heilen, wäre man
von jener Seite schwerlich gekommen, wo man
dieses Mittel nur als eins der stärksten Drastica
kennt; aber auch von homöopathischer Seite könnte
man sich fragen, ob das Mittel dem Aehnlichkeits-
gesetze gemäss gewählt worden sei. Die Aloe¬
stühle sind gewöhnlich von einem Tenesmus be¬
gleitet, wie die Wirkung des Mittels überhaupt
stark auf das Rectum gerichtet ist. Und doch ist
für Aloe charakteristisch ein beständiges Gefühl,
als ob Stuhl erfolgen sollte, so dass der Kranke
beim Abgänge eines Flatus Gefahr läuft, gleich¬
zeitig den Stuhl fahren zu lassen, — ein Ereig¬
niss, das hei Kindern manchmal vorkommt. Hierin
sehen wir eiuen Schritt von der Spannung und dem
Krampf des Sphincter ani zu einer Erschlaffung
desselben. — Freilich selbst die dünnflüssigen Ent¬
leerungen, welche Aloe hei einzelnen Prüfern ge¬
macht hat, von denen es heisst, dass sie fast un¬
willkürlich abgingen, erfolgen nicht ohne Störung,
ohne Knurren und Umgehen im Leibe, wie ja
Aloe überhaupt viel Flatulenz erzeugt, — Symptome,
von denen wir in den mitgetheilten Fällen nichts
angemerkt finden.
Die Cephalalgia frontalis des ersten Falles findet
sich dagegen hei Aloe gut ausgesprochen. Ver¬
mehrtes Harnlassen, und gerade hei Kindern, ist
ein Symptom, das wir in 0. Hering’s Pathogenese
von Aloe wiederfinden.
Indessen der unfreiwillige Abgang von Harn
oder Faeces ist höchstens angedeutet, aber nicht
deutlich hei den Prüfern hervorgetreten.
Möglich wäre noch die Erklärung, dass die
Gegenwart von Askariden bei dem Mädchen wie
beim Knaben jene Erscheinungen hervorgerufen
haben durch einen kriebelnden Reiz vor und im
After, wofür Aloe erst recht am Platze gewesen
wäre.
Das gleichzeitige Auftreten von Incontinentia
urinae et faecum ist übrigens ein seltenes patho¬
logisches Vorkommniss, — und um so mehr haben
uns die Beobachtungen des geehrten belgischen
Collegen interessirt. Dr. Mosta.
Digitized by ^»ooQie
180
Doetor von Hartungen’s
Homöopathisches Sanatorium
in Riva am Gardasee.
Die Anhänger der Homöopathie entbehrten bis¬
her eines bequemen Pflegeheims im Süden , das be¬
züglich der Behandlung, Diät, Licht, Luft, Wasser,
wie Bewegungskuren ganz nach den Grundsätzen
ihrer Heillehre geleitet wird. Es ist Thatsache,
dass sich vorwiegend nur Schwerkranke diesem
Behandlungssysteme mit seinen fast an’s Wunder¬
bare grenzenden Heilerfolgen zuwenden, nachdem
alle anderen Heilmethoden der Allopathie vergebens
versucht oder unter der Erscheinung heftiger Ver¬
schlimmerung aufgegeben wurden; auf diese Weise
treten Lungenkranke, Krebsleidende, Tabetiker wie
Epileptiker oft in einem so vorgerückten Stadium
unserem Heilsysteme noch vertrauensvoll näher,
in welchem meist jede Heilung ausgeschlossen und
nur noch Linderung ihrer Leiden und Schmerzen
zu erzielen ist Wie sehr aber gerade solche
Kranke auf Licht und Luft angewiesen sind, um
Erleichterung ihrer Qualen, Stillstand ihres Leidens
zu erreichen, weiss jeder Laie wie Praktiker. Um
so freudiger wird die Gründung eines in diesem
Geiste geleiteten Sanatoriums von den homöopathi¬
schen Collegen y wie der heilbedürfligen Menschheit
begrüsst werden . Hier sollen Kurmethode, Klima
und die ganze zweckentsprechende Einrichtung des
Sanatoriums vereint einzig dem Schwerkranken
zur Besserung, ja vollständigen Genesung ver¬
helfen.
Kranke, welche den Süden oder speciell das
subtropische Klima Rivals aufsuchen, beanspruchen
eine Wintermilde, die einen täglich mehrstündigen
Aufenthalt im Freien, das Schlafen bei offenem
Fenster, den Gebrauch von Sonnen-, Licht-, Luft-, wie
Seebädern zu einer Zeit ermöglichen, in welcher
ganz Mitteleuropa schneebedeckt, erstarrt, von
eisigen Winden durchfegt oder in graue, feucht¬
kalte Nebelmassen gehüllt, seine Bewohner in die
Nähe ihrer Rauchfeuer bannt. Was aber die Gunst
eines milden Himmels dem Kranken gewährt , das
erzählen uns alle Heilanstalten glücklich oder un¬
glücklich geleitet durch ihre Kurerfolge zur Sommers¬
zeit. Wie die Sonne, so sinkt auch die Besuchs¬
ziffer dieser Anstalten zur Herbst- und Winterszeit.
Dasselbe gilt von allen Sommerkur- und Badeorten,
deren ausschlaggebender Erfolg auch zumeist nur
den der hygieinischen Heilung so günstigen klima¬
tischen Verhältnissen, weniger dem medicinischen
Verfahren oder gar dem Schwefel-, Eisen-, Jod-
und Arsenwasser als sogenanntem Gesundheitsbrünn¬
lein zuzuschreiben ist.
Der denkende Kranke , den Weisungen seines
hygieinisch gebildeten Arztes lebend, erreicht auch
in den stillen Thälern eines Waldgebirges oder auf
einfacher Höhenstation zur warmen Jahreszeit seine
vollständige Erholung oder Gesundheit und vermeidet
so zu seinem eigenen Besten die bekannten Massen -
heüanstalteny wo er nur zur Schablone oder Nummer
werden muss, wie die bereits so verseuchten und von
Krankenelend überfüllten Kurorte , die durch gesell¬
schaftlichen Zwang freiheitslähmend, durch auf¬
regende Vergnügungen und erschöpfende Zer¬
streuungen nervenschwächend wirken müssen.
Der heilsame Einfluss des ozeanischen Klima
von Riva auf den Organismus Nervenkranker, Blut¬
armer, Brust-, Magen-, wie Nierenleidender icird
auch von keiner anderen klimatischen Station Europa?s
übertroffen . Welche physikalische Hülfsfactoren
hier die Hauptrolle spielen, um so glänzende Heil¬
erfolge zu erzielen, darüber belehrt eingehendst
„das Handbuch der klimatischen Heilkunde von
Dr. von Hartungen, Berlin, Issleib-Schuhr. w
Wie sehr begehrt und bedarf so ein armer
Kranker der strengstens durchgeführten indivi¬
duellen Behandlung, und wie selten erfüllt sich
diese so nothwendige Form derselben in den Heil¬
kasernen moderner Richtung. Einem solchen Be¬
dürfnisse des Kranken jeder Art entspricht aber
hier die anerkannt mustergültig eingerichtete ho¬
möopathische Anstalt »Villa Christophoro“ in Riva
am Gardasee, deren Leiter nie mehr als 20 — 25
Kranke in gleichzeitiger Behandlung hält und
dessen Institut daher nur eine Maximal-Besuchs¬
ziffer von 150 Personen jährlich aufzuweisen ver¬
mag. Die Leitung des ärztlichen Sanatoriums hat
die Aufgabe, jedem Kranken eine streng indivi¬
duelle Behandlung angedeihen zu lassen und
gleichzeitig den Hülfesuchenden durch hygiei-
nische Belehrung so aufzuklären, dass er als
sein eigener Gesundheitsrath auf sicherer Bahn
gesund durch’s weitere Leben schreiten kann. Das
homöopathische Heilinstitut am Gardasee misst die
jedem Kranken gebührende Behandlungsart zu
durch Anwendung der specifischen Mittel, des
Lichtes, der Luft, des Dampfes oder Kaltwassers,
sowie der Massage und activen Bewegungsübungen,
Rudern, Bergsteigen, Radfahren usw. Auch Ath-
mung8Übungen, sowie die Diät (besonders be¬
deutungsvoll bei Krebserkrankungen, Hautleiden)
werden in den verschiedensten Modificationen zu
Heilzwecken angeordnet; so gemischte Diät, Pflan¬
zen- und Milchdiät, Entfettungs-, Entziehungs- oder
Reductionsmethoden.
Da das kleine Kurhaus nur 15—20 Kranke
aufzunehmen vermag, so wohnt ein Theil der Kur¬
gäste in verschiedenen Villen 10—15 Minuten ent¬
fernt, meist in der Nähe des See's. Besondere
Heilerfolge erzielten bisher Nervenkranke, Fett¬
süchtige, Blutarme oder an Blutentmischung Leidende
Digitized by ^»ooQie
190
(HaUt^ Drüsen-, wie Knochenleiden), Lungenkranke,
Magen-, Leber-, wie Nierenleidende.
Da vom Oktober bis Juni die Anstalt fast stets
überfüllt ist , so erscheint die Vorambestellung von
besseren Zimmern im Kurhause selbst rathsam . Der
Wochenpreis für volle Pension beträgt 80 Fl. =
50 Mark. Die ärztliche Behandlung wird je nach
Bedarf, Uebereinkommen und den privaten Ver¬
hältnissen der Kranken berechnet.
So wenig* unser Kurverfahren in einem einzigen
Systeme zur Geltung kommt, so sehr wird das
Gute, das uns einzelne hervorragend hygieinische
Aerzte, wie Hufeland, Niemeyer, Hahnemann,
Kiesel u. a. geschaffen haben, oder das wir genialen
Laienärzten, wie Priessnitz, Schroth, Rikli, Kneipp
u. a. zu danken haben, bei einzelnen Fällen und
stets nur in individueller Anpassung angewendet.
Man prüfte eben im Laufe von 80 Jahren uhd
behielt das Beste.
Das Sanatorium ist vom 1. Juli bis 1. Oktober
jeden Jahres geschlossen.
Zur Diät beim Magenkrebs.
Robin hat bei 40 Krebskranken, deren Autopsie
die Diagnose später bethätigte, den Magensaft
chemisch untersucht. 18 Mal fand er normale Aci¬
dität, in den 22 anderen Fällen war der Magen¬
saft neutral. Freie Salzsäure fehlte fast in allen,
in 89 Fällen, wenn chemisch gebunden, war sie
nur in geringer Menge (0,05—0,09) vorhanden.
Milchsäure wurde 27 Mal, Buttersäure 7 Mal und
Essigsäure nur 1 Mal gefunden. Fernere Unter¬
suchungen zeigten, dass die Eiweisskörper beinahe
gar nickt verdaut (Mangel an Peptonen), während
die Kohlehydrate leicht zersetzt werden, daher die
Häufigkeit der Milchsäure. Der Krebskranke kann
also die Ei weisskörper, auch die Milch, nicht ver¬
dauen, und letztere hat noch den Nachtheil, die
Milchsäuregährung, welche man vermeiden sollte,
zu vermehren.
Die Diät der Krebskranken fordert demnach
eine Vermeidung der Ei weisskörper, Verwerfung
der Kohlehydrate und Verhütung der schädlichen
Zersetzungsvorgänge. — Gleichmässige Milchdiät
bei Kranken dieser Art wäre also ein Fehler.
Vom BUchertische.
Als Werbeschriften sind erschienen:
1 . Professor Samuel und die Homöopathie. Rede
gehalten auf der 67. Generalversammlung des ho-
möopath. Centralvereins Deutschlands am 10. August
1899 in Elberfeld. Von Obermed.-Rath Dr. v. Sick.
(Separatabdruck aus der Zeitschrift des Berl. Ver¬
eins homöopath. Aerzte.)
2 . Die Homöopathie vor dem Biohterstuhle des
Experiments. Von Dr. Gisevius jun., prakt Arzt
in Berlin. (Separatabdruck aus der Allg. Homöo¬
path. Zeitung.) Leipzig 1899. A. Marggrafs ho«
möopath. Officin.
Lesefrüchte.
Thon als Wnndmittel.
Nachdem Dr. Stampf den Thon, in feiu pulve-
risirter Form, als ein gutes antiseptisches Mittel
empfohlen hat, ist dasselbe von verschiedenen Seiten
versucht und als erprobt gefunden worden. Die
Vortheile, die man ihm nachrühmt, sind: Er ist
sehr billig, ungiftig, wirkt stark austrocknend (man
braucht den Verband bei eiternder Wundfläche
nicht täglich zu wechseln); er ist ferner geruchlos,
ja selbst desodorirend. — Als Nachtheile sind beob¬
achtet: Es bilden sich am Rande der Borken sehr
festsitzende Borken und macht leicht schwammige
Granulationen. Bewährt hat er sich bei tuberku¬
lösen, osteomylitischen Processen, bei Phlegmonen,
Panaritien, Kopfekzem, Furunkeln etc.
In einem Falle, wo bei einem Paralytiker eine
Gangrän der Weichtheile und des Knochens mit
stinkendem, jauchigem Secret neben permanenten
Fussbädern mit Kali hypermang. Nachts Argilla
dick aufgestreut wurde, so dass die Wunde damit
angefüllt war, war nach 8 Tagen bereits der üble
Geruch verschwunden, die Secretion bedeutend ver¬
mindert, das Aussehen der Wunde besser. Es
schossen frische Granulationen auf, die Herde wur¬
den kleiner und überhäuteten sich allmählich; nach
einigen Wochen war völlige Heilung eingetreten. —
Nun, die essigsaure Thonerde-Lösung geniesst
ja schon lange eines guten Rufes als Wundheil-
raittel seit des seligen Burow’s dringender Em¬
pfehlung. — Und der Alaun, der früher in ähn¬
licher Weise verwandt worden ist, wird auch wohl
nächstens wieder sein Auferstehungsfest feiern.
Mittheilung.
Das Dispensirexamen hat bestauden Dr. Lenger¬
mann aus Leer b. Burgsteinfurt i. W.
Druckfehler-Berichtigung.
In No. l‘J/20 dieser Zeitung, p. 146, 2. Spalte, Zeile 8
von oben muss es statt 1 L heissen: 1 / B0 .
In No. 21/22, p. 164, 2. Spalte, Zeile 1 u. 2 v. oben
lies: Dieser liegt Im 3. Intercostalraum links auf der
Mammillarllnie.
Digitized by ^»ooQle
191
Bethel, Sarepta, Nazareth und Wllhelmedorf
(die Zionsgemeinde bei Bielefeld)
stellen sich auch in diesem Jahre wieder bei ihren
alten und nenen Freunden ein mit der herzlichen
Bitte, ihrer zahlreichen Kranken und Elenden, Heimat¬
loses und Krüppel aller Art, zum bevorstehenden
Weihnachtsfest gedenken zu wollen. — Viele, sehr
viele von ihnen haben auf Erden Niemanden mehr,
der ihnen eine Gabe der Liebe unter den Weihnachts¬
baum legt
Auch die kleinste Gabe jeder Art nimmt mit
innigem Dank an
Bethel bei Bielefeld
F. v* Bodelsehwingh, Pastor.
Gemeinnütziges.
Als Weihnachtsgebftek möchten wir unseren Haus¬
frauen Hygiama-Biskuit dringend empfehlen, zu wel¬
chem Frl. E. Hannemann, Vorsteherin der Kochschule
des Lette-Vereins, Berlin, folgende Vorschrift giebt:
150 Gr. Zucker I 300 Gr. Hygiama
4 ganze Eier j 50 „ Mondamin
Eier und Zucker werden l / A Stunde lang schau¬
mig gerührt, hierauf der gestossene Zimmt zugesetzt
und nach und nach das mit dem Mondamin vermischte
und durch ein Sieb geschlagene Hygiama; das Ganze
wird 5 Minuten gut durchgerührt. Von dem Teig
setzt man kleine Häufchen auf ein mit Butter be¬
strichenes Blech und lässt diese bei gelinder Hitze
einige Minuten backen.
Hygiama-Biskuits zeichnen sich nicht allein durch
Wohlgeschmack und Haltbarkeit aus, sondern nament¬
lich durch hohen Gehalt an leichtverdaulichen und
bekömmlichen Nährstoffen, so dass kaum ein lieber-
laden und Verderben des Magens ein tritt, wie bei
anderem Weihnachtsconfect. Diese Biskuits wurden
von Frl. E. Hannemann auf der Ausstellung für Kran -
kenpfleye , Berlin 1899 , hergestellt und verabreicht und
fanden namentlich bei Aerzten viel Berücksichtigung
und Anerkennung, ebenso wie Hygiama selbst, das
als wohlschmeckendes, leichtverdauliches Nähr- und
Kräftigungsmittel daselbst prämiirt wurde.
Anzeigen.
Hygiama.
Seit 1891 klinisch vielfach erprobtes diätetisches
Nähr* und Stärkungsmittel.
(Zusammengesetzt aus eondens. Milob, Gersten- und
Weizenmehl, Zuoker und Kakao.)
Wegen seiner Leichtverdaulichkeit und hohen
Nährkraft indicirt bei:
Magen - und Darmleiden, Anaemie,
Chlorose, Nervosität, Hyperem. gravid .,
Typhus abdorn ., künstlicher Ernährung ,
Scrophulose, Reconvalescenz,
In vielen Hospitälern und Irrenanstalten ständig
im Gebrauch.
Preis der Dose M. 1.60 (300g) u.M. 2.50 (500glnh.).
Vorrftthig in den meisten Apotheken und Drogerien.
Wiasensohaftl. Urtheile, Analysen u. Gratismuster durch
Dr. Theinhardt’8 Nährmittel - Gesellschaft
Cannstatt (Wiirttbg.).
Im Verlage von A. Marggrafs homäopath. Officin in
Leipzig ist erschienen:
Die homöopathische Behandlung
der
Augenkrankheiten
sowie der
Ohrenkrankheiteii
nach den Erfahrungen der homöopathischen
Specialisten
DDr. Vilas, Norton und Houghton
zum Gebrauche für practische Aerzte.
Bearbeitet von
Dr. Th. Bruckner,
homüopathischer Arzt in Basel.
9 1 /* Druckbogen. 8°. Preis gut geh. M. 3.—,
brosch. M. 2.50.
Ausführliche Besprechung dieses Buches in No. 23/24
des 128. Bandes dieser Zeitung.
Inselbad
bei Paderborn. Bommsr und
Winter ceöfltaet u. besuoht. Vor¬
zügliche Heilerfolge. Prospekte gratis.
Wandelhalle, Sanatorium für Nervenleiden Müdes Klima,
Wintergarten und alle chronischen Krankheiten. Centralheisung
Spezial - Anstalt für Asthma
u. verwandt. Erkrank, der Athmungsorg. (Nasen- u. Haisleid., Bronchialk.,
Emphysem). Pbyslkal.-dl&tet. Heilverfahren. Dir Direktion .
Empfohlen durch die homöopathischen Aerzte:
Herrn Dr. med. Hörig, Paderborn, und
Herrn Hofarzt Dr. med. Windelband, Berlin S.W.,
Königgrätzerstrasse 88.
I
Receptur-Tarirwaagen.
Da neuerdings bei Revisionen auch mehrfach
Tarirwaagen verlangt worden sind, welche jedoch
die Herren Aerzte nie brauchen und die im All¬
gemeinen nicht unter 50—60 Mark zu haben sind,
so habe ich billige und für Revisionszweck© völlig
genügende, mit Pracisionsstempel versehene und „
geaichte Receptur-Tarirwaagen auf einfachem Brette
anfertigen lassen, die zum billigen Preise von nur
24 Mark offeriren kann.
Leipzig.
A. Marggrafs Homöopath. Officio.
Digitized by L^OOQle
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mottl-Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag ?on William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius Maser in Leipzig.
Digitized by
Google
Band 189.
Leipzig, den 21. December 1899. No. 25 II. 26
ALLGEMEINE
HOMÖOPATHISCHE ZEITH«.
Heraasgegeben yon
Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart.
Geschäftsstelle und Verlag ron William Steinmetz (A.Marggrafshomöopath. Offlein) in Leipzig
Thomaskirchhof 12.
Erscheint 14t&gig zu 2 Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 Af. OOPf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs -Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlcln ln Leipzig) zu richten
sind, werden mit 20 P/. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 6—8 Af. berechnet.
Inhalt. Einladung zum Abonnement. — Einladung zur Ausserordentlichen Generalversammlung des Vereins
Berliner homöopathisches Krankenhaus am Donnerstag, den 28. Dec. 1899, zu Berlin. — Aphor. Hippocratis. II. Buch, 52.
Von Dr. Mossa. - Phosphor in einem Falle von Lebercirrhose. Von Dr. Haridas Chakravarti Serampar, Bengalen,
Indien. Kef. Dr. Mossa. — Die Zustände des Auges diagnostisch bei allgemeinen Krankheiten. Nach Dr. D. A. Mac
Lachlan in Detroit von Dr. Th. Kafka in Karlsbad. (Schluss.) — Viscum album. Signaturenbild. Von E. Schlegel,
Arzt in Tübingen. — Aufruf zur Betheiligung an Arzneiprüfungen. — Unsere Aufgabe. Von Dr. Mittelstaedt-Brom¬
berg. — Naphthalin. Von Dr. Louis Hartmann-New York. — Epilepsie. Ein Fall aus der Praxis. Von Dr. E. Car-
leton-New York. — Lachesis — klinische Fälle. — Propaganda. Arzneiprüfungen. — Lesefrüchte. — Personalien. —
Anzeigen.
Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage.
Einladung zum Abonnement.
Um in der Zusendung dieser Zeitung keine Unterbrechung eintreten zu lassen, werden die ge¬
ehrten Abonnenten um gefällige rechtzeitige Erneuerung des Abonnements auf Band 140 (1. Halbjahr
1900) höflicli3t ersucht. Alle Postanstalten und Buchhandlungen, sowie die Unterzeichnete VerlagS-
huildlung selbst nehmen Bestellungen zum Preise von 10 Mark 50 Pfg. pro Band entgegen. Probe¬
nummern stehen stets unberechnet und portofrei zu Diensten. _ . . „
T . . t-\ , Hochachtungsvoll
Leipzig, im December 1899. „ r . , ....... c,. . .
die Verlagshandlung von William Steinmetz
(i. Fa. A. Marggrafs Homöopath. Offlein.)
Berliner homöopathisches Krankenhaus.
Einladung
zur
Ausserordentlichen Generalversammlung
am Donnerstag, den 28. December 1899, Abends 7 1 /* Uhr, in der Poliklinik des Berliner Vereins
homöopathischer Aerzte, Charlottenstrasse 77/78.
Tagesordnung:
Umänderung der Statuten behufs Erlangung der Hechte eines eingetragenen Vereins nach dem
bürgerlichen Gesetzbuch.
Berlin, den 8. December 1899. DaS Curatorilim.
Digitized by L^OOQle
194
Aphor. Hippocratis.
II. Buch, 52.
Von Dr. Mossa.
Harra xara koyov xoitovrt xcü ttij yevojtitvov
xard koyov, fri] fitraßcuvtiv a// tregov gtvovrog
tov öogavrog ig UQ/Tjq.
v. Bönninghausen, unser vortrefflicher Glossator
der Aphorismen des Altmeisters Hippocrates, über¬
setzt den obenstehenden Satz :
„Wenn der Arzt von seiner mit Ueberzeugung
eingeleiteten Behandlung auch nicht so bald den
erwarteten Erfolg sieht, so darf er doch, so lange
die ursprünglichen Zeichen noch vorhanden sind,
zu keinem anderen Mittel schreiten.“
Diese Uebersetzung trifft im Ganzen den Sinn
des Aphorismus, abgesehen davon, dass uns xara
koyov mehr ein nach einem bestimmten Plan ein-
gesclilagenes Handeln zu bedeuten scheint.
Wenn wir den vorstehenden Satz zum Aus¬
gangspunkt einer Erörterung ausersehen haben, so
geschah dieses, weil in demselben für die in der
Praxis so wichtigen Frage von der consequenten
Durchführung einer planmässigen Behandlung eine
Norm aufgestellt wird. Denn unserer Ansicht nach
hat Hippocrates hier nicht bloss das einzelne Heil¬
mittel, sondern das gesammte in einem eintretenden
Fall aus wohlerwogenen Gründen eingeschlagene,
medicamentöse wie diätetische, Heilverfahren im
Auge. Von diesem geht sein Ausspruch dahin,
dass man es nicht aufgeben soll und ein anderes
wählen, auch wenn der Erfolg der Erwartung nicht
gleich entspricht, so lange der Zustand so bleibt,
wie er im Anfänge gewesen. —
Eine solche Consequenz im therapeutischen
Verfahren hat sicherlich einen grossen Vorzug vor
dem voreiligen, stürmischen Wechsel des Heilplans
und der bezüglichen Heilmittel. Wie aber, wenn
sich der Arzt in der Diagnose des Falles und in
der Wahl der Mittel geirrt hat ? Dann kann seine
Consequenz für den Kranken leicht üble Folgen
haben, wenn sein Arzt seinen Fehlgriff zu spät erst
erkennt. Wie oft hat das zu lange fortgesetzte
antiphlogistische Verfahren den Kranken an den
Hand des Grabes, ja in dieses selbst gebracht!
v. Bönninghausen giebt Celsus Recht, wenn er
diesen Ausspruch des Hippocrates auf die chroni¬
schen Krankheiten beschränkt, „weil bei diesen die
Heilwirkung der gegebenen Arznei oft erst später
erscheint, wenngleich diese vollkommen richtig ge¬
wählt war.“
Solche Fälle vergleicht Galen in seinem Com-
mentar zu diesem Aphorismus mit der Wirkung
des anhaltend auf einen Stein tröpfelnden Wassers,
welcher dadurch langsam , aber unfehlbar ausge¬
höhlt wird.
„So natürlich,“ sagt v. B. weiter, „ein solcher
Hergang bei chronischen Krankheiten ist, so wenig
findet dieser Lehrsatz bei acuten Krankheiten An¬
wendung, wobei schon nach wenigen Stu7ulen } oft
noch weit schneller , eine Wirkung sich bemerkbar
| machen muss, wenn die (homöopathische. Ref.) Arz-
j nei irgend passend gewählt war. In diesen Fällen
wird also die angerathene Consequenz ganz am un-
rechten Orte sein, und so sehr auch die exspecta-
tive Verfahrungs-Methode beim Hippocrates in
Uebung war, so würden wir ihm doch Unrecht
thun, wenn wir annähmen, dass er auch hier be¬
harrlich bei der ersten Ansicht zu verharren ge-
rathen hätte.
(Exspectativ ? Hippocrates spricht in seinen
Aphorismen aber gerade vom Thun, Handeln. Ref.)
Wenn aber dieser scharfe Beobachter damals schon
die Kräfte der Arzneien in ihren feinsten Nüancen
so genau gekannt hatte, wie die Homöopathen, so
würde ohne Zweifel dieser Aphorismus eine ganz
andere Gestalt bekommen und er die Probezeichen
nicht verschwiegen haben, aus denen wir mit
Sicherheit die Kriterien der günstigen oder un¬
günstigen Wirkungen der gereichten Arznei zu be-
urtheilen vermögen.“
„Abgesehen von diesem Allen liegt in diesem
Lehrsatz die dringende Warnung, ja nicht zu leicht
mit den Arzneien zu icechseln } und es ist vielleicht
zu bedauern, dass Hippocrates hier durch die an¬
gehängte Bedingung der sich gleich bleibenden
Zeichen eine Beschränkung ausgesprochen hat, die
nicht immer zulässig ist und leicht zu Missver¬
ständnis führen kann. Wenn nämlich, wie der
Fall oft vorkommt, in den das vollständige Krank¬
heitsbild darstellenden Symptomen einige sich bessern
oder verschwinden, während andere stärker und
deutlicher auftreten, so ist dies allerdings eine Ver¬
änderung in dem ursprünglichen Zeichen-Complex,
und wird mithin leicht Veranlassung geben können,
zu anderen Mitteln überzugehen. Dies darf aber nur
dann ausnahmsweise geschehen, wenn diese Verände¬
rungen nicht innerhalb, sondern ausserhalb der Wir-
| kungsart liegen, und deshalb deutlich und bestimmt
auf irgend ein anderes Mittel hingewiesen wird. Auch
j können bei unnöthig starken oder zu oft xciederhoUen
Gaben augenblickliche, oft lästige Nebenwirkungen
auftreten, die indessen nur dann Berücksichtigung
verdienen, wenn sie neben den übrigen Zeichen
fortdauern oder fremdartige Erscheinungen dar¬
bieten. Sicher ist es indessen, dass von Seiten
der Aerzte unendlich öfter durch zu häufiges
Wechseln der Arzneien gesündigt wird, als durch
■ übertriebene Consequenz, und es ist zu bedauern,
dass es nur gar zu häufig an der erforderlichen
Mittelkenntniss liegt, wenn solche Fehler begangen
I werden. Tritt nun noch gar der weitverbreitete
Digitized by
Google
195
Irrt]ium hinzu, dass die Arznei unmittelbare Hilfe
schafft, und man der Lebenskraft keine Zeit gönnt,
ihre unentbehrliche Reaction zur Geltung zu bringen,
so wird die Sache doppelt schlimm, und bei ge¬
fährlichen Erkrankungen eben durch solche Ueber-
eilungen und vorzeitiges Wechseln der Mittel das
Endresultat beklagenswert!!.“ So weit Bönning¬
hausen, der, ein Meister in der Mittelkenntniss
und in der Kenntniss der Wirkungsdauer der Arz¬
neien, wohl befugt dazu war, ein Votum über
diesen wichtigen Aphorismus abzugeben.
Da die Wirkungsdauer der Arzneien, zumal
einer einzelnen Gabe, bei der hier besprochenen
Frage sehr in’s Gewicht fällt, so halten wir es
für erspriesslich, dieses Thema wieder einmal zu
allgemeinem Nutzen und Frommen zu besprechen.
Das§ grosse Gaben oft sehr lange wirken, da¬
für haben wir wohlbeglaubigte Zeugnisse.
Dr. Fleischmann, ein Mitglied der Wiener
Prüfungsgesellschaft, nahm 10 Tropfen der Colo-
cynthis-Tinctur und bekam danach einen Blutab¬
gang durch den After, welcher ein Jahr lang täg¬
lich, unter brennenden Schmerzen am After, wieder¬
kehrte. Der Prüfer hatte vor diesem Experiment
niemals eine solche Blutung gehabt.
Kopp erzählt in seinen Denkwürdigkeiten von
einer Frau, welche wegen Gallensteinen und spar¬
samen Urinabgangs eine Zeit lang rectificirtes
Terpenthin Oel in gesteigerter Gabe, zuletzt Abends
und Morgens je 30 Tropfen bekam, bei der nach
8 Tagen ein Veilchengeruch des Urins sich ein¬
stellte. Diesen Geruch behielt der Urin noch
14 Tage, nachdem sie die letzte Gabe des Mittels
eingenommen hatte. — Freilich ist in diesem Falle
das Mittel längere Zeit und in verhältnissmässig
grossen Dosen gegeben worden, so dass er schon
an eine chronische Arzneivergiftung streift.
Wie steht es aber mit der Wirkungsdauer
kleiner Gaben?
Hahnemann’s Ansicht ist wohl begründet, dass
grosse Gaben von manchen Mitteln nur darum fast
keine anderen Symptome, als Erbrechen, Durch¬
fall, Schweiss und Harnfluss bewirken, weil sie
durch diese Wege zu schnell aus dem Körper ent¬
fernt werden, um auf ihn ihre specifischen Wir¬
kungen ausüben zu können, während kleine Dosen,
welche keinen so gewaltigen Sturm erregen und
nicht so schnell ausgeschieden werden, Zeit ge¬
winnen, den Organismus zu beeinflussen und ihn
zur Reaction anzuregen. Es hängt aber die Wir¬
kungsdauer einer Arznei, d. h der Zeitraum,
während dessen sie krankhafte Erscheinungen im
Organismus hervorzurufen vermag, von der Länge
oder Kürze ihres Verbleibens in diesem ab.
Indessen hängt die Wirkungsdauer auch von
der Eigenthümlichkeit und Natur der Arzneistoffe
selbst ab. So wissen wir, dass Kampher, Moschus,
Blausäure (Laurocerasus), Opium, Amylnitrit, Aether
u. A. eine sehr kurze Wirkungsdauer haben.
Eine andere Reihe haben eine mittlere Wir¬
kungsdauer von 4, G, 8, 12 Tagen; hierher ge¬
hören z. B. Bryonia, Pulsatilla, Rhus, Rheum.
Eine dritte Klasse endlich wirkt langsamer, aber
tiefer und nachhaltiger, mit einer Wirkungsdauer
von 15, 20, 30, 40 Tagen und darüber. So die
meisten Arzneien aus dem Mineralreich, die
Mineralsäuren, ebenso Schwefel, Merkur, Thuja,
Aurum u. A.
Sodann hat aber auch die Natur der zu heilen¬
den Krankheit einen bedeutenden Einfluss auf die
Wirkungsdauer des Mittels; es ist ein Unterschied,
ob man es mit einem langwierigen chronischen
Leiden zu thun hat, dessen Verlauf ein langsamer,
wobei der Organismus schwerer aus seinem labilen
Gleichgewicht und zur Reaction auf den Arzneireiz
zu bewegen ist, oder mit schnellverlaufenden, fieber¬
haften Krankheiten.
In letzteren wirken die Arzneien, selbst die,
welche sonst eine längere Zeit zur Entwicklung
ihrer Wirkung bedürfen, schneller, aber ihre Wir¬
kung läuft dafür in kürzerer Zeit ab; ihre Energie
bricht sich bald in der Intensität der Erkrankung.
In chronischen, zumal constitutioneilen Krank¬
heiten jedoch, mit Atonie der Gewebe, gewohn-
heitsgemässen, stationären Zuständen, wird der
Arzneireiz eine langsamere und weniger energische
Reaction hervorrufen, aber seine Einwirkung wird
sich längere Zeit hindurch entfalten. Daher werden
auch in chronischen Leiden die Wirkungen klein¬
ster und feinster Arzneigaben, selbst in den mehr
peripheren Theilen, wie Drüsen und Knochen, lange
wahrgenommen. (Schluss folgt.)
Phosphor in einem Falle von Lebercirrhose.
Von Dr. Haridas Chakravarti Serampar,
Bengalen, Indien.
Sehr geringe Dosen von Phosphor, Monate lang
fortgegeben, bringen bei Menschen und Thieren
eine wirkliche Cirrhosis der Leber mit Gelbsucht
hervor. Der folgende Fall will darthun, dass
Phosphor eine Lebercirrhose, eben wenn sie von
ausgesprochener Gelbsucht begleitet ist, zu heilen
vermag.
Es handelt sich um einen 36jährigen Mann,
einen Landpächter. Seine wohlhabende Familie ist
seit mehr als drei Generationen einem indolenten
und unthätigen Leben ergeben. Sein Vater war
ein Hypochondrist, litt beständig an Hämorrlioidal-
beschwerden, und wurde in seinen letzten Lebens¬
jahren völlig geisteskrank; das geschah aber nach
25 *
Digitized by ^»ooQle
196
der Geburt des Patienten. Die Mutter befand sich
in guter Gesundheit. — Seit seiner Kindheit litt
er an häufigen Anfällen von Diarrhöe, Prolapsus
ani und Bl&hsucht, besonders bei Nacht, während
Morgens und Vormittags Flatus in enormer Menge
abgingen.
In seinem 12. Jahre peinigte ihn eine Art
Kopfschmerz fast ein Jahr lang, der den Tag über
anhielt und nur nach Sonnenuntergang etwas nach-
liess. Seitdem war er periodischen Anfällen von
Kopfschmerz, die alle zehn oder zwölf Tage ein*
traten, unterworfen. Vier oder fünf Jahre später
fing er an häufig zu uriniren, und ging der Urin
unter Brennern durch die Harnröhre; ob dabei ein
Eiterausfluss stattgefunden, dessen kann er sich
nicht entsinnen. Zur Zeit dieses schmerzhaften
Urinirens fühlte er sich fieberhaft mit Brennen in
den Händen, Füssen und Augen des Nachmittags.
Dies verging in Monatsfrist ohne jede Behandlung,
indem er aus Furcht vor Schande diese Sache ge¬
heim hielt. Im Alter von 21 Jahren litt er an
Dyspepsie und Melancholie, weswegen er allopa¬
thische und einheimische Aerzte zu Rathe zog;
aber ihre Bemühungen erwiesen sich innerhalb
eines Jahres und darüber erfolglos. Er entzog sich
schliesslich denselben — und allmählich ward es
etwas besser damit, aber sein geistiger Zustand
wurde mittlerweile so schlimm, dass er wieder einen
Arzt herbeirufen musste.
Seit dem Juli des folgenden Jahres wurde er
viel durch Fieber und blutige Darmentleerungen
mit Prolapsus vor und während der Stühle beun¬
ruhigt. Das Bluten war nach 35 tägiger Behand¬
lung durch einen allopathischen Arzt etwas besser,
doch traten bei jeder Regenzeit die Blutungen wie¬
der auf. 1890 ging er nach Jessere, wo er etwa
ein Jahr als reisender Beamter lebte, und kam
dann äusserst geschwächt von Diarrhöe, Blutungen,
hektischem Fieber, Dyspepsie und Ascites, zurück.
Zwei Jahre später hatte er einen Ausschlag in der
linken Lendengegend, der durch ein äusserliches
Mittel beseitigt wurde. Bis zum Herbst 1895 zeig¬
ten sich gelegentliche hämorrhoidalische Blutungen.
Im December desselben Jahres trat er in die Be¬
handlung eines Arztes der alten Schule, der den
Fall als „Cirrhosis der Leber“ diagnosticirte und
Lactopepsin und Peptofer verschrieb. Dies brachte
nach 6 Monaten etwas Besserung. Aber im Octo-
ber 1896 stellte sich wieder Fieber und Diarrhöe
ein, und liess er nun den Verf. am 16. November,
4 Uhr Nachmittags rufen, der folgenden Zustand
an traf:
Status praesens. T. 103,6° F., mit Brennen
über den ganzen Körper, das von Mittag bis Abend
ganz besonders sich steigerte. Durst massig. Kein
Schweiss. Schlaf in der Nacht sehr unruhig. Augen
und das ganze Aussehen anämisch und krankhaft
gelb. Diarrhöe von grauen, wässerigen Entlee¬
rungen mit Prolapsus. Heisshunger mit Leerheits¬
gefühl im Magen. Unterleib aufgetrieben; häufiger
Abgang von Flatus und Ructus, leer oder mit dem
Geschmack des Genossenen. Der Urin spärlich und
hochgefärbt. Der Geist schwach, kann sich nicht
lange auf einen Gegenstand richten, ängstlich, un¬
ruhig. Füsse ödematös, im Bauch Ascites, während
der Körper sonst höchst abgemagert ist. Etwas
trockner Husten, schlimmer von Trinken. Bei der
Percussion hört man die Dämpfung his zum Inter-
costalraum zwischen der 7. und 8. Rippe, während
die vordere Lebergrenze an 8 / 4 Zoll unter dem
Rippenbogen zu fühlen ist. Die Lebergegend ist
aber nicht druckempfindlich. Da der Kranke sehr
anämisch und durch vielen Blutverlust .schwach
war, so gab Verf. das hier angezeigte Mittel, den
Phosphorus, in der 6. Dil. 4stündlich.
17. November, 9 Uhr Vormittags. T. 100° F.,
Phosph. cont. T. 5,30 Abends 104,8° F., deut¬
liche Verschlimmerung. Seit voriger Nacht kein
Stuhl. Mittel ausgesetzt.
18. November. T. Morgens 101,4° F. Eine
Abwaschung mit lauem Wasser um 1 Uhr. Diät:
Milch und Sago.
19. November. Letzte Nacht leichter Schweiss.
T. 99,6° F. Morgens, 102,8° F. Abends. Placebo.
20. November. Morgen-T. 100,4° F., Abends
103,8° F. Phosphorus 30. alle 6 Stunden.
21. November. Morgen-T. 98,4 F., um 2 Uhr
Nachmittags 102°, und Abends 7 Uhr 100,6° F.
Es ging ein gesunder Stuhl von gelblich-weisser
Farbe um 11 Uhr Vormittags ab. Phosph. 30. cont.
22. November. Hat die vergangene Nacht besser
geschlafen. T. stieg Nachmittags auf 101° F. und
sank Abends 10 Uhr auf die Norm. Phosph. 80.
28. November. Kein Fieber. — Placebo.
24. November. Entschieden besser. — Keine
Medicin.
Verf. sah ihn später im Februar v. J. wieder
als einen ganz anderen Mann, voll Kraft und Blut.
Am 10. Mai 1897, gerade vor dem Niederschreiben
dieses Artikels, untersuchte er ihn noch einmal:
die Leberdämpfung ging bis an die 6. Rippe. Er
sah in jeder Beziehung wie ein gesunder Mann
aus und sagte auch, er habe sich schon seit vielen
Jahren nicht so wohl gefühlt wie jetzt: nur der
Mastdarmvorfall belästigte ihn.
Bemerkung des Verfassers: ,,Die Fähigkeit von
Phosphor, Cirrhose hervorzurufen, ist wohlbekannt.
Und dennoch bezweifeln manche unserer Berufs¬
genossen dessen Heilwirkung in dieser Krankheit,
obwohl einige damit erlangte gute Erfolge von
Dr. Salzer und Coolemann berichtet worden sind.
Gleichwohl bin ich geneigt anzunehmen, dass
Digitized by k^ooQle
197
Mangel an sorgfältiger Forschung nach der Ge- 1
saramtheit der Symptome und der constitutionellen
Eigentümlichkeiten des Kranken gemeinhin zu
einem Misserfolg führen. Ein Mittel, mag es auch
immer im menschlichen Organismus den nämlichen
pathologischen Zustand erzeugen, wird dennoch
nur selten eine Heilung bewirken, wenn es seiner j
Pathogenese nach sich nicht als Simillimum zu des j
Kranken Symptomen verhält. Aus dem hier mit-
getheilten Fall geht hervor, dass Phosph. bei Cir-
rhose von Personen mit hämorrhagischer Diathese,
ohne Complication mit Malaria oder Syphilis, ein
zuverläs9liches Mittel ist.
(North American Journal of Homoeopathy.
November 1897.)
Diese Beobachtung unseres hindostanischen Col-
legen ist ebenso interessant als lehrreich; wir unter¬
schreiben seine Ansicht, dass Phosphor nicht jeden
Fall von Leber-Cirrhose heilen wird, sondern nur
einen solchen, wo neben der pathologisch-anatomi¬
schen auch eine symptomatische Uebereinstimmung
zwischen dem Mittel und dem concreten Krankheits¬
fall gegeben ist. Dr. Mossa.
Die Zustände des Auges diagnostisch bei
allgemeinen Krankheiten.
Nach Dr. D. A. Mao Lachlan in Detroit, Mich.,
Transact. 1898, S. 398.
Von Dr. Th. Kafka in Karlsbad.
(Schluss.)
Zusammenziehung der Pupillen wird hervor¬
gerufen durch: Wahnsinn, Dementia paretica, Epi¬
lepsie oder Hysterie (im frühesten Stadium), Ataxie
locomotrice, multiple Neuritis, Schlaf, Athemlosig-
keit, Sclerose, und durch folgende Mittel: Eserin,
Curare, Chloral, Chloroform (Erweiterung verkündet
drohende Erstickung), Jodoform, Muscarin, Pilo¬
carpin, Physostigmin, Opium, Tabak etc.
Myose und Ungleichheit der Pupillen ist charak¬
teristisch für Tabes, Hysterie, Neurasthenie etc.
Reflexstarre der Pupille ist diagnostisch für
Bulbarparalyse, Sclerose und paralytischen Blödsinn.
Eine paradoxe Reaction der Pupille, Erweiterung
bei Licht und Zusammenziehung bei Dunkelheit :
wird bemerkt bei Kohlenoxydgas- und Leuchtgas- j
Vergiftung. Hippus oder schnell wechselnde Zu- i
sammenziehung und Erweiterung der Pupille ist ein
für Hysterie charakteristisches Symptom, ebenso
für Epilepsie und andere Zustände.
Laminirte Cataracta ist ein Symptom der Rha-
chitiker. I
Erkrankungen der willkürlichen Augenmuskeln
sind oft sehr behilflich bei den Bestimmungen von |
Gehirnverletzungen; sie bestehen entweder aus |
Krämpfen oder Lähmungen. Grössere Reizbarkeit
der Gesiclitscentren verursacht Krämpfe, während
Zerstörung desselben Theiles Lähmung hervorruft.
Oftmals ist der Krampf nur das erste Stadium der
Lähmung und einer ist gewöhnlich so wichtig als
der andere, bei der Bestimmung des Sitzes der
Krankheit. Bei der Apoplexie sind Kopf und Augen
gegen die Seite der Erkrankung gewendet (deviatio
conjugata) und Erschlaffung aus dieser Stellung,
besonders wenn der Kopf und die Augen nach der
entgegengesetzten Seite gedreht werden können,
zeigen Heilung an. Die conjugirte Deviation ist
gewöhnlich auch bei Gehirnabscess zugegen und
im Laufe eines andern Gehirnschlages oder Ab-
scesses, wenn frische Reizungssymptome (Krampf
und Lähmung verschiedener Art) sich dazugesellen,
kündigen Bluterguss, beziehungsweise Eiterung
in den Ventrikeln an. Reizungssymptome (Krampf,
Zucken, Nystagmus, Myosis, conjugirte Deviation etc.)
zuerst und später Lähmung zeigen das allmähliche
Anwachsen einer Gehirngeschwulst an: dasselbe
kann man behaupten von der Basilarmeningitis,
bevor und nachdem Exsudation erfolgt ist und von
Gehirnblutung und anderen Gehirnzuständen, die
innerhalb von Minuten, Stunden oder Tagen zu¬
nehmen; Symptome, die zuerst von Reizung her¬
rühren, später paralytisch werden, je nach der Zu¬
nahme oder Ausdehnung der Erkrankung. Nystagmus,
ein ziemlich seltenes Symptom bei Gehirnerkrankung,
ist bei multipler Sclerose gewöhnlich so häufig, dass
es dafür diagnostisch ist. Der Nystagmus rührt
her von Unterbrechung der Leitung zwischen der
Oculomotoriusrinde und den Kernen der Augen¬
muskeln und davon kommt dann die Läsion. Die
davon betroffenen Gehirnbestandtheile sind die
Rinde (Centren allerersten Ranges), Kerne (Nuclei,
Cdntren niedrigsten Ranges), die Nervenstämme
(Basal) oder die Faserstränge, die die Kerne mit
den Nervenstämmen verbinden.
Die folgende Tafel mag bei der Diagnose der
Lage der Erkrankung behilflich sein, während an¬
dere sich dazu gesellende Symptome ihre Be¬
schaffenheit (Charakter) erklären dürften:
Gelähmte Muskeln oder
Nerven.
Nur ein Muskel (Oculomo-
torius).
Conjugate Paralysis oder
Abweichung (Erkran
kungen von associirten
Centren).
Die äusseren Augenmus¬
keln allein (Accommo-
dation und Convergenz
erhalten).
Sitz der Erkrankung.
Unter den Kernen (nuclei),
(ausgenommenPtose,die
cortikal sein kann).
Die Kleinilirnschenkel,
Federn (Pennae), vier¬
eckigen Körper (cor
pora quadrigemina) und
die grossen Gehirngang
lien (Sehhügel etc.).
Kerne (schliesst eine ba
silare Erkrankung aus>.
Digitized by
Google
Gelähmte Muskeln oder
Nerven.
Sitz der Erkrankung.
Abducens und Facialis Wahrscheinlich nucleär.
zusammen.
Oculomotorius eines Au¬
ges mit entgegengesetz¬
ten Extremitäten.
Abducens und Facialis mit
Extremitäten.
Die ganze Reihe der Ge¬
hirnnerven
Anfang der Neuralgie des
fünften.
Ein optischer Nerv (colla-
terale Erblindung).
Pedunculi cerebri.
der
Augen¬
lähmung
mit
Schmerz oder Empfind¬
lichkeit der Orbita
Tief gelegene Geschwulst
Glotzen des Auges
EinseitigeEntzündung des
Opticus
Berichtet von Trauma
Die hintere Seite
Federn (Pennae).
der dritte .
der fünfte
der siebente! Gehirnbasis.
Opticus
olfactorius '
Gehirnbasis.
Gehirnbasis unterhalb der
Sehnervenkreuzung.
Innerhalb
der Orbita
äusserlich.
Hemianopsie oder Verlust der einen Hälfte
des Gesichtsfeldes, ohne dass das Ophthalmoskop
irgendwelche Veränderungen im Augenhintergrunde
zeigt, setzt uns in Stand, eine Läsion des Seh¬
nervenverlaufes zu localisiren. Wenn der Defect
nur für ein Auge bestellt, muss die Störung im
Sehnerven selbst bestehen, gegenüber der Seh¬
nervenkreuzung. In der temporalen Hemiopie
(Verlust der beiden äusseren Gesichtsfelder) be¬
steht die Störung im Chiasma selbst, indem die
auseinanderhakenden Fasern zerstört sind. In der
homonymen Hemiopie ist der Defect symmetrisch,
z B. Verlust der äusseren Hälfte des einen Auges
und der inneren des anderen, die Störung muss
oberhalb der Sehnervenkreuzung liegen. Wenn
noch dazu die Pupille nicht reagirt, wenn Licht
auf den blinden Theil geworfen wird, muss die
Störung bestehen im Verlaufe des Sehnerven, unter¬
halb der Stelle, wo die Fasern an den Nucleus
oculomotorius abgegeben werden, aber wenn die
Pupijle nicht reagirt, muss die Störung oberhalb
dieses Theiles im Thalamus etc. oder selbst in der
Rinde gelegen sein.
Die Entzündung des Sehnerven ist selten eine
locale Erkrankung, deren Diagnose ist von der
grössten Wichtigkeit sowohl für den Augenspecia-
listen als auch für den allgemeinen internen Prak¬
tiker, als sie auch viele Allgemeinerkrankungen
anzeigt. Das Feld für die Diagnose aller vorher
erwähnten Zustände ist ebenso offen für den allge¬
meinen Praktiker, als für den Augenspecialisten,
aber darin ist Geschicklichkeit und Erfahrung beim
Gebrauche des Augenspiegels erforderlich und der
Specialist muss gewöhnlich consultirt werden. Die
Nervenentzündung sollte immer im Verlaufe von
I
i
nervösen Zuständen vermuthet werden, wenn die
Pupille erweitert und das Sehen gestört ist, während
sonst das Auge äusserlich normal zu sein scheint.
Im Verlaufe von Gehirnerkrankungen wird Ent¬
zündung des Sehnerven veranlasst durch Druck
auf denselben innerhalb der Gehirnhöhle, die ein¬
fache Congestion der Pupille hervorruft, oder durch
directe Uebertragung der Entzündung vom Gehirn
entlang dem Verlaufe des Nerven und dessen Ver¬
zweigungen (Neuritis descendens). Gehirntumoren
und Wasserkopf verursachen die ersteren, indem
sie sich nach und nach Raum in der Gehirnhöhle
verschaffen, während die letztere gewöhnlich durch
Gehirnhautentzündung veranlasst wird.
Andere verursachende Krankheiten sind Gehirn¬
blutung, Embolie, Thrombose, Abscess und Ver¬
letzungen; paretischer Blödsinn und multiple Sclerose,
Syphilis, Brigth’sche Krankheit, Diabetes, acute infec-
tiöse Erkrankungen, wie z. B. Typhus, Scharlach,
Masern, Blattern und Diphtheritis, Scrophulose,
Störungen der Menstruation und Schwangerschaft,
acute Anämie, Blei- und andere Arzneivergiftungen
und Erkältung.
In der Gestalt der congestionirten Papille des
Sehnerven ist es fast pathognomiscli für Gehirn¬
geschwülste, die fast in 90 Proc. der Fälle vor¬
handen sind. Eine Untersuchung des Augenhinter¬
grundes wird auch im frühen Stadium der Ge¬
schwulst uns in Stand setzen, eine Diagnose zu
machen. Die Entzündung kann frühzeitig oder
spät eintreten, sie zeigt, dass das Wachsthum zu¬
nimmt und die Prognose ist folglich eine schlechte.
Clioked disk (hyperänmehe Sehnervenpapille) ist
gewöhnlich beiderseitig, aber ein Auge ist oft
zuerst angegriffen. Es entwickelt sich in der Regel
schnell und nach Wochen oder Monaten folgt dar¬
auf eine Atrophie des Gesichtsnerven und eine
mehr oder weniger anhaltende Blindheit.
Einfache Atrophie ist häufig ein Symptom der
locomotorischen Ataxie und zugleich mit der Arpyle-
Robertson’sehen Pupille (keine Reaction auf Licht
und Miose) und Fehlen des Patellarreflexes ermög¬
licht eine rechtzeitige Diagnose des Tabes. Sie
kommt auch vor bei anderen Erkrankungen des
Rückenmarks und des Gehirns und ist fast stets
bilateral, kann aber nicht in beiden Augen gleich¬
zeitig beginnen.
Verschlechtertes Sehen und Entzündung der
Netzhaut sind oft die ersten Zeichen von Nieren¬
erkrankungen. Plötzlicher Verlust des Gesichtes
mit noch vorhandener Pupillenaction bei Erwachse¬
nen und während der Schwangerschaft erfordern
eine Untersuchung des Allgenhintergrundes und des
Harns zugleich. Netzhautentzündung mit den cha¬
rakteristischen gelblichweissen Flecken herum uin
die Ceutralgrube (Fovea centralis) leiten auf die
Digitized by ^»ooQle
199
Bright’sche Krankheit. Netzhautblutungen sind auch
kennzeichnend, da sie oft Gehirnschlagflüssen voran¬
gehen, besonders bei bejahrten Personen.
Disseminirte Choreoditis mit trübem Glaskörper
ist diagnostisch für Syphilis. Plötzliche Erblindung
auf einem Auge mit kirschrothem Fleck in der
Fovea centralis weist hin auf Embolie der Central¬
arterie der Netzhaut und permanente Blindheit und
auf Herzkrankheit. Pulsation der Netzhautarterien,
gleichzeitig mit dem Radialpuls und abwechselnd
mit den Netzhautvenen ist ein Zeichen von Aorta-
insufficienz und selten auch von Erkrankung der
Mitralklappe.
Glotzen des Augapfels ist ein wohlbekanntes
Merkmal der Basedow’schen Krankheit, auch von
Aneurysma der Carotis interna (pulsirender Exoph¬
thalmus) und von Lähmung der Musculi recti.
Das Auge liefert uns auch einige diagnostische
Merkmale für die Leiche. Trübung und Un¬
empfindlichkeit der Hornhaut, Fehlen der Pupillen-
reaction für Licht, der sogenannte Fleck der Sclero-
tica, eine gespaltene (dissecated) Stelle auf der
äusseren oder inneren Seite oder unterhalb der
Hornhaut und Xerosis der Bindehaut und Cornea
entwickeln sich bald nach dem Tode und zeigen
beinahe unfehlbar, dass das Leben erloschen ist.
Viscum album.
Signaturenbild.
Vorbemerkung der Redaction.
In welchem Sinne College Schlegel seine Signa¬
turenlehre aufgefasst hat und sie verstanden wissen
will, darüber hat er sich im vorigen Bande dieser
Zeitung, p. 70, ausgesprochen, nachdem er p. 53
ein solches Signaturenbild von Aranea diadema und
bryonia gezeichnet hatte. — Auf strenge Wissen¬
schaftlichkeit macht seine Naturbetrachtung keinen
Anspruch, sie ist vielmehr eine symbolische, und,
wenn wir das Signaturenbild eines Arzneikörpers
mit den Zeichen zusammenstellen, welche wir durch
die Prüfungen desselben am Gesunden erhalten
haben, so verhalten sie sich etwa wie ein von
einem mit tiefem Sinn für die Symbolik der Natur
begabten Maler gezeichnetes Landschaftsbild zu
einem photographischen Bilde derselben Landschaft.
Und doch enthalten beide die charakteristischen
Züge des Wirkungsbildes, so dass, wenn wir beide
unserem Gedächtniss einprägen, das betreffende
Mittel uns recht lebensvoll, als eigenartiges Indivi¬
duum sich vor uns darstellt. Freilich ohne wissen¬
schaftlichen Untergrund helfen uns die geistvollsten,
symbolischen Naturbetrachtungen nicht weiter —
und das ist auch College Schlegels Meinung: Erst
Prüfung, dann Symbolik!
Die Mistel ist ein halb schmarotzendes Gewächs,
welches wir, nachdem die Bäume ihr Laub ver¬
loren haben, von November bis Mai ziemlich häufig
auf verwahrlosten Obstbäumen beobachten können
in Gestalt grüner oder bräunlichgrüner stark ver¬
zweigter Büschchen. Die Blüthezeit fällt in den
März und April, noch ehe die Bäume ihr Laub ge¬
winnen. Die Frucht ist eine weisse, im Frucht¬
fleisch stark klebende Beere, aus welcher der* Vogel¬
leim bereitet wird. Das Schmarotzerthum besteht
darin, dass die Mistel Wasser und Mineralsubstanzen
der Unterlage (meist einem Apfelbaum) entnimmt,
während die weitere Stoffaneignung aus der Atmo¬
sphäre und die Umbildungen im Innern des
Pflanzenkörpers von den lederartigen grünen
Blättern besorgt werden. Diese sind ausdauernd
und verarbeiten das Licht im Winter und Früh¬
jahr ungehemmt, während sie sich im Sommer mit
dem Schatten der Baumkrone begnügen müssen.
Durch das Schmarotzerthum mag eine bedeutungs¬
volle Arbeitsersparniss in der Mistel bewirkt wer¬
den, wodurch ungewöhnliche Kräfte frei werden
mögeu. Die Mistel symbolisirt in einem gewissen
Maasse Krankheiten des Nervensystems, besonders
seiner Centralgebilde, des Gehirns und Rücken¬
marks. Die Analogie liegt schon darin, dass auch
das Centralnervensystem eine gewisse ausgiebige
Parasitenstellung innerhalb unseres Stoffumsatzes
einnimmt: es bedarf einer sehr reichlichen arteriellen
Blutversorgung, welche es den Blutbahnen ent¬
nimmt, die ganz vorwiegend für den stofflichen
Träger unserer höchsten Functionen zur Verfügung
gestellt sind. — Die Verbreitung der Mistel ge¬
schieht durch Vögel, welche das Fruchtfleisch ver¬
dauen und manchen klebrigen Samen auf einen
Bauinzweig niederlegen. — Auch hierin mag eine
Analogie gefunden werden: wie die Mistel selbst,
kommen die ihr entsprechenden Krankheiten „nur
so angeflogen d. h. sie sind, wie Epilepsie, Chorea
nicht in der Constitution erkennbar begründet, und
man hat ihnen gegenüber in besonderem Maasse
den Eindruck des „Zufalls“. — Die sehr auffallende
dichotome Verzweigung der Mistel legt weiterhin
die Vermuthung nahe, dass in der Anordnung der
fast wagrecht auseinanderfliehenden Aestchen starke
polare Gegensätze zum Austrag kommen. Man
kann diese eigenartige Verzweigung Krampfstellung
nennen. Wir finden solche — wenn auch in etwas
geringerem Maasse — bei Hypericum perforatum
wieder, ebenso bei Cichorium intybus. Hypericum
ist ein bewährtes Wundkrampfmittel; über Cichorium
ist mir nichts bekannt. — Während nun die vege¬
tativen Sprossen der Mistel so auseinanderfliehen,
sind die achselstäudigen Früchte zum besten Kleb¬
mittel geworden, auch ein stark gegensätzliches
Verhalten! Ich stelle mir vor, dass Krankheiten,
Digitized by
Google
200
die durch Mistel heilbar sind, ihre Verschlimme-
rungszeit im Spätherbst, Winter und Frühjahr haben, I
wo die Gedeihensbedingungen der Pflanze gegeben |
sind. Ferner werden besonders Zustände, die auf 1
paroxysmatische Ausgleichung hinstrebeu, ohne Pro- j
duktbildungen in functionellen Entladungen bestehen, !
entsprechen. Hierher gehören: Epilepsieen, Chorea, 1
Rheumatismen, Neuralgieen, wie auch die Erscheinun- |
gen, welche die monatliche Periode und die Ausstossung |
der Frucht nebst Nachgeburt betreffen, denn diese
beiden Vorgänge sind Auslösungen durch Nerven- j
Vermittelung. Für die Verschlimmerungsbedingun- '
gen in den genannten Jahreszeiten, sowie für Men¬
struation, Geburt und 7 Nachgeburtsperiode liegen
klinische Bestätigungen vor. —
Ich würde auch Keuchhusten dem Wirkungs¬
kreis der Mistel zuweisen (wegen des ausgesprochen
paroxysmatischen Charakters der Krankheit), wenn
die Mistelblätter mehr athmende Oberflächenentfal¬
tung darböten. Dieselben sind aber vielmehr dick
von Parenchym, glatt und ohne Randentfaltung,
sodass ihre Oberfläche bei Abwesenheit jeder Un¬
ebenheit, Kerbung oder Zahnung eine nur sehr
sparsame Fläche darbietet und demgemäss mehr
den compacten Organen der Assimilation, als dem
lufttauschenden Lungengewebe entspricht. I
Aufruf zur Betheiligung an Arzneiprüfungen.
Der homöopathische Centralverein Deutschlands
hat in seiner letzten Versammlung in Elberfeld
officiell beschlossen, dass die Arzneiprüfungen weiter
fortgesetzt werden sollen im Zusammenhang mit
den übrigen bekannten Arbeiten. Wir haben aus
den gleichen Bestrebungen früherer Zeiten gelernt,
dass nur unausgesetztes, breit angelegtes, gemein¬
schaftliches Arbeiten zu dem Ziele führt, die Ho¬
möopathie und damit jeden einzelnen ihrer Vertreter
auf diejenige Höhe allgemeiner Achtung zu heben,
die sie verdient; wir sind fest entschlossen, diesen
Weg unbeirrt weiter zu verfolgen und bitten jeden
Collegen um seine Unterstützung. Die bisherigen
Erfahrungen hinsichtlich der Arzneiprüfungen lassen
es empfehlenswerth erscheinen, dass nur ein Mittel
gleichzeitig von möglichst zahlreichen Vereinen und
Collegen in Angriff genommen werde, um ein nach
jeder Richtung hin vorurtheilsfreies und erschöpfen¬
des Resultat zu erzielen.
Zunächst ist Lathyrus sativus zur Prüfung ge¬
wählt worden, ein Mittel, welches nach seinen bis¬
her bekannten Eigenschaften zu schliessen, unseren
Arzneischatz namentlich hinsichtlich der Behandlung
von Erkrankungen des Central-Nervensystems in
sehr werthvol Weise ergänzen und bereichern
dürfte.
Herr Commerzienrath Dr. Willmar Schwabe in
Leipzig, Querstrasse 5, hat sich mit grossherziger
Liberalität erboten, den Theilnehmern an der Prü¬
fung das Mittel in beliebiger Potenz zur Verfügung
zu stellen. Die Collegen mögen sich also unter
Berufung auf diesen Aufruf möglichst bald und
möglichst zahlreich an die angegebene Adresse
wenden.
Die Bearbeitung der Prüfungsresultate hat Col¬
lege Schier in Mainz , Schottstrasse t , übernommen;
derselbe ist gern bereit, jede gewünschte nähere
Auskunft zu ertheilen und bittet die Prüfer, ihre
Adresse ihm anzugeben, thunlichst sofort die Ar¬
beit in Angriff zu nehmen und alsbald nach Fertig¬
stellung derselben an ihn einzusenden ,>[ 80 dass
spätestens bis März 1900 sämmtliche Protokolle ein¬
geliefert sind. No. 13| 14 des 139. Bd. der Allg.
homöopath. Zeitung hat eine Anleitung zur einheit¬
lichen Inangriffnahme der Prüfungen gebracht.
Einige Collegen werden zweifellos in der Lage
sein, auch Thierversuche zu veranstalten, deren
Ergebnisse zur Feststellung der physiologischen
Wirkungssphäre ebenso nothwendig wie anderseits
zur Bestätigung und Ergänzung der am Menschen
gewonnenen Resultate wünschenswerth sind.
Gerade der jetzige Zeitpunkt erscheint zur
Wiederaufnahme von Arzneiprüfungen besonders
günstig, nachdem im homöopathischen Centralverein
frisches Leben zu pulsiren beginnt und auch eine
grosse Anzahl junger Collegen unserer therapeuti¬
schen Richtung sich angeschlossen hat, welche ge¬
wiss gerne bereit sind, ihr wirkliches Interesse für
die Sache durch positive wissenschaftliche Mitarbeit
zu documentiren. Ja, es ist geradezu nothwendig,
diesen jüngsten strebsamen Collegen durch Ver¬
anstaltung von Arzneiprüfungen Gelegenheit zu
geben, sich in homöopathische Anschauungen gründ¬
lich einzuarbeiten.
Hinter diesen werden die bereits in der homöo¬
pathischen Praxis Erfahrenen sicherlich um so
weniger zurückstehen wollen und dürfen, als ge¬
rade ihnen die Thätigkeit am Krankenbette jeden
Tag aufs Neue die Nothwendigkeit des Ausbaues
unserer Materia medica durch Neuprüfung und
Nachprüfung vor Augen führt.
Dass jeder einzelne Prüfer auch persönlichen
Vortheil von seiner Arbeit hat, braucht kaum be¬
sonders betont zu werden; nur wer selbst Mittel
geprüft hat, vermag in die Tiefe der homöopathi¬
schen Arzneimittellehre einzudringen und sich über
die wichtigsten Theoreme unserer Therapie ein
eigenes Urtheil zu bilden.
Unmöglich endlich ist es keinem Collegen, hier
positiv mitzuarbeiten, sei er auch noch so beschäf¬
tigt; einige Minuten pro Tag zur Führung des
Protokolls kann jeder erübrigen, und wem günstige
Digitized by c^ooQie
Verhältnisse und eigene Tüchtigkeit eine grosse
homöopathische Clientei verschafft haben, eben der,
meinen wir, hat am ersten auch die moralische
Pflicht, mitzuthun am wissenschaftlichen Ausbau
unserer Therapie.
Schaden an seiner Gesundheit braucht von den
Experimenten Niemand zu befürchten; steht ja doch
jedem Theilnehmer die ganze Scala der Potenzen
zur Verfügung; auch ist das diesjährige Mittel kein
intensiv giftig wirkendes. —
Die Erfahrungen des Berliner Vereins haben
überdies ergeben, dass die Mitglieder der Laien¬
vereine, unter entsprechender Anleitung und Be¬
aufsichtigung, zuweilen gute Resultate erzielen; wo
kein Verein zur Verfügung steht, da findet doch
wohl jeder College in seiner Clientei manche ver¬
trauenswürdige und eifrige Mitarbeiter.
Also frisch auf zur That!
Bis dat, qui cito dat!
Dr. Gisevius II. Dr. Kröner.
Dr. Schier, Mainz, Schottstr. 1.
Unsere Aufgabe.
Von Dr. Mittelstaedt-Bromberg.
So oft sich nur die Gelegenheit bot, über den
Werth der Homöopathie mit medicinisch Gebildeten
oder I>aien ins Gespräch zu kommen, immer wurde
mir der Mikrodosismus als das Charakteristicum der
Homöopathie entgegengehalten. Ja, selbst solche
Personen, welche die Homöopathie in Folge eigner
Erfahrungen hochschätzen oder, wie der vulgäre
Ausdruck lautet, „au die Homöopathie glauben“,
waren erstaunt, wenn ich die Behauptung zurück¬
wies und auf die Unterschiede unserer Heilmethode
gegenüber der Schulmedicin aufmerksam machte.
Zuerst führte ich immer die Prüfung eines ein¬
fachen Arzneimittels am gesunden Menschen an.
Es würde nicht in den Rahmen dieser Skizze ge¬
hören, wollte ich auch nur einigermassen alle Aus¬
sprüche anführen, welche die hier zu erwähnenden
Punkte betreffen. Es wird aber für uns von grossem
Interesse sein, die Ansichten zweier Männer zu
hören, deren Aeusserungen fast ein Jahrhundert
auseinanderliegen. Der eine, der Begründer und
Grossmeister unserer Heilwissenschaft, Hahnemann,
sagt in seiner „Heilkunde der Erfahrung“ 1805
Folgendes über die Arzneiprüfung am gesunden
Menschen mit einfachen Mitteln: „Am reinsten zeigen
die Arzneimittel die Natur ihrer krankhaften Potenz
und ihre absolute, wahre Wirkung im gesunden,
menschlichen Körper, wenn man jedes allein und
und unvermischt nehmen lässt. Die wohlthätigsten
Wirkungen hervorzubringen, ist stets ein einziges
einfaches Mittel geeignet, ganz ohne Zusatz; wenn
es nur das bestgewählte, das passendste, in der
rechten Gabe ist. Nie ist es nöthig, ihrer zwei zu¬
sammenzusetzen. 11
Der andere ist der Pharmakologe H. Schulz in
Greifswald. Viele seiner Schüler haben durch ihre
Betheiligung an den Arzneiversuchen am gesunden
Menschen den grossen Werth derselben kennen ge¬
lernt. Schulz spricht sich in seiner Pharmako¬
therapie 1898 folgendermassen aus: Die Pharma¬
kologie sei ,,berufen, der Pharmakotherapie vor¬
zuarbeiten und für auf ihrem Gebiet erzielte Resultate
die wissenschaftliche Erklärung zu suchen“. Man
müsse vom gesunden Menschen, und nicht vom
Thiere, auf den kranken Menschen schliessen, denn
,,was ich am Herzen des Frosches geschehen sehe,
beweist nichts für die Annahme, dass es beim
Warmblüter auch so sein muss. Schon die ein¬
fache Ueberlegung der anatomischen Verhältnisse
weist darauf hin. Und was ich am Hunde, Kanin¬
chen, Meerschweinchen lerne, nutzt zunächst gar
nichts für eine unmittelbare Schlussfolgerung auf
entsprechendes Verhalten des Menschen und seiner
Organe. Wenn irgendwo, gilt in der Pharmako¬
therapie das Wort: Individualisiren.“
Nachdem ich in dieser Weise den Arznei versuch
am gesunden Menschen in Anlehnung an Hahne¬
mann, Schulz u. A. gerechtfertigt hatte, wurde mir
gewöhnlich entgegengehalten, dass unsere homöo¬
pathische Arzneimittellehre nur eine Sammlung von
Symptomen wäre. Woran sollen wir denn die Krank¬
heiten erkennen, wenn nicht an den subjectiven
und objectiven Symptomen, die uns der Kranke
bietet? Ebenso wie Virchow bei Abfassung der
Sectionsprotokolle keine Diagnose gestattet, sondern
nur eine ganz genaue, objective Beschreibung des
Befundes, so dass der pathologische Anatom aus
derselben sich die Diagnose selbst stellen kann;
also wird in unseren Arzneimittellehren von den
Arzneiprüfungen am gesunden Menschen alles Ob¬
jective zusammengetragen und, da wir es hier mit
lebenden, fühlenden Menschen zu thun haben, auch
die subjectiven Empfindungen aufgeschrieben. Nur
auf diese Weise kann ein der homöopathischen
Arzneimittellehre kundiger Arzt die feinen Unter¬
schiede zwischen den einzelnen Mittelbildern er¬
kennen und für einen betreffenden Krankheitsfall
das gebotene Mittel finden, d. h. lege artis indivi¬
dualisiren.
Diese Art der Heilmittelwahl ist das Haupt-
charakteristicum der Homöopathie. Wir, homöo¬
pathischen Aerzte, stellen, soweit es irgend mög¬
lich, die klinische Diagnose, und dann suchen wir
auf Grund des ,,Similia similibus“ das richtige Heil¬
mittel zu finden. Hahnemann hat dieses Aehnlich-
keitsgesetz als einen „Erfahrungssatz“ hingestellt.
Er hat, wie Carl Hencke in der Hoinoeopathic
20
Digitized by c^ooQie
m
Hahnemann’s 1861 ausführt, „nicht für nothwendig
erachtet, den Begriff der Aehnlichkeit zu definiren. i
Und in der That, wer seine Schriften nur mit
einiger Aufmerksamkeit liest, wird nicht im Zweifel
sein, was es heisst: Heile durch Syraptomen-Aehn-
lichkeit. Hat der Arzt den Kranken mit Umsicht
examinirt, unter Berücksichtigung der anamnestischen
Momente alle erforschbaren Symptome und Krank¬
heitselemente zu einem vollständigen, lebendigen
Krankheitsbilde geordnet, so wählt er unter den
am Gesunden bereits geprüften und so hinlänglich
gekannten Arzneien bei Gegeneinanderhaltung des
Symptomen-Inbegriffs des Krankheitsfalles (der Er¬
scheinungsform der Krankheit) gegen die Sym-
ptomen-Reihen der Arznei-Erstwirkung, diejenige
Arznei, welche, ausser den Hauptzeichen der Krank¬
heit, ganz besonders und vorzugsweise den auf¬
fallenderen, sonderlichen, ungemeinen und eigen-
lieitlichen (charakteristischen) Zeichen und Krank¬
heitselementen des Kranken in grösster Zahl uud
grösster Aehnlichkeit entspricht und analog ist, und
wendet die so gefundene homöopathisch passende
Arznei einfach und in feinster Gabe an.“
Es sind im Laufe der Zeit verschiedene Er¬
klärungsversuche des Aehnlichkeitsprincipes auf- j
gestellt. Man findet dieselben in dem vortrefflich
geschriebenen Handbuch zur Kenntniss der homöo¬
pathischen oder specifiscben Heilkunst von L. Griesse-
licli 1848 und in Hirschel’s Corapendium der Ho¬
möopathie 1864. Hirschei sagt: „Gestehen wir es
offen, dass bis jetzt noch Keiner das Räthsel ge¬
löst hat, so Viele sich auch diese Aufgabe gestellt
haben. Alles ist Versuch gehlieben.“ So lange
wir nicht die Anatomie, Physiologie nnd Pathologie
der Zelle, die Lebensvorgänge innerhalb derselben
kennen, werden wir keine Erklärung für das Aehn-
lichkeitsprincip haben. Bakody formulirt es in seiner
Retorsion folgendermassen: „Nach der inductiv-em-
pirischen Hahnemann’schen Methode werden gemäss
der entsprechenden genetischen Phasen der inneren
Krankheitsprocesse solche Arzneimittel in Anwen-
dung gebracht, die im kranken Organismus die¬
selben Gewebe specifisch berühren, in welchen sie,
dem gesunden Organismus ingerirt, ähnliche ana¬
tomisch-physiologische Veränderungen hervorzurufen
vermögen.“
Eine andere Schwierigkeit bietet sich uns noch,
wenn wir uns fragen, was ist ähnlich. In der
Geometrie heisst es: Zwei Dreiecke sind ähnlich,
wenn die drei Seiten in gleichem, proportionalem
Verhältnis stehen, oder wenn zwei Winkel gleich i
sind, oder wenn zwei Seiten in gleichem, propor¬
tionalem Verhältniss stehen und der von ihnen ein¬
geschlossene Winkel gleich ist, d. h. wenn die Ge¬
stalt der Dreiecke gleich, die Grösse aber ungleich
ist. Aus diesem Beispiel sehen wir, dass der Be¬
griff „ähnlich“ ein aus „gleich“ und „ungleich“
zusammengesetzter ist. In der Geometrie ist fest¬
gelegt, was gleich, was ungleich hei dem Aelin-
lichkeitsbegriff ist. Wie steht es aber mit der
Symptomatologie einer natürlichen und einer Arznei-
Krankheit? Wieviel Symptome sollen gleich, wie¬
viel ungleich sein?
Aus allen diesen Gründen glaube ich nicht,
dass wir unsern Fundamentalsatz, dem ich die
grösste Bedeutung für die Auffindung des richtigen
Heilmittels in einer Erkrankung beilege, werden
direct beweisen und erklären können.
Wir werden aber einem Erklärungsversuche
näher kommen, wenn wir unsere Aufmerksamkeit
auf das biologische Grundgesetz von Rudolf Arndt
und die Grundprincipien der Organtherapie von
H. Schulz richten. Derselbe äussert sich in seiner
Pharmakotherapie 1898, wie folgt: „Im Anschlüsse
an das von Pflüger zuerst aufgestellte Zuckungs¬
gesetz hat R. Arndt dessen allgemeine Gültigkeit
für alle Lebenserscheinungen überhaupt dargethan
und darauf sein biologisches Grundgesetz entwickelt.
Dasselbe lautet: ,Kleine Reize fachen die Lebens-
thätigkeit an, mittelstarke fördern sie, starke hemmen
sie, und stärkste heben sic auf, aber durchaus in¬
dividuell ist, was sich als einen schwachen, einen
mittelstarken, einen starken oder sogen, stärksten
Reiz wirksam zeigt.* Geleitet von eigenen Unter¬
suchungen und gestützt auf die in unseren Lehr¬
büchern mitgetheilten Erfahrungen über Arznei¬
wirkungen, ist es mir nachdem gelungen, die Gül¬
tigkeit des Arndt’schen Gesetzes auch für die
Pharmakotherapie darzuthun. Nur müsste zu diesem
Zwecke das obengenannte Zuckungsgesetz, das für
gesunde Organe gilt, dem Verhalten der Kranken
angepasst werden. Die Erweiterung desselben, das
Ritter-Valli’sche Gesetz, kommt bei kranken Organen
in Anwendung. Kranke Organe befinden sich im
Zustande erhöhter Erregbarkeit. Reize, die sonst
vielleicht spurlos an ihnen vorübergehen, auf die
wir vergebens eine Reaction erwarten würden, lösen
bereits Reflexe von wechselnder Intensität aus. So¬
gar längst gewohnte, aber ausserhalb der gewohnten
physiologischen sich befindende Reize werden unter
solchen Umständen unangenehm empfunden, ja,
können direct schädlich wirken. Ein krankes Organ,
ein kranker Organismus sind für äussere Eindrücke,
wie auch in ihrem Inneren sich abspielende Vor¬
gänge empfindlicher, wie im normalen Zustande.“
Hieraus ergeben sich für die Therapie zwei
Gesetze: zuerst die umgekehrte Wirkung des grossen
und kleinen Arzneireizes, dann die grössere Reiz¬
empfindlichkeit des kranken Organs gegenüber dem
gesunden.
Man soll nicht glauben, dass ich mit diesen
beiden Gesetzen etwas Neues in die Homöopathie
Digitized by ^»ooQle
203
hi nein zutrage n beabsichtige. Im Gegentheil ist es
mir ein Leichtes, aus Hahnemann’s Schriften zu
beweisen, dass ihm diese beiden Gesetze sehr gut
bekannt waren. Nehmen wir z. B. seine „Heil¬
kunde der Erfahrung“ in die Hand, so finden wir
darin Folgendes geschrieben: ,,Bei der Einwirkung
der einfachen Arzneien auf den gesunden mensch¬
lichen Körper entstehen zuerst Phänomene und
Symptome, welche die von diesem Arzneimittel spe-
cifisch zu erwartende positive Krankheit genannt
werden kann oder ihre positive, primäre (erste und
vorzüglichste) Wirkung. Ist diese vorüber, so er¬
folgt in schwer zu bemerkenden Uebergängen ge¬
rade das Gegentheil des ersteren Vorganges, es er¬
folgen die gerade entgegengesetzten (negativen) Sym¬
ptome als Nachwirkung.“ Später sagt Hahnemann:
,,Wie sehr sich aber die Empfindlichkeit des Kör¬
pers gegen Arzneireize in Krankheiten erhöhe, hier¬
von hat nur der genaue Beobachter einen Be¬
griff.“
Nach diesen kurzen Ausführungen können wir
homöopathischen Aerzte die Aufgaben, die unserer
harren, kurz in folgender Weise zusammenfassen.
Durch unsere Praxis geben wir den Beweis für
die Richtigkeit des Aehnlichkeitsprincipes. Dann
müssen wir, soweit es sich irgend durchführen lässt,
an gesunden Menschen Arzneiversuche anstellen.
Nur dadurch werden wir die allgemein verbreitete
Ansicht über unsere Heilmethode, dass die Klein¬
heit der Arzneigabe im Verhältnis zu der in der
Schulmedicin gebräuchlichen das Wesentliche sei,
umstossen und die Laienwelt auf die Hauptcharakte-
ristica der Homöopathie aufmerksam machen. Ausser¬
dem wäre es für die Verbreitung unserer Heil¬
methode in ärztlichen Kreisen sehr forderlich, wenn
sich in irgend einer unserer Centralen, vielleicht
im Anschluss an eine homöopathische Poliklinik,
ein kleines Institut errichten Hesse, in dem wir die
Beweise für die Fundamentalsätze unserer Heil¬
wissenschaft durch das Experiment an der lebenden
Pflanzenzelle oder am Thierkörper zu vermehren
suchten.
Naphthalin.
Von Dr. Louis Hartmann-New Tork.
Obwohl dieses Mittel noch nicht geprüft wor¬
den ist, hat die klinische Anwendung desselben
seine Brauchbarkeit doch schon in manchen beson¬
deren Fällen erwiesen.
Die allgemeine Wirkung dieses Mittels auf den
menschlichen Organismus ist als eine antiseptische
und antispasmodische bezeichnet. In ersterer Be¬
ziehung hat man es bei Zuständen von Putrescenz,
sp bei stinkenden Diarrhpeen von Phthisis und ty¬
phoidem Fieber, und in Bezug der antispasmodi¬
schen Wirkung bei acuter Coryza, Asthma und
Keuchhusten gebraucht. —■ Auch hat man es bei
Madenwürmern angewandt und in Hautleiden bei
Eczema, Psoriasis und als Antisepticum bei Wunden.
Werfen wir einen Blick auf seine chemischen
und physikalischen Eigenschaften. Naphthalin ge¬
hört in die Reihe der Hydro-Carbonate, ein Product
aus dem Kohlentheer. Es ist ein grauweisses Pul-
I ver mit dem charakteristischen Geruch des Stein-
| kohlentheers und einem brennenden, aromatischen Ge-
' Schmack. In Wasser unlöslich, löst es sich in 15 Theilen
! Alkohol und sehr leicht in Aether, Chloroform, so¬
wie in festen und flüchtigen Oelen. Bei der ge¬
wöhnlichen Temperatur verflöchtet es sich langsam,
wenn erhitzt aber schnell. Sein Dampf ist ent¬
zündbar und brennt mit einer leuchtenden und
nissigen Flamme. Man muss es in wohlverschlosse¬
nen Flaschen aufbewahren. Im menschlichen Kör¬
per hat es eine specifische Beziehung zu den
Schleimhäuten, in denen es eine katarrhalische Ent¬
zündung erzeugt. — Bei Affectionen der Nasen-
| Schleimhaut findet es sich angezeigt bei akuter
I Coryza mit einer flüssigen, ätzenden Absonderung
I und vielem Niesen. — Es passt auch bei spasmo-
i dischen Zuständen der Lunge: die Hustenanfälle
| folgen so schnell aufeinander, dass der Kranke gar
nicht zu Athem kommen kann. — Verf. hat der-
1 artige asthmatische Anfalle durch dieses Mittel
! schnell erleichtert gesehen.
In Keuchhusten haben wir im Naphthalin eins
der wirksamsten Mittel, so hat es der Verf. wenig-
| stens in den letzten zwei Jahren in seiner Praxis
| erfahren.
Jenes Leiden befiel in epidemischer Verbreitung
seine Gegend; nachdem er die die Zeit her ge¬
priesenen Mittel mit wenig oder gar keinem Erfolge
gebraucht, kam er auf Naphthalin, und es gelang
ihm, damit einige der hartnäckigsten Fälle zu hei¬
len. Er wandte es dann in allen Fällen an und
hatte überall gleich günstige Erfolge. Frühzeitig
gegeben kann es die Krankheit abschneiden. Bis¬
weilen ist noch ein anderes Mittel, namentlich Dro¬
sera, zur vollen Heilung erforderlich, das dann
aber auch überraschend wirkt.
Wenn ein Phthisiker jenen quälenden Husten
mit Nachtschweissen und Diarrhöeen hat, wird ihm
Naphthalin sehr gut thun. — Im Mai 1895 wurde
Verf. von einem jungen Manne consultirt, dessen
linke Lunge stark afficirt war. Pat. konnte keine
Nacht schlafen wegen seines Hustens, und wenn er
einschlummerte, weckte es ihn wieder auf. Dabei
erschöpften ihn die Nachtschweisse; bei Tage batte
er überdies mehrere stinkende dünnflüssige Ent¬
leerungen. Die angezeigten Mittel versagten: da
erwies sich Naphthalin als Helfer in der Noth.
26*
Digitized by ^»ooQie
204
Nach zweiwöchentlicher Anwendung war es ent¬
schieden besser; er schlief gut, hatte wieder Ap¬
petit und nahm an Kräften zu. Es ging ihm bis
zum September gut, wo er sich von einem nächt¬
lichen Gelage kommend stark erkältete. Dann
ging es wieder bergab, aber Naphthalin thut ihm
auch jetzt noch gut.
Verf. giebt das Mittel in der I. Verreibung, je
nach den Umständen wiederholt.
(North American Journal of Hom. October 1897.)
X.
Epilepsie.
Ein Fall aus der Praxis.
Von Dr. E. Carleton-New York.
Die Epilepsie hat das Menschengeschlecht seit
Jahrhunderten geplagt. Diese Krankheit ist an¬
dauernd von der Aerzteschaft studirt worden, und
noch ist sie im Grunde nicht verstanden worden.
Die pathologische Anatomie hat uns keine ge¬
nügende Erklärung gegeben. Man hat post mortem
jede Art von Veränderung entdeckt, und doch
wieder Fälle beobachtet, wo jedes Gewebspartikel-
chen in völlig normalem Zustande gefunden worden
ist. Man hat die Krankheit als eine „functioneile“
bezeichnet. Der homöopathische Arzt, der in dieser
wie in allen anderen Krankheitsformen die Gesammt-
heit der bei dem kranken Individuum auftretenden
Symptome und Erscheinungen als die innerste Krank¬
heit auffasst und dies diesem Krankheitsbilde ent¬
sprechende Simile als Heilmittel zu wählen in der
Lage ist, ist besser daran, als der Arzt von der
herrschenden Schule, der mit seinen Bromiden, und
das in starken Dosen, doch nur eine zeitweise
Pallation und einen leichten Intervall zu Stande
bringt, und seinem Kranken noch eine Arznei¬
krankheit aufhängt. Mit einem operativen Eingriff
kann er höchstens auch manchmal beschwichtigend
wirken.
So schrecklich diese Krankheit ist, so ist sie
der reinen Homöopathie doch zugänglich. Bönning¬
hausen soll dreissig Fälle geheilt haben und die
meisten Homöopathen haben wohl von etwelchen
Erfolgen zu berichten. Es scheint wünschenswerth,
von Zeit zu Zeit an diese Thatsache zu erinnern
und einwandsfreie Heilungen auf diesem Gebiete
zu veröffentlichen. Hierzu soll auch der folgende
Fall dienen.
Eine 34j. Frau stellt sich am 19. Januar 1893
mit folgender Krankheitsgeschichte vor:
Vor 7 Jahren brachte sie ein Kind im 7. Mo¬
nate zur Welt. Sie hatte wegen Wassersucht Digi¬
talis, tropfenweise, erhalten. Dieses mag den Tod
des Kindes und die Frühgeburt verschuldet haben.
Das angewendete Heilverfahren war heroische Allo¬
pathie: Curette, Ergotin, viel Whisky. Sechs Tage
nach der Entbindung war sie theilweise gelähmt
durch einen Embolus in der Arteria media menin-
gealis dextra; die Glieder der linken Körperhälfte
wurden allmählich gebrauchsunfähig. Es fand eine
Consultation bedeutender Aerzte, darunter ein
Specialist für Geistes- und Nervenkrankheiten
von internationalem Rufe, statt. Sie verordneten
grosse Dosen von Jodkalium, Nitroglycerin u. a.
Nach längerer Zeit konnte sie ein wenig, langsam,
mit dem linken Fusse schlotternd, gehen, den Arm
bewegen und mit den Fingern langsam zuhaken.
Sie konnte aber ohne fremde Hilfe nicht die Klei¬
der aufhaken.
Um die Zeit, als sie soweit kam, stellten sich
bei ihr epileptische Anfälle ein, die allmählich häu¬
figer und schwerer wurden. Pat. gab än f dass
einen Monat vor deren Eintritt ihr auf Verordnung
der Aerzte Eis auf die Wirbelsäule gelegt worden
war, was ihr das Gehirn gereizt habe. Die con-
sultirenden Aerzte stellten die Diagnose auf genuine
Epilepsie. Die Mutter der Kranken beschrieb mir
den Verlauf dieser Anfälle. Es wurden verschiedene
Bromide in den möglichst grossen Dosen, Hypo-
phosphites, Ammonium-Mittel und Solutio Fowleri
arsenicalis gegeben. Allmählich nahmen die Anfälle
bis zu einem gewissen Punkte an Häufigkeit und
Heftigkeit ab, dann blieben sie aber stationär und
in ihrem Typus unverändert. Die angegebenen
Mittel wurden ausgesetzt. Wegen Verstopfung wurde
Cascara sagrada verordnet, wovon sie viel nahm.
Als Dr. Carleton die Behandlung dieser Pat.
übernahm, traten die Anfälle unregelmässig auf,
durchschnittlich 1 Mal in drei Monaten, um 11 Uhr
Vormittags unter Angst, Herzklopfen, Schwindel,
mitunter Nausea; um 2—3 Uhr in der folgenden
Nacht hörte ihre Mutter einen Schrei, fand die
Kranke ohne Bewusstsein, den Kopf nach rechts
gedreht, die Daumen eingeschlagen, tonische und
klonische Krämpfe; die Augen nach oben gerollt,
die Pupillen erweitert, mit dem Mund kauend und
Schaum vor demselben; sie biss sich in die Zunge,
danach langanhaltender, betäubter Schlaf.
Pat. war eine Frau von mittlerer Grösse, brünett,
matt, ruhigen, sanften Gemüths. — Vorwürfe machen
ihr dunkle Ringe um die Augen; leicht beleidigt,
schweigsam, nachgiebig. Bisweilen zeigt sich Ge¬
dächtnisschwäche in diesem und jenem. Jucken
auf dem Kopf, die Haare sind sehr geneigt sich
zu verfilzen; gewöhnlich rutscht sie mit dem rechten
Fusse über den Boden; immer kalte Glieder von
Kindbeit an; Appetit gering, Schlaf gut; Regel
alle sechs Wochen, ziemlich reichlich.
Der Verf. gab kein Versprechen, das aucji nicht
Digitized by
Google
205
gefordert wurde, sprach aber seine Hoffnung aus,
den Zustand zu mildern.
Therapie . Die Constitution und das Gemüth
wiesen deutlich auf Ignatia hin; auch wurden die
krampfhaften und begleitenden Erscheinungen durch
dieses Mittel gut gedeckt. Er wählte also dieses
Mittel, und da es nicht nur curativ, sondern auch
antidotarisch gegen die früher gebrauchten Arzneien
und Massnahmen wirken sollte, so gab er es in
einer mittleren Potenz, der 200., und in kurzen
Zwischenräumen. (Für uns ist diese Potenz schon
ganz erheblich hoch. Ref.) Er löste sie in Wasser
und liess davon 2 stündlich nehmen, bis sich Besse¬
rung zeigen würde. Wie erwartet, klagte sie über
die Verstopfung, da hiergegen alle Mittel verboten
worden waren, ausser ein Klystier mit warmem
Wasser, wenn sie sich dadurch gar zu sehr be¬
schwert fühlen sollte.
Sie war gehorsam, und die Verstopfung, nahm
immer mehr ah. Im Verlauf von etwa 4 Wochen
war ihr Zustand besser; aber nach Aussetzen des
Mittels wurde er wieder schlimmer. Dann wurde
Ignatia aufs Neue, aber seltener gegeben, und
wieder setzte Besserung ein, und dies Mal in noch
kürzerer Zeit als beim ersten Mal, und hielt auch
länger an.
Am 1. Juli, sechs Monate nach der ersten Vor¬
stellung kam folgender Bericht: Pat. fühlt sich
ziemlich matt. Die Schwindelanfälle, welche immer
den letzten Theil des Intervalls zwischen der schweren
Attacke zu markiren pflegen, haben begonnen und
sie hatte in je einer Woche einen solchen. Sie be¬
ginnen gewöhnlich 4 Wochen nach dem schweren
Anfall. Dies Mal vergingen bis zum nächsten An¬
fall 6 Wochen. Die freien Intervalle sind seit Be¬
ginn der Behandlung immer länger geworden.
Vom 14. August: Sie fühlt sich schwach und
eiend. Ihre Periode kam am 1. August, wie ge¬
wöhnlich nach 6 Wochen und dauerte bis zum 8.
Am 18. kehrte sie wieder. Die Kranke ist ganz
dunkel um die Augen herum, und sieht übel aus.
Dabei ist aber Appetit und Schlaf ganz gut. Den
letzten schweren Anfall hat sie vor 11 Wochen ge¬
habt. Vor 8 Tagen litt sie an Verdauungsstörung,
die aber keinen Anfall hervorrief: was schon ein
grosser Gewinn ist. Sie bekam darauf 2 Pulver
mit Ignatia 200., von denen eins vor Schlafen¬
gehen, das andere am nächsten Morgen genommen
werden sollte.
Aber sie kamen zu spät. Am 15. Aug., 6 Uhr
Morgens, kam wieder ein epileptischer Anfall, der
aber nur kurze Zeit dauerte. 11 Wochen war sie
wieder freigeblieben. — Der linke Arm ist besser;
sie kann ihn freier bewegen. Der Monatsfluss ist
noch immer sehr stark.
Pie Besserung schritt dann, mit geringen Unter¬
brechungen, fort; nach jedem Anfall wurde eine*
Gabe Ignatia 200. verabreicht. Der letzte Anfall
kam am 17. Juli 1894.
Im Jahre 1897 hatte Verf. Gelegenheit, die
Pat. wiederzusehen. Er fand bei ihr Alles in Ord¬
nung. Die Extremitäten waren wieder functions¬
fähig; keine Schwindelanfälle mehr; Wohlbefinden.
Das konnte er auch im Juni 1898 bestätigen. Vier
Jahre sind ohne jede Störung vergangen. — Es
ist also eine wirkliche Heilung dieses schweren
Falls von Epilepsie zu verzeichnen, wozu die Aus¬
dauer der Kranken, wie auch des Arztes bei dem
einmal als passend erkannten Mittel beigetragen hat.
(The Homoeopathic Fhysician. März 1899.)
Lachesis — klinische Fälle.
Elerstocks-Geschwulst.
Eine 35j. Frau mit dunklem Teint, Mutter von
5 Kindern, klagte über heftigen Schmerz in der
Gegend des linken Eierstocks und über einen sehr
dunkelfarbigen Ausfluss aus der Vagina. Bei der
Untersuchung liess sich im linken Ovarium eine
Geschwulst von der Grösse eines Gänseeies deut¬
lich herausfühlen. Die Schmerzen und der Aus¬
fluss bestanden länger als einen Monat. Zwei
Aerzte hatten eine Eierstocksgeschwulst diagnosti-
cirt, und beide erklärten, hier könne nur eine
Operation helfen. Dieser wollte sich Pat. aber
nicht unterwerfen.
Der Fall zeigte wenig Symptome, aber einige
waren klar ausgesprochen. So lange der Ausfluss
reichlich stattfand, fühlte sie sich besser, während
Nachlass des Ausflusses ihren ganzen Zustand ver¬
schlimmerte; dann der Umstand, dass sie sich nach
dem Schlaf immer schlechter fühlte. Dazu kam
noch die Oertlichkeit des Leidens; es war der link¬
seitige Eierstock. Diese Umstände wiesen auf
Lachesis hin. Von diesem Mittel erhielt sie in
der 200. Potenz.
Am folgenden Abend war sie in hoher Ge-
müthsaufregung, da ihr der frühere Arzt beim
Morgenbesuch darauf hingewiesen, dass beim Auf¬
schub der Operation ihr die Gefahr drohe, der
Tumor möchte platzen und sie sofort sterben.
Doch sie liess sich wieder beruhigen, und folgen¬
den Tages war ihre Stimmung, obwohl Schmerz
und Ausfluss noch unverändert waren, eine bessere.
Sie fasste Hoffnung, — das Mittel fing an zu
wirken. — Auch war ihr Magen, in dem bisher
die geringste Aufnahme von Speise grosse Be¬
schwerde gemacht hatte, in besserem Zustande.
Milch konnte sie jetzt beschwerderos gemessen
Von Zeit zu Zeit erhielt sie eine Gabe Lad.i -
Digitized by
Google
206
Big 200., wobei ihr Zustand sich fortschreitend
besserte. Ihr Appetit wurde gut, sie konnte herz¬
haft essen und nahm an Körpergewicht zu. Der
Schmerz im linken Eierstock liess nach, doch blieb
die Gegend noch etwas druckempfindlich. Auch
der Ausfluss liess allmählich nach. Beim Eintritt
der Periode nahm dieselbe wieder beträchtlich zu,
sonst aber waren keine Beschwerden da. Nach
Aufhören der Menstruation war der Ausfluss ganz
verschwunden. Während dieser Zeit war auch die
Geschwulst fast ganz verschwunden. Die Kranke
konnte aufsein und ihre leichten häuslichen Arbeiten
verrjphten. Etwa 2 Monate nach der ersten Gabe
von Jjachesis konnte sie für gesund erklärt werden.
So v ar sie durch innerliche Behandlung, ohne die
angerathene Verstümmelung, ihrem Leiden ent¬
gangen.
Klimacterium.
Eine 53 J. alte Frau, bei der die Menstruation
seit 5 Jahren ausgeblieben, hat seitdem viel an
Hitzwallungen, auf die kalter Schweiss folgt, ge¬
litten.
Die vorherrschenden Symptome waren:
Klopfender, auseinanderspringender Schmerz in
den Schläfen, besser beim Liegen.
Erschütterung beim Erwachen vom Schlaf, be¬
sonders wenn sie etwas Enganliegendes um den Hals
hat Mit dieser erschütternden Empfindung erwacht
sie häufig, bald nachdem sie Abends eingeschlafen
ist. Heftige Schmerzen längs dem linken Arme
mit Herzklopfen, schlimmer, wenn sie auf der
linken Seite liegt. Schweres Athmen, wie Zu¬
sammenschnürung in der Brust.
Diese Symptome, welche allmählich mit der
Menopausis eingetreten, hatten sich in den letzten
Monaten noch verschlimmert.
Lachesis, im Ganzen 3 Gaben in Hochpotenzen;
brachte bald eine deutliche Wendung zum Bessern
und in 8 Wochen völlige Heilung.
Formication in der linken Ferse.
Eine 60j. Frau klagte über das Gefühl, als ob
ihr in der linken Ferse ein Wurm herumkrieche ,
was sie während des Tages ausserordentlich be¬
lästigte und ihr bei Nacht den Schlaf fast gänzlich
raubte. Dies hatte schon mehrere Monate gedauert
und war im Laufe der Zeit immer schlimmer ge¬
worden.
Wenige Gaben Lachesis 30. brachten Heilung.
(Lachesis hat: Kriebeln, heftiges Jucken, wie von
einem eingedrungenen Insekt, an kleinen Punkten
des Fussspanns und an den Fersen.)
Asthma.
Ein 40j. Kaufmann litt seit 7 Jahren an 1
Asthma, als dessen Ursache er Gemüthserregung j
mit Kränkung angab, die so schwer auf ihm laste¬
ten , dass er oft im Bette Nachts aufsass und
weinen musste. Die Anfälle kamen im Winter in
Intervallen von 8—14 Tagen und dauerten dann
mehrere Tage, und zwar hauptsächlich bei Nacht,
wenn er auch bei Tage nicht ganz frei davon
war. Während des Anfalls muss er im Bette
sitzen und die Brust entblössen. Sein Gemüth ist
reizbar; Verschlimmerung in nasskaltem Wetter.
Füsse schwitzen; und geht reichlicher, blasser
Urin während dieser Zeit ab. Der Hals ist gegen
Druck der Kleidung empfindlich , so dass er sehr
weite und lockere Kragen tragen muss. Er hat die
Bäder in Wiesbaden gebraucht. Nach vergeblicher
Anwendung mehrerer homöopathischer Mittel wurde
Lachesis 30. verordnet. Danach erfolgte ein äusserst
heftiger Anfall, dann aber allmähliche Besserung.
(The Hahnemannian Advocate. 15. Juli 1899.)
Propaganda. Arzneiprüfungen.
Die Collegen, welche Werbeschriften zur wei¬
teren Verbreitung zu erhalten wünschen oder über
Angriffe gegen die Homöopathie zu berichten haben,
werden gebeten, sich deshalb an Dr. Mossa-Stutt-
gart zu wenden.
Die Leitung der Mittelprüfung, zu deren Theil-
nahme Jedermann dringend aufgefordert wird, ruht
in den Händen von Dr. Schier-Mainz. Die Prä¬
parate liefert Herr Dr. Willmar Schwabe-Leipzig
freundlichst gratis.
Lesefrüchte.
Heilung eines intranasalen Lupus durch
Guajacolrasogen.
Eine Frau, 40 Jahre alt, litt an Lupus der gan¬
zen äusseren Nase und der anstossenden Wangen-
partieen, doch hatte der Process auch die innere
Fläche der Nase ergriffen. Es fanden sich die
an der Umbiegung der Cartilagines alares gelege¬
nen Gruben und eine rundliche Stelle rechts am
Septum nasale, dicht hinter der Spina nasalis an¬
terior, in geschwürigem resp. granulösem Zustande;
ferner war die r. mittlere Muschel in ihrer ganzen
Ausdehnung in ein borkenbelegtes körniges Polster
verwandelt. Die übrige Nasenschleimhaut zeigte
eine nicht specifische Schwellung; in dem, beson¬
ders in der rechten Nasenhöhle, producirten serös¬
schleimig-eitrigen Secret liessen sich keine Koch’-
schen Bacillen auffinden. Dabei Spitzenkatarrh und
Anämie. Die Behandlung begann im September
1895, zunächst mit Milchsäurelösungen und Ichthyol¬
salbe und Vasogen. Am Septum schwanden die
I Granulationen langsam, nber nur vorübergehend.
Digitized by
Google
207
ja im November entwickelte sich daselbst binnen I
14 Tagen ein Geschwür, das, trotz andauernder |
Ichthyolanwendung, den Knorpel etwa in der Aus¬
dehnung eines halben Kleinfingernagels blosslegte.
Jetzt machte Autor einen Versuch mit Klever’s
lOproc. Guajacolvasogen. Es wurden mit demselben
Wattepfropfe von geeigneter Form und Grösse ge¬
tränkt und an der mittleren Muschel, sowie zwi¬
schen dieser und dem Septum, ferner in der vor¬
dersten Nasengrube und auf dem Geschwür am
Septum deponirt. Diese Pfropfe blieben bis zum
Schlafengehen liegen, dann womöglich durch Aus¬
schnauben entfernt. 1 — 3 Stunden war das ziem¬
lich schmerzhaft. Im Laufe von 1V* Monaten heil¬
ten nun sämmtliche afficirten Stellen, bei meist
zweitägiger Anwendung des Mittels, vollkommen
aus. — Im Februar 1896 kam es jedoch zu einer
neuen Knötchenbildung am vordem Rande jener
vertieften Stelle am Septum und zum Auftreten
I einiger Knötchen auf der andern Seite des häu-
| tigen Septums; aber auch hier erfolgte die Heilung
prompt nach wiederholter Anwendung jener Pfröpf-
chen, und zwar unter dem Bilde der einfachen
Resorption. Bis zum October 1896 ist ein neues
Auftreten des Lupus nicht erfolgt. — Indes waren
noch nebenbei Airoleinblasungen in die Nase ge¬
macht und intern Kreosot gegeben worden, doch
will Verf. diesen Mitteln keinen Einfluss auf die
erlangte Heilung (? Ref.) beimessen.
(München, med. Wochenschrift. 189(f. No. 52.)
Personalien.
Dr. Hans Boeck hat sich als homöopathischer
Arzt in München (Brunner Str. 8) niedergelassen.
Vorher hat er in einer ausgedehnten Landpraxis
die Homöopathie am Krankenbette gründlich zu
erproben Gelegenheit gehabt.
Anzeigen.
Im Verlage von A. Marggraf’s Homöopath Officin in
Leipzig ist erschienen:
Die homöopathische Behandlung
der
Augenkrankheiten
sowie der
Ohrenkrankheiten
nach den Erfahrungen der homöopathischen
Specialisten
DDr. Vilas, Norton und Houghton
zum Gebrauche für practische Aerzto.
Bearbeitet von
Dr. Th. Bruckner,
homöopathischer Arzt in Basel.
97t Druckbogen. 8°. Preis gut geh. M. 3.—,
brosch. M. 2.50.
Ausführliche Besprechung dieses Buches in No. 23/24
des 128. Bandes dieser Zeitung.
Hygiama.
Seit 1891 klinisch vielfach erprobtes diätetisches
Nähr- und Stärkungsmittel.
(Zu'ammenffesetzt aus coodens. Milch, Gersten- und
Weizenmehl, Zucker und Kakao.)
Wegen seiner Lelohtverdaullchkelt und hohen
Nährkraft indicirt bei:
Magen - und Darmleiden, Anaemie,
Chlorose, Nervosität , Hyperem . gravid.,
Typhus ahdom., künstlicher Ernährung ,
Scropliulose, Reconvalescenz .
In vielen Hospitälern und Irrenanstalten ständig
Im Gebrauch.
Preis der Dose M. 1.60 (300g) u. M. 2.50 (500glnh.).
Vorrlthig in den ■slstee Apotheken und Drogerien«
Wissenschaft!. Urtbeile, Analysen u. Gratismuster duroh
Dr. Theinhardt’s Nährmittel-Gesellschaft
Cannstatt (Wttrttbg.).
Inselbad
bol Paderborn. . Sommer und
Winter geöffbet n. besnobt. Vor¬
zügliche Heilerfolge. Prospekte gratis.
Wandelhalle, Sanatorium für Nervenleiden Mildes Klima,
Wintergarten und alle chronischen Krankheiten. Centralheisnng
Spezial-Anstalt für Asthma
n. verwandt. Erkrank, der Athmun{jg>rg. (Nasen- n.Halsleid^Bronchialk.,
Emphysem). Pbyniknl.-dintet.
Üverfahren. Dir Direktion .
Empfohlen durch die homöopathischen Aerzte:
Herrn Dr. med. Rörig, Paderborn, und
Herrn Hofarzt Dr. med. Windelband, Berlin S.W.,
Königgrätzerstrasse 88.
Receptnr-Tarirwaagen.
Da neuerdings bei Revisionen auch mehrfach
Tarirwaagen verlangt worden sind, welche jedoch
die Herren Aerzte nie brauchen und die im All¬
gemeinen nicht unter 50— 60 Mark zu haben sind,
so habe ich billige und für Revisionszwecke völlig
genügende, mit Präcisionsstempel versehene und
geaichte Receptnr-Tarirwaagen auf einfachem Brette
anfertigen lassen, die znm billigen Preise von nnr
24 Mark offeriren kann.
Leipzig.
A. Marggraf 8 Homöopath. Officin.
Digitized by L^OOQle
I
\
Das schönste Geschenk (an Geburtstagen, an Weihnachten, und bei sonstigen Gelegenheiten) für
homöopathische Aerzte und der schönste Schmuck für deren Sprach- und Wartezimmer ist jederzeit das
neue, vorzügliche Ilalfenemanii'Bild von A. Marggraf’s Homöopath. Officin in Leipzig (81,5 cm hoch und
60 ora breit) zu dem enorm billigen Preise von Mk. 8.— (Verpackung 1 Mk. extra).
Alles Nähere aus nachfolgender Besprechung des Herrn Dr. Mossa ersichtlich.
„Eine schöne Festgabe hat die A. Marggrafs liomöo- . mit der klaren Denkerstirn, dem Lichte des Genius im Auge,
pathische Officin in Leipzig zum 100jährigen Jubiläum der von dem Hauche der Menschenfreundlichkeit., angewent,
Homöopathie dargeboten, nämlich ein neues, wundervolles sehr sympathisch anf ans. Wir sind dem Veranstalter dieses
Bild von nnserm Meister Hahnemann. Dasselbe, vom Maler Bildnisses um so mehr zn Dank verpflichtet, als es das erste
Carlo Nieper, Sohn des Geheimrath Prof. Dr. Nieper in Leip- bedeutende Zeichen bei uns fUr die duroh das Ereigniss des
zig, gemalt, ist auf dem Wege der Heliogravüre (Qualität i 100jährigen Jubiläums der Homöopathie gehobene Stirn-
des Knpfer- oder Steindrucks) von dem Artistischen Institut mang ist; nooh haben wir von keiner besonderen, wissen-
Dr. E. Albert & Co. in München - Schwabing vervielfältigt gehaltlichen oder populären, Festschrift gehört. Vielleicht
worden, sodass sich Jedermann in dessen Besitz setzen kann. kommt eine solohe nooh später.
Es stellt uns das ausserordentlich gelungene Bild, von dem Dieses Bild, von einem ihm entsprechenden Rahmen
das obige nur eine scliwaohe Idee bietet, unsera Hahnemann umgeben, wird für das Sprechzimmer des homöopathischen
als den schaffensfroudigen Schriftsteller dar, die Feder in . Arztes, aber auch jeden Freundes unserer Heilkunst, einen
der gehobenen Rechten, und wirkt dies geistvolle Antlitz überaus schönen Sobmuok bilden. Dr. Mossa.“
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mosst-Stuttgart..
Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf’s homöopath. Officin) in Leipzig.
Druck von Julius Mäser in Leipzig.
Digitized by L^OOQie
Digitized by
Digitized by
Googl
Digitized by
Google
Digitized by ^»ooQie