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Full text of "Allgemeine homöopathische Zeitung 138-139.1899"

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Erkrankung 


I. Infections- und Allgemeine Krankheiten. 

Rheumatismus articul. acutus et chronic. 

Typhus abdominalis. 

Aktinomycosis. 

Gonorrhoea acuta . 

Gonorrhoea chronica. 

Ulcus molle. 

Primäre Syphilis. 

Constitutionelle Syphilis. 

Scrofulosis universalis. 

Tuberculosis universalis. 

Arthritis chronica. 

Chlorosis. 

Anaemie. 

Bösartige Neubildungen: 

Carcinoma oesophagi. 

Carcinoma ventriculi. 

Carcinoma uteri. 

Lymphosarkom. 

II. Lokalisirte Krankheiten: 

A. Krankheiten des Nervensystems. 

Hemiplegie. 

Syringomyelie. 

Tabes dorsalis. 

Ischias . 

Neuritis N. Ulnaris. 

Epilepsie. . 

Neurasthenie. * . . 

Hysterie. 

B. Krankheiten der Augen und Ohren. 

Keratitis parenchymatosa. 

Otitis media catarrhalis chronica. 

C. Krankheiten der Athmungsorgane. 

Rhinitis chronica. 

Laryngitis catarrhalis chron. 

Bronchitis acuta purulenta. 

Bronchitis capillaris. 

Pneumonia catarrhalis. 

Pneumonia crouposa. ■ • - . 

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ALLGEMEINE 


HOMÖOPATHISCHE ZEITIM 

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HERAUSGEGEBEN 


Dr. med. MOSSA-STUTTGART. 


EI N H U N DERT-ACHTU N DDREISSIGSTER BAND. 

(138. Band.) 


LEIPZIG 

VERLAG von WILLIAM STEINMETZ (A. MARGGRAF’S HOMÖOPATH. OFFICIN.) 

1899. 


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I. Inhalts-Verzeichniss 

zum 

138. Bande der Allgemeinen homöopathischen Zeitung. 


No. 1 and 2. 

Zum neuen Jahre 1890. Vom Schriftleiter . . . 
Studie über Ranunculus. Von Dr. Rob. Stäger- 

Bern. 

Die Behandlung der chronischen Appendicitis mit 

Mercur. Von M. 

Die Homöopathie auf der Weltausstellung von 1900 
Bemerkungen über die Behandlung der senilen 
Prostatahypertrophie, mit besonderer Berück¬ 
sichtigung des Gebrauchs von Ferrum picratum. 
Von Dr. Dudley Wright, Assistenzarzt für 
Chirurgie, in specie für Hals und Ohrenkrank 
heiten, am Londoner homöopathischen Kranken 

hause . 

Argentum nitricum. Von M. 

Ein Fall von Campher-Vergiftung. Von Dr. Mossa 

Teucrium scorodonia. Von Dr. Mossa. 

Vom Büchertische. Die Heilkraft des Lichtes. 
Von Dr. Willibald Gebhardt. Besprochen von 

Dr. Mossa. 

Aufforderung. 

Lesefrüchte. 

Anzeigen 


No. 3 and 4. 

Drei Fälle von Influenza. Von Dr. Chancerel- 
Paris. (Referat von Dr. Kob. Stäger-Bern.) . . 

Aranea diadema. Von Dr. Mossa. 

Wie sterben die Diabetiker, und wie sollen sie 
leben? Aus einer Vorlesung von Professor 


Le Gendre am Hopital Tenon zu Paris. Von 

Dr. Mossa. 

Gefühl von Kälte oder Brennen zwisohen den 

Schulterblättern. Von M.25 

Einige Fälle von Appendicitis. Von Dr. A. R. 

Wright.27 

Professor Virchow in London Von Dr. Mossa . 27 

Zwei Fälle von Psychopathia melancholica. Von 

-Dr. I. K. Eberle-Pana, Illinois.28 

Salpingitis. Hydrastis canadensis und Sanguinaria 
canadensis. Von Dr. R. T. Cooper-London . . 29 

Einige Indicationen für „See • Krankheit“. Von 

Dr. M.30 

Lesefrüchto.30 

Anzeigen.31 


! No. 5 and 6. 

ite I 

l Versuche mit Kali ar enicosum an Thieren. Von 
Dr. Max Quaglio in München. Ref. Dr. Mossa 
3 Ein schwerer Fall von Ascites. Von Dr. Mattoli. 

Ref. Dr. Goullon. 

5 Lilium tigrinum bei Gebärmutterflbroiden. Von 

(j Dr. Sigmund Raue-Philadelphia. 

Von der neuen Arzneimittellehre. Von Dr. 

Gisevius jun. 

Bemerkungen über Nieren krankheiten. Von M. 
Wie erklärt man sich die bei Magen- und Leber¬ 
leiden vorkommenden Erscheinungen von Seiten 

des Herzens. Von M. 

(3 Ein Lepra-Fall. Von Dr. Mossa. 

g Zur Tripperseuche. Von M. 

g Vom Büchertische. 

9 Lesefrüchte. 

Anzeigen. 

11 No. 7 and 8. 

13 

jo „Einseitige“ Krankheiten. Von Dr. Mossa . . . 
Aranea (diadema). Eine Signaturstudie von 
E. Schlegel, Arzt in Tübingen. Bryonia (alba)- 

Signaturenbild. Von demselben. 

Rundschreiben, betreffend Perityphlitis. Von Dr. 

Gisevius jun. 

Chirurgia homoeopatliica. — Myristica sebifera. 

Von Dr. Olivö y Gros in Barcelona. 

! J | Das Gesetz der Zweckmässigkeit im menschlichen 
Organismus systematisch beleuchtet. Eine ana 
tomisch - physiologische Abhandlung als natür¬ 
liche Teleologie. Von Ad. Alf. Michaelis. Be¬ 
sprochen von Dr. H. Goullon. 

Paracelsus, der „Franzosen Arzt“. Von Dr. Mossa 
Das Reconvalescenten - Heim „Hahnemann“ zu 

Bournemouth. Von M. 

Klinische Indicationen. Von M. 

Bitte an die Collegen!. 

Lesefrüchte. 

Personalia. 

Anzeigen. 

No. 9 and 10. 

Der relative Werth von Symptomen. Subjective 
und objective Symptome. Von Dr. Samuel 
A. Kimball, Boston. 


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Cantharides als ein Haemostaticum in Haematnrie 
und ihr Gebrauch in Albuminurie. Von Dr. 

Mossa.08 

Signaturenlehre, in. Allgemeines. Von E. Schlegel, 

Arzt in Tübingen.70 

Petition betreffs der ärztlichen Ehrengerichte. 
Vom Verein preussischer selbstdispensirender 
homöopathischer Aerzte. Bemerkungen dazu 

von Dr. Gisevius jun.71 

Wirkung von Alumina auf die Stimmorgane. Aus 

einer Vorlesung von Prof. J. Kent.70 

Eine Phytolacca * Skizze. Von Prof. Thomas C. 

Dunham Chicago.74 

Die Chlorose in ihren Beziehungen zu den Ver¬ 
dauungsorganen. Referat nach Prof. K. v. Noorden 74 

Diabetes mellitus. Von M.77 

Bitte an die Collegen!.78 

Herzliche Bitte für eine Arzt Wittwe. 3. Quittung 

über eingegangene Beiträge.. . 78 

Hahnemann’s Grab in Paris. Erneuter Aufruf! . 79 

Personalia.79 

Anzeigen.79 

No. 11 and 12. 

Micropathie. Von Dr. Mossa.81 

Antipyrin. Von Dr. S. J. van Roijen-Utrecht . . 82 


Homöopathische Rundschau. Auszug aus dem 
Journal Beige d’homoeopathie und der Revue 
homoeopathique frangaise. Von Dr. med. Rob. 
Stäger. 1. Vom äussern Gebrauch homöopathi¬ 
scher Medicamente. Von J. Göret, Apotheker 81 
Seborrhoea. Von Dr. W. S. White, Professor und 
Docenten für Haut- und Geschlechtskrankheiten 


an dem homöopathischen Colleg zu Chicago . 88 

Ueber die Erkrankungen des Naseneingangs und 
seiner Umgebung. (Erythem, acne rosacea.) 

Von Dr. Felix Peltesohn-Berlin, Specialarzt für 

Ohren, Halz- und Nasenleiden.90 

Vom Büchertische. Von Dr. Mossa.93 

Selenium in der Impotenz. Von M.94 

Bitte an die Collegen!.94 

Lesefrüchte.94 

Anzeigen.95 

No. 13 and 14. 

Berliner homöopathisches Krankenhaus. Einladung 
zur Ordentlichen Generalversammlung am 

15. April 1899 . 97 

Prof. Dr. Liebreich’s Vortrag über: „Wehrkraft des 


Organismus gegen Mikroorganismen“ auf der 
20. Jahresversammlung der Gesellschaft der 
deutschen Badeärzte in Berlin am 6. März 1899 97 
Zur diesjährigen Influenza - Epidemie in Nord 
Amerika. Von Dr. W. W. Gleason. Ref. Dr. 


Mossa.99 

Formulaire de thörapeutique positive (Homoeo 
pathie). Par Dr. G. Sieffert. Besprochen von 

Dr. Marc Jousset (l’art medical).102 

Homöopathische Rundschau. Auszug aus dem 
Journal Beige d’homoeopathie und der Revue 
homoepathique frangaise. Von Dr. med. Rob. 

Stäger. (Fortsetzung.).105 

Cocain-V ergiftungen.107 

Ward’s Island Hospital, New York. Von Dr. Mossa 108 

Lachesis in Endocarditis. Von M.109 

XV. Jahresbericht des homöopathischen Spitals 
München.110 


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Bitte an die Collegen!.110 

Lesefrüchte.110 

Anzeigen.111 

No. 15 und 16. 

Zu Samuel Hahnemann’s 144. Geburtstage am 

10. April 1899 . 113 

Berliner homöopathisches Krankenhaus. Ein¬ 
ladung zur Ordentlichen Generalversammlung 

am 15. April 1899 . 114 

Chininum arsenicosum. Von Dr. Schier in Mainz 114 
Indicationen für Jod und einige praktische Fälle 117 
Der internationale homöopathische Congress von 

1900. Von Dr. Theodor Kafka.120 

Professor Eimer Gates psychologische Heilart. 

Psycholurgie. Von Dr. Mossa.120 

Homöopathische Rundschau. Auszug aus dem 
Journal Beige d’homoeopathie und der Revue 
homoeopathique frangaise. Von Dr. med. Rob. 

Stäger. (Fortsetzung.).123 

Zur Behandlung der Influenza — Mittelwechsel. 

Von Dr. Criquelion (Mons).125 

Vom Büchertische. Von Dr. Mossa.125 

Kur- und Wasserheilanstalt „Kaiserbad“ in Rosen¬ 
heim .127 

Lesefrüchte.127 

Personalia.127 

Anzeigen.127 

No. 17 und 18. 

Einladung zur Frühjahrsversammlung des Sächs.- 
Anhaltinischen Vereins homöopathischer Aerzte 

am 14. Mai in Halle.129 

Venen - Affectionen, durch Arzneistoffe erzeugt. 

Von Dr. Cartier.129 

Behandlung der Skoliose, aus einem Briefe Hahne¬ 
mann’s an Dr. Löwe in Prag. Von Dr. Mossa 131 

Antipyrin. Von Dr. W. Bohn.132 

Homöopathische Rundschau. Auszug aus dem 
Journal Beige d’homoeopathie und der Revue 
homoeopathique frangaise. Von Dr. med. Rob. 

Stäger. (Schluss.).133 

Heilmittel bei septischen Zuständen, mit beson¬ 
derer Beziehung auf Endocarditis ulcerativa. 

Von Dr. Byres Moir.134 

Ein Fall von Myxoedem-Heilung.137 

Homöopathischer Centralverein Deutschlands. 

Rundschreiben. Von Dr. Dammholz in Berlin 139 
Reglement für den internationalen homöopathi¬ 
schen Congress im Jahre 1900. Von Dr. M.. . 139 
Gelbsehen (Xanthopie) nach Kohlenoxyd-Vergif¬ 
tung. Von M.140 

Dr. K. Friedr. Walz, russischer Staatsrath, f. Von 

Dr. Mossa.141 

Vom Büchertische.142 

Lesefrüchte.142 

Hahnemann-Grab Denkmal in Paris. 5. Quittung 142 

Bitte an die Collegen. 1. Quittung.143 

Herzliche Bitte für eine Arzt Wittwe. 4. (Schluss ) 

Quittung.143 

Anzeigen.143 

No« 19 and 20. 

Einladung zur Frühjahrsversammlung des Sächs.- 
Anhaltinischen Vereins homöopathischer Aerzte 

am 14. Mai in Halle.145 

Die Grundgesetze der arzneilichen Organtherapie 

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und ihre Bedeutung für die Praxis. Vortrag, 


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gehalten in der Sitzung des Greifswalder medi- 
cinischen Vereins am 11. März 1899. Von Prof. 

Hugo Schulz, Greifswald.145 

Die physiologische Wirkung der Chinarinde und 
der Chininsalbe. Bearbeitet für die neue deutsche 
Arzneimittellehre von Dr. Schier, Mainz . . .150 
Berliner homöopathisches Allerlei. Von Dr. 

Gisevius jun.154 

Nausea et vomitus gravidarum. Vortrag von Dr. 
Franz Elliot - Kansas in der Missouri Valley 

Medical Association.155 

Vom Büchertische.157 

Lesefrüchte.158 

Anzeigen.159 


No. 21 und 22. 

Die physiologische Wirkung der Chinarinde und 
der Chininsalbe. Bearbeitet für die neue deutsche 
ArzneimittellehrevonDr.Schier-Mainz. (Schluss.) 161 
Ehrengericht und Medicinalreform. Von Dr. 

A. Sperling. Referat von Dr. Stiegele jun. im 
Verein der homöopathischen Aerzte Stuttgarts 


am 20. April 1899 . 163 

Hautaffectionen bei Diabetikern. Heilwirkung von 

Karlsbad Dr. Kafka. Von M.165 

Keine Abrüstung. Von Dr. Mossa.167 

Melilotus. Von M.1G8 

Kalium jodatum in Neuralgia.170 

Sabal serrulata (Saw Palmetto) bei Prostata-Hyper¬ 
trophie. Von Dr. W. Reily.171 

Rückensymptome in Bezug auf die Menstruation. 

Von M.172 

Antipyrin. Von Dr. S. J. van Roijen.173 

Kali bichromicum in seiner Wirkung auf die 

Augen. Von M.173 

Lesefrüchte.174 

Todes Anzeige.175 

Danksagung.175 

Anzeigen.175 

No. 23 und 24. 

Einladung zum Abonnement ..177 

Dr. Arnold Lorbacher, gest. am 10. Mai 1899. Eine 
Skizze seines Lebens und Wirkens.177 


I Ulcera varicosa — Clematis vitalba.181 

Diagnose und Prognose der Cholelithiasis. Referat 

' von Dr. Th. Kafka in Karlsbad.181 

| Das Selbstdispensirrecht der Aerzte und Homöo- 

| pathen.184 

Materia medica.187 

Scorbut Rhachitis. Von Dr. J. Roberson Day, Arzt 
für Kinderkrankheiten am London Homoeo- 

pathical Hospital. Ref. Dr. Mossa.188 

Indicationen für Staphisagria. Von M.189 

Kurpfuscher Frage. Von Emil Schlegel, praktischer 

homöopathischer Arzt in Tübingen.190 

Tinctura Jodii in der Diarrhöe der Phthisiker. 

Von M. 190 

Ehrengerichte der Aerzte in Preussen.191 

| Anzeigen.191 


No. 25 und 26. 


Einladung zum Abonnement.193 

Vorläufige Einladung zu der am 9. und 10. Aug. a.c. 
in Elberfeld stattfindenden Generalversammlung 
des Homöopathischen Centralvereins Deutsch¬ 
lands .193 

Zum Tuberkulosen Congress im Mai 1899. . . . 194 
Diagnose und Prognose der Cholelithiasis. Referat 
von Dr. Th. Kafka in Karlsbad. (Schluss.) . . 194 
Die homöopathische Behandlung bei Morbus 
Brightii. Von Dr. George Royal. Ref. Dr. Mossa 197 

Nephritis. Von M.199 

Acidum carbolicum bei Eczetiia. Von Dr. Mossa 200 

Ferrum phosphoricum. Von M.201 

Besprechung der bisher eingegangenen Arbeiten 
für die Neue deutsche Arzneimittellehre. Von 

Dr. Gisevius jun.202 

Vom 17. Congress für innere Medicin in Karlsbad 

vom 11. —14. April 1899. 204 

Einige Striche zur Charakteristik des Verfassers 
der Brochüre „Ueber Kurpfuscherei“. Von 

Dr. Fr.205 

Rhododendron verglichen mit Rhustoxicod. VonM. 206 

Lesefrüchte.2n6 

Anzeigen.207 


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II. Sach-Register 

zum 

138. Bande der Allgemeinen homöopathischen Zeitung. 


Angina follicularis. 170. 

Aconit. 90r V öl 
physiologisch u. therapeutisch. 
Acidum carbolicum. -206; ^ c D, 
bei Eczema. 

Acidum oitricum. 14. 

(äusserlich.) 

Diphtherie. 

Alkohol-Verband. 30. 

Alumina - W irkung 
auf die Stimmorgane. 73. 
Anacardium -Wirkung 
(extern). 187. 

Antimonium tartaricum. 3. 1 ) 

Erbrechen nach dem Essen. 
Antipyrin Pathogenese. 82. 

(Zusatz.) 132. 

Apis mellif. 187. 
pathologisch — anatomisch — 
physiologisch. 

Aranea diadema Fälle. 19. 

Signaturstudie. 53. 

Argentum nitricum Indicationen. 8. 
bei Cerebralleiden. 

Psychosen. 

Arnica mont. 

bei Tonsillitis. 170. 

Arsen. 

anhaltendes Brennen auf der 
Zunge. 51. 

— bei Phlebitis. 130. 

Arsen, jodatum. 171. 

bei cancroiden Geschwüren. 
Arthritis. 123. 

Pulsatilla, Caustic, Colchicum. 
Ascites 38. 

Apis. 

Asa foetida. 170. 

bei Nieskrampf. 

Asthma dyspepticum. 45. 

-Becken Symptome / 7 1 

bezüglich der Menstruation. 373. 
Apis. 

Nux. 

Phosphor. 

Kali carb. 

Spongia. 

Baryta c. 

Berberis. 

Cocculus. 

Hydrastis. 

Lycopodium. 

Pulsat. 

Verb, opulus. 

Agaricus. 

Calc. c. 

Sassaparilla. 

Ammonium mur. 

Ustilago. 

Magn. mur. und carb. 
Causticum. 


Borax. 51. 

Sputum mit Geschmack von Keller¬ 
schimmel und dumpf riechend. 
Brief Hahnemann’s. 131. 

betreffs Scoliose. 

Bryonia alba. 

Signaturen-Bild. 54. 

Campher-Vergiftung. 8. 
Cantharides — 

Haemostaticum bei Haematurie 
i und Albuminurie. 68. 

I Causticum: Symptom. 62. 

Leere Gefühl zwischen Stirn und 
Gehirn. 

Chinarinde. 150 und 162. 
Chinasalze — physiologische 
Wirklingen. 

Chininum arsenicosum. 117. 
Prüfung. 

Chlorose und die Verdauungs- 
organe. 74. 

Cholelithiasis. 181. 194. 

Diagnose und Prognose. 

Clematis vitalba. 181. 
bei Eczema. 

Ulcera varicosa. 

Condadia bei Eczema. 133 
Crotalus in Cephalalgie. 62. 
Cystitis. 125. 

Petroselinum. 

Hep. sulph. 

Aconit. 

Nux vom. 

Arsen, alb. 

Camphora. 

Berberis. 

Kali bicliromicum. 

Natr. muriat. 

Phosphori acidum. 

Pulsatilla. 

Lachesis. 

Terebinthina. 

Hyoscyamus. 

Carbo veget. 

Causticum. 

Cantharis. 

Chimaphila. 

Diabetes. 21. 
exitus — Diätetik 
Pancreat. succus. 77. 

Hepatin. 

Uranum nitricum. 

Arsen. 

Acid. phosphor. 

— Diab. Hautaffectionen. 165. 
Carlsbad. 

Dispensirrecht. 184. 

Gesetzliche Bestimmungen in 
| Preussen. 


Eczem. 133. 

Comocladia. 

Acidum carbol. 200. 
Ehrengerichte 

und Medicinalreform. 163. 
Endocarditis exulcerativa. 136. 
Aconit. 

Lachesis. 

Naja. 

Erythema nasi. 90. 

Externe Anwendung homöopathi 
scher Mittel. 89. 

Ferrum acet. 3. 

bei Vaginalschmerz. 51. 

Ferrum Gehalt der Leber. 63. 
Ferrum pliosphoricum-Indicationen. 
201 . 

Otitis media 

(in einem Fall Delirium.) 
Pneumonieen. 

Ferrum picratum 

bei Prostata-Hypertrophie. 6. 
Formulaire de thürapeutique posi¬ 
tive. 102. 

tJynaekologie. 
locale Therapie. 124. 

Innere Mittel: 

Actaea racemosa. 

Belladonna. 

Bryonia. 

Calcarea carbonica. 
Chamomilla. 

Gelsemium. 

Helonias. 

Kreosot. 

Lilium tigrinum. 

Nux voiniea. 

Platina. 

Pulsatilla. 

Seeale. 

Sepia. 

Sulphur. 

Hamamelis 
bei Phlebitis. 130. 

Hautleiden 
bei Diabetes. 165. 

Heilkraft des Lichts. 11. 

Phototherapie. 

Herzsymptome. 43. 

bei Magen und Leberaffectionen. 
Hydrastis canad. 171. 

bei bösartigem Zungengeschwür. 

Impotenz. 

Selenium. 94. 


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VII 


Influenza. 17. 

Pneumonia. 

Phosphor. 

Calc. phosph. 

Ly copodium. 

— gastro intestinale Form. 18. 

— Epidemie 1899 in Nord-Amerika. 
99. 

Lycopodium. 

Pulsatilla. 

Kali biclirom. 

Kali carbon. 

Bryonia. 

Sulphur. 

-Therapie. 125. 

haemorrhagische Form. 

Arsen, nnd Acid. phosph. 
Arsen, n. Bryonia. 

Hep. sulph. 

Pulsat. und Lycopodium. 
Arsen, jodatum. 

Internationaler homöopathischer 
Congress in Paris 1900. 120. 

— Reglement. 139. 

Insufficienz des Herzmuskels. 204. 
Intoxi cationen. 

Campher. 8. 

Cocain. 107. 

Jod-Indicationen. 117. 
bei Pneumonie. 

— Psychose. 119. 

Struma. 119. 

Jod-Tinctur 

bei Diarrhoea phthisica. 190. 
Ipecacuanha. 

Fall von Odontalgie. 50. 

Kali bichromicum 
als Augen-Mittel. 173. 

Kali arsenicosum. 

Thier-Versuche. 33. 

Kalium jodatum. 117. 
bei Pleuropneumonie 
und Pneumonia secundaria. 

Kal. jodatum. 170. 

in Neuralgieen. 

Keloide und Narben. 107. 

Graphit. 

Kal. bichromicum. 

Lachesis. 

Sulphur. acidum. 

Krankheiten — einseitige. 49. 
Kurpfuscher-Frage. 190. 205. 

Lachesis. 62. 
bei Cephalalgie. 
bei Endocarditis. 44$: /0CJ, 
Lappa major. 

bei Eczem. 171. 

Ledum palustre 

bei Hustenauswurf mit dumpfigem 
Geschmack. 50. 

Lepra-Fall. 43. 

LiUnum tigrinum 

bei Uterinfibroiden. 39. 

Helilotus alba. 168. 

Symptome und Indicationen. 
Kopfconges tionen. 

Haemorrhagiae p. partum. 
Epistazis. 


Mönier’scke Krankheit. 106. 
Bryonia. 

Aurum. 

Spigelia. 

Pilocarpin. 

Chinin. 

Acid. hydrobromic. 

Cocain. 

Tabaccum. 

Mepliitis. 62. 

bei Pertussis. • . 

Mercur. dul c«r 5. <}**£**' 
bei chronischer Appendicitis. 
Micropathia. 81. 

Morbilli, frühzeitiges Symptom. +92? 
Morbus Basedowii 
mit Tachycardie 
bei Kindern. Fucus. 123. 
Baryta jodata. 123. 

Lapis albus. 

Thyroidin. 

Spigelia. 

Morbus Briglitii. 197. 199. 

Merc. corrosivus. 

Phosphor. 

Apis. 

Arsen. 

Terebintliina. 

Kali chloricum. 

Myristica sebifera. 56. 
bei Eiterungen. 

Spina ventosa. 

Ulcus scrophulosum. 57. 

Ulcus callosum. 

Erysipelas phlegmon. 

Myxoedem. 137. 
geheilt durch Schilddrüse. 

Naja in Ceplialalgieen. 62. 

Nausea et vomitus gravidarum. 155. 
Bell. 

Lobelia. 

Ipecacuanha. 

Nux vom. 

Phosphor, acidum. 

Camphora monobromatum. 
Cocain. 

Pulsatilla. 

Nephritis desquamativa. 199. 
Arsen. 

Plumbum und Arsen. 
Therebintkina. 

Nierenleiden. 42. 

Lycop. 

Arsen. 

Terebinthina. 

Sassaparilla. 

Pareira. 

Tuberculin. 

Opium-Wirkung. 134. 

auf die Haut. . 
Organotherapie. 14a 
arzneiliche. 

Paracelsus als „Franzosenarzt“. 60. 
Perityphlitis. 

Operiren oder nicht? 158. 
Phlebitis. 403: f$o . 

Hamamelis. 

Pulsatilla. 


Phlebitis 403. f^0- 
Apis mellif. 

Arsen. 

Lachesis. 

— traumatica. 131. 

Arnica. 

Conium. 

Hep. sulph. 

— suppurativa. 131. 

Apis. 

Arnica. 

Conium. 

Hepar sulph. 

Mercur. 

Silicea. 

Sulphur. 

Myristica sebifera. 

Lachesis. 

Tarantula cubensis. 
Phlyktänuläre Ophthalmia. 105. 
Pkytolacca 
bei Scarlatina. 62. 

— symptomat. 405. 7 
Prostatahypertrophie. 6. 

Ferrum picratum. 

Psoriasis. 206. 

pathologisch. 

Psychosen. 8. 

Argent. nitricum. 

Psychopathia. 28. 
melancholica. 

Aconit. 

Helonias. 

Hydrastis. 

Psychurgia. 3 20. 

Ranunculaceen. 3. 

Ran. bulbosu8. 2>. 

Herpes Zoster. 

Eczema. 

Pleurodynie. 

Diaphragmatis. 

Pleuritis. 

Pneumonie. 

Schreibekrampf. 

Heufieber. 

Alkoholismus. 

Ran. sceleratus. */r 
Pemphigus. 

Ulcera cruris. 

Reconvalescentenheim. 61. 

homöopathisches. 

Rkeumat. articulorum 
acutus — Aetiologie. 
Prophylaxis. 14. 

Acidum citricum. 
Rhododendron 
verglichen mit Rhus. 206. 
Röntgen Strahlen. 18. 

Dermatitis. 


Salol-Symptome. 33. I' 
Salpingitis des Ohrs. 28. /: j . 
Sanguinaria canad. * 

Hydrastis canad. 

Sabal serrulata. 

| (Saw Palmetto) 

i bei Prostatahypertrophie. 123, 


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vm 


Schlangengifte. 106. 

Lachesis. 

Crotalus. 

Elaps corallinum. 

Naja tripudians. 
Scorbut-Rhachitis. 188. 

(Barlow’sehe Krankheit.) 
Calc. carbon. 

Sch weissheilende Mittel. 105. 
Seborrhöe. 88. 

Seekrankheit. 30. 

Arsen. 

Borax. 

Calc. carb. 

Cocculus. 

Colchicum. 

Nnx vom. 

Sepia. 

Petroleum. 

Pulsatilla. 

Opium. 

Selenium. 94. 

bei Impotenz. 

Sepia. 51. 

Septische Zustände. 134. 


Signaturen-Lehre. 70. '&***»> 
Sputum nach faulem> Eiter 
schmeckend, 57* 



Strophantus- 


Indicationen. 133. 

I Symptomatische Heilungen. 50. 
Symptome, Werth der subjectiven 
und objectiven. 65. 

Teleologie im menschlichen Orga 
nismus. 59. 

Teucrium, »corodonia 
bei Phthisis. 9. 

Thalliumacetat. 174. 

Alopecia. 

Trachomtherapie. 123. 

Massage mit 
Borsäure oder 
Aurum mur. und metall. 

( Tripperseuche. 44. 

I Tuberkulosen-Congress 
| in Berlin. 199. 

| Typhus-Fall. 138. 


I Ulcera varicosa. 181. 

Clematis vitalba. 

1 Uranium nitricum macht in starken 
Dosis Nephritis. 171. 


Venen-Affectionen. 129. 
durch Arzneimittel erzeugt und 
geheilt. 

| Pulsatilla. 

Arsen. 

Lachesis. 

j Yerbascum Thapsus. 133. 

I Hustenmittel. 

i Verrucae, ansteckuugsfäliig. 76. 


I Xanthopie. 140. 

| Kohlenoxydgas. 
I Picrinsäure. 

Conium. 

! Crocus. 

Hyoscyamus. 

I Strontian. 


III. Namen-Register. 


Bohn 132. 

Cartier 129. 
Chancerel 19. 

Dammholz 139. 

Day (Robertson) 188. 

Gates 120. 


öisevius junior 42. 78.155. 1 
204. ! 

Goullon 39. 59. 


Kafka 120. 165. 181. 194. 


Lahmann 157. 
Langer 187. 
Liebreich 97. 


Martiny 9. 

Mossa 3. 9. 11. 37- 44. 49. 
68. 70. 90. 99. 102. 120. 
126. 133. 142. 157. 168. 
181. 194. 199. 201. 

Moir 134. 

Quaglio 33. 

Hesly 171. 


Royal George 197. 
Roijen, S. J. van, 82. 171. 

Schlegel 53. 70. 190. 
Schulz, Prof. H. J46. 
Sperling 169. 

Stäger 3. 85. 105. 193. 
Stiegele junior 263. 

Windelband 78. 


Nekrologe. 

Dr. K. F. Walz 141. — Dr. Arnold Lorbacher 177. 


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Band 138* Leipzig, den 5. Januar 1899. No. 1 U. 2. 

ALLGEMEINE 



Heraasgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A.Marggraf’s homöopath.Offlcln) in Leipzig 

Thomaskirchhof 12. 


Erscheint 14tägig zu2 Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 M. OOPf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs -Verzeichnisses (pro 1808). — Inserate, welche an Rudolf Mosse 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlein in Leipzig) zu richten 
lind, werden mit 20 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 5—8 M. berechnet. 

Inhalt. Zum neuen Jahre 1899. Vorn Schriftleiter. — Studie über Ranunculus. Von Dr. Rob. Stäger-Bern. — 
Die Behandlung der chronischen Appendicitis mit Mercur. Von M. — Die Homöopathie auf der Weltausstellung von 
1900. — Bemerkungen über die Behandlung der senilen Prostatahypertrophie, mit besonderer Berücksichtigung des 
Gebrauchs von Ferrum picratum. Von Dr. Dudley Wright, Assistenzarzt für Chirurgie, in specie für Hals- und Ohren¬ 
krankheiten, am Londoner homöopathischen Krankenhause. —Argentum nitricum. Von M. — Ein Fall von Campher- 
Vergiftung. Von Dr. Mossa. — Teucrium scorodonia Von Dr. Mossa. — Vom Büchertische. Die Heilkraft des Lichtes. 

Von Dr. Willibald Gebhardt. Besprochen von Dr. Mossa. — Aufforderung. — Lesefrüchte. — Anzeigen. 

Schluss der Schriftleitungr: Freitag vor dem Erscheinungstage. '•Ml 


Zum neuen Jahre 1899. 

Vom Schriftleiter. 

Eine ruhige Folge des Seins und Thuns wün¬ 
schen wir uns selbst, und ebenso unseren Berufs¬ 
genossen und unserer Heilwissenschaft und Heil¬ 
kunst zum neuen Jahre. An diese Bedingung ist 
ja alle ruhige, aber doch fortlaufende Entwicklung 
geknüpft, und einer solchen hat sich auch unsere 
Homöopathie während des verflossenen Jahres zu 
erfreuen gehabt. Von grossartigen literarischen 
Werken, epochemachenden Erscheinungen können 
wir nicht berichten, wohl aber von ruhiger, fort¬ 
gesetzter, emsiger Arbeit, wie sie die auf der Ge¬ 
neralversammlung des Centralvereins zu Berlin ge¬ 
steckten Ziele erfordert haben. Die Herstellung einer 
um- und durchgearbeiteten homöopathischen Arznei¬ 
mittellehre setzte viele Kräfte in Bewegung und 
ist es erfreulich, dass das Werk der literarischen 1 
Bearbeitung und der Nachprüfung einzelner Mittel 
rüstig gefördert worden ist. Rufen wir den thätigen 
Collegen, die neben ihrer Berufsarbeit opferfreudig 
dieser Arbeit sich gewidmet haben, für das Ge¬ 
leistete ein „Glückauf** und „Schön Dank** zu, so 
möchten wir sie zur Fortsetzung der Arbeit mit 
einem „Vorwärts, vorwärts!** anspornen. — Gern 
bekunden wir auch von den fortgesetzten Be¬ 
strebungen zur „Propaganda** unserer Heilmethode, 
die doch nicht so fruchtlos gewesen sind, wie pessi- 


mistisch-gestimmte Gemüther geahnt haben; im Gegen- 
theil, es ist uns eine Reihe jungen Nachwuchses 
auf diesem Wege gewonnen worden. Auch die in 
Berlin vorbereiteten Kurse zur Einführung jüngerer 
praktischer Aerzte in unsere Heilmethode wird, 
hoffen wir, zur Ausbreitung derselben wesentlich 
beitragen. Mit Genugthuung können wir ferner 
berichten, wie die wissenschaftlichen Vorträge auf 
unserem Congress in Salzburg, und auch die in 
den Versammlungen einzelner Provinzial vereine, wie 
in der der vereinigten Schweizer und süddeutschen 
homöopathischen Aerzte in Friedrichshafen und der 
des Vereins homöopathischer Aerzte Württembergs 
zu Stuttgart, sich nicht nur durch gediegenen In¬ 
halt austfeichneten, sondern auch ein reiches, für 
j die homöopathische Praxis fruchtbringendes Material 
an Beobachtungen und Thatsachen zu Tage för¬ 
derten, wozu besonders die ausgiebigen, an die vor¬ 
getragenen Themata sich anschliessenden Discussionen 
beigetragen haben. Hoffentlich werden auch die 
Mitglieder der anderen Provinzial- und Landesver¬ 
eine, wenn sie auch durch die Arbeit für die 
Arzneimittellehre vollauf beschäftigt sind, dennoch 
Zeit gewinnen, durch Mittheilungen aus der Praxis 
Zeugniss abzulegen von der Leistungsfähigkeit un¬ 
serer Heilmethode auf den mannigfachen, selbst 
schwer zugänglichen Gebieten der klinischen Me- 
dicin. Denn, wollen wir unsere Position behaupten, 
so dürfen wir uns von der Heilserum-Therapie und 


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2 


der wilden, üppigwuchernden Isopathie, wie sie jetzt 
im Lager der alten Schule herrscht, nicht ins 
Schlepptau nehmen und uns von dem klaren, viel¬ 
bewährten Prinzipe unserer Heilmethode durch das 
Irrlicht scheinbar glänzender Erfolge auf einen un¬ 
sicheren, schwankenden Boden verlocken lassen. 
Wie unsicher, ratli- und hilflos die alte Schule noch 
immer in ihrer Therapie ist, dafür spricht die Art 
und Weise, wie sie bei uns längst eingebürgerte, 
wohlgeprüfte und gutgekannte Mittel fort und fort 
aus der Schatzkammer unserer Arzneimittellehre 
keck und ohne den Quell zu nennen, sich annectiit, 
deutlich genug. So hat erst jüngst ein allöopathi- 
scher Arzt in England die Cantharis bei Nieren¬ 
leiden mit Haematurie in kleiner, für uns freilich 
noch immer materieller Dosis, mit gutem Erfolge 
gebraucht, nachdem die sonst übliche Haemostatica 
ihm versagt hatte; aber weit entfernt, das Walten 
des homöopathischen Princips hier anzuerkennen, 
schreibt er einfach den kleinen Dosen von Can¬ 
tharis eine tcmisirende Wirkung auf die Nieren zu. 
Jedenfalls ist diese Crypto-Homöopathie ein be¬ 
redtes Zeugniss von der Hilflosigkeit der Therapie 
in der alten Schule, die uns wohl begreiflich ist. 
Darum „halte, was du hast, und lass dir von Nie¬ 
mand die Krone nehmen!“ 

Haben wir nicht gerade in der Gegenwart allen 
Grund, unser Palladium, das Aohnlichkeitsprineip, 
hoch zu halten, da wir sehen, wie die Entwicke¬ 
lung der Heilwissenschaft mehr und mehr in die 
Bahnen Hahnemann’s einlcnkt; und hat nicht selbst 
seine Lehre von der dreifachen Wurzel der chro¬ 
nischen Krankheiten, namentlich nach der Seite der 
Tripperseuche hin, durch die bakteriologische 
Forschung, durch die Entdeckung des Gonococcus 
als Erreger der Gonorrhöe und der auf gonor¬ 
rhoischem Grunde beim männlichen und noch mehr 
beim weiblichen Geschlecht erwachsenen Krank¬ 
heitszustände, eine naturwissenschaftliche Basis er¬ 
halten? Was dem Einen unter uns als ein Adia- 
pheron, dem Anderen als ein Absurdum erschie¬ 
nen, und das beide gern über Bord geworfen 
hätten, siehe, es stehujetzt, gestützt auf die Logik 
der Thatsachen, als ein überaus wichtiges Moment 
in der Aetiologie so mancher chronischer Leiden 
und als bedeutungsvolle Indication für die Mittel¬ 
wahl da! 

Wir haben nur diese so viel verhöhnte Lehre 
des Alten von Köthen aus seiner Ausdrucksweise 
in die moderne, gangbare Sprache zu übertragen, 
und sie steht unangefochten auf der Höhe der 
gegenwärtigen Wissenschaft. — Darf man nun bei 
dieser Sachlage der wissenschaftlichen Verhältnisse 
für eine Annäherung beider Schulen eine günstige 
Prognose stellen? Die grellen Gegensätze scheinen 
in der That gemildert zu sein, und doch tritt wieder 


und wieder neben einer sympathischen Begegnung 
1 eine widrige Abstossung zu Tage. So haben wir 
in No. 7/8 des vorigen Bandes dieser Zeitung aus 
| dem grossen Sammelwerk der Professoren Eulen¬ 
burg und Samuel über allgemeine Therapie, die 
j von Prof. Schulz-Greifswald gelieferte Abhandlung 
über Pharmacotherapie, worin er der homöopathi¬ 
schen Heilmethode und ihrem Begründer volle Ge¬ 
rechtigkeit widerfahren lässt, mit Anerkennung be- 
grüssen können. Aber siehe da! in demselben 
Werke und gerade von einem der Herausgeber, 
dem Prof. Samuel, befindet sich ein Artikel, der 
unsere Heilmethode als ein Absurdum behandelt 
und über sie den Stab bricht. Sollen wir es als 
ein Zeichen von Toleranz oder von Indifferenz der 
Herausgeber des Werkes betrachten, dass sie so 
aus einem Brunnen, wenn auch durch zwei ver¬ 
schiedene Oeffnungen, Süsses und Bitteres fliessen 
lassen? 

Wenn uns die alte Schule im grossen Ganzen 
unbehelligt lässt, so liegt der Grund zum Theil 
auch darin, dass sie in ihrem eigenen Lager Diffe¬ 
renzen genug birgt und neben dem inneren auch 
der äussere Zustand der medicinischen Berufsge¬ 
nossenschaft ihr vollauf Stoff zum Denken und 
Schreiben und Debattiren giebt. Liegen doch eine 
Anzahl von Problemen, von mehr oder weniger 
brennenden Fragen, die freilich auch uns mit berühren, 
zur Erledigung und zur Lösung vor. Da ist die 
Frage über staatliche Organisation des ärztlichen 
Standes theils von Seiten der Einzelstaaten, theils 
von Reichs wegen, da ist die Frage, wie man der 
gedrückten Lage, in welche das Krankenkassen- 
: wesen, das Kurpfuscherthum, die grosse Bewegung 
j der Anhänger des arzneilosen Naturheilverfahrens, 
das Ueberhandnehmen der Polikliniken und des 
Specialistenthums die praktischen Aerzte, zumal in 
den grossen Städten, versetzt hat, abhelfen könne, 
j In der That liegt der praktische Arzt bei uns nicht 
; auf Rosen gebettet. — Die Ausbildung des Medi- 
ciners stellt immer mehr Forderungen. Kaum reicht 
! ein fünfjähriges Studium aus, um die immer mehr 
I anschwellende Menge des Lernstoffes zu bewältigen; 

dazu wird noch ein Jahr praktischer Bethätigung 
j in einer Heilanstalt verlangt. Wie mancher mag da 
mit Wagner (im Faust) seufzen: 

„Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben, 

I Durch die man zu den Quellen steigt; 

Und eh’ man nur den halben Weg erreicht, 

Muss wohl ein armer Teufel sterben.“ 

wenigstens oft materiell, aber auch durch Gehirner¬ 
müdung, erschöpft sein, und hat er endlich nach 
heissem Bemühen das Diplom in der Tasche, so 

starrt ihm die Oede des für den nicht beamteten, 

| # ' 
praktischen Arzt immer mehr zusammenschrumpfen¬ 
den Krankenmaterials entgegen. — So erscheint 


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3 


wahrlich die Constellation für den ärztlichen Stand 
ä la fin du siöcle nichts weniger als günstig — 
und so drängt auch bei uns, wie auf anderen so¬ 
cialen Gebieten, Alles auf Abhilfe, auf eine Reform. 
Die vornehme, selbstgenügende Ablehnung der Uni¬ 
versitäten der homöopathischen und hydriatischen 
Heilmethode gegenüber wird schwinden müssen. 
Das physiologische Experiment der Heilstoffe am 
Gesunden werden sie schliesslich doch als das Funda¬ 
ment zur Erforschung der Wirkung der Arznei¬ 
mittel anerkennen und das Opoiov zur Regel des 
therapeutischen Thuns, zum therapeutischen Gesetz, 
erheben müssen, schon um dem überwuchernden 
Subjectivismus in der Therapie durch Annahme 
eines festen Princips Schranken zu setzen. — 

Darum dürfen wir nicht müde werden an dem 
weiteren Ausbau unserer Pharmacodynamik, einem 
Werke, das uns gegenwärtig in so hohem Maasse 
beschäftigt, sowie aber auch in der Vervollkomm¬ 
nung unserer Therapie als Bestätigung der reinen 
Arzneimittellehre. Möge Jeder an seinem Theile 
und nach seinen Kräften thätig hieran mitwirken, 
die Alten mögen uns aus der Fülle ihrer prak¬ 
tischen Erfahrungen ausgiebige Mittheilungen machen; 
die jüngere Generation durch Betrachtung des von 
der Homöopathie Gegebenen sub specie der moder¬ 
nen Wissenschaft sich und den Anderen das fremd¬ 
artig Erscheinende näher bringen und plausibel 
machen. Unsere Zeitung wird Allen gern ihre Spal¬ 
ten öffnen, ganz besonders auch den noch so sehr 
entbehrten und doch so überaus nothicendigen Mit- 
iheilungen aus unserem homöopathischen Kranken - 
• hause ln Leipzig , sowie aus der dortigen Poli¬ 
klinik! 

All den Collegen aber, die während des ver¬ 
flossenen Jahres in „ruhiger Folge“ an unserer 
Zeitschrift mitgearbeitet haben, sagen wir unseren 
aufrichtigen Dank und bitten sie, uns auch ferner¬ 
hin treulich zur Seite zu stehen. — Unitis viribus , 
unter Frieden und Eintracht im eigenen. Lager , 
wollen wir getrost dem fin de siede entgegengehen! 

Dr. Mossa. 

Studie Uber Ranunculus. 

Referat von Dr. Hob. Stäger-Bern. 

In der Sitzung der „Sociöte fran<;aise d’homoeo* 
pathie“ vom 8. Juni dieses Jahres verbreitete sich 
Dr. G. Nimier über die verschiedenen Ranunculus- 
arten. Wir theilen im Folgenden das Wissens¬ 
wertheste davon mit: 

Die Familie der Ranunculaceen umfasst be¬ 
kanntlich eine ganze Reihe der wichtigsten homöo¬ 
pathischen Heilmittel, wie z. B. Aconit., Actaea 
racemosa, Actaea spicata, Clematis erecta, Hellebo- 


rus niger, Hydrastis canadensis, Pulsatilla, Staphy- 
sagria und endlich die verschiedenen Species der 
Gattung Ranunculus. Die französische Pharmaco* 
poea homoeopathica kennt deren 5 und zwar: 
Ranunculus acris , R. bulbosus, R. ßammula , R . 
glacialis, R. repens und R. sceleratus. 

Ranunculus acris, flammula, glacialis und repens 
haben keine besondere Puthogenese. 

Ranunculus bulbosus und R. sceleratus wurden 
oft geprüft (z. B. von Richard Hughes und Gabalda) 
und man fand nur, dass der eine eine intensivere 
Wirkung entfalte als der andere. 

Andere Prüfer, wie Stapff, Allen und Farrington 
erhielten sowohl von R. bulbosus als von R. scele¬ 
ratus besondere, eigenthümliche Symptome wie das 
Folgende zeigen wird. 

Ranunculus bulbosus. 

Derselbe wirkt besonders auf die Haut , das 
Muskelgewebe , die porösen Häute und Schleimhäute 
und beseitigt die Folgen des Alkoholismus. Sämmt- 
liche Symptome verschlimmern sich bei feuchtem 
Wetter und besonders bei Temperaturwechsel. 

I Haut. Ranunculus bulbosus erzeugt zuerst ein 
j Erythem, welchem bald ein vesiculöser Ausschlag 
folgt, welcher von Beissen, Brennen und Jucken 
1 begleitet ist. Die Bläschen sind mit einem dunk- 
J len Saerum angefüllt. Beim Platzen ist die Stelle 
| von der schützenden Epidermis erst entblösst, be¬ 
deckt sich dann aber rasch mit ziemlich dicken 
Borken Fieber ist da und schneidender Schmerz. 
Die Eruption der Bläschen entfaltet sich am öfte¬ 
sten im Verlauf eines Nervs, z. B. des Suborbitalis, 
oder sehr oft im Bereiche eines Intercostalnervs. 
j Wenn der Ausschlag seinen Sitz auf der Stirne 
hat, so ist oft das Auge mitergriffen; die Conjunc- 
I tiva ist injicirt, Iritis und heftige Schmerzen in 
| beiden Augen können auftreten. 
i Die geschilderten Symptome haben zur Anwen- 
! düng des Mittels beim Herpes zoster geführt und 
zwar mit grossem Erfolg. Es ist dies bei Zona 
i ophthalmica (oder Zoster ophthalmicus) das Haupt¬ 
mittel, wenn das Leiden mit der gewöhnlichen Ver¬ 
schlimmerung, nämlich dem Herpes zoster inter- 
costalis complicirt ist, in welch letzterm Fall das 
Mittel erst recht iudicirt ist. Farrington empfiehlt 
| es auch beim Eczem, wenn die Haut verdickt und 
| infiltrirt ist und wenn sie von fast hornartigen 
Borken bedeckt ist. Hierbei kann man es mit 
Antimon crudum vergleichen, welches in seiner 
Pathogenese „Bildung hornartiger Excrescenzen“ 
und „Callositäten der Planta pedis“ hat. 

Mwikein: Hier bedingt R. bulbosus rheumatoide 
Schmerzen, wobei die Muskeln wie zerquetscht 
scheinen. Zugleich hat man ein Gefühl von 
Brennen unter der Haut. Der Schmerz, der fast 

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alle Muskeln befallen kann, hat seinen Hauptsitz 
in den Rücken- und Brustmuskeln. Das Mittel hat 
ferner Schmerz längs des innern Randes des linken 
Schulterblattes. Dieser Schmerz greift oft auf den 
Angulus inferior des Schulterblattes und selbst auf 
die ganze linke Seite der Brust über. Daher ist 
R. bulbosus das beste Mittel bei Pleurodynie, mag 
sie neuralgischer Natur sein oder ihren Sitz in den 
Muskeln haben. Die Schmerzen sind tief stechend 
und es lassen sich in der Brust Schinerzpunkte 
constatiren nebst Zerschlagenheit der Muskeln. Die 
Symptome werden verschlimmert durch Druck, 
Tempcraturwechsel, irgend eine Gemüthsbewegung, 
und selbst durch die Respiration. In einigen Fällen 
ist Dyspnoe vorhanden, welche eine Art geistiger 
Angst verursacht. 

Man kann R. bulbosus ferner indicirt finden 
bei Entzündung des Diaphragma, wenn sie von 
scharfen lanzirenden Schmerzen im Hypoclion- 
drium und im Epigastrium und gegen den Rücken 
zu begleitet ist. 

Seröse Häute: R. bulbosus wirkt vor Allem auf 
die Pleura und das Peritoneum. Bei der Pleuritis 
dürfte das Mittel oft besser wirken als Bryonia, 
wenn die Schmerzen mit einem Faustschlag auf die 
Brust zu vergleichen sind; ferner wenn eine seröse 
Ergiessung in die eine oder andre Pleura vorhan¬ 
den ist; dabei ist Angst und starke Dyspnoe in 
Folge eben des Ergusses. Ranunculus bulbosus ist 
nicht weniger gut angezeigt, wenn die Pleuritis 
mit Pneumonie einhergeht. Bisweilen existiren nach 
einer Pneumonie oder Pleuritis Schmerzen in der 
Brust weiter fort; dieselben kommen dann auf 
Rechnung von Adhärenzen und erscheinen dem 
Patienten wie Geschwüre unter der Haut. In all’ 
diesen Fällen hilft das Mittel. 

Was die Peritonitis betrifft, so ist hier die An¬ 
zeige für R. bulb. weniger gut charakterisirt; in¬ 
des handelt es sich dabei um eine grosse Empfind¬ 
lichkeit in der Magengegend und im Bauch, nebst 
Erbrechen. # 

Schleimhäute: Was die Wirkung des Mittels auf 
die Schleimhäute anbetrifft, wird es bisweilen in* 
dicirt sein bei Cystitis, Leucorrhöe und Dysenterie 
mit heftigen Schmerzen; doch ist das Hauptwir- 
kungsfeld die Schleimhaut. 

Es ist des Weiteren ein probates Mittel beim 
Heufieber. Brennen und Jucken in der Nase und 
den Augen ist vorhanden; die Nase selbst ist ver¬ 
stopft, besonders Abends; Druck über der Nasen¬ 
wurzel, Prickeln und Jucken in den Nasenlöchern, 
Gefühl, als ob etwas die Nase hinauf krieche. Diese 
Sensation hat oft ihren Sitz innen und hinten 
in den Choanen, ist sehr unangenehm und der 
Kranke sucht sich ihrer durch Schneuzen oder 
durch Räuspern zu entledigen. Zudem ist Heiser- 


| keit da und heftige Stiche und Muskelschmerzen 
i allüberall. 

Folgen des Alkoholismus wie Schluchzen, epi- 
leptiforme Anfälle etc., ebenso wie Delirium tremens 
werden mit dem Mittel gehoben. 

i Ranunculus sceleratus. 

R. sceleratus besitzt viel reizendere Eigen¬ 
schaften als das vorhergehende Mittel. 

So z. B. erzeugt er auf der Haut einen vesi- 
culösen Ausschlag mit grossen Blasen, welche beim 
Aufbrechen eine klare, gelbe und scharfe Flüssig¬ 
keit entleeren, die die umgebenden Hautpartieen 
reizt. R. sceleratus entspricht somit mehr dein 
Pemphigus. 

Auf der Zunge entsteht jene Erscheinung, 
welche man Landkarten-Zunge genannt hat, d. h. 
da und dort sind dickbelcgte Partieeil und gerade 
daneben Stellen von gewöhnlichem Aussehen. Man 
bemerkt dieses Symptom bisweilen bei der Diph- 
theritis und beim Typhus; es kann alsdann der 
Gebrauch unseres Mittels angezeigt sein. Andere 
| Mittel wie Natr. mur., Arsen, alb., Rhus tox. und 
Taraxacum haben dieses Zungensymptom ebenfalls, 
aber keines von ihnen hat so viel Hitze wie Ranun¬ 
culus sceleratus. 

Was das Abdomen betrifft, charakterisirt sich 
das Mittel durch Schmerz, Empfindlichkeit in der 
Lebergegend mit dem Gefühl von beginnender 
Diarrhöe. Von Seiten der Brust notiren wir 
Quetschungsschmerz und Schwäche Morgens und 
zugleich oberflächliche Empfindlichkeit des Thorax. 

Ranunculus seelerat. heilt auch Fliessschnupfen 
mit Niesen, Schmerzen in den Gelenken und Bren¬ 
nen beim Urinircn. 

Endlich bringt das Mittel Hühneraugen zum 
Verschwinden, wenn sie brennend und schmerzhaft 
sind. 

Dieser Studie schliesst Dr. Marc Jousset einige 
therapeutische Bemerkungen an und weist auf Cazin 
(Traite pratique des plantes medicinales indigenes, 
3. edition) hin, der interessante Aufschlüsse über 
diese Mittel giebt: Bei äusserlichem Gebrauch wir¬ 
ken die Ranunkelarten hautröthend und blasen¬ 
ziehend, ähnlich den Canthariden. Bisweilen ge¬ 
nügen schon wenige Minuten, um die Haut zu 
röthen und Blasen zu ziehen. Früher benutzten 
sie die Bettler, um Geschwüre zu erzeugen. (Man 
vergleiche Clematis vitalba!) Diese Geschwüre 
können sogar gangränös werden und bieten oft 
jeder Heilung energischen Widerstand. Nach Cazin 
wurden die Ranunkeln oft äusserlich gegen ato- 
nische und scrophulöse Ulcera angewendet. Natür¬ 
lich geschah das unbewusst nach dem Aehnlichkeits- 


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5 


gesctz. Wir müssen an Ranunculus denken, wenn 
uns bei der Behandlung von Geschwüren Clematis 
versagt. 

Aeusserlich wurde Ranunculus ferner angewen¬ 
det bei der Gicht und bei Kopfschmerzen (Ches- 
neau); gegen oberflächliche Schmerzen (Baglius), 
bei chronischem Gelenkrheumatismus (Stoerck), und 
gegen die Febris quarana (Sennert). 

Cazin berichtet nach Murray über einen inter¬ 
essanten Fall, wo ein Kind von acht Jahren, nach¬ 
dem es durch Ranunculus acris von Intermittens 
geheilt worden war, plötzlich auf der Hand ein 
tiefes Geschwür erhielt, welches die Sehnen der 
Flexoren und das Ligamentum annulare in Mit¬ 
leidenschaft zog und dadurch in Folge einer aus¬ 
gedehnten Vernarbung die Beweglichkeit der Hand 
stark beeinträchtigte. Ferner entstand später As¬ 
cites und eine Hydrocele. 

Giovanni Polli, der die Tinctur und ein De¬ 
stillat von Ranunculus viel an wandte, behauptet, 
dass in 30 Fällen von Lumbago das Mittel immer 
half, wenn er die Tinctur oder das Destillat auf 
die Ferse der kranken Seite applicirte. 

In der sich anschliessenden Discussion bestä¬ 
tigte Dr. Jousset, pöre, die vorzüglichen Wirkungen 
von Ranunculus bulbosus bei der Intercostalneu- 
ralgie mit oder ohne Zona. Er verwies auf einen 
Fall von Zona im Höpital St.-Jacques, den er kürz¬ 
lich mit R. bulbosus bedeutend gebessert. Er er 
klärt das Mittel als ein sehr zuverlässiges. 

Dr. Simon bemerkt, Richard Hughes betrachte 
die verschiedenen Ranunkelarten als einfache Varie¬ 
täten ein und derselben Species. Peüvrin und 
Ecalle, beides Apotheker, halten Ranunculus für 
ein ausgezeichnetes Mittel. 

Dr. Simon erinnert schliesslich noch an die 
Pathogenesen von R. acris und R. glacialis bei 
Allen. Zwar sind sie nur kurz abgehandelt. Eine 
weit grössere Pathogenese hat R. bulbosus. Das 
letztere Mittel passt für alle möglichen Schmerzen 
am Thorax, besonders, wenn eine Frau an Neural¬ 
gie leidet. Dieselbe hat ihren Sitz linkerseits oder 
an der Herzspitze. Bei alten Autoren findet man 
manche klinische Beobachtung. Bauvais de Saint- 
Gratien führt 3 Fälle an. 1. Ein sehr intensives 
Eczema des Arms. Heilung mit Ranunculus; 

2. Röthung des untern Theils der Nase bei einem 
jungen Mädchen mit starker, scharfer Secretion. 
Anwendung beider Ranunculusarten mit Erfolg; 

3. Ulcus cruris, am untern Drittel; durch Ranun¬ 
culus geheilt. 

Ranunculus wirkt vorzüglich bei der Pleuritis 
diaphragmatica. Ein wenig bekanntes Symptom, 
welches man in der Pathogenese von Ranunculus 
bulbosus findet, ist folgendes: beim Schreiben em¬ 
pfindet man plötzlich lanzirende, schiessende 


Schmerzen im rechten Vorderarm und zwischen 
Daumen und Zeigefinger. R. bulbosus möchte viel¬ 
leicht beim Schreibkrampf gute Dienste leisten, 
i (Revue homoeopathique franejaise, No. 6, Juni 1898.) 


Die Behandlung 

! der chronischen Appendicitis mit Mercur. 

I In den Annals of Surgery (Januar 1898) be- 
| richtete Horwitz über vier Fälle chronischer Appen¬ 
dicitis, bei denen die Operation deutlich angezeigt 
und von verschiedenen hervorragenden Chirurgen 
vorgeschlagen, von all den Kranken aber verwei¬ 
gert worden war. Alle diese kamen wegen secun- 
därer Syphilis in die Behandlung des Autors, und 
■ wurden einer Kur mit „tonischen“ (?! Ref.) Gaben 
von Mercurius jodatus flavus (Protojoduratum hydrar- 
I gyri) unterworfen. 

1 . Fall . Ein 44jähr. Mann hatte 9 Anfälle 
von Appendicitis überstanden, den letzten vor 

i kurzer Zeit. Es war eine empfindliche verhärtete 
Masse in der Fossa iliaca dextra. Bald nachdem 
die Mercurkur begonnen war, hatte Pat. einen 
frischen acuten Anfall des Leidens, das Mittel ward 
seponirt, aber, nachdem die acuten Symptome ver¬ 
gangen waren, wieder aufgenommen, mit dem Er- 
1 folge, dass nicht nur die syphilitischen Zeichen ver- 
l schwanden, sondern auch die Appendicitis und die 
Verstopfung. Seitdem sind vier Jahre vergangen, 
i ohne dass sich ein Recidiv gezeigt hätte. 

2. Fall . Ein 31jähr. Mann; drei Anfälle von 
Appendicitis; es bestand Dyspepsie und chronische 
Verstopfung. Er hatte einen leichten acuten An¬ 
fall von Appendicitis nach einer über ein Jahr 
ausgedehnten Behandlung mit Mercur. jodat. flavus. 
Seitdem, d. h. 2 1 /» Jahre hat er von Seiten des 
Appendic. keine Störung gehabt. 

3. Fall. Ein 28jähr. Mann, fünf Anfälle von 
Appendic.; eine teigige, empfindliche Masse in der 
Fossa iliaca dextra. Er bekam Merc. jod. flavus. 
Der Zustand besserte sich, und seitdem, d. i. seit 
3 1 /* Jahren, kein Recidiv. 

4 . Fall. Ein 33jähr. Mann, zwei Fälle von 
Appendicitis, leidet ebenfalls an Dyspepsie und 
Verstopfung, auch sind Zeichen einer chronischen 
Appendicitis in der rechten Darmbeingrube vor¬ 
handen. Merc. jod. flavus bis jetzt (l 1 /* Jahr) ge¬ 
geben. Er hatte zwei Fälle von Appendicitis 
während der Behandlung, jedoch keinen seit dem 
Ende Juni. 

Der Autor fügt hinzu, es sei bemerkenswert!!, 
wie die auf acute Anfalle folgende chronische Form 
I der Appendicitis unter kleinen Mercurgaben zum 
Rückgang komme, und obwohl diese wenigen Fälle 


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zu einer bestimmten Schlussfolgerung nicht aus- 
reichen, so hält er diese Behandlung in allen Fällen 
chronischer Appendicitis, wo die Operation versagt 
wird, dennoch des Versuches wohl werth. 

Der Autor hat also, indem er seinen an Syphilis 
leidenden Personen ein Mercurpräparat gab, zugleich 
einen merklichen Einfluss von diesem Mittel auf die 
chronische Form der Appendicitis beobachtet. — 
Für uns Homöopathen ist diese letztere Heilwir¬ 
kung des Quecksilbers nichts Neues, dennoch halten 
wir es für acute, mit einer Induration des Zell¬ 
gewebes verlaufende* Appendicitis noch besser an¬ 
gezeigt, indem wir mittels dieses Arzneistoffes den 
entzündlichen und exsudativen Zustand des Wurm¬ 
fortsatzes bei Zeiten zu heben im Stande sind, so 
dass es nicht zu einer chronischen Form zu kom¬ 
men braucht. — Eine l 1 ^ jährige Kur selbst mit 
dem noch milden Mercur. jod. flavus erscheint uns 
nichts weniger als nachahmungswerth; diese kleinen 
Dosen als „tonisch“ zu bezeichnen, müssen wir 
ebenso zurückweisen als die von Aerzten der alten 
Schule gemachte Behauptung, kleine Dosen von 
Cantharis wirken auf die Nieren tonisirend. Heil¬ 
kräftig wirken sie und zwar nach dein Aehnlich- 
keitsgesetz, und die physiologische Prüfung der 
Mittel von Gesunden zeigt jedem, der sehen will, 
die Indicationen. M. 

Die Homöopathie auf der Weltausstellung 
von 1900. 

Wir lesen in der „Revue homoeopathique fran- 
qaise“: „Am 12. Juni 1898 hat sich eine Thatsache 
vollzogen, die bekanntgemacht zu werden verdient, 
denn sie hat noch keine Präcedenz in der Epoche 
der homöopathischen Congresse, die sich bei Ge¬ 
legenheit der verschiedenen Weltausstellungen in 
Paris versammelten. 

Durch Ministerialerlass wurden zwei unserer 
Collegen, die DDr. Simon und Love, zu Mitglie¬ 
dern der Specialcomitäs, die mit dem Studium der 
Fragen bezüglich der Anforderungen und der Orga¬ 
nisation der internationalen Congresse im Jahre 1900 
betraut wurden, ernannt. 

Einst konnten wir nur mit grosser Protection 
ein Lokal in einem der Ausstellungsgebäude für 
unseren Congress erlangen, das war aber auch 
Alles; aber heutzutage zum ersten Male ernennt 
das Gouvernement homöopathische Aerzte in den 
Organisatiousrath der officiellen Congresse. 

Schon einige Monate vor dem Erlasse des Han¬ 
delsministers vom 12. Juni d. J. wurde Herr Weber, 
homöopathischer Apotheker in Paris, officiell ein- 
geladen, sich an der Commission zur Zulassung der | 
Classe 87 (chemische Künste und Pharmacie) bei | 


der künftigen Ausstellung zu betheiligen. Herr 
' Weber hat angenommen und wir gratuliren ihm zu 
dieser Auszeichnung, die als glückliche Consequenz 
; eine Ausstellung der homöopathischen Producte im 
Jahre 1900 herbeiführen wird, es wird, das glaube 
ich, die erste sein, die je in Frankreich stattge¬ 
funden hat. Endlich wurde unser College, Herr 
Dr. Marc Jousset, gleichfalls zum Mitglied einer 
anderen Section ernannt.“ 

Es ist dies eine wahre Ehre, die die franzö¬ 
sische Regierung der Homöopathie erweist, die um 
so mehr erwähnt zu werden verdient, als dies bis¬ 
her noch nie geschehen ist; wir können dies nicht 
oft genug wiederholen. Ein officieller Congress 
zur Ausstellung und zur Einweihung eines Grab¬ 
denkmals auf der letzten Ruhestätte Hahnemann’s, 
wohlan mehr als nöthig, um dessen Erfolg zu 
sichern! Dr. Th. Kafka. 

Bemerkungen 

über die 

Behandlung der senilen Prostatahypertrophie, 
mit besonderer Berücksichtigung des Gebrauchs 
von Ferrum picratum. 

j Von Dr. Dudley Wright, Assistenzarzt für Chirurgie, 
in specie für Hals- und Ohrenkrankheiten, 
am Londoner homöopathischen Krankenhause. 

Verf. hat bereits vor einiger Zeit der Britischen 
I homöopathischen Gesellschaft einen Artikel einge¬ 
reicht über die Behandlung der senilen Prostata¬ 
hypertrophie, wobei er ein besonderes Gewicht auf 
I den Werth von Ferrum picratum in Beschwichtigung 
i mancher von dieser Krankheit erzeugten Symptome 
legte. Weitere Erfahrung hat ihm jene Angabe 
in vollem Maasse bestätigt. 

Besonders wirksam hat er dies Mittel, auf das 
er von Dr. Rob. Cooper zuerst aufmerksam gemacht 
worden ist, in dem früheren Stadium der Prostata- 
anscliwellung, d. h. innerhalb der ersten 12 Monate, 
beim Beginn der Symptome, gefunden. Wenn man 
es in dieser Zeit gebraucht, so ist es wohl im 
Stande, in einer grossen Zahl von Fällen, dem 
weiteren Fortschritt der Krankheit vorzubeugen oder 
ihn hinzuhalten. Die dem Mittel entsprechenden 
Symptome sind in erster Linie die vermehrte Häufig¬ 
keit des Urinirens während der Nacht. Die Patienten 
klagen oft, dass sic mehrmals aufstehen müssen, 
um ihre Blase zu entleeren, wodurch ihre Nacht¬ 
ruhe gestört ist. Dieses Symptom findet fast un¬ 
mittelbar Erleichterung — Sodann werden die vom 
Rectum ausgehenden Symptome recht merklich be¬ 
schwichtigt. — 

Nach Verfs. Erfahrung bringt dies Mittel keine 
Verstopfung hervor, was sonst bei den meisten 


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Eisenpräparaten der Fall ist. Seine Wirkung gellt 
vielmehr in entgegengesetzter Richtung. Bei frischem 
Prostataleiden, mit beträchtlicher Anstrengung zum 
Uriniren und darauffolgendem Vorfall des Rectum, 
wirkt es sehr günstig, ebenso auf die Hämorrhoiden, 
welche die Prostatavergrösserung und den Prolapsus 
recti begleiten. 

Die unvollständige Entleerung der Blase beim 
Harnen ist keine Contraindication. In einem Falle 
blieben, nachdem Patient urinirt hatte, zehn Unzen 
zurück, und unter Anwendung dieses Mittels, ohne 
alle Nebenmittel, wurde diese Quantität innerhalb 
zwei Monaten auf zwei Unzen zurückgebracht. In 
einem anderen Falle, wo der rückbleibende Urin 
zwei Unzen betrug, wurde die Blase nach 4 wöchent¬ 
licher Behandlung bei jedem Wasserlassen voll¬ 
ständig entleert. 

Verf. hat sich niemals davon überzeugen können, 
dass die Prostata unter dieser Behandlung kleiner 
geworden sei: das hält er aber für minder wichtig, 
so lange als die begleitenden Symptome, vornehm¬ 
lich die Menge des rückbleibenden Urins, beseitigt 
werden. In einem gegebenen Falle ist es überdies 
nicht möglich, den Betrag der Prostatavergrösse- 
rung genau festzustellen; die Untersuchung per 
rectum giebt wohl einen genügenden Aufschluss 
über den Umfang der seitlichen Lappen der Drüse, 
aber über den sogen. Mittellappcn, dessen Ver* 
grösserung oftmals die vollständige Entleerung der 
Blade verhindert, erhält man keine Kenntniss hier¬ 
durch. 

Ein anderes Symptom, das dies Mittel beschwichtigt 
und das oft das häufige nächtliche Harnlassen be¬ 
gleitet, ist das am Blasenhalse empfundene Beissen 
und Brennen. Es ist hier nicht die Rede von dem 
heftigen und brennenden Schmerz, der bei der 
Cystitis erscheint, der von dem Mittel nicht beein¬ 
flusst wird, auch nicht von den wilden Attaquen, 
welche die subacute oder chronische Prostatitis 
jüngerer Personen charakterisiren und ebensowenig 
dadurch gebessert werden, sondern es handelt sich 
nur um die Empfindlichkeit und das Brennen, über 
welches ältere „Prostataleidende“ klagen. 

In letzteren Fällen ist der Wechsel von Buchu 
(? Ref.) 1. Dec. mit dem Picrat von entschiedenem 
Nutzen. Dr. Cooper hält das Ferr picr. bei dunkel¬ 
haarigen Personen am wirksamsten; doch thut es 
auch bei blonden gute Dienste. Die vom Verf. 
angewandte Dosis ist die 2. Dec.-Dil. Letzthin hat 
ihm auch die 8. Dec. fast dieselben Erfolge ge¬ 
bracht. Dr. Johnstone, der in seiner Hospitalklinik 
die 2. Dec. gebraucht hat, hat davon Verschlimme¬ 
rung der Symptome beobachtet. 

Betreffs der Pathologie der Prostatitis senilis, 
zumal vom therapeutischen Standpunkte aus, be¬ 
merkt Verf., dass die Vergrösserung von irgend 


i 


i 


I 


einem der Gewebselemente der Drüse ausgehen kann. 
In der Mehrzahl findet eine Vermehrung des Binde¬ 
gewebes statt, doch können auch fibro-masculäre 
Massen zugegen sein oder die eigentlichen Drüsen¬ 
elemente vorherrschen. Wären wir im Stande, diese 
verschiedenen Formen intra vitam zu unterscheiden, 
so würde die Behandlung wohl wirksamer ausfallen. 
Die Analogie fibrös masculärer Massen mit ähnlichen 
Gebärmuttergeschwülsten deutet darauf hin, dass 
auch jene einem Mittel, wie Calcarea jodata, das 
sich nach Dr. Neathy bei Uterininyonen so wohl- 
thuend gezeigt hat, weichen müssen. Eine Form 
der Prostatahypertrophie beschränkt sich hauptsäch¬ 
lich auf den hinteren Theil der Drüse, während 
die Portio urethralis frei davon ist. Hier, wo die 
Blase immer vollständig entleert werden kann, ist 
Verschluss kein markirtes Zeichen — und doch 
klagen Patienten, die an dieser Form von Prosta¬ 
titis leiden, viel über häufigen Urindrang, sowie 
über Ziehen und Wehthun in dem Perinaeum und 
Mastdarmzwang und Hämorrhoiden. In solchen Fällen 
wird das Kathetrisiren wenig oder gar nicht erleich¬ 
tern, und wird sich auch hier das Ferr. picr. be¬ 
stimmt wirksam erweisen. 

Es leuchtet ein, dass nicht alle Fälle für dieses 
Mittel passen, namentlich nicht solche mit sehr be¬ 
deutender Hypertrophie der Prostata und grosser 
Blasenerweiterung. Hierher gehören auch Patienten, 
die viel an Cystitis gelitten, mit stinkendem, alka¬ 
lischem Urin; hat man aber die Blase durch täg¬ 
liches, lange fortgesetztes Auswaschen des sich zer¬ 
setzenden Urins in einen besseren Zustand versetzt, 
so kann das Mittel Gutes wirken. — Nun noch 
einige Worte über andere Heilmethoden für die 
hypertrophische Prostata! 

Ueber Castration hat Verf. keine Erfahrung; 
von Vas deferens hat er in drei Fällen einen Theil 
entfernt. 

Ein Geistlicher hatte Symptome von Blasen¬ 
steinen, aber weder mit der Sonde noch durch das 
Cystokop konnte ein Stein nachgewiesen werden. 
Beide Seitenlappen waren vergrössert, besonders der 
rechte, der sich auch druckempfindlich zeigte. Es 
hatte etwas Blutung aus der Prostata stattgefunden. 
Ferr. picr. hatte etwas erleichtert, aber nicht alle 
Symptome fortgeschafft, und da ein beträchtlicher 
Prolapsus recti und Hämorrhoiden vorhanden waren, 
so ging Verf. gegen diese operativ vor. Sechs 
Monate später zeigte die Rectal-Untersuchung den 
rechten Lappen in gleicher Grösse mit dem linken, 
der auch kleiner als früher war, und nicht mehr 
empfindlich. Alle Blasensymptome waren verschwun¬ 
den. Der rechte Hoden war weicher, aber nicht 
kleiner als der andere. 

In einem zweiten und dritten Fall operirte Verf. 
bei Patienten mit lange bestehender Hypertrophie. 


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In dem einen Fall entfernte er einen enormen 
Stein aus der Blase mittels des Schnittes oberhalb 
des Schambeins, und fand eine grosse post prosta- 
tische Tasche, indem die Prostata wie eine Orange 
darüber stand. Die Ausschneidung des Vas auf 
beiden Seiten besserte nichts in der Expulsivkraft 
des Steins, so dass Pat. das Katheter weiter ge¬ 
brauchen musste. Doch hält Verf. die Entfernung 
eines Theils des Vas in einem früheren Stadium 
für ein nützliches Werk. 

(The Monthly Homoeopatliic Review. Juli 1898.) 

M. 

Argentum nitricum. 

Dr. Gray giebt folgende aus der klinischen 
Beobachtung genommene Indicationen für dieses 
Mittel: 

Argent. nitric. ist ganz vorzüglich angezeigt in 
Störungen des Gehirns und daraus entwickelten 
Allgemeinbeschwerden des Organismus, die ihren 
Ursprung in psychischen Ursachen haben. So z. B. 
passt es in Epilepsie bei Leuten, welche als Laien 
sich leidenschaftlich mit Predigen abgeben; hier 
helfen einige wenige hochpotenzirte Gaben, während 
solche Fälle, die aus abdominellen Reizzuständen, 
unabhängig von psychischen Ursachen, entstehen, 
besten Falls durch grosse und oft wiederholte Gaben 
des Mittels dürftig beschwichtigt werden. So wird 
es sich auch mit gastrischer Störung verhalten, von 
denen die Fälle wirklich durch Arg. nitr. geheilt 
werden, die sich während zu grosser und zu lange 
fortgesetzter Geistesanstrengung entwickelten. 

Wenn die körperlichen Symptome den durch 
dieses Mittel erzeugten ähnlich sind, so wird dieses 
nach Dr. Gray das wahre Simillimum, wenn fol¬ 
gende psychische Bedingungen noch hinzukommen : 

1. Ein Drängen und Treiben zu arbeiten, sich 
zu bewegen, sich zu beschäftigen, ohne bestimmtes 
Ziel, und hält den Kranken in fortwährender Be¬ 
wegung, in einem Zustande von Ruhelosigkeit, der 
seinem ganzen Wesen einen Schein von Heftigkeit 
und Missvergnügen verleiht. 

2. Der Gegensatz des geschilderten Zustandes, 
nicht die ruhige Haltung, wie sie erscheint, w r enn 
der Geist sich in gesunder Beschaulichkeit befindet, 
sondern eine Apathie aus Mangel an Motiven und 
Zwecken, ein Zustand, der sich zu voller Geistes¬ 
schwäche hinncigt und oft darin endet. Oder 

3. Irrthümer und Fehler in der Perception. So 
kann sich der Kranke irren a) in der Zeit; er 
fürchtet immer, es sei zu spät und wähnt, es sei 
eine oder zwei Stunden vergangen, während doch 
nur */ 4 oder */s dieser Zeit abgelaufen ist, und 
das begegnet ihm Wochen lang beständig bei 
Tage wie bei Nacht; und b) er irrt sich in der 


Schnelligkeit seines Ganges. Der Kranke wähnt, 
er gehe sehr schnell, während seine Bewegung 
thatsächlich nur eine sehr langsame ist. 

Ueberdies betrachtet Verf. das Silbernitrat (wenn 
die übrigen Indicationen für seinen Gebrauch zu¬ 
gegen sind) als Heilmittel in allen schweren Störun¬ 
gen des Organismus (in specie der Nervencontra. 
Ref.), die aus excessiver Schärfe der Sinnesorgane 
entstehen, wie z. B. gewisse Formen von Epilepsie 
und Chorea. 

Wahrscheinlich wird Silber sich für die Be¬ 
handlung des krankhaften Urtheilsvermögens und 
der begleitenden Erscheinungen im Verdauungs-, 
Bewegungs- und Geschlechtsapparat ebenso eignen, 
als das Gold für krankhafte Gemüths- (nicht intellec- 
tuelle. Ref.) Erscheinungen und die ihnen consen- 
suellen motorischen und geschlechtlichen Erkran¬ 
kungen. 

(The Hahnemann Advocate. 15. October 1898.) 

M. 


Ein Fall von Campher-Vergiftung. 

Dr. A. Berkholz (Riga) wurde am 19. Februar 
Nachts 2 12 Uhr zu einer Frau gerufen, die ganz 
plötzlich an heftigsten Krämpfen erkrankt sein 
sollte. Schon beim Betreten des Zimmers fiel ein 
starker Geruch nach Campher auf. Pat. lag in 
dem Bette mit offenen Augen ohne Lidschlag, ge¬ 
trübter Cornea, slecknadelkopjgrossen Pupillen, schein¬ 
bar in tiefem Coma . Gesichtsfarbe ja hl, Puls sehr 
voll und kräftig (120), Atlimung frequent . Der 
Mann, der um 10 Uhr nach Hause gekommen, fand 
seine Frau wohl und munter im Bette, um 11 Uhr 
aber klagte sie über sehr heftige Kopfschmerzen; 
plötzlich bekam sie dann einen sehr 'heftigen Krampf¬ 
anfall am ganzen Körper , schlug um sich, erbrach , 
um dünn wie todt hinzusinken. Autor entfernte sich 
auf zehn Minuten, um seine Magenpumpe zu holen. 
Das Bild w r ar jetzt völlig verändert: Pat. schlug 
mit Händen und Pässen um sich, so dass sie fest¬ 
gehalten werden musste; sie sehne mit heller Stimme, 
besonders einzelne Worte und Silben beständig wieder¬ 
holend. Schinerzempfindung schien vollständig er¬ 
loschen. (Pat. schlägt fortwährend mit einem Fusse 
mit aller Kraft auf die Bettlehne.) Sensorium total 
getrübt, Augen weit auf gerissen, ein Bild ausgesproche¬ 
nen Wahnsinns. Magenausspülung mit einigen 
Litern Wasser, bis dasselbe nicht mehr nach Campher 
riecht. — Keine Veränderung des Zustandes. Drei 
Gramm Chloral.-}- 3 Gramm Bromkali wurden 8 /4 l Uhr 
hinuntergeschluckt, nachdem das Athmen durch die 
Nase abgeschlossen w r ar. — Aufregungszustand all¬ 
mählich geringer, kurze Pausen fast gänzlicher 
Muskelruhe, während deren Pat. jedoch noch singt 
und schreit. — Auf Fragen noch keine Antwort. — 


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9 


Nach J /o2 Uhr Klagen über Kältegefühl, darauf 
wieder sinnloses Singen und Umeichschlagen. — 
In den Zeiten der Ruhe giebt die Frpu jetzt voll¬ 
ständig mit überlauter Stimme Antworten: Sie hat 
30 Gramm Gampher gekauft, ihn gerieben, in 
Wasser suspendirt und die Hälfte davon Abends 
9 Uhr getrunken, ohne die ersten zwei Stunden 
irgend eine Wirkung zu verspüren. Diese Angaben 
macht sic in den freien, kleinen Intervallen, da¬ 
zwischen Schreien, Singen , oft nnmoticirtes Lachen. 
Die Fröhlichkeit schwindet schnell; es folgen Klagen, 
Weinen. Dieser Wechsel zwischen ausgelassenster 
Fröhlichkeit und tiefer Trauer dauert s / 4 Stunde. 
Dann nochmals 2 Gramm Chloral.-|-2 Gramm Brom¬ 
kali. Danach bedeutende Beruhigung. Aber trotz 
der Medication kein Schlaf, auch am folgenden Tage 
nicht , wo sie trotz weiterer Bromkaligaben (3 stünd¬ 
lich 1 Gramm) noch ziemlich unruhig ist, Kälte¬ 
gefühl und Schmei'zen im Magen hat. Erst in der 
zweiten Nacht Schlaf; noch drei 'Lage Uebelkeit, 
Magenschmerzen und Appetitlosigheit. Urin immer 
klar , ohne Eiweiss, ohne Camphergeruch, gleich 
den Fäces. 

Verf. sagt zum Schluss: Als Maximaldosis für 
Campher wird 0,7 Gramm angegeben; die absolut 
tödtliche Menge schwankt bei den Autoren zwischen 
2,5—7,0 Gramm; doch sind noch zwei günstig ver¬ 
laufene Fälle mit 10 Gramm bekannt. Im obigen 
Falle wurden mindestens 15 Gramm genommen. — 
Dass die Mageuausspülung nach über zwei Stunden 
der Vergiftung so gute Wirkung hatte, schreibt 
Verf. dem chemischen Verhalten des C. im Orga¬ 
nismus zu, indem der Campher sich leicht zu Cam- 
pherol oxydirt, welcher sich wiederum bald in Cam- 
pherglykoronsäure verwandelt, die keine der gif¬ 
tigen Eigenschaften mehr besitzt. Die Glykoron- 
säure ist aber ein Umwandlungsprodukt speciell 
des Dextrins, wohl aber auch anderer Kohle¬ 
hydrate. 

Dass Pat. den Campher nach dem Genuss einer 
an Kohlehydrate reichen Abendmahlzeit genom¬ 
men, war also jedenfalls für sie ein Glück. — 
Vielleicht erweisen sich grössere Mengen Zucker 
als Antidot wirksam. 

Die Frau hatte den Campher als Aborticum ge¬ 
nommen, indem das Volk ihm diese Wirkung zu¬ 
schreibt. — 

Wir haben hier einen interessanten Fall von 
Campher-Vergiftung bei einer gesunden Frau; wie 
weit bei ihr die Schwangerschaft vorgerückt war 
(oder nahm sie nur diesen Zustand bei sich an?) 
ist nicht gesagt. — Der Orgasmus des Bluts tritt 
in diesem Fall so in den Vordergrund, dass die 
andere Seite der Campherwirkung, das Stadium 
algidum nur leiser, durch die subjective Kälte¬ 
empfindung, angedeutet erscheint. Die Einwirkung 


auf das Gehirn ist stark ausgesprochen, von der 
Pupillenverengerung in maximo bis zu heftig kloni¬ 
schen Krämpfen und einer intensiven Veränderung 
der psychischen Thätigkeiten. In letzterer Be¬ 
ziehung macht sich ein dem Campher eigentüm¬ 
licher Wechsel der Erscheinungen geltend: Es 
wechselt volle Bewusstlosigkeit mit leichten Inter¬ 
vallen, ein Wechsel oder eine Mischung von Exal¬ 
tation und Depression des Gemütszustandes; aus¬ 
gelassene Fröhlichkeit mit Heulen und übermässigem 
Schreien. — Die Magenausspülung hat mässigend 
gewirkt; die Verbindung von Chloral mit Brom¬ 
kalium hat die Muskelunruhe etwas beschwichtigt. 
Die Schlaflosigkeit hielt lange an. Vielleicht hätte 
Opium sich hierin wirksamer erwiesen. Hahnemann 
hat wohl mit Recht das antidotarische Verhältnis 
von Campher und Opium ganz besonders hervor¬ 
gehoben. — 

Wenn Verf. den Urin gar nicht verändert fand, 
und dieser so wenig wie die Fäces den Campher¬ 
geruch zeigte, so kann wohl nur wenig von dem 
Mittel vom Magen aus in die Circulation über¬ 
gegangen sein. 

Die Pathogenese des Camphers zu geben, ist 
trotz der vielen Prüfungen und der beobachteten 
Vergiftungsfälle immer noch ein recht schwieriges 
Werk. Abgesehen von den durch die Individua¬ 
lität des Prüfers bedingten Modalitäten in den 
Wirkungen des Mittels auf den menschlichen Orga¬ 
nismus erschwert der schnelle Wechsel in den 
Erscheinungen — ähnlich wie beim Opium — eine 
systematische Feststellung des eigenthümlichen 
Wirkungsbildes. Dr. Mom&. 


Teucrium scorodonia bei Phthisis. 

Ueber die Entdeckung des Teucrium scorodonia, 
als eines in den schlimmsten Fällen von Lungen¬ 
schwindsucht oft noch hilfreichen Mittels, hat Dr. 
Criquelion von Mons in der Juni-Nummer der 
Revue homoeopathique beige 1895 folgenden Be¬ 
richt ergeben: 

Eines Tages hatte Dr. Martiny Gelegenheit, in 
den Ardennen einen Kranken in den Dreissigern 
im Vorübergehen zu untersuchen, der, blass, abge¬ 
magert, spitze schmale Schultern, einen gewölbten 
Rücken zeigte, hustete, einen starken Auswurf ent¬ 
leerte und nicht mehr schlafen konnte Die physi¬ 
kalische Untersuchung ergab alle Zeichen einer 
Caverne in einer Lungenspitze, so dass Dr. Martiny 
eine sehr schlechte Prognose stellte. Ein Jahr 
darauf sah er auf der Schwelle desselben Hauses 
einen Mann mit dem Gepräge voller Gesundheit; 
er erkundigte sich bei ihm nach dem armen 
Menschen, den er das Jahr zuvor als Moribundus 

2 


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angetroffen hatte. Wie gross war sein Erstaunen, 
als ihm der gute Bursche antwortete: „Nun, der 
bin ich selbst, mein Herr!“ Eine alte Frau hatte 
dem Kranken ein Kraut empfohlen, das in den ■ 
dortigen Wäldern häufig wächst, davon hatte sie j 
ihm eine Tisane gemacht, von der er täglich ge- j 
nommen hatte. Er hatte noch eine Menge davon 
vorräthig, das er zum Trocknen an die Balken der ! 
Decke gehängt hatte. Es war Teucrium scoro- I 
donia, eine Gewächsart, die man in den Wäldern I 
Belgiens in der Regel antrifft. Die Pflanze that 
Wunder und hat den Kranken wirklich dem Grabe 
entrissen. 

Dr. Martiny hat dann später in seiner Praxis 
das Mittel in Verdünnungen bei Schwindsüchtigen 
gebraucht. Die Erfolge waren derart, dass er ' 
Teucrium scor. bei Bronchiorrhoeen und bei Phthi- | 
sikern mit Tuberculose und einem schleimig¬ 
eitrigen Auswurfe tagtäglich in Anwendung zieht. 

Er pflegt es im Wechsel mit Calcarea phos- 
phorica, Arsenicum jodatum und Merc. solub. zu 
geben. Dr. Criquelion hat dasselbe Mittel inzwi¬ 
schen mit sehr befriedigendem Erfolge gebraucht; 
unter seinem Einflüsse wurde der Auswurf oftmals 
weniger dick und weniger weiss, sein schlechtes 
Aussehen und seine Menge verminderte sich, in dem- > 
selben Verhältnis nahm der Husten sehr oft ab, 
das Athmen wurde leichter, weniger keuchend; 
selbst in den schwersten Fällen machte sich erheb- ! 
liehe Besserung bemerklich. I 

Seitdem erschien eine Publication, wonach auf 
Einspritzungen von Teucrium tuberculose Haut¬ 
elemente verschwanden. Daraufhin hat Criquelion 
das Mittel bei einem Fall von Tuberculose des 
Hoden versucht. 

Ein stämmiger, lebenslustiger Bauer und Pächter, 
wohlbeleibt und mit einem ziegelrothen, starken 
Halse, auf dem ein dicker Kropf sitzt, leidet seit 
10 Jahren an einer starken Hodengeschwulst. Der 
Hode hat die Grösse einer Quitte, misst 15 cm an 
Höhe und 10 cm Breite. Die Geschwulst zeigt 
sich hart, voll, nicht nachgiebig, wie ein Sarcom, 
abgesehen von einer in seinem untern Theile be¬ 
findlichen weichen, eindrückbaren Stelle, die dem 
Finger die Empfindung einer flüssigen Ansammlung 
giebt. Ein Cancer war es nicht, auch nicht ein 
Fibrom oder eine Sarcocele, ebensowenig ein syphi¬ 
litischer Hode; so wurde denn die Diagnose auf 
Tuberculose des Testikels gestellt. 

Es wurde Teucrium scorodonia 6 Dil., täglich 
1 Tropfen in 4 Esslöffel Wasser verordnet, wovon 
Pat. a/ 4 Stunde vor jeder Mahlzeit 1 Esslöffel voll 
einnahm. 

Nach Verlauf von drei Monaten bemerkte der 
Kranke, dass die Geschwulst an Härte und Schwere 
etwas abgenommen hatte, und nach abermals drei 


Monaten war sie entschieden kleiner. Nach halb¬ 
jähriger Behandlung liess sich eine Abnahme der¬ 
selben bis ai^f */ 4 ihres Volumens constatiren. — 
Heute hat der Hode fast einen normalen Umfang; 
nur hat die Tunica albuginea eine beträchtliche 
Dicke, bei sonst normaler Structur, behalten. 

Dr. Martiny giebt in einer Anmerkung zu diesem 
Artikel 1. c. noch einige interessante Notizen über 
die Pflanze. 

Teucrium scorodonia L., auch Scorodonia oder 
Salvia sylvestris, Waldlauch genannt, hat einen 
bitteren, etwas aromatischen Geschmack und knob¬ 
lauchartigen Geruch. Kühe, Ziegen, Schafe, die 
es geniesen, geben eine Milch mit Knoblaucli-Ge- 
schmack. „ Es hat in seinen Eigenschaften etwas 
gemeinsam mit dem Scordiura (Teucrium Scor- 
dium L.), dem Wasserlauch oder Laclienknoblauch- 
kraut. Indessen hat man es als ein Antisyphiliti- 
cuui gebraucht. Ray sagt: in lue venerca uti- 
liter exhibetur (übrigens hat Quarin auch Scordium 
bei venerischen Hautkrankheiten angewandt. Ref.), 
der es auch für ein Antihydropicum betrachtet. 
Die Landleute benutzen es vielfach bei Hautwasser¬ 
sucht, indem sie es mit weissem Wein infundiren 
(30 g auf 1 kg) und ein Weinglas voll 3 bis 
4 Mal täglich geben. In der That passt es bei 
Cachexie, Oedem und Anasarca, die bei Wechsel¬ 
fieber auftreten, oder den Scorbut und andere ato- 
nisclie Leiden begleiten.“ Casin 

Die Aerzte des 18. Jahrhunderts empfahlen 
Scordium in Lungenleiden, in pulmonibus purulentis 
i et mucilagine refertis, indem sie bald Scordium, 
bald die Scorodonia gebrauchten. Während bei 
! uns in Deutschland von den Gamander-Arten das 
Teucrium Chamedrys, Botrys, Chamaepithys (wegen 
seines angenehmen Geruchs Erdweihrauch genannt) 
und das T. Marum (das Katzenkraut) keine Selten¬ 
heiten sind, kommt das T. Scorodonia mehr vereinzelt 
vor, sodass Herr Apotheker Steinmetz dasselbe -von 
* aussen hat beziehen müssen. College Schlegel hat 
j es indessen häufig in der Umgegend von Tübingen 
angetrofleu und sich seit Jahren schon einer von 
I ihm selbst bereiteten Tinctur bedient. Vielleicht 
giebt er uns einmal etwas von seinen therapeuti¬ 
schen Erfahrungen mit diesem Mittel zum Besten. 

Eine merkwürdige Erscheinung möchte ich 
, noch betreffs des Teucrium Marum verum hier be- 
i rühren. Während die Katzen an dem campher- 
artigen Geruch dieser Pflanze ein besonderes Wohl¬ 
gefallen haben, (daher sein Name Katzenkraut), 
äussern die Mäuse einen grossen Widerwillen da¬ 
gegen, so dass es die Kammerjäger als Mittel zum 
Vertreiben dieser Nager wohl zu benutzen wissen. 
Dies erinnert an die Wirkung der Asa foetida auf 
verschiedene Menschenrassen, indem sie der einen 
ein cibus deorum, der andern dagegen ein stercus 


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11 


diaboli dünkt. Indessen steht Katze und Maus un¬ 
endlich weiter von einander in der Natur, als der 
Asiate und der Europäer; hier spricht der Instinkt, 
beim Menschen die Entwicklung des Geruchssinnes. 

Dr. Mossa. 

Vom Büchertische. 

Die Heilkraft des Lichtes. 

Entwurf zu einer wissenschaftlichen Begründung 
des Licht-Heilverfahrens (Phototherapie). 

Von Dr. Willibald Gebhardt, physiologischemChemiker 
und Hygienist. 

Leipzig 1898. 

Besprochen von Dr. Mossa. 

Es ist ein verdienstliches Unternehmen, wenn 
Dr. W. Gebhardt mit ausserordentlichem Fleisse 
das Wichtigste, was die Wissenschaft über das 
Licht in physikalischer, physiologischer und 
therapeutischer Beziehung ergeben hat, gesam¬ 
melt und mit eigenen Experimenten und Erfah¬ 
rungen bereichert, zu einem Ganzen vereinigt 
hat. Wir erkennen daraus, welch ein grossartiger 
Heilfactor das Licht, zumal das Sonnenlicht, abge¬ 
sehen von seiner hohen, anerkannten und allbe¬ 
kannten hygienischen Bedeutung, für den Thera¬ 
peuten werden kann. Dass Verf. diesem Heilfactor 
aber ein fast universelles Wirkungsgebiet zuweist, 
ähnlich wie es die Wasserapostel mit dem Wasser 
gethan haben, und hierbei zur Geringschätzung, ja 
Verachtung aller speciell-medicamentösen Kranken- 
behandlung sich verleiten lässt, das müssen wir 
zurückweisen. — Die Kapitel, welche den Einfluss 
des Lichtes auf pflanzliche, thierisclie Organis¬ 
men, auf die Bakterien und schliesslich auf den 
Menschen behandeln, sind von hohem Inter¬ 
esse. Anerkennenswerth sind die Versuche, 
welche Verf. selbst an Thieren angestellt hat, 
welche er mit pathogenen Bacillen vergiftet hat, 
um die Wirkungen des Lichtes auf inficirte Thiere 
festzustellen, während die anderen Forscher sich 
damit begnügt haben, die Einwirkung des Lichtes 
auf Bakterien ausserhalb des thierischen Organismus 
experimental zu eruiren. 

Diese Versuche, die er unter Assistenz von 
Dr. Aufrecht, Leiter eines bakteriologischen Insti¬ 
tuts in Berlin, unternommen, verdienen unsere Be¬ 
achtung. 

Zuerst operirte er mit dem Bacillus anthracis. | 
Zwei weisse Mäuse wurden unter der Haut mit 1 
frischen — zwei Tage alten — Milzbrandkulturen 


gehalten , nach drei Tagen starben , lebten die Thiere 
im Lichtkasten noch am zehnten Tage, an welchem 
sie, behufs Vornahme der Section, getödtet wurden. 
In den ersten beiden Tagen nach der Impfung 
zeigten sich die Thiere ziemlich unlustig, wurden 
aber vom dritten Tage an recht munter. — Bei 
diesen Thieren fand sich post mortem nur an der 
Impfstelle eine umschriebene, brandige Geschwulst; 
im entleerten Serum befanden sich sonst nur Invo¬ 
lutionsformen; Magen und Darmkanal war normal. 
Hingegen ergab der Sectionsbefund von den im 
Dunkeln gehaltenen Thieren in fast sämmtlichen 
Organen, wie in Milz, Leber und im Blute, eine 
Unmenge äusserst virulenter Milzbrandbacillen. Die 
Milz war stark angeschwollen, die drüsigen Organe 
parenchymatös getrübt. 

Sodann wurde ein Versuch mit Diphtherie-Kul¬ 
turen an vier Meerschweinchen gemacht, indem man 
zwei Thiere im Hellen, zwei im Dunkeln hielt. Es 
wurden 0, r, 5 cm frischer Fleischbrühekultur von 
Diphtherie-Bacillen den Thieren intraperitoneal ein¬ 
gespritzt. Die Thiere im Dunkeln gingen nach 
vier bezw. sechs Tagen ein, die andern — im 
Lichtkasten — lebten noch am 14. Tage, nach¬ 
dem seit dem 12. Tage auch die Glühlampe ent¬ 
fernt war. Bis zuletzt waren diese beiden Thiere 
äusserst munter, nachdem sie die drei ersten Tage 
überstanden hatten. Bei der Section fand sich eine 
kaum seröse Entzündung des Unterhautzellgewebes, 
das mit einem grauweissen Schleim angefüllt war, 
letzterer liess im Deckglas-Ausstrichpräparat ausser 
zahlreichen Kokken zumeist degenerirte Formen 
erkennen. Dagegen zeigten die im Dunkeln ge¬ 
haltenen Controlthiere hämorrhagische Schwellung 
der Nebennieren, in den Lungen flockige Verdich¬ 
tung; Bacillen waren mikroskopisch nicht mehr 
nachweisbar. 

Versuch mit Tuberkel-Bacillen. 

Zwei Kaninchen wurden durch intravenöse In- 
jection mit grossen Mengen frischer Tuberkel-Ba¬ 
cillen inficirt. Das eine Thier blieb acht Tage im 
Lichtkasten, dann noch fünf Tage im Dunkeln. 
Am 18. Tage war eine Gewichtsabnahme von 
37 Gramm aber sonst keine auffallenden Verände¬ 
rungen eingetreten. Sectionsbefund: Milz und Leber 
nur schwach afficirt; in den Lungen fanden sich 
4-5 kaum linsengrosse Höhlungen mit schon halb 
im Zerfall begriffenen Tuberkelbacillen. Wesent¬ 
lich ungünstiger gestaltete sich der Sectionsbefund 
bei dem dunkelgehaltenen Controlthiere, welches 
nach acht Tagen starb. Es zeigten sich weisse 
Knötchen in den Nieren; in den Lungen ebenfalls 


geimpft und dann in einen Kasten gebracht, in 
dem eine Glühlampe von 16 Kerzenstärke Tag und 


Cavernen; das Bauchfell war von zahlreichen Tu¬ 
berkeln durchsetzt. Verf. meint, der Einfluss des 


Nacht brannte. — Während nun andere, mit den 1 Lichtes beim ersten Kaninchen wäre noch schlagen¬ 


gleichen Kulturen geimpfte Controlthiere, im Jhmkeln ! der gewesen, wenn das Thier in einem grösseren 


2 * 


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12 


Raume sich freier hätte bewegen können und eine 
grössere Glühlampe wäre benutzt worden. — Dass 
lange andauernde Einwirkung des Sonnenlichts 
nicht nur die Tetanuskulturen in durchsichtigen Me 
dien tödtet, sondern auch die toxische Substanz, 
welche sie entfalten, unwirksam macht, haben 
Tizzoni und Cantani nachgewiesen Vor Licht ge¬ 
schützte Kulturen, auch wenn sie sehr lange mit 
der Luft in Berührung gestanden hatten, erzeugten 
dagegen stets bei den Versuchstieren acute Te- 
tanuserscheinungen. Also Luft allein ist wirkungs¬ 
los (p. 108 des besprochenen Werkes) Von Baum, 
der in der Zeitschrift f. Hygiene, Bd. 6 einen 
schönen Aufsatz über die „biologische Bedeutung 
des Lichtes“ geschrieben, wird vom Verf. folgende 
Aeusserung angeführt: „Um so mehr bedarf die 
Frage nach dem Einflüsse des Lichtes auf patho¬ 
gene Bakterien noch einer weiteren Bearbeitung, 
als sie befähigt ist, sowohl unsere hygienischen 
Massnahmen als auch unser therapeutisches Thun 
zu modificiren.“ Die Mahnung eines andern Autors 
an die Frauen, die mottenzüchtenden schönen Vor¬ 
hänge und Gardinen zu beseitigen, und lieber dem 
vollen Sonnenlichte in die lichtlosen, düstern Salons, 
und vor allem in das Krankenzimmer (NB., wenn 
keine tropische Sommerhitze herrscht), Einlass zu 
gewähren, schliessen wir uns gern an. Die Luft, 
die in einem solchen von Licht und Luft abge¬ 
schlossenen Salon uns entgegenkomrat, ist wirklich 
unathmenbar. 

Sehr instructiv ist, was wir über den Einfluss 
des Lichtes auf die Haut erfahren. Es sind hier¬ 
bei die brechbarsten Strahlen, die sogenannten 
chemischen , und zwar besonders die ultravioletten, 
am wirksamsten. Letztere rufen nach Vidmark* 
Stockholm und Hammer-Stuttgart nicht nur die Pig- 
mentirung, sondern auch die Sonnen-Ekzeme her¬ 
vor. Durch starkes elektrisches Licht, das ja auch 
sehr reich an chemischen Strahlen ist, werden die¬ 
selben Erscheinungen hervorgerufen. Hammer stellte 
ferner fest, dass, wenn Wärmestrahlen allein auf 
die Haut wirken, sofort eine Röthung eintritt, welche 
sich aber wieder verliert, ohne eine Pigment¬ 
bildung zu hinterlassen, so dass es also auf eine 
blosse Verbrennung hinausläuft. Durch Einfluss 
ausschliesslich chemischer Strahlen erscheint die 
Röthung erst einige Stunden nach dem Versuche 
und erreicht oft erst am folgenden Tage ihren 
Höhepunkt, worauf dann eine mehr oder minder 
starke Pigmentirung erfolgt. 

Vidmark wollte nach seinen Versuchen nur den 
ultravioletten Strahlen diese Wirkungen zuschrei¬ 
ben. Dass aber auch die anderen chemischen 
Strahlen einen gewissen Einfluss auf die Haut 
haben, geht aus Gintrax’ Experimenten hervor. 
Dieser liess die Lichtstrahlen der einzelnen Farben- 


theile des Sonnenspectrums auf die Haut isolirt 
wirken, und fand, dass die violetten Strahlen eine 
Entzündung hervorrufen, die blauen Strahlen bren¬ 
nen und röthen, die grünen eine leichte Röthe und 
die gelben ein geringes Brennen verursachen, die 
rothen Strahlen dagegen keine Veränderung be¬ 
wirken. 

Unna fand das Salben der Haut mit Kurkuma- 
Tinctur oder Bestreuen mit rothem Bolus als das 
wirksamste künstliche Mittel, um die Haut vor der 
Einwirkung der chemischen Lichtstrahlen zu schützen. 
Die Natur reicht uns zu diesem Zwecke dies Pig¬ 
ment der Haut selbst dar. Je pigmentreicher ein 
Individuum daher ist, desto weniger wird es von 
den Sonnenstrahlen zu leiden haben; umgekehrt 
sind pigmentarme, blonde Personen, besonders aber 
die Albinos, meist sehr geplagt davon. Das Haut¬ 
pigment sperrt also den Zutritt jener schädlichen 
Strahlen ab — es ist also ein Schutzmittel gegen 
die Sonnenstrahlen — eine Thatsache, welche 
Finsen experimental bis zur Evidenz erwiesen hat 
(cf. 1. c. p. 122.) 

Finsen macht auch darauf aufmerksam, dass die 
Stellen der Haut, auf welche die Lichtstrahlen 
senkrecht einwirken, so der Nasenrücken und die 
Wangen, besonders leicht ergriffen werden. Beim 
Gletscherbrand kommen die Strahlen von unten, 
weshalb besonders die Haut unter der Nase und 
dem Kinn entzündet ist. 

Sehr intensiv wirken die Sonnenstrahlen, wenn 
sie von frischem Schnee und Eis reflectirt werden, 
und das auch in Bezug auf die Pigmentbildung. 

Während also das Licht auf der einen Seite Pigmen¬ 
tirung hervorruft, hat Verf. andererseits eine Heilwir¬ 
kung desselben Agens auf anormale Pigmentirung, 
Pigmentflecke in der Umgebung variköser Geschwüre 
constatirt. Unter dem Einflüsse des Lichtes trat, wie 
Verf. sagt, hier wunderbarerweise eine Depigmentirung 
ein; die braunen Inseln wurden kleiner und heller 
und verschwanden schliesslich ganz, so dass die vorher 
schmutzig aussehenden Hautstellen durch die Licht¬ 
strahlen klar und rein wurden. — In einem Falle 
hat Verf. auch Sommersprossen durch Einwirkung 
des Lichtes heilen können. Freilich findet zwischen 
jenen und diesen Pigmentflecken ein nicht unbe¬ 
deutender Unterschied statt: dort findet die anormale 
Pigmentirung an Stellen statt, die vom Licht gar 
nicht oder sehr selten getroffen werden; hier bei 
den Sommersprossen aber an Stellen, die gerade 
vom Licht getroffen zu diesen Pigmentablagerungen 
gereizt werden. Sieht es nicht so aus, möchten 
wir sagen, als ob hier das homöopathische Heilungs¬ 
gesetz obwaltet, indem der Reiz, der die Haut- 
affection hervorruft, sie auch zu heilen im Stande ist? 

Was den physiologischen Vorgang betrifft, so 
nimmt Hammer eine directe Wirkung der Licht- 


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13 


strahlen auf die Blutcapillaren nicht an, sondern 
er behauptet, dass durch die ultravioletten Strahlen 
gewisse Nerven-Elemente, welche mit den Pigment- 
zellen in Verbindung stehen, in der Haut in Thätig- 
keit versetzt werden. Dem tritt Finsen gegenüber 
mit der Behauptung, dass die Blutcapillaren selbst 
von den Lichtstrahlen beeinflusst werden. Das 
Pigment ist, wie Unna nachgewiesen, hauptsächlich 
in den tiefsten Zellenschichten der Epidermis ab¬ 
gelagert, woselbst weder Capillaren noch Nerven¬ 
enden liegen, welche erst in dem darunter liegen¬ 
den Stratum papillare sich vorfinden. Das Blut 
selbst, meint er, athmet reichliche Mengen von 
Licht ein, absorbirt besonders viele ultraviolette Strah¬ 
len; hat es dann zur Genüge Licht aufgenommen, 
so entwickele sich das Pigment, das dann dem 
weitern Zutritt von Licht einen Damm entgegen¬ 
setzt. — Sehr eingehend behandelt Verf. die Wir¬ 
kung der Lichtbäder als therapeutisches Mittel, und 
erhalten wir in seinem Werke auch über die physio¬ 
logische und therapeutische Action des farbigen 
Lichtes sehr interessante Mittheilungen, über die 
wir später einmal ausführlicher zu berichten ge¬ 
denken. 

Aus der Besprechung wird der Leser ersehen 
haben, dass Dr. Gebhardt mit seiner Schrift „Die 
Heilkraft des Lichtes“ einen wesentlichen Beitrag 
zur Erkenntniss und zur therapeutischen Verwen¬ 
dung des himmlischen wie des auf der Erde künst¬ 
lich erzeugten Lichtes geliefert hat, und wenn er 
dies Werk, wie er als bescheidener Nicht-Arzt ein¬ 
gesteht, lieber von einem berufenen Arzt ausge¬ 
führt gesehen hätte, so rechnen wir ihm dies Ge¬ 
ständnis hoch an und zollen ihm um so mehr 
unsere Anerkennung. 


Aufforderung. 

Doctoren oder Candidaten der Medicin, die in 
Prag an der deutschen Universität, oder in Wien, 
oder in Leipzig studirt haben, sich mit der homöo¬ 
pathischen Heilmethode vertraut machen, und die¬ 
selbe praktisch verwerthen wollen, werden hiermit 
aufgefordert, sich bei dem Unterzeichneten wegen 
Erlangung der „Gabriel Porges’schen Stiftung für 
Homöopathen,“ die für 1899 wieder zu vergeben 
ist (halbjährlich ca. 220 Mk.), baldigst zu be¬ 
werben. — Daselbst sind auch die Bedingungen 
zu erfahren, unter welchen diese Stiftung zu er¬ 
langen ist. 

Leipzig, im Januar 1899. 

Dr. Rohowsky, 

z. Z. geschäftsföhrendes Vorstandsmitglied 
des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands. 


LesefrUchte. 

Prof Huchard machte in einer Vorlesung über 
das Auftreten von Herzkrankheiten in Folge von 
Gelenkrheumatismus folgende interessante Bemer¬ 
kung: 

„Je mehr ein Patient im Alter vorgeschritten, 
namentlich je weiter er über das dreissigste Lebens¬ 
jahr hinaus ist, um so weniger hat der Rheumatis¬ 
mus bei ihm die Tendenz zu einer Local tsirnnj 
am Herzen. 

Bei den Kindern z. B. kann der kleinste rheu¬ 
matische Anfall, selbst ein geringer Torticollis, ein 
Herzleiden hervorrufen, während das Herz bei über 
30jährigen Leuten sehr selten ergriffen wird.“ — 
Ferner betont Verf., „dass man bei acutem Rheu¬ 
matismus dem Kranken auch bei Nacht das Medi- 
cament, er bedient sich eines Salicinpräparates 
in starker Dosis, verabreichen soll, weil die Cont- 
plicalionen von Seiten des Herzens , insbesondere die 
Endocarditis, so gern über Nacht sich einstellen, 
und die Wirkung des Salicyls, das so schnell elimi- 
nirt wird, nicht nachhaltig genug sich erweist. Es sei 
nicht selten,“ sagt Verf., „dass ein am Gelenkrheu- 
tismus leidender Kranker Abends nichts Abnormes 
am Herzen hat, und am andern Morgen constatirt 
man das Bestehen einer Herzaffection.“ 

Die nächtliche Steigerung der krankhaften Symp¬ 
tome gerade beim acuten Gelenkrheumatismus ist 
eine bekannte Erscheinung; wie oft erlebt es jeder 
Praktiker, nicht zu seiner Freude, dass, wenn er 
Abends seinen Patienten in einer gewissen Euphorie 
verlassen, da die Schmerzen und die Anschwellung 
in dem befallenen Gelenke sich gemindert haben, 
am andern Morgen ein anderes Gelenk von der 
Affection ergriffen und dem schmerzhaften Process 
entgegengeht. Der Krankheitserreger, die Materia 
peccans, gewinnt in der That bei Nacht immer 
wieder erneute Kräfte, und so wird in der Nacht¬ 
zeit auch das Herz und seine Häute häufig in die 
Krankheit hineingezogeu. Die nach dem homöo¬ 
pathischen Grundprincip in dieser Krankheitsart an¬ 
gewandten Mittel, wie Aconit, Bryonia, Rhus, Merc., 
Bellad., Colchicum u. a., haben ja auch eine deut¬ 
lich ausgesprochene Neigung der krankhaften Symp¬ 
tome zur Nachtzeit. 

Ob es Prof. Huchard gelungen ist, durch Ver¬ 
abreichen des Salicyls in starker Dosis auch bei 
Nacht die Entstehung einer Herzaffection beim Ge¬ 
lenkrheumatismus zu verhüten, sagt er nicht aus¬ 
drücklich. Bei dem sonst üblichen Gebrauch des 
Mittels in starken Gaben, die so schwere Neben¬ 
wirkungen mit sich führen, kommen die Herzaffec- 
tionen durchaus nicht seltener vor, als es bei an¬ 
deren allopathischen Mitteln der Fall gewesen ist. 

_ Ref. 


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14 


Technisches. 

Im The Journal of tlie British Dental Associa¬ 
tion giebt Brodie folgendes Verfahren zur Reini¬ 
gung rostiger Instrumente an: Man füllt ein pas¬ 
sendes Gefäss mit einer Lösung von Zinn-Chlorid 
in destillirtem Wasser. In dieser Lösung lässt man 
das rostige Instrument über Nacht liegen. Dann 
spült man cs in fliessendem Wasser ab und reibt 
es mit sämischem Leder trocken, so wird es blank 
wie Silber werden. 

Dermatitis und Böntgenstrahlen. 

Von B. Plonski. 

(Dermatolog. Ztschr. 1891. No. 1.) 

P. beschreibt einen Fall von geschwüriger Der¬ 
matitis der Bauchhaut nach 1 2 stündiger Einwirkung 
der Röntgenstrahlen. Die Röhre soll ca. 1 / 2 m vom 
Körper des Pat. entfernt gewesen sein. Die Der¬ 
matitis bestand trotz aller therapeutischen Mass¬ 
nahmen ca. 1 Jahr. — Referent: Immerwahr-Berlin. 

Dr. Cramer-Karlsruhe. 

Gelenkrheumatismus: Aetiologie, Prophylaxe, 
Therapie. 

Nach den neueren Forschungen ist der acute 
Gelenkrheumatismus keine einheitliche Infections- 
krankheit, sondern die Erreger desselben sind ver¬ 
schiedenartig. So kommt die Krankheit auch nach 
septischen Processen, Scharlach, Gonorrhöeen, Vari¬ 
cellen, Anginen vor. Bei letzteren bilden die 
Mandeln die Eingangspforten für die Mikroben. 
Verf. selbst hat in zahlreichen Fällen von Poly¬ 
arthritis acuta eine vorgängige Infection, bei 2 s 
war es Angina, beobachtet. — Während und nach 
jeder Infectionskrankheit kreisen eben im Blute 
theils die Krankheitserreger, theils deren toxische 
Endproductc. Geben diese durch die Nieren, so 
können sie Nephritis erzeugen, auf der Pleura zu 
Pleuritis führen, durch Reizung der verschiedenen 
Gelenkschlciinbeutel — Gelenkentzündungen hervor- 
rufeu. Mag nun die Noxe einer Angina, einer 
Scarlatina, einer Gonorrhöe entstammen, der Effect 
ist derselbe; nur wird die Entzündung eine um so 
bedeutendere sein, je stärker die Virulenz des 
Erregers ist. — Doch ist eine Gelenkentzün¬ 
dung lediglich in Folge einer Erkältung, ohne 
Bakterien, wohl anzunehmen. Die Erkältung kann 
aber auch bei den bakteriellen Arthritiden insofern 
von Bedeutung sein, als erkältete Gelenke in Folge 
der durch die Erkältung bedingten Circulationstörung 
und Staue den Mikroorganismen die Einwanderung 
erleichtern, also einen locus minoris resistentiae dar¬ 
stellen. — Salicylsäure wirkt so prompt, weil sie 


in hohem Grade antizymotische und antiseptische 
Eigenschaften besitzt, so dass sie, in der gehörigen 
Dosis verabreicht, die im Organismus kreisenden 
Mikroben zerstört oder wenigstens ihre Entwicke¬ 
lung hemmt. (? Ref.) 

Noch wichtiger ist aber die Prophylaxe. Wir 
müssen bestrebt sein, die infectiösen Affectionen 
möglichst abzukürzen, und durch Elimination der 
mikrobischen Erreger der Entwicklung von Gelenk¬ 
rheumatismus vorzubeugen. Bei der so häufigen 
Angina ist hierzu die Cifronensäure ein treffliches 
Mittel. Von vielen Autoren schon ist ihre bakte- 
ricide Wirkung anerkannt worden, so namentlich 
von Lasser, der damit unter 15 Fällen von Diph¬ 
therie 14 zur Heilung brachte und 70 Follicular- 
anginen in 2 Tagen bekämpfte. Auch Verf. konnte 
sich in zahlreichen Fällen von der auffallend raschen 
Wirkung des Mittels überzeugen, selbst bei der 
echten Diphtherie. Er verordnet es in der Fonn 
von Acid. citric. 10,0, Aquae font. 100,0, Sacchar. 
0,5, D. S. 1 Esslöffel auf 1 Glas Wasser. Von 
dieser Mischung lässt er je nach der Schwere des 
Falls alle 5—10—15 Min. gurgeln und trinken. 
Bei Kindern unter 1 Jahr giebt er von einer 
Lösung Acid. citric. 1,0 auf Aq. dest. 70,0, Syr. 
citri 30,0, halbstündlich 1 Kaffeelöffel. — Er lässt 
das Medicament jedes Mal in Eis abkühlen, em¬ 
pfiehlt auch kalte Limonade als Getränk. Hiermit 
verbindet er immer gleichzeitig eine methodische Kalt¬ 
wasserbehandlung. Anfangs Eisumschläge, später er¬ 
regende Priessnitz’sche, Stammumschlftge, Halbbäder, 
Einpackungen. — Auch zur Abkürzung des Krank¬ 
heitsverlaufes bei den anderen Infectionskranklieiten 
hält Verf. die hydropathische Behandlung als am 
geeignetsten. 

Nicht die Herabsetzung des Fiebers ist hierbei 
die Hauptsache, sondern die tonisirende, Innerva¬ 
tion und Stoffwechsel anregende Beeinflussung. 
Hierbei kommen die pathogenen Keime und Toxi¬ 
nen schnell zur Ausscheidung, auch bietet die 
hydriatisclie Behandlung gleichzeitig den besten 
Schutz vor Erkältungen. —Jedenfalls soll dieses ziel¬ 
bewusste und individualisirende Heilverfahren einige 
Wochen fortgesetzt werden. — Es kann aber bei 
der Prophylaxe des acuten Gelenkrheumatismus und 
anderer Infectionskranklieiten noch ein anderer 
Factor wichtig sein, die Beseitigung von A asen- 
affectionen. Es werden ja an 80 °/ 0 der in der 
Luft enthaltenen Bakterien in der Nase zu¬ 
rückgehalten, wo sie durch den baktericiden 
Nasenschleim vernichtet werden. Hypertrophie der 
Muscheln, Stenosen etc. verhindern jedoch die 
Nasenathmung, und beim Schnupfen soll die bak- 
terientödtende Wirkung des Nasenschleims aufge¬ 
hoben werden. Da können dann die Bakterien die 
Mundhöhle passiren, und so in den Organismus ge- 


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15 


langen. Somit muss die Bekämpfung der Nasen¬ 
leiden ein wichtiges Momeut bilden. 

(Dr. W. Steckei [Wien]. Wien. med. Wochenschrift 
1896. 3.) 

Hydrotherapie und Citronensaft sind schon seit 
vielen Jahren die beiden Hauptmittel des sogen, 
arzneilosen Naturheilverfahrens bei Diphtherie. Verf. 
hat diesem Verfahren nun eine wissenschaftliche 
Unterlage zu geben versucht. Ob aber Salicylsäure 
innerlich und die von ihm statt des Citronensaftes ge¬ 
wählte, innerlich [und als Gurgelwasser] angewandte 


Citronensäure wirkliche Mikrobentödter sind, ist 
heut zu Tage eher mit Nein als Ja zu beant¬ 
worten. — Auch will es dem Ref. scheinen, als ob 
die Vertreter des sog. Naturheilverfahrens besser 
daran gethan haben, dass sie das Wasser nicht mehr 
I in der Form und Temperatur des Eises, sondern 
massig temperirt zu Umschlägen bei Anginen, auch 
| bei Diplith., anwenden, — ein Verfahren übrigens, 
welches die homöopathischen Aerzte meistentlieils 
gleichzeitig neben den angezeigten homöopathischen 
Mitteln sich längst angeeignet haben. Ref. 


Wegen des Ablebens meines Mannes, des homöopa¬ 
thischen Arztes Dr. Reis, ist dessen 

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Homöopath. Ceiitralapotheke 
von Täschner & Co. in Leipzig. 


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Da neuerdings bei Revisionen auch mehrfach Tarir- 
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Revisionszwecke völlig genügende, mit Präcisionsstempel 
versehene und geaiehte Receptur-TarirWaagen auf einfachem 
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24 Mark offeriren kann. 

Leipzig. A. Marggrafs homöopath. Officin. 


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48 



w Wichtig! 


Revisionsmässige Einrichtung 
der ärztlichen Hausapotheken betr. 


Nachdem in einem Regierungsbezirke in Westphalen 
wiederum neue Anforderungen gestellt worden sind, gebe 
ich Folgendes bekannt: 

Der Phosphor und seine Präparate dürfen nicht mehr 
in den bisherigen Giftschränken untergebracht werden, 
sondern in einem besonderen eisernen Schränkchen. 

Für Morphium muss auch ein besonderes Schränkchen 
mit den Mitteln in 3-eckigen Gefässen und den nöthigen 
Utensilien (Waage, Mörser, Löffel, Gewichte etc.) angeschaflt 
werden. 

Desgleichen für Moschus ein besonderer Kasten mit 
den Mitteln in revisionsmässig signirten Gefässen, und den 
nöthigen Utensilien (Waage, Mörser etc.). 

Ich offerire somit Folgendes: 

1. Eiserne Phosphor* Schränkchen) 29 cm 
hoch, 34 cm breit, 17 cm tief, mit 2 Ablheilungen, 

leer 15.— Mk. 

ln diese kommen die schon vorhandenen Gefässe 
und Utensilien. 


2. Morphiom-Schrfinkclien von Holz, 
Nussbaum oder Eiche etc., 47 cm hoch, 26 cm breit, 


tief, 

aussen Porzellanschild „Morphium,“ 
Enthaltend: 

leer 20. 

ß 

1 dreieckiges Gefäss für Morphium 


2 

purum 

—.60 Mk. 

.t; 2 

1 „ „ für Morphium*x 


s « 

Ja 

Verreibungen 1 

-.60 „ 

*3. 

1 „ „ für Morphium ) 


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PH 

, Lösung-* 

-.90 „ 


1 Mörser mit Pistill und Schrift 

3.50 „ 


1 Handwaage mit Schrift 

5.50 „ 


1 Trichter mit Schrift 

1.- „ 


1 Löffel 

-.90 „ 


Diverse Gewichte 

2.50 „ 


1 Pincette für Gewichte 

-.75 „ 

3. Hoschuskästen aus Blech, 25 cm lang, 

breit, 12 cm hoch, signirt „Moschus,“ 
Enthaltend: 

leer 6. 

u a 
® u 

1 gelbes Glasstöpselglas: 25, 0 , für 
Tinct. moschi 


■g-s < 

- .30 Mk. 


1 „ Glasstöpselglas: 25, 0 , für 


s 8 

Moschus-Verreibung 

1 Porzellanmörser mit Pistill und 

.3o „ 


Schrift 

3.- „ 


1 Handwaage mit Schrift 

5.50 „ 


1 Horn löffei mit Schrift 

— .90 „ 


1 Trichter mit Schrift 

1.- „ 


12 Pulverschiffchen mit Schrift 

6.- „ 


1 Pincette für Gewichte 

-.75 „ 


Diverse Gewichte 

2.50 „ 


imitirt 
17 cm 
- Mk. 


Ü1 

s ~ 


13 cm 
- Mk. 


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Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von WiHiam Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julius Maser in Leipzig. 


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Band 138 


Leipzig, den 16. Februar 1899. 


No.7u.8. 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG. 

Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A.MarggraFs Homöopath. OfHcin) in Leipzig 

Thomaskirohhof 12. 

£ 1 ^^* Erscheint Utägig zu2 Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 Af. 60 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offloin ln Leipzig) zu riohten 
sind, werden mit 20Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 6—8 M, berechnet. 

Inhalt. „Einseitige“ Krankheiten. Von Dr. Mossa.— Aranea (diadema). Eine Signaturstudie von E. Schlegel, 
Arzt in Tübingen Bryonia (alba)-Signaturenbild. Von demselben. — Rundschreiben, betreffend Perityphlitis. Von 
Dr. Gisevius jun. — Cnirurgia homoeopathica — Myristica sebifera. Von Dr Olivd y Gros in Barcelona. — Das Ge¬ 
setz der Zweckmässigkeit im menschlichen Organismus systematisch beleuchtet. Eine anatomisch-physiologische Ab¬ 
handlung als natürliche Teleologie. Von Ad. Alf. Michaelis. Besprochen von Dr. H. Goullon. — Paracelsus, der „Fran- 
zosen-Arzt“. Von Dr. Mossa. — Das Reconvalescenten-Heim Hahnemann“ zu Bournemouth. Von M. — Klinische Indi- 
cationen. Von M. — Bitte an die Collegen! — Lesefrüchte. — Personalia. — Anzeigen. 

Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. '•Z 


„Einseitige“ Krankheiten. 

Von Dr. Mossa. 

Hahnemann spricht im Organon von „einsei¬ 
tigen“ Krankheiten, und meint damit solche, die 
sich nur durch wenige charakteristische, oder gar 
nur durch ein einziges hervorstechendes Symptom 
bemerkbar machen. Derartige Krankheiten können 
uns nun als frisch entstandene, acute zur Beobach¬ 
tung kommen, wie z. B. ein Zahnschmerz oder eine 
Neuralgie an irgend einem Körpertheile, häufiger 
aber begegnen wir ihnen, wie auch unser Meister 
hervorhebt, in chronischen Fällen, so z. B. bei ge¬ 
wissen Migränen, Cardialgieen oder bei chronischen 
Zuständen des Hautorgans, wie einer Warze, Balg¬ 
geschwulst u. a. m. 

Nicht selten jedoch liegt diese Einseitigkeit 
nicht in der Krankheit selbst, sondern in der 
kranken Person, die sich nicht zu beobachten ver¬ 
steht oder sich zu indolent gegen die vorhandenen 
Symptome verhält, die zu der in gewissem Sinne 
glücklichen Klasse der Dickhäuter gehört. Für ein 
gut Theil Personen ist überdies der Magen fast 
der einzige Gradmesser ihrer Gesundheit. Wie oft 
kommt ein Kranker zu uns, der weiter nichts zu 
klagen hat, als dass ihm Essen und Trinken nicht 
mehr schmeckt, der Kaffee der Frau und die Cigarre 
dem Manne nicht mehr munden will. Dringen wir 


aber durch Befragen und objective Untersuchung 
tiefer in den Fall, so finden wir, dass der Magen 
oft erst in zweiter, ja erst in dritter Linie be¬ 
theiligt ist, dass er nur consensuell mitleidet, wäh¬ 
rend der Hauptherd der Krankheit ganz wo anders 
liegt und sich diese durch eine Reihe mehr oder 
weniger charakteristischer Symptome zu erkennen 
giebt. Im Allgemeinen kann man behaupten, je 
einseitiger der Kranke, und der Arzt, desto mehr 
wird von einseitigen Krankheiten die Rede sein. 

Bei alledem bleibt es aber Thatsache, dass wir 
auf Krankheitszustände je und je stossen, die sich 
nur durch wenige, oder gar nur ein charakteristi¬ 
sches Symptom kund geben. Für die Behandlung 
solcher Fälle nun giebt Hahnemann den Rath, das 
Mittel zunächst zu wählen, das diesen wenigen, 
oder den einzigen Symptomen unserer Arzneimittel¬ 
lehre zufolge am meisten entspricht. Wird der 
Zustand durch dieses Mittel gar nicht oder nur 
theilweise gebessert, so wird dasselbe doch in der 
Regel bei dem betreffenden Kranken eine Anzahl 
von „Nebenbescbwerden“ liervorrufen, die das Krank¬ 
heitsbild ergänzen und so verdeutlichen, dass man 
nun eher im Stande sein wird, das Simile oder 
Simillimum aufzufinden. 

„Man meine nur nicht,“ sagt Hahnemann in 
seinem Organon § 181, „dass die jetzt erschienenen 
Nebenbeschwerden und neuen Symptome auf Rech- 

7 


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50 


nung des eben gebrauchten Mittels kämen. Sie 
kommen von ihm; es sind aber doch immer nur 
solche Symptome, zu deren Erscheinung diese Krank¬ 
heit und in diesem Körper schon für sich fähig 
war, und welche von der gebrauchten Arznei — 
als Selbsterzeugerin ähnlicher — bloss hervorge¬ 
lockt und zu erscheinen bewogen wurden. Man hat, 
mit einem Worte, den ganzen jetzt sichtbar ge¬ 
wordenen Symptomen-Inbegriff für den der Krank¬ 
heit selbst angehörigen, für den gegenwärtigen 
wahren Zustand anzunehmen und hiernach ferner 
zu behandeln.“ 

Welches Verfahren Hahnemann späterhin ein¬ 
schlug, um bei einseitigen Krankheiten, denen eine 
schlummernde (latente) Psora, Sycosis oder Syphilis 
als Grundursache zu unterstellen war, diese aus 
ihrer Latenz zur Aeusserung offenbarer Symptome 
anzuregen, ist bekannt. — 

Indessen hat die praktische Erfahrung unserer 
Schule sattsam gelehrt, dass es uns bei wirklich 
symptomen-armen Erkrankungen doch oft gelingt, 
durch ein einziges Mittel, das eben die wenigen 
oder gar das einzige Hauptsymptom, die Indication, 
in seiner Pathogenese enthält, sozusagen primo 
ictu-Heilung zu erlangen. Obwohl nun diese That- 
sache jedem homöopathischen Arzt aus seiner Praxis 
bekannt sein wird, so halten wir es doch für nütz¬ 
lich, einige eclatante Fälle aus eigener und frem¬ 
der Beobachtung ad usum Delphini hier mitzu- 
theilen. 

1. Da ist mir ein Fall von Zahnschmerz leb¬ 
haft in der Erinnerung geblieben bei einem jungen 
Manne, an dem ich trotz sorgfältiger Untersuchung 
nichts Krankhaftes irgend welcher Art sonst habe 
entdecken können. Der Schmerz erschien in ein¬ 
zelnen Kucken, und hatte Patient bei jedem Ruck 
die Empfindung, als ob ihm der Zahn herausgerissen 
wurde . Diese eigentümliche Schmerzempfindung 
fand sich nun in unserer R. A.-M.-L. bei keinem 
Mittel so deutlich ausgesprochen, wie bei der Ipe- 
cacuanha . Dieses Mittel erhielt der Patient in der 
3. Dec.-Dil. zu je 3 Tropfen, 3 Mal täglich in 
1 Esslöffel Wasser. Es brachte in der That bald 
Besserung und sodann Heilung. — Wohl erzeugt 
auch, Coccionella septempunctata, der Johanniskäfer, 
eine ähnliche Odontalgie, nämlich ein ruckweises 
Ziehen , ein Zucken und Reissen in den Zähnen, 
als würden sie herausgerissen , dazu noch ein Weh 
in den Backenzähnen, als seien sie hohl, oder als 
zöge Luft hinein. Bei meinem Patienten trat jener 
Ruck und jene Empfindung immer in einem und 
demselben Zahn ein, der aber nicht hohl war. Viel¬ 
leicht dient uns zur Differenzirung beider Mittel 
noch die Thatsache, dass Coccion. Rothe und Hitze , 
Blutdrang nach dem Gesicht, aufweist, während bei 
der lpec. das Gesicht blass , aufgedunsen erscheint 


und sich blaue Ränder um die Augen darstellen. 
Ueberdies tritt bei beiden Mitteln vermehrte Spei¬ 
chelabsonderung auf. 

2. Auf ein ganz anderes Gebiet führt uns fol¬ 
gender Fall: 

Ein 3jähriger, gutgenährter Knabe litt seit 
längerer Zeit an Vorfall des Mastdarms. Zuerst 
war diese Erscheinung nur beim Stuhle, der hart 
und ziemlich dick geformt war, aufgetreten, später¬ 
hin war sie aber stationär geworden. Die bisher 
angewandten Hausmittel, sowie die von einem* Arzt 
der alten Schule verordneten Massnahmen hatten 
keinen Erfolg gohabt. 

Ignatia 30., mehrere Abende je eine Gabe zu 
5 Globulis, genügte, um dieses lästige Uebel zu 
beseitigen. Bei der Mittelwahl hatte ich zwischen 
Ignatia und Nux vomica geschwankt. Die sanfte 
Gemütlisart des Kindes, die selbst durch sein Leiden 
nicht getrübt worden war, gaben den Ausschlag 
; für Ignatia. 

| 3. Die Heilung einer Ranula durch Thuja, so- 

I wie die von Warzen bei einem Kinde durch das- 
; selbe Mittel habe ich schon früher mitgetheilt. Bei 
| dem Kinde und dessen Familie, zumal der Mutter, 

| war der hydrogenoide Zug nicht verkennbar; bei 
i dem Ranula-Patienten fehlte derselbe. Inzwischen 
j hat Coli. Weiss in Gmünd mehrere solcher Ranula- 
I Heilungen mittels Thuja sicher constatirt. Der¬ 
artige Fälle sind meist recht arm an sonstigen in- 
dicativen Zeichen und Symptomen. 

Beobachtungen Anderer. 

Eine Reihe sehr interessanter und belehrender 
Heilungen von merkwürdigen, isolirt auftretenden 
pathologischen Veränderungen, namentlich nach Rich¬ 
tung der Sinnesempfindungen, zumal des Geschmacks, 
hat Kafka senior in dieser Zeitschrift unter dem 
Titel: Symptomatische Heilungen im 61. und 62. Bde. 
veröffentlicht, die zu diesem Thema eine weitere 
Illustration darbieten. 

4. So berichtet er von einer ältlichen, zarten, 
schwächlichen Frau, die zu Katarrhen geneigt, 
wiederum an einem Bronchialkatarrh erkrankt war, 
der die Eigentbümlichkeit hatte, dass die Kranke, 
so oft sie hustete , einen dumpfigen (schimmeligen) 
Geschmack im Munde empfand, der ihr einen sol¬ 
chen Ekel erregte, dass die Esslust beeinträchtigt 
wurde und sich zuweilen Uebelkeit, ja sogar wässe¬ 
riges Erbrechen einstellte. Dabei war der Husten 
locker; weder Athem noch der ausgeworfene Schleim 
I hatte jenen Geruch. Der schlechte Geschmack kam 
eben nur jedes Mal beim Husten. Ein dem ähn¬ 
liches Symptom fand Kafka nach eifrigem Suchen 
in Jahr’s Handbuch der Hauptanzeigen unter Le- 
dum palmtre verzeichnet. Von diesem Mittel gab 
j er nun der Patientin Morgens und Abends je 


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51 


1 Tropfen der 3. Dil. auf Milchzucker, worauf 
binnen 8 Tagen vollständige Besserung eintrat. — 
Dass es sich hier um eine wirkliche Kunstheilung 
handelte, dafür spricht die Thatsache, dass, als 
nach Jahresfrist ganz dasselbe Leiden wieder er¬ 
schien und Verf. absichtlich zuerst andere Mittel, 
wie Nux, Ipec., Calc., Sulph. u. a. verabreichte, ! 
diese nichts ausrichteten und erst wieder Ledum 
jenen dumpfigen Geschmack beim Husten in kurzer 
Zeit beseitigte. I 

5. Bei einem Manne, der an einem einfachen 1 
Bronchialkatari h litt, stollte sich bei jedem Husten- 
stoss ein ekliger Geschmack von KeUerschimmel 
ein. Hier roch aber der Athem dampfig , und der j 
sich leicht lösende Auswurf hatte denselben Geruch 
und Geschmack. Dabei war aber das Zahnfleisch 
gesund und der Appetit gut. 

In diesem Falle half Borax, 2. Verreibung, Mor¬ 
gens und Abends 1 Pulver, binnen 6 Tagen. — 
Borax hat in der That das Symptom: Amwurf ! 
schhnmeligen Geschmacks und ebensolchen Geruch i 
aus dem Munde bei einem Prüfer erzeugt. 

6. Eine Dame hatte während des Hustens den ! 
Geschmack nach faulen Eiern, dabei keine Spur 
von Magenstörungen. — Sulph., Hep. sulph. halfen 
nicht; aber auf Sepia 6., Morgens und Abends 1 
1 Tropfen, verlor sich jenes Symptom binnen vier 
Tagen. 

Den süsslichen Geschmack im Munde bei einem I 
etwas schwer sich lösenden Husten konnte Kafka 
durch Phosphor 6. heben; bei salzigem Geschmack 
des Auswurfs, einer nicht gar seltenen Erscheinung, 
sah derselbe von Phosphor und Pulsatilla guten Er¬ 
folg. — 

Er bespricht sodann eine Reihe krankhafter 
Dgsaesthesieen an der Zunge, wobei allerdings einige, 
wenn auch wenige, begleitende Symptome auf die 
Wahl des Mittels hinleiten konnten. 

7. So litt ein 22jähriges Fräulein, von schwäch¬ 
licher Constitution, an einem anhaltenden Breiuieti 
auf der Zunge , das oft so heftig wurde, dass es j 
ihr Thränen auspresste. Das Zahnfleisch war bläu¬ 
lich und aufgelockert, aber nicht blutend; die Zunge, ' 
etwas geschwollen, zeigte an ihren Rändern den 
Eindruck der Zähne und auf ihrem Rücken insel¬ 
förmige, geschwürige Stellen. Diese Ulcerationen 
sind oberflächlich, pfennig- bis silbergroschengross, 
ihre Ränder weiss, etwas erhoben, kreisförmig. Die 
Speichelabsonderung nicht vermehrt. Sonst nichts 
Abnormes. Dieser Zustand soll nach einem an¬ 
haltenden deprimirenden Gemüthsaffecte entstanden 
sein; währte bereits länger als 4 Wochen und 
wollte keinem Mittel weichen. — Arsen. 6. brachte 
schon in den ersten 6 Gaben Linderung und in I 
14 Tagen volle Heilung. 


8. Einen brennenden Schmerz, über das Brust¬ 
blatt verbreitet, als begleitende Erscheinung von 
Bronchialkatarrhen, hat Verf. vielfach durch Carbo 
vegetabilis heilen können. 

9. Wie wichtig für die Therapie ein Symptom, 
das in die Pathogenese eines Mittels leicht hinein¬ 
geworfen zu sein scheint, vielleicht auch nur von 
einer der prüfenden Personen -beobachtet worden 
ist, unter geeigneten Umständen wirken kann, zeigt 
folgender von Kafka 1. c. mitgetheilter Fall: 

Eine 20 jährige Frau, von blühendem Aussehen, 
seit einem Jahr verheirathet, empfindet jedes Mal 
beim Coitus einen Schmerz in den Genitalien, der 
nicht nur sehr lästig ist, sondern auch zugleich 
jedes Wollustgefühl erstickt, so dass es bisher zu 
keiner Conception hatte kommen können. Die in¬ 
nere Untersuchung wurde verweigert. Der Sitz des 
Schmerzes scheint aber in der Vagina, hinter der 
Urethra zu liegen, und erscheint derselbe, sobald 
die Friction bei der Begattung beginnt. Die Urin- 
secretion ist ganz ungestört; der Urin zeigt nichts 
Abnormes. 

Dieser krankhafte Zustand nun, der sich hier 
durch ein ganz isolirtes, aber deutlich ausgesproche¬ 
nes Symptom zu erkennen gab, findet sich in un¬ 
serer Pharmakodynamik unter Ferrum, ausgedrückt 
in den Worten: „Schmerzhaftigkeit in der Mutter¬ 
scheide beim Beischlaf.“ 

Daraufhin gab Kafka Ferrum aceticum, 3. Ver¬ 
reibung, früh und Abends 1 Gabe. Der Ehemann 
constatirte später, dass jene Schmerzhaftigkeit bei 
seiner Frau immer geringer und milder geworden 
sei. — Ob sie völlig verschwunden, kann Verf. 
nicht nachweisen, aber er vermuthet es. 

(Ausser Ferr. hat noch Kali carb. und Lyco- 
podium Schmerz beim Coitus, doch ist der Schmerz 
bei Kali als kriechend , immdheitsartig, bei Lycop. 
als brennend angegeben. Ref.) 

Aus der Allgem. homöopath. Zeitung, Bd. 53, 
No. 7, wollen wir zum Schluss noch folgenden hier¬ 
her gehörigen Fall anführen: 

10. Eine Dame leidet an heftigem Husten, wel¬ 
cher sich nach jedem Essen einstellt und mit Er¬ 
brechen des Genossenen endet. Diese Anfälle kamen 
regelmässig von zwei zu zwei oder drei Monaten 

i ° “ 

wieder uud steigerten sich dann so, dass die Kranke 
1 gar nichts gemessen konnte und ihre Kräfte gänz¬ 
lich herabkamen. Dieser Zustand hielt immer 1 bis 
2 Wochen an. Andere hervorstechende Symptome 
finden sich bei ihr nicht vor. Diesmal erschien sie 
gleich nach dem ersten Anfall bei einem homöo¬ 
pathischen Arzte. Eine einzige Gabe Antimonium 
tartaricum 2. beseitigte das Leiden gänzlich. 

Husten nach jedem Essen mit Erbrechen des 
Genossenen findet sich eben bei keiner Arznei so 

7* 


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52 


ausgesprochen als physiologische Wirkung, wie beim 
Brechweinstein 

Diese hier mitgetheilten Beobachtungen legen 
alle Zeugniss für unsere Behauptung ab, wie uns 
die homöopathische Heilmethode auch für solche 
Kranke prompte Heilung verschafft, deren Leiden 
nur durch wenige, oder gar nur ein einziges Symp¬ 
tom zu Tage tritt, wenn dieses Symptom nur ein 
recht charakteristisches Gepräge an sich trägt und 
wir so glücklich sind, dieses eigenartige Symptom 
bei einem der geprüften Mittel deutlich ausge¬ 
sprochen wiederzufinden. Kafka führt die Worte 
V. Meyer’s, eines sehr hervorragenden homöopathi¬ 
schen Arztes und langjährigen Redacteurs dieser 
Zeitschrift an: 

„Wem sind nicht in seiner Praxis Fälle vor¬ 
gekommen, bei denen er sich nicht an den objec- 
tiven Befund, nicht an eine bestimmte Gruppe von 
Krankheitserscheinungen, welche auf eine bestimmte 
Krankheitsform schliessen lassen, halten kann, son¬ 
dern es sind meist nur einzelne, oft ganz vereinzelt 
dastehende Symptome, welche die eigentliche Krank¬ 
heit ausmachen oder andere Krankheitsprocesse be¬ 
gleiten, die dem Kranken lästig sind, ihm oft viele 
Beschwerden verursachen — und gehoben werden 
sollen. In solchen Fällen gehen oft alle Rationalität 
und alle Gemeinplätze zu Schanden; es hilft keine 
Physiologie, keine Mikroskopie, kein Narkotisiren, 
kein Deriviren, kein Alteriren, kein Stimuliren und 
kein Depotenziren.“ — Nur wer in jedem ein¬ 
zelnen derartigen Falle genau individualisirt, fügt 
Kafka hinzu, und die physiologische Pharmako¬ 
dynamik zu Rathe zieht, wird das geeignete Heil¬ 
mittel herausfinden! 

Kafka hat die hier besprochenen Heilungen 
„symptomatische“ genannt. Diese Bezeichnung will 
uns aber nicht glücklich gewählt erscheinen, da sie 
den Schein auf uns wirft, als ob wir hier, gleich 
der alten Schule, unser Bestreben darauf richten, 
ein einzelnes, isolirtes Symptom durch ein Mittel 
ä tout prix zu unterdrücken. Diese Schule nar- 
kotisirt, wenn sie einen Schmerz in einem Nerven¬ 
gebiet beseitigen will, mittels Opium oder Morphium 
das Gehirn, und anästbesirt damit die zu dem 
schmerzhaften Theile gehenden Empfindungsfasern, 
hebt die Nervenleitung zu jenem Theile auf. Das 
bewirkt, dass das Gehirn den hier vorhandenen 
Schmerz eine Zeit lang nicht empfinden kann, der 
jedoch, sobald die narkotische Wirkung erloschen 
ist, in alter Art und Stärke meist wieder zum Vor¬ 
schein kommt. 

Wie ganz anders ist das Verfahren des homöo¬ 
pathischen Arztes auch in diesen symptomenarmen, 
einseitigen Krankheiten! 

Wie überall so gilt ihm auch hier das Indivi¬ 
dualismen des einzelnen Falles als oberste Regel. 


1 Auch hier wird er sich bemühen, aus den charak- 
| teristischen wenigen oder einzelnen Krankheitssymp- 
i tomen das Relief eines Krankheitsbildes — und sei 
es ein noch so kleines Miniaturbild — herauszu¬ 
heben, das ja selbst durch die besondere Art der 
subjectiven Erscheinungen, der Empfindungen, dann 
; durch den Ort, wo sie auftreten, die Umstände von 
i Besserung und Verschlimmerung seine specifische 
] Färbung erhält. — Sodann gilt es für uns auch 
I hier, wie überall, aus unserem Arznei schätze ein 
I Mittel ausfindig zu machen, das, wie experimentell 
I am Gesunden erwiesen, ein dem Miniaturkrankheits¬ 
bild ähnliches Wirkungsbild, resp. das einzige den 
Fall charakterisirende Symptom bei einem Prüfer 
erzeugt hat. Wir machen hierbei im Stillen den 
Schluss: Wenn eine Krankheitsursache und ein 
Arzneistoff auf den menschlichen Organismus auch 
^ nur nach dieser einen Richtung hin in so ähnlicher 
! Weise einwirken, dieselben Nervenbahnen z. B. 
treffen und die analogen Empfindungen und Er¬ 
scheinungen hervorrufen, so ist damit zwischen 
I beiden ein Achnlichkeitsverhältniss statuirt und wird 
das betreffende Mittel für diesen Fall höchst wahr¬ 
scheinlich curativ sein. 

Somit wird die homöopathische Behandlungs- 
I weise auch für die symptomenarmen, einseitigen 
Krankheitsfälle oft gleich beim ersten Heilversuch 
zur Heilung führen können. Sind unsere Chancen 
I auch, wenn uns der Kranke einen umfangreichen 
i Complex charakteristischer Symptome darbietet, weit 
I günstiger, so ist uns doch die Heilung der ge- 
! dachten Fälle, wo wir ex ungue leonem zu er- 
i kennen haben, nach unserer Heilmethode ermög- 
i licht. — 

i Die klinische Diagnose im Einzelfall ist uns 
sehr werthvoll, aber für die Mitteldiagnose ist sie 
I nicht unser einziger Leitstern. Wohl werden wir 
immer bestrebt sein, uns über die physiologische 
Bedeutung und Erklärung der pathologischen Er¬ 
scheinungen Rechenschaft abzulegen, aber wie wenig 
sagt uns die gegenwärtige Physiologie über die bei 
der einfachsten Neurose im Nerven waltenden Vor¬ 
gänge, wie wenig Aufschluss giebt sie uns über 
die sogenannten functionellen Nervenstörungen! Da 
' müssen wir denn die uns bei einem Kranken be- 
| gegnenden krankhaften Veränderungen, zumal auf 
dem Gebiete des Nervenlebens, der Sinnesempfin¬ 
dungen, die uns öfters so wunderlich, so paradox 
I erscheinen, vorläufig, ohne Erklärung, als natürlich 
gegebene Phänomene hinnehmen. Dass wir auch 
selbst diesen in der Therapie nicht machtlos gegen- 
I überstehen, ist einer der höchsten Vorzüge der ho- 
I möopathischen Heilmethode, von welcher Thatsache 
die hier mitgetheilten Heilungsgeschichten ein be- 
| redtes Zeugniss ablegen. Diese geben uns aber 
i auch andererseits die Mahnung, beim weiteren Aus- 


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53 


bau unserer R. A.-M.-L. mit dem Ausmerzen „para¬ 
doxer“ Symptome recht behutsam vorzugehen; 
könnte doch der Stein, den die Bauleute verworfen 
haben, unter Umständen zuin Eckstein werden! 


Aranea (diadema). 

Eine Signaturstudie von E. Schlegel, Arzt in Tübingen. 

I. 

Geehrter Herr College! Im Anschluss an Ihren 
Artikel über Aranea diadema erlaube ich mir, Ihnen 
nachfolgende kleine Studie zu übersenden, welche 
ich dem Manuskript für eine grössere Arbeit über 
Signaturen in der Medicin entnehme. Sie werden 
finden, dass hier ein neuer Weg eingeschlagen ist, 
die Arzneimittellehre zu bearbeiten, oder wenig¬ 
stens vorzubereiten, ein Weg, der in seiner prak¬ 
tischen Begehung freilich zu den Uranfängen der 
Medicin gehört, jedoch eine wissenschaftliche Wür- 
digung bis jetzt nicht gefunden hat. Die Bemühung, 
auf diesem Wege den Naturwissenschaften etwas 
für die Homöopathie abzugewinnen, mag zwar 
auf Widerspruch stossen; sie wird aber von an¬ 
derer Seite auch mit Freude begrüsst werden. Ich 
stelle meine Ergebnisse willig unter die Probe des 
Experiments, womit der berechtigten Forderung der 
Skepsis Genüge geleistet ist. — Sollte sich zeigen, 
dass sich auf meinem Wege wichtige Anhaltspunkte 
für die Arzneimittellehre gewinnen lassen, so wer¬ 
den die Signaturenbilder künftig neben den Arznei¬ 
mittelprüfungen nach Hahnemann ihren berechtig¬ 
ten Platz einnehmen. — Damit die Herren Collegen 
meine Bestrebungen noch etwas vollkommener zu 
beurtheilen in der Lage sein mögen, füge ich auch 
zwei Signaturenbilder von Gewächsen bei, welche 
genau geprüft sind und die Uebereinstimmung der 
Arzneimittelbilder auf dem Wege der Prüfung und 
der Signaturenermittelung deutlich zeigen. Das ge¬ 
plante Werk „Signaturentehre“ wird eine Darstel¬ 
lung der bisherigen Bemühungen auf diesem Ge¬ 
biet und die allgemeine Begründung der Sache 
bieten. 

Aranea diadema . Vier geschickte Beinpaare 
mit differenzirten Leistungen (ungleich den einför¬ 
migen armen Leistungen der vielen Beinpaare bei 
den Gattungen Millepedes und Scolopendra), sowie 
die ausserordentlich entwickelten Beiss- und Fress¬ 
werkzeuge verbürgen eine stark überlegene peri¬ 
phere Innervation, reiche sensible Wahrnehmungen 
und überlegene motorische Impulse: körperliche Er¬ 
regung und Unruhe, Chorea, Besserung der Be¬ 
schwerden durch Bewegung, durch Auswirken der 
Antriebe (am meisten bei der Gattung Tarantula 
bekannt). Die hohe Sensitivität tendirt dabei zu 
hysterischen Erscheinungen mit Ueberempfindlich- 


keit. Die letztere erstreckt sich in feinfühliger 
Weise auf die Witterung, nicht nur auf die Tem¬ 
peratur an sich, sondern auch auf Bewölkung und 
Wind, Lufttrockenheit. — Die Gedeihensbedingun¬ 
gen der Spinne sind wesentlich mit Wärme und 
Sonnenschein gegeben, denn nur diese vermitteln 
Beute. Die Abwesenheit wärmeregulirender Vor¬ 
richtungen in den wechselwarmen Thieren bedingt 
I eine feindliche Herabsetzung der Körperwärme im 
j Ganzen, mit Frostgefühl und reactiver Erhöhung 
der Körperwärme (Fieber). Wo die Erscheinungen 
eines Lebewesens sich streng rhythmisch abspielen, 
an Tag und Nacht, an Licht und Dunkelheit ge¬ 
bunden, wie bei Aranea, da dürfen wir Wirkungen 
[ periodischer Art erwarten, mehr oder weniger strenge 
1 Periodicität der Erscheinungen und Reactionen: 

I Wechselfieber . — Auch in der Pflanzenwelt ist die 
! Periodicität stark vertreten, doch ungleich vertheilt; 
sehr ausgesprochen periodische Functionen finden 
wir z. B. bei Bryonia, bei Pulsatilla (Wechselfieber- 
| mittel). In der Thierwelt steht z. B. auch Apis 
| der Aranea in dieser Hinsicht etwas nahe Bei 
' der Kreuzspinne finden wir auch leichtes Erstarren, 

| nicht nur durch Frost, sondern auch durch Schreck, 
j durch Todtstellen: Katalepsie, Neigung zu Ohn¬ 
mächten und Krämpfen, Collaps. Ueberlegene Ein- 
| Wirkung auf das weibliche Geschlecht ist verbürgt 
j durch die grössere und stärkere Ausbildung der 
Weibchen gegenüber den Männchen. Manchmal 
werden letztere nach der Begattung getödtet und 
aufgefressen, weshalb sie sich schnell zurückziehen. 
Starke geschlechtliche Instincte und hohe Reizbar- 
I keit, geschlechtliches Raffinement, Mosachismus, 
Psychopathia sexualis. — Mangel an socialen In- 
stincten (scharfer Gegensatz zu Apis), rücksichts¬ 
loser Egoismus, Gefühlshärte, Anarchismus, „Spinnen¬ 
feindschaft“, Neid etc. — Das Leben der Spinne 
spielt sich in einem kleinen Raum ab, „im Winkel“. 
Scharfer Gegensatz zur hinausdrängenden, weit um¬ 
herschweifenden Biene. Trotz der Frostigkeit hält 
es letztere nicht in geschlossenem Raume aus und 
so auch der von homologer Krankheitsursache be¬ 
einflusste Patient. Aranea wird dagegen verdriess- 
lich und ärgerlich im Hause bleiben. — Geiz und 
Habgier werden die Psyche trüben: Das Netz ist 
eine in die Aeusserlichkeit gedehnte Projection des 
Nahrungstriebes. Die Spinne gefällt sich darin, 
Reserven anzulegen. Ist das Bedürfniss gestillt, so 
| wird die Beute conservirt und aufgerollt. — Der 
Giftapparat im Beginn des Nahrungsschlauches ver- 
I bürgt schwere Halsaffectionen (wie bei Lachesis, 
wo die Giftdrüsen ja ebenfalls dem Kiefer einver¬ 
leibt sind); die schweren Diphtheriefälle mit asthe- 
I nischem Charakter bei Tarantula cubeum sind den 
i amerikanischen Collegen bekannt. Von Lachesis 
wird sich Aranea durch die vermuthlich entgegen- 


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54 


gesetzt gerichteten Wettereinflüsse unterscheiden. 
Der regressive Stoffwechsel der Spinne gelangt zu 
harnsauerm Ammoniak und entspricht der gichti¬ 
schen Diathese. Auch der überlegene Gliederappa¬ 
rat, in Verbindung mit den Wettersymptomen, bürgt 
für starke rheumatische Erscheinungen. Gefühls¬ 
und Sinnesorgane sind überlegen ausgestattet, be¬ 
sonders auch das Tasten der Extremitätenenden: 
nervöse Störungen, Hyperästhesieen, Lähmungen, 
Neuralgieen. — Die überlegene Anzahl von Ex¬ 
tremitäten haben wir schon bei den Insecten, des¬ 
halb ist schon bei ihnen körperliche Unruhe aus¬ 
gesprochen; bei den Krebsen und Krabben wird 
die Zahl der Füsse noch um zwei überschritten 
gegen die Spinnenthiere, aber es kommt bei alle¬ 
dem nicht allein auf die Zahl, sondern vorwiegend 
auf die Organisation und physiologische Dignität an. 
Bemerkenswerther Weise hat auch Sepia mit ihren 
acht nervenreichen, muskulösen und stets bewegten 
Kopffüssen dies Symptom im höchsten Grade aus¬ 
gesprochen. Das Gift der Spinne ist nicht ein 
Wehrmittel, wie hei Apis; es ist dies erst in zweiter 
Linie. Vor allem ist es ein Beutegift wie bei den 
Giftschlangen. Alle diese Gifte erzielen rasche 
hämorrhagische Diathese. während Apis damit nichts 
zu thun hat und sich auf einfache Entzündung be¬ 
schränkt. Die drüsenreiche und sehr stark belebte 
Haut der Spinne wird schwerere Störungen in der 
Ernährung und Function des menschlichen Haut¬ 
organs verbürgen: hämorrhagische Exantheme, Car- 
bunkel. — Die leitenden Symptome bleiben stets 
die Periodicität der Erscheinungen, die Wetterein¬ 
flüsse, der asthenische und nervös-hysterische, sinn¬ 
lich reizbare Charakter. 

II. 

Bryonia (alba)-Signaturenbild. 

Von demselben. 

Wenn uns das Signatureubild der Aranea dia- 
dema ein Lebewesen vorführte, welches dem Thier¬ 
reiche angehört und demnach weitergehende Ver¬ 
gleichungen ermöglicht mit den Lebensbethätigungen 
des Menschen, so haben wir gegenüber der Pflanzen¬ 
welt eine etwas schwierigere Aufgabe. Die Ge¬ 
wächse ermangeln im Allgemeinen einer Ortsver¬ 
änderung und sie ermangeln directer Beziehungen 
zu unseren animalen Functionen. Dennoch lässt 
sich durch Naturbeobachtung an ihnen und durch 
Nachdenken viel erreichen. Würden wir die Lebens¬ 
gewohnheiten und Bedingungen der Thiere noch 
besser kennen, so möchten sich viele charakteri¬ 
stische Beziehungen zu unseren eigenen Functionen 
ergeben; in ähnlichem Maasse würden sich auch 
die Relationen zu den Gewächsen ausgestalten und 
vermehren, wenn wir die letzteren in ihren Lebens¬ 


erscheinungen genauer kennten. Man kann wohl 
sagen, dass die Natur der Pflanzen in Bezug auf 
die uns interessirenden Punkte noch gar nicht ge¬ 
nauer angesehen worden ist seit es eine Botanik 
giebt. Erst in den letzten Jahrzehnten gestaltet 
sich diese Wissenschaft entschieden mehr biologisch 
; und die Systematik tritt bedeutend zurück, die 
Morphologie der Gewächse wird mehr im Zusammen- 
I hang mit den Naturbedingungen und Lebenserschei- 
| nungen betrieben, so dass wir allmählich brauch¬ 
barere Grundlagen für eine Siguaturenlehre ge¬ 
winnen werden. Schon manches lässt sich jetzt 
bieten. 

Bryonia alba . Die Pflanze ist gänzlich haltlos, 
auf Zäune und Büsche angewiesen, setzt sich in 
schroffen Widerspruch zu dem motorischen Apparat 
| des menschlichen Organismus, stört in erster Linie 
Muskeln, Gelenke, Knochen; der Stützapparat fehlt 
dem Gewächs vollständig. Es ist bemüht, sich 
| überall festzuheften, Ruhepunkte zu finden, die es 
mit seinen reizbaren Ranken ergreift: jede Bewegung 
schädigt die Pflanze, was seinen Ausdruck findet 
| in der Verschlimmerung der Bryonia-Affection durch 
Bewegung, Besserung durch Liegen auf der schmerz¬ 
haften (weniger athmenden) Seite, im Verlangen 
1 „nach Hause“, nach Ruhe. Bryonia überzieht mit 
I einer reichen Blattentfaltung die lebenden Hecken 
{ und bedroht sie mit Erstickung („Stickwurzel“). 

| Diese Ausbreitung über einen lebenden Träger, 
i der in Licht- und Luftnoth gerätli, sowie die 
I grosse athmende Oberfläche der Pflanze, verbürgen 
| starke Einwirkung auf die Athemwerkzeuge, Be¬ 
drohung der Lunge direct durch den Giftstoff und 
! indirect durch Befallenwerden der Athemmuskeln. 

| Die Pflanze leistet eine sehr starke Wasserver- 
j dunstung durch Blätter, Stengel und Ranken ihrer 
j einjährigen, niemals verholzten, sondern stets lebend 
grünen Theile, ein Verhalten, das seinen Ausdruck 
in Durst- und Schweissneigung wiederfindet. Ekel- 
| hafter feindlicher Geschmack der Pflanzentheile ver- 
! bürgt starke Durchkreuzung der Verdauungsthätig- 
| keiten: Uebelkeit, Erbrechen, Diarrhöe und Ver- 
i stopfung, Leibschmerzen, deren Verschlimmerungs- 
| bedingungen zum Theil schon in obigen Merkmalen 
gegeben sind. — Der ganze Pflanzenkörper geht 
im Frühjahr aus der massig entwickelten Wurzel 
hervor und zwar explosionsartig rasch unter Be- 
| thätigung einer Fülle von Spannkräften für moto¬ 
rische Leistung und Lebensentwickelung. Dies 
weist schon auf stärkere, heftigere Eigenschaften 
ihrer Arzneikräfte hin, als es hei den anderen 
Lianen der Fall ist, die mit der Wurzelkraft in 
einem gewissen Gleichgewicht bleiben, auch ver¬ 
holzen (Clematis, Dulcamara). Alle Lianen sind 
ausserordentliche Säfte- bezw. Wasserleiter. Das 
Wachsthum einer Pflanze hat nothgedrungen ein 


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55 


Ende, wenn die von der Wurzel zu leistende 
Wasserversorgung dem peripheren Verbrauch nicht 
mehr nachkommen kann. In dieser Hinsicht machen 
Schling- und Kletterpflanzen besonders hohe An¬ 
sprüche, indem durch ungewöhnliche Stengel- und 
Blattentfaltung weit entfernt vom Wurzelstock die 
verdunstende Oberfläche eine grosse ist und das 
zu verdunstende Wasser weither geleitet werden 
muss. Bei Bryonia ist in Folge der Tages wärme, 
besonders im Sonnenschein und am Abend, die 
Wurzel erschöpft und wir haben die gleichlauten¬ 
den Verschlimmerungsbedingungen: in der Sonne, 
Hitze, am Abend. (Clematis und Dulcamara 
schlingen vorwiegend schattig; Bryonia überzieht 
auch wagrechte, der Sonne ausgesetzte Flächen.) | 
Die sehr vollkommenen und energischen Saftlei- i 
tungsvorrichtungen mögen beim Menschen eine 
Durchkreuzung ähnlicher Apparate und Thätig* j 
keiten bedingen: Entzündungen, Stauungen, Ver- [ 
Schiebung des Blut- und Wassergehalts der Organe, 
starke Einwirkung auf Nieren und Blase, acute 
Einwirkung auf die Haut mit Schweiss und Friesei, 
Exsudate, Hydrops, Blutungen, Störungen der 
serösen Häute als wasserregulirender Organhüllen.— 
Nerven- und Geistessymptome: grosse Reizbarkeit 
(Bildung feiner, gegen Berührung empfindlicher 
Ranken), üble Laune, Verlangen nach Ruhe (Re- | 
sultatder inneren Hemmungen, die sich dem Nerven- i 
System aufdrängen und aus der gebundenen Natur 
des Gewächses hervorgehen, ebenso auch Resultat 
der rheumatischen Hemmungen). Vielseitige Schmer- i 
zen, auch des Kopfes. (Wohl die Wirkung der j 
Kreuzung mit den heftigen Spannkräften.) Fieber i 
erkennen wir als nothwendig durch die starke Ein- | 
Wirkung auf die Massenorgane des Körpers (Mus¬ 
keln) im Gegensatz zu den reinen Nervengiften; j 
die rhythmische Thätigkeit der Pflanze, bestehend 
in Ausschöpfung und Erneuerung der Wurzelkrafi 
(welch letztere nach Leistung und Substrat unge¬ 
wöhnlich entwickelt ist), sowie der Rhythmus des j 
Pflanzenlebens überhaupt, der hier besonders ausge¬ 
sprochen, disponirt zu Wechselfieber. Die Geschlechts¬ 
organe sind als solche nicht besonders befallen, 
entsprechend den nicht sehr hervortretenden sexuellen | 
Entfaltungen (Blüthen- und Befruchtungsthätigkeiten) 
am Pflanzenkörper. Sie nehmen, aber natürlich An- , 
theil an dem allgemeinen Charakter. — Wenn hier 
von den grünen Pflanzentlieilen die Rede ist, während l 
doch die Wurzel allein (vor dem Austreiben) arznei¬ 
liche Verwendung findet, so macht dies keinen ! 
Unterschied. Es sind ja eben die Evolutionskräfte 
der Wurzel, welche die Bildung des gesammten 
Pflanzenkörpers mit allen charakteristischen Theilen 
bewirken. — Bryonia ist die einzige bei uns wild¬ 
wachsende Cucurbitacee. Hering’s Arzneimittellehre 
sagt: ,,besonders nahe verwandt: Coloc.“ — Aller¬ 


dings, beide sind eben Cucurbitaceen. Würde man 
die Lebensverhältnisse der Coloc. ähnlich beobachten 
können, so Hesse sich wohl auch ihre Signatur ab¬ 
leiten. — 

Ich schliesse hier noch die biologisch etwas 
verwandte Clematis erecta (Ranunculacee) an. 

Hier wird nicht die Wurzel mit ihren (viel 
weniger aufgespeicherten) Spannkräften, sondern 
es werden die Triebe der Pflanze zur Arznei ver¬ 
wendet. Es sind hier ausgeglichenere, weniger 
acute, aber gleichwohl charakteristische Wirkungen 
zu erwarten. Diese Liane unserer Wälder zeigt 
ebenfalls einen entsprechenden Wasserleitungsapparat 
von überlegener Wirkung, doch tritt die Ver¬ 
dunstung weniger hervor, indem die Stengel ver¬ 
holzen und sich auf weite Strecken dadurch schützen. 
Die Wasserverschiebungen gehen deshalb gesicherter 
und langsamer von Statten, die heftigen Wirkungen 
auf die Haut fehlen, doch treten langsamere Er¬ 
nährungsstörungen in derselben (Exantheme, Ge¬ 
schwüre, Impetigo) auf, wie auch im Gefässsystem 
(Varices) auf. Die Einwirkung auf die Harnorgane 
ist viel stärker und ebenfalls anhaltender, als bei 
Bryonia; ebenso tritt die Wirkung auf die Sexual¬ 
organe viel stärker hervor, besonders auf die Ge¬ 
schlechtsdrüsen: Hoden, Eierstöcke, Brüste, wo 
Functionsstörungen, chronische Entzündungen, Ge¬ 
schwülste und Entartungen eintreten können. 

Die duftenden Blüthenbüschel der Clematis sind 
viel auffallender, als die der Bryonia. Auch findet 
Insektenbestäubung der Blüthen statt; diesen Um¬ 
ständen entsprechen die vermehrten sexuellen Be¬ 
ziehungen. Flugfrüchte mit drachenschweifartiger 
Windfahne treten auf, welche durch starke Wind- 
stösse. nachdem sie oft lange an der Pflanze ge¬ 
haftet, weggeführt, oder entbunden werden (ähnheh 
Pulsatilla). — Von dem Verschlimmerungscharakter 
durch Bewegung hat diese Liane viel weniger, als 
Bryonia, doch findet er sich noch. Die Pflanze 
schaukelt aber auch unbeschadet ihrer Integrität 
an den vom Wind bewegten hängenden Baumästen, 
während Bryonia den starren Unterlagen angehört. 
Der Stützapparat fehlt auch der Clematis und sie 
schädigt demgemäss den menschlichen: Knochen¬ 
leiden, alte Syphilis. — Volksmittel gegen Wasser¬ 
sucht entsprechend jenem wiederholt hervorgehobe¬ 
nen Ausleitungssystem für Wasser, wie es den 
Schlinggewächsen zukommt, auch der Dulcamara. 

(Schluss folgt.) 


Rundschreiben, betreffend Perityphlitis. 

In der wissenschaftlichen Sitzung der letzten 
Centralvereinstagung in Salzburg wurde als klini¬ 
sches Thema für das nächste Jahr das obige ge- 


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56 


wählt und beschlossen, die Collegen um Mittheilung 
ihrer einschlägigen Beobachtungen zu bitten, um [ 
so der Arbeit eine zuverlässige Grundlage zu j 
geben. 

Es ergeht demnach an sämmtliche homöopa¬ 
thische Aerzte die Bitte, um Beantwortung folgen¬ 
der Fragen: 

1. Welche Formen der Erkrankung des Blind- ! 
darms unterscheiden Sie? Welche diagnosti¬ 
schen Merkmale für dieselben? Welche patho¬ 
logischen zu Grunde liegenden Vorgänge? ! 
Welche verschiedenen Arten der Ursachen? j 

2. Wie stellen Sie die Voraussage? Besonders, ' 
welches Urtlieil haben Sie über den Verlauf , 
ohne Kunsthilfe? Recidive? 

3. Welche äusseren Massnahmen wenden Sie an, 

mit welchen Anzeigen? Besonders betreffend 
die verschiedenen Sorten der abführenden Me- 
thoden — die Arten der Packungen, Wickel 
und Umschläge — die Diät in den einzelnen ! 
Stadien der Erkrankung. ' 

4. Wie stellen Sie sich zu der allopathischen I 
arzneilichen Behandlungsweise, besonders zu ' 
der typischen Opium-Behandlung? 

5. Welche homöopathischen Medicamente wen¬ 
den Sie an? Mit welchen Anzeigen? Po¬ 
tenzen? Wiederholung? Weichselweiser Dar¬ 
reichung? Behandeln Sie nach Ablauf der 
acuten Erscheinungen längere Zeit weiter und 
wie? 

6. Wie stellen Sie sich zu der chirurgischen 
Behandlung? Wann lassen Sie dieselbe ein- 
treten? Hier ist eine deutliche, die ver¬ 
schiedenen Fälle besonders berücksichtigende 
Antwort sehr erwünscht. Besonders: Ist jede 
Appcndicitis sofort zu operiren? Nach dem 
ersten Anfall? Nach dem ersten Rückfall? 
Bei späteren? Wie sind die Complicationen 
zu behandeln? 

7. Eine Statistik. Anzahl der behandelten Fälle. 
Gesammtzahl? nach den einzelnen Gruppen i 
geordnet? Und nach den gestellten Fragen 
durchgruppirt. Auch nach Alter, Geschlecht. 

8. Besondere Complicationen. So: Schwanger¬ 
schaft, Erkrankungen der weiblichen Geni¬ 
talien etc. 

9. Vergleichende Würdigung der verschiedenen 
therapeutischen Massnahmen als Ergänzung 
zu Frage 2. 

10. Bericht über instructive Fälle, der wesentlich 
zur Veröffentlichung in unseren Zeitschriften 
bestimmt, auch direct an diese eingesandt 
werden kann. 

11. Angabe wichtiger Literatur. 

Sollten nicht alle Collegen in der Lage sein, 
alle Fragen beantworten zu können aus Mangel 


an Zeit, Material, so sind theilweise Antworten 
ebeuso willkommen. 

Es wird gebeten, die Antworten einzusenden 
an Dr. Dammholz, Berlin SW., Gneisenaustr. 112. 

Dr. Gisevius jun. 


Chirurgia homoeopathica — Myristica 
sebifera. 

Von Dr. Olive y Gros in Barcelona. 

Homöopathische Chirurgie — da haben wir zwei 
Wörter, welche für die, welche in unserer Heilkunst 
nicht eingeweiht sind und selbst für manche Homöo¬ 
pathen alter Art sich nicht zusammenreimen und 
doch einen sich diese beiden Begriffe, gut ainalgamirt, 
aufs Schönste. 

Die Nichthomöopathen behaupten, die moderne 
Chirurgie stehe in der Kunst des Aesculaps obenan 
(nun ja! sie vergleichen sie mit ihrer Pharmako¬ 
logie), sie gerathen in Enthusiasmus über sie und 
bezeichnen sie als vollkommen — und vergessen 
dabei ihre Mängel, wie sich solche z B. in einer 
grossen Zahl von Vergiftungsfällen, durch Anti- 
septica, selbst in der Hand geschickter Männer, 
zeigen. Aber, gesetzt, diese Chirurgie sei eine voll¬ 
kommene, so werden wir, bei aller Bescheidenheit, 
sagen müssen, dass die Homöopathen bei der chirur¬ 
gischen Behandlung von Uebeln, wenn sie die Fort¬ 
schritte der modernen Chirurgie mit denen von 
Similia similibus gelieferten verbinden, das erstrebte 
Ideal in der Kunst erreicht zu haben, überzeugt 
sind. Zur Illustration giebt Verf. einige von ihm 
in der Clinica Medica Homoeopatica, Ronda de san 
Antonia 7, zu Barcelona, vollführte Heilungen. 

Spina ventosa s. Ostitis scrophulosa. 

M. V., ein 7jähriges Kind, lymphatisch, mit 
einigen Drüsenanschwellungen, sehr geringem 
Appetit, bisher aber nie ernstlich erkrankt, klagte 
seit einigen Monaten über einen leichten Schmerz 
in der zweiten Phalanx des Mittelfingers der rechten 
Hand. Dieser Finger schwoll immer mehr an und 
man bemerkte an ihm fistulöse Fissuren. Der be¬ 
handelnde Arzt (kein Homöopath), dem es nicht 
gelang, den Fortgang des Uebels aufzuhalten, con- 
sultirte die besten Chirurgen in Barcelona. Diese 
fürchteten, die tuberkulöse Ostitis würde sich weiter 
ausdehnen (in der That nahm das Uebel allmählich 
zu), und sahen keinen anderen Ausweg, als die 
Amputation des kranken Fingers. Dagegen aber 
sträubten sich des Kinders Eltern. 

St. pr.: Der kranke Finger, gegen die dritte 
Phalanx hin atrophisch, zeigte eine sehr ausge- 


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sprochene Verdickung, eine Art Auflauf, der an 
der ersten Phalanx anfing und sich über den 
grössten Theil der zweiten erstreckte. Das erste 
Gelenk erschien ankylotisch; was sich in der Be¬ 
schaffenheit der benachbarten Gewebe und der Haut 
documentirt. Die Haut war stark geröthet und be¬ 
merkte man auf ihr einige fistulöse Spalten, von 
denen einige von einem, körnigen (granuleux) Eiter 
absondernden Geschwür umgeben waren. Beim 
Einführen der Sonde in den Knochen, hörte man 
Crepitiren, und floss Blut hervor. 

Behandlung . Dass es sich hier um eine scro- 
phulöse (wenn nicht gar tuberkulöse) Knochenent¬ 
zündung handelt, war sicher. Es drängten sich 
dem Verf. eine Anzahl von Mitteln zur Wahl auf. 
So Jodium, welches ja in der Homöopathie häufig 
angewendet wird zur Heilung von scrophulösen 
Knochenieiden, zumal wenn sie auf einem Gelenke 
sitzen. Calc. carb. oder phosph., Sulphur, Silicea, 
Asa foetida und Aurum. — Verf. entschied sich 
für Silicea, das er in der 3. Dec.-Dil. gab. 

Der Zustand der kleinen Patientin besserte sich; 
aber nach vierwöchentlichem Gebrauche des Mittels 
brachte es keine Wirkung mehr hervor. Nun gab 
er Sulphur in der 3. Dec. Fortschreitende Besse¬ 
rung: die Entzündung des die kranken Knochen 
umgebenden Bindegewebes nahm ab, und da zeigte 
sich, dass keine Ankylose bestand. Nach vier- 
wöchentlicher Anwendung von Sulphur trat wieder 
ein Stillstand in dem Heilungsprocess ein, und suchte 
nun Verf. durch neue Darreichung von Silicea 
3. Dec. einen frischen Aufschwung zu geben. Dies¬ 
mal erwies sich jedoch das Mittel nicht so wirk¬ 
sam, und so gab er es in der 30. Dec., worauf 
sich ein grosser Knochensequester ablöste. Indessen 
ging der Heilungsprocess nur langsam vorwärts. 
Aeusserlich war nur heisscs Wasser (de l’eau 
bouillie) und antiseptische Gaze angewendet worden. 

Inzwischen hatte Dr. Pinard, ebenfalls Arzt an 
der „Clinica medica homoeopatica,“ das von Dr. 
Hughes warm empfohlene Myristica sebifera mit 
gutem und schnellem Erfolge bei Panaritium ge¬ 
braucht, und, da der Zustand der weichen Theilc 
im vorliegenden Falle an ein chronisches Panari¬ 
tium erinnerte, so gab Verf. der Kleinen von diesem 
Mittel in der 3. Dec., 4 Tropfen pro Tag. Die 
Wirkung war in der That schnell und günstig. 
Um aber auf das Grundleiden einzuwirken, gab 
Verf. noch einige Tage Serum antituberculosum 
3. Dec., das von einem gegen diese Krankheit im- 
munisirten Esel herrührte, und wechselte dann mit 
diesen beiden Mitteln eine Zeit lang, bis zur Hei¬ 
lung des Fingers. 

Zur völligen Erholung diente dann schliesslich 
noch Calc. carb. Der Gesundheitszustand des Mädchens 
ist gegenwärtig entschieden besser und kräftiger, 


I als er vor der Krankheit war. Die weichen Theile 
! des geheilten Fingers sind denen der anderen 
' Finger gleich; man sieht daselbst nur die Narben, 
und an der ersten Phalanx, die am meisten afficirt 
war, eine leichte Wölbung. 

Ulcus scrophulosum. 

Ein 13jähriges Mädchen, aus der Provinz, hatte, 
als sie in der Klinik erschien, schon seit 3 Jahren 
in hohem Grade an Scrophulose gelitten. Eine An¬ 
zahl Drüsen waren am Halse und in der Leiste 
vereitert und am Körper zeigten sich vielfache Ge- 
i schwüre. Ein solches bestand auch schon seit zwei 
Jahren am linken Beine von ausserordentlichem 
Umfang. Es war 12 cm lang bei 8 cm Breite, es 
! war schwammig, blutete bei der geringsten Berüh¬ 
rung und sonderte sehr dicken Eiter ab. 

Dieses Geschwür war von allen Seiten von 
grossen Hautlappen und anderen Geschwüren von 
verschiedener Grösse umgeben; von denen einige 
I oberflächlich, andere tief waren. Alle standen unter 
I der Hautdecke mit einander in Verbindung; die 
Haut selbst war rauh und uneben, livid und ver- 
i breitete einen üblen Geruch. Der Gang des Mäd¬ 
chens war mühsam, der Appetit gering, die Stim¬ 
mung immer traurig. 

Die Behandlung bestand bisher darin, dass man 
Jodoform-Gazestückchen in alle offene Hautstellen 
eingeführt und diese mit antiseptischen Mitteln be¬ 
deckt hatte, ohne sich um den Allgemeinzustand 
I der Kranken irgendwie zu kümmern. 

I Dr. Olivö y Gros gab Myristica sebifera in der 
3. Dec., dreistündlich 3 Globuli; als örtliches Mittel 
lauwarme Wasserumschlägo und sterilisirte Gaze. 

Die Geschwüre verschwanden nach und nach, 
die Hautränder begannen sich anzulegen; es wurde 
weniger Eiter abgesondert und es blutete nicht 
mehr so leicht. Gleichzeitig heilten die abson- 
dirten Drüsenknoten. Der Gang wurde weniger 
beschwerlich, der Appetit besser und die Stimmung 
mehr heiter. 

; Nachdem sie einen und einen halben Monat 
( Myristica seb. genommen, brachte diese keine 
Wirkung mehr zu Wege. Verf. gab nun Merc. 
sol. und Calc jod. Nach Verlauf einiger Monate 
war nicht allein ihr Gesundheitszustand ein viel 
besserer, kräftigerer, sondern es war auch jede 
Spur von Scropheln verschwunden. 

(Die gute Pflege, Reinlichkeit, gute Luft ist 
natürlich auch in Anschlag zu bringen. Ref.) 

Ulcus callosum et erysipelas phlegmonosum. 

J Es besteht ein sehr auffälliger Gegensatz 
( zwischen der Körperconstitution des Kranken, von 

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dem wir jetzt sprechen wollen, und derjenigen der 
Kinder, mit denen wir uns bisher beschäftigt haben; 
hieraus kann man den grossen Wirkungskreis der 
Myristica sebifera beurtheilen. 

Ein 38 jähriger Mann, von sanguinischem Tempe¬ 
rament, sehr kräftig, von blühender Gesundheit, 
hatte schon seit drei Monaten an einem geringen 
Schmerz an der Ferse des linken Fusses gelitten. 
Dieser Schmerz nahm aber in dem Maasse zu, dass 
Pat. nicht mehr gehen konnte. Sein Arzt machte 
ihm einen Einschnitt in die Ferse, wobei etwas 
Eiter hervorkam. Jodoform, Gaze und Carbol- 
wasser, sonst Nichts, wurde angewendet. 

Schon zwei- oder dreimal war er der Heilung 
nahe, dann aber kam ein Rückfall, und bei jedem 
wurde die Sache gefährlicher. 

Status praesens: Das Geschwür hatte fast den 
Umfang eines Fünffrankenstücks mit zwei oder drei 
derben und schwieligen Erhabenheiten. Eiter war 
wenig, aber der Streptococcus war auf dem Bindegewebe 
bis zum Schenkel hinaufgewandert, wo es zu einem 
Erysipelas mit ziemlich starkem Fieber und über¬ 
dies zu einer Phlegmone in der Hüfte gekommen 
war. 

Der Kranke, ein intelligenter Mann, nicht be¬ 
friedigt von den ihm verordneten Mitteln, hatte, 
da er Schwere im Kopfe verspürte, eine Gabe 
Bell. 3. Dec. genommen, was ihm auch wohlthat. 

Verf., durch die zahlreichen Heilerfolge be¬ 
wogen, welche man mittelst der "Myristica sebifera 
bei Phlogosen des Zellgewebes an den verschieden¬ 
sten Körpertheilen erzielt hatte, hielt auch hier, 
wo es sich um ein Geschwür, ein Erysipel und 
zumal um eine phlegmonöse Entzündung handelte, 
dieses Mittel für angezeigt. 

Behandlung. Verf. goss einige Tropfen von 
Myristica 3. Dec. in ein Glas Wasser und Hess 
hiervon den Kranken zweistündlich einen Löffel 
voll nehmen. 

Aeusserlich wurden Waschungen mit gekochtem 
Wasser (l’eau bouillee) angeordnet. 

Das Fieber ging bald herunter und das allge¬ 
meine Befinden besserte sich. Die erysipelatöse 
Röthe war weniger intensiv, das Geschwür sah 
weniger übel aus. Die Phlegmone kam zur Ab¬ 
sonderung, wobei sich eine ziemlich reichliche Menge 
Eiter entleerte. Nach Verlauf von 14 Tagen war 
der Kranke genesen. 

Verf. sagt am Schluss, wenn er die Myristica 
seb. nicht gekannt hätte, würde er in diesem Fall 
Bell, und Merc., Hep., Lach, oder Silic. verordnet 
haben, und verbreitet sich dann noch über die 
Wirksamkeit dieses neuen Mittels. Er schreibt 
demselben eine entschiedene Wirkung auf das | 
Bindegewebe zu. „Diese Wirkung,“ sagt er, „ist I 


von allen Aerzten der ,Academica medica homoeö- 
patica‘ von Barcelona nicht allein beim Panaritium, 
sondern auch bei Phlegmonen bestätigt worden; 
bei letzteren beschleunigt es die Eiterung, und 
wenn diese eingetreten, so verkürzt es ihre Dauer. 
Es ist ein wirksames Mittel beim Erysipelas, bei 
Geschwüren, Furunculosen, und anderen Leiden des 
Bindegewebes. — Es wirkt kräftiger als Hepar, 
Silicea etc. in ihrer Gesammtthätigkeit, steht der 
Lachesis sehr nahe in dem, was Hughes purulente 
Diathese nennt.“ 

Dr. Olive y Gros hält die Myristica für eins 
der wirksamsten Antiseptica. Es regulirt ganz 
wunderbar Alles das, was von einer traumatischen 
Infection oder Trennung der Continuität abhängt. 
Mit Lachesis im Wechsel stellt es ein so mächtiges 
Antisepticum dar, dass es eine Infection durch Ge- 
webstrennung unmöglich macht. Verf. sagt: 

„Ich habe früher sehr sorgfältig nach Lister 
behandelt, aber seitdem ich die Myristica sebifera 
kennen gelernt und diese durchweg alle meine 
Operirten habe nehmen lassen, falls keine andere 
bestimmtere Indication vorliegt, habe ich alle meine 
antiseptischen Scrupel fahren lassen. Obwohl ich 
in diesem Jahre eine beträchtliche Zahl von Ope¬ 
rationen, darunter einige sehr kühne, vollzogen 
habe, kann ich keinen einzigen Fall von Wund- 
infection berichten, ohne dass ich immer über bessere 
Bedingungen Hätte verfügen können, was meine 
verehrten Collegen an der ,Clinica medica homoeo- 
patica‘ bezeugen werden.“ — Auch hat Verf. bei 
scrophulösen Kranken eine tonosirende Wirkung 
von diesem Mittel, wie etwa nach Jodum, Calc., 
Silic. oder Sulph. mehrfach beobachtet. 

Trotzdem, dass nun Verf. so prächtige Resultate 
in einer grossen Reihe chirurgischer Fälle von dem 
Mittel erlangt hat, so vermisst er doch eins: die 
Kenntniss der pathogenetischen Wirkungen von 
Myristica sebifera. Er hat sich auf den Usus in 
morbis gestützt, aber nicht auf die vom Mittel an 
Gesunden erzeugten physiologischen Wirkungen. 
Deshalb sollten es aber die strengen Homöopathen 
nicht zurückweisen, denn, wenn es, in homöo¬ 
pathischen Dosen gegeben, bestimmte Krankheiten 
heilt, so kann man per analogiam wohl annehmen, 
dass es am gesunden Menschen ähnliche Verände¬ 
rungen, wie die es heilt, hervorbringen werde. 

„Ich bin überzeugt,“ schliesst Verf. seinen Ar¬ 
tikel, „dass wir, indem wir unsere (diesbezüglichen) 
Erfahrungen veröffentlichen, eine Pathogenese zu 
Stande bringen werden, welche Myristica sebifera 
auf eine der ersten Rangstufen in der für homöo¬ 
pathische Chirurgie verwertheten Therapie stellen 
werden. K. 


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Das Gesetz der Zweckmässigkeit 
im menschlichen Organismus systematisch 
beleuchtet. 

Eine anatomisch-physiologische Abhandlung als natür¬ 
liche Teleologie. 

Von Ad. Alf. Michaelis. 

(Berlin. Hugo Bermüller. 1809. Preis 5 Mk.) 

Besprochen von Dr. H. Goullon. 

Dieses schön angelegte Werk wird sich viele 
Freunde erwerben, weites noch nicht seines Gleichen 
hat und ein grosser Gedanke demselben zu Grunde 
liegt. Wir leben in einer Zeit des groben Mate¬ 
rialismus, der sich selbst in den Wissenschaften be¬ 
merkbar macht, in dem wenig darüber nachgedacht 
wird, warum das und jenes sich so verhält, wie 
unser Verstand es entdeckt und erfunden hat. Wir 
nehmen das Meiste als selbstverständlich hin und 
begnügen uns mit den nackten Thatsachen. In 
seinem neuesten Werk nun versucht Verf. die er¬ 
staunliche Rationalität nachzuweisen, mit der die 
Natur bei Entwickelung des menschlichen Organis¬ 
mus und seiner Theile und Functionen zu Wege 
gegangen ist. — „Willst Du Dich am Ganzen er¬ 
quicken, so musst Du das Ganze im Kleinsten er¬ 
blicken.“ Dieses Goethe-Wort stellt er allen seinen 
gedankenreichen, ein warmes ästhetisches Gefühl 
verrathenden Betrachtungen voraus. Und unter¬ 
scheiden wir uns nicht dadurch von den Wilden 
oder niederen Stufen der Menschheit, dass wir 
über das Wie und Warum der Dinge reiflich nack¬ 
denken, und welches Object könnte uns da mehr 
interessiren, als der eigene Körper, dieser Tempel 
des heiligen Geistes, der in uns ist! 

Ist eineßtheils das fesselnde Buch nicht er¬ 
schöpfend genug, denn der Stoff erscheint schier 
unerschöpflich, so wird doch der Leser sehr bald 
auf Unerwartetes und Neues stossen und manches 
Bekannte von neuem Gesichtspunkt aus betrachtet 
und besprochen finden. Was hier unter Teleologie 
verstanden sein will, dafür ein Beispiel, welches 
wir einem Werke von Schröder van der Kolk ent¬ 
nehmen. 

Die Wenigsten wissen, dass wir, streng genom¬ 
men, grossen Gefahren durch die eigenthümliche 
Striktur und anatomischen Verhältnisse des Gehirns 
ausgesetzt sind, schweren entzündlichen Processen, 
in dem die Pia mater genannte Hirnhaut überreich 
an Blutgefässen ist (sie heisst deshalb auch Gefäss- 
haut oder Meninx vasculosa). Allein es besteht 
nun eben eine höchst geistreiche Vorkehrung, 
welche „den Sturm über uns hinwegfahren lässt, 
ohne dass wir es merken.“ Während nämlich im 
Allgemeinen das Blut aus den Arterien in die das 
Blut zum Herz und den Lungen führenden Venen 


auf grossem Umweg gelangt (durch das Capillar- 
gefässsystem}, findet ein directer Uebergang 
des Blutes im Bereich der Pia mater oder Hirn- 
Gefäßshaut statt. Das zuströmende Blut wird so 
auf die möglichst rascheste Weise vom Gehirn ent¬ 
fernt. Und nur so konnte das Gehirn selbst vor 
häufigem Blutandrang und den nachtheiligen Folgen 
desselben geschützt werden. — Sehen wir das Ge¬ 
setz der Zweckmässigkeit immer und immer wieder 
realisirt, so liegt es nahe, auch an einen Gesetz¬ 
geber zu denken, und gerade in dieser ethischen 
Seite des Werkes erblicken wir seine Verdienst¬ 
lichkeit und den Hauptgrund der Anerkennung 
und eine Pflicht, es nach Möglichkeit zu verbreiten. 
Die gewöhnlichen Schulbücher der Wissenschaft 
behalten, wenn noch so gelehrt, etwas Trockenes, 
so lange sie nur Thatsachen an Thatsachen reihen, 
ohne, wie hier geschehen, belebende Reflexionen 
anzustellen und neue Fäden zu neuen Räthseln zu 
knüpfen, ln bewunderungswerther Weise kommt 
Verf. seine grosse Belesenheit zu statten, und so 
machen wir gleichzeitig Bekanntschaft mit einer 
Reihe namhafter Autoritäten auf dem einschlägigen 
Gebiet. Halten wir jetzt eine kleine Umschau 
über den reichhaltigen Stoff, so bietet uns der 
erste Abschnitt, welcher mehr der Allgemeinheit 
dient, Mittheilungen über die Function der Zellen, 
das Anpassungsvermögen, Schutzeinrichtungen, Re¬ 
flexe im Besonderen als schützende Regulatoren. 
Es folgt Besprechung der Functionen des Haares, 
der verschiedenen Functionen und Aufgaben der 
Haut "und der Baustoffe des menschlichen Leibes. 
Es wird in den nun folgenden grossen Hauptab¬ 
schnitten das anatomische Princip zu Grunde gelegt 
und das Gesetz der Zweckmässigkeit aufgesucht bei 
Betrachtung der Functionen des Knochensystems 
und Muskelsystems; von demselben Gesichtspunkt 
aus das Verhalten der Drüsen, der Milz, von 
Nebennieren und der Schleimhäute besprochen; im 
dritten Abschnitt der Verdauungsapparat. Die 
Athmungsorgane, Blut- und Gefässsysteme, der 
Harn- und Genitalapparat, das Geschlechtsleben um¬ 
fassen den vierten, fünften und sechsten Abschnitt, 
während allein die Sinnesorgane und das Nerven¬ 
system für sich ein Kapitel bilden. Interessant ist 
auch das Allgemeine und Specielle, in Bezug auf 
die instiuctiven physiologischen Vorgänge Gesagte, 
insofern sie ebenfalls der Zweckmässigkeit dienen 
(VIII. Abschnitt). Mit besonderem Fleiss aber be¬ 
arbeitete Verf. den neunten Abschnitt: „Wider¬ 
stand gegen pathogene Einflüsse und Anpassung 
an pathologische Zustände.“ Der Leser bekommt 
einen Begriff von der Reichhaltigkeit des Stoffes, 
wenn wir aus diesen Betrachtungen besonders her¬ 
vorheben: Das Blutleben und den Stoffwechsel im 
kindlichen Organismus; Hungern und Verhungern; 

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Gewöhnung an Gifte; Die Bedeutung des Fiebers. 
Und wo hätte man schon Ausführliches vernommen 
über die gegenseitige Anpassung krankhaft ver¬ 
änderter Organe, sowie die Anpassung an patho¬ 
logische Zustände! Noch mehr aber interessirt, 
wenigstens den praktischen Arzt, die Untersuchung 
der Heilkräfte des Organismus, woran sich die 
Kenntniss von den Reservekräften des Organismus 
schliesst, ein sehr wichtiges Thema, in welchem 
manches räthselhaft und wunderbar erscheinende 
Geschehniss seine natürliche Erklärung findet. 

Der Vollständigkeit w egen citiren wir noch den 
Inhalt des Nachtrages: ,,Der Kampf ura’s Dasein 
und die äussere Nothwendigkeit; das Alter, eine 
naturgemässe Rückbildungsperiode.“ 

Der Schluss - Abschnitt endlich gedenkt der 
Zweckmässigkeit im kindlichen Organismus im Be¬ 
sonderen. — 

Wir möchten das ganze Werk selbst als einen 
Schlussstein des medicinischen Wissens ansehen, 
als eine für denkende Aerzte unentbehrliche Er¬ 
gänzung und sinnige Erweiterung ihres bisherigen 
Wissens. Die Zeit der Naturphilosophie, welcher 
immer etwas künstlich, sozusagen unerlaubt Specu- 
latives anhing, ist vorüber, aber die nüchterne 
Forschung im Geiste des Verfassers ist an ihre 
Stelle getreten; diese beschäftigt sich nur mit That- 
sachen, denen sie durch die teleologischen Re¬ 
flexionen neuen pikanten, die Interessen des helfen¬ 
den Arztes nie aus den Augen lassenden Reiz ver¬ 
leiht. — Der rotlie Faden, der sich durch das 
gelehrte Werk zieht, wird durch einen Ausspruch 
Virchow’s beleuchtet und gekennzeichnet: ,,Gerade 
in dem Einfachen und Kleinen offenbart sich am 
deutlichsten das Gesetz.“ (Sogar das — Aehnlich- 
keits - Gesetz! möchten wir unserem bestgehassten 
Widersacher zurufen.) Wir schliessen unsere Be¬ 
sprechung mit einer Stelle des Buches, welche sehr 
wesentlich erscheint zur Beurtheilung der Tendenz 
desselben und seines bei der Ausarbeitung gut in- 
spirirten Verfassers: ,, Alle Vollkommenheit des 
Menschen ist abhängig von seiner höchsten Auf¬ 
gabe: Der Erkenntniss des göttlichen Weltplanes.“ 


Paracelsus, der „Franzosen-Arzt“. 

Dass die im sechzehnten Jahrhundert so über¬ 
aus stark und in den schwersten Formen auftre¬ 
tende Syphilis die Aufmerksamkeit und das Studium 
eines Mannes wie Paracelsus auf sich ziehen musste, 
ist kein Wunder. Mau kann ihn bezugs dieser 
Krankheit, die wie eine neue Plage die Menschheit 
heimsuchte, gar wohl als Originalschriftsteller an¬ 
sehen; er hat sich mit diesem Leiden, das er am 
liebsten „Luxus“ oder „luxische Krankheit“, „Venus“ 


oder „Crepinus“ (? Ref.) bezeichnet, sehr eingehend 
beschäftigt, von ihrer Natur und ihrer Behandlung 
im Ganzen richtige Ansichten in seinen Werken 
gegeben, und wenn ihn seine Zeitgenossen wegen 
seiner der Syphilis gewidmeten Bestrebungen spott- 
weise den „Franzosen-Arzt“ genannt haben, so ist 
dies für den auch sonst so viel geschmähten und 
verspotteten Mann eher ein Ruhmestitel. Er lehrte, 
sie sei eigentlich keine neue Krankheit, sondern 
aus der „Lepra“ (die er freilich in weiterem Sinne, 
als sonst üblich ist, fasste) hervorgegangen. In 
ihrer Eigenthümlichkeit sei sie erst zwischen 1470 
bis 1480 erschienen. Nur durch den unreinen Bei¬ 
schlaf (durch innige Berührung, z. B. beim Kuss) 
könne sie entstehen, könne aber auch vererbt 
werden. Er unterschied folgende Formen: 1. Ge¬ 
schwüre (Schanker), 2. Pusteln, 3. Ausschläge (Her- 
petes), 4. Geschwülste (Condylomata), Rhagades, 
Knochenanschwellungen, 5. Tripper (Gonorrhoea 
francigona), 6. Bubonen, und 7. Poralysen (Para¬ 
lysen? oder Neurosen?). 

Das Hauptmittel (Specificum) ist ihm das Queck¬ 
silber, und zwar dessen innerer Gebrauch; obwohl 
dasselbe zwar schon von ihm bereits innerlich an¬ 
gewandt worden war, so galt es doch mehr als 
Laxanz. — Die Schmierkur, die er in Italien kennen 
gelernt hatte, zog er freilich auch in Gebrauch, 
gab ihr aber bestimmte Indicationen und liess die bei 
dieser eingreifenden Behandlungsweise erforderlichen 
Vorsichtsmassregeln nie ausser Acht. Gegen den da¬ 
mals übermässigen Gebrauch der Holztränke (nament¬ 
lich aus Guajak, den Ulrich von Hutten in seinen 
Laudes Guajaci aufs Wärmste empfohlen, und die 
Sassaparilla) hat er stark geeifert. „So oft,“ sagt 
er, „muss man in das Holz liegen, bis genug ist 
zum Kirchhof oder zum Lazaro unter die Stiegen,“ 
und er zeigt, w f ie der Kranke beim übermässigen 
Genuss der Holztränke geschwächt und dann mehr 
Schaden als Nutzen von ihnen hat. — Von den 
Zinnober-Räucherungen ist er auch kein Freund; 
dies Mittel wurde von Einigen nicht als Quecksilber 
ausgegeben, damit die Patienten glauben sollten, 
sie würden mit einem andern Mittel als dem schon 
damals in Verruf gekommenen Mercur behandelt. 
Doch dies konnte nicht verborgen bleiben, indem 
auch durch das Räuchern der Speichelfluss erzeugt 
wurde. 

Er muss die üblen Wirkungen von starken 
Quantitäten des Quecksilbers wohl gekannt haben: 
er behauptet, dass sich das Mittel in die Concavi- 
täten der Gelenke ablag-ere: „Ihr sehet augen¬ 
scheinlich, dass durch das Quecksilber so trefflich 
die Beine verbrannt werden, dass sie sich spalten, 
abreissen, abfallen; desgleichen durch die Impostu- 
ren die Beine dermassen zerrissen werden und zer¬ 
feilt, mit Meissein ausgeschlagen, dass nachfolgends 


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die Glieder in Abnehmen kommen.“ — Verhasst 
ist ihm das Aetzen und Ausschneiden bei der Sy* ' 
philis, wie er ja überhaupt ein Feind der chirur¬ 
gischen Behandlung von innen heraus entstandener . 
Uebel war, und hier das grösste Vertrauen auf die | 
innem Heilmittel setzte. — Nicht minder tadelte 
er die seiner Zeit bei Behandlung der Lues übliche 
Abstinenz, die oft an eine Hungerkur streifte, so¬ 
wie das „Purgiren der reinen Cardinalsäfte“. 

Treffend und witzig ist, was Paracelsus über 
die Anwendung der spanischeu Fliegen, wie im 
Allgemeinen so auch in der Syphilis, sagt: „Die 
habend sich auch vermessen, darumb, dass der 
Schmerz auf den Schienbeinen lag, ein Thürlein 
(Fontanell) zu machen. Sie vermeinten, die Can- 
tharidi das wären die Thürhüter und legten die¬ 
selben fermentirt über; aber da das Thürlein auf¬ 
ging, da kam der Unrechte Gast, ein gäl (gelbes) 
heisses Wasser, und da das Thürlein wieder zu¬ 
kam, da war es eben wie vor, und die Kunst war 
auch vergebens. — So mag ich auch dieser Kunst 
nit zuwider sein, deren ursach sie bringt keinen 
weitern Schaden, als den Schmerz an demselbigen 
aufthun. Wiewohl aber doch, so derselbe unge¬ 
bührlich, oder zu nahe nit bei den Nieren, so ist 
es trefflichen sorglich denselbigen Ort von wegen 
des Harns.“ (Er kannte also die Wirkung der Can- 
thariden auf die Nieren sehr wohl). 

Zum Schluss liest er noch den Barbieren, Ba¬ 
dern, Juden und den „griechischen“ (gelehrten) j 
Aerzten, die sich alle mit Behandlung der Syphilis ! 
befassten, gehörig den Text. 

Die von ihm benutzten Quecksilberpräparate 
sind, nach Sprengel: Das salpetersaure Quecksilber, 
das Calomel, der Sublimat und das rothe Präcipitat 
gewesen. — Welcher Gabengrössen er sich bedient 
hat, habe ich aus seinen Schriften und aus Citaten 
anderer Autoren nicht ersehen können: ob er das 
Mittel bis zur Erzeugung von Speichelfluss ange¬ 
wendet haben wird, wie so viele seiner zeitgenös¬ 
sischen und späteren Aerzte, muss deshalb dahin¬ 
gestellt bleiben. 

Bei alledem dürfen wir nicht aus dem Auge 
verlieren, dass der Mercur beim Paracelsus noch 
eine ganz eigenartige Bedeutung hat. Dieser 
geniale Kopf hatte nämlich die Vorstellung, dass 
der menschliche Organismus aus 3 Grundsubstan¬ 
zen : Mercur, Sulphur und Sal zusammengesetzt sei, 
und dass alle Krankheiten durch eine fehlerhafte 
Menge oder Bewegung dieser Substanzen im Kör¬ 
per bedingt sein. „So> der Mercurius aufsteigt, 
und bleibt nicht in seinen Staffeln, so fängt die 
Discordanz an, so auch mit dem Sulphur und Sal; 
denn so das Sal sich erhöhet und sondert sich, was 
ist es als ein fressendes Ding? hieraus entstehen 
die Ulcerationen, die Cancer etc. So der Sulphur 


hervortritt, so zerschmilzt er den Leib, und der 
Mercurius wird so hoch in seiner Subtilität, dass 
er den jähen Tod macht. Was nun das Salz zer¬ 
fressen hat, das heilen die Consolida, was der Sul¬ 
phur dissolvirt hat, das restaurirt der Crocus, und 
was der Mercur zu hoch gesubtilirt hat, das in- 
grossirt das Aurum.“ 

Tritt uns hier eine Art biochemische Aotiologie 
der Krankheiten entgegen, wo die Ausdrücke Mer¬ 
cur, Sulphur und Sal nicht die gewöhnliche Bedeu¬ 
tung haben, so will es aus einigen Stellen beim 
Paracelsus doch wieder scheinen, als ob die vom 
Mercur, diesem Grundelement, hervorgerufenen 
krankhaften Zustände doch wieder in den patho¬ 
genetischen Bahnen dieses Mittels laufen. So sagt 
er: „Aus dem Mercurius kommen die Krankheiten, 
die hitzig sind, Stiche machen und Blutspuren zum 
Begleiter haben; ferner die der Knochen, Adern 
und Ligamente, Geschwulst des Gesichts, Flüsse 
im Haupt, Zahnweh, viel Spucken, Zittern, Con- 
tractur, Schwärze der Zähne.“ (Fragm. ad part., 
Vol. 1, p. 146.) — So kommen uns aus dem ma¬ 
gischen Vexir-Spiegel der Paracelsi’schen Schriften 
bald reale, bald verzerrte Bilder der Dinge ent¬ 
gegen. Dr. Moftsa. 


Das Reconvalescenten-Heim „Hahnemann“ 
zu Bournemouth. 

Jetzt, wo man in Deutschland vielfach an die 
Begründung von Reconvalescenten-Heimstätten geht, 
ist es wohl zeitgemäss daran zu erinnern, dass ein 
solches bereits seit vielen Jahren im Städtchen 
Bournemouth (Schottland) von Freunden der Ho¬ 
möopathie ins Leben gerufen ist, das unter der 
Leitung des homöopathischen Arztes Dr. H. Nanki- 
well steht. In der letzten Zeit machte sich das 
Bedürfniss geltend, dieses Heim zu erweitern und 
Baikone herzustellen, um die Luftkur für Brust¬ 
kranke zu ermöglichen. 

Um dem für diese Zwecke bestimmten Fonds 
aufzuhelfen, wurde nun am 2. und 3. November 
v. J. ein grosser Bazar veranstaltet unter dem Pa¬ 
tronat der Prinzessin Christian, der Herzogin von 
York, und anderer hochgestellter Frauen. Es wurde 
keine Mühe gespart, um einen möglichst guten Er¬ 
folg zu erzielen. In dem künstlerisch geschmück¬ 
ten Saale fand sich eine ansehnliche Sammlung 
von kunstvollen und nützlichen Gegenständen Eine 
Ausstellung von Hospital-Modellen bildete einen 
besonderen und interessanten Theil des Bazars. 
Diese sinnreichen Modelle waren von der Schwester 
Marion (aus dem London Homoeopathic Hospital) 
und in England und Amerika preisgekrönt worden, 
i Unter den Unterhaltungen, die man de* Besuchern 


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Google 



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bot, sei eine Vorstellung mit der Laterna magica 
unter Leitung des Pfarrers Eliot und des Dr. Nanki- 
well besonders erwähnt. — Der Ertrag des Bazars 
war ein recht hübscher, nach Abzug der Kosten 
628 Pfd. St. 17 Sh. (also über 12,560 Mk.). 

Wir freuen uns aufrichtig über diesen schönen 
Erfolg unserer thatkräftigen, praktischen Collegen 
in England, die uns in solchen Unternehmungen 
zum nachahmenswerthen Vorbild wohl dienen können! 

M. 


Klinische Indicationen. 

Mephitis im Keuchhusten. 

Dr. Dewey empfiehlt Mephitis als ein nützliches 
Mittel in einem Husten mit ausgesprochenem Kehl¬ 
kopfs-Krampfe. Der Husten ist schlimmer bei Nacht 
im Liegen; das Kind kann wegen eines Erstickungs¬ 
gefühls nicht in Schweiss kommen. Farrington 
sagt, dass es oft augenscheinlich den Kranken ver¬ 
schlimmert, während seine wirkliche Tendenz ist, 
den Verlauf der Krankheit abzukürzen. (Erstver- 
schlimmerung oder wegen falscher Wahl? Ref.) 
Wenn die katarrhalischen Symptome leicht, das 
krampfhafte Keuchen markirt, die Speisen oft erst 
nach mehreren Stunden nach dem Essen erbrochen 
werden, die Erstickungsnoth während des Hustens 
(bei Corallium rubr. vor demselben) — dann ist 
Mephitis am Platze. 

Phytolacca decandra im Scharlachfieber. 

Der Ausschlag ist über dem ganzen Körper ver¬ 
breitet; Kopfweh; hohes Fieber; an beiden Seiten 
des Halses bemerkt man eine aschgraue Aus¬ 
schwitzung. Der Ausschlag ist trocken und hat 
ein runzeliges Aussehen; man fühlt die Haut wie 
braunes Papier (Pergament) bei der Berührung; der 
Urin ist unterdrückt; Hände und Füsse brennen 
heiss; das Kind kann keine Bedeckung darauf 
leiden; Unruhe uud Schlaflosigkeit; die Zunge ist 
in der Mitte trocken, an den Seiten braun belegt; 
ätzender Nasenfluss; der Ausschlag will erst nicht 
gehörig herauskommen. 

Lachesis, Naja, Crotalus bei Kopfweh. Lachesis 
ist angezeigt bei Kopfweh, das von unterdrückten 
Absonderungen bedingt ist, daher bei Kopfweh mit 
Schnupfen, Menstrual- und klimakterischen Be¬ 
schwerden, der sich bessert, wenn die Absonde¬ 
rungen wieder in Fluss kommen. Der Schmerz ist 
meist linksseitig, und wird während des Schlafes 
verschlimmert. Das Mittel ist auch nützlich bei 
Kopfweh, das von Gebärmutter- oder Eierstocks¬ 
leiden mit den charakteristischen Symptomen ab¬ 
hängt. — 

Bei Naja ist die Cephalgie in der Regio orbi- 
talis sinistra und erstreckt sich von da nach dem 


Hinterkopfe; vorher und bei derselben Uebelkeit 
| und Erbrechen. Der Schmerz macht 2—4 tägige 
Intermissionen. Auch der Naja-Kopfschmerz wird 
im Schlafe schlimmer (wie bei Lachesis). Das Mittel 
| passt auch bei menstruellem, stechendem Kopfweh. 

Crotalus hat einen betäubenden Schmerz in der 
rechten Schläfe, der sich bis zur linken Schläfe 
oder über den Scheitel nach dem Hinterkopfe hin¬ 
zieht, begleitet von Erbrechen, das aber nicht er¬ 
leichtert. Charakteristisch ist das Symptom, dass, 
sobald der Kopfschmerz vorüber ist, der Patient 
| alsbald an seine gewöhnliche Beschäftigung gehen 
; kann. K. 


Bitte an die Collegen! 

Für einen älteren Collegen, Vater schulpflich¬ 
tiger Kinder, der ohne eignes Verschulden in höchste 
I Noth gerathen, aber bestimmte Aussicht hat, bald 
wieder in die Höhe zu kommen, wird eine Geld- 
uuterstützung, die als Darlehen betrachtet wird, 
auf diesem Wege erbeten. Schleunigste Hülfe ist 
dringend nöthig, da seine Existenz davon abhängt, 
und ist jeder Betrag willkommen. — Gefl. Gaben 
nimmt entgegen und ist zu näherer Auskunft bereit 
Metz, den 2. Januar 1899. 

Dr. Keinel, 

Geh. San.-Rath, Kreisarzt der Stadt Metz 
! und 

Medicinalreferent des Bezirks-Präsidiums. 

! Wir richten an die geehrten Herren Collegen 
die Bitte, diesem im äussersten Westen des deut¬ 
schen Reiches in Noth gerathenen homöopathischen 
! Berufsgenossen freundlich zu Hülfe zu kommen, 
i Herr Apotheker Steinmetz, Leipzig (Verlag die- 
I ses Blattes) ist bereit, die eingehenden Beiträge zu 
! sammeln und an die richtige Adresse zu befördern. 

Die Eedaetion. 


Lesefruchte. 

Therapeutische Notizen. 

Dr. Leggert beobachtete einen Fall von Uterin- 
Katarrh, wobei Pat. das Gefühl hatte, als ob der 
Kopf 3 oder 4 Kuss von dei • Schulter hinaufgezogen 
würde. — Ustilago brachte Hilfe. 

Dr. Grant fand in einem Falle von Husten bei 
einer Frau, welche die Empfindung hatte, als ob 
zwischen der Stirn und dem Gehirn ein leerer Raum 
sei , das Heilmittel in Causticum. 

Dr. Stow berichtet von einer alten Dame, welche 
das Symptom angab: Empfindung einer Kugel in 
der Stirn. Dies findet sich bei Staphis, welches 
auch den Fall heilte. 


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Dr. Schumacher erwähnt, Calc. caust. habe das 
eigentümliche Symptom von einem Herabdrücken 
im Scheitel, ein Symptom, das häufig nach vorlier- 
gegangener Influenza auftrat. Calc. caust. half 
jedes Mal. 

(The Hahnemannian Advocate. 15. Sept. 1898.) 


Veber den Eisengehalt der Leber. 

Man nimmt allgemein an, dass das Eisen in 
der Leber durch die Zerstörung der rothen Blut¬ 
körperchen in diesem Organe entstehe. Analysen 
haben aber gezeigt, dass der Eisengehalt in der 
Leber fast unveränderlich ist, welcher Art die Er¬ 
nährung auch sei, ebenso im normalen wie im 
pathologischen Zustande. Aus dieser Stabilität scheint 
hervorzugehen, dass die Hämoptysie nicht Ursache 
des Eisens in der Leber sein kann. Auch bei nied¬ 
rigen Thieren, wie Krebsen, Austern, Schnecken etc 


findet man eine fast gleiche Menge Eisen in der 
| Leber wie bei Säugethieren. Bei diesen Thieren 
| kann das Eisen aber nicht aus dem Blute kommen, 

I denn sie haben kein Hämoglobulin. 

| Dr. Laproque ist der Ansicht, dass nur das 
I Minimum des Lebereisens normal sei; es beträgt 
bei den Thieren aller Art 0,03 °/ 0 . Darunter geht 
I die Eisenmenge niemals; ist sie höher, so kann sie 
durch Blutungen etc. auf jenen Stand wieder herab¬ 
gesetzt werden. Das Eisen scheint demnach in der 
Leber als fixes Eisen vorzukommen, das in dem 
ganzen Thierreiche constant ist, und dann als mo¬ 
biles, das sich unter dem Einfluss verschiedener 
Ursachen vermehren oder vermindern kann. 


Personalia. 

Am 4. Febiuar 1899, Abends, ist Herr Staatsrath 
Dr. med. Walz zu Frankfurt a. Oder gestorben. 


Anzeigen. 


Ein homtfopathlscher Arzt, Dr. med., 
mit Schweizerischem Staatsexamen, sucht 
in der Schweiz oder ev. in überseeischen Landern eine 
nachweisbar rentable homöopathische Praxis zu über¬ 
nehmen. 

Offerten sub K. W. 154 an die Expedition dieser Zeit¬ 
schrift. 

Kurpension des Homöopathen 
Dr. von Hartungen 
Riva a. Gardasee, Tirol. 

Mars’scheg Krebsmittel 

frisch. 

Von Herrn Missionar Mars ist wiederum am 13. Februar 
1899 ein grösseres Quantum seines Krebsmittels eingetroffen. 
Ich stehe somit wieder gern mit diesem Mittel zu Diensten 
und kann es nun erfreulicher Weise auch billiger abgeben, 
und zwar 1 Portion: 10,0 mit Gebrauchsanweisung: 1,50 Mk. 
(früher 2 Mk). 

A. Marggrafs Homöopath. OfRcin, Leipzig. 


i In Th. Grieben’s Verlag (L. Fernau) in 
Leipzig erschien: 

Die 

: Heilkraft des Lichtes 

! Entwurf 

I zu einer wissenschaftlichen Begründung 
i des Licht-Heilverfahrens 

von 

Dr. Willibald Gebhardt 

I 

Mit 18 Illustrationen. 302 Seiten gross 8°. 
j Preis: broschirt 3 Mk. 60 Pf., geb. 4 Mk. 20 Pf. 


JBohnentittl&eii -Thee 


gegen Nierenkrankheiten, Wassersucht, Gicht, Rheumatismus, Zucker- und andere Krankheiten halten vorräthig und 
empfehlen in Packeten k V 4 Ko. mit Gebrauchsanweisung Mk. —.75 

i» j» d /a » »> >> >» L25 

A 1/ 9 9^ 

I» J» a /I f» 1» » »» 

Gebrauchs-Anweisung. Man nehme 75—100 Gramm von unserem Bohnenschalenthee und koche dieselben mit 
2—3 Liter Wasser 3—4 Standen, bis solche auf 1 Liter eingekocht sind; bis zu diesem Quantum kann man täglich 
gemessen, das normale ist ein Trinkglas voll. — Der Thee allein getrunken schmeckt nicht schlecht, man kann aber 
auch, um den Bohnengeschmack zu vermindern, etwas Fleischextract etc. hinzufügen. — Besondere Diät braucht nicht 
eingehalten zu werden. — Die Wirkung auf die Nieren ist eine ganz ausserordentlich grosse, was jeder Trinker des 
Thees in dem reichlichen Urinlassen merken wird. Ausser dem Trinken des Thees empfiehlt man ärztlicherseits auch 
das Baden in demselben, besonders bei Rheumatismus und Gicht, zu einem Bade gehören 5 Liter Extract, man nimmt 
aber hierbei 200 Gramm Thee auf 1 Liter Extract. 


Leipzig. 


A. Marggraf’s homöopathische Officio. 


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64 


Im Verlage von A. Marggrafs homöopath. Officin 
in Leipzig ist erschienen: 

Die homöopathische Behandlung 

der 

Augenkrankheiten 

sowie der 

Ohrenkrankheiten 

nach den Erfahrungen der homöopathischen 
Specialisten 

DDr. Vilas, Norton und Houghton 

zum Gebrauche für practische Aerzte. 

Bearbeitet von 

Dr. Th. Bruckner, 

homöopathischer Arzt in Basel. 

97 2 Druckbogen. 8°. Preis gut geb. M. 3.—, 
brosch. M. 2.50. 

Ausführliche Besprechung dieses Buches in 
No: 23/24 des 128. Bandes dieser Zeitung. 

Receptnr-Tarirwaagen. 

Da neuerdings bei Revisionen auch mehrfach Tarir- 
Waagen verlangt worden sind, welche jedoch die Herren 
Aerzte nie brauchen und die im Allgemeinen nicht unter 
50 —GO Mark zu haben sind, so habe ich billige und für 
Revisionszwecke völlig genügende, mit Präcisionsstempel 
versehene und geaichto Receptur-Tarirwaagen auf einfachem 
Brette anfertigen lassen, die zum billigen Preise von nur 
24 Mark offeriren kann. 

Leipzig. A. Marggrafs homöopath. Officin. 

Teucrinm Scorodonia. 

Im 131. Bande dieser Zeitung, in No 25/26, vom 
19. December 1895, Seite 199 berichtete Berr Dr. (ioullon 
aus belgischen Journalen über wunderbare Heilungen 
von Brustkranken (Lungenspitzen - üavernen, Schwind¬ 
sucht, Beseitigung tuberculöser Testikel) mit diesem 
Mittel. Von allen Seiten wurde es darauf verlangt, 
aber leider war es weder in Deutschland, noch Belgien, 
noch sonstwo trotz aller Bemühungen aufzntrmben. 
Endlich habe ich vorigen Sommer fliese Pflanze in 
schönster Qualität durch die liebenswürdige Vermitte¬ 
lung des Herrn Dr. med. Schlegel in Tübiugen be¬ 
kommen und stehe mit der Tinctur und Potenzen gern 
zu Diensten. 

Leipzig. A. Marggrafs homöopath. Officin. 


Im Verlage der Homöopathischen Central-Apotheke von 
Täschner & Co., Leipzig, und A. Marggrafs homöopathi¬ 
scher Officin, Leipzig, sind folgende erapfehlenswerthe 
homöopathische Bücher und Scbrifteu erschienen: 
Gross-Hering, Vergleic hende Arzneiwirkungslehre. l.Aufl. 
1893. geb. M. 20,—. 

Bruckner, Homöopath Behandlung der Augen- und Ohren- 
krankheiten. 1. Aufl. 1894. brosch. 2.50, geb. 3.—. 
Kleiner homöopath. Hausfreund. 6. Aufl. 1894. brosch. 

1.—. geb. 1.50 

Homöopath. Volksschriften, Nr. 1—28, in diversen (1.—8.) 
Auflagen, ä 10 Pfg. 

Hendrirhs, Zahnschmerzen. Deutsch. 2. Aufl. 1888. —.30. 
Holländ., 1. Aufl., —.50. 

Allgemeine homöopath. Zeitung. 135. Band. [2. Halbjahr 

1897.) Halbjährlich 10.50. 

Müller, Charakteristik. Deutsch, 3. Aufl. 1890, geb. 1.50. 

Spanisch, 2. Aufl. 1891, brosch. 2.—, geb. 2.50. 
Homöopath. Allerlei. 1890. brosch. 1.- , in Parthien billiger. 

La Curacion y Profilaxia per el Tratamiento Homeopätico 
de Las Prinzipates enfermedades Infecciosas. 2. Aufl. 

]893. brosch. 1.20. 

Diverse kleine Anweisungen zur Heilung einzelner Krank¬ 
heiten. ä 20 Pf. 

Hirschei, Der homöopathische Arzneischatz in seiner An¬ 
wendung am Krankenbette. Für Familie und Haus 
neu bearbeitet von Dr. med Goullon in Weimar. 
16. Auflage, geb. 4 M. 

Hübner, Homöopath. Thierarzt. 9. Aufl. 1892. cart. 3.—. 

geb. 3.75. 

— Krankheiten der Pferde. 9. Aufl. 1894. brosch. 1.20. 
geb. 1.60. 

Günther, Kleiner homöopath. Thierarzt. 2. Aufl 1888. 
geb. 1.50. 

Hausmann, Kleine Schriften. Gesammelt und herausge¬ 
geben von Dr. C. Bojanus, sen. 1895. cart. 1.50. 
Homöopath. Hilfstabelien. Belehrung über die Bereitung 
der Potenzen aus den Urtincturen, Stärke des zu ver¬ 
wendenden Alcohols etc. mit einer Anlage über Lutze’s 
Chiffre-Schrift. 1.—. 

Homöopathische Arzneitaxe, bearbeitet in Uebereiustim- 
mung mit allen in Deutschland bisher erschienenen 
officiellen und im Gebrauch befindlichen homöopathischen 
Arzneitaxen. —.30. 

Bönninghausen’s Therapeutisches Taschenbuch für homöopath. 
Aerzte, 1 neu herausgegeben von Dr. med. Fries, brosch. 
10.—, geb. 11.—. 

Die GrundzDge der modernen wissenschaftlichen Homöopathie, 

von Dr. Hans Wapler. brosch. —.50. 

Die Unhaltbarkeit der Hochpotenzen, von Dr. Kallenbach, 
Rotterdam, brosch. —.80. 

Kunkel, Pr. med., Die homöopathische Behandlung der 
Heiserkeit, brosch. —.50. 


Bönningbansen’s 

Therapeutisches Taschenbuch 

in neuer deutscher Auflage. 

Brosch. 10.— Mk., geb. 11.— Mk. 

Aufträgen sielit die Unterzeichnete Verlagshandlung gern entgegen. 

A. Marggrafs homöopath. Officin, Leipzig. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Moeea-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druok von Julius Raser in Leipzig. 


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Band 138 


Leipzig, den 2. März 1899. 


Mo. 9 u. 10. 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG. 


Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 


Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A.Marggraf s homöopatli. Offlein) in Leipzig 

Thomaskirchhof 12. 


Erscheint 14 tägig zu 2 Bogen. 18 Doppelnummem bilden einen Band. Preis 10 M. 60Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse 


in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A MarggraFs homöopath. Offlcln ln Leipzig) zu richten 
sind, werden mit 20 Pf, pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 5—8 Af. berechnet. 


Inhalt. Der relative Werth von Symptomen. Subjective und objective Symptome. Von Dr. Samuel A. Kimball, 
Boston. — Cantharides als ein H&emostaticum in Haematurie und ihr Gebrauch in Albuminurie. Von Dr. Mossa. — 
Signaturenlehre. III. Allgemeines. Von E. Schlegel, Arzt in Tübingen. — Petition betreffs der ärztlichen Ehrengerichte. 
Vom Verein preuspischer selbstdispensirender homöopathischer Aerzte. Bemerkungen dazu von Dr. Gisevius jun. — 
Wirkung von Alumina auf die Stimmorgane. Aus einer Vorlesung von Prof. J. Kent. — Eine Phytolacca*Skizze. Von 
Prof. Thomas C. Dunham-Chicago. — Die Chlorose In ihren Beziehungen zu den Verdauungsorganen. Referat nach 
Prof. K. v. Noorden. — Diabotes mellitus. Von M. — Bitte an die Collegen! — Herzliche Bitte für eine Arzt-Wittwe. 
3. Quittung über eingegangene Beiträge. — Hahnemann’s Grab in Paris. Ernenter Aufruf! — Personalia. — Anzeigen. 


Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Der relative Werth von Symptomen. 

Subjective und objective Symptome. 

Wenn wir zur Betrachtung acuter und chroni¬ 
scher Krankheiten kommen, so lösen sich die 
Symptome in 2 Klassen auf, in subjective und 
objective, welche beide wichtig, beide oft in dem¬ 
selben Falle erscheinen, und doch kann die eine 
von beiden den Ausdruck für den krankhaften 
Zustand allein darstellen. 

Das subjective Symptom ist die Beschreibung 
des Patienten von seinen Empfindungen, wie sie 
ihm erscheinen, aber kranke Leute sind in der 
Fähigkeit, sich auszudrücken, gar verschieden, und 
es kann gar leicht geschehen, dass man durch 
eine falsche Darstellung einer Empfindung miss¬ 
leitet wird. Für Manchen ist es schon verwirrend, 
zu sagen, wie er sich gegenwärtig befindet, und 
fast unmöglich die Empfindungen von zwei oder 
drei Tagen vorher zu beschreiben; bei Andern 
dagegen ist es schwer, den einmal in Fluss ge¬ 
kommenen Strom der Symptome zu hemmen und 
deshalb das Wesentliche vom Unwesentlichen zu 
unterscheiden. 

Anders verhält es sich mit den objectiven 
Symptomen. Hier ist ein positiver, fast unwillkür¬ 
licher Ausdruck des Krankhaften von Seiten des 


Patienten. Kommen wir zu einem Fall, wo sich 
der Kranke plötzlich vor Schmerz zusammenkrümmt 
und mit den Händen oder einem andern Gegen¬ 
stand fest gegen den Unterleib drückt, jammert 
und stöhnt für einige Augenblicke, dann erleich¬ 
tert nach rückwärts sinkt, um bald danach das¬ 
selbe Schauspiel zu wiederholen, da würden wir 
uns nicht viel darum kümmern, ob er die Empfin¬ 
dung hat, die Eingeweide seien zwischen Steinen 
oder Telegraphenstangen gequetscht worden; die 
objective Lection, die wir von seinen Bewegungen 
und Stellungen erhalten, wird wohl völlig aus¬ 
reichen. 

Bei denjenigen, die ihre widerwärtigen Empfin¬ 
dungen auf keine andere Weise auszudrücken ver¬ 
mögen, sind natürlich die objectiven Symptome 
äusserst wichtig. Bei jungen Kindern sind sie oft 
Alles, was wir haben, und es kann aus ihnen viel 
erschlossen werden, wie z. B. aus dem allgemeinen 
Aussehen des Kindes, dem Gesichtsausdruck, Stirn¬ 
runzeln, der Erweiterung der Nasenflügel, dem Re- 
gurgitiren der Nahrung, oder Erbrechen, Zeit und 
Art der Stühle, Urinbeschaffenheit u. s. f. 

So wichtig die Symptome beim wachen Kinde 
sind, die während des Schlafes sind es noch mehr. 
Wenn der Körper erschlafft daliegt, giebt da9 Kind 
die allerbedeutsamsten Symptomanzeigen für das 

9 


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66 


Mittel; die Lage des Körpers, Bewegung der 
Glieder, Zuckungen verschiedener Muskel, Jam¬ 
mern, Weinen oder Schreien. Ist das Kind im 
Wachen gut gelaunt oder reizbar, oder wacht es 
mit Furcht und Schreck auf? 

In acuten Fällen sind die subjectiven Symp¬ 
tome in der Regel so ausgesprochen, dass die Ge¬ 
fahr einer Täuschung nicht gross ist, und die 
objectiven, wenn solche zugegen, sind ebenso 
hervorstechend. Bei Gehirnkrankheiten sind die 
objectiven Symptome um so wichtiger, je hoch¬ 
gradiger sie sind. Das ist besonders bei Mania 
oder von Zuständen mit Bewusstlosigkeit der Fall. 

In einem Falle von Manie verweigerte der 
Kranke jedes Wort und jede Antwort auf Fragen; 
ebenso die Nahrung. Dabei bestand Schlaflosig¬ 
keit, Retentio urinae, und ein profuser enormer 
Schweiss über den ganzen Körper. Ausserdem 
Misstrauen oder Furcht; er zog das Bettzeug an 
das Gesicht und starrte darüber hin. Er machte 
auch Versuche zum Schlagen und zeigte eine all¬ 
gemeine Feindseligkeit gegen Jeden und Alles. 
Eine Lösung von Bell. 200. ward Abends 10 Uhr 
gemacht, ein Taschentuch damit befeuchtet und 
dieses über seiner Nase zu einigen Inhalationen 
gehalten. 20 Minuten nach den Inhalationen 
schlief er */« Stunde und trank beim Erwachen 
etwas Milch. Bald danach schlief er wieder ein — 
gegen zwei Stunden, und nahm dann mehr Nahrung 
zu sich; hierauf schlief er den Rest der Nacht und 
war am Morgen ruhig und verständig. 

Auch im folgenden Fall tritt uns die Wichtig- j 
keit objectiver Symptome deutlich entgegen: Eine 
70jährige Frau hatte einen Anfall von Bronchitis 
mit beträchtlichem Schleimrasseln und Brustschmerz 
beim Husten. Bry. brachte keine Erleichterung; 
es trat eine Schlafbetäubung ein mit einem losen, 
rasselnden Husten mit geringem Auswurf, mehr 
oder weniger Uebelkeit, und einer Temperatur von 
103° F. Antim. tartar. änderte nichts, und Pat. 
befand sich Tags darauf entschieden schlechter. 
Sie athmete laut, indem sie die Backen bei der 
Exspiration aufblies, hielt den Mund offen; dabei 
zeitweises Schnarchen, unfreiwilliger Urinabgang, 
eine rothe, trockne Zunge, Stöhnen und Murmeln 
im Schlaf. Der Kopf war sehr verwirrt und sie 
konnte nur mühsam aufgeweckt werden, um auf 
Fragen zu antworten. Drei Gaben Opium (Hoch¬ 
potenz) wurden in Wasser gegeben; am folgenden 
Tage war sie bei Verstand, die Körperwärme nor¬ 
mal, und 6ie genas bald. 

Von der sorgfältigen Beobachtung eines Kran¬ 
ken kann man viel Aufschluss erlangen,, und das 
kann man durch Uebung in einem Umfange eulti- 
viren, von dem der Anfänger keine Idee hat. Die 
schätzbarsten Symptome sieht man, wenn der Pa¬ 


tient schläft und sich unbeobachtet glaubt, wo dann 
die Symptome so recht den natürlichen Ausdruck 
von des Patienten Empfindungen darstellen. 

Die subjectiven Symptome hängen in Bezug 
auf ihren Werth vielfach von den bessernden oder 
verschlimmernden Umständen ab; ja letztere sind 
an sich oft mächtige Thatsachen. Die objectiven 
dagegen sind gewöhnlich nicht von solchen Be¬ 
dingungen abhängig. 

Bei einer Diphtherie kann die Seite, wo sie 
beginnt, für die Mittelwahl entscheiden; bisweilen 
das Aussehen der Membran, aber selten ohne dass 
noch andere Zeichen dafür sprechen. Die Ver¬ 
schlimmerung oder Besserung vom Schlucken heisser 
oder kalter Getränke jedoch kann entscheidend sein. 

In Krankheiten der Brust, Husten, Pneurao- 
nieen etc., finden wir die subjectiven und objectiven 
Symptome fast gleichwertig; aber in diesen, wie 
in allen sonstigen Zuständen hängt der Werth des 
Symptoms weniger von seiner diagnostischen Wich¬ 
tigkeit als von anderen Umständen ab. Ist der 
Husten schlimmer in der freien Luft oder im war¬ 
men Zimmer? Scheint er vom Magen zu kommen, 
sind scharfe Schmerzen, durch die Brust bis zum 
I Rücken gehend, zugegen? Bringt das Liegen auf 
der kranken Seite Verschlimmerung oder Besserung 
bei einem Pneumoniker, oder ist der pleuritische 
Schmerz besser beim Sitzen oder Liegen? Eins 
dieser Symptome kann für die Wahl des Heil¬ 
mittels den Ausschlag geben. 

In Krankheiten der Verdauungsorgane, wie 
Magenverderbniss, Diarrhöeen, Ruhr, haben wir die¬ 
selbe Verbindung subjectiver und objectiver Symp¬ 
tome, deren Bedeutung in den verschiedenen Fällen 
wechselt, und es liegt uns der Versuch immer ob, 
eine Beschreibung der trivialsten Empfindungen zu 
erlangen, und der geringsten Thätigkeit des Pa¬ 
tienten Aufmerksamkeit zu schenken. 

Die Diagnose ist bei der Mittelwahl nicht zu 
berücksichtigen, ausser, dass, wenn zwei Symptome 
in Vergleich kommen, dasjenige, welches mit der 
Diagnose weniger zu thun hat, gewöhnlich das 
wichtigere (? Ref.) ist, obwohl der bessernde 
oder verschlimmernde Umstand eines diagnostischen 
Symptoms es in einem Falle zum werthvollsten 
hinstellen kann. 

Wenn wir nun den diagnostischen Symptomen 
bei der Mittelwahl wenig Wichtigkeit beilegen, so 
dürfen wir doch nicht vergessen, ihnen in der all¬ 
gemeinen Behandlung des Kranken die ihnen zu¬ 
kommende Stelle zu geben. 

Es ist von ausserordentlichem Belange, dass 
wir eine correcte Diagnose stellen, oder dass wir 
wenigstens die allgemeine Richtuug der Erkrankung, 
die afficirten Organe und den wahrscheinlichen 
Ausgang wissen. 


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67 


Wir müssen durch Untersuchung der Lungen 
wissen, ob es für einen von einer Pneumonie Ge¬ 
nesenen rathsam ist auszugehen oder nicht; durch 
Untersuchung des Urins den Zustand unseres an 
Diabetes oder an einer Nierenaffection leidenden 
Patienten. Der Charakter der Krankheit entschei¬ 
det ja auch in weiterem Umfange die so sehr 
wichtige Diät-Frage. 

In der Behandlung chronischer Krankheiten hat 
man, wie es scheint, weniger Unterschied zwischen 
den diagnostischen und den subjectiv-individuellen 
Symptomen gemacht, wahrscheinlich weil jene nicht | 
so scharf wie in acuten Krankheiten hervortreten, . 
und wir in der Lage sind, die Symptome nieder- I 
zuschreiben, ohne auf die Diagnose ebensoviel zu [ 
achten. Indessen es gelten hier dieselben Regeln > 
wie in acuten Krankheiten, was den Werth der 
diagnostischen und nicht-diagnostischen Bedingungen j 
betrifft. ! 

Wenn wir einen chronischen Fall sorgfältig mit 
all seinen zahlreichen Symptomen untersucht haben, 
welcher Werth ist diesen beizulegen, wie und wo 
haben wir in unserem Suchen nach dem Heilmittel 
zu beginnen? Die letzten Aeusserungen sind na¬ 
türlich wichtig, aber die früheren nicht minder. 
Wir finden oft beim Rückblick auf die Entwicklung 
der psorischen Zeichen, wie diese als schlimme 
Kopfschmerzen, Verdauungsstörung, Diarrhöe, oder 
als irgend ein acuter Anfall begonnen haben — 
und die sorgfältige Beschreibung dieser frühzeitigen 
Symptome mit den bessernden oder verschlimmern¬ 
den Umständen, ihren Begleiterscheinungen und 
ihrer Localität sind sehr bedeutsam. 

Wir müssen alle Zustände des Kindesalters be¬ 
rücksichtigen: ein feuchter oder trockner Haut¬ 
ausschlag auf dem Kopfe als Säugling, war das 
Kind fett oder mager, hatte es geschwollene Drü¬ 
sen, ist es mit Vaccinegift inficirt worden? 

Eine Verzögerung der ersten Menstruation oder | 
irgend welche Störung zu jener Zeit, also Men- 
struationsverhältnisse, wenn von der Norm abwei¬ 
chend, sind von Werth. In dieser Weise sollen 
wir das Kranken-Examen anstellen, das sich also , 
von der frühesten Erinnerung des Pat. bis zur 
Gegenwart erstrecken soll. Auch dürfen wir das I 
Examen nach seinem gegenwärtigen Zustand nicht ’ 
obenhin nehmen. Wir können schätzbare Indica- 
tionen in der psychischen Sphäre finden; eine 
Neigung zum Selbstmord, Furcht vor mancherlei j 
Dinge, schlimmer beim Alleinsein oder in Gesell- j 
schaft, Verschlimmerung im Dunkeln, Verlangen 
oder Abneigung gegen Licht. 

Es kann eine Begierde nach gewissen Nahrungs¬ 
mitteln oder Widerwille dagegen, oder eine Ver¬ 
schlimmerung von gewissen Stoffen, z. B. Milch 
oder Säuren, stattfinden. Diese und so manche 


andere Symptome, Umstände und Bedingungen 
können bei der Erforschung des Simile als Aus¬ 
gangspunkte dienen. 

Ein verschlimmernder oder bessernder Umstand 
kann in einem Falle das schätzbarste Symptom sein. 
Diagnostische Symptome, zumal wenn sie mit be¬ 
gleitenden Erscheinungen verbunden sind, dürfen 
nicht übersehen werden; ebenso wenig functioneile 
Symptome an dem erkrankten Organ, obgleich 
diese, nebst den diagnostischen Symptomen, ge¬ 
meinhin den zweiten Platz in der Mittelwahl, beim 
Vorhandensein anderer Symptome, einnehmen. 

Haben wir acute Schübe in chronischen Krank¬ 
heiten vor uns oder acute Infectionskrankheiten, so 
finden wir oft, dass der Kranke in seinem gegen¬ 
wärtigen Zustande keine für die Mittelwahl hin¬ 
länglichen Anzeigen darbietet; die Symptome sind 
allgemein und nicht individuell genug, oder es 
kann bei ziemlich guten Indicationen für eine sorg¬ 
fältige Verordnung doch kein rechter Anhalt sein. 

Dann ist es nöthig, rückwärts zu blicken und 
nach den constitutionellen Symptomen, die vor dem 
acuten Schub da waren, zu verordnen, ja womög¬ 
lich zu den vor Jahren bestandenen Verhältnissen 
zurückzugehen, um das passende Mittel zu finden. 

Hat man nun das Mittel gegeben, welchen 
Werth hat man dann den nun erscheinenden Symp¬ 
tomen beizulegen; wie sind sie zu betrachten im 
Verhältniss zu dem letztverordneten Mittel oder zu 
jenen, die noch zu wählen sind. Man hat nicht 
übel gesagt, die Schwierigkeiten eines Falles be¬ 
ginnen nach der ersten Verordnung. Dem ist in¬ 
sonderheit bei chronischen Fällen so, und es kann 
daher nicht schaden, die Verhältnisse, die sich er¬ 
geben können, kurz darzustellen. 

Ist Besserung der Symptome oder eine Rück¬ 
kehr alter, früher dagewesener zu constatiren, so 
warte man ab. Alte Symptome, die da kommen 
und gehen, lasse man unberücksichtigt, ausser, 
wenn sie die Besserung unterbrechen, den allge¬ 
meinen Zustand des Patienten verschlechtern und 
die Heilung aufhalten. Aber selbst dann sei man 
sehr vorsichtig in der Wiederholung desselben oder 
Anordnung eines neuen Mittels. 

Die Verschlimmerung vorhandener Symptome 
bei allgemeiner Besserung verlangt kein Eingreifen, 
wenn aber bei dieser andauernden Verschlimmerung 
das Allgemeinbefinden des Kranken schlechter wird, 
hat man dem Mittel ein Antidot gegenüberzustellen 
oder eine neue Verordnung zu machen, für die die 
verschlimmerten Symptome die wichtigsten Anzei¬ 
gen sind. Erscheinen neue Symptome, die der 
Kranke vorher nicht erfahren hat, unter allgemei¬ 
ner Besserung, so verschwinden sie in der Regel 
wieder; halten sie jedoch an, ohne die Besserung 

9* 


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zu fördern, so sind sie bei einer neuen Mittelwahl 
von hohem Belang. 

Symptome, die eine allgemeine Besseruug von 
innen nach aussen hin, von oben nach unten, von 
den mehr nach den weniger wesentlichen Tlieilen 
hin bringen, hat man wohl zu respectiren und soll nicht 
mit einem neuen Mittel dazwischen fahren; gehen 
die Symptome aber in entgegengesetzter Richtung, 
andeutend, dass der krankhafte Zustand von aussen 
nach innen, von unten nach oben, von den weniger 
zu den mehr wesentlichen Theilen fortschreitet, so 
müssen sie als Leitmotive für die neue Mittelwahl 
festgehalten werden. 

Im Allgemeinen kann man sagen, dass als die 
wichtigsten Symptome, die nach einer Verordnung 
auftreten, zu halten sind: Verschlimmerungen, die 
ohne allgemeine Besserung andauern, neue Symp¬ 
tome, die sich in gleicher Weise verhalten, sowie 
die Symptome, welche in ihrer Metastase von Ort 
zu Ort eine Wendung zum Schlimmem zeigen. In 
einem heilbaren Fall hat man dieser letztem bal¬ 
digst zu begegnen, aber in einem unheilbaren kann 
der Grad der Schmerzhaftigkeit, die Höhe des 
Leidens, ein neues Mittel erforderlich machen, da 
in solchen Fällen das Höchste, was man erhoffen 
kann, in der möglichsten Erleichterung besteht. 

Wenn zwei oder drei von den chronischen In- 
fectionskrankheiten — Psora, Syphilis und Syco¬ 
sis — vorhanden sind, so räth uns Hahnemann 
zuerst für die psorische, sodann für die sycotische 
und zuletzt für die syphilitische zu verordnen. 

Das setzt von unserer Seite die Geschicklich¬ 
keit voraus, die psorisclien von den syphilitischen 
und sycotischen Symptomen zu scheiden, was in 
der That eine äusserst werthvolle Kenntniss wäre. 

Man kann aber wohl sagen, dass alle Männer, 
und ebenso Frauen, psorisch sind (? Ref.). Nur 
da mag es einige Ausnahmen geben, wo mehrere 
Generationen unter streng-homöopathischer Behand- 
lung gestanden haben; aber im Durchschnitt sind 
wir alle mehr oder weniger psorisch, wohl gar mehr 
oder weniger sycotisch und auch syphilitisch. Wer 
kann’s wissen? 

Andernfalls ist es wahrscheinlich, dass die syco¬ 
tischen und syphilitischen Symptome auf psorischem 
Grunde wurzeln, so d^s w T ir ohne Schaden die 
Kur mit einem Antipsoricum beginnen können, 
wenn nicht etwa kräftigere Iudicationen für eine 
andere Klasse von Mitteln da sind. Manche Mittel 
können gleichzeitig die Symptome von zwei jener 
Infectionsstoffe (Miasmen nach Hahnemann), einige 
wenige sogar alle drei in sich vereinigen. 

Schlägt das gewählte Mittel fehl, so müssen 
wir das nicht der Mangelhaftigkeit der Materia 
medica, oder der mangelhaften Prüfung eines ein¬ 


zelnen Mittels zuschreiben. Es ist eher zu viel 
Materia medica, als zu wenig darin; wir wissen 
nur zu wenig davon. 

Zum Schluss will ich noch sagen, dass es 
ausserordentlich schwer ist, die verschiedenen Regeln 
und Vorschriften, die unsere hochedle Heilkunst 
regiren, in praktische Ausübung zu bringen. An¬ 
gesichts concreter Fälle ist es nicht bloss der An¬ 
fänger, der fehlgreift; nein, dem Erfahrensten wird 
es, ohne augenfällige Ursache, so gehen. Indessen, 
wenn wir in unserer Kunst ein Ideal haben, das 
wir zu erreichen bestrebt sind, so können auch 
unsere Fehler und Missgriffe nicht fruchtlos sein, 
vorausgesetzt, dass sie uns als Schritt steine (Mal¬ 
zeichen) dienen zu einer höheren Würdigung von 
Hahnemann’s Lehren und zu einer erhöhten Ge¬ 
schicklichkeit, diesen zu folgen. 

(The homoeopathic physician. No. 6. Juni 1895. 

Dr. Samuel A. Kimball, Boston.) 

M. 

Cantharides als ein Haemostaticum 
in Haematurie und ihr Gebrauch in Albuminurie. 

Im The British Medical Journal vom 17. Sep¬ 
tember v. J. veröffentlicht Dr. Beven unter obiger 
Ueberschrift einen Artikel über Cantharides. In der 
Einleitung sagt er: ,,Die günstige Wirkung von 
Cantharides bei innerlicher Anwendung auf gewisse 
Affectionen der Nieren scheint mir nicht allgemein 
bekannt zu sein; deshalb bedarf es keiner Recht¬ 
fertigung, wenn ich folgenden Fall zur Kenntniss 
der Berufsgenossen bringe: 

,,Ein 68jähriger Schreiner hat sich immer guter 
Gesundheit erfreut bis anfangs August 1897, wo 
er eine grosse Quantität Blut neb6t einigen Blut¬ 
gerinnseln durch die Urethra entleerte, was aber ganz 
schmerzlos geschah. Es wurde ihm Bettruhe ver¬ 
ordnet und Ergotin, wonach auch die Harnblutung 
stille stand. Sie kehrte jedoch immer wieder, so¬ 
bald der Patient sich bewegte. Es wurden nach 
einander alle in der Pharmakopoe erwähnten Haemo- 
statica — Catecha, Campeche - Holz, Gerbsäure, 
Eichenrinde, Alaun, Eisen, Ergotin, Hamamelis etc.— 
versucht, aber mit geringem oder gar keinem Er¬ 
folg. Ende November trat Pat. in eins der Lon¬ 
doner Krankenhäuser, hier untersuchte ihn ein aus¬ 
gezeichneter Chirurg, konnte aber weder an der 
Blase noch an den Nieren Krankhaftes finden. Wie¬ 
der wurden Haemostatica angewandt, und als damit 
Nichts erreicht wurde, sollte eine Exploration der 
Nieren vorgenommen werden, was er aber seines 
Alters wegen verweigerte. Fünf Monate lang nahm 
er grosse Dosen von den verordneten haemostati- 
schen Mitteln, aber sein Zustand ward nach der 


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körperlichen wie geistigen Seite hin verschlimmert 
und die Blutung noch vermehrt 

In diesem Zustande kam er anfangs Mai in die 
Behandlung von Dr. Beven, zehn Monate nach Be¬ 
ginn der Krankheit. Der Urin zeigte bei mikro¬ 
skopischer Untersuchung eine Menge Blutkörper¬ 
chen und einige Epithelien. Weder Vergrösserung 
der Nieren, noch irgend welcher Schmerz konnte 
durch Palpation entdeckt werden. — Verf. verord- 
nete Tinctura Cantharidarum zu 5 Gran, 8 Mal 
täglich, und mässige Bewegung. In 24 Stunden 
hatte die Blutung aufgehört, und der Urin wurde 
klar. Dann wurde das Mittel ausgesetzt, aber nach 
Verlauf von zehn Tagen zeigte sich wieder etwas 
Blut im Urin, das wieder nach ein paar Dosen 
der. Tinctur daraus verschwand. Der Vorsicht 
halber sollte er gelegentlich eine Gabe davon 
nehmen. Seitdem hat er kein Blut wieder entleert. 
Vor 14 Tagen sind die Canthariden ganz bei Seite 
gesetzt und nur Eisenpräparate der Anämie wegen 
verschrieben worden. 

„Die Wirkung der Canthariden,“ sagtDr. Beven, 
„war merkwürdig, indem sie in 24 Stunden die 
Blutung stillte, wahrend diese unter der gewöhn¬ 
lichen Haemostaticis in einem Zeitraum von zehn 
Monaten nicht nur nicht gewichen, sondern ge¬ 
steigert worden ist. Die Ruhe hat mit der Hei¬ 
lung nichts su thun, da der Pat. sich draussen so¬ 
viel als möglich bewegt hat. — Eine Diagnose 
wagte er nicht zu stellen; er schreibt das gute Re¬ 
sultat auf die tonische Wirkung kleiner Dosen von 
Canth. auf die Nieren. Dieses Mittel bewirkt auch 
eine sehr auffällige Verminderung des Gehalts von 
Eiweiss im Urin bei Personen, die an ,grosser, 
weisser 1 Niere leiden, wenn man es in kleinen 
Dosen reicht; ob diese Verminderung des Albumen 
eine bleibende ist, kann Verf. für jetzt nicht be- 
urtheilen. Octavius Beven, Dr. med.“ 

Die Monthly Homoeopathic Review vom 1. Oct., 
der wir diese famose Heilungsgeschichte entnommen 
haben, bemerkt hierzu: 

Wenn Dr. Beven behauptet, dass die günstigen 
Wirkungen von Cantharis bei innerem Gebrauch 
in gewissen Nierenkrankheiten nicht allgemein be¬ 
kannt zu sein scheint, so hätte er ganz recht, wenn 
er gesagt hätte, bei der alten Schule . Wenn er 
es aber noch nicht weiss (indessen sicherlich weiss 
er es), so können wir ihm versichern, dass Canth. 
seit Hahnemann’8 grosser Entdeckung des Aehn- 
lichkeitsgesetaes das Hauptmittel in der Behand¬ 
lung solcher Fälle gewesen ist, wie sie Dr. Beven 
beschreibt, sowie auch in der acuten Nephritis. Er 
wird dies in Hülle und Fülle in allen homöopathi¬ 
schen Werken finden, obwohl wir stark vermuthen, 
dass seine Kenntniss von solchen Werken grösser 
ist, als er zu sagen weiss; und hat er von seiner 


erlangten Kenntniss einen guten Gebrauch gemacht. 
Er wird auch finden, dass Dr. Ringer’s Handbuch 
der Therapie von den therapeutischen Wirkungen 
von Canth. in Nephritis, Haematurie und Albumin¬ 
urie klärlich spricht, wie auch in einem von Ho¬ 
möopathie so voll gespickten Werke zu erwarten 
ist; auch in Dr. L. Brunton’s Pharmacologie wird 
er, wenigstens in den drei ersten Auflagen, dieses 
Mittel im „Krankheiten-Index“ finden. Man kann 
sich kaum wundern über Dr. Beven’s Behauptung, 
dass die Heilwirkungen von Canth. in Nierenleiden 
nicht allgemein bekannt sind. Diese Behandlungs¬ 
weise ist thatsächlich so sonnenklar homöopathisch, 
dass ihre Annahme zitterige Mitglieder der medi- 
cinischen Berufsgenossenschaft natürlich erschrecken 
würde. — Wie Jemand die Augen schliessen kann 
vor der Thatsache, dass wenn ein Arzneistoff, der 
anerkanntermassen Entzündung der Nieren und 
Blase hervorhringt nebst Haematurie, in kleinen 
Dosen gegeben diese Zustände deutlich heilt, dies 
ein vollkommenes Beispiel für das Aehnlichkeits- 
gesetz bietet, ist für uns erstaunlich. Zu glauben, 
dass man dies nicht klar sehen solle, ist wirklich 
schwer. Und was ist absurder, als wenn Dr. Beven 
diese bemerkenswerthe Thatsache ignorirt und sagt: 
„Der tonischen Wirkung kleiner Dosen von Canth. 
schreibe ich diese guten Erfolge zu.“ Das heisst 
einfach, den Lesern Sand in die Augen streuen, 
in der Absicht, dem ehrlichen und männlichen Ge¬ 
ständnis zu entgehen, dass hier wenigstens ein 
Beispiel vom homöopathischen Gesetz und homöo¬ 
pathischer Praxis vorliege. Sein Ausspruch ist 
lediglich eine zweite Auflage von Dr. Anstie’s 
famoser „Erklärung“ im Practionner von der Wir¬ 
kung von Tropf-Dosen von Ipecacuanha in der 
Heilung von Brechübelkeit, was nicht homöopathisch 
sei, sondern dafür spreche, Ipec. in diesen kleinen 
Dosen sei ein Tonicum für die vasomotorischen 
Magennerven. So zu sprechen, ist verächtlich, wo 
das grosse therapeutische Gesetz in Frage kommt. 
Wir haben fortwährend über Beispiele homöopathi¬ 
scher Behandlung von Seiten der alten Schule zu 
berichten, wie sie in ihren Journalen erscheinen, 
sei es ohne Erklärung oder Hinweisung auf die 
offenbare Beziehung zwischen Mittel und Krank¬ 
heit, oder indem man, wie Dr. Beven’s Artikel, den 
Ausgangspunkt möglichst verdunkelnd, von diesen 
Mitteln in kleinen Dosen als „Tonica“ für das 
Organ spricht. 

Wann wird solch Ding ein Ende nehmen? Nun, 
eines Tages muss es geschehen, und solche Artikel, 
wie der von Dr. Beven, deuten auf ein „Morgen¬ 
grauen“ in der sogen, wissenschaftlichen Medicin. — 

Nun noch ein Wort auf die von Dr. Beven an¬ 
gewandte Dosis. Er gab 5 Minims (Gran oder 
Tropfen) der Tinctura Cantharides. Dr. Ringer 


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giebt 1 Minim, und noch kleinere Dosen würden 
wohl genügt haben, wie wir Homöopathen wissen. 
Indessen die Tbatsache, dass 5 Minims geheilt und 
nicht verschlimmert haben, ist ein Beleg dafür, dass 
eine homöopathische Dose 1. eine solche von einem 
Mittel ist, das zu der Krankheit in einem Aehri- 
lichkeitsverhältniss steht, und 2., die kleiner sein 
muss, als dass sie die Symptome steigert. Um wie 
viel kleiner, das ist Sache der Erfahrung. Wenn 
Dr. Beven 5 Minims auch in der Folge immer hilf¬ 
reich findet, so mag er daran festhalten, es ist 
dann ebenso homöopathisch, wie die eine Minim- 
Do86 von Dr. Ringer oder die noch kleineren, welche 
die homöopathischen Aerzte anzuwenden pflegen. 
So lassen wir Dr. Beven sich nicht hinter den Gedanken 
flüchten, dass das Verfahren nicht homöopathisch 
sei, weil seine Dose nicht infinitesimal sei. Er 
giebt schon eine gute Illustration von dem, auf 
das wir so oft unsere Freunde von der alten Schule 
hinzuweisen haben, dass eine homöopathische Dose 
eine solche ist, welche heilt, ohne zu verschlim 
mern. (Und doch stossen wir hier und da auch 
selbst bei hohen Potenzirungen, also sehr kleinen, 
infinitesimalen Gaben auf eine Erstverschlimmerung. 
Ref.) — 

Zu Ehren des Herausgebers des British Medical 
Journal, also eines den Anschauungen der alten 
Schule dienenden Blattes, sei es gesagt, dass der¬ 
selbe einen Brief von dem homöopathischen Arzte 
Dr. F. S. Arnold in seinem Blatte aufnahm, worin 
dieser die Heilerfolge Dr. Beven’s mit Cantharis 
in dem oben geschilderten Sinne als homöopathische 
reclamirte. Dr. Mossa. 


Signaturenlehre. 

III. Allgemeines. 

Von E. Schlegel, Arzt in Tübingen. 

Um die wenigen vorausgeschickten Beispiele 
ganz kurz durch einige allgemeine Ausführungen 
zu geleiten, möchte ich heute nur darauf hin- 
weisen, dass für die arzneiliche Wirksamkeit ab- 
getödteter Lebewesen die plötzliche Unterbrechung 
der Lebensvorgänge derselben Voraussetzung ist. Wir 
müssen die Theile oder das Ganze so erhalten, 
dass die Stoffe und Kräfte, welche zur Lebenszeit 
vorhanden waren, möglichst wenig verändert oder 
zersetzt zur Aufbewahrung und zur Wirkung ge¬ 
langen. Das unterbrochene Leben muss in seinen 
stofflichen Substraten (potentiell) noch vorhanden 
sein. Es fehlt jetzt demselben allerdings der ideale 
Mittelpunkt, um welchen die eigenartigen Kräfte 
gravitirten; dagegen können diese Kräfte in einem 
anderen System, in welches sie eingefülirt werden 


wieder zur Wirkung gelangen, gewissermassen neu 
auf leben. Der Begriff der Arznei verlangt, dass 
die Stoffe und Kräfte nicht ohne Störung in un¬ 
serem Stoffwechsel aufgehen, wie es bei den Nah¬ 
rungsmitteln der Fall wäre, sondern dass sie als 
Gifte die Lebensziele des menschlichen Organismus 
mittelst eigenartiger Wirkungen durchkreuzen und 
dadurch Lebenserscheinungen einführen, welche im 
Plane unseres Lebenssystems nicht liegen. Man 
kann sagen: Das verstorbene Fremdleben fängt an 
wieder aufzutreten, weil den Substanzen die Mög¬ 
lichkeit ihrer specifischen Bewegungen nicht ge¬ 
nommen wurde; nur ihr Gravitationscentrum im 
ursprünglichen Leben ist ihnen abhanden gekommen. 
Was bei Vergiftungen und Arzneiprüfungen ge¬ 
schieht, ist gewissermassen die Herausforderung 
des Spuks des getödteten Lebewesens, es ist ein 
Hervortreten ungewöhnlicher Naturerscheinungen, 
welchem die menschliche, die homöopathisch ärzt¬ 
liche Absicht den Charakter eines Experiments ver¬ 
leiht. Die hervorgebrachten Erscheinungen sind 
mittelbare Folgen jenes fremden Systems, auf wel¬ 
ches sie mit naturgesetzlicher Nothwendigkeit zurück¬ 
zuführen sind. Wenn nun die Kräfte und Stoffe, 
w r elche dem abgestorbenen System als Unterlage 
dienten, wiederum zugleich Bewegungsursachen im 
menschlichen Organismus wurden, so ist schon hier¬ 
durch ein naturnothwendiger Zusammenhang der 
erzielten Störungen und Arzneiwirkungen mit der 
Gesammtnatur des erloschenen Lebewesens gegeben, 
mit seinen Functionen, seiner den Functionen ent¬ 
sprechenden Stellung im Naturreich, seiner ent¬ 
sprechenden Formgestaltung. 

Die fremde Lebensform und ihr functioneller 
Gehalt tritt mit begründeter Nothwendigkeit in 
sinnenfällige Erscheinung; diese Erscheinung kann 
durch Vergleich und Schlussfolgerung näher unter¬ 
sucht werden. 

Insofern sich hier verwerthbare Ergebnisse für 
die Therapie finden lassen, fassen wir dies alles 
unter dem Begriff’ der Siguatur zusammen. Mag 
nun dieser Zusammenhang auf der Hand liegen, 
d. h. dem einfachsten Naturkinde, dem Wilden, dem 
Schäfer, dem originellen Quacksalber sich aufdrängen, 
oder mag er nur durch genauere und eindring¬ 
lichere Beobachtungen zu erkennen sein, so bleibt 
doch die Grundidee dieselbe: es gilt stets fremde 
Lebenseigenthümliehkeiten zum Ausgleich des ge¬ 
störten menschlichen Systems heranzuziehen, sie zu 
erkennen und zu verwerthen. Je vollkommener 
unsere Antheilnahme an dem Leben in der Natur, 
wie an ihren zahllosfachen Formen sein wird, um 
so mehr werden sich uns die Aehnlichkeiten, ja 
die Aehnlichkeitsbeziehungen aufdrängen. Wir Ho¬ 
möopathen befinden uns hier in einer sehr gün¬ 
stigen Lage, denn wir können die Siguaturen durch 


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die Arzneiprüfung controliren und die’ Ergebnisse 
der Arzueiprüfungen wiederum auf ihren Signaturen¬ 
werth prüfen: Die Arzneimittelprüfungen sind direct 
in unsere Lebensvorgänge geschriebene Signaturen, 
sind ein wissenschaftliches Zwangsmittel, die Eigen¬ 
schaften der Arzneikörper zu enthüllen. Dass die 
Natur uns auch noch sanftere Wege zum Ver- 
ständniss der Wirkung fremder Gebilde auf unseren 
Organismus zu eröffnen vermag, wird ihr hoffent¬ 
lich Niemand übel deuten und warum sollten nicht 
beide Wege zusammen betreten und freundschaft¬ 
lich beschritten werden? Wie die Arzneiprüfung 
in oben erwähntem Sinne eine Signatur darstellt, 
so auch kann die Signatur angesehen werden als 
eine Arzneiprüfung, d. h. die Prüfung auf den 
Arzneiwerth und dessen Richtungen, angestellt durch 
allgemein biologische Weltbetrachtung auf Grund 
genauerer Kenntnisse der Lebewesen. — Ich habe 
nun einige wenige Beispiele veröffentlicht, weil so¬ 
eben die Hahnemann’schen Arzneiprüfungen mit 
neuem Interesse allseitig aufgenommen wurden und 
mir daran liegt, dass die opfervolle Arbeit der 
Collegen nicht in unfruchtbarem Skepticismus und 
in ewiger Nachtreterei der Spuren einiger bekannten 
Mittel sich erschöpfe. Winken uns doch so viele 
Formen in der Natur, die einen höheren, einen 
originelleren Lohn für unsere Arbeit verheissen! 

Nun noch einige wenige Worte über die Stel¬ 
lung der unbelebten Naturkörper zur Signaturen¬ 
frage. Auch hier heisst es: ,,Die Geisterwelt ist 
nicht verschlossen; dein Sinn ist zu, dein Herz ist 
todt.“ Ich will aber die Frage nur in Bezug auf 
die obige Auslassung, betreffend die Eigenbewegun¬ 
gen der Arzneikörper als früherer Lebenssysteine 
kurz ins Auge fassen, denn man könnte irriger¬ 
weise annehmen, dass unter obigen Voraussetzun¬ 
gen die anorganischen Arzneikörper in ihren an¬ 
erkannt starken Wirkungen unverständlich bleiben 
müssen. Im Gegentheil: auch die dem Lebens¬ 
reiche nicht entnommenen Stoffe können wir uns 
nur vorstellen als Träger von Bewegungsursachen 
oder Kräften, welche ebenso einführbar sind in das 
Lebenssystem des menschlichen Organismus. Sie 
haben den Vorzug, einen idealen Mittelpunkt, dem 
sie vorher dienten, nicht erst (durch Abtödtung) 
aufgeben zu müssen, sondern sie können mit ihren 
charakteristischen Bewegungen ohne Weiteres in 
unser System eintreten, sofern sie löslich gemacht 
oder hinreichend stofflich rareficirt sind. Jedes 
Lebewesen hält seine Integrität nur aufrecht, in¬ 
dem äussere Stoffe in seine Kreise eintreten und 
andere wieder ausgeschieden werden; die unbe¬ 
lebten Körper kennen diesen Stoffwechsel nicht, sie 
gehören keinem System an, wo sie genöthigt sind, 
um einen idealen Schwerpunkt zu kreisen; sie voll¬ 
führen nur ihren eigenen Gang, der denknoth- 


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wendig mit ihrer Existenz verbunden ist. Diese 
hohe Beständigkeit ihrer Kraft macht sie zu einem 
ewig gleichgestellten peipetuura mobile, als welches 
jedes Atom oder Molekel aufzufassen ist. Wenn 
wir nun diese gleichförmige Unruhe auch als eine 
Art Leben ansehen und bezeichnen wollen, so kann 
uns keine gegründete Erwägung hiervon abhalten. 
Es ist ein egoistisches, ganz gleichförmiges Leben, 
welches die anorganischen Körper durch lange Zeit¬ 
räume festhalten; aber sie scheinen sich davon doch 
nicht völlig befriedigt zu fühlen, es scheint in ihnen 
ein Drang zur Befreiung, zur Antheilnahme an 
höheren Daseinsformen zu wohnen. Nur so ist es 
verständlich, dass völlig gesättigte Verbindungen, 
oftmals von hoher Beständigkeit, wie z. B. Kiesel¬ 
säure, schwefelsaure Salze, Fluorverbindungen, oder 
Elemente wie Eisen, so leicht in organisches Leben 
eingelien; viele dieser Körper ermöglichen ja erst 
das organische, das animalische Leben. Auch Me¬ 
talle, die im Organismus gar nichts zu suchen 
haben, nehmen Antheil an seinen Lebensbewegun¬ 
gen, stören, schädigen, tödten und heilen ihn, je 
nach Umständen. Leben, als dauernde Ursache von 
eigenartigen Bewegungen , kommt also auch den an¬ 
organischen Körpern zu und in der Bethätigung 
der besonderen Bewegungen liegt auch für sie die 
Möglichkeit, Arzneien zu sein. 


Berlin, im Februar 1899. 

Petition 

betreffe der ärztlichen Ehrengerichte. 

An die vereinigten Häuser des preussi- 
schen Landtags. 

Einem hohen Landtag beehrt sich Unterzeich¬ 
neter Verein folgende Ausführungen zur wohl¬ 
wollenden Berücksichtigung gehorsamst zu über¬ 
reichen. 

In der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses 
vom 4. Febr. hatte der Abgeordnete Herr von Wer- 
deck die Aufmerksamkeit des Hauses bereits auf 
die Lage der homöopathischen Aerzte zu lenken 
versucht. Denselben ist es bisher nicht möglich 
gewesen, ihre Wünsche betreffs Ausgestaltung des 
Gesetzes vorzubringen, da sie in den Aerztekam- 
mern nicht vertreten sind. 

Der § 3 des Gesetzes bestimmt, dass der Recht¬ 
sprechung des Ehrengerichts unterliegen: 

1. Verstösse gegen die ärztliche Standesehre 
und 

2, gegen das Verhalten, welches der Beruf 
des Arztes erfordert. 

Diese Begriffe werden erläutert durch die Be¬ 
stimmung der Begründungen. 


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„Politische, wissenschaftliche und religiöse 
Ansichten des Arztes können als solche 
niemals den Gegenstand eines ehrengericht¬ 
lichen Verfahrens bilden.“ 

Nach § 14 ist ein Arzt straffällig, „der die 
Pflichten seines Berufes verletzt oder sich durch 
sein Verhalten der Achtung und des Vertrauens 
unwürdig zeigt, welche der ärztliche Beruf er¬ 
fordert.“ 

Als einzige Erläuterung steht in den Begrün¬ 
dungen wieder die Notiz, wie über § 3: „der Be¬ 
griff* der Standesehre würde sich durch die Praxis 
allmählich entwickeln.“ 

Die Dehnbarkeit der in diesem Paragraphen 
enthaltenen Begriffe schliesst eine grosse Gefahr 
für diejenigen ein, welche nicht auf dem Boden 
der Schulmedicin stehen, wie später begründet 
werden wird. 

Nach den Angaben des Gesetzes sind die Be¬ 
stimmungen aus der Anwaltsordnung herübergenom¬ 
men. Zwischen Rechts- und Heil Wissenschaft ist 
aber ein tiefgreifender Unterschied vorhanden. 

Innerhalb der Medicin sind wissenschaftliche 
Gegensätze vorhanden, die oft sehr scharf auf- 
einanderstossen. Besonders ist die Homöopathie ein 
Zweig der Medicin, der, in den 100 Jahren seines 
Bestehens unverändert in seinen Grundsätzen ira 
Volke gewaltig verbreitet, immer von Seiten der 
jeweilig herrschenden Lehre der Schule in die 
schärfste Gegnerschaft gedrängt worden ist. 

Jeglicher Staatsunterstützung baar, ohne Lehr¬ 
stühle, Krankenhäuser und wissenschaftliche Unter¬ 
richtsanstalten, haben die homöopathischen Aerzte, 
nur von Fall zu Fall durch ihre Heilerfolge sich 
den Boden ihrer Thätigkeit sichernd, naturgemäss 
die staatlich unterstützte Schulmedicin zu ihrer 
bittersten Feindin gemacht und sind oft genöthigt 
worden, ihren Standpunkt scharf zu betonen. 

Da ist es natürlich, dass der homöopathische 
Arzt, der nicht nur Arzt, sondern Forscher, Vor¬ 
kämpfer, Verbreiter seiner Lehre sein muss, bis¬ 
weilen den in Aussicht genommenen Richtern Vor¬ 
wände bieten wird, um auf Grund der dehnbaren 
Gesetzesbestimmungen die ihnen unbequeme Thä¬ 
tigkeit unter dem Vorwände der Verletzung der 
Standesehre lahm zu legen. 

Wenn z. B. der homöopathische Arzt in einem 
Laienverein Arzneiprüfungen an gesunden Menschen 
veranstaltet, die bekanntlich ihm zur Erforschung 
dei; Kräfte der Arzneien dienen, so wird es leicht 
sein, in dem Streben, seine wissenschaftlichen Er¬ 
fahrungen auszugestalten, nur einen gemeinen Pa¬ 
tientenfang zu erblicken. 

Es ist unmöglich, hier in Kürze den tiefgrei¬ 
fenden Unterschied zu schildern, der in hundert¬ 
jähriger Entwickelung sich zwischen herrschender 


Schule und Homöopathie gebildet hat, erklärlich 
aber daraus das Verlangen der homöopathischen 
Aerzte, nicht von ihnen feindlich gegenüberstehen¬ 
den Richtern gerichtet zu werden, wenn auch nach 
dem Wortlaute der Begründung des Gesetzes wis¬ 
senschaftliche Ueberzeugungen niemals Gegenstand 
ehrengerichtlicher Verhandlungen sein sollen. 

Wer die Geschichte der Medicin der letzten 
100 Jahre kennt, weiss, mit welchen Mitteln der 
Hass der Berufsgenossen die homöopathischen Aerzte 
verfolgt hat. 

Aus der erdrückenden Fülle des Materials seien 
nur einige Ereignisse des letzten Jahres vorgeführt. 

Die „Medicinische Reform“, das Organ der so¬ 
genannten freien Aerztewahl, brachte zu Anfang 
des Jahres, gelegentlich der Consultation einer 
hiesigen Autorität für innere Medicin mit einem 
homöopathischen Arzte bei der Erkrankung einer 
hochgestellten Persönlichkeit, einen Artikel gegen 
die Homöopathie, der von Unwissenheit bezüglich 
der wissenschaftlichen Lehren derselben und Be¬ 
schuldigungen ihrer ärztlichen Vertreter strotzte, 
für die ein Ausdruck schwer zu finden ist. 

Bezeichnend war der Beginn, *in dem den 
homöopathischen Aerzten vorgeworfen wurde, sie 
wendeten sich ihrer Lehre nur des erleichterten 
Erwerbes wegen zu. 

Der Artikel endete in dein Ersuchen, dass kein 
Schulmedicin er mit einem homöopathischen Arzte 
consultiren dürfe. 

Das Blatt geht allen Aerzten Berlins zu, keiner 
widersprach. 

In einem von dem Gustav-Adolf-Verein in Kiel 
veranstalteten Vortrage behauptete ein Professor 
der Kieler Universität, „für die homöopathischen 
Aerzte fehle ein parlamentarischer Ausdruck“. 

In einer Mittelstadt der Mark erschien vor 
einigen Wochen der Specialarzt der Chirurgie bei 
dem dortigen homöopathischen Arzte, mit dem er 
Jahre lang consultirt hatte, um ihm bedauernd mit- 
zutheilen, dass vom 1. Januar 1899 ein Beschluss 
gefasst wäre, dass kein Mitglied des dortigen Aerzte- 
Vereins mit einem Nicht-Mitglied consultiren dürfe. 
Zugleich war von demselben Termin an ein be¬ 
schränkender Passus in das Statut aufgenommen, 
der den Eintritt des homöopathischen Arztes in den 
Verein unmöglich machte. 

Und dieses Vorgehen, welches an unlauteren 
Wettbewerb erinnert, in demselben Jahr, in dem 
das neue Gesetz eingeführt werden soll! 

Fast überall sind die homöopathischen Aerzte 
von den Vereinen ausgeschlossen. Fast kein allo¬ 
pathischer Arzt consultirt mit einem homöopathischen. 

Und diese erbitterten Feinde sollen plötzlich in 
unparteiische Richter umgewandelt werden! 

Für sie genügt es, wenn ein Arzt sich für einen 


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Anhänger der homöopathischen Heilmethode aus* 
giebt, um denselben in Acht und Bann zu thun, 
ohne Rücksicht, ob derselbe sonst ein einwands¬ 
freier Ehrenmann ist oder nicht. 

Die homöopathischen Aerzte stimmen an sich 
einem solchen Gesetze freudig zu, weil sie darin 
eine Handhabe erblicken, sich gegen die Ueber- 
griffe und Verunglimpfungen von Seiten ihrer Geg¬ 
ner nachdrücklicher als bisher schützen zu können. 
Sie würden eine Erfüllung ihrer Hoffnungen aber 
nur darin erblicken, dass 

1. die Bestimmung der Motive zu § 3, „dass 
politische, wissenschaftliche und religiöse 
Ansichten und Handlungen unter Aerzten 
niemals den Gegenstand eines ehrengericht¬ 
lichen Verfahrens bilden können,“ in das 
Gesetz selbst aufgenommen werden, 

2. dass der § 6 folgenden Zusatz erhält: „Bei 

einem Verfahren gegen einen ausserhalb 
der Schulmedicin stehenden Arzt muss auf 
dessen Antrag statt eines der drei gewähl¬ 
ten Mitglieder der Aerztekammer ein sei¬ 
ner Richtung angehöriger Arzt durch den 
Oberpräsidenten ernannt werden.“ I 

Der Verein preussischer selbstdispensirender 
homöopathischer Aerzte. 

I. A.: i 

Dr. Windelband, Dr. Kleinschmidt, 
Vorsitzender. Schriftführer, 

S.W., Fiicdrichstr. 221. 

Vorstehendes spricht für sich. Wenn es hier ! 
den Herren Collegen mitgetheilt wird, so geschieht j 
es aus dem einzigen Grunde, wieder darauf hin¬ 
zuweisen, wie nothwendig es ist, wenn auch nicht 
aus idealen Gründen, so doch aus den allerpersön¬ 
lichsten eng zusammenzuhalten, damit nicht die 
zerfallenen Atome des Ganzen einzeln bequem 
verspeist werden. 

Wir bringen Vorstehendes hier zum Abdruck, 
wogegen wir einen grossen Theil der Polemik, die 
wir hier geführt haben, bisher für uns behalten 
haben, um zu zeigen, wie bereitwillig hier in Berlin 
der Schutz für die Collegen besorgt wird, an die 
aber auch die dringende Bitte ergeht, durch Bei¬ 
tritt in den Central verein und Betheiligung an den 
gemeinsamen Bestrebungen uns unsern freudigen 
Arbeitsmuth hier zu erhalten, damit nicht diejenigen, 
die so freudig für das Ganze einstehen, die Lust 
verlieren, für Theilnahmslose zu arbeiten und die 
Einzelnen dann bitter das Fehlen des Dammes ver¬ 
missen, der sie bisher schützte. 

Die Collegen werden sich vielleicht über die | 
Wärme, die diese Zeilen auszeichnet, wundern. 

Allein, wenn Sie bedenken, dass vor 14 Tagen 
College Giscvius sen. im Berliner Verein zuerst j 


die Aufmerksamkeit auf die Ehrengerichtsangelegen¬ 
heit lenkte, dann 4 Tage später im Lauf eines 
Tages Herrn von Werdeck zu seiner Anfrage Ma¬ 
terial geschafft werden musste, wie dann in 2 Tagen 
vorliegende Petition geschrieben, durchberathen und 
redigirt werden musste und in 3 Tagen das um¬ 
fangreiche schwer zu beschaffende Material für die 
Commissionsberathung herbeigebracht, die einzelnen 
Abgeordneten bearbeitet werden mussten, der wird 
verstehen, welch eine Unsumme von Arbeit und 
Geld aufgeboten werden muss, wenn dazu die Vor¬ 
bereitungen für unsere Frühjahrkurse, die Prüfungen 
im Aerzte- und Laienverein, der Betrieb unserer 
Poliklinik, die persönlichen und redactionellen Ar¬ 
beiten für unsere fröhlich fortschreitende Materia 
medica kommen in einer Zeit, wo die Privatpraxis 
am meisten drängt, der wird verstehen, wenn die 
Bitte laut wird an die Collegen, die für unsere 
grosse Sache etwas zu arbeiten im Ganzen bisher 
sich ablehnend verhielten, „Thut mit!“ 

Der vorliegenden Angelegenheit aber, die nach 
guten Informationen für uns eine schwere Gefahr 
bedeutet, wünschen wir eine glückliche Fahrt. 

Dr. Gisevius jun. 

Wirkung von Aiumina auf die Stimmorgane. 

Aus einer Vorlesung von Prof. J. Kent (Journal 
of Homoeopathica. März 1898). 

Aiumina hat Heiserkeit und Verlust der Stimme, 
sowie Schwäche des Kehlkopfs. Das ist nichts 
Auffälliges, sondern entspricht dem allgemeinen 
Charakter dieses Mittels, der zusammengebrochenen 
Constitution. Die Stimme ist schwach, und wenn 
es einen Sänger betrifft, so ist dieser nur im Stande, 
eine kurze Zeit zu singen, kann mit seiner Stimme 
nur Geringes leisten. Es besteht ein paralytischer 
Zustand der Stimmbänder, welcher den Stimm - 
! mangel stetig vermehrt. Es ist ein Gefühl von 
j Scharren im Kehlkopf, wie es auch bei Sängern 
j vorkommt. Wir werden an Aiumina denken, wenn 
i bei diesen die Stimme abbricht in Folge von 
| Lähmung oder Ueberanstrengung. Die Stimme 
lässt nach und wird schwach, und tritt eine Er¬ 
kältung hinzu, so macht sich eine besondere Art 
von Scharren bemerkbar. 

Arg. met. war bei den früheren Homöopathen 
das Mittel, dessen sie sich bei Sängern und Red¬ 
nern mit vielem Zittern und Nachlassen der Stimme 
bedienten, ehe man den Werth von Aiumina in 
diesem Zustande kennen lernte. Hier ist Gelegen¬ 
heit ein Wort von Rhus zu sagen. Manche alte 
Sänger bekommen nach Erkältung eine Schwäche 
in der Stimme, die sie erst bemerken, wenn sie 
wieder zu singen anfangen. Dann ist ihre Stimme 

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schwach und rauh; nach einer Weile aber, wenn j 
sie „warm werden, u klärt sie sich wieder. Allen • 
Patienten dieser Art, Primadonnen, Advokaten, 
Predigern etc, gebe man Rhus. In einem warmen 
Zimmer und bei längerem Singen oder Sprechen ! 
(also bei Bewegung der Stimmmuskeln) ist die 
Stimme besser, was ja dem allgemeinen Charakter 
von Rhus entspricht. — Es giebt eine Art von ! 
Heiserkeit, die sich von der paralytischen Heiser¬ 
keit von Alumina und Arg. met. wenig zu unter¬ 
scheiden scheint, die auch bei Sängern und Red- i 
nern vorkommt; wenn sie die Stimme zu gebrau- 1 
eben anfangen, müssen sie erst durch Räuspern 
und Raspeln, wie es scheint, etwas Schleim los- | 
machen und die Kehle klären, bis die Stimme in 
Gang kommen kann. Die Stimmbänder sind an¬ 
fangs mit Schleim bedeckt, und sind sie davon 
befreit, so functioniren sie ganz gut. Hier ist 
Phosjdiorus angezeigt. In solchen Fällen wird die 
Stimme bei längerem Gebrauch schmerzhaft; die 
Stimmbänder schmerzen nach Bewegung, und die 
Stimmritze ist bei Berührung empfindlich. Mit¬ 
unter ist dies so stark ausgesprochen, dass Pat., 
wenn er die Stimme zu gebrauchen versucht, die 
Empfindung hat, als ob die Stelle wie mit einem 
Messer verwundet werde. So müssen wir bei 

Heiserkeit aufs schärfste individualisiren. Die Ho¬ 
möopathie erfordert eine feine Unterscheidung. 

M. 


Eine Phytolacca-Skizze. 

Von Prof. Thomas C. Dunham-Chicago. 

Phytolacca ist ein wunderliches Mittel: Haupt¬ 
sächlich zuerst in Halsentzündungen gebraucht, 
spielt es jetzt bei der Entfettung eine Rolle. Wie 
es bei letzterer wirkt, ist noch ein zu lösendes 
Problem. Um Fettablagerung zu verringern, ist 
angezcigt entweder Beschränkung der Nahrung 
wie beim Bantingsystem oder Vermehrung der Aus¬ 
scheidungen. Phytolacca wirkt 1., indem es den 
Appetit herabsetzt, und 2., indem es die Urinaus¬ 
scheidung vermehrt. — Wird es zur Nacht ge- ; 
gegeben, so muss Pat. I oder 2 Mal Nachts zum | 
Uriniren aufstehen. Das System des Sympathicus 
wird gereizt und dies mag in manchen Fällen zur 
Heilung beitragen. | 

Die Phytolacca wuchert gern auf fettem, d. h. j 
stickstoffreichem Boden. Sie ist eine Zwiebel- | 
wurzel, die viel aus dem Boden aufnimmt. Neu- i 
land, das viel Kali enthält, befördert sein Wachs- j 
thum ganz besonders. Die Wurzel soll viel Kali 
(Kali hydrojod. oder Kali carbon.?) enthalten. Die | 
Gemüthssymptome entsprechen denen Kalis. Phy* i 
tolacca ist ein langsamwirkender Arzneikörper, wie ! 


Kali bei Fettleibigen. Sie hat Schwindel bei Be¬ 
wegung. Die Muskeln sind empfindlich und schwach. 
Die Schlingmuskeln sind in ihrer Thätigkeit ge¬ 
hemmt, so dass das Gefühl von einem Pflock im 
Halse (sowie im Rectum) erscheint. Im Munde ist 
ein metallischer Geschmack, auf eine träge Leber 
hinweisend. Die Verdauung liegt darnieder, die 
Peristaltik stockt. Dagegen besteht ein heftiger 
Reiz zum Uriniren; besonders bei Nacht geht viel 
Urin ab. Dieser ist nicht blass, wässerig, nervös, 
sondern eher albuminös, hat ein kalkartiges Sedi¬ 
ment; oder der Urin ist roth und lässt einen dun- 
kelrothen Fleck im Geschirre. Mancher Pat. muss 
den Gebrauch des Mittels aufgeben wegen Muskel¬ 
schmerzen, besonders aber wegen beunruhigender 
Cardialgie, namentlich Fettsüchtige mit hyper¬ 
trophischem Herzen. Deshalb sei man bei seinem 
Gebrauche vorsichtig. 

Wie Mercur. afficirt Phytol. den Rücken und 
die Leber und wie Kali — die Drüsen, zumal die 
Brustdrüsen. Sie reducirt die hypertrophische, ver¬ 
härtete Drüse durch regressive Metamorphose, durch 
Resorption des Gewebes, nicht durch fettigen Zerfall wie 
Phosphor. Phyt. absorbirt das Fett und das fibröse 
Gewebe und dann scheint es die Muskelfaser an¬ 
zugreifen, und so erklärt sich die Myalgie aus 
Schwäche oder vielmehr aus Muskelverkümmerung. 
Dies erklärt auch die allgemeinen Muskelschmerzen 
und Stiche, den sogenannten Muskelrheumatismus, 
die man bei dem Phytolacca-Kranken findet; der 
Patient will gern stille liegen , hat Abneigung gegen 
Bewegung . Er ist träge, weil ihm die Bewegung 
wehe thut. Dies ist eine secundäre Wirkung. 

Für die üblen Wirkungen von Phytolacca sind 
als Antidote von den Nutritienta Milch und Salz, 
von Arzneimitteln Bell., Coffea (Erbrechen), Igna- 
tia , Mercur., Mezereum, Sulphur. (Augensymptome) 
und Opium (in starker Dosis) zu nennen. 

Zu vergleichende Mittel sind nach Hering: Cam- 
pher, Arsen., Arum, Iris, Guajac., Kali biclirom., 
Kali jod., Rhus und Ipec. 

(The homoeopathic Recorder. 15. Sept. 1898.) 


Die Chlorose in ihren Beziehungen 
zu den Verdauungsorganen. 

Referat nach Prof. K. v. Noorden.*) 

Verdauungsbeschwerden gehören zu den ge¬ 
wöhnlichsten und regelmässigsten Störungen im Ver¬ 
laufe der Chlorose; bildet doch die mangelhafte 
Nahrungszufuhr eines der ätiologischen Momente 
dieser Erkrankung, wobei es nicht auf die socialen 

*) Nothnagel’s Handbuch: „Die Bleichsucht.“ 


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Missstände allein ankomml, da auch in den best- 
situirten Kreisen Chlorose erscheint, weil eben eine 
unzweckmässige Auswahl der Speisen und Anord¬ 
nung der Mahlzeiten das krankhafte Agens bildet. 
Nach den Theorieen von Bouchard und Couturier 
ist die Chlorose häufig bedingt durch vorausgehende 
Magenerweiterung, die einerseits Störungen der Er¬ 
nährung, andererseits abnorme Zersetzungen, Gift- 
production und Giftresorption veranlasst. 

Nach Clark, Duos und Nothnagel ist die 
letzte Ursache der Chlorose die Stuhlverstopfung; 
hierdurch kommt es zu abnormer intestinaler Eiweiss- 
fäulniss, zu Resorption von Giften, die theils auf 
die Blutbildung hemmend, theils auf die Blutzer¬ 
störung fördernd einwirken. Forchheimer dedu- 
cirt seine Theorie folgendermassen: Das Hämoglobin 
wird in der Darmschleimhaut gebildet; Chlorose 
muss zu Stande kommen, wenn dieser Process ge¬ 
stört ist. Dass dies bei der Chlorose der Fall sei, 
beweist ein im Harn von F. aufgefundener, an¬ 
scheinend den Albumosen angehöriger Eiweisskörper, 
der aus der Darmwand stammen soll, und zwar 
von Eiweisssubstanzen, die zur Bildung des Hämo¬ 
globins nöthig sind. Aus irgend einem Grunde 
kommt es nicht zur Synthese dieses Körpers und 
des Hämatins und die Folge ist Chlorose. Noch 
eine wichtige Theorie gehört in dieses Capitel, die 
von Meinert. Die anatomische Vorbedingung der 
Chlorose ist die durch das Corset erzeugte Gast- 
roptose. Aus ihr ergiebt sich zunächst eine ge¬ 
steigerte Erregbarkeit der gezerrten Geflechte des 
Bauchsympaticus. Kommen gewisse Gelegenheits¬ 
ursachen hinzu, so löst das durch die Gastroptose 
und ihre Folgen vorbereitete Nervensystem die Anä¬ 
mie aus. Dass nervöse Einflüsse Anämie bedingen, 
wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Alles in 
Allem sagt Meinert: Die Chlorose ist eine Neu¬ 
rose; der Boden für letztere ist hier die Gastroptose. 
Ebenso, möglich noch schärfer, spricht sich Boudu 
aus. 

Die subjectiven Störungen in der Verdauungs¬ 
sphäre der Chlorotischen haben mannigfache Bilder. 
Bezüglich der Esslust tritt eine gewisse Launen¬ 
haftigkeit zu Tage. Viele Chlorotische werden ge¬ 
radezu appetitlos und magern w r egen allzu geringer 
Nahrungszufuhr ab. Es handelt sich weniger um 
wirkliche Appetitlosigkeit, als um Widerwillen gegen 
die gewohnte, gleichförmige eintönige Beköstigung. 
Die Kranken klagen ferner über allerlei lästige 
Empfindungen in der Verdauungsperiode, die Furcht 
vor reichlicherer Nahrungszufuhr erwecken. Dahin 
gehören ein unbestimmtes Wehgefühl und Druck 
in der Magengegend, Rippenschmerz, Auftreibung 
des Leibes nach dem Essen, Aufstossen und Sod¬ 
brennen. In anderen Fällen sind es mehr Klagen 
über leichte Kurzathmigkeit, Herzklopfen. Schwindel, 


die sich nach dem Essen steigern. Diese Symp¬ 
tome können natürlich auch vollkommen fehlen; im 
Gegentheil ist das Fettwerden Chlorotischen bekannt. 
Aber die Abneigung gegen bestimmte Nahrungs¬ 
mittel, namentlich Fleischnahrung, ferner Perversi¬ 
täten des Geschmacks werden selten vermisst, als 
z. B. Sucht nach starken Säuren, Essig, Citronen- 
saft, oder Alkalien, Kreide, Kalk, kohlensaures 
| Natron. Die Stuhlträgheit ist gleichfalls ein über- 
1 aus häufiges Symptom der Chlorose. 

Die einzelnen subjectiven Beschwerden betreffend 
sind die Schmerzen in der Magengegend die quä- 
| lendsten. Sie äussern sich als besondere Druck¬ 
empfindlichkeitunter dem Proc.xiph., die jedoch keine 
diagnostische Bedeutung haben, weil sie sonst auch bei 
nervösen Menschen Vorkommen. Die Druckempfind¬ 
lichkeit und Schmerzen in der ganzen Ausdehnung 
des Magens, nach dem Essen stärker als nüchtern, 
basirt auf Hyperästhesie der Magennerven, Schmer¬ 
zen nach den Mahlzeiten durch Hyperästhesie, Hyper- 
| chlorhydrie, event. durch Ulcus ventriculi hervor- 
I gerufen. Ruhiges Verhalten nach dem Essen, ins- 
I besondere Rückenlage pflegt die Schmerzen zu 
! verringern. 

Ueberaus häufig sind Krampfschmerzen, sog. 

! Cardialgieen, welche meist mit Erbrechen endigen. 

| Sie beruhen auf krampfhafter Contraction der glatten 
I Magenmusculatur, auf Pylorusverschluss und echtem 
| Magenkrampf und sind oft mit Ulcus oder Atonie 
vergesellschaftet. Lage- und Gestaltveränderungen 
j des Magens täuschen desgleichen Cardialgieen vor. 
! Oft sitzen die Schmerzen eigentlich im Quercolon. 
Die Ursachen der Cardialgieen lassen sich schwer 
bestimmen. 

Gar nicht selten ist eine Empfindlichkeit am 
linken Rippenbogenrande bei Chlorotischen, die sich 
auf starken Corsetdruck zurückführen lässt. Es 
pflegt ja sogar zu Periostitis zu kommen; bei Mäd¬ 
chen, die kein Corset tragen, fehlt der Schmerz. 

Erwiesenermassen handelt es sich bei vielen 
Chlorotischen um rein „nervöse Dyspepsie,“ die 
sich natürlich erst nach vollkommener Ausschliessung 
jedes anderen pathologischen Momentes diagnosti- 
ciren lässt. Der Säurehunger wurde von Rosen- 
bach als auf Salzsäuremangel basirend gedeutet 
was aber durch öftere, gründlichere Prüfung des 
Mageninhalts durch Noorden nicht bestätigt wer¬ 
den konnte, indem sich nicht nur normale, sondern 
sogar hohe Salzsäurewerthe fanden (0.28—0.37°/,,). 

| Wie bereits erwähnt, ist das Tragen des Corsets 
einer der Hauptfactoren zum Zustandekommen der 
Chlorose, nach Rosenbach dadurch, dass damit 
! ein Athmungshinderniss entsteht, das ungenügende 
Sauerstoffzufuhr, Hämoglobinzerfall und Anämie ver¬ 
anlasst; ferner indem durch Zusammendrücken des 
Magens die Aufnahme ausreichender Nahrung be- 

lo* 


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hindert ist. Viel plausibler aber erscheinen die Be¬ 
merkungen Meinert's, der dem Corset das Zustande¬ 
kommen der Enteroptose (Glönard), resp. der Magen¬ 
verschiebung zuschreibt, wodurch Zerrung und Rei¬ 
zung des sympathischen Geflechts, besondeis des 
Plexus solaris und Einfluss auf die Blutvertheilung 
und Hämoglobinbildung in der Milz entsteht. Die 
Ansichten Mcinert’s fanden jedoch Mangels stetigen 
Einklangs zwischen Enteroptose und Chlorose nicht 
allgemeine Anerkennung. 

Nicht minder übertrieben sind die Ansichten, 
namentlich französischer Autoren (Bouchard, Con- 
turier, Hayem), ferner Neusser’s und Pick’s 
über die Magenatonie und Dilatation bei Chlorose, 
weil vieles als Atonie oder Dilatation bezeichnet 
wurde, was noch lange nicht diese Namen verdient. 
Ausschlaggebend ist nur, ob der Magen den Speise¬ 
brei innerhalb derjenigen Zeit entleert, welche als 
normal zu betrachten ist. 

Bei Chlorose tritt nach Noorden im Gegen- 
theile die motorische Insufflcienz des Magens höchst 
selten auf. 

Von grosser Bedeutung ist die Thatsache, dass 
die mit Manassein’s Thierversuchen allgemein an¬ 
genommene Ansicht von Darniederliegen der Salz¬ 
säure-Production im Magen bei Chlorose nicht richtig 
sei, so dass die kritiklose Ordination von Salzsäure 
ihren Werth verliert. Auch die Superacidität, die 
sehr häufig ist, gehört nicht zu den immer wieder¬ 
kehrenden Attributen der Chlorose. Man ist bis¬ 
her über diesen Punkt noch im Unklaren. 

Die Stuhlträgheit als Krankheitsursache der 
Bleichsucht hinzustellen, geht gleichfalls nicht an, 
weil sich habituelle Obstipationen überaus häufig 
antreffen lassen, ohne eine Spur von Chlorose. Die 
Grundidee einer intestinalen Autointoxication fand 
sich in zahlreichen chemischen Untersuchungen nicht 
bestätigt. 

Die Untersuchungen über die Nahrungsresorption 
haben bisher noch zu keinem abschliessenden Ur- i 
theil geführt. ! 

Was endlich die Milz betrifft, galt sie früher 1 
bei Chlorose als intact, während neuere Arbeiten i 
von der Vergrösserung des Organs berichten, an¬ 
geblich wegen der lebhaften Regenerationsvorgänge j 
im Blute Chlorotischer (Ch vostek). Es bleibt dahin- j 
gestellt, ob nicht in manchen Fällen der Milzpol j 
wegen Herabgesunkenseins des Organs zu tasten 
ist, denn echter Milztumor kommt nur selten vor 
(bei schwerer chlorotischer Anämie). 

Die Therapie der Verdauungsstörung bei Chlorose 
ist eine diätetisch-hygienische. Es handelt sich 
darum, regelmässige und häufige Mahlzeiten anzu¬ 
ordnen, etwa: 

um 8 Uhr erstes Frühstück, 

„ 10 7* „ zweites Frühstück, 


um 1 Uhr Mittagessen, 

„ 4 i / 2 „ Vesperimbiss, 

r 7 1 /.»—8 Uhr Abendessen. 

Grosses Gewicht wurde auf hohen Eiweissgehalt 
der Gesammtnahruug gelegt, gleichzeitig, ob man 
es mit mageren, gutgenährten oder fettleibigen 
Chlorotischen zu thun hat. Es sind durchschnitt¬ 
lich 100 Gramm Eiweiss pro Tag als Minimum zu 
verlangen, bei fettleibigen Chlorotischen ist eine 
höhere Summe, etwa 120—140 Gramm als Tages¬ 
quantum einzustellen. Gelingt es nicht mit den ge¬ 
wöhnlichen Speisen auf die gewünschte Höhe zu 
kommen, so werden die eiweissreichen Nährpräparate 
zur Aushilfe genommen: Somatose, Nutrose, Pro¬ 
togen, Eucasin. Man soll schon in der Frühe mit 
eiweissreicher Kost beginnen, ausgiebig Fleisch in 
irgend einer Form (circa 50 bis 100 Gramm), etwas 
geröstetes Brod oder Zwieback, Butter, Thee oder 
Kaffee mit Milch und Zucker. Das Uebermass an 
Milch ist nicht zu gestatten, weil dieselbe den 
Magen unnützerweise überlastet; es genügt J / 9 bis 
s / 4 Liter. Nicht minder ist dem reichlichen Alkohol¬ 
genuss (Rothwcin) bei Chlorose entgegenzuarbeiten. 
Als Stimulans ist er meist entbehrlich, aber bei 
mageren Personen mag er als Sparmittel empfohlen 
werden. Ungerechterweise werden die frischen Vege- 
tabilien aus dem Küchenzettel der Chlorotischen ge¬ 
strichen, weil sie, entsprechend zubereitet, treffliche 
Dienste leisten, vorausgesetzt, dass keine Magen¬ 
läsion vorliegt. Man reiche grünes Gemüse mit Butter, 
Obst, ob roh oder gekocht, aber lieber letzteres. 

Die Diäteintheilung der Chlorotischen sei fol¬ 
gende: 

1. Frühstück. Fleischreiche Mahlzeit. Danach 
7a bis 1 Stunde Ruhe. 

2. Zweites Frühstück . 1 bis 2 Eier, Toast, Zwie¬ 
back mit Butter. 8 4 Liter Milch oder Milch mit 
Rahm, daneben event. etwas Cognac, Kirschwasser, 
ein kleines Glas Sherry, Madeira etc. 

3. Mittagessen . Zuvor 1 / 2 Stunde Ruhe. Reich¬ 
licher Fleischgenuss, frisches Gemüse. Die Suppe 
kann gestrichen werden. Getränke am Ende der 
Mahlzeit, Wasser oder Wasser mit Wein. Darauf 
8 4 bis 1 Stunde Ruhe. 

4. Vesperimbiss. Gekochtes oder rohes Obst mit 
Weissbrod. Zwieback, Theegebäck, oder: eine kleine 
Tasse Thee, Cacao mit Toast, Zwieback, Butter; 
auch Honig und Fruchtgelee sind zu gestatten; 
*/ 4 Liter Milch. 

5. Abendessen soll einfach und reizlos sein. 
Dicke Suppe oder ein Brei mit Fleischbrühe und 
Butter, oder Milch und Butter; leichte Mehlspeisen, 
gekochtes Obst, weiche Käse, kaltes Fleisch u. a. 
Oder Eier, Fische. Noch später event. auch 1 / 8 Liter 
Milch, Kefir; 1 / 2 Flasche Bier. 


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Um 10 Uhr sollen Chlorotische zu Bett gehen. J 
Bei abnormer Magerkeit bedarf es einer systemati¬ 
schen Fütterung. Die Nahrung muss so gewählt | 
werden, dass der Magen nicht stark belastet wird; 
sie muss also kleines Volumen mit hohem Nähr¬ 
werth vereinen. Rahm, Butter, Sesamöl, Leber- 
thran. 100 bis 110 Gramm Eisweiss, Kohlehydrate 
und Gemüse, die Zahl der Mahlzeiten ist zu ver¬ 
mehren, der Alkohol ist hier sehr wichtig. 

Bei Neigung zur Fettsucht und Wasserretention 
sorge man dafür, den Körper zu entwässern, wasser¬ 
beschränkende Diät und Schwitzkuren, Oertel’sche 
Kur. Bei gastrischen Beschwerden muss nach den 
üblichen schonenden Indicationen vorgegangen wer¬ 
den, desgleichen sehe man auf ausgiebige, tägliche 
Stuhlentleerung mit Nachhilfe von leichten Abführ¬ 
mitteln. 


Diabetes mellitus. 

In der Decembersitzung der Societe fran<*aise 
d’Homoeopathie fand ein Vortrag von Dr. Marc 
Jousset statt, betreffend eine Reihe klinischer 
Beobachtungen von Diabetes mellitus nebst deren 
Behandlung, sowie eine sich hieran schliessende 
Discussion, die unser Interesse in Anspruch nehmen. 

1. Ein 54jähr. Mann hatte sich bei einer Lebens- 
Versicherungsgesellschaft gemeldet. Bei der Unter¬ 
suchung seines Harns entdeckte man Zucker in 
demselben; die Menge des Urins übersteigt die 
normale nur wenig, weder Hunger noch Durst ist 
im Uehermass vorhanden; die Abmagerung ist ge¬ 
ring; Impotenz besteht nicht, aber doch Herab¬ 
setzung des Geschlechtstriebes. 

Am 6. Februar 1897. Im Urin 53,23 Gr. per 
Liter, kein Eiweiss. Er bekommt Extractum hepa- 
tis et pancreatis 20 Tropfen täglich, den einen 
Tag das eine, den andern das andere. 

18. März. Besser. 3 Gr. Zucker im Liter. 
Contin. 

22. Juni. Keine Spur mehr vom Zucker. 
Dieselben Mittel. 

26. October 1898. Er hat sich seitdem immer 
gut befunden; spec. Gew. des Urins 1,022; unter 
Zusatz von Kali caust. leicht gefärbt. Etwa 2 Gr. 
Zucker im Liter Urin. — Das obige Verfahren 
wird wieder auf 20 Tage angeordnet. 

2. Fall. 

Diabetes mellitus. 

Ein 55jähr. Wein-Grosshändler stellte sich am 
16. März 1895 vor: Schwäche, Durst, völlige Im¬ 
potenz, Abnahme von 30 Liter in einigen Monaten; 
zornig und heftig; im Liter Urin 45 Gr. Zucker, 
Menge des -Urins 3 Liter in 24 Stunden. 

Verordn.: 2 Pancreas-Pastillen Morgens und 


Abends; ausserdem Uranum nitricum 2 trit. und 
Azygium jambolinum 1. trit., den einen Tag das eine, 
den andern Tag das andere. Entsprechende Diät. 

12. März 2 Liter; 12 Gr. Zucker Contin. 

15. Juni. Kein Zucker mehr. 

16. November. Er hat 10 Pfund zugenommen, 
befindet sich sehr wohl; Impotenz vergangen. 

Im Juni 1897. Leichter Rückfall: 11 Gr. 
Zucker in 24 Stunden. — Extract. pancreatis et 
hepatis, 20 Tropfen pro Tag, im andertägigen 
Wechsel. 

6. August. Zucker hat zugenommen: 16 Gr. — 
Pat. hat viel Schwierigkeiten in seinen Geschäften 
gehabt. Zu obigen Mitteln noch Uranum nitricum 
2 trit. 

Seit dem 21. November 1897 kein Zucker 
mehr. 

3. Fall. 

Syphilis; Fussgeschwür; Diabetes mellitus. 

Eine 48jähr. Frau hat Syphilis gehabt, deren 
erstes Erscheinen unbemerkt geblieben; secundäre 
Zufalle gegen das Alter von 20 Jahren: Roseola, 
Cepbalalgia, Haarausfall; sodann tertiäre Erscheinun¬ 
gen: geschwiirig gewordene Gummata im Gesicht 
und an der Stirn, welche an der Oberfläche der 
Knochen einen Ausschnitt von 2 cm im Durch¬ 
messer und unvergängliche, weisse, wabenartige 
Narben hinterlassen haben. 

Seit 20 Jahren ein Ulcus pedis sinistri, etwas 
über den Malleolen, welches den Theil wie eine 
Spange umgiebt, in einer Höhe zwischen 6 bis 
15 cm. Dieses Geschwür hat nie Neigung zur 
Heilung gezeigt. Clematis, hydrast. canad. (inner¬ 
lich und äusserlich) erfolglos. 

Als Verf. am 10. October den Urin untersuchte, 
konnte er 60 Gr. Zucker auf 1 Liter constatiren; 
es war aber weder Polydipsie noch Polyphagie, 
höchstens etwas Polyurie zugegen. Extr. hepatus 
et extr. pancreatis wie oben gebraucht. Trans¬ 
plantationen von Epidermis. 

25. October. Der Zucker ist bis auf 38 Gr. 
pro Tag gesunken; aber trotz der fortgesetzten selben 
Behandlung steigt er wieder auf 48 Gr. per Liter. 
Am 15. November Uranum nitricum 1. trit. 

Als Verf. aus dem Dienst des Hospitals schied, 
am 30. September, betrug der Satz des Zuckers 
50 Gr. per Liter. Er würde die Behandlung mit 
Extr. pancreatis et hepatis fortgesetzt haben. 

Das Fussgeschwür ist heute, unter dem Ein¬ 
fluss der Hauttransplantationen und vielleicht in 
Folge der diabetischen Behandlung vollständig ge¬ 
heilt. 

In der Discussion sagt Dr. P. Jousset senior, 
dass er das Pancreas sehr oft in Behandlung der 
Diabetes gebraucht habe. Das Extractum pan¬ 
creatis hatte man in Form subcutaner Injectionen 


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bei diesem Leiden, aber ohne besonderen Erfolg 
angewandt; so entschloss er sich denn, wie auch 
sein Sohn, dasselbe per os einzuführen. Die erste 
Kranke, bei der dies geschah, war die Köchin des 
Collegen Chargö, die im Hospital Saint Jacques 
aufgenommen war, und der das Mittel gut that. 

Er führt dann noch folgende Fälle an: 

Eine Dame von etwa 55 Jahren, die über das 
Climacterium hinaus war und viel an Gicht litt, 
wurde von einer beträchtlichen Glycosurie ergriffen 
(60 Gr. Zucker). Unter der Einwirkung von Extr. 
pancr. besserte sich ihr Zustand in einigen Wochen. 
Es kam ein leichter Rückfall, aber seit 3 Jahren 
kein Zucker mehr. 

Ein junger Mannj, der bis dahin 40—60 Gr. 
Zucker gehabt, ohne aber dabei abzumagern, er¬ 
fuhr eine schnelle Besserung. — Während 12—18 
Monaten hörte die Zuckerausscheidung ganz auf; 
dann aber gab es einen Rückfall, gegen den das 
Pancreas wirkungslos blieb. Aber auch andere 
homöopathische Mittel brachten keinen Erfolg. In¬ 
dessen magerte der Kranke nicht ab, verlor auch 
seine Kräfte nicht. Da er noch sehr jung ist, und 
keine erbliche Belastung vorliegt, so ist hier Phthisis 
zu fürchten. 

Eine ea. 60jähr. Dame, gichtisch, fettleibig, 
welche bis gegen 60—70 Gr. Zucker ausgeschieden 
hatte, wurde von Dr. P. Jousset unter Hilfe von 
3 Mitteln behandelt; diese waren Uranum nitricum, 
Arsen und Acid. phosphoricum, von denen jedes 
je 1 Tag in der 6. Dil. gegeben wurde. Besse¬ 
rung trat schnell ein, aber es kam zu zahlreichen 
Rückfällen, welche von Zeiten, wo der Zucker 
völlig verschwand, unterbrochen warbn. 

Bei einem Recidiv versuchte Verf. das Pancreas, 
das die Kranke aber nur sehr langsam besserte. 

Eine andere, ebenfalls fettleibige Frau von ca. 
50 Jahren, die bis zu 150 Gr. Zucker ausgeschie- 
den, wurde vom Pancreasextract ganz und gar 
nicht gebessert. Unter Einwirkung der oben an¬ 
gegebenen 3 Mittel sank der Zuckergehalt von 
150 auf 14 Gr., ohne dass er wieder anstieg. — 
Im Allgemeinen wurden alte Diabetiker, d. h. solche, 
deren Urin seit langer Zeit Zucker enthält, von 
Pancreas wenig gebessert; auf diese wirken andere 
Mittel aber auch nicht mehr. — Das Extr. hepatis 
allein oder ein Wechsel mit Extr. pancreatis hat 
ihm keine befriedigenden Erfolge geliefert. 

Zum Schluss bemerkt Verf., dass es Fälle von 
echtem Diabetes mit Wiederholungen giebt, wo 
Krisen und Besserungen lange Zeit miteinander 
wechseln. Diese Formen können bisweilen Heilun¬ 
gen Vortäuschen, wenn der Arzt nicht Gelegenheit 
habe, seine Patienten nach ihrer Genesung längere 
Zeit zu beobachten. 


Ref. vermisst bei diesen so interessanten Be¬ 
obachtungen die Angabe über die verordnete anti¬ 
diabetische Diät. Schon bei dieser, je nachdem 
sie streng beobachtet oder wieder suspendirt wird, 
hat er ein Fallen bis zum völligen Verschwinden 
mit Wiederkehr des Zuckers wechseln sehen. M. 


Bitte an die Collegen! 

Für einen älteren Collegen, Vater schulpflich¬ 
tiger Kinder, der ohne eignes Verschulden in höchste 
Noth gerathen, aber bestimmte Aussicht hat, bald 
wieder in die Höhe zu kommen, wird eine Geld¬ 
unterstützung, die als Darlehen betrachtet wird, 
auf diesem Wege erbeten. Schleunigste Hülfe ist 
dringend nöthig, da seine Existenz davon abhängt, 
und ist jeder Betrag willkommen. — Gefl. Gaben 
nimmt entgegen und ist zu näherer Auskunft bereit 

Metz, den 2. Januar 1899. 

Dr. Meinel, 

Geh. San.-Rath, Kreisarzt der Stadt Metz 
und 

Medicinalreferent des Bezirks-Präsidiums. 

Wir richten an die geehrten Herren Collegen 
die Bitte, diesem im äussersten Westen des deut¬ 
schen Reiches in Noth gerathenen homöopathischen 
Berufsgenossen freundlich zu Hülfe zu kommen. 
Herr Apotheker Steinmetz, Leipzig (Verlag die¬ 
ses Blattes) ist bereit, die eingehenden Beiträge zu 
sammeln und an die richtige Adresse zu befördern. 

Die Redaction. 

Herzliche Bitte für eine Arzt-Wittwe. 

No. 13/14 und 15/16, 137. Bd. 

3. Quittung über eingegangene Beiträge. 

Mark 

Von Herrn Dr. med. Groos, Erfurt . . 5.05 

„ „ Dr. med. Hammerschmidt, Elber¬ 
feld .15.-- 

„ „ Professor Dr. Gustav Jäger, 

Stuttgart.5. 

„ „ Dr. med. Endriss, Göppingen . 5.— 

Mk. 30.05 

Betrag der 1. Quittung. 97.10 

n „2. „ . „ 25.60 

Mk. 152.75 

Besten Dank für diese Gaben. Zur Annahme 
weiterer Schenkungen bleibt gern bereit 

Leipzig, den 18. Februar 1899. 

William Steinmetz. 


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79 


Hahnemann’s Grab in Paris. 

Erneuter Aufruf! 

Auf die verschiedenen bisherigen Aufrufe zu 
Beiträgen für ein würdiges Grabdenkmal in Paris 
bin ich in der angenehmen Lage gewesen, be¬ 
reits Emk. 807.45 an Herrn Dr. med. Cartier in 
Paris einzusenden. — Derselbe dankt im Namen 
des Comitös und in seinem eigenen herzlichst für 
diese Gaben, knüpft jedoch an diesen Dank die 
Bitte um weitere Gaben, da erst ca. 12 000 Frcs. 
zusammengekommen sind, aber ca. 18000 Frcs. 
nöthig sein werden. — Man hofft um so mehr auf 
u % eitere Gaben aus Deutschland, als dieses Hahne¬ 
mann’s Vaterland ist. — Man wird am Grabdenk¬ 
male ausser dem Sterbeort (Paris) auch den Geburts¬ 
ort (Meissen) anbringen, und bitte ich alle Diejenigen, 
die noch kein Scherflein zu dieser Ehrenschuld bei¬ 
getragen haben, um ein solches. 


Jeder Vertreter und Anhänger der Homöopathie 
steht dauernd in der Schuld unsers Altmeisters 
Hahnemann. 

Ueber alle Beiträge wird auch ferner öffentlich 
in diesem Blatte quittirt werden. 

Leipzig, im Februar 1899. 

William Steinmetz. 

(A. Marggrafs homöopath. Officin.) 


Personalia. 

Am 7. Februar a. c. starb die Gattin des homöo¬ 
pathischen Arztes Dr. med. Teichmann in Som- 
merschenburg. Dieselbe war eine Tochter des in 
Magdeburg verstorbenen homöopathischen Arztes 
Sanitätsraths Dr. Rummel, eines Zeitgenossen Hahne¬ 
mann’s. 


Anzeigen. 


IMspenwirberechtigter homtfopathi- 
Mi*her Arzt übernimmt jederzeit Vertretungen. 

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Dr. med. prakt. hom. Arzt, Special, f. Kinderkrankh. 
einschl. Chirurgie, nicht dispensirb. aber m. prakt. phar- 
maceutischer Bildung, Redner und Schriftsteller, wünscht 
Praxis mit Fixum zu übern, oder m. vielbeschäft. Collegen 
zusammenzuarbeiten. Off. erb. sub „Praxis“ an die Ex- 
ped. der Allg. homöopath. Zeitung in Leipzig. 

Ein homtfopathigcher Arzt, Dr. med., 
mit Schweizerischem Staatsexamen, sucht 
in der Schweiz oder ev. in überseeischen Ländern eine 
nachweisbar rentable homöopathische Praxis zu über¬ 
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Soeben erschien in unserm Verlage: 

Der Volksarzt 

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Dr. med. Boffenmeyer. 
Anleitung zur Selbstbehandlung nach den 
Grundsätzen der Homöopathie 
mit Berücksichtigung der Naturheilkunde. 

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Nachstehend verzeichnete Apotheken empfehlen wir 

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unserer homöopathischen Arzneien, Hausapotheken etc. — 
Dieselben haben sich verpflichtet, alle Arzneien etc. von 
uns nur in Originalpackungen mit einer unsrer Firmen zu 
beziehen und weiter zu verkaufen, sodass volle Garantie 
für Echtheit und beste Qualität den verehrten Käufern 
geboten ist. 

Karl Otte’s Fischmarkt-Apotheke, Hamburg, 

Fischmarkt. 

Dr. G. Wiedermann, Löwen-Apotheke, Frei¬ 
burg i- Baden. 

Joh. Manecke, Hof-Apotheke, Magdeburg. 
Dr. C. Hofs Apotheke, Pforzheim (Baden), 

gegenüber dem Rathhanse. 

Dr. Fr. Oelze, Krummacher’sche Apotheke, 
Bielefeld, am alten Markt. 

Alfred Fitzau, Rothe Apotheke, Bernburg 

(Anhalt), Kaiserstrasse 3 a. 

H. Steinhorst, Mohren-Apotheke, Prenzlau. 
Wed. Bulterman & Cohen, Apotheker, Rotter¬ 
dam, Hoogstraat. 

J. W. Florjjn, Centraal-Apotheek, Haarlem, 

Groote Houtstraat 78. 

Weitere Depöts folgen in allen grossen Städten. 

Die vereinigten 

Leipziger homöopathischen Apotheken: 
Täschner & Co., Homöopathische Central-Apotheke, 
A. Marggrafs homöopathische Officin und Carl 
Gruner’s homöopathische Officin (früher in Dresden). 



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80 


Im Verlage der Homöopathischen Central-Apotheke von 
Täschner & Co., Leipzig, und A. Marggrafs homöopathi¬ 
scher Officin, Leipzig, sind folgende empfehlenswerte 
homöopathische Bücher und Schriften erschienen: 
Gross-Hering, Vergleichende Arzneiwirkungslehre. l.Aufl. 
1893. geh. M. 20,-. 

Bruckner, Homöopath. Behandlung der Augen- und Ohren¬ 
krankheiten. 1 . Aufl. 1894. brosch. 2.50, geb. 3.—. 
Kleiner homöopath. Hausfreund. 6. Aufl. 1894. brosch. 
1.—, geb. 1.50 

Homöopath. Volksschriften, Nr. 1—28, in diversen (1.—8.) 
Auflagen, a 10 Pfg. 

Hendrichs, Zahnschmerzen. Deutsch. 2. Aufl. 1888. —.30. 
Holland., 1. Aufl., — .50. 

Allgemeine homöopath. Zeitung. 135. Band. [2. Halbjahr 
1897.) Halbjährlich 10.50. 

Müller, Charakteristik. Deutsch, 3. Aufl. 1890, geb. 1.50. 

Spanisch. 2. Aufl. 1891, brosch. 2.—, geb. 2.50. 
Homöopath. Allerlei. 1890. brosch. 1.— , in Partien billiger. 

La Curacion y Profilaxia per el Tratamiento Homeopätico 
de Las Prinzipales enfermedades Infecciosas. 2. Aufl. 
1893. brosch. 1.20. 

Diverse kleine Anweisungen zur Heilung einzelner Krank¬ 
heiten. ä 20 Pf. 

Hirschei, Der homöopathische Arzneischatz in seiner An¬ 
wendung am Krankenbette. Für Familie und Haus 
neu bearbeitet von Dr. med. Ooullon in Weimar. 
16. Auflage, geb. 4 M. 

Hübner, Homöopath. Thierarzt. 9. Aufl. 1892. eart. 3.—. 
geb. 3.75. 

— Krankheiten der Pferde. 9. Aufl. 1894. brosch. 1.20. 
geb. 1.60. 

Günther, Kleiner homöopath. Thierarzt. 2. Aufl. 18SS. 
geb. 1.50. 

Hausmann, Kleine Schriften. Gesammelt und herausge¬ 
geben von Dr. C. Bojanus, sen. 1895. cart. 1.50. 
Homöopath. Hilfstabellen. Belehrung über die Bereitung 
der Potenzen aus den Urtincturen, Stärke des zu ver¬ 
wendenden Alcohols etc. mit einer Anlage über Lutze’s 
Chiffre-Schrift. 1.—. 

Homöopathische Arzneitaxe, bearbeitet in Uebereinstim- 
mung mit allen in Deutschland bisher erschienenen 
officiellen und im Gebrauch befindlichen homöopathischen 
Arzneitaxen. —.30. 

Bönninghausen^ Therapeutisches Taschenbuch für homöopath. 
Aerzte, neu herausgegeben von Dr. med. Fries, brosch. 
10.—, geb. 11.—. 

Die Grundzöge der modernen wissenschaftlichen Homöopathie, 

von Dr. Hans Wapler. brosch. —.50. 

Die Unhaltbarkeit der Hochpotenzen, von Dr. Kallenbach, 
Rotterdam. brosch. -—.80. 

Kunkel, Dr. med., Die homöopathische Behandlung der 
Heiserkeit, brosch. —.50. 


Carl Gruner’8 homöopathische Offtein (A. Kittel), 
Berlin 

hat folgende Depöts errichtet, in denen ihre anerkannt 
vorzüglichen Arzneien in bester und frischester Qualität 
stets, und nur in Originalpackung und zu Original- 
preisen zu haben sind: 

für Berlin O. und S.O. s 
Emmaus-Apotheke, Apotheker E. Seyd, Reichenberger¬ 
strasse No. 150. 
für Berlin X.W.: 

Roland-Apotheke, Apotheker Bermann, Thurmstrasse 

No. 16. 


für Bostock (und beide Mecklemburg): 
Universitäts-Apotheke, Blücherplatz. 



Das homöopathische Krankenhaus zu Leipzig 

(Sldonlenstrasse No. 44) 

eröffnet im Sommer 1888 und Eigenthum des homöopa¬ 
thischen Central Vereins Deutschlands, nach Muster der 
besten und ersten Krankenhäuser und nach den neuesten 
Erfahrungen eingerichtet, wird den Anhängern und Freun¬ 
den der Homöopathie sowohl zur Benutzung in schweren 
Krankheitsfällen als auch zur wohlwollenden Unterstütz¬ 
ung aufs Wärmste empfohlen, damit auch Unbemittelten 
der Segen der homöopathischen Heilmethode zu Theil 
weiden kann. Beitlüge jeder Art, auch die kleinsten, 
nimmt der Kassenverwalter, Apotheker W. Steinmetz, in 
Firma A. Marggrafs homöopathische Officin in Leipzig, 
jederzeit dankbarst entgegen. 

Die neuen Statuten und Aufnahmebedingungen des 
mit einem Krankenpensionate I. und II. Klasse verbunde¬ 
nen homöopathischen Krankenhauses hierselbst können 
sowohl von der Direction desselben, wie auch von uns 
bezogen werden. 


Bönninghausen’s 

Therapeutisches Taschenbuch 

in neuer deutscher Auflage. 

Brosch. 10.— Mk., geb. 11.— Mk. 

Aufträgen sieht die Unterzeichnete Verlagshandlung gern entgegen. 

A. Marggrafs homöopath. Officin, Leipzig. 

Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöop.ith. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julias Müser iu Leipzig. 


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Band 188 


Leipzig, den 16. März 1890. 


No. 11 u. 12 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCH! ZEITH«. 

Heraasgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle and Verlag ron William Steinmetz (A-Marggrafts homöopath. Offlein) in Leipzig 

Thomaskirchhof 12. 


Erscheint 14tägig ku 2Bogen. 13Doppelnummern bilden einen Band. Preis WM. OOPf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs -Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlein in Leipsig) zu richten 
sind, werden mit 20 P/. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 0—8 M. berechnet. 

Inhalt. Micropathie. Von Dr. Mossa. — Antipyrin. Von Dr. S. J. van Royen-Utrecht. — Homöopathische Rund¬ 
schau. Auszug aus dem Journal Beige d’homoeopathie und der Revue homoepathique francaise. Von Dr. med. Rob. 
Stäfsr. 1. Vom ftussern Gebrauch homäopathisoner Medicamente. Von J. Göret, Apotheker. — Seborrhoea. Von 
Dr. W. S. White, Pro r essor und Docenten für Hant- und Geschlechtskrankheiten an dem homöopathischen Golleg zu 
Chicago. — lieber die Erkrankungen des Naseneingangs und seiner Umgebung. (Erythem, acne rosacea.) Von 
Dr. Felix Peltesohn-Berlin, Specialarzt für Ohren-, Hals- und Nasenleiden. — Vom BQchertische. Von Dr. Mossa. — 
Selenium in der Impotenz. Von M. — Bitte an die Collagen! — Lesefrüchte — Anzeigen. 

90 Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Micropathie. 

Es ist merkwürdig, auf welchen Wegen die 
Aerzte der alten Schule sich nolens volens der Ho¬ 
möopathie nähern. So hat ein Dr. Iro Maclean 
vor einiger Zeit eine neue Posologie, ja er meint, 
selbst ein neues Heilsystem aufgestellt, das er 
Micropathie nennt, von der Theorie ausgehend, dass 
ein jegliches Mittel, das für ein bestimmtes Organ 
in starker Dosis als Irritans, auf dasselbe Organ in 
minimaler Dosis als Tonicum wirkt. 

Hören wir, wie er zu dieser grossen Ent¬ 
deckung gekommen ist! 

Vor mehreren Jahren hatte er einen Fall von 
Erbrechen zu behandeln, in welchem alle sonst 
üblichen Mittel fehlschlugen. Indem er nun 1 / 16 Gran 
von Tartarus emeticus alle fünfzehn Minuten gab, 
fand er, dass es als Irritans auf das afficirte Organ 
(den Magen, lief.) wirkte (d. h. doch, es ver¬ 
mehrte das Erbrechen. Ref.); da reducirte er die 
Dose auf */, 00 Gran, und siehe da! er fand, dass 
das Leiden beschwichtigt wurde, bis es vollständig 
auf hörte. Von der Zeit an war seine Praxis, wie 
es in dem im ,,English Mechanic“ gegebenen Be¬ 
richt heisst, eine Reihe von Experimenten, um die 
Wahrheit dieser Theorie, die wir oben schon an- 
.gedeutet, zu erhärten, namentlich um die Grösse 
der Dosis festzustellen, wo ein Mittel von der irri- 


tirenden zu der tonisirenden Wirkung gelangt. Ist 
die allöopathische Dosis, sagt er, 10 Gran, so liegt 
die micropathische zwischen 1 / l0 und 1 / 12 Gran, 
wenn aber diese letzte Dosis noch irritirend wirkt, 
so ist das ein Zeichen, dass diese Gabengrösse 
noch jenseits der tonisirenden Wirkung liegt und. 
deshalb noch mehr reducirt werden müsse. Da der 
Patient immer auf diesen Punkt hingewiesen wird, 
so kann er die Quantität des Mittels je nach den 
Symptomen reguliren. (Eine wunderliche Praxis! 

I Ref.) 

| Indem Dr. Maclean dieses Princip in seine 
I Praxis einführte, konnte er sich davon überzeugen, 

I dass Fälle von Dyspepsie, Herzleiden, Frauenkrank¬ 
heiten, Nerven-, Nieren-, Blasenleiden, Hämorrhoiden, 

| ja fast sämmtliche chronische Krankheiten, von denen 
| so manche für unheilbar gelten, der tonisirenden 
Wirkung der Mittel zugänglich sind. 

| Verfasser tritt für die Micropathie aus folgen- 
I den Gründen ein: 

| 1. Sie sei exacter als die bisherige Therapie; 

I hat man eine genaue Beschreibung von den Symp¬ 
tomen einer Krankheit, so werde man in der Mchr- 
j|>zahl der Fälle darauf hin mit dem entsprechenden 
Mittel Heilung erreichen. 

2. Sie ist weit sicherer, denn sobald ein Mittel 
I irritirend wirkt, so ist das ein Zeichen, dass die 
! angewandte Dosis über die tonische Wirkung hin- 

11 


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äusgeht, weshalb sie herabgesetzt werden muss, 
und da der Kranke auf diesen Effect vorher hin¬ 
gewiesen wird, so ist eine Ueberdosirung fast un¬ 
möglich. 

3. Sie wird Hunderte von Mitteln wieder in Ge¬ 
brauch bringen, die man als unwirksam und nutz¬ 
los bei Seite geworfen hat, weil sie keine heftige 
Wirkung, die man für die Thätigkeit eines Mittels 
als nothwendig erachtete, hervorzubringen im Stande 
sind. 

4. Sie wird die Wirkung der Heilquellen, welche 
für die Aerzte so lange etwas Befremdliches war, 
erklären, da die in diesen Wässern enthaltene 
Quantität der Salze fast genau mit der micropathi- 
schen Formel derselben Heilkörper übereinstimmt. 

5. Wir können durch unsere Praxis beweisen, 
dass jene chronischen Krankheiten heilbar sind, 
denn wir haben sie auf dem Wege der Micropathie 
geheilt. 

Wie bei dem in der letzten Nummer der Zei¬ 
tung mitgetheilten Fall von Heilung einer Häma¬ 
turie durch Cantbaris, so geht auch der Begründer 
dieser sogen. Micropathie von dem allgemeinen Satze 
aus, dass ein Mittel, welches auf ein Organ in 
starker, voller Dosis irritirend , in kleineren Dosen 
auf dasselbe tonisirend wirkt. Aber wie wenig 
ist hiermit gesagt. 

Irritirende und tonisiretide Wirkung auf ein 
Organ sind so unbestimmte Begriffe, dass aus ihnen 
für die Praxis keine sicheren Indicationen gewonnen 
werden können. Wie viele Mittel wirken nicht 
irritirend auf die Nieren, oder auf den Magen, dort 
etwa eine Blutung, hier Erbrechen hervorrufend! 
Warum hat der letzte Autor nicht statt Tartarus 
emeticus ebenso gut Ipecacuanha, Arsen, Nux vom., 
Veratr. wählen können? Ohne die näheren Um¬ 
stände, begleitenden Erscheinungen, kurz, ohne den 
Complex der Gesammterscheinungen in einem con- 
creten Fall und ohne genaue Prüfung eines Mittels 
nach allen Richtungen hin, steht eine solche Thera¬ 
pie, wie Verf. sie sich denkt, in der Luft. Er ist 
auf das Probieren angewiesen, und da, wie er 
richtig beobachtet hat, die Gabe des Mittels bis zu 
einer bestimmten Grösse herabgesetzt werden muss, 
ehe sie (auch bei seiner höchst einseitigen Orgau- 
therapie) die erwünschte Wirkung leistet, und er 
diese auch erst immer durch Experimentiren eruircn, 
ja dem Kranken selbst die Beobachtung dieser 
Wirkung überlassen will, so wird das ein sehr com- 
plicirtes therapeutisches Verfahren. Der homöo¬ 
pathische Arzt dagegen giebt dem nach seiner Quali¬ 
tät zu wählenden Mittel die erste Stelle und sucht 
die Quantität desselben annähernd zu bestimmen, 
und wartet die Wirkung des Heilexperiments am 
Kranken scharf beobachtend ab, — und das ist 
jedenfalls richtiger, als dem Kranken, auch wenn 


man ihn wohl inctruirt hat, die Bestimmung der 
Gabengrösse anheimzustellen. 

Dass die Organ-Therapie auf Anwendung kleiner 
Dosen führt, das hat Rademacher in seinen Be¬ 
obachtungen oftmals erfahren, und Prof. Schulz- 
Greifswald hat es durch seine Experimente hin¬ 
länglich bewiesen. Es ist merkwürdig, dass Dr. 
Macleau seine Micropathie, auf welchen Namen er 
freilich ein Patent nehmen kann, als etwas Novum 
in die ärztliche Welt hinausgesandt hat. Jedenfalls 
ist diese „Micropathie“ ein Phänomen, von dem wir 
Homöopathen Notiz zu nehmen haben. Dr. Mossa. 


Antipyrin. 

Von Dr. S. J. van Royen-TJtrecht. 

Das Antipyrin ist ein weisses krystallinisches Pul¬ 
ver, in gleichen Gewichtstheilen von Wasser, Alkohol 
oder Chloroform löslich; 50Theile Aether lösen einen 
Theil Antipyrin. Die Substanz schmilzt bei 113° C., 
verbindet sich mit Säuren; ist also ein Alcaloid. 
In wässeriger Lösung werden die Salze durch Eisen¬ 
chlorid dunkel gefärbt, welche Reaction noch bei 
einer Verdünnung von 1 : 100000 deutlich sichtbar 
ist. Salpetrige Säure färbt die verdünnte Lösung 
blaugrün; aus concentrirter Lösung setzen sich 
grüne Kry stalle ab. 

Im Jahre 1884 entdeckte Knorr das Antipyrin 
durch Condensation von Pbenylhydracin mit Acet- 
essig-Aether und nachfolgender Methyllirung des 
Produktes. Der chemische Name soll also sein 
Dimethylphenylpyrazolor; der Name Oxydimetbyl- 
chinicin ist weniger richtig. Die Ableitung des 
Antipyrins von Pyrrol zeigen folgende Formeln: 
Pyrrol C 4 H 4 —NH; Pyrazol NC 8 H 3 - NH; 
PyrazolinNC 8 IJ 6 — NH; PyrazolorN C ;J H 3 O — NH; 
Methylphenylpyrazolor NC. 2 H 2 OCH 8 — N C Ä H 5 ; 
Dimethylphenylpyrazolor NC 2 HO a (CH 8 ) — NC 6 H v 

Die Chemikalienfabriken verfertigen immer und 
wieder immer neue Arzneien, welche durch glän¬ 
zende Empfehlungen wie eine Rakete emporsteigen, 
aber auch wie eine Rakete niederfallen, um in den 
Obsoletenschrank der Apotheker zu verschwinden. 
Ausnahmsweise hat Antipyrin seine Stelle in der 
medicinischen Praxis behauptet als Antipyreticum 
und Nervinum. Durch die Empfehlung, dass es 
ganz ungefährlich sei, hat es nicht nur in der ärzt¬ 
lichen Praxis, sondern sogar als Hausmittel eine 
ausgedehnte Anwendung gefunden. Zwar wurde 
bald die Erfahrung gemacht, dass es doch auch 
einige unangenehme Nebenwirkungen hat; mehrere 
Male selbst so, dass die Prognosis quoad vitam 
dubia war. Das schadete aber dem Rufe der Un*. 
gefalirlichkeit nicht, denn das Gutachten der Kory- 


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88 


phäen der Wissenschaft ist da und facultas locuta 
est. 

Eine ziemlich grosse Zahl von Krankengeschichten 
und Vergiftungen ist in Zeitschriften zerstreut. Jede 
Geschichte wurde aus der einen Zeitschrift in die 
andere aufgenommen, sodass man oft etwas findet, 
was schon auf einer anderen Stelle gefuuden war. 
Eine regelmässige Prüfung des Antipyrins habe ich 
nicht gefunden. Folgendes Symptomenverzeichniss 
ist also eine Sammlung aus Zeitschriften in der 
hiesigen Universitätsbibliothek. 

Symptome« 

Seelische Symptome. Greift ins Leere nach 
Dingen, die längst entfernt sind. — Verkennt die 
Gegenstände. — Glaubt, eine Maus laufe im Haus¬ 
flur. — Verspricht sich. — Lallen in unariiculirteu 
Lauten. — Stupor. 

Nervensystem. Eigentümlicher Erregungs¬ 
zustand, wie berauscht. — Reizung des nervösen 
Centralorgans mit nachfolgender Lähmung. — Tonus. 
Clonus. — Allgemeine Convulsionen. — Unruhiges 
Hin- und Herwerfen. — Krampfhafte Contractionen 
in dem Gesicht. Spannung der Muskeln des Ge¬ 
sichts, des Halses und der Arme. — Nach Schlaf 
typischer, epileptischer Anfall. — Epileptischer 
Krampfanfall ohne initialen Schrei; die Zuckungen 
beginnen im rechten Mundwinkel, gehen auf den 
rechten Arm über und erschüttern dann in grosser 
Heftigkeit die ganze Körpermusculatur; darauf 
langes stertoröses Stadium mit langen Atempausen 
und Schaumhlasen. — Epileptische Anfalle mit 
Opisthotonus und Emprosthotonus. Die Anfälle be¬ 
ginnen mit Erheben der Augenlider und starrer 
deviation conjugu6e der Bulhi, teils nach links, 
theils nach rechte . Pupillen erweitert. Zwischen 
den Anfällen Bewusstlosigkeit, allgemeine Mattig¬ 
keit. Muskelsteifheit und Schmerzen bei Bewegung 
und bei der Defäcation. — Erwachen aus dem 
Schlafe mit einem Schrei und epileptischer Anfall. — 
Bewusstlosigkeit zwischen epileptischen Anfällen 
mit tetanischen Spannungen. — Bei Hunden, Katzen 
und Meerschweinchen tonische und clonische Krämpfe, 
totale Sensibilität so gesteigert, dass schon die ge¬ 
ringste Berührung Tetanus hervorruft. — Höchst 
ungeschickt, atactisch. — Muskelsteifheit. — Mattig¬ 
keit. — Kraftlosigkeit. — Collaps. Schwerer Col- 
laps. — Anfall wie Cholera im asphyctischen Sta¬ 
dium. — 

Schlaf und Träume. Schlaflosigkeit. — Wenig 
Neigung zum Schlafen und, wenn Schlaf kommt, 
lebhafte Träume. — Coma. Coma, darauf Stupor. — 
Nach Schlaf typischer, epileptischer Anfall — Er¬ 
wachen aus dem Schlaf mit einem Schrei und epi¬ 
leptischer Anfall. 

Fieber und fieberartige Erscheinungen. Tempe¬ 


ratur subnonnal. — T. 34,5. — T. 36,7. — Schüttel¬ 
frost reichlich eine halbe Stunde; dabei bedeuten¬ 
der Zufluss von Blut nach Kopf, Brust, Armen und 
Oberschenkel, vorher Erbrechen. — Kälte der 
Ohren, Nase und Füsse. — Schüttelfrost mit raschem 
Aufsteigen der Terap. bis 40,7. — Beim Steigen 
der Temp. heftiger Schüttelfrost. — Temp. 34,5 
mit Hitzegefühl im ganzen Körper. — Beim Wieder¬ 
aufsteigen der Temp. kein Schüttelfrost. — Temp. 
erhöht. —Frost abwechselnd mit Hitze. — Temp. 34° 
(normal 36,5°). — Brennen im ganzen Körper. — 
Heftiger Schweiss. 

Haut. Blutungen der Haut. — Bei hypoderma- 
tischer Anwendung: Entzündung mit Gewebsspan¬ 
nung; an der Umgebung der Injectionsstelle Haut 
blauroth; Geschwulst während drei Tagen. — Erythem , 
runde, zinnoberfarbige Flecke, etwas erhaben; die 
Rothe verschwindet ganz bei Druck; Ränder etwas 
verwaschen; am meisten auf der Streckseite der 
Glieder; mehr am Rücken als an der Brust; frei 
blieben Kopf, Handfläche und Fusssohle. — Erythem 
leicht brennend; zwei Tage nach dem Verschwin¬ 
den des Erythems kleienartige Abschilferung. — 
Erythem: zusammenfliessende Flecken bis grössere 
Plaques, auch am Gesicht, Hals, Ohr, später auch 
auf dem behaarten Kopf, der Handfläche und Fuss¬ 
sohle. — Purpurartiges Erythem. — Erythem des 
Oberkörpers. — Urticaria. — Herpes auf der Nase, 
Lippen und Mundschleimhaut zum Theil ulcerirend. 

Kopf. Schwindelgefühl. — Bewusstlosigkeit. — 
Bewusstlosigkeit zwischen epileptischen Anfällen. — 
Kopfweh mit Flimmern vor den Augen. — Schmerz 
in der Stirn. — Kopfschmerz hinter den Ohren. — 
Blutzufluss nach dem Kopfe. — Erythem (siehe 
Haut). 

Augen und Sehen. Erheben der Augenlider 
und starre däviation conjuguee der Bulbi beim 
Anfang eines epileptischen Anfalles — Tiefliegende 
Augen. — Augenlider geschwollen. — Conjunctivitis 
catarrhalis. — Thränenfluss. — Pupillen erweitert, 
reagiren auf Licht. — Pupillen verengt. — Flim¬ 
mern vor den Augen. — Sehen behindert. — Eine 
Minute dauernde Amaurose. 

Ohr und Gehör. Kälte der Ohren. — Klingen 
vor den Ohren. — Ohrenschmerz. 

Gesicht. Cyanotisch. — Röthung des Gesichts. — 
Gesicht geschwollen. — Spannung der Muskeln. — 
Krampfhafte Contractionen in dem Gesicht. — Ge¬ 
sichtsschmerz. 

Mund und Mundhöhle. Zahnweh in allen Zähnen 
des Oberkiefers. — Schwarzwerden der Zähne durch 
Reiben mit sauerstoffhaltigem Wasser. — Schwel¬ 
lung von Lippen und Zunge bis auf das Dreifache 
normaler Grösse. — Auf der Zunge und Lippen 
zahlreiche, weisse, fast diphtheritisch aussehende 
Membranen. Im Munde, am Gaumen und auf der 

U* 


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Zunge, zahlreiche, kastaniengrosse Abscesse. — 
Epileptische Krampfanfälle beginnen im rechten 
Mundwinkel. — Brennendes Gefühl im Munde. 

Schlund und Hals. Im Pharynx weiche, fast 
diphtheritisch aussehende Membrane. — Spannung 
der Halsmuskeln. — Brennendes Gefühl im Bachen. 

Magen. Erbrechen. — Vor Schüttelfrost Er¬ 
brechen. — Würgen und Erbrechen. — Magen¬ 
katarrh und Hitze. — Magenschmerz ohne Er¬ 
brechen. 

Bauch (beim Frosche, Rana temporalis). Die 
Leberzellen lassen vor Allem deutlich eine Ver¬ 
änderung der Kerne erkennen und zwar in der 
Weise, dass in der ersten halben Stunde nach der 
Vergiftung die Kerne sich vergrössern und zer¬ 
fallen; indem die Kernmembran einreisst und ihr 
Inhalt ins Innere der Leberzellen austritt. Die 
Tinctionsfähigkeit der Kerne lässt nach; sie er¬ 
scheinen daher blasser. 

Stuhl. Unfreiwilliger Stuhlabgang. — Muskel¬ 
steifheit und Schmerz bei der Defacation. 

Ham Werkzeuge . Unfreiwilliger Harnabgang. — 
Verminderte Harnsecretion. — Acetongeruch des 
Harns. - HarnS.G. 1,028, acetonhaltig; Nitroprussid- 
natriumprobe positiv, sehr intensiv. — Vermehrte 
Ausscheidung von Harnsäure. — Verminderte Aus¬ 
scheidung von Harnstoff. 

Geschlechtsorgane. Oedem des Praeputiums, 
Glans und Scrotum. — Jucken an der Haut des 
Penis, des Scrotums und Anus. — An der Corona 
glandis eine faltige Blase, wie eine Brandblase, 
nachher ein Geschwür. — Erythem auf der Glans, 
auf dem Penis und Scrotum. — Aus dem Erythem 
entstand an der Glans ein Geschwür. 

Brüskes Auf hören der Menstruation. 

Athmungsorgane. Bronchialasthma verschlim¬ 
mert. — Athemnoth. — Atliem bedeutend be¬ 
schleunigt. Stertor mit langen Athempausen, mit 
Schaumblasen. 

Brust Stechende Schmerzen in der Lunge 
beim Athmen, Temp. 39° (normal 86,5), Puls 96 
(normal 62), klein; Athmen bedeutend beschleunigt; 
Percussion über beiden Lungen exquisit tympani- 
tischerSchall, namentlich in beiden unteren Lappen; 
Auscultation kein besonderes Resultat, nur das 
vesiculäre Athmen schwächer als gewöhnlich. 

Kreislauforgane. Unregelmässiger Herzschlag.— 
Herzschlag aussetzend. — Heftiges Herzklopfen. — 
Heftiges Herzklopfen mit starkem Hitzegefühl und 
Athemnoth. — Systolisches Geräusch an der Herz¬ 
spitze sehr laut. — Herzschwäche. — Herzläh¬ 
mung. — Puls unfühlbar. — Puls klein, Radialis 
kaum fühlbar. — Pulsfrequenz verringert. — Puls 
(bei 4jährigem Knaben) 68 bis 72, gespannt, un¬ 


regelmässig. — Puls frequent. — Puls 96 (nor¬ 
mal 60). — Puls 160. 

Hacken und Büoken. Krampfhafte Contractionen 
in den Nackenmuskeln. — Rückenschmerz. 

Gliedmassen. Kalte Extremitäten. — Span¬ 
nung der Armmuskeln — Zuckungen in dem rechten 
Arm. — Leichtes Oedem der Vorderarme und 
Hände. — Hände cyanotisch. — Schwellung und 
Röthe der Hände. — Steifheit der Finger. — 
Füsse kalt. — Die Füsse schwellen an. — Waden¬ 
krampf. — Schwierigkeit, sich auf den Beinen zu 
halten. 

Nähere Umstände. Rechts: Zuckungen. 

Bei Berührung: Krämpfe. 

Nach Schlaf: epileptische Anfälle. 

Beim Stuhl: Muskelsteifheit. — Schmerzen. 

Obenstehende Symptome geben nur eino Skizze 
der Antipyrinwirkung. Für die Differentialdiagnose 
zwischen diesem und ähnlich wirkenden Mitteln 
fehlt fast Alles, namentlich sind die Umstände, 
welche die Symptome beeinflussen, fast gar nicht 
erwähnt. In groben Umrissen kann jedoch die 
Wirkung des Antipyrins beschrieben werden. 

Das Gehirn wird wohl am meisten ergriffen. 
Mit einem eigenthümlichen Erregungszustände ist 
vermehrter Blutzufluss da; dabei Röthung des Ge¬ 
sichts, Kopfweh mit Flimmern vor den Augen, 
Schlaflosigkeit und Träume. 

Dieses Stadium scheint nicht lange zu dauern. 
Es folgen Krämpfe, epileptische Zufälle, Tetanus, 
psychische Störungen. Als drittes Stadium kommen 
eine allgemeine Depression, Bewusstlosigkeit, Kraft¬ 
losigkeit, Coma, sehr niedrige Temperatur, Schüttel¬ 
frost, unregelmässiger Herzschlag, unfühlbarer 
Puls. Erholt die Person sich in diesem Stadium, 
dann steigt die Temperatur, bisweilen mit Schüttel¬ 
frost. 

Die Haut und die Schleimhaut des Mundes und 
Halses zeigen ebenso Blutzufluss, Röthe, Schwel¬ 
lung. Danach Erythem, Urticaria, während der 
Ausschlag im Munde und Pharynx einen diphtheri- 
tischen Charakter trägt. Die Haut der männlichen 
Genitalien wird ödematös und es entstehen Ge¬ 
schwüre. 

Das einzige .Brusteymptom gleicht ganz einer 
anfangenden Lungenentzündung. 

Dass der Stoffwechsel abnorm wird, zeigt sich 
durch den Acetongehalt des Harns. 

Zu vergleichen mit: Aethusa cynapium. — Cam¬ 
phora. — Carbo vegetabilis. — Cicuta virosa. — 
Cuprum. — Kalium- und Natrium bromatum. — 
Nux vomica. — Oenanthe crocata. — Spigclia. — 
Stramonium. — Zincum. 


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Therapeutisches. 

Nach dem Princip der Homöopathie kann unter 
sonst passenden Umständen das Antipyrin indicirt 
sein bei: Krämpfen, Epilepsie, Tetanus, Coma, Col- 
laps, Cholera, Schlaflosigkeit, atypischem Wechsel¬ 
fieber, acuten Hautausschlägen, nervösem Kopf¬ 
schmerz, Neumlgie des Trigeminus, Amaurose, 
Diphtheritis, acuter Leberatrophie, Diabetes, Men¬ 
struationsstörungen, anfangender Pneumonie, ner¬ 
vösem Herzklopfen. 


Homöopathische Rundschau. 

Auszug aus dem Journal Beige d’homoeopathie und 
der Revue homoeopathique fran^aise. 

Von Dr. med. Hob. Stäger. 

1. Vom äussern Gebrauch homöopathischer 
Medicamente. 

Von J. Göret, Apotheker. 

Seit Hahnemann sind die homöopathischen Aerzte 
stark von der Lehre des Meisters abgewichen, der 
kaum die Anwendung von erweichenden Kataplas- 
men etc. erlaubte, indem er einzig den innerlich 
angewandten Heilmitteln den Sieg über die Krank¬ 
heit überlassen wollte. — 

Heutzutage ist man weniger streng und bedient 
sich (mit Recht. Ref.) auch der erprobten allo¬ 
pathischen Palliativmittel. ,,Man ist weit davon ent¬ 
fernt, dies» s Verfahren tadeln zu wollen — denn 
bevor man Homöopath wird, ist man überhaupt 
Arzt und als solcher der einzige Richter seines 
Handelns, — aber trotzdem will es uns scheinen, 
dass die homöopathischen Heilmittel allzuviel in 
ihrer externen Application vernachlässigt werden,“ 
bemerkt Göret wörtlich. 

Ausser Arnica und zwei oder drei anderen 
Mitteln werden homöopathische Medicamente höchst 
selten äusserlich verwendet. Seit vielen Jahren be¬ 
mühte sich Göret, einige der folgenden Mittel in 
die Praxis einzuführen: Abrotanum 0 bei Frost¬ 
beulen; Arnica 0, Calendula 0, Cantharis 0 bei 
Entzündungen; Hamamelis-Salbe; Hydrastis-Salbe; 
Calendula-Salbe; Bryoniaund Rhus-Tinctur bei rheu¬ 
matischen Affectionen etc. 

Ausser diesen Mitteln wenden die Homöopathen 
noch einige einfache oder zusammengesetzte Prä¬ 
parate an, um gewisse Affectionen der Nase, des 
Rachens und der Gebärmutter zu heben. Um nur 
ein einziges Beispiel zu bringen, welches beweist, 
wie sehr diese Methode geübt werden sollte, führt 
Göret einen der grössten Befürworter dieser Medi- 
cationsweise, nämlich Prof. Haie, an, welcher sagt 
(Traite de medicine pratique p. 235): ,,Die poly¬ 
pösen Excrescenzen oder die eigentlichen Polypen 
des Nasenrachenraumes können bisweilen ohne Ex¬ 


stirpation entfernt werden: Thuja (1.) in Pulver¬ 
form bringt sie oft zum Verschwinden, besonders 
wenn sie gestielt sind; Sanguinaria (3.) und Aci¬ 
dum chromicum (3.), zu gleichen Theilen pulveri- 
sirt, sind ebenfalls als vortheilhaft befunden worden.“ 
So kann man auch Kali bichromic. bei Nasen- 
pharyngeal-Leiden anwenden, und alle Homöopathen 
kennen die Verwandtschaft dieses Stoffes zu den 
Krankheiten dieser Organe. 

Ein ganzes grosses Buch könnte geschrieben 
werden, wollte man Organ für Organ durchnehmen 
und die hierauf passenden äusseren Heilmittel be¬ 
sprechen. An Stelle dessen zählt Göret nur die¬ 
jenigen Mittel auf, über deren Wirksamkeit bei 
externer Anwendung er persönliche Erfahrung hat. 
Entweder prüfte er sie an sich selbst öder an Fa¬ 
milienmitgliedern . 

Abrotanum. Dieses Mittel wird mit Ehrfolg an¬ 
gewendet bei Frostbeulen; man macht zu diesem 
Zweck gewöhnlich eine Mischung von Abrotanum 0 
und sterilisirtem Wasser eu gleichen Theilen. Da¬ 
mit wäscht man die befallenen Theile oder man 
macht damit Compressen und legt sie auf. 

Aconit. Derselbe wird in Urtinctur angewendet 
und ist ein ausgezeichnetes Mittel bei Schmerzen 
in Folge Zahncaries. Man tränkt einen kleinen 
Wattepfropf damit und schiebt ihn in die Höhle 
des cariösen Zahns, dann bedeckt man Alles zu¬ 
sammen mit einem leichten Collodiumanstrich. 

Acidum lacticum ist ein treffliches Präservativ¬ 
mittel gegen Zahncaries. Man verwendet es als 
Mundwasser. Am besten giesst mau einige Tropfen 
auf die Zahnbürste, mit der man sorgfältig die 
Zähne putzt; dann spült man mit warmem Wasser 
den Mund aus. 

Apis melli/ica. Die Urtinctur oder die 1. Ver¬ 
dünnung ist zweckmässig zur Heilung von In- 
sectenstichen. Man schreibt der Tinctur auch eine 
grosse Heilkraft zu gegen Haarausfall und vor¬ 
zeitiger Kahlheit 

Arnica montana ist die Panacee bei Contusionen 
jeder Art. Man wendet die Urtinctur als solche 
an, indem man das betreffende Glied damit wäscht 
oder man legt Compressen auf. Ist die Haut ge¬ 
schürft, verdünnt man die Tinctur im Verhältniss 
1:10. Compressen und Waschungen mit Arnica 
sind auch sehr heilsam gegen Blasen an den Füssen 
auf Märschen und gegen Exceriation und Erosionen, 
die durch den Sattel beim Reiten und Velofahren 
verursacht werden. MitOpodeldoc eingerieben, heilt 
Arnica rheumatische Schmerzen.*) 

Auf entzündete Hautschwielen und Hühneraugen 
applicirt, lindert Arnica die brennenden Schmerzen 

*) Dieses Mixtum compositum ist gewiss entbehrlich, 
in eine homöopathische Apotheke gehört es sicherlich 
nicht. Red. 


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sofort. Einige Tropfen Arnica, in etwas Wasser ge¬ 
gossen und zu Gargarismen verwendet, stärkt die 
Stimmbänder, bebt deren Müdigkeit und erlaubt 
den Rednern, Sängern etc. nach Belieben sich ihrer 
Stimme zu bedienen. Arnica findet auch in der 
Thierheilkunde ausgedehnte Anwendung. 

Arum triphyUum . Als äussere Anwendung dieses 
Mittels sind die Gargarismen zu nennen, welche 
man mit verdünnter Arumtinctur (einige Tropfen 
auf ein Glas) ausführt, um der Stimme mehr Weich¬ 
heit, Klarheit und Umfang zu geben. Die Gar* 
garismen sind wenigstens eine Stunde vor dem 
Singen vorzunehmen. Man thut wohl daran, auch 
einige Tropfen innerlich in etwas Wasser zu nehmen. 

3—5 Tropfen genügen auf ein Weinglas voll Wasser. 

Bryonia alba. Obwohl nur für die innere Me- 
dication anscheinend bestimmt, hat das Mittel nichts 
desto weniger eine ausgesprochene äussere Wirk¬ 
samkeit. Man bedient sich seiner mit Erfolg zu 
Einreibungen bei rheumatischen Affectionen, wenn 
diese letzteren durch Bewegung sich verschlimmern. 
Bei Tarticollis ist es sehr zweckmässig. Die Ein¬ 
reibungen werden mit einem Gemisch von 5 Tropfen 
Urtinctur auf 100 Tropfen Alkohol gemacht. 

Calendula ojficinalis ist ein kostbares Mittel, das 
nur allzu sehr von den Homöopathen vernachlässigt 
worden ist. Ein mächtiges natürliches Antisepti- 
cum,' fast von derselben Wirkung wie das Sublimat, 
nur dass es dessen giftige und gefährliche Eigen¬ 
schaften nicht theilt. (Dies müsste und könnte 
dann allerdings vorerst genau experimentell unter¬ 
sucht werden! Wäre das der Fall, dann wäre es 
schon längst an allen chirurgischen Kliniken der 
Welt eingebürgert. Ref.) Man gebraucht es in 
Urtinctur (in diesem Falle wäre das antiseptische 
Agens „ Alkohol “ nicht zu vergessen) oder in Ver¬ 
dünnung mit Wasser. — Pur vertritt es sehr gut 
Arnica, welche bei empfänglichen Personen Ery si¬ 
pelas erzeugt. (Man würde richtiger sagen ein 
erysipelartiges Erythem. Ref.) Verdünnt mit Wasser 
zu 25—50 °/ 0 dient Calendula zum Verbinden blu¬ 
tender Wunden, zur Behandlung von Schorfen und 
Schürfungen der Haut etc. Man macht auch eine 
Salbe daraus (10 °/ 0 .). 

Cantharis als Salbe (1 °/ 0 . mit Vaseline oder La- 
noline) ist gut bei Verbrennungen ersten Grades. [ 
Diese Salbe wirkt auch vorzüglich bei Frostbeulen. 
Bei Verbrennungen zweiten Grades mit Blasenbil¬ 
dung werden die Schmerzen schnell gemildert durch 
Waschungen mit 1 °/ 0 . Canthariswasser. 

Chamomüla vulgaris , so nützlich bei vielen in¬ 
neren Leiden, leistet auch grosse Dienste bei äusse¬ 
rem Gebrauch. Chamomillenöl, oder noch besser 
ein Gemisch von Olivenöl und Chamomillenöl (5:10), 
giebt ein herrliches Mittel ab zu Einreibungen des 
Bauches gegen die Krämpfe kleiner Kinder während 


der Dentition oder auch zu einer anderen Zeit; 
ferner gegen Krämpfe bei der Menstruation; gegen 
Excoriation der Haut bei Neugebornen; gegen sehr 
heftige rheumatische Schmerzen, besonders Nachts, 
und endlich als ein Adjuvans der internen Medi- 
cation, um die Nachwehen nach der Geburt za 
mildern. 

Clematis vitalba ist ein wenig angewandtes und 
doch so herrlich wirkendes Mittel bei hohlen Zähnen. 
Ein kleiner Wattetampon, mit der Urtinctur ge¬ 
tränkt und in den hohlen Zahn eingeführt, be¬ 
ruhigt sehr oft fast augenblicklich die heftigsten 
Schmerzen. 

Conium maculatum ist sehr heilsam bei carci- 
nomatösen Affectionen. Man bereitet eine Salbe 
(10 °/ 0 .) oder legt Compressen auf (1:10 Wasser). 

Condurango wird viel angewandt bei carcino- 
matösen Affectionen. Unter seinem Einfluss sieht 
man das Aussehen der Geschwüre sich rapid bessern. 
Am besten benutzt man eine Salbe (5 °/ 0 .), mit 
Vaseline bereitet, die man auf Leinwandläppchen 
oder anderen Stoff streicht und auf die kranke 
Stelle auf legt. Der Verband ist 3—4 Mal täglich 
zu erneuern. 

Cuprum metaüicum. Die 6. Dilution dieses 
Mittels, gemischt mit Oel (15—20 p. c.) zu Ein¬ 
reibungen, unterstützt mächtig die innere Dar¬ 
reichung von Cupr. metallic. bei Crampus und 
selbst in Fällen von choleriformen Koliken. 

Euphrasia ofßcinalis ist sehr zu empfehlen bei 
Affectionen der Lider und Conjunctiven. Die Augen 
sind chronisch entzündet. Ist das der Fall, so wer¬ 
den sie Morgens und Abends mit warmem Wasser, 
dem man 1—2 Tropfen Euphrasia beigegeben hat, 
gebadet. Es wird auch empfohlen als Riechmittel 
bei heftiger Coryza, wenn die Augen des Kranken 
brennen und beständig thränen. 

Gelscmium sempervirens. Dieses Mittel wurde 
als heilsam befunden beim Schnupfen und vor allem 
als Riechmittel beim Asthma, welches das Heu¬ 
fieber begleitet. Man muss das in ein Fläschchen 
mit weitem Hals gegossene Mittel tüchtig einziehen. 

Geranium maculatum. Dieses Mittel ist so gut 
wie unbekannt und doch verdient es recht bekannt 
zu sein, da es das heftigste Nasenbluten zu stillen 
vermag. Göret selbst hatte Gelegenheit, das Ex¬ 
periment an einem jungen Arbeiter, den ihm sein 
Patron geschickt, zu machen. Seit mehr als einer 
Stunde hatte er ein Nasenbluten, das allen Mitteln 
Widerstand geleistet hatte. Man hielt ihm einen 
kalten Schlüssel plötzlich an den Nacken; spritzte 
ihm Eiswasser an, tamponirte mit in Eisenchlorid 
getauchter Watte etc. Alles umsonst. Da gaben 
wir ihm einige Tropfen der Urtinctur von Gera¬ 
nium maculatum in Wasser zu riechen — und 
augenblicklich hörte die Hämorrhagie auf. — Dosis: 


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extern 20—25 Tropfen; intern 10 gr auf 150 gr 
Wasser, löffelweise einzunehmen. 

Graphites . So nutzlos dieses Mittel erscheinen 
mag und so unbekannt es den Allöopathen ist, so 
ist es nichts desto weniger eines der mächtigsten 
Mittel in der ganzen Hahnemann’schen Therapie. 
Denn ohne seine grossen Vorzüge aufzuzählen, 
welche es als inneres Medicament entfaltet, wird 
kein Homöopath seine wohlthätige Wirkung auf 
die Haut in Abrede stellen. Graphitsalbe (1. oder 
2. Verreibung 1 gr : 30 gr Lanoline) heilt in kür¬ 
zester Zeit Flechten, Eczeroe, kleine krustige Ge¬ 
schwüre indolenter Natur (am Munde), sowie Acne- 
knoten um Nase und Kinn. Es ist ferner ein kost¬ 
bares Mittel in der Behandlung von Ulcera im 
Allgemeinen. 

Hamamelis virgin. Das ist ein Mittel von un¬ 
geheurem Werth bei der Behandlung der Krampf¬ 
adern, Ulcera varicosa und blutenden Hämorrhoiden. 
Zum äusseren Gebrauch wendet man Hamamelis in 
3 Formen an, welche alle ausgezeichnete Resultate 
liefern: 1. als Fluidextract, 2. als Salbe, 3. in Ur- 
tinctur. 

Der Fluidextract kann pur oder in Verdünnung 
mit Wasser (5 °/ 0 .) angewendet werden bei Brand¬ 
wunden, Contusionen, Verstauchungen, Insecten- 
stichen, Ulcera varicosa, wenn die Salbe ein Hitze¬ 
gefühl erzeugt. Die Salbe wirkt ausgezeichnet bei 
Hämorrhoiden, Excoriationen der Mammilla und Ul¬ 
cera. Die Urtinctur braucht man (auch in Mischung 
mit Wasser) um Nasenbluten (Tampon!) zu stillen und 
um Hämorrhoidalknoten und blutende Hämorrhoiden 
zu waschen. Getränkte Wattetampons stillen prompt 
Uterushämorrhagieen und verhindern das Entstehen 
von Varicen. 

Hydrastis canadensis hat eine nennenswerthe 
Wirkung auf krebsige Affectionen. Dr. Bayes (von 
Cambridge) empfiehlt es zu Waschungen oder Com- 
pressen auf die Tumoren. Eine Salbe (10%.) ist 
ebenfalls sehr zweckdienlich. Hydrastis gab beson¬ 
ders gute Resultate in der Behandlung des Scir- 
rhus und des Mammacarcinoms. Die Verdünnungen 
des Mittels in Pulverform sind sehr gut zum Be- 
pudern von lupösen Wunden. Als Schnupfpulver 
bei Nasenaffectionen wirkt es sehr wohlthuend. Die 
amerikanischen Homöopathen nehmen das Mittel 
auch zu Einspritzungen (5°/ 0 .) in den weiblichen 
Genitaltractus und zur Behandlung der männlichen 
Gonorrhöe. Göret selbst bereitet m seiner Officin 
ein unter dem Namen „Tnjection vegetale u in den 
Handel gebrachtes Hydrastispräparat, welches be¬ 
friedigende Resultate liefert. 

Hypericum. Die Urtinctur wird, wie bei Amica 
oder Calendula, mit Wasser verdünnt und ist be¬ 
sonders nützlich bei Stichwunden, Risswunden und 
Wunden von unten nach oben. Es passt ganz spe- 


ciell bei Verwundungen und Contusionen der Nerven* 
Man macht hieraus Bäder oder legt Compressen 
auf (10%.). 

Kali bichromicum , in Pulverform, mit der Ur¬ 
tinctur von Hydrastis gemischt, findet Verwendung 
bei den verschiedenen Nasopharyngeal-Leiden. Rp. 
Kali bichromicum 3:10 gr Hydr. con. 0 Tinct. 
gttr. XX. 

Ledum palustre, in Urtinctur, ist heilsam in ge¬ 
wissen Formen von Gicht, wo auch die interne Ver¬ 
abreichung des Mittels angezeigt ist. 

Bei arthritischen Schmerzanfällen in den Knieen 
ist besonders eine Mischung von Ledum palustre 
und Alkohol im Verhältnis 1: 5 sehr empfehlens- 
werth. Ledum hilft auch bei Panaritium, welches 
durch einen Stich entstand. Es ist das Hauptmittel 
bei Stichwunden überhaupt und besonders bei Bienen¬ 
stichen. 

Acidum phosphoric ., in der 3. Potenz, zu Ein¬ 
reibungen verwendet (1 Mal täglich), verhindert den 
Haarausfall. 

Phytolacca decandra . Gargarismen mit der Ur¬ 
tinctur dieses Mittels (10—15gtt. zu 100 gr Wasser) 
geben ein gutes Resultat bei Halsentzündungen mit 
grosser Schwierigkeit zu schlucken. Bei carcino- 
matösen Affectionen hat es auch schon gute Er¬ 
folge gehabt. Van Berckelaere erfand die Phyto- 
lacca-Pastillen, welche sein Nachfolger Göret von 
Neuem wieder herstellt, zuerst. Sie sollen sehr gut 
sein gegen Halsleiden. 

Rhus texicodendron . Einreibungen mit der Ur¬ 
tinctur von Rhus tox. heilen die Folgen von Ver¬ 
stauchungen und Verrenkungen etc. Müdigkeit als 
Folge einer intensiven und lange dauernden An¬ 
strengung weicht fast sofort, wenn man die Muskeln 
mit Rhustinctur massirt. Rhus-Opodeldoc (10%.) 
wird mit Erfolg angewendet bei Lumbago und Tor- 
ticollis. Die Urtinctur ist ein souveränes Mittel bei 
Brandwunden, welche eitern und nicht vernarben 
wollen. (Cautel Red.) — Bei Sonnenstich giebt es 
kein besseres Mittel als verdünnte Rhustinctur. 

Symphytum officinale . Die Wirksamkeit dieses 
Mittels besteht darin, dass es bei Knochenbrüchen 
und Verletzungen des Periostes die Eiterung fern 
hält. Compressen aus 20%. Mischung mit Wasser! 

Thuja occidetdalis ist bekanntlich sehr wirksam 
bei Feigwarzen, Condyloma lata und gewöhnlichen 
Warzen. Es genügt schon, sie 3—4 Mal täglich 
mit der Tinctur zu befeuchten. Es ist empfehlens- 
werth, zu gleicher Zeit innerlich Thuja zu verab¬ 
reichen. Man sah schon in sehr kurzer Zeit Warzen 
verschwinden, welche der energischsten Behandlung 
getrotzt hatten. Hautschwielen, Hühneraugen etc. 
heilen manchmal durch einen fortgesetzten Anstrich 
mit der Urtinctur von Thuja. 

Urtica urens ist ein gutes Mittel gegen Brand* 


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wunden ersten Grades ohne Blasenbildung-. 5°/ 0 . Lö¬ 
sung mit Wasser. 

Verbascum Thapsvs. Bei Neuralgie sieht man 
oft nach dem Gebrauch der Urtinctur die heftigsten 
Schmerzen weichen. (Fortsetzung folgt.) 


Seborrhoea. 

Von Dr. W.'S. White, 

Professor und Docenten für Haut- und Geschlechts- 
Krankheiten an dem homöopath. Colleg zu Chicago. 

Seborrhöe ist keine seltene Krankheitsform und 
in ihrem Anfangsstadium ist sie der innerlichen 
Behandlung ziemlich zugänglich, und kann man, 
wenn man ihr frühe begegnet, manche ernstliche 
Folgen verhüten. 

Sie stellt eine Functionsstörung der Talgdrüsen 
vor und zeichnet sich durch eine übermässige und 
abnorme Secretion von Talg aus, die auf der Haut¬ 
oberfläche entweder einen ölartigen Ueberzug oder 
eine Anhäufung von weisslichen oder gelblichen 
Schilfern bildet. 

Bei Frauen soll sie etwas häufiger Vorkommen 
als bei Männern. Der damit behaftete Patient ist 
gemeinhin schlecht genährt, mager, blass, an kalten 
Händen und Füssen leidend. Anämische und chloro- 
tisclie Frauen, sodann schlecht gepflegte Kinder 
stellen das meiste Contingent für die Seborrhöe. 

Wie fast alle Hautleiden, hat sie ihre Lieb¬ 
lingsstellen und zwar sind diese der Haarkopf, das 
Gesicht, der Rücken, die Brust und die Geschlechts- 
theile. 

Die Seborrhoea oleosa findet sich häufiger bei 
Personen mit dunkler Färbung des Gesichts und 
des Haars. Wenn das Haar das auf der Kopf- 
schwarte reichlich abgesonderte Oel absorbirt, so 
bekommt es ein glänzendes Aussehen, während die 
kahlen Stellen und das Gesicht fettig und Ölig er¬ 
scheinen und sich auch so anfühlen. Die ölige 
Absonderung kann so stark sein, dass Oeltröpfchen 
auf der Oberfläche stehen; mischt sich dieser Fett¬ 
überzug mit Staub, so entsteht das schmutzige, 
mudelige Aussehen des Haares, wie es uns oft vor¬ 
kommt. 

Die Seborrhoea sicca, die andere Art, ist bei 
Weitem wichtiger und unangenehmer, zumal wenn 
sie den Haarkopf zum Sitze hat. Sie kommt mehr 
bei blonden Personen vor. 

Wir finden sie bei der Bildung der Vernix 
caseosa der Neugeborenen, doch mag sich dies 
Smegma, in der Form einer weissgrtinlichen Kruste 
von verschiedener Dicke, bis zum zweiten Lebens¬ 
jahre hinziehen. Die Schuld kann in der Unacht¬ 
samkeit von Mutter oder Wärterin liegen, indem 
diese den Kopf des Kindes nicht gehörig reinigen. 


oder in der Besorgniss, die von den Grossmüttern 
genährt wird, dass eine Beseitigung der Kindskappe 
I (wie man es dort gewöhnlich nennt) böse Folgen 
i mit sich führe, das Smegma nicht entfernen. Verf. 

sieht diese Seborrhöe des kindlichen Alters mehr 
| als eine physiologische, denn als eine pathologische 
Erscheinung an, denn wenn die Drüsen zur vollen, 
normalen Function gelangen, so verschwinden jene 
Krusten schnell von selbst. 

Um die Pubertätszeit sind alle Drüsen überaus 
thätig, und es werden oft feine weisse Schuppen 
vom Haarkopf abgestossen — der sogenannte 
Schinn —, die, weun sie dem Pat. auf die Schultern 
fallen, ihm sehr unangenehm werden. Lässt man dies 
ungestört fortgehen, so werden die Drüsen bald 
verklebt und Flechten — erst weiss, später gelb — 
können eine Anzahl von Haarfollikeln bedecken. 
Sie werden dicker und stören durch ihren Druck 
die Ernährung der Drüsen und ihrer Follikel, und 
später deren Gewebe und Secretion. Das Haar 
wird nun fosch und glanzlos, stirbt daun ab und 
fällt aus. Entfernt man die Kruste, so erscheint 
die Kopfhaut blass, anämisch. Lässt man diese 
Schuppen und Krusten an den Follikeln festsitzen, 
so ist eine frühzeitige und bleibende Kahlheit die 
Folge. 

Auf dem Gesicht begegnet uns das Leiden als 
eine gelbe oder grünliche Kruste, die um die 
Nasenflügel und am Kinn besonders stark hervor¬ 
tritt. Hier wirkt diese Secretion zusammen mit 
dem angehäuften Schmutz verunstaltend genug, und 
die von den Talgpröpfen erzeugte Reizung kann 
zuweilen acneähnliche Pusteln veranlassen. Ist 
dieser Reiz sehr hochgradig, so entsteht leicht ein 
der Acne rosacea ähnlicher Zustand, und besonders 
um die Nase. Entfernt man in Fällen dieser Art 
die Schuppen, so findet man die Follikel ausge¬ 
dehnt, ihre Mündungen stehen weit offen und es 
findet ein beständiger Abfluss des Secretes auf die 
Oberfläche statt. 

Was das Uebel an den Geschlechtstheilen be¬ 
trifft, so hat man es bei dem weiblichen Geschlecht 
an der Clitoris und den Labien, beim männlichen 
unter der Vorhaut und an der Rückseite der Eichel 
zu suchen. 

Es bildet sich eine weisse, dickliche, teigige 
Schmiere bei Leuten, die ihre Hautpflege vernach» 
lässigen; dank der übermässigen Feuchtigkeit jener 
Theile wird der Ueberzug sich schnell zersetzen, 
so dass bei Frauen eine Vulvitis, bei Männern eine 
Balanitis entsteht. Der sich hierbei entwickelnde 
Gestank ist charakteristisch. 

In den gewöhnlichen Fällen kommt es nur zu 
einer geringfügigen Gewebsstörung der Drüsen; 
kann aber der Process unbehindert sich fortent¬ 
wickeln, so bleibt Atrophie der Drüsen, der Follikel 


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80 


und anliegender Gewebe — insbesondere auf der 
Kopfschwarte — nicht aus. 

Die mikroskopische Untersuchung des Produkts 
ergiebt eine amorphe, fettige, feinkörnige Masse 
nebst einer Anzahl Epithelialzellen von den Wan¬ 
dungen der Drüsen und ihrer Gänge. Fett und 
Schuppen variiren in der Menge. 

Die genaue Diagnose der Seborrhöe ist oftmals 
nicht leicht. Eczema squamosum exfoliatus mit 
seiner feinen weissen Abschuppung ist der Seborrhöe 
ähnlich, aber die Kruste des ersteren ist brüchig- 
spröde, während die der letzteren meist zu einer 
Wachskugel geknetet werden kann. Beim Eczema 
geht Nässen voran, und bei ihm zeigt sich, wenn 
man die Krusten entfernt, eine glänzendrothe, meist 
blutende, infiltrirte Hautfläche. — Jucken und 
Brennen sind immer zugegen. — Seborrhöe ist von 
Beginn an trocken; die Haut ist blass oder bläu¬ 
lich, und blutet nicht nach Entfernung der Krusten, 
Jucken ist selten. 

Psoriasis zeigt auch weisse, spröde Schuppen 
und nach Entfernung der Kruste eine leichte Blu¬ 
tung von einem dunklen Grunde, der sich von der 
gesunden Haut unvermitteltabhebt; in der Seborrhöe 
dagegen sind die Schuppen wachsartig und ist die 
Unterfläche farblos, abgesehen von sehr schlimmen 
Fällen, wo die Krusten die Haut gereizt haben. 

Bei jungen Kindern ist die Prognose im All¬ 
gemeinen günstig, bei Erwachsenen weniger, da 
sie von dem allgemeinen, constitutionellen Zustand 
des Kranken, von der Localisationsstätte, der Re- 
action auf die Behandlung abhängt. — Fangen die 
Kopfhaare an auszufallen, so kann man die Wieder¬ 
herstellung neuer Haare nicht versprechen, und 
hat man Sorge zu tragen, die noch vorhandenen 
zu erhalten. 

Therapie. Bei Behandlung dieses Hautleidens 
sind sowohl constitutioneile als örtliche Mittel er¬ 
forderlich. Der Patient ist unter die möglichst 
besten hygienischen Verhältnisse zu bringen; frische 
Luft, gehörige Bewegung und eine nahrhafte Diät 
sind, besonders für die Frauen, dringend geboten. 
Leberthran wird oft nöthig sein, um verfallenen 
Kranken aufzuhelfen. Von innerlichen Mitteln sind 
an gezeigt: 

Arsenicum album, besonders dann, wenn Anämie 
vorhanden ist, bei schmutzig-schmieriger'Haut und 
gelber Gesichtsfarbe. 

Ammonium mur. bei reichlicher Anhäufung 
kleienartiger Schüppchen mit Haarausfall. 

Calcarea carb. ist besonders nützlich bei Per¬ 
sonen mit einer ölglänzenden Nase, bei Kindern, 
wenn die Kruste auf dem Kopfe dick ist und die 
Haut reizt. 

Kali carb. ist sehr dienlich, wo täglich ein 


starkes Ausfallen trockener (spröder) Haare nebst 
vielen Schinnen stattflndet. 

Mercur. sol. bei Seborrhoea genitalium. 

Phosphorus zeigt sich sehr wirksam bei 
schwachen, hinfälligen Personen, wenn die Schuppen 
reichlich sind, dabei Jucken. 

Rhus tox. hat bei Seborrhöe des Gesichts bei 
Vorhandensein von Acne gute Dienste geleistet. 

Verf. giebt dann die äusserlichen Mittel an, die 
sich ihm am Meisten bewährt haben. Bei Kindern 
die ausgiebige Anwendung von Süssmandel- oder 
Oliven-Oel, nebst gründlicher Waschung mit grüner 
Seife in warmem Wasser Morgens, ausserdem der 
Gebrauch von Schwefelsalbe oder einer 5 °/ 0 . Borax¬ 
salbe. 

Bei Erwachsenen, wenn die Seborrhoea sicca 
auf dem Haarkopf hervortritt, soll man die Schuppen 
schnell entfernen, und zwar mittels reichlicher An¬ 
wendung von Süssmandelöl Abends und einer 
Waschung mit grüner Seife Morgens. Hierbei blei¬ 
ben manche Aerzte stehen, aber mit Unrecht, denn 
nach der Entschuppung findet eine Zusammen¬ 
ziehung der Gewebe statt, die nicht bloss für den 
Pat. unbehaglich, sondern auch der Drüsensubstanz 
schädlich wird. Deshalb möge man, nachdem man 
die Kopfhaut gehörig abgetrocknet hat, ein toni¬ 
sches Mittel, sei es in Form eines Oels oder einer 
spirituösen Tinctur, anwenden. Derartige Verord¬ 
nungen sind: 

Rpt. Tinct. Cantharides 3,0. 

Pulv. Cinchon. Bark 11,0. 

Spirita, vin. rectific. 500,0. 

MS. Nach der Seifen Waschung. 

Oder: 

Rpt. Tr. Cantharides 3,0. 

Acidi tannici 1,5. 

Lanolin 30,0. 

MS. Liniment. 

DS. In die Kopfhaut gründlich ein¬ 
zureiben. 

In milden Fällen ist das Shamponiren mit Ei oft 
Alles, was nöthig ist, um die Kur zu vollenden. 

Seborrhöe im Gesicht wird gewöhnlich durch 
Waschen mit einer guten Kaliseife und Anwen¬ 
dung von Acidum tannicum in der 2. Dec.-Ver¬ 
reibung gebessert; danach wird die abnorme Secre- 
tion bald verschwinden. Besteht noch eine Erweite¬ 
rung der Follikel, so ist Schwefelsalbe sehr wohl- 
thuend. — 

Wenn uns die auf unseren Universitäten von 
den Docenten der alten Schule vorgetragenen theo¬ 
retischen Anschauungen und praktischen Mass¬ 
nahmen nicht gleichgültig sind, so bringen wir dem, 
was in den homöopathischen Collegs Amerikas ge¬ 
lehrt und praktisch ausgeübt wird, fast noch mehr 
Interesse entgegen. Deshalb halten wir uns ver- 

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pflichtet, den Lesern unserer Zeitung öfter hier¬ 
über zu berichten. — Die hier gegebene Darstel¬ 
lung der Seborrhöe ist gut und meist vollständig; 
nur vermissen wir die Angabe, dass auch die Achsel- 
Gegend häufig Sitz dieser Hypersecretion ist, bei 
der man eigentlich nicht von Lieblingsstätten der 
Localisation sprechen kann, die vielmehr da auf- 
tritt, wo eben die Talgdrüse in reichlicher Menge 
vorhanden ist. Für einen rein physiologischen Pro- 
cess können wir nur die Bildung der Vernix caseosa 
beim Foetus ansehen, sonst müsste diese Hyper¬ 
secretion der Talgdrüsen bei allen Kindern auf- 
treten. Ist doch auch die reichliche Schweissbildung 
am Kopfe kleiner Kinder im Schlaf keine allge¬ 
meine Erscheinung, und zeigen Mittel, wie Sulphur, 
Calc. carb., Silicea, welche diesem Symptome ent¬ 
sprechen, die constitutionelle Artung dieses Vor¬ 
gangs. — Im Ganzen stimmen wir dem Verf. zu, 
wenn er neben den innerlich angewandten Mitteln 
milde, äusserliche, aber möglichst einfache, nicht gar 
zu sehr componirte, bei der Seborrhöe anwendet. — 
Ein Haupttonicum, das wir freilich erst im späteren 
Verlauf des Uebels heranziehen möchten, die An¬ 
wendung von kalten Waschungen, haben wir ver¬ 
misst. Dr. Motsa. 

Ueber die Erkrankungen 
des Nasenemgangs und seiner Umgebung. 
(Erythem, acne rosacea.) 

Von Dr. Felix Peltesohn-Berlin, 
Specialarzt für Ohren-, Hals- und Nasenleiden. 

Während die vordere Rhinoskopie ihre Schwierig¬ 
keiten hat, ist es ein Leichtes, sich über Sitz, 
Charakter und Form aller derjenigen Krankheits- 
processe zu unterrichten, welche am Naseneingange 
und dessen Umgebung sich abspielen und deren 
Zahl und Bedeutung, wie wir sehen werden, keine 
unbeträchtliche ist. Ich habe daher versucht, für 
den Arzt die Krankheiten des Naseneingangs und 
seiner Umgebung, soweit sie ohne besondere Hilfs¬ 
mittel oder Anwendung rhinoskopischer Technik 
gesehen und beurtheilt werden können, tu be¬ 
schreiben und diejenige Behandlung zu empfehlen, 
die nach der Erfahrung der besten Autoren am 
schnellsten und sichersten zur Heilung führt. 

Bei der Besichtigung des Naseneingangs er¬ 
blickt man zunächst die zwei Nasenlöcher, die seit¬ 
lich von den beiden Flügelknorpeln und in der 
Medianlinie von dem untersten Theü der knorpeligen 
Nasenscheidewand und dem Septum fibrosum be¬ 
grenzt werden. Blickt man weiter in das Innere 
hinein, indem man die Nasenspitze ein wenig auf¬ 
richtet und Sonnenlicht direct oder refiectirtes Licht 
in die Nase hineinfallen lässt, so sieht man den 


Vorhof der Nase und an seiner lateralen Fläche 
die Vorhofsfalte, die zusammen mit der gegenüber¬ 
liegenden Seite der Scheidewand das sogenannte 
innere Nasenloch bildet. Die genannte Falte rührt 
daher, dass der dreieckige, etwas nach aussen ge¬ 
wölbte, von der vorderen Kante des Scheidewand¬ 
knorpels entspringende Seitenwandknorpel mit seinem 
unteren freien Rande in die Nasenlichtung hinein¬ 
springt und daselbst eine seitlich gestellte Leiste 
hervorruft. Diese Plica vestibuli bildet nach Zucker- 
kandl mit der unter ihr befindlichen Partie des 
Vestibulum eine Art Windfang für die einströmende 
Athemluft. 

Der Flügelknorpel ist eine kaum einen Milli¬ 
meter dicke, vorn hakenförmig umgebogene Platte, 
die das äussere Nasenloch umsäumt, ohne jedoch 
die Hautumsäumung des Nasenlochs ganz zu er¬ 
reichen. Nach oben steht derselbe durch Sesam¬ 
knorpel mit dem darüber gelegenen Seitenwand¬ 
knorpel in Verbindung. Rückwärts bildet der 
Flügelknorpel ein wie zerknittert aussehendes, häufig 
in mehrere Stücke getheiltes und so schmales Knorpel¬ 
band, dass, strenge genommen, der hintere Theil 
des Nasenflügels (häutiger, muskulöser Nasenflügel) 
knorpelfrei ist. 

Diese Partie des Nasenflügels besitzt dement¬ 
sprechend eine grössere Beweglichkeit, als die rein 
knorpelige vordere Partie (Zuckerkandl). Der me¬ 
diale bedeutend kürzere Schenkel des Hakens 
schliesst sich dem unteren Rande des knorpeligen 
Septums an und schiebt sich hier in das die äusseren 
Nasenöffnungen trennende Septum cutaneum ein, 
dem es eine gewisse Starrheit verleiht. 

Die Haut der Nasenspitze und der Nasenflügel 
ist mit vielen Talgdrüsen besetzt, die auffallend 
grosse Oeffnungen besitzen. Sie schlägt sich in 
den Vorhof der Nase um und geht unmittelbar in 
die Bekleidung des Naseneingangs über. Man sieht 
daher im Vorhofe Talgdrüsen und Haare, und zwar 
jene bekannten feinen Vibrissen, die bei manchen 
Individuen, namentlich in höherem Alter zu steifen 
Borsten aus wachsen können. Der Uebergang der 
Haut in die Schleimhaut ist im Vestibulum ähnlich 
wie an der Lippe deutlich gekennzeichnet. Das 
blasse, opake, stellenweise gefaltete, verschiebbare 
Hautgewebe hebt sich gegen die sammetartige, leb¬ 
haft gefärbte Schleimhaut schon makroskopisch ge¬ 
nügend scharf ab. Die mikroskopische Untersuchung 
dieser Gegend, die wir, wie die meisten anatomi¬ 
schen Daten über die Nase, ebenfalls den vortreff¬ 
lichen Arbeiten Zuckerkandl’s verdanken, ergiebt 
folgendes Bild von dem Uebergang der Haut in 
die Schleimhaut: Zunächst lässt sich die Haut in 
ganz unverändertem histologischen Verhalten in den 
Vorhof hinein verfolgen. Dann aber schaltet sich 
als Uebergangsform eine dünne Partie ein, deren 


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unterer Abschnitt an die Auskleidung des äusseren 
Gehörgangs erinnert, während der obere direct in 
die typische Mukosa des Naseninnern übergeht. 
Der untere Abschnitt setzt sich aus einem dichten 
Bindegewebsfilz zusammen, der sich oberflächlich 
zu zahlreichen Papillen erhebt, während Talgdrüsen 
und Härchen schon vollständig fehlen. Die Ober¬ 
fläche ist mit geschichtetem Pflasterepithel bedeckt, 
dessen oberste Schicht noch verhornt sein kann. 
Vorn, zunächst der Nasenspitze sowie an dem oben 
genannten hinteren häutigen Abschnitt der Nasen¬ 
flügel findet sich im Innern wahres Integumentum, 
während die mittlere Partie bis über die Plica 
vestibuli empor mit der Uebergangsform der Kutis 
bekleidet ist. Am Septum reicht die wahre Haut, 
vom Nasenloch angefangen, bis zu einer Zone em¬ 
por, deren Lage ungefähr der Höhe des inneren 
Schenkels des Flügelknorpels entspricht. Von hier 
an bis zu einer etwa 1,5 cm über dem Nasenloch 
befindlichen, schräg von hinten unten nach vorn 
oben aufsteigenden Linie folgt der drüsenlose Binde¬ 
ge websfilz. Da, wo die ersten Schleimdrüsen er¬ 
scheinen, hört meist der Charakter des Integumen¬ 
tum auf, und die typischen Kennzeichen der Schleim¬ 
haut erscheinen. Doch kann man gelegentlich schon 
Schleimdrüsen erblicken in einer Gegend, die in 
ihrer äusseren Configuration noch ganz der Kutis 
entspricht und deren oberflächliche Schichten stark 
verhornt sind. 

Wir werden weiter unten sehen, dass die Histo¬ 
logie dieser Gegend für das Verständnis der Er¬ 
krankungen dieser Stelle eine grosse Rolle spielt. 

Die arteriellen Gefässe des Naseneingangs und 
seiner Umgebung sind ausserordentlich zahlreich 
und stammen im Wesentlichen aus den Endausbrei¬ 
tungen der Maxillaris externa. Doch sind daneben 
reichliche Anastomosen mit Zweigen der Maxillaris 
interna, der Ophthalmica und Ethmoidalis vor¬ 
handen. 

Die Venen begleiten meist die Arterien auf 
ihrem Verlaufe und ergiessen sich in die Vena na- 
salis anterior profunda, die ihrerseits wiederum in 
die Vena facialis anterior mündet. Die Lymph- 
gefässe folgen dem Verlaufe der äusseren Kiefer¬ 
arterie und entleeren sich in die Unterkieferdrüsen. 

Unter den Erkrankungen des Naseneingangs 
ist zunächst das Erythem zu nennen, welches in 
einer abnormen Röthung der Nasenspitze besteht, 
vom hellen Roth bis zum dunklen Blauroth schwankt 
und der ergriffenen Stelle ein glänzendes, ge¬ 
schwollenes Aussehen verleiht. Bisweilen, nament¬ 
lich in vorgeschrittenen Fällen und bei älteren In¬ 
dividuen, sieht man einzelne erweiterte Gefässe von 
geschlängeltem Verlaufe auf der Oberfläche der 
Haut. Meist bleibt die Röthung auf die Nasen¬ 
spitze beschränkt, bisweilen setzt sie sich jedoch 


auch auf die Wangen fort und kann dann der er¬ 
krankten Partie die Form eines Schmetterlings ver¬ 
leihen, bei dem die Nase den Körper vorstellt. Aus 
dem Erythem kann bei länger dauernder Einwir¬ 
kung der später unten zu beschreibenden Schäd¬ 
lichkeiten sich das klassische Bild der Acne rosacea 
und seines extremsten Stadiums, des Rhinophyma 
(Pfundnase), entwickeln. Tritt nämlich zu der Ver¬ 
änderung der Gefässe noch eine Bindegewebswuche¬ 
rung der Umgebung hinzu, so treten kleine flache 
Papeln auf, die in Folge der Gefässwucherung 
ebenfalls eine intensiv rothe, auf Fingerdruck ver¬ 
schwindende Farbe zeigen. Die einzelnen Knöt¬ 
chen können auch Zusammenflüssen und gelegent¬ 
lich bis zur Grösse einer Walnuss auswachsen. 
Dabei werden die ursprünglich weichen Knötchen 
mit der Zeit hart. In seltneren Fällen unterbleibt 
eine Knötchenbildung. Dafür tritt eine gleich- 
mässige Hypertrophie der befallenen Stelle ein, so 
dass die ganze Nasenspitze in toto vergrössert er¬ 
scheint bei ziemlich glatter Oberfläche. In allen 
Fällen jedoch findet eine Betheiligung der Talg¬ 
drüsen statt in Form einer einfachen Seborrhöe oder 
auch Acne vulgaris, wobei sich dann zahlreiche 
Follikel infiltrirt bezw. vereitert erweisen. Die 
Ausführungsgänge der Talgdrüsen erscheinen in 
manchen Fällen auffallend erweitert, so dass sie als 
tiefe Poren auf der gerötheten und geschwollenen 
Umgebung sichtbar werden. 

Der histologische Befund bei Acne rosacea deckt 
sich fast vollständig mit den Befunden bei Elephan¬ 
tiasis, so dass Lesser keinen Anstand nimmt, die 
besprochenen Veränderungen an der Nase als Ele¬ 
phantiasis nasi zu bezeichnen. Eine Untersuchung 
der exstirpirten Stücke ergab im Wesentlichen eine 
enorme Vermehrung des Bindegewebes, welches 
von sehr erweiterten Venen durchzogen ist, sowie 
eine Vergrösserung der Talgdrüsen. Auch Kaposi 
schildert die kleinen Knoten, sowie die geschwulst¬ 
artigen und lappigen Neubildungen als aus neu¬ 
gebildetem, gallertartigem Bindegewebe bestehend. 
Das letztere kann sich zu fest bleibendem Binde¬ 
gewebe organisiren, aber ebensogut auch zur 
Schrumpfung und Resorption gelangen. 

Die Aetiologie deB Erythems, der Acne rosacea 
und des Rhinophyma ist eine höchst mannigfache, 
aber in jedem einzelnen Falle sehr schwer fest¬ 
zustellen. Geringe Grade der Röthung können 
schon nach geringem Echauffement, nach dem Essen, 
bei Btarken Kältegraden sich zeigen. Dass die Mit¬ 
glieder gewisser Familien eine Disposition dafür 
mitbringen, darüber besteht kein Zweifel. Charakte¬ 
ristisch für diese erblich belasteten Individuen ist 
es, dass sie noch vor der Pubertät an rothen Nasen 
leiden. Ich selbst habe durch drei Generationen 
hindurch das traurige Erbtheil einer Acne rosacea 

12 * 


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zu beobachten Gelegenheit gehabt. Der betagte 
Grossvater vertilgte, als ich ihn kennen lernte, be¬ 
trächtliche Mengen Wein und Bier. Allein sein 
Sohn sowohl, wie sein Enkel hatten bereits zu einer 
Zeit, wo ein übermässiger Genuss von Alkohol noch 
gänzlich ausgeschlossen war, ganz deutlich rothe 
Nasen. Der übergrosse Genuss von Spirituosen 
spielt fraglos in der Aetiologie der rothen Nase 
eine grosse Rolle, und zwar soll Branntweingenuss 
dunkelblaue Röthe mit starken Teleangiektasieen 
hervorrufen, während bei Weintrinkern mehr die 
mit Bindegewebshypertrophie einhergehenden Ge¬ 
schwulstbildungen Vorkommen. 

Ferner hat die Function der Geschlechtsdrüsen 
einen unzweifelhaften Einfluss auf die NasenrÖthe 
bei beiden Geschlechtern. Erstens tritt die Acne 
rosacea mit wenigen Ausnahmen erst mit bezw. 
nach der Pubertät auf. Dann begegnen wir ihr 
bei den verschiedensten Störungen in der weib¬ 
lichen Sexualsphäre. 

Ferner spielen in der Aetiologie der Acne rosa¬ 
cea eine Rolle alle Stauungen im Gebiete der Pfort¬ 
ader, sowie Magen- und Darmkatarrhe. Sie wird 
bei denjenigen Berufen angetroffen, deren Vertreter 
sich allen Unbilden der Witterung aussetzen müssen, 
wie Matrosen, Kutscher, Hökerfrauen. Kaposi hat 
merkwürdig oft das Auftreten der Acne rosacea 
bei Leuten beobachten können, die Jahre hindurch 
in übertriebener Weise Kaltwasserproceduren Vor¬ 
nahmen. Die chronischen Katarrhe der Nase mit 
Schwellungen der Muscheln sind nicht ohne Ein¬ 
fluss auf die Röthe der äusseren Nase, was bei 
den vielen Anastomosen zwischen den Gefkssen des 
Naseninnern und der Nasenspitze kein Wunder ist. 
Moritz Schmidt glaubt sogar, dass das Tragen von 
schlecht sitzenden Brillen und Kneifern durch be¬ 
hinderten Abfluss des venösen Blutes Schuld an 
Acne rosacea sein kann. 

Die persönlichen Beschwerden der von Acne 
rosacea Befallenen sind sehr gering und bestehen 
fast nur in einem erhöhten Wärmegefühl. Jedoch 
die starke Entstellung des Gesichts und der mit 
der Kupfernase stets verknüpfte Verdacht, dass sie 
die Folge zu vielen Trinkens sei, treibt die^armen 
Kranken dazu, sich selbst den sonderbarsten, thera¬ 
peutischen Massnahmen zu unterziehen und hetzt 
sie von einem Arzt zum anderen. Besondere Ge¬ 
fahren sind ebenfalls nicht mit der Acne rosacea 
verbunden. Man hat niemals bösartige Geschwülste 
daraus entstehen sehen. Wohl aber hat man ge¬ 
legentlich bei gestielten Geschwülsten ein spontanes 
Abfallen derselben erlebt. 

Die Prognose ist quoad sanadonen completam 
nur dann günstig zu stellen, wenn der Kranke 
frühzeitig in die Behandlung tritt und sich der¬ 
selben nicht zu bald entzieht. Die Möglichkeit 


einer Heilung ist natürlich da am grössten, wo es 
gelingt, die ursächlichen Schädlichkeiten zu er¬ 
kennen und zu beseitigen. 

Die Diagnose macht trotz des wechselvollen 
Aussehens, das eine Acne rosacea darbieten kann, 
keine erheblichen Schwierigkeiten. Die eigentüm¬ 
liche Beschränkung auf Nase und Wangen unter¬ 
scheidet sie leicht von der Acne vulgaris, der 
Mangel an Schuppenbildung und der weitere Ver¬ 
lauf von Lupus erythematoides. Das Fehlen von 
Ulcerationen oder umfangreichen Narben lässt eine 
Verwechslung mit Lues oder Lupus kaum zu. 
Allenfalls könnte noch ein ungeübter Beobachter in 
sehr vorgeschrittenen Fällen an Rhinosclerom den¬ 
ken; doch unterscheidet der ganze Verlauf, die 
eigentümliche knorpelartige Härte, sowie das Fort¬ 
schreiten der Geschwulst auf das Innere der Nase 
und die damit verbundene Verengerung der Nasen¬ 
öffnung das Rhinosclerom deutlich von Rhinophyrna. 

Die Behandlung wird natürlich zunächst die 
nachweisbaren ursächlichen Schädlichkeiten in jedem 
einzelnen Falle zu beseitigen haben. Man wird 
also Magen- und Darmkatarrhe, Hämorrhoiden, 
Leberkrankheiten, Affectionen der Sexualorgane be¬ 
handeln, vor dem Missbrauch der Spirituosen warnen 
und auf die Witterungsunbilden, sowie übertriebene 
Kaltwasserproceduren als Schädlichkeiten hinzu¬ 
weisen haben. In allen Fällen von chronischen 
Nasenkatarrhen, Muschelhypertrophieen etc. wird 
man durch galvanokaustische und andere Opera¬ 
tionen gegen eine Blutüberfüllung des Naseninnern 
zu arbeiten haben. Local genügt in leichten Fällen 
schon die Application einer lOproc. Schwefelsalbe 
oder die Aufpinselung des Bodensatzes einer Mixtur: 
Sulfur, praecip., Aq. amygdal. amarar. ana 10,0, Aq. 
Calcar. 50,0. — An Stelle des Schwefels wirkt auch 
ganz zweckmässig das Ichthyol (2 : 20 Lanolin). 
Es empfiehlt sich, die Abends aufgetragenen Salben 
aus Schwefel oder Ichthyol am Morgen mit warmem 
Wasser und Kaliseife wieder abzuwaschen. Bei 
der hierbei meist entstehenden Reizung der Haut 
soll man zwiBchenhindurch indifferente Salben an¬ 
wenden oder die gereizten Stellen mit Princessinnen- 
wasser (Bismuth. subnitric. 1,0, Tale. 15,0, Aq. 
rosar. 150,0) waschen. Wo jedoch bereits erweiterte 
Gefksse vorhanden sind, müssen dieselben durch 
methodische multiple Scarification zur Verödung ge¬ 
bracht werden. Am besten wirken dichte, parallel 
zu einander geführte Stichelungen, die in mehr¬ 
fachen Sitzungen, je nach der Intensität des Falles, 
fünf- bis zehnmal zu wiederholen sind. Die danach 
auftretenden Blutungen müssen durch Gompression 
gestillt werden. Eine nachträgliche Application von 
EiBenchlorid oder Argent. nitric. wird von Kaposi 
widerrathen. Uebrigens empfiehlt der Letztere bei 
den leichteren Formen die Application eines gut 


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klebenden Quecksilberpflasters, methodische Ein¬ 
pinselung von Jodtinctur bezw. Jodglycerin. Letz¬ 
teres wird 8—12 Mal binnen 3—4 Tagen auf die 
erkrankte Haut gepinselt und die Haut sodann mit 
Guttaperchapapier belegt. Bei den ausgesprochenen 
Formen von Geschwulstbildung tritt natürlich das 
Messer in seine Rechte, und man muss zu Keil- 
excisionen der Haut mit nachträglicher Vereinigung 
der Wundränder durch die Naht schreiten. Jurasz 
hat derartige Operationen mit gutem Erfolge ge¬ 
macht. Lassar hat ebenfalls das Abtragen der Ge¬ 
schwülste mit dem Messer und Jodoform verband 
und Thiersch’sche Transplantation danach empfohlen. 
Lassar hat auf diese Weise behandelte Fälle in 
10 Tagen heilen sehen. 

(Deutsche Medicinal-Zeitung. Dec. 1887.) 

M. 


Vom BUchertische. 

Uso familiäre dei rimedi omeopatioi Ricordo dell’ 
esposione generali di Torino. 1898. Von Dr. 
G. Bonino. Turin. 

Bei der im vorigen Jahre in Turin stattgefun¬ 
denen allgemeinen Ausstellung war auch die homöo¬ 
pathische Heilkunst und Heilwissenschaft würdig 
vertreten, und hat sich unser College Dr. G. Bonino 
der Mühe unterzogen, zum Andenken an diese Aus¬ 
stellung, eine Art homöopathischen Hausschatz 
seinem Volke darzubieten. Derselbe ist in ähn¬ 
licher Weise abgefasst wie das Hirscbel’sche Buch, 
giebt eine Geschichte der Homöopathie, mit der 
das Leben Hahnemann’s verbunden ist, und ertheilt 
dem Leser dann Anleitung und Unterweisung, 
welche Mittel er in den am häufigsten vorkommenden 
Fällen anzuwenden habe. Es gehört aber immer 
schon ein Grad von Bildung und Kenntniss der 
Physiologie und Pathologie dazu, um sich im 
klinischen Theile zu orientiren, zumal da die Krank¬ 
heiten mit dem schulgerechten Namen bezeichnet 
werden. Insofern bleibt C. Hering’s homöopathischer 
Hausarzt, der solche Kenntnisse nicht voraussetzt, 
noch immer ein unerreichtes Volksbuch. Dafür 
wird Dr. G. Bonino’s Buch für den jungen Mediciner, 
der einen Einblick in diese Heilmethode sich ver¬ 
schaffen möchte, ein geeigneter Leitfaden sein. 

Anuuaire de Hiomoeopathie & Paris. Von Dr. 
Gör&rd Enoausse. 1899. 

In diesem Büchlein haben wir eine Zusammen¬ 
stellung von den Verhältnissen der Homöopathie in 
Paris; wir erfahren daraus die Anzahl und das 
Locale der homöopathischen Hospitäler und Dispen¬ 
sarien (Polikliniken), sowie eine Liste der homöo¬ 
pathischen Aerzte und Apotheker in Paris. Ausser¬ 


dem finden wir einen Artikel zur Verständigung 
mit den allöopathischen Aerzten betreffs unserer 
Heilmethode, eine Uebersicht der gebräuchlichsten 
homöopathischen Arzneien und deren therapeutische 
Anwendung. Wenn wir diese letzteren Artikel für 
weniger wesentlich halten, so kann uns das an¬ 
gegebene statistische Material sehr willkommen sein; 
es giebt jedem, der Paris besuchen will, zumal 
während des beabsichtigten homöopathischen inter¬ 
nationalen Congresses im nächsten Jahre, zur Zeit 
der Weltausstellung, einen guten Wegweiser. 

A text book of m&teria medica and therapeutics 
of rare homoeopathic remedies. As Supplement 
to Br. A. C. Cowperwaiter’s „M&teria medica 44 or 
every greater m&teria mediea. By Oscar Hansen, 

M. D. London 1899. 

Nunmehr liegt uns ein englisches Buch vor, 
aber der Vater desselben ist der liebe, dänische 
College Dr. Hansen, der hier im englischen Ge¬ 
wände erscheint. Ein emsiger Forscher in unserer 
Materia medica, hat er letzthin sein Augenmerk be¬ 
sonders auf die seltener gebrauchten, theilweise 
noch gar nicht durch geprüften, sondern mehr ex 
usu in morbis gekannten Mittel gerichtet und legt 
uns in diesem Werkchen die Frucht seines Sammel- 
fleisses vor. Wir erhalten somit einmal ganz kurze 
pathogenetische Notizen über eine Anzahl Mittel, 
sodann therapeutische, klinische Indicationen, und 
zwar überwiegen letztere. Gern hätten wir auch 
pharmacologische Notizen über einige neuere, nament¬ 
lich in Amerika vielfach gebrauchte Mittel gehabt, 
so z. B. über Lac caninum, Sabal serrulat. u. a. 
Immerhin ist Dr. Hansen’s Werk ein sehr nützliches 
Supplement zu den bereits vorhandenen Büchern 
über homöopathische Arzneimittellehre — und das 
war ja des Autors Absicht. 

Zum Schluss erwähnen wir noch eine deutsche 
Schrift: 

Die Gefahren der künstlichen Sterilität, besonders 
in ihrer Beziehung zum Nervensystem. Eine 
Studie für Aerzte und Laien. Von Dr. med. 
C. Aotolf. Leipzig 1898. 

die bereits in vierter vermehrter Auflage erscheint. 

Die bedeutsame Frage der facultativen Sterilität, 
d. h. der absichtlichen Behinderung der Befruch¬ 
tung durch mancherlei Manipulationen und mecha¬ 
nische Mittel, ist in letzter Zeit von berufenen 
Aerzten wie auch von meist unberufenen Laien 
vielfach erörtert und ins grosse Publikum geworfen 
worden. Es haben sich bereits eine Anzahl „Er¬ 
finder 44 an die Herstellung mehr oder weniger 
raffinirter mechanischer Apparate zur Erreichung 
des oben gedachten Zweckes gemacht, und ist auf 
diesem Gebiete viel gesündigt worden. Dagegen 


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erhebt nun Verf. seine warnende Stimme. Um den 
Laien einen Einblick in das zu geben, worum es 
sieb hier handelt, giebt er eine übersichtliche Dar¬ 
stellung der geschlechtlichen Verhältnisse, der 
Zeugung und Befruchtung beim Menschen. Dann 
bespricht er die mannigfachen anticonceptionellen 
Mittel, die bereits im Gebrauch sind, und hieraus 
kann auch der Arzt Manches lernen. Schliesslich 
stellt er eingehend die Gefahren dar, welche aus 
all diesen Manipulationen für die Gesundheit, 
namentlich für das Nervensystem beider Geschlechter, 
insbesondere aber für das weibliche, entspringen. 
Nur ein einfaches physiologisches Mittel lässt er 
gelten, die Ausübung des Coitus zu einer Zeit, in 
der erfahrungsgemäss die Conception am seltensten 
zu Stande kommt, d. h. die Zeit bald nach Ablauf 
einer Menstrualperiode. Alles Andere ist natur- 
und deshalb gesundheitswidrig — eine Ansicht, in 
der wir mit dem Verf. völlig übereinstimmen. 

Dr. Moisa. 


Selenium in der Impotenz. 

Dr. Halbert macht auf Selenium bei Behandlung 
der Impotenz aufmerksam. Das Mittel scheint in¬ 
dessen auf die psychische Seite der Krankheit mehr 
Einfluss auszuüben als auf die Schwäche des 
Rückenmarks selbst, namentlich bei solchen Kran¬ 
ken, die das Vertrauen auf ihre geschlechtliche 
Potenz verloren haben. Es handelt sich in solchen 
Fällen um beginnenden Mangel der Controle des 
Gehirns über die unteren Centra des Rückenmarkes. 
Anfangs ist hier sogar excessive Geschlechtsthätig- 
keit möglich eben in Folge der mangelhaften Con¬ 
trole des Gehirns, bis die Schwäche in ausge¬ 
sprochenem Grade sich kund giebt, weil dann die 
Gehirnzellen so abgeschwächt sind, dass sie dem 
Rückenmark keine motorische Direction mehr geben 
können. Man sieht also, dass die Hauptcharakte¬ 
ristika des Mittels ihre Richtung auf den cerebralen, 
psychischen Zustand nehmen. — Der Kranke wird 
anfangs in seinen Geschäften vergesslich; der Geist 
ist noch ziemlich lebhaft, wenn man an däs Ver¬ 
gnügen denkt; sobald sich die Aufmerksamkeit 
aber auf die To^esgeschäfte richtet, so wird er 
stumpf und unzuverlässig. Bei Nacht dagegen ar¬ 
beitet das Gehirn ganz übermässig, und der Pat. 
leidet an Schlaflosigkeit. Durch den Schlaf wer¬ 
den alle Symptome verschlimmert. In dem Maasse, 
als die Impotenz vorschreitet, nimmt auch die Ab¬ 
stumpfung des Geistes zu, bis eine allgemeine 
Gleichgültigkeit und Theilnahmslosigkeit für die 
ganze Umgebung Platz greift. 

Die bei dieser Art von Fällen so gewöhnliche 
Furchtsamkeit wird nicht beobachtet; es findet sich 


vielmehr ein Zustand geistiger Unfähigkeit; Stam¬ 
meln und mangelhafte Articulation sind hier wich¬ 
tige Symptome. Dabei besteht Verstopfung und 
tropfenweiser Abgang des Urins, welche ebenfalls 
von dem motorischen Defect des Gehirns abhängen. 
Kranke dieser Art gefallen sich in wollüstigen Vor¬ 
stellungen, deren Befriedigung ihre psychische 
Schwäche ihnen nicht gestattet, und dass solche 
ein bedeutendes Contingent für die Irrenhäuser 
stellen, kann nicht Wunder nehmen. 

Zum Schluss berichtete Prof. Halbert über einen 
Fall dieser Art, bei dem die fortgesetzte Anwen¬ 
dung von Selen, fast völlige Wiederherstellung der 
Gesundheit herbeigeführt hat. 

(The Clinique. — Revue homoeop. beige. Juli 1898.) 


Bitte an die Collegenl 

Für einen älteren Collegen, Vater schulpflich¬ 
tiger Kinder, der ohne eignes Verschulden in höchste 
Noth gerathen, aber, bestimmte Aussicht hat, bald 
wieder in die Höhe zu kommen, wird eine Geld¬ 
unterstützung, die als Darlehen betrachtet wird, 
auf diesem Wege erbeten. Schleunigste Hülfe ist 
dringend nöthig, da seine Existenz davon abhängt, 
und ist jeder Betrag willkommen. — Gefl. Gaben 
nimmt entgegen und ist zu näherer Auskunft bereit 

Metz, den 2. Januar 1899. 

Dr. Xeinel, 

Geh. San.-Rath, Kreisarzt der Stadt Metz 
und 

Medicinalreferent des Bezirks-Präsidiums. 

Wir richten an die geehrten Herren Collegen 
die Bitte, diesem im äussersten Westen des deut¬ 
schen Reiches in Noth gerathenen homöopathischen 
Berufsgenossen freundlich zu Hülfe zu kommen. 
Herr Apotheker Steinmetz, Leipzig (Verlag die¬ 
ses Blattes) ist bereit, die eingehenden Beiträge zu 
sammeln und an die richtige Adresse zu befördern. 

Die Redaction. 


LesefrUohte. 

Fleischdiät. 

Das Verhältniss der Harnsäure zum Harnstoffe 
gestaltet sich bei anomalischer Ernährung wie 1:86, 
bei gemischter Kost wie 1:27,5, bei vegetabilischer 
wie 1:22. Hieraus ergiebt sich, dass eine von 
gemischter Kost lebende Person 25 °/ 0 mehr Harn¬ 
säure ausscheidet als eine von Vegetabilien lebende, 
während eine ganz animalische Diät beobachtende 
60 °/ 0 mehr als der Pflanzenesser ausscheidet. Halten 
I wir diese Thatsache zusammen mit dem häufigen 


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95 


Vorkommen der Gicht unter den fleischessenden 
Engländern, so ist sie gewiss bedeutungsvoll. 

Man hat auch dem zu reichlichen Genuss von 
Fleisch die Entstehung von Krebsgeschwülsten zu¬ 
geschrieben. Der übermässige Genuss von Fleisch 
erzeugt eine über das normale Mass hinausgehende 
Lebensthätigkeit im Epithel, das nun, anstatt nach 
aussen zu wachsen, in die weichen tiefergelegenen 
Gewebe wuchert, bis es die Lympbgänge erreicht, 
sie durchsetzt und bis an die Lymphdrüsen hin¬ 
gelangt. Hier setzen sieb die neoplastischen Zellen 
fest und kommen zu einer so ausgiebigen Entwick¬ 


lung, deren Resultat dann die Krebsgeschwulst ist. 
Die vegetabilische Diät ist deshalb schon vielfach 
als Vorbeugungs- und auch als Heilfactor bei Krebs 
empfohlen und erfolgreich angewandt worden. Unter 
den Fleischsorten wird namentlich das vom Schwein 
in dieser Beziehung stark angeschuldigt. — Dem 
gegenüber steht leider die Thatsache, dass einer 
der eifrigsten Apostel des Vegetarianismus und der 
Hydrotherapie, Hahn auf der obern Waid, an 
Mast darmkrebs Jahre lang gelitten und daran ge¬ 
storben ist. (Ref.) 


Anzeigen. 


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*cher Arzt übernimmt jederzeit Vertretungen. 

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Dr. med. prakt. hom. Arzt, Special, f. Kinderkrankh. 
einschl. Chirurgie, nicht dispensirb. aber m. prakt. phar- 
maceutischer Bildung, Redner und Schriftsteller, wünscht 
Praxis mit Fixum zu übern, oder m. vielbeschäft. Collegen 
zusammenzuarbeiten. Off. erb. sub „Praxis 11 an die Ex- 
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Ein homöopathischer Arzt, Dr. med«, 
mit Schweizerischem Staatsexamen, sucht 
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Berlin 

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vorzüglichen Arzneien in bester and frischester Qualität 
stets, und nur in Originalpackung und zu Original- 
preisen zu haben sind: 
für Berlin O. und S.O.: 

Emmaus-Apotheke, Apotheker E. Seyd, Reichenberger¬ 
strasse No. 150. 
für Berlin N.W.: 

Roland-Apotheke, Apotheker Birmane, Thurmstrasse 

No. 16. 

für Rostock (und beide Mecklemburg): 
Universitits-Apetheke, Blücherplatz. 


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96 


Nachstehend verzeichnete Apotheken empfehlen wir 

^ Haupt-Depots 

unserer homöopathischen Arzneien, Hausapotheken etc. — 
Dieselben haben sich verpflichtet, alle Arzneien etc. von 
nns nur in Originalpackungen mit einer unsrer Firmen zu 
beziehen nnd weiter zu verkaufen, sodass volle Garantie 
für Echtheit und beste Qualität den verehrten Käufern 
geboten ist. 

Karl Otte’s Fischmarkt-Apotheke, Hamburg, 

Fischmarkt. 

Dr. G. Wiedermann, Löwen-Apotheke, Frei¬ 
burg i. Baden. 

Joh. Manecke, Hof-Apotheke, Magdeburg. 
Dr. C. Hofs Apotheke, Pforzheim (Baden), 
gegenüber dem Bathhause. 

Dr. Fr. Oelze, Krnmmacher’sche Apotheke, 
Bielefeld, am alten Markt. 

Alfred Fitzau, Rothe Apotheke, Bernburg 

(Anhalt), Kaiserstrasse 3 a. 

H. Steinhorst, Mohren-Apotheke, Prenziau. 
Wed. Bulterman & Cohen, Apotheker, Rotter¬ 
dam, Hoogstraat. 

J. W. Floren, Centraal-Apotheek, Haarlem, 

Groote Houtstraat 78. 


Weitere Depots folgen in allen grossen Städten. 

Die vereinigten 

Leipziger homöopathischen Apotheken: 
Täschner & Co., Homöopathische Central-Apotheke, 
A. Marggrafs homöopathische Offlcin und Carl 
Grauer'« homöopathische Offlcin (früher in Dresden). 


Auf Reisen and zur Dispensation sehr practisch. 
Homöopathische Mittel 

in Tablettenform, ä 0,85 Gramm Gewicht. 

(Das richtige Quantum für eine einzelne Arzneigabe.) 

1 Cylinder ä 12 Stück = 3 Gramm . . . Mk. —.20 


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24 

11 

= 6 

i» 

• • • ii 

—.30 

1 

»i 

k 

30 

n 

- 7,5 

ii 

. . . „ 

-.35 

1 

ii 

k 

40 

ii 

= 10 

ii 

. . . „ 

—.45 

1 

11 

ä 

50 

ii 

= 12,5 

ii 

• • • n 

—.55 

1 

i» 

k 

60 

ii 

= 15 

ii 

* • • ii 

-.65 

1 

„ 

ä 

80 

ii 

= 20 

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• • • ii 

—.75 

1 

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k 100 

ii 

= 25 

n 

• . • ii 

-.90 

1 

»» 

ä 120 

ii 

= 30 

ii 

• • • ii 

1.10 

1 

»» 

k 150 

ti 

= 37,5 

n 

. . . ,, 

1.35 

1 

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k 200 

ii 

= 50 

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• • • ii 

1.80 

1 

ii 

k 400 

ii 

= 100 

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A. Marggrafs homöopath. Offlcin, Leipzig. 


Marg’aelieg Krebsmittel 

gam frisch. 

Von Herrn Missionar Mars ist wiederum am 13. Februar 
1899 ein grösseres Quantum seines Krebsmittels eingetroffen. 
Ich stehe somit wieder gern mit diesem Mittel zu Diensten 
und kann es nun erfreulicher Weise auch billiger abgeben, 
und zwar 1 Portion: 10,0 mit Gebrauchsanweisung: 1,50 Mk. 
(früher 2 Mk). 

A. Marggrafs homöopath. Offlcin, Leipzig. 



Das homöopathische Krankenhaus zu Leipzig 

(Sidonlenstrasse No. 44) 

eröffnet im Sommer 1888 und Eigenthum des homöopa¬ 
thischen Central Vereins Deutschlands, nach Muster der 
besten und ersten Krankenhäuser und nach den neuesten 
Erfahrungen eingerichtet, wfrd den Anhängern und Freun¬ 
den der Homöopathie sowohl zur Benutzung in schweren 
Krankheitsfällen als auch zur wohlwollenden Unterstütz¬ 
ung aufs Wärmste empfohlen, damit auch Unbemittelten 
der Segen der homöopathischen Heilmethode zu Theil 
werden kann. Beitiäge jeder Art, auch die kleinsten, 
nimmt der Kassenverwalter, Apotheker W. Steinmetz, in 
Firma A. Marggrafs homöopathische Offlcin in Leipzig, 
jederzeit dankbarst entgegen. 

Die neuen Statuten und Aufnahmebedingungen des 
mit einem Krankenpensionate I. und 11. Klasse verbunde¬ 
nen homöopathischen Krankenhauses hierselbst können 
sowohl von der Direction desselben, wie auch von uns 
bezogen werden. 


Zur Eiweissbestimmung im Harn, 

qualitativ und quantitativ, empfehle als das Einfachste 
und Praktischste die 

Esbach’schen Albuminimeter 

mit genauer Gebrauchsanweisung k Mk. 3. 

Die dazu gehörige Lösung von Citronen- u. Picrinsäure 
gebe ich in jedem Quant, (ä 100,0 = 30 Pf. ohne Flasche) ab. 

Zur Zuckerbestimmung im Harn, 

qualitativ und quantitativ, empfehle als das Einfachste 
und Praktischste die 

Limousin’schen Tropfenzähler 

mit genauer Gebrauchsanweisung und Berechnungstabelle 
ä Paar = Mk. 3.50. 

Die dazu gehörige Fehling’sche Lösung, stets ganz 
frisch, wird in Glasstöpselgläsern ä 30,0 = 50 Pf. incl. 
Flasche abgegeben. 

Ferner empfehle ich den Herren Aerzten 

C. Hilber’s Reagens-Papiere 

zum Nachweis von Zucker und Eiweiss im Ham. 
Höchst praktisch in Etuiform (14 cm hoch, 10 cm breit 
und l 1 /* cm dick) mit Reagenscylinder und Notizbuch, in 
der Tasche zu tragen. 

Jedes Etui kostet nur 2 Mk. 

A. Marggrafs homöopath. Offlcin in Leipzig. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julius MAser in Leipzig. 


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Band 138, 


Leipzig, den 30* März 189(1 


No. 13 u. 14. 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITH«. 

Heraasgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlas: TonWilliam Steinmetz(A.MarggraPs Homöopath.Offtein) In Leipzig 

Thomaskirchhof 12. 


Erscheint litägig eu 2Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 Af. SO Pf'. (Halbjahr). Alle Bnohhandlnngen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs -Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. M&rggraPs homöopafh. Offlein in Leipzig) zn richten 
sind, werden mit 20 Pf. pro ^inmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 5— 8 Af. berechnet. 

Inhalt. Berliner homöopathisches Krankenhaus. Einladung zur Ordentlichen Generalversammlung am 15. April 
1899. — Zur diesjährigen Influenza-Epidemie in Nord-Amerika. Von Dr. W. W. Gleason. Ref. Dr. Mossa. — Formu- 
laire de thörapeutique positive (Homoeopathie). Par Dr. G. Sieffert. Besprochen von Dr. Marc Jousset (1’ait medi¬ 
cal). — Homöopathische Rundschau. Auszug aus dem Journal Beige d’homoeopathie und der Revue homoeopathique 
franqaise. Von Dr. med. Roh. Stäger. (Fortsetzung.) — Cocain-Vergiftungen — Lachesis in Endocarditis. Von M. — 
Ward’s Island Hospital, New York. Von Dr. Mossa. — XV. Jahresbericht des homöopath. Spitals Manchen. — Bitte an 

die Collegen! — LesefrQchte. — Anzeigen. 


iW Schluss der Schriftleitung': Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Berliner homöopathisches Krankenhaus. 

Einladung 

zur 

Ordentlichen Generalversammlung 

am Sonnabend, den 15. April 1899, Abends 7 1 /* Uhr, in der Poliklinik des Berliner Vereins 
homöopathischer Aerzte, Charlottenstrasse 77/78. 

Tagesordnung: 

1. Rechenschaftsbericht für das Jahr 1898. 

2. Antrag auf Ertheilung der Decharge an das Cnratorium. 

8. Bericht des Car&toriums über seine Thätigkeit im verflossenen Rechnungsjahre. 

Berlin, 25 . März 1899. Das Curatorium. 


Prof. Dr. Liebreich’s Vortrag über: 
„Wehrkraft des Organismus gegen Mikro¬ 
organismen“ 

auf der 20. Jahresversammlung der Gesellschaft 
der deutschen Badeärzte in Berlin. 

6. März 1899. 

Prof. Liebreich ist kein Freund der Homöo¬ 
pathie und doch hat diese, obwohl er sie nicht in 
der Tiefe studirt und erfasst hat, einen Stachel in 
seinem ärztlichen Gewissen zurückgelassen, so dass 
er in seinen Heden immer wieder auf sie zurück¬ 


kommt und, wenn er auch nicht will, gewöhnlich 
ein Zeugniss für — und nicht gegen sie — ab- 
legen muss. So können wir mit seinem diesjährigen 
Vortrage in der balneologischen Gesellschaft in 
Berlin ganz zufrieden sein. 

Er hat sein Thema: „Wehrkraft des Organis- 
1 mus gegen Mikroorganismen“ dahin beschränkt, dass 
i er hauptsächlich das Verhalten des Arztes dem 
gegenüber behandelt hat — was uns gerade be¬ 
sonders recht ist. Skizziren wir den Vortrag, so 
I ist der Gedankengang des Redners folgender: 

I Der Organismus ist nicht leicht mathematisch 
richtig zu definiren, denn jede äussere Einwirkung, 

13 


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98 


jeder Wechsel des Klimas, der Umgebung bewirkt | 
Veränderungen des Organismus. Gegenüber allen I 
schädlichen Einwirkungen besitzt der Organismus j 
eine gewisse Wehrkraft, die durch die Massregeln 
der Gesundheitspflege gestärkt wird. Die Nase und 
der Rachen sind z. B. die vollkommensten Staubfänger. 
Durch die grossartigen medicinischen Entdeckungen 
der Neuzeit sind wir dazu gekommen, das Leben 
auf das Leben der Zelle zurückzuführen und diese 
zum Ausgangspunkt der ganzen neueren Medicin 
zu machen. Aber in Bezug auf die wichtig- j 
sten Vorgänge im Leben der Zelle lässt uns die | 
Beobachtung in Stich und wir sind auf das Kalkül 
angewiesen. Die Kraftäusserungen der Zelle sind 
in verschiedener Richtung denkbar, die Kraft ist 
zerlegbar. Eine solche Kraftrichtung geht dahin, 
eingedrungene Fremdkörper zu vernichten, unschäd¬ 
lich zu machen. Und wie die eingedrungene Blei¬ 
kugel im menschlichen Körper verkapselt werden 
kann, so kann nach den Menschikow’schen Ent¬ 
deckungen auch die Kraft der Zelle die schädlichen 
Mikroorganismen zerstören. Auch die Entdeckung 
Pfeiffer’s, die den Cholera-Bacillus vertilgen lehrt, 
gehört hieher. Die Heilbehandlung des Kranken J 
hat sich also in erster Linie darauf zu richten, die 
Zellen zur Wehrkraft zu bringen, die Wehrkraft 
des Organismus zu erhöhen und ihm freien Lauf 
zu lassen. Die gesammte Medicin ist in gewissem 
Sinne eine Naturheilkunde. J die jenigen also segeln 
unter falscher Flagge, die vorgeben, die Naturheil¬ 
kunde allein und besonders auszuüben. Es ist die 
Aufgabe der Therapie, die Natur zu unterstützen. 
Wenn wir das erkennen, werden wir uns nicht in 
physikalische und diätetische oder andere Schulen 
scheiden, die immer wieder als ganz etwas Neues 
auftreten, wie eine Pariser „Nouveaute“ und die 
sich doch meist historisch entwickelt haben. Früher 
hatte man die Meinung, dass das Heilmittel die 
Heilung selbstthätig hervorruft, während man jetzt 
überzeugt ist, dass es nur die Kraft der Zelle des 
Organismus gegenüber den schädlichen Wirkungen 
stärkt und anregt und reizt. Aber gerade auch 
hier ist nur die Kunst der wissenschaftlich gebil¬ 
deten Aerzte im Stande, das rechte Mittel zu fin¬ 
den, während das nicht gebildete Publikum dazu l 
nicht fähig ist. Dazu gehören auch die diätetischen ' 
Vorschriften. Hufeland hat bei Gelegenheit des 
ersten Auftretens der Homöopathie, die er leider 
nicht kräftig genug ablehnte, vorhergesagt, dass 
sie die Aerzte wieder auf die Wichtigkeit der Er¬ 
nährungsfrage hinweisen würde. Doch ist die Er¬ 
nährungslehre auch heute noch sehr ausbildungs- 
fähig. Wir haben es noch kaum mit einer Ernäh- 
rungs-, sondern mehr mit einer Fütterungslehre zu 
thun. Wir müssen vor allem lernen, wie die 
Wehrkraft der Zelle sich hebt, dann werden wir 


wahrhaft naturwissenschaftliche, wahre Naturärzte 
sein. (Lebhafter Beifall.) 

Nun, im Grunde genommen ist die homöo¬ 
pathische Heilkunst eine solche Zellgewebstherapie, 
wie sie dem Prof.. Liebreich vorschwebt. Krank¬ 
heit ist bei Hahnemann eine Verstimmung, Störung 
der Lebenskraft, dieser so oft von der Wissenschaft 
hingerichteten und doch immer wieder auferstan¬ 
denen Lebenskraft, d. h. der gesammten, als Ein¬ 
heit zusammengefas8ten Lebensthätigkeit des Orga¬ 
nismus. Die moderne Wissenschaft lehrt am Ende 
nichts Anderes, als eine Auflösung dieser Gesammt- 
kraft in eine unermessliche Zahl von Coefficien- 
ten, als deren Träger die Milliarden von Zellen, als 
die letzten und feinsten organisirten Gebilde des 
Organismus, gelten. — Die Anschauung, dass 
das Heilmittel die Kraft der Zelle (oder einer 
Zellengruppe) gegen die schädlichen Wirkungen 
stärkt und anregt und reizt, ist gerade für die 
Wirksamkeit des nach dem Aehnliclikeitsprincip 
gewählten, das Gebiet der kranken Zellen direct 
beeinflussenden Mittels, seit lange bei uns ein¬ 
gebürgert. 

Gern acceptiren wir Hufeland’s prophetischen 
Ausspruch, dass „die Homöopathie die Aerzte wie¬ 
der auf die Wichtigkeit der Ernährungsfrage hin- 
weisen würde.“ 

Warum soll nun der gerecht und billig denkende 
Hufeland diese Heilmethode „leider,“ wie Liebreich 
sagt, „nicht kräftig genug abgelehnt haben,“ eine 
Heilmethode, die so viele, jetzt erst in der moder¬ 
nen Wissenschaft aufgegangene Lebenskeime in 
sich trug. 

Kurz vor seinem Tode hat sich der alte Hufe¬ 
land zu einer ihm nahestehenden Person in Bezug 
auf die Homöopathie also geäussert: „Ich musste 
mir sie abhalten, denn ich hatte keine Zeit mehr 
dazu und hätte von Neuem anfangen müssen, aber 
sie ist eine der grössten Erscheinungen in der 
Medicin, die je erlebt ward, und ihre Entwickelung 
wird unberechenbare Folgen haben, die ich nicht 
mehr erleben kann.“ 

Eine weniger bekannte Aeusserung Hufeland’s 
betreffs unserer Methode findet sich in seinem En- 
chiridion medieum p. 2, wo es heisst: „Selbst die 
di recte Kur der Krankheiten durch sogenannte 
Specific a ist ein Werk der Natur, indem das Heilmittel 
nur als Anstoss wirkt, die dadurch aber erregte 
Reaction und die Umänderung zum Bessern selbst 
nur durch Hilfe der innerhalb wirkenden Natur¬ 
kraft möglich ist, und insofern ist selbst die Ho¬ 
möopathie, die sich so hoch über die Natur stellt 
(nach Hahnemann’s hier und da gethanen Aeusse- 
rungen könnte es so scheinen, als ob der homöo¬ 
pathische Arzt ein Magister und nicht bloss ein 
Minister naturae wäre. Ref.j, gerade der beste Be- 


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99 


weis ihrer wirkenden Kraft, denn auch sie ist nichts i 
Anderes, als eine Methode, durch Specifica zu 
heilen, und indem sie ähnlich wirkende Mittel wählt, 
wirkt sie eben auf das leidende Organ selbst, weckt 
die Reaction der Natur in demselben, und erzeugt | 
jenen inneren Naturheilungsprocess, der die Krank¬ 
heit heilt.“ — j 

Um dieser Aussprüche willen wollen wir eine 
andere Aeusserung Hufeland’s gern verschmerzen, ! 
obwohl diese letztere uns seiner Zeit viel geschadet 
hat. Er nannte nämlich einmal die Homöopathie 
ein Grab der Wissenschaft und stellte den Fehl 
Schluss auf, ein Homöopath bedürfe weder der 
Anatomie, nach Physiologie, noch Pathologie etc. — 
Dass dem nicht so ist, brauchen wir heutzutage 
nicht mehr zu beweisen. Jenes Urtheil war eben 
so wahr und falsch, als wie das eines anderen 
grossen Mannes, die Ehe sei das Grab der Liebe 

Ja, die Homöopathie hat all* ihr Lebtage, 
seit ihrer Begründung vor einem Jahrhundert, die 
Bestrebungen und Forschungen der medicinischen 
Wissenschaft aufmerksam verfolgt und die auf wirk¬ 
lich naturwissenschaftlichem Grunde erwachsenen 
Entdeckungen, zum Theil auch Theorieen, in sich j 
aufgenommen, freilich ist sie auf ihrem eigenen 
Boden verblieben und nicht in die moderne 
Wissenschaft aufgegangen, sondern hat ihrer aufs 
Praktische gerichteten Natur gemäss alle neueren 
Erkenntnisse in den Dienst der Krankenheilung j 
gestellt; dafür hat sie aber als ein vollgültiges j 
Aequivalent der Medicin eine gut ausgebildete | 
Experimentirkunst am Gesunden, eine wirklich 
physiologische Prüfung von Arzneistoffen und eine 
Heilkunst entgegengebracht, die, auf dem Grunde 
solcher physiologischen Arzneiprüfungen beruhend, 
Mittel darbietet, welche die „Wehrkraft der Zelle“ j 
gegen krankhafte Einwirkungen wohl zu benutzen 
und zu heben versteht, zumal sie die gesunden 
Gewebe beim Heilgeschäft schont und ihre Arbeits¬ 
fähigkeit, welche eine zweckmässige Diätetik zu 
unterstützen bestrebt sein soll, nicht untergräbt. 

Dr. Mossa. | 

Zur diesjährigen Influenza-Epidemie in Nord- 
Amerika. 

Von Dr. W. W. Gleason. 1 

Die Influenza hat sich in diesem Jahre als ein 
genuines, katarrhalisches, epidemisches, anstecken¬ 
des Fieber gezeigt. Ihre Ansteckungsfahigkeit 
ist zwar ebenso oft verneint wie bejaht worden, 
aber in dieser Saison ist sie sicherlich ansteckend 
aufgetreten, indem sie ganze Familien, Pensions¬ 
häuser, Hotels und die Schulen in weitem Umfange | 
durchzogen hat. Die respiratorischen und gastri- | 


sehen Symptome, das hohe Fieber, die schnelle 
Kraftlosigkeit, Kopfweh, Husten, Dyspnoe, Ner¬ 
vosität, Schlaflosigkeit, böser Hals und Schmerz in 
Rücken und Gliedern waren stark ausgesprochen. 
Die Krankheit hatte unterschiedslos alle Lebensalter, 
Stände, vom Säugling bis zum Greise, ergriffen. In 
hochgelegenen wie niedrigen Oertlichkeiten, in den 
besten wie in den schlechtesten Aussenverhältnissen, 
bei Frauen wie bei Männern hat sie geherrscht. 
In einem Falle hat sie, wie Verf. in dem von ihm 
berichteten, mit Arsen geheilten Falle beobachtete, 
eine andere Krankheit vertrieben (oder suspendirt). 
Dieser Patient war über ein Jahr lang in Folge 
eines acuten, allöopathisch mit Salicylsäure und Bro¬ 
miden behandelten Rheumatismus, an chronischem 
Gliederweh krank gewesen und vom Verf. zwei 
Monate lang wegen letzteren Leidens behandelt 
wordeu. Es fragt sich, ob das Rheuma, das in den 
Fussgelenken sass, wiederkehren werde. Während 
die Influenza, wie gesagt, dieses Jahr ausgebrei¬ 
teter auftrat, erschien sie dem Verf. weniger schwer, 
wenigstens der Behandlung zugänglicher; die Mehr¬ 
zahl der Fälle klärten sich in 4—5 Tagen auf, 
und hat Verf. in seiner Praxis keinen schlecht aus¬ 
gehenden Fall gehabt. 

Schwer genasen die Patienten, welche im Be¬ 
ginne der Krankheit Chinin oder eines der Kohlen- 
theerpräparate, deren plumper Gebrauch so manches 
Herz und manchen Verstand ruinirt haben, genom¬ 
men hatten. 

Aus seinen in früheren Influenza-Epidemieen 
geschöpften Erfahrungen muss Verf. constatiren, 
dass die Krankheit, wenn unrichtig behandelt, oder 
durch heroische Mittel unterdrückt wird, die Neigung 
hat, acute Pneumonie, acute und chronische Bron¬ 
chitis, Asthma hervorzubringen, und Tuberkulose 
oder Phthisis bei den dazu beanlagten Personen zu 
erwecken oder, wenn sie bestehen, diese zu stei¬ 
gern. Der Gang der Krankheit ist ein variabler, 
Kopf-und Rückenschmerz, Halsweh, Husten, Schmerz 
in den Gliedern oder das Fieber; ein jedes dieser 
Symptome kann die Scene eröffnen, können da 
sein, ehe man den Fall zu Gesicht bekommt. 

Verf. führt nun mehrere Einzelfälle vor, um 
so ein Bild von den Krankheitssymptomen zu 
geben. 

1. Fall. Frau H., 36 Jahr alt, mittlerer Grösse, 
mit dunklem Teint, mager. Der Ausbruch der 
Grippe geschah in folgender Ordnung: 

Rücken: Frostscbauer. Schmerz im Hinterkopf, 
der nach dem Wirbel stieg. 

Hah: Trocken, schmerzhaft erst rechts, dann 
links. Kein Durst. Heiser, Stimme rauh. 

Mund: trocken. 

Magen: Empfindlich gegen die Berührung der 
Kleider. 

13* 


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100 


Unterleib: Kolikartige Schmerzen rechterseits 
mit Drang zum Uriniren. 

Husten: Trocken, verursacht Kopf- und Magen¬ 
weh. Husten von einer Empfindung, als ob sie 
Kohlendampf eingeathmet hätte. — Husten schlimmer 
spät Nachmittags und Abends und beim Nieder¬ 
legen. Auswurf gelb wie Eiter, blutgestreift. 

Fieber: Hitzeüberlaufen. Kälte über den ganzen 
Körper. Nausea. Durst auf Wasser, von dem er 
wenig trinkt. Klebriger Schweiss am Körper im 
Bette während der Nacht. Gesicht kalt. 

Glieder: Nachts Schmerzen in den Vorderarmen. 
Krampfadern am rechten Bein (die schon Jahre 
lang vorhanden) verschlimmern sich. Schmerz im 
linken Arm. 

Lycopodium 30. heilte. 

2. Fall. Frau N., 60 Jahre alt, mittlerer Grösse, 
mit dunklem Teint, mager. Die Krankheit setzte 
ein: Mit einem Gefühl von mehrtägiger Schwäche. 
Aengstliche Gemüthsstimmung, verzagt, reizbar. 

Kopf: Scheite] heiss, mit Klopfen im Hinterkopf. 

Urin: Spärlich und dunkelbraun. I 

Hals: Schmerzhaft, trocken. 

Nase: Trocken. | 

Fieber: Allgemeine Kälte mit heftigem Schmerz 
im Kopf , Armen , Rücken , Handgelenken, Fingern , ] 
EUbogen , Knieen , Beinen und Füssen. Sehr durstig 1 
in der Kälte , al>er das Trinken selbst von wenig 
Wasser macht Erbrechen. 

Husten: Trocken, thut der Brust so weh, dass 
sie diese mit den Händen halten muss. 

Athmungsorgane: Heiser. Tiefathmen macht 
Schmerz in der rechten Seite. Dyspnoe, muss im 
Bett aufgerichtet werden. 

Eupatorium perfol. 30. heilte. 

3. Fall. Eine 35jähr. Frau, Blondine, Mittel¬ 
grösse. Der Anfall setzte ein mit: 

Husten: Bei Tiefathmen; Auswurf gelbschleimig. 

Hals: Trocken bei Nacht. 

Rücken: Schmerz unter dem linken Schulter¬ 
blatt, schlimmer beim Tiefathmen, mit Stichen in 
der Lendengegend. 

Glieder: Die Arme thun weh, schlimmer bei 
Bewegung. Stossender Schmerz im linken Bein. 
Schmerz in den Waden. Die Schmerzen springen 
von einem Bein zum anderen. j 

Fieber: Kälte selbst im warmen Zimmer. Durst I 
auf ein Schlückchen kalten Wassers. Abgeschlagen- 
heit. ; 

Scldaf: Schläfrig, ohne schlafen zu können. | 

Schlaflos bei Nacht wegen der sich drängenden 
Gedanken. 

Magm: Erbrechen grünen, bittern Schleimes. 

Pulsatilla 30. war das Heilmittel. 

4. Fall. Eine 25jähr. Frau von dunklem Teint, 

mässig gut genährt. Niedergeschlagen, muthlos. , 


Kopfweh: Heftiger, congestiver Druck; schwin¬ 
delig. 

Hals: Trocken und wund. 

Mund: Trocken, ebenso die Zunge. 

Husten: Von Kitzel im Kehlkopie oder von 
Schleim, der sich im Hake anhäuft. — Der Schleim 
ist zäh , jasetdg, klebrig. — Husten schlimmer vom 
Essen oder Tiefathmen. 

Magen: Empfindlich, schmerzhaft. Wenn der 
Schmerz im Beine zunimmt, nehmen die Magen¬ 
beschwerden ab. 

Nacken: Steif. 

Rücken: Schiessende Schmerzen in der Inenden- 
gegend, erst auf der linken Seite, dann auf der 
rechten , schlimmer von Bewegung. Schmerz im 
Steissbein beim Sitzen und beim Aufsteben danach. 

Glieder: Schmerz im linken Bein wie Ischias, 
der in die Wade hinabschiesst. 

Fieber: Frost mit Hitze wechselnd. Verlangen 
auf saure Getränke, die aber die Magensyraptome 
verschlimmern. 

Kali bichrom. (Hochpotenz) heilte. 

5. Fall. Eine 42jähr.Frau, untersetzt, mit dunklem 
Teint, litt als Kind an Eczem; jetzt hat sie einen 
schuppigen Ausschlag am Unterleib und Rücken. 
Die Influenza begann mit: 

Mund: Brennen. Brennen au der Zungen¬ 
spitze. 

Hals: Zäher Schleim im Halse, der sich beim 
Husten löst, aber nicht, herausbefördert werden kann, 
sondern verschluckt werden muss. 

Gemüth: Wie geistesabwesend; reizbar, ängst¬ 
lich ; gedächtnissschwach. 

Husten: In Paroxysmen mit Athemverlust, als 
ob sie nie wieder würde leicht athmen können. 
Der Husten entsteht von einer Anhäufung viel 
zähen, klebrigen Schleimes im Halse. Sie hustet 
so lange, bis der Schleim erbrochen wird. 

Urin: Jede Gemüthserregung treibt sie zum 
Uriniren. 

Brust: Stechen in der Brust, besser vom recht 
Stillliegen. Dyspnoe. 

Rücken: Weh, als ob der Rücken zerbrechen 
sollte, besser vom Liegen. — Steifer Nacken. 

Glieder: Taubheit des rechten Armes beim Dar 
auf liegen. 

Fieber: Frostschauer; sucht die Nähe des warmen 
Ofens. Aeusserlich Frostschauer bei innerer Hitze. 

Kali carb. (Hochpotenz) heilte. 

6. Fall. Eine 61jähr. Frau, abgemagert, ent¬ 
kräftet. Sie hat ein Erysipel des Gesichts linker¬ 
seits, und daselbst Neuralgie in der Folge gehabt. 

Kopf: Schmerz in der Stirn. 

Mund: Zunge feurige oth , trocken , eingerissen. 

Hals: Sehr trocken mit heftigem Brennen. 

Husten: Husten von der Empfindung, als ob sie 


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101 


Rauch oder Schwefel eingeathmet habe. Auswurf 
weiss, schaumig. 

Herz: Der diastolische Ton länger und lauter 
als der systolische. Etwas Herzklopfen. 

Nacken: Steif. 

Rücken: Zerschlagenheitsgefühl in der Lenden¬ 
gegend; daselbst Schmerz, der zu den Schultern 
hinaufschiesst. 

Glieder: Schmerz im Arm , auf dem sie Nachts j 
liegt. Kniegeschwulst. Steife Kniee. Füsse sehr | 
kalt. 

Fieber: Heftige innerliche Hitze, und doch muss 
sie sich aufdecken. Durst auf grosse Mengen 
Wassers. 

Schlaf: Unruhe in den Gliedern bei Nacht; 
psychische Ruhelosigkeit hält sie wach. 

Arsenicum 30. heilte. 

7 Fall. Ein SOjähr. Mann, gross, schwer, stark. 
Mürrisch, reizbar. Mag keine Gesellschaft um sich. 

Kopf: Sehr heiss, während der übrige Körper 
kalt, ist. Heftiges Weh in der Stirn , schlimmer 
vom Bucken. Schwindel beim Aufrichten aus ge¬ 
beugter Lage. 

Mund: Trocken, ebenso der Hals. 

Husten: Bei jeder Bewegung. Bellender Husten 
mit Auswurf eines braunen, dicken Schleimes. 

Herz: Heftiges Arbeiten des Herzens bei jeder 
Bewegung. 

Rücken : Schmerz in der Lendengegend. 

Gliedei •: Ziehender Schmerz im rechten Ober¬ 
arm. Schmerz in der Höhe der rechten Schulter, 
schlimmer von Berührung oder Druck. — Schmerz 
im rechten Knie, schlimmer von Bewegung. Kniee 
geschwollen. 

Scldaf: Schläfrig bei Tage, aber bei Nacht 
schlaflos. 

Fieber: Kälte über den ganzen Körper, ausge¬ 
nommen der Kopf, der heiss ist, mit rothen Backen 
und profusem, heissern Scliweiss, der die Glieder¬ 
schmerzen erleichtert. Heftiger Durst. 

Bryonia 30. heilte. 

8. Fall. Eine 63jähr. schlanke, abgemagerte 
Frau, die ihr lebelaug an Hautaffectionen gelitten 
und nachlässig im Anzug und nicht gar zu sehr 
reinlich. Sie hat einen chronischen Husten seit 
2 Jahren, seitdem sie eine Lungenentzündung durch¬ 
gemacht. 

Fieber: Innerliche Hitze mit einem Gefühl un¬ 
beschreiblichen Unwohlseins, während Kälte und 
Schauder den Rücken hinaufläuft. Das Gesicht ist 
sehr roth. Saurer Schweiss. 

Kopf: Heftiges Weh in der Stirn und in den 
Schläfen mit der Empfindung, als oh ein Band 
sich um den Kopf legte. Schuppiger Ausschlag 
auf der Stirn. 


Ohr: Schwerhörigkeit. Zischen im Ohr. 

Nase: Dünner, scharfer Ausfluss. Jucken immer 
in der Nase. 

Mund: Sehr trocken. Durst. 

Hals: Trocken, Gefühl eines Pflocks im Halse. 
Schlucken schwierig; stechender Schmerz beim 
Schlucken. Rauhes, kratzendes Gefühl im Halse. 

Gesicht : Schorfiger Ausschlag auf den Wangen. 
Reissender Schmerz auf der rechten Seite des Unter¬ 
kiefers. 

Magen: Leeres Aufstossen. Saures Aufstossen 
nach dem Essen. Vollheit nach dem Essen. 

Bauch: Zeitweise Schmerz im Leibe, besser 
wenn sie vornübergebeugt sitzt. Lautes Gerumpel 
im Bauche. 

Rx~icken: Schmerz zwischen beiden Schulter¬ 
blättern, schlimmer vom Bücken, mit Dyspnoe. 
Schmerz in den Hüften. 

Husten: Hohler, krampfhafter Husten mit einem 
gelblichen, blutgestreiften Auswurf. Der Auswurf 
ist Morgens reichlich, Abends aber gering. 

Glieder: Ziehender Schmerz in den Armen. Fuss- 
gelenke steif. Krampf in den Fusssohlen. Die Sohlen 
thun weh. 

Schlaf: Winseln im Schlaf, der unruhig ist. 

Gemüth: Betreibt Alles eilig. Ungeduldig. Stellt 
sich unmögliche Dinge vor. Schwindel beim Liegen. 

Sulphur 30. heilte. 

Verf. bemerkt am Schlüsse, dass in dem Arsenik- 
Fall die Temperatur und Pulsfrequenz am höchsten 
gestiegen war, die Temp. betrug nämlich 104° F. 
(40° C.), Puls 128; dem am nächsten kam der 
Lycopodium-Fall. Wahrscheinlich wären die mit 
Arsen., Lycopod. und Sulphur behandelten Fälle, 
sagt er, in Pneumonie übergegangen, wenn die 
Mittel nicht Einhalt gethan hätten. — Im letzten 
Fall (Sulphur) blieb nach Beseitigung der Influenza 
der chronische Husten zurück. 

Ausser dem in jedem Fall bezeichneten Mittel 
hat Verf. kein anderes gebraucht; meist hat er 
auch keine Veränderung in der Diät angeordnet. 
Nur bei den Patienten, wo der Uehergang in Pneu¬ 
monie drohte, hat er eine flüssige cereale Kost und 
Bovinine vorgeschrieben. Trockne Hitze und feucht¬ 
warme Umschläge wurden örtlich angewandt, wenn 
sie dem Kranken zusagten. — 

Ref. vermisst in diesen sonst so gut und für 
die Mittel wähl durchsichtig beschriebenen Fällen 
die Zeit, innerhalb deren die einzelnen Heilungen 
zu Stande kamen. — 

Ein der Epidemie entsprechendes Heilmittel hat 
sich, soweit wir aus der amerikanischen homöo¬ 
pathischen Presse ersehen konnten, nicht feststellen 
lassen, dazu bietet die Influenza bei den verschie¬ 
den davon Betroffenen wohl ein gar zu variables 


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102 


Krankheitsbild —- und so werden wir bei der 
Therapie derselben auf möglichst feine Individuali- 
sirung immer angewiesen sein. 

(The Hahnemannian Advocate. 15. Febr. 1899.) 

Ref. Dr. Moesa. 


Formulaire de thärapeutique positive 
(Homoeopathie). 

Avec un exposö sommaire de la doctrine et de la 
maniöre de formuler; suivi d’un repertoire tliera- 
peutique d’aprös les meilleurs auteurs fran^ais et 
ötrangers. 

Par G. Sieffert, docteur en medecine de la Facultö 
de Paris. 

Leipzig. Dr. Willmar Schwabe, 6diteur. 1899. 

Ueber dieses im Verlage von Dr. Willmar Schwabe 
in diesem Jahr erschienene Werk des Dr. Sieffert- 
Paris, das, in französischer Sprache geschrieben, in 
erster Linie die ärztliche Genossenschaft in Frank¬ 
reich angeht, hat der geehrte College Dr. Marc 
Jousset in der Januar-Nummer des Tart medical 
bereits Bericht erstattet, den wir hier deutsch wieder¬ 
geben wollen. Es heisst darin: 

Dr. Sieffert hat soeben ein sehr interessantes 
Werk veröffentlicht, das praktischen Aerzten grosse 
Dienste zu leisten bestimmt ist, sei es, dass sie 
die Homöopathie schon längere Zeit ausüben, oder 
dass sie diesen Zweig der Therapeutik versuchen 
wollen. Sie werden in diesen 600 Seiten das für 
die Homöopathie Wissenswertheste finden. 

In seinem Vorworte setzt Dr. Sieffert das Allge¬ 
meine der Homöopathie, die verschiedenen pharma- 
ceutischen Präparate, die Materia medica, das Aehn- 
lichkeitsgesetz, die Dosen auseinander. 

Sodann, und das ist der Grundstock des Werkes, 
hält Dr. Sieffert eine Musterung ab über unsere 
Arzneimittel in alphabetischer Ordnung; um eine 
Idee davon zu geben, wie er jedes Mittel abhan¬ 
delt, wollen wir hier das, was er von Aconit sagt, 
wiederholen: 

Aconitum. 

Synonyma: Aconit., Napellas, Capuchon, Coque, 
Cuchon, Madriette, Thore. (Letzterer Name wird 
aber auch für den „ Giftbahnenfuss M gebraucht. 
Ref.) 

Antidote: Essig, Chamomilla, Coffea, Nux vom., 
Veratr., Wein. 

Wirkungsdauer: Kurz. In acuten Fällen muss 
man die Dosis oft wiederholen; in chronischen 
Fällen alle 24 bis 48 Stunden. Dies Mittel passt 
besonders für frische Krankheitsfälle. 

Darstellung: Die Essenz wird aus der ganzen 
Pflanze, Blüthe, Blätter, Stengel und Wurzel be¬ 


reitet. Therapeutisches (hier wäre aber doch Patho- 
genesie entschieden angemessener. Ref.): In kleinen 
Dosen Beschleunigung der Herzthätigkeit und Er¬ 
höhung der Temperatur, begleitet von Wechsel von 
Frost und Hitze, stürmischer Beschleunigung des 
Herzens, Schweiss und grosser Schwäche. In stärkern 
Dosen Herzlähmung, schwacher Puls, kalter Schweiss, 
Paralyse der sensiblen und motorischen Nerven, Er¬ 
brechen und Diarrhöe, Convulsionen und Tod. — 
Uebermässiges Angstgefühl ist charakteristisch. 

Dieses Mittel stellt uns also, in seiner Patho¬ 
genese, zwei verschiedenartige Fieberbewegungen 
dar: Die eine mit ausgesprochenen entzündlichen 
Erscheinungen, die andere mit bleichem Gesicht, 
Kälte und kleinem Pulse. Es ist in allen Fällen 
angezeigt, wo erhöhte Temperatur, voller und be¬ 
schleunigter Puls, grosse Trockenheit der Haut 
vorhanden ist— besonders im Anfänge (einer Krank¬ 
heit. Ref.), wenn diese Indication nicht durch ein 
anderes noch passenderes Mittel ausgestochen wird. 
„Wenn eine schwere fieberhafte Krankheit, wie 
z. B. der diphtheritische Croup, ein specifisches 
Mittel erfordert, so ist es durchaus nicht angezeigt, 
die Zeit mit Aconit zu verlieren, das eine infectiöse 
Krankheit nicht zu heilen im Stande ist. Wenn 
die Krankheitsart ein besonderes specifisches Mittel 
verlangt, so wird dieses die mit der Krankheit ein¬ 
hergehenden fieberhaften Symptome zugleich mit 
auf heben. Wo Gefahr droht, so sollte man Aconit, 
das allein nur im Allgemeinen gegen das Fieber 
symptomatisch gerichtet ist, nicht geben.“ (Heinigke). 
Seine Wirksamkeit ist dann besonders bemerkbar, 
wenn der Kranke aufgeregt und ängstlich ist. 

Beim Eintritt von Schweiss ist die Anzeige für 
Aconit im Fieber zu Ende. Sein 2- oder 3 tägiger 
Gebrauch genügt gewöhnlich, um jede beginnende 
Störung in den Organfunctionen, besonders nach 
einer Erkältung, auszugleichen. Der Typus des 
Aconitfiebers ist weder intermittirend, noch remit- 
tirend. Bei einem solchen Fiebertypus handelt es 
sich wahrscheinlich um ein infectiöses Fieber, und 
in einem solchen Fall wird nicht Aconit, sondern 
eher Belladonna angezeigt sein. 

Anwendungsweise und Dosirung: 

Urtinctur, Dilutionen und Verreibungen. Eins 
der am meisten in starken Dosen angewandten Mittel 
(? Ref.) (20—30 Tr. der Urtinctur auf 200 Gr. alko- 
holisirten Wassers: in der purulenten 1 Hathese und im 
Icterus qravis kann man diese Dosis selbst verdoppeln): 
In chronischen Leiden, besonders Neuralgieen, infinite¬ 
simale Dosen; in Phlegmasieen mit geringer fieberhaf¬ 
ter Bewegung — schwache, aber ponderable Dosen. 
In schweren Pyrexien, wenn die Bösartigkeit klar 
vorliegt, und die Temperatur sich um 39° C. hält, 
oft noch darübersteigt, zumal, wenn urämische Zu¬ 
fälle erscheinen, wird man alle Stunden, ja, wenn 


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108 


nöthig, alle halben Stunden ein Gemisch von Aconit- | 
Tinctur (5 Tropfen) mit 5 Tropfen Tinctura Veratri | 
viridis bis zum Sinken der Temperatur geben. 
(Diesen Modus agendi dürften wenige homöo¬ 
pathische Aerzte, und auch wir nicht, billigen. ^ 
Ref.j. ! 

Klinische Indicationen: 

Alienatio mentis: Geistesstörung, zumal im An¬ 
fänge, besonders wenn Fieber dabei ist, sowie 
maniakales Delirium, hohe Unruhe, Wuthausbrüche, 
grosser Puls, Erregbarkeit, Furcht, verdammt zu 
sein, Pu&peralmanie — 3. Dil. 

Angina pectoris: Besonders mit nächtlichen An¬ 
fällen (Angst, Schmerz auf dem Brustbein, unregel¬ 
mässiger Puls, Herzklopfen, Ohnmachtsanfälle, Angst- , 
anfalle mit Schweiss) — höhere Dilut. I 

Appendicitis: Fiebersymptom mit ängstlichem 
Gesichtsausdruck, brennenden Schmerzen, Schneiden I 
in den Gedärmen, verschlimmert vom geringsten 
Druck, durch Bewegung, vom Liegen auf der rech- 1 
ten Seite. Der Unterleib fühlt sich bei Berührung i 
heiss an. Das Leiden ist eine Folge von Erkäl¬ 
tung (Douglas). 

Arteritis mit heftigem Fieber. 

Asthenopie durch Ueberanstrengung der Augen 
(Hitze und Hyperämie). 

Blepharitis acuta im ersten Stadium der Ent¬ 
zündung. 

Bronchitis im Anfänge mit Fieber — 3. Dil. 

Cephalgia congestiva: 6. Dil., im Wechsel mit 
Beilad. 

Cor: Compensationsstörungeu bei Klappenfeh¬ 
lern — 3. Dil. 

Cholera (Cramoisy) — Urtinctur. 

Conjunctivitis catarrhalis: Hauptmittel im ersten 
Stadium; besonders in Folge eines fremden Kör¬ 
pers im Auge (grosse Hyperämie, Oedem, heftige 
Schmerzen). 

Coryza: Erstes Stadium der fieberhaften Be¬ 
wegungen der Luftwege — 3. Dil. 

Jliathesis purulenta mit Neigung zu Collaps 
(2. Varietät des Acon.-Fiebers) — Urtinctur von 
1—2 Gramm pro die. 1 

Dysenterie: Anfangs mit starkem Fieber mit Pro- | 
stration und Neigung zu Collaps (2. Varietät des 
Acon.-Fiebers) — mittlere Dilutionen. 

Endocarditis chronica (schmerzhafte Symptome) 
Urtinctur. (? Ref.) 

Erythem der Haut mit geringem Fieber — 3. Dil. 

Febris typhoides im Anfänge (Fieber, Kopfschmerz 
ohne ausgesprochene Localisation. 1. Fiebervarie¬ 
tät) — 3. Dil. bis Urtinctur. 

Formicatio . 

Gicht , acute , und Polyarticularis (während des 
Anfalles alle 10 Minuten, später alle 2 Stunden) — 

3. Dil. 


Hämoptysis in Folge activer Congestion der 
Lunge: Angst, Unruhe, Blut, roth und schaumig, 
kommt reichlich bei unablässigem Husten, Ohn¬ 
machtsanwandlungen, kleiner Puls, Schwäche, blasses 
Gesicht — niedrige Dilutionen. 

Hysterie , die anderen Mitteln trotzt, Krisen, die 
sich durch einen Zustand von Ohnmacht oder Schlum¬ 
mersucht, mehrere Stunden nach der Mahlzeit auf¬ 
tretend, äussern — mittlere Dilutionen. 

Icterus gravis: Urtinctur (2 stündlich 2 Tropfen). 

Keratitis interstitialis mit oberflächlicher Ulcera- 
tion in Folge von Verletzung oder Erkältung (Rötlie 
der Conjunctiva mit Chemosis und Lichtscheu). 

Irititis (traumatica) im ersten Stadium, plötzlich 
ausbrechend, bei jungen, vollsaftigen Kranken nach 
Erkältung. 

Laryngitis im ersten, fieberhaften Stadium — 
3. Dil. 

Lipothymia hysteiica: Oeftere Anfälle. 

Menoirhagia (grosse Erregung, Angst, Todes¬ 
furcht etc.; das Blut ist lebhaft, roth und heiss). 

Neuralgiae (brennende Stiche, Kriebeln) beson¬ 
ders N. brachialis et trigemini — 3. Dil. 

Neurosen: Hohe Dilutionen. 

Odor hypersensibilis (Hysterie). 

Ophthalmia traumatica: Hauptmittel zur Ver¬ 
hütung und Heilung der auf Verletzung folgenden 
Entzündung, intus et extra. 

Otitis media suppurativa mit starkem Fieber. 

Palpitationes cor dis mit Angst und heftigem 
Schmerz in der Herzgegend, der sich bis in den 
linken Arm verbreitet, begleitet von Ameisenkriebeln 
und Taubheit in den Fingern. 

Parese der Augenmuskeln in Folge von Erkäl- 
tung. 

Pericarditis: (fieberhaft, Herzschmerzen, Herz¬ 
klopfen, Angst, Lipothymie, und selbst Mitralfeh¬ 
lern) — Urtinctur. 

Peritonitis acuta in allen Stadien, besonders 

Pelm-Peritonitis (heftiges Fieber im ersten Sta¬ 
dium) — Urtinctur. 

Pleuritis acuta , zumal im Anfänge, bei grosser 
Hyperämie und beträchtlichem Erguss — Urtinctur. 

Pneumonia catarrhalis im ersten Stadium — 
3. Dil. 

Rheumatismus acutus , im Anfänge, bei heftigem 
Fieber und profusem Schweisse (1. Aconit-Fieber¬ 
varietät) — Urtinctur. 

Rheumatismus mascularis — 3. Dil. 

Scarlatina (anginöse Form) — 3. Dil.; in der 
gewöhnlichen Form in Wechsel mit Bellad. 3. 

Uraemte: Tinct. Aconit, et tinct. Veratr. virid., 
5 Tropfen stündlich, bei hohem Fieber. 

Tic douloureux faciei — 3. Dil. im Wechsel mit 
Arnica 3. 

Urethritis acuta: Stiche im Orificium und in der 


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104 


Fossa navicularis, mit Brennen beim Harnen; Bren¬ 
nen im Blasenhalse, ausser der Zeit des Hamens; 
reichlicher, grünlicher Ausfluss, schmerzhafte Naeht- 
erectionen. 

Zum äusserlichen Gebrauch bei Alopecie. Rp. 
Tinctura Aconita 15 Gramm, Chloroform 8., Cam¬ 
phora trit. 8., Olei olivarum 30. — Harrison Allen. 
(Selbst diese Autorität macht uns diese Mischung 
nicht zusagender. Ref.) 

Frostbeulen, Herpes zoster (äusserliche Anwen¬ 
dung der Tinctur). 

Neuralgia orbitalis (ebenso angewandt). 

Pharyngitis acuta: Gurgelwasser von 8 Gramm 
der Urtinctur mit 250 Gramm Wasser. 

Toxicologie: Die Wirkungsdauer von einigen 
Stunden in acuten Fällen, von einigen Tagen in 
chronischen; das Mittel soll nicht während der 
Digestion gegeben werden. Anderseits tritt bei 5 bis 
6 Gramm toxische Wirkung ein. Das wirksamste 
Antidotum ist die Bouchardat’sche Lösung von Jod¬ 
kalium 40 und Jod 30 Centigramm auf 1 Liter 
Wasser zu 1 / 2 Glase voll zu nehmen. Im dritten 
Theil seines Werkes giebt Dr. Sieffert eine kurz¬ 
gefasste, alphabetisch geordnete Pathologie der wich¬ 
tigsten Krankheiten, mit Angabe der bei jeder an¬ 
gezeigten Hauptmittel, aus denen man, wenn man 
sich die charakteristischen Eigenthümlichkeiten jedes 
Mittels vergegenwärtigt, das für den speciellen Fall 
passende leicht wählen kann. 

Schliesslich wollen wir dem Dr. Sieffert für sein 
treffliches Werk, das wir in den Händen all un¬ 
serer Collegen zu sehen wünschen, unseren Dank 
aussprechen. Dr. Maro Jousset. 

Wir unsererseits möchten noch als einen Vor¬ 
zug des Dr. Sieffert’schen Werkes bervorheben, dass 
es, unter den uns bekannten Werken dieser Art, 
die neueren, in unseren Arzneischatz aufgenomme¬ 
nen, zum Theil noch nicht völlig geprüften, nur 
ex usu in morbis bekannten Mittel am vollstän¬ 
digsten enthält. Sodann giebt uns der Autor zu 
manchem Mittel einen für die Pathogenese und die 
therapeutische Anwendung desselben recht brauch¬ 
baren und nützlichen Excurs. Beispielshalber führen 
wir das an, was er über den Gebrauch von Pulsa- 
tilla und Cephalgie in Folge von Ueberanstrengung 
beibringt. „In einer Arbeit, welche wir schon mehr¬ 
fach gelegentlich citirt haben, worin sich Dr. Claude 
mit der curativen Wirkung feinerer Dosen beschäf¬ 
tigt, hat er sich über die systematische Anwendung 
von Pulsatilla in der Behandlung der auf Ueber¬ 
anstrengung beruhenden Kopfschmerzen ausführlich 
verbreitet. Nachdem er beobachtet hatte, dass dies 
Symptom, das sich durch einen dumpfen, in der 
Regio frontalis localisirten Schmerz sowie durch 
eine fast völlige geistige Stumpfheit in der Auf¬ 


fassung und im Gedächtniss auszeichnet, unter dem 
Gebrauche von Pulsatilla besser wurde — nach¬ 
dem es der physischen und geistigen Ruhe und 
den Martialien und Arsenicalien, die durch die 
chlorotischen Geräusche angezeigt waren, sowie 
auch den hygienischen Mitteln (Hydrotherapie, Luft¬ 
veränderung etc.) getrotzt hatte —, wollte unser 
College sich darüber Gewissheit verschaffen, ob diese 
Thatsache nicht aus der specifischen Wirkung der 
Pulsatilla auf das venöse Gefosssystem erklärt wer¬ 
den könne. Auf seine Bitte nahm Dr. Parenteau,' 
ein junger, ausgezeichneter Augenarzt, an einer 
Anzahl von Kranken, die ihm Dr. Claude zu wies, 
zahlreiche ophthalmoskopische Untersuchungen vor. 
Aus diesen konnte dann festgestellt werden, dass 
die Cephalgie von Ueberanstrengung stets mit einer 
Volumenzunahme der venösen Gefösse im Augen¬ 
grunde und andererseits mit einer Volumenabnahme 
der Arterien zusammenfiel. Die Dünnheit der letzteren 
erreicht bisweilen einen so hohen Grad, dass es 
schwer hält, sie aufzufinden, und man nur das 
venöse Gefössnetz wahrnimmt. Je nach dem Ver¬ 
halten der beiden Gefässsysteme kann man die In¬ 
tensität der Läsion und der hieraus entspringenden 
Störungen fast quantitativ bestimmen. Diese Unter¬ 
suchung liefert also zugleich werthvolle diagnostische 
und prognostische Zeichen. Dr. Claude theilt seine 
Kranken in mehrere Kategorieen, von denen er eine 
Anzahl mit Pulsatilla in starken oder verfemten 
Dosen, andere mit anderen Mitteln, wie Hamamelis, 
Arnica, Cactus, behandelte. Hamamelis und Cactus 
hatten jedes nur in einem Falle Erfolg. Die starken 
Dosen von Pulsatilla (10 — 30 Tropfen der Urtinc¬ 
tur in 24 Stunden) brachten immer eine Steige¬ 
rung des Leidens. Nur die Dilutionen brachten 
beständig eine günstige Wirkung hervor. Die 3. Dil. 
(zu 3 Dosen täglich) verringerte die Schmerzen in 
3 oder 4 Tagen, sodann schien sie an Wirksam¬ 
keit zu verlieren. 

Wenn man nach Verlauf von einer Woche zu 
starken Dosen überging, so gewannen die Schmer¬ 
zen ihre erste Heftigkeit wieder. Aber die 6. oder 
12. Dil. beschwichtigt sie bald wieder, und das 
Ophthalmoskop constatirt anatomisch die von dem 
Kranken angegebene Besserung der functionellen 
Störung. In einer letzten Reihe von Patienten ver¬ 
sucht Dr. Claude noch höhere Verdünnungen, der 
24. und 30. Die Wirkung war = 0, und nur 
wenn er von den niedrigen Dilutionen allmählich 
zu den höheren aufstieg, machte sich die Heilwir¬ 
kung bemerkbar, trat deutlicher hervor und hielt 
wirklich Stand. Von da an formulirte Dr. Claude 
seine Verordnung in folgender systematischerWeise: 
5 Dosen Pulsatilla 3. zwei Tropfen in einen Ess¬ 
löffel warmen Wassers, eine Stunde vor der grossen 
Mahlzeit und beim Schlafengehen. Nach zweitägiger 


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Pause Pulsatilla 6. in gleicher Weise. Neue Pause 
und allmählich 12., 18., 24. und 30. Dil. Wir 
haben noch hinzuzufügen, dass selten der Kranke 
genöthigt ist, über die 18. Dil. hinauszugehen.“ 

Dr. Mosaa. 


Homöopathische Rundschau. 

Auszug aus dem Journal Beige d’liomoeopathie und 
der Revue homoeopatliique fran^aise. 

Von Dr. med. Bob. Stäger. 

(Fortsetzung.) 

2. Otitis media purulenta chronica. 

(Von Weaver). 

Die Hauptmittel sind: 

Psoricum. Gelbgrüner, stark riechender Aus¬ 
fluss. Tendenz zur Bildung von Pusteln im Ge¬ 
sicht und am Hals, besonders um den Mund, Nase 
und Ohren. Geschwüre am äusseren Ohr mit 
Krusten. 

Hepar sulf. Wichtiges Mittel, besonders wenn 
acute Exacerbationen da sind. Der Kranke ist 
schwach, schwitzt leicht und ist sehr reizbar; er 
fröstelt beim leisesten Luftzug und zeigt einen 
Ausschlag auf der Haut des Rumpfes. Die Regio 
masto'idea ist geröthet, geschwollen und druck¬ 
empfindlich, der Mund trocken; Schwindel und Angst 
beim Blicken nach oben. 

Silicea passt bei scrophulösen Kranken, beson¬ 
ders wenn die Knochen ergriffen sind (also Knochen¬ 
tuberkulose würden wir heute sagen. Ref.) Der 
Ausfluss ist sehr übelriechend und dunkel; lanzi- 
nirende Schmerzen in den Ohren, starker Schweiss 
am Kopf, Schmerzen in den Gliedern und Prostra¬ 
tion. — 

Kali bichrom. ist ein sehr nützliches Mittel in 
den letzten Stadien der Krankheit, wenn der Aus¬ 
fluss sehr dick geworden ist und sich zu Fäden 
ziehen lässt. Die Tuba Eustachii ist fast undurch- 
gänglich; der Pharynx ist leicht mitgenommen und 
Hüsteln besteht. 

Capsicum ist indicirt, wenn die Cellulae mastoideae 
durchzubrechen drohen; Kopfschmerz, Fieber und 
selbst Delirien sind vorhanden. (Beginnende Hirn¬ 
entzündung. Ref.) 

Tellurium . Reichlicher und schon lange dauern¬ 
der Ausfluss; oft heftiges Pochen im Ohr; die Ohr¬ 
muschel ist blauroth und ödematös; der Gehör¬ 
gang ist sehr sensibel beim Berühren und blutet 
leicht; Tendenz zu Eczem hinter dem Ohr ist da 
und grosse Abgeschlagenheit. 

Sulfur . Ausfluss stark riechend, so dass es un¬ 
möglich ist, Irrigationen zu machen. Er reizt das 
Ohr und ruft dadurch einen eczematösen, nässen¬ 


den Ausschlag hervor. Diese Symptome entsprechen 
am meisten Sulfur. 

3. Phlyktänuläre Augenentzündung. 

(Von Dr. Whinna). 

Der Autor bespricht dio Aetiologie, Symptomato¬ 
logie und Therapie. Am Schluss resumirt er wie 
folgt: 

Arsen . alb. bei scrophulöser Diathese und grosser 
Photophobie. 

Calcarea carb . Mandelentzündung. 

Calc. jodata, wenn das vorhergehende Mittel 
nichts nützte. 

Coniam. Photophobie, abundante Secretion, 
Lider krampfartig geschlossen. 

Graphit , ähnlich dem Arsen. Verschlimmerung 
Morgens, blutende Fissuren an den Commissuren 
der Lider und an den Nasenflügeln. 

Hepar sulj. Photophobie und Thränenfluss, be¬ 
sonders am Tage und beim Berühren des Auges; 
Besserung durch Wärme; leicht blutende Commis¬ 
suren. 

Rhus tox. Heisse, reichliche Thränen. Die 
Behandlung ist selbst in den Zwischenpausen 
zwischen den Anfällen fortzusetzen. (The hom. 
Eye, Ear and Thr. Journal.) 

4. Mittel J gegen das Schwitzen. 

Aconit. Die bedeckten oder befallenen Portionen 
schwitzen enorm. Der Kranke deckt sich ab. 

Actaea racemosa , wenn Frost, dann Hitze, dann 
Schweiss mit Trockenheit der Haut mit einander 
wechseln. 

Agnus castus. Schwitzen der Hände beim 
Spazieren im Freien. 

Aloe soc. Der Schweiss riecht stark, besonders 
an den Genitalien. 

Alumina hat Unmöglichkeit zu schwitzen. • 

Ambra hat profusen nächtlichen Schweiss, be¬ 
sonders nach Mitternacht. 

Ammonium carb. hat Schweiss nur im unteren 
Theil des Körpers. 

Ammonium muriat. Klebriger Schweiss in der 
Hohlhand, namentlich der linken. 

Antimon . ci'udum. Schweiss, der zur selben 
Stunde immmer wieder erscheint, meistens alle zwei 
Tage. 

Apocynum cannab . Ascites gebessert durch 

Schwitzen. 

Argentum nitr. Leichtes Schwitzen während 
und nach der Mahlzeit. 

Arsenic. alb. Unlöschbarer Durst während des 
Schwitzens. 

Baryta carbonic. Starker Schweiss links, besonders 
am Kopf. 

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106 


C'aicarea carb . Copiöser Schweiss am Tage, bei 
kühler Temperatur. 

Carbo animal. Sobald er die Augen schliesst, 
bricht ein profuser Schweiss aus. 

Carbo reg. Putrider, nächtlicher Schweiss. 

Cinchona off. Schwitzen der betreffenden Seite, 
auf der man liegt. 

Conium rnac. Tag und Nacht Schwitzen, so¬ 
bald man schläft oder nur die Augen zumacht. 

Cyclamen europ. Nächtlicher Schweiss während 
des Schlafes, nur mässig, aber von unangenehmem 
Geruch 

Dulcamara. Unterdrückung des Schweisses. 

Euphrasia . Schweiss oft nur auf der Vorder¬ 
seite des Körpers (Graphit). 

Ferrum. Profuser, klebriger, schwächender 
Schweiss von üblem Geruch und lange dauernd. ] 

Gelsemium. Schwitzen bessert alle Symptome 
(Helleborus). 

Graphites. Schwitzen in Folge der geringsten 
Bewegung oder dann Unmöglichkeit zu schwitzen. 

Guajacum. Profuser Schweiss rechts, am Rücken 
(Hepar sulf.). 

Hepar sulf. Kalter, klebriger Schweiss mit 
Uebelkeit, Tag und Nacht ohne Unterbrechung. 

Ignatia. Schweiss auf der Oberlippe beim • 
Essen. 

Ipecac. Kälte. Verschlimmerung im Freien, 
schlechter während des Schwitzens, besser nachher. 

Kali carb. Jede Nacht Schwitzen bis am Morgen 
ohne Aufhören. 

Lachesis. Profuser Schweiss; gelbe Flecken 
oder blaurothe Streifen. 

Merc. soL Symptome oft vermehrt nach dem 
Schwitzen. (The Denver Journal of Homoeopathy). 

(Merkwürdigerweise ist hier Sahia off. nicht i 
aufgeführt, welche beim Schwitzen besonders der I 
Phthisiker ausgezeichnete Dienste leistet, wie der j 
Ref. aus Beobachtungen in seiner Praxis weiss. 
Auch Atropin sulfuric . gehört in dieselbe Rubrik, 
obwohl Salvia bedeutend prompter wirkt, wie Dr. 
M. Krahn es bewiesen hat. Ref.) 

5. Die Mönifcr’sche Krankheit. 

Nach einer Studie Dr. Dudley Wright’s haben 
wir gegen die Symptome obiger Krankbeit folgende 
Mittel: 

Bryonüij wenn der Schwindel von einem katar¬ 
rhalischen Zustand des Mittelohrs abhängt. Selbst 
wenn Eiterung da ist, bemerkt man ein gute Wir¬ 
kung des Mittels, wenn man es im Wechsel mit 
Hepar, Silicea oder einem anderen angezeigten 
Mittel giebt. 

Wenn überdies die gastrischen Symptome von 
Bryonia da sind, ist die Wirkung noch sicherer. 


Aurum. Daran hat man besonders bei syphi¬ 
litischer Grundlage zu denken. 

Spigelia. Seine Wirkung auf das innere Ohr 
und den Nervus auditivus gleicht deijenigen von 
Aurum, aber sie ist oberflächlicher. 

Pilocaipin ist von Politzer in die Therapie ein¬ 
geführt worden; es giebt oft gute Resultate. Kürz¬ 
lich wurde ein Fall von einer Affection des Laby¬ 
rinths ohne Vertigo, der jeder Medication Wider¬ 
stand geleistet hatte und welcher von profusen 
Schweissen begleitet war, durch die 2. Potenz des 
Mittels wesentlich gebessert. 

Chinin wurde viel und oft angewandt, beson¬ 
ders bei der echten Möniör’schen Krankheit, auch 
von Allopathen. 

Acidum hydrobromic. Seine Wirkung ist eine 
dem Chinin entgegengesetzte. Nach einem Experi¬ 
ment von Winslow würde dieses Mittel mehr einem 
Schwindel entsprechen, welcher einer reflectorischen 
Gefässdilatation seinen Ursprung verdankt. 

Cocain und Tabacum sind hier und da ange- 
I zeigt, doch hat der Autor dieses Artikels keine 
persönliche Erfahrungen hierüber. 

6. Lachesis trigonocephalus, Crotalus, Elaps 
corallinus und Naja tripudians. 

Einige Betrachtungen über ihre Naturgeschichte, 
über die Eigenschaften ihrer Giftstoffe, die Zu¬ 
bereitung derselben in der Pharmacie, ihre Patho¬ 
genese und die verschiedenen angewandten Mittel, 
um die Schlangenbisse zu heilen. Von Dr. Price. 

Weir, Mitchell und Reichert haben 3 Haupt¬ 
bestandteile des Schlangengiftes isolirt: 1. ein 
Pepton (Pepto-venin) mit localer, langsamer Wir¬ 
kung (Oedem und Ulceration); 2. ein Paraglobulin 
(Globulino-venin), welches das active Princip zu sein 
scheint und rings um die Impfstelle eine enorme 
hämorrhagische Infiltration erzeugt; 3. ein Albumin , 
dessen Giftwirkung noch zweifelhaft ist. Unter 
dem Einfluss des Paraglobulins schwellen die Ge¬ 
webe an und werden blauschwarz und zwar in 
Folge einer Infiltration mit uncoagulirbarem Blut. 
Vermöge seiner Wirkung auf die rothen Blutkörper¬ 
chen verhindert es die Oxydation des Albumins 
und gerade dadurch, dass das Fibrin fehlt, bleibt 
das Blut in flüssigem Zustaude. Mehr als das 
1 Pepton (Pepto - venin) begünstigt es durch seine 
I Wirkung auf die Capillaren die Entstehung von 
1 Ecchymosen; es übt eine die Herzaction herab- 
! setzende Wirkung aus und lähmt die respiratori- 
| sehen Centren. Das Opfer einer Schlange, deren 
l Gift ein Uebennass an Paraglobulin enthält, wird 
länger leben, als wenn das Pepton (Pepto-venin) 
vorwiegt. Dies letztere begünstigt besonders die 
Oedembildung und die Destruction der Gewebe 
durch Eiterung und Gangrän, beschleunigt die cen- 


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107 


trale sowohl als peripherische Circulation, ebenso 
wie die Respiration und das durch seine Ein¬ 
wirkung auf den Nervus pneumogastricus; das 
Ende ist eine allgemeine Lähmung. — Das 
Gift der Naja enthält nur 2 Proc. Pepto-venin, 
während dasjenige von Crotalus 14 Mal mehr hat 
Das Pepto-venin der letzteren bedingt weniger Con- 
vulsionen, als das der Crotalus. Wenn beide Gifte 
ungefähr in gleichem Verhältniss vorhanden sind, 
so kann sich ihre Wirkung aufheben. 

Das Gift von Lachesis und Elaps wurde noch | 
nicht analysirt; da aber Lachesis und Crotalus zur 
gleichen Gattung gehören, ist es wahrscheinlich,! 
dass ihre Gifte ähnlich sind, ebenso wie aus dem¬ 
selben Grund das Gift von Elaps demjenigen von 
Naja verwandt sein dürfte. Wenn wir aber die , 
pathogenetischen Symptome betrachten, so ist die 
Aehnlichkeit zwischen Naja und Lachesis grösser, 
was zu dem Schluss berechtigt, es enthalte das 
Gift von Lachesis mehr Pepto-venin als Globulin. 
Crotalus, in Folge seines Ueberschusses an Globulin, 
ist indicirt bei Blutentmischung, torpiden Entzün¬ 
dungen, Haematemesis, wenn das Blut schwarz und 
flüssig ist wie bei: Purpura haemorrhagica, gelbem 
Fieber etc. Es erzeugt Herzpalpitationen, während 
Lachesis das Symptom eines zusammenschnürenden 
Bandes um den Hals und Naja grossen Schmerz ! 
hat. Während Lachesis besonders auf die linke j 
Seite wirkt, hat Elaps eine Verwandtschaft zur ' 
rechten Seite, und ist angezeigt bei Bluthusten ! 
(Blut schwarz), wobei das Blut aus der rechten | 
Luuge kommt (das Globulin ist überwiegend), ln j 
Folge seiner Wirkung auf das Nervensystem ent¬ 
spricht Naja dem Herzkrampf, Herzklopfen, Dys¬ 
pnoe etc.; zugleich aber auch der Blutentmischung 
mit Hämorrhagie, wobei das Blut schwarz und 
dünnflüssig ist. Lachesis passt auch für das Nerven¬ 
system, besonders der linken Seite, indem es Auf¬ 
geregtheit und durch seine Wirkung auf das Herz 
das charakteristische Symptom von Zusammen¬ 
schnürung erzeugt. Bei Haemorrhagie und nur in 
dem Falle, wenn das Blut schwarz ist und unvoll¬ 
ständig coagulirt, angezeigt, wirkt Crotalus zumal 
auch auf das Nervensystem und das Herz und ist 
besonders bei gewissen localen Affectioneu von 
Vortheil, so bei Gangrän in Folge Erweichung der 
Capillarwände mit Haemorrhagieen(Blut uncoagulirt), 
Elaps hat eine Verwandtschaft zur rechten Seite; 
die Blutungen bestehen aus sehr dunklem Blut, 
welches meist flüssig ist, selten coagulirt. Der Biss 
von Naja ist am schnellsten tödtend — 

Das beste Gegengift gegen Schlangengift ist 
das verdünnte Schlangengift selbst. Die Wirkung 
des antitoxischen Serums ist viel schneller als die¬ 
jenige des Giftes selbst, falls wenigstens das Letztere j 
nicht direct ins Blut eingeführt wird. Ein mit dem 


Gift immunisirtes Thier, gleichgültig mit welchem 
Schlangengift, bleibt gegen das Gift jeder anderen 
Schlangenspecies geschützt. Der Beweis hierfür 
wurde für elf verschiedene Schlangenarten bereits 
erbracht. Dieses Factum beweist, dass keine funda¬ 
mentale Verschiedenheit in der Hauptwirkung der 
verschiedenen Schlangengifte existirt. 

Eine Tnjection von einem Gemisch einer tödt- 
liclien Dosis Schlangengift und einer genügenden 
Menge Serum übte bei einem Kaninchen keine 
deletäre Wirkung aus. Das ist nichts anderes , als 
eine Bestätigung des AehnUchkeitsgeselzesl (Nart. 
Amerc. J. of Hom.) 

7. Therapie der Keloide und Narben. 

(Von Dr. Bernhard.) 

In diesem Artikel empfiehlt der Autor immer 
die chirurgische Behandlung, wenn sie betreffs des 
Ortes, wo das Keloid sitzt, möglich ist. In gegen¬ 
teiligen Fällen wird man die Narben vor äüsseren 
Reiz schützen, oder wenn Ulcerationen da sind, 
wird man einen Verband anlegen. 

Die interne Behandlung scheint wenig Einfluss 
auf diese Affectionen zu haben; indessen wird man 
in gegebenen Fällen an folgende Mittel denken 
müssen: an Graphit, wenn die Narbe brennt und 
indurirt ist; an Kali bichromicum, wenn die Narbe 
wie mit Nadelstichen bearbeitet scheint; an Lachesis, 
wenn die Haut roth ist und Schmerz und Ulcera¬ 
tionen da sind; an Sulfur, acidum, wenn die Narbe 
blutroth oder bläulich und schmerzhaft ist. 

(Pacific coast journal of Hom., Febr.) 

(Fortsetzung folgt.) 


Cocain-Vergiftungen. 

Da der Gebrauch des Cocain, als Anaestheticum 
besonders, in der alten Schule immer allgemeiner 
wird, ja, da man dasselbe in der Chirurgie jetzt in 
Form von subcutanen Einspritzungen zur Ausführung 
selbst bedeutender Operationen dreister als sonst 
benutzt, so kann es nicht ausbleiben, dass die 
Fälle von toxischen Wirkungen dieses Mittels sich 
mehren. Die Excerpta medica bringen in No. 6, 
Jahrg. V, drei nicht unbedenkliche Beispiele hier¬ 
von. 

1. Acute Cocain-Vergiftung. 

Dr. Partos hatte einem 19jährigen kräftigen 
und gesunden Mädchen, dem er einige Tage vor¬ 
her zwei Zähne unter Cocaininjection ausgezogen, 
wieder 8 / 4 einer Pravaz’schen Spritze einer 4pro- 
centigen Cocainlösung behufs Extraction eines 
dritten Zahns eingespritzt. Es traten diesmal recht 
bedrohliche Erscheinungen, in denen Depression 

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und Exaltation abwechselten, ein, die sich aber auf 
eine Morphium-Injection besserten. 

2. Cocain-Vergiftung bei einem neuuraonatlichen 
Kinde. Dasselbe hatte einen Theelöffel einer 20pro- 
centigen Lösung (= 0,8 Cocain) genommen (aus 
Versehen? Ref.). 4 Stunden später: Hochgra¬ 
dige Aufregung mit fortwährenden choreaartigen 
Bewegungen des ganzen Körpers , besonders aber 
der oberen Extremitäten , gerothetes Gesicht , sehr 
erweiterte Pupillen , Kopf leicht nach hinten ge¬ 
zogen, der ganze Körper mit kaltem Schweiss 
bedeckt, Puls sehr frequent , klein , kaum fühlbar. 
Nachdem die Aufregung 5 Stunden bestanden, 
folgte plötzlich ein Depressionsstadium: äusserste 
A iflesch lagen heit, Blässe des Gesichts , Herzschwäche, 
Fortbestehen der choreaartigen Zuckungen. Nach 
einiger Zeit Erbrechen und Durchfall, welche 
sammt dem Schweisse die ganze Nacht anbielten, 
während der das Kind wieder munterer wurde und 
die Herzschwäche sich allmählich verlor. Am 
nächsten Morgen völlige Euphorie . Therapie: ener¬ 
gische, häufig wiederholte Frictionen des ganzen 
Körpers, stündliche Verabreichung von Linden- 
blüthen-Lavements, warme Getränke (Kaffee, Thee), 
Mixtur von Chloralhydrat und Kali bromatum. 

3. Chronische Cocain-Vergiftung. 

Einer 35jährigen, an „nervösem Schnupfen“ 
leidenden Dame hatte ein Specialist öfters Ein¬ 
schnupfen von einem Pulver verordnet, das aus 
Cocain raur. 5,0 und Amylum 100,0 bestand. Dies 
that der Pat. so wohl, dass sie gewohnheitsgemäss 
20—30 Mal und noch öfter alltäglich 7 Monate 
lang solche Prisen nahm, und letztere sich auch 
ohne Schnupfenanfall zum Stimmungsbedürfniss ge¬ 
staltete. Mehrstündige Entbehrung genügte, um 
unter Herzklopfen , Beängstigung und Ohnmachts- 
gejühl zu reichlichem Wiedergebrauch des Pulvers 
anzureizen. Es entwickelte sich bei ihr Gemüths- 
reizbarkeit , Gedankenschwäche mit zeitweiser un¬ 
angenehmer Gedanken flucht , Schlafmangel, halluci- 
natorische Anklänge, auffallende PupiUenerweitei'ung 
und Neigung zu Cardialgieen . 

Entwöhnung unter Ersatz von Naseneinspritz¬ 
ungen mit Salicylsäure, und innerem Gebrauch von 
Chinin und reichlichem Weingenuss, brachte an¬ 
fangs eine Reihe von Abstinenzbeschwerden: Schlaf¬ 
losigkeit, Angstanfklle, Congestionen nach dem Kopfe 
und Durchfälle, die allmählich weichen, und erst 
nach 5 Wochen trat eine ruhigere Stimmung ein; 
die Congestionssymptome und die Pupillenerweite¬ 
rung verschwanden; es folgte aber ein starkes Ab¬ 
spannungsgefühl . 

Dieser Fall zeigt, wie die Resorption von der 
Nasenschleimhaut aus auch ziemlich verdünnten 
Cocainpulvers bei massenhaftem Verbrauch bedenk¬ 
liche Wirkungen in den Nervencentren auszulösen 


vermag und zu ähnlichen Abhängigkeits- und Ab¬ 
stinenzerscheinungen führt, wie der gewohnheits- 
gemässe hypodermatische Morphiumgebrauch. 

Wenn man in letzter Zeit zur Erzielung von 
Anästhesie eine Bepinselung der betreffenden 
Schleimhäute sogar mit 20proc. Lösung von Cocain 
sich gestattet hat, so werden die unliebsamen Er¬ 
fahrungen nicht ausbleiben, noch weit intensiver 
werden freilich die toxischen Wirkungen bei sub- 
cutanen Einspritzungen in die Augen treten. H. 


Ward’s Island Hospital; New York. 

„Es dauert oft lange Zeit, bevor eine grosse 
Idee oder ein weit reichendes Princip sich der den¬ 
kenden Geister, selbst in diesem Lande (i e. Nord- 
Amerika) mit solcher Kraft bemächtigt, dass man 
jener Idee Gehör schenkt und sie eine unwiderstehliche 
Macht wird. Viele Jahre bitterer und harter Ver¬ 
folgung, viele Jahre des Kampfes sind vergangen, 
ehe die grossen therapeutischen Ideen Hahnemann’s 
und seines grossartigen Heilsystems die öffentliche 
Meinung so stark durchdrungen haben, dass der 
Plan ein öffentliches Krankenhaus herzustellen sei¬ 
nes Erfolges fast von vornherein sicher war. Und 
wenn in nur drei Tagen Unterzeichnungen erlangt 
worden sind, die über vierhundert Millionen 
(400,000,000) an Wert repräsentiren, indem mit 
gutem Recht ein würdiger Hospitalbau gefordert 
wurde, und diese Petition von A. T. Stewardt, viel- 
I leicht dem bedeutendsten unter den kaufmännischen 
Königen von New York, und William Cullen Bryant, 
dem Dichter und Senior der Tagespresse, dem 
Wohlthätigkeitsausschusse (Board of charities) vor¬ 
gelegt wurde — da war nur eine Antwort mög¬ 
lich, und die Schlacht war gewonnen. Ein neues 
Krankenhaus, als Repräsentant der vervollkommne- 
j ten Therapie, wurde den grossen Wohlthätigkeits- 
I anstalten unserer Stadt hinzugefügt. Da ein Black- 
I well’s Island Hospital unter der Controle des Wohl- 
1 thätigkeit8departements bereits besteht, so wünsch¬ 
ten wir, dass das unsere, seine Schwester, unter 
derselben Controle stehend, Ward’s Island Hospital 
genannt werden möchte. Dies unser Hospital sollte 
i die sogenannte homöopathische Schule vertreten, 

I und doch hat dieser Name etwas Sektirerisches, 

I und wir wünschten, als Aerzte, die volle Freiheit, 
zu denken und zu handeln gemäss den Bahnen 
! der immer weiter fortschreitenden Wissenschaft und 
Erfahrung, wohin diese uns immer führen möchten, 
j Indessen man bestand auf die Bezeichnung ,Ho- 
| möopathisches Hospital*, und wir waren genöthigt 
^ uns zu fügen. Das ärztliche Collegium war aus 
| Mitgliedern der homöopathischen Schule gebildet, 
i Es vertritt wohl die vorgeschrittene und liberale 


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109 


Praxis dieser Schule, und doch bis zu einem ge- [ 
wissen Grade war es recht sektirerisch, das erste | 
wirklich nicht sektirerische Hospital, das je in der I 
Kulturgeschichte gegründet worden ist. Es sind 
dem Geiste des ärztlichen Colloquiums keine Fesseln 
angelegt. Die breiten Pforten der Wissenschaft j 
sind für Alle geöffnet, und die Entwicklung neuer | 
Wahrheiten finden eine freundliche Aufnahme. I 
„Man hat das neue Hospital das Muster-Kranken- j 
haus unserer Stadt genannt, und wdsbalb? Weil 
es mit vorzüglichen Vorstehern besetzt ist, mit 
Männern von ausgezeichneter organisatorischer 
Tüchtigkeit sowie mit einem ärztlichen Collegium, J 
das sich nicht scheut zu denken und zu handeln 
in Uebereinstimmung mit den Erkenntnissen der | 
medicinischen Wissenschaft. Die Reinlichkeit, das 
Licht, der Sonnenschein, die reine Luft, die gut- 
auserlesene Ernährung, die Asepsis waren ein Theil 
von Hahnemann’s Heilsystem, aus denen sein thera¬ 
peutisches Gesetz herauswuchs, lange bevor Lister 
bekannt war, und in ihnen lag grossentheils das 
Geheinmiss der wunderbaren Erfolge seiner An¬ 
hänger, ehe diese Grundsätze von der überwiegen¬ 
den Mehrzahl der Aerzte angenommen und in ihrer 
Praxis verwendet worden sind. Es war ein ruhm¬ 
reicher Tag für uns, als wir unser neues Haus 
zum ersten Mal betraten und durch den Corridor 
und von Raum zu Raum gingen mit ihren langen 
Reihen noch unbesetzter Betten, indem wir uns 
vorstellten, wie sie sich bald mit unseren Patienten 
füllen, und wie die Stadt, deren Diener wir sind, 
ein Urtheil über uns sprechen und uns streng ver¬ 
antwortlich für unser Werk machen werde. Wie 
wir von Zimmer zu Zimmer gingen vorbei an den 
insassenleeren Betten, die sich bald mit Kranken 
und Leidenden füllen werden, die nach Hilfe auf 
uns schauen, da schien es, als ob eine Stimme von 
einer unsichtbaren Quelle durch die Luft schwebte, 

»Wohlan, thut eurer Seele Pforten auf, 

Dass alle Herrlichkeit des Weltenalls I 

Zu ihr einziehe. Kann die schmale Tafel 

Von einem armen Credo doch nicht fassen 

Die Glanzesstrahlen, welche schimmern 

Von ungezählten Lichtesquellen Thut hinweg 

Des Aberglaubens Blenden, dass das Licht i 

Durch klare Fenster lliesse, klar wie Wahrheit , 

Und hehr wie Gott. Hinweg der Schutt 

Entseelter Lehren, fegt herunter 

Das Spinngeweb’ verbrauchter Traditionen, 

Und weitet eure Seele für das Licht, I 

Das aus Vernunft und Kenntniss strahlt! Herzhaft 
Stosst von euch halbe Wahrheit, greift die ganze!‘ | 

„Und dieses haben wir, soweit es unsere Fähig¬ 
keit erlaubt, zu thun versucht, um so unser Kran¬ 
kenhaus zu einem kleinen Molekül in dem mäch¬ 
tigen Strom von Freiheit und Fortschritt, der die 
Welt durchkreiset, zu machen. ! 


„Ist es fehlgeschlagen, oder ist die Welt wirk¬ 
lich ein wenig besser dank jenem Geiste von Frei¬ 
heit, Fortschritt, klargefassten, schneidigen Ge¬ 
danken, die von der klinischen Erfahrung des 
Hospitals in weite Arbeitsgebiete gebracht und die 
ein Theil Ihres Lebenswerkes und die Krone Ihres 
Erfolges ausmachen?“ 

(Medical Times. New York.) 

Es ist immerhin eine bemerkenswerthe Erschei¬ 
nung, meinen wir, wenn eine so bedeutende ärztliche 
Zeitung wie die New Yorker Medical Times in einem 
Artikel eines Nichthomöopathen, der das in jener Stadt 
unter so guten Auspicien ins Leben tretende homöopa¬ 
thische Hospital so sympathisch begrüsst, ja schwung- 
und hoffnungsvoll feiert, seine Spalten geöffnet hat. 
Für unsere Sache ist dies Hospital in New York 
eine wichtige Errungenschaft, deren volle Bedeu¬ 
tung aber nicht bloss allein darin liegen wird, dass 
die zur ärztlichen Leitung berufenen homöopathi¬ 
schen Aerzte in souveräner Gedankenfreiheit die 
Ergebnisse der „modernen“ Heil Wissenschaft und 
Heilkunst zur Geltung bringen, sondern auch den 
gediegenen, vielbewährten Grundsätzen der Homöo¬ 
pathie getreu ihre Therapie ausüben. 

Dr. Hossa. 


Lachesis in Endocarditis. 

Dr. Colwell berichtet in The Clinique vom Juli 
vor. Jahres einen Fall von Endocarditis scarlatinosa, 
bei dem Lachesis sehr wirksam sich erwies: 

Ein 5jähr. Knabe war im Februar 1892 an 
Scharlachfieber erkrankt. Die Krankheit nahm einen 
massigen, typischen Verlauf ohne Complicationen. 
Nach zwei Monaten befand er sich schwer krank 
an einer acuten Endocarditis und Rheumatismus 
verschiedener Gelenke. Der Zustand ward immer 
schlimmer, trotz allem, was man für ihn that. Ob¬ 
wohl fieberhaft, hatte seine Haut eine eigenthüin- 
liche gelbliche Blässe, eine kachektische Färbung, 
wie man sie öfters bei Diphtherie und anderen mit 
schwerer Blutveränderung einhergehenden Krank¬ 
heiten antrifft. 

Fast von Anfang des rheumatischen Anfalls an 
waren alle Symptome bei dem Pat. schlimmer nach 
dem Erwachen. Er erwachte, mit Weinen oder 
Schreien, wie von Schmerz, und konnte eine Zeit 
lang durch Nichts beruhigt werden. Der Schmerz 
schien nicht durch zu langes Liegen auf einer 
Stelle bedingt zu sein, so dass er durch Bewegung 
erleichtert werden konnte (wie bei Rhus), sondern 
auch Bewegung änderte nichts. 

Dr. Colwell zögerte noch eine Zeit lang, Lachesis, 
das hier so deutlich angezeigt war, zu geben; da 
aber andere Mittel versagten, und die Sache schlecht 
stand, entschloss er sich endlich dazu. Er Hess 


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30 Gran von der 8. Dec.-Verreibung von Lachesis 
in ein halb mit Wasser gefülltes Glas auflösen, 
wovon Pat. alle halben Stunden einen Theelöffel 
voll erhielt. 

Nach Verlauf von zwei Stunden zeigte sich 
schon eine Wendung zum Bessern, die nach 12 Stun¬ 
den schon recht merklich war. Die Besserung 
schritt stetig fort, so dass er nach 3 Wochen als 
gesund entlassen werden konnte. Es blieb ein 
leichtes mitrales Murmeln zurück, keine Insufficienz. 

H. 


Bitte an die Collegen! 

Für einen älteren Collegen, Vater schulpflich¬ 
tiger Kinder, der ohne eignes Verschulden in höchste 
Noth gerathen, aber bestimmte Aussicht hat, bald 
wieder in die Höhe zu kommen, wird eine Geld¬ 
unterstützung, die als Darlehen betrachtet wird, 
auf diesem Wege erbeten. Schleunigste Hülfe ist 
dringend nöthig, da seine Existenz davon abhängt, 
und ist jeder Betrag willkommen. — Gefl. Gaben 
nimmt entgegen und ist zu näherer Auskunft bereit 

Metz, den 2. Januar 1899. 

Dr. tfeinel, 

Geh. San.-Rath, Kreisarzt der Stadt Metz 
und 

Medicinalreferent des Bezirks-Präsidiums. 

Wir richten an die geehrten Herren Collegen 
die Bitte, diesem im äussersten Westen des deut¬ 
schen Reiches in Noth gerathenen homöopathischen 
Berufsgenossen freundlich zu Hülfe zu kommen. 
Herr Apotheker Steinmetz, Leipzig (Verlag die¬ 
ses Blattes) ist bereit, die eingehenden Beiträge zu 
sammeln und an die richtige Adresse zu befördern. 

Die Eedaction. 


XV. Jahresbericht des Homöopath. Spitals 
München. 

Im Jahre 1898 wurden in diesem homöopathi¬ 
schen Spital 30 Kranke behandelt, nämlich 8 männ¬ 
liche und 22 weibliche, in 2669 Verpflegungstagen. 
Davon litten 10 an chronischen, die übrigen 20 an 
acuten Affectionen, wovon 18 als geheilt entlassen 
werden konnten. Von diesen hatten gelitten 1 an 
Gebimhyperaemie, 2 an katarrhalischen Halsent¬ 
zündungen, 1 an Diphtherie, 1 an Periostitis man- 
dibulae, 3 an acuter und 1 an chronischer Bronchitis, 
3 an acutem Magenkatarrh, 1 au chronischem 
Darmkatarrh, 1 an chronischem Blasenkatarrh, 1 an 
Peritonitis, 1 an Gebärmutterblutung, 1 an acutem 
Gelenkrheumatismus. 1 Myoma uteri konnte ge¬ 
bessert entlassen werden. — Im Ambulatorium für 
Unbemittelte wurden 770 Kranke behandelt. 


! Die Finanzen der Anstalt sind in guter Ord- 
I nung. Die Spitalverwaltung erhielt auch im ver- 
I flössenen Jahre namhafte Zuwendungen in der Höhe 
j von 1000, 100, 20, 10 und 6 Mk., in Summa 
I 1136 Mk. 

Leider haben wir auch von diesem deutschen 
homöopathischen Spital, ebenso wie von dem Leip- 
1 ziger, keinerlei ausführliche Mittheilungen über die 
daselbst behandelten Fälle erhalten. Es ist dies 
eine Unterlassungssünde, die uns nicht bloss eiu 
für die Wissenschaft und Praxis unserer Heilkunst 
wichtiges Material vorenthält, sondern auch der 
wachsenden, freudigen Sympathie für unsere Heil¬ 
stätten hemmend entgegenwirkt. Der kalte, ziffer- 
mässige Jahresbericht lässt eben kalt. 

1 Dr. Hossa. 


Lesefrilchte. 

Zar Aetiologie der Hemicr&nie 

| bemerkt Fr. Frieser (Wien), dass diese Krankheits- 
I form als selbstständiges, primäres Leiden fast nie 
1 vorkomme, wenn auch in manchen Fällen eine 
erbliche Veranlagung mit Recht angenommen wer¬ 
den kann. In der weitaus grösseren Zahl der 
| Fälle liegen andere Grundkrankheiten vor. So 
anämische Zustände, Erkrankungen der weiblichen 
Geschlechtsorgane (besonders Lageveränderungen 
des Uterus), Otitis media chronica, chronische 
Katarrhe der Tuba Eustachii, Nasenaffectionen, z. B. 
Polypen, besonders häufig dyspeptische Störungen, 
chronische Obstipation, Magenerweiterung, chronische 
Magenkatarrhe, Zahncaries (wohl durch Hinein¬ 
gelangen von Fäulnissstoffen in den Magen), end¬ 
lich geistige Ueberanstrengungen (so bei Schul¬ 
kindern); auch Kopfbeschädigungen und heftige 
psychische Aufregungen können Anlass zur Hemi- 
cranie geben. Mit Beseitigung des Grundübels, mit 
Fortschaffung der veranlassenden Momente, wird 
die Hemicranie dauernd zum Verschwinden kom¬ 
men. Wo jene nicht zu haben sind, muss man 
die Anfälle zu lindern suchen, zu welchem Zweck 
Verf. Menthol valerianicum empfiehlt. Bei abnorm 
verengter Pupille hebt er Coffein hervor. 

(Münchner Med. Wochenschrift. 1898. No. 35.) 

Herma incareerata 
geheilt durch Aetherbehandlang. 

Dr. E. Friedländer berichtet 2 Fälle: 

Der erste betrifft eine 55jährige Frau, die an 
einer Hernia inguinalis litt, und wo die Bauch¬ 
einklemmung schon 4 Tage bestanden hatte. Schon 
mehrere Aerzte hatten Stunden lang sich vergeb¬ 
lich bemüht, nach verschiedenen Methoden, die 
I Reposition zu erzielen, so dass für den nächsten 


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111 


Tag die Operation geplant war. -- Die Hautdecke j 
über der Baucbgeschwulst, die wurstartig unter der j 
mageren Bauch decke zu fühlen und zu sehen war, ; 
war von den vielen Taxisversuchen stark geröthet und j 
bei Berührung schmerzhaft. Letzter Stuhlgang vor 
5 Tagen, seit 2 Tagen Erblichen bei der gering¬ 
sten Flüssigkeitsaufnahme , mässige Tympanitis, nor¬ 
male Temperatur. — Lagerung der Kranken auf ■ 
den Rücken mit erhöhtem Kreuze, Beine in Beuge¬ 
stellung. Von 10 zu tO Minuten Auf giessen von je 
2 Esslöffeln Aether sulf. auf die Geschwulst und den i 
incarcerirten Ring. (Die Umgebung war durch Va- , 
selin geschützt.) Bei leichten Repositionsversuchen | 


verkleinerte sich jetzt der Tumor immer mehr und 
war nach ^ Stunde — ohne Gurren — verschwun¬ 
den. Bald darauf Abgang von Flatus und einem 
sehr übelriechenden flüssigen Stuhl. Völlige Hei-, 
lung. — Im 2. Fall 66jährige Frau mit eingeklemm¬ 
ter Hernia cruralis wurde nach vergeblichen Ver¬ 
suchen zur Taxis ebenfalls durch dasselbe Verfahren 
hergestellt. 

(Wiener med. Wochenschrift. 1896, 1.) 

Druckfehler-Verbesserung. 

In No. 11/12, p. 82, Spalte 2, Zeile 17, 18 u. 19 von 
unten muss es statt Pyrazolor überall Pyrazolon heissen. 


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Dr. med. prakt. hom. Arzt, Special, f. Kinderkrankh. 
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Gebrauchs-Anweisung. Man nehme 75—100 Gramm von unserem Bohnenschalenthee und koche dieselben mit 
2—3 Liter Wasser 3—4 Stunden, bis solche auf 1 Liter eingekocht sind; bis zu diesem Quantum kann man täglich 
gemessen, das normale ist ein Trinkglas voll. — Der Thee allein getrunken schmeckt nicht schlecht, man kann aber 
auch, um den Bohnengeschmack zu vermindern, etwas Fleischextract etc. hinzufügen. — Besondere Diät braucht nicht 
eingehalten zu werden. — Die Wirkung auf die Nieren ist eine ganz ausserordentlich grosse, was jeder Trinker des 
Thees in dem reichlichen Urinlassen merken wird. Ausser dem Trinken des Thees empfiehlt man ärztlicherseits auch 
das Baden in demselben, besonders bei Rheumatismus und Gicht, zu einem Bade gehören 5 Liter Extraet, man nimmt 
aber hierbei 200 Gramm Thee auf 1 Liter Extraet. 

Leipzig. _ A, Marggra f’s homöopathische Offlein. 

Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Moesa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julius Mäser in Leipzig. 


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Band 138, 


Leipzig, den 13. April 1899, 

ALLGEMEINE 


No. 15 u.16 


HOMÖOPATHISCHE ZEITH«. 


Herausgegeben von 


Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. MarggraPs homöopath. Offlein) in Leipzig 

Thomaskirchhof 12. 


Erscheint 14tägigzn2Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 M. 60 Pf. (Halbjahr). Alle Buohhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs -Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offloin ln Leipzig) zu riohten 
sind, werden mit 20 Pf, pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 6—8 M. berechnet. 


Inhalt. Zu Samuel Hahnemann’s 144. Geburtstage am 10. April 1899. — Berliner homöopathisches Kranken¬ 
haus. Einladung zur Ordentlichen Generalversammlung am 15. April 1899. — Chininum arsenicosum. Von Dr. Schier 
in Mainz. — Indicationen für Jod und einige praktische Fälle. — Der internationale homöopathische Congress von 
1900. Von Dr. Theodor Kafka. — Professor Eimer Gates psychologische Heilart. Psychologie. Von Dr. Mossa. — 
Homöopathische Rundschau. Auszug aus dem Journal Beige d’homoeopathie und der Revue homoeopathique fran^aise. 
Von Dr. med. Rob. Stäger. (Fortsetzung.) — Zur Behandlung der Infuenza — Mittelwechsel. Von Dr. Criquelion 
(Mons). - Vom Büchertische. Von Dr. Mossa. — Kur- und Wasserheilanstalt „Kaiserbad“ in Rosenheim. — Lese¬ 
früchte. — Personalia. — Anzeigen. 


Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Zu Samuel Hahnemann’s 144. Geburtstage 

am 10. April 1899. 

Aude sapere! 

eil glänzet an der neuen Heilkunst Pforte 
Das „Aude sapere!“ — Das hat erwählt 
Der Meister kühn zu seinem Losungsworte, 

Und dies hat ihn zu Werk und Kampf gestählt. 

0, welche Arbeit, bis er die verdorrte 
Zeit-Medicin mit Lebenskraft beseelt! 

Welch’ Ringen, bis ihn führt zum rechten Horte 
Sein Forschersinn mit Menschenlieb’ vermählt! — 

Früh hat zum scharfen Sehen, klaren Denken 
Der Vater ihn geleitet mit Bedacht; 

Und Riesenfleiss stärkt seines Geistes Macht. 

So könnt’ er’s wagen und gewann die Schlacht. 

Drum woll’n aufs „Aude sapere!“ wir lenken 
Den Sinn, wenn heut’ des Meisters wir gedenken! 

Stuttgart. Dr. Mossa. 



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114 


Berliner homöopathisches Krankenhaus. 

Einladung 

zur 

Ordentlichen Generalversammlung 

am Sonnabend, den 15. April 1899, Abends 7 1 /* Uhr, in der Poliklinik des Berliner Vereins 
homöopathischer Aerzte, Charlottenstrasse 77/78. 

Tagesordnung: 

1. Rechenschaftsbericht für das Jahr 1898. 

2. Antrag anf Ertheilnng der Decharge an das Cnratorium. 

3. Bericht des Cnratoriums über seine Thätigkeit im verflossenen Rechnungsjahre. 

Berlin, 25. März 1899 . Das Curatorium. 


Chininum arsenicosum. 

Von Dr. Schier in Mainz. 

Nachdem College Rischer in Aachen und ich 
für die neue deutsche homöopathische Arzneimittel¬ 
lehre die Bearbeitung von China, Chininum sul- 
furicum und Chininum arsenicosum übernommen 
hatten, kamen wir zu der Ueberzeugung, dass eine 
Nachprüfung des letzten Mittels sehr erwünscht sei. 
Wenngleich die beiden Componcnten recht sorg 
fähig geprüft sind und das Präparat daher theo¬ 
retisch genügend bekannt, auch in der Praxis sein- 
bewährt befunden ist, so fehlte doch die eigent¬ 
liche Grundlage für die Anwendung am Kranken¬ 
bette, nämlich die Prüfung des Compositum am Ge¬ 
sunden, fast völlig. Bis dato verfügten wir lediglich 
über die Publikation einer unfreiwilligen Prüfung 
des Dr. Muhr im 88. Bd. dieser Zeitschrift. Col¬ 
lege Rischer hat nun in dankenswerter Weise 
mit einigen seiner Patienten bez. Patientinnen im 
vergangenen Winter mehrere Versuche unter allen 
Cautelen angestellt, deren Resultat hier folgt: 

Prüfung von Chininum arsenicosum. 

Namen der Prüfenden: 

1. Herr K., Schreinermeister, G7 Jahr. 

2. ,, H., Buchbinder, 50 Jahr. 

3. ,, P., Beamter, 45 Jahr. 

4. ,, Dr. Rischer, Arzt, 30 Jahr. 

5. Frl. G., 30 Jahr. 

6. ,, K, 19 Jahr. 

Die Prüfungen wurden vorschriftsmässig vor¬ 
genommen, s. Circul. von Dr. Göhrum, und zwar 
mit der 12., 6., 3 , 2. D. und Ursubstanz. 

Haut. Brennendes Gefühl am ganzen Körper, 
welches zum Kratzen veranlasst, darauf ausnahms¬ 
weise starke Röthung der Haut. Hält ungefähr 
einen halben Tag an und verschwindet allmählich. 
Verschlimmerung in der Wärme, Besserung in der 


Kälte (dieses Symptom wurde 3 Mal beobachtet bei 
Prüfung mit der 2. D. von No. 4 und 5). — In¬ 
tensive Röthung der Haut, der Brust und des 
Leibes nach voraufgegangenem leichten Frösteln 
und einer mehrstündigen Abgeschlagenheit des ganzen 
Körpers. Diese Röthung besteht etwa eine Stunde 
und wird von einem erysipelartigen äusserst heftig 
brennenden und juckenden Ausschlag gefolgt. Dabei 
grosse Erregung im ganzen Körper mit Congestionen 
nach dem Kopf. Der Ausschlag zeigt sich auch 
in geringem Grade zwischen den Schulterblättern, 
verschwindet aber hier nach etwa 2 Stunden wieder. 
Puls während des Ausschlages pro Minute 80, Tem¬ 
peratur 37,8 bez. 38°. Verschlimmerung in der 
Wärme, Kälte indifferent. Der Ausschlag hält ca. 
3 Tage an und verschwindet allmählich. Stuhl¬ 
gang während dieser Zeit auffallend hart (Dieses 
Symptom des Ausschlages wurde einmal [No. 5] 
nach 3 maliger Einnahme einer bohnengrossen Quan¬ 
tität von D. 2. beobachtet. Die Einnahme erfolgte 
in Abständen von je 1 Stunde). 

Kopf. Leichte ziehende Schmerzen in der Stirn 
und der rechten Schläfe. Dieselben treten etwa 
1V., Stunden nach Einnahme der 3. D. ein und ver¬ 
breiten sich nach etwa ebenso langer Zeit über 
den ganzen Kopf. Aeusserer Druck wird gut ver¬ 
tragen. Nach 3 Stunden verschwinden dieselben 
wieder langsam. Das Allgemeinbefinden und be¬ 
sonders der Appetit sind etwas gestört. (Dieses 
Symptom wurde 4 Mal nach Einnahme der 3. D. 
beobachtet No. 1, 2, 5 und 6.) — Typisch auf¬ 
tretende Neuralgie des Nervus supraorbitalis sin. 
Tritt auf 12 Stunden nach Einnahme von D. 2., 
Abends 11 Uhr, etwa 1 Stunde nach dem Zubett¬ 
gehen Die Schmerzanfalle (wahre) wiederholen sich 
während 2 Stunden 3 Mal, dabei Hitzegefühl in 
dem betroffenen Nervengebiet und schmerzhaftes 
Stechen im linken Augapfel. Am andern Morgen 
keinerlei Beschwerden mehr. (Dieses Symptom wurde 
einmal bei No. 5 beobachtet.) Dauern mir wenige 


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115 


Minuten; in der schmerzfreien Zeit besteht eine 
starke Spannung in der ganzen Stirn. 

Mund. Röthung und Schwellung des Zahn¬ 
fleisches, verbunden mit grosser Empfindlichkeit des¬ 
selben. Beim Kauen treten lebhafte Schmerzen 
ein, welche dasselbe sehr erschweren. In einem 
Falle konnten während zweier Tage nur flüssige 
bez. breiige Substanzen genossen werden (No. 1). 
Diese Symptome traten 1 — 2 Stunden nach Ein¬ 
nahme der 3. bez. 2. D. ein und wurden 4 Mal 
beobachtet (1, 1, 3, 5). Nach etwa 24 Stunden 
gingen dieselben von selbst zurück. — Starke 
reissende Zahnschmerzen, vielfach an den Typus 
einer Neuralgie erinnernd, mit hochgeröthetem und 
geschwollenem Zahnfleische. Die Prüfenden gaben 
jedes Mal an, das Gefühl eines sich entwickelnden 
heftigen Zahngeschwüres zu empfinden. Die Be¬ 
schwerden setzten 3 Stunden nach der Einnahme 
von 2. D. ein und hielten 3—4 Tage an, dann 
verloren sie sich allmählich. Diese Symptome wurden 
2 Mal beobachtet (3, 6). Als Beweis für die Rich¬ 
tigkeit derselben, sowie überhaupt des homöo¬ 
pathischen Principes, gelte Folgendes: Als No. 5 
zur Prüfung mit D. 2. schreiten sollte, war zu¬ 
fälligerweise die eben beschriebene Affection des 
Zahnfleisches, vermuthlich aus rheumatischen Ur¬ 
sachen, vorhanden. Eine Gabe von D. 2. genügte, 
um innerhalb 2 Stunden sämmtliche Beschwerden 
vollständig zu beseitigen. — Röthung und entzünd¬ 
liche Schwellung beider Mundwinkel, so dass jede 
Kauhewegung äusserst schmerzhaft ist. Trat nach 
Einnahme von D. 2. innerhalb 4 Stunden auf und 
hielt 24 Stunden an. Wurde 2 Mal beobachtet 
(4 und 5). 

Magen . Leeres Aufstossen etwa Stunde nach 
Einnahme der D. 3. auftretend. Daneben geringe 
Uebelkeit und Brechreiz. Appetitlosigkeit Die 
Beschwerden halten 1 / 2 Tag an und verschwinden 
allmählich. Diese Symptome wurden 3 Mal be¬ 
obachtet (1, 4, 5). — Heftiges Aufstossen mit 
starker Uebelkeit und Brechreiz, einmal trat Er¬ 
brechen ein (No. 5). Daneben kneifende, ziehende 
Schmerzen in der Magengegend, Neigung zum 
Bücken oder Setzen, um den Leib zu stützen. 
Druck auf die schmerzhaften Teile erleichtert, ebenso 
Aufstossen. Der Appetit ist völlig geschwunden, 
Ekel vor Fleisch, Neigung zu Süssigkeiten. Neben 
all diesen Beschwerden ausgesprochene Hinfällig¬ 
keit und elendes Gefühl im ganzen Körper. Diese 
Symptome traten in 2 Fällen (5 und 6) nach der 
D. 2. etwa 1 1 / a Stunden nachher ein und hielten 
etwa 36 Stunden an. Der Rückgang der Beschwer¬ 
den erfolgte allmählich. In einem Falle trat noch 
heftiges Durstgefühl nach kaltem Wasser auf (No. 5). 
Heftige Uebelkeit, Brechreiz, starkes Erbrechen 
schleimiger, grünlicher Massen, dabei Schwindel, 


Kopfschmerz, krampfartige, heftige, zusammen¬ 
schnürende Schmerzen in der Magengegend, die sich 
auf äussern Druck lindern, dabei ausgesprochene 
Hinfälligkeit und Unfähigkeit, auch das Geringste 
zu thun. Grosser Durst auf frisches Wasser. Diese 
|£Beschwerden traten nach Einnahme der Ursubstanz 
| auf, fast genau 2 Stunden hinterher, und hielten 
etwa 10—12 Stunden an. Die Prüfung mit dieser 
Potenz wurde von No. 4 allein ausgeführt. 

Darm . Unbehagliches Gefühl im Leibe, leichte, 
kneifende, ziehende Schmerzen, die sich über das 
ganze Abdomen gleichmässig verbreiten. Aeusserer 
Druck erleichtert. Daneben gelinder, breiiger Stuhl, 
etwa 2 Mal tagsüber, mehr als gewöhnlich. Diese 
Symptome stellten sich 4 Mal nach Einnahme der 
D. 3. etwa 3 Stunden nachher ein (1, 3, 5, 6). — 
Heftigere ziehende Schmerzen im ganzen Leibe, 
kolikartig, Neigung zum Setzen und Stützen des 
Leibes. Druck bessert. Gefühl von Aufgetrieben- 
heit des Leibes, Abgang ziemlich starker Blähungen, 
gefolgt von dünnem, schleimigem, unter kolikartigen 
Schmerzen entleertem Stuhlgang. Grosse Mattig¬ 
keit und Hinfälligkeit. Diese Symptome stellten 
sich 2 Mal nach Einnahme der D. 2. ein (1, 5). — 
Stündlich unter heftigen kolikartigen Schmerzen 
eintretende dünne, wässerige, übelriechende Durch¬ 
fälle, verbunden mit grossem Durstgefühl und 
| äusserster Hinfälligkeit. Keine Blähungen. Diese 
I Symptome erfolgten nach Einnahme (No. 4) der 
j Ursubstanz. Die ersten kolikartigen Symptome stellten 
sich etwa 1 1 / 2 —2 Stunden nachher ein, und er- 
I reichten, verbunden mit den oben bezeichneten 
| Durchfallen, etwa 4—5 Stunden hinterher ihren 
I Höhepunkt. Die offenbar toxische Wirkung des 
j Arsens hielt fast 24 Stunden an und gingen die 
| körperlichen Functionen alsdann erst wieder allmäh- 
j lieh in den normalen Zustand über. — Die mit der 
I 12. bez. 6. D.-Potenz vorgenommenen Prüfungen 
verliefen bei sämmtlichen Prüfenden völlig resul- 
j tatlos. 

* * * 

Hiernach können wir nun das Symptomehver- 
| zeichnissy wie es für die neue Arzneimittellehre pro- 
I jectirt ist, in folgender Weise zusammenstellen: 

! Namen dei' Prüfer: 

1. Dr. Muhr, Allgem. homöopath. Zeitung, 

| Bd. 88, S. 39. 

I 2. Dr. Rischer und seine Prüfungsgesell- 

; Schaft 

1. Seelische Symptome: vacat. 

| 2. Nervensystem. 

| Allgemeinbefinden gestört (2); mehrstündige Ab- 

( geschlagenheit des ganzen Körpers (2); Hinfällig- 
| keit und Unfähigkeit, das Geringste zu thun (2); 

I grosse Mattigkeit und Hinfälligkeit (2); elendes Ge- 

16 * 


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116 


fühl im ganzen Körper (2); äusserste Hinfällig*- | 
keit (2); Abspannung der unteren Extremitäten (1). j 

Klinische Anwendung: Die nervösen Symptome 
an und für sich sind wenig charakteristisch, wenn¬ 
gleich, auch der Theorie nach, kaum ein anderes 
Mittel die asthenischen Erscheinungen so ausge- i 
prägt darbietet. Erst das Hinzutreten oder viel- | 
mehr Vorangehen anderer Symptome, namentlich ! 
von Seiten des Magendarmtractus, ergeben eine be- 
stimmte Indication. i 

I 

3. Schlaf und Träume. 1 

Schläfrigkeit (1); Schlaf unterbrochen. 

4. Fieber und fieberartige Erscheinungen. j 

Grosse Erregung im ganzen Körper mit Con- 
gestionen nach dem Kopfe (2); intensive Röthe der 
Haut, der Brust und des Leibes nach leichtem ■ 
Frösteln (2). , 

5. Haut. 

Brennendes Gefühl am ganzen Körper, welches 
zum Kratzen veranlasst, darauf ausnahmsweise starke 
Röthung der Haut; Verschlimmerung in der Wärme, 
Besserung in der Kälte (2); intensive Röthe der 
Haut, der Brust und des Leibes nach leichtem j 
Frösteln, diese Röthe besteht etwa 1 Stunde und 
wird von einem erysipelartigen, äusserst heftig 
brennenden und juckenden Ausschlag gefolgt, Ver¬ 
schlimmerung in der Wärme (2); Ausschlag (ge- j 
ringer) zwischen den Schulterblättern (2). 

6. Knochen und Gelenke. j 

Schmerzhafte Abspannung der Achsel und Eli- j 

bogengelenke (1). 

7. Drüsen: vacat. 

8. Kopf. I 

Schwindel, Kopfschmerz (2); Kopf eingenom- j 

men (1); grosse Erregung im ganzen Körper mit 
Congestionen nach dem Kopfe (2); Kopf leicht i 
drückend schmerzend in Stirn und Schläfen (1); j 
leichte ziehende Schmerzen in der Stirn und rechten 
Schläfe, verbreiten sich allmählich über den ganzen 
Kopf, äusserer Druck wird gut vertrageu (2); Span¬ 
nung in der ganzen Stirn (2). 

Klinische Anwendung: Die Prüfungssymptome , 
betreffen vorzugsweise Neuralgieen in Stirn und 
Schläfengegend. 

9. Auge und Sehen. 

Schmerzhaftes Stechen im linken Augapfel (2). 

10. Ohr und Gehör. 

Im linken Ohr Gefühl und Geräusch wie von 
Heuschrecken (1). 

11. Nase und Geruch; vacat. 


12. Gesicht. 

Schmerz und Hitze im Gebiet des N. supra- 
orbitalis sin., in 2 Stunden 3 Mal anfallsweise sich 
einstellend (2). 

13. Hund und Hundhöhle. 

Starke reissende Zahnschmerzen mit stark ge¬ 
schwollenem und geröthetem Zahnfleische, wie bei 
Entwicklung eines Zahngeschwürs (2); Röthe und 
Schwellung des Zahnfleisches mit grosser Empfind¬ 
lichkeit desselben, lebhafte Schmerzen beim Kauen (2); 
wegen Schmerzhaftigkeit des Zahnfleisches konnteu 
während 2 Tagen nur flüssige bez. breiige Sub¬ 
stanzen genossen werden (2); Röthe und entzünd¬ 
liche Schwellung beider Mundwinkel, so dass jede 
Kaubewegung äusserst schmerzhaft ist (2). 

14. Schlund und Hals: vacat. 

15. Hagen. 

Appetit gestört (2); Appetitlosigkeit (2); Appetit 
völlig geschwunden, Ekel vor Fleisch, Neigung zu 
Süssigkeiten (2); grosses Durstgefühl (2); grosser 
Durst auf frisches Wasser (2); heftiger Durst nach 
kaltem Wasser (2). 

Leeres Aufstossen, geringe Uebelkeit und Brech¬ 
reiz (2); heftiges Aufstossen mit starker Uebelkeit 
und Brechreiz (2); Erbrechen (2); heftige Uebel¬ 
keit, Brechreiz, starkes Erbrechen schleimiger, grün¬ 
licher Massen (2); krampfartige, heftige, zusammen¬ 
schnürende Schmerzen in der Magengegend, durch 
äusseren Druck gelindert (2); kneifende, ziehende 
Schmerzen in der Magengegend, Neigung zum 
Bücken oder Setzen, um den Leib zu stützen, 
Druck auf die schmerzhafte Stelle erleichtert, ebenso 
Aufstossen (2); Drücken hinter dem Magen, das 
sich auch nach dem Mittagessen, welches mit Appetit 
stattfand, nicht verlor (1). 

Klinische Anwendung: Hier überwiegen die Wir¬ 
kungen des Arsens, worauf besonders der starke 
Durst hinweist, sowie die heftigen Schmerzen in 
der Magengegend. Die Symptome des acuten fieber¬ 
haften Magenkatarrhs, wie sie nach allgemeiner 
Erkältung und specieller Erkältung des Magens 
etwa durch Genuss kalter Flüssigkeiten entstehen, 
sind deutlich ausgeprägt. Kommen dazu noch die 
unter No. 16 und 18 aufgezählten Erscheinungen 
von katarrhalischen, mit starkem Meteorismus (China!) 
verbundenen Entzündungen des Darmkanals, so 
haben wir ein Krankheitsbild, das unser Mittel 
souverän beherrscht. 

16. Bauch. 

Abends sehr empfindliches Leibschneiden (1); 
unbehagliches Gefühl im Leibe, leichte, kneifende, 
ziehende Schmerzen über das ganze Abdomen, durch 
äusseren Druck erleichtert (2 mehrmals); heftige, 


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ziehende Schmerzen im ganzen Leibe, kolikartig, 
Neigung zum Setzen und Stützen des Leibes, durch 
Druck gebessert (2); Aufgetriebenheit des Leibes (2); 
Drücken im Sonnengeflecht, gegen den Rücken als 
klemmendes Gefühl sich äussernd (1). 

17. M&stdarm und After: vacat. 

18. Stuhl. 

Abgang starker Blähungen, gefolgt von dünnem, 
schleimigem, unter kolikartigen Schmerzen entleertem 
Stuhl (2); breiiger Stuhl (2 viermal); stündlich unter 
heftigen kolikartigen Schmerzen eintretende dünne, 
wässerige, übelriechende Durchfalle (2); Stuhlgang 
auffallend hart (2). 

19. Hamwerkzeuge und 20. Geschlechtsorgane: 
vacat. 

21. Athmungsorgane. 

Der Athem ganz leicht, wie wenn der Brust¬ 
korb hohl wäre (1). 

22. Brust: vacat. 

23. Kreislaufsorgane. 

Gefühl von Stillstand des Herzens (1); Zittern 
des Herzens mit einem gurrenden Geräusch, konnte 
keinen Herzschlag unterscheiden (1); Herzklopfen, 
beim Anlehnen des Rückens fühlbar (1); Herzschlag 
unregelmässig, 200 Schläge in der Minute (1). 

Kann den linken Puls nicht fühlen (1); grosse 
Erregung im ganzen Körper mit Congestionen nach 
dem Kopfe (2); leises schnelles Klopfen der Schläfen¬ 
arterien (1). 

Klinische Anwmdung: Bei acuten und subacuten 
Entzündungen des Herzens und fieberhaften Er¬ 
krankungen, welche mit so bedeutender Schwäche 
des Herzens einhergehen, dass Herzschlag und Puls 
nicht fühlbar sind, dabei, der Chininwirkung ent¬ 
sprechend, Congestion nach dem Kopfe. 

24. Naoken und Bücken. 

Rückgrat gegen Berührung drückend, schmer¬ 
zend (1). 

25. Gliedmassen. 

Abspannung der unteren Extremitäten (1). 

26. Nähere Umstände. 

A . Verschlimmerung: 

Hautausschlag juckt iu der Wärme mehr (2); 
Herzklopfen, fühlbar beim Anlehnen des Rückens (1); 
Rückgrat gegen Berührung drückend, schmerzend (1). 

B. Besserung: 

Leibschmerzen, durch Druck gebessert (2 zwei¬ 
mal); Magenschmerz, durch Druck auf die schmerz¬ 
hafte Stelle erleichtert, ebenso durch Aufstossen (2); 
bei Kopfschmerzen wird äusserer Druck gut ver¬ 
tragen (2 mehrmals); brennendes Gefühl in der 
Haut, gebessert in der Kälte (2 mehrmals). 


Bemerkungen. 

Das Symptomenverzeichniss weist noch manche 
Lücken auf, die durch spätere Untersuchungen aus- 
i gefüllt werden müssen und einstweilen ihr Er¬ 
gänzung in den bez. ausführlichen Rubriken bei 
China und Arsenicum album finden; jedenfalls ist 
durch die unter Leitung von Collegen Rischer 
1 angestellten Prüfungen die theoretisch vorausgesetzte 
Wirkung des Mittels in den wichtigsten Phasen 
bestätigt. 

Ein besonderer physiologischer und vergleichen¬ 
der Abschnitt erübrigt sich, da in der betr. Zu¬ 
sammenstellung bei China bez. Arsen — in der 
neuen Arzneimittellehre — alles Wissenswerthe zu¬ 
sammengetragen ist. 


Indicationen für Jod und einige praktische 
Fälle. 

Aus dem Institute of Medicine berichtet The 
Hahnemannian Advocate Juli 1898 über einen lehr¬ 
reichen Vortrag von Dr. Schumacher über Jod, 
aus dem, sowie aus der daran sich knüpfenden 
Discussion wir das Bemerkenswerthe raittheilen 
wollen, da es uns manchen praktischen Wink für 
die Indicationen von Jod giebt. 

Zunächst spricht Redner über den Wirkungs¬ 
kreis von Jod und Jodkalium in der Behandlung 
der acuten und croupösen Pneumonie. 

Die Pathogenesie von Jod zeigt eine grosse 
Einwirkung dieses Mittels auf den Athmungsprocess. 
Es zeigt sich: Aengstlichkeit , grosse Beklemmung 
der Brust mit brennenden , reissenden oder stechen¬ 
den Schmerzen , Gefühl , als ob Etwas der Ausdeh¬ 
nung der Lungen widerstrebe 9 Husten mit asthmati¬ 
schem Athem und stechenden Schmerzen in der 
Bimst; blutstreifigem oder rostfarbenem Auswurfe , 
Kurzathmigkeit mit Schmerz beim Tiefathmen; er¬ 
schwertes Athmen . Die Prüfungssymptome von 
Jod und diese Symptomengruppe stellen die Jod- 
Pneumonie dar, ob die physikalische Diagnose die 
Krankheit festgestellt hat oder nicht. 

In solchen Fällen, wo sich die pleuritischen 
Symptome von Jod vorfinden, die physikalische 
Untersuchung aber die Gegenwart einer Pneumonie 
nachweist, da ist Kalium jodatum das bessere Mittel. 
Unter solchen Umständen mag Tartarus emeticus 
ohne Erfolg gegeben worden sein. 

Kali jod. ist oft auch iu einer secundären crou¬ 
pösen Pneumonie angezeigt, wenn sich diese im 
Verlaufe einer Bronchitis entwickelt und Phosphorus 
nicht genügend gewirkt hat. 

Wenn die croupöse Pneumonie ihren Sitz in 
der Regio clavicularis oder subclavicularis, und es 
ist bei dem Patienten eine Disposition zu einer 


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tuberkulösen Ausschwitzung, so ist die frühzeitige i 
Anwendung von Jodkalium von hoher Bedeutung. 1 
Redner bezieht sich auf die zwölfjährigen Er¬ 
fahrungen Kafkas mit Jod in der Pneumonie, 
welche er in seiner Praxis als völlig richtig er¬ 
probt hat. Er hat hierbei gefunden, dass Jod ■ 
allen anderen Mitteln in der croupösen Pneumonie 
entschieden überlegen ist, so angewandt, wie Kafka 1 
es vorschreibt. Das Stadium, in welchem er diese 
Krankheitsform übernommen hat, macht in der Be- ! 
handlung keinen Unterschied. Er sah von Jod 
immer Heilung innerhalb zehn Tagen. 

Wenn hohes Fieber und Delirium vorhanden I 
ist, so beginnt er mit der 3. Dil. und lässt darauf | 
die 2. folgen, wenn diese Erscheinungen sich noch j 
steigern. I 

Bei der Discussion sagt Dr. Carr, er habe an 
dem Vortrage einen Punkt zu tadeln, dass nämlich 
Dr. Sch. Jod für croupöse Pneumonie zu empfehlen | 
scheint: Er hätte lieber gesehen, wenn Redner | 
den Nachdruck auf die für Jod und seine Verbin- | 
düngen geltenden Jndicationen gelegt hätte. 

Dr. Schumacher: I 

Der Unterschied im Gebrauche für diese bei¬ 
den Mittel bezieht sich auf die Oertlichkeit; sind 
die pleuritischen Indicationen vorhanden, so spricht ! 
das für Kal. jod. Eine Bezeichnung muss man schon » 
der Krankheit des Kianken und seiner Umgebung i 
wegen geben, ohne dass man sich als Homöopath 
von der Nomenclatur beeinflussen lässt. — . 

In folgendem Falle, den die Aerztin Dr. Legget | 
der Gesellschaft mittheilt, hat das angezeigte Mittel j 
die Natur der Krankheit kundgegeben. 

Am 22. October 1896 stellte sich eine 33jährige 
Frau, die nach ihrer Aussage nie sehr krank 
gewesen, mit folgender Krankheitsgeschichte vor: 

Sie ist seit 9 Jahren verheirathet, hat 5 Ent¬ 
bindungen und einen Abortus im 2. Monat gehabt. 
Das letzte Kind ist im Juli 1896 geboren. Während 
der letzten Schwangerschaft hat sie einen Kropf 
nach einem, in einem alten Doctorbuch, gegebenen 
Recept behandelt. Innerlich hat sie ein Mittel aus 
Jod., Kalium, Sarsaparilla und Taraxum genommen, i 
äusserlich Jodtinctur mit weichem Wasser zur Ein¬ 
reibung gebraucht. 

Der Kropf verschwand vor der Entbindung, 
kehrte aber später wieder. Während der Schwanger- | 
schaft trat Schwellung des linken Beins ein, das ! 
dann in der Folge bandagirt worden ist. Hierauf i 
schwoll auch das rechte Bein an, und, als auch 
dieses fest gebunden wurde, ebenso die rechte 
Hüfte, wozu sich grosse Beschwerde in der linken 
Seite gesellte. Nachdem der Schmerz mehrmals 
von der linken zur rechten Hüfte herumgewandert | 
war, zog er sich nach dem Kopf, wo er, etw'as 


erleichtert nach der Geburt, bis jetzt fortbestan¬ 
den hat. 

Während der Schwangerschaft war der Kopf¬ 
schmerz anhaltend, wanderte nach der Seite, auf 
der sie lag mit dem Gesicht, als ob Etwas in der 
schmerzhaften Seite umherrollte. Um die Zeit, wo 
sie sich vorstellte, war der Schmerz geringer; sie 
hatte aber beständig ein Gefühl von Wundheit und 
Schwäche auf dem Wirbel. 

Fernere Störungen während der Gravidität 
waren gewesen: Hydramnion, ein papulärer und 
pustulöser Hautausschlag in der Regio hypogastrica 
mit erschrecklichem Jucken und Brennen, was die 
Kranke aus dem Bette trieb; das Jucken wurde 
durch Kratzen und ein warmes Bad gebessert. 

Die Augen waren angegriffen, äusserst licht¬ 
scheu, und Gläser erleichterten nur auf eine oder 
zwei Wochen. Jetzt wurde das Uebel schlimmer 
von Licht, besser von Hitze und heissen Um¬ 
schlägen. 

Im oberen Theile des Gesichts war eine Nieder¬ 
lassung von dunkelrothen, schmerzlosen Flecken, 
die Nase hatte ein gerötheteß und geschwollenes 
Aussehen, das sich an den Flügeln, am Septum 
und vorderen Nasenkanal zeigte. Andere Symp¬ 
tome waren: die Zunge war tief eingeschnitten, 
der Hals rauh, schlimmer beim Schlingen; sie ass 
wenig und hat bald darauf Hunger; Gasbildung 
oder Aufstossen unmöglich; kalte Hände und Füsse. 
Schlaf gut. Sie ist vergesslich, befindet sich in 
der Luft besser, aber hat kein Verlangen auszu- 
gehen. Schmerz im linken Hypogastrium, schlim¬ 
mer beim Liegen, in der Nacht Leucorrhöe mild, 
„wie das Weisse vom Ei M . 

Regeln geordnet, erst dunkel, dann hell; vor 
und nach derselben ein Schmerz, fingerspitzengross, 
an dem Hüftkamm. Der Kropf war hart, fest, 
wenig schmerzhaft. 

Da wenig örtliche Indicationen, die auf ein be¬ 
stimmtes Mittel hindeuteten, vorhanden waren, so 
dachte die Aerztin an Mittel, welche Kropf erzeugen 
oder bei demselben nützlich sind. Die Anamnese wies 
auf Jod (als Antidotum? Ref.); und in der That 
entsprach dieses auch den Symptomen am Auge 
und der Nase, der aufgesprungenen, eingerissenen 
Zunge, dem Druckschmerz oben auf dem Kopf, dem 
Trockenheitsgefühl im Halse, den verschiedenen 
Hautsymptomen, der durch Auftreibung des Unter 
leibes bewirkten Dyspnoe, den Beschwerden beim 
Niederlegen, dem häufigen Essen etc. So gab sie 
der Kranken eine Gabe Jod (Hochpotenz). 

10. November 1896. Besserung, allgemeine 
und besondere. Der Kropf ist kleiner geworden. 

15. December. Die Besserung steht still. 

Wieder eine Gabe Jod. 

2. Januar 1897. Entschieden besser. 


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Ein klares Licht fiel auf diesen Fall, als der^l 
Ehemann dieser Frau (im zweiten Monate ihrer 
Behandlung) die Collegin consultirte und die An¬ 
gabe machte, dass er vor sieben Monaten eine 
syphilitische Ansteckung sich zugezogen hatte. So 
ergab sich die Tlmtsache, dass die Frau zur Zeit 
ihrer Ansteckung von Seiten ihres Mannes unter 
der Einwirkung von Jodkalium gestanden, welches j 
Mittel den vollen Ausbruch der Syphilis bei ihr I 
eher verhütet als begünstigt haben mag. 

Dr. Biegler stellt als charakteristische Zeichen 
für Jod: hochgradige Abmagerung , das häufige 
Hungergefühl und Furchtsamkeit hin. Die Furcht 
ist sehr verschiedenartig, erfüllt den Kranken aber 
vollständig. Als Beleg führt er folgenden Fall vor: 
14. August 1897. 

Patient 21 Jahr alt. 

Aengstlich und furchtsam; er ist besorgt vor 
Krankheit, vor Unglück, vor einem Unfall, wenn 
er aus dem Hause gehen würde, fürchtet sich vor 
dem Arzte selbst. 

Unfähig zu geistiger Arbeit; er kann seine Ge¬ 
danken auf Nichts, ausgenommen sehr anstrengende 
physische Arbeit, concentriren. I 

Er glaubt, verrückt zu werden, und muss in 
Bewegung bleiben. ! 

Er vermeidet Gesellschaft, aus Furcht, dass man j 
auf ihn sehen und seinen Geisteszustand bemerken j 
werde. . 

Aengstlichkeit, die ihn ruhelos macht. I 

Er geht beständig herum, will nicht sitzen, I 
zupft an seinen Schuhriemen, selbst beim Gehen. | 

Er ist ausser sich, wenn der Karren mit Klein- i 
holz und Kohlen nicht zur rechten Zeit kommt. 

Das Ausladen dieser Gegenstände, überhaupt 
recht anstrengende Arbeit, thut er am liebsten. 
Deshalb ist ihm der werklose Sonntag unange- j 
nehm. 

Er thut Alles in Hast; seine Stimmung ist leicht ( 
erregt und reizbar; jede geistige Arbeit macht ihm 
Kopfschmerz; ebenso wirken Gewitter. | 

Er ist schlank und ausgemergelt; hat dabei 
einen Wolfshunger und isst hastig. 

Er kann es nicht leiden, dass man ihn anrühre; 
giebt einem nur ungern die Hand zum Grusse. 

Entschiedene Abneigung gegen Waschen; gegen 
Geräusch. 

Reichlicher, eiskalter Schweiss auf dem Hand- j 
rücken bei Erregungen. ! 

Abneigung gegen Hitze und Verschlimmerung ! 
davon, obwohl er kaltes Wetter nicht liebt. Kälte¬ 
gefühl. 

Er ist mit Merc. bijodatus bis zum Speichel¬ 
fluss misshandelt worden von einer ärztlichen Hau- 
sirerbande, die sich Homöopathen nannte. 

Ein Hautausschlag, dessen Formen er nicht an¬ 


geben kann, ist ebenso wie das danach folgende 
Eczem äusserlich unterdrückt worden. 

Die Eltern hatten ihn in die Sprechstunde ge¬ 
bracht, aber keine Ueberredungskunst konnte ihn 
zurückhalten. Nachdem Dr. Biegler seine Hände, 
die eisig-kalt waren, gefasst, rann er nach dem 
Seitengang, wo er sich so fest an den Eingang 
anklammerte, dass man ihm die Hände nicht lösen 
konnte, bis er zum Zuge wegeilte. So stark war 
seiue Angst. 

Er bekam Jod in Hochpotenz. 

24. August. Es geht ihm viel besser; das 
Umherrennen, das Gefühl, verrückt zu werden, hat 
sehr nachgelassen; ebenso die Furcht vor einem 
Unglück und vor dem Arzt, von dem er jetzt 
freundlich spricht. 

Der Appetit ist nicht mehr so gefrässig. 

Er scheut sich nicht mehr so sehr vor seiner 
Umgebung. Er gab, zum ersten Male ein krampf¬ 
haftes Zucken von Händen, Gesicht und Mund 
an. — Im Sessel Drehen und Winden. 

16. September. Die geistigen und leiblichen 
Symptome bestehen noch, wenn auch in geringerem 
Grade. Jod. rep. 

5. November. Im Allgemeinen besser, aber 
die geistige Fähigkeit noch schlecht. Die Aengst¬ 
lichkeit und Furcht tritt schwächer hervor. 

Calcarea carb. (Hochpotenz). 

17. November. Pat. wollte im Sprechzimmer 
zwar nicht beim Arzt bleiben, war aber freundlich 
und unterhielt sich mit den in einem andern Zimmer 
befindlichen Leuten ganz munter. 

Sein Gedächtniss ist ausserordentlich gut; er weiss, 
auf welcher Seite die Rechnungen in seines Vaters 
Bücher stehen, hat aber nicht die Geduld, sie auf¬ 
zusuchen, kann noch geistige Anstrengung machen. 

Das ist, sagt Dr. Biegler, ein Fall, in dem die 
Symptome von Jodium und Calcarea fast gleich- 
massig gemischt erscheinen. — Ohne Zweifel wird 
noch Sulphur am Platze sein, aber nicht nach 
Calcarea. 

Im Medical Century hat sich Dr. Brown von 
Shippensburg, Pa. über den Gebrauch von Jod in 
Lungenentzündungen ausgesprochen. Er behauptet, 
er habe in verschiedenen Fällen schwere Fälle, 
welche durch ihr ungestümes Eintreten einen schweren 
Verlauf droheten, unter der Einwirkung von Jod 
innerhalb 48 Stunden zum Stillstand gebracht. Die 
massgebenden Symptome waren: starker Schüttel¬ 
frost, kurzer, trockner Husten, schnelles Steigen 
der Temperatur, beginnende Heiserkeit, grosse Be¬ 
klemmung der Brust, frühzeitiger Auswurf von 
Blut, sowie reissende, durchstechende Schmerzen 
auf beiden Seiten. Er gab die Tinct. Jodii in 
Tropfen 1- oder 2 stündlich. 


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Dass diese Therapie, wo das Jod in für uns 
verhältnissmässig recht starken Dosen gegeben wird, 
auch nicht immer zum Ziele führt, zeigt Dr. Brown’s 
weitere Bemerkung: 

Wenn die Krankheit fortschreitet, der Pat. über 
grosse Trockenheit auch im Halse klagt, die Wangen 
auf der afficirten Seite stark geröthet erscheinen, 
das Sputum zäh, klebrig, rostfarbig ist, brennender 
und stechender Schmerz in der Brust mit Unmög¬ 
lichkeit, mit dem Kopf niedrig zu liegen, vorhanden 
ist, der Athem und der Auswurf schlecht riechen, 
bei abendlicher Verschlimmerung — bei diesen 
Symptomen ist Sanguinaria angezeigt. 


Der internationale homöopathische Congress 
von 1900. 

Das Comit6 des obenangeführten Congresses 
versendet folgenden Aufruf: 

Sehr geehrter College! 

In Ueberein8timmung mit dem am Congress von 
London im Jahre 1896 gefassten Beschlüsse wird 
der nächste fünfjährige Congress um ein Jahr 
früher stattfinden und in Paris während der Welt¬ 
ausstellung von 1900 zusammentreten. Das Datum 
wird späterhin bestimmt werden, wahrscheinlich vom 
20. Juli ehestens bis zum 15. August spätestens. 
Entsprechend einem von der französischen Gesell¬ 
schaft für Homöopathie an die oberste Commission 
für die Congresse gerichteten Ansuchen wurde der 
unserige in die Zahl der officiellen Congresse der 
Ausstellung aufgenommen. Wir beehren uns, Sie 
davon in Kenntniss zu setzen und bitten gleich¬ 
zeitig uns behilflich zu sein, um uns Arbeiten für 
unsere Discussionen und Besucher für unsere 
Sitzungen zu sichern. Deshalb werden Sie die 
grosse Freundlichkeit haben, die erforderlichen 
Massnahmen zu treffen, um die Homöopathen Ihres 
Landes für den im nächsten Jahre stattfindenden 
Congress zu interessiren. 

Alle Auskünfte in Bezug auf diese Versamm¬ 
lung werden zur geeigneten Zeit in den homöopa¬ 
thischen französischen Zeitschriften veröffentlicht 
werden. 

Genehmigen Sie, geehrter College, die Ver¬ 
sicherung unserer collegialen Gesinnungen. 

Die Herren DDr. P. Jousset, Präsident; Richard 
Hughes, permanenter Secretär; Leon Simon, Secre- 
tär; Victor Chancerel; Gonnard; Marc Jousset; 
Love; Tessier. 

Alle Arbeiten müssen bis zum 1. Januar 1900 
spätestens an den Secretär Dr. Leon Simon, 24 
Place Vendöme, Paris, gelangt sein. 

Dr. Theodor Kafka. 


Professor Eimer Gates psychologische Heilart. 

Psychurgie. 

Prof. Eimer Gates von Washington hat in der 
„Medical Times“ von New York einen Artikel ver¬ 
öffentlicht mit der Ueberschrift: „Experimentelle 
Untersuchungen über Ursache und Heilung von 
Krankheiten nach neueren Gesichtspunkten und 
neuen Methoden.“ 

Auf die Beobachtung hin, dass Thiere, auf 
eigenthümliche Art behandelt, eine reichliche Ver¬ 
mehrung von Gehirnzellen in dem Theile des Ge¬ 
hirns zeigen, welcher die bethätigte Function ent¬ 
spricht, gelangte er dazu, eine Ars cerebrum for- 
mandi aufzustellen. Er sagt: Insofern als die 
| Seele jede Wissenschaft und Kunst erzeugt, und 
die Grundlage für alle Thätigkeit, für alle Lust 
und Unlust bildet, ergiebt sich, dass mehr Seele 
zu beschaffen ein ebenso passliches Mittel als hohe 
Pflicht wird; ferner folgt daraus, dass der thierische 
Organismus nichts mehr und nichts weniger ist als 
der Mechanismus für die Entfaltung von Seele, die 
Evolution demnach ein Process von Seelen-Verleib- 
lichung ist, indem diese Verleiblichung durch die 
eigenartigen Thätigkeiten der Seele geschaffen 
wird. Erst kürzlich, sagt Verf., ist es mir ge¬ 
lungen zu zeigen, wie derselbe Process auf ein¬ 
zellige Organismen anwendbar ist. Die einfachste 
Zelle ist fähig, einen Reiz wahrzunehmen und ge¬ 
wisse zweckmässige Akte auszuführen. Nur die 
Seele allein kann aber fühlen und solche sich an¬ 
passende Reactionen ausführen. Eine Zelle hat 
eine Erinnerung für ihre Geschehnisse; und ledig¬ 
lich die Seele ist der Erinnerung fähig. Ein un¬ 
belebtes Stück Gelatine kann weder einen Reiz 
fühlen noch die Bedeutung einer solchen Erfahrung 
im Gedächtniss bewahren, noch zweckmässig, auf 
diese Erinnerung hin, agiren, aber ein Stück 
Protoplasma kann das Alles thun, und ist somit 
belebt. Hieraus folgert Verf., Leben ist Seele, 
und die vitalen oder physiologischen Vorgänge sind 
lediglich psychologische Processe. Wenn einzellige 
Organismen veranlasst werden, verschiedene seeli¬ 
sche Thätigkeiten auszuführen, so bilden sich dem¬ 
entsprechend verschiedene Structuren in diesen 
Zellen, d. h. wenn eine Zellengruppe veranlasst 
wird, einen Reiz zu fühlen und darauf zu reagiren, 
und eine andere Gruppe derselben Species von 
Zellen einen anderen Reiz zu fühlen und darauf 
zu reagiren, und diese Thätigkeiten in beiden Grup¬ 
pen mehrere Monate unterhalten werden, so werden 
sich zwischen diesen beiden Zellengruppen structu- 
relle Verschiedenheiten hervorbilden, welche ihren 
verschiedenartigen Seelenthätigkeiten entsprechen. 
Auch in diesen physiologischen Einheiten ist es die 
Seele, die organische Structuren schafft und den 


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121 


Metabolismus beherrscht. Bekanntlich sind nun alle 
Organe des menschlichen Körpers aus Zellen auf¬ 
gebaut, jede Zelle hat aber, wie gezeigt ist, ihr 
eigenes seelisches Leben, und so ist es diese see¬ 
lische Function, welche die Vitalität ausmacht. 

Daraus ergiebt sich der Schluss, dass die phy¬ 
siologischen Processe nur als psychologische Func¬ 
tionen zu erklären sind. 

(Bis zum beseelten Protoplasma ist Häckel ja 
schon lange gekommen; alle physiologischen Vor¬ 
gänge aber als psychologische Functionen zu er¬ 
klären ist schon von früheren Philosophen versucht 
worden. Ref.) 

Besonders interessant sind aber die praktischen 
Folgerungen, welche Prof. Gates aus seiner Theorie 
abgeleitet hat. 

Da nach ihm die Thätigkeiten einer Zelle 
psychologische Akte sind, so beruht das so lang 
ersehnte Grundgesetz des Heilens auf der Regula¬ 
tion der psychischen Thätigkeiten von Zellen und 
Zellengruppen. „Hierin liegt der Schlüssel zum 
Geheimniss von Krankheit und Schmerz und Uebel, 
und ebenso der Ariadnefaden zu Gesundheit und 
Wohlergehen. M Als ein besonderes wirksames psy¬ 
chisches Mittel bezeichnet er die 

Dirigation. 

Darunter versteht er die willkürliche Kraft 
eines Individuums, sein Bewusstsein ausschliesslich 
auf gewisse Gefühle und Empfindungen einzu¬ 
schränken, die sich an einem bestimmten Theil 
des Körpers bemerkbar machen, und in der Praxis 
zu diesen Thcilen mehr Blut hinzuleiten und hier¬ 
durch die lymphatischen und thermometrischen 
Functionen zu beeinflussen. „Wenn ich meine 
Aufmerksamkeit auf meinen Daumen fixire und 
diese von allen anderen Gefühlen und Empfindun¬ 
gen in anderen Theilen des Körpers zurückhalte, 
sowie von allen Denk- und Gemütsbewegungen, 
die spontan in der Seele hervortreten wollen, und 
wenn ich so unentwegt meine Aufmerksamkeit auf 
meinen Daumen festlege, so werde ich bald in 
diesem Theil eine gesteigerte Empfindung verspüren. 
Setze ich dies einige Minuten fort, so entsteht ein 
Gefühl von Völle und Druck und ein feines thermo- ' 
electrisches Thermometer wird anzeigen, wie die 
Temperatur in diesem Daumen um den Bruchtheil 
eines Centigrades höher ist als die des anderen 1 
Daumens, und auch der Umfang in jenem Theile 
zugenommen hat. | 

Verf. hat folgendes Experiment gemacht: I 

Er legte seinen rechten Arm in ein gläsernes Gefäss, j 
das am Boden weiter als oben war, füllte dieses 
mit Wasser und liess den Arm in der Flüssigkeit 
still und ohne eine Spannung der Muskeln ruhen. 
Ohne die geringste Bewegung zu machen, begann 


er, auf den rechten Arm seine Aufmerksamkeit zu 
fixiren. Das Gefäss war so mit Wasser gefüllt, 
dass ein Tropfen mehr es zum Ueberfliessen brin¬ 
gen musste. Das Wasser hatte die Temperatur des 
Armes. Nach Dirigation von 11 Minuten stellte 
sich das Bewusstsein einer Empfindung in diesem 
Arm ein, und bald danach fing das Wasser an, über 
den Rand des Gefässes zu fliessen, und in 21 Min. 
waren 600 Gran (= 20 Gramm) Wasser in Folge 
der Volumzunahme des Armes übergetreten. Jetzt 
unterzog er den linken Arm der Dirigation, den 
anderen völlig ausser Acht lassend und indem er 
in der psychischen Fixation eine Ruhepause machte. 
„Jene Theile des Gehirns, in denen die Empfin¬ 
dungen für den rechten Arm eingezeichnet sind, 
waren in active Function versetzt und durchblutet 
worden, und es währte einige Zeit, bis das Blut 
diese Gehirn-Bezirke verliess und ebenso bis das 
Blut und der Metabolismus ihre dominirende Thätig- 
keit im rechten Arm aufgaben. Man mag diese 
Erscheinung „functionelle Beharrlichkeit“ nennen. 
Es ist dies das Bestreben einer vorherrschenden 
Function sich zu behaupten. Nach einigen Minu¬ 
ten gelang es ihm, die functionelle Beharrlichkeit 
des rechten Armes zu überwinden und die func¬ 
tionelle Vorherrschaft des linken Armes und der 
ihm entsprechenden Gehirnbezirke herzustellen. Er 
hatte den linken Arm in einen gleichen Apparat 
gebracht. Nach einigen Minuten psychischer Fixa¬ 
tion begann das Wasser in dem Gefässe, worin der 
rechte Arm lag, niedriger zu stehen, ein Zeichen, 
dass der rechte Arm an Volumen abgenommen 
hatte, während das Wasser in dem anderen Gefäss 
über den Rand lief, ein Zeichen, dass nun der 
linke Arm an Volumen zugenommen hatte. 

(Da das Wasser um den rechten Arm schon 
zum Theil abgeflossen war, war es aber doch na¬ 
türlich, dass sein Niveau sinken musste. Ref.) 

Wenn Verf. ein flaches Thermometer auf irgend 
einen Körpertheil brachte, so konnte er durch be¬ 
harrliche Dirigation dieses Theils ein Steigen der 
Temperatur an demselben innerhalb 5—25 Minu¬ 
ten beobachten. Er kann auch die Perspiration 
dieses Theils verändern und durch anhaltende Diri¬ 
gation eines Theils dessen Volumen so beeinflussen, 
dass er das Volumen des andern entsprechenden 
Körpertheils übertrifft. 

Verf. giebt nun einige praktische Beispiele 
hierzu. 

Eine Frau K., die er vorher in der Kunst der 
Dirigation eines Körpertheiles gut unterwiesen hatte, 
bildet den Gegenstand des folgenden klinischen 
Experiments. — Die Mammae waren bei ihr fast 
gänzlich eingesunken. Nachdem sie 14 Wochen 
lang täglich eine Stunde Vormittags und ebenso 
Nachmittags die linke Mamma der Dirigation unter- 

16 


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122 


zogen, war diese mehr als i 1 j 2 Mal stärker als die 
rechte. Dann dirigatirte sie in gleicher Weise die 
rechte Brustdrüse und nach Verlauf von 9 Wochen 
hatte diese denselben Umfang wie die linke. 

Ein Herr F. dirigatirte in ähnlicherWeise seinen 
linken Arm und den Theil zwischen Schulter und 
Ellenbogen; nach Verlauf von 4 Monaten hatten 
die Theile 6 Proc. an Umfang zugenommen und 
die bezüglichen Muskeln erheblich an Kraft. 

Prof. Eimer Gates prüfte sechs Tage hinter¬ 
einander seine Hand mittelst eines Dynamometer, 
jeden Tag mehrmals, um das Maximum seines 
Handdruckes festzustellen ; dann dirigatirte er die 
Muskeln dieser Hand 5—6 Mal täglich, 14 Tage 
lang, ohne aber irgend welche Muskelübung damit 
vorzunehmen, und nach Ablauf dieser Zeit war die 
Kraft seines Handdrucks um 16 °/ 0 gestiegen. 

Frau S., an schwerer chronischer Verstopfung 
leidend, hatte schon länger als zwei Jahre den 
Stuhl einen Tag um den andern durch mecha¬ 
nische Mittel erzielen müssen. Die üblichen Heil¬ 
mittel, sowie auch Einspritzungen und Massage, blieben 
erfolglos. Prof. Gates begann die Behandlung da¬ 
mit, dass er ihr Empfindungs-Erinnerungsbilder von 
•Berührung und Temperatur in jenen Theil des 1 
Kectums zuführte, der unterhalb der Flexura sig- | 
moidea liegt. Dies geschah mittelst Berieselungen , 
mit warmem und kaltem Wasser, deren Temperatur 
allmählich bis zur Erzeugung schmerzhafter Em¬ 
pfindungen nach oben und unten gesteigert, und 
mit deren Anwendung schnell gewechselt wurde. 
Dieses Verfahren, mit alternirenden warmen und 
kalten Sprays, erweckte in den entsprechenden 
Gehirnpartieen sensorielle Gedächtnissstructuren von 
den Empfindungen, die in dem atonischen Theil 
ihres Darmkanals erzeugt waren, und die willkür¬ 
lichen motorischen Entladungen von diesen Geliirn- 
structuren nach dem Rectum befähigten das Gehirn, 
mehr Blut und metabolische Kraft zu jenem Theil zu 
schicken; der Hauptzweck dieser Zurichtung war 
indessen, dass sie in diesen Theilen so viel Fühlung 
gewann, um die JHrigation auf sie zu richten. In 
dieser Kunst wurde sie dann unterwiesen; sie diri¬ 
gatirte dann 4 Mal täglich auf das Rectum hin, 
und nach Verlauf von 11 Wochen war Alles in 
Ordnung. 

Die nächste Stufe in der Kunst der Dirigation, 
die durch wiederholte Uebung zu erreichen ist, 
zielt auf die Erlangung der Fähigkeit, die vollste 
und vollständigste Fühlung in einem Theil in der 
möglichst kurzen Zeit herzustellen, und das soll be- , 
züglich aller Körpertheile geübt werden. Diese 
Uebung macht den Schüler geschickt, die Diriga¬ 
tion nach Belieben auszuführen, und giebt ihm 
auch eine merkwürdige Controle über seinen j 
Körper — die Seele nimmt, könnte man sagen, j 


bewussten Besitz von Theilen, über die sie vorher 
nur eine geringe Herrschergewalt hatte, und die 
Gesundheit jeglichen Körpertheils wird erhöht. 

Sodann kommt in dieser Kunst die Stufe, 
welche darin besteht, einen Wechsel der Diriga¬ 
tion von einem bereits beherrschten Theile auf 
einen andern zu bewerkstelligen, so dass dieser 
Wechsel so schnell und so vollständig als möglich 
zu Stande kommt. Dies giebt dem Organismus 
die Fähigkeit, alle seine Kräfte auf irgend einen 
Theil zu concentriren und die Correllation der 
Functionen zu steigern. Z. B. nach einer solchen 
Dirigation nach einer Körperprovinz hin wird, wenn 
der Körper einem kalten Luftzuge ausgesetzt war, 
sich weit schneller eine vasomotorische Blutströ- 
mung nach jenen Theilen vorfinden, und so Er¬ 
kältung verhüten. Eine noch weitere Uebung 
ermöglicht es, die in dem dirigatirten Theile er¬ 
regte Empfindung zu differenziren, und was vor¬ 
her eine einfache Empfindung war, wird ein mehr 
c.omplicirter Empfindungs-Status, d. h. man kann 
mehrere Empfindungen anstatt einer unterscheiden, 
und wenn der Schüler auf eine dieser besonderen 
Empfindungen die Dirigation richtet, so wird ein 
anderes Resultat erlangt, als wenn er auf eine 
andere dieser Empfindungen dirigatirt. 

Es ist bekannt, wie man bei einem Hypnoti- 
sirten die Aufmerksamkeit einschränken und nach 
den verschiedenen Theilen des Körpers so lenken 
kann, dass man diese unempfindlich zu machen 
oder andere interessante Wirkungen hervorzurufeu 
im Stande ist. Indessen der Hypnotismus ist für 
das Gehirn von üblen Folgen, und meist gefähr¬ 
lich. Wer aber in die Kunst der Dirigation ein¬ 
geweiht ist, der kann noch tiefere Wirkungen, und 
das ohne die Gefahr des Hypnotismus, hervor¬ 
bringen. 

Prof. Eimer Gates hat sich mit dem hier be¬ 
sprochenen Gegenstände von 1876—1890 beschäf- 
i tigt. Es gelang ihm durch seine Experimente zu 
zeigen, wie man durch Dirigation leicht eine Wir¬ 
kung hervorrufen könne, ähnlich der von den meisten 
Heilmitteln erzeugten. So ist es sehr leicht durch 
Dirigation Erbrechen und sogar Schweiss hervor¬ 
zurufen. Einer seiner Patienten konnte in 20 Minuten 
hierdurch Leibesöffnung hervorrufen, ein anderer in 
2 Minuten auf den grössten Theil seiner Körper¬ 
oberfläche Blässe oder Röthung. Manche Personen 
können willkürlich Thränen vergiessen. Diese 
Thatsachen zeigen schon, dass in einer wissen¬ 
schaftlich ausgeübten Kunst von Dirigation uns 
eine wunderbare Macht über alle leibliche Func¬ 
tionen gegeben ist. 

In Verbindung mit Gehirnbildung eröffnet diese 
Kunst der Dirigation einen neuen Weg in der 


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123 


Krankenheilung, und deshalb ist das Studium dieses i 
Gegenstandes dringend geboten. 

Ref. ist der Ansicht, dass die Hinleitung psy¬ 
chischer Energie, wenn dieser Ausdruck erlaubt 
ist, nach einem atonischen, energielosen, blutarmen 
Theile des Körpers durch des Verf. Dirigation 
wohl möglich erscheint. Freilich setzt dies anhal¬ 
tende Fixiren der psychischen Aufmerksamkeit auf 
einen bestimmten Theil ein intaktes, ja kräftiges 
Gehirn voraus. Doch dafür soll ja seine brain- 
building, gehirnbildende vorbereitende Zurichtung 
der Kranken dienen. 

Bei einem schon krankhaften, sensibiliten re- 
agirenden Organe wird diese psychische, anhaltende 
oder wiederholte, darauf hingelenkte Aufmerksam¬ 
keit nur schädlich wirken können, so z. B. bei 
Uterin- oder Eierstocksneuralgieen. Hier könnte 
die Dirigation vielleicht als ein psychisches Deri- 
vatorium angewendet werden. Kann man sich 
doch Zahnschmerzen, aber nur bis zu einem 
gewissen Grade, erträglich machen, wenn man sich 
bemüht, von diesen Schmerzen möglichst durch 
eine die Psyche stark in Anspruch nehmende Thätig- 
keit zu abstrahiren. — Wer mit dieser Gehirn- 
Gymnastik nicht vor- und umsichtig vorgeht, wird 
damit ebenso viel Schaden anrichten können, als 
wie mit dem Hypnotismus. — Zum Allgemeingut 
der Aerzte wird auch diese Kunst schwerlich werden. 
(Nach der Homoeopathic World. 1. Febr. 1898.) 

Dr. Mossa. 


Homöopathische Rundschau. 

Auszug aus dem Journal Beige d’homoeopathie und 
der Revue homoeopathique franyaise. 

Von Dr. med. Hob. Stäger. 

(Fortsetzung.) 

8. Therapie des Trachoms. 

(Von Dr. Bryant.) 

Zur Behandlung dieser Affection nimmt Dr. 
Bryant seine Zuflucht zur Massage mit Acidum 
boricum. Man beginnt mit der Cocainisirung der 
Lider, dann kehrt man sie um, applicirt Acidum 
boricum in Pulverform und reibt nun tüchtig, bis 
die Conjunctiva blutet. Wöchentlich eine Sitzung, 
bis zur Heilung. Innere Mittel, die man zugleich 
anwenden kann, sind: Aurum muriat. oder Aurum 
metallicum. 

9. Besondere Wirkung yon Saw Palmetto. 

Dr. Vernon Stiles, welcher einen seiner Patienten, 
der ein leidenschaftlicher Raucher war und eine 
Prostatahypertrophie hatte, 15 Tropfen Saw Pal¬ 
metto in Urtinctur (3 Mal täglich) zur Bekämpfung 


seiner Harnbeschwerden nehmen liess, hatte die 
Genugthuung, zu sehen, wie das Mittel die Hyper¬ 
trophie günstig beeinflusste und zugleich dem 
Patienten das Rauchen verleidete. Auch dieses 
letztere Resultat schreibt er Saw Palmetto zu, was 
eine neue Eigenschaft des Mittels ist, die man 
früher nicht kannte. 

10. Tachycardie und Morbus Basedowii 
bei Kindern. (Von Dr. Haie.) 

Ebenso wie diese zwei Krankheiten verschiedene 
Symptome haben, ist es auch nothwendig, hierfür 
verschiedene Mittel anzuwenden. — 

Bei der Tachycardie sind vorzüglich angezeigt: 
Veratrum virid., Strophantus, Digitalis, Lycopus 
und Aconit, die man in der 1. oder 2. Dilution 
giebt. 

Morbus Basedowii verlangt: Fucus, 5 —10 gtt. 
nach dem Essen, Baryta jod. 2. Verdünnung; Lapis 
alba, 6. Dil. vor dem Essen und Abends Thyro'idin 
oder sein Extract, 30—50 Centigramm 3 Mal täg¬ 
lich; endlich Spigelia 6. Dil., 1 gtt. 4 Mal täglich. 
Diese Dosen gelten für Kinder unter 12 Jahren. 

11. Behandlung der Gicht. 

(Von Dr. Mortimer Lawrence.) 

Da die Gicht eine Krankheit ist, welche auf 
einer Ernährungsstörung beruht, so muss sie mit 
einer kräftigenden Diät bekämpft werden, ausge¬ 
nommen während den acuten Perioden. 

Man wird dem Patienten die alkoholischen Ge¬ 
tränke nicht ganz verbieten; lässt ihn Leberthran 
nehmen, und wenn er ihn nicht vertragen kann, 
wird man versuchen, Butter und fette Speisen an 
seine Stelle zu setzen. Der Patient halte sich in 
einem milden und trockenen Klima auf, vermeide 
den Meeresstrand und jede Feuchtigkeit. Lange 
Zeit hat man Dampfbäder angewendet, um dieses 
Leiden zu bekämpfen. Seit einigen Jahren scheint 
man mehr auf trockene Hitze zurückgekommen zu 
sein. Auch Elektrizität hat man empfohlen, end¬ 
lich Massage und passive Bewegungen, welche 
keinen geringen Nutzen stiften. 

Was die Medicamente betrifft, geben viele von 
denen, die theoretisch noch so gut indicirt zu sein 
scheinen, gar keine glänzenden Resultate, wie man 
von ihnen etwa erwarten sollte. Actaea racemosa, 
das seine Pathogenese so sehr empfiehlt, giebt 
nicht immer einen guten Erfolg. Man kann auch 
auf Sulfur nicht zählen. Pulsatilla gab schon gute 
Resultate in Fällen, wo die Erscheinungen der 
Gicht mit Symptomen des Uterus gepaart waren; 
ebenso Sepia. Causticum, obwohl mit grosser 
Sorgfalt gewählt und mit Beharrlichkeit lange Zeit 
gegeben, brachte keine sichtliche Erleichterung zu 
Stande. Colchicum aber war in sehr vielen Fällen 

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von segensreicher Wirkung; man gab es in Dosen 
von 5 gtt. 3 Mal täglich. Im Verlauf von drei 
Monaten waren die noduli viel kleiner geworden 
und die Gelenke schmerzten weniger bei der Be¬ 
wegung Jodium ist ebenfalls ein sehr gutes Mittel 
und Ferrum jodat., welches die Allopathen ab und 
zu anwenden, ist ein Mittel, mit welchem wir 
reussiren dürften, wenn unsere gewöhnlichen Mittel 
nichts fruchten. 

12. Gynäkologische Localtherapie und Indi- 
cationen für die Mittel. 

(Von Dr. Lewis van Tine.) 

Die Medicamente, welche man zur Localappli- 
cation in der Homöopathie anwendet, sind gewöhn¬ 
lich mit Glycerin hergestellt und sie werden mittelst 
Tampons, die man in das medicamentöse Glycerin 
taucht, in den Uterushals gebracht. Die wichtig¬ 
sten sind folgende: 

Boryglycerin , welches wie ein Antisepticum wirkt 
und vermöge des Glyceringehaltes die kleinen 
Beckenorgane decongestionirt. 

Hydrastis, 25- bis 50procentig, als Extract, mit 
Glycerin vermischt, ist nützlich bei Vaginitis chron. 
gonorrhoic., bei Cervixkatarrh und Erosionen der 
Portio mit reichlichem, gelbem und fadenziehenden 
Fluss. 

Arütol, in Pulverform oder mit Glycerin ge¬ 
mischt, erweist sich als vorzüglich bei Portio- 
Erosionen, bei specifischer Vaginitis und Schanker. 

Ichthyol , 10- bis 25procentig, mit Glycerin wird 
gegen Erosionen der Portio angewendet, ebenso 
gegen allgemeine Empfindlichkeit der Becken¬ 
organe. 

Acidum, tannicum, als Pulver oder in Glycerin, 
bekämpft durch seine adstringirende Wirkung die 
Erschlaffung der Vaginalwände und wirkt auch auf 
den profusen Fluss, der die Geschwüre der Portio 
begleitet. Ebenso wirkt Alaun. 

Jodtinctur wird bei Metritis chronica, Sub¬ 
involution des Uterus und allen chronischen oder 
subacuten Eierstocks-Leiden angewendet. 

Jodphenol (ein Theil Acid. phenol. zu 2 Theilen 
Jodtinctur) findet Verwendung unter denselben Be¬ 
dingungen wie Jod und ebenso bei Erosionen der 
Portio und Cervixkatarrh. 

Acidum chromicum ist empfohlen worden in 
Fällen von Cervixkatarrh mit eiweisshaltigem und 
fadenziehendem Fluss. Wegen der starken Wirkung 
darf man das Mittel wöchentlich nicht mehr als 
einmal anwenden. (1 Theil Acid. chrom. : 2 Theilen 
Wasser.) — 

Von internen Mitteln sind zu nennen: 

Actaea racemosa bei Ovarialneuralgie und grosser 
Empfindlichkeit des Uterus; bei Schmerzen, welche 


durch den Unterleib schiessen; ferner hei Katarrh 
des Cervix mit hysterischen Symptomen, Hyper¬ 
trophie der Portio, grosser Empfindlichkeit, beson¬ 
ders der Ovarien. 

Belladonna . Entzündung der Beckenorgane, 
Prolapsus uteri, Entzündung des Uterus und der 
Ovarien, besonders des rechten; alles ist von 
Schmerzen, Ziehen und Schneiden begleitet. 

Bryonia . Ovaritis mit stechenden, heftigen 

Schmerzen. Pelveoperitonitis. 

Calc. carb. Cervixkatarrh. Constanter Schmerz 
in der Scheide. Milchartige, sehr profuse Leu- 
corrhöe mit Brennen und Jucken. 

Chamomilla. Ziehen vom Kreuz nach vorn mit 
häufigem Urindrang, reissende Schmerzen in den 
Beinen. Scharfer, wässeriger, gelber Fluss. 

Gdsemium, Uteruscongestion und Entzündung 
der Ovarien mit Schwere in der Regio uterina und 
Melancholie. 

Ilelonias. Atonie der Genitalorgane, Prolapsus, 
schlechte Ernährung und geistige Depression; Krank¬ 
heitsgefühl und Sensibilität des Uterus; die Kranke 
fühlt, dass sie eine Gebärmutter hat. Stark riechen¬ 
der Fluss mit Erosion der Portio, welche Hämorrha- 
gien hervorrufen können. Ausser den localen 
Uterussymptomen, den Erscheinungen von Lage¬ 
veränderung des Uterus oder chronischer Entzün¬ 
dung, ist im Allgemeinen ein tiefer Lumbalschmerz 
vorhanden, bisweilen auch hat die Kranke die 
Empfindung einer Centnerlast auf der Brust und 
Hirndruck. Pruritus vulvae und vaginae; die be¬ 
treffenden Theile sind heiss, geschwollen und 
schuppen ab. Induration des Uterus 

Kreosotum. Entzündung der weiblichen Geni¬ 
talien, charakterisirt durch Erosionen und fötiden 
und excoriirenden Ausfluss. Erosionen der Portio 
mit Brennen und Hitze tief in der Scheide, grosse 
Hitze und Empfindlichkeit der Schleimhaut, starke 
Schmerzen und scharfer, riechender Fluor albus. 
Das Mittel ist auch von Vortheil als Palliativum 
beim Uteruscarcinom, Epitheliom der Scham mit 
brennendem Schmerz wie von glühenden Kohlen und 
Fluss. Fluor mit hornartigem, etwas heissendem 
Geruch. Pruritus vulvae mit übelriechendem 
Schweiss. 

Lüium tigrirnnn. Prolapsus des Uterus mit 
Schwere und Pressen gegen das kleine Becken, 
Empfindlichkeit, stechende Schmerzen, Verlangen 
auf die Vulva zu drücken, von unten nach oben 
oder die Abdominalwände zu halten. Retroversion 
mit Druck auf das Rectum, was zur Obstipation 
führt. Reichlicher, oft excoriirender Fluss; Uri- 
niren schmerzhaft. Starke Schmerzen in der 
Ovarialgegend. Ausser der Lageveränderung des 
Uterus und den Ovarialschmerzen findet man 
oft Herzklopfen und andere nervöse Symptome 


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von Seiten des Herzens; manchmal auch fürchter- | Pulsatilla. Nach Erkältung setzt der Urin ein 


liehe Schmerzen vom Rücken gegen den Scheitel. 

Nur romica. Frischer Prolapsus des Uterus. I 
Blasen- und charakteristische Rectum Symptome! 

Platina . Pruritus vagiuae. Nymphomanie. Me- I 
lancholia sexualis. Uterusprolaps mit beständigem 
Druck im Rücken und den Lenden. Chronische 
Ovaritis, besonders rechts. Eiweisshaltiger Fluor. 
Die Uterussymptome und die Erscheinungen von 
Seiten der Ovarien werden von verschiedenen ner¬ 
vösen Reflexen begleitet, wie Husten, Aphonie, 
Palpitationen, Spasmus, Schlaflosigkeit etc. — 

Pu-halUla. Leucorrhöe an Stelle der ausgeblie¬ 
benen Regel, dicker, nicht reizender Fluor mit 
Schwellung der Vulva. Oft ist der Fluor klar 
und reizend. Prolapsus uteri. Weinerliche Stim¬ 
mung. 

Secale comvtum . Lageveränderung des Uterus, 
Subinvolutio uteri. Anschoppung und Schmerz des 
Uterus und besonders des rechten Eierstockes. 

Sepia . Grosse Trockenheit der Vulva und der 
Vagina, schmerzhaft beim Berühren. Symptom 
von Herabdrücken, wie wenn etwas zur Scheide 


schleimiges Sediment ab, welches am Gefäss klebt. 

Lachesis. Gefühl einer rollenden Kugel in der 
Harnblase. 

Therebinthina . Empfindlichkeit am Hypogastrium, 
Blasentenesmus, Hitze in der Nierengegend. 

Ilyoscyamus . Retentio urinae, grosser Durst, 
trockene Zunge und Delirien. 

Carbo vegetab. Bei Greisen und in chronischen 
Fällen, wenn das acute Stadium überstanden ist. 

Causticum. Wenn in Folge einer langen Re¬ 
tentio urinae eine Lähmung der Blasenmuskeln ein¬ 
getreten ist. 

Cantharis . Heftiger, beständiger Harnzwang, 
grosser Tenesmus; der Harn gleicht geschmolzenem 
Blei. (?) 

Clumaphila . Trüber Harn; grosse Schwierig¬ 
keit im Beginn des Hamens. (Fortsetzung folgt) 

ZurBehandlung der Influenza-Mittelwechsel. 

Von Dr. Criquelion (Mons). 


hinauswollte; Gefühl von Völle des Magens und 
des Abdomens. Die Frauen kreuzen die Schenkel, 
wie wenn sie etwas verhindern wollten, aus der 
Vagina herauszugeben. — 

Induration der Portio uteri. Endometritis chronica 
mit Empfindlichkeit über der Uterusgegend und 
dem beständigen Verlangen, zu uriniren. Gelber 
oder milchartiger, reizender Fluor. 

Sulfur . Pruritus vulvae mit Hitze und Stechen, 
Schweissfriesel, schlimmer in der Bettwärme. Pro¬ 
lapsus uteri mit Schmerzen im Sacrum; Constipation. 
Aetzender, starker und gelber Weissfluss. Die 
Hitze in der Vagina erlaubt kaum stillzusitzen. 

13. Die Medicamente bei der Cystitis. 

(Von Dr. M. Aulain.) 

Heftiger, aber vergeblicher Drang zum Uriniren. 
Petroselinum. 

Hepar sulf. Der Urin fliesst tropfenweise. 

Aconit . Starkes Fieber, Aufgeregtheit. Bestän¬ 
diger Harndrang. 

Nur vumica . Hitze und Druck in der Blase. 

Arsen, alb. Grosse Spannung der Blase. 

Camphora. Nach reizenden Mitteln. 

Berberis . Stechender Schmerz und periodische 
Krämpfe; dicker Schleim, rothes Ziegelmehlsedi¬ 
ment. 

Kali bichromic. Alkalischer, klebriger Urin. 

Natr. muriat. Grosse Schmerzen nach dem 
Harnen. 

Add . phosphor . Der Urin gleicht Milch und 
Zersetzt sich sofort. 


In der Einleitung bemerkt Dr. Criquelion (Re¬ 
vue homoeopath. beige, März 1898): 

Dieses Leiden ist jetzt endemisch geworden; 
seit 1889 sucht es uns jedes Jahr im Anfauge des 
Winters unter mehr oder weniger bedeutenden, oft 
aber auch unter recht schweren Symptomen heim. 
1897, wo er es erst Ende December beobachtete, 
traten Anfangs dieses Monats zunächst leichte katar¬ 
rhalische Affectionen ohne Fieber, ohne Frost, ohne 
Zerschlagenheit der Glieder, ohne Kopfschmerzen 
ein, welche die vitalen Organe keineswegs ergriffen 
und alte, latente Leiden nicht wieder erweckten. 
Anfangs Januar 1898 raarkirte sich die Affection 
deutlicher als Grippe, doch waren die Bruslorgane 
nicht vorherrschend afficirt, wenn es auch vielen, 
intensiven Husten, aber ohne Auswurf und ohne 
stethoskopische Zeichen gab. Verf. sah heftige 
Halsbeschwerden, aber ohne Röthung der Gaumen¬ 
bögen, der Mandeln und der Schleimhaut des 
Schlundes. Die encephalitisclie oder nervöse Form 
äusserte sich in vielen Fällen durch heftigen Kopf¬ 
schmerz, tiefe Abgeschlagenheit, hielt aber nicht 
über 24 oder 36 Stunden an unter der Einwirkung 
von Arsen, Bryonia, Eupatorium perforatum, und 
j blieben die Patienten von jener langen, unendbaren 
Reconvalescenz verschont, wo sie, ihrer Geschäfte 
ledig, sich immer krank und nicht hergestellt fühlen. 
Die abdominelle Form war durchweg wertiger schwer, 
weniger hartnäckig; Arsen, in Verbindung mit 
Bryonia bei anhaltendem Frostgefühl, und bisweilen 
noch Acid. phosph., thaten gute Dienste. 

Verf. beobachtete in einer Gemeinde drei Fälle 
von hämorrhagischer Influenza bei drei jungen Per- 


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sonen: eine junge Frau von sonst ausgezeichneter | 
Gesundheit zeigte eine Gebärmutterblutung, die 
seit zwei Monaten mit geringen Nachlässen anhielt 
und allen gewöhnlichen Mitteln der alten Schule 
getrotzt batte. Unter Arsen und Acid. phospfior. 
wurde es innerhalb acht Tagen besser mit ihr; die j 
völlige Erholung war freilich eine langsame. — 
Zwei Kinder, obgleich von guter Constitution und 
von gesunden Eltern stammend, bekamen Hämo- 
ptysis; auch sie erhielten Bryon. 6. und Acid. 
phosph. 6. nebst Ars. 6. und kamen zur vollen 
Heilung ohne jedes Residuum in der Lunge. — j 
Während die homöopathische Behandlung, von An¬ 
fang an angewandt, die Heilung schnell und ohne 
üble Folgen zurückzulassen erfolgte, war dies, wie 
Verf. constatiren konnte, bei Anwendung von Pur- 
gativen und Antipyrin keineswegs der Fall. Wun¬ 
derliche Art, Kranke, die von Frostschaudern be¬ 
fallen sind, die kein Erwärmungsmittel beseitigen 
kann, abkühlen zu wollen! 

Arsen und Bryonia sind in der Regel die Mittel, 
welche den Symptomen der Influenza am besten 
entsprechen; Bryonia, für das Frostgefühl, wie I 
Hahnemann gut beobachtet hat, und Arsen für die j 
Kraftlosigkeit; während Eupator. perf. oft dann an¬ 
gezeigt ist, wenn das Zerschlagenheits- und Steifig¬ 
keitsgefühl stark ausgesprochen ist. „Die Verbin¬ 
dung dieser Mittel erweist sich oft als nothwendig; j 
denn selten deckt ein einziges Mittel das ganze 
Krankheitsbild,“ und wenn mehrere, gleichzeitig 
auftretende Krankheitserscheinungen verschiedene 
Mittel herausheben, so zögert Verf. nicht, sie im 
Wechsel zu geben. Hiermit hat er sehr gute Er¬ 
folge erzielt, besonders in den Fällen von alten 
Luftröhrkatarrlien mit schwerem, häufigem Husten 
und zähem, schleimigem und schleimig-eiterigem 
Auswurf. — Die Verbindung von Hep. sulph. 6., 
Pulsat. 6 , Lycopodium 6. und Arsenicum jod. ent¬ 
spricht solchen rebellischen, oft ominösen Zuständen. 
Vier Mittel! wird man sagen. Ja, und oftmals be¬ 
darf es nicht weniger, um diese chronische, so be¬ 
denkliche Bronchitis, welche gewöhnlich ein Ein¬ 
wirken mehrfacher Ursachen auf verschiedenartige 
Individuen bekundet, gründlich zu entwurzeln. 

Eine 43jähr. Frau suchte am 9. Januar 1897 
Verfs. Rath. Sie stellte einen guten Typus von 
Morbus Basedowii dar: äusserlich starker Exophthal- | 
mos, sehr entwickelter Kropf, heftiges Herzklopfen 
und Arythmie, dazu Diarrhöe. — Cactus 3., Ars. 6., 
Jodium 6. 

Am 24. Januar merklich besser: die Diarrhöe 
hat nachgelassen, das Herzklopfen weniger stark, 
die Kropfgeschwulst etwas kleiner. 

26. Februar. Im Ganzen besser, nur hat sich 
das Hervortreten der Augen nicht in gleichem Masse 
verändert. Bell. 6. und Jodium 6. 


26. März. Allgemeine Besserung: die Glotz¬ 
augen entschieden zurückgetreten. Repet. 

12. April. Heilung bis auf einen geringen 
Grad des Exophthalmos, so dass die Augen ihren 
sonderbaren Anblick verloren haben, und zeitweises 
Herzklopfen, aber nur bei lebhaften Gemüthsbe- 
wegungen. Heilung von Dauer. — 

Ref. ist der Ansicht, dass die homöopathische 
Schule, um nicht in die zum grossen Theil ja auch 
von der älteren aufgegebene Polypharmacie zurück¬ 
zufallen, die alternirende Anwendung mehrerer Mittel 
nur als Ausnahme von der Regel gestatten darf. 

Ein reines physiologisches wie pathologisches 
Experiment verlangt lediglich den Gebrauch eines 
einzigen Mittels. M. 


Vom BUchertische. 

Der Volksarzt. Anleitung zur Selbstbehandlung 
nach den Grundsätzen der Homöopathie und 
Naturheilkunde. 2. Auflage, durchgesehen und 
theilweise umgearbeitet von Dr. med. Boffenmeyer, 
homöopath. Arzt in Reutlingen. 

Dieser ursprünglich von der schwäbischen Ho¬ 
möopathie geförderte „Volksarzt“, ein kleiner ho¬ 
möopathischer Hausschatz, hat hier sein Publikum 
gefunden. Dafür spricht, dass das Buch jetzt in 
der 2. Auflage erschienen ist. Es giebt dem Laien 
in kurzer, deutlicher Darstellung das für ihn Wissens¬ 
würdigste sowohl in den theoretischen als prak¬ 
tischen Dingen der Homöopathie. Dabei werden 
auch die Schüssler’schen Mittel berücksichtigt und 
am Schlüsse selbst die neueren gebräuchlichen, 
hauptsächlich aus Amerika bei uns eingeführten 
Mittel. 

Sodann werden auch die von der sogen. Natur¬ 
heilmethode gebotenen Massnahmen kurz besprochen. 
Die Anordnung des Stoffes ist recht praktisch und 
fasslich. — Soweit wird das Buch als Leitfaden 
für das Volk zu empfehlen sein. Auszusetzen 
haben wir nur, dass die Mittel meist in niedrigen 
Dosen verordnet werden. Colocynth. 4. bei Sommer¬ 
durchfällen etc. erscheint uns entschieden zu stark 
gegriffen; bei Chamomilla ist wenigstens die Wahl 
zwischen der 2. und 15. Dil. vorgesehen; aber wie 
selten wird der homöopathische Arzt dieses Mittel, 
zumal bei Kindern, in einer so tiefen Potenz geben. 
Gerade in einem für das Volk bestimmten Buche 
wäre um des nihil nocere willen die Anwendung 
höherer Potenzen angezeigter gewesen. 

Dr. Mossa. 


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127 


Kur- und Wasserheilanstalt „Kaiserbad“ 
in Rosenheim. 

Die ärztliche Leitung des altrenommirten Eta¬ 
blissements wird vom 1. April d. Js. an in die be¬ 
währten Hände des Herrn Dr. M. Zimmermann, früher 
ärztlicher Director der Kuranstalt „Bad-Thalkirchen tt 
übergehen (wissenschaftlich rationeller Betrieb). Die 
Anstalt ist bekanntlich für das gesammte Wasserheil¬ 
verfahren, auch für Mineral-, Soole-, Moor-, Kräu¬ 
ter-, Sand- und kohlensaure Bäder etc. in vorzüg¬ 
licher Weise eingerichtet, und steht nach den be¬ 
reits eingetroffenen Anmeldungen für die kommende 
Saison ein sehr hoher Besuch in Aussicht. 

Lesefrllchte. 

Die Gürtelrose als Vorläufer von Tuberkulose. 

Schon 1879 machte Potain auf den Herpes Zoster 1 
als prodromales Symptom beginnender tuberkulöser 
Infection aufmerksam. Nun stellt Rouher 15 der¬ 
artige Fälle zusammen. Manchmal folgt die Tuber¬ 
kulose unmittelbar auf den Zoster; im Allgemeinen 
liegt jedoch zwischen diesem Exanthem und der i 
diagnosticirbaren Tuberkulose ein Zeitraum von drei I 
Wochen bis zu einem Jahre. In einem Falle trat | 


die Tuberkulose gar erst nach 4 Jahren deutlich 
hervor. Die Symptomatologie verräth im Uebrigen 
nicht im Geringsten den Zusammenhang mit der 
Tuberkulose. Rouher schreibt das Auftreten des 
Zoster dem Einfluss der vom Koch’schen Bacillus 
secernirten Toxine auf das Nervensystem zu, wozu 
schon ein im Körper befindliches Bacillen-Indivi¬ 
duum genügt. 

Die Seltenheit der Beobachtung erklärt Verf. 
mit dem Uebersehen und andererseits damit, dass 
Zoster zu seiner Entstehung auch einen geeigneten 
Boden braucht, einen Neurastheniker oder sonstigen 
Nervenleidenden. — Sollte aber bei der Häufigkeit 
der neurasthenischen Constitution einer- und der 
Tuberkulose andererseits dieses Zusammentreffen 
von Zona und Tuberkulose nicht doch öfter be¬ 
obachtet worden sein, als dies bisher der Fall war? 

__ _ Ref. 

Personalia. 

Das Dispcnsir-Examen haben bestanden in Ber¬ 
lin: Dr. Froh ne, Berlin; Dr. Jäger, Hildesheim; 
Dr. Mittmann, Colberg. — Herr Dr. med. Kallen¬ 
bach, bisher in Rotterdam, verlegt am 18. April a. c. 
seinen Wohnsitz nach Apeldoorn, Holland. 


Med. Dr. Theodor Kafka in Karlsbad, 

früher im Hause „Annaberg“, Marktplatz, wohnt und 
ordinirt jetzt im Hause „zum Amerikaner“, Sprudelgasse. 


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In vielen Hospitälern und Irrenanstalten ständig 
im Gebrauch. 

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Vorrftthig in den meisten Apotheken und Drogerien. 

Wissenschaftl. Urtheile, Analysen u. Gratiemuster durch 

Dr. Theinhardt’8 Nährmittel-Gesellschaft 

Cannstatt (Württbg.). 


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udelgas _ j Dr. von Hartungen 

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30 


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= 10 . 

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1 

„ ä 

50 

99 

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,, — «o5 

1 

„ k 

60 


= 15 „ . . . 

„ —.65 

1 

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80 


= 20 „ ... 

„ —.75 

1 

k 

100 

H 

= 25 „ ... 

„ —.90 

1 

„ ä 

120 

99 

= 30 „ ... 

„ 1.10 

1 

„ ä 

150 

99 

= 37,5 „ ... 

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,, ä 

200 

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und kann es nun erfreulicher Weise auch billiger abgeben, 
und zwar 1 Portion: 10,0 mit Gebrauchsanweisung: 1,50 Mk. 
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128 


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28 

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Gyps, 

weiss, 

ca. 

60 

cm 

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ohne weisse Console 

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Gyps, 

weiss, 

ca. 

60 

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hoch, 

mit weisser Console 

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Gyps, 

broncirt, 

ca. 

60 

cm 

hoch, 

ohne broncirte Console 

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Gyps, 

1 

broncirt, 

ca. 

60 

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hoch, 

mit broncirter Console 


r weiss, 

ca. 

28 

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| weiss, 

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28 

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hoch, 

mit Console 1 

masse ] 

| weiss, 

ca. 

60 

cm 

hoch, 

ohne weisse Console, [ 


1 

l weiss, 

ca. 

60 

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hoch, 

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|.§ 


Homöopath. Centralapotheke 
von Täschner & Co. in Leipzig. 


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gegen Nierenkrankheiten, Wassersucht, Gicht, Rheumatismus, Zucker- und andere Krankheiten halten vorräthig und 
empfehlen in Packeten ä V 4 Ko. mit Gebrauchsanweisung Mk. —.75 

»? »* a »> »> »> »» 1.25 

»» j? a h 11 » »1 m 2.25 

Gebrauchs-Anweisung. Man nehme 75—100 Gramm von unserem Bohnenschalenthee und koche dieselben mit 
‘2—3 Liter Wasser 3—4 Stunden, bis solche auf 1 Liter eingekocht sind; bis zu diesem Quantum kann man täglich 
geniessen, das normale ist ein Trinkglas voll. — Der Thee allein getrunken schmeckt nicht schlecht, man kann aber 
auch, um den Bohnengeschmack zu vermindern, etwas Fleischextract etc. hinzufügen. — Besondere Diät braucht nicht 
eingehalten zu werden. — Die Wirkung auf die Nieren ist eine ganz ausserordentlich grosse, was jeder Trinker des 
Thees in dem reichlichen Urinlassen merken wird. Ausser dem Trinken des Thees empfiehlt man ärztlicherseits auch 
das Baden in demselben, besonders bei Rheumatismus und Gicht, zu einem Bade gehören 5 Liter Extract, man nimmt 
aber hierbei 200 Gramm Thee auf 1 Liter Extract. 

Leipzi g._ A. Marggraf’s homöopathische Officin. 

Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julius Maser in Leipsig. 


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Band 138 


Leipzig, den 27 , April 1899. 

ALLGEMEINE 


No.17u.18 



Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 


Geschäftsstelle nnd Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf 9 homöopath.Offlcln) in Leipzig 

Thomaskirchhof 12. 


Erscheint Utägig zu2Bogen. 18 Doppelnummern bilden einen Band. Preis JO M. 50Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs -Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlein ln Leipzig) zu riohten 
sind, werden mit 20Pf, pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Rahm berechnet. — Beilagen werden mit 6— 6 M. berechnet. 


Inhalt. Einladung zur Frühjahrsversammlung des Sächsisch-Anhaltinischen Vereins homöopathischer Aerzte 
am 14. Mai in Halle. — Venen-Affectionen, durch Arzneistoffe erzeugt. Von Dr. Cartier. — Behandlung der Skoliose, 
aus einem Briefe Hahnemann’s an Dr. Löwe in Prag. Von Dr. Mossa. — Antipyrin. Von Dr. W. Bohn. — Homöopa¬ 
thische Rundschau. Auszug aus dem Journal Beige d’homoeopathie und der Revue homoeopathique francaise. Von 
Dr. med. Roh. Stfiger. (Schluss.) — Heilmittel bei septischen Zuständen, mit besonderer Beziehung auf Endocarditie 
ulcerativa. Von Dr. Byres Moir. — Ein Fall von Myxoedem Heilung. — Homöopathischer Centralverein Deutschlands. 
Rundschreiben. Von Dr. Dammholz in Berlin. — Reglement für den internationalen homöopathischen Congress im 
Jahre 1900. Von M. — Gelbsehen (Xanthopie) nach Kohlenoxyd-Vergiftung. Von M. — Dr. K. Friedr. Walz, russ. 
Staatsrath, +. Von Dr. Mossa. — Vom BUchertische. — Lesefrüchte. — Hahnemann-Grab-Denkmal in Paris. 5. Quit¬ 
tung. — Bitte an die Collegen. 1. Quittung. — Herzliche Bitte für eine Arzt-Wittwe. 4. (Schluss-) Quittung. — Anzeigen. 


Schluss der Schriftleitungr: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Sächsisch-Anhaltinischer Verein homöopathischer Aerzte. 

Unsere diesjährige FrUhjahrSversammlung wird am 14. Mai in Halle abgehalten werden. 
Versammlung Mittag 1 Uhr im Grand Hotel Bode. Die theilnehmenden Mitglieder werden 
gebeten, ihr Kommen und die Zahl der Couverts zum üblichen Diner an Dr. Daflkert-Halle anzu¬ 
zeigen. 

Der Schriftführer: Der Vorsitzende: 

Dr. Alexander Villers. Geh. San.-Rath Dr. Faulwasser. 


Venen-Affectionen, durch Arzneistoffe 
erzeugt. 

Von Dr. Cartier. 

(Auszug aus einem Öffentlichen Vortrage am 
28. Januar 1899.) 

Wenn es einen Gegenstand der Therapie giebt, 
bei dem ein Vergleich zwischen der Allöopathie 
und Homöopathie schneidend hervortritt, so ist cs 
wohl die Behandlung der Venenkrankheiten. Während 
die alte Schule sich darauf beschränkt, Bettruhe, 
örtliche Applicationen, bisweilen die von der Ho¬ 
möopathie entlehnte Hamamelistinctur zu verordnen, 
dazu eine starke Dosis Geduld, bleibt die Heil¬ 
kunst Hahnemann’s nicht bloss eine Zuschauerin 
bei einer Venenentzündung, sondern sie besitzt 


Mittel, welche direct auf die afficirten Gewebe 
wirken. 

Wohlverstanden, die Ruhe im Bett oder auf 
einem Sopha bildet ein Erforderniss ersten Ranges 
bei einer Venenentzündung nebst den geeigneten 
Mitteln, aber die Homöopathie vermag die Dauer 
der Unbeweglichkeit abzukürzen. 

| Die Venen können sich entzünden unter dem 
| Einfluss einer Verletzung, einer Infection, der 
gichtischen oder rheumatischen Diathese, von Krampf¬ 
adern, des Wochenbetts und so ergiebt sich eine 
Phlebitis traumatica, septica, rheumatoides, varicosa, 
puerperalis etc., krankhafte Zustände, welche ohne 
ärztliche Dazwischenkunft eine Gehrauchsunfahig- 
I keit der Glieder von mehreren Wochen bis mehreren 
| Monaten herbeiführen. 

I Die Venen erleiden dabei eine besondere Ver- 

17 


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Wir maohen die Herren Aerzte besonders auf das in dieser Nummer auf Seite 139 befindliche Rundschreiben aufmerksam! 









130 


änderung ihrer Häute, woraus sich der varicöse 
Zustand mit seinen Folgen, eine subacute oder 
chronische Phlebitis, was man gewöhnlich entzün¬ 
dete Krampfadern nennt, ein niedriger Grad von 
Phlebitis, oder trophische Störungen, varicöse Ge¬ 
schwüre, herausbilden. — Die localen Varicen mit 
ihren Folgen werden als Varicocele bezeichnet, 
wenn sie ihren Sitz im Hoden, als Hämorrhoiden, 
wenn sie am After sitzen, als Scheidenvaricen, wenn 
an der Scheide etc. Diese kurze Auseinander¬ 
setzung soll nun zum Plan für das therapeutische 
Studium der venösen Krankheiten dienen. 

Phlebitis. 

Hamamelis ist unbestreitbar das in venösen Ent¬ 
zündungen am meisten bekannte und auch an¬ 
gezeigte Mittel. Das hier charakteristische Zeichen 
für dieses Mittel giebt der die venöse Congestion 
begleitende eigenthümliche Schmerz: es ist kein 
heftiger Schmerz, sondern eine Art unangenehme 
Spannung, von Druck längs dem Verlaufe der 
Venen. Wie Farrington sagt, ist es nicht das Ge¬ 
fühl von Quetschung oder Zerschlagenheit der 
Arnica, auch nicht das empfindliche in der Ober¬ 
fläche der Haut des Körpers sitzende Weh von 
Lachesis, oder das stechende Weh von Apis — es 
ist eben ein unbestimmtes, der venösen Congestion 
eigenartiges Wehgefühl. 

Diese Spannung der Venen bedingt noch ein 
anderes Charakteristicum, das fast noch wichtiger 
ist: die Neigung von Hamamelis zu Geffcsszerreissun- 
gen, zu venösen Hämorrhagieen. Gerade in Fällen 
von stark erweiterten, entzündeten Varicen, die zu 
platzen drohen , da wirkte Hamamelis wunderbar. 
Wenn die erkrankten und erweiterten Venen so 
stark in der Haut hervortreten, dass, wie es scheint, 
nur eine schwache Gewebsschicht sie kaum an dem 
Platzen hindert, dann führt Hamamelis alsbald eine 
Abschwellung herbei, die Gewebe sind weniger ge- 
röthet und weniger heiss — und es kommt zu 
keiner Ruptur der Krampfadern. 

Sind venöse Blutungen eingetreten, was bei den 
Hämorrhoiden besonders der Fall ist, so übt Hama¬ 
melis wieder seinen wohlthuenden Einfluss aus. Doch 
erinnert Verf. sich einer schweren Hämorrhoidal¬ 
blutung bei einem jungen Manne, die bereits eine 
hochgradige Anämie herbeigeführt hatte, wo Hama¬ 
melis versagte, und Trillium und Ipecac. die Blu¬ 
tung stillte. 

Pulsatüla macht der Hamamelis in venösen Ent¬ 
zündungen den Rang streitig. Jene wirkt auf das 
Geffcsssystem, insbesondere auf das rechte Herz, 
die Venen und Capillaren. Schwäche des venösen 
Blutlaufes, gehemmter Rückfluss des Blutes zum 
Herzen gehören zu den hervorragendsten physio¬ 
logischen und therapeutischen Wirkungen der Pulsa- 


tilla, notabene, wenn, ihre besonderen charakteristi¬ 
schen Eigenschaften hinzukommen. Sie wird immer 
vorwiegend beim weiblichen Geschlecht wirksam sein, 
zumal wenn jene wandernden Schmerzen zugegen 
sind. Ferner sind Lachesis und andere Schlangen¬ 
gifte in Phlebitis sehr wirksam. C. Hering hat be¬ 
sonders die übermässige Empfindlichkeit der Haut, 
die so gross ist, dass man keine Bedeckung ver¬ 
tragen kann, als charakteristisch hervorgehoben. 
Demnach ist das Mittel angezeigt in venösen Ent¬ 
zündungen mit grosser Sensibilität der Haut , welche 
durch Berührung gesteigert wird, wozu noch andere 
nervöse und circulatorische Störungen, wie z. B. 
Ameisenkriebeln , ein in Phlebitis sehr häufiges Sym¬ 
ptom, hinzukommen. 

Apis mellijera hat Oedem und Stichschmerz, 
welch letzterer aber ebenso der Lachesis eigen ist. 
Soll daher Apis nützen, so wird das Oedem vor¬ 
herrschen müssen, wie in den Fällen von Phleg¬ 
masia alba dolens , bei welchem Leiden freilich 
Pulsatilla und Hamamelis vorzugsweise gerühmt 
werden. 

Noch auf ein Mittel in der Phlebitis weist Verf. 
hin, um so mehr, als es hierbei wenig gebraucht 
und doch so wirksam ist, das ist Arsen. Der bren¬ 
nende Schmei'z zieht sich als vorherrschendes Sym¬ 
ptom durch die Pathogenese dieses Mittels, und 
selten wird dieser Schmerz bei einer acuten und 
intensiven Phlebitis fehlen, ja oft genug geben die 
an Phlebitis Erkrankten an, dass sie die Vene in ihrer 
Länge nach wie eine Feuerlinie empfinden. Unter 
solchen Umständen kann sich wohl kein Mittel mit 
Arsen messen, sei es in der 6., 12. oder 30. Dil. 
Dem Verf. schwebt immer folgender Fall vor: 

Ein Wallgräber wurde in das (homöopathische) 
Spital Saint-Jacques aufgenommen. Die Armen 
haben keine Zeit zur Ruhe und wenn bei ihnen 
eine Venenentzündung erscheint, so nimmt sie, in 
Folge der Ueberanstrengung, meist eine sehr be¬ 
denkliche Form an. 

Dieser Mann war von einer Phlebitis und Peri¬ 
phlebitis befallen; die ganze Innenfläche des Schen¬ 
kels war eine enorme rothe Masse und die Tempe¬ 
ratur stieg auf 39,5® C. Während einiger Zeit 
versuchte Verf. die üblichen Mittel, aber ohne 
Besserung und Verminderung der Temperatur; da 
klagte Pat., dass ihm der Schenkel wie Feuer 
brenne. Er bekam daraufhin Arsen 30. und 6. 
Die hohe Temperatur, die sich bisher Morgens und 
Abends auf derselben Höhe gehalten, ging im Ver¬ 
laufe von zwei Tagen auf die Norm herunter. 
Das Brennen verschwand, Röthe und Geschwulst 
verringerten sich schnell, es blieb nur einige Tage 
das Ameisenkriebeln; und nach 14 Tagen konnte 
I der Mann seine Arbeit wieder aufnehmen. — Nach 
| den ursächlichen Momenten werden noch eine An- 


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131 


zahl anderer Mittel bei Phlebitis in Betracht kommen. 
So empfehlen bei Phlebitis traumatica die Autoren: 
Arnica, Conium, Hepar. — Verf. gab in einem 
Falle von Phleb. septica besonders Lachesis, dessen 
Wirksamkeit bei Sectionsvergiftungen, wobei es sich 
um eine septische Lymphangitis handelt, unzweifel¬ 
haft ist; doch wirkt es ja ebenso auf die Venen, 
und bei einer Phlebitis, deren Ausgangspunkt ein 
varicöses Geschwür, also eine Infection von aussen 
her, ist. 

Tritt im Wechsel oder gleichzeitig mit einer 
rheumatischen oder gichtischen Entzündung Phle¬ 
bitis auf, so könnten die Rheumatismus-Mittel, zu¬ 
mal Pulsatilla, am Platze sein. 

In der Phlebitis suppurativa giebt Lilienthal 
Apis, Arnica, Conium, Hepar, Mercur, Silicea, 
Sulphnr an. Doch könnte auch Veratrum viride, 
Myristica sebifera, Schlangengift, Tarantula cubensis 
und andere angezeigt sein. Diese Gruppe von 
Mitteln verdient auch in der puerperalen Phlebitis 
Beachtung. 

Varices. 

Haben wir Mittel, um die Varicen, die Krampf¬ 
adern, wieder zur Norm zurückzuführen? Ja und 
nein. Wir besitzen Mittel, um die Entzündung zu 
verhüten, um die Symptome zu beschwichtigen; 
aber an eine Heilung von Varicen kann Verf. nicht 
glauben. Die Gummistrümpfe sind noch immer 
das beste, um die Krampfadern erträglich zu machen: 
sie mindern die Schmerzen, ja, indem sie die Venen 
stützen, können sie zur Heilung beitragen. Sobald 
aber Beissen, Stechen, Hitze eintritt, muss man 
die Strümpfe weglassen und sich zur Ruhe an¬ 
schicken. 

Oftmals hat Verf. schmerzhafte Varicen mit 
Zincum 6. gebessert, welches Mittel auch andere 
Complicationen verhütet. Die so häufig durch tiefere 
Varicen veranlassten Krämpfe werden von Cuprum 6., 
12. oder 13. merkwürdig geheilt. 

Lycopodium, dies auf die Leber so entschieden 
wirkende Mittel, erleichtert die auf Leberleiden 
beruhenden varicösen Beschwerden. Ebenso wirkt 
Carduus marianus, nach Rademacher ein Leber¬ 
und Milzmittel, günstig auf schmerzhafte Varicen 
und varicöse Geschwüre. 

Acidum fluoricum soll nach Dr. Epps eine ganz 
vorzügliche Wirkung nicht nur auf entzündete, son¬ 
dern auch varicöse Venen haben, also auf das 
venöse Gewebe selbst 

Uleerft vftrioosa. 

Schon oben ist Carduus marianus und Acidum 
fluoricum als Mittel bei diesem Leiden erwähnt 
worden. 


Ist das varicöse Geschwür einfach, ohne syphi¬ 
litische oder anderweitige Complicationen, so hat 
sich Clematis, innerlich und äusserlich, bei den 
französischen Aerzten einen grossen Ruf erworben. 
Clematis etwa in der 6. Dil. als Lösung, eine 
Pommade mit Clematis, äusserlich angewandt, und 
Bettruhe, kürzen die Dauer eines Ulcus varicosum 
erheblich ab. So hat auch Verf. im homöopathi¬ 
schen Spital für chronische Kranke, zu Wards 
Island bei New-York, wo er eine grosse Anzahl 
von varicösen Fussgeschwüren sah, beobachten können, 
wie Clematis, in obenangegebener Weise gebraucht, 
allen anderen vielgerühmten Mitteln den Rang ab¬ 
gelaufen hat. 

(Revue homoeopathique fran^aise. Febr. 1899.) 

M. 


Behandlung der Skoliose, 
aus einem Briefe Hahnemann’s an Dr. Löwe 
in Prag. 

„Was das schiefe Mädchen anbelangt, so würde 
ich nie zu Maschinen rathen, die, so weit ich diese 
kenne, gar weit davon entfernt sind, ihre Absicht 
zu erreichen, dass sie im Gegentheile weit mehr 
schaden, und da überdem diese der Skoliosis zu 
Grunde liegende Knochenweiche eine rein psorische 
Krankheit ist, so geben Sie am Besten nach Tinct. 
Sulph. °, ot \ 000 erst Calc., dann Acid. phosph., dann 
Baryt und Phosph. und Silicea, wobei sie sich in 
freier Luft zu Fusse ergehen und täglich mehr¬ 
mals mit beiden Händen an einen hohen horizontal 
befestigten Stab anhängen, einige Minuten hin und 
her schwenken und so baumeln soll. Dass sie 
Kaffee, Thee und Gewächssäure vermeide, werden 
Sie wohl anbefehlen. Mit mesmeritischen Händen 
die gekrümmten Theile bestreichen, hat oft allein 
geholfen, und man sollte es wenigstens zu Hilfe 
nehmen. 

Leben Sie recht wohl und behalten Sie lieb 
Ihren S. Hahnemann. 

Cöthen, den 23. September 1831. 

Ein Freund von mir hat mit Rhus toxic, eine 
starke Knochenverkrümmung geheilt. Ich rathe 
daher, dieses zuerst zu versuchen, vorzüglich, da 
Toxicodendron wahrscheinlich ein Antipsoricum ist.“ 

Wahrscheinlich handelt es sich in diesem Falle 
um eine jener Rückenverkrümmungen, wie sie bei 
scrophulösen oder rhachitischen Kindern, nament¬ 
lich bei Mädchen mit schwacher Muskulatur, Vor¬ 
kommen. Hahnemann setzte eine psorische Grund¬ 
lage des Leidens voraus; seine Psora umfasst ja 
das grosse Gebiet der Scrophulose wie auch das 
der englischen Krankheit. Die von ihm empfohlenen 
Mittel bieten in solchen Fällen noch jetzt den 

17* 


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132 


Grundstock unserer Therapie. Die gleichzeitige 
Anwendung einer milden Heilgymnastik und sanfter 
Massage (Mesmeriren) werden wir ebenfalls heran¬ 
ziehen, wenn kein entzündlicher Process in den 
Wirbelknochen oder Bändern zugegen ist, zumal 
da die Muskeln sich hier meist in einem erschlafften, 
oft an Lähmung grenzenden Zustande befinden. 
Unter solchen Umständen wird auch das von un¬ 
serem Meister am Schlüsse des Briefes angeratliene 
Mittel, Rhus toxicod., selbst, wenn es nicht in die 
Kategorie der Antipsorica gehörte, angezeigt sein. 
Die Frage, ob veränderte Muskelthätigkeit oder 
die Knoehenaffection bei solchen Verkrümmungen 
das Primäre ist, ist meist recht schwer zu ent¬ 
scheiden. — Wenn Hahnemann gegen Krankheits¬ 
namen stark geeifert hat, so bezog sich das nur 
auf das oft heillose auf das nomen morbi gerichtete 
Kuriren vieler Praktiker; sonst musste er schon, 
um sich mit einem Collagen über einen Krankheits¬ 
fall zu verständigen, sich der Krankheitsnamen be¬ 
dienen, wie das aus diesem Briefe zu ersehen ist. 
Es ist indessen anzunehmen, dass der ihn um Rath 
fragende Arzt ihm den Zustand seiner Kranken 
eingehend geschildert haben werde. 

Schliesslich sei noch erwähnt, dass vorstehender 
Brief von Dr. Gerstel in Wien im 53. Bd. dieser 
Zeitung, Nr. 13, p. 107, veröffentlicht worden ist. 

Dr. Mossa. 


Antipyrin. 

In der 8. Nummer des XV. Jahrganges der 
Deutschen medicinischen Wochenschrift veröffent¬ 
licht Herr Dr. Gaston Graul die Selbstbeobachtung 
einer Antipyrin-Intoxication, die uns eine Gruppe 
bei jeder der unfreiwilligen Vergiftungen gleich¬ 
artig aufgetretenen Symptome bietet. Die sehr inter¬ 
essante Mittheilung der mehrmaligen Selbstbeobach¬ 
tung eines Arztes, die sich fast wie ein Prüfungsbild 
ausniromt, enthält mehrere Symptome, die in der 
Arbeit des Herrn Dr. van Royen-Utrecht nicht ent¬ 
halten sind, während natürlich die grössere Zahl 
bekannt ist. Am Schlüsse des Dr. Graulichen 
Artikels finden wir einen kurzen Vergleich mit 
einigen anderen Fällen aus der wissenschaftlichen 
Literatur. 

Man verzeihe uns einige Wiederholungen von 
Symptomen, die durch die Arbeit des Herrn Col- 
legen van Royen schon bekannt sind. Dieselben 
durften aber bei der Wiedergabe der von Herrn 
Dr. Graul gemachten Beobachtung, im Rahmen des 
Utrechter Schemas, nicht fehlen. 

Fieber: Schüttelfrost, Temperatursteigerung, 
T. = 38,8—39. 

Haut: multiple Furunculose. 


Gesicht: Leichtes Oedem, besonders der beiden 
Augenlider. 

Mund, Gaumen, Zunge: 

Blasenbildung am harten Gaumen; beiderseits der 
Mittellinie zwei prallgefüllte Blasen von etwa Pfennig - 
grösse. Kauen äusserst erschwert. 

Profuse Salication. Rhagadenbildung. 

Lippen stark geschwollen; weisser Zungmbehg. 
Auf der Zungenmitte ein livider, glatter , glänzender , 
etwa pfenniggrosser Fleck, der von einem scharfen, 
rotlum Rande umzogen ist. Dieser sehr gleichmässig 
beobachtete Fleck scheint ein charakteristisches 
Symptom darzustellen. 

Die Efßorescenzen an Zunge und Gaumen sind 
äusserst schmerzhaft. 

Gefühl von Trockenheit im Munde . 

Rachen: Leichte Angina . 

Nase: Heftiges, anhaltendes diesen. 

Urin: angehalten und von dunkler Farbe. 

Geschlechtsorgane: oedema praeputii, eczerna 
madidans scroti. 

Brust: Beklemmung. 

Kreislauf: Beschleunigte Herzaction, Puls = 

90 —100. 

Extremitäten: Schmerzhafte Röthung der End¬ 
phalangen beider Hände mit Oedem, stark juckende 
Schwellung. Kleine Blasen mit wässerigem Inhalt 
an den Interphalangealgdenken. Später Abschilfe¬ 
rung der Haut. 

Fleckiges, polymorphes, nicht juckendes Erythem 
der Innenseite beider Beine , auf Fingerdruck nur 
schwer verschwindend, bis über Kniehöhe ziehend. 

Besondere Symptome: Die Erscheinungen nehmen 
mit jeder neuen Vergiftung zu, es bildet sich eine 
Idiosynkrasie. 

Nun erfolgte allerdings die Intoxication nicht 
mit reinem Antipyrin, sondern sogenanntem Migrä- 
nin (Antipyrini 1,0, Coffeini 0,09, Acidi citrici ad 1,1). 
Wie weit durch die Zusätze von Coffein und Citronen- 
säure die reine Wirkung des Antipyrins geändert 
wurde, lässt sich natürlich nicht ohne Weiteres be* 
urtheilen. 

Es ist bekannt, dass die Citronensäure die Haut- 
thätigkeit stark anregt. Empirisch wurde sie früher 
gegen Scorbut und Stomatitis innerlich und äusser- 
lich angewendet, ebenso bei diphtherischer Angina. 
Coffeinsymptome kann ich — vielleicht ausser der 
Pulsbeschleunigung, die aber auch dem Antipyrin 
an sich entspricht — nicht in dem toxischen Bilde 
finden. 

Interessant ist in dem Bilde der Antipyrinver- 
giftung das Auftreten von Fieber und Schüttel¬ 
frost — die „conträre“ Wirkung, wie sie Dr. Graul 
nennt und von welcher literarisch mehrere Be¬ 
obachtungen vorliegen. 

Die verschiedenen Dosen, welche Vergiftungs- 


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133 


Symptome hervorbrachten, variiren zwischen 5,0 g 1 
(hochgradiger Collaps) und 0,08 g (Blasenbildung I 
am Gaumen, in der Scrotal- und Analgegend). 

Herr Dr. Graul beobachtete an sich die ge- j 
schilderten Symptome nach 1,1 Migränin (= 1,0 Anti- | 
pyrin). Die Dauer der Wirkung erstreckte sich j 
über 2 Wochen und nach diesen trat als Schluss- i 
effect die Furunculose auf. Dr. W. Bohn. I 


Homöopathische Rundschau. 

Auszug aus dem Journal Beige d’homoeopathie und 
der Revue homoeopathique franqaise. 

Von Dr. med. Bab. Stäger. 

(Schluss.) 

Equisetum. Enuresis, ausgesprochene Blasen¬ 
reizung. Blase schmerzhaft. Druck in der Blase, j 

Acidum benzoicum. Reizbare Blase; Urin kommt 
tropfweise, ist sehr dunkel und riecht ammoniakalisch 
(wie Pferdeharn. Ref.). — j 

14. Die Indicationen von Strophantus. j 

Die Anzeigen für das Mittel sind die folgenden: 

1. Die Contractiouen des Herzens folgen sich 
rapid, aber mit weniger Kraft und mit Irregularität; 
2. die Abwesenheit von vasomotorischen Wirkungen i 
empfiehlt seine Anwendung bei gehobener arterieller , 
Spannung, wie bei Nephritis, Arteriosclerosis und | 
dem Atherom der Greise; 3. wenn die Diurese 
spärlich ist, und der Blutdruck dadurch zunimmt, ! 
wendet man das Mittel ebenfalls an; 4. die Abwesen¬ 
heit von Magenstörungen bei der therapeutischen I 
Dosis machen das Mittel um so werthvoller in 
Fällen, wo man es lange Zeit fort geben muss. 

Die Fälle, wo das Mittel versagen kann, sind: 1. 
Vorgerückte Degeneration des Myocards; 2. Aeusserste | 
Obstruction der Circulation in Folge Insufficirung 
oder Stenose der Klappen; 3. eine Combinatiou der 
verschiedenen Möglichkeiten. (The Post-Graduate.) 

15. Calcarea fluorica. 

Das Mittel wird in der 3. und 12. Trituration j 
sehr empfohlen gegen allerlei Verhärtungen. Bei j 
der Scrophulose, wenn besser indicirte Medicamente I 
zu keiner Besserung der aufgeschwollenen Cervical- 
drüsen führen wollen, ist Calc. fluorica unsere 
einzige Zuflucht. (Der Chirurg wird zum Messer 
greifen. Ref.) Die „Gerstenkörner“ und andere 
Indurationen der Augenlider verschwinden mit un¬ 
glaublicher Schnelligkeit auf dessen Gebrauch hin. I 

16. Yerbascum thapsus 

ist ein nutzbringendes Mittel in allen katarrhalischen 
Affectionen. Husten verschwindet sofort (diese 


Ausdrucksweise ist zu affirmativ; so drückte man 
sich etwa vor 300 Jahren naiven Medicinglaubens 
aus. Ref.). Man nimmt alle 2 Stunden 1—2 gtts. 
der Tinctur oder Essenz und macht zugleich Ein¬ 
reibungen (2 Mal täglich) von Wollblumenöl auf 
Brust und Hals. Gesichtsschraerzen nach Erkältung 
finden in Verbascum ein ausgezeichnetes Heilmittel. 

17. Comocladia bei Eczem. 

Die Wirkung dieses Mittels auf die Haut er¬ 
innert an Rhus tox. Es erzeugt ein Erythem, Ge¬ 
schwulst und papulösen Ausschlag Es hat nicht 
die Kraft Blasen zu ziehen wie Rhus, aber es 
führt mehr zu Suppuration, zumal an den Beinen. 
Es verursacht ferner Hitzefühl, Brennen, Jucken* 
und Stechen. Verschlimmerung bei Berührung 
dieser genannten Symptome. Linderung durch Be¬ 
wegung, Reiben, Kratzen und im Freien. Das Ge¬ 
sicht ist für die Rothe und Schwellung die Lieblings¬ 
stelle; für die Plaques der Rumpf und die unteren 
Extremitäten; für die Suppuration die Schenkel. 

Comocladia kann indicirt sein bei acutem Eczema 
erythematosa des Gesichtes mit ausgesprochener 
Schwellung und theilweisem Verschluss der Lider, 
oder bei chronisch. Ezccma erythematosa des Ge¬ 
sichtes, welches sich durch häufige Rückkehr der 
Geschwulst der Augenlider charakterisirt. — 

Es passt auch bei papulösem Eczem des Rumpfes 
und der Extremitäten, wenn der Ausschlag papulös 
bleibt und nicht pustulös oder vesiculös wird. (The 
Chironian.) 

18. Pathogenetische Wirkungen von SaloL 

Ein Apotheker beobachtete an sich selbst die 
folgenden pathogenetischen Symptome nach Ver¬ 
arbeitung von Salol: 

Freitag, 22. Oktober. Er hat mit Salol-Pulver 
zu thun. 

Dienstag, 26. October. Gefühl von Rauhigkeit 
im Hals beim Sprechen und in den Gelenken, wie 
wenn die Gelenkschmiere fehlte. 

Mittwoch . Status idem; nur mehr Schmerzen im 
Handgelenk. Schreibkrampf. 

Montag. Schmerzen in der Hand beim Tragen 
eines Buches. 

Freitag. Sehr heftiges Kopfweh, besonders 
über den Augen. Er kann vor Schmerz kaum 
aufrecht gehen. Linderung nach 3 Tropfen Bryonia 
und feuchten Compressen. 

Samstag. Dumpfer Schmerz im Kopf. 

SoJintag. Kopfschmerz hält an und ist noch 
heftiger. 

Montag. Rauhigkeit im Kniegelenk. Schlimmer 
am Abend. Kopfweh Abends besser. 

Dienstag. Das Besteigen einer Leiter fallt 


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schwer und er muss sich setzen. Das Kopfweh 
geht besser. 

Mittwoch. Die Steifigkeit oder Rauhigkeit in 
den Gelenken geht besser, aber die Hinterbacken 
sind empfindlich. Die Gliedmassen sind beim Be¬ 
rühren ebenfalls empfindlich. Er arbeitet neuerdings 
in Salol und zwar mit einer grössem Quantität . 
Während dieser ganzen Zeit ziehen sich die Hände 
zusammen und er kann den kleinen Finger nicht 
ohne Schmerz ausstrecken. 

Montag . Kein Schmerz, ausgenommen im rechten 
Arm Abends und zwar nur ein klein wenig. 

Freitag. Schmerz im linken Gesäss, besonders 
beim Gehen; leichtes Kopfweh. Der drohende Kopf¬ 
schmerz zertheilt sich. Rheumatische Schmerzen im 
linken Knie und Arm; der Schmerz sitzt an der 
Innenseite der Gelenke. 

Samstag. Leichter Schmerz im linken Arm. 

Ein anderes Mal beim Verarbeiten von Salol 
empfand dieselbe Person Schmerzen in der Schulter. 
Der Urin roch etwas nach Veilchen. Das war das 
erste Symptom gewesen und die anderen Er¬ 
scheinungen wichen nicht früher, als bis der Geruch 
verschwunden war. (The homoeopathic World.) — 

19. Hautsymptome tod Opium. 

Im Allgemeinen glaubt man, dass Opium keinen 
Hautausschlag erzeugen könne. — 

Gewöhnlich sind die Eruptionen, welche Opium 
hervorbringt, auf das Gesicht beschränkt, oft aber 
befallen sie noch den übrigen Körper. Am häufig¬ 
sten sind es wirkliche Erytheme und bisweilen haben 
sie scarlatinösen Charakter. In einigen Fällen röthet 
sich die Haut stark, starker Schweiss stellt sich 
ein, der Puls ist beschleunigt und die Haut fühlt 
sich heiss an. Nach Burgisser genügen hierzu oft 
kleine Dosen, z. B. einige Tropfen Laudanum. In 
der Grosszahl der Fälle endet die Eruption mit 
Desquamation, welche kleinartig oder grossblättrig 
sein kann; sie gleicht oft der bei Scharlach. (The 
homoeopathic World.) — 


Heilmittel bei septischen Zuständen, 
mit besonderer Beziehung auf Endocarditis 
ulcerativa. 

Von Dr. Byret Moir, Arzt am London Homoeo- 
pathical Hospital. 

Bis in die jüngste Zeit war die Mehrzahl sep¬ 
tischer Fälle in der chirurgischen Abtheilung des 
Krankenhauses zu finden, aber in Folge der in 
der chirurgischen Behandlung eingetretenen Revo¬ 
lution ist das jetzt nicht mehr so, und sieht man 


wenigstens in diesem Hospital nur wenige septische 
Fälle auf der chirurgischen Seite. 

Dagegen beobachten wir noch eine beträcht¬ 
liche Zahl auf der innern Station, und da erhebt 
sich die Frage: Was kann bei septischen Fällen, 
wo von einem chirurgischen Eingriff nicht die 
Rede ist, mit innerlichen Mitteln geleistet werden? 

Der Zustand, den wir hier besonders besprechen 
wollen, betrifft die infectiöse oder ulcerative Endo¬ 
carditis, die eine wahre Septicämie darstellt. Unter 
Septicämie ist aber zu verstehen eine Störung, die 
durch das Eindringen lebender Mikroorganismen in 
den Körper und deren Wachsthum und Vermehrung 
in demselben verursacht wird. Das Gift wird hier 
continuirlich innerhalb des Körpers erzeugt. In 
Supraemia andererseits wird das Gift in der Wunde 
erzeugt, also ausserhalb des Körpers, wird von 
diesem Theile aufgenommen und wird hier durch 
Beseitigung der ursprünglichen Quelle der Krank¬ 
heit in der Regel zu einem günstigen Ausgange 
gelangen. 

Die ulcerative Endocarditis ist häufig, obwohl 
nicht immer pyämisch , d. h. es bilden sich secun- 
däre Abscesse durch septische Emboli, von denen 
lebende pyogene Mikroorganismen nach verschie¬ 
denen Körpertheilen verschleppt werden. Wir haben 
dann bei ulcerativer Endocarditis die Wucherung 
von Mikroorganismen an den Herzklappen, und es 
erfolgt eine allgemeine Infection des Organismus. 
Am häufigsten kommen hier der Staphylococcus 
pyogenes aureus, der Streptococcus pyogenes und 
der Diplococcus pneumoniae vor. Die Bacillen des 
Tuberkels, der Diphtherie, des Typhus, sowie des 
Diplococcus gonorrhoeae hat man öfters in Gesell¬ 
schaft mit den pyogenen Organismen gefunden. 

Manche Fälle vollenden ihren Lauf, ohne dass 
es zu einer wahren Pyämie kommt, und dies muss 
von dem Charakter der vorhandenen Mikroorganis¬ 
men abhängen. Es wird noch mehr Fleiss auf die 
Bestimmung der den verschiedenen Mikroorganis¬ 
men zukommenden Symptome verwendet werden 
müssen, wenn die Serum-Therapie recht wirksam 
gemacht werden soll; denn, obwohl manche Fälle 
von dem Anti-Streptococcus-Serum günstig beein¬ 
flusst worden sind, so fanden doch auch viele Miss¬ 
erfolge statt und wahrscheinlich wird jenes Serum 
nur da anwendbar sein dürfen, wo der Strepto¬ 
coccus allein anwesend ist, und keine Mischung 
verschiedener Toxinen vorliegt. 

Verf. bespricht zuerst einen Fall von einem 
86jähr. Mann, der, wie man es in sehr vielen 
Fällen von ulcerativer Endocarditis sieht, eine 
Schädigung der Herzklappen bereits von einem 
früheren Anfalle von Rheumatismus acutus davon¬ 
getragen hatte. Die Temperatur-Zeichnungen be¬ 
ginnen mit dem 30. Juni 1897 und endigen am 


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16. Februar 1898 mit dem Tode des Patienten. 
Indessen hat der fieberhafte Zustand wohl schon 
mindestens zwei Monate gewährt, ohne dass der 
Kranke an das Bett gefesselt worden war. 

Während des ganzen Zeitraums, vom 30. Juni 
bis zum 16. Februar, hatte sich keine normale 
Temp. für 24 Stunden gezeigt. Eine der auf¬ 
fallendsten Thatsacben in diesem Falle sind die 
verbältnissmässig wenigen Symptome. Der Kranke 
lag im Bette, und doch konnte man nicht sagen, 
dass er leidend war; er sah wohl aus, verlor wenig 
an Fleisch, so dass man zuerst der Sache wenig 
Bedeutung beilegen mochte. Sein Athmen war un¬ 
verändert, und erst bei Einsicht in die Körper¬ 
wärme und bei Untersuchung des Herzens konnte 
man sagen, wie krank der Mann wirklich war. 
Späterhin natürlich wich diese Unsicherheit, als sich 
Infarkte in der Milz, den Nieren und anderen 
Organen entdecken Hessen, die viel Schmerz ver¬ 
ursachten; und gegen das Ende des Falles traten 
oft Convulsionen ein. Es Hess sich freilich hier 
die Infectionsquelle nicht bestimmt nachweisen, aber 
klar war die Geschichte seines vorangegangenen 
rheumatischen Fiebers. Dr. Moir sah ihn erst in 
der letzten Zeit seiner Krankheit, nachdem ihn 
schon verschiedene Aerzte in Behandlung gehabt. 
Es Hess sich nur feststellen, dass er einige Wochen 
vor seiner schweren Krankheit auf einem Yacht¬ 
schiff herumgesegelt und im Hafen von Margrate 
gelegen habe. Dort aber soll das Wasser stark 
verunreinigt sein, und da mag er sich einige Keime 
geholt haben. 

Wie häufig derartige Fälle Vorkommen und 
welche Gewebsveränderungen in Betracht kommen, 
dafür sprechen folgende in derselben Woche ins 
Hospital aufgenommenen Fälle. 

Am 9. März d. J. wurde ein 45jähr. Mann mit 
der Anamnese eines rheumatischen Fiebers, das 
wahrscheinlich eine Affection der Klappen davon¬ 
getragen, aufgenommen. Sechs Wochen vorher 
hatte er eine Structur der Harnröhre gehabt; man 
hatte einen silbernen Katheter eingeführt, was 
grosse Schmerzen und Hämorrhagie nebst Ausfluss 
verursachte. Hierin war offenbar die Quelle einer 
Infection gegeben; zwei Wochen nach der Kathetri- 
sation war Schüttelfrost und Kopfschmerz einge¬ 
treten. Fünf Tage vor seiner Aufnahme war eine 
Verstopfung der rechten Schenkelarterie durch einen 
Embolus constatirt worden. Hier ist ein Fall, in 
dem man die Ursache des Uebels bestimmt nach¬ 
weisen kann. — Die Herzsymptome waren nicht 
deutlich ausgesprochen. Man hörte systoHsches Mur¬ 
meln, am lautesten an der Herzspitze, sowie Ver¬ 
schärfung des zweiten Tones an der Basis. Den 
11. März kam ein Anfall von Athemnoth mit Cya- 


nose und der Tod trat binnen fünf Minuten ein. 
Der Befund post mortem zeigt einen völligen Ver¬ 
schluss der Arterie und Gangrän des ganzen Beines. 
Ein grosser Embolus fand sich in der Arteria femoralis 
dextra, der sich bis zum Ursprung der Arteria pro- 
funda erstreckte, der seinen Ausgang offenbar von 
den (gewiss sehr schnell entstandenen) Wucherun¬ 
gen an der Aortenklappe genommen hatte, ln 
der Milz zeigt sich ein sehr bedeutender hämor¬ 
rhagischer Infarkt, der zum Theil sich in eine 
Pulpa umgewandelt hatte. 

Der nächste Fall betraf eine 23jähr. Frau, die 
bis zu dieser Attacke nicht krank gewesen war. 
Bei der Aufnahme ins Spital war sie schon eine 
Moribunda, lebte aber noch fünf Tage im Kranken¬ 
hause. Sie gab eine dreiwöchentliche Krankheit 
an, aber ausser einem systolischen Murmeln an der 
Valvula mitralis war kein Zeichen vorhanden, das 
auf die Natur ihres gegenwärtigen Leidens hin¬ 
deutete; ihr collabirter Zustand hatte mehr Aehn- 
lichkeit mit dem Ende eines Typhusfalles. Post 
mortem fanden sich Infarkte in Nieren und Milz. 

Ferner berichtet Verf. von einem 14jährigen 
Knaben, der im Jahre 1897, vom 10. März bis 
2. October, im Hospital sich befand. Hier ergab 
sich: Insufficienz der Mitralklappe mit etwas Peri- 
carditis, die Monate lang von einem hektischen 
Fieber begleitet war. Dabei ausgesprochene Anämie 
mit Leukocytose. Eine Zeit lang bestand allge¬ 
meine Anasarca und hochgradiger Ascites. Dreimal 
wurde das Wasser abgezapft, wonach es sich merk¬ 
würdig besserte und die Temp. normal wurde. Bei 
seiner Aufnahme war ein präsystolisches Murmeln, 
ein systolisches Aftergeräusch an der Herzspitze 
und ein anderes in der Regio tricuspidalis. Das 
Herz war stark hypertrophisch. Spigelia, Strophan- 
tus und Naja erwiesen sich am wirksamsten. Der 
Knabe kann jetzt bei jedem Wetter ausgehen und 
scheint nicht zu leiden. Da hier eine bedeutende 
Herzhypertrophie besteht, so ist es fraglich, ob es 
sich hier um eine infective Form gebandelt habe 
oder nicht. Angesichts der Temperaturcurven hat 
Verf. die Frage bejaht; die Temp. war ja nicht 
die der Pericarditis; Adhärenzen am Pericardium 
haben nicht bestanden. Eine einfache Endocar- 
ditis würde nicht für jene lange Zeit eine solche 
Temperaturcurve gegeben haben, so dass wohl der 
Schluss gerechtfertigt erscheint, das Leiden für 
eine Art ulcerativer Endocarditis, die glücklich zum 
Stillstand gebracht worden ist, zu halten. 

Der nächste Fall, der wieder eine andere, ziem¬ 
lich beunruhigende Temperaturcurve gab, betraf 
ein 18jähr. Mädchen. Diese wurde im vorigen 
Jahre wegen acutem Rheumatismus ins Hospital 
aufgenommen; aber der sich bei ihr entwickelnde 
Zustand nahm den Anschein einer infectiösen Endo- 


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136 


carditis an. Es trat ein systolisches Murmeln mit I 
sehr schnellem Pulse, profuser Schweiss und Schüttel¬ 
fröste ein. Am 29. Juli zeigt die Temperaturcurve 
einen plötzlichen Abfall, während der Puls stieg. 
Sie wurde plötzlich schlechter, der Puls stieg auf 
240, unter Dyspnoe und Cyanose und völligem 
Collaps. Die Temp. fiel auf 95° F. (= 85° C. 
Ref.); sie hatte viermal Schüttelfrost, und der Zu¬ 
stand schien hoffnungslos. Strophantus 2 m (= 2 Gran) 
zweistündlich wurde gegeben und bewirkte be- 
merkenswerthe Besserung. Nach 3 1 / 2 Monaten ver- 
liess sie das Spital. Ausser Strophanthus wurde 
noch Arsen und Naja 6. verabreicht. — Verf. hätte 
auch, wie er eingestellt, diesen von Dr. Epps be 
obachteten und behandelten Fall für hoffnungslos 
halten müssen: bei einem Pulse von 240 und einer 
schnell auf 35° C. sinkenden Temp. — was ist da 
für Aussicht? — Noch lebt sie. 

Nun, was die Behandlung anbelangt, so wandte 
sich Verf., da er eine Anzahl solcher Fälle im 
Spital hatte, deshalb um Rath an Dr. Hughes. 
Dieser rieth Aconit, in der Urtinctur, oder Chininum 
arsenicosum an, die Verf. denn auch in manchen 
Fällen anwandte. Aconit hat sicherlich manche 
hierher gehörige Symptome; es hat selbst in den 
Klappen der Versuchsthiere Vegetationen erzeugt, 
doch scheint das Mittel nur einer einfachen Endo- 
carditis, aber nicht einer wirklich infectiösen zu 
begegnen. In einem Falle, der zur infectiösen 
Form gehört, schien es recht wirksam; der Patient 
ging geheilt aus der Anstalt; ein oder zwei Jahre 
später starb er an einem zweiten Anfall dieses 
Leidens. Post mortem zeigte sich an der Auri- ' 
cula sinistra cordis eine grosse Narbe, welche als 
das Resultat der alten, ausgeheilten Ulceration er¬ 
schien. In manchen anderen Fällen hat Aconit 
dem Verf. nichts genützt, noch weniger das Chili, 
ars. In den letzten Jahren hat man mit den Anti¬ 
toxinen viele Versuche angestellt. Das Serum vom 
Anti-Streptococcus hat wenigstens in puerperalen 
Zuständen etwas geleistet, in den meisten Fällen 
jedoch von Endocarditis ulcerativa hat es versagt. 
In dem ersten Fall, den Verf. erwähnt hat, sind 
5 oder 6 Einspritzungen mit Anti-Streptococcus- 
Serum gemacht worden; dies hat aber nicht die 
geringste Einwirkung auf die Temp. oder den 
Allgemeinzustand gehabt. — Ein anderes Mittel, 
das in Amerika sehr viel bei alten septischen Zu¬ 
ständen gebraucht worden ist, ist das Nuclein oder 
Acidum nucleinicum. Dies stellt ein Präparat aus 
sterilisirtem Hefen-Extract dar, und hat man es in 
der Absicht gegeben, um den natürlichen Wider¬ 
stand gegen die Krankheit zu verstärken, indem 
man ein keimtödtendes Element, das dem Nuclein 
der weissen Blutkörperchen entspricht, in das Blut 
einführt. Seine Kraft, Leucocytosis zu erzeugen, 


ist experimentell liacbgewiesen. Nuclein enthält 
einen hohen Procentsatz von Phosphor. 

Die anderen Mittel, zu denen Verf. sich zuletzt 
gewandt hat, gehören zu den Schlangen-Giften, 
von denen wir wohl noch das Meiste erwarten 
dürfen. In Bezug auf Lachesis in septischen Zu¬ 
ständen so kennen wir jetzt seine Anwendbarkeit 
in infieirten Fingern und Wunden, sowie in Infec- 
tionen, welche durch die Lymphgefässe fortgeleitet 
werden. Crotalus ist ebenfalls in septischen Zu¬ 
ständen gebraucht worden. 

In den beiden gebesserten Fällen waren Stro¬ 
phanthus und Naja die Mittel, welche am günstigsten 
wirkten. Der Knabe hat Naja eine Zeit lang ge¬ 
nommen und, wie es scheint, mit gutem Erfolge. — 

Nun kommen wir zu der schwierigsten Frage, 
wie können wir diesen hier besprochenen Zustand 
im frühen Stadium diagnosticiren ? Haben wir es 
| mit einer einfachen, oder einer ulcerativen Endo¬ 
carditis zu thun? Das Blut giebt in den meisten 
Fällen keine Indication. Trotz sorgfältiger Unter¬ 
suchung desselben auf Mikroorganismen sind diese 
in keinem Falle darin entdeckt worden. Selten wird 
man den Streptococcus darin finden. Wenn das 
Unheil in den Herzklappen begonnen hat, so können 
einige wenige Wochen eine grosse Zerstörung bringen. 
Und im Frühstadium ist es nicht leicht, zu sagen, 
ob der Fall wirklich zu der infectiösen Form ge¬ 
hört. — 

Die in der Versammlung der britischen ho¬ 
möopathischen Gesellschaft über diesen Vortrag ge¬ 
pflogene Discussion ergab noch manche interessante 
und belehrende Bemerkung, auf die der Vortragende 
in einem Resume folgende Antwort ertheilte. In 
Bezug auf die Dosis der Schlangengifte und den 
Weg, auf dem sie wirken, habe er an Dr. Hay- 
ward, homöopathischer Arzt in Liverpool, die grösste 
Autorität auf diesem Gebiete, geschrieben, dessen 
Fälle von bösartigem Scharlachfieber, die jener mit 
diesen Mitteln behandelt, ihn zur Anwendung dieser 
Mittel geführt habe. Erst wenn er ein Blasen¬ 
pflaster auf den Nacken legte und die Mittel in 
die Wunde brachte, wirkten sie so heilsam. Dr. Hay- 
ward ist aber der Meinung, dass sie per os ebenso 
gut wirken, als subcutan. Naja hat er in der 
6. Dil. gebraucht, Crotalus hypodermatisch, Dr. Hay- 
ward rieth ihm, dieses Mittel in der 3. Dil. mit 
einigen Tropfen Aqua destil. gemischt anzuwenden. 
Auch das Nuclein, das die Amerikaner vielfach in 
1 Tuberkulose gebrauchen, habe er in dem citirten 
Fall hypodermatisch angewendet, und die Wirkung 
war unzweifelhaft. — Die alte Lehre über infec- 
tiöse Endocarditis war, dass sich in jedem Falle 
' Eiter bilde, dem war aber nicht so. In den von 
ihm mitgeth eilten Fällen war kein Zeichen von 
I Eiter. In anderen Fällen habe er Abscesse über 


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den ganzen Körper gesehen. Sie müssen von ver¬ 
schiedenen Infectionskeimen herrühren, und dies 
war wohl der Grund, weshalb, seiner Meinung nach, 
die Anwendung von Anti-Streptococcus-Serum oft¬ 
mals resultatlos geblieben sei. M. 


Ein Falt von Myxoedem-Heilung. 

(Aus der Revue homoeopatliiquc frangaise I 
März 1899.) 

In der Soci6t6 frangaise d’homoeopathie kamen 
folgende interessante Beobachtungen zum Vor trage 
und zur Besprechung: 

Ein Fall von Myxoedem, beobachtet von Dr. Petit. 

Demselben wurde im November 1896 im hom. 
Spital Saint-Jaques, als er die Mittwocbsconsultation 
daselbst abhielt, ein Kind vorgeführt mit der 
Diagnose des Myxoedem. Diese war im Höpital 
des enfants vor 3 Jahren gemacht und der Fall für 
unheilbar erklärt worden. 

Man hatte sich damit begnügt immerzu all¬ 
gemeine Verhältnissmassregeln zu geben, der Mutter | 
aber erklärt, dass hier gar nichts zu machen sei. 

Der Knabe, 12 Jahr alt, mass kaum 88 Centi- J 
meter, konnte nicht gehen, gab auch keine Zeichen 
von Intelligenz. Der untersetzte, dicke Körper, die 
dünnen Glieder, die verdickten Gelenke, die kurzen, 
breiten, dicken Füsse und Hände, der dicke Kopf 
mit noch offenen Fontanellen, das breite Gesicht, 
der grosse Mund, die vorspringenden Augenknochen, 
das greisenhafte Aussehen, die matten Haare, die I 
glatte und weiche Haut gaben dem Kinde mehr , 
den Anstrich eines Kretin als eines Myxoedematösen. 
Bei Untersuchung des Halses waren die Lappen 
der Schilddrüse nicht aufzufinden . i 

Seine Milchzähne, mehr oder weniger cariös, 
waren nicht ausgefallen und hatte sich noch kein 
Ersatzzahn gezeigt. 

Die Sprache war eine gutturale, wenig articu- 
lirte und schwerverständlich. Vom Intellect war 
nichts zu merken; nur die Besorgniss zu fallen 
flösste ihm eine Furcht ein, die sich durch ein I 
rauhes, thränenloses Schreien äusserte. Wo man | 
ihn hinstellte, da blieb er, indem er nur einige 
Schritte machen konnte, wobei er sich auf die | 
Kiste stützte. Man gab ihm das Essen löffelweise; l 
seine Verdauung war schlecht und die Verstopfung 1 
hartnäckig. 

Dieser Knabe lebte nicht bei seinen Eltern; 
dieselben hatten ihn bei einer kinderlosen Tante 
untergebracht, die für ihn mit lobenswerther Hin¬ 
gebung sorgte. Sie gab betreffs erblicher Ver¬ 
anlagung an, ein Grossvater des Kindes habe sich i 
aufgehängt, nachdem er Zeichen einer Störung in- | 


folge von Alcoholismus gegeben hatte. — Seine 
Mutter war infolge eines schweren Typhus im Alter 
von 14 Jahren geistig beschränkt geblieben. Der 
Vater scheint im vollen Besitz seiner geistigen 
Fähigkeiten zu sein; 4 oder 5 Geschwister sind 
jung an Meningitis gestorben. 

Als das Kind zehn Monat alt war, bemerkte 
man in seiner Familie, dass es nicht wie andere 
Kinder im gleichen Alter sei; es schien auf keiner¬ 
lei Liebkosung zu achten; es lächelte niemals und 
rührte sich kaum. — Im Alter von 3 Jahren kam 
es dann zu seiner Tante, die für dasselbe wie für 
ihr eigenes Kind sorgte. 

Diese Einzelheiten konnte Dr. Petit über diesen 
Fall feststellen; ausser der Atrophie der Schilddrüse 
war keine Ursache aufzufinden. 

In Hinsicht auf letzteren Umstand rieth Dr. Petit 
der Frau, Schilddrüsenhörner vom Hammel bei 
ihrem Metzger sich zu verschaffen und dem Knaben 
täglich zwei derselben fein gehackt in kalter Fleisch¬ 
brühe zu geben. 

Nach ziemlich grossen Schwierigkeiten kam sie 
dieser Anordnung nach. Die Wirkung dieser Schild¬ 
drüsenkur trat aber vom ersten Tage so stark auf, 
dass Dr. Petit selbst darüber erschrocken war. Von 
der ersten Nacht an wurde dieses fast regungslose 
Kind plötzlich von einer ausserordentlichen Unruhe 
ergriffen, stiess Geschrei aus, warf seine Betten weg 
und liess aus dem halbgeöffneten Munde Ströme 
von Speichel fliessen. 

Sonst immer eiskalt, bekam es jetzt eine 
brennende Hitze, die Arm- und Fuss-Gelenke zeigen 
ein Erythem, wie solches ein starkes Senfbad er¬ 
zeugt. 

Eine Woche lang halten diese beunruhigenden 
Symptome an, trotzdem die Dosis herabgesetzt wurde; 
statt 2 Drüsen nahm das Kind nicht mehr als die 
Hälfte von einer. 

Nach Verlauf der ersten Woche liess der Speichel¬ 
fluss nach, die Röthe der Theile erblasste, und die 
Intelligenz des Kindes erwachte nach und nach. 
Bald konnte es sich auf den Füssen halten und 
gehen, ohne sich auf die Möbel zu stützen; seine 
Sprache wurde verständlicher, die Ersatzzähne kamen 
hervor, die Körperlänge nahm zu, das Gesicht be¬ 
kam einen Ausdruck — und heute ist er ein guter 
Schüler, der zu lesen und schreiben beginnt. 

Seit dem Monat November 1896 hat der Ge¬ 
brauch der Schilddrüse, mit Pausen von 14 Tagen, 
einem, selbst zwei Monaten im letzten Jahre, während 
seines Aufenthaltes in Dieppe stattgehabt. Und es ist 
merkwürdig, wie jedes Mal, wenn der Knabe wieder 
von der Schilddrüse einnahm, die nächtliche Auf¬ 
regung wieder eintrat, während er gleichzeitig einen 
neuen Schritt in seiner leiblichen und geistigen 
Entwickelung gemacht zu haben schien. 

18 


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138 


Jene beim Beginn der Schilddrüsenbehandlung 
beschriebenen Symptome sind in der Organotherapie 
nichts Seltenes, weshalb man sich eine strenge 
Ueberwachung derselben zum Gesetz machen soll. 
Redner sah, wie ein an morbus Addisonii Leidender 
nach dem Verbrauch von 4 Kapseln mit Neben- 
Niere vom Kalbe in vier Tagen hingerafft worden 
ist. Solche Thatsachen müssen uns warnen, nie 
aus dem Auge zu verlieren, dass wir es hier mit 
einer zweischneidigen Waffe zu thun haben. 

Zwei Photographieen von dem kleinen Patienten 
und die genauen Maasse seiner Hand vor der Be¬ 
handlung gestatten einen Schluss von dem in zwei 
Jahren und fünf Monaten erreichten Fortschritt. 
In der That hat sich die Länge der Hand ver¬ 
doppelt und die Taille misst 1 m 14 cm. — 

Zum Schluss sagt Dr. Petit, man müsse das 1 
Thyroidin, wie es in den Apotheken bereitet wird, i 
mit grosser Vorsicht anwenden; denn, wie es bis- i 
weilen ein sehr wirksames, so ist es auch ein sehr 1 
gefährliches Mittel. — 

Ein Fall von typhoidem Fieber. 

Ein 13 j. Mädchen von scrophulöser Constitution, 
ein Kind sehr elender Eltern, schlecht genährt, in 
ungesunder Wohnung, nicht menstruirt. Sie kam 
am 10. November 1898 in das Höpital Hahnemann 
mit dem Zeichen eines beginnenden typhoiden 
Fiebers. T. 39,4. Puls 120, hinfällig, schlaflos, 
Kopfweh, Schwindel, wenn sie aufrecht sitzt, 
Appetitlosigkeit, Meteorismus, Empfindlichkeit in 
der fossa iliaca dextra bei Druck. Dr. Joli, der 
dienstthuende Arzt, gab ihr Arsen. 6., 3 Tropfen 
in 125 Gramm Wasser, 3stündlich einen Löffel voll. 

Am 12. November. Der anhaltende Meteoris¬ 
mus und die Verstopfung veranlasst Dr. Simon 
Nux vom. 6. zu geben. 

14. November. Der typhöse Zustand tritt stärker f 
hervor; die Prostration nimmt zu, unruhige Träume¬ 
reien bei Nacht, bei Tage ohne Delirien, leichtes 
Zittern der Arme, wenn sie diese bewegt; Gesichts¬ 
blässe, matter Blick, hohle Wangen. Merkwürdiger 
Weise ist die Zunge normal und bleibt so bis zur 
Genesung. 

Baptisia 1. zehn Tropfen. 

Vom 15. zum 16. verordnete Dr. Simon in 
Rücksicht auf die Somnolenz, Verstopfung und 1 
Tympanitis Opium 6. und 12. Jetzt lassen sich 
Roseolaflecke sehen; Nasenbluten erschien ein Mal, 
die Zunge zitterte beim Versuche sie heraus zu 
strecken. 

18. Nov. Da die Temperatur bedeutende 
Schwankungen zeigt (Abends 40,8 u. 41, Morgens 
39,2), giebt Verf. Veratrum viride 3. 5 Tropfen. 
Der Puls blieb auf derselben Höhe, 120 Schläge. 

19. Nov. Temp. war Morgens 39,6 und Abends 
40°. P. 120. Die Roseolaflecke treten zahlreich i 


auf, so auch um den Schwertfortsatz des Brust* 
beins. Auf die Verstopfung war jetzt Diarrhöe 
gefolgt. Zeichen von Bronchitis: Husten, etwas 
erschwertes Athmen, feinblasiges Rasseln hier und 
da. Nasenbluten; der Kranke schnaubt beständig 
Blut aus. Am 20. und 21. steigt die T. auf 41° 
Abends 

21. Nov. Arsen 6.; am 23. Arsen. 3. trit. 0,10. 
Vom 22. Abends bis zum Morgen des 23. ist die T. 
heruntergegangen von 41 0 auf 86,2. Der Puls ging 
von 120 auf 108 Schläge. Die Diarrhöe hat fort¬ 
bestanden; die Gesammtheit der Symptome hat sich 
aber trotzdem gebessert. Am 25. hat Kopfweh, 
Diarrhöe und Bauchauftreibung nachgelassen. Diesen 
Tag keine Arznei. 

26*. Nov. Abend-Temperatur steigt auf 39,8 0 
und am 27. auf 40°. Der Kranke klagt über 
Schmerzen im rechten Ohr, die immer zunehmen. 
Die regio mastoidea ist etwas geschwollen und 
druckempfindlich; man fühlt einige Drüsen unter 
dem Kopfnicker, in der Nähe seiner oberen In¬ 
sertion, geschwollen. Arsen 6. am 26., Bellad. 
am 27. 

28. Nov. Da sich im Ohrenkanal ein Abscess 
zu bilden schien, ward M. sol. 6. verschrieben. 

29. Nov. Hep. sulf. 6. Der Abscess öffnet 
sich während des Tages; der Eiter ergiesst sich 
durch den äusseren Gehörgang. 

Vom 1. bis 7. December. Silicea 30. mit 
Pausen von 3., 5. und 6. Die Temperatur hat sich 
an dem ersten Tage regelmässig gesenkt; am 3. 
zeigte sie 86,8 °. Vom 3. zum 6. haben wir un¬ 
gewöhnliche Temperatursprünge gehabt: 40° und 
39° am Abend, 36,8° und 36° am Morgen. — 
Schwankungen, wie sie selten beobachtet werden. 

Die Kranke ist auf dem deutlichen Wege der Besse¬ 
rung. Am 7. hat sie einen natürlichen Stuhl und 
sie bekommt wieder Farbe im Gesicht, ihr Geist 
ist klar und der Schlaf gut. Seit einigen Tagen 
hat sich grosser Hunger eingestellt, so dass man 
sie besser ernähren kann. Der Ohrenausfluss dauert 
fort. 

Am 7. Dec. Calc. carb. 30.; am 8. und 9. 
Sacch. lact. 

Am 10. Dec. Der Ohrenschmerz wird heftiger 
als je, die Zunge roth und trocken, die regis ma¬ 
stoidea ist angeschwollen. T. steigt wieder auf 38,2 °. 

11. Dec. Wenig verändert. — Merc. sol. 6. 

12. T)ec. Die Zunge, wie auch der Appetit, 
sind wieder gut, aber die Ohrenschmerzen haben 
sich nicht verringert, trotzdem der Eiter beständig 
ausfliesst. Die T. sprang jäh auf 40° Abends. 

13. Dec. Morgens T. 37,2. Aconit Urtinctur 
10 Tropfen. Danach sinkt die T. auf 37,6 Abends. 

14. Dec. T. Abends wieder 88°; vom anderen 
Morgen aber an jähes Absinken auf 36°. — Von 


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139 


diesem Tage ab hat die T. 37 0 nicht mehr über¬ 
schritten; eine Medication war nicht mehr nöthig. 
Die Herstellung zur Gesundheit hat sich fast von 
einem Abend bis Morgen vollzogen. Der Abscess 
im äusseren Gehörgang hat allein die Genesung 
verzögert. 

Dieser Fall erschien dem Verf. mittheilenswerth, 
namentlich wegen der bedeutenden Schwankungen 
der Temperatur in allen Stadien der Krankheit, 
sowie wegen der durchweg vorhandenen Reinheit 
der Zunge. — 

So recht klar kann Ref. den Einfluss der ver- 
ordneten Mittel auf den Verlauf der Krankheit resp. 
ihrer Symptome nicht erkennen. M. 


Berlin, im April 1899. 

Homöopathischer Centralverein in Deutschland. 
Rundschreiben. 

Die diesjährige Versammlung des homöopathi¬ 
schen Centralvereins rückt mit Riesenschritten näher. 
Kaum vier Monate trennen uns noch von der 
Tagung in Elberfeld. Als klinisches Thema für 
dieselbe war 1898 in Salzburg die „Perityphlitis“ 
gewählt worden. 

Um nun dem Referat hierüber eine möglichst 
zuverlässige Grundlage zu geben, war in Salzburg 
1898 an alle Collegen der Ruf ergangen, ihre Be¬ 
obachtungen über Fälle von Perityphlitis und ver¬ 
wandten Erkrankungen zu Gunsten des Referates 
zur Verfügung zu stellen. Desgleichen erging im 
Decemberheft 1898 der Zeitschr. des Berl. Ver. 
hom. Aerzte und in der Allg. hom. Ztg. 1899 
No. 7/8 der Ruf und die dringendste Bitte an 
alle homöopathischen Collegen, durch ausfürlichere 
oder kürzere Berichte über die Erfolge oder Miss¬ 
erfolge bei der Behandlung einschlägiger Fälle 
nach Kräften zur möglichst klaren, zuverlässigen 
und umfassenden Gestaltung des Referates auf dem 
Central vereine beizutragen. 

Auf Grund dieser wiederholten Bitten und Auf¬ 
rufe sind nun im Ganzen — 2, sage zwei Zu¬ 
schriften eingegangen. — Die Zeit drängt! Soll 
aber das Referat wirklich die Quintessenz der in 
homöopathischen Arzneikreisen herrschenden An¬ 
sicht über die beste und aussichtsvollste Behand¬ 
lung obiger Krankheitsformen wiedergeben, so muss 
schleunigst Material beschafft werden. 

Es ergeht deshalb nochmals die dringendste 
Bitte an alle Collegen in Deutschland, Oesterreich 
und der Schweiz, Angaben über Behandlungsart 
und Erfolge bei einschlägigen Erkrankungen bal¬ 
digst an den Unterzeichneten gelangen zu lassen. — 

Sehr erwünscht würde die Berücksichtigung der 
in obigen beiden Zeitschriften angegebenen 11 Punkte 


sein, doch ist (wie schon dcyt hervorgehoben) auch 
jede kürzere, allerdings möglichst zuverlässige An¬ 
gabe hoch willkommen. — Allen Collegen, die sich 
durch Zusendung geeigneten Materials um das Zu¬ 
standekommen eines möglichst zuverlässigen Re¬ 
ferates verdient machen, sei im Voraus schon hier 
der beste Dank ausgesprochen. 

Gleichzeitig soll aber dieses Rundschreiben be¬ 
nutzt werden, um allen Collegen nochmals die 
thätige und rührige Mitarbeit an der grossen neuen 
deutschen Arzneimittellehre aufs Wärmste ans Herz 
zu legen. Alle Collegen und alle Vereine, soweit 
sie nicht an anderen Prüfungen theilnehmen, wer¬ 
den dringendst gebeten, durch Prüfung des Lathyrus 
sativus und durch Ausarbeitung einzelner Mittel 
zum guten Gelingen des grossen Werkes beizu¬ 
tragen. Ist es doch für uns deutsche Aerzte jetzt 
geradezu eine Ehrenpflicht, etwas Tüchtiges zu 
schaffen, da, durch unser Vorgehen angeregt, die 
englischen Collegen beschlossen haben, ein ähn¬ 
liches grosses Werk zu schaffen. 

Also nochmals die Bitte an alle Collegen: „Jeder 
stelle seinen Mann!“ 

Alle fertigen Arbeiten zur Arzneimittellehre 
bitten wir bis Mitte, spätestens Ende Mai an Dr. Gise- 
vius jun., Berlin N., Chausseestr. 118, einzusenden, 
da zur Tagung in Elberfeld der I. Band schon er¬ 
scheinen soll. Desgleichen möchten alle fertig¬ 
gestellten Prüfungsprotokolle über Lathyrus sativus 
spätestens Anfang Juni eingehen. 

Berlin SW , Gneisenaustr. 112. 

Dr. Dammholz. 


Reglement 

für den internationalen homöopathischen Congress 
im Jahre 1900. 

1. Der Congress wird in Paris in einem Saale 
eines der Gebäude der Weltausstellung zu einer 
noch zu bestimmenden Zeit und Dauer abgehalten 
werden. 

2. Bei der Eröffnung der ersten Sitzung wird 
man zur Bildung des Bureaus schreiten, und wer¬ 
den die Mitglieder desselben in geheimer Abstim¬ 
mung nach absoluter Stimmenmehrheit gewählt. Es 
wird bestehen aus einem Präsidenten, zwei Vice- 
präsidenten, einem bleibenden Secretär, einem allge¬ 
meinen Secretär, zwei Secretär-Gebilfen und einem 
Schatzmeister. 

Der bleibende Secretär ist der Wahl nicht unter¬ 
worfen. 

Die Versammlung kann aus der Zahl der frem¬ 
den Mitglieder oder Anderer, denen sie eine Ehre 
erweisen will, Ehren-Präsidenten ernennen. 

3. Der Congress ist zulässig für alle diejenigen, 

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140 


welche in ihrem Lande die Medicin auszuüben ge¬ 
setzlich berechtigt sinä. 

Die mit keinem legalen Titel Versehenen sind 
als Zuhörer zulässig; sie können den Sitzungen bei¬ 
wohnen, können aber an den Debatten und Be¬ 
schlüssen nicht Theil nehmen. 

4. Das Organisations-Comite wird sich mit den 
fremden Aerzten in Verbindung setzen, um zu er¬ 
langen : 

a) Einen Special bericht für jedes Land, betreffs 
der die Homöopathie betreffenden Thatsachen, die 
in ihrem Lande seit der Veröffentlichung des letzten 
fünfjährigen Berichts zu verzeichnen sind; 

b) Arbeiten aus den verschiedenen Zweigen der 
homöopathischen Theorie und Praxis, Arbeiten, 
welche in der Sitzung besprochen und in der Zu¬ 
sammenstellung der Verhandlungen veröffentlicht 
werden sollen. 

5. Alle Arbeiten müssen in den Händen des 
Organisations-Comitös bis zum 1. Januar 1900 sein. 

6. Die vom Organisations-Comite anerkannten 
Arbeiten werden im Voraus gedruckt und an die 
Congressmitglieder, die sie wünschen, vertheilt, an¬ 
statt in einer Sitzung vorgelesen. 

7. Für die Discussion werden die Arbeiten, je 
nach den behandelten Gegenständen, in folgende 
Gruppen zusammengestellt: 

a) Allgemeine Medicin: Physiologie, allgemeine 
Pathologie, Bakteriologie, Aetiologie, Diagnostik 
und Prognostik; 

b) Materia medica und Pharmacie; 

c) Allgemeine Therapie: Posologie, Polyphar- 
macie, Isopathie, Serotherapie, Organotherapie, 
Elektrotherapie, Hygiene; 

d) Angewandte Therapie: Monographieen und 
Beobachtungen; 

e) Specialfächer: Geburtshilfe und Gynäkologie, 
Pädiatrie, Dermatologie, Ophthalmologie, Otologie, 
Laryngologie, Chirurgie, Odontologie, Thierheil¬ 
kunde; 

fj Verschiedenes: Geschichte der Homöopathie, 
Berufsangelegenheiten (Unterricht, Propaganda, 
Presse, Hospitäler, Polikliniken). 

8. Es werden mehrere Mitglieder des Congresses 
vorher bestimmt werden, um von den Arbeiten aus 
den bezeichneten Gruppen Kenntniss zu nehmen 
und einen Gesammtbericht darüber vorzubereiten. 
Zum Vortrage eines jeden Berichts sind zehn Minuten 
vorgesehen, worauf sofort die Discussion darüber 
beginnt; jeder Eedner soll dann das Wort auf fünf 
Minuten haben. 

9. Der Vorsitzende soll das Recht haben, nach¬ 
dem er das Bureau darüber befragt, den Schluss 
der Debatte auszusprechen, wenn er sieht, dass 
eine Frage Anlass zu einer Debatte von solcher 


Länge giebt, dass sie die Discussion anderer wich¬ 
tiger Gegenstände abzuschneiden droht. 

10. Die Verfasser der Arbeiten werden, falls 
sie gegenwärtig sind, das Recht haben, vor Schluss 
der Debatte das letzte Wort zu sagen; hierzu wer¬ 
den ihnen zehn Minuten gestattet. 

11. Die französische Sprache ist beim Congress 
die officielle, ausgenommen in den Discussionen, 
wo man sich des Englischen, Deutschen, Italienischen 
oder Spanischen bedienen kann, unter der Be¬ 
dingung jedoch, dass man sich vorher eines Dol¬ 
metschers unter den anwesenden Mitgliedern ver¬ 
sichert hat. 

12. In seiner letzten Sitzuug wird der Congress 
über Ort und Zeit des nächsten fünfjährigen Con¬ 
gresses bestimmen. 

13. Die wirklichen Mitglieder haben einen Bei¬ 
trag von 20 Frcs. zu leisten; der für die nach 
Artikel 3 dieses Reglements als Zuhörer Bezeich¬ 
neten ist auf 10 Frcs. festgesetzt. Dieser Beitrag 
ist bestimmt, die Kosten für die Correspondenz, 
den Druck der eingereichten Schriften etc. zu 
decken und giebt den Subscribenten beider Kate- 
gorieeu das Recht auf ein Exemplar des vom Con¬ 
gress herausgegebenen Berichts. 

14. Die homöopathischen Aerzte Frankreichs 

geben ihren ausländischen Collegen ein Gastmahl, 
wofür Ort und Zeit noch festgestellt werden wird. 
Durch eine Subscription unter den französischen 
Anhängern der Homöopathie werden die Kosten 
bestritten werden. X. 

Gelbsehen (Xanthopie) nach Kohlenoxyd- 
Vergiftung. 

Dr. R. Hilbert-Sensburg berichtete in den Memora- 
bilia von Betz, 140 Jahrg., p. 73, über einen Fall 
von Kohlenoxyd-Vergiftung bei einem kräftigen 
jungen Manne, die 6ich durch ein bis dahin bei 
dieser Intoxication beobachtetes Endsymptom aus¬ 
zeichnet. Der junge Mann lag exphyktisch da; 
Gesicht blass, Puls gespannt, 140 in der Minute. 
Pupillen eng, reagiren nicht auf Lichtreiz. Respi¬ 
ration oberflächlich, oft von Schluckbewegungen 
unterbrochen. Hauttemperatur nicht erhöht. An¬ 
rufen und Schütteln rufen keine Reaction hervor. 

Lüftung des Zimmers, künstliche Einathmung. 
Einige Injectionen von Aether und Secale cornu- 
tum wirkungslos. Reizung der Brust durch Senf¬ 
papiere und der Nervi phoenici mit starken Induc- 
tionsströmungen bewirken nach ca. einer Stunde 
Tieferwerden der Respiration und endlich auch 
spontane Muskelbewegungeu. Nach einer weiteren 
halben Stunde kehrt das Bewusstsein zurück. Pat. 
ist gerettet. 


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141 


Es blieb noch geraume Zeit Kopfschmerz und 
Schwerbesinnlichkeit, und ein interessantes Symp¬ 
tom. Alle Gegenstünde, die er betrachtete, erschie¬ 
nen ihm glänzend schwefelgelb , namentlich helle, wie 
Papier, Wolken u. dergl., aber auch dunkle und 
anders gefärbte Dinge. Dabei ergiebt die Unter¬ 
suchung der Augen sonst nichts Abnormes, nur 
dass die Sehschärfe herabgesetzt ist. — Das Gelb¬ 
sehen findet auf beiden Augen statt und erleidet 
durch Schluss des einen oder anderen keine Ver¬ 
änderung. 

Dies Phänomen dauerte bis zum Abend und, 
als er nach einer guten Nacht am nächsten Morgen 
ganz gesund erwachte, war auch das Gelbsehen 
weg. 

Das hier beobachtete Gelbsehen, das mindestens 
8—10 Stunden gedauert und mit der völligen Ent¬ 
giftung des Organismus ihr Ende erreicht hatte, 
ist unzweifelhaft auf Rechnung des Kohlenoxyd¬ 
gases zu schreiben, da Pat. früher niemals daran 
gelitten hat. Das Gift mag direct oder indirect 
durch das veränderte Blut auf das Nervencentrum 
gewirkt haben. 

Eine Färbung der Häute des Auges oder der 
brechenden Medien war nicht vorhanden. 

Dies Gelbsehen ist mithin unter die durch In- 
toxicationen hervorgerufene Chromatopie zu zählen; 
so hat man beobachtet Rotlisehen nach Vergiftung 
mit Bilsenh autsarnen und Duboisin, Gelb- oder 
Grünsehen nach Santonin, Gelbsehen nach Pikrin¬ 
säure, nach äusserlichem Gebrauch von Chromsäure, 
Violettsehen nach Pilzvergiftung. 

Die homöopathischen Prüfungen ergaben eine 
Reihe von Farbenerscheinungen auf Mittel, deren 
Dosis wohl kaum je bis zur Vergiftung stark ge¬ 
griffen war. So hatten Prüfer Blausehen von 
Strontian, Gelbsehen von Cantharis und Digitalis, 
Grünsehen von Digit., Sepia, Strontian. 

Rotlisehen von Bell., Con., Crocus, Hyoscyamus, 
Sarsap., Stront.; ein Sehen vielfacher, bunter Farben 
fand statt bei: Cic., Digit., Kali c., Nitr., Strontian. 

M. 

Dr. K. Friedrich Walz, russ. Staatsrath, f. 

Noch haben wir der Pflicht nachzukommen, 
dem Collegen Dr. Walz, einem tüchtigen Veteranen, 
der im Februar d. J. heimgegangen ist, einige 
Worte des Nachrufs zu widmen. 

Seiner Heimath nach war er ein Süddeutscher; 
er ist nämlich am 12. October 1820 in Karlsruhe 
in Baden geboren, wo sein Vater die Stellung eines 
Ministerialraths bekleidete. Hier besuchte er das 
Lyceum, machte 1839 seine Maturitätsprüfung, und 
ging dann zum Studium der Medicin zuerst nach 
Bonn und sodann nach Würzburg. Ganz besonders 


zog ihn die Gynäkologie an, weshalb er an letzterer 
Universität einen besonderen Curs in diesem Fache 
unter dem ausgezeichneten Professor Doutrepont 
durchmachte. Wieder nach Bonn sich wendend, 
ward er hierselbst Assistent an der inneren Klinik 
und machte dann, in allen Disciplinen wohl vor¬ 
bereitet, sein Staatsexamen 1843 in Berlin und er¬ 
warb sich mit einer Dissertation De placentae retar- 
datione et metrorrhagia die Doctorwürde. — Die 
Gynäkologie hielt ihn fest, und so nahm er gern 
die zweite Assistenzarztstelle an der geburtshilf¬ 
lichen Berliner Klinik unter dem Geheimrath Prof. 
Busch an, während der nachmals als Professor der 
Geburtshilfe in Leipzig berühmt gewordene Dr. Cr4dö 
als erster Assistenzarzt fungirte und auch als Docent 
an der Universität thätig war. Hier in der Klinik 
wie auch in der städtischen Praxis fand Walz nun 
reiche Gelegenheit, sein Wissen und Können in 
der geburtshilflichen Kunst nach allen Seiten zu 
erweitern. Diese sollte ihm dann auch zu einer 
extraordinären ärztlichen Stellung, freilich ausser¬ 
halb Deutschlands, den Boden bereiten. 

Als sich nämlich der russische Reichskanzler 
Fürst Bariatinsky wegen eines dirigirenden Arztes 
an einem in St. Petersburg zu eröffnenden Hospital 
für Frauenkrankheiten an Prof. Busch wandte, 
schlug letzterer den Dr. Walz als die hierzu ge¬ 
eignete Persönlichkeit vor. So kam College Walz 
nach Petersburg an dieses unter der Protection der 
Kaiserin stehende Krankenhaus und hat diese ehren¬ 
volle Stellung 22 Jahre lang bekleidet. — Er hat 
sich in diesen Jahren einer glänzenden Praxis in 
den hohen und höchsten Kreisen der russischen 
Hauptstadt zu erfreuen gehabt. Seine Erfolge wurden 
auch höchsten Ortes durch Titel und Orden Seitens 
Russlands und auch Preussens anerkannt. So er¬ 
hielt er den Titel als kaiserlich russischer Staats¬ 
rath und den rothen Adler- und Kronenorden. 

Hier kam er nun mit dem tüchtigen Vertreter 
der Homöopathie, Dr. von Villers, dessen Erfolge 
zumal in Behandlung der Diphtherie so eclatant 
waren, in dauernde, freundschaftliche Beziehungen 
und wurde durch diesen zum Studium unserer Heil¬ 
methode angeregt. Mit der Zeit wurde Dr. Walz 
ein tüchtiger Kenner derselben und hat sich dann 
nicht gescheut, sie auch offen vor der medicinischen 
Welt zu bekennen. 

Bis zum Jahre 1867 blieb er in Russland, dann 
aber sah er sich genöthigt, wegen Kränklichkeit 
seiner Gemahlin, einer geh. Baronin von Maltzahn, 
welcher das nordische Klima übel bekam, seine 
Stellung und Praxis in Petersburg aufzugeben um 
nach Deutschland zurückzukehren. Hier fand er 
im Kriegsjahre 1870/71 Gelegenheit, als dirigi- 
render Oberarzt des Reservelazareths in Wetzlar 
seinem Vaterlande zu dienen. — Schliesslich Hess 


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142 


er sich als homöopathischer Arzt in Frankfurt a. 0. 
nieder, im Jahre 1874, nachdem Dr. Sommer, der 
dort eine bedeutende Klientel für die Homöopa¬ 
thie gewonnen hatte, verstorben war. 

Hier hat er nun den Rest seines so thätigen 
Lebens, 25 Jahre, als vielgesuchter homöopathischer 
Arzt in reichgesegneter Wirksamkeit verlebt. Am 
23. October 1898 ward ihm das seltene Glück des 
50jährigen Doctorjubiläums zu Theil, wobei ihm 
Prof, von Bergmann als Decan der medicinischen 
Facultät der Universität Berlin die herzlichsten 
Glückwünsche und das honoris causa erneuerte 
Doctordiplom übersandte. Von verschiedenen ho¬ 
möopathischen Vereinen, so auch vom Central verein 
der homöopathischen Aerzte Deutschlands, wurde 
er durch Ehrendiplome ausgezeichnet. Und gerade 
letztere Auszeichnungen hat er in der That voll¬ 
auf verdient, da er sich nicht in vornehmer Zurück¬ 
haltung unserer, vielfach angegriffenen und gefähr¬ 
deten Sache gegenüber verhielt, sondern mannhaft 
und energisch für sie eintrat. Als Mitglied des 
Centralvereins erfüllte er seine Pflicht durch regel¬ 
mässiges Erscheinen auf den Jahresversammlungen, 
rege Theilnahme an den Verhandlungen und opfer¬ 
freudige Geldbeiträge, wo es noth that. Mit Schmerz 
erfüllte es deshalb den Schreiber dieses, als er in 
den letzten Jahren das freundliche, joviale Gesicht 
des alt und kränklich gewordenen Collegen Walz 
auf den Congressen nicht mehr erblickte. 

Hervorhehen wollen wir noch, mit welch regem, 
unermüdlichem Eifer er die in Folge der Kuh¬ 
pocken - Impfung auftretenden Schädigungen, wie 
Hautausschläge, zumal syphilitischer Natur, klar¬ 
zulegen und durch objective, getreue Beobachtung 
den Thathestand festzustellen bemüht gewesen ist 
und zur Erreichung dieses Zweckes selbst grössere 
Reisen nicht gescheut hat. — 

Nun ist er nach wohlverbrachtem, segensvollem 
Tagewerk, im 79. Lebensjahre, am 2. Februar d. J. 
zur ewigen Ruhe eingegangen, ein ehrenvolles An¬ 
gedenken bei den seiner ärztlichen Obhut anver¬ 
trauten Familien und in den Reihen der homöo¬ 
pathischen Berufsgenossen hinterlassend. R I. P.! 

Dr. Mossa. 


Vom BUchertische. 

Dr. Schöppel’s Tafeln über die an den Universi¬ 
täten Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz 
geltenden Gesetze und Verordnungen. Tafel I: 
Die an den deutschen Universitäten geltenden 
Aufnahmebestimmungen. Graz 1898. Preis 8 Mk. 
Männliche und weibliche Candidaten des Uni¬ 
versitäts-Publikums, besonders solche, denen das in 
Oesterreich obligate Gymnasial-Studium fehlt, finden 
in dieser Tabelle I alle nöthigen Aufklärungen über 
die Dispensationen vom Vorstudium, welche an den 


deutschen Universitäten Oesterreichs, Deutschlands 
und der Schweiz zulässig sind, in klarer Ueber- 
sicht geordnet. Dr. Mossa. 


LesefrUchte. 

Ein frühes pathognomonisches Symptom für 
Masern 1896 machte Koplik (New-York) bekannt, 
dass er bei den Morbillis ein auf der Wangen¬ 
schleimhaut localisirtes Exanthem beobachtet habe, 
das mit Beginn der Prodromi einsetzt, also zu einer 
Zeit, wo die Diagnose meist noch unsicher und 
das daher für Masern pathognomisch sein soll. — 
Stabsarzt Dr. Slawyk hat nun in der Berliner Charitö- 
Klinik diese Koplik’sehen Flecke im Winter 1897 
näher studirt. Von 32 in der Klinik selbst auf¬ 
tretenden Fällen zeigten sie sich 81 Mal und von 
52 eingelieferten von Morbillis bei 45. — Es sind 
bläulich-weisse, leicht erhabene, 0,2 bis 0,6 im Durch¬ 
messer haltende, rundliche Efjiorescenzen, welche sich 
meist im Centrum von Unsengrossen, gerötheten Schleim- 
hautstellen befinden . Ihr Sitz ist die Wangenschleim¬ 
haut (meist den unteren Backenzähnen gegenüber); 
selten anderswo (einige Male Lippenschleimhaut, 
1 Mal Zunge); ihre Zahl je 6—80 auf jeder Seite 
(vereinzelt aber auch Hunderte); bisweilen kommt 
der Ausschlag nur einseitig vor, fast ein Zusammen- 
fliessen der Flecke. Durch Tupfen sind sie nicht 
zu entfernen, wohl aber mit der Piucette, ohne 
Schmerz und Blutung. — Sie kommen bestimmt 
nur bei Masern vor, also ein sicheres diagnostisches 
Zeichen! Sie erscheinen gewöhnlich am ersten oder 
zweiten Tage der Prodromi, nehmen oft bis zum 
Auftreten des Hautexanthems an Zahl zu, bleiben 
3—4 Tage stehen, um dann zu verschwinden, 
(durchschnittliche Dauer 6 — 7 Tage), gewöhnlich 
wenn das Exanthem zu verblassen beginnt. Sie 
machen weder Belästigung, noch Geschwürsbildung. 

(Deutsche Medic. Wochenschrift. 1898. 17.) 


Hahnemann-Grab-Denkmal in Paris. 

Aufruf aus No. 11/12, 136. Bd. etc. 

5. Quittung. 

Von Herrn Dr. med. Endriss, Göppingen 


Mark 

5.- 


Mk. 


Betrag der 1. Quittung . 

n n 2. » 

n » 3 . « 


5.— 

350.— 

20 .— 

301.45 

181.— 


Mk. 807.45 

Weitere Beiträge nimmt gern entgegen und 
befördert weiter 

Leipzig, 11. April 1899. 

William Steinmetz. 


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143 


Bitte an die Collegen! 

(aus No. 7/8 des 188. Bandes vom 16 /4. 1899) 

bezüglich eines in Noth gerathenen älteren Arztes 
in den Reichslanden. 

1. Quittung. Mark 

Von Herrn Dr. med. Mossa, Stuttgart . . 5.— 

„ „ San.-Rath Dr. med. Ide, Stettin . 10.— 

„ „ » „ w Elb, Dresden 15.— 

„ „ Dr. med. Endriss, Göppingen 4.— 

n n n n Veith, Breslau . . . 10.— 

n n n n Schlegel, Tübingen . 4.— 

n n n n Göhrum, Stuttgart . . 5.— 

„ „ Wilh.Weymar, Mühlhausen i. Th. 80.05 

Mk. 83.05 

Besten Dank für diese Gaben mit der herz¬ 
lichen Bitte um weitere Zuwendung, da Bedürftig¬ 
keit und Würdigkeit in gleicher Weise vorliegen. 

Leipzig, den 11. April 1899. 

Hochachtungsvoll 

William Steinmetz. 


Herzliche Bitte für eine Arzt-Wittwe. 

No. 13/14 und 15/16, 137. Bd. 

4. und Schluss-Quittung über eingegangene Beiträge. 

Mark 

Von Herrn Dr. med. Schlegel, Tübingen . 5.— 

„ „ Dr. med. Cramer, Karlsruhe 

(Baden).5.— 

Mk. 10.— 

Betrag der 1. Quittung. 97.10 

n »2. n . . 25.60 

n »3. „ . n 30.05 

Mk. 162.75 

Mit nochmaligem herzlichen Danke im Namen 
der bedrängten Wittwe für alle freundlichen Gaben 
schliesse ich diese Sammlung, falls nicht unerwartet 
noch der Eine oder der Andere sich zu einer Bei¬ 
hilfe entschliessen sollte, die ich natürlich gern an¬ 
nehme und weiterbefördere. 

Leipzig, den 18. April 1899. 

Hochachtungsvoll 

William Steinmetz.. 


Anzeigen. 


Med. Dr. Theodor Kafka in Karlsbad, 

früher im Hause „Annaberg“, Marktplatz, wohnt und 
ordinirt jetzt im Hause „zum Amerikaner“, Sprudelgasse. 

Kurpension des Homöopathen 
Dr. von Hartungen 

Riva a. Gardasee, Tirol. 

Auf Reisen und zur Dispensation sehr practisch. 
Homöopathische Mittel 

in Tablettenform, & 0,25 Gramm Gewicht. 

(Das richtige Quantum für eine einzelne Arzneigabe.) 


1 

Cy linder ä 12 Stück 

= 3 Gramm . . . 

Mk. —.20 

1 

(Flacon od. 1 94 . 

(Schachtel a ” 

>» 

= 6 

99 • • • 

„ -.30 

1 

„ k 30 

jj 

- 7,5 

II • • 

„ -.35 

1 

„ ä 40 


= 10 

II . • • 

„ —.45 

1 

„ ä 50 

>> 

= 12,5 

II • • • 

„ —.55 

1 

„ k 60 

11 

= 15 


„ —.65 

1 

„ ä 80 

»♦ 

= 20 

99 • • • 

„ —.75 

1 

„ k 100 

»» 

= 25 

II • • . 

„ —.90 

1 

„ ä 120 


= 30 

II ... 

„ 1.10 

1 

„ ä 150 

jj 

= 37,5 

II • . • 

„ 1.35 

1 

„ ä 200 


= 50 

II • • • 

„ 1.80 

1 

„ k 400 

>> 

= 100 

99 • • • 

3.50 


A. Marggrafs komöopath. Officin, 

Leipzig. 


Mars’sches Krebsmittel 

gans frisch« 

Von Herrn Missionar Mars ist wiederum am 13. Februar 
1899 ein grösseres Quantum seines Krebsmittels eingetroffen. 
Ich stehe somit wieder gern mit diesem Mittel zu Diensten 
und kann es nun erfreulicher Weise auch billiger abgeben, 
und zwar 1 Portion: 10,0 mit Gebrauchsanweisung: 1,50 Mk. 
(früher 2 Mk). 

A. Marggrafs Homöopath. Officin, Leipzig. 


BAD UPPSPRINGE 

Eisenbahn-Station Paderborn. 
Arminias-Quelle, stickstoffreiche Kalktherme. 
Erfolgreiches I nnnßlinhthkß besonders im 
Heilmittel gegen kUliyoll|JIIIIIU>v er8 ten Stadium. 

Asthma and Katarrhe der Respirations-Organe. 

Saison: Rai bis September. 
Pensions-Hotel; IfurliQIIC staubfrei inmitten 
neu renovirt. IVUI ■■«WO. des Parks gelegen. 
Auskunft durch die Brnnnen-Administration. 


Kaisepbad I A 1 t r enommirte Kaltwasserheilanstalt 

--* für das gesammteNatn rhcllvorfnlireii. 

Grosser Park. 


Bahnlinie München- 
Kufstein, -Salzburg. 

Licht-, Luft-, Sonnenbäder Soole- 


RosenlteimJ 


Herrliche Go- 
__birgslandschaft 
Moor-, Kräuter-, Sand- und kohlen- 


i-.ionc-, IjUi i-, sonnennaaer öoole-, Moor-, Krauter-, band- und kohlen- 
saure Bäder etc. etc. Stahlquelle. Streng individualisirende Behandlung. 
Civile Preise. Prospekt gratis und franco durch die Badeverwaltung 
Der dirigirende Arzt Dr. M. Ziinmormann (früher Bad Thalkirchen). 


Tencrinm Scorodonia. 

Im 131. Bande dieser Zeitung, in No. 25/26, vom 
19. December 1895, Seite 199 berichtete Herr Dr. Goullon 
aus belgisohen Journalen über wunderbare Heilungen 
von Brustkranken (Lungenspitzen - Cavernen, Schwind¬ 
sucht, Beseitigung tuberculoser Testikel) mit diesem 
Mittel. Von allen Seiten wurde es darauf verlangt, 
aber leider war es weder in Deutschland, noch Belgien, 
noch sonstwo trotz aller Bemühungen aufzutreiben. 
Endlich habe ich vorigen Sommer diese Pflanze in 
schönster Qualität durch die liebenswürdige Vermitte¬ 
lung des Herrn Dr. med. Schlegel in Tübingen be¬ 
kommen und stehe mit der Tinctur und Potenzen gern 
zu Diensten. 

Leipzig. A. Marggrafs komöopath. Officin. 


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Die Revisionen der ärztlichen Hausapotheken betreffend, 

Auf häufig vorkorameude Anfragen theile ich hierdurch mit, dass die Herren Revisoren bei selbstdispensirenden 
homöopathischen Aerzten bisher Folgendes verlangt haben: 

1. Den Approbationsschein. Alle Nicht-Separanda und die weiteren Potenzen 

2. ’ Das Zeugnis» über des in Berlin bestandene der Venena und Separanda von D. 4 (inclusive) 

Dispensirexamen« aufwärts müssen ausserhalb der Gift- und Separanda- 

3. Die Genehmigung zum Halten einer homoopa- schränke in einem dritten Schranke aufbewahrt werden 

thisohen Hausapotheke. (Diese wird von dem Re- und „sch warz auf weiss“ signirt sein.— Manche Revi- 

gierungspräsidenten auf Antrag nach Prüfung der Yer- soren gehen soweit, für die äusserlichen Mittel Signa- 

hältnisse widerruflich ertheilt.) turen ,,weiss auf roth“ zu verlangen, eine derartige 

4. Eine Sammlung aller das Selbstdispenslren der Reichsverordnung ist mir jedoch nicht bekannt und bin 

homöopathischen Aerzte Deutschlands betreffen* ich der Ansicht, dass man sich diesem Wunsche nicht zu 

den Gesetze (z. B. Lorbacher’s Anleitung und die fügen hat. Sind die äusserlichen Mittel sonst richtig 

neueren Vorschriften, publicirt in Nr. 5/6 der Allg. signirt— „schwarz auf weiss“ oder „roth auf weiss“, je 

homöopath.Ztg., 128.Bd., oder die neuesten Apotheker- nachdem sie Nichtseparanda oder Separanda sind — und 

gesetze von Medicinalassessor Feldbaus, Münster i. W.) in sechseckigen Gläsern, so sind sie vorschriftsmässig 

5. Ein Journal über die abgegebenen Arzneien (Men- eingereiht. 

gen, Inhalt und Taxpreise derselben) mit Namen der Die nöthigen Etiketten sind laut früheren Offerten 

Patienten, Datum etc. alle hier zu haben.] 

(Alle Mittel müssen jetzt bei Abgabe an die Patien- f) Die nöthigen Waagen, Gewichte, Mörser und Löffel für die 
ten mit einer Signatur versehen sein, die ausser dem Gifte und Nicht-Gifte; erstere mit entsprechender Sig- 

Namen des dispensirenden Arztes auch den Namen nirung, analog den Vorschriften, die unter e) genannt sind, 

des Patienten, Datum, Buchnummer und Anwendungs- In manchen Regierungsbezirken verlangt man nur: 

weise des Arzneimittels trägt; solche Etiketten liefere 1 Mörser, 1 Waage, 1 Löffel, je mit „Gift“ signirt. 
ich sehr gern und stehe mit Proben zu Diensten.) In anderen für jede Giftsorte, wie Arsenicalia, Alcaloide, 

6 . Eine homöopathische Pharmakopoe. (Es ist nicht Mercurialia und Phosphorus, je 1 Waage, 1 Mörser und 
gesagt, welche, und nimmt man am besten die von 1 Löffel, separat und besonders signirt. 

Dr. Schwabe, da in den Apotheken Nord- und Mittel- (Alles ist auf Lager und wird auf Wunsch geliefert.) 

Deutschlands allgemein nach dieser gearbeitet wird.) g) Manchmal wird auch eine Tarirwaage verlangt, die von 

7. Revision »massige Einrichtung der Hausapotheke. Aerzten fast nie gebraucht wird und sehr theuer ist (Unter 

Dazu gehört: 50—60 Mark sind sie nicht zu haben; ich habe daher 

a) Ein separates Zimmer. solche in einfachster Ausführung, auf einfachem Brette, 

b) 1 Schrank für die Venena, Tab. B. \ laut für Revisionszwecke genügend, hersteilen lassen, die ich 

(Giftschrank) I meinen zum Preise von 24 Mark offeriren kann) 

c) 1 „ „ „ Separanda, Tab. C.| früheren h) Ein Arbeitstisch und die sonstigen Utensilien zur Bereitung 

(Separandaschrank)] Offerten. von Potenzen, Verreibungen etc. und zur Abgabe der 

d) 1 „ „ ,, Nicht-Separanda Arzneien, als: präcisirteWaagen, Gewichte, Mörser,Löffel, 

e) Alle in Lorbacher’s Anleitung angegebenen 52 Mittel Trichter, Mensurirgläschen, Fläschchen, Schachteln, Korke, 

inD. l.bez.C 1.flüssigen Potenzen oderVerreibungen Beutel etc. etc. 

(in einfach. Gläsern mit Korkstöpseln oder in solchen i) In einigen Regierungsbezirken wünschen die Herren Revi- 
mit Glasstöpseln, — Quantitäten ä 15,0 genügen). soren von allen in den ärztlichen Hausapotheken vor- 

[Alle Venen* — Tab. B. — Urstoffe, Ur- handenen Mitteln die 1. Potenzen vorräthig zu sehen, 

tincturen und ihre D. 1., D. 2. und D. 3. Potenzen während meistens nur die unter e) angeführten 52 Mittel 

müssen im Giftschranke aufbewahrt werden und in solchen verlangt werden. 

„weiss auf schwarz“ signirt sein. ’ k) Ganz peinliche Revisoren verlangen sogar auch ein Waaren* 

Alle Separanda — Tab. C. — Urstoffe, Eingangsjournal mit Angabe der Bezugsquellen und Auf- 

Urtincturen und ihre D. 1., D. 2. und D. 3. fülirung jedes einzelnen bezogenen Mittels, wozu ich als 

flüssigen Potenzen oder Verreibungen müssen im Belege ganz specificirte Rechnungen liefern muss, auf 

Separaudaschranke aufbewahrt werden und „roth denen jedes Mittel mit Namen, Gewicht, Potenz und 

auf weiss“ signirt sein. Preis einzeln aufgeführt ist. 

Alles hier Aufgeführte liefere ich nach früheren Offerten, mit denen ich erneut gerne zu Diensten stehe, bestend 
und billigst. 

Alle Herren Aerzte ersuche ich um gef. Benachrichtigung, falls nach ihren bei Revisionen gemachten Erfahrungen 
obige Angaben nicht vollständig oder falls abweichende Anforderungen gestellt worden sind, damit man in die Lage 
kommt, in dieser Angelegenheit ganz exaete Angaben machen zu können, was bisher bei der verschiedenen Handhabung 
in den einzelnen Regierungsbezirken nicht möglich war. 

Hierzu noch folgende ergänzende Mittheilungen: 

Zu No. 8 . Wer das Dispensir-Examen bestanden hat, muss durch seinen zuständigen Kreis-Physicus das vom 
Minister ausgefertigte Berechtigungs-Attest der betr. Regierung einsenden Es bedarf zur Ausübung der homöo¬ 
pathischen Praxis mit Selbstdispensation ebenso wenig einer Genehmigung Seitens der Regierung, wie zur ärztlichen 
Praxis überhaupt. Auf die Nachsuchuug einer solchen Genehmigung darf sich kein homöopathischer Arzt einlassen. 

Zu No. 5. Angabe der Buchnummer ist nicht überall erforderlich, die Signaturen müssen aber besagen: 

Zeit und Gabe, wie die Arzneien zu nehmen, — in Buchstaben —, bei flüssigen Mitteln zum innerlichen Gebrauch 
die Etiquetten auf weissein Grunde (in runden Gläsern); zum äusserlichen Gebrauch die Etiquetten auf rotkent 
Grunde (in 6 eckigen Gläsern). 

Zu No« 7. Alle Venena (Tab. B) in Urstoffen und Ur tincturen zu halten, ist von der Regierung in Minden ver¬ 
boten und der Minister hat dieses Verbot bestätigt. — AlleMedicamente sollen in 1. Verdünnung (Potenz) vorhanden sein. 

A. Marggraf’s homöopathische Offlein, Leipzig. 

Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Offioin) in Leipzig. 

Druck von Julius Mäser in Leipzig. 



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Band 138 


Leipzig, den 11. Mai 1899. 


No. 19 u. 20. 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG. 


Heraasgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 


Geschäftsstelle und Terlag von William Steinmetz (A. MarggraPs homöopath. Offlein) ln Leipzig 

Thomaskirchhof 12. 


Erscheint Htägig zu 2 Bogen. 13 Doppelnummem bilden einen Band. Preis JOM. 50 Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs -Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. MarggraPs homöopath. Offloin in Leipzig) zn richten 
sind, werden mit 20 Pf, pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 5— 8 M. berechnet. 


Inhalt. Einladung zur FrQhjahrsversammlung des Sächsisch*Anhaitinischen Vereins homöopathischer Aerzte 
am 14. Mai in Halle. — Die Grundgesetze der arzneilichen Organtherapie und ihre Bedeutung für die Praxis. Vor¬ 
trag, gehalten in der Sitzung des Greifswakler medicinischen Vereins am 11. März 1899. Von Prof. Hugo Schulz, 
Greifswald. — Die physiologische Wirkung der Chinarinde und der Chininsalbe. Bearbeitet für die neue deutsche 
Arzneimittellehre von Dr. Schier, Mainz. — Berliner homöopathisches Allerlei. Von Dr. Gisevius jun. — Nausea et 
vomitus gravidarum. Vortrag von Dr. Franz Elliot-Kansas in der Missouri Valley Medical Association. — Vom 

Büchertische. — Lesefrüchte. — Anzeigen. 


flW Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Sächsisch-Anhaltinischer Verein homöopathischer Aerzte. 

Unsere diesjährige Frühjahrsversammlung wird am 14. Mai in Halle abgehalten werden. 
Versammlung Mittag 1 Uhr im Grand Hotel Bode. Die theilnehmenden Mitglieder werden 
gebeten, ihr Kommen und die Zahl der Couverts zum üblichen Diner an Dr. Dankert-Halle anzu¬ 
zeigen. 

Der Schriftführer: Der Vorsitzende: 

Dr. Alexander Villers. Geh. San.-Rath Dr. Faulwasser. 


Die Grundgesetze der arzneilichen 
Organtherapie und ihre Bedeutung für die 
Praxis.*) 

Vortrag, gehalten in der Sitzung des Greifswalder 
medicinischen Vereins am 11. März 1899. 

Von Professor Dr. Hugo Schulz, Greifswald. 

M. H.l Unter den vielen Methoden, deren die 
interne Therapie zur Erreichung ihrer Zwecke sich 
bedient, steht, was Ausdehnung und Verschiedenheit 
der Anwendungsformen ihres Materials anlangt, die 
arzneiliche Therapie zweifellos obenan. Mit einem 
Gefühle inneren Grauens sieht der augehende 


*) Sonderabdruck aus der „Deutschen Medicinischen 
Wochenschrift“ 1899, No. 14. 


Jünger des Aeskulap die unendliche Menge von 
Mitteln und Recepten in dem neuesten Compila- 
torium zusammengestellt, das er sich zur Vervoll¬ 
ständigung seiner Bibliothek erstanden hat. Nach 
einigen verzweifelten Anläufen, sich auch nur 
einigermassen in die Materie hineinzuarbeiten, legt 
er das Buch bei Seite und greift nach einer der 
bekannten compendiösen Taschenausgaben, in denen 
er eine viel geringere Anzahl „langbewährter“ 
Recepte vorfindet und die in Folge sinnreicher 
innerer Einrichtung ihm auch das weitere Nach¬ 
denken über den Fall möglichst erleichtern. Es 
ist richtig, meine Herren, ein Einzelner vermag 
heute die Masse der Arzneimittel nicht mehr zu 
übersehen, auch dann nicht, wenn er ihr Studium 
sich zur speziellen Aufgabe gemacht hat. Wir 
haben aber für solche Fälle, wo die Menge der 

19 


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146 


Einzelheiten erdrückend und verwirrend wirkt, in 
allen Gebieten der wirklich exacten Wissenschaft 
ein Mittel, mit dessen Hilfe wir das scheinbare 
Chaos beherrschen und ordnen, bei seinem Studium 
uns den leitenden Faden durch das Labyrinth 
schaffen können. Dies Mittel heisst kurzgesagt: 
Suchen und Finden des Gesetzes oder der Gesetze, 
von denen aus alles sich naturgemäss und ohne 
Zwang weiter entwickeln muss, oder, mit deren 
Hilfe wir kurze und bündige Erklärungen gewinnen 
für das, was wir geschehen sehen. 

Wenn ein Arzt gegen irgend eine Krankheit 
ein Arzneimittel giebt, von dem er mehr als nur j 
palliative Hilfe erwartet, so unterwirft er das er- j 
krankte Organ oder den leidenden Organismus dem 
Einfluss des Reizes, den der Arzneistoff ausüben 
soll. Mit anderen Worten: Es wird ein Verhältniss, 
eine Art von Wechselbeziehung geschaffen zwischen 
dem Arzneimittel einer- und dem Organ anderer¬ 
seits. Es fragt sich: Existiren für diese gegen¬ 
seitigen Beziehungen bestimmte, feststehende Ge- j 
setze und wie lassen sie sich therapeutisch ver- 
werthen? 

Der unausgesetzte Process von Werden und j 
Vergehen, der das normale Leben eines Organes ' 
ausmacht und bedingt, lässt sich unschwer mit dem 
Verhalten einer feinen Waage vergleichen. Wie 
sie in gleichmässiger Amplitude um ihren Ruhe¬ 
punkt schwingt, so bewegt sich auch das normale j 
Organ in seinen Lebensvorgängen innerhalb einer j 
gewissen Breite, die wir als die physiologische be- ! 
zeichnen. Nähert sich das Organ allzusehr und ! 
ausgesprochen der oberen oder unteren Grenzlinie, | 
so reden wir von einem beginnenden pathologischen 
Zustande. Er wird um so deutlicher, je mehr der 
Grenzwerth der normalen Amplitude einseitig er¬ 
reicht wird, und spricht sich in zweifellosester Ge¬ 
stalt dann aus, wenn die Grenze überschritten wird i 
oder bleibt. Aufgabe der inneren Therapie ist es, I 
diese pathologischen Schwingungen wieder zu nor- ^ 
malen zu machen. Benutzt sie zu diesem Ende 
Arzneistoffe, so müssen diese folgerecht befähigt 
sein, in der gewollten Weise auf das kranke Organ 
einwirken zu können. Die eigentliche Arbeit aber 
hat das Organ selbst zu leisten. Kann es auf den 
Arzneireiz, dessen passende Auswahl vorausgesetzt, j 
in genügender Weise reagiren, so erreichen wir 
unseren Zweck. Ist ihm diese Möglichkeit aus ihm 
seihst heraus benommen, so stehen wir machtlos 
da. Unmöglichkeit, auf den Arzneireiz noch reagiren 
zu können, ist der Sinn des alten Spruches: Contra j 
vim mortis nulla herba in bortis! 

Wiederholt schon habe ich hier von der Reiz- i 
Wirkung gesprochen, die ein Arzneistoff ausübt. 
Die Anschauung, dass bei seinem Wirken das je- 
weiL in Frage kommende Organ einem Reize unter¬ 


worfen wird, ist nicht neu. Am deutlichsten, wenn 
auch in einseitiger Befolgung ihrer Consequenzen, 
ist sie wohl von Brown ausgesprochen worden. 
Aber heute erst sind wir in der Lage, uns das 
Gesetzmässige in der Reizwirkung einfach und so 
verdeutlichen zu können, dass auch die ärztliche 
Praxis ihren Gewinn daraus zu ziehen vermag. 

Zum leichteren Verständniss für die folgende 
Auseinandersetzung wird es sich empfehlen, zunächst 
vom gesunden Organ auszugehen und das Gcsetz- 
mässige festzustellen in den Beziehungen zwischen 
ihm und irgend einem Arzneistoffe, der es zu be¬ 
einflussen vermag. 

Unser College Rudolf Arndt hat das Ver¬ 
dienst, zuerst, und zwar zur Deutung des Gesetzes 
der Entwickelung und des Verlaufes der Psychosen, 
das Ihnen allen bekannte, zuerst von Pflüger ge¬ 
nau präcisirte, sogenannte Zuckungsgesetz und 
ferner das demselben speziell für pathologische 
Fragen sich anschliessende Ritter-Valli * sehe Ge¬ 
setz zur Grundlage seiner weiteren Ueberlegungen 
gemacht zu haben. Veranlasst durch das Studium 
dieser Frage, habe ich dann im Jahre 1887 die 
Giltigkeit derselben Gesetze für die Arzneiwirkung 
bewiesen.*) Arndt hat seiner Zeit unter dem 
Namen des „biologischen Grundgesetzes“ folgende 
Sätze aufgestellt: „Kleine (schwache) Reize fachen 
die Lebensthätigkeit an, mittelstarke fördern sie, 
starke hemmen sie, stärkste heben sie auf. Aber 
durchaus individuell ist, was sich als einen schwachen, 
einen mittelstarken, einen starken oder einen 
stärksten Reiz wirksam zeigtDiese Sätze ent¬ 
halten zwei wesentliche Punkte: Die Bedeutung der 
Intensität des Reizes und, was besonders zu be¬ 
achten, die strenge Berücksichtigung der Indivi¬ 
dualität des gereizten oder zu reizenden Organes, 
mit anderen Worten: des einzelnen Falles. Und 
nun, meine Herren, prüfen Sie einmal die Richtig¬ 
keit des biologischen Grundgesetzes, indem Sie sich 
kurz erinnern an die Verschiedenheit und doch 
streng dem Gesetze folgende Wirkung eines Arznei¬ 
stoffes, wie zum Beispiel des Alkohols, auf das ge¬ 
sunde menschliche Gehirn. Ebenso, wie die psy¬ 
chischen Functionen durch kleine Alkoholdosen an¬ 
gefacht werden, durch grössere mehr und mehr 
vorübergehender oder dauernder Vernichtung an¬ 
heimfallen, genau so verhält es sich überall, wo 
wir in der lebenden Natur die Aeusserungen vor¬ 
handener Reizwirkungen studiren wollen. Gestatten 
Sie noch ein weiteres Beispiel. Wir sind gewohnt, 
Substanzen, die in einer gewissen niedrigen Menge 
wirkend als noch für das Lehen gefährlich sich er¬ 
weisen, als Gifte zu bezeichnen. So ist das Sublimat 

*) Zur Lehre von der Arzneiwixkung. Vircbow’s Archiv 
Bd. CYIII, S. 42«L 


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147 


ein starkes Protoplasmagift, das heisst, es wirkt 
noch in geringen Mengen tödtlich oder doch 
schädigend auf das Leben der Gewebe und Organe 
ein. Man kann das unter anderem sehr deutlicli 
wahrnehmen bei der Hefenzelle, deren bekannte 
physiologische Leistung, die Production von Alko¬ 
hol und Kohlensäure aus Zucker, noch durch stark 
verdünnte Sublimatlösungen unmöglich gemacht 
wird. Vom Standpunkte des biologischen Grund¬ 
gesetzes aus stellt also Sublimat in den gebräuch¬ 
lichen Verdünnungen einen „stärksten“ Reiz für 
die Hefezelle dar. Ist das Gesetz richtig, so muss 
dieser Reiz sich unter bestimmten Bedingungen so 
modificiren lassen, dass er zum „schwachen“ wird 
und dann anregend statt tödtend auf die Hefezellen 
einwirkt. Dass dem in der That so ist, habe ich 
zuerst nachgewiesen*), und die Untersuchungen 
anderer Forscher haben meine Befunde bestätigt. 
Verdünnt man Sublimat in dem Verhältnisse von 
1 : 7—800000 Theile Wasser, was also der Lösung 
von Sublimat zu einem Gramm in 7—800 1 Wasser 
entspricht, und behandelt mit einer solchen Lösung 
die Hefe, dann arbeitet sie ganz gewaltig und 
liefert erheblich mehr der als Product dieser Arbeit 
bestimmten Kohlensäure, als ohne diesen Zusatz. 
Dasselbe gilt für Jod, Brom, Arsen, Salicylsäure, 
Ameisensäure in gewissen, von der Art dieser Sub¬ 
stanzen abhängigen Modalitäten. Aus alle diesem 
folgt: Richtig gewählt sind die reizwirkenden Stoffe 
befähigt, gegebenen Falles auch schon in minimal 
erscheinenden Quantitäten auf normale Organe so 
zu wirken, dass eine erhebliche Steigerung ihrer 
physiologischen Thätigkeit daraus folgen kann. 

Die praktische Medicin arbeitet aber bekannt¬ 
lich mit kranken Organen, und es würde ihr nicht 
viel damit geholfen sein, wenn die bisher gegebenen 
Auseinandersetzungen nur für die gesunden Organe 
und Organismen Giltigkeit hätten. Wir müssen zur 
Klarstellung dieser Frage nunmehr auf einen 
zweiten, ebenso wie das Zuckungsgesetz physio¬ 
logisch feststehenden Lehrsatz zurückgehen. Das 
Ritter-Valli’sche Gesetz, die Lehre vom Elektro- 
tonus ahsterhender Nerven lehrt uns, dass für sie 
schon Ströme zur Erzeugung von Reizerscheinungen 
genügen, die für den gesunden Nerven kaum als 
Reiz sich geltend machen. Für uns folgert daraus: 
Also muss ein krankes Organ feiner reagiren auf 
einen Arzneistoff, dessen Einfluss es überhaupt 
unterworfen werden kann, als ein gesundes. Dosen, 
die das gesunde Gewebe kaum beeinflussen, müssen 
dem kranken Organ gegenüber schon als leistungs¬ 
fähig sich erweisen. Gestatten sie zur Ulustrirung 
einen höchst alltäglichen Beleg, der zugleich zeigt, 
dass unter bestimmten Verhältnissen die „Er- 


*) Ueher Hefegifte. Pflüger’s Archiv Bd. XL1I, S. 517. 


krankung“ gar nicht einmal so besonders tief¬ 
gehend zu sein braucht, um ein Organ reizeinpfind- 
lich zu machen. Die Raucher unter Ihnen wissen, 
dass sie mit jedem Zuge ihrer Cigarre ein Quantum 
an Ammoniak und anderen reizenden Substanzen 
reichen Dampfes entnehmen, das die Schleimhaut 
der Mund- und Rachenhöhle überströmt, ohne dass 
man dabei besonders viel merkt. Man hat sich 
daran gewöhnt, es besteht eine Art Gleichgewichts- 
verhältniss zwischen dem Empfindungsvermögen der 
Schleimhaut und dem Reiz des Tabaksdampfes. 
Eines Tages bekommt man eine leichte Angina, 
und sofort wird der gewohnte Cigarrenrauch schmerz¬ 
haft empfunden. Warum? Inspicirt man seine 
Rachenhöhle, so findet man dort, abgesehen von 
einiger Schwellung und vermehrter Röthung der 
Schleimhaut, alles in bester Ordnung. Nirgends ist 
vor allem ein Epithelialdefect ersichtlich, der den 
Zutritt des Dampfes zu bisher geschützt gewesenen 
Theilen gestattete. Aber die geringfügige Ver¬ 
änderung, die wir feststellen, bedingte vom Augen¬ 
blick ihres Entstehens an für die Schleimhaut und 
damit auch für die in ihr befindlichen Nerven eine 
Ernährungsstörung, eine Veränderung des physiolo¬ 
gischen Gleichgewichts. Der dadurch erzeugte Reiz 
addirt sich zu dem durch Tabaksrauch hervor¬ 
gerufenen. Dadurch wird dieser, sonst kaum em¬ 
pfunden, lästig und schmerzhaft. Es lehrt aber 
das hier gewählte Beispiel noch etwas Anderes. Es 
zeigt uns, wie bedeutungsvoll der Zustand des 
Organes ist für seine Reaction auf Reizwirkungen, 
die es treffen. Es erklärt eine grosse Anzahl von 
pathologischen Erscheinungen hinsichtlich ihrer Ent¬ 
stehung, gleichgültig, welcher Art der schädigende 
Reiz ist. Dass ein aus seinem normalen Gleich¬ 
gewicht gebrachtes Organ ein Heerd zur Ent¬ 
wickelung der verschiedensten Leiden werden kann, 
und dass nicht zum mindesten die Beschaffenheit 
des Nährbodens auch in der Genese der Infections- 
krankheiten ihre hervorragende, wenn nicht allein 
ausschlaggebende Bedeutung hat, ergiebt die an 
das bisher Gesagte anknüpfende, weitere Ueber- 
legung. Denken Sie nur an die Häufigkeit der 
Entwickelung von Furunkulosis bei Diabetikern und 
Chlorotischen. Die in ihrer Ernährung gestörte 
Haut erweist sich mit einem Male als passende 
Brutstätte und geeigneter Nährboden für Infections- 
erreger, die auf dem gesunden Organ keine Ge¬ 
legenheit zur Weiterentwickelung finden. Einen 
anderen, der Arzneiwirkung direct entnommenen 
I Beleg für die Richtigkeit des Gesagten finden wir 
| unter Anderem in der Behandlung der Rhachitis mit 
Phosphor. Warum erkranken die so behandelten 
i Kinder nicht an Phosphorvergiftung? Die Antwort 
liegt jetzt klar da: Die eingeführten Phosphor- 
I mengen sind für die gesunden Organe viel zu ge- 

19* 


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148 


ringfügig, um irgend welchen unangenehmen Effect 
an ihnen deutlich werden zu lassen. Aber da, wo 
das Periost pathologisch arbeitet und ein Knochen¬ 
gewebe entstehen lässt, das auf die Bezeichnung 
als normales keinen Anspruch erheben kann, da 
sehen wir den Phosphor anfassen, sehen wir die 
Thätigkeit des Periostes zur normalen, physiolo¬ 
gischen Höhe sich heraufarbeiten und das von ihm 
abhängige Knochenwachsthum sich entsprechend ge¬ 
stalten. Und wenn Sie dem Phthisiker Morphin 
in der üblichen Verdünnung mit Bittermandelwasser 
geben, so sehen Sie den pathologischen Hustenreiz 
sich mildern, ohne dass die narkotische Wirkung 
des Alkaloids auf das Gehirn zum Ausdruck ge¬ 
langt. Kranke Organe , kranke Organismen , reagiren 
schon auf Arzneireize, die für gesunde noch als 
wirkungslos angesehen werden können . 

Die Aufgabe, festzustellen, welche Organe der 
Wirkung eines Arzneimittels unterstehen, und damit 
gleichzeitig dessen Angriffspunkte im Körper kennen 
zu lernen, lässt sich in verschiedener Art und Weise 
lösen. Der älteste Weg ist zweifellos die Be¬ 
obachtung der Arzneiwirkung am Krankenbette 
selbst. Zur Aufklärung mancher, das ärztliche 
Interesse herausfordernder Erscheinungen wie auch 
zu einer vorläufigen Orientirung über das Verhalten 
bis dahin unbekannter Mittel wird der Thierversuch 
unternommen und stets unumgänglich nothwendig 
bleiben. Vieles lehrt auch die Geschichte der Ver¬ 
giftungen, der bewussten und unbewussten Eingriffe 
in Leben und Gesundheit. Besonders geeignet aber 
zum Studium der Arzneiwirkung ist, wie das auch 
in früherer Zeit schon mehrfach anerkannt wurde, 
der Versuch am gesunden Menschen. In zweck¬ 
entsprechender Weise und unter möglichster Aus- 
schliessung alles dessen, was zu Irrthümern Ver¬ 
anlassung bieten kanD, angestellt, liefert diese Me¬ 
thode ganz besonders deutliche und speziell für 
die Therapie werthvolle Ergebnisse. Wesentlich ist 
dabei, dass man nicht in der Weise vorgeht, dass 
grössere Arzneidosen auf einmal genommen werden, 
sondern dass man dem zu untersuchenden Arznei¬ 
körper dadurch, dass man ihn täglich, oft wochen¬ 
lang, in kleinen Mengen nimmt, Zeit lässt, seine 
Wirkung zu entfalten. Man sieht dann den Arznei¬ 
reiz sich allmählich entwickeln, lernt eine Reihe 
mehr allgemeiner und bei genügender Zahl von 
Einzelbeobachtungen auch individuellere Angriffs¬ 
punkte kennen, deren Gesammtheit dann das eigent¬ 
liche Bild der Arzneiwirkung darstellt. Eine fast 
zwanzigjährige Anwendung dieser Art des Arznei¬ 
studiums giebt mir die Berechtigung, über deren 
Brauchbarkeit für Theorie und Praxis mich in dieser 
Weise äussern zu können. Gern möchte ich an 
dieser Stelle es aussprechen, dass ich mich bei 
dieser Art der Arzneiprüfung der oft recht opfer¬ 


vollen Unterstützung einer grossen Zahl meiner 
Schüler und jüngeren Collegen habe erfreuen 
dürfen. 

Solche Selbstversuche mit Arzneimitteln führen, 
wenn sie ein bestimmtes Stadium erreicht haben, 
zu einem Ergebnisse, das auf den ersten Blick 
befremdlich scheinen will. Man erlebt Veränderungen 
und Schmerzempfindungen an Organen, von denen 
man weiss, dass sie für den Kliniker gerade be¬ 
stimmend sind, das zum Versuche gewählte Mittel 
therapeutisch zu benutzen. Die Erklärung dafür 
ist ebenso einfach wie schliesslich selbstverständlich. 
Wir erfahren zunächst, dass das betroffene Organ 
durch das gewählte Mittel überhaupt angefasst 
wird. Die Physiologie lehrt, dass es am letzten 
Ende gleichgiltig ist, welcher Art der Reiz sein 
muss, mit Hilfe dessen wir den Nerven anregen 
und die Muskelzuckung auftreten sehen. Das, wo¬ 
rauf es ankommt, ist die Intensität des Reizes, 
deren feinere Abstufung für physiologische Zwecke 
allerdings am bequemsten durch Anwendung des 
elektrischen Stromes zu erzielen ist. Die weitere 
Ueberlegung dessen, was wir aus der allgemeinen 
Pathologie wissen, führt dann zu folgendem Schluss: 
Da jedes Organ, abgesehen von der Genese der 
sogenannten Neubildungen, die uns zur Zeit noch 
nicht genügend klar ist, auf einen schädigenden 
Einfluss immer nur in der, durch seine anatomische 
und histologische Structur und seine physiologische 
Stellung ein für allemal feststehenden Art und 
Weise sich verändern kann, so müssen auch die 
Arzneireize, bei einer gewissen Intensität angelangt, 
entsprechende Organveränderungen auftreten lassen. 
Die äusseren, reizenden Momente wechseln, ihr 
Object, das auf sie reagirt, bleibt dasselbe. Nun 
begreifen wir das Gesetzmässige in der Beobachtung, 
die der Münchener Chirurge Nussbaum einmal 
ausgesprochen hat, dass es Constitutionen gebe, bei 
denen man durch den Gebrauch des schwefel¬ 
haltigen Ichthyols Ekzeme machen könne, trotzdem 
derselbe Stoff so wunderbar oft auf Ekzeme heilend 
wirke. Und ferner sehen wir den Grund ein, 
warum Strümpell bei Besprechung der Therapie 
der Tabes dorsalis in seinem Lehrbuch mit Recht 
sagt: „Darin, dass trotz des Vorkommens einer 
,Ergotintabes‘ das Ergotin auch als Mittel gegen 
die Tabes empfohlen wird, liegt nur ein schein¬ 
barer Widerspruch. Es ist sehr wohl möglich, dass 
dasselbe Mittel, welches in grossen Dosen gewisse 
Fasersysteme zur Atrophie bringt, in kleineren 
Dosen irgendwie günstig (erregend) auf dieselben 
einwirkt.“ Es kann eben gar nicht anders sein, 
als wir es in der That geschehen sehen. Einen 
geradezu typischen Beleg dafür haben wir in einer 
Thatsache, die schon so oft in der Literatur das 
Für und Wider den Autoren in die Feder dictirt 


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149 


hat. Das luetische Virus hat in einem bestimmten 
Stadium seines Wirkens im Organismus dieselben 
Angriffspunkte, wie das Quecksilber. Wird letzteres 
nun zur Ungebühr angewandt, so müssen die Or¬ 
gane, die es doch nur in ihrem Kampfe um die 
Existenz mit dem luetischen Gifte in heilbringender 
Weise unterstützen sollte, ebenso erkranken, wie 
unter dem Einfluss der Lues allein. Daher erklärt 
es sich denn auch, wie der Streit der Mercurialisten 
und ihrer Gegner überhaupt möglich sein konnte. 
Es treten uns unter der vorher genannten Voraus¬ 
setzung in der That Krankheitsbilder entgegen, die 
die Entscheidung schwer machen, ob wir es mit 
Lues oder Quecksilbervergiftung zu thun haben. 
Und solcher Beispiele giebt es noch viele. Sie 
liefern den wenig erfreulichen Beitrag zur Geschichte 
der Arzneikrankheiten, die fast immer ihren Grund 
haben in der, allerdings nicht bewussten, Ueber- 
tretung eines fundamentalen Naturgesetzes. 


| 


i 


Bei jedem Versuche, durch Arzneimittel Organ¬ 
leiden zu beseitigen, die Arzneikräfte in ziel¬ 
bewusster Weise auszunutzen, müssen die Gesetze, 
die Ihnen zu entwickeln ich heute die Ehre gehabt 
habe, die Grundlage bilden. Gleichgiltig ist dabei, 
ob die vollkommene Heilung möglich ist, oder ob | 
wir nur die Art des Bestrebens der Natur fördern | 
können, die in der schliesslichen Vernarbung des 
einmal zerstörten Gewebes ihren Ausdruck findet. 
Man darf von der Arzneiwirkung auch nicht zu 
viel verlangen wollen. 

M. H.l Ich habe heute als Vertreter der Arznei- 1 
mittellehre zu Ihnen gesprochen. Der Ihnen ge¬ 
schilderte Weg ist meiner Ueberzeugung nach der 
einzige, auf dem weiter arbeitend die Pharmako¬ 
therapie die Stellung sich dauernd sichern kann, 
die ihr gebührt Feststehende und anerkannte Ge¬ 
setze der Physiologie und Pathologie bilden den I 
Ausgangspunkt dieses Weges. Er giebt uns zu- j 
nächst ein ganz anderes Bild, als das gewohnte es 
ist, von dem Werthe der Arzneimittellehre selbst. 
Ihr Studium gestaltet sich deshalb zu einem be¬ 
sonders anregenden, weil wir dabei immer nur die 
Erkenntniss der Wechselwirkung zwischen Arznei- 
stoff und menschlichen Organ oder Organismus im 
gesunden und kranken Zustande als festes Ziel im 
Auge behalten. Den Vortheil eines derart be¬ 
triebenen Studiums der Arzneiwirkungslehre hat 
die ärztliche Praxis. Es führt uns ohne weiteres 
und aus innerer Nothwendigkeit heraus zu einer 
arzneilichen Organthei'cipie. 

Die von Virchow begründete Cellularpathologie \ 
und ihre fundamentale Bedeutung für die Ent¬ 
wickelung der gesammten Pathologie würde uns die 
Berechtigung geben, anstatt des eben benutzten 
Ausdruckes „Organtherapie“ lieber den, der all- ( 


gemeinen Anschauung vielleicht mehr entsprechen¬ 
den der „Cellulartherapie“ für die Ihnen heute ge¬ 
gebenen Anschauungen zu wählen. Absichtlich habe 
ich davon Abstand genommen. Der Arzt behandelt 
am Krankenbette nicht kranke Zellen, sondern 
kranke Organe. Das, was er sieht und was der 
Patient fühlt, sind nicht die an den einzelnen 
Zellen geschehenden Veränderungen, sondern die 
von den Organen im einzelnen und in der Ge- 
sammtheit gebotenen, vom Normalen abweichenden 
Erscheinungen. Die Zelle gehört der theoretischen 
Wissenschaft, das Organ, der Organismus der Praxis. 
Was an den pathologisch arbeitenden Zellen sich 
vollzieht, wenn wir Arzneistoffe wirken lassen, da¬ 
von können wir uns höchstens Vorstellungen machen, 
von einem gegründeten Wissen ist in dieser Hin¬ 
sicht heute noch keine Rede, kanu es auch bei der 
grossen Schwierigkeit, die der endlichen Lösung 
dieser Frage entgegensteht, nicht wohl sein. Mit 
Hypothesen, seien sie auch noch so geistreich er¬ 
dacht und auf den ersten Anblick bestechend, ist 
aber der ärztlichen Praxis, der Therapie im wahrsten 
Sinne des Wortes, nicht gedient. Es mag einmal 
die Zeit kommen, wo wir die volle Berechtigung 
haben werden, von einer arzneilichen Cellular¬ 
therapie reden zu dürfen, ohne dabei nur mit einem 
Begriffe zu arbeiten. Das uns zunächst gesteckte 
und erreichbare Ziel, die arzneiliche Organtherapie, 
hoffe ich Ihnen heute als factisch erreichbar ge¬ 
schildert und die zu ihrer Erreichung und erfolg¬ 
reichen Durchführung unumgänglichen Grundgesetze 
ihrem Wesen nach entwickelt zu haben. — 


Sehr gern haben wir die von dem geehrten 
Herrn Verfasser freundlich gewährte Erlaubniss zum 
Wiederabdruck des obigen Vortrages benutzt; ist 
derselbe doch in hohem Grade geeignet, die Collegen 
der alten Schule mit Grundanschauungen bekannt zu 
machen, welche mit den von der homöopath. Schule 
vertretenen Prinzipien in der Wirkungslehre der 
Arzneien, deren praktische Anwendung und Gaben¬ 
grösse so nahe verwandt und von ihm durch Zurück¬ 
führung auf physiologische Gesetze, durch das Ex¬ 
periment und stricte, logische Deduction begründet 
sind. Angesichts der von Herrn Prof. Schulz für 
die Medicotherapie entwickelten Grundsätze, die 
er mit unermüdlicher, dankenswerther Ausdauer 
den ärztlichen Berufsgenossen immer wieder und 
wieder vorlegt, werden sie schliesslich doch zur 
Erkenntniss kommen müssen, dass die Homöopathie 
nicht die Caricatur von Heilwissenschaft und Heil¬ 
kunst sei, wie einige aus ihrem Lager, jedenfalls 
mehr aus Unkenntniss als Böswilligkeit, sie wieder 
und wieder darzustellen belieben. D. R. 


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150 


Die physiologische Wirkung der Chinarinde 
und der Chininsalbe. 

Bearbeitet für die neue deutsche Arzneimittellehre 
von Dr. Schier, Mainz. 

„Die vielfachen Versuche, zu einer Theorie der 
Wirkung des Chinins zu gelangen,“ — schreibt 
Griesinger noch in seinen ,, Infectionskrank- 
heiten“ — ,,haben bis jetzt keine Resultate er¬ 
geben. Dass es den sog. Chininrausch erregt, dass 
es die Gallenabsonderung zu verringern scheint, 
dass es bei grösseren Gaben die Pulsfrequenz herab¬ 
setzt und den Herzschlag, oft nach primärer Auf¬ 
regung, schwächt, dass es bei Gesunden die Harn- 
säureausscheidung vermindert, dass bei starken Ver¬ 
giftungen zuweilen das Blut sich nicht mehr gerinnbar 
zeigt und spontane Blutungen auftreten — alle 
diese vereinzelten Thatsachen fördern uns nicht. 
Während die erfahrungsm/issige Wirkung des Chinin 
auf Neurosen verschiedener Entstehung an eine 
vornehmliche Wirkung auf die Nen'enapparate auch 
bei der Intennittens denken lässt, so zeigt sein 
günstiger Erfolg hei noch nicht zu alten, aber schon 
fieberloscn Milztumoren und den damit verbundenen 
mässigen Graden der Kachexie, wie auch bei den 
anhaltenden Fiebern, dass ihm auch ein sehr er¬ 
heblicher Einfluss auf die im Intermittensprocesse 
gestörten vegetativen Vorgänge und Blutverämlerungen 
selbst zukommt. Milzschwellung, aussetzende oder 
anhaltende Fieberanfälle, andere nervöse Störungen, 
Affection der Gastro-Intestinalschleimhaut, Nieren- 
affection, alle diese Vorgänge, insofern sie durch 
die Wechselfieberursache bedingt sind, scheinen 
durch das Chinin nicht eines nach dem andern, 
sondern wie aus einem gemeinschaftlichen Mittel¬ 
punkt heraus modificirt und gehoben zu werden.“ 

Heute unterliegt es nicht dem geringsten Zweifel, 
dass, homöopathisch ausgedrückt, den Typus der 
Chinakrankheit das einfache Malariafieber bildet; 
diese Thatsache ist für die Erklärung der physio¬ 
logischen Wirkung unseres Mittels von äusserster 
Wichtigkeit und bedarf daher besonderer Erläute¬ 
rung. Die Wirkung der Chinarinde, deren Unter¬ 
suchung bekanntlich Hahnemann zur Entdeckung 
des Aehnlichkeitsgesetzes führte, — vergl. Culleus, 
Materia medica II, S. 109, Leipzig 1790 — ist 
auch, wie kaum ein anderes Mittel, geeignet, uns 
die äussersten Consequenzen dieser Heilmaxime klar 
zu machen. Die Thatsache, dass nicht jede der 
vielen Formen des Wechselfiebers der sicheren 
Wirkung der officinellen Königschinarinde unter¬ 
liegt, lässt, unter steter Zugrundelegung des Aehn¬ 
lichkeitsgesetzes, die Annahme gerechtfertigt er¬ 
scheinen, es möchten den verschiedenen Formen des 
Malariafiebers die mannigfachen Varietäten des China¬ 
baumes und der ihm verwandten Gewächse ent- 


1 sprechen. Die kosmischen und terrestrischen Ein- 
1 flösse, welche bei den animalischen Lebewesen, 
speciell dem Menschen, die Disposition zu Erkrankung 
an Malaria verursachen hez. die Existenzfähigkeit 
der Malariaprotozoen bedingen, sind von mass¬ 
gebendem Einflüsse auf das Gedeihen der China¬ 
rindenbäume und der verwandten Gewächse, sie 
produciren quasi durch Vermittelung des hier wie 
in so vielen Fällen antagonistisch wirkenden Pflanzen¬ 
reiches selbst den potenzirten Heilstoff, der auf den 
erkrankten Menschen ähnlich wirkt wie das krank¬ 
machende Agens und so das Simillimum darstellt.*) 

Das Verhältniss des Chinins als Heilmittel gegen¬ 
über den übrigen Chinaalkaloiden gestaltet sich in 
den einzelnen Krankheitszuständen verschieden, doch 
steht Chinin bei dem Malariafieber höher als die 
übrigen Chiuinbasen und wird in der Allopathie 
. auch wegen der Möglichkeit genauer Dosirung be¬ 
kanntlich fast durchgängig als völliger Ersatz der 
Rinde verwendet. 

Nach dem homöopathischen Princip also, sowohl 
wie auf Grund der Erfahrung, steht fest, dass die 
Königschinarinde in toto das Simillimum für das 
einfache Malariafieber — nach meiner Theorie speciell 
die Rinde der jeweiligen Cinchonaart für die betr. 
endemische Form der Malaria — darstellt, ausser¬ 
dem ein Simile ist für manche andere Beschwerden, 
welche nicht durch Malaria bedingt, doch den durch 
jene Krankheit hervorgerufenen Symptomen ähn¬ 
lich sind. 

Die in den oben citirten Bemerkungen Grie- 

*) Anmerkung. Ich habe diese Theorie, welche, wie 
man auf den ersten Blick sieht, don wichtigsten philo¬ 
sophischen Postulaten, dem Zweckraässigkeitsgesetze sowie 
dem tiesetze der Einfachheit in. der Natur, auch den Er- 
fahrungsthatsachen. entspricht, in mehreren Aufsätzen, 
welche zumeist in der Allg. homöopath. Ztg. Bd. 125 u. flgd. 
publicirt wurden, des Näheren erläutert und begründet. 
Eine der betr. Beweisstellen darf ich, da sie zum Thema 
gehört, kurz hier recapitnliren (vergl. 1. c. Bd. 125 S. 120): 
1 in II. Bd. seiner .,Reisen in Südafrika“ schreibt Living- 
stone gelegentlich der Schilderung seines Aufenthaltes in 
; der portugiesischen Station Tete amZambesi: „Am 4. April 
trat mit dem Neumond plötzlicher Temperaturwechsel ein, 

■ und der Commandant, ich und fast alle Bewohner seines 
Hauses wurden von heftigem Fieber befallen. Mein Chinin 
und die übrigen Mittel waren fast ganz erschöpft und 
frische Mittel hier nicht zu finden Die Portugiesen sagten 
mir indessen, es wüchsen Chinarindenbäume bei ihnen, in 
geringer Anzahl in Tete, ganze Wälder bei Serma und 
nahe am Delta von Kiliniane. Man sieht das Walten der 
i Vorsehung darin, dass das Heilmittel gegen das Fieber in 
grösster Menge sich dort findet^ wo man seiner am meisten 
bedarf. Als ich die Blätter sah, fand ich, dass es nicht 
die Cinchona longifolia war, von welcher das Chinin in 
den Handel kommt, aber aus Namen und Eigenschaft der 
j Riude erkannte ich, dass es ein verwandter Baum sein 
I müsse. Ich wandte sogleich ein Decoct der Wurzelrinde 
I an, und dies that so gute Wirkungen, dass meine Leute 
solche Rinde sammelten und in kleinen Säcken für die 
i Heimkehr auf bewahrten.“ 




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151 


singer’s unentschiedene, bis heute durch wissen¬ 
schaftliche Versuche Seitens der Schulmedicin noch 
immer nicht ganz klargestellte Frage, ob das Chinin 
vorzugsweise auf das Nervensystem wirke oder die 
bei der Malaria gestörten vegetativen Vorgänge 
und Blutveränderungen beeinflusse, ist für den Ho¬ 
möopathen leicht zu beantworten: Die Chinarinde 
beseitigt nicht einzelne durch das Malariafieber her¬ 
vorgerufene Symptome, sondern löscht als Similli- 
mum die Krankheit in toto, das Fieber sowohl wie 
die dadurch entstandene Kachexie, mit naturgesetz¬ 
licher Nothwendigkeit und Sicherheit aus — nota¬ 
bene, sobald die Bedingungen des Aehnlichkeits- 
gesetzes erfüllt sind. 

Physiologisch ist diese Wirkung erklärlich: ein¬ 
mal durch die specifische Giftwirkung der China¬ 
rinde auf die Malariaprotozoen, dann auch durch 
die Herabsetzung der Lebensenergie der farblosen 
Blutkörperchen, welche im Blute selbst sowohl als 
im Knochenmark und Milz den Keimboden der 
Krankheitserreger darstellen, endlich und haupt¬ 
sächlich durch die Steigerung der vitalen Energie 
des befallenen Organismus ira Kampfe gegen das 
eingedrungene Gift. Ob bei der Malaria die Pro¬ 
tozoen die einzige Ursache der Erkrankung bilden 
oder nur als Parasiten aufzufassen sind, für welche 
die endemischen Einflüsse den Nährboden im Blute 
vorbereiten, ist hier irrelevant. 

Ceci hat constatirt, dass die von Klebs und 
Tommasi als Erzeuger des Malariafiebers aufge¬ 
fundenen Protozoen äusserst empfindlich auf Chinin 
reagiren; ihre vitale Energie wird durch die spe¬ 
cifische Giftwirkung des im Blute kreisenden Chinins 
vernichtet oder doch zum Mindesten so sehr ge¬ 
schwächt, dass sie der gleichzeitig wirkenden Heil¬ 
tendenz des Organismus, welche ja in vielen Krank¬ 
heitsfällen allein die Heilung vollbringt und durch 
das Chinin in ganz specifischer Weise zum Kampfe 
gegen die Infection gesteigert wird, nicht lange zu 
widerstehen vermag. 

Auch gegen andere niedere Krankheitserreger 
erweist sich das Chinin als starkes Gift und wirkt 
um so intensiver, je ähnlicher in ihren Lebens¬ 
bedingungen die betr. Organismen den Protozoen 
der Malaria sind. 

Bringt man, nach Binz, 1 Tropfen Pflanzen¬ 
jauche unter dem Mikroskop zusammen mit 1 Tropfen 
neutraler oder schwach basischer Chininlösung, so 
gewahrt man bei einer Concentration von etwa 
1 : 200 sofortige Lähmung der lebhaft umher- 
schwärroenden Organismen; sie liegen regungslos 
da, werden fast augenblicklich schwärzlich granulirt 
und zerfliessen bald zu Detritus. Selbst noch bei 
einer Verdünnung von 1:20,000 zeigten frische Para- 
mecien in Heujauche schon nach 5 Minuten be¬ 
ginnende Lähmung und waren nach 2 Stunden 


bewegungslos, einige Stunden später zu Detritus 
: zerfallen. Den letzten Grund anzugeben, weshalb 
das chemisch fast indifferente Chinin den zerstören¬ 
den Einfluss auf das Protoplasma dieser Organis¬ 
men ausübt, vermögen wir bis jetzt nicht, werden 
es wahrscheinlich auch niemals vermögen. Wir 
können höchstens diese specifische Wirkung dahin 
umschreiben, dass das Chinin diese Gebilde, welche 
sehr leicht ersticken, — so dass sie in einer ver¬ 
schlossenen Flasche nach kurzer Zeit zerfallen, — 
der Fähigkeit beraubt, Sauerstoff aufzunehmen. Die 
Erklärung Rossbach’s, der oxydationshemmende 
Einfluss des Chinins auf manche Arten von Proto- 
i plasma beruhe auf dem Zustandekommen einer Ver¬ 
bindung zwischen beiden, welche viel schwerer 
oxydirbar sei als das Protoplasma allein, ist auch 
zu grob, als dass wir uns ihr anschliessen könnten; 
auch Binz constatirt, dass die plötzliche Wirkung 
, neutraler Chininlösungen auf die grösseren Gebilde 
in dieser Weise nicht erklärt werden können, welche 
zuweilen fast augenblicklich von Chinin geradezu 
zerrissen wurden; oft platzen sie, ihr aufgeblähter 
Kern stürzt hervor, und binnen wenigen Minuten 
1 ist jede Spur der Zellform und der Organe ver¬ 
schwunden. 

Wie schon oben angedeutet ist, lässt das Chinin 
eine ganze Reihe von Fermenten unversehrt; be¬ 
sonders widerstandsfähig gegen dasselbe zeigen sich 
die Infusorien, welche in stark kochsalzhaltigem 
Wasser leben. Auch die Umwandlung von Stärke 
in Zucker durch den Speichel, von Eiweiss in 
Peptone durch den Magensaft sah Binz in fast un¬ 
gestörter Weise in Gegenwart von Chinin vor sich 
gehen. Im Allgemeinen aber wirkt es, je nach 
seiner Concentration, verzögernd oder unterdrückend 
auf die von geformten Fermenten abhängigen Pro- 
cesse, namentlich auch auf die Fäulnissgährung der 
Eiweisskörper, die Gährung des Alkohols, der Milch¬ 
säure und Buttersäure aus dem Zucker, der Essig¬ 
säure aus dem Alkohol, des Sumpfgases aus der 
I Cellulose; auch die Vergiftung des lebenden Thieres 
durch faulige Jauche, das septicftmische Fieber, 
versuchte man durch Chinin zu bekämpfen, wenn¬ 
gleich mit nicht zufriedenstellendem Erfolge, da bei 
der ungenügenden Specifität der Wirkung zu grosse 
lebensgefährliche Dosen erforderlich waren. 

Sehr in die Augen fallend ist andererseits der 
lähmende Einfluss des Chinins auf die weissen Blut¬ 
körperchen, selbst noch bei einer Verdünnung des 
Chinins von 1 : 20,000. Am deutlichsten beweisen 
dies die Versuche von Binz, der bei künstlich her¬ 
vorgerufener Entzündung im Froschmesenterium con- 
statirte, dass das Chinin bei innerlicher Darreichung 
I sowohl als bei örtlicher Application den Durchtritt 
I der weissen Zellen bedeutend hemmt oder ganz 
| auf hebt, und auf diese Weise den Eiterungsprocess 


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152 


auf hält bez. zum Stillstand bringt; auch bei ge- | 
sunden Warmblütern, z. B. Katzen, gelang es ihm | 
nachzuweisen, dass Chinin die Quantität der weissen j 
Blutzellen vermindert, zuweilen auf 7*o des Nor¬ 
malen. Diese Resultate wurden bestätigt durch die 
Arbeiten von Herbst, Schauenbroich, Jerusa- 
limsky u. a. Der Erfolg ist unabhängig von dem 
Verhalten des arteriellen Druckes und kommt da¬ 
durch zu Stande, dass den weissen Blutkörperchen 
unter den Symptomen der Lähmung die Affinität 
zum Sauerstoffe des Hämoglobins, der das Incitament 
ihrer selbständigen Bewegungen und damit ihrer 
Emigration aus Venen und Capillaren ist, geschmälert 
wird. Das Chinin bindet, wie auch die Versuche 
von Manassein beweisen, den Sauerstoff quasi 
fester an das Hämoglobin und verzögert also auch 
in rein elementarer Weise, ohne Intervention des 
Nervensystems, die Verbrennung im Blute. 

In denjenigen Fällen also, in welchen das Chinin 
specifisch wirkt, vor allem bei der einfachen Malaria, 
ist der Temperaturabfall physiologisch erklärlich 
durch die hemmende Beeinflussung der pi'oloplas- 
matischen Zellenthätigkeit einerseits , durch die directe 
Vernichtung des inficirenden Agens andererseits; eine 
Abhängigkeit der Wirkung vom Herzen sowie von 
den die Temperatur regulirenden Centren des Nerven¬ 
systems ist wohl denkbar, doch zur Erklärung der 
Wirkung nicht erforderlich. Es wird ja in den 
einschlägigen specifischen Fällen durch das Chinin 
nicht allein der Fieberanfall unterdrückt, sondern 
die Kachexie, von welcher der Fieberanfall nur ein 
Symptom ist, in ihrer Totalität gehoben. Auch die 
prophylaktische Wirkung des Chinins gegen das 
Malariagift wäre durch eine blosse, jedenfalls sehr 
rasch vorübergehende Wirkung auf das Central¬ 
nervensystem nicht erklärbar. 

Dass die Chinarinde keine allgemeine Einwirkung 
auf die Temperatur durch Vermittelung der wärme- 
regulirenden Centralorgane hat, geht auch daraus 
hervor, dass ihre temperaturerniedrigende Eigen¬ 
schaft bei Weitem nicht beständig und gleichmässig 
ist. Wenngleich in den meisten Fällen die Tein 
peratur — zuweilen, d. h. in nicht specifischen 
Fällen, nur in geringem Grade — fällt, so ist doch 
andererseits nicht bloss von homöopathischer Seite 
aus festgestellt, dass häufig die Temperatur erhöht 
wird. Jerusalimsky z. B. erzielte in 3 Versuchen 
eine bedeutende Temperaturerhöhung nach der 
Chinineinführung; er gelangte zu der Annahme, 
durch Reizung des wärmeregulirenden Nerven- 
centrums entstehe durchweg Erniedrigung der Tem¬ 
peratur, durch Lähmung desselben eine Wärme¬ 
steigerung. Es liegt auf der Hand, dass durch die 
verschiedengradige Empfindlichkeit dieser Centren 
bei gesunden Individuen auf gleiche Gaben Chinin 
in dem einen Falle Erniedrigung der Temperatur 


resultirt, in einem andern Falle Steigerung der 
Temperatur. 

Für die Erklärung der Heilwirkung in spe¬ 
cifischen Erkrankungsfällen ist aber, wie bereits 
erwähnt, ein Zurückgreifen auf den vermittelnden 
Einfluss des Centralnervensystems nicht erforder¬ 
lich. 

Auf alle Fälle steht auch fest, dass Hahne- 
mann’s Behauptung, man könne durch eine be¬ 
stimmte Dose der Chinarinde mit Sicherheit bei 
einem )eden Individuum eine Art Wechselfieber er¬ 
zeugen, nicht gerechtfertigt ist; schon die Versuche 
von Prof. Jörg (Kritische Hefte II, S. 148 —158, 
Leipzig 1822) widerlegen diese These Hahne- 
mann’s evident. Andererseits können aber auch 
die Gegner der Homöopathie nicht mehr weiter 
leugnen, dass die Symptome, welche Hahnemann 
und seine Schüler mit der Chinarinde erzeugten, 
durchaus objectiv sind und jederzeit bei einer 
grösseren Anzahl von Personen mit Sicherheit wieder 
eruirt werden können. Sehr interessante diesbezüg¬ 
liche Thatsachen findet man in der Monographie 
über Chin. sulf. im Bd. II, Heft 2 des Journals 
für Arzneimittellehre von Hartmann und Noack. 
Speciell die dort citirten Beobachtungen von H i r s ch el 
und Witt mann müssen dem Verlangen der Allo¬ 
pathie genügen, dass die Chinarinde nicht allein 
Frost, Hitze und Schweiss einzeln oder zusammen, 
sowie alle das Wechselfieber concommitirenden Er¬ 
scheinungen hervorbringe, sondern selbst die perio¬ 
dische Wiederkehr der Phänomene deutlich nach- 
weisen lasse. Auch fehlt es ja nicht an bestätigenden 
Beobachtungen Seitens der Allopathen, z. B. Clie- 
vallier’s, der constatirte, dass Arbeiter, welche in 
Chininfabriken mit dem Puiverisiren von China¬ 
rinde sich beschäftigten, von eigenthümlichen Fieber¬ 
anfällen befallen wurden. Das Fieber trat mit starkem 
Hitze- und Kältegefühl auf, so dass es mit einem 
Wechselfieber verglichen werden konnte, und endete 
mit einem heftigen Anfalle; in einem Falle war der 
Fiebertypus 3 tägig und wurde durch Salicin ge¬ 
hoben. (Gaz. des Höp. 121. 1850.) 

Auch Lewin muss in seinem bekannten Werke 
„Die Nebenwirkungen der Arzneimittel“ zugeben, 
dass das Chinin bez. die Chinarinde typische Fieber¬ 
anfälle bei manchen Individuen hervorruft und dass 
„die vielfach angezweifelte Selbstbeobachtung von 
Hahnemann als eine zulässige anzusehen ist.“ 

Gehen wir jetzt zur Beschreibung der Chinin¬ 
wirkung auf die einzelnen Organe bez. Körper¬ 
regionen über, wobei wir, des beschränkten Raumes 
halber, nur das Wichtigste herausgreifen können, 
so haben wir uns zunächst zu beschäftigen mit der 
Beeinflussung des Centralnervensystems und der Psyche 
durch unser Mittel. Depression des Gemüths, Willens 
und Intellects, auch enorme Schwäche des centralen 


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153 


Apparats, findet sich bei den Prüfern recht aus¬ 
gesprochen und häufig vergesellschaftet mit reiz¬ 
barer Empfindlichkeit, Zanksucht und Ideenflucht. 
Die Thierversuche bestätigen diese Wirkungen. 
Eulenburg und Simon constatirten bei Kaninchen 
regelmässig Unsicherheit der Bewegungen, Zittern, 
Abnahme der Empfindlichkeit der Extremitäten und 
Paralyse der Hinterbeine. Nichttödtliche Dosen be¬ 
dingen nach Bernatzik bei Kaninchen Schwindel, 
Mattigkeit, Zittern, Erbrechen und eigenthümliche 
Unruhe, die vielleicht das Vorhandensein von Hallu- 
cinationen andeutet, convulsivische Zuckungen, Be¬ 
täubung und mehrstündige Schwäche. Von einer 
peripheren Wirkung kann für die Erklärung der 
paralytischen Erscheinungen nicht die Rede sein, 
da nach Eulen bürg und Simon weder die directe 
Muskelreizbarkeit noch die Erregbarkeit der Nerven- 
stämme und der Ursprünge der motorischen Nerven¬ 
fasern im Rückenmarke afficirt werden. 

Professor Hugo Schulz hat 10 gesunden Stu¬ 
denten Wochen lang täglich kleine Chinindosen ge¬ 
geben und hebt unter den dadurch verursachten 
Erscheinungen Seitens des Centralnervensystems her¬ 
vor: Anfangs Druckgefühl und Schwere im Kopfe, 
dann Apathie, Unlust zu jeder Thätigkeit, melan¬ 
cholische Stimmung oder Aufregungszustände, die 
sich bis zu Angstanfällensteigerten; daneben Schwin¬ 
delanfälle, unruhiger, durch ängstliche Träume ge¬ 
störter Schlaf. Bei mehreren Herren bildete sich 
ein starker Ekel gegen das Chinin heraus, bei 2 
sank die Widerstandsfähigkeit gegen Alkohol, bei 
1 die gegen Tabak sehr auffallend herab. 

Schramm (Schmidt’s Jahrbücher Band 114, 
S. 302) heilte in Folge von Intermittens auftretende 
eclamptische und epileptoide Anfälle durch Chinin. 
Nach grossen Dosen kommt es zu einem bisweilen 
auf bedeutende Aufregung folgenden Zustand von 
Sopor, in welchem sich ein hoher Grad von Collaps 
ausbilden und selbst der Tod folgen kann; die 
letale Gabe variirt natürlich sehr; die niedrigste 
war in einem Falle von Baldwin bei einem 6jähr. 
Kinde 0,5 gr, doch ist es sehr zweifelhaft, ob man 
es hier mit einem reinen, nicht etwa mit Strychnin 
verfälschten Präparate zu thun hatte, denn anderer¬ 
seits Hess Maillot 12 gr des Sulfats, Stille 34 gr 
in 1 Tage nehmen, ohne dass das Leben gefährdet 
wurde. In den wenigen Fällen, in welchen Chinin 
im Uebermass und in aufgelöster Form gereicht, 
den Tod bewirkte, erfolgte derselbe gewöhnlich 
erst nach 10—12 Stunden. Die Obduction ergab 
stets bedeutende Gehirnhyperämie, auch bei den 
Thierversuchen, ferner Hyperämie der Lungen, 
weniger constant Congestion des Rückenmarks, der 
Leber und Nieren. 

Der niedrigste Grad der Intoxication, gewöhn¬ 
lich als physiologische Wirkung des Chinins be¬ 


zeichnet, zeigt vorwaltend cerebrale Erscheinungen, 
weshalb man auch von einem C/üninrausche, ivresse 
ä la Quinquina, redet; er verläuft meist in 6 bis 
12 Stunden günstig und findet sich bei den Prüfungen 
ziemlich regelmässig. Charakteristisch ist, neben 
unseren homöopathischen Prüfungen, der Selbst¬ 
versuch von Th au, der 2 gr Chin. sulf. nahm, 
nach 8 / 4 Stunden grosse Abnahme der Tastempfind¬ 
lichkeit und Dumpfheit der Schallwahrnehmungen 
bemerkte; in 1 Stunde trat Schwindel, Brausen 
vor den Ohren, Unwohlsein und leiser Halbschlummer 
ein, aus dem er, nach 1 Stunde geweckt, sich 
taumelnd erhob; er verfiel bald wieder in Halb¬ 
schlummer und lag in apathischem Zustand 4 Stuu- 
den, worauf er ohne Schwindel seiner Beschäftigung 
nachgehen konnte. 

Die Dumpfheit der Schallwahrnehmungen kann 
längere Zeit andauern und bei ausgesprochenen In- 
toxicationen kann Taubheit nicht nur mehrere Tage, 
sondern selbst Abnahme des Gehörs Jahre lang 
persistiren. 

Neben dem Acusticus wird häufig der Opticus 
afficirt, so dass Blindheit oder Gesichtstrübung zur 
Beobachtung kommt. Verlust der Sprache ist seltener. 
Alle diese Symptome, auch die Abnahme der Tast¬ 
empfindlichkeit und das Erbrechen, documentiren 
die Betheiligung des Gehirns. Kirchner fand bei 
Hunden, Katzen und Kaninchen nach interner Appli¬ 
cation von 3 gr Chin. hydrochl. intensive Hyperämie 
im Labyrinth, dessen Flüssigkeit kein Chinin ent¬ 
hielt, ausserdem Trübung und Ecchymosirung der 
Paukenhöhlenschleimhaut. Dass das Chinin einen 
Congestivzustand des Ohres bewirke, bewies auch 
Roosa (Schmidt’s Jahrbücher Bd. 174, S. 294) 
durch Versuche an 3 gesunden Collegen. 

Charcot, der gegen die Meniöre’sche Krank¬ 
heit Chinin gab, verfolgte dabei den Plan, das den 
Anfall einleitende Pfeifen im Ohr durch das Chinin¬ 
geräusch zu ersetzen, ging also quasi homöopathisch 
vor; eine junge Dame litt an plötzlichen Schwindel¬ 
anfällen mit Erbrechen und Niederstürzen, denen 
heftiges Pfeifen im Ohr voranging; durch Chinin 
in mässigen Dosen, doch gross genug, um Ohren¬ 
sausen zu bewirken, hörten die Anfälle nach einigen 
Wochen auf. Briquet erzählt, dass nach Gaben 
von 3—5 gr, innerhalb 24 Stunden mehrere Tage 
genommen, incomplete Amaurose in 4 Fällen auf¬ 
trat. Zwei Mal dauerte sie keinen ganzen Tag, 
ein Mal etwas länger, das andere Mal 1 Monat. 
Auch v. Gräfe veröffentlicht in seinem Archiv 
1857 III, S. 396 zwei charakteristische Fälle. Pro¬ 
fessor Schulz constatirte bei seinen Experimenten 
vorübergehendes Ohrensausen, Taubheitsgefühl, ein 
Mal Gehörstäuschungen; zu schweren Störungen — 
Läuten und Klingen — kam es wohl deshalb nicht, 
weil nicht, wie bei den üblichen Chinindosen, eine 

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154 


plötzliche Hyperämie des Ohres eintrat. Ferner 
fand er Flimmern vor den Augen, Schwere der 
Lider, starke Injection der Conjunctiva, alles Folgen 
einer starken Blutüberfüllung der Augen; einer der 
Herren sah mit seinem gedunsenen Gesicht, den 
rothen feuchten Augen wie ein starker Säufer aus. 

(Schluss folgt.) 


Berliner homöopathisches Allerlei. 

Die Schriftleitung der „Allgemeinen“ stellt an¬ 
dauernd dankenswerthester Weise ihre Spalten den 
Berichten zur Verfügung, die bestimmt sind, das 
Interesse der Berufsgenossen auf dem Laufenden 
zu erhalten und zu erwärmen bezüglich der Be¬ 
strebungen für das allgemeine Wohl und Wehe 
unserer gemeinsamen Sache und rechtfertigt so 
immer wieder ihren altehrwürdigen, für jeden 
homöopathischen Arzt beherzigenswerthesten, Namen 
auf das Glänzendste.*) 

In der vorletzten Nummer wurde über eine 
Eingabe bezüglich der ärztlichen Ehrengerichte in 
Preussen berichtet. Die Sache schwebt noch, wie 
aus den politischen Blättern ersichtlich, und auch 
die allopathischen Aerzte haben begonnen, sich in 
Anträgen zu regen, die Aehnliclies bezwecken 
wie wir. 

Auf dem polemischen Markt war in dem Sammel¬ 
werk Samuel-Eulenburg eine Arbeit des ersteren 
Herrn über „Medicinische Sekten“ erschienen, die 
sich bezüglich unserer Methode in altgewohnten 
Gleisen in nicht sehr aufregendem Tempo bewegte. 

Nun ist aber aus demselben Werk in diesen 
Tagen eine Arbeit von Behring erschienen: „All¬ 
gemeine Therapie der Infectionskrankheiten“, die 
das Interesse eines jeden homöopathischen Arztes 
auf das Allerwärmste in Anspruch nehmen muss. 
Es ist ja das Urtheil des Verfassers über die Ho¬ 
möopathie schon genügend bekannt; aber nirgends 
ist es so deutlich, welchen Eiertanz derselbe auf¬ 
führen muss, um über all die für die Richtigkeit 
dieser Methode sprechenden Thatsachen und Aus¬ 
sprüche — wie er selbst sagt, nach unsem jetzigen 
Kenntnissen war der Grundsatz Hahnemann’s gar 
nicht so übel — doch zu einem Verdammungs- 
urtheil kommen zu können. 

Sein einziger Vorwurf ist der übliche des Fehlens 
der Temperatursteigerung bei dem China-Experiment 
Hahnemann’s; die übrigen Sünden desselben deutet 
er mit den schon ähnlich früher gebrauchten, ein 
Urtheil aber keinen Beweis, den er bisher immer 
schuldig geblieben ist, bildenden Sätzen dunkel an: 

*) Die »Allgemeine®, erfreut über diese Anerkennung, 
wird sich derselben immer würdig und würdiger zu zei¬ 
gen bestrebt sein. D. R. 


„Wenn Hahnemann nichts weiter verbrochen 
hätte als seinen therapeutischen Grundsatz, dann 
brauchte es um seine Reputation gar nicht so schlecht 
zu stehen. Er hätte damit sogar die Mission Pasteur’s 
schon im Beginne des Jahrhunderts übernehmen 
können. Seine Sünden liegen ganz wo anders. Ihm 
fehlte das naturwissenschaftliche Gewissen Pasteur’s, 
welcher Hypothesen und Grundsätze zwar respek- 
tirte, aber doch nur insoweit, als die Thatsachen 
der Erfahrung damit übereinstimmten. ,Nous avons 
une passion impörieure, c’est Ia vörite*, war Pasteur’s 
Geständniss und Wahlspruch. Hahnemann hat diese 
naturwissenschaftliche Denkungsweise nicht gehabt. 
Schon Bretonneau kennzeichnete die praktische Ho¬ 
möopathie, bei aller Anerkennung des ihr zu Grunde 
liegenden gesunden Gedankenkeims, als Charlata- 
nerie und constatirte, dass es für die Lehre von 
der isotherapeutischen Wirkung krankheitserregen¬ 
der Stoffe gut war, wenn sie von wissenschaftlich 
denkenden Medicinern ignorirt und vergessen wurde. 
,Dans l’intöret de l’art mödical mieux vaut qu’un 
fait majeur soit oubliö que perverti 1 , ist sein hierauf 
bezüglicher Ausspruch.“ 

Diese nicht hübschen Sätze finden ihre Ent¬ 
schuldigung in dem Beweis, dass dem Verfasser 
das Wesen der Homöopathie noch nicht aufgegan¬ 
gen ist mit der kurz darauffolgenden Angabe, „die 
Homöopathie ist wie die Allopathie rein sympto- 
matologische Therapie“; allein ein gewisser unbe¬ 
haglicher Eindruck bleibt doch, dass ihn die passion 
supörieure de la veritö nicht vermocht hat, eine 
Sache erst gründlich zu studiren, ehe er solches 
über sie äussert; doch würde es auch übel ange¬ 
bracht sein, eine so wenig hoffähige Verwandtschaft 
unnöthig öffentlich anzuerkennen, sonst würde die 
streng wissenschaftliche Medicin zu dem Ausspruch 
Berechtigung haben: „Es thut mir lang’ schon weh, 
wenn ich dich in der Gesellschaft seh.“ 

Die dann folgende Zusammenstellung theilweise 
schon bekannter Thatsachen und theoretischer Aus¬ 
führungen ist dagegen so wichtig, dass jedem Col- 
legen dringend das Studium gerathen werden kann. 

Es ist unmöglich, an dieser Stelle darauf ein¬ 
zugehen, selbst auf Punkte, die so bedeutsam für 
die Homöopathie sind, wie die bekannte Hypothese 
von Ehrlich über das Zustandekommen der Immuni- 
; tät durch allmählich gesteigerte Giftzufuhr: „Die¬ 
selbe Substanz im lebenden Körper, welche, in der 
Zelle gelegen, Voraussetzung und Bedingung einer 
Vergiftung ist, wird Ursache der Heilung, wenn 
sie sich in der Blutflüssigkeit befindet.“ 

All dieses Material wird ja von den Collegen 
an Berufsgenossen Villers gesendet, welcher mit der 
Versendung der Agitationsbroschüren die Verarbei¬ 
tung dieser polemischen Artikel zu einem Aufsatz 
verbindet, der, in einer unserer Zeitschriften ab- 


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gedruckt, dem Centralverein vorgelegt, in Sonder¬ 
abzügen mit zur Versendung an die allopathischen 
Collegen kommt. 

Der bereitwilligen Mühewaltung des Collegen 
wird der Lohn nicht fehlen, waren doch unsere 
Ferienkurse wieder von 8 Aerzten besucht. Eine 
Zahl, deren verhältnissmässige Geringfügigkeit dar¬ 
auf beruht, dass wir, mit der Ehrengerichtssache 
beschäftigt, die Anzeigen im A. C. A. zu spät erst 
einrücken Hessen, was von den Herren des Kurses 
bitter beklagt wurde. 

Wie sehr unserer Sache übrigens die Streitig¬ 
keiten im eigenen Lager, die nun beigelegt sind, 
schaden, sah man aus den Aeusserungen eines der 
Herren, der auf Grund der Lektüre der Salzburger 
Verhandlungen meint, ein so streitsüchtiger Verein 
verlocke nicht zum Eintritt. 

Es wird sich also wohl empfehlen, wenn je 
solche Differenzen sich wieder ergeben, dieselben 
Heber an eine Commission zu verweisen und die 
gemeinsamen Verhandlungen lieber für die wissen¬ 
schaftlichen Gegenstände mehr als bisher frei zu 
halten, für die das thatkräftige Interesse der Col¬ 
legen ja andauernd hoffentlich mit Erfolg angerufen 
wird. 

Wie sehr zeitgemäss die diesbezüglichen Vor¬ 
schläge sind, ersieht man aus den Arbeiten unserer 
englischen Collegen, die unter ausdrücklicher Be¬ 
tonung der deutschen Veröffentlichungen eine Ma- 
teria medica in Angriff nehmen, die fast genau der 
deutschen entspricht mit grösstentheils gleichlauten¬ 
der Begründung. 

Der Plan ist ersichtlich aus der Bearbeitung 
von Kali bichromicum, von Ord im letzten Heft der 
Berliner Zeitschrift übersetzt. — Doch erscheint die 
deutsche Methode in ihren Einzelheiten empfehlens- 
werther, denn die Krankengeschichten nehmen einen 
Ungeheuern Raum fort, gehören nicht in eine Ma- 
teria medica, und das physiologische Bild erscheint 
unter mehreren Rubriken auseinander gezerrt. 

Die Forderung der Section für Materia medica 
der Britischen homöopathischen Gesellschaft nach 
einer zeitgemässen physiologischen und angewende¬ 
ten Arzneimittellehre und neuen Prüfungen fand 
Hayward sehr nothwendig. 

Sie sei nothwendig für das Ansehen der Ge¬ 
sellschaft und der Homöopathie. Uebereinstimmend 
mit den deutschen Ausführungen forderte er, 
die in allopathischen und homöopathischen Werken 
Hegenden Bausteine zusammenzutragen. Das sei 
unsere Pflicht als Wächter der Wahrheit in der 
Wissenschaft; nicht abstossend und reizend, sondern 
anziehend und überzeugend müsse das Werk sein. 

Madden und Wilkinson fordern neue Prüfungen, 
zu deren Ausführung es aber nothwendig wäre, 


dass nicht einer auf den andern warte, ob der erst 
so freundlich wäre; eine gute Mahnung auch für uns. 

Clarke, Hughes, Goldsbrough und Andere be¬ 
tonen gleichfalls die Nothwendigkeit der neuen 
Materia medica. Aus ihren und den Ausführungen 
des Ausschusses ergiebt sich: 

Auch dort besteht die Ueberzeugung der Noth- 
wendigkeit, neben den ausschlaggebenden homöo- 
| pathischen Prüfungsergebnissen die allopathischen 
! Resultate in einer Form anzuordnen, die die Richtig- 
| keit des Simileprincips auch für den Anfänger über- 
| zeugend darstellt; also einen Weg zeigt für das 
Verständniss und Studium des Mittels. 

Hier sei hinzugefügt: Es giebt eine Reihe von 
Collegen, die sich mit den Absichten der ganzen 
Arbeiten noch nicht im Geringsten vertraut gemacht, 
als Grund ihrer ablehnenden Stellung immer wie¬ 
derholen: Eine neue kritiklose Zusammenstellung 
all des alten Arzneimittelwustes brauchen wir nicht, 
wir müssen eine gereinigte Materia medica haben. 
Es sei dahingestellt, wie weit es berechtigt ist, un¬ 
sere gesammte homöopathische Arzneimittellehre in 
ihrer Zuverlässigkeit anzuzweifeln, nach unseren 
bisherigen ausgedehnten Studien für das neue Werk 
scheint die Berechtigung recht wenig berechtigt. 
Allein die neuen physiologischen Bilder mit Be¬ 
nutzung der so hoch gepriesenen objectiven Ergeb¬ 
nisse der Allopathen zeigen uns sofort einen grossen 
Theil der Symptome als absolut sicher. 

Nun kommen die Angstmeier der andern Rich¬ 
tung und sagen: das ist ein ganz gefährlicher Weg. 

Ja, meine verehrten Herren, wir werfen ja 
nichts über Bord, auch wenn es nicht in das ,,Pro¬ 
krustesbett* 1 des physiologischen Arzneibildes hinein¬ 
passt; allein wir hoffen doch durch diese neue 
Methode einen Schritt weiter zu dem noch weit 
entfernten Ideal der vollkommenen Form unserer 
Arzneimittellehre gethan zu haben, nach dessen 
Zurücklegung wir sehen werden, ob und wie weit 
wir vorwärts gekommen sind. 

Unterdessen hat uns mehr als aUe diese Cunc- 
tatoren gefördert die wackere Prüfung, im letzten 
Heft, des vielleicht wichtigsten Mittels der ganzen 
Materia medica durch die so sehr verdienten Col¬ 
legen Schier und Rischer. 

Vivant sequentes. Gisevius jun. 


Nausea et vomitus gravidarum. 

Vortrag von Dr. Franz Elliot-Kansas in der Missouri 
Valley Medical Association. 

Jeder Geburtshelfer, der sich mit der Nausea 
und dem Erbrechen der Schwangeren eingehend be¬ 
schäftigt, kommt zu dem Schlüsse, dass er mit dem 

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Versuche, dieses Problem zu lösen, eine Herkules- 
Arbeit auf sich nimmt. Kölliker hat gefunden, dass 
das Wachsthum des schwängern Uterus vorzugsweise 
auf Veränderungen in dessen Muskulatur beruht. 
Die Muskelfasern wachsen schnell und erreichen 
das 7—11 fache ihrer ursprünglichen Länge und 
das 2—5 fache der ursprünglichen Breite. Gleich¬ 
zeitig entwickeln sich neue glatte Fasern von em¬ 
bryonalen Muskelzellen, die sich besonders in der 
inneren Schicht der Gebärmutterwandung aufge¬ 
speichert finden. Man hat behauptet, dass, wenn 
dieser Vorratli von embryonalen Elementen einmal 
verbraucht ist, eine neue Schwangerschaft nicht 
mehr eintrete oder diese nicht sich vollständig ent¬ 
wickle. Dieses Wachsthum oder Hyperplasie des 
uterinen Muskelgewebes beschränkt sich auf die 
ersten fünf Monate. Es zeigt sich somit, dass die 
ganze Gebärmutter ringförmige Fasern enthält und 
thatsächlich ein Sphincter-Organ wird. 

Manche Autoren haben den Flexionen und Ver¬ 
sionen des Uterus eine grosse Bedeutung für die 
Hyperemesis gravidarum beigelegt, während Andere 
auf die Erosionen und Excoriationen hingewiesen 
haben. Andere wieder betonen die Entzündung \ 
des Beckengewebes oderPeritonaeums oder chronische 
Metritis. Wieder andere Autoren machen die chloro- 
tische Blutbeschaflenheit. einen Reizungszustand des 
Magens, Nierenstörungen, Morb. Brightii u. a. ver¬ 
antwortlich. 

Dr. Elliot stellt sich die Sache nun so vor: 

Das Ei steigt nicht in die Uterinhöhle hinab 
vor Ablauf von 12—14 Tagen nach eingetretener 
Conception, in welcher Zwischenzeit die Schleimhaut 
hypertrophisirt, während die Gewebe des Uterus 
sich wenig verändern. Bald fangt aber der Foetus an, 
von innen nach aussen einen Druck auszuüben, die 
Fasern des Uterus werden länger und breiter, es 
bildet sich neues Gewebe von den embryonalen 
Zellen her; eine reichliche Blutmenge wird für die 
Bildung der neuen Uterus-Wandung benöthigt. 
Dieses Wachsthum und der Ersatz findet vor¬ 
herrschend während des Schlafes statt, wobei das 
Blut aus seinen gewöhnlichen Kanälen zu diesem 
einen Organ hingelenkt wird. Diese beiden Be¬ 
dingungen — der intrauterine Druck und das 
schnelle Wachsthum der Gebärmutter-Muskulatur — 
bewirken auf dem Wege des Reflexes einen con- 
trahirten und folglich anaemischen Zustand des 
Magens. 

Dieser Zustand des Magens ist es nach Verf., 
welcher die Nausea der Schwangeren hervorbringt. 
Eine Gravida, sagt Verf., welche die Nacht über 
thätig bleibt, wird ein kräftiges Frühstück ohne 
Beschwerde zu sich nehmen, gestattet man ihr aber, 
während der Nacht auch nur eine Stunde zu 
schlafen, so giebt dies dem Uterus Gelegenheit, j 


mit seinem Wachsthum zu beginnen (? Ref.), sowie 
auch mit dem inner-wandigen Druck, der Magen 
wird contrahirt, und Patientin bekommt Uehelkeit 
beim Aufstehen. Wie oben gesagt, sollte man den 
Uterus als ein Sphincter-Organ betrachten; irgend 
ein Druck und irgend eine Reizung, die innerhalb 
seiner Wandungen statt hat, wird nun die benach¬ 
barten Sphincteren zur Contraction bringen. In der 
Regel findet man hier im Magen weder Empfindlich¬ 
keit noch Reizung oder gar Entzündung oder Con- 
gestion, wie man gemeinhin annimmt, sondern nur 
einen anaemischen Zustand. 

Die Gravida kann nach einem Brechanfall ein 
tüchtiges Mahl zu sich nehmen, indem das Erbrechen 
eine Erschlaffung des Magens bewirkt und damit 
eine freie Rückkehr des Blutes zum Magen ge¬ 
stattet. 

In einem Fall, wo der Foetus aus irgend welcher 
Ursache abstirbt, aber die Placenta und der Uterus 
noch sich weiter entwickeln, wird das Erbrechen 
nachlassen und die Nausea nur in unregelmässigen 
Intervallen auftreten. So wird auch eine Geschwulst 
im Uterus dieselbe Wirkung haben. 

Jener iutraabdominale Druck und die Hyper¬ 
plasie der Gebärrautterwandung sind physiologische 
Erscheinungen. Seitdem sich Verf. davon überzeugt 
hat, dass Nausea und Vomitus gravidarum auf diesen 
Bedingungen beruht, hat sich seine Behandlung 
solcher Fälle wesentlich geändert. Sie ist nicht 
daraufgerichtet, eine vermeintliche Entzündung zu 
haben, sondern eine Erschlaffung des Magens herbei¬ 
zuführen. Sind Erosionen am Cervix, so behandle 
man sie; sind Flexionen oder Versionen vorhanden, 
so mag ein gut passendes Pessarium eine Er¬ 
leichterung bringen. 

Verf. giebt dem Ehemann oder der Kranken¬ 
pflegerin Anweisung, den Magen der Patientin, be¬ 
vor diese Morgens aufsteht, zu massiren (kneten). 
Anfangs wird es etwas wehthun, wie dies heim 
Fassen einer jeden contrahirten Muskel geschieht, 
doch die Erfolge sind in manchem Falle so wunder¬ 
bar, dass die Kranke sich bald willig diesem Ver¬ 
fahren unterwirft. — Er giebt die angezeigten 
Medicamente der Patientin so lange sie noch im 
Bett liegt. Betreffs der anzuwendenden Ver¬ 
dünnungen hat sich seine Ansicht dahin geändert, 
dass er Mittel wie Secale, Caulophyllum, Cimici¬ 
fuga und Bryonia, die man bei vorhandener rheuma¬ 
tischer Diathese verordnet, nie unter der 12. Dil , 
fünf Tropfen auf die Zunge, im Bette gehen soll.— 

. Andere nützliche Mittel sind Bell. 2. Dil. (? ! Ref.), 
Lobelia 1., Ipec. 1., Nux 8., Phosphor, acid. 2., 
Camphora monobrom. 2., Cocain 3. Dil. Pulsatilla 
ist besonders nützlich, wo der Magen contrahirt 
und aufwärts gezogen auf das Zwerchfell drückt 
| und Schmerz unter dem Brustbein verursacht — 


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ein Zustand, den man oft antrifft und durch Pulsat. 
beschwichtigen kann. — 

In Fftllen, wo das Leiden einen gefährlichen 
Charakter anzunehmen droht, kann man seine Zu¬ 
flucht noch zu manchem Palliativ-Mittel nehmen, 
so Bestreichen des Cervix mit Bell.-Salbe, was eine 
Erschlaffung des Magens zur Folge hat, Dilatation 
des äusseren Muttermundes etc. — M. 


Vom BUchertische. 

Der krankmachende Einfluss 
atmosphärischer Luftdrnckschwankungen 
(barometrisches Minima). 

Ein Beitrag zur Lehre von den Ursachen der Früh¬ 
jahrs- und Herbsterkrankungen, insbesondere der 
Influenza. 

Von Dr. Heinrich Lahmann. 

Stuttgart. A. Zimmer’s Verlag (Ernst Mohrmann). 
1899. 

Besprochen von Dr. Mossa. 

Dr. Lahmann hat in dem uns vorliegenden 
Schriftchen, auf Grund eigener Beobachtungen, die 
atmosphärischen Luftdruckschwankungen, zumal die 
barometrischen Minima, in ihrem Einfluss auf die 
Entstehung von Frühjahrs- und Herbsterkrankungen 
festzustellen, und so einen Beitrag zur Aetiologie 
der Lehre vom Genius epidemicus zu liefern sich 
bemüht Sehr gut bemerkt er: „Wenn wir un¬ 
serem Zeitalter in Bezug auf die Medicin ein all¬ 
gemeines charakteristisches Beiwort geben wollen, 
so ist es das der ursächlichen Forschung . M Zu¬ 
nächst freilich kommt die Ausbeute der Bacterio- 
logie, „vorausgesetzt, dass die auf dem Pilzfunde 
aufgebauten Theorieen in eine brauchbare Praxis 
übersetzt wären, aber den an gewissen Infections- 
krankheiten Leidenden zu Gute. Die viel zahl¬ 
reicheren Kranken anderer Art gehen dabei leer 
aus.“ 

Hier kommen zuvörderst die auf diätetischem 
Gebiete liegenden, biochemischen Momente, die 
diätetische Blutentmischung, wie Lahmann es nennt, 
in Betracht, zum Andern die individuelle Disposition. 
Ein wichtiger Moment aber, die meteorologische 
und tellurischen Einflüsse sind in ihrer pathogenen 
Einwirkung noch nicht gründlich klargelegtworden — 
und doch ist die Thatsache von der Periodicität 
gewisser Seuchen unläugbar, und drängt sich dem 
Kliniker der Genius epidemicus in seiner Praxis 
immer wieder und wieder auf — und die Beobach¬ 
tung, dass der Herbst und das Frühjahr in unserer 
Zone die höchste Erkrankungsziffer darbiete, liegt 
vor Allem da. 


In der That, sagen wir, nicht nur die Lebens¬ 
weise, die Diätetik, sondern auch, und wohl in noch 
höherem Maasse, die veränderte Atmosphäre ist für 
die Aetiologie, Pathologie und Therapie ein wesent¬ 
liches Moment. 

Verf. machte zunächst bei den in seiner An¬ 
stalt befindlichen Neurasthenikern die Beobachtung, 
dass bei ihnen in unregelmässigen Zeitabschnitten 
wiederkehrende, oft nur wenige Tage andauernde, 
bei der Mehrzahl der Kranken übereinstimmende 
Veränderungen im Befinden, theils Störunge** 
Verdauungsgebiet, im Circulationsapparat, theiL 
sensiblen Nervenbahnen oder im seelischen Zu 
stände sich geltend machten. 

Diese kritischen Schwankungen fielen über¬ 
wiegend auf kritische Tage nach Falb, aber nur 
solche, an denen barometrische Minima beobachtet 
wurden. 

Es handelte sich also hierbei um plötzliche Ver¬ 
minderung des Luftdrucks. 

Damit wird auch der Druck, den die Luft auf 
unseren Körper ausübt, geringer werden, und dies 
wird sich in den Functionen unseres Magendarm¬ 
kanals, der Lungen und des Gefässsystems äussern. 
Die physikalischen und physiologischen Bedingun- 
| gen, die hier in Wechselwirkung treten, und die 
| daraus sich ergebenden pathologischen Erscheinungen, 

| werden dann, zunächst also theoretisch, aufgestellt, 
sodann an den Wirkungen von Luftdruckschwankun¬ 
gen an gesunden Menschen, an Arbeitern im Caisson 
(Senkkasten bei Brückenbauten) und Bergsteigern, 
erhärtet. In den Caissons gewöhnen sich die Ar¬ 
beiter, wie die Gebrüder Tauszk beobachtet haben, 
bald an den daselbst herrschenden Luftdruck von 
2,5 Atmosphären: der anfängliche Schwindel, das 
Herzklopfen, die Dyspnoe verlieren sich später 
gänzlich. Aber beim Verlassen der Kasten stellt 
sich eine Reihe krankhafter Empfindungen ein: 
„Viele klagen über Kältegefühl in den unteren 
Extremitäten und über diffuse rheumatoide Schmer¬ 
zen in denselben. Letztere schrieben die Leute 
der kalten Luft zu, obwohl zwischen der T. im 
Caisson und der Aussenluft kein wesentlicher Unter¬ 
schied zu constatiren war. Thatsächlich suchten 
sie nach Verlassen des Caissons beim warmen Ofen 
Linderung gegen die Parasthesien! 

In der von gedachtem Autoren veröffentlichten 
Krankheitsgeschichte beginnt die Erkrankung im 
Augenblick, wo die Leute den Kasten verlassen, 
wo sie also plötzlich aus einer Luft mit einem 
Druck von 2,5 Atmosphären herauskommen. Dem¬ 
nach, schliesst Dr. Lahmann, ist es der plötzlich 
verminderte Luftdruck, der jene Erkrankungen ver¬ 
ursacht. 

v. Liebig hat in seiner Abhandlung: „Der Luft¬ 
druck in den pneumatischen Kammern und auf 


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158 


Höhen“ dargethan, dass unter vermindertem Luft¬ 
druck die Ausdehnung der Lunge sich verringert, 
wodurch die Athmung erschwert, und ein Gefühl 
von Beklommenheit erzeugt wird. In einem Experi¬ 
ment bei 429 mm Barometerstand (wie etwa oben 
auf dem Mont Blanc) bekam er mehrmaliges Auf- 
stossen. Betreffs der Blutvertheilung führt er eine 
Beobachtung Lortet’s an, bei der auf dem Mont 
Blanc bei 4500 m Höhe die Venen der Hände , 
der Vorderarme und der Schläfen sehr stark an¬ 
geschwollen waren; die Gesichtsfarbe wurde blass und 
cyanotisch; es traten starke Kopfschmerzen auf und 
Alle litten an Kälte der Hände und, Füsse . Dieses 
war auf der Höhe, in welcher Schlafsucht und 
Uebelkeit eintrat. — Nasenbluten bringt Erleichte¬ 
rung. Tschudi erwähnt blutige Diarrhöeen als häu¬ 
fige Begleiterscheinung der Bergkrankheit im Hoch¬ 
lande von Peru. 

Die Barometerabfälle von 20 bis 80 mm Queck¬ 
silbersäule bedeuten nuu aber etwa soviel, als wenn 
man plötzlich in eine um 200 bis 300 m höhere 
Lage versetzt werde und daraus lässt sich ermessen, 
wie solche Einflüsse auf empfindlichere Nerven¬ 
systeme einwirken. 

in Bezug auf den elastischen Brustkorb und 
zumal die elastische Lunge hat man diese Ein¬ 
wirkung schon gewürdigt; in Bezug auf den weichen 
Bauch mit seinem quasi flüssigen und gasförmigen 
Inhalt ist dieses weniger geschehen, und unterzieht 
sich Verf. eingehend dieser Aufgabe, wobei die 
pathologischen Verhältnisse, wie sie beim vasomoto¬ 
rischen und sympathischen (abdominellen) Neura¬ 
stheniker sich ausbilden, ganz treffend geschildert 
und begründet werden. 

Indessen nicht nur bei nervösen, sondern auch 
anders gearteten Constitutionen macht sich die Ver¬ 
minderung des Luftdrucks geltend; zumal in den 
Uebergangsjahreszeiten, die für den Menschen, wie 
die für die Thiere schwächende Mauserungsperiode, 
von Störungen in der Wärmeregulirung so allge¬ 
mein begleitet sind. Hier sind Perioden von starken, 
häufigen Luftdruckschwankungen gegeben, die dann 
auch die Ursachen für endemisch oder epidemisch 
verbreitete katarrhalische, anginöse und rheumatische 
Krankheitsformen bilden werden. 

Nach Verf. Beobachtungen ist aber nicht jeder 
Barometerahfall an sich „kritisch“, d. h. von auf¬ 
fallend weithin krankmachender Wirkung, sondern 
dies hängt von der Art des Abfalls, vom vorherigen 
Verhalten des Luftdrucks und nicht zum mindesten 
von der allgemeinen Wetterlage und Temperatur 
ab. Beispielsweise werden wir im Sommer weit 
seltener verbreitete, höchstens individuelle Klagen 
bei Barometerstürzen vernehmen. Manche starke 
Depression des Luftdrucks kann durch eine plötz¬ 
liche Erhöhung der T. ausgeglichen werden, da | 


die periphere Durchblutung durch den Wärmereiz 
erhöht wird; andernfalls kann manche schwache 
Depression durch grossen Temperatursturz in ihrer 
Wirkung verstärkt werden. Langsam eintretende, 
schleichende Barometerminima sind für Viele be¬ 
deutungslos; folgen sich aber zwei oder drei schnell 
(im Laufe von 1 — 3 Tagen) aufeinander, so kann 
man eine cumulirende Wirkung constatiren. Dass 
der eine schon bei Beginn des Abfalls, während 
andere das Maximum ihrer Beschwerden erst 1 bis 
2 Tage später haben, erklärt sich aus der indivi¬ 
duellen Verschiedenheit in der Perception von 
Reizen. 

Verf. sucht nun an der Hand eines umfang¬ 
reichen Beobachtungsmaterials, unter dem die 
Neurastheniker vorwiegen, und unter Benutzung 
graphischer Kurven die von ihm bisher erörterte 
Theorie über solche „kritische Perioden“ durch 
praktische Beispiele zu bestätigen und fordert die 
Collegen zur Nachprüfung der von ihm festgestellten 
Thatsachen auf. Eine gute Illustration von der prak¬ 
tischen Bedeutung des Zusammenhanges zwischen 
atmosphärischen Einflüssen und temporärer Krank¬ 
heitsdisposition liefern die Witterungs- und Krank¬ 
heits-Verhältnisse des Winters von 1898/99, deren 
Nachwirkung wir im laufenden Jahre noch deut¬ 
lich verspüren. Wenn nun Verf. den Schwankungen 
des Luftdrucks hierbei den wesentlichen Einfluss 
zuschreibt, so verkennt er doch nicht, dass noch 
manche andere Momente dabei mitwirken können. 
Er sagt p. 31: „Man wird gleich uns die Bemer¬ 
kung machen, dass das labile Gleichgewicht im 
Nervensystem der Neurastheniker und der periodi¬ 
schen Neurastheniker, d.h. der mit einem feinfühligen 
Nervensystem Ausgestatteten, von vielerlei atmo¬ 
sphärischen Einflüssen tangirt wird, z. B. von der 
Temperatur, von der Feuchtigkeit der Luft, von 
WärmestrahlungsVerhältnissen, von der Luftbewe- 
gung, sicher auch von der Luftelektrizität (und 
dem Ozongehalt. Ref.). w 

Manche praktische Winke für Prophylate und 
Therapie werden dem Leser willkommen sein. — 
Nach Allem könuen wir diese Schrift Dr. Lahmann’s, 
die viel Anregendes und praktisch Verwerthbares 
darbietet, dem Studium unserer Collegen empfehlen. 


LesefrUchte. 

Perityphlitis. 

Dr. Gustav Kohen ist kein Freund der opera¬ 
tiven Behandlung der Perityphlitis, zumal in der 
Privatpraxis, wo sich die Prognose ganz anders 
stellt als in der des Spitals. Der praktische Arzt 
bekommt den Kranken meist viel früher in Be¬ 
handlung, spätestens 5 — 6 Stunden, auch fällt hier 


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159 


die für den Kranken höchst nachtheilige Wagen¬ 
fahrt weg. Daher die Neigung der Chirurgen zum 
operativen Eingriff! — Dagegen erkennt Autor die 
Berechtigung der Operation in anfallsfreiem Stadium 
(? Ref.) an, besonders bei der arbeitenden Klasse; 
sonst sprechen seine Erfahrungen jedoch dafür, dass 
man auch ohne Operation auskommen kann , da er 
seit 15 Jahren 65 Kranke mit 110 Anfällen be¬ 
handelt hat, von denen nur 1 gestorben ist (Sepsis?), 
1 opeinrt wurde , alle anderen wurden ohne Opera¬ 
tion geheilt, obwohl schwere und complicirte Fälle 
darunter waren . Er fand, dass Recidive nach den 
schweren Fällen seltener auftreten als nach leich¬ 
ten. — Der perityphlitische Tumor bestehe aus pare- 
tischen und miteinander verklebten Darmschlingen. 
Das bei der Palpation so oft gefühlte Gurren ist 


ein Zeichen beginnender Darm-Lähmung. In solchen 
Fällen giebt er statt Opium kleine Dosen Bitter¬ 
wasser. — Oft wird beim Eindrücken nicht über 
Schmerzen geklagt, die jedoch bei nachgelassenem 
Drucke sofort erscheinen. — In fieberlosen Fällen 
mit häufigen Recidiven, wo die Kranken Schmerzen 
haben und der Tumor sofort in Beginn des Anfalls 
erscheint, hat Autor eine leichte Massage sehr wirk¬ 
sam befunden; bei kreisförmigen Reibungen ver¬ 
kleinert sich die Geschwulst unter dem Finger und 
ist oft nach 15 Min. langer Massage ganz ver¬ 
schwunden; am nächsten Tage ist sie wieder da, 
aber kleiner, und massirt man dann weiter, bis 
etwa nach 14 Tagen dauernde Heilung einge¬ 
treten ist. 

(Excerpta medica. V. No. 6. p. 253.) 


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Dr. med. Gotthold Layer, 

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ist von Pforzheim nach Wildbad (Württ. Schwarzwald), 
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Inhalt. Die physiologische Wirkung der Chinarinde und der Chininsalbe. Bearbeitet für die neue deutsche 
Arzneimittellehre von Dr. Schier, Mainz. (Schluss.) — Ehrengerieht und Medicinalreform. Von Dr. A. Sperling. 
Referat von Dr. Stiegele junior im Verein der homöopathischen Aerzte Stuttgarts am 20. April 1899. — Hautaffectio- 
nen bei Diabetikern. Heilwirkung von Karlsbad *Dr. Kafka. Von M. — Keine Abrüstung. Von Dr. Mossa. — Meli- 
lotus. Von M. — Kalium jodatum in Neuralgia. — Sabal serrulata (Saw Palmetto) bei Prostata-Hypertrophie. Von 
Dr. W. Reily. — Rüokensymptome in Bezug auf die Menstruation. Von M. — Antipyrin. Von Dr. S. J. van Roijen. — Kali 
biehromicum in seiner Wirkung auf die Augen. Von M. — Lesefrüchte. — Todes anzeigen. — Danksagung. — Anzeigen. 


Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Die physiologische Wirkung der Chinarinde 
und der Chininsalbe. 

Bearbeitet für die neue deutsche Arzneimittellehre 
von Dr. Schier, Mainz. 

(Schluss.) 

Sehr ausgesprochen ist die Wirkung des Chinins 
auf einige Complexe des sensiblen Nervensystems, 
am deutlichsten auf den Trigeminus; typisch ist das 
Interrnittiren der Beschwerden, welche im Einzelnen 
im symptomatischen Abschnitte beschrieben sind, so¬ 
wie die Entstehung und Verschlimmerung der Sym¬ 
ptome durch Bewegung. 

Bertholle (Schmidt’s Jahrbücher 138, S. 21) 
beseitigte mit 0,6 gr Chinin hysterische Paroxys- 
men, die bei einer jungen Frau seit 3 Monaten 
alle Abende auftraten und 4 Stunden anhielten; 
die gleiche Gabe reichte hin, eine seit 10 Jahren 
jede Woche erscheinende Cepbalalgie zu beseitigen, 
ebenso günstige Wirkungen erzielten Döbout und 
Serre von Chinin bei hemikranischen Anfällen, die 
wöchentlich, halbwöchentlich und monatlich auf¬ 
traten. 

Auch Schuh und Fischer (Schmidt’s Jahr¬ 
bücher Bd. 122) sowie viele andere Forscher be¬ 
stätigen die bezüglichen charakteristischen Sym¬ 
ptome, welche Hahnemann und seine Schüler in 
ihren Prüfungen mit Chinarinde eruirten. 


Die Wirkung der Chinarinde auf die Temperatur 
ist schon oben bei Beschreibung der Allgemeiti- 
wirkung unseres Mittels hervorgehoben worden; es 
wurde dort auch betont,* dass das Chinin als die 
Temperatur herabsetzendes Mittel um so intensiver 
wirke, je ähnlicher in ihren Lebensbedingungen 
die betreffenden Krankheitserreger den Malaria¬ 
protozoen organisirt seien. Manassein will durch 
grosse Gaben des salzsauren Chinins fast völlige 
Unterdrückung des künstlichen putriden Fiebers er¬ 
zielt haben, jedoch nur durch an sich lebensgefähr¬ 
liche Dosen. 

Buchanan Baxter hält höchstens eine Be¬ 
schränkung septischer Processe, nicht aber eine Ver¬ 
nichtung der Mikrozoen im Blute für möglich. Auch 
Thier versuche von Binz und Fickert gaben keines¬ 
wegs zufriedenstellende Resultate, es wurde nur 
mitunter der Eintritt des Todes hinausgeschoben 
und die Höhe des Fiebers gemildert. Vulpian 
und Bochefontaine halten es nach ihren Ver¬ 
suchen geradezu für unmöglich, bei Septicämischen 
eine Vernichtung der Vibrioniden zu bewirken, da 
die Einführung von 17 gr Chinin erforderlich wäre. 
Ferrari hat wegen der Analogie mit dem Sumpf- 
tieber des Menschen Hunderte von milzbrandkranken 
Thieren mit Chinin behandelt, nach seiner Statistik 
mit ausgezeichnetem Erfolg. 

Nach Skoda unterbricht Chinin bei Pneumonie 

21 


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162 


mit intermittirendem Fieber die Paroxysmen, hemmt 
auch die Entwicklung des entzündlichen Infiltrats 
und ist vortheilhaft zur Bekämpfung der Athem- 
notli, bei unregelmässigen, schnellen und unaus¬ 
giebigen Contractionen des Herzens, wenn diese 
durch Erschöpfung der Nervenkraft bedingt sind. 

Wir kommen damit zur Besprechung der Be¬ 
einflussung von Kreislauf - und Athmungsorganen 
durch unser Mittel. 

Im Allgemeinen tritt nach kleinen Dosen eine 
geringe Vermehrung der Herzschläge und Steige¬ 
rung des Blutdruckes, nach grossen Dosen eine 
Verringerung der Pulsfrequenz und arteriellen 
Druckes ein. In der Mehrzahl der Beobachtungen 
von Prof. Schulz zeigte sich eine beträchtliche 
Steigerung der Herzthätigkeit, bei 2 stieg die Herz- 
action nur am Morgen, sank aber Mittags und 
Abends fast bis zur Norm, bei 2 endlich bestand 
während der ganzen Versuchszeit eine deutliche 
Verminderung der Herzthätigkeit. Die Beeinflussung 
der Gefässe zeigte sich in einer Schädigung ihrer 
Form, die sich oft schon durch ein gedunsenes 
Aussehen und eine Injection der Conjunctiva äusserte, 
diese Einwirkung auf Herz und Gefasse war keine 
ganz gleichmässige, sondern mehr eine periodische, 
wenigstens trat in allen Fällen, nachdem die Chinin¬ 
wirkung bereits deutlich Platz gegriffen hatte, für 
1 oder 2 Tage ein deutlicher Nachlass der Sym¬ 
ptome ein. Die Experimentalstudien, welche La borde 
an Kaninchen, Hunden und Fröschen vornahm, er¬ 
gaben ähnliche Resultate. Der functionellen Steige¬ 
rung des Herzmuskels Folgte — nach stärkeren 
Dosen — ein fortschreitendes Abfallen mit zu¬ 
nehmenden lntermittenzen und Abschwächung des 
Herzstosses, welcher allmählich in eine Art Zittern 
überging, endlich Asphyxie und wirkliche Asystolie; 
es sind daher starke Chiningaben in doppelter 
Weise geeignet, eine Aufhebung der Herzthätig¬ 
keit zu veranlassen: Durch Ueberreizung oder durch 
functionelle Erschöpfung in Folge der ataktischen 
Erscheinungen, und diese Wirkung legt, zumal bei 
prädisponirenden krankhaften Zuständen, die Ver- 
muthung eines Zusammenhanges mit den mehrfach 
beobachteten plötzlichen Todesfällen bei Typhus 
und Fieber ähnlicher Art durch Herzsynkope sehr 
nahe. 

Die Puls Verlangsamung ist, nach Eulenburg, 
vom Vagus unabhängig, da vorherige Vagusdurch¬ 
schneidung dieselbe nicht modificirt, und resultirt 
entweder aus Lähmung der automatischen Erregungs¬ 
ganglien im Herzen, oder aus Schwächung des 
Herzmuskels oder aus beiden zugleich. 

Auch die Respirationsthätigkeit wird durch 
grössere Gaben Chinin vermittelst Beeinflussung des 
Respirationscentrums retardirt und abgeschwächt, 
schliesslich gelähmt, wobei künstliche Respiration 


den Eintritt des Todes verzögern kann; einige Ex¬ 
perimentatoren (Baldwin u. A.) constatiren hierbei 
Stasen und Lungenhepatisation. Dass das Chinin 
auch auf die Gefassnerven der Lunge durch peri¬ 
pherische Reizung wirkt, beweist, abgesehen von 
der bekannten Allgemeinwirkung auf das Blutsystem, 
die Entwicklung der Hyperaemia neuroparalytica, 
von welcher Baldwin, Malier und Andere sprechen, 
und die auch Simon bestätigt, der nach grossen 
Chinindosen in 4 Fällen Bluthusten eintreten sah, 
welcher jedesmal nach Weglassen des Mittels aus¬ 
blieb und von gar keinen organischen Verände¬ 
rungen in den Lungen oder im Herzen begleitet 
war. 

Schon in minimalen Gaben erregt das Chinin 
einen bittern Geschmack auf der Zunge. Buch¬ 
heim und Engel geben für weinsaures Chinin eine 
Verdünnung von 1 : 10000 als wahrnehmbares Mi¬ 
nimum an (weinsaures Morphin 1 :2000, weinsaures 
Strychnin 1 : 48000). Kleine Gaben von Chinin¬ 
salzen regen die Secretion des Magensaftes an und 
wirken dadurch günstig auf die Verdauung, sie 
veranlassen aber auch in manchen Fällen reflecto- 
risch Vermehrung der Speichelsecretion und Er¬ 
brechen. Bei einem an Quartana leidenden Manne 
wurde nach Darreichung von 1,25 gr Chinin mehr¬ 
stündiger Speichelfluss beobachtet. Das Erbrechen 
ist zuweilen auf directe Reizung der Magenschleim¬ 
haut zurückzuführen, in manchen Fällen aber nur 
ein Ausdruck des beginnenden Chininrausches, denn 
es stellt sich auch nach subcutaner Application ein. 
Bei längerem Gebrauche auch kleiner Gaben kann 
Chinin gastrische Störungen, Hitze und Druck im 
Epigastrium, Verlust des Appetits, Empfindlichkeit 
gegen äusseren Druck, Meteorismus, Ekel, auch 
Diarrhöe bewirken. 

Auch Prof. Schulz constatirte bei seinen ein¬ 
schlägigen Versuchen anfangs nur leichte Reiz¬ 
symptome, später die verschiedenen Erscheinungen 
des Magendarmkatarrhs. Er meint, dass diese Ver¬ 
dauungsstörungen nicht durch directe Chininwirkung, 
sondern durch eine Alteration der Blutzufuhr zu 
Magen und Darm zu erklären seien, indem die ver¬ 
änderte Blutzufuhr die secretorischen Verhältnisse 
und die Thätigkeit der glatten Muskulatur beein¬ 
flusse. Von einer entfernten Nervenwirkung könne 
hier ebensowenig die Rede sein, wie bei der Milz, 
die auch dann noch zur Contraction durch Chinin 
angeregt wird, wenn ihre sämmtlichen Nerven durch¬ 
schnitten sind. 

In auffallender Weise beeinflusst nämlich das 
Chinin die Milz , welche sowohl im Zustande patho¬ 
logischer Vergrösserung als im physiologischen durch 
kräftige Dosen eine entschiedene Verkleinerung er¬ 
fährt. Die Thierversuche von Jerusalimsky u. A. 
beweisen auf das Evidenteste, dass die Milz durch 


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163 


Chinin sowohl in ihrem Aussehen stark verändert Atonie als auch während der Gravidität, so dass 
wird als auch hinsichtlich ihrer Consistenz; sie wird 1 Abortus herbeigeführt werden kann. Auch bei 
fest, derb, die Oberfläche nicht gleichmässig, son- trächtigen Thieren ist abortive Wirkung von Chinin 
dern stellenweise granulirt, die Farbe verändert sich nicht selten (Chirone, Dupuis, Laborde). Chi- 
von der grau-röthlichen in eine violett-hellrothe, rone hält die Contraction des Uterus ebenso wie 
stellenweise bilden sich kleine Anschwellungen von diejenige der Milz durch Chinin für Folge einer 
bläulicher Farbe; die Verkleinerung des Volumens Wirkung auf die glatten Muskelfasern, welche sich 
ist schon einige Minuten nach Einführen des Chinins nach seinen Versuchen auch an den Gefässen und 
eine bedeutende. Diese Chininwirkung ist, wie ! an der Darmmuskulatur zu erkennen giebt, indem 
ebenfalls durch Thierversuche als zweifellos eruirt | Zunahme der Peristaltik und gleichzeitig des Darm¬ 
ist, eine rein locale durch Beeinflussung der Gefass- | lumens bei Thieren hervortreten, 
muskeln oder der Muskeln der Trabecula oder bei- | Affectionen der Haut durch Chinin sind, auch 
der zu gleicher Zeit. Die Abschwellung der Fieber- i nach kleinen Dosen, etwas Gewöhnliches. Diese 
railz und das Verschwinden der überhaupt noch j Arzneiexantheme treten auf in Form von Urticaria, 
reparablen Milztumoren bei Malariaerkrankung in j Erythema diffusum, ja selbst universellem Eczem 
Folge von Chinindarreichung wird uns durch den (Wa Ile n berg) und Purpurahaemorrkagica(Dumas) 
nämlichen Gedanken klar. Ist das Nisten des Auf die entblösste Haut in Pulverform gebracht 
Malariagiftes in der Milz, naph Klebs und Tom- , oder subcutan in Lösung injicirt, bedingen Chinin- 
masi, die Ursache ihres Anschwel lens, so ergiebt | salze meist Schmerz und nicht selten Entzündung 
sich ziemlich einfach, dass mit der Ursache auch j und Abscedirung, nach Trousseau endermisch so- 
die Wirkung aufhören muss. gar Schorfbildung. Erwähnenswerth ist hier das 

Auch die Thätigkeit des Chinins bei sonstigen Exanthem in Chininfabriken, welches als Knötchen-- 
mit Milzanschwellung verlaufenden Fiebern ist er- bildung an verschiedenen Körpertheilen, namentlich 


klärlich durch Wirkung auf die krankheitserregen¬ 
den Organismen einerseits, durch Einschränkung der 
krankhaft gesteigerten Arbeit des Organs anderer¬ 
seits. Wo ein in der Milz lange hausendes Krank¬ 
heitsgift die Gewebe des Organs eingreifend entartet 
hat, da ist, wie das die Erfahrung u. A. bei der 
Amyloidmilz zeigt, das Chinin machtlos, um so 
machtloser, je unähnlicher das krankmachende Agens 
dem Malariagift gegenüber sich verhält. 

Nieren und Hamxcege werden ebenfalls von 
unserem Mittel afficirt. Da es zum grössten Theile 
durch den Harn ausgeschieden wird, so kann es, 
wie schon Briquet anführt, in grossen Gaben Al¬ 
buminurie erregen, sowie katarrhalische Entzündung 
in der Blase. Aehnliche Störungen, Ischurie und 
Strangurie, hat Duchassaing in Tropengegenden 
häufig neben Hämaturie nach Verordnung grösserer I 
Dosen Chininsulfat beobachtet. Auch von sicilia- I 
nischen und griechischen Aerzten ist in den letzten 
Jahrzehnten das Auftreten von Hämaturie oder Hä¬ 
moglobinurie als directe Folge des Chiningebrauches 
constatirt. Tomaselli in Catania hat 1874 einige 
Fälle mitgetheilt, wonach bei schweren Sumpffiebern 
schon wenige Decigramme Chinin blutigen Harn 
und Icterus hervorrufen. Doch gehen auch hier, 
wie bei Mercur und Syphilis, die Ansichten der 
Autoren auseinander, ob die citirten Erscheinungen 
auf das Krankheitsgift oder auf das Heilmittel zu¬ 
rückzuführen seien, eine Bestätigung des Aehnlich- 
keitsgesetzes, wie sie eclatanter kaum denkbar ist. 

Analoge Wirkung wie auf die Milz besitzt das 
Chinin auch auf den Uterus , den es zu Contractio- I 
wen reizt, sowohl im Puerperium bei bestehender j 


Armen und Beinen, verbunden mit Anschwellung 
| der Genitalien und Röthung der Augen auftritt 
! und häufig die Arbeiter zum Aufgeben ihrer Be- 
| schäftigung zwingt. Zur Erklärung reicht die An¬ 
nahme einer vasomotorischen Reflexneurose nicht 
I aus, da hierdurch schwerlich eine solch enorme 
1 Exsudation erzeugt würde, wie dies in einzelnen 
an Scarlatina erinnernden universellen Exanthemen 
dieser Art der Fall ist. 

Im Blute erfolgt nur eine sehr beschränkte 
Veränderung des Chinins, so dass dasselbe fast oder 
ganz vollständig sowohl bei Gesunden als bei Fiebern¬ 
den in den Secreten unverändert erscheint, zum 
grössten Theile im Harn, und zwar ist in den 
meisten Fällen die Elimination in 2—-3 Tagen be¬ 
endet. Eine theilweise Veränderung des Chinins 
im Organismus in amorphes Chinin und ein Oxy- 
dationsproduct Dihydroxylchinin oder eine diesem 
Körper nahestehende Verbindung (Chitenin nach 
Skr au p) ist von Kerner nachgewieseu. 


Ehrengericht und Medicinalreform. 

Von Dr. A. Sperling. 

Referat von Dr. Stiegele junior im Verein der ho¬ 
möopathischen Aerzte Stuttgarts am 20. April 1899. 

Zuerst wendet sich der Verfasser gegen die in 
der Vorlage ausgesprochene Absicht, die staatliche 
Controle mit Aufbietung eines grösseren Beamten¬ 
apparates in die Institution hereinzuziehen. Er 
plaidirt für die „freien“ Ehrengerichte, die voll- 


21 * 


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164 


ständig einen internen Charakter haben und sich 
in Sachsen bereits bewährt haben, wo der Staat 
nur die kleine Nachhilfe nöthig hatte, den Beitritt 
zu den Bezirksvereinen für alle Aerzte obligatorisch 
zu machen. Die Nothwendigkeit der grossen ge¬ 
planten Massregel, der Einrichtung von staatlichen 
Ehrengerichten, scheint ihm wenig befriedigend be¬ 
gründet zu sein. Die Zahl der in den 10 Jahren 
des Bestehens der Aerztekammem zur Aburtheilung 
gelangten Fälle beträgt nur 265. Bei der Wür- 
digung des statistischen Materials fehlte aber eine 
wichtige Zusammenstellung all der Fälle, die schon 
in den ärztlichen Vereinen zur Verhandlung kamen; 
dieses erweiterte statistische Material würde den Be¬ 
weis liefern, dass die künftigen Ehrengerichte sich 
im Grunde nur mit Lappalien zu beschäftigen 
haben werden, die keineswegs geeignet sein dürften, 
das Gefühl der Beunruhigung in der Aerzteschaft 
aufkommen zu lassen. Sperling glaubt, dass hier¬ 
für (Reclameunwesen, Kurpfuscherei, persönliche 
Beleidigungen) die intimen ärztlichen Ehrengerichte 
genügen würden. 

Es würde sich aus dieser Zusammenstellung 
aber auch zeigen, dass die oben berührten Ver¬ 
fehlungen einzelner Aerzte zum Theil auf der Ent¬ 
wicklung der socialen Verhältnisse beruhen. Die 
Verringerung der Geldleistung für die gethane Be¬ 
rufsarbeit seit dem Bestehen des Kranken-Versiche- 
rungs-Gesetzes drückte einerseits die moralische Be- 
werthung der ärztlichen Thätigkeit, wie sie anderer¬ 
seits ein gegenseitiges Unterbieten und Wettlaufen 
um die Gunst der Kassen Vorstände zur Folge hatte. 
Durch die Einführung der freien Arztwahl, die in 
die misslichen Verhältnisse einige Besserung brachte, 
und die durch die alleinige Energie der Aerzte¬ 
schaft zu Stande kam, hat sich aber doch wieder 
gezeigt, dass dieselbe zu kräftiger Selbsthilfe durch¬ 
aus geeignet ist, ihr also auch die Verwaltung des 
Ehrengerichts überlassen werden kann. 

Bei Betrachtung der an zweiter Stelle der Be¬ 
gründung vorgeführten Punkte ist ebenfalls Ver¬ 
schiedenes einzuwenden. Es wird darauf hinge¬ 
wiesen, dass ein jahrzehntelanger Wunsch der 
Aerzteschaft durch die Gesetzesvorlage seine Be¬ 
friedigung finden solle. Dabei wird eine Kund¬ 
gebung des ärztlichen Vereins zu Köln aus dem 
Jahre 1842 angeführt. Die 57 Jahre mit ihren 
grossen socialen Umgestaltungen, die seither ver¬ 
strichen sind, dürften aber die Beweiskraft des ge¬ 
nannten Urtheils erheblich abschwächen, abgesehen 
davon, dass sich die Kölner Herren für rein ärzt¬ 
liche Ehrengerichte aussprachen. 

Mehr Beachtung verdienen die neueren Stimmen 
aus der Aerzte weit. Verfasser glaubt, dass es nicht 
bestritten werden kann, dass die Aerzteschaft im 
grossen Ganzen der von dem Entwurf vorgeschlage¬ 


nen staatlichen Form der Ehrengerichte viel mehr 
abgeneigt ist, als es nach den Beschlüssen der 
Aerztekammem den Anschein hat. Den hervor¬ 
tretenden Zwiespalt zwischen den Aerzten und den 
Aerztekammem erklärt Sperling damit, dass sich 
in den Aerztekammem der amtliche Einfluss be¬ 
reits sehr geltend macht. Die Thatsache ferner, 
dass der Ausschuss der Aerztekammem sich mit 9 
gegen 3 Stimmen dahin ausgesprochen hat, auf 
die Aufnahme des Satzes über die Nichtzuständig¬ 
keit des Ehrengerichts für politische, wissenschaft¬ 
liche und religiöse Ansichten der Aerzte verzichten 
zu wollen, findet eine einigermassen entschuldigende 
Erklärung darin, dass die langwährende Nicht¬ 
erfüllung des Wunsches der Aerzte weit nach einer 
Reform der Medicinalangelegenheiten die Ansprüche 
herabgedrückt und zu dem Entschluss geführt ha^, 
sich wenigstens des hingehaltenen Strohhalmes zu 
bemächtigen. Durch dieses Verhalten, der Preis- 
gebung eines grossen Stückes Freiheit, tritt zu 
Tage, dass die politische und sociale Stellung der 
Aerzte nur eine niedrige Stufe erreicht hat. Zur 
Lösung grosser Aufgaben sind sie nie herangezogen 
worden. Sie haben aber auch nicht verstanden, 
zur Selbsthilfe zu greifen. 

Die „Begründung“ bleibt also den Beweis da¬ 
für, dass der vorliegende Gesetzentwurf zweck¬ 
mässig oder gar noth wendig ist, schuldig. Auch 
einzelne Paragraphen erregen starke Bedenken. 

Speciell Paragraph 3, der die politische, wissen¬ 
schaftliche und religiöse Gesinnung oder Thätigkeit 
des Arztes dem Bereich der Ehrengerichtsbarkeit 
entrückt. Was also noch für die ehrengerichtliche 
Thätigkeit übrig bleibt sind intern-ärztliche Wäsche¬ 
reien einiger befleckter Persönlichkeiten, die ebenso 
intern abgemacht werden können. Andererseits sind 
bei Nichtaufnahme des Paragraphen schwere Miss¬ 
brauche der richterlichen Gewalt zu befürchten. 

Sodann wendet sich Sperling gegen Paragraph 2. 
Dem Ehrengericht unterstehen die beamteten Aerzte 
nicht. In der Begründung wird aber der Begriff 
„beamtete“ Aerzte soweit geführt, dass kaum noch 
Aerzte übrig bleiben, die sich nicht durch die eine 
oder andere Hinterthür in diese Kategorie einreiben 
können. Aber auch gegen die Ausnahmestellung 
der beamteten Aerzte an sich hat Sperling viel 
Widerspruch erhoben. Der Minister hat aber erklärt, 
dass er sich hierin nicht auf Concessionen einlassen 
werde. Vom ärztlich-socialen Standpunkt aus ist 
es sehr zu bedauern, wenn die Ehrengerichte die 
verschiedenen Kategorieen von Aerzten von ein¬ 
ander trennen sollten, anstatt ihnen ein Einigungs¬ 
mittel zu sein. Uebrigens wird es auch schwierige 
Complicationen geben, wenn ein Arzt mit einem 
beamteten, z. B. einem Professor, in Conflict geräth. 
Der letztere ist ja der ehrengerichtlichen Instanz 


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gar nicht unterstellt und so kommt ein Ausweg i 
nur auf das Anrufen der ordentlichen Gerichte I 
hinaus. Der vom Director der Medicinalabtheilung 
bei der ersten Lesung erläuterte Sinn des Para¬ 
graph 3, dass Jedermann befugt ist, den Arzt vor 
das Ehrengericht zu citiren, weist auf üble Con- 
sequenzen hin. 

Der Mangel einer Standesordnung als gesetz¬ 
liche Grundlage für die ehrengerichtliche Thätig- 
keit der dazu Berufenen macht sich sehr geltend, 
weil in der Begründung betont wird, dass die Fest¬ 
stellung des Begriffs „Standesehre“ gegenwärtig 
nicht ausführbar sei und dieses erst durch eine 
längere ehrengerichtliche Praxis geschaffen werden 
müsse. 

Verfasser betont sodann, dass es einen grossen 
Fehler bedeuten würde, wenn man das Wohl und 
Wehe der Aerzteschaft als Generalidee der Me- 
dicinalreform betrachten wollte. Der leitende Ge¬ 
danke muss sein, die lebende Generation stark zu 
erhalten, die folgende stark zu machen. 

In den vorliegenden Entwürfen ist dieser Ge¬ 
danke zu wenig oder gar nicht vertreten. Auch 
das Umlagerecht der Aerztekammern vermag diesen 
Gesichtspunkt nicht zur Ausführung zu bringen, 
da es für die eigentlichen Interessen und Bedürf¬ 
nisse des ärztlichen Standes wenig Geld übrig 
lässt. 

Der Generalidee, die ein Entwurf entwickeln 
soll, die Pflege der Volksgesundheit, sucht Verf. 
nun mit einem eigenen Vorschlag durchzuhelfen. 

Die Staatsregierung beschliesst, dass die ge- 
sammte Aerzteschaft des Königreichs Preussen zu 
einem grossen Verband zusammengeschlossen wird. 
Die Verpflichtung gegen den Verband besteht in 
einer jährlichen Zahlung von 10 Mk. oder in einer 
Kopfsteuer, die nach einem für das ganze König¬ 
reich geltenden Procentsatz der Einkommensteuer 
festzusetzen ist. Gewählt wird ein Directorium von 
2 Mitgliedern und 1 Aufsichtsrath, den der Aus¬ 
schuss der Aerztekammer zu stellen hat. 

Zweck des Verbandes besteht: 

I. In der Förderung der Volksgesundheits¬ 
pflege. 

II. In der wissenschaftlichen und technischen 
Ausbildung der Aerzte in allen Zweigen ärztlichen 
Wissens und Könnens. 

III. In der Fürsorge für Mitglieder und Hinter¬ 
bliebene des ärztlichen Standes. 

IV. In der Förderung aller Zweige des ärzt¬ 
lichen Wissens und Könnens (Prämien und Preis¬ 
aufgaben). Die Thätigkeit des Verbandes richtet 
sich entsprechend den als Zweck angeführten 
Punkten: I und II: Auf die Schaffung von Ein¬ 
richtungen, welche gleichzeitig der Volksgesund¬ 
heitspflege und der ärztlichen Ausbildung dienen. 


V. Auf die Einrichtung von Pensions- und 
Wittwenkassen. 

IV. Auf die Aussetzung von Prämien für gute 
Lösungen ärztlicher Aufgaben. 

Die ärztliche Ehrengerichtsbarkeit übernehmen 
die Aerztekammern, und als Präsident der Berufs¬ 
instanz des Ehrengerichtshofes, welcher von dem 
Ausschuss der Aerztekammern gebildet wird, fungirt 
der Director der Medicinal-Angelegenheiten in betr. 
Hinsicht. Die Kosten der Ehrengerichtsbarkeit trägt 
die Verbandskasse. 

Verfasser glaubt, dass auf diese Weise durch 
Gründung von Heimstätten für Kranke, Wöchne¬ 
rinnen und Reconvalescenten ärztliche Hochschulen 
entstehen, die eine gewisse Loslösung der Aerzte 
von der Universität bedeuten würde, die an den¬ 
selben doch nur als Eindringlinge betrachtet werden. 

Ferner werde es auch keine Schwierigkeiten 
bereiten, ein Stammkapital zu bilden, welches für 
die Zwecke der Pensions- und Wittwenkasse be¬ 
stimmt ist. 

Noch einen weiteren Vortheil verspricht sich 
Verfasser. Er führt die Ausdehnung des Kur¬ 
pfuscherei wesens namentlich darauf zurück, dass die 
sogen, physikalischen Heilmethoden, wie Wasser¬ 
kur und Massage, von den Aerzten zulange den 
Laien überlassen worden sind. Durch die „ärzt¬ 
lichen Hochschulen“ wäre der Aerztewelt Gelegen¬ 
heit gegeben, ein Versäumniss nachzuholen und 
dadurch die Kurpfuscherfrage zur Lösung zu 
bringen. 


Hautaffectionen bei Diabetikern. 

Heilwirkung von Karlsbad-Dr. Kafka. 

Auf eine Anfrage bei Herrn Coli. Dr. Kafka, 
über seine Erfahrungen betreffs Hautaffectionen bei 
Diabetikern, erhielt ich von ihm folgende dankens¬ 
werte, ausführliche Antwort, die ich zu allgemei¬ 
nem Nutz und Frommen hier gern veröffentliche. 
Der College schreibt: 

a) Die Haut bei Diabetikern ist in schweren 
Fällen trocken und schuppig, sehr häufig ist sie je¬ 
doch normal. Es ist aber auch keine Seltenheit, 
dass Diabetiker transpiriren. Ich habe Patienten in 
Behandlung gehabt, welche selbst über übermässige 
Schiveisssecretion klagten. 

b) Einzelne Diabetiker klagen über Hautjucken, 
ohne dass ein wirklicher Grund nachweisbar ist. 
Die Ursache dieses Pruritus liegt wohl in der 
Reizung der Hautnerven durch den in den Capil- 
laren enthaltenen Zuckergehalt. — Pruritus vulvae 
ohne nachweisbare Erkrankung der Haut ist nicht 
selten und gehört zu den peinlichsten Erscheinungen. 
Das Jucken zwingt die Kranken zu häufigem 


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Kratzen der Haut und sie zeigt dann, wie gross 
die Vulnerabilität der Haut der Diabetiker ist. Es 
zeigen sich an den Kratzstellen förmliche Substanz¬ 
verluste. 

Im vorigen Jahre behandelte ich eine an Dia¬ 
betes leidende Dame, die mit fast 10 Proc. Zucker 
nach Karlsbad kam Sie hatte ein unaufhörliches 
Jucken an den Genitalien, was zur Nachtzeit un¬ 
erträglich wurde. Sie musste kratzen, sie mochte 
wollen oder nicht. 

Kalte Abwaschungen, Essigeinreibungen etc. 
äusserlich, innerlich Sulphur, Dolichos pruriens — 
Alles half nichts; ich rieth ihr nun, nichts dagegen 
zu thun, und den Erfolg der Karlsbader Kur ab¬ 
zuwarten. Der Zuckergehalt im Harn nahm in er¬ 
freulicher Weise stetig ab und damit auch das 
Hautjucken, so dass die Patientin, die sonst Nachts 
kein Auge schliesscn konnte, jetzt wieder zu schlafen 
im Stande und darüber ganz glücklich war. Als 
sie vollständig zuckerfrei wurde, war der Pruritus 
vollständig geschwunden. 

Eine andere, 42 jährige Patientin, die ich jetzt 
in Behandlung habe, und die Anfangs April d. J. 
mit 7 Proc. Zucker hierher kam, ist jetzt völlig 
zuckerfrei nach 18 tägigem Kurgebrauche, und das 
Jucken an der Vulva, das sie zwei Jahre lang er¬ 
schrecklich geplagt hat, hat ganz aufgehört; auch 
sind die Krätzeffecte gut verheilt. 

Prof. Dr. Seegen beschreibt (Diabetes mellitus. 
Berlin 1879) einen hierher gehörigen, interessanten 
Fall. Er betrifft einen wohlgenährten, 189 Pfd. 
wiegenden Patienten, welcher Prof. Hebra wegen 
seines anhaltenden Hautjuckens consultirte. Bei der 
Untersuchung zeigten sich an den Oberarmen und 
am Nacken zahlreiche Krätzeffecte, theils blutig ge¬ 
färbte Borken; theils mit bedeutendem Substanz¬ 
verluste geheilte Stellen. (Wir sehen bei Dia¬ 
betikern leicht Eiterungen des Unterhautzellgewebes 
eintreten ) — Hebra veranlasste eine Harnanalyse; 
diese ergab einen Zuckergehalt von 4 Proc. Am 
13. Mai 1869 kam Patient nach Karlsbad; am 
19. Juni war er ganz zuckerfrei, und die Haut¬ 
erscheinungen waren verschwunden; das Gesammt- 
befinden vortrefflich. Eine im Herbst und Winter 
1869 wiederholte Harnanalyse zeigte keine Spur 
von Zucker. 

Andere traumatische Schädigungen der Haut 
bei Zuckerkranken heilen immer sehr langsam und 
die einfachsten Schnittwunden gehen leicht in Eite¬ 
rung über. So wie sie aber längere Zeit die Kur 
gebrauchen, und sich der Zucker vermindert, tritt 
baldige Heilung ein. 

Hierher gehört auch die grosse Disposition der 
Diabetiker zu Furunkulose und Carbunkelbildung. 
Furunkel erscheinen meist im Beginn der Krank¬ 
heit. Die Diabetiker erzählen uns gewöhnlich, wie 


i 


I 

I 


sie einige Jahre an Furunkel gelitten haben, woraut 
dann Abmagerung, Schwächegefühl etc. sich ein¬ 
gestellt habe. Forscht man nun tiefer, so findet 
man, dass bei ihnen noch andere auf Diabetes be¬ 
zügliche Symptome mit der Furunkulose zugleich 
vorhanden waren; letztere somit selbst schon ein 
Symptom des Diabetes bildete. 

Im weiteren Verlauf eines vorgeschrittenen Dia¬ 
betes habe ich nie Furunkel beobachtet; diese sind 
stets eins der ersten Symptome. Ich denke mir, 
dass der im Blute vorhandene Zucker als Reiz auf 
das Unterhautzellgewebe wirkt und die Entzündung 
veranlasst. Mit der Zeit accommodirt sich aller¬ 
dings das Gewebe dem Zuckergehalt, so dass dieser 
nicht mehr als Reiz wirkt. 

Unzweifelhaft mag Furunculose auch durch an¬ 
dere Blutentmischungen veranlasst werden, aber die 
Erfahrung lehrt, dass diese nicht gar selten eine 
der ersten Erscheinungen bei Diabetes sei, so dass 
es wohl angezeigt ist, bei jedem Fall von Furun¬ 
culose den Harn auf Zucker zu untersuchen. Hier¬ 
durch wird es oft gelingen, die Krankheit gleich 
bei ihrem ersten Auftreten zu erkennen und sie 
entsprechend zu behandeln. 

Carbunkelbildung gehört auch häufig zu deu 
ersten Symptomen des beginnenden Diabetes; des¬ 
halb ist auch bei dieser Hautaffection eine Harn¬ 
analyse nicht zu unterlassen. 

Ein Diabetiker aus meiner Praxis bekam einen 
mächtigen Furunkel im Nacken, nachdem die ersten 
Symptome des Diabetes bereits entwickelt waren, 
und auch der Bruder dieses Patienten, der später 
an Diabetes gestorben ist, hatte im Beginn der 
Krankheit an einem Carbunkel gelitten. 

Bei Frauen bildet sich zuweilen eine ganze 
Reihe kleiner Furunkel an den Schamlippen. Häu¬ 
figer noch zeigen sich Exzeme an den männlichen 
und noch mehr an den weiblichen Genitalien, welche 
den Kranken in hohem Grade peinigen. Offenbar 
wirkt der zuckerhaltige Urin hier als Reiz. Die 
Franzosen nennen diese Art Exzem, das sich von 
dem gewöhnlichen in nichts unterscheidet, Exzöme 
glycosenique. 

Derartige Hautausschläge werden durch eine 
Karlsbader Kur immer günstig beeinflusst, ja selbst 
in der Regel geheilt. — 

Ref. hat selbst einen Fall beobachtet, wo ein 
Mann im Anfang der Fünfziger, der in Folge einer 
Apoplexie auf der rechten Seite, besonders am 
Arme, gelähmt war, eine Hautaffection über den 
Malleolus externus des rechten Fusses bekam. Es 
war eine nässende Hautschrunde mit brennend¬ 
stechendem Schmerze, die in die Tiefe zu gehen 
drohte und Gangrän befürchten liess. Da Patient 
überdies an starkem Durste litt, w'eshalb er viel 
Flüssigkeit zu sich nahm, auch viel hellfarbigen. 


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klebrigen Urin Hess, so wurde eine Harnanalyse 
gemacht, und diese ergab einen bedeutenden Pro¬ 
zentsatz von Zucker. Es hatte sich also bei diesem 
Periplegitischen ein Diabetes mellitus ausgebildet. 
Unter entsprechender Diät und der Verabreichung 
von Arsen 30. und Sizygium jambolinum 30. im 
Wechsel nahm der Zucker ab, und im gleichen 
Maasse wurde auch das Hautleiden gebessert. Es 
bildete sich eine decolorirte Narbe an der kranken 
Hautstelle, und diese ist noch jetzt, nach 1 Jahr, 
bemerkbar. 

Dass Gangrän der Haut gern auf diabetischem 
Boden sich ausbildet, und wie schwerbedenklich 
unter solchen Umständen die Prognose lautet, ist 
bekannt. M. 


Keine Abrüstung. 

Nachdem wir in der vorigen Nummer dieser 
Zeitung in der angenehmen Lage gewesen sind, 
ein für die Homöopathie, auf Grund echt natur¬ 
wissenschaftlicher Methode, von competenter Seite 
ausgesprochenes günstiges Votum unseren Berufs- 
genossen vorzulegen, haben wir ihnen heute da¬ 
gegen von unliebsamen Aeusserungen, misstönenden 
Stimmen aus dem uns gegnerischen Lager Meldung 
zu thun. Wenn nun auch die entsprechenden Ant¬ 
worten hierauf alsbald in die Oeffentlichke.it er¬ 
schallen werden, so halten wir es doch für unsere 
Pflicht, diese Presserzeugnisse, als Chronist der 
Zeitstimmen, hier zu verzeichnen. 

Da stossen wir zunächst auf eine Broschüre, 
wir könnten sie auch ein Pamphlet nennen, „Ueber 
Kurpfuscherei“ von Friedrich Metterhausen, prakt. 
Arzt in Soltau (Hannover). Der Verf. hat zwar 
die Gewogenheit, die homöopathischen Aerzte nicht 
geradezu unter die Kurpfuscher zu rangiren, aber 
viel besser kommen wir doch auch nicht weg, 
ein Brandmal soll uns doch damit aufgedrückt wer¬ 
den, wenn er neben der Naturheilmethode, die er 
thörichter Weise vom Vater Kneipp ableitet, auch 
die Homöopathie in die Kategorie der ketzerischen 
Afterwissenschaften einreiht. Verf. hält eben die 
auf den Universitäten gelehrte Heilwissenschaft und 
Heilkunst für die allein gültige, wissenschaftliche 
und jede davon abweichende Richtung als ver- 
dammlich. Es fällt ihm daher gar nicht ein, unsere 
Heilmethode einer wissenschaftlichen Prüfung zu 
unterziehen. Dagegen sucht er sie vom moralischen 
Standpunkte aus zu brandmarken als ein Product 
absichtlichen Truges, gemeinen Eigennutzes, mit 
der Tendenz entstanden, durch einen mystischen 
Obscurantismus den Volksgeist in die Dämmerung 
des Mittelalters zurückzubringen, und so zu ver¬ 
dummen, um ihn erst recht beherrschen und das 


Volk ausbeuten zu»können. Von der wahren Natur¬ 
wissenschaft, in specie der wissenschaftlichen Heil¬ 
kunst dagegen erwartet er alles Heil, leibliches 
nicht bloss, sondern auch geistiges und sittliches. 
Dies in einer Zeit zu behaupten, wo die herrschende 
Schule so emsig damit beschäftigt ist, einen ethi¬ 
schen Codex für ihre Mitglieder zu schaffen, ist 
das nicht höchst naiv ? Hat nicht überdies die 
moderne Naturwissenschaft durch den von ihr auf 
allen Gassen gepredigten Materialismus und Natura¬ 
lismus der Sittlichkeit unseres Volkes fast unheil¬ 
bare Wunden geschlagen? Dass Verf. der über¬ 
zeugenden und versittlichenden Macht der Natur¬ 
wissenschaften doch nicht gar zu viel vertraut, geht 
daraus hervor, dass er die Staatsgewalt gern heran¬ 
kriegen möchte, ihre wuchtige Hand auf Alles, was 
Kurpfuscherei heisst, aber auch auf die ihm verhassten 
„Afterwissenschaften“ zu legen. Ja, er macht dem 
Staat gehörige Vorwürfe darüber, dass er die Ho¬ 
möopathie geschützt hat (von diesem Schutze haben 
wir freilich nicht viel erfahren, wir haben uns 
höchstens einer mühsamen Duldung zu erfreuen 
gehabt), und fordert ihn energisch auf, seines 
Amtes zu walten, d. h. all dieser Ketzerei das 
Lebenslicht auszublasen. 

Doch wir wollen hiermit abbrechen, da, wie 
uns Coli. Dr. Grünewald in Frankfurt a. M mit- 
getheilt, demnächst eine kräftige Antwort auf dieses 
Pamphlet erscheinen wird. 

Zweitens haben wir zu berichten über einen 
Artikel in dem General-Anzeiger der Stadt Frank¬ 
furt a. M. vom 28. April c., der aus der „Post“ 
herübergenommen, die „Heilung der menschlichen 
Leidenschaften“ nach Dr. Gallaverdin betrifft. — 
Wir haben früher diese Behandlungsart mit homöo¬ 
pathischen Mitteln in unserem Blatte besprochen, 
von der wir bei Trunksucht gewiss manchen guten 
Erfolg erwarten dürfen, waren dagegen gegen die von 
dem geehrten Collegen bei sexuellen Leidenschaften 
auf diesem Wege zu erlangenden Heilresultate 
etwas skeptisch. — Der gedachte Artikel im Frank¬ 
furter General-Anzeiger ist nun so von Ironie 
durchtränkt, stellt den Gegenstand (wie es die 
Presse so gern bei Mittheilungen aus der homöo¬ 
pathischen Welt tbut) von lächerlicher Seite dar, 
dass Dr. Grünewald sich bewogen fühlte, beifol¬ 
gende Richtigstellung in demselben Blatte zu geben. 
Es ist schon anzuerkennen, dass das Blatt dieselbe 
aufgenommen hat: 

,,Die Heilung menschlicher Leidenschaften. 

Zu dem der ,Post‘ entnommenen Artikel in 
No. 99 des ,Frankf. Gen.-Anz.‘, die Heilung mensch¬ 
licher Leidenschaften durch Homöopathie betreffend, 
wird uns von einem hiesigen Arzte geschrieben: 
So sehr es zu begrüssen ist, in Ihrem Blatte etwas 


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über die immer wieder von s\ph redenmachende 
Homöopathie zu hören, so überraschend könnte es 
den Kenner berühren, dass Ihre Notiz lediglieh 
Mittheilungen vom äussersten Flügel des homöo¬ 
pathischen Lagers bringt, dessen Bewegungen nicht 
alle zu ihm Gehörigen mitmachen. Die überwiegende 
Zahl homöopathischer Aerzte der Jetztzeit schliesst 
sich einer so weitgehenden Beeinflussung der mensch¬ 
lichen Seelentliätigkeit, wie der in Rede stehende 
Artikel solche zu schildern beliebt, nicht an. Gleich¬ 
wohl stehen wir auf dem jetzt allein berechtigten 
naturwissenschaftlichen Boden, Körper und Geist 
nicht nur als ein gemeinsames Ganzes, sondern 
auch als von einander abhängig und für den ge¬ 
sunden oder kranken Zustand für einander be¬ 
dingend anzusprechen. Eine Heilkunst, welche 
Krankheitserscheinungen nicht nur in dem sonst 
üblichen Sinne mit jeweiligen von einem Mode¬ 
charakter nicht freizusprechenden Mitteln vorüber¬ 
gehend unterdrückt oder nur gewaltsam verschiebt, 
sondern dem Gesammtorganismus einen naturgesetz¬ 
lichen Ausgleich der kranken Organzustände in 
wirklich heilendem Sinne vermittelt, ist thatsächlich 
auch im Stande, das seelische Befinden der Kranken 
umstimmend zu beeinflussen. Aus diesem Grunde 
hat auch im Lande des Fortschrittes der praktische, 
nüchtern denkende Amerikaner die Leitung einiger 
der grössten Anstalten für Geistes- und Nerven¬ 
kranke homöopathischen Aerzten anvertraut. Hier 
sind wir leider noch nicht so weit. Sogar in einem 
grossen Theil der gebildeten Kreise herrscht noch 
eine unglaubliche Unwissenheit über das Wesen 
und die Principien der Homöopathie! Falsche Be¬ 
griffe, die bekanntlich noch viel schlimmer und 
folgenschwerer sind, als gar keine, erschweren die 
Aufklärung und zwar um so mehr, als die Ver¬ 
treter der alten Schule, weit entfernt sich selbst 
aufklären lassen zu wollen, dieses Falschwissen in 
den ihnen zugänglichen Kreisen noch unterstützen. 
Es ist dies um so unverständlicher, als auf allen 
naturwissenschaftlichen Gebieten die fortschreitenden 
Forschungen immer mehr und mehr Beweismaterial 
für die Existenzberechtigung der homöopathischen 
Heilmethode liefern. Speciell die medicinische 
Forschung bringt mit jedem Jahre in besonders 
beachtenswerthen Arbeiten aus der Feder des der¬ 
zeitigen medicinischen Universitätsprofessors Herrn 
Dr. Hugo Schulz zu Greifswald unzweideutige, nicht 
mehr misszuverstehende Bestätigungen für die wissen¬ 
schaftliche Begründung und Berechtigung der Ho¬ 
möopathie. Seine ,Pharmakotherapie‘, im Lehrbuch 
der allgemeinen Therapie und der therapeutischen 
Methodik, von Geh. Med.-Rath Professor Dr. Eulen¬ 
burg und Professor Dr. Samuel, sowie sein in 
No. 14 der ,Deut. Med. Wochenschrift 4 vom 6. April 
1899 veröffentlichter Vortrag über ,Die Grund¬ 


gesetze der arzneilichen Organtherapie und ihre 
Bedeutung für die Praxis 4 decken sich ihrem In¬ 
halte nach mit den Principien der Homöopathie in 
den Hauptpunkten voll und ganz. So ist denn der 
Hahnemann-Sehulz’sche Weg nach der Ueberzeugung 
des Herrn Professor Dr. Schulz: ,der einzige, auf 
dem weiter arbeitend die Pharmakotherapie die 
Stellung sich dauernd sichern kann, die ihr ge¬ 
bührt etc. 4 In einer Zeit, in welcher die verschie¬ 
densten exact wissenschaftlichen Arbeiten nicht bloss 
völlig ungesucht, sondern den Forscher wohl ge¬ 
radezu unangenehm überraschend auf die Wahrheit 
der Homöopathie hinweisen, kann uns eine ge¬ 
hässige Entstellung der Thatsachen, wie sie Herr 
Professor Dr. Samuel in seinem ,Medicinische Sekten 4 
oder Herr Metterhausen aus Soltau in seiner eben 
erschienenen Broschüre ,Ueber Kurpfuscher 4 bringt, 
nichts weiter anhaben. Letzterer wird, soviel wir 
hören, in Kurzem eine Erwiderung zu theil, unter 
dem Titel: »Zuckungen eines Homöopathen nach 
seiner Hinrichtung. Offener Brief an den Henker 
aus dem Jenseits seiner Begriffswelt. 4 Der Artikel, 
der zu vorstehendem Veranlassung gab, wird wohl 
bei der, wenn auch langsam, so doch stetig in immer 
weiteren Schichten der denkenden Bevölkerung 
platzgreifenden Erkenntniss für die Bedeutung der 
Homöopathie gebührende Beurtheilung gefunden 
haben. Dr. Gr. 44 

Wir sind Herrn Collegen Grünewald für diese 
tapfere und geschickte Erwiderung zu Danke ver¬ 
pflichtet. Unser amtlicher, d. h. vom Centralverein 
bestellter polemischer Apparat arbeitet viel zu lang¬ 
sam, da ist es gut, wenn auf solche Zeitungs¬ 
artikel, wenn es geboten erscheint, eine schnelle 
Antwort erfolgt. Dr. Moisa. 


Melilotus. 

Ueber diese bei uns wenig gekannte und ge¬ 
brauchte Arzneipflanze findet sich in The homoeo- 
pathic Recorder vom 25. Januar d. J. ein inter¬ 
essanter Artikel von Dr. G. W. Bower. 

Verf. hat sich eine Tinctur aus den Blüthen 
der Melilotus alba, sowie auch der M. officinalis 
(mit gelben Blüthen) und auch eine solche aus den 
Wurzeln bereitet. Hinsichtlich der Wirkung konnte 
er aber keinen sonderlichen Unterschied bei diesen 
verschiedenen Präparaten finden. So hat er denn 
in den letzten fünf Jahren sich nur der Melilotus 
alba bedient und die Tinctur aus der ganzen 
Pflanze hergestellt. Er giebt hierzu folgende Vor¬ 
schrift: 

Man sammle die Pflanze in der Blüthe, reinige 
sie, zerschneide und thue sie in reinen Alkohol 
(nicht Wasser), lasse sie 6 oder 12 Monate stehen, 


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so wird man eine weinfarbige, haltbare Tinctur ge¬ 
winnen. Er hat sie in Globulis gegeben, die er 
mit der 1. centesimal. Dil. getränkt hat. 

Dr. Sieffert spricht in seinem Formulaire de 
thörapeutique positive p. 244 ebenfalls von der 
Melilotus alba (Mölilot blanc, Mölilot de Sibirie). 
Wir nennen die Pflanze weissen Steinklee. 

Als physiologische Wirkungen giebt er an: 
Starke Gehirncongestionen und locale Congestionen 
nach der Lunge, dem Becken und After, begleitet 
von reichlichen Blutungen aus Nase, Lunge etc., 
Abgeschlagenheit von Körper und Geist 

Als klinische Indicationen sind aufgestellt: Con- 
gestiver Kopfschmerz, Kinderkrämpfe (vom Zahnen), 
Puerperalkrämpfe, Hämorrhagieen (Nasenbluten mit 
Husten und Brustbeklemmung), Hypochondrie, Me- 
lancholia religiosa, Spasmen. 

Farrington präcisirt in seiner kl. Arzneimittel¬ 
lehre p. 237 den für Melilotus geeigneten Kopf¬ 
schmerz dahin: „Das Mittel verursacht äusserst heftige 
Hirncongestion mit Kopfweh, der den Kranken fast | 
zum Wahnsinn treibt. Es scheint dem Kranken j 
wirklich, als ob das Gehirn durch die Stirn brechen 
wollte. Das Pulsiren ist dabei fast so heftig, wie ! 
bei Glonoin. Bei einer der Prüfungen dieses Mittels 
hatte eine Dame diesen congestiven Kopfschmerz 
mit Prolapsus Uteri und heftigem Herzklopfen.“ 

Ob der Gebärmuttervorfall schon früher bestan¬ 
den, ist nicht gesagt. 

Dr. Bowen theilt uns einige Fälle aus seiner 
Praxis 1. c. mit. Es betrifft i 

Fall 1 einen Kopfschmerz bei einem Franzosen. ! 
Der Schmerz war so heftig, dass Pat. zu sterben 
meinte, war anhaltend und verhinderte ihn an aller 
Arbeit. Dr. B. gab ihm eine Gabe Melilotus 1. Cent., 
fand aber bei weiterem Examen, dass hier Nux 
vom. besser angezeigt war. Er ging deshalb in ' 
seine Apotheke, um dieses Mittel zu holen; als er ] 
nach 5 Minuten zurückkam, fand er den Mann auf 
Händen und Knieen auf dem Boden liegend und 
den Kopf wüthend schüttelnd. Auf die Frage, 
was ihm fehle, antwortete er nicht, so dass Dr. B. 
glaubte, der Mann sei durch das Mittel verrückt 
geworden. Bald stand Pat. aber auf und sagte: | 
„Dieser Schmerz ist ganz weg. Ich habe ihn eben ! 
ausprobirt.“ | 

Fall 2. Nasenbluten. j 

Vor mehreren Jahren ward Dr. B. aufs Land j 
zu einem Mädchen gerufen, das drei Tage schon 
an Nasenbluten gelitten hatte. Man hatte die Tam¬ 
ponade gemacht, aber das Blut war ihr in den I 
Mund gelaufen; dabei war sie so nervös ge- j 
worden, dass man den Tampon hatte herausnehmen 
müssen. Es war Verblutung zu befürchten. — 
Sie war kalt, blass und fast pulslos. Sie bekam 
Melilotus. Allmählich liess die Blutung nach, und 


nach */ 2 Stunde hörte sie ganz auf. Doch gab 
Verf. jetzt die zweite Dosis und nach Verlauf einer 
Stunde die dritte. Er liess zur Vorsicht noch 
mehrere Dosen für den nächsten Tag da. Sonst 
noch China 3 — 4 Mal täglich. — Die Blutung war 
nicht wiedergekehrt. 

Fall 3. Haemorrhagie post partum. 

Zu einer Frau eilig gerufen, die nach der Ent¬ 
bindung eine starke Metrorrhagie bekam, fand Verf. 
dieselbe mit blassem Gesicht und kalten Händen. 
Die Nachgeburt war laut Angabe abgegangen. Er 
machte eine schnelle Untersuchung, wobei ihm das 
heisse Blut über die Hand rann. Er gab eine 
Dosis Melilotus, das sich ihm bei einer profusen 
Menstruation wirksam gezeigt hatte, bereitete einen 
Tampon vor und ein Tuch, um die Glieder zu 
binden und so das Blut möglichst zu sparen. Ehe 
der Tampon fertig war, sagte Pat.: „Ich fühle 
mich besser; das Blut geht mir nicht mehr ab.“ 
Dem war in der That so; es fand sich auch kein 
Blut im Uterus angehäuft. Die Tamponirung war 
nicht mehr nöthig. Es wurden an diesem Tage 
noch di ei Gaben des Mittels verabreicht; sodann 
China alle 3 — 4 Stunden. 

Fall 4 und 5. Zwei Fälle von Mania acuta 
hat Verf. mit Melilotus geheilt: Die ersten Dosen 
hat er stärk gegeben. Je heftiger der Fall, desto 
schneller und sicherer ist der Erfolg, und das be¬ 
zieht sich sowohl auf die genuine Manie, als auch 
auf solche Fälle, die dem übermässigen Gebrauche 
von Stimulantia entspringen. 

Die Melancholie ist dem Mittel nicht so zugäng¬ 
lich. — Ob seine Wirkung mehr dem Nerven¬ 
system zu Gute kommt, oder dem venösen, die 
Capillaren controlirenden Kreisläufe, kann Verf. 
nicht entscheiden. Bei Congestionen, Nasenbluten, 
Epilepsie und Eclampsie des Kindesalters, vertraut 
er dem Mittel unbedingt; die günstige Wirkung 
tritt schon in wenigen ziugenblicken sichtlich ein; 
sie ist eine unmittelbare. 

Aus diesen Beobachtungen geht jedenfalls so 
viel hervor, dass Melilotus ein auf die Circulation 
mächtig wirkendes Mittel ist. — 

Wir wollen noch einige pharmakologische Be¬ 
merkungen hinzufügen. Die Herba cum flore me- 
liloti citrinae war ehedem officinal. Seine botani¬ 
schen Namen sind theils Melilotus officinalis, theils 
Trifolium mel. offic. deutsch: Melilotenklee, Me- 
loten-, Schoten- oder güldner Klee, auch Honig-, 
Bär- oder Steinklee. Er gehört in die Familie 
Papilionaceae — Loteae —Trifoliaceae. Die trauben¬ 
artigen Blumen mit bleibendem, glockigem Kelche 
und gelben, schmetterlingsartigen Kronen haben 
einen starken, süsslichen Geruch, der den Motten 
zuwider sein soll und einen bitterlichen, schleimigen 
Geschmack. 

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170 


Als wirksame Bestandteile gelten ätherisches 
Oel, ein bitterer Extractivstoff und Melilotin. Dieses 
Steatopton krystallisirt in weissen, glänzenden Nadeln, 
wenig in kaltem, mehr in heissem Wasser, leicht 
in Alkohol und Aether löslich, reagirt weder sauer 
noch alkalisirt, hat einen angenehmen Geruch und 
einen etwas scharfen, angenehmen Geschmack und 
soll dem Coumarin der Tonkabohnen identisch | 
sein. (?) — Früher hat man das Mittel innerlich 
gegen spastische Unterleibsaffectiouen, Koliken, Bläh¬ 
beschwerden, Dysurie angewandt; dann hat es in 
äusserlicher Anwendung, namentlich in der Form 
des Emplastrum meliloti, sonst als Infus, zur Zer- 
theilung und Erweichung von Geschwülsten, Drüsen¬ 
verhärtungen, Milchknoten und bei Eiterungen sein 
Dasein in der Materia medica gefristet. Heute ist 
es aus ihr fast ganz verschwunden. — Das in ihr 
enthaltene ätherische Oel und der krystallisirbare 
Stoff, Bestandtbeile, die wir bei so manchem recht 
wirksamen aethereo-oleosum antreffen, deuten wohl 
auf eine Wirksamkeit dieses Mittels hin. welche 
dessen theilweise Prüfung und die angeführten 
Heilerfolge einigermassen näher bestimmt haben. — 
Inwieweit die Volksheilkunst von dem güldenen 
Klee Gebrauch gemacht hat, darüber kann uns 
vielleicht ein Kenner der Kräuterbücher Bescheid 
geben. • M. 


Praktische Notizen. 

Kalium jodatum in Neuralgia* 

Dr. Jaquet hat bei zwei Patienten nach dem 
Gebrauch von Jodkalium eine Gesichtsneuralgie 
beobachtet. Die homöopathischen Prüfungen dieses 
Mittels geben in der That lanzinirende Schmerzen 
im Oberkiefer, Gesicht und in der Lendengegend 
an. — Dr. Jousset hat Jodkaliura in der 12. Dil. 
mit ausgezeichnetem Erfolge in Ischias gebraucht. 
Bei Hartland und Trinks findet sich das Sym¬ 
ptom: „Schmerz in der Hüfte, der den Kranken 
zu hinken nöthigt, nebst stechenden Schmerzen in 
den Armen.“ (Medical Counseller.) 

Asa foetida in einem Falle von übermässigem 
Niesen. 

Ein 24j. junger Mann, blond, nervösen Tem¬ 
peraments, kommt seit 3 Tagen nicht aus dem 
Niesen heraus. Aehnliche Anfalle, die vor mehreren 
Jahre mehrere Wochen im Juni und Juli dage¬ 
wesen, waren weder auf locale Mittel noch einer 
klimatischen Behandlung gewichen. Die Gewebe 
der Nase waren gegenwärtig hyperämiscli und so 
empfindlich, dass die leichteste Berührung der Nasen¬ 
schleimhaut einen heftigen, langen Nieseanfall be¬ 
schleunigte, dabei war die Brust beengt, und von 
flüchtigen Schmerzen heimgesucht. Er war in solchen 
Anfällen immer höchst nervös gewesen. Er bekam 


Asa foetida 2. Dec. — und wegen seiner Neigung 
zum Schweiss musste er seinen Flanell ablegen 
und sollte im Zimmer ohne Schuhe und Strümpfe 
gehen. Nach Verlauf von zwei Tagen kam es 
nicht mehr als zu 12 maligem Niesen und von da 
ab ging die Genesung schnell und ungestört vor 
sich. — (Dr. 0. S. Smith in Amer. Hom.) 

In der Pathogenese von Asa foetida finden wir, 
abgesehen von der hier obwaltenden nervösen Er¬ 
regung, das Symptom: „Oefteres, heftigeres Niesen“, 
sowie auch „gesteigerte Hautperspiration„Druck 
auf der Brust* *, so dass das Mittel in der That hier 
wohl angezeigt war. 

Arnica montana in Tonsillitis — Angina fau- 
cium. 

Dr. M. A. Wesner giebt an, dass Arnica eine 
Art von Angina coupiren kann, wenn folgende 
Symptome vorhanden sind: Heftiger Schmerz beim 
Schlingen, der sich auf ein oder beide Ohren er¬ 
streckt ; Pat. kann nichts Festes schlucken, Flüssiges 
bringt er in grösseren Quantitäten leichter hinunter 
als in kleinen; immer aber ist es sehr schmerzhaft. 
Er kann den Mund nur mit Mühe öffnen; der Hals 
ist an der Aussenseite geschwollen und empfindlich; 
eine oder beide Mandeln sind stark geschwollen 
und hellroth gefärbt; die Schwellung hat einen 
ödematösen Anstrich und breitet sich noch auf- und 
vorwärts auf den weichen Gaumen und das Zäpfchen 
fort, der auch leicht geröthet erscheint. Dazu 
kommt Fieber, Frost, Hitze, Durst; seine Stimme 
ist rauh und undeutlich; meistentheils kann er nicht 
liegen; die Muskeln thun weh; ein Gefühl allge¬ 
meinen Unwohlseins. Man achte auf den Charakter 
der Schwellung — ihre hellrothe Farbe, Gedunsen¬ 
heit und Ausbreitung. — Folgender Fall beleuchtet 
dies näher: 

Ein 35jähr. Mann erkrankte im Februar 1898 
j unter Frost, Hitze und Durst; seine Temperatur 
i war 102° F. (fast 39° C.); er kann nicht liegen 
oder schlafen; die rechte Halsseite ist geschwollen 
und druckempfindlich. Die rechte Mandel war hell¬ 
roth und so stark geschwollen, dass sie die linke 
berührte Der weiche Gaumen und das Zäpfchen 
war so dick wie ein Mannes-Daumen. Alles hatte 
ein gedunsenes Aussehen. Er konnte nichts Festes 
oder etwas Flüssiges schlucken; letzteres brachte 
er gelegentlich in grösserer Menge, aber unter 
grosser Anstrengung, herunter. Er erhielt Arnica 
6. Dec. in Wasser stündlich. Am folgenden Tage 
war die Temperatur normal; Pat. hatte liegen und 
einen Theil der Nacht schlafen können. Seine 
rechte Mandel war um die Hälfte reducirt, und die 
Geschwulst des Zäpfchens und weichen Gaumens 
war völlig versehwunden. Alle Symptome der Angina 
vergingen ohne Eiterung in zwei Tagen. 

'Amer. Hon».) 


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171 


Lappa major in Hautkrankheiten. 

In Eczema ist sie oft ein wirksames Mittel, sei 
es ein Eczem im Gesicht oder am Körper; beson¬ 
ders aber wirkt es günstig, wenn diese Krankheit 
die Kopfhaut ergreift. (Amer. Hom.) 

Arsenicum jodatum bei cancroiden Geschwüren. 
Uranium nitricum bringt -— in zu starken Dosen 
bei Diabetes gebraucht — eine Nierenentzündung 
hervor, die der von der Cantharis bewirkten sehr j 
ähnlich ist. 

Hydrastis canadensis bei bösartigen Zungen¬ 
geschwüren. 

Ein 60j. Mann hatte vor mehreren Jahren eine 
Enteritis, bei der er unter anderen Mitteln auch 
Sublimat und Aesculus erhalten hatte. Syphilis ist I 
nicht dagewesen. Im vorigen Jahre verspürte er 
in der Zunge einen lebhaften, dauernden und all¬ 
mählich sich steigernden Schmerz; gleichzeitig er- j 
schien eine Geschwulst auf dem hinteren Theile 
der Zunge. Ein Chirurg hatte die Diagnose auf 
Cancer gestellt. — Der Tumor war exulcerirt, von 
länglicher Form, und nahm einen Raum von 3 bis 
4 Centimeter ein. Der Kranke konnte weder essen | 
nooh sprechen. — Es wurde verordnet, von der 
Tinct. Hydrastis canad. täglich 3 — 4 Tropfen zu 
nehmen; ausserdem wurden Compressen, die mit | 
eiuer Lösung des Mittels von 1:10 befeuchtet 
waren, auf die krankhafte Stelle gelegt — und 
war Pat. sehr gewissenhaft in der Anwendung dieser 
Compressen. Nach vier Monaten trat völlige Hei¬ 
lung ein. (Dr. Jousset senior.) 

Einen ähnlichen Fall berichtet. Dr. Bower. 

Der bimförmige, harte, warzenartige Tumor sass 
auf der linken Seite der Zunge. Drei Aerzte 
hatten ihn für Cancer erklärt und bereits die Ope¬ 
ration beschlossen. Dr. B. verordnete Hydrastis 6. 
mehrmals täglich, mit zeitweisen Pausen. Der Zu¬ 
stand besserte sich bald; aber der Kranke bekam 
sehr heftige Schmerzen um das Auge herum. 
Jetzt wurde Hydrastis 6. mit Sanguinaria 6. im 
Wechsel gegeben. j 

Unter dem Einflüsse dieser Mittel haben die 
Schmerzen aufgehört; Pat. kann gut essen und 
sprechen und hat kein Fieber mehr. (Er hatte 
vorher Sublimat-Einspritzungen bekommen.) — Ob 
die Geschwulst vergangen ist, ist im Berichte nicht 
erwähnt. 

(Revue homoeopath. fran^aise. Januar 1899.) 

Kalium jodatum: Wirkuug auf die Nieren. 

Ein an chronischem Tripperrheumatismus leiden- j 
der Mann bekam, nachdem er 4 Tage lang täg- ! 
lieh 2 Gramm Kal. jodatum genommen, eine leichte | 
Zona am Auge, die von einer Neuralgie des N. 
facialis dexter, ohne Paralyse, begleitet war. — 

Der Umstand, dass dasselbe Mittel in gleicher 
Dosis nach mehrtägigem Gebrauch bei diesem Kranken j 


eine linksseitige Gesichtslähmung von sechswöchent¬ 
licher Dauer vor 4 Jahren, und vor 2 Jahren hef¬ 
tige Schmerzen in der Lumbo-dorsal-Gegend bewirkt 
hatte, gestattet es, jene oben angegebenen Nerven¬ 
störungen auf die Wirkung von Jodkalium zurück¬ 
zuführen. 

Vielleicht kann man dieselben durch die Ver¬ 
änderung in den Nervenzellen erklären, wie solche 
Nageotte und Ettlinger bei den Intoxicationsver- 
suchen an Thieren mittels Jodkalium beobachtet 
haben. (Le mouvement therapeutique et medical. 
Mai 1898.) 

Bei den homöopathischen Prüfungen sind übrigens 
angemerkt: stechende Schmerzen im Oberkiefer, im 
Gesicht, sowie in der Lendengegend. — Schmerz 
in der Hüfte, der zum Hinken nöthigt, dabei durch¬ 
fahrende Stiche in den Armen (eine Art Ischias). 

Sulphur in Hochpotenz wird bei einer stillen¬ 
den Frau, welche die Milch verliert, diese Secre- 
tion wieder reichlich herstellen in zwei oder drei 
Tagen, nachdem sie eine Gabe dieses Mittels ge¬ 
nommen hat. Dasselbe geschieht auch bei Thieren. — 
Eine wesentliche Bedingung dabei ist, dass man 
das Mittel nicht wiederholt. 

(Dr. Gaudy. Journal beige d’Homoeopathie. 
Mai —Juni 1898.) 


Sabal serrulata (Saw Palmetto) bei Prostata- 
Hypertrophie. 

Von Dr. W. Reily. 

Man bat gesagt, dass von je zehn Männern 
neun eine Prostatavergrösserung im Alter zwischen 
35 und 75 Jahren haben. 

Boowcks Prüfung, siehe „Hale’s Saw Palmetto“, 
zeigt, dass die Symptome dieses Mittels fast genau 
mit den Störungen in der Prostata und insbesondere 
mit dem Zustand von nervöser Reizung überein¬ 
stimmen, wie solche der Prostata-Hypertrophie voran¬ 
gehen. Da findet sich dieselbe Reizung des Blasen¬ 
halses mit erschwerter Harnentleerung, ein Gefühl 
von Schwere, das gewöhnlich von Kälte der an¬ 
grenzenden Theile mit Mangel an Geschlechtstrieb 
begleitet ist. Oftmals tritt ein Abfluss von Prostata¬ 
flüssigkeit ein, manchmal nur die Blasensymptome. 

Die folgenden Fälle, die Verf. mittheilt, ver¬ 
anschaulichen drei der am häufigsten bei Prostata¬ 
leiden sich kundgebenden Erscheinungsgruppen, für 
die sich Saw Palmetto ihm nützlich erwiesen hat. 

1. Fall. Ein 56jähriger Mann, Bankier. 

Befinden gut bis vor 6 Jahren, wo er zuerst einen 
häufigen Urindrang bemerkte, der ihn so belästigte, 
dass er schliesslich einen Arzt befragte, der ihn 

22 * 


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längere Zeit mit nur vorübergehender Erleichterung 
behandelte. 

Er ging dann von einem Doctor zum anderen 
mit nicht besserem Erfolge, und hierdurch muthlos 
und verzagt geworden, versuchte er nun alle mög¬ 
lichen patentirten Mittel der Reihe nach. Nach¬ 
dem er so drei Jahre an sich herumexperimentirt, 
kam er schliesslich zur Homöopathie als ultimum 
refugium. 

Am 28. December fand Verf. folgende charakte¬ 
ristischen Erscheinungen vor: 

Sehr verzagt — reizbar — Theilnahme macht 
ihn ärgerlich — starker Tenesmus des Blasenhalses 
mit Gefühl von Schwere nebst einer Empfindung 
von Kälte , die sieh nach dm äusseren Genitalien 
ausbreitete . Zeitweise scharfe Schmerzen, die sich 
aufwärts nach dem Unterleibe und abwärts in die 
Schenkel zogen, besonders in den linken, der wegen 
einer Schusswunde im mittleren Drittel amputirt 
worden ist. — Appetit veränderlich. — Chronische 
Verstopfung. — Urin normal, abgesehen von dem 
häufigen Abgänge, der ihm dann auch die nächt¬ 
liche Ruhe störte. 

Nux vom., Geisern., Cimicifuga und andere 
Mittel, die angezeigt erschienen, brachten wenig Besse¬ 
rung Da kam dem Verf. die Pathogenese von 
Saw Palmetto vor die Augen, und verblüfften ihn 
die Aehnlichkeit der Symptome des Mittels und 
denen des vorliegenden Falles der Art, dass er es 
zu geben sich entschloss. Die Dosis war 5 Tropfen 
der Tinctur Morgens und Abends. 

Der Erfolg war ganz nach Wunsch. Die Besse¬ 
rung ging stetig vor sich: die lästigen Symptome 
schwanden allmählich und nach Verlauf von acht 
Wochen war der Tenesmus vesicae vergangen, der 
Appetit gut; Pat konnte 8—9 Stunden ununter¬ 
brochen schlafen und den Harn bei Tage 4 bis 
5 Stunden zurückhalten. Gleichzeitig mit dem Ver¬ 
schwinden dieser Symptome verging auch eine sehr 
schwere Form von Eczem an den Händen, an dem 
Pat. manche Jahre zu leiden gehabt hat. 

2. Fall. Ein 45jähriger Mann, Verwalter eines 
Provinzial-Krankenhauses, früher gesund, litt seit 
einem Jahre an allmählich sich steigerndem Drang 
zum Uriniren. Er ist sehr verzagt, missleidig; 
Appetit wechselnd; Geschlechtstrieb gering, und auf 
dessen Befriedigung folgen ziehende Schmerzen im 
Kreuz, etwas Blasendrang, aber noch mehr treibt 
es ihn, das Wasser loszulassen. Der Urinstrahl ist 
dünn und kraftlos. — Kälte der äusseren Ge- 
schlechtstheile mit etwas Druckschmerz in der Regio 
prostatica bis nach den Schenkeln und dem Bauche 
hin. Sabal serrulata 5 Tropfen Abends und 
Morgens. 

Die Symptome besserten sich allmählich, bis 
nach drei Wochen keine Spur von irgend einer 


Beschwerde mehr bestand; es hat auch kein Rück¬ 
fall stattgefunden. 

3 . Fall . Ein 35 jähriger Mann, Geschäftsagent. 
Vordem gesund, ist er seit etwa 1 l /a Jahren von 
einem häufigen Drang zum Wasserlassen belästigt 
worden. Starke ziehende Schmerzen in der Prostata- 
Gegend, die sich bis ln den Rücken und in den 
Schenkel erstrecken. Zeitweise starker Abgang von 
Prostatasaft. — Urin normal. — Schmerz im Rücken, 
weit schlimmer nach dem Coitus . — Geschlechts¬ 
trieb sehr vermindert. 

Saw Palmetto 5 Tropfen, 2 Mal täglich, be¬ 
wirkten in 14 Tagen eine volle Heilung. 

Zu erwähnen ist noch, dass in all diesen Fällen 
ein heftiger Schmerz auf dem Wirbel des Kopfes 
und manche Symptome eines gastrischen Katarrhes 
vorhanden waren, welche alle unter der Einwirkung 
des Mittels vergingen. 

Verf. hat überdies von demselben gute Erfolge 
in Blasenentzündung, sowohl bei acuter als chroni¬ 
scher, erzielt, sowie er es auch oftmals in Eier¬ 
stocksleiden angezeigt gefunden hat. 

(The Hahnemannian Advocate. 16. Dec. 1898.) 

M. 


RUckensymptome in Bezug auf die 
Menstruation. 

Herabdrängendes Weh im Kreuz, als ob die 
Regel kommen würde. Apis. 

Grosser Druck von innen nach aussen während 
der Regel. Nux vom. 

Brennen im Kreuz, besonders bei Verzögerung 
der Regel. Phosphor. 

Abends Kälte im Rücken, Erwachen um Mitter¬ 
nacht mit Krampf und Kältegefühl im Magen, das 
bis Mittags anhält. Kali carb. 

Schmerz im Kreuz anstatt der Regel. Spongia. 

Schmerz im Kreuz wie vor der Regel. Bar. c., 
Berb , Coccul., Hydrast. can., Lycopod., Pulsat., 
Spongia. 

Schmerz im Rücken wie wehenartig vor der 
Regel. Dig. 

Schmerz im Rücken vor der Regel, der in Ge¬ 
bärmutterkrämpfe endigt. Vib. opulus. 

Wehenartige Schmerzen im Rücken während 
der Regel. Agaricus, Calc. c., Nitric. acid., Sulf. 

Schreckliche Schmerzen im Rücken während der 
Regel. Sarsap. 

Prolapsus Uteri während der Regel. Ammon, 
muriat. 

Rückenschmerz mit spärlicher Regel. Lac. 
deflor. 

Rückenschmerz in Folge unterdrückter Regeln. 
Pulsat. 


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173 


Rückenschmerz alle paar Minuten während der 
Regel. Ustil. 

Rückenschmerz schlimmer während der Regel 
beim Gehen. Magn. raur. 

Reissender Rückenschmerz während der Regel. 
Caust. 

Kreuzschmerz während der Regel. Jod, Ra- 
tanhia. 

Zeitweiser Rückenschmerz während der Regel. 
Magn c. 

Ziehender Rückenschmerz während der Regel, 
besser vom Bücken, schlimmer vom Strecken. 
Magn. c. 

Schmerz, als wenn der Rücken zerbrechen würde, 
während der Regel. Vib opulus. 

Schmerz im Rücken und Lenden und Unter¬ 
leib, als ob di« Regel kommen sollte, Abends 
schlimmer im geschlossenen Zimmer, besser in offner 
Luft und bei Bewegung. Vib. opulus. 

(The homoeop. Physician. Januar 1898.) M. 


Antipyrin. 

Es freut mich sehr, dass Herr College W. Bohn, 
vielleicht durch meine Arbeit veranlasst, mein Schema 
von Antipyrin weiter vervollständigt hat. Ich war 
mit meiner Arbeit schon soweit, dass sie nur ein¬ 
zelne Verbesserungen brauchte, um für den Druck 
fertig zu werden, als No. 3 des XXV. Bandes der 
Deutschen medicinischen Wochenschrift erschien. 
Ich könnte also die Beobachtung des Herrn Gaston 
Graul nicht mehr aufnehmen. 

Wenn die Herren Collegen der Universitäts- 
Medicin die Güte haben, ihre unabsichtlichen Prü¬ 
fungen fortzusetzen und zu publiciren, bekommen 
wir von Zeit zu Zeit brauchbares Material für 
unsere Arzneimittellehre. 

Utrecht, 2. Mai 1899. 

Dr. S. J. van Roijen. 


Kali bichromicum 

in seiner Wirkung auf die Augen. 

Dr. Frederick William Payne-Boston hat folgende 
auf die Augen bezüglichen Symptome in C. Hering’s 
Guiding Symptoms als zuverlässig und curativ er¬ 
probt gefunden: 

Hornhaut-Abscess mit Hypopyon, die Hornhaut, 
nach innen zu durchbohrt, gestattet dem Eiter 
aus dem Abscess auf den Grund der vorderen 


Kammer zu gelangen, die er mehr oder weniger 
ausfüllt. 

Dicke Hornhaut-Narben , von alten Geschwüren 
herrührend. 

Trübung der Hornhaut bei scrophulöser Con¬ 
junctivitis. 

langwierige , starke Verdunkelung der Horn¬ 
haut , nach Keratitis ulcerosa. 

Conjunctiva geschwollen, zeigt kleine Punkte 
von einem schmutzig-gelblichen Braun, welche das 
ganze Gewebe durchsetzen. 

Pustldöse Phlyktaenen auf der Cornea mit stechen¬ 
den Schmerzen, besonders im linken Auge. 

Vesiculose Phlyktaenen auf der Cornea , beson¬ 
ders am Rande derselben. 

Kali bichrom. hat kleine, weisse, granuläre 
Pusteln auf der Hornhaut, mit stechender Empfin¬ 
dung darin, geheilt. 

Ein eigenthümliches Symptom der Hornhaut, 
welches Kali bichrom. geheilt hat, ist das Gefühl, 
als ob eine Haut darauf läge (cf. Ratanhia). 

Ein undurchsichtiger Hornhautfleck , zu dem 
grosse rothe Blutgefässe von der injicirten Con- 
junctiva über den klaren Aussenrand der Hornhaut 
laufen. (In einem Zustande katarrhalisch-scrophu- 
löser Ophthalmia.) 

Kali bichrom. hat sich in einem Fall von ko¬ 
nischer Cornea nützlich erwiesen. (Calc. jod., Eu- 
phrasia, Pulsat.) 

Die für Kali bichrom. passenden Hornhaut¬ 
geschwüre haben oft die Eigenthümlichkeit, in die 
Tiefe zu dringen wie ein Lochbohrer (cf. Kali 
hydroj. und Lachesis), während das Silicea-Gescliwür 
mit grossem Substanzverlust in die Breite geht und 
das von Calcar. carbon. lang und tief ist, wie ein 
Messerschnitt, dem Rande der Hornhaut nahe liegt 
und gern perforirt. 

In einem Falle von Pannus und Trachom., wo 
die rechtsseitige Hornhaut völlig und die linke 
theilweise verdunkelt und ein zäher, fadenziehen¬ 
der Ausfluss zugegen war, bei entschiedener Besse¬ 
rung, wenn der Kranke auf dem Gesicht lag, half 
Kali bichrom. schnell. 

Ebenso erwies es sich heilsam in einem Falle 
von croupöser Conjunctivitis, in dem starke Che¬ 
mosis und die charakteristische fadenziehende, zähe 
Absonderung, bedeutende Lidschwellung und Horn¬ 
hautverdunkelung zugegen war. 

Ferner heilt es einen Fall von katarrhalischer 
Conjunctivitis mit sparsamer, aber charakteristischer 
Absonderung, schlimmer Morgens beim Erwachen, 
eine wahre Descemetitis mit fein punktirten, un¬ 
durchsichtigen Auflagerungen in der Membrana 
Descemetii, bei mässiger Reizung des Auges. 

Granuläre Lider mit dichtem Pannus auf der 
rechten, weniger auf der linken, Cornea; Patient 


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174 


glaubte durch eine rothe oder gelbliche Atmosphäre 
zu schauen. 

Blepharitis ciliaris, Jucken und Rothe der ent¬ 
zündeten, brennend schmerzenden Lider; derTarsal- 
rand erschien rauh und kratzte wie scharfer Sand 
den Augapfel. 

Ein grosser Polyp, der von der Conjunctiva 
palpebralis des oberen Lids herabhing, ist durch 
Kali bichrom. 30. geheilt worden. (Bei der ophthal- 
moskopischen Untersuchung zeigten sich die Ge- 
fässe der Netzhaut vergrössert und ausgedehnt.) 

Amblyopia mit Blindheit, von Kopfschmerz be¬ 
gleitet; wenn das Sehvermögen wiederkehrt, wird 
der Kopfschmerz heftig unter grosser Abneigung 
gegen Licht und Geräusch; er muss liegen. Schwin¬ 
del begleitet oft das verdunkelte und verworrene 
Sehen. 

Oftmals erscheinen bei den für Kal. bichrom. 
passenden Sehstörungen die Gegenstände dem Kran¬ 
ken gelb , das findet sich aber auch bei Alumina, 
Amylnitrit, Canth., Cedron, China, Chin. sulph., 
Chelidon., Cina, Digit., Jod., Plumb., Podophyllum. 

(The Hahnemannian Advocate. 15. Oct. 1898.) 

M. 


Lesefrttchte. 

Eierstockscyste — Blutung — Molimina 
menstrualia. 

Ein 40jähriges Fräulein, gesund und kräftig, 
mit stets schmerzloser, sehr pünktlich erscheinender 
Menses, bekam nach starker Anstrengung, bei der 
Pflege der kranken Mutter, im November 1895, 
öfteres Drängen zum Uriniren bei erschwerter und 
zögernder Entleerung, die, nachdem sie einige Tage 
ausschliesslich noch im Knieen möglich gewesen 
war, am 13. Januar zur vollen Ischurie wurde. — 
Nach wiederholtem Katheterismus änderten sich 
die Beschwerden: es trat öfteres Harnträufeln und 
starker Drang auf der Blase ein; und fiel von 
dieser Zeit an die Zunahme des Leibumfanges 
und das leidende Aussehen der Pat. der Umgebung 
auf. Verf. ist der Ansicht, dass bis Mitte Januar 
der später constatirie Ovarialtumor im Wesentlichen 
das kleine Becken ausfüllte , und um diese Zeit in 
dev freien Bauchhöhle emporstieg. Am 28. April 
1896 stellte sich Pat. zuerst in der Klinik vor mit 
prallelastischem, etwa mannskopfgrossen, links¬ 
seitigen Ovarialcystom, das den Uterus retrovertiite. 
Es wurde kurz und schonend nur äusserlich palpirt 
und percutirt und die combinirte Bauclidecken- 
Mast darin exploration ausgeführt; auf Lendenunter - 
sucliung aber und Kugelzange im Hinblick auf den 
nnmätelkar bevorstehenden Eintritt der Menstruation 


verzichtet. Darauf irrte die Pat. eine Stunde in 
der Stadt umher und fuhr Abends nach ihrer Hei- 
matb, wobei schon Spuren der Menses sich zeigten. 
In der Nacht erwachte sie mit dem Gefühl, als ob 
etwas im Leibe geplatzt sei, und etwas sich darin 
ergossen hätte; sie war eiskalt, zeigte rapiden 
Kräfteverfall und erholte sich erst nach Anwen¬ 
dung von Excitantien. Morgens, am 29. April, be¬ 
gann die regelmässige Menstruation. Ara 4. Mai 
wurde die Operation unternommen, wobei die Ge¬ 
schwulst noch grösser und gespannter erschien. Es 
fanden sich in dem grössten Loculus zwei Liter 
braunschwarzen, klumpig-geronnenen Blutes. — Die 
Heilung verlief günstig. — 

Dieser Fall erinnert eindringlich an die klinische 
Bedeutsamkeit des dem menstrualen Blutabgang 
vorangehenden Congestionszustandes. Man spricht 
nur immer von Schonung der Frauen während der 
Periode; es ist aber zu bedenken, dass auch schon 
vor Eintritt derselben ein erhöhter Druck in den 
Arterien des kleinen Beckens besteht, der eine ge¬ 
steigerte Gefahr der Hämorrhagie bedeutet. Ferner 
warnt dieser Fall vor manchen Eingriffen, nament¬ 
lich vor derben, dreisten und lange ausgedehnten 
Untersuchungen in der Zeit unmittelbar vor der 
Menses. Die Gefässberstung, an der hier die Pat. 
die meiste Schuld trug, wäre wahrscheinlich in der 
Sprechstunde bei der Untersuchung eingetreten, 
wenn letztere nicht in besonders schonender Weise 
vorgenommen worden wäre. 

(Prof. H. Löhlein-Giessen. — Excerpte medica. 

VI. Jahrg. No. 1, p. 8.) 

Eine plötzliche Berstung in einem bereits früher 
glücklich operirten Fall von Ovarialcyste hat Ref. 
hier vor einigen Jahren bei einer Frau beobachtet, 
die in Folge eines starken Ekels von einem hef¬ 
tigen Erbrechen befallen wurde. Wenn es ihm 
auch gelungen ist, durch innerliche und äusserliche 
Anwendung von Bellad. die intensiven Schmerzen 
des gewaltig ausgedehnten Unterleibes und die 
secundären Erscheinungen (Dys- und Strangurie) 
zu heben, so musste schliesslich doch, um das 
Grundleiden zu beseitigen, eine abermalige Ovario- 
tomie ausgeführt werden, die auch diesmal ohne 
Complication glücklich verlief. 


In einem französischen Blatte lesen wir: 

Dr. Huchard sprach in einer Versammlung der 
Pariser Akademie der Medicin über Tlialliumacctat, 
das Dr. Corabemale in Lille bei profusen Schweissen 
in manchen schweren Krankheiten früher empfohlen 
hatte. Die gute Wirkung des Mittels wird aber 
durch die Thatsache aufgehoben, dass es bei seiner 
Anwendung sehr bald ein starkes Ausfallen der 


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175 


Haare hervorruft. Dr. Hucbard legte der Gesell¬ 
schaft mehrere Photographieen vor von Patienten, 
die nach kurzem Gebrauch des Thalliums ganz 
kahlköpfig geworden sind. Weshalb er sehr energisch 
gegen den Gebrauch des Mittels auftrat. 

Dr. Clarke macht zu dieser Mittheilung in seiner 
Homoeopathic World die treffende Bemerkung: Da 
haben wir wieder den Unterschied zwischen beiden 
Schulen! Den Allöopathen ist dies nur eine „sonder¬ 
bare“ Wirkung des Mittels, die dazu dient, das 
Mittel zu verurtheilen. Für den Homöopathen geht 
hier ein Licht auf von einem neuen Mittel für ein 
sehr beschwerliches Leiden, zu dessen Heilung bis¬ 
her noch wenig Mittel zu Gebote stehen. 

Thallium, TI., ist ein selten vorkommendes Metall, 
spec. Gew. 14,8, das von Crookes in dem bei der 
Destillation von Selen gebliebenen Rückstand ent¬ 
deckt worden ist, und zwar mittels des Spectrums, 
in dem es eine grüne Linie bildet, woher es seine 
Bezeichnung von {grünem Spross) erhalten 

hat. Das Metall hat eine blauweisse Färbung und 
ist so weich, dass man es mit dem Fingernagel ein¬ 
ritzen kann. — Man braucht es zur Herstellung 
einer Glasart mit stark lichtbrechender Kraft. 


Todes-Anzeige. 

Heute Vormittag verschiod nach längeren Leiden 
mein innig geliebter Mann 

Dr. med. Arnold Lorbacher. 

Zugleich im Namen der übrigen Hinterbliebenen 
zeigt dies tiefbetrübt an 

Clara verw. Lorbacher« 

Leipzig, am 10. Mai 1899. 



Todes-Anzeige. 


Am 10. d. M. verschied der langjährige und ver¬ 
dienstvolle Vorsitzende unseres Vereins und unseres 
Krankenhauses, der erfolgreiche Förderer unserer 
Heilmethode, unser geliebter Senior 

Herr Dr. med. Arnold Lorbacher. 

Durch seinen rastlosen Eifer, sein stets ruhmvolles 
Eintreten für unsere Interessen und sein tiefes wissen¬ 
schaftliches Forschen ist er uns stets ein leuchten¬ 
des Vorbild gewesen. Sein Andenken und sein Geist 
worden bei uns Allen — als der Besten Einer — 
dauernd fortleben und fortwirken, und rufen wir Ihm 
ein inniges „Habe Dank“ und ein herzliches „Ruhe 
sanft“ in Himmelshöhen nach. 

Der Verstand des Homöopathischen Centralvereins 
Deutschlands und dasCuratorium des Homöopathischen 
Krankenhauses zu Leipzig. 


Danksagung. 

Der am 10. d. M. hier verstorbene 

Herr Dr. med. Lorbacher 

hat letztwillig dem hiesigen homöopathischen 
Krankenhause und der Unterstutzungskasse 
für Wittwen homöopathischer Aerzte je 

500 Mark ausgesetzt. 

Diese beiden Beträge sind ain gestrigen 
Tage an den Verwalter dieser beiden Kassen 
von Frau Dr. Lorbacher ausgezahlt worden. 

Wir sprechen dem lieben Entschlafenen für 
diese letzten, ihn und uns ehrenden Beweise 
der Liebe und Treue, die er für unsere Sache 
und für diese beiden wesentlich durch ihn ge¬ 
schaffenen Institutionen bis zum Tode bewahrte, 
unseren tiefgefühltesten innigsten Dank aus. 
Leipzig, den 19. Mai 1899. 

Das Curatorium des homöopathischen 
Krankenhauses zu Leipzig 

und 

das Curatorium der Unterstützungs¬ 
kasse für Wittwen homöopatb. Aerzte. 


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Von Herrn Missionar Mars ist wiederum am 13. Februar 
1899 ein grösseres Quantum seines Krebsmittels eingetroffen. 
Ich stehe somit wieder gern mit diesem Mittel zu Diensten 
und kann es nun erfreulicher Weise auch billiger abgeben, 
und zwar 1 Portion: 10,0 mit Gebrauchsanweisung: 1,50 Mk. 
(früher 2 Mk). 

A. Marggrafs Homöopath. Officio, Leipzig. 


Carl Gruner’s homöopathische Officio (A. Kittel), 
Berlin 

hat folgende Depöta errichtet, in denen ihre anerkannt 
vorzüglichen Arzneien in bester und frischester Qualität 
stets, und nur in Originalpackung und zu Ori$inal- 
preisen zu haben sind: 
für Berlin O. und 8.0«: 

Emmaus-Apotheke, Apotheker E. Seyd, Reichenberger¬ 
strasse No. 150. 
für Berlin N.W.: 

Roland-Apotheke, Apotheker Bermann, Thurmstrasse 

No. 16. 

für Rostock (und beide Mecklenburg): 
Universitäts-Apotheke, Blücherplatz. 


'S. 



Das homöopathische Krankenhaus zu Leipzig 

(Sidonieustra*se No. 44) 

eröffnet im Sommer 1888 und Eigenthum des homöopa¬ 
thischen Centralvereins Deutschlands, nach Muster der 
besten und ersten Krankenhäuser und nach den neuesten 
Erfahrungen eingerichtet, wird den Anhängern und Freun¬ 
den der Homöopathie sowohl zur Benutzung in schweren 
Krankheitsfällen als auch zur wohlwollenden Unterstütz¬ 
ung aufs Wärmste empfohlen, damit auch Unbemittelten 
der Segen der homöopathischen Heilmethode zu Theil 
werden kann. Beitiäge jeder Art, auch die kleinsten, 
nimmt der Kassenverwalter, Apotheker W. Steinmetz, in 
Firma A. Marggrafs homöopathische Officin in Leipzig, 
jederzeit dankbarst entgegen. 

Die neuen Statuten und Aufnahmebedingungen des 
mit einem Krankenpensionate 1. und 11. Klasse verbunde¬ 
nen homöopathischen Krankenhauses hierselbst können 
sowohl von der Direction desselben, wie auch von uns 
bezogen werden. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig. 

Drnck von .Tnlinn Mä*er in Leipzig 


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Band 138 


Leipzig, den 8. Juni 1899. 


No. 23 u. 24, 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG. 


Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 


Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A.Marggrafs homöopath. Offlein) in Leipzig 

Thomaskirchhof 12. 


Erscheint Utagig eu 2 Bogen. IS Doppelnummern bilden einen Band. Preis WM. 50 Pf. (Halbjahr). Alle Buohhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs -Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. M&rggrafs homöopath. Offlcln ln Leipzig) zu richten 
3ind, werden mit 20 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 6—8 M. berechnet. 


Inhalt. Einladung zum Abonnement. — Dr. Arnold Lorbacher, gest. am 10. Mai 1899. Eine Skizze seines 
Lebens und Wirkens. — Ulcera varicosa — Clematis vitalba. — Diagnose und Prognose der Cholelithiasis. Referat 
von Dr. Th. Kafka in Karlsbad. — Das Selbstdispensirrecht der Aerzte und Homöopathen. — Materia medica. — 
Scorbut-Rhachitis. Yon Dr. J. Roberson Day, Arzt für Kinderkrankheiten am London Homoeopathical Hospital. 
Ref. Dr. Mossa. — Indicationen für Staphisagria. Yon M. — Kurpfuscher Frage Yon Emil Schlegel, praktischer 
homöopath. Arzt in Tübingen. — Tinctura Jodii in der Diarrhöe der Phthisiker. Yon M. — Ehrengerichte der Aerzte 

in Preussen. — Anzeigen. 


Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Einladung zum Abonnement. 

Um in der Zusendung dieser Zeitung keine Unterbrechung eintreten zu lassen, werden die ge¬ 
ehrten Abonnenten um gefällige rechtzeitige Erneuerung des Abonnements auf Band 139 (2. Halbjahr 
1899) höflichst ersucht. Alle Postanstalten und Buchhandlungen, sowie die Unterzeichnete YerlagS- 
handlung selbst nehmen Bestellungen zum Preise von 10 Mark 50 Pfg. pro Band entgegen. Probe- 

numraern stehen stets unberechnet und portofrei zu Diensten. „ . . .. 

... x • Hochachtungsvoll 

Leipzig, im Juni 1899. , , __ . . 

die Verlagshandlung von William Steinmetz 

(i. Fa. A. Marggrafs Homöopath. Offlein.) 


Dr. Arnold Lorbacher, 

gest. am 10. Mai 1899. 


Eine Skizze seines Lebens nnd Wirkens. 

Wohl erfüllt uns der Heimgang eines alten, 
lieben Freundes mit Trauer, aber diese Trauer 
wird in ihrem Schmerze gemildert, wenn unserem 
Geiste sich die Fülle von Segen und Wohlthun 
vergegenwärtigt, die aus einem so ausgereiften 
Leben, fruchtbar an Rath und That, uns zugeflossen 
ist. Es klingt dann in das Geläute der Trauer¬ 
glocken der Ton herzlichen Dankes und freund¬ 


licher Erinnerung, die über das Grab hinausreicht, 
hinein. 

Mit diesen Empfindungen steht die grosse ho¬ 
möopathische Familie Deutschlands am Grabe unseres 
am 10. Mai c. von uns geschiedenen lieben, „alten“ 
Lorbacher. 

Unser Arnold Fr. Phil. Heinrich Lorbacher ist 
geboren 1818 in Gross-Sömmerda, einem Städtchen 
in Thüringen, woselbst sein Vater als Obersteuer- 
Inspector damals lebte. Dieser wurde aber als Be¬ 
amter oftmals versetzt, und so hat auch unser Lor¬ 
bacher den Wohnsitz während seiner Jugend oft 
wechseln müssen. Sein Vater befand sich in be¬ 
scheidenen, aber ausreichenden Vermögeusverliält- 
nissen, so dass er seinen Kindern eine gute Er¬ 
ziehung und Ausbildung gewähren konnte. Unser 

23 


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178 


Lorbacher hatte nämlich noch einen Bruder, der 
als Cigarrenfabrikant in Bremen längst verstorben ist, 
und drei Schwestern, von denen zwei, unverheiratet 
geblieben, noch hochbetagt in Leipzig leben, und 
die dritte an den homöopathischen Arzt Dr. Kohl¬ 
mann jun. in Gross -Wanzleben verheiratet war. 
Letzterer war acht Jahre älter als unser L. und 
begegnet uns in den Präsenzlisten des Centralver¬ 
eins anfangs der 40 er Jahre. — Auch dessen Vater 
war schon homöopathischer Arzt, und L.’s Vater 
selbst war ein eifriger Anhänger der Homöopathie, 
wie das auch sein Besuch der Generalversamm¬ 
lungen des Centralvereins, 1834 in Cöthen und 
1844 in Magdeburg, bezeugt. 

Unser L. besuchte zunächst die Latein-Schule 
in Halle, dann das Gymnasium zu Mühlhausen in 
Thüringen. Nach absolvirtem Abiturientenexamen 
wandte er sich dem Studium der Medicin zu, und 
zwar erhielt er seine medicinische Ausbildung auf 
der Universität Greifswald. Hier promovirte er am 
25. November 1844 und machte daselbst auch, wohl¬ 
vorbereitet, sein Staatsexamen und liess sich dann 
als praktischer Arzt in Eisleben nieder. Er hat 
sich wohl sehr bald der Homöopathie zugewandt, 
denn schon 1845 finden wir zum ersten Mal den 
Namen des damals 27 jährigen Dr. Arnold Lorbacher j 
in der Präsenzliste des Centralvereins, in welchem 
Jahre er unter der Leitung von Franz Hartmann 
und CI. Müller in der homöopathischen Poliklinik 
in Leipzig einen praktischen Kursus in der Homöo¬ 
pathie durchmachte. Er war ja, sozusagen, in einer 
homöopathischen Atmosphäre aufgewachsen; hatte 
die Leistungsfähigkeit unserer Heilmethode schon 
frühzeitig beobachten können, so dass die Annahme 
derselben bei ihm wohl ohne schwere innere Kämpfe 
vor sich gegangen sein wird. — Wie er aber in 
den Geist derselben eingedrungen, bei aller Hoch¬ 
achtung für den Meister Hahnemann nicht prüfungs¬ 
los auf jedes Wort desselben schwörend, welche 
bedeutende Mittelkenntniss er sich durch emsiges, 
unablässiges Studium unserer Arzneimittellehre 
erworben und die so erlangten Kenntnisse unter 
Beistand seines diagnostischen Scharfblicks und An¬ 
wendung der durch die moderne Heilkunst ge¬ 
gebenen diagnostischen Hilfsmittel am Kranken¬ 
bett zu verwerthen wusste, das hat seine lange, 
segensreiche Praxis bewährt; und das können wir 
auch aus seinen publicistischen Arbeiten beurtheilen. 
Denn gern hat er von seinen praktischen Erleb¬ 
nissen und Beobachtungen seinen Berufsgenossen 
in unseren Zeitschriften oft ausführliche und sehr 
lehrreiche Mittheilungen gemacht. — 

Eins seiner ersten, wenn nicht gar erstes, Debüts 
auf dem schriftstellerischen Gebiet ist wohl seine 
Arbeit: „Einiges aus den Scharlachfieber-Epidemieen 
in Eisleben und Umgegend vom December 1850 


bis November 1851“ in der damals von Clothar 
Müller und Veit Meyer herausgegebenen Homöo¬ 
pathischen Vierteljahrs-Schrift, worin sich L. in der 
That als guter Beobachter, tüchtiger Diagnostiker 
und Praktiker einführt. 

Im Jahre 1848 verheirathete er sich mit einer 
jungen Dame, geb. Franke aus Eilenburg, und 
begründete so in Eisleben seinen Hausstand. 

Von hier siedelte er, um ein grösseres Arbeits¬ 
feld zu gewinnen, im Jahre 1869 nach Leipzig 
über, woselbst er bis an sein Ende verblieb und 
zur Entfaltung seiner Thätigkeit volle und weite 
Gelegenheit gefunden hat. So übernahm er nach 
Dr. V. Meyer* s Tode, 1872, die Stelle als zweiter 
Arzt an der homöopathischen Poliklinik in Leipzig, 
während CI. Müller die erste bekleidete, und als 
Letzterer starb, rückte Lorbacher an seine Statt 
(1877). Diese Poliklinik hatte das erste homöo¬ 
pathische Krankenhaus in Leipzig, das, mit zu 
geringen Mitteln gegründet, nur eine kurze Zeit 
geblüht und dann eingegangen war, überlebt und 
wirkt noch bis auf diese Tage segensreich da¬ 
selbst; auch ist es für so manchen angehenden ho¬ 
möopathischen Arzt eine förderliche Ausbildungs¬ 
stätte geworden. In demselben Jahre wurde L. 
auch zum Vorsitzenden des homöopathischen Cen¬ 
tralvereins Deutschlands erwählt, welches Ehrenamt 
er bis zum August 1895 bekleidete. 

Seine schriftstellerische Thätigkeit widmete er 
zunächst der Redaction der 1870 von Dr. W. Schwabe 
ins Leben gerufenen Populären Zeitschrift für Ho¬ 
möopathie, sodann übernahm er 1878 die Redac¬ 
tion der Allgemeinen homöopathischen Zeitung, 
welche er bis 1889 führte. Es gehörte fürwahr 
eine tüchtige Arbeitskraft dazu, all* diese Aufgaben, 
neben einer ausgedehnten Praxis in und ausser 
dem Hause, zu erfüllen, und zwar, wie dies un¬ 
serem L. nachgerühmt werden darf, mit Sorgfalt 
und Gewissenhaftigkeit! Dabei war ihm des Lebens 
Mühsal auch nicht erspart. Im Jahre 1878 starb 
ihm seine Gattin. Zwei Jahre blieb er Wittwer, 
dann (1880) vermählte er sich zum zweiten Male 
mit Fräulein Clara Berger, an der er wieder eine 
! liebevolle Lebensgefährtin gefunden hat. 
j L. erfreute sich bei kräftiger Constitution einer 
I ausgezeichneten Gesundheit, so dass ihn sein sieb- 
| zigster Geburtstag, ein Freuden- und Ehrentag für 
: alle seine Freunde und Berufsgenossen, in voller 
| Frische und Rüstigkeit Leibes und Geistes antraf. 

Nachdem er 1892 die 50jährige Jubelfeier der 
homöopathischen Poliklinik in Leipzig mit einem 
historischen Rückblick auf die Entwickelung und 
| Thätigkeit dieser Anstalt begrüsst hatte, gab das 
| Jahr 1895 Gelegenheit zur Feier seines 50jährigen 
| Doctor-Jubiläums, das ihm von allen Seiten die 


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lebhaftesten Zeichen allgemeiner Hochachtung und I 
Anerkennung und Sympathie entgegenbrachte. 

Die Universität Greifswald sandte ihm das er¬ 
neuerte Doctor-Diplom; unsere homöopathischen 
Zeitschriften und auch der Centralverein widmeten 
ihm anerkennende Zuschriften. In Leipzig ver¬ 
anstalteten seine Freunde und Collegen ein solennes 
Festmahl, an dem auch die ihm verwandten allöo- 
pathischen Koryphäen, der Obermedicinalrath Dr. 
Berger und der Geheimrath, Professor der Chirurgie 
an der Leipziger Universität, Dr. Benno Schmidt, die 
ihn nicht nur hochschätzten, sondern aufrichtig lieb¬ 
ten, theilnahmen. 

Es ist mir noch immer eine freudige Erinne¬ 
rung, zu dieser Feier durch ein im dithyrambischen 
Schwünge verfasstes und von den Festgenossen 
wirklich mit Jubel gesungenes Festlied einen kleinen 
Tribut beigetragen zu haben, während ich in der 
Allgem. homöopath. Zeitg. vom 25. November 1894 
die Glückwünsche dieser Zeitschrift selbst und die 
der homöopathischen Collegen unter Würdigung 
seiner Verdienste um unsere Sache zum Ausdruck 
brachte. In dieser Zeitschrift, deren langjähriger 
Mitarbeiter und Schriftleiter der Verewigte war, 
hat er ja den grössten Theil seiner praktischen Er- 
fahiungen niedergelegt, und nicht bloss das, son¬ 
dern er hat uns immer wieder in gediegenen Ar¬ 
tikeln auf das hingewiesen, was zum Gedeihen der 
Homöopathie nach innen wie nach aussen noth 
thut, versöhnend und vermittelnd zwischen den 
Ultras nach rechts wie nach links, sowie auch 
manchem Angriff von gegnerischer Seite kräftig 
und würdig begegnet. 

In seinem 70. Jahre hatte Lorbacher die Ge- 
nugthuung, die Erfüllung eines von ihm lange ge¬ 
hegten und mit unermüdlichem Eifer erstrebten 
Plans zu erleben, die Eröffnung eines homöopathi¬ 
schen Krankenhauses in Leipzig am 1. Juli 1888. 
Wie sehr ihm dieses Hospital, das ihm ein Benjamin 
aber zugleich auch ein Benoni (Schmerzenskind) 
war, bis in sein höchstes Alter am Herzen gelegen, 
ist uns Allen wohlbekannt. 

Noch eine seiner Arbeiten haben wir zu er¬ 
wähnen, seines Schriftchens „ Anleitung zum methodi¬ 
schen Studium der Homöopathie; Vorbereif ungscursus 
zur Erlangung des Selbstdispensirrechts homöo¬ 
pathischer Arzneien im Königreiche Preussen. (< (Ver¬ 
lag von Dr. W. Schwabe.) Diese Broschüre hat 
manchem jungen Arzt den Weg zur Homöopathie 
bedeutend erleichtert. 

Doch das höhere Alter machte schliesslich sein 
Recht auch an diesem allzeit wackeren und thätigen 
Mann geltend. So sah er sich denn genöthigt, 
1895, also im 77. Lebensjahre, den Vorsitz im Cen¬ 
tralverein niederzulegen, nachdem er schon früher 


von der Leitung der Poliklinik zurückgetreten war. 
Aber auch noch während dieses wohlverdienten 
Feierabends seines Lebens war er nicht völlig un- 
thätig; haben wir doch noch im vergangenen Jahre 
aus seiner emsigen Feder ein Fragment aus der 
Entwicklungsgeschichte der Homöopathie in diesem 
Blatte bringen können. Sein Geist blieb klar und 
frisch, während sein Körper in dem letzten Jahr 
wirklich alterte. Bis dahin meist gesund, fing er 
mit dem Anfänge dieses Jahres ernstlicher zu 
kränkeln an, Prostatabeschwerden mit asthmatischen 
Zufällen machten ihm die letzten Tage noch recht 
schwer, bis ihn der Tod am 10. Mai von allem 
Leid erlöste. 

Ein herrlicher Blumenschmuck bekränzte den 
Sarg, darunter die Blumenspenden des Homöo¬ 
pathischen Centralvereins, des Sächsisch-Anhaitini¬ 
schen, sowie des Berliner Vereins homöopathischer 
Aerzte. Nach dem Geistlichen sprach noch Ober¬ 
stabsarzt Dr. Rohowsky, als Vorsitzender des Cen¬ 
tralvereins, des letzteren Dank gegen den Todten 
aus für seine mehr als zwanzigjährige aufopfernde 
Thätigkeit. Die Mehrzahl der homöopathischen Aerzte 
und Apothekenbesitzer Leipzigs und Dr. Dammholz 
als Vertreter der Berliner Collegen, sowie eine De¬ 
putation der Loge „Minerva zu den drei Palmen“, 
geführt von unserem Herrn W. Steinmetz, sodann 
i eine beträchtliche Anzahl hervorragender Persön¬ 
lichkeiten Leipzigs gaben unserem L. das letzte 
Geleit. 

Die Wittwe und eine erwachsene, verheirathete 
Adoptivtochter (eigene Kinder hatte L. nicht) blicken 
trauernd dem Heimgegangenen nach. Das Leipziger 
Tageblatt brachte einen recht sympathischen, von 
sachkundiger Hand geschriebenen Nachruf, 
j Wollen wir ein Gesammtbild vom Wesen und 
der Thätigkeit unseres L. entwerfen, so würde es 
j kaum treffender ausfallen, als wie es College Dr. 

| Weber-Köln bei Gelegenheit des 70. Geburtstags 
I im Namen des homöopathischen Centralvereins zu 
| ihm sprechend, gezeichnet hat. 

„Im Dienste unseres gemeinschaftlichen Berufes, 
sowie in unausgesetzter, thätiger Tbeilnahme an 
den Lebensäusseruugen der Homöopathie, sowohl 
j in wissenschaftlicher Richtung, als auch in der För- 
| derung ihres Ansehens und Einflusses in der grossen 
i Welt haben Sie als privater und poliklinischer Arzt, 
i als Leiter und Mitarbeiter der »Allgemeinen homöo¬ 
pathischen Zeitung* und als ständiges geschäfts¬ 
führendes Mitglied des Vorstandes unseres Central¬ 
vereins diese Zweige Ihrer Thätigkeit mit reichem 
Inhalt ausgefüllt, und können, von der Höhe Ihres 
Alters zurückschauend bis in die Zeiten Hahne- 
mann’s, mit innerer Genugthuung sich sagen, dass 
die Spuren Ihres Wirkens auf dem Gebiete der 
j Homöopathie nicht verwehen noch erlöschen werden. 


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180 


In Ihrer persönlichen Auffassung und Ausübung 
der Homöopathie als Heilkunst ist Ihnen unser 
Aller Meister Hahnemann das Vorbild gewesen, dem 
Sie sich am engsten angeschlossen haben. Als 
alter Hahnemannianer nahm bei Ihnen der selbst¬ 
ständige Einzelfall, nicht seine Einordnung in das 
klinische System, die oberste Stelle ein; die Be¬ 
fähigung aber zur vorbedachten Lösung der jedes 
Mal damit gestellten gesonderten Aufgabe vermit¬ 
telst hochverfeinerter, seltener und einfacher Arznei¬ 
gaben entsprang mühevoller, unermüdlicher Er¬ 
werbung ausgezeichneter Arzneimittelkenntniss. So 
hielten Sie die homöopathische Therapie in unmittel¬ 
barster, nicht durch klinische Abstractionen ver¬ 
mittelter Verbindung mit ihrem unerschöpflichen 
Mutterboden der Reinen Arzneimittellehre Hahne- 
mann’s und seiner Nachprüfer. 

Wenn die Centralvereins-Mitglieder um Ihrer 
ärztlichen Bedeutung willen sich Glück wünschen, 
Sie, hochverehrter Herr College, unter sich zu 
zählen, so ehrt dieser Verein in Ihnen nicht we¬ 
niger Ihre uneigennützigen Bemühungen und Ihre 
Opfer für die Wohlfahrt der Homöopathie und ins¬ 
besondere des Centralvereins selbst. 

Ihre ergebnisreiche Sammlung für das in Aus¬ 
sicht genommene Berliner Krankenhaus, Ihre so 
glückliche Mitarbeit an der Errichtung des heuer 
eröffneten homöopathischen Spitals in Leipzig, Ihre 
sorgfältige Thätigkeit als erster Arzt der homöo¬ 
pathischen Klinik daselbst, Ihre gewissenhafte Ge¬ 
schäftsführung in unseren Vereinsangelegenheiten, 
Ihre lebendige Theilnahme in Wort, Schrift und 
Person an diesem einzigen Band und Verband der 
leider viel zu sehr getrennt arbeitenden homöo¬ 
pathischen Collegen — alles dieses hat Ihnen für 
die Homöopathie und den Centralverein schon eine 
geschichtliche Bedeutung verliehen, die Niemand 
stärker als der Verein selbst zu würdigen und mit 
dem wärmsten Dank zu begrüsseu berufen sein 
dürfte.“ 

Es sei uns gestattet, zu diesem so trefflichen 
Bilde noch einige ergänzende Züge zu liefern. Lor- 
bacher’s Wirksamkeit als Praeceptor Homoeopathiae 
Germanicae verdient wohl hervorgehoben zu wer¬ 
den. Geben wir daher dem Collegen Dr. Stifft das 
Wort, indem wir das den Meister und Schüler 
ehrende Zeugniss desselben aus Anlass jenes 70. Ge¬ 
burtstages an dieser Stelle wiederholen. Dr. Stifft 
sagt (siehe ,,AIlgem. homöopath. Zeitg.“ No. 21/22, 
p. 162): „Seit dem Jahre 1888 ist es mir ver¬ 
gönnt gewesen, in stetiger geistiger Berührung mit 
Dr. Lorbacher zu bleiben, von ihm zu lernen, neben 
ihm zu wirken. Wie manche Anregung, wie manchen 
Wink für praktisches Handeln, wie manche Auf¬ 
klärung in schwierigeren Fragen verdanke ich der 
liebenswürdigen Collegialität des verehrten Col- 


I legen! Stets werde ich dankbar für dieses schöne, 

! mir so werthvolle collegiale Verhältniss sein. 

Wenn wir in das Studium der Homöopathie 
eingetreten sind und uns aus unseren Lehrbüchern 
mit ihren leitenden Principien, mit ihrer Charakte¬ 
ristik der Arzneimittel und ihren Indicationen be¬ 
kannt gemacht haben, um unsere so erlangten Kennt¬ 
nisse nur therapeutisch zu verwerthen, so ergeht 
es uns wie dem Wanderer, der zum ersten Male 
eine ihm bis dahin nur aus dem Reisehandbuche 
bekannte Gegend betritt. Er kennt wohl die brei¬ 
testen Strassen, die gewöhnlich richtige Route, die 
er wandern muss, um am meisten von seinem 
Marsche zu gemessen und zu seinem Endziel am 
sichersten und bequemsten zu gelangen, aber er 
kennt noch nicht die mannigfachen, weniger be¬ 
kannten kleineren Wege und Nebenrouten, die ihn 
bei gewissen Anzeichen und unter aussergewöhn- 
lichen veränderten Verhältnissen besser und mit 
mehr Erfolg nach demselben Ziele hinführen. Trifft 
er nun aber sogleich einen mit der Gegend wohl- 
bekannten und getreuen Führer, der ihm zur Richt¬ 
schnur seines Weges sichere, praktische Winke zu 
geben versteht, so wird er vor mannigfachen Ent¬ 
täuschungen bewahrt bleiben, ein rascheres und 
besseres Urtheil über Land und Leute bekommen 
und am vollkommensten die erhoffte Befriedigung 
von seiner Reise erlangen. So geht es auch dem 
jungen homöopathischen Therapeuten Die Lehr¬ 
bücher können nur in grossen Zügen die Therapie 
vorzeichnen; die richtige Ausführung des Einzelnen 
bleibt ihm allein überlassen, seiner Beobachtung, 
seiner sich mehrenden Erfahrung, — wenn ihm 
nicht das Glück zu theil wird, einen erfahrenen Be- 
I rather zur Seite zu haben. Ein solcher Berather 
ist mir unser verehrter Dr. Lorbacher stets ge¬ 
wesen. In mannigfachen Gesprächen hat er mich 
| aus dem Schatze seiner Erfahrungen auf dieses 
und jenes kleine Symptom, auf diese und jene 
| Mittelwirkung aufmerksam gemacht; manchen prak¬ 
tischen Wink verdanke ich ihm für die Anwendung 
von Arsen, Phosphor, Silicea, Mercur. praecipitatus 
ruber, Thuja, Causticum und anderer Mittel, den 
ich dann in der Praxis erprobt gefunden habe.“ 
Auch gesteht dieser authentische Zeuge, dass er 
, sich von der Anwendbarkeit mancher Mittel, wie 
z. B. Silicea, auch in hohen Potenzen, in gemein¬ 
schaftlicher Arbeit mit Lorbacher am Krankenbett 
habe überzeugen können. — Gerade für die Wirk¬ 
samkeit der höheren Potenzirungen ist Lorbacher 
in der That wiederholt nicht als theoretischer An¬ 
walt, sondern als Praktiker auf Grund seiner Er¬ 
fahrungen und guter klinischen Erfolge aufgetreten. 
Aber auch in dieser oft so brennenden Frage von 
der Gaben grosse, die nahe daran war, eine uuheil- 
I bare Spaltung in unserem Lager zu veranlassen, 


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181 


wie auch bei anderen die Gemüther tief erregen¬ 
den Streitfragen, ist er massvoll, beschwichtigend 
aufgetreten, um, so weit es möglich war, Friede 
und Eintracht in unserem Lager zu erhalten. So 
hat er noch in hohem Alter von 76 Jahren in 
No. 8/9 des 129. Bandes dieser Zeitschrift durch 
einen Artikel „Zum Ausgleich“ seine Stimme mahnend, 
beschwichtigend und vermittelnd in dem Streite der 
Parteien erhoben. 

Diese ausgleichende, vermittelnde Stellung war 
bei unserem Lorbacher aber nicht jenes aus poli¬ 
tischer Klugheit fliessende juste milieu, sondern sie 
entsprang seinem sittlichen Charakter, seiner Liebe 
zum Frieden, die das Einende sucht und das Tren¬ 
nende zwar nicht übersieht, aber aus Achtung 
gegen den ehrlichen Gegner milde beurtheilt. Wie 
in der Heilkunst strebte der Verewigte auch im 
Sittlichen unablässig nach Vervollkommnung. Er 
besass grosse Herzenseigenschaften, die jedoch, da 
ihm das Herz nicht auf der Zunge sass, und er 
eine ernste, mehr reservirte Natur war, mehr im 
stillen Kreise seiner Familie und seiner intimen 
Freunde hervorleuchteten. Doch haben auch seine 
Kranken, die ihm ohnedies wegen seiner grossen 
Gewissenhaftigkeit und Unermüdlichkeit als ärztlichen 
Helfer hoch schätzten, es wohl gemerkt, dass sie 
für ihn mehr als Versuchsobjecte waren, dass sie 
in ihm einen Freund batten. — Nach aussen wirkte 
er hauptsächlich nur als Arzt und für die Homöo¬ 
pathie; von allem anderen hielt er sich zurück. 
Wohl aber nahm er an den Arbeiten und Be¬ 
strebungen der Maurerloge sehr regen Antheil, und 
war es ihm vor wenigen Jahren noch vergönnt, 
sein goldenes Maurer-Jubiläum zu begehen, von 
seinen Brüdern, denen er so oft aus dem reichen 
Schatze seines Wissens mitgetheilt und innige Liebe 
erwiesen, hoch geehrt und viel geliebt. — 

Einen solchen Mann bis zu seinem vollsten, 
ausgereiften Lebensalter in unseren Reihen besessen 
zu haben, preisen wir als ein besonders gnädiges 
Geschenk der göttlichen Vorsehung. Er starb, aber 
seine Werke folgen ihm nach; sein Andenken wird 
in Segen bleiben. Möge sein Bild unserer jetzigen 
Generation, und auch der folgenden, zum Vorbilde, 
zur Nachahmung dienen! Dr. Mossa. 


Ulcera varicosa — Clematis vitalba. 

Ein 46jähriges Fräulein, an Gicht leidend und 
von einer gichtischen Familie stammend, hat seit 
vier Jahren an Fussgeschwüren gelitten. Selbige 
sind abgerundet, von der Grösse eines Fünffranken¬ 
stückes oder etwas drüber, und sitzen an der 
Aussenseite beider Beine und halten, so oft sie J 
auftreten, immer mehrere Wochen an. Am 12. Jan., | 


wo sie Dr. Jousset junior sah, zeigte sie zwei Ge¬ 
schwüre am linken Bein, das eine etwas unterhalb 
des Malleolus externae, das andere 10— 15 Centi- 
meter darüber; diese Geschwüre bestehen bereits 
seit zwei Monaten trotz verschiedener örtlicher Mittel 
und Bettruhe. 

Das Aussehen der Kranken ist im Ganzen be¬ 
friedigend, indessen bemerkt mau Kreislaufstörungen, 
vornämlich an den Beinen, besonders an den 
Knieen, die sich durch bläuliche, marmorirte Ader¬ 
netze charakterisiren; auch zeigen sich einige kleine, 
sehr feine Varices. 

Clematis vitalba 3. innerlich und dasselbe Mittel 
äusserlich, 10 Tropfen in 1 / i Glas Wasser zum 
Befeuchten von Compressen, die mehrmals täglich 
erneuert werden sollen. 

Am 25. Januar sind die Geschwüre, besonders 
das untere, kleiner an Umfang. 

Am 3. Februar ist das untere Geschwür voll¬ 
kommen geheilt: das obere entschieden besser. 

4. April. Obwohl die Kranke fast immer still 
gelegen, hat sich das obere Geschwür wieder ge¬ 
öffnet , so dass Clematis innerlich und äusserlich 
wiederholt wird. 

22. April. Das Geschwür breitete sich immer 
mehr aus. Hydrastis innerlich und äusserlich eine 
Salbe von 1 Gramm auf 30. 

27. April. Keine Besserung. Dr. Jousset senior 
räth Arsen 3. trit. zu geben und das Geschwür 
mit einem Pulver von 1 Arsen zu 1000 Amylum 
zu bestreuen. Ziemlich schnelle Besserung, und 
nach Verlauf von drei Wochen war das Geschwür 
wieder vernarbt. 


Diagnose und Prognose der Cholelithiasis. 

Referat von Dr. Th. Kafka in Karlsbad. 

Unter diesem Titel bringt die Wiener Monats¬ 
schrift „Heilkunde“ einen Artikel aus der Feder 
des Hofraths Dr. Riedel in Jena. Die Gallenstein¬ 
krankheit und wann operirt werden soll, bildet jetzt 
ein aktuelles Thema in allen ärztlichen Vereinen 
und Versammlungen. So z. B. auch die Broschüre 
des Dr. Kehr in Halberstadt, der sehr bald zur 
Operation schreitet, trotzdem er selbst doch zuerst 
die Kur in Karlsbad gebraucht hat, bevor er sich 
zu einer solchen Operation an sich selbst ent¬ 
schlossen hatte. Prof. Dr. Wölfler in Prag wiederum 
glaubt nach einem im Verein Deutscher Aerzte ge¬ 
haltenen Vortrage nur dann zur Operation schreiten 
zu müssen, sobald eine Ulceration nachweisbar ist. 
Eine Ulceration in den Gallenorganen bei Zeiten 
nachzuweiseu, ist aber meistens sehr schwierig, und 
man wird sich event. daher noch sehr überlegen 
müssen und doch vorher alle anderen Kurarten, wie 


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z. B. eine Kur in Karlsbad, anwenden müssen, be¬ 
vor man zur Operation schreitet. 

Ueber die Diagnose äussert sich Strümpell 
wie folgt: Die Diagnose der Cholelithiasis kann in 
manchen Füllen leicht und mit voller Sicherheit ge¬ 
stellt werden, währeud in anderen Fällen die ganze 
Krankheit unter so vieldeutigen und dunkeln Symp¬ 
tomen auftritt und verläuft, dass ein bestimmtes 
Urtheil über die Natur des Leidens unmöglich ist. 
Die grösste diagnostische Bedeutung haben jeden¬ 
falls die Kolikanfälle. Man soll sich daher zur 
Regel machen, bei allen anfallsweise auftretenden 
heftigen Schmerzen in der Magen- und Lebergegend, 
zumal bei Frauen im mittleren Lebensalter, an die 
Möglichkeit von Gallensteinen zu denken. Jeder 
leichte dabei bemerkliche Icterus macht die Diagnose 
wahrscheinlicher, während, wie erwähnt, das Fehlen 
von Icterus keineswegs gegen die Diagnose „Gallen¬ 
steine“ spricht. Der sicherste Beweis für diese 
Annahme ist dann gegeben, wenn es gelingt, nach 
dem Anfalle Steine in den Stuhlentleerungen auf¬ 
zufinden. Doch kann immerhin in vielen typischen 
Fällen die Diagnose auch ohne den directen Nach¬ 
weis der Corpora delicti sicher begründet werden. 
Zu hüten hat man sich auch vor Verwechselungen 
von fest zusammengeballten Nahrungsresten (Pflanzen¬ 
resten nach reichlichem Obstgenuss u. dergl.) mit 
wirklichen Gallensteinen. 

90°/ o der Gallensteinkranken sind zu Anfang 
frei von Icterus; wenn man also die Gallenstein¬ 
diagnose auf Icterus incipiens oder gar auf den 
Nachweis von Steinen im Stuhlgange stützen will, 
so wird man nur in 10°/ o der Fälle die Diagnose 
stellen können. Von den restirenden 90% hat 
sicherlich kaum die Hälfte sofort beim Beginn des 
Leidens typische, d. h. schwerere Kolikanfälle, die 
meisten leiden an sogenannten Cardialgieen, manche 
nur an gelegentlichem Unbehagen, Appetitmangel, 
Erbrechen nach Aerger. Das sind Individuen, bei 
denen einzelne grosse Steine frei in einer hydropi- 
schen Gallenblase umherschwimmen; Ductus-cysticus 
lediglich verschwollen, kein Stein im Blasenhalse. 
Bei längerer Dauer des Leidens mehrt sich die 
Procentzahl der Icterischen, weil manche Kranke 
erfolgreiche Anfälle erleiden; trotzdem rechne ich 
auf Icterus nur in 25 % der Fälle, wenn man die¬ 
jenigen in Abzug bringt, die secundär in Folge 
von Carcinoma vesicae felleae Icterus bekommen. 
Von jenen 25% entleert aber kaum die Hälfte die I 
Steine per vias naturales, bei der zweiten Hälfte ! 
bleiben sie vorläufig im Ductus choledochus stecken, | 
sie können sich später entleeren oder auch nicht. 
Die Hauptsache ist, dass in den Fällen, die zu An¬ 
fang frei von Icterus sind (90%), die Diagnose 
gestellt wird, weil diesen Kranken in leichter und 
gefahrloser Weise zu helfen ist; aber hier hapert | 


die Diagnose noch in bedenklicher Weise, weil der 
„erfolglose“ Gallensteinkolikanfall nicht genügend 
anerkannt ist. Diese Diagnose auf circumscripte 
Peritonialreizung — als solche charakterisirt sich 
| der erfolglose Gallensteinkolikanfall mit seiner Auf¬ 
treibung der Oberbauchgegeud, der Empfindlichkeit 
derselben, der Uebelkeit resp. dem Erbrechen — 
ist aber in der That meist zu stellen; nur die ana¬ 
logen Schmerzattacken bei Verwachsungen der 
Gallenblase (nach Abgang der Steine per vias natura¬ 
les) machen ganz besondere diagnostische Schwierig- 
1 keiten, desgleichen die schmerzhafte an Stelle der 
I Gallenblase fixirte, sogenannte Wanderniere, die hier 
I keine Wanderniere mehr ist. 

Sind die begleitenden Erscheinungen des Kolik¬ 
anfalles nicht sehr charakteristisch, so ist die sichere 
Unterscheidung zwischen Gallensteinkoliken und 
Darmkoliken, Cardialgieen, Nierensteinkoliken und 
rein nervösen visceralenNeuralgieen, wie sie nament¬ 
lich bei neurasthenischen oder hysterischen Krankeu 
auftreten, sehr oft schwierig, ja sogar unmöglich. 
Erst eine längere Zeit fortgesetzte Beobachtung 
der Krankheit und eine sorgfältige Abwägung aller 
Symptome und des gesammten Krankheitsbildes 
können dann zu einem einigermassen sicheren Ur¬ 
theil führeu. Es ist nicht zu bezweifeln, dass in 
tausend und abertausend Fällen besonders die 
Cardialgie auf Gallensteine zurückzuführen ist. Man 
muss immer bedenken, dass wenigstens zwei Mil¬ 
lionen im Deutschen Reiche Gallensteine haben. 

Sehr schwierig ist die Diagnose in solchen 
Fällen, wo ohne das Vorhergehen typischer Ein¬ 
klemmungssymptome schwere fieberhafte Entzün¬ 
dungen im Bereiche des Abdomens auftreten, deren 
Ausgangspunkt nicht näher bestimmbar ist. Auch 
hier kann man sich nur dadurch vor häufigen 
diagnostischen Irrtliümern schützen, dass man bei 
allen derartigen anfangs dunkeln Erkrankungen 
auch an die Möglichkeit der Cholelithiasis denkt 
und durch eine sorgfältige Anamnese und Unter¬ 
suchung die etwa auffindbaren Anhaltspunkte er¬ 
mittelt. Lebervergrösserung, Empfindlichkeit und 
Vergrössening der Gallenblase, zeitweiliger Icterus, 
Fieberanfälle, Milztumor, endlich die allgemeinen 
Verhältnisse der Kranken (Alter, Geschlecht, Con¬ 
stitution) sind vor Allem zu berücksichtigen. Die 
besonderen Erscheinungen sind fast in jedem Falle 
verschieden, so dass sich specielle diagnostische 
Regeln kaum aufstellen lassen. Schwere fieberhafte 
Entzündungen im Bereiche des Abdomens, deren 
Ausgangspunkt nicht näher zu bestimmen ist, gehen 
in der That entweder von der Gallenblase oder von 
einem dislocirten Wurmfortsätze aus. Da Verlage¬ 
rungen des Wurmfortsatzes nach oben und nach 
innen relativ häufig sind (ca. 10% meiner durch 
Operation klargestellteu 120 Fälle. Riedel.), so wird 


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183 


man bei jüngeren Individuen in erster Linie mit 
Appendicitis, bei älteren weiblichen Personen mit 
Gallenblasenentzündungen rechnen; selbstverständ¬ 
lich fehlt in solchen Fällen meist Lebervergrösse- 
rung, desgleichen hatten die Patienten fast nie 
Icterus gehabt. 

Wo viele Echinokokken Vorkommen, ist mit der 
Vereiterung eines in der Leber und im Mesenterium 
steckenden Echinococcus zu rechnen, doch ist damit 
natürlich das Capitel nicht erschöpft Eigentlich j 
ist jetzt meine Besprechung der Strümpell’schen 
Arbeit beendet, da ich ja ausschliesslich die Patho¬ 
genese und Diagnose des Gallensteinleidens erörtern 
wollte; ich kann aber doch die Fortsetzung des 
friedlichen, wissenschaftlichen Duelles nicht unter¬ 
lassen, zumal gleich die nächsten über die Prognose 
des Gallensteinleidens handelnden Zeilen das Gegen- 
theil von dem besagen, was ich für zutreffend 
halte. (Riedel.) 

Die Prognose beurtheilt Strümpell folgender- 
massen: „Die Prognose der Cholelithiasis muss 
eigentlich in jedem Falle als eine zweifelhafte be¬ 
zeichnet werden, da, wie aus dem früheren hervor¬ 
geht, die Anwesenheit von Gallensteinen eine Menge 
verschiedener gefährlicher Folgezustände nach sich 
ziehen kann. Dieselben hier nochmals aufzuzählen, 
ist unnöthig. Selbst in günstig verlaufenden Fällen 
muss man auf den stets möglichen Eintritt von 
Rückfällen gefasst sein. Immerhin ist es zweifel¬ 
los, dass auch völlige und dauernde Heilungen Vor¬ 
kommen, indem die Steine aus dem Körper ent¬ 
fernt werden und keine neuen Zeichen der Krank¬ 
heit eintreten.“ 

Wenn die Therapie der Gallensteinkrankheit so 
bleibt wie bisher, so kann man Vorstehendes pure 
unterschreiben. Wird sie geändert und verliert zu¬ 
gleich das Publicum die Furcht vor der Operation — 
und das ist die Hauptsache — so rechne ich auf 
90°/ o definitiver Heilungen, falls die Operation 
rechtzeitig ausgeführt wird. Von diesen 10°/ o wird 
die Hälfte dem Carcinoma vesicae felleae zum Opfer 
fallen. Es ist geradezu tragisch, dass die meisten 
Individuen, die an Carcinom in Folge von Steinen 
erkranken, von diesen Steinen nichts gemerkt haben; 
weder sie, noch ihre Aerzte waren also in der 
Lage, das Unglück abzuwenden. Die zweite Hälfte 
geht entweder acut an Gallensteinentzündung zu 
Grunde (sehr selten), oder es wird gleich bei den 
ersten Attacken von Gallensteinkolik ein Stein in 
den Ductus choledochus geworfen und da auf¬ 
gehalten. Setzt nun ausnahmsweise rasch Paralienitis 
infectiosa ein, so wird der Kranke zu Grunde gehen; 
lässt er sich frühzeitig opcriren, so ist Rettung 
möglich. Wollte man die Prognose des Gallen¬ 
steinleidens insgesammt bestimmen, also auch die 
Fälle mitrechnen, in denen sich die Steine nicht 


rühren, so würde die Prognose natürlich noch viel 
ungünstiger zu stellen sein. 

„Was die einzelnen Erscheinungen anlangt,“ 
sagt Strümpell, „so ist der Kolikanfäll selbst wohl 
fast niemals lebensgefährlich. Unter den möglichen 
Perforationen ist der Durchbruch nach dem Dünn¬ 
darm der günstigste. Derartige Fisteln können 
manchmal sogar wieder vollständig heilen. 

Von den besonderen Folgezuständen ist noch 
i dauernder Verschluss des Ductus hepaticus oder 
(häufiger) des Ductus choledochus zu nennen, wie 
er theils durch eine anhaltende Steineinklemmung 
oder durch eine Narbenstrictur zu Stande kommt. 
So entstehen chronischer Icterus und eigenthüm- 
liche Leberveränderungen, welche wir später näher 
kennen lernen werden.“ 

Dieser Meinung muss ich das eben über „an¬ 
haltende Steineinklemmung“ Gesagte entgegenhalten. 
Chronischer Icterus kann und wird meistens beim 
Stein im Ductus choledoehus eintreten, er braucht 
aber durchaus nicht immer einzutreten. 

„Auf eine interessante Erscheinung, “ sagt 
Strümpell wieder, „müssen wir noch aufmerksam 
machen, nämlich auf den Zusammenhang zwischen 
Cholelithiasis und späterer Carcinombilduiig in der 
Gallenblase oder den Gallenwegen. Diese auch 
klinisch sehr bedeutsame Thatsaehe hängt mit der 
allgemeinen Beobachtung zusammen, dass andauernde 
mechanische Schleimhautreize, Narbenbildungen 
u. dergl. überhaupt die Veranlassung zur Entstehung 
eines Carcinoms werden können. Die secundäre 
Carcinombildung nach Cholelithiasis findet eine 
völlige Analogie m der Carcinombildung nach Magen- 
ulcus, bei Nephrolithiasis u. a.“ Auf die Häufig¬ 
keit des Gallenblasencareinoms kann gar nickt genug 
aufmerksam gemacht werden. Zuweilen i$t ein 
Acut entzündlicher, mit Icterus verlaufender Process 
das erste Symptom der Krankheit, so dass das Lei¬ 
den absolut nicht von einer um einen Choledochus¬ 
stein spielenden Paralienitis unterschieden werden 
kann; meist beginnt es allerdings ohne Icterus, 
lediglich mit Schmerzen in der Gallenblase; auch 
! diese Schmerzen können anfallsweise anftreten. 

Die Besprechung der Therapie leitet Strümpell 
mit folgenden Warten ein: „Die Therapie der 
Cholelithiasis besteht erstens in der symptomatischen 
Behandlung der durch die Gallensteine hervor¬ 
gerufenen Beschwerden und zweitens in dem Ver¬ 
suche, die Steine aus dem Körper zu entfernen 
und eine weitere Neubildung derselben zu verhin¬ 
dern.“ 

„Unter den einzelnen Symptomen erfordert der 
Gallensteinkolikanfall am häufigsten ein ärztliches 
Eingreifen.“ Es werden Opium und Morphium, 
Einreibungen, warme Bäder, eventuell Excitantien 
empfohlen; zum Schlüsse sagt Strümpell: „Ist der 


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Kolikanfall überstanden, so verordnet man in der 
Regel den Gebrauch leichter Abführmittel (Bitter¬ 
wasser), um die Entleerung der etwa in den Darm 
gelangten Steine zu beschleunigen.“ 

Da die meisten Gallensteinkoliken nichts weiter 
sind, als erfolglose Entzündungen der Gallenblase, 
so werden die gereichten Abführmittel selten „die 
Entleerung der etwa in den Darm gelangten Steine 
beschleunigen“, trotzdem sind sie absolut nöthig 
und zwar deshalb, weil es kein besseres Mittel 
giebt, um die Schmerzen zu beseitigen, als ein 
energisches Eccoproticum. Ist der Darm entleert, 
so strömt das Blut fort von der Gallenblase in die 
Blutgefässe des Darms, und dadurch hört der Schmerz 
oft so vollständig auf, dass zuweilen messerscheue 
Individuen nach der Wirkung des Abführmittels 
sich der Operation entziehen, „weil es ihnen so gut 
ginge, wie nie zuvor.“ Man wird also zunächst 
Morphium geben (das ist immer die letzte Zuflucht 
der Allopathen. D. Ref.) bis der Schmerz gelindert, 
das Erbrechen vorüber ist. Dann folgt ein mög¬ 
lichst intensiv wirkendes Abführmittel. Darnach 
werden die Schmerzen für kürzere oder längere 
Zeit verschwinden, falls nicht Paralienitis infectiosa 
in der Gallenblase spielte. 

Verläuft der Anfall sofort mit Icterus, liegt 
also eine vollkommen erfolgreiche Attacke vor, so 
wird in der That das Abführmittel die Entleerung 
der etwa in den Darm gelangten Steine beschleu¬ 
nigen, gleichzeitig auch die Gallenblase von Blut 
entlasten, so dass die Anwendung desselben auf 
jeden Fall angezeigt ist. (Lavements mit Glycerin 
oder Oel können ein Abführmittel meistens erfolg¬ 
reicher ersetzen, weil solche Patienten meistens eine 
sehr reizbare Magenschleimhaut besitzen und leicht 
erbrechen. Der Ref.) 

„Dauern die Einklemmungserscheinungen längere 
Zeit an oder wiederholen sie sich in kurzen Pausen, 
so kann man einen Versuch mit einem der zahl¬ 
reich empfohlenen Mittel anstellen, welche theils 
auf die Gallenausscheidung fördernd, theils angeb¬ 
lich auf die Steine selbst lösend einwirken sollen. 
Die in -letzter Hinsicht gemachten Versuche sind 
wohl als rein illusorisch zu bezeichnen. (Aether, 
Terpentin etc.). Als Mittel, welche die Secretion 
der Galle befördern sollen, gelten vorzugsweise die 
alkalischen Wässer und das salicylsaure Natron. 
(In der homöopathischen Therapie China, Podo- 
phyllura, Cholestearin, Calculi biliares titur. Prof. 
Stadel mann hat experimentell die günstige Wir¬ 
kung der Gallensäuren auf Beförderung der Gallen- 
secretion nachgewiesen. Darauf wird aber von den 
Herren noch gar keine Rücksicht genommen. D. Ref.) 
Obwohl die genaueren experimentellen Unter¬ 
suchungen dieser Annahme eine tiefere Unterlage 
nicht gegeben haben, so zeigt doch die ärztliche 


Erfahrung, dass man über die genannten Mittel 
kein ganz absprechendes Urtheil fallen darf. 
Namentlich, sagt Prof. Riedel, haben sich die Karls¬ 
bader Quellen seit langer Zeit einen besonderen 
Ruf bei der Behandlung der Cholelithiasis erworben. 
Man wendet das Karlsbader Wasser sowohl zur 
Zeit stärkerer Beschwerden als namentlich nach den 
überstandenen Anfällen an. Gestatten es die äusseren 
Verhältnisse des Kranken, so lässt man die Kur 
am Besten in Karlsbad selbst vornehmen. Nicht 
selten werden dann während der Kur Gallensteine 
entleert und die Kranken sind darnach oder sogar 
für immer von ihrem Leiden befreit. Ausser Karls¬ 
bad kommen auch die Trinkquellen von Kissingen, 
Homburg, Ems und namentlich Vichy in Betracht.“ 
(Schluss folgt.) 


Das Selbstdispensirrecht der Aerzte 
und Homöopathen. 

Wir bringen den nachfolgenden Artikel aus der 
„Apotheker-Zeitung“, No. 40, 1899, und gedenken, 
später Stellung zu ihm zu nehmen. — Vorweg 
müssen wir aber die hier festgehaltene Eintheilung 
der Aerzteschaft in „Aerzte und Homöopathen“, ob 
sie von Dr. Springfeld oder dem Berichterstatter 
herrührt, für geschmacklos halten, ja als ehren¬ 
rührig für uns zurückweisen. Richtiger und an¬ 
gemessener wäre es doch gewesen, von dem Selbst¬ 
dispensirrecht der praktischen, insbesondere der ho¬ 
möopathischen Aerzte zu reden. D. R. 

Unter dem obenstehenden Titel ist soeben von 
dem Medicinalassessor beim Königlichen Polizei¬ 
präsidium in Berlin Dr. Springfeld eine Zusammen¬ 
stellung der gesetzlichen Bestimmungen und Ver¬ 
ordnungen erschienen, welche auf das Selbstdispen¬ 
sirrecht der Aerzte und Homöopathen in Preussen 
Bezug haben. Au sich bedeutet die Sammlung und 
Erläuterung der genannten Bestimmungen eine er¬ 
freuliche Bereicherung der Literatur. In hohem 
Maasse befremdend muss aber das dem Buche bei¬ 
gegebene Vorwort wirken, das nachstehend unver¬ 
kürzt wiedergegeben wird: 

„Das Selbstdispensirrecht wurde seit dem Mittel- 
alter den Aerzten vorwiegend aus zwei Gründen 
beschränkt. 

Einmal war die Beschaffung der Medicamente 
und ihre Zubereitung in die zum Einnehmen passende 
Form so zeitraubend und schwierig, dass eine Ver¬ 
einigung des ärztlichen und pharmaceutischen Ge¬ 
werbes eine technische Unmöglichkeit, jedenfalls 
für den Patienten mit Gefahren verknüpft war, und 
sodann lag die Scheidung der einzelnen Gewerbe¬ 
betriebe von einander durch möglichst unübersteig- 


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liehe Schranken im Zuge einer Zeit, welche In¬ 
nungen, Gilden und Zünfte erstehen Hess. Die 
ehemalige ßerufspflicht des Arztes, seinen Kranken 
die Heilmittel selbst zu bereiten und zu verab¬ 
folgen, wurde in den St&dten zu einer Pflicht¬ 
widrigkeit und selbst auf dem Lande, wo in Er¬ 
mangelung von Apotheken die Selbstdispensation 
gebieterisch vom öffentlichen Wohle gefordert wurde, 
zu einem im Interesse der Apothekenprivilegien 
vielfach beschränkten Sonderrecht. 

Als das Zeitalter der Zünfte dem der Gewerbe¬ 
freiheit gewichen war, blieb mit den Apotheken¬ 
privilegien die Trennung beider Gewerbe bestehen. 
Sie Hess sich vom Standpunkte des öffentlichen 
Wohles auch noch eine Zeit lang wenigstens hin¬ 
sichtlich solcher differenten Mittel rechtfertigen, 
deren Güte, Echtheit und richtige Dosirung der 
Apotheker besser als der Arzt gewährleisten konnte, 
deren Dispensation schwierig und zeitraubend war 
und die der Apotheker selbst zubereitete oder 
wenigstens abwog und abfasste. 

Diese Basis einer gesetzlichen Beschränkung 
des Sclbstdispensirrechtes wird von Tag zu Tag 
mehr durch die Entwickelung der pharmaceutischen 
Technik, durch die Steigerung des Arzneibedürf- 
nisscs in Stadt und Land und durch die unserem 
Jahrhundert eigenartige Form der Arzneiversorgung 
aus Krankenkassen erschüttert. 

Die Production von Arzneimitteln entglitt den 
Händen des Apothekers und soweit er die Herstel¬ 
lung nicht prüfbarer Medicamente dem pharma- 
ceutisch-chemischen Grossindustriellen hat überlassen 
müssen, d. h. zu 80°/ 0 des Umsatzes, ist letzterer 
auch der eigentliche Träger der Verantwortung für 
die Güte der Waaren, seine Zuverlässigkeit allein 
schützt das Publikum vor Vergiftungen, nicht die 
strafrechtliche, formelle Verantwortlichkeit des Apo¬ 
thekers. Der Kreis der Mittel, welche die Gross¬ 
industrie in richtig dosirter haltbarer, conserven- 
ähnlicher Form abgefasst für den sofortigen Consum 
auf den Markt wirft, Mittel, welche der Apotheker, 
ohne auch nur die Verpackung lösen zu brauchen, 
automatisch abgiebt, hat in den letzten Jahren 
ständig an Ausbreitung gewonnen. Schon jetzt 
würde selbst ein pharmakologisch anspruchsvoller 
Arzt seinen ganzen Arzneibedarf mit dosirten Mitteln 
(Kapseln, Tabletten, abgetheilten Pulvern etc.) 
decken können. Die gewerbliche Abgabe solcher 
Mittel mit dem ärztlichen Gewerbe zu verbinden 
ist jedenfalls weder eine technische Unmöglichkeit 
mehr, noch mit Gefahr für den Patienten verknüpft. 
Für diese Mittel ist der Apothekenzwischenhandel 
aber auch ganz zwecklos: Er verlangsamt und ver¬ 
teuert die Arzneiversorgung namentlich auf dem 
platten Lande erheblich und befördert auch die 
Verderbniss und das Unwirksamwerden der Mittel 


dadurch, dass die Waare im Geschäft des Zwischen¬ 
händlers in grösseren Massen ohne jede Controle 
über das Alter lagern muss. 

So lange Arzt- und Arzneibedürfniss auf dem 
Lande gering waren, machte die Beschaffung von 
Medicamenten keine überwindlichen Schwierigkeiten. 
Heute muss der Grossgrundbesitz mit grösseren 
Arbeitermassen wirtschaften, der ärmste Arbeiter 
weist einen grösseren Arzneiconsum auf als sein 
Brodherr, in Dörfern von 300 Einwohnern ver¬ 
suchen Aerzte die Niederlassung und die Not¬ 
wendigkeit von Dispensiranstalten macht sich in den 
kleinsten Ortschaften fühlbar. Hier, wo Apotheken 
niemals würden existiren können, widerstreitet jede 
Beschränkung des Selbstdispensirrechts den Inter¬ 
essen der landwirtschaftlichen Arbeitgeber und der 
Patienten. Sie verhindert oder erschwert den natür¬ 
lichsten und sichersten Ersatz der Apotheke. Sie 
verhindert die Niederlassung der Aerzte, die unter 
dem Verbote des Selbstdispensirens gezwungen sind, 
sich an bestehende Apotheken anzuschliessen, durch 
eine Vereinigung des ärztlichen und pharmaceu¬ 
tischen Gewerbes aber sehr wohl auch in kleineren 
Ortschaften die Möglichkeit einer Existenz Anden 
würden. Die für unsere Zeit unzulängliche Arzt- 
und Arzneiversorgung ist mitschuldig an unserer 
ungenügenden Kenntniss der hygienischen Verhält¬ 
nisse des platten Landes und an seiner mangel¬ 
haften Sanirung. Die Beschränkungen des land- 
ärztlichen Dispensirrechtes sind aber nicht einmal 
für die Apothekenbesitzer selbst vortheilhaft ge¬ 
wesen, denn in den Taschen der Krankenpflege¬ 
rinnen sind wandelnde Dispensir-Anstalten, in den 
Drogerien wilde Apotheken und in den Schränken 
der Gastwirthe Niederlagen der pharmaceutisch- 
chemischen Grossindustrie erstanden, welche das 
Absatzgebiet des Apothekers weit gründlicher be¬ 
schränken, als je eine ärztliche Hausapotheke es 
vermocht hätte. 

Endlich ist auch in den Städten, wo industrielle 
Arbeiter auf engem Raum zusammengedrängt wohnen, 
und die Krankenkassen nicht nur das Arzneibedürf¬ 
niss enorm gesteigert, sondern auch in Folge des 
Massenconsums zu einer Schablonisirung der Art 
der Versorgung geführt haben, die Beschränkung 
des Selbstdispensirrechtes der angestellten Kassen¬ 
ärzte weder überall nothwendig, noch ein Vortheil 
für Apotheker, für die Kassen und ihre Mit¬ 
glieder. 

Hier drängt die Entwickelung mit Nothwendig- 
keit auf die Errichtung von Kassenapotheken bezw. 
den Ankauf von Apotheken oder Fabriken durch 
Kassen hin und auf eine Betheiligung der ange¬ 
stellten Kassenärzte an der Arzneiabgabe aus solchen 
Apotheken. Hemmt man diese Entwickelung, so 
wird das Bedürfnis der Kasse auf mehr oder 

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weniger illegalem Wege durch Drogistenschränke, 
Arzneiniederlagen der Kassen, selbstdispensirende 
Kurpfuscher befriedigt und die Arzneiversorgung 
verschlechtert, zum mindesten eingeengt werden. 
Die Beschränkung der fabrikmässig hergestellten 
Zubereitungen auf Apotheken, für welche der Apo¬ 
theker thatsächlich keine Garantie übernehmen kann, 
trotzdem sich aber gemäss Ziff. 10 pag. 7 der 
Arzneitaxe einen Zuschlag von 60°/ 0 berechnen 
darf, und die Ausdehnung des Verbotes der Selbst¬ 
dispensation auf diese Mittel, lässt sich kaum mehr 
begründen. Der Patient verliert durch die Wege 
zur Apotheke und das Warten auf Abfertigung 
Zeit, die Waare wird durch das Lagern in den 
Apotheken nicht besser und die Kasse zahlt enorme 
Summen, die bei zweckmässiger Organisation der 
Arznei Versorgung sich sehr wohl reduciren Hessen 
und dem ärztlichen Stande zu gute kommen 
könnten. 

Die Bedeutung, welche die Betheiligung der 
Aerzte an der Arzneiabgabe unter diesen Verhält¬ 
nissen für die Arznei Versorgung in Stadt und Land 
wenn nicht schon gewonnen hat, so doch in nicht 
allzuferner Zukunft gewinnen muss, rechtfertigt den 
Versuch einer eingehenden Darstellung der Grund¬ 
lagen des halb in Vergessenheit gerathenen Selbst¬ 
dispensirrechtes. 

Angesichts des geringen Gebrauchs, den die 
Aerzte von ihren Rechten bisher gemacht haben, 
kann es nicht Wunder nehmen, dass dieses Kapitel 
der Medicinalpolizei zu den am wenigsten bearbei¬ 
teten gehört. Man ist bei näherem Studium der 
Frage überrascht über die Menge unklarer Ver¬ 
hältnisse — und über die Ausdehnung, welche dem 
Selbstdispensirrecht, wenigstens in manchen Theilen 
der Monarchie, noch heute allem Anscheine nach 
thatsächlich zukommt. 

Die erste monographische Bearbeitung eines 
recht viele Schwierigkeiten bietenden Gebietes hat 
Anspruch auf nachsichtige Beurtheilung. Die bei 
Handhabung der Gesetze entstehenden Fragen end¬ 
gültig zu beantworten, ist Sache des Richters, sie 
zu stellen aber und das Material zu ihrer Lösung 
zusammenzutragen, Sache des Medicinalbeamten, der 
sich den Zweifeln ja nicht entziehen kann und ge¬ 
zwungen ist, bis zur richterlichen Entscheidung 
sich sein eigenes Urtheil zu bilden. 

Wenn die nachfolgende Zusammenstellung den 
Aerzten eine Grundlage für selbständige Beurthei¬ 
lung der Grenzen ihrer Rechte und Pflichten und 
die Anregung zur weiteren Entwickelung des Selbst¬ 
dispensirrechtes geben sollte, hat sie ihren Zweck 
erfüllt.“ 

Der Verfasser hat unter den Gründen, warum 
das Selbstdispensirrecht der Aerzte beschränkt worden 
ist, die wichtigsten nicht angeführt. Er hat es ver¬ 


säumt, zu bemerken, dass der Arzt im allgemeinen 
nicht die genügende Vorbildung für das Selbst- 
dispensiren der Arzneien besitzt. Dass jeder Arzt 
gewisse gekaufte Arzneimittel weiter abgebeu kann, 
etwas besser als das der Kurpfuscher und der 
Krämer kann, soll nicht angezweifelt werden. Es 
fehlt ihm aber in der Regel die ausreichende Kenut- 
niss und Fertigkeit, um die Echtheit, Güte und 
Reinheit der von ihm abgegebenen Arzneien zu 
beurtheilen. Der Verfasser hat einen nicht minder 
wichtigen Grund zu erwähnen vergessen, den er in 
einem Erlass seines Vorgesetzten Ministeriums vom 
23. September 1871 hätte finden können. Es ist 
dort die Rede von dem Verbot der Ausübung der 
ärztlichen Praxis für die Apotheker und warum 
dieses Verbot keinem anderen Staatsbürger als dem 
Apotheker auferlegt wird: ,,Ein Apotheker, welcher 
sich mit Behandlung von Krankheiten befasst, ver¬ 
letzt die besonderen Pflichten seines Berufes. Die 
hiergegen gerichteten Strafbestimmungen haben mit 
der Medicinalpfuscherei keinen Zusammenhang, son¬ 
dern beruhen auf der durch die gegenseitige Con- 
trole bedingten Scheidung zwischen den Thätig- 
keiten des Arztes und des Apothekers. Dem Ver¬ 
bote des Kurirens Seitens der Apotheker entspricht 
das Verbot des Selbstdispensirens Seitens der Aerzte. “ 
Man dürfte an massgebender Stelle beute noch 
genau so über diesen Gegenstand denken, wie vor 
30 Jahren. Ganz gewiss würden die Apotheker 
durch eine Erweiterung des Dispensirrechtes der 
Aerzte geschädigt werden können, aber ob die 
Aerzte dadurch gewinnen würden, wenn man den 
Apotheker durch eine solche Massnahme, direct zum 
Kurpfuscherthum dräugte, ist doch mindestens zweifel¬ 
haft. Jedenfalls ist in einem geordneten Staats¬ 
wesen die muthwillige Entfachung eines solchen 
Interessenkampfes schlechterdings undenkbar. 

Zu den nachweislich unrichtigen Behauptungen 
in dem Vorwort gehört die, dass der Apotheker 
,,die Herstellung nicht prüfbarer Medicamente dem 
pharmaceutiscli-chemischen Grossindustriellen — zu 
80°/ 0 des Umsatzes“ habe überlassen müssen. Dass 
es einzelne Berliner Apotheken giebt, bei denen 
der Specialitätenhandel leider annähernd diesen Um¬ 
fang erreicht, mag möglich sein. Wenn der Ver¬ 
fasser aber eine solche ganz vereinzelte Thatsache 
verallgemeinert, so ist das eine Oberflächlichkeit, 
vor der sich ein Mann, der in amtlicher Stellung 
vielfache Beziehungen zu den Apotheken hat, be¬ 
sonders hüten sollte. 

Nicht minder oberflächlich, ganz gelinde be- 
urtheilt, ist der Satz: „Der Patient verliert durch 
die Wege zur Apotheke und das Warten auf Ab¬ 
fertigung Zeit, die Waare wird durch das Lagern 
I in den Apotheken nicht besser und die Kasse zahlt 
i enorme Summen, die bei zweckmässiger Orgaui- 


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sation der Arzneiversorgung sich sehr wohl redu- 
ziren Hessen und dem ärztlichen Stande zu gute 
kommen könnten.“ Will der Verfasser ernstlich 
glauben machen, dass die Waare durch das Lagern 
in ärztlichen Hausapotheken weniger beeinflusst 
würde, als durch die sachkundige Lagerung und 
Behandlung in wirklichen Apotheken? Wer nur 
einigerraassen mit den Zuständen ärztlicher Haus¬ 
apotheken bekannt ist, kann so etwas unmöglich 
schreiben. Oder sollte der Verfasser gemeint haben, 
der ärztliche Inhaber einer Hausapotheke würde 
die Wahl eines Arzneimittels nicht nach der Eigen¬ 
art des Krankheitsfalles, sondern unter Berück¬ 
sichtigung seines Waarenlagers treffen und so in 
der Lage sein, seine Vorräthe durch Räumung 
seines Lagers stets rechtzeitig vor dem Verderben 
zu schützen? Das wäre ein schwerer Vorwurf gegen 
seine ärztlichen Standesgenossen, den diese gewiss 
entrüstet zurückweisen würden. Die Schlussworte 
des angeführten Satzes aber sind der unverfrorenste 
Ausdruck des ,,öte-toi, que je m’y mette“, eines 
Grundsatzes, dem man, wie bisher, auch in Zukunft 
im preussischen Medicinalwesen hoffentlich nicht 
huldigen wird. 

Die Springfeld’schen Gerichte werden, wie die 
Erfolge seiner bekannten, vor etwa 3 Jahren er¬ 
schienenen Schrift über das Apothekenwesen gezeigt 
haben, nicht so heiss gegessen, wie sie gekocht 
sind. Die Apotheker sehen jedoch aus dem oben 
wiedei gegebenen Vorwort klar, in welcher Weise 
ihre Interessen von preussischen Medicinalbeamten 
einer gewissen Schule vertreten werden. 


Materia medica. 

Anacardium-Wirkung bei äusserlicher 
Application. 

Dr. Louise Turton hatte sich unachtsamer Weise 
die Hand mit der Tinctur von Anacardium ange¬ 
feuchtet und dann die linke Gesichtsseite berührt. 
Am nächsten Tage waren ihre Augen geschwollen 
und entzündet unter Antillen von Jucken und hef¬ 
tigem Brennen, die jedes Mal etwa 5 Minuten an- 
hielten. Tags darauf ausgesprochene Anschwellung 
des Gesichts, so dass das linke Auge gänzlich und 
das rechte theilweise geschlossen war, eine Empfin¬ 
dung, als ob die Haut nässt. Am dritten Tage 
erscheint das Gesicht so stark entzündet, wie bei 
Erysipelas, aber ohne Fieber, verschlimmert von 
Kälte. Bei der Berühtung die Empfindung, als ob 
ein klebriger Stoff auf der Haut fliesse. Nach 
5 Tagen waren Oedera und Rötlie verschwunden; 
die Haut erscheint trocken und schilfert sich mehrere 
Tage lang ab. Nur Gesicht und ein Theil des 


Halses waren afficirt worden. Die Hand, welche 
mit dem Medicament in Berührung gekommen, blieb 
frei. Es Hess sich kein Symptom von Anacardium 
sonst constatiren. Rhus, welches auch das Oedem, 
Brennen uud den Pruritus zeigt, bietet nicht die 
Empfindung von den Nässen eines klebrigen Stoffes. 
Apis und Arsen besserten die Symptome bald. 

(American Journal of Hom.) 

Apis melliflca. 

Pathologisch-anatomische Veränderungen. 

Nach den Thierversuchen von Dr. Langer in 
Prag bewirkt das Bienengift eine Necrose der Ge¬ 
webe ira Centrum der Applicationsstelle, während 
es in der Umgebung derselben eine Infiltration, 
Oedem und Hyperämie zur Folge hat. Die Phago- 
cyten helfen mit bei der Elimination des Giftes. 
In Folge der örtlichen Anwendung desselben be¬ 
obachtet man bei den Thieren gleichzeitig eine 
Vermehrung des Appetites und des Durstes (während 
bei unseren homöopathischen Prüfungen Appetit¬ 
losigkeit und mehr Durstlosigkeit als Durst, selbst 
bei Trockenheit des Halses, angegeben ist. Ref.), 
und oft Albuminurie. 

Etwa 15 Minuten nach einer intravenösen Ein¬ 
spritzung von 6 c. c. einer l,5procentigen Lösung 
des Bienengiftes ging der Blutdruck merklich herab 
und der Puls verlangsamte sich. Eine anderweitige 
Einspritzung von */ 2 zu 1 c. c. brachte keine Herab¬ 
setzung des Blutdruckes mehr hervor, aber die Be¬ 
wegungen des Versuchsthiers schienen diesen Druck 
zu erhöhen. Es zeigten sich klonische Krämpfe 
über den ganzen Körper nebst Trismus, Nystagmus 
und Emprosthotonus. Während der Pausen in den 
Krämpfen lag das Thier auf der Erde, auf der ge¬ 
lähmten Seite. Die Athmung wurde immer schwächer 
bis zum eintretenden Tod. 

Die Autopsie ergab folgenden Befund: 

Die Pupillen stark erweitert; das Gehirn voll 
Blut aber ohne Bluterguss in die Hirnsubstanz; die 
Venen der Hirnhäute blutstrotzend; das Pericar- 
dium durch blutstreifiges Serum völlig ausgedehnt; 
merkliche Dilatation des rechten Herzens und Con- 
traction des linken; schwarzes Blut mit einigen 
Gerinnseln in den Höhlen des rechten Herzens; das 
Endocardium und die inneren Wände der grossen 
Gefasse rosig gestreift. Das Mikroskop zeigt nur 
sehr wenige rothe Körperchen im Blute. — Die 
Lungen lufthaltig mit kleinen hämorrhagischen In¬ 
farkten auf der äusseren Fläche. Die Leber stark 
angeschoppt, ohne nenneuswerthen Bluterguss. Die 
Gallenblase purpurfarben. Die Milz unverändert. 
Die Nieren sehr hyperämisch, ihr Gewebe ist vom 
Blute gleichmässig gefärbt Das Becken ist eben¬ 
falls stark congestionirt. Die Harnblase zusammen¬ 
gezogen, ohne Urin, zeigt zahlreiche Ekchymosen 

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auf ihrer Schleimhaut. Der Darmkanal blutstreifig; 
das Duodenum, Jejunum und Ileum enthalten blutigen 
Schleim. Zahlreiche Blutpunkte auf der Peritonäal- 
Bekleidung des Magens. Das Pancreas mit Blut 
infiltrirt. Linsenförmige Hämorrhagieen in den Gang¬ 
lien des Mesenterium. 

Diese Experimente sprechen deutlich für die 
Anwendung von Apis bei hydropischen Ausschwitzun¬ 
gen undvornämlichbeiPericarditis mit Ausschwitzung, 
sowie nicht minder in Exanthemen, die mit Hämor¬ 
rhagieen complicirt sind, wie in den schweren For¬ 
men der Masern. 


Scorbut-Rhachitis. 

Von Dr. J. Bobergon Day, London, 

Arzt für Kinderkrankheiten am London Homoeopa- 
thical Hospital.*) 

Scorbut-Rhachitis ist eine Krankheit von hohem 
Interesse, insbesondere als es eine solche ist, die 
sich verhüten lässt. Dr. T. Barlow hat zuerst die 
Aufmerksamkeit auf dieselbe gelenkt. Sie kommt 
ziemlich häufig bei einigen Monaten alten Kindern, 
hauptsächlich zwischen dem 9. und 18. Monat, vor, 
und zwar sowohl bei den Kindern der Reichen als 
der Armen. Ihre Aehnlichkeit mit Scorbut ist 
grösser, als die mit Rhachitis, obwohl sie gemein¬ 
hin bei rhachitischen Kindern erscheint. 

Die Ursachen, welcher dieser Krankheit zu 
Grunde liegen, sind dieselben wie jene, welche bei 
Erwachsenen Scorbut bedingen, nämlich ungeeignete 
Ernährung. Sie tritt bei an der Mutterbrust ge¬ 
stillten Kindern niemals auf, wohl aber bei künst¬ 
lich ernährten. Eine gewisse Disposition kommt 
wohl noch hinzu, denn manche Kinder gedeihen 
recht wohl bei einer Nahrung, die bei anderen 
Scorbut erzeugt. 

Man hat überzeugend dargethan, dass in frischer 
Milch und in frischer Nahrung eine feine Eigen¬ 
tümlichkeit vorhanden ist, die wir, aus Mangel an 
einer besseren Bezeichnung, das anti-scorbutische 
Element nennen. Zerstört man dies Element durch 
Hitze oder andere zwecks Conservirung der Nahrung 
gebräuchliche Methoden — so ist Scorbut die Folge. 
Giebt man dieses Element dem von Scorbut be¬ 
fallenen Kinde zurück, so wird es wieder gesund. 

Wir denken hierbei an die Heilwirkung des 
Liraonensaftes und frischer Kartoffeln bei scorbu- 
tischen Seeleuten. Bei der künstlichen Ernährung 
der Kinder tritt nun gleich von Anfang an eine 
rechte Schwierigkeit entgegen; füttern wir sie mit 
roher oder unsterilisirter Milch, so können wir die 
Kinder manchen ernsten Krankheiten preisgeben, 


*) The Monthly Homoeopathic Review. Juni 1. 1898. 


z. B. der Tuberkulose (von tuberkulösen Kühen 
her), dem Scharlachfieber oder der Diphtherie; ste- 
rilisiren wir dagegen die Milch, so schützen wir 
die Kinder vor diesen Uebeln, aber dann laufen 
sie Gefahr scorbutisch zu werden. So stecken wir 
in der Gabel eines Dilemma. 

Glücklicherweise sind wir im Stande, jenes anti- 
scorbutische Element dem Kinde auf anderem Wege 
als durch die Milch darzubieten, und zwar durch 
sichere, und doch ebenso nahrhafte Substanzen. 

Die klimatischen und allgemeinen hygienischen 
Verhältnisse verschlagen nichts zu der Verhütung 
dieser Krankheit, welche die Kinder des Reichen, 
wo aller Luxus und alle modernen Einrichtungen 
vorhanden sind, sowohl als auch die des Armen 
befällt. Die beiden Fälle, welche Verf. später 
bespricht, kommen aus gesunden Gegenden, und 
der eine aus einem geräumigen, luftigen, von einem 
Garten umgebenen Hause. 

Der Anfang der Krankheit ist ein plötzlicher. 
Das Kind wird verdriesslich, schreit und weint, 
wenn man es berührt, liegt hilflos da, und die 
Beine hängen wie gelähmt. Der Anblick des Kindes 
ist auffallend, der gesunde, frische Teint ist ver¬ 
gangen, statt dessen wird es blass und erdgrau. 
In dem einen Fall zeigte sich die rechte Schulter 
stark geschwollen, ebenso der Schaft des Humerus 
und des linken Schenkels; diese Zeichen treten früh 
und sehr auffällig hervor. Die starken, blauen 
Venen, die sich auf der rechten Schulter markirten, 
Hessen eine Zeit lang an ein schnell wachsendes 
Sarcom denken. Diese Schwellungen waren gegen 
Berührung äusserst empfindlich und Barlow hielt 
sie für charakteristisch: sie hängen, wie die wenigen 
bisher gemachten Sectionen ergeben haben, von 
subperiostalen Blutergüssen ab. 

Die Knochen bleiben hiervon dauernd ver- 
grössert; die Ossification findet statt, wenn Genesung 
erfolgt. 

In anderen Fällen zeigen die Schleimhäute eine 
grosse Neigung zum Bluten. Das Zahnfleisch ist 
schwammig — es ist dies ein frühzeitig, häufig er¬ 
scheinendes Symptom; schon bei einfachem Finger¬ 
druck sieht man Blut aus der Basis der Zähne 
sich ergiessen. Auch aus dem Darmkanal, der 
Blase oder der Vagina kann Blutung stattfinden. 
Es kann sich auch Blut in die Augenhöhle ergiessen, 
und diese Haemorrhagie kann mitunter so stark 
sein, dass der Augapfel hervorgedrängt wird (pro- 
ptosis). 

Die Haut zeigt oft Zeichen wie von Quetschung, 
Suggillationen, von leichtem Druck, ja, wenn man 
das Kind nur antastet, so kann es zu subcutaner 
Haemorrhagie kommen — Flohstiche nehmen einen 
petechialen Charakter an. — Die Muskeln schwinden 
und werden sehr schlaff. Die Dentition verzögert 


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sich und gewöhnlich stellen sich auch die Symptome 
von Rhachitis ein, wie z. B. reichlicher Schweiss 
auf dem Kopfe, bei weit offen bleibenden Fonta¬ 
nellen. — Es kann geringes Fieber zugegen sein. 

1. Fall. Ein 10 Monate altes Mädchen, das , 
einzige Kind gesunder Eltern, wog 10 V 9 Pfund. 1 
Sie war bei der Geburt gesund; die Mutter hatte ! 
aber bald danach Peritonitis, so dass das Kind ent- i 
wohnt werden musste. 

Dr. Day sah das Kind zuerst am 23. September 
1897 und fand es in hohem Grade abgemagert 
und schlaff. 14 Tage vorher hatte ein spontaner 
Bluterguss in die rechte Augenhöhle stattgefunden, 
so dass das Auge blutunterlaufen war. Dasselbe 
war früher bereits auf der linken Seite geschehen. 
Bei Berührung weinte sie und bekam bald davon 
Brauschen. Solcher zwei zeigten sich am Rücken. 
Das Zahnfleisch war nicht schwammig, auch trat 
keinerlei Blutung aus dem Munde oder einem 
anderen Theile auf. 

Zur Nahrung wurde Milch und Gerstenwasser 
und Saft von rohem Fleische angeordnet. 

Calcarea carbonica 6. 1 Gran 3 Mal täglich. 

Am 7. October. Es ward noch Leberthran zu 
den obigen Verordnungen hinzugefügt. 

Am 28. October. Es hat um 1 Pfund 5 Unzen 
in 10 Tagen zugenommen. 

Am 4. Nov. Fernere Gewichtszunahme um 
3 / 4 Pfund — es ist etwas lebhafter. 

2. Dec. Chapman’s Weizenmehl und gedörrte 
Pflaumen wurden der Diät beigefügt. 

10. Jan. Das Gewicht betrug 15 Pfund 10 Unzen 
und am 24. Jan. war das Kind völlig wohl. 

2. Fall. Ein sehr merkwürdiger Fall. Mädchen, i 
11 Monate alt, das zweite Kind in der Familie. — 
Das andere Kind befand sich bei bester Gesund¬ 
heit. — Sie hatte nur einen Monat die Brust be¬ 
kommen, dann ward sie aufgefüttert mit Kuhmilch 
und Melldo’s Nahrung für J / 2 Jahr, die letzten 
4 Monate mit Savory’s und Moore’s Nahrung, aus¬ 
schliesslich mit gekochter Milch und Wasser zu¬ 
bereitet. 


Nach der Gebart wog sie 8 Pfund, aber am 
Ende des Monats nur 5 Pfund. Die letzten beiden 
Monate hat sie die Gebrauchsfähigkeit ihrer Füsse j 
verloren und erträgt keine Berührung — wird sie 
bewegt, so jammert sie laut. Reichlicher Schweiss * 
am Kopf während des Schlafes. 

Am 17. Januar 1898 hängen die Beine wie 
gelähmt herab; die Muskeln äusserst schlaff; eine 
Schwellung am unteren Ende des linken Ober¬ 
schenkels, die sehr weich war, ebenso eine Schwellung 
an der rechten Schulter. Sie hat erst 1 Zahn. 
Calc. c. 6. — 1 Gran 3 stündlich und Bovinin. 
Humanisirte (? Ref.) Milch, zu Hause aus frischer 


Milch bereitet, anstatt der patentirteü Nährmittel. 
Weintrauben werden erlaubt. 

7. Febr. Es waren 3 Zähne seit der Kur durch¬ 
gebrochen. Die Schwellungen waren bedeutend 
stärker, und deren Oberfläche zeigt sich mit dicken 
Venen marmorirt. Der rechte Arm war kraftlos, 
die Schwellung am linken Schenkel sehr schmerz¬ 
haft. T. 99,4° F. 

Es ward wieder Savory’s und Moore’s Nahrung 
gegeben. 

12. Febr. Die Ernährungsfrage macht viel 
Schwierigkeit. Das Kind ist appetitlos, muss mit 
einem Löffel gefüttert werden. Schwarze Stückchen 
in den Entleerungen (Blut?), die Schwellungen 
haben noch mehr zugenommen. Rep. Calc. c. 6., 
dazu noch Chamom. 3. Dec. Pili., 2 stündlich. 

17. Febr. Sehr viel besser. Es wurde die 
Nahrung gern genommen, die Schwellungen haben 
abgenommen. Da ihre Schwäche so gross und alle 
Bewegungen ihr solche Schmerzen machten, so ward 
sie einfach in Gamgee-Gewebe eingeschlagen. — 
Ein Theelöffel Rahm ward jetzt zu jedem Mahl 
zugesetzt. 

19. Febr. Weit besser; sie setzt Fleisch an.— 
Stetig fortschreitende Besserung, nur durch Masern 
am 12. März unterbrochen. 

Eine Photographie mit Röntgen-Strahlen von 
den vergrösserten Gliedmassen zeigt, welch be¬ 
deutende Veränderungen die Knochen erlitten hatten. 

Dr. Motsa. 


Indicationen für Staphisagria. 

Dieses, oftmals angezeigte, aber selten ge¬ 
brauchte Mittel passt besonders in krankhaften 
Zuständen, die ihren Ursprung dem Aerger, Krän¬ 
kung durch Beleidigungen, verdanken, oder solchen, 
die von Säfteverlust, Masturbation oder geschlecht¬ 
lichen Ausschweifungen herrühren. Auch hat es 
sich bei Beschwerden von Quecksilber-Missbrauch 
nützlich erwiesen. Von der Seite des Gemüths 
finden wir bei Staphisagria Neigung zu Aerger und 
Verdriesslichkeit. Kinder zeigen einen unlustigen, 
störrischen Sinn, schreien nach Dingen, die sie, 
wenn man sie ihnen giebt, widerwillig zurück- 
stossen. 

Hypochondrische oder hysterische Beschwerden, 
die von unverdienten Zurechtweisungen, oder von 
geschlechtlichen Ausschweifungen herrühren. Der 
letzteren Ursache entspricht dann eine ausge¬ 
sprochene Gedächtnisschwäche. 

Der Kranke klagt bei Staph. häufig über einen 
„Gehirnschmerz“, oft so schlimm, als „ob das Ge¬ 
hirn in Stücke zerrissen würde“; gewöhnlich kommt 


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er Morgens beim Aufstehen, wird schlimmer von 
Bewegung, besser von Ruhe und Wärme. 

Charakteristisch ist bei dem oft zusammen¬ 
drückenden Kopfweh, dass es nach Gähnen vergeht. 

Das Gesicht hat einen krankhaften Ausdruck, 
die Augen sind eingefallen. Es besteht ein star¬ 
kes Verlangen nach Branntwein oder Tabak, also 
nach Reizmitteln, um die eingebüsste Nervenkraft 
anzuregen und zu steigern. — Dem entspricht auch 
der Heisshunger, selbst nachdem man eben gespeist 
bat. — Die Nahrung schmeckt bitter oder schal. 
Diese gastrischen Störungen sind begleitet von sehr 
stinkenden reichlichen Blähungen. Kolik nach 
Aerger verlangt oft Staph Mit dem Gefühl, als 
sollte ein Flatus abgehen, geht unvermerkt ein 
dünner Stuhl ab. — Dies Symptom kann von Hä¬ 
morrhoiden abhängen, die sich bei Staph.-Kranken 
oft gepaart mit Prostata-Anschwellung und von 
heftigem Schmerz im Rücken und durchs ganze 
Becken begleitet finden. Bei dieser Prostata- 
Geschwulst zeigt sich häufiger Harndrang mit ge¬ 
ringem Abgänge eines dünnstrahligen, röthlichen 
Harns; ein Drängen, als ob die Blase nicht ent¬ 
leert wäre; Abgang dunklen Harns in Tropfen; 
Schmerz vom After längs der Harnröhre nach 
Gehen oder Fahren.— Mitunter brennende, stechende 
oder heissende Schmerzen in den Hoden. 

Staph. ist ferner angezeigt bei Schnupfen, der 
von häufigem Niesen begleitet ist, und bald ein 
mildes, wässeriges Secret, bald einen dicken Schleim 
herausfördert. 

Die schxcache Stimme von Staph. hängt mehr 
ab von Schwäche der Stimmorgane als von einem 
Katarrh. — Der Husten ist gewöhnlich ein bron¬ 
chialer, krampfhafter, hohltönender. Der Auswurf 
ist gelblich, schleimig-eitrig. 

Sie macht (cf. Bry.) Schmerzen in den Schulter¬ 
gelenken, nur bei Bewegung oder durch diese 
verschlimmert. Ein lähmiges Gefühl in den Armen 
und in den Metacarpo-pharyngeal-Gelenken, schlim¬ 
mer von Bewegung; ferner ein zuckendes Reissen 
in den Fingerspitzen. — In trocknen herpetischen 
Ausschlägen auf den Gelenken mit juckendem, 
nach dem Kratzen brennendem Schmerz passt Staph.: 
ebenso in scorbutischen Geschwüren mit vielem 
Jucken und Brennen und jauchigem, stinkendem 
Eiter. — Trockne, gestielte Condylome, zumal nach 
Missbrauch von Mercur, sprechen für Staph. — 

Gemäss dem entnervten Charakter der Staphis.- 
Kranken finden wir bei ihnen viel Gähnen und 
Schläfrigkeit; ein Gähnen und sich Dehnen, bis die 
Thränen kommen, andererseits aber auch nervöse, 
nächtliche Schlaflosigkeit; der Schlaf tritt spät ein 
infolge von Gedankenzudrang, oder auch von 
Brennen und Jucken der Geschwüre oder Flechten. 

Es passt bei frühzeitiger Senilität, sei es in 


I Folge von Schwächungen oder kindlicher, das spä- 
tere Leben untergrabender Constitutionsanomalieen; 

! dann wiederum bei kleinen Kindern, bei denen die 
| unselige Erbschaft von Syphilis oder Psora sich in 
I Rhachitis, Scorbut, und anderen Krankheitsformen 
I mit hoher Lebensschwäche äussert. — Die Einwir- 
j kung des Mittels auf die Hals-, Nacken-, Achsel¬ 
und selbst Leistendrüsen, in denen es harte An¬ 
schwellungen verursacht, macht es in Fällen hoch¬ 
gradiger Scrophulose, zumal bei Verdacht auf 
Syphilis, sehr brauchbar. — Sein Parallelismus mit 
Mercur ist wohl zu beachten. M. 


| Kurspfuscher-Frage. 

I ,,Also wird beschlossen, dass gesund¬ 

machen einen Arzt gebe und die Werk 
machen Meister und Doefcor, nicht 
I Kaiser, nicht Papst, nicht Facultät, 

| nicht Privilegien.“ Paracelsus. 

1 Meine 

{ Antwort auf die Umfrage der ärztlichen 
Commission über Kurpfuscherei. 

In der Kunst gilt, wer was kann; in der Heil¬ 
kunst, wer „ heilen “ kann. — Wer in die göttliche 
I Einrichtung der Heilkräfte unseres Organismus roh 
i und gewaltthätig eingreift, sei cs durch innere, oder 
durch äussere Mittel, der ist ein Kurpfuscher; ob 
approbirt oder nicht, ist gleichgültig. Wer sich 
weise und fein zurückhält, ist ein Arzt; ob approbirt 
oder nicht, ist gleichgültig. — Wir unterscheiden 
uns nicht nach der Approbation, sondenn eben nach 
der Feinheit und Zurückhaltung gegen die Krank¬ 
heitsvorgänge; andererseits nach der Grobheit und 
Dünkelhaftigkeit unserer 4nmassung. — Es giebt 
Aerzte unter den „Laien“ und Kurpfuscher unter 
den Approbirten. 

* * * 

Soeben erscheint zur Kurpfuschereifrage: 

Zuckungen eines Homöopathen nach seiner 
| Hinrichtung. 

Offener Brief an den Henker, Herrn Metterhausen, 
aus dem Jenseits seiner Begriffswelt. 

Zu beziehen durch alle Buchhandlungen, sowie 
auch vom Verfasser 
' Emil Schlegel, 

prakt. homöopath. Arzt in Tübingen. 


Tinctura Jodii in der Diarrhöe der Phthisiker. 

i 

Dr. Renzi, Professor an der medicinischen Klinik 
zu Neapel, hat, wie die „Semaine medicale“ mit- 
1 theilt, von dem innerlichen Gebrauch der Jodtinctur, 

, neben einer Potio gummosa, bei den Diarrhöen der 


/ 


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101 


an Lungentuberkulose Leidenden oft gute Erfolge | lieb oder molkenartig sind. Diese molkenartige 

gesehen. Der Kranke nimmt täglich 5 oder 6 Mal j Beschaffenheit weist auf ein Pancreasleiden hin. 

einen Löffel voll von der Potio, in die er selbst | Jod hat solche Affinität zum Drüsengewebe, dass 

1 Tropfen der Jodtinctur hineingiesst, ausserdem I es zweifellos das Pancreas so gut wie andere Drüsen 


wendet er Lavements von 200 Gramm lauwarmen 
Wassers mit einem Zusatz von 50 Centigramm 
Salicylsäure und einigen Tropfen Opiumtinctur an. 

Bei dieser Polypharmacie ist freilich schwer zu 
SAgen, ob hier wirklich das in verbältnissmässig 
kleinen Dosen gegebene Jod den Heilerfolg er¬ 
zielt hat. Vom homöopathischen Standpunkte aus 
werden wir bei den an Tabes meseraica leidenden 
Kindern mit langwierigen erschöpfenden Durchfall¬ 
stühlen, die von heftigen Leibschmerzen, Drängen 
und Pressen nach dem Unterleibe begleitet sind, 
an Jod denken. Die Entleerungen können mussig 
oder wässerig, schaumig, weissschleimig oder selbst 
mit Blut gemischt sein. 

Farrington hebt besonders eine Form der Diarrhöe 
als für Jod passend hervor: hier ist die Milz ver- 
grössert, sehr hart und druckempfindlich. Auch 
die Leber muss afficirt sein, weil die Stühle weiss- 


afficirt. — 

Wer die Hartnäckigkeit der bei Tuberkulosen 
vorkommenden Durchfälle aus Erfahrung kennt, 
wird sich glücklich schätzen, wenn Jod wirklich 
das leisten möchte, was ihm Prof. Dr. Renzi, der 
aus irgend welchem theoretischen Grunde auf das¬ 
selbe gerathen ist, zuzuschreiben geneigt ist. 

_ M. 

Ehrengerichte der Aerzte in Preussen. 

Bei der Abstimmung der preussischen Collegen 
über den Regierungsentwurf betreffs der Ehren¬ 
gerichte haben sich nur 750 für, 7000, also eine 
erdrückende Mehrheit, gegen denselben aus¬ 
gesprochen. — Damit ist das Schicksal dieses Ent¬ 
wurfs, ja wohl vorläufig das der ganzen Ehren¬ 
gerichtsfrage entschieden. 


Anzeigen. 


Homöopathischer dispensirberechtigter Arzt übernimmt 

Vertretungen. 

Gef. Offerten sub W. 2938 an die Expedition dieses 
Blattes erbeten. _ 

Dr. med. Dierkes , Homöopath. Arzt, aus 
Paderborn pmktizirt in jeder Saison in Bad Lipp- 
fspringe. Die Herren Collegen werden gebeten, ihren 
Patienten die Adresse mitzugeben. 

Kurpension des Homöopathen 
Dr. von Hartungen 

Riva a. Gardasee, Tirol. 
Mars’sehes Krebsmittel 

gam frisch. 

Von Herrn Missionar Mars ist wiederum am 13. Februar 
1899 ein grösseres Quantum seines Krebsmittels eingetroffen. 
Ich stehe somit wieder gern mit diesem Mittel zu Diensten 
und kann es nun erfreulicher Weise auch billiger abgeben, 
und zwar 1 Portion: 10,0 mit Gebrauchsanweisung: 1,50 Mk. 
(früher 2 Mk). 

A. Marggrafs Homöopath. Offlein, Leipzig. 






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Seit 1891 klinisch vielfach erprobtes diätetisches 
Nähr- und Stärkung8mIttel. 

(ZuiammenResHtzt aut condent. Miloh, Gersten* und 
Weizenmehl, Zuoker und Kakao.) 

Wegen seiner Lelohtverdaulichkeit und hohen 
N&hrkraft indicirt bei: 

Magen - und Darmleiden , Anaemie, 
Chlorose , Nervosität , Hyperem. gravid 
Typhus ahdom ., künstlicher Ernährung, 
Scrophulose, Reconvalescenz. 

In vielen Hospitälern und Irrenanstalten ständig 
im Gebrauch. 

Preis der Dose M. 1.60 (300 g) u. M. 2.50 (500 glnh.). 

Vorräthig in den mellten Apotheken und Drogerien. 
Wissensohaftl. Urtheile, Analysen u. Gratismuster durch 

Dr. Theinhardt’8 Nährmittel-Gesellschaft 
Cannstatt (Wurttbg.). 



Cur- und Badeort Augustusbad bei Dresden 

(Eisenbahnstation Radeberg, an der Sächsisch-Schlesischen Bahn.) 

Wasserheilanstalt, Stahl- und Moorbad, klimatischer Cnrort, 

220 m über dem Spiegel der Ostsee, in einem reizenden Thale, geschützt vor rauhen Winden, inmRten alter, herr¬ 
licher Waidparkanlagen gelegen, auch für Milch- und Molkenkuren eingerichtet, passend bei allgemeinen Schwäche* 
zuständen, Blutarmuth, Skrophulose, Bleichsucht, englischer Krankheit, Herzleiden, Rheumatismus, Gicht, Nerven¬ 
leiden und verschiedenen Frauenkrankheiten etc. Aeusserst günstige Wohnungsverhältnisse, niedrige Preise der 
Bäder, billige Pension. Dirigirender Arzt Dr. med. Julius Meyer. 

Jede eingehendere Auskunft wird bereitwilligst ertheilt. 

iigwtutad bei Radeberg i. 8. ®ie Bade-Direction. 


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192 


Wichtig! 

Revisionsmässige Einrichtung 
der ärztlichen Hausapotheken betr. 

Nachdem in einem Regierungsbezirke in Weslphalen 
wiederum neue Anforderungen gestellt worden sind, gebe 
ich Folgendes bekannt: 

Der Phosphor und seine Präparate dürfen nicht mehr 
in den bisherigen Giftschränken untergebracht werden, 
sondern in einem besonderen eisernen Schränkchen. 

Für Morphium muss auch ein besonderes Schränkchen 
mit den Mitteln in 3*eckigen Gefässen und den nöthigen 
Utensilien (Waage, Mörser, Löffel, Gewichte etc.) angeschaflt 
werden. 

Desgleichen für Moschus ein besonderer Kasten mit 
den Mitteln in revisionsmässig signirten Gefässen, und den 
nöthigen Utensilien (Waage, Mörser etc.). 

Ich offerire somit Folgendes: 

1. Eiserne Phosphor* Schränkchen, 29 cm 
hoch, 34 cm breit, 17 cm tief, mit 2 Abtheilungen, 

leer 15.— Mk 

In diese kommen die schon vorhandenen Gefässe 
und Utensilien. 

2. Morphium-Schränkchen von Holz, imitirt 
Nusshaum oder Eiche etc., 47 cm hoch, 26 cm breit, 17 cm 
tief, aussen Porzellanschild „Morphium.“ leer 20.— Mk. 

Enthaltend: 

1 dreieckiges Gefäss für Morphium 

purum —.60 Mk. 

1 „ ,, für Morphium x 

Verreibungen I —.60 „ 

1 „ „ für Morphium-1 

Lösung'' —.90 „ 

1 Mörser mit Pistill und Schrift 3.50 ,, 

1 Handwaage mit Schrift 5.50 „ 

1 Trichter mit Schrift 1.— „ 

1 Löffel -.90 „ 

Diverse Gewichte 2.50 „ 

1 Pincette für Gewichte —.75 „ 

3. Moschuak&eten aus Blech, 25 cm lang, 13 cm 
breit, 12 cm hoch, signirt „Moschus,“ leer 6 — Mk. 

Enthaltend: 

gelbes Glasstöpselglas: 25, 0 , für 

Tinct. moschi - .30 Mk. 

„ Glasstöpselglas: 25. 0 , für 

Moschus-Verreibung —.35 „ 

1 Porzellanmörser mit Pistill und 
Schrift 

1 Handwaage mit Schrift 
1 Horulöflfel mit Schrift 
1 Trichter mit Schrift 
12 Pulverschiflfchen mit Schrift 
1 Pincette für Gewichte 
Diverse Gewichte 


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5.50 
-.90 

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6 .- 

-.75 

2.50 


A. Marggrafs Homöopath. Officin, Leipzig. 


BAD LIPPSPRINGE 

Eisenbuhii-Station Paderborn. 
Arminias-Quelle, sMckstolfreiebe Kalktherme. 

Erfolgreiches I iinflQVinhthicQ be80nder8 
Heilmittel gegen LUIIIJUIIpIlUllöUersten Stadium. 

Asthma und Katarrhe der Respirations-Organe. 

Saison: Hai kls September. 
Pensions-llötel; |/i||*hsillC staubfrei inmitten 
neu renovirt. I\U1 llaUo. <; e sParks gelegen. 
Auskunft durch die Bronnen-Administration. 


Im Verlage der Homöopathischen Central-Apotheke von 
Täschner & Co., Leipzig, und A. Marggrafs homöopathi¬ 
scher Officin, Leipzig, sind folgende empfehlenswerte 
homöopathische Bücher und Schriften erschienen: 
Gross-Hering, Vergleichende Arzneiwirkungslehre. l.Aufi. 
1893. geb. M. 20,-. 

Brnckner, Homöopath Behandlung der Augen- und Ohren¬ 
krankheiten. 1. Aufl. 189 L brosch. 2.50, geb. 3.—. 
Kleiner homöopath. Hausfreund. 6. Aufl. 1894. brosch. 
1.—, geb. 1.50 

Homöopath. Volksschriften, Nr. 1—28, in diversen (1.—8.) 
Auflagen, ä 10 Pfg. 

Hendrichs, Zahnschmerzen. Deutsch. 2. Aufl. 1888. —.30. 
Holland., 1. Aufl., — .50. 

Allgemeine homöopath Zeitung. 135. Band. [2. Halbjahr 

1897.) Halbjährlich 10.50. 

Müller, Charakteristik. Deutsch, 3. Aufl. 1890, geb. 1.50. 

Spanisch, 2. Aufl. 1891, brosch. 2.—, geb. 2.50. 
Homöopath. Allerlei. 1890. brosch. 1.-, in Parthien billiger. 

La Curacion y Profilaxia per el Tratamiento Homeopätico 
de Las Prinzipates enfermedades Infecciosas. 2. Aufl. 
1893. brosch. 1.20. 

Diverse kleine Anweisungen zur Heilung einzelner Krank¬ 
heiten. ä 20 Pf. 

Hlrschel. Der homöopathische Arzneischatz in seiner An¬ 
wendung am Krankenbette. Für Familie und Haus 
neu bearbeitet von Dr. med Goullon in Weimar. 
16. Auflage, geb. 4 M. 

Hübner, Homöopath. Thierarzt. 9. Aufl. 1892. cart. 3.—. 
geb. 3.75. 

— Krankheiten der Pferde. 9. Aufl. 1894. brosch. 1.20. 
geb. 1.60. 

Günther, Kleiner homöopath. Thierarzt. 2. Aufl. 1888. 
geb. 1.50. 

Hausmann, Kleine Schriften. Gesammelt und herausge¬ 
geben von Dr. C. Bojanus, seu. 1895. cart. 1.50. 
Homöopath. Hilfstabellen. Belehrung über die Bereitung 
der Potenzen aus den Urtincturen, Starke des zu ver¬ 
wendenden Alcohols etc. mit einer Anlage über Lutze’s 
Chiffre-Schrift. 1.—. 

Homöopathische Arzneitaxe, bearbeitet in Uebereinstim- 
mung mit allen in Deutschland bisher erschienenen 
officiellen und im Gebrauch befindlichen homöopathischen 
Arznei taxen. —.30. 

Bönnlnghausen’s Therapeutisches Taschenbuch für homöopath. 
Aerzte, neu herausgegeben von Dr. med. Fries, brosch. 
10.—, geb. 11.-. 

Die GrundzDge der modernen wissenschaftlichen Homöopathie, 

von Dr. Hans Wapler. brosch. —.50. 

Die Unhaitbarkeit der Hochpotenzen, von Dr. Kallenbach, 

Rotterdam, brosch. —.80. 

Knukel, Dr. med., Die homöopathische Behandlung der 
Heiserkeit, brosch. —.50. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julius Mässr in Leipsig. 


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Band 139. 


Leipzig, den 6. Juli 1809. 


No. 1 u.2. 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITH«. 


Heraasgegeben von 


Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. MarggraPs homöopath. Offlein) in Leipzig 

Thomaskirchhof 12. 


Erscheint Htägig zu 2 Bogen. 18 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 M. 60 Pf\ (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs -Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welohe an Rudolf Mosse 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offloln ln Leipzig) zu riohten 
sind, werden mit 20 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile nnd deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 6— 8 M. berechnet. 


Inhalt. Bekanntmachung, die am 9. und 10. August a. c. in Elberfeld stattfindende Generalversammlung des 
Homöopathischen Centralvereine Deutschlands betr. —- Die Arzneibehandlung der Tuberkulose. Von Prof. Dr. Hugo 
Schulz. — Podophyllum durch klinische Thatsachen beleuchtet. Von Dr. George Black, M. B., Edinburg. — Blei¬ 
vergiftung. — Aerztliche Ehrengerichte in Preussen. Ton Dr. Mossa. — Ein Vergiftungsfall mit Hydrastis cana- 
densis. Von M. — Vergleichende Diagnose zwischen Belladonna und Stramonium. — Pathogenetische und klinische 
Notizen. Von M. — Vom BQchertische. — Glückwunsch. — Personaiia. — Anzeigen. 


Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


ra. diesjährig. Bekanntmachung. 

67. Generalversammlung des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands 

wird abgehalten werden 

am 9. und IO. August iu Elberfeld 

im Hotel Weidenhof. Am Tage vorher, 8. August, Nachmittags 4 Uhr, vorbereitende Sitzung der Materia- 
medica Commission in demselben Lokale, in dem die Generalversammlung tagt. 


Tagesordnung: 


Mittwoch, 9. August, im Hotel Weidenlrof: 
Geschäfts-Sitzung, pünktlich Tormittags 8 Uhr: 

1. Abstimmung über die zur Aufnahme Angemel 

deten. 

2. Geschäfts-Bericht: 

a) des Vorstandes des Centralvereins, 

b) des Kuratoriums des Krankenhauses, 

c) des dirigirenden Arztes desselben, 

d) des Vorstandes der Poliklinik. 

3. Rechnungslegung des Kassenverwalters nnd Er- 

theilung der Entlastung auf Grund der von dem 
vereideten Revisor vorgenommenen Revision der 
Kasse und der Rechnungsablage. 

4. Neuwahl bez. Bestätigung des Kassenverwalters. 

5. Neuwahl bez. Bestätigung des Institutsarztes. 

6. Bericht über die Vereinsbibliothek. 

7. Bestimmung des nächstjährigen Versammlungs¬ 

ortes. 

8. Bericht des Propaganda Ausschusses. 

9. Bericht und Anträge des Ausschusses für die 

deutsche Arzneimittellehre. 


Anträge: 

Der Berliner Verein homöopathischer Aerzte be¬ 
antragt, 

„dass von jetzt an der Director des homöo¬ 
pathischen Krankenhauses zu Leipzig verpflich¬ 
tet sein soll, alljährlich rechtzeitig vor der 
Generalversammlung dem Directorium einen ein¬ 
gehenden wissenschaftlichen Bericht über seine 
Thätigkeit einzureichen, sowie demselben auf 
Verlangen seine Kranken Journale vorzulegen.“ 

Donnerstag, 10. Angnst, Tormittags 9 Uhr: 

Wissenschaftliche Sitzung im Hotel Weidenhof. 

Gemäss dem Beschluss der vorjährigen General¬ 
versammlung übernimmt Herr Dr. Groos-Barmen 
den Vorsitz. 

Vortrags-Thema: 

1. Herr Ober Medicinalrath Dr. v. Sick über: „Pro¬ 
fessor Samuel und die Homöopathie —, mit ent¬ 
sprechender Zurückweisung des von dem Ge¬ 
nannten gegen unsere Heillehre gerichteten An¬ 
griffes.“ 


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2 


3. Discussion. 

4. Aufstellung neuer Themata für die nächste Jahres¬ 
versammlung. 

Fest- Programm: 


2. Dr. Gisevius jr. referirt über sein in der vor¬ 
jährigen Generalversammlung übernommenes 
Thema: „Perityphlitis und ihre innerliche und 
chirurgische Behandlung.“ 


Dienstag, 8. August, im Hotel Weidenhof: 

Nachmittags 4 Uhr Sitzung der Materia-mediea- 
Commlssion. 

Ton Abends 8 Uhr an: 

Begrfissung im Hotel Weidenhof. 

Mittwoch, 9. August, Vormittags 8 Uhr, ebendaselbst: 
Geschäftliche Sitzung. 

Daran schliesst sich an: 

Mittags 127 a Uhr: Frühstück daselbst. 
Nachmittags 2*/ 4 Uhr: Abfahrt nach Remscheid 
nach Station Schaberg, Hüngeten, Kaiser- 
Wilhelm-Brücke. — Kaffee. 

Abends Rückfahrt. 


Donnerstag, 10. August, Vormittags 9 Uhr: 

Wissenschaftliche Sitzung ebendaselbst. 
Mittags 1 Uhr: Festessen im Speisesaale. 
Gegen 4 Uhr: Abfahrt nach Barmen mit der 
elektrischen Strassen bahn; daselbst mit 
Zahnradbahn nach dem Töllethurm. Kaffee. 
Spaziergang durch Barmer-Anlagen nach 
der Stadthalle. 

Abends Goncert. 


Absteige-Quartiere: Hotel Weidenhof, Hotel 
Post, Hotel Europäischer Hof, Hotel Vic¬ 
toria; alle in der Nähe des Bahnhofes. 

Der Vorstand: 

Dr. Windelband-Berlin. Dr. Weber-Köln a. Rh. 
Dr. Rohowsky-Leipzig. 


Die Arzneibehandlung der Tuberkulose. 

Von Prof. Dr. Hugo Schulz. 

Sonderabdruck aus der „Deutschen Medicinischen 
Wochenschrift“ 1899, No. 21. 

Wenn man die Behandlung der Tuberkulose 
mit Arzneistoffen eingehender studirt, so macht 
man dabei eine eigenartige Erfahrung. Arbeitet 
man das Thema so durch, dass man, vom Neuesten 
ausgehend, allmählich in die hinter uns liegenden 
Zeitepochen sich vertieft, oder geht man den um¬ 
gekehrten Weg: Das Resultat bleibt im Grossen 
und Ganzen stets dasselbe. 

Dieselben, dem Pflanzenreich oder der unbe¬ 
lebten Materie entnommenen Arzneimittel, die — 
soweit sie bekannt sein konnten — vor fünfzig, 
vor hundert und vor Hunderten von Jahren gegen 
die Tuberkulose, insbesondere die Lungentuber¬ 
kulose und ihre Begleiterscheinungen angewandt 
wurden, begegnen uns heute wieder. Sie haben 
zum Theil das Geschick gehabt, noch einmal wieder 
entdeckt zu werden, nachdem sie längere oder 
kürzere Zeit der Vergessenheit anheimgefallen waren. 
Andere, die einst hochstanden, sind heute in die 
zweite Rangklasse, die sogenannten Volksmittel ver¬ 
setzt worden. Vielen ist auch ein neuer Name 
bescheert, um sie auf diese Weise in den Augen 
der Patienten und wohl auch hier und da der 
Aerzte wieder zu heben und zu empfehlen. Man 
kann geradezu sagen: Mit Ausnahme einiger, erst 
durch die moderne Entwickelung der Chemie über¬ 
haupt existenzfähig gewordener Präparate und ab¬ 


gesehen von einigen Droguen, die, aus fernen Län¬ 
dern stammend, früher nicht bekannt sein konnten, 
begegnen wir in der alten und neuen Literatur 
immer wieder denselben Mitteln zu demselben Zweck. 
Es ist eine alte Erfahrung, dass es mit der aus¬ 
sichtsvollen Behandlung von Krankheiten, gegen 
welche eine besonders grosse Anzahl von Behand¬ 
lungsmethoden, seien sie geartet wie sie wollen, 
empfohlen wird, übel aussieht. Und es giebt wohl 
specioll auf dem Gebiete der Arzneimittelbehand¬ 
lung keine Eirankheitsform, die einen solchen Reich¬ 
thum an Mitteln im Laufe der Zeit hat entstehen 
lassen, wie die Lungentuberkulose. Wir haben in 
dieser anerkannten Thatsache den Ausdruck zweier, 
in ihren letzten Beweggründen recht weit ausein¬ 
ander gehender Bestrebungen. Man kann geradezu 
die gegen die Lungentuberkulose empfohlenen Mittel 
in zwei grosse Gruppen theilen. Die eine ist her- 
vorgegangen aus dem zielbewussten Kampfe mit der 
Krankheit selbst. Aerzte und Laien aller Zeiten 
haben versucht, gegen die grausame Zerstörerin 
von Gesundheit und Leben, die Vernichterin ganzer 
Geschlechter, Mittel zu finden, die eine sichere 
Waffe, eine verlässliche Wehr und Hilfe gewähren 
sollten. 

Dieses Mühen ist, wie die Erfahrung lehrt, nicht 
ganz vergeblich gewesen. Es steht fest, das9 in 
kundiger Hand, die von einem denkenden Gehirn 
geleitet wird, bestimmte Arzneistoffe sogar bei der 
Lungentuberkulose Erhebliches leisten können, vor- 
, ausgesetzt, dass die Ansprüche, die an ihre Leistungs- 
, fähigkeit gestellt werden, nicht über das Maass des 


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3 


Erreichbaren und Möglichen hinausgehen. Alle die 
vielen Mittel, die zu dieser Gruppe gehören, haben 
ihre Existenzberechtigung, mögen sie lege artis ver¬ 
ordnet sein oder als Volksmittel in Anwendung 
kommen, mögen sie dieser oder jener Schule und 
gerade herrschenden Doctrin entsprungen sein. Der 
Erfolg drückt ihnen seinen Stempel auf, der, wenn 
er auch vom Staub der Zeiten einmal verdeckt 
wird, doch immer wieder hervortritt, wenn eine 
kundige Hand nach ihm sucht und forscht. Arbeit, 
oft jahrelange Arbeit und vorurtheilslose Beobach¬ 
tung an zahlreichen Krankenbetten ist nothwendig, 
um solchen, der Vergessenheit und Nichtbeachtung 
anheimgefallenen Mitteln ihre Stellung wieder zu 
erwerben und zu sichern. Und genau dasselbe gilt 
für bisher unbekannte Stoffe, von denen man sich 
Hilfe gegen die Krankheit verspricht. Der Lohn 
solcher Arbeit liegt dann im Erfolge, dem Erfolge 
am Krankenbette, der schliesslich den einzig wahren 
Lohn für alle Mühe bildet. 

Wesentlich, man kann eigentlich direct sagen: 
ganz und rein materiell ist die Grundlage, auf der 
die zweite Gruppe von Mitteln gegen die Tuber¬ 
kulose und ihre Krankheitsbilder beruht. Sie wird 
am letzten Ende lediglich und allein gebildet durch 
die auri sacra fames. Der Unfug, um kein härteres 
Wort zu gebrauchen, irgend welche Mittel anzu¬ 
preisen, über deren Wirkung und Art überhaupt 
nichts bekannt ist, nicht einmal aus der dürftigsten 
Empirie heraus, Mittel, deren Zusammensetzung 
den Stempel des Schwindels an der Stirne trägt, 
hat gerade zu Ende unseres Jahrhunderts gewaltig 
um sich gegriffen. Die Angst der Patienten und 
ihrer Angehörigen vor dem Weiterschreiten der 
tückischen Krankheit, vor dem sicher vorauszusehen¬ 
den, traurigen Ende wird in ebenso raffinirter wie 
schamloser Weise mit allen Hilfsmitteln moderner 
Reclame ausgenutzt. Es sind auch nicht nur Ein¬ 
zelne, die es verstehen, das Leid und die Noth 
Anderer für ihren Geldbeutel ergiebig zu machen. 
Die Industrie selbst muss zum gleichen Zwecke her¬ 
halten. Unter den oft wunderbarsten Namen bringen 
die chemischen Fabriken alle möglichen Präparate 
auf den Markt. Auf den Namen kommt viel an. 
Man kann von alle den Herrlichkeiten mit einer 
Variante dasselbe sagen, was Mephisto dem Schüler 
klar macht: „Ein Name muss die Menge glauben 
machen, dass ihre Kraft viel Kräfte übersteigt!“ 
Was liegt dem Handel daran, ob ein Präparat hilft? 
Gehen muss es, ein Geschäft muss damit zu machen 
sein, dann lässt sich darüber reden. Und der sug¬ 
gestiven Wirkung der zum grösseren Vorth eile des 
Geschäftes in Scene gesetzten Reclame und ihrer 
pseudowissenschaftlichen, fadenscheinigen Decora- 
tion unterliegen die Patienten und gegebenen Falles 
auch einmal der Arzt selbst. Genug von diesem 


trüben Capitel! Was bei einem solchen Treiben 
herauskommt, herauskommen muss, liegt auf der 
Hand. Wer Augen hat zu sehen, sieht es alle 
Tage. Wann wird die Medicin sich wieder frei¬ 
machen von dieser Fessel, die sich um sie gelegt 
hat unter dem verführerischen Vorgeben, der Humani¬ 
tät, der ärztlichen Wissenschaft, den Kranken dienen 
zu wollen? 

Ich will im Folgenden den Versuch machen, 
eine übersichtliche Darstellung der Arzneistoffe zu 
bieten, die zur Behandlung der Tuberkulose, vor¬ 
nehmlich der der Athmungsorgane, und ihrer Be¬ 
gleiterscheinungen in Betracht gekommen sind. Auf 
Vollständigkeit kann selbstverständlich eine solche 
Uebersicht keinen Anspruch machen. Das Arma- 
mentarium ist zu gross, um jedem einzelnen seiner 
Bestandteile in gleicher Weise gerecht werden zu 
können. Das mag zur Entschuldigung dienen, wenn 
der eine oder der andere meiner Leser hier und 
da etwas vermissen sollte. Diejenigen Mittel, von 
denen man sich eine mehr allgemeine Wirkung auf 
den gesammten Organismus neben der Beeinflussung 
des eigentlichen Krankheitsheerdes verspricht, sollen 
den Anfang machen. An sie werden sich die Prä¬ 
parate anschliessen, die in erster Linie einer spe - 
| ciellen Indication gerecht werden sollen. 

Es ist wohl kaum zu bezweifeln, dass der An¬ 
fang einer medicamentellen Behandlung der Lungen¬ 
tuberkulose in der Weise gemacht worden ist, dass 
man die Kräfte gewisser Kräuter wirken Hess, von 
denen man sich Gutes versah. Die Ausnutzung 
pflanzlicher Producte zu Heilzwecken ist sicher viel 
älter, wie die Anwendung von Chemikalien, selbst 
in deren rohester Form. So spielen denn auch 
heute noch bestimmte Kräuter in der Volksmedicin 
und Kräuterkuren in der ärztlichen Kunst ihre Rolle 
ebenso, wie in weit fern liegender, alter Zeit. Ueber 
das Wie?, ja sogar über das Ob? ihrer Wirkungs¬ 
fähigkeit wissen wir eigentlich heute noch nicht 
mehr, wie man damals wusste. Aus einzelnen der 
Kräuter sind Substanzen isolirt worden, mit denen 
man Untersuchungen für sich anstellen kann, auch 
angestellt hat, ohne damit erheblich weiter zu 
kommen. Wir wollen uns denn auch hier nicht 
lange mit theoretischen Erwägungen abgeben, son¬ 
dern ohne Weiteres eine kleine Liste aufstellen 
von denjenigen Pflanzen und Pflanzentheilen, die 
in der Regel in Gestalt eines Thees längere Zeit 
hindurch gebraucht wurden und noch werden. Da 
haben wir zunächst einige Droguen aus der Klasse 
der Farrenkräuter. Die Hirschzunge, Scolopen- 
drium, das Milzkraut, Ceterach officinarum, die 
Wurzelstöcke des gemeinen Engelsüss, Polypodium 
vulgare, und die Mauerraute, Asplenium ruta muraria, 
alle sind heute nicht mehr offlcinell, aber das Volk 
glaubt noch an sie und braucht sie gegen den 

1 * 


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4 


Husten, der nicht weichen will, und die böse, fliegende 
Hitze in den Abendstunden. Gin recht altes Mittel 
ist die Agrimonia, der Odermennig, das Eupatorion 
der Alten, eine allerorts wildwachsende Pflanze, der 
wir in der alten Literatur häufig als besonders heil¬ 
sam gegen hartnäckige Brustbeschwerden begegnen. 
Dann weiter in bunter Reihenfolge: das Schöll¬ 
kraut, Chelidonium majus, der weisse Andorn, Mar- 
rubium vulgare, das Prasion des Dioskorides, im 
Volke einfach Lungenkraut genannt. Ein anderes 
Lungenkraut, einst wie die ebengenannten hoch¬ 
gerühmt, ist die blau blühende Pulmonaria offi- 
cinalis. Sie ist vergeben, ebenso wie die Lungen¬ 
flechte, die Sticta pulmonaria, deren Plinins schon 
Erwähnung tliut.*) Vom Ehrenpreis der Veronica 
officinalis, heisst es in Hecker’s „Kunst, die Krank¬ 
heiten des Menschen zu heilen M , dass sie gerühmt 
werde, „in Brustaffectionen, mit welchen Anhäufung 
des Schleimes verbunden sei, also bei anfangender 
schleimiger Lungensucht, ja selbst bei der eitern¬ 
den.“ Ferner haben wir noch zu nennen: die 
Folia Hederae terrestris, die Blätter des bekannten 
Gundermann, einer unserer ersten Frühlingsblumen, 
heute botanisch ßlechoma hederacea genannt. Dann 
das Immergrün, Vinca minor, den Waldmeister, 
Asperula odorata, den Gamander, Teucrium Marum, 
und das Teucrium Scordium, den Lachenknoblauch. 
Die Wurzel der Wegwarte, Cichorium Intybus, 
Kraut und Wurzel des rotlien Wiesenknopfes, Po- 
terium Sanguisorba, das Bruchkraut, Herniaria, die 
wilde Skabiose, der Ysop, die Blüthen des gemeinen 
Rohres, Arundo Phragmites, der Sonnenthau, Dro¬ 
sera, Abkochungen der grünen Ranken der gewöhn¬ 
lichen Brombeerstaude, die Wurzeln des Bocks¬ 
bartes, Tragopogon, in Milch gesotten, alle wurden 
herapgezogen zur Hilfe im Kampfe mit der Krank¬ 
heit. Die hier aufgeführte Reihe Hesse sich noch 
beträchtlich erweitern. Aber es sind der Mittel 
noch viele zu nennen, und so müssen wir uns be¬ 
schränken. Nur einer Pflanze sei gedacht, weil sie 
einmal eine ähnliche Rolle gespielt hat wie heute 
der unter dem wohlklingenden Namen: Homeriana 
in den Handel gebrachte Vogelknöterich. Ich meine 
die bekannte, auf unseren Kornfeldern häufige La- 
biate, den Hohlzahn, die Galeopsis ochroleuca. Witt¬ 
stein berichtet unter anderem von ihr: Die erste 
Nachricht, welche aus neuerer Zeit von ihr vor¬ 
handen ist, gab 1792 der Stiftsvikar Martenstock 
in seiner Flora von Bonn, wo er berichtet, dass 
die Pflanze in Köln einen sehr grossen Ruf habe 


•) Die Homöopathie hat auch diesem Mittel, wie 
so manchem andern, von der herrschenden Schule 
vergessenen, seinen wenn auch bescheidenen, so doch 
bestimmten Wirkungskreis, auf Grund physiologischer 
Prüfung, angewiesen. D. li. 


und bei beginnender Schwindsucht stark gebraucht, 
anfänglich theuer bezahlt und meistens von Blanken¬ 
heim bezogen worden sei. Nach dem Berichte des 
Dr. Lejeune in Verviers ist die Galeopsis ochro¬ 
leuca in den Ardennen als Ganot bekannt und ein 
Bestandtheil des sehr weit verbreiteten Brusttrankes 
der Demoiselle Libert in Malmedy. In den oberen 
Rheingegenden wurde die Pflanze ungefähr seit 
1807 unter dem Namen Lieber’sche Auszehrungs¬ 
kräuter verbreitet. Sie heissen nach dem Regie¬ 
rungsrath Lieber zu Kamberg im Nassauischen, 
der mit seinem Geheimmittel einen einträglichen 
Handel trieb, das Päckchen zu 24 Loth für 3 Gul¬ 
den verkaufte und soviel absetzte, dass er die 
Pflanze in Quantitäten von 40 Centnern bezogen 
haben soll. Ein Apotheker Wolf, der erfahren 
hatte, dass Lieber seine Kräuter in der Eifel bei 
Blankenheim sammeln Hess, reiste dorthin und stellte 
den Schwindel fest. Die preussische Regierung er- 
liess schliesslich 1824 eine Anzeige, worin gesagt 
wurde, was es mit den Lieber’schen Kräutern für 
eine Bewandtniss habe und dass man in den Apo¬ 
theken das Pfund zu acht Groschen haben könne. — 
Da haben wir einen niedlichen Beitrag zur Ge¬ 
schichte des Geheimmittelschwindels. 

Der ausgeprägt bittere Geschmack, der manchen 
Pflanzen eigen ist, hat ebenfalls schon früh dahin 
geführt, sie auch gegen die Lungentuberkulose zu 
versuchen. Der Enzian, der gemeine Löwenzahn, 
das Tausendgüldenkraut, die Kardobenedicte, das 
bittere Kreuzkraut (Polygala amara, eine Verwandte 
der Senega) sind kurgemäss benutzt worden. Be¬ 
sonders anzuführen ist noch das isländische Moos 
mit seinem Gehalt an rein bitter schmeckender Ce- 
trarsäure, die in neuerer Zeit wieder empfohlen 
wurde, weil sie unter anderem auch das Fieber 
beschränken und in der Behandlung der Lungen¬ 
tuberkulose eine Rivalin der früher vielfach ge¬ 
gebenen Chinarinde darstellen sollte. Wir werden 
auf die Behandlung des Fiebers bei der Tuber¬ 
kulose noch zurückzukommen haben. Endlich wären 
dann noch zu nennen die Kräutersaftkuren. Heute 
kommt eigentlich nur noch die Traubenkur in Be¬ 
tracht, früher wurde der Saft der Rüben, der Gurken, 
der Schlehen, der Brennnessel, der Erdbeeren kur¬ 
gemäss gegeben; ebenso der im Frühjahr gewonnene 
Birkensaft und der an Oxalsäure reiche Saft des 
zierlichen Schmuckes unserer Laubwälder, des 
Sauerklees. 

Alle die vielen, bisher genannten Mittel sollten 
wohl eigentlich neben der Beseitigung der unmittel¬ 
baren Beschwerden, des Hustens, der starkep Schleim- 
production, der Schmerzen, „allgemein umstimmend“ 
wirken. Mit anderen Worten: Man erwartete von 
ihnen einen gewissen Einfluss auf das Verhalten 
und Befinden des gesammten Organismus, seine 


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5 


allgemeine Ernährung, Se- und Excretionen und so 
fort. Von einem ähnlichen Standpunkte aus sind 
zu bcurtheilen die Heilmethoden, bei denen Fette 
und die Milch verschiedener Thiere eine Rolle 
spielten. Ziegenmilch, besonders aber die Esels¬ 
milch sind auf diesem Gebiete zur Berühmtheit ge¬ 
langt, dann die Stutenmilch und ihr Gähruugs- 
product, der Kumys. Selbst Milchzucker für sich 
ist gegeben worden. Und unter den Fetten war 
in den fünfziger Jahren das Ochsenklauenfett sehr 
beliebt, nachdem Olivenöl und Wallrath schon früher 
herangezogen worden waren. Das Fett des Hundes 
und des Dachses ist in den Augen des gemeinen 
Mannes heute immer noch nicht zu verachten. Eine 
besondere Rolle spielt der Leberthran. Wir wissen, 
dass neben seinem wesentlichen Bestandtheil, dem 
Fett, Jod in ihm vorhanden ist, bis zu fast einem 
halben Gramm im Liter. Kommt für den einzelnen 
Löffel voll Leberthran dabei auch nicht viel Jod 
heraus, so summirt es sich doch mit der Zeit, und 
es kann dann seinen bekannten, günstigen Einfluss 
geltend machen auf die erkrankten Gewebe und 
den ganzen Stoffwechsel. Die schliesslich auf den¬ 
selben wirkenden Bestandtheil, das Jod, heraus¬ 
kommende Anwendung der Spongia usta und des 
Fucus vesiculosus, unseres gemeinen Blasentangs, 
ist heute verlassen. 

Wir wären damit zu den Stoffen gelangt, die, 
bei der Tuberkulose als Arzneimittel gebraucht, 
uns in Bezug auf die Art ihres Wirkens etwas 
besser bekannt sind. Um auf das eben schon er¬ 
wähnte Jod noch einmal zurückzukommen, so hat 
man dasselbe theils in Dampfform, mit oder ohne 
Zusatz von Tinctura Conii inhaliren lassen, hat das 
Kaliumsalz und organische Jodverbindungen an¬ 
gewandt. Die Stimmen über den Werth der Jod¬ 
therapie gehen, abgesehen von der Anwendung, 
die die Chirurgie bei Gelenktuberkulose von den 
Jodverbindungen macht, weit auseinander. Man 
sah eben eine Zeit lang im Jod ein Specificum 
und machte den Fehler, die Krankheit generell, 
anstatt den Kranken speciell zu behandeln. Eines 
schickt sich nicht für Alle, und wenn die Krank¬ 
heitsveranlagung nicht derartig ist, dass das Jod 
wirksame Reactionen auslösen kann, so muss der 
Erfolg seiner Anwendung negativ bleiben. Aus 
sich selbst heraus muss der Organismus, muss das 
kranke Organ den Heilungsprocess in Scene setzen, 
unsere Arzneien können immer nur unterstützend 
wirken durch die Anregung, die sie geben. Ganz 
ähnlich wie beim Jod liegt die Sache beim Arsen, 
diesem uralten Mittel gegen die Auszehrung. Queck¬ 
silberpräparate, Gold in seiner Verbindung mit Chlor 
oder mit Cyan sind gegeben und verlassen worden. 
Die ersteren, besonders Sublimat, gab van Swieten 
bei syphilitischer Complication, die Goldpräparate 


l wurden einst von Wen dt und Pourche in die 
i Therapie eingeführt. Eisen ist immer nur im An¬ 
fangsstadium der Lungentuberkulose am Platze ge¬ 
wesen, aus naheliegenden Gründen. Es wurde mit 
| Jod oder auch Kali carbonicum vereint gegeben. 

, Schwefel ist ein Mittel von eingreifender Kraft, 

| sein Einfluss, besonders auf das venöse System, 
macht ihu aber unter Umständen zu einem zwei- 
| schneidigen Schwert. Auch die Anwendung des 
I Schwefelwasserstoffes zu Inhalationen, besonders in 
j den Thermen der Pyrenäen in Gebrauch und vor 
einigen Jahren von einem französischen Arzte so¬ 
gar vom ab oralen Ende des Körpers aus angewandt, 
hat nicht gehalten, was man hoffte. Verbindungen 
des Schwefels mit Kalk, dann die modernen orga- 
| nischen Schwefelpräparate, das Ichthyol und wie sie 
alle heissen, haben immer nur eilten begrenzten 
! Werth. Vom Phosphor und besonders der Phos¬ 
phorsäure haben die Alten viel gehalten. Heute 
ist die unterphosphorige Säure Gegenstand der Re- 
I clame geworden. Sie entstammt der Empfehlung 
C hure hi 11*8, der 1865 mit seiner Theorie von der 
: Phospholigie herauskam, der Annahme, der Mangel 
1 an oxydablem Phosphor im Bluteiweiss sei der 
Grund der Tuberkel-Diathese. Die Neuzeit hat 
organische Phosphor Verbindungen hervorgebracht, 
Phosphat, Phosphergot und Phospho-Guajakol. Und 
in der allemeuesten Behandlungsweise mit Nukleinen 
spielt sicher deren Phosphorgehalt seine Rolle mit. 
Von Belang ist dann weiter die Anwendung des 
Kalkes. Wissen wir auch nicht viel von ihm und 
ist sicher die alte Ansicht, dass er unmittelbar zur 
Verkalkung der Tuberkelknoten führe, nicht richtig, 
so ist doch seine Leistungsfähigkeit nicht zu be¬ 
streiten. Balneologische Erfahrungen sprechen da¬ 
für. Interessant ist eine Mittheilung Osianders, 
dass eine lang bestandene Hämoptyse durch fort¬ 
gesetzten Gebrauch von Gummi arabicum geheilt 
wurde. Wir wissen, dass die Asche desselben 
wesentlich aus organischen Kalkverbindungen be¬ 
steht. 

Die Kalisalze, namentlich das kohlensaure, haben 
ebenfalls ihre Bedeutung für die Behandlung der 
Lungentuberkulose. In der Griffith’schen Mixtur 
ist es mit Eisen und Myrrhe zusammen enthalten. 
Bei den zumeist baineologisch gebrauchten Natron- 
salzeu kommt neben deren allgemeiner Wirkung 
besonders ihr typischer Einfluss auf die Lebens- 
bedingungen der Bronchialschleimhaut in Betracht, 
ebenso wie beim Chlorammonium. 

Schon verhältnissmässig früh hat man versucht, 

| durch Einathmenlassen gewisser Gase die Lungen¬ 
tuberkulose zu bekämpfen. Das Prototyp ist das 
| alte Verfahren, wo man die Luft der Kuhställe in- 
; haliren liess. Sauerstoff, Stickstoff, Wasserstoff sind 
I schon in deu dreissiger Jahren angewaudt worden. 


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6 


Interessant ist in dieser Hinsicht die Erfahrung, die 
man in Lippspringe mit dem kombinirten Gebrauche 
des kalkhaltigen Wassers und dem Einathmen der 
an Stickstoff reichen Gase seiner Quelle gemacht 
hat. Von specieller Bedeutung ist noch die In¬ 
halation von Ozon. Es gab einmal eine Zeit, wo 
man daran dachte, die Tuberkelbazillen selbst fassen 
und die Eiterheerde in der Lunge selbst direct des- 
inficiren zu können. Heute wissen wir, dass das 
unmöglich ist, dass es immer und immer nur dar¬ 
auf ankommt, den Nährboden zu ändern, zu bessern. 
Eigene Erfahrungen an Patienten, die wochenlang 
in meinem Institute Ozon einathmeten, haben mich 
belehrt, dass das Ozon nicht das leistet, was von 
ihm vorausgesetzt wurde. (Schluss folgt.) 


Podophyllum 

durch klinische Thatsachen beleuchtet. 

Von Dr. George Black, M. B., Edinburg. 

i. Fall . Congestive Eierstocksneuralgie. 

Am 20. September 1895 stellte sich eine 26j. 
Frau, mit frischer Gesichtsfarbe, mittlerer Grösse 
und Stärke, blonden Haaren und grauen Augen, 
vor. Sie klagte über einen Schmerz in der linken 
Bauchseite, als dessen Stelle sie die linke Eier¬ 
stocksgegend bezeichnet; auch hatte sie Schmerz 
im Rücken, in der Lendengegend. Der Seiten¬ 
schmerz hatte in geringem Grade schon seit Jahren 
bestanden, war aber in letzter Zeit schlimmer ge¬ 
worden. 

„Wenn ich athme,“ sagte sie, „so scheint es 
nach oben zu ziehen, und dann schmerzt es. Zur 
Zeit der Periode fühle ich es nicht, auch nicht bald 
darnach. Es ist eine Art stechenden Schmerzes; 
etwas ist er immer da, aber wenn ich den Athem 
aufziehe, sticht es mehr.“ Bisweilen kommt es ihr 
vor, dass die Stelle etwas geschwollen sei, das geht 
aber wieder vorüber und macht keine Veränderung 
im Schmerze. Das Uriniren ist schmerzlos; kein 
Harndrang. Dabei Verstopfung; zwei bis drei Tage 
keine Oeffnung. Im After hat sie auch zeitweise 
Schmerz, gewöhnlich dann, wenn der Seitenschmerz 
schlimmer ist. Ihre Menstruation trat im 17. Lebens¬ 
jahre ein, war immer regelmässig, abgesehen vom 
vorletzten Monat, wo sie ausblieb. Damals war sie 
in Cornwall. Als sie nach ihrer Heimath zurück¬ 
kehrte, kam die Periode wieder. 

Podophyllum 1. trit. in der Form von Kügel¬ 
chen, 4 Stück in einem Glase Wasser; 3 Mal täg¬ 
lich einen Löffel voll. 

7. October. Sie fühlt sich viel besser; der Schmerz 
hat länger als eine Woche ausgesetzt; der Stuhl 
war ebenfalls besser, jeden anderen Tag regel¬ 


mässig erschienen. Der Schmerz im Rücken hat 
ganz aufgehört. 

Das Befinden der Frau hielt sich etwa 3 Jahre 
lang gut; dann kam ein leichtes Recidiv des Eier¬ 
stocksschmerzes, das wieder dem Podophyllum 
wich. — 

In der Cyclopaedia of Drug Pathogenesy wird 
der Fall angeführt, wo ein 20j. Mädchen, nach¬ 
dem sie 2 Gran Podophyllum genommen, am sechsten 
Tage „Schmerz im rechten Ovarium und Uterus“ 
bekommen hat. Von anderer Seite ist ein „dumpfer, 
weher Schmerz in der linken Eierstocksgegend“ 
verzeichnet. — Der hier beobachtete günstige Ein¬ 
fluss auf die Verstopfung der Patientin kann nicht 
als eine homöopathische Wirkung des Mittels an¬ 
gesehen werden, sondern die Dosis, welche den 
Eierstocksschmerz beseitigte, wird wohl einen leichten 
physiologischen Einfluss auf den Darm gehabt haben. 
(Wäre hier Bryonia nicht in erster Linie angezeigt 
gewesen? Ref.) 

2. Fall . Congestive Eierstocksneuralgie mit Pro¬ 
lapsus und Retroversio Uteri. 

Frau W., 35 Jahr alt, gross, mit hellbraunem 
Haar und grauen Augen, von mittlerer Stärke, kam 
am 15. October 1893 in Behandlung. Sie gab an, 
dass sie einen Tag nach einem, vor 10 Wochen 
gehabten Abortus Schmerz in der linken Eierstocks¬ 
gegend bekommen habe; dieser sei gewöhnlich 
nagend, zeitweise durchschiessend. Wenn sie von 
der gebeugten in die aufrechte Stellung sich er¬ 
heben wollte, war er sehr scharf; in der linken 
Eierstocksgegend begann er und schoss nach den 
Geschlechtstheilen herab. Bei der Untersuchung 
ergab sich eine Senkung und Rückwärtsbeugung 
der Gebärmutter; der Fundus im Douglas*sehen 
Raume liegend; während das Orificium gegen die 
Symphysis pabis gerichtet war. 

Podophyllum 1. tritur., 6 Pillulae in einem Glase 
Wasser, 3 Mal täglich 1 Löffel voll. 

26’. Octobei'. Zwei Tage nach dem Einnehmen 
verspürte sie eine Besserung, und am Ende der 
Woche war der Schmerz gänzlich vergangen. Heute 
ist der Uterus in weit besserer Lage. — 

Beim ersten Besuch zeigte sich der Unterleib 
stark ausgedehnt, so dass Pat. fürchtete, es möchte 
etwas von dem Abortus zurückgeblieben oder etwas 
in der Bildung begriffen sein. Es war aber*, wie 
die Percussion ergab, eine einfache Tympanitis. 

2 November . Der Schmerz in der linken 
Ovarialgegend ist vergangen, auch ist die Schwel¬ 
lung weit geringer geworden, aber der Eierstock 
ist noch druckempfindlich; dasselbe zeigt sich über¬ 
dies auch am rechtsseitigen. Sie klagt ferner über 
einen lebhaften Schmerz in der Regio hypogastrica. 
Er thut so weh, dass sie nicht weiss was sie thun 
soll, und dann schiesst er wieder abwärts. Bis- 


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7 


weilen fühlt sie das Herabdrängen in solchem 
Maasse, dass sie sich niedersetzen muss; zu an¬ 
deren Zeiten fühlt sie dagegen nichts davon. Mor¬ 
gens, wenn sie aufsteht, ist ihr besser; schlimmer 
aber zur Nachtzeit. Es sticht und prickelt zeit¬ 
weise in den Geburtswegen. Prolapsus ist noch 
etwas vorhanden; aber die Retroversio entschieden 
besser. 

a In seinem Manual of Pharmacodynamice, 4. Auf¬ 
lage p. 764, sagt Dr. Hughes: „Es liegt ein gutes 
Beweismaterial dafür vor, dass Podophyllum einen 
günstigen Einfluss auf den Vorfall der Gebärmutter 
wie auch des Afters ausübt.“ — Der obige Fall 
giebt auch einigermassen eine Bestätigung. 

3. Fall . Diarrhöea. 

Ein S 1 /^’. Knabe, klein, schlecht ernährt, mit 
hellbraunem Haar. Er lag (es war am 10. Aug. 
1893) schlafend auf dem Rücken. Beim Aufrichten 
röthete sich das vorher blasse Gesicht plötzlich. 
Er litt seit 14 Tagen an Durchfall; die Entleerun¬ 
gen waren gelblich, schleimig; die letzte stark gelb 
und weniger schleimig. Gestern und heute war 
nur ein, aber sehr dünnflüssiger Stuhl erfolgt. Vor¬ 
gestern hatte er Alles erbrochen und gestern früh 
war ihm wieder übel, seitdem aber nicht mehr. 
Das Kind sieht matt und schwach aus, kann kaum 
den Kopf aufrechthalten. 

Podophyllum 3., 4 stündlich 1 Globulus. 

Am 11. August. Die Diarrhöe hat aufgehört. 

4 . Fall. Diarrhoea. 

Ein etwa 5j. Mädchen, die Schwester jenes 
Knaben, braunhaarig, gut genährt, frischfarbigen 
Gesichts, mit grossen grauen Augen, langen Wim¬ 
pern. Seit drei Wochen hatte sie Durchfall; dann 
ging es eine Weile besser, nun ist er aber wieder¬ 
gekehrt. Vergangene Nacht war sie 4 Mal, heute 
bis gegen Mittag 2 Mal zu Stuhl gewesen. Die 
letzte Entleerung war mehr gelb und grün und 
schleimig als die frühere. Es ging jedes Mal nicht 
viel ab; kein Drang; kein Blut; aber Schmerz vor 
der OefFnung. P. 136. 

Podophyllum 3., 2 stündlich 1 Globulus. 

Den folgenden Tag war kein Stuhl einge¬ 
treten. 

5 . Fall . Diarrhoea. 

Eine 79j. Frau war gestern noch ganz wohl 
und in der Kirche gewesen. Heute, am 31. Juli 
1893, war ihr beim Erwachen übel, und es trat, 
ehe sie aus dem Bette aufgestanden, Diarrhöe ein. 
Das Erbrochene war gelb, wie Galle aussehend. 
Anfangs waren die Entleerungen sehr dunkel, jetzt 
gelb von Farbe, und gingen unfreiwillig ab. Ihre 
Hände waren eiskalt, ebenso war die Stirn kalt. Sie 
liegt mit den Kleidern schlafend im Bett. Den Tag 
über hat sie nichts gegessen noch getrunken; sie 
hat Durst, wie sie sagt, weist aber Getränke zurück. 


P. 112. Jetzt ist die Haut warm beim Anfühlen, 
die Zunge trocken, mit einem dünnen grauen Belag. 
Bei Nacht hatte sie etwas Kuchen, mit etwas Braten¬ 
fett und Korinthen gemacht, genommen, unmittel¬ 
bar darnach aber erbrochen. 

Podophyllum 3., 2 Globuli sofort, und nach 
jedem Durchfall. Nach der ersten Dosis war der 
Durchfall sistirt. Zwei oder drei Tage später war 
die Darmthätigkeit normal. 

6. Fall. Diarrhoea. 

Ein 24j. Dienstmädchen, dunkelhaarig, wohl¬ 
genährt, hatte seit mehreren Tagen an Diarrhöe 
gelitten. Die Entleerungen kamen dann, wenn sie 
etwas gegessen oder getrunken hatte, und waren 
wässeriger Art. 

Podophyllum 3., 2 Glob. sofort, und ebenso nach 
jedem Durchfall. 

Nach der ersten Dosis des Mittels war kein 
Stuhl mehr erfolgt. 

7. Fall . Diarrhoea. — Erbrechen. — Mastdarm¬ 
vorfall. 

Ein 68j. Mann war unter Erbrechen uud Diar¬ 
rhöe schwer erkrankt. Er sass sehr blass am 
Feuer, elend aussehend, klagte über heftigen Durst, 
Schmerz im Leibe. 

Am 20. Juli. Der Durchfall hielt Tag und 
Nacht an. Es war starkes Leibkneifen vorhanden. 
Er hatte eine dicke und weisse, klare Masse und 
ebenso gefärbtes Wasser entleert. Es quälte ihn 
ein starker Brechreiz. Die Stühle liefen von ihm 
wie Wasser. Nach Angabe der Tochter waren sie 
von milchähnlicher Farbe und sehr stinkend. 

Veratrum album 30. wurde nach jedem dünn¬ 
flüssigen Stuhl gegeben. — Nach der ersten Gabe 
hatte das Erbrechen stillgestanden und war auch 
kein Stuhl seitdem erfolgt. 

21. Juli . Während der vergangenen Nacht 
Nausea und mehrmaliges Erbrechen mit gleich¬ 
zeitiger Diarrhöe. — Bei Tage war aber beides 
ausgeblieben. Wenn er etwas trinkt, so fangen 
alle seine Eingeweide, wie er sagt, zu rumpeln an. 
Er klagt über Schwäche. 

23. Juli. Pat. klagt sehr über einen schreck¬ 
lich brennenden, beissenden Schmerz am Gesäss. 
Bei der Untersuchung fand sich ein Vorfall des 
Rectums. Er erhielt Podophyllum 3., 2 stündlich 
2 Globuli. 

25. Juli. Der heftig brennende Schmerz war 
nach */ t Stunde vergangen. Der Leibschmerz und 
Stuhlgang hat seit der ersten Gabe des Mittels 
sistirt. 

Verf. hat es nicht notirt, aber noch in der Er¬ 
innerung, dass in diesem Fall die Diarrhöe, welche 
Anfangs (nach Veratrum) nachgelassen, zeitweise 
wieder erschienen war, bis Podophyllum gegeben 
wurde. 


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8 


„Heftiger Schmerz in den Gedärmen, Erbrechen, 
zuerst des Mageninhalts, dann von Galle, Durch¬ 
fall mit grünen, wässerigen Entleerungen, viel 
Durst, Brennen und grosse Abgeschlagenheit“ sind 
charakteristische Zeichen für Podophyllum. Der 
Hauptsitz seiner Wirksamkeit ist wohl das Duo¬ 
denum, deren Schleimhaut man mit blutigem Schleim 
bedeckt gefunden hat. 

Schmerzhafter Vorfall des Mastdarms bei jedem 
Stuhle bei Diarrhöe ist eine specielle Indication für 
das Mittel, welche durch die schnelle Besserung 
in dem hier mitgetheilten Falle eine gute Bestä¬ 
tigung gefunden hat. 

(The Monthly Homoeop. Review. 1. Mai 1899.) 

M. 


Blei-Vergiftung. 

Individuelle Anlage. 

Der Eintritt der Bleivergiftung scheint in ge¬ 
wissem Grade von einer individuellen Anlage ab¬ 
zuhängen; denn von einer Anzahl Personen, die 
alle der Bleieinwirkung ausgesetzt sind, selbst wenn 
sich bei ihnen Anzeichen vorfinden, dass das Metall 
in den Organismus eingedrungen ist, werden einige 
in hohem Grade, einige wenig oder andere gar 
nicht an Bleivergiftung leiden. Begünstigt wird 
diese durch körperliche Schwäche und durch das 
Vorhandensein der Gicht, 

Das in den Organismus eingeführte Blei häuft 
sich in den Geweben und Organen an. Bei Hunden, 
denen man Blei mit dem Futter zuführte, fand man 
dasselbe in folgender Reihenfolge in den Organen 
enthalten: Knochen, Nieren, Leber, Rückenmark, 
Gehirn, Muskeln, Darm, an andern Stellen aber 
nur Spuren. Beim Menschen dagegen fand man, 
wenigstens in einem Fall, im Gehirn viel mehr Blei 
als in der Leber, und im Rückenmark überhaupt 
keines, während in einem andern Fall die Leber 
viel davon enthielt und das Gehirn gar keins, und 
in einem dritten Fall enthielt das Rückenmark das 
Metall, das Gehirn aber nicht. 

Abgesondert wird das Blei von der Leber, den 
Nieren und, wie man behauptet, von der Schleim¬ 
haut des Darmkanals. Lehmann fand, dass es fast 
ganz mit der Galle abging, wenn man es einem 
Thiere subcutan einspritzt. Hat es sich einmal in 
den Organen angesammelt, so geschieht seine Eli¬ 
mination nur langsam, indem es wahrscheinlich eine 
Verbindung mit dem Eiweiss eingeht. 

Symptome. 

Einwirkung auf das Blut. 

In der Regel geht eine zuweilen unbemerkt 
bleibende allgemeine Ernährungsstörung den an¬ 
dern Symptomen vorher. Es bildet sich eine Anä¬ 
mie, die häufig hochgradig wird. Das Hämoglobin 


ist in demselben Verhältniss wie die Blutkörperchen 
vermindert, und die Anaemia saturnina unterscheidet 
sich dadurch von der Chlorose, bei der die Reduc- 
tion des Hämoglobins grösser ist als die der rothen 
Blutkörperchen. Die Bleianämie gleicht mehr der 
perniciösen Anämie. Man nimmt an, dass die Ver¬ 
minderung der Blutkörperchen hier die Folge der 
Bleianhäufung in den Knochen sei, und in der That 
hat man Atrophie und Degeneration des Knochen¬ 
marks bei Bleivergiftung nachgewiesen. In Folge 
der Anämie wird die Muskelkraft der Kranken 
herabgesetzt. Bei der chronischen Bleivergiftung 
ist die Körperwärme in der Regel normal, zuweilen 
zeigt sich ein geringes, aber anhaltendes Fieber; 
treten aber acute Symptome von Seiten des Nerven¬ 
systems auf, so ist häufig Fieber zugegen. 

Nieren. 

Das Blei wird durch die Nieren ausgeschieden, 
und so zeigt der Urin in seiner Zusammensetzung 
manche Abnormitäten: die Menge der Harnsäure 
ist verringert. Daher sind Bleikranke oft von einer 
Art Gicht geplagt (Arthritis saturnina), wenn sie 
das mittlere oder ein höheres Lebensalter erreichen, 
und die Nieren können erkranken wie bei gichti¬ 
schen Personen; sie werden indurirt und granulär. 
Abgesehen von der hierdurch hervorgerufenen Albu¬ 
minurie findet man sonst zeitweise Eiweiss im Urin, 
z. B. während der Kolikanfälle. Wir wissen nicht, 
ob die Bleivergiftung direct die Degeneration der 
Nieren bewirkt, oder indirect dadurch, dass sie die 
Gicht hervorruft, jedenfalls ist der Effect um so 
wichtiger, als der Zustand zur Erkrankung der Arte¬ 
rien und des Herzens und so zur Hamblutung führen 
kann. Auf diese Weise erfolgt dann auch am häufig¬ 
sten der Tod bei Bleivergiftung. — Eine andauernde 
Bleieinwirkung ist zum Zustandekommen der Nieren¬ 
entartung nicht nothwendig; letztere kann sich auch, 
ohne dass wirkliche Gicht auftritt, entwickeln. Prof. 
Rosenstein — in seiner Pathologie und Therapie 
der Nierenkrankheiten — hat indessen bei seinen 
Versuchen mit Bleivergiftung an Hunden keine Ver¬ 
änderungen in den Nieren erkennen können, ob¬ 
gleich die Thiere unter den Erscheinungen der Epi- 
lepsia saturnina, also an den Folgen der Bleiver¬ 
giftung, zu Grunde gegangen waren; er sieht sich 
deshalb genöthigt, da, wo granulirte Niere oder 
Albuminurie bei Bleivergifteten vorkommt, diese 
Befunde als Complicationen zu erklären. 

Rücksichtlich der Bleikolik, des bekanntesten 
Symptoms, wollen wir bemerken, dass Maier eine 
Degeneration der Ganglien in der Darmwandung, 
sowie des Sympathicus abdominalis bei Kaninchen 
nach chronischer Bleivergiftung nachgewiesen hat. 
Aehnliche Veränderungen fand er an einem blei¬ 
vergifteten Manne; bei diesem war der Plexus 
coeliacus vom Bindegewebe umgeben und infiltrirt, 


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die sympathischen Zellen waren zum Theil atro¬ 
phisch, aber die Fasern nur wenig verändert. Blei¬ 
anhäufung in der Darmmucosa hat man hier viel¬ 
fach an getroffen. 

Nervöse Symptome. 

1. Sensible Erscheinungen. 

Schmerzen in den Extremitäten sind sehr häufig 
und werden entweder in den Muskeln und Gelenken 
angegeben, oder ihr Sitz ist nicht genau zu be¬ 
stimmen. Meist sind sie dumpf oder ziehend¬ 
reissend oder zuweilen scharf und neuralgisch. 
Man hat sie als „saturnine Arthralgien“ bezeichnet, 
doch stehen die GelenkachmeTzen nicht immer im 
Vordergründe. Häufig besteht Schmerzhaftigkeit 
der Muskeln, zuweilen Kriebeln in den Extremi¬ 
täten („heftige, ruckweise, kriebelnde Schmerzen 
in den Knochen“ heisst es in den homöopa¬ 
thischen Prüfungen). Sehr selten zeigt sich An¬ 
ästhesie an bestimmten Stellen; so hat man herab¬ 
gesetzte Tastempfindung an der Rückseite des 
Vorderarms und an der Vorderseite des Beins an 
der andern Körperseite beobachtet (wahrscheinlich 
in Folge einer Neuritis). „Muskelsteifigkeit“ kann 
mit den Schmerzen verbunden sein; dann und wann 
zeigt sich auch ein schmerzhafter Wadenkrampf. 
Haben die Schmerzen einen ausgesprochen neural¬ 
gischen Charakter, so treten scharf ausstrahlende 
Schmerzen im Verlaufe der Nerven auf und durcli 
Druck auf die Nervenstämme kann eine Schmerz¬ 
steigerung bewirkt werden. 

2. Locale Muskellähmung und Atrophie. 

Diese gehören zu den häufigsten Folgen der 

Bleivergiftung. Es lassen sich hier zwei Formen 
unterscheiden. Einmal, und das ist die Mehrzahl, 
geht die Lähmung der Atrophie voraus und die 
Muskeln zeigen die „Entartungsreaction“ d. h. Ver¬ 
lust der faradischen und normalen Reaction der 
galvanischen Erregbarkeit des Muskelgewebes (wie 
bei traumatischen Läsionen der Nerven). Hier sind 
vorzugsweise die Extensoren des Handgelenkes und 
der Finger ergriffen. 

Oder 2. Atrophie und Lähmung treten gleich¬ 
zeitig auf und entwickeln sich gleichmässig; denn 
sowohl die faradische als auch die galvanische Erreg¬ 
barkeit im Verhältnis zur Atrophie ist herabgesetzt, 
gerade wie bei der progressiven Muskelatrophie. 
Diese Form kann überall auftreten, doch ist ihr 
Lieblingssitz die kleinen Handmuskeln. Zwischen 
diesen beiden Formen, die degenerativen und die 
primär-atrophischen, bestehen häufige Uebergänge. 

Bei der ersteren folgt nicht immer Atrophie, 
sondern einzelne Muskeln können aus der Lähmung, 
ohne atrophisch zu werden, zur Norm zurückkehren. 
Selten ist dies jedoch der Fall bei den Muskeln an 
der Hinterseite des Unterarmes, die fast immer der 
Atrophie anheimfallen. In der Regel ist diese Exten¬ 


soren-Lähmung doppelseitig; zuerst wird der rechte 
Arm afficirt (weil er mehr gebraucht wird?), dann 
wird, sei es nach wenigen Tagen, oder Wochen 
und in seltenen Fällen nach mehreren Monaten, der 
linke ergriffen; manchmal werden auch beide gleich¬ 
zeitig afficirt. Die Lähmung nimmt allmählich zu, 
bis sie ihren Höhepunkt erreicht. Die erste Schwierig¬ 
keit zeigt sich bei der Streckung der Finger, häufig 
des Mittel- und Ring-, zuweilen des Zeige- uud 
Mittelfingers, und zwar ist die Bewegung im Meta- 
karpo-phalangeal-Gelenk behindert (lange Exten¬ 
soren). — Die Lähmung der Fingerstrecker ist 
meist an der Ulnarseite am grössten: der Zeige¬ 
finger kann noch am besten, der kleine Finger da¬ 
gegen am schlechtesten extendirt werden. Bald 
werden auch die Extensoren des Handgelenks ge¬ 
lähmt, bald die radialen, bald die ulnaren zuerst, 
und es entsteht eine Abweichung nach einer Seite 
hin. Schliesslich hängt die Hand schlaff herab 
und kann nicht mit dem Vorderarm in eine Ebene 
gebracht werden. 

Die Finger-Beuger bleiben normal, doch wird 
ihre Wirksamkeit durch die Lähmung der Strecker 
schwer geschädigt, da die zur kräftigen Beugung 
nöthige Streckung der Handgelenke fehlt. Daher 
bedingt Beugung der Finger auch Beugung des 
Handgelenks und der Verlauf der Sehnen wird so 
verkürzt, dass die Maximalcontraction der Flexoren 
nur schwach ist. Die wiederholte Beugung des 
Carpus verursacht eine geringe Dislocation der 
Carpalknochen nach hinten und wahrscheinlich auch 
eine Distension der Synovialsäcke, die mit den 
Knochen in Verbindung stehen, so dass eine Pro¬ 
tuberanz auf dem Handrücken entsteht, als Gubler’- 
scher Tumor oder als „Ueberbein“ bezeichnet. 

In den meisten Fällen beschränkt sich die 
Lähmung auf die genannten Muskeln, die alle vom 
N. radialis versorgt werden, während der auch 
von dem Nerv versorgte Supinator longus und 
der Abductor pollicis longus meist verschont bleiben. 

Mitunter geht die Lähmung auch auf den Ober¬ 
arm über, wo sie dann am häufigsten den Deltoi- 
deus, selten den Biceps und Brachialis, noch seltner 
den Triceps ergreift. 

In den Beinen tritt sie nur hier und da auf, 
und zwar ergreift sie dann die vom N. peroneus 
versorgten Ijjxtensoren mit Schonung des Tibialis 
anticus (entsprechend dem Supinator longus am 
Arm). 

Gowers beobachtete einmal dauernde Lähmung 
des Sphincter ani mit gleichzeitiger Anästhesie der 
Haut am Anus und Steissbein. 

I Die zweite, durch die primäre Atrophie charak- 
| terisirte Form zeigt sich besonders an den kleinen 
i Handmuskeln, erstreckt sich aber mitunter auch 
| auf die anderen Muskeln der Extremitäten. Die 

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10 


Atrophie entwickelt sich langsam pari passu mit 
der Lähmung. 

Sensible Erscheinungen. 

Meist besteht selbst im Beginn der Lähmung 
nur geringer oder gar kein Schmerz in den er¬ 
griffenen Extremitäten; selten zeigen sich scharfe, 
ausstrahlende Schmerzen vor dem Auftreten der 
Lähmung, und zwar häufiger in den Armen. Auch 
ist die Sensibilität an den Extremitäten im Allge¬ 
meinen normal; nur hier und da zeigt sich die 
Tastempfindung etwas herabgesetzt, die aber, un¬ 
regelmässig verbreitet, der Vertheilung der Nerven 
nicht entspricht. 

Ein sehr seltenes Symptom der Bleilähmung ist 
Jjökrrmng des Kehlkopjs . Eins oder beide Stimm¬ 
bänder können gelähmt sein und atrophisch werden. 
In einem Falle war der M. arytaenoideus, in einem 
andern waren alle Muskeln einer Seite und an 
einem dritten die Mm. cricoarytaenoidei post, ge¬ 
lähmt; die letzteren zeigten sich bei der Autopsie 
blass und atrophisch. So sollen auch die in Blei¬ 
werken arbeitenden Pferde an Lähmung der Kehl¬ 
kopfsmuskeln erkranken. 

Vereinzelte Muskelkrämpfe treten selten auf. 
Gower sah einmal Krampf der Vorderarm-Flexoren 
als Vorläufer der Paralyse. Ein anderer an Blei¬ 
vergiftung Leidender mit Koliken, aber ohne Läh¬ 
mungen, machte einen kurzen, aber ausgesproche¬ 
nen Anfall von Tetanie durch. Die Paroxysmen, 
auf die Arme beschränkt, treten eine Woche lang 
mehrere Male täglich ein. (Schluss folgt.) 


Aerztliche Ehrengerichte in Preussen. 

Am 10. Juni hat im preussischen Abgeord¬ 
netenhause die Abstimmung über den Gesetzentwurf 
betreffend die ärztlichen Ehrengerichte stattgefun¬ 
den. Die Majorität hat dann den Gesetzentwurf 
im Ganzen definitiv angenommen, nachdem noch 
über Einzelheiten für und wider gesprochen, ja 
dies Ganze als unzweckmässig bekämpft worden 
ist. Der Herr Abgeordnete Henning hat bei dieser 
Gelegenheit wieder in anzuerkennender Weise eine 
Lanze für die Homöopathie gebrochen. Ob Alles völlig 
zutreffend ist, was er hierbei angeführt, ist aber 
doch fraglich. So heisst es im stenographischen 
Bericht seiner Bede: „Man hat gesagt, eine etwaige 
Beschränkung der homöopathischen Heilmethode 
durch dies neue Gesetz sei durch den § 3 aus¬ 
geschlossen, in dem es heisst, dass politische, wissen¬ 
schaftliche oder religiöse Meinungen nicht von Ein¬ 
fluss auf die Bildung des Ehrengerichts sein sollen. 
Aber, meine Herren, das Uebel liegt gerade in 
dem Umstande, dass die homöopathische Therapie 
behördlicherseits nicht als wissenschaftlich im engeren 


Sinne des Wortes anerkannt wird. Daraus kann 
leicht die Folgerung entstehen, dass homöopathische 
Aerzte — immer staatlich approbirte Aerzte vor¬ 
ausgesetzt — von einer Ehrenmitgliedschaft aus¬ 
geschlossen sind, ebenso wie sie von ärztlichen Ver¬ 
einen ausgeschlossen sind, und nicht zu amtlichen 
Consultationen hinzugezogen werden dürfen. Es 
reicht also die Bestimmung des Wissenschaftlichen 
allein nicht aus, um der von mir vertretenen Sache 
genügenden Schutz in der neuen Gesetzgebung zu 
gewähren.“ — 

Nun, so schlimm stehen die Dinge wohl auch 
in Preussen nicht; die Staatsbehörden als solche 
fragen im Allgemeinen doch nicht nach der thera¬ 
peutischen Stellung des Arztes, selbst die Medicinal- 
behörden werden das Gutachten eines homöopathi¬ 
schen Arztes, wenn es auf rein sachlicher, wissen¬ 
schaftlicher Basis begründet ist, nicht zurückweisen ; 
die Gerichtsbehörde hat wohl kaum je das Gut¬ 
achten eines homöopathischen Arztes, da sie gar 
nicht in der Lage ist, seine therapeutischen An¬ 
schauungen zu kennen, beanstandet. So habe ich 
es wenigstens während meiner 20 jährigen Praxis 
in Bromberg kennen gelernt. — Freilich, zu com- 
munalen oder staatlichen Stellen wird man dem ho¬ 
möopathischen Arzt im Ganzen selten Zutritt ge¬ 
währen, zumal, wenn eingefleischte Vertreter der 
alten Schule unter den Stadtverordneten oder den 
Regierungscollegien eine massgebende Stimme führen. 
Da nun aber die Behörde auf die Wahl der Mit¬ 
glieder eines ärztlichen Ehrengerichts keinen Ein¬ 
fluss hat, so kann unsere Stellung als homöopathische 
Aerzte diesem neuen Institute gegenüber, indem 
wir den uns oft feindseligen, wissenschaftlichen 
Gegnern auf Gnade und Ungnade preisgegeben 
sind, eine bedenkliche, unangenehme werden. — 
Wenn der Regierungscommissar auf den vom Herrn 
Abgeordneten Henning ausgesprochenen Wunsch, 
dass die königliche Regierung dafür wirken möge, 
dass in den Aerztekammern so wie in den Ehren¬ 
gerichten auch Vertreter der Homöopathie sich be¬ 
finden mögen, erwiderte, dass es den homöopathi¬ 
schen Aerzten überlassen bleiben müsse, bei den 
Wahlen dafür zu sorgen, dass auch ein Vertreter 
ihrer Richtung in jene Institutionen hineinkomme, 
so ist das leicht gesagt, aber, wie die Dinge liegen, 
wohl immer schwer, wenn überhaupt je, durch¬ 
zuführen. — 

Der ablehnenden Haltung eines erklecklichen 
Theiles der Aerzte gegen das Gesetz wurde gegen¬ 
über dem zustimmenden Votum der Aerztekammern 
gar kein Gewicht von Seiten der Regierung bei¬ 
gelegt. Dass diese sich nicht beikommen lässt, auf 
den Wunsch" des Abgeordneten Dr. Arendt^ einzu¬ 
gehen, den Aerztekammern resp. dem Ehrengerichte 
die Befugniss einzuräumen, einen Arzt, der sich 


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vergangen, aus dem Aerztestande auszuschliessen, 
bezw. ihm die ärztliche Approbation zu entziehen, 
ist recht und billig. Mag das Gesetz hierdurch, 
wie Dr. Arendt sagt, eine Waffe ohne Heft und 
Klinge werden; ist das nicht für unsern Stand zu¬ 
träglicher und heilsamer, als wenn die Institution 
wie ein zweischneidiges Schwert drohend über dem 
Haupte des schon ohnehin so mühseligen praktischen 
Heilkünstlers schwebt? Die Regierung sagt sich: 
Ihr babt’s gewollt; gut, da habt ihr’s; möge es 
euch gut bekommen! Dr. Mossa. 


Ein Vergiftungsfall mit Hydrastis canadensis. 

Dr. Miodowsky hat in der Berl. Klin. Wochschr. 
vom 30. Januar 1899 folgenden Fall von einer 
Hydrastis-Vergiftung mitgetheilt: 

Einem 65j. Mann war wegen einer Bronchitis 
mit reichlichem Auswurf das Extr. fluidum von 
Hydr. canadensis zu 20 Tropfen pro Dosis ver¬ 
ordnet worden. Er hatte, nach seiner Aussage, 
2 Gaben, die letzte vor dem Schlafengehen ge 
nommen. Bald darnach bekam er Atliembeschwer- 
den, so dass er aufstehen und im Zimmer umher¬ 
gehen musste. Indessen die Symptome verschlim¬ 
merten sich, und als Dr. M. gerufen wurde, fand 
er Pat. vorgebeugt sitzend und die Lehnen seines 
Stuhles mit den Händen umfassend. Sein Gesicht 
war livid; die Augen wanderten ängstlich im Zimmer 
herum. Der Athem war schnell, mit grosser An¬ 
strengung der respiratorischen Hilfsmuskel. Bei der 
Inspiration hörte man Rasseln, selbst in der Ent¬ 
fernung; die Exspiration war von einem pfeifenden 
Geräusch begleitet. Der Puls war klein, weich, 
leicht zusammenzudrücken und langsam. Die Stirn 
des Pat. war mit kaltem Schweiss bedeckt. Die 
Percussion der Lunge ergab nirgends Dämpfung, 
aber bei der Auscultation hörte man überall (feines 
und mittleres) Crepitiren, besonders auf der linken 
Seite, wo stellenweise auch bronchiales Athmen 
war. — Die Herztöne waren Anfangs, wegen des 
Lungengeräusches, schwer zu unterscheiden, später 
erwiesen sie sich als rein, aber verlangsamt. Der 
Spitzenstoss konnte nicht gefühlt werden. Nach der 
Anwendung von Stimulantien (Acther, Wein, Kaffee, 
Senfpapier etc.) trat allmählich Besserung ein Das 
Athmen wurde langsamer, weniger crepitirend und 
pfeifend, der Puls kräftiger und regelmässiger und 
das Sensorium klarer, so dass Pat. auf Fragen ant¬ 
worten konnte. 

Da kein Herzgeräusch während dieses Anfalles 
zu vernehmen und der Kranke sonst ein kräftiger 
Mann war, so meint Dr. Miodowsky, dass das Mittel 
die Erscheinungen durch Erzeugung von Herz¬ 
schwäche mit secundärer Congestion und Oedem 


der Lungen herbeigeführt habe. Diese Erklärung 
stimmt mit den Resultaten, welche Felmer bei seinen 
Thierversuchen erlangt hat, überein. — M. 


Vergleichende Diagnose 
zwischen Belladonna und Stramonium. 

Dass weder acute Vergiftungen mit ihrem stürmi¬ 
schen Verlaufe noch Thierversuche mit ihrem Mangel 
an Wirkungszeichen auf die Psyche einen klaren 
Aufschluss über die pathogenetischen Wirkungen 
eines Mittels geben können, diese Thatsache tritt 
uns frappant entgegen, wenn wir uns an das Stu¬ 
dium solcher altbekannter, und von der herrschen¬ 
den Schule trotzdem so wenig erkannten Mittel wie 
z. B. die beiden Narkotica Belladonna und Stramo- 
nium machen. 

Prof. Nothnagel sagt in seinem Handbuch der 
Arzneimittellehre über Stramonium: „Nach den vor¬ 
liegenden Untersuchungen von Lichtenfels und Fröh¬ 
lich, Wertheim, namentlich aber Schroff, Cooperu. A. 
und nach den bekanntgewordenen Vergiftungsfällen, 
scheinen die Wirkungen von Stramonium auf den 
gesunden Organismus genau dieselben zu sein wie 
beim Atropin; nur ein Unterschied des Grades be¬ 
steht nach Schroff, indem Daturin noch einmal so 
stark wirkt wie Atropin.“ 

Von den Prüfungen, die Hahnemann und seine 
Schüler mit der grössten Sorgfalt an sich selbst 
unternommen, wird da drüben natürlich gar keine 
Rücksicht genommen. Diese Experimente zeigen 
allerdings, wie die Wirkungen beider genannter 
Arzneistoffe in mancherlei Beziehungen parallel 
laufen, in anderen aber doch eine deutliche Diver¬ 
genz bei ihnen zu unterscheiden ist. 

Eine werthvolle Gegenüberstellung beider Mittel 
giebt uns Herrn. Gross in seiner „Vergleichenden 
Arzueiwirkungslehre“, herausgegeben von Dr. Faul¬ 
wasser, die wir zu allgemeinem Nutz und Frommen 
hier wiedergeben wollen: 

Belladonna; Stramonium. 

Ueberwiegend rechts. — Links. — Haar meist hell. 
Haar meist dunkel. 

Fettsucht — Apoplexia Abmagerung — Apoplexia 

sanguinea. nervosa. 

Paralyse öfters schmerz- Paralyse meist schmerzlos 
haft, einseitig. und doppelseitig. 

Schmerzhafte Ausschläge. Schmerzlose Ausschläge. 

Puls bisweilen aussetzend Puls bisweilen doppel- 
und langsam bei häu- schlägig, und sehr 
figen Athemzügen. schnell bei ruhigem 

Athmen. 

Wird der Puls langsam, Wird der Puls langsam, 
| so ist er voll. so ist er schwach. 

Durst am seltensten im Durst in Hitze und 
Frost, oft vor dem Frost Schweiss oder zwischen 
und nach dem Schweiss. beiden; fehlt im Frost. 

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Belladonna« Stramoninm. 

Man trinkt oft, aber jedes- Man trinkt selten, aber 
mal wenig. jedesmal viel. 

Hirnentzündung mit Ver- Hirnentzündg. mit Besse 
schlimmerung im Lie- rung im Liegen, unwill- 

gen. kürlicher Bewegung des 

Kopfes und öfterem 
Aufheben des Kreuzes. 

Liebe zur Einsamkeit. Furcht vor Einsamkeit. 
Furcht vor Vergiftung Befürchtung des Verstan 

oder Apoplexie. desverlustes. 

Misstrauen — Nachtheile Hoffahrt—Verliebtheit — 
von Zorn. Nachtheile von üblen 

Nachrichten. 

Gedächtniss sehr lebhaft Gedächtnisschwäche, 
oder sehr schwach. 

Weitsichtigkeit. Kurzsichtigkeit. 

SchmerzhaftesZucken ein- Schmerzloses Zucken 

zelner Gesichtsmuskeln. einiger Gesichtsmus¬ 

keln. 

Beschwerden vorherr- Beschwerden, vorherr¬ 
schend am harten Gau- sehend am weichen Gau¬ 
men, sowie am Oberarm. men und Unterarm. 

Abneigung gegen Saures. Appetit auf Saures. 

Anmerkung. Säuren sind keine Antidote bei 
Vergiftungsfällen mit Belladonna, aber ein Gegen¬ 
mittel bei Stramoniumvergiftung. Const. Hering. 

Geruchlose Flatus. Stinkende Blähungen. 

Harn öfter dunkel als Harn blass. — Harnver- 

hell. — Incontinentia haltung öfter als un¬ 
öfter als Hamverhal- willkürlicher Harnab- 

tung. gang. 

Monatsfluss vorherr- Hegel vorherrschend zu 

sehend zu früh. spät. 

Puerperal - Convulsionen Puerperal • Convulsionen 

mit Blutandrang nach mit reichlich. Schweiss 

dem Kopfe. (Lippe). 

Athem vorherrschend Athem laut, 

leise. 

Pferd höchst unruhig oder Pferd wird bei jedem Ge- 
stier, lässt nicht die räusch unruhig, beisst 

Vorderfüsse mustern, und schlägt mit Leicht- 

nicht aufsitzen, über- beweglichkeit um sich, 

schlägt sich. 

Nachlass nach Mitternacht Verschlimmerung Nachts 

und Vormittags. u. Morgens. — Nachlass 

bei Tage und Abends. 
Schlimmer von Licht, be- Vom Licht ebenso oft ge- 
sonders Kerzenlicht. bessert wie verschlim¬ 

mert; schlimmer beson¬ 
ders vom Sonnenlicht. 

Schlimmer im Frühling. Schlimmer im Herbst. 

Vorherrschend schlimmer - Vorherrschend besser 

von Saurem, in der linken Seitenlage, sowie beim 
Liegen auf der schmerzhaften Seite. 
Vorherrschend besser .—>—* Vorherrschend schlimmer 

beim Bücken, sowie von äusserem Druck und in der 
rechten Seitenlage, sowie beim Liegen auf der schmerz¬ 
haften Seite. 

NB. Stramonium hat meist die Ueberempfindlich- 
keit der Belladonna gegen Schmerz in Ueberein- 
stimmung mit der vorherrschenden charakteristischen, 
constitutionellen Reizlosigkeit, die dem Stram. eigen- 
thümlich ist. H. Gross. 


Ausgenommen bei Paronychie und anderen Eite¬ 
rungen, wo im Gegentheil die grosse Empfindlichkeit 
gegen Schmerz Stramonium indicirt. O. Hering. 

Zur Ergänzung und theilweisen anatomischen Be¬ 
gründung fügen wir der obigen Parallele eine „differen¬ 
tielle Analyse“ beider Mittel, wie letzthin sie die März 
nummer d. J. im The Hahnemann Advocate ge 
bracht hat. 

Belladonna. Stramoninm. 

| 1. Gehirn. 1. Gehirn. 

| Intensive Congestion und Active Congestion , die vor 
Entzündung , die Gehirn- der Entzündung still 

und Rückenmarkshäute steht, aber höchster Grad 

' ergreifend, mit hohem psychischer Exaltation 

Fieber, Gefässstörun- und wiithendes Delirium 

gen, Sinnesreizbarkeit mit wenig oder gar 

und Hyperaesthesie der keinem Fieber und ohne 

sensiblen und motori- Schmerz. Coma. 

sehen Nerven. 

2. Sensorium. * 2. Sen so ri um. 

a) Irritabilität der Sinne mit a) Irritabilität der Sinne mit 

vorherrschender Ueber- Verlangen nach Licht 

empfindlichkeit des Ge- und Gesellschaft oder 

hörs. Photomania. 

b) Wildes Delirium, fieber- b ) Tolles Delirium , unbän- 

haft, lärmend, in Folge diges, im Laufe acuter 

von Blutandrang und Krankheiten, mit hef- 

Entzündung mit rothem tigen,unbändig.,psycho- 

Gesicht, blutunterlaufe- motorischen Erschei¬ 
nen Augen, erweiterter nungen, etwas Con- 

Pupille, klopfenden gestion, mit oder ohne 

Carotiden, Kopfweh. Fieber. 

c) Erregung, Verwirrung in c) Exaltation , Verwirrung , 

Folge acuter Congestion schreckhafte Hallucina- 

mit vorübergehenden tionen, Illusionen, mit 

Hallucinationen.Hlusio- mässigem oder gar kei 

nen, Furcht, Heftigkeit, nem Fieber, Schwatzen, 

Neigung herumzulaufen Singen, Beten, Fluchen; 

oder aus Zimmer und Furcht, Argwohn, Spä- 

Bett zu entfliehen. Er hen \ unbändiger Trieb zu 

sieht Thiere, Feuers- Schlagen, Beissm, Reissen 

brünste, Leichen, Gei- etc. Sieht Geister, Rat- 

ster, Ungeheuer, In- ten, Mäuse, Würmer, 

sekten etc. Katzen, Schlangen etc. 

d) Afama, fieberhaft, zeit- d)Mania, stark ausgespro- 

weise, unbestimmt. Er dien, veränderlich, gut¬ 
hält sich plötzlich für artig, heiter, fromm, ge¬ 
reich; geschwätzig,dann schwätzig, hauptsäch 

stumm; lustig, dann lieh aber tollen Charak- 

streitsiiehtig; glaubt ters bis zur vollen Wuth. — 

sich angegriffen vonRäu- Melancholie religiöser 

bern,Larven,schwarzen Art, oder mit Selbst- 

Hunden und Insekten. mordgedanken. 

Gelächter; närrische Ge¬ 
bärden. 

i e) Depression , in Folge von e) Depression, in Folge 

Congestion, mit Reizungs- von Congestion oder Er 

| Symptomen Schlummer- regtheit; Schlafsucht, 

I sucht . Stupor , daraus er- Stupor mit schnarchen- 

I weckt, ist der Kranke dem Athemgeräusch 

i gewaltthätig; oder etc., ausgehend — oder 

I Wechsel von Delirium nicht — in Coma mit 

| und Stupor. Suppressio urinae. 

| f) Schlaf, nicht erfrischend, f) Schlaf , tief mit Schnar- 

gestört durch ängstliche chm, durch schreckliche 

I Träume von Mördern, Träume von Untliieren 

Räubern oder Feuer. oder geschlechtlichen 

| Erwacht mit Schrecken, Organismus gestört. Er - 


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Relladonna. 

wie verwirrt. Schlaflosig¬ 
keit vor Angst oder Ge¬ 
hirn-Erschöpfung. 


3. Rückenmark. 

Congestion , En tzündun g, 

tonische Zusatnmenziehun- 
gen , Steifigkeit, Opistho¬ 
tonus. Clonische Krämpfe, 
Zuckungen, Zittern. 

Epilepsieartige Krämpfe , 
mit Vor- und Rückwärts¬ 
bewegungen. Spasmen , 
durch Berührung oder 
lautes Geräusch er¬ 
neuert. 

4. Paralytische Zu¬ 
stände. 

Pupillen er weitert. Paralyse 
des Sphincter vesicae 
mit unwillkürlichem 
Urinabgang.— Enuresis. 


5. Allgemeines. 

Fieberdelirium mit grosser 
Gefä8sstauung und Un¬ 
erträglichkeit von Licht 
und Geräusch. — Vor 
übergehende Hallucina- 
tionen. — Congestiver , 
klopfender Kopfschmerz — 
Halsw eh.— Dysphagie. — 
Krampfhafter Husten.— 
Glatter Scharlachaus¬ 
schlag. Schmerzen kom¬ 
men und gehen schnell. 
Schlimme Wirkungen von 
Zugluft , vom Eaarah- 
schneiden und plötzlichem 
Wechsel von Warm und 
Kalt. — Bei jungen und 
platonischen Personen. 


Stramonium. ! 

i cacht mit wichtiger, 
sonderlicher Miene. 
Schlaflosigkeit in Folge 
fortgesetzter Exaltation 
öde* Gehirn-Erschöpf 
ung. 

3. Rückenmark. 

Keine Congestion od. Ent¬ 
zündung. Isolirte Spas¬ 
men. Choreaartige Bewe¬ 
gungen. Epileptische 
Krämpfe; besonders 
partielle, an den Ober¬ 
gliedern mit graeiösen, 
kreisförmigen Bewegun¬ 
gen. — Krämpfe beim 
Anblick von Wasser er¬ 
neuert. 

4. Paralytische Zu¬ 
stände. 

Pupillen ertc itert. Unvoll¬ 
ständige Blasenläh¬ 
mung; der Urin träufelt 
langsam und schwach. — 
Parese der Sprach- 
organe. 

5. Allgemeines. 

Maniakale Aufregung mit j 
hartnäckiger Schlaf¬ 
losigkeit und Verlangen 
nach Licht und Gesell¬ 
schaft. - Erschreckende 
Hallucinationen. — Hef¬ 
tige Wuthausbriiche. — 1 
Säuferwahnsinn. - Scheu ; 
vor Wasser, Dysphagie, j 
Hydrophobie. — Photo¬ 
manie. — Erotomanie. - ! 
Lustigkeit. — Exstase. — 
Melancholie mit religio- j 
sen und Verfolgungs¬ 
ideen. — Täuschung 
über Gestalt, Grösse 
oder Stellung des Kör- [ 
pers. — Stammeln. — : 
Aphasie. — Suppressio 
urinae. Schmerzlosig¬ 
keit bei den meisten 
Beschwerden. — Ueble 
Folgen von Alkohol 
oder unterdrückten Aus- | 
Schlägen. x. i 


Pathogenetische und klinische Notizen. 

Baryta in seniler Herzschwäche. 

Dr. M. Haie hat gefunden, dass Baryta eins 
der besten Mittel beim senilen Herzen sei, wo die i 
übrigen Herzmittel wenig zu wirken scheinen. j 

Ein Symptom findet sich freilich nicht in der ] 
Pathogenese von Baryum. — Die Empfindung von 
hinsinkender Leere (Oedigkeit nennen es oft die 
Leute. Ref.) oder Ohnmacht in der Herzgrube, die | 
bei verschiedenen Herzmitteln, wie Digitalis, Ignatia, | 


Veratr. album, Convallaria und Cactus grandifl. an¬ 
getroffen wird. (Sonst findet es sich noch bei 
Hydrastis, Lachesis und Caladium.) Wo aber dies 
Symptom bei alten Leuten vorkommt, ist dennoch 
Baryta fast specifisch. 

(Baryta bat sonst noch: Herzklopfen beim Liegen 
auf der linken Seite, oder durch Denken daran er¬ 
neuert — ist ein Alters-Mittel par excellence. Ref.) 

Acidum lacticum bei Arthritis deformans. 

Die entzündliche Wirkung der Milchsäure auf 
die Gelenke ist homöopathischerseits bisher nur in 
acutem Gelenkrheumatismus verwendet worden, bei 
welcher Affection die Milchsäure ätiologisch wohl 
selbst eine Rolle spielt. — Dr. Zolatorin hat nun 
(cf. American Homoeopathist vom 15. Januar) von 
diesem Mittel auch bei Arthritis deformans guten 
Erfolg gesehen. 

Er berichtet einen Fall, wo ein Patient, der 
dieses seit 10 Jahren gehabt und 1 Jahr lang hatte 
im Bette zubringen müssen, nach 3wöchentlichem 
Gebrauch dieses Mittels aufstehen, umhergehen, 
und seine Geschäfte wieder aufnehmen konnte. — 

Cocain . Ein charakteristisches Symptom bei 
chronischer Cocain Vergiftung, als „Magnan’s Sym¬ 
ptom“ bekannt, ist die Empfindung, als ob fremde 
Körper unter der Haut sich befinden. 

Dr. R. T. Cooper berichtet einen Fall, wo dieses 
Symptom bei einem Patienten mit chronischem 
Rheumatismus vorkara, und der durch */ 4 gr von 
Cocain, wenigstens zur Zeit, entschieden gebessert 
wurde. 

Hypodermatische Anwendung von Rhus in einem 
Typhusfalle. 

Dieser betraf ein 16j. Mädchen, welche am 
14. Tage nach zweimaliger Darmblutung in einen 
collabirten Zustand verfiel. Sie lag unbeweglich, 
flach auf dem Rücken, mit weitgeöffneten, starren 
Augen; jeder Versuch, sich zu bewegen, schien ihr 
grosse Beschwerden zu machen. Bei der Unter¬ 
suchung fand man, dass sie vom Hinterhaupte bis 
ans untere Ende der Wirbelsäule völlig starr 
war. Die Zunge war trocken; dünnflüssige Stühle 
gingen unfreiwillig ab. Um 9 Uhr Abends wurde 
eine subcutane Einspritzung von Rhus 6. gemacht, 
die um 11 Uhr wiederholt wurde; um 12 Uhr 
schloss sie zum ersten Mal die Augen und schlief 
mehrere Stunden ruhig. Am Morgen war die Rücken¬ 
starre verschwunden. Bei Nacht war keine Ent¬ 
leerung erfolgt, ebenso wenig in den zehn folgen¬ 
den Tagen. Dann hatte sie einen natürlichen und 
reichlichen Stuhl. Rhus wurde (wie oft ist nicht 
angegeben) bis zur Genesung fortgesetzt. 

(The Clinique. Dec. 1898.) 

Kali phosphoricum in nervöser Dyspepsie. 

Dr. W. T. Laud hat von Kali phosph. unter 
folgenden Bedingungen gute Erfolge gesehen bei 


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14 


nervöser Dyspepsie: Patient ist ein Neurastheniker, 
Ohnmachts(Hinsein)-Empfindung im Magen, durch 
Essen zeitweise besser; Verschlimmerung der gastri¬ 
schen Symptome durch Aufregung oder Kummer; 
Urin vermindert, mit Ueberschuss von Phosphaten. 

(N. Amer. Journ. of Homoeopath. Dec. 1898.) 

Brom in Oophoritis. 

Dr. Olds sagt über die Indicationen von Brom 
bei Eierstockskrankheiten in The Homoeopathic 
Journal of Obstetrics: 

Der Menstrualfluss erscheint zu früh und hat 
eine hellrothe Färbung. Vor der Regel zeigen sich 
Schmerzen im Unterleibe, besonders ein Bohren im 
linken Eierstock, lanzinirende Schmerzen im Rücken 
und Kopfweh. Während der Regel kann ein Ab¬ 
gang von Flatus aus der Scheide stattfinden. Dieses 
sonderbare Symptom ist in Fällen von Dysmenor- 
rhoea membranacea beobachtet worden. — Dabei 
kann sie den Coitus nur schwer ertragen, weil sie 
jedes Mal jenen bohrenden, stechenden Schmerz im 
Eierstock hat. Die Eierstöcke, und‘auch die an¬ 
deren Drüsen, sind vergrössert und werden hart. — 

Dieses sonderbare, wohl nur selten beobachtete 
Symptom von Flatusabgang aus der Vagina ist 
sonst noch bei Lycopodium angegeben. (Ref.) 

Ledum palustre bei Karbunkeln. 

Dr. Ingall macht auf die Anwendbarkeit von 
Ledum bei Karbunkeln aufmerksam. Er hat eine 
Anzahl von Fällen mit diesem Mittel in 7 —14 Tagen, 
ohne operativen Eingriff, erfolgreich behandelt. — 
Er giebt die 1—10 Tabletten innerlich, stündlich; 
und äusserlich macht er Leinsamenumschläge, die 
mit Ledum (1: 10) angefeuchtet und den Tag über 
aller halbe Stunden gewechselt werden. Bei Nacht 
legt er eine baumwollene Compresse, die mit fol¬ 
gender Lösung getränkt ist, auf: Rp. Ledum, Alko¬ 
hol, Aqua aa 60,0. — Dies Verfahren setzt er täg¬ 
lich fort, bis die Masse leicht entfernt ist, was 
zwischen dem 3.-6. Tage geschieht. Dann füllt 
er die Höhle durch sterilisirte, mit obiger Lösung 
getränkte Gaze. Die Granulationen bilden sich 
schnell und schliessen bald die Oeffnung. 

(Ob Verf. wirklich die bösartigen Karbunkel 
oder nur die Furunkel gemeint hat, ist nicht recht 
ersichtlich. Ref.) 

(Medical Times, New York.) 

Ein Stramonium-Fall. 

Ein Fräulein, deren Mutter 3 Monate vor der 
Geburt ihrer Tochter wahnsinnig geworden und 
niemals wieder völlig gesund geworden war, hatte 
kein Anzeichen von dieser erblichen Belastung bis 
zu ihrem 80. Jahre gegeben. Dann aber gab, wie 
es schien, ein Zerwürfniss mit ihrem Geliebten den 
ersten Anstoss zu einer geistigen Störung, die An¬ 


fangs unbedeutend, bald aber, wahrscheinlich unter 
dem Einfluss gewisser spiritualistischer Sitzungen, 
bedenkliche Erscheinungen entwickelte. Das leitende 
Symptom war eine Hallucination des Gehörs i sie 
hörte fortwährend Stimmen, die sie ihrer längst ver¬ 
storbenen Grossrautter zuschrieb, in ihren Ohren 
tönen. Dazu kam, wie zu erwarten war, Schlaf¬ 
losigkeit, Furcht vor Alleinsein, Furcht vor der 
Dunkelheit, Appetitverlust, Verlust an Interesse, 
selbst für ihre Lieblingsbeschäftigungen. 

Dr. Selfridge-Californien hielt sich bei der Mittel¬ 
wahl an die „Stimmen im Ohr“. Dies ist ein vor 
Allem bei Stramonium vorkommendes Symptom. 
Dies Mittel gab er alsbald in der 200. mit dem 
Erfolg, dass der Zustand fünf Tage später merk¬ 
lich besser war. Binnen vier Wochen war er, ab¬ 
gesehen von einem oder zwei leichten Recidiven, 
bedeutend besser und von der Zeit an ging die 
Genesung stetig vorwärts, bis alle krankhaften 
Zeichen verschwunden waren. Zuerst hörten die 
„Stimmen“ auf, dann kam der Schlaf zurück; sie 
wandte sich wieder der Haushaltung zu, fand allmäh¬ 
lich wieder Gefallen an der Musik. Das Symptom, 
welches am letzten schwand, war ihre Abneigung 
vor dem Alleinsein. 

(Pacific Coast Journal of Homoeopathy.) M. 


Vom Bllchertische. 

Zackungen eines Homöopathen nach seiner 
Hinrichtung. 

Brief an den Henker Herrn Dr. Metterliausen, 
aus dem Jenseits seiner Begriffswelt. 

Hier haben wir eine treffende Antwort aufMetter- 
hausen’s feindseligen Angriff auf die Homöopathie. 
Der Titel könnte eine mit Blut geschriebene Re¬ 
plik vermuthen lassen; nichts von dem! Der Ver¬ 
fasser, den wir wohl kennen, wenn er sich auf dem 
Schriftchcn auch nicht genannt hat, weiss in feiner, 
geistvoller, mehr jronisirender als dreinschlagen¬ 
der, erheblich begründeter Weise den Angriff in 
sein Nichts zurückzuführen. Dabei giebt er gleich¬ 
zeitig Herrn Metterhausen und seinen Gesinnungs¬ 
genossen Gine wohlwollende, tiefgehende Lection 
über das, worum es sich in der Homöopathie wirk¬ 
lich handelt, mit einem Hinblick auf den gegen¬ 
wärtigen Stand der Medicin und das Ziel, wonach 
diese zu streben habe — nicht abstracto Wissen¬ 
schaft, sondern mehr concrete Kunst. — Wir em¬ 
pfehlen diesen „Brief“ allen Collegen zur Lectüre 
und zur weiteren Verbreitung. Dr. Mossa. 


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15 


Glückwunsch. 

Am 3. Juli ist es einem unserer verdientesten 
Veteranen, dem Herrn Collegen Sanitätsrath Dr. 
Johannes Schweikert in Breslau vergönnt gewesen, 
sein 60jähriges Doctor-Jubiläum zu begehen, und 
senden wir ihm zu diesem Freuden- und Ehrentage 
unsere herzlichsten Glück- und Segenswünsche. 

Der Jubilar schaut auf eine lange, reichge¬ 
segnete, ihm und der homöopathischen Heilkunst 
zu hoher Ehre gereichende praktische Thätigkeit 
zurück, aus der er im Verein der homöopathischen 
Aerzte Schlesiens oftmals ebenso interessante als 
belehrende Mittheilungen gemacht, und die unsere 
Zeitung gern dem homöopathischen Aerztekreise 
zur Kenntniss gebracht hat. Obwohl er dem Alter, 
der Jubilar hat ja das schöne Lebensalter von 
83 Jahren erreicht, seinen Tribut nicht vorent- 
lialten kann, so hat er doch immer noch das Otium 


mit dem Negotium verbinden können. — Möge es 
ihm durch Gottes Gnade beschieden sein, auch 
noch das schöne Ziel des eisernen Doctorjubiläums 
zu erreichen! 

Wie wir vernehmen, hat auch unser Central¬ 
verein dem Jubilar im Namen der homöopathischen 
Aerzte Deutschlands einen Glückwunsch überreichen 
lassen. 


Personalia. 

Das Dispensir-Examen haben bestanden: 

Dr. med. Strehle-Gielow i. M. 

„ „ Mittelstedt-Berlin. 

„ „ Köring-Delbrück i. W. 

„ „ Eckert-Breslau. 

(Letzterer ist ein Schüler des Herrn Dr. med. 

Weidner Breslau.) 


Anzeigen. 


Sichere Existenz 
für einen homöopathischen Arzt. 

In bester Lage einer grösseren Industriestadt 
Sachsens ist eine erste Etage, bestehend in 
6 Zimmern nebst Zubehör per 1. October c. bezieh 
bar, zu vermiethen. 

Diese Wohnung haben bereits seit 20 Jahren 
Aerzte innegehabt und eine sehr ausreichende Praxis 
betrieben. Ganz besonders dürfte aber ein Homöo¬ 
path eine gute Existenz finden, da in dieser Stadt 
und Umgegend nur 1 homöopathischer Arzt prakti- 
zirt. Gef. Offerten unter H. 901 nehmen Haasenstein 
& Vogler A. G., Dresden, entgegen. 


Dr. med* Dierkes, homöopath. Arzt, aus 
Paderborn praktizirt in jeder Saison in Bad EIpp- 
*p ringe. Die Herren Collegen werden gebeten, ihren 
Patienten die Adresse mitzugeben. 


Auf Reisen and zur Dispensation sehr practisch. 
Homöopathische Mittel 

in Tablettenform, ä 0,95 Gramm Gewicht« 

(Das richtige Quantum für eine einzelne Arzneigabe.) 


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1 

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7,5 „ 

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12,5 „ 

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20 „ 


—.75 

1 

k 100 


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25 „ 


—.90 

1 

ä 120 


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30 „ 


1.10 

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„ ä 150 

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37,5 „ 

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1.35 

1 

„ ä 200 

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= 

50 „ 

• • >1 

1.80 

1 

„ k 400 


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100 „ 

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len Stärkegehalt. 

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Vorrftthig in den meisten Apotheken und Drogerien. 
Wissenschaft]. Urtheile, Analysen u. Gratismuster duroh 

Dr. Theinhardt’s Nährmittel - Gesellschaft 

Cannstatt (Württbg.). 


Carl Gruner’s homöopathische Officin (A. Kittel), 
Berlin 

hat folgende DepötS errichtet, in denen ihre anerkannt 
vorzüglichen Arzneien in bester und frischester Qualität 
stets, und nur in Originalpackung und zu Original¬ 
preisen zu haben sind: 
für Berlin O. und S.O. : 

Emmaus-Apotheke, Apotheker E. Seyd, Reichenberger¬ 
strasse No. 150. 
für Berlin X.W.: 

Roland-Apotheke, Apotheker Bermann, Thurmstrasse 

No. 16. 

für Rostock (und beide Meckleraburg): 
Universitäts-Apotheke, Blücherplatz. 


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1 « 


Bohnenhülsen - Thee 


gegen Nierenkrankheiten, Wassersucht, Gicht, Rheumatismus, Zucker- und andere Krankheiten halten vorräthig und 
empfehlen in Packeten ä V 4 Ko. mit Gebrauchsanweisung Mk. —.75 

>» >> k V* ji » M u 1.25 

?> »j ^ /1 »» » »» »» 2.25 

Gebrauchs-Anweisung. Man nehme 75—100 Gramm von unserem Bohnenschalenthee und koche dieselben mit 
2—3 Liter Wasser 3—4 Stunden, bis solche auf 1 Liter eingekocht sind; bis zu diesem Quantum kann man täglich 
gemessen, das normale ist ein Trinkglas voll. — Der Thee allein getrunken schmeckt nicht schlecht, man kann aber 
auch, um den Bohnengeschmack zu vermindern, etwas Fleischextract etc. hinzufügen. — Besondere Diät braucht nicht 
eingehalten zu werden. — Die Wirkung auf die Nieren ist eine ganz ausserordentlich grosse, was jeder Trinker des 
Thees in dem reichlichen Urinlassen merken wird. Ausser dem Trinken des Thees empfiehlt man ärztlicherseits auch 
das Baden in demselben, besonders bei Rheumatismus und Gicht, zu einem Bade gehören 5 Liter Extract, man nimmt 
aber hierbei 200 Gramm Thee auf 1 Liter Extract. 

Leipzig. A. Marggraf’s homöopathische Officin. 


Nachstehend verzeichnete Apotheken empfehlen wir 

als Haupt-Depots 

unserer homöopathischen Arzneien, Hausapotheken etc. — 
Dieselben haben sich verpflichtet, alle Arzneien etc. von 
uns nur in Originalpackungen mit einer unsrer Firmen zu 
beziehen und weiter zu verkaufen, sodass volle Garantie 
für Echtheit und beste Qualität den verehrten Käufern 
geboten ist. 

Karl Otte’s Fischmarkt-Apotheke, Hamburg, 

Fischmarkt. 

Dr. G. Wiedermann, Löwen-Apotheke, Frei¬ 
burg i. Baden. 

Joh. Manecke, Hof-Apotlieke, Magdeburg. 
Dr. C. Hofs Apotheke, Pforzheim (Baden), 

gegenüber dem Rathhause. 

Dr. Fr. Oelze, Krummacher'sche Apotheke, 
Bielefeld, am alten Markt. 

Alfred Fitzan, Rothe Apotheke, Bernburg 

(Anhalt), Kaiserstrasse 3 a. 

H. Steinhorst, Mohren-Apotheke, Prenzlau. 
Wed. Bultcrman & Cohen, Apotheker, Rotter¬ 
dam, Hoogstraat. 

J. W. Floren, Centraal-Apotheek, Haarlem, 

Groote Houtstraat 78. 

Weitere Depots folgen in allen grossen Städten. 

Die vereinigten 

Leipziger homöopathischen Apotheken: 
Täschner & Co., Homöopathische Central-Apotheke, 
A. Harggrafs homöopathische Officin und Carl 
Groner’s homöopathische Offlein (früher in Dresden). 


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möopathischen Gesundheitskaffee als Getränke 
gestattet, empfehlen wir in reinsten und besten 
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A. Harggrafs homöopath. Officin, Leipzig. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julius lfJUer in Leipzig. 


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ßnnd 159 


Leipzig, den 20. Juli 1809 


No.3 u. 4. 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITIVG. 

Herausgegeben Ton 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A.Marggrafs homöopath. Offlein) in Leipzig 

Thomaskirchhof 12. 


Erscheint 14 tägig zu 2 Bogen. IS Doppelnummern bilden einen Band. Preis WM, 60Pf, (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. O flicin ln Leipzig) zu richten 
sind, werden mit 20 Pf, pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit J —8 M, berechnet. 

Inhalt. Bekanntmachung, die am 9. und 10. August a. c. in Elberfeld stattfindende Generalversammlung des 
Homöopathischen Centralvereins Deutschlands betr. — Beobachtungen aus dem homöopathischen Krankenhause zu 
Leipzig. Von Dr. Stifft. — Die Arzneibehandlung der Tuberkulose. Von Prof. Dr. Hugo Schulz. (Schluss.) — Prä- 
ludienklfinge zur Versammlung in Elberfeld. Ileus-Fall. Von Dr. Gisevius jun. — Weckruf zum „Sammeln“ in Elber¬ 
feld. Von Dr. Mossa. — Die Heilung der Diphtherie auf homöopathischem Wege, insbesondere durch Mercurius 
cyanatus. Ref. Dr. Goullon. — Das Selbstdispensirrecht der Aerzte und Homöopathen. Von Dr. Springfeld, Medi- 
cinalassessor keim Königl. Polizeipräsidium in Berlin. — Neue Materia medica. Quittung. — Bitte an die Col- 
legen! 2. Quittung. — Dank. — Quittung der UnterstQtzungskasse für Wittwen homöopathischer Aerzte. — Quittung 

des homöopathischen Krankenhauses zu Leipzig. — Anzeigen. 

•9" Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


DU diesjährig. Bekanntmachung. 

67. Generalversammlung des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands 

wird abgehalten werden 

am 9. und IO. August In Elberfeld 


im Hotel Weidenhof. Am Tage vorher, 8 . August, Nachmittags 4 Uhr, vorbereitende Sitzung der Materia- 

medica Commission in demselben Lokale, in dem die Generalversammlung tagt. 


Tagesoi 

Mittwoch, 9« August, im Hotel Weidenhof: 
Geschäfts-Sitzung, pünktlich Yormittags 8 Uhr: 

1. Abstimmung über die zur Aufnahme Angemel 

deten. 

2. Geschäfts-Bericht: 

a) des Vorstandes des Centralvereins, 

b) des Curntoriums des Krankenhauses, 

c) des dirigirenden Arztes desselben, 

d) des Vorstandes der Poliklinik. 

3. Rechnungslegung des Kassenverwalters und Er- | 

theilung der Entlastung auf Grund der von dem 
vereideten Revisor vorgenommenen Revision der 
Kasse und der Reelinungsablage. 

4. Neuwahl bez. Bestätigung des Kassenverwalters. 

5. Neuwahl bez. Bestätigung des Institutsarztes. 

6. Bericht über die Vereinsbibliothek. ; 

7. Bestimmung des nächstjährigen Versammlungs¬ 

ortes. I 

8. Bericht des Propaganda Ausschusses. j 

9. Bericht und Anträge des Ausschusses für die j 

deutsche Arzneimittellehre. I 


(lnnng: 

Anträge: 

Der Berliner Verein homöopathischer Aerzte be¬ 
antragt, 

„dass von jetzt an der Director des homöo¬ 
pathischen Krankenhauses zu Leipzig verpflich¬ 
tet sein soll, alljährlich rechtzeitig vor der 
Generalversammlung dem Directorium einen ein¬ 
gehenden wissenschaftlichen Bericht über seine 
Thätigkeit einzureichen, sowie demselben auf 
Verlangen seine Kranken-Journale vorzulegen.“ 

Antrag der Vereinigung homöopathischer Aerzte 
Norddeutschlands: 

Das Curatorium des Krankenhauses wird alle 
drei Jahre von der Central Vereins Versammlung 
gewählt; dasselbe muss ausser dem dirigirenden 
Arzte noch zwei andere ärztliche Mitglieder des 
Centralvereins als Mitglieder haben. 

Donnerstag, 10. August, Vormittags 9 Uhr: 

Wissenschaftliche Sitzung im Hotel Weidenhof. 

Gemäss dem Beschluss der vorjährigen General¬ 
versammlung übernimmt Herr Dr. Groos-Barmen 
den Vorsitz. 


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Nachtrag 


















18 


Yortrags-Themata: 

1. Herr Ober-Medicinalrath Dr. v. Sick Über: „Pro 
fessor Samuel und die Homöopathie —, mit ent¬ 
sprechender Zurückweisung des von dem Ge¬ 
nannten gegen unsere Heillehre gerichteten An¬ 
griffes.“ 


2. Dr. Gisevius jr. referirt über sein in der vor¬ 

jährigen Generalversammlung übernommenes 
Thema: „Perityphlitis und ihre innerliche und 
chirurgische Behandlung.“ 

3. Discussion. 

4. Aufstellung neuer Themata für die nächste Jahres 

Versammlung. 


Fest-Programm: 


Dienstag? 8. August, im Hotel Weidenhof: 

Nachmittags 4 Uhr Sitzung der Materia-medioa- 
Commission. 

Yon Abends 8 Uhr an: 

BogrQssnng im Hotel Weidenhof. 

Mittwoch, 9. August, Vormittags 8 Uhr, ebendaselbst: 
Geschäftliche Sitzung. 

Daran schliesst sich an: 


Donnerstag, 10. August, Yormittags 9 Uhr: 
Wissenschaftliche Sitzung ebendaselbst. 
Mittags 1 Uhr: Festessen im Speisesaale. 
Gegen 4 Uhr: Abfahrt nach Barmen mit der 
elektrischen Strassenbahn; daselbst mit 
Zahnradbahn nach dem Töllethurm. Kaffee. 
Spaziergang durch die Barmer Anlagen nach 
der StadthaUe. 

Abends Goncert. 


JA © 

•gl? 
S p 


Mittags 127 t Uhr: Frühstück daselbst. 
Nachmittags 2 3 / 4 Uhr: Abfahrt über Remscheid 
nach Station Scbaberg, von da nach Müng- 
sten, Kaiser-Wi lhelm-BrU cke. — Kaffee. 
Abends Rückfahrt. 


Absteige-Quartiere: Hotel Weidenhof, Hotel 
Post, Hotel Europäischer Hof, Hotel Yic- 
toria; alle in der Nähe des Bahnhofes. 
Zimmer vorher bestellen. 


Der Vorstand: 


Dr. Windelband-Berlin. Dr. Weber-Köln a. Rh. 


Dr. Rohowsky-Leipzig. 


Beobachtungen aus dem homöopathischen 
Krankenhause zu Leipzig. 

Von Dr. med. Stifft, Leipzig. 

Zor Behandlung der acuten Pneumonieen. 

I. 

Wenn wir von den unter dem Namen der 
Pneumonie verstandenen acut-entzündlichen Alveo¬ 
larinfiltrationen sprechen, so haben wir darunter, 
um vollständig zu sein, zu verstehen: die croupöse 
Pneumonie, die katarrhalische Pneumonie, die inter¬ 
stitielle und das erste Stadium der käsigen (tuber¬ 
kulösen) Pneumonie. Die beiden letzteren Formen 
scheide ich zunächst aus, die interstitielle Pneu¬ 
monie, weil sie von keinem klinischen Interesse 
ist und nur selten acut im Verlaufe einer croupö- 
sen oder katarrhalischen Pneumonie auftritt, die 
käsige Pneumonie, weil sie besser im Gesammtbilde 
der Lungentuberkulose besprochen wird. Zunächst 
einige Bemerkungen über croupöse Pneumonieen. 

Die croupöse Pneumonie verläuft nach meinen 
Beobachtungen unter drei verschiedenen Formen, 
die sowohl pathologisch-anatomisch nach Ausdehnung 
und Sitz, als auch, was besonders für die homöo¬ 
pathische Behandlung von Interesse ist, homöo¬ 
therapeutisch, nach ihrer Heilbarkeit durch unsere 
specifischen Mittel, untereinander gesondert sind. 

Die erste Form ist diejenige, wo durch den ent¬ 
zündlichen Process ein durch Percussion und Aus- 
eultation leicht diagnosticirbarer, mehr oder weniger 
grosser, compacter Infiltrationsbezirk gesetzt wird. 
Hinzu kommt: Acuter Beginn, kritischer Verlauf, 


typisches pneumonisches Sputum. Diese Form, das 
klassische, schulgerechte Bild der Pneumonie, gilt 
für die weitaus häufigste, aber vielleicht mit Un¬ 
recht ; wenigstens habe ich die nun zu besprechende 
zweite Form hier in Leipzig und in unserem Kranken¬ 
hause häufiger zu beobachten Gelegenheit gehabt. 

Diese zweite Form charakterisirt sich besonders 
dadurch, dass die entzündliche Infiltration, also die 
Localisirung der pneumonischen Infection, hinter 
[ andere Erscheinungen zurücktritt, weil sie weniger 
compakt, mehr diffus oder, ich möchte sagen, disse- 
| minirt auftritt, wie bei der käsigen (tuberkulösen) 
j Pneumonie. Ich schliesse natürlich hier diejenigen 
Fälle aus, wo der grosse Infiltrationsherd central 
liegt, und deshalb tagelang nicht diagnosticirt wer- 
| den kann. Der Beginn dieser Form ist nicht so 
acut, wie der der ersteren; die geringen Lungen¬ 
erscheinungen contrastiren mit der Höhe des Fiebers, 
der Unruhe und Prostration des Kranken, das Spu- 
I tum ist wenig, die ersten Tage oft gar nicht blutig. 
Der Temperaturabfall tritt meist ebenfalls kritisch 
ein; nicht selten aber beobachtet man ein wieder¬ 
holtes Ansteigen der Temperatur, ohne dass, wie 
bei den Wanderpneumonieen, ein deutliches Fort¬ 
schreiten des pneumonischen Processes auf andere 
Lungen-Abschnitte zu constatiren wäre, bis dem 
länger dauernden intermittirenden Charakter der 
Pneumonie durch eine endgültige Krise ein Ende 
gesetzt wird. Gerade in diesen Fällen habe ich 
auch mehrfach in den Vordergrund tretende Gehirn- 
Erscheinungen beobachtet, heftige Kopfschmerzen 
mit Unruhe und Delirien oder mit deutlich neural- 


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Berichtigungen. 




19 


gischem Charakter und markante Durchfälle. Tritt 
in diesen Fällen der Tod ein, so erfolgt derselbe 
oft unerwartet unter Deutlicherwerden der Infiltra¬ 
tionsbezirke, Dyspnoe, Herzschwäche und Lungen¬ 
ödem. 

Die dritte Form, die ich als „Eisenpneumonie tt 
bezeichnen möchte wegen der wunderbaren Heil¬ 
wirkung, die man hier durch „Eisen“ erzielt, ist 
wohl die seltenste, tritt aber zeitweise unzweifel¬ 
haft auch epidemisch auf, wie ich dies im Jahre 
1885 in Klein-Schneen, einem Dorfe bei Göttingen, 
beobachtet habe, und ist durch bestimmte Erschei¬ 
nungen wohl charakterisirt. Hier erkrankten in 
einer bestimmten Strasse binnen einer Woche vier 
Personen an derselben Form der Pneumonie, die 
ich im selben Sommer auch an anderen Orten mehr¬ 
fach beobachten konnte. Diese dritte Form charak¬ 
terisirt sich speciell durch ihren gewöhnlichen Sitz 
in den Oberlappen der Lungen , weshalb ich sie 
anfangs für acute Miliartuberkulose hielt. Sie tritt 
aber bei den kräftigsten Männern auf und heilt 
ohne jede Spur eines tuberkulösen Processes aus. 
Der Sitz der Erkrankung lässt sich sehr bald durch 
Auscultation und Percussion nachweisen uud charak¬ 
terisirt die Erkrankung als croupöse Pneumonie; 
sie nimmt oft den ganzen Oberlappen ein. Bei 
tuberkulös-bronchopneumoni8chen Spitzenaffectionen, 
mit denen diese Form der croupösen Pneumonie 
leicht verwechselt werden kann, habe ich diesen 
physikalischen Befund nie beobachtet. Es kommen 
aber auch Fälle vor, wie der später diesbezüglich 
angeführte, wo der Unterlappen einer Lunge er¬ 
griffen ist; doch ist dies nach meiner Beobachtung 
weit seltener. Sie beginnt mit Schüttelfrost, ver¬ 
läuft mit hohem Fieber, grosser Prostration, starken 
Schweissen , die nicht kritisch sind, und hochgradiger 
Schlaflosigkeit, aber mit geringen Schmerzen. Häufig 
werden bei dieser Form charakteristische Delirien 
beobachtet, vielleicht weil sie besonders gern Per- 
souen betrifft, die mehr oder weniger Alkoholisten 
sind und deren durch Alkoholgenuss beeinflusstes 
Blut ganz besonders zum Auftreten dieser Form 
der Pneumonie disponirt macht. In einem Falle 
sah ich die ganze Krankheit unter dem Bilde des 
Delirium tremens verlaufen. Das Sputum ist fast 
rein blutig , entweder in Klümpchen oder dünn¬ 
flüssig erscheinend, und hellroth. Ferrum aceticum 
Rademacheri wirkt hier specifisch und führt rasch 
einen kritischen Temperatur-Abfall herbei, während 
bei andersartiger Behandlung — ich gab früher 
Chinin oder Natr. salicylicum — der Verlauf länger 
und gefährlich wird. Hier im homöopathischen 
Krankenhause habe ich diese Form .drei Mal be¬ 
obachtet. Die gewöhnlich indicirten homöopathi¬ 
schen Mittel wirkten nicht, — Ferrum prompt. 

Was die von uns eingeschlagene Therapie an¬ 


geht, so war dieselbe je nach der Form und dem 
Stadium, in dem die Entzündung in Behandlung 
kam, eine verschiedene. Wenn wir auch leider nur 
über eine so geringe Zahl von acuten croupösen 
Pneumonieen verfügen, dass ich mir nicht erlauben 
darf, daraufhin ein massgebendes Urtheil für die 
Behandlung zu gründen, — in den Jahren 1800 
bis 1899 wurden behandelt: 2 Fälle der ersten 
Form, 3 Fälle der zweiten Form, 3 Fälle der 
dritten Form,— so ergab doch die klinische Beobach¬ 
tung, dass bei der eingeschlagenen Therapie der 
Verlauf ein relativ leichter, die Krankheitsdauer 
eine kurze war; nur 1 Fall, hereditär tuberkulös, 
endete durch schwere Hämoptoe. 

Für die erste Form der croupösen Erkrankung, 
speciell in ihrem ersten Stadium, besitzen wir in unserem 
Arzneischatze ein Mittel, bei dessen Anwendung man 
kaum einem Widerspruche begegnen dürfte — den 
Aconit . Sowohl die Ergebnisse der physiologischen 
Prüfung wie auch diejenigen der toxikologischen For¬ 
schung ergeben das unzweifelhafte Bild der Lungen- 
Hyperämie mit ihren Begleiterscheinungen, von den 
geringsten Anfängen bis zur vollkommensten Ausbil¬ 
dung. Hiermit hört aber auch die Aehnlichkeit 
der Aconitwirkung mit dem in Frage stehenden 
pathologischen Entzündungsprocesse auf, d. h. also, 
mit dem Beginn der rothen Hepatisation, denn noch 
Niemand hat meines Wissens eine derartige ent¬ 
zündliche Infiltration als Folge einer Aconit-Ver¬ 
giftung nachgewiesen. Kamen bis zu diesem Zeit¬ 
punkte heftige Pleurodynieen — bei oberflächlich 
gelegenem Entzünduugsprocess — vor, so habe ich, 
offen gestanden, von Bryonia niemals eclatantere 
Wirkung gesehen, wohl aber von der Eisblase, 
einem Priessnitz oder im Nothfalle einer Morphium- 
Einspritzung; anders verhielt es sich, wenn sich 
zu dem pneumonischen ein pleuritischer Entzün- 
dungsprocess hinzugesellte. 

In den weiteren Stadien der Pneumonie waren es 
vorzugsweise zwei Mittel, welche von entschiedener 
Wirkung zu sein schienen, Phosphor und Tartarus 
stibiatus, — ich sage absichtlich „zu sein schienen“, 
denn bei der geringen Beobachtungszahl und dem 
häufig ohne alles Zuthuu günstigen Verlauf der Pneu¬ 
monieen halte ich mich nicht für berechtigt, von einer 
sicheren Wirkung zu sprechen. Phosphor schien 
mir dann besonders zu passen, wenn nach Ablauf 
der stürmischen Erscheinungen das Exsudat nicht 
zur Resorption kommen, das Fieber noch nicht 
weichen wollte und der Appetit stark darnieder 
lag, d. h. also da, wo die Metamorphose und Auf¬ 
saugung des gesetzten Infiltrates nicht vorwärts¬ 
schreiten wollte. Ich erinnere mich eines im Jahre 
1889 behandelten Falles, wo nach einer Pleuropneumo¬ 
nie ein hohes Exsudat zurückgeblieben und der untere 
Lappen der rechten Lunge vollständig atelektatiscb 

8 * 


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geworden war. Der betreffende Kranke, ein aus¬ 
wärtiger Landwirth, wurde als schwindsüchtig uns 
zugewiesen. Hier trat auf Phosphor eine so stür¬ 
mische Reaction ein, dass die Resorption unter 
reichlichem fibrinösen, mit hellrothem Blut gemeng¬ 
ten Auswurf erfolgte, aber ganz fieberlos. Nach 
acht Tagen waren Exsudat und Atelektase ge¬ 
schwunden, die Lunge vollkommen normal und der 
Kranke gesund. Derselbe blieb noch mindestens 
1 Jahr in Beobachtung und war dann wieder stark 
und kräftig wie zuvor. Besonders aber bewährte 
sich der Phosphor in der von mir als zweite Form 
bezeichneten croupösen Affection, wie ich schon 
vorweg erwähnen will. Tartarus slibiatus gab ich 
besonders dann, wenn sich zur Einschmelzung des 
Exsudates stärkere bronchitische Erscheinungen bei 
tympanitischem Percussionston hinzugesellten. — 
Was die zweite Form, unter der die croupös-pneu- 
monische Entzündung auftreten kann, anlangt, so 
habe ich dieselbe sowohl im Krankenhause als auch 
in der Privatpraxis häufiger auftreten sehen. Sie 
charakterisirt sich besonders, wie schon gesagt, 
durch weniger stürmischen Eintritt, Zurücktreten 
der eigentlich pneumonischen Erscheinungen und 
weniger typischen Verlauf. Das Mittel, welches 
mir hier das homöopathisch-therapeutisch richtigste 
und wirksamste zu sein scheint, ist der Phosphor. 
Vielleicht sind es gerade diese Fälle gewesen, die 
seiner Zeit Fleischmann zu dem entschiedensten 
Fürsprecher dieses Mittels machten und zu dem 
Ausspruch veranlassten, dass eine Pneumonie, die 
nicht durch Phosphor zu heilen sei, überhaupt 
homöopathisch nicht geheilt werden könnte. Sorge 
schränkte die Anwendbarkeit des Phosphor in der 
Pneumonie nach dem Aehnlichkeitsgesetze schon 
wesentlich ein Da wir aber nirgends eine so vollstän¬ 
dige Uebereinstimmung in Arzneisymptomatologie 
und Pathologie finden können, wie es ja so sehr 
wünschenswerth wäre, so muss meines Erachtens 
die Empfehlung eines Mittels für die Praxis neben 
der theoretischen Calkulation ganz wesentlich ge¬ 
stützt sein auf die praktische und klinische Be¬ 
obachtung. (Schluss folgt.) 

Die Arzneibehandlung der Tuberkulose. 

Von Prof. Dr. Hugo Schulz. 

Sonderabdruck aus der „Deutschen Medicinischen 
Wochenschrift“ 1899, No. 21. 

(Schluss.) 

Das bekannte Verhalten der sogen. Aethereo- 
Oleosa, Ozon bildend wirken zu können, lässt 
sich unmittelbar auch nicht zu einer Erklärung i 
ihres ebenso häufigen, wie berechtigten Gebrauches 
heranziehen. Wir wissen von ihnen, dass sie die 


secretorischen Functionen der Schleimhäute deut¬ 
lich ändern, dass sie schmerz- und hustenlindernd 
wirken. Neben dem, immer nur mit Vorsicht brauch¬ 
baren, Terpentinöl steht das Eukalyptusöl als ein 
bedeutungsvoller Repräsentant dieser ganzen Gruppe 
da. Auch hier stehen mir eigene Beobachtungen 
zu Gebote, um ein solches Urtheil abgeben zu 
können. Abgesehen von diesen beiden spielen Ab¬ 
kochungen und andere Präparate pflanzlicher Her¬ 
kunft, die mehr oder weniger reich sind an flüch¬ 
tigen Oelen, ihre Rolle in der ärztlichen und der 
volksthümlichen Behandlung der Lungentuberkulose. 
Es würde auch hier wieder eine stattliche Reihe 
von Pflanzennamen sich aufführen lassen, aber der 
Raum macht seine einschränkenden Anforderungen 
geltend. Nur noch des vielgebrauchten Anisöles 
und des aus ihm hergestellten Liquor Ammonii ani- 
satus sei gedacht. Auch die eigenthümlichen harz¬ 
artigen Verbindungen, die Myrrhe, das Ammoniacum, 
ja selbst die Asa foetida rechnen hierin und haben 
ihre Verwendung gefunden. 

Die sogen. Balsame , insbesondere der Peru- 
balsam, fordern noch eine besondere Berücksich- 
I tigung. Man wusste lange, dass namentlich der 
erstgenannte sehr brauchbar sei gegen eitrige Secret- 
bildung auf Schleimhäuten, namentlich des Bron¬ 
chialbaumes. Den wesentlichen Bestandtheil des 
Perubalsams bildet die Zimmtsäure. Sie ausgiebig 
geprüft zu haben und an Stelle des unhandlichen 
Rohproductes die reine Säure und ihr leicht lös¬ 
liches Natronsalz in die Therapie eingeführt zu 
haben, ist das Verdienst Lander er’s. Seine Arbeiten 
und Beobachtungen geben der Hoffnung Raum, dass 
dieser Zweig arzneilicher Behandlung der Tuber¬ 
kulose bestimmt ist, Blüthen und Früchte zu zei¬ 
tigen und für die Therapie einen Beitrag zu liefern, 
dessen sich Arzt und Patient in gleicher Weise er¬ 
freuen dürfen. 

Als in den ersten Decennien unseres Jahr- 
I hunderts Reichenbach die Stoffe bekannt machte, 
die er aus dem Theet • isolirt und mit zum Theil 
I recht bizarren Namen belegt hatte, ging die ärzt- 
| liehe Welt daran, die neuen Körper für die Praxis 
durchzuprüfen. So empfahl denn Rampold das 
I Kreosot zur Behandlung der Phthisis pulmonum, 
j Er gab es innerlich zu einige* Tropfen in Wasser: 

! „wo ein Zustand von schnellem Zerfliessen der 
Tuberkelmasse eintritt, so dass ohne sehr weit ver- 
j breitete Ablagerung von Tuberkeln schnell ein Ver- 
j zehren des thierischen Stoffes und Bildung von 
Eiterhöhlen entsteht, wobei zugleich Atonie das 
Vorherrschende und nichts von sthenisch entzünd¬ 
lichem Zustande vorhanden ist“ (Hecker). Man 
hatte schon früher Producte der trockenen Destil¬ 
lation, besonders das Oleum animale foetidum, dann 



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Steinöl benutzt, aber die Reichenbach’schen Ent¬ 
deckungen führten weiter, und so haben wir heute, 
dank den Fortschritten der Chemie, noch andere 
Verbindungen zur Verfügung, die eine sichere und 
handlichere Verwendung ermöglichen. Besonders 
zu erwähnen ist hier neben dem mehr in den 
Hintergrund getretenen Kreosot das Guajakol, das 
zum Ausgangspunkt einer grösseren Reihe neuer 
Präparate gedient hat. Vieles darunter ist in erster 
Linie hervorragend durch einen schönen Namen. 
Der denkende Arzt wird sich dadurch nicht blenden 
lassen. Das Einfachste ist immer das Beste, und 
es führt überall weiter, einige wenige Präpaiate 
auf ihre Leistungsfähigkeit bin genau durchzuarbeiten 
und zu kennen, als durch stetes Abspringen auf 
etwas Neues am letzten Ende weiter nichts zu för¬ 
dern, wie die Höhe der Dividenden von Actien- 
gesellschaften. 

Es sind übrigens nicht allein die zusammen¬ 
gesetzteren Verbindungen dieser ganzen grossen 
Gruppe arzneilich benutzt worden. Mit dem Aceton 
sind schon in den fünfziger Jahren Versuche an¬ 
gestellt, ja selbst der letzte Rückstand aller trocke¬ 
nen Destillation, die Kohle, hat ihre Lobredner 
gefunden. 

Unwesentlich ist der Gebrauch der Alkaloide 
zur allgemeinen Behandlung der Lungentuberkulose 
Ausser dem oben schon erwähnten Coniin, beziehent¬ 
lich der Coniumtinctur, sind Aconit und Colchicum 
einmal empfohlen und bald wieder vergessen worden. 
Dem Piperidin ist es nicht besser gegangen. 

Den Schluss dieses ganzen Abschnittes mögen 
die Präparate bilden, von deren innerem Aufbau 
und, offen gestanden, auch deren eigentlicher Wir¬ 
kungsart wir noch gar nichts wissen. Es rechnen 
hierin die eigenthümlichen Substanzen, die, als der 
Lebensthätigkeit der für die Phthise am letzten 
Ende verantwortlich gemachten Mikroorganismen 
entsprossen, angesehen werden. Es sind das ins¬ 
besondere das sogen. Tuberkulin in seinen ver¬ 
schiedenen Arten, dann das aus dem Tuberkulin 
durch Behandlung mit Wasserstoffsuperoxyd be¬ 
reitete Oxytuberkulin und* endlich das Oxysepsin. 
Es ist hier nicht der Oit,**uf diese Producte der 
Neuzeit näher einzugehen. fcfeir den Pharmakologen 
hat der Umstand, dass maft' so gar wenig über 
ihren inneren Aufbau und da» v eigentlich in ihnen 
wirkende Princip weiss, etwas Unbequemes. Das¬ 
selbe gilt in noch ausgesprochenerer Weise für die 
allerneueste Behandlung der Tuberkulose mit Lungen¬ 
substanz, dem, wenn ich nicht irre, von Brune st 
empfohlenen Glycerinauszug aus dem Lungengewebe. 
Diese, den Bestrebungen auf dem modernen Ge¬ 
biete der Organsaft- oder, wie sie heute ge¬ 
nannt wird, der Opotherapie entsprossene Behand¬ 
lungsmethode erinnert an die altehrwürdige Ver¬ 


wendung der Fuchslunge, Pulmo vulpis, zum gleichen 
Zwecke. 

Wir wären damit zum zweiten Theil unserer 
Aufgabe gelangt und hätten demgemäss die arznei¬ 
lichen Behandlungsformen der bei der Tuberkulose 
vorzüglich in Betracht kommenden Einzelsymptome 
nunmehr zu besprechen. Die Anomalieen der Se- 
cretion, wie sie die Tuberkulose in ihrem Anfang 
und der weiteren Entwickelung zeitigt, sind schon 
sehr früh Gegenstand der Pharmakotherapie ge¬ 
wesen. Die ältesten Repräsentanten auf diesem 
Gebiete sind die Emctica. Ihnen, speciell dem 
Antimon, begegnen wir schon in der klassischen 
Zeit, jüngeren Datums ist die Ipecacuanha. Ihnen 
schlossen sich an das kohlensaure Natron und bc 
sonders das Kochsalz. Beide kommen wesentlich 
in Betracht bei dem kurgemässen Gebrauche der 
Quellen, deren hervorragenden Bestandteil sie bilden. 
Ebenso gehört hierin der Salmiak, der zu Anfang 
unseres Jahrhunderts sogar zur Abfassung beson¬ 
derer Monographieen Veranlassung gegeben hat. 
Es ist von höchstem Interesse, dass die sogenannte 
schleimlösende Wirkung der letztgenannten Mittel 
schon vor 100 Jahren von dem Hallenser Pharma¬ 
kologen Carl Gren auf ihren letzten Grund hin 
erkannt ist. Gren sagt in seinem, 1798 erschie¬ 
nenen „System der Pharmakologie“ von den so¬ 
genannten Resolventien, insbesondere den alkalischen 
Salzen: „Diese Dinge verrichten ihre arzneyliehe 
Wirkung auf andere Weise, als dass sie Menstrua 
für zu zähe, pituitöse Säfte beiiq inneren Gebrauche 
abgeben sollten. Sie sind dies nicht einmal ausser 
dem Körper, wie eine genaue chemische Unter¬ 
suchung lehrt, und schon der Umstand, dass jene 
Substanzen in der geringen Masse, als man sie an¬ 
wendet, so allgemeine auflösende Kräfte für die Masse 
der Säfte äussern sollten, hätte zu einer näheren 
Kritik jener Meynung führen sollen. Die widernatür¬ 
lich dicke Consistenz der aus einem Secretionswerk- 
zeuge abgesonderten Flüssigkeit ist kein Zeichen 
von zu dicker Beschaffenheit der Säfte, welche dem 
Absonderungsorgane zugeführt werden. — Die ver¬ 
änderte Consistenz der abgesonderten Flüssigkeit 
zeigt vielmehr veränderte Thätigkeit in dem Ab¬ 
sonderungsorgane selbst, und folglich eine ab¬ 
geänderte Beschaffenheit desselben an, die eigent¬ 
lich gehoben werden muss, wenn das dadurch er¬ 
zeugte Product widernatürlich ist.“ Wie oft hören 
wir heute noch die Meinung ausgesprochen, dass 
die Alkalien gerade wegen ihrer alkalischen Be¬ 
schaffenheit befähigt seien, unmittelbar schleim¬ 
lösend zu wirken! Auch die, ebenfalls vorher schon 
genannten, Aethereo-Oleosa spielen eine wesentliche 
Rolle bei der Therapie der perversen Secretion der 
Bronchialschleimhaut. Erwähnt sei endlich noch 
der Gebrauch der Benzoe wie auch der Senega, 


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die heute wohl kaum noch eine wesentliche Rolle, i 
speciell bei ausgesprochener Lungenphthise, spielen. * 

In hohem Grade beängstigend wirkt es auf den 
Phthisiker, wenn er in seinem Sputum die Folgen 
beginnender Alteration der Lungengefasse bemerkt, 
wenn er Blut spuckt, wie der landläufige Ausdruck 
lautet. Und diese Angst steigert sich zum höchsten 
Grade, wenn es sich um eine eigentliche Hämoptoe, 
einen Blutsturz handelt. Zahlreich sind die Mittel, 
die gegen die Hämoptyse angegeben wurden. Die 
unorganischen, sogenannten Adstringontien, beson¬ 
ders Blei und Alaun, dann für schwere Fälle das 
Eisenchlorid sind im Gebrauche. An ihre Seite 
treten die pflanzlichen Präparate, die sich durch 
einen besonderen Gehalt an Tannin auszeichnen, 
wie auch dieses selbst. Wir finden in der älteren 
Literatur Mittheilungen, dass Blutspeier geheilt 
wurden durch lange fortgesetzten Aufenthalt in einer 
Lohmühle, deren Atmosphäre mit den feinen, gerb¬ 
säurehaltigen Staubtheilchen durchsetzt war. Dann 
sind zu nennen einzelne Säuren, besonders wieder 
die Phosphorsäure und die Schwefelsäure. Diese 
ist in neuerer Zeit wieder sehr empfohlen worden, 
auch in Gestalt ihres Natronsalzes in kleinen Dosen 
fortgesetzt zu nehmen Nicht zu übersehen ist der 
Gebrauch des Kochsalzes bei stärkeren Blutungen 
Sollte in ihm, wie im Liquor Ferri sesquichlorati 
nicht der Chlorcomponent eine besondere Rolle 
spielen? Von pflanzlichen Droguen ist besonders 
zu erwähnen das Secale für acute, stärkere, sowie 
die Digitalis bei den mehr chronisch sich zeigen¬ 
den, geringfügigen Blutungen. Es existirt noch 
eine grössere Zahl gegen Lungenblutungen ge¬ 
bräuchlicher Mittel, von denen erwähnt sein mögen 
die Wurzel der Baumwollenstaude, die Hydrastis, 
die aus Mexiko eingeführte Commelina tuberosa. 
Als Volksmittel dienen die Schafgarbe, die Blüthen 
der Königskerze, Wollblumen genannt, dann ferner 
der rothe Weiderich, Lythrum salicaria, der Bein¬ 
well, Symphytum officinale, die ehemals als Radix 
dentariae officinellen Wurzeln einer Plumbagoart 
und endlich die Bellis perennis, das bekannte Maass¬ 
liebchen. Harze, insbesondere Mastix und Weih¬ 
rauch, gaben die Alten gegen Lungenblutungen 
auch der Zimmt kommt in ihrem Thesaurus medi- 
caminum vor. Mit den bisher aufgeführten Prä¬ 
paraten und Droguen ist auch diese Reihe selbst¬ 
verständlich in keiner Weise erschöpft. Eine Auf¬ 
zählung aller zur Behandlung der verschiedenen 
Krankheitsbilder, die die Tuberkulose zeitigt, em¬ 
pfohlener und angewandter Mittel würde Buchform 
annehmen. 

Die Schiceisse, von den Alten mit Recht als 
colliquative bezeichnet, die, anstatt den Kranken 
zu kräftigen und als wohlthuende, kritische Phäno¬ 
mene schätzbar, den Zerfall des ergriffenen Orga¬ 


nismus geradezu befördern, sind selbstverständlich 
ebenfalls Gegenstand der Therapie geworden. Die 
Anzahl der hierher gehörenden Mittel ist, im Ver¬ 
gleich zu den bisher besprochenen, nur gering. 
Die neueste Zeit hat auf diesem Gebiete das essig¬ 
saure Thallium, die Chloralose und die Campher- 
säure, sowie das aus der Cotorinde stammende 
Cotoin uns bescheert. Aeltercn Datums ist der 
Gebrauch des Atropins und des Alkohols in Form 
von Cognak oder dergleichen. Beide, das Alkaloid 
und das Universalgenussmittel zeigen schon beim 
gesunden Menschen eine ganz typische Wirkung 
auf die Gefässe der Haut und damit auch auf die 
von ihnen ernährten weiteren Hautbestandtheile. 
Und so sehen wir sie denn beim Phthisiker ihren 
anregenden Einfluss auf das im Kampfe mit der 
Krankheit erlahmende Gewebe der Haut und ins¬ 
besondere auf die in sie eingebetteten Schweiss- 
drüsen ausüben. Die Anregung kann selbstver¬ 
ständlich nur so lange Vorhalten, als das erregte 
Gewebe noch reactionsfähig ist. Einmal ist es da¬ 
mit zu Ende und die Hilfe, die der Arzneireiz 
bringen soll, muss illusorisch werden. Alte Volks¬ 
mittel sind der Lärchenschwamm und die Salbei. 
Ersterer scheint ein unzuverlässiger Vertreter der 
ihm gestellten Aufgabe zu sein, das aus ihm her- 
gestellte Agaricin kann sogar direct schädlich wirken. 
Die Salbei ist, abgesehen von der durch keinen 
irgend in Betracht kommenden Preis überall mög¬ 
lichen Anwendung, absolut unschädlich und leistet 
dabei gleichwohl gerade bei den Schweissen der 
Phthisiker oft recht erhebliche Dienste. Ihr äthe¬ 
risches Oel wirkt sehweisserregend bei Gesunden, 
die geringen, ira Salbeithee vorhandenen Quanti¬ 
täten desselben genügen, als wirkungsvolle Erreger 
die pathologisch arbeitenden Schweissdrüsen zu be¬ 
einflussen. 

Hat das Tuberkulosegift den Darm ergriffen 
und seine Functionen zu vernichten begonnen, dann 
treten als weiteres, den Organismus schwächendes 
Moment die Durchfälle ein. Wir besitzen eigent¬ 
lich bis jetzt kein Mittel, sie andauernd und mit 
Erfolg zu bekämpfen. Wismuthpräparate, Opium, 
die oben schon erwähnten Adstringentien, dann die 
Colombowurzel sind mit wechselndem aber selbst¬ 
verständlich niemals dauerndem Erfolg gegeben 
worden. Die Durchfälle sind das Symptom einer 
mit tödtlicher Sicherheit weiter schreitenden Alte¬ 
ration der anatomischen Beschaffenheit und physio¬ 
logischen Arbeitsleistung des Darmrohres. Kein 
Arzneimittel der Welt ist im Stande, zerstörtes Ge¬ 
webe wieder herzustellen. Und so wird die Thera¬ 
pie der Phthisikerdurchfelle immer nur eine zeit¬ 
weilige, symptomatische sein können, ebenso wie 
die so mancher anderen Begleiterscheinung der 
Tuberkulose. Alle diese verschiedenen Symptome 


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23 


haben das Ueble an sich, erst recht deutlich zu 
werden, wenn der Krankheitsprocess schon über 
ein bestimmtes Maass hinaus gediehen, der Organis¬ 
mus selbst schon erheblich reducirt worden ist. 
Dann hört es eben auf mit einer Therapie, die 
eine völlige Wiederherstellung ermöglichen möchte. 
Contra vim mortis nulla herba in hortis! 

Es ist noch nicht gar lange her, seitdem die 
Therapie zur Erkenntnis gekommen ist, dass im 
ausschliesslichen oder doch fast ausschliesslichen 
Suchen und Gebrauchen von solchen Mitteln, die 
die fieberhaft gesteigerte Temperatur herabmildern 
können, nicht die Hauptaufgabe der arzneilichen 
Behandlung liege. Wie viele dieser sogenannten 
Antipyretica sind nicht aufgetreten und wieder ver¬ 
schwunden! Gerade das Misslingen der antipyre¬ 
tischen Behandlung der Febris hectica ist ein deut¬ 
licher Beweis dafür, wie ohnmächtig eine Therapie 
dasteht, die die Bekämpfung eines einzigen Sym¬ 
ptoms einer Krankheitsform sich zur Aufgabe stellt, 
die den ganzen Organismus in schwerste Mitleiden¬ 
schaft zieht. Wie man in jener Epoche das Fieber 
zu behandeln pflegte, das dem Tuberkulösen so 
sicher ist wie nur etwas, davon macht man sich 
heute oft kaum eine Vorstellung mehr. Chinin, 
Salicylsäure, Natriumbenzoat waren die ersten Prä¬ 
parate, die angewandt wurden. Ihnen ist dann 
eine ganze Schaar anderer gefolgt. Sie wirkten 
wohl, man konnte das Fieber wohl nieder zwingen. 
Aber es kam wieder, und es ist eine naheliegende 
Frage, ob das andauernde Operiren mit schliesslich 
doch nicht gerade gleichgültigen Stoffen am Ende 
nicht mehr geschadet wie genutzt hat. Sogar der 
Alkohol hat in dieser Hinsicht einen dauernden 
Standpunkt sich nicht erobern können. Die Hoff¬ 
nung, dass seine innere Anwendung nebenher auch 
noch den Vorth eil habe, materialersparend für den 
in übernatürlicher Verbrennung stehenden Organis¬ 
mus wirken zu können, und dass seine leichte Ver¬ 
brennbarkeit das Körpereiweiss zu schonen berufen 
sein möchte, ist nach den neuesten Arbeiten auf 
diesem- Gebiete, besonders denen von R. Rose¬ 
mann, mindestens nicht mehr als sicher stehend 
zu betrachten. 

Wir kommen zum Schlüsse. Wenn der Arzt 
einsehen muss, dass sein ernstestes Mühen vergeb¬ 
lich ist, dass die Krankheit ihren Weg unerbittlich 
weiterschreitet, dann bleibt ihm immer noch eine 
Aufgabe, die von jeher eine der höchsten in der 
Therapie unheilbarer Krankheiten gewesen ist: das 
Lindern des Schmerzes, Der quälende Husten, der 
dem Phthisiker die Ruhe raubt, die mit ihm ver¬ 
bundenen Schmerzgefühle, die gemeinschaftlich die 
Nächte des Kranken zur Pein werden lassen und 
den letzten Rest von Lebenshoffnung vernichten 
wollen, lassen sich beseitigen oder doch herab¬ 


mildern. Freilich auch nur für eine bestimmte Zeit, 
aber jede schmerzfreie Stunde ist ein Gewinn. 
Die gebräuchlichen, milderen und eingreifenderen 
Hautreizmittel, die ableitend wirken sollen, lassen 
in der Regel bald im Stiche. Auch der Gebrauch 
der wegen ihres Schleimgehaltes oder aus anderen 
Gründen beliebten pflanzlichen Präparate, des Eibisch, 
des Huflattig, und ähnlicher, hält nicht lange vor. 
Res ad triarios venit, die Narkotika müssen den 
ungleichen Kampf aufnehmen. Da haben wir, ab¬ 
gesehen von den auch hier wieder uns begegnen¬ 
den, aber auf die Dauer nicht nachhaltig genug 
wirkenden Aetliereo-Oleosis zunächst die narko¬ 
tischen Eigenschaften der Blausäure zu erwähnen. 
Dies furchtbare Gift wird in genügender Verdünnung 
zu einem Wohlthäter des Kranken. An die Stelle 
der alten Aqua Laurocerasi ist heute das Bitter¬ 
mandelwasser getreten. Freilich giebt unsere alkaloid¬ 
frohe Zeit, die durch die rasche Wirkung der iso- 
lirten Principien gewisser Pflanzen verwöhnt ist, 
dasselbe in der Regel gleich von vornherein mit 
Morphin gepaart. Aber es heisst beim Phthisiker 
in einem gewissen Stadium vor allen Dingen: Zeit 
gewinnen, und je länger man den Patienten ohne 
die sogenannten Heroica beruhigen kann, um so 
besser ist es für ihn. Es kommt doch einmal der 
Augenblick, wo man ohne sie nicht mehr aus- 
kommen kann. Sie für das Letzte aufzusparen und 
die durch den fortgesetzten Gebrauch unvermeid¬ 
liche Gewöhnung an ihre Wirkung so lange hinaus¬ 
zuziehen, wie es irgend angeht, ist auch eine Kunst. 
Dann bleiben uns das Opium, das Morphin, die 
Datura, der Hyoscyamus und die vielen organischen 
Verbindungen, die als schlafmachend und schmerz¬ 
lindernd gepriesen werden. Dann ist jedes Mittel 
am Platze, vorausgesetzt, dass es hilft. Und dann 
kommt das Ende, sicher und unerbittlich, und die 
arzneiliche Therapie der Tuberkulose steht am 
Ende ihres Könnens. Dass sie in der Hand des 
Arztes gleichwohl eine mächtige Waffe ist, weiss 
jeder, der im Kampfe mit der Tuberkulose ge¬ 
standen hat und steht. Ueber ein gewisses Maass 
kann sie ebenso wenig hinaus wie jede andere Art 
der Therapie überhaupt. Aber innerhalb ihrer 
Grenzen vermag sie, zweckentsprechend geleitet 
und nicht nur einem einmal beliebten Schema fol¬ 
gend, Erhebliches zu leisten. Auch die arzneiliche 
Therapie der Lungentuberkulose hat ihre Ideale! 


Präludienklänge zur Versammlung 
in Elberfeld. 

Entsetzt ruft der etwaige Leser: Schon wieder 
soweit. Es fallt ihm vielleicht auf die Seele und 
wieder in das Gedächtniss, was er alles für diesen 


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Termin sich für seine geliebte Homöopathie zu 
leisten vorgenommen hatte. 

Da es nun so schwer ist, gemeinsame Maass- 
regeln trotz der Kleinheit unsers Lagers zur Aus¬ 
führung zu bringen und erfahrungsgemäss auf 
unsern Tagungen der bellum civile auf Kosten der 
Bestrebungen fürs gemeine Wohl einen unge¬ 
messenen Raum einzunehmen pflegt, so seien schon 
heute einige bezügliche Punkte zur Sprache ge¬ 
bracht. 

Die allgemeinen Wünsche für einen regen Be¬ 
such, für eine rege Werbetätigkeit unter den 
homöopathischen Collegen und Anderes mehr wird 
unzweifelhaft die Redaction in bekannter berufen¬ 
ster Weise zum Ausdruck bringen; hier seien einige 
Specifica erörtert. 

Zunächst ist es dringend erwünscht, dass alle 
Collegen der Theilnahme an der Commissions¬ 
sitzung am 8. August ein reges Interesse entgegen¬ 
bringen, dass ein jeder Verein vertreten ist. Denn 
hier werden die Berichte und Anträge für die 
Hauptversammlungen vorbereitet betreffs der Neuen 
Arzneimittellehre, der Propaganda, der Prüfungen 
und weitern Anregungen. 

Wer dazu etwas mitbringt, für den ist dies der 
Tag und die Stunde. Jeder aber wird unsere ge¬ 
meinsamen Ziele und Bestrebungen mit wärmerem 
Blicke ansehen, sich in dieselben mehr einleben, 
wenn er sich an diesen eingehenderen Vorarbeiten 
betheiligt. Das ist um so zweckmässiger, weil, wie 
eben betont, die unerquicklichen Discussionen be¬ 
kannter Art einen so breiten Raum einnehmen, dass 
z. B. in Salzburg ein grosser Theil der wahrlich 
mühsam genug zusammengebrachten wissenschaft¬ 
lichen Beiträge nicht mehr zur Erledigung kommen 
konnte. Wie wenig das zur Hebung des Central¬ 
vereins beiträgt, ergab die Entrüstung der wacke¬ 
ren Autoren, die sie dem Unterzeichneten gegen¬ 
über Luft machten. Sie haben ihre Sachen wieder 
mit nach Hause genommen, wo sie noch liegen. 
Dann äusserte ein älterer College in unserm letz¬ 
ten Ferienkurs, der aufmerksam unsere Zeitungen 
liest, er gehe in einen solchen streitenden Verein 
nicht hinein. — Es ist geradezu eine Lebensfrage, 
dass, soweit solche Verhandlungen überhaupt noth- 
wendig sind, sie auf das sachlich geringste Maass 
beschränkt werden. 

Die angenehmen Nachrichten bezüglich der 
Arzneimittellehre und der Propaganda, die Aende- 
rungen und Anträge in dem Betrieb der Prüfungen 
seien Elberfeld ausschliesslich Vorbehalten; über die 
Propaganda aber sei hier im Voraus auf frischer 
That eine Bemerkung gemacht: Abgesehen von 
einigen Stilübungen geringerer Art, zeitigte die 
Polemik unserer Gegner besonders zwei Blüthen: 
die von Herrn Samuel und von Herrn Metters¬ 


hausen , die in diesen Blättern erwähnt worden 
sind. Die beiden für uns günstigem Werke waren 
das von Herrn Schulz, ganz dem homöopathischen 
Standpunkt entsprechend, das von Herrn Behring, 
der That aber nicht der Absicht nach, wie eben¬ 
falls hier besprochen. 

Nun ist im vorigen Jahre in Salzburg be¬ 
schlossen: es wird einer, für dieses Jahr war es 
Herr Villers, die ganzen Leistungen sammeln, da¬ 
raus einen Artikel machen, denselben in einem 
unserer Blätter abdrucken und in billigen Sonder¬ 
abzügen mit der Werbeschrift zusammen im näch¬ 
sten Jahre an einen Theil der allopathischen 
Collegen senden. Derselbe wird uns nun in Elber¬ 
feld seine, wofür schon der Name bürgt, vorzüg¬ 
liche Arbeit vorlegen. 

Nun haben einzelne Collegen, wie Herr Grüne¬ 
wald, Frankfurt a. M., Herr Schwarz, Branden¬ 
burg, in kurzen Artikeln in der politischen Presse 
einzelne kleinere Schädlinge besorgt, was, wie die 
Schriftleitung schon hervorhob, sehr dankenswerth 
ist, da der Apparat des Centralvereins zur Abwehr 
solcher Tagesleistungen viel zu langsam arbeitet. 

In den letzten Tagen ist eine ausgezeichnete 
Widerlegung des Pamphlets des Herrn Wetters¬ 
hausen von Herrn Schlegel erschienen. Schade, 
dass die Kenntniss derselben sich auf die homöo¬ 
pathischen Kreise beschränken muss, da der Herr 
Verfasser leider nicht den eben erwähnten Weg 
zur Veröffentlichung beschritten hat, der allein es 
ermöglicht, solche Abwehrartikel denjenigen mit- 
zutheilen, für die sie bestimmt sind. 

Möge derselbe und alle die Herren, die eine 
solche Lanze für unsere Sache brechen wollen, 
künftig nach Möglichkeit letzteren wählen. Sonst 
scheitert die beabsichtigte Wirkung. 

Ira Uebrigen auf Wiedersehen in Elberfeld. 

* * * 

Wegen des für dort gewählten klinischen Themas 
und im Anschluss an die vor einiger Zeit in diesen 
Spalten geschilderten beiden Ileus-Fälle, die mit 
Erfolg mit Lufteinblasungen behandelt worden, 
folge hierunter ein dritter derartiger 

Ileus-Fall. 

Mädchen von 15 Jahren. Früher verschiedene 
Male an leichten Blinddarm - Entzündungen be¬ 
handelt, war seit einem Jahr frei von allen Be¬ 
schwerden mit Ausnahme einer sehr hartnäckigen 
Verstopfung, die täglich mit Klystieren bekämpft 
wurde. Vor acht Tagen geimpft. — Erkrankte 

15. Mai: Morgens 7 Uhr, urplötzlich im völlig¬ 
sten Wohlbefinden mit einem Schmerz im Leibe, 
Erbrechen und hohem Fieber. 

20. Mai: Abends 8 Uhr, sah ich sie zuerst. 


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25 


T. 40,2. P. 150, sehr klein. Erbrechen, Lippen 
trocken, Gesicht verfallen, dünner Stuhl. Bauch 
stark meteoristisch und druckempfindlich, besonders 
die Blindd&rmgegend. Grosse Unruhe, Kreuz- | 
schmerzen. Diagnose: Peritonitis im Anschluss an ! 
Perityphlitis. Therapie: Auf den Pauch Priessnitz 
(keine Eisblase). Aconit 3 , Bryon. 3., stündlich 
wechselnd. Hohe Einläufe. 

21. Mai: Morgens, Bild unverändert. Nachts 
kein Schlaf. T. 38,0. P. 140. Oberhalb des 
Nabels eine querverlaufende, geblähte, sehr em¬ 
pfindliche Darmschlinge. Blinddarmgegend sehr 
empfindlich. Nahrung völlig verweigert. 

Abends: T. 39,5. P. 160. Facies hippocra- 
tica, Lippen schwarz, Athem süsslieh stinkend. 
Aeusserste Unruhe. Der spärlich gelassene Harn 
enthält Indican. Seit Freitag früh keine Blähungen 
mehr, die Eingiessungen kommen nur gefärbt zu¬ 
rück. Die gelähmte Schlinge erhebt sich über die 
Oberfläche des Bauches. Massenhaftes Kotherbrechen. 
Diagnose: Ileus. Therapie: Lufteinblasungen mit 
Gummischlauch. Zu diesem Zwecke ist die Auf¬ 
bietung der gesammten Lungenkraft erforderlich, 
das Zeichen der genügenden Füllung sind lebhafte 
Schmerzensäusserungen der Patientin. Es erfolgt 
alsbald der Abgang von lauten Blähungen. — 
Heisse Breiumschläge. Opium 3. d. d., stündlich 
4 Tropfen. 

22. Mai: Morgens. Die ganze Nacht sind 
Winde abgegangen. Auf Eingiessungen stückiger, 
harter Koth. T. 38,0. P. 150. Leib weicher, 
Schlinge verschwunden. Kein Erbrechen, trinkt 
etwas, keine Schmerzen, Schlaf. Therapie: Um¬ 
schläge, heisse. Opium. 

Abends: T. 38,4. P. 130. Auf Eingiessungen 
massenhafter Stuhl. Winde gehen andauernd. 

24. Mai: Abends. T. bis 38 6. P. 110, un¬ 
regelmässig. Kein Erbrechen, Stuhl auf Ein¬ 
giessungen. Coecum - Gegend noch empfindlich. 
Therapie : Heisse Umschläge, Eingiessungen. Solu- 
bil. 3., Plumbum 3., zweistündlich abwechselnd 
bohnengross. 

26. Mai: Abends. T. bis 38,5. P. 105. Leib 
weich, schmerzlos. Blinddarmgegend empfindlich. 
Auf Eingiessungen massenhafter Stuhl. Therapie: 
dieselbe. 

27. Mai: Abends T. 38,1. P. 100. 

29. Mai: T. Abends 37,5. P. 90. 

30. Mai: T. Abends 38,0. P. 90. 

31. Mai: T. Morgens 38,9. P. 100. 

T. Abends 38,5. P. 110. 

1. Juni: T. Morgens 37,9. P. 100. 

T. Mittags 37,5. P. 105. 

T. Abends 39,7. P. 130. 

Zunge etwas reiner als am 31. Mai. Therapie: 
Heisse Umschläge. Sublimat 5. d. d. 


2. Juni: T. Morgens 37,5. P. 100, 

T. Abends 39,0. P. 125. 

3. Juni: T. Morgens 37,2. P. 120. 

T. Abends 39,3. P. 120. 

In der rechten Darmbeingrube ist eine zwei 
handflächengrosse Dämpfung percutirbar. Sehr 
druckempfindlich; anscheinend Fluctuation: 

Diagnose: Paratyphlitischer Abscess. 

Therapie: Operation. 

4. Juni: 9 1 / 2 Uhr Morgens. In Chloroform 
Narcose Probe-Punktion. Dieselbe weist stinkenden 
Eiter nach. Darauf Längsschnitt über die Höhe 
der Dämpfung. Es entleert sich über 1 Liter 
stinkenden Eiters. Der Finger gelangt in eine 
riesige, buchtige Höhle, die mittels einer Gegen¬ 
öffnung in der rechten Lumbargegend drainirt 
wird. 

Sofortiges Absinken der Temperatur und re- 
actionsloser Verlauf unter gleichzeitiger Darreichung 
von Silicea und Plumbum. 

Bei der Epikrise dieses Falles sei bezüglich der 
Aetiologie und Therapie des Ileus auf den er¬ 
wähnten Artikel verwiesen. — Der Abscess hatte 
seinen Grund wahrscheinlich in der bis zu seiner 
Lösung 3 Tage lang bestehenden Verlegung des 
Darmes. Es ist denkbar, dass dieselbe die Lebens¬ 
vorgänge des Darmes so weit lähmte, dass derselbe 
für die Darmbacterien, bacterium coli commune, 
durchgängig wurde und sich eine umschriebene 
Entzündung entwickelte, die durch die Mesenterial¬ 
falten hindurch in dem retroperitonealen Raume 
eine Eiterung erzeugte. 

Die Art der Entstehung derselben im Anschluss 
an den Ileus ist nicht ohne Interesse. Die Dia¬ 
gnose ergab sich aus der bezeichnenden Fieber- 
curve mit den hohen abendlichen Spitzen und 
tiefen morgendlichen Remissionen, sowie aus dem 
localen Befund. Bezüglich der Therapie ist hervor¬ 
zuheben, dass hier die eine absolute Indication zur 
Operation vorlag, deren sonstige Berechtigung bei 
der Perityphlitis eines der Hauptobjecte der weit¬ 
gehenden Meinungsdifferenzen bildet, die eine mög¬ 
lichst umfassende Statistik zur Klärung auch für 
unsere Kreise erheischen. Die anderen Indicationen 
werden uns in der diesjährigen und wahrscheinlich 
auch noch in der nächstjährigen Centralvereins¬ 
versammlung beschäftigen, besonders die Frage 
der Nothwendigkeit der Operation ä froid. 

Gisevius jun. 


Weckruf zum „Sammeln“ in Elberfeld. 

Der werthgeschätzte Herr College Gisevius, der 
die ihm vom Centralverein übertragenen und auch 
freiwillig übernommenen gewichtigen Aufgaben mit 
jugendlicher Manneskraft trägt und zu erfüllen 

4 


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eifrigst bemüht ist, dabei aber noch allezeit den 
Blick aufs Ganze gerichtet hält, erwartet von uns, 
als dem Schriftleiter der ,,Allgemeinen“, dass wir 
bei der herannahenden Hauptversammlung in Elber¬ 
feld nach unserer Gepflogenheit wieder zum „Sam¬ 
meln“ blasen. Da wünschen wir uns denn des 
alten Helden Roland gutes Horn Olifant, um die i 
in sicherer Ruhe Sitzenden zum Aufbruch, die 
Säumigen zu ihrer Pflicht, die Gleichgiltigen zum 
energischen Aufraffen eindringlich zu rufen. Zwar 
befindet sich die Homöopathie zur Zeit nicht in 
solcher Noth, wie jener Held in Roncesvalles, aber 
an Angriffen und Gegnern fehlt es uns auch nicht. 
Was die in Preussen geschaffenen Aerztekammern 
und Ehrengerichte den homöopathischen Collegen 
bringen werden, wissen wir nicht; auf der Hut, 
auf der Vedette müssen wir jedenfalls stehen; die 
aus dieser Medicinalreform heraustretende Con- 
stellation könnte doch zu manchen uns unliebsamen 
Reibungen und Zusammenstössen führen. — Wir 
stehen unter dem Zeichen der von Berlin in unse¬ 
rem Lager angeregten grossen Aera der That; die 
neue homöopathische Arzneimittellehre wird in 
Elberfeld den Hauptgegenstand unserer Beschäfti¬ 
gung bilden. Es wird sich zeigen, wie weit die 
Dinge gediehen sind; so viel können wir jetzt 
schon einsehen, dass noch viel Arbeit vor uns 
liegt. Hoffentlich wird aus dem Centralverein 
ein frischer, lebendiger Zug sich den mitwirkenden 
Kräften mittheilen. Soll aber das Centrum seine 
volle centrale Kraft entfalten, so müssen die cen- 
tripetalen Kräfte ihre lebendigen Energieen nicht 
vorenthalten, mit anderen Worten, ein jedes 
Mitglied des Centralvereins hat die heilige Pflicht, 
zur Hauptversammlung zu erscheinen, um mitzu- 
rathen, und das Mitthaten wird dann als schöne 
Frucht daraus erwachsen. — 

Alle Stände und Berufsgenossenschaften durch¬ 
dringt jetzt das Streben auf Grund gemeinsamer 
Interessen sich zu concentrirter Vereinigung zu- 
sammenzuschliessen, und durch vereinte Kraft zu 
erreichen, was dem Einzelnen, und sei er noch so 
thätig und leistungsfähig, nicht möglich ist. Nun, 
sollte denn in unserem Lager nicht auch der Wunsch 
aufs Lebhafteste empfunden werden, auch unser 
Plätzchen an der Sonne zu haben. Leider ist aber 
das Bewusstsein gemeinsamer Interessen, gemein¬ 
samen Wohl und Wehes, von Zusammengehörigkeit 
in unseren Reihen noch gar schwach, sonst würde 
sich nicht so mancher isoliren, um stillbeglückt 
bloss seiner eigenen Freuden zu warten. Was 
kümmert ihn das homöopathische Krankenhaus in 
Leipzig, was der Wittwenfonds, was die neue 
deutsche Arzneimittellehre, was neue Mittelprüfungen, 
was die homöopathischen Journale, die lebendigen ' 
Zungen unserer Heilwissenschaft, wenn er, der 


Einzelne, nur in dem Kampfe ums Dasein, in dem 
grossen socialen Wettbetrieb obenauf bleibt. Da¬ 
rum möge unser Weckruf wie das schmetternde 
Horn Olifants in die kalten, gleichgiltigen Herzen 
dringen und die Mitglieder des Centralvereins aus 
allen deutschen Gauen, vornehmlich aber die lieben 
i Rheinländer und Westphälinger, die immer so 
wacker und thätig an der homöopathischen Heil¬ 
kunst und Heilwissenschaft mitgewirkt haben, aber 
auch alle Berufsgenossen und Freunde der Homöo¬ 
pathie nach Elberfeld zur gemeinsamen Tagung 
! rufen! Dr. Mossa. 


Die Heilung der Diphtherie auf homöo¬ 
pathischem Wege 

insbesondere durch Mercurius cyanatus. 

Rathschläge für Eltern. 

XI. Auflage der Dr. Villers’sohen Schrift. 

Theilweise neu bearbeitet von einem homöopathischen 
Arzte. 

Verlag von Carl Grüner’« homöopathischer Officin 
in Leipzig und Berlin. 

Cyan, mercur. erfreut sich bleibenden guten 
Rufes gegen die typische Diphtheritis sowohl wie 
gegen die maligne brandige, also lebensgefährlichste 
Form. Als Prototyp gilt der Heilungsfall, welchen 
das Söhnchen unseres hochverehrten, leider nun 
verstorbenen Collegen Dr. D. v. Villers betraf, an 
dessen Krankenbett die verzweifelten Eltern sassen, 
den sicheren Tod des geliebten Kindes vor Augen. 
Da erschien Dr. Beck wie ein rettender Engel. Er 
empfahl, zunächst auf rein theoretisch-homöopathi¬ 
sche Gründe gestützt, das intensive Gift in ge¬ 
hörig verdünnter Form und es vollzog sich das 
Wunder der Heilung. Seitdem hat Cyan, mercur. 
sich Eingang verschafft in die Kreise der Aerzte 
beider Schulen und ich glaube, die kleine Schrift 
befindet sich im Irrthum, wenn sie meint, dass die 
allopathischen Aerzte das Mittel wieder hätten fallen 
lassen, weil es homöopathischen Ursprunges sei. Ein 
schwedischer allopathischer Arzt hat eine reiche 
Casuistik von Diphtheritis - Heilungen mit Cyan, 
mercur. veröffentlicht. . Er hat fast keinen lethalen 
Ausgang mehr zu verzeichnen gehabt. 

Die kleine Abhandlung betont die Nothwendig- 
keit hoher Potenzirung des Cyan, mercur. und der 
alte Villers gab nie tiefere Potenz als die 30. Das 
ist auch im Allgemeinen nachalimungswerth, sollte 
aber doch nicht abhalten, im Versagungsfall die 
Gaben-Leiter einige Sprossen herabzusteigen. Die 
zwölfte und neunte Decimale rufen schwerlich In- 
toxications-Symptome hervor, wie denn die Allo- 
' pathie sogar 0,01 nicht zu tief findet und auch 
| ihre Resultate aufzuweisen hat. 


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Auf frische Präparate ist aber hier ganz be¬ 
sonders zu halten. 

Bemerkenswerth ist noch, dass in dem Villers’- 
schen Falle eine wirkliche Bräune (diphtheritischer 
Croup) vorlag (S. 10), gegen welchen der Schul- 
medicin nichts übrig bleibt als die Tracheotomie 
oder Kehlkopfschnitt (neuerdings hat ein Münchener 
Kinderarzt ein Verfahren eingeführt, wobei die 
Membranen ohne Messer entfernt werden). Also ge¬ 
rade in solchen desperaten Diphtheritis-Erkrankungen 
besitzen wir im Cyan, mercur. ein gutes Mittel, 
wenn auch die Verehrer von Acidum nitric. so lange 
bei ihrer Panacee bleiben werden, als dieselbe ihre 
Schuldigkeit thut. 

Wir empfehlen das Schriftchen als einen guten, 
/olksthümlichen Wegweiser; denn es enthält auch 
die Beantwortung der Fragen: Woran und wie ist 
diese Krankheit zu erkennen? Was ist zu thun? 
Was ist zu lassen? Und endlich beschäftigt sich 
dasselbe noch in anerkennenswerther Weise mit den 
Krankheiten, welche im Gefolge oder in Ver¬ 
bindung mit der Diphtherie auftreten. 

Dr. Goullon. 


Das Selbstdispensirrecht der Aerzte und 
Homöopathen. 

Von Dr. Springfeld, Medicinalassessor beim Königl. 

Polizeipräsidium in Berlin. 

Berlin 1899. 

Wir haben bereits in No. 23/24 des vorigen, 
138., Bandes unserer Zeitung auf diese Schrift von 
Medicinalassessor Dr. Springfeld aufmerksam ge¬ 
macht mit dem Bemerken, dass wir auf dieselbe 
wieder zurückkommen werden. Dort haben wir 
zunächst eine Stimme, aus dem diese Angelegen¬ 
heit nicht weniger als den Arzt selbst iuteressiren- 
den Kreise der Apotheker, aus der Apotheker¬ 
zeitung No. 40, 1899, über diese Schrift citirt. Der 
pharmaceutische Recensent begrüsst die Schrift als 
einen Versuch, eine geordnete Zusammenstellung* 
der in den preussischen Landestheilen geltenden 
medicinalpolizeilichen Bestimmungen und über das 
Selbstdispensirrecht der praktischen, in specie, der 
homöopathischen Aerzte, polemisirt besonders aber 
gegen einige von dem Verf. in der Vorrede gegen 
das Fortbestehen des Monopols der Apotheker be¬ 
treffs des Dispensirrechts angeführten Gründen und 
schliesst mit den etwas gereizt klingenden Worten: 
„Die Apotheker sehen aus dem oben wiedergege¬ 
benen Vorwort klar, in welcher Weise ihre Inter¬ 
essen von preussischen Medicinalbeamten einer ge¬ 
wissen Schule vertreten werden.“ 

Nun, beim Selbstdispensirrecht der Aerzte kommen 
doch, abgesehen von den Interessen der Apotheker, 


auch die der Aerzte selbst und dann die des Publi¬ 
kums in Betracht, und dass ein preussischer Medi¬ 
cinalassessor einmal, ohne Voreingenommenheit für 
die Interessen eines Standes, diese wichtige Frage 
auf Grund der thatsächlichen, auf das Allgemein¬ 
wohl zielenden Verhältnisse bespricht, gereicht ihm 
in unseren Augen zur Ehre. 

Sehr richtig heisst es in der Vorrede: die ehe¬ 
malige Berufopßicht des Arztes, seinen Kranken 
die Heilmittel selbst zu bereiten und zu verab¬ 
folgen, wurde in den Städten zu einer Pflichtwidrig¬ 
keit und selbst auf dem Lande, wo in Ermange¬ 
lung von Apotheken die Selbstdispensation gebiete¬ 
risch vom öffentlichen Wohle gefordert wurde, zu 
einem im Interesse der Apothekerprivilegien viel¬ 
fach beschränkten Sonderrechte. 

Was wir mehr hervorgehoben sehen möchten 
und als Fundamentalsatz hingestellt, das ist der 
Unterschied, den der Gesetzgeber zwischen ein¬ 
fachen Mitteln (simplicia) und zusammengesetzten 
(composita) Anfangs gemacht hat, und während er 
jene den Aerzten zur Bereitung und Verabfolgung 
überliess, diese, die Medicamenta composita, den 
Apotheken zuwies. Mit dieser Thatsache glaubte 
auch Hahnemann einen Rechtsboden für das Selbst- 
dispensiren der von ihm nach einer eigenartigen 
Methode dargestellten Mittel gefunden zu haben. 
Aber er drang auch hiermit nicht durch; denn die 
Pharmaceuten erklärten, auch dies Diluiren, die 
Verreibung der Arzneien mit einem unarzneilichen 
Stoffe wie Milchzucker für eine Mischung, ja selbst 
die Darstellung hirsekorngrosser, mit Arznei be¬ 
feuchteter Streukügelchen als in ihr Gebiet ge¬ 
hörig — und der strenge Gesetzgeber oder viel¬ 
mehr -ausleger stellt sich auf den unerschütterlichen 
Standpunkt, dass dem Arzte nicht die Darstellung 
solcher Mittel, seien sie auch Simplicia, sondern 
das Verabreichen derselben an Andere, seien es 
auch seine Patienten, verboten sei. 

Doch das sind dem homöopathischen Arzte be¬ 
kannte, unleidliche Geschichten, und sollte er nicht 
eine besondere Freude darüber haben, wenn end¬ 
lich einmal ein Medicinalbeamter für das Dispensir¬ 
recht, wenigstens für eine Erweiterung desselben, 
eintritt? 

Dr. Springfeld führt als Thatsachen, welche 
die Basis einer gesetzlichen Beschränkung des 
Selbstdispensirrechts immer mehr erschüttern, an: 

1. die Entwicklung der pharmaceutischen Technik, 

2. die Steigerung der Arzneibedürfnisse in Stadt 
und Land, sowie 3. die unserem Jahrhundert eigen¬ 
artige Form der Arzneiversorgung aus Kranken¬ 
kassen. 

Was den ersten Punkt betrifft, so wird dieser 
von jenem Recensenten bestritten, und doch wird 
Verf. annähernd Recht haben mit seiner Bebaup- 

4* 


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tung, dass heut zu Tage die überwiegende Pro¬ 
duction von Arzneistoffen in den Händen der 
pharmaceutisch-chemischen Grossindustriellen ruht. 
Denken wir bloss an die Anzahl von antiseptischen 
Stoffen, welche auf den chemischen Markt gekom¬ 
men sind — und wie so wenige von diesen in 
unseren Apotheken dargestellt werden! Denken 
wir an die von der herrschenden Schule mit Vor¬ 
liebe angewandten Alcaloide und nun gar erst an 
die Unzahl der isopathischen Organ - Mittel, und 
schliesslich an die Serum-Heilmittel. Hat der Verf. 
nicht wirklich Recht, wenn er behauptet, die Pro¬ 
duction von Arzneimitteln entgleitet den Händen 
des Apothekers, und soweit er die Herstellung nicht 
prüfbarer Medicamente den pharmaceutischen Gross¬ 
industriellen hat überlassen müssen, d. h. zu 80 Proc. 
des Umsatzes, ist letzterer auch der Träger der 
Verantwortung für die Güte der Waaren; seine 
Zuverlässigkeit allein schützt das Publikum vor 
Vergiftungen, nicht die strafrechtliche, formelle 
Verantwortlichkeit des Apothekers. Der Kreis der 
Mittel, welche die Grossindustrie in richtig dosir- 
ter, haltbarer, conservenäbnlicher Form abgefasst 
für den sofortigen Consum auf den Markt wirft, 
Mittel, welche der Apotheker, ohne auch nur die 
Verpackung lösen zu brauchen, automatisch abgiebt, 
hat in den letzten Jahren ständig an Ausbreitung 
gewonnen. Die gewerbliche Abgabe solcher Mittel 
mit dem ärztlichen Gewerbe zu verbinden , ist jeden¬ 
falls weder eine technische Unmöglichkeit mehr , noch 
mit Gefahr für den Patienten verbunden. Wenn 
Verf. aber für die Krankenkassen und die Gross¬ 
industriellen auf dem Lande eigne Apotheken mit 
dem Selbstdispensirrecht als eine Frage der Zukunft 
ansieht, so wird der Betrieb solcher Specialapotheken 
sich doch nicht so einfach herstellen lassen; Räumlich¬ 
keit und geschultes Personal zur Besorgung dieses 
Geschäfts werden jedenfalls beschafft werden müs¬ 
sen, was ohne Kostenaufwand nicht abgehen wird. 

Für Schreiber dieses liegt ein Grund zur Frei- 
gebung des Dispensirrechts an die Aerzte wesent¬ 
lich in der modernen Technik der subcutanen 
Mittelanwendung, wie sie von der Mehrzahl der 
Praktiker ausgeübt wird. Sie nehmen freilich die 
verordneten Lösungen aus den Ortsapotheken (ab¬ 
gesehen von den Serum-Heilmitteln), aber das Dis- 
pensiren der Einzeldosis liegt de facto schon in 
ihrer Hand. Damit ist eine weitgehende Durch¬ 
brechung der medicinalpolizeilichen Verordnungen 
gegeben, gegen die kein Staatsanwalt etwas aus- 
richten kann. 

Für die homöopathischen Aerzte ist in Preussen 
der Weg zur Erlangung des Selbstdispensirrechts 
gegeben und hat Verf. die diesbezüglichen Vor¬ 
schriften im Ganzen gut geordnet zusammengestellt. 

Das Hauptverdienst des Schriftchens liegt, un¬ 


serem Ermessen nach, darin, dass es die Aerzteschaft 
im Ganzen an das ihnen, zum Theil durch eigne 
Schuld, entzogene Recht zum Dispensiren vor die 
Augen und ins Gewissen rückt und sodann, dass 
es zeigt, wie die socialen Verhältnisse die Fest¬ 
haltung des Apotheker-Vorrechts nach dieser Rich¬ 
tung hin unmöglich machen werden. Einst wird 
auch diesem Monopol das Ende kommen. 

_ Dr. Mossa. 


Neue Materia medica. 

1. Quittung. 

Als Grundstock zu einem Fonds für die Schaf¬ 
fung der vom homöopathischen Centralverein Deutsch¬ 
lands geplanten Herausgabe einer neuen Materia 
medica hat mir am heutigen Tage Herr Dr. med. 
Gisoviusjun., Berlin, Mk.l2.10(Mitarbeiter-Honorar für 
die Allgemeine homöopathische Zeitung) überwiesen. 

Ich spreche hierfür den herzlichsten Dank aus 
und bin zur Annahme weiterer Beiträge für diesen 
Zweck gern bereit. 

Leipzig, den 7. Juli 1899. 

William Steinmetz, 

Kassenverwaller des Centralvereins 


Hahnemann-Grab Denkmal in Paris. 

6. Quittung. 

Von Herrn Dr. med. Kernler, Stadt¬ 
arzt, Weingarten . . . Mk. 5.— 

„ „ Geh. Hofrath Dr. med. 

Stiegele, Stuttgart . . „ 40.— 

Mk. 45.— 

Betrag der früheren Quittungen . . „ 807.45 

Mk. 852.45 

Bestens dankend für diese Beiträge bin ich auch 
ferner zur Annahme und Weiterbeförderung weite¬ 
rer Beiträge gern zu Diensten. 

Leipzig, 8. Juli 1899. 

William Steinmetz. 

Bitte an die Collegen! 

(aus No. 7/8 des 138. Bandes vom 16./4. 1899) 
bezüglich eines in Noth gerathenen älteren Arztes 
in den Reichslanden. 

2. Quittung. 

Von Herrn Dr. med. Kernler, Stadt¬ 
arzt in Weingarten. . . Mk. 5.— 

„ „ Geh. Hofrath Dr. med. Stie¬ 
gele, Stuttgart .... „ 10.— 

Mk. 15— 

k Betrag der 1. Quittung.. 83.05 

| Mk. 98.05 


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Diese Gaben habe ich an den betreffenden 
Herrn abgeföhrt und spreche ich hierdurch in sei¬ 
nem Namen allen edlen Gebern den aufrichtigsten 
und herzlichsten Dank aus. Sollten noch weitere 
Beiträge beabsichtigt sein, so bin ich zu deren 
Empfangnahme und Weiterbeförderung natürlich 
gern bereit. 

Leipzig, den 8. Juli 1899. 

William Steinmetz. 


Dank. 

Erneuten Dank haben wir dem am 10. Mai a. c. ver¬ 
storbenen Herrn Dr. Lorbaoher auszusprechen und 
nachzurufen, da er ausser den in No. 21/22 des 138. 
Bandes d. Z. bekannt gegebenen Legaten für unser 
Krankenhaus und die Wittwenkasse (je 500 Mk.) auch 
seine umfangreiche Bibliothek und Instrumente den 
Bibliotheken des Centralvereins, der Poliklinik und 
des hiesigen homöopathischen Laienvereins naeh 
bestimmten Vertheilungsvorschriften letztwillig über¬ 
wiesen hat. — Wir haben diese Schenkung in den 
letzten Tagen erhalten und genau nach seinen 
Wünschen vertheilt. — Aufrichtiger und herzlicher 
Dank sei auch für diesen Beweis seiner fürsorgenden 
Gesinnung für unsere Institutionen ausgesprochen. 
Seinen Namen haben wir auf den Stifter-Tafeln des 
homöopathischen Krankenhauses zum dauernden Ge¬ 
dächtnis anbringen lassen. 

Leipzig, den 8. Juli 1899. 

I. A.: William Steinmetz. 


Quittung. 

Für die Unterstfitzungskasse fiir Witt wen 
homöopathischer Aerzte sind bei dem Unter¬ 
zeichneten in der Zeit vom 25. November 1898 


bis heute folgende Beiträge eingegangen: 

Mark 

von 

Herrn 

Dr. med. Hafa, Herrnhut . . 

10.15 

n 

tt 

Dr. med. Oscar Hansen, Kopen- 




hagen *). 

5.— 

n 

tt 

Dr. med. Wilh. Meyer, Hagen, 




Jahresbeitrag. 

10.— 


n 

Dr. med. Weidner, Breslau, 




Jahresbeitrag. 

10.— 

n 

»» 

Dr. med. Weidner, Breslau*) . 

4.— 

tt 

tt 

Dr. med. Gisevius jun., Berlin, 




Jahresbeitrag. 

10.— 

n 

n 

Dr. med. Wugk, Königsberg 




i. Pr., Jahresbeitrag .... 

15.— 

M 

n 

Geh. San.-Rath Dr. Faulwasser, 




Bernburg, Jahresbeitrag 

10.- 

tt 

tt 

Dr. med. Henze, Halle, Jahres¬ 




beitrag . 

15.— 



Latus Mk. 

89.15 




Transport Mk. 

89.15 

von 

Herrn 

Dr. med. Schlegel, Tübingen, 
Jahresbeitrag . 

8.37 

» 

» 

Dr. med. Leeser, Bonn, Jahres¬ 
beitrag . 

10.— 

n 

rt 

Dr. med. Dünninghaus, Siegen, 
Jahresbeitrag . 

10.— 

tt 

tf 

Dr. med. Sanders, Bock, Jahres¬ 
beitrag . 

10.— 

I 

tt 

tt 

Dr. med. Feldmann, M.-Glad- 
bach, Jahresbeitrag .... 

5.10 


tt 

Dr. med. Greenfield, Cottbus, 
Jahresbeitrag . 

10.— 

tt 

tt 

Dr. med. Göhrum, Stuttgart, 
Jahresbeitrag. 

10.— 

tt 

tt 

Dr. med. Mattes, Ravensburg . 

1.60 

tt 

tt 

Dr. med. Teichmann, Som- 
merschenburg. 

6.— 

tt 

tt 

Sanitätsrat Dr. Ide, Stettin 

10.— 

ff 

ft 

Dr. med. Groos, Barmen, Jahres¬ 
beitrag . 

15 — 

tt 

tt 

Dr. med. Förster, Görlitz, Jahres¬ 
beitrag . 

5 — 

rt 

tt 

Dr. med. Groos, Erfurt, Jahres¬ 
beitrag . 

5.— 

tt 

tt 

Geh. Hofrath Dr. med. Stiegele, 
Stuttgart, Jahresbeitrag . . 

10*— 

1 tt 

i 

i 

n 

Dr. med. Burkhard, Berlin, 
Jahresbeitrag . 

10.— 

i ” 

n 

Sanitätsrath Dr. Schweikert, 
Breslau, Jahresbeitrag . . . 

5.— 

i » 

tt 

Dr. med. Lorenz, Stuttgart*) . 

12.80 

t ” 

„ 

Dr. med. Zengerle, Aulendorf . 

1.— 

■ 

tt 

Dr.med Mayntzer,Trier, Jahres¬ 
beitrag . 

6.— 

1 ” 

n 

Dr. med. Cramer, Karlsruhe, 
Jahresbeitrag . 

12.16 

I 

w 

tt 

Dr. med. Oberholzer, Zürich, 
Jahresbeitrag . 

20.— 

i 

1 tt 

1 

n 

Dr. med. Doerr, Mainz, Jahres¬ 
beitrag . 

40.— 

ft 

i 

tt 

Dr. med. Lorbacher, Leipzig, 
testamentarisch verwilligt . 

500.— 

ft 

tt 

Dr. med. Lorbacher, Leipzig*) 

10.— 

” 

tt 

Dr. med. Mende-Ernst, Zürich, 
Jahresbeitrag. 

10.— 

iff 

tt 

Dr. med. Schwarz, Baden-Baden 

3.05 

68 

Jahresbeiträge ä 8 Mk. von Central- 


1 

vereinsmitgliedern. 

Mk" 

544.— 

1379.23 


Mit dem besten Dank für diese freundlichen 
Zuwendungen verknüpfe ich die aufrichtige Bitte 
um weitere Gaben zur Linderung von Noth und 
Sorgen würdiger bedrängter Wittwen, in deren 

*) Mitarbeiter-Honorare der Allg. homöopath. Zeitg. 


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30 


Namen ich stets den herzlichsten Dank aussprechen 
soll. 

Leipzig, den 20. Juli 1899. 

William Steinmetz, 

z. Z. Kassenverwalter. 


Quittung. 

Für den Betriebsfonds des homöopathischen 
Krankenhanses ZU Leipzig sind bei dem Unter¬ 
zeichneten in der Zeit vom 25. November 1898 bis 
heute folgende Beiträge eingegangen: Mark 


Von Frau Rittergutsbesitzer Timmich auf 


Wolfersdorf . 

3.— 

Von Herrn 

Dr. med. Mossa, Stuttgart, Jah- 




resbeitrag . 

10.— 

n 

11 

Obennedicinalrath Dr. v. Sick, 




Stuttgart . 

10.— 

n 

n 

Dr. med. Wilh. Meyer, Hagen, 




Jahresbeitrag . 

10.- 

n 

n 

Dr. med. Weidner, Breslau, 




Jahresbeitrag . 

10.— 

77 

77 

Dr. med. Gisevius jun., Berlin, 




Jahresbeitrag . 

10.— 

71 

n 

Dr. med. Gisevius jun., Berlin*) 

5.44 

X 

n 

n 

Carl Langer, Polsnitz, Jahres- 




beitrag . 

3.— 

r 

71 

Dr. med. Wugk, Königsbergi. Pr. 

17.30 

n 

71 

„ „ Wapler, Zeugen- 




gebühren. 

2.— 

r> 

71 

Geh. San.-Rath Dr. Faulwasser, 




Bernburg, Jahresbeitrag 

20.— 

n 

n 

Dr. med. Henze, Halle, Jahres- 




beitrag . 

15 — 

n 

11 

Dr. med. Schlegel, Tübingen, 




Jahresbeitrag . 

10.- 

n 

n 

Dr. med. Endriss, Göppingen, 




Jahresbeitrag . 

7.— 

n 

n 

Dr. med. Weber, Cöln a. Rh., 




Jahresbeitrag . 

10.- 

71 

17 

Dr. med. Baltzer, Stettin, Jah¬ 




resbeitrag . 

8.— 

71 

ii 

Kiöner, Potsdam*) .... 

6.40 

n 

Prinzess Bentheim-Tecklenburg, Ru- 



dolstadt, Jahresbeitrag .... 

15. - 

„ 

Herrn 

Dr. med. Dünninghaus, Siegen, 

> 



Jahresbeitrag . . ' . 

10.— 

71 

71 

Dr. med. Sanders, Bock, Jah- 




resbeitrag . 

10.- : 

n 

rt 

Dr. med. Kafka, Karlsbad 

3.73 

n 

7) 

„ „ Göhrum, Stuttgart, 




Jahresbeitrag. 

10 -1 



Latus Mk. 

205.87 ' 


*) Mitarbeiter-Honorare der Allgemeinen homöopath. 
Zeitung. 




Transport Mk. 

205.87 

von 

Herrn Wilhelm Weymar, Mühlhausen 




i. Th., Jahresbeitrag .... 

100.05 


71 

Sanitätsrath Dr. Ide, Stettin, 




Jahresbeitrag. 

6.75 

rt 


Dr. med. Hendrichs, Cöln a. Rh., 




Jahresbeitrag. 

20.— 

71 

71 

Dr. med. Groos, Barmen, Jah- 




resbeitrag. 

10.— 

n 

11 

Dr. med. Förster, Görlitz, Jah- 




resbeitrag ....... 

5.— 

71 

71 

Dr. med. Schnütgen, Münster, 




Jahresbeitrag. 

10.— 


71 

Sanitätsrath Dr. Schweikert, 




Breslau, Jahresbeitrag . . . 

10.— 


Frau 

Brückmann, Manastrzec . 

1.37 

71 

w verw. Dr. Sobiesky-Gillet,Genf, ^ 

19.80 

71 

Herrn Brütting, Neuenhof . . .lg, 

2.— 


77 

Lehrer Ringk, Schwerin .1,3 

2.80 

11 

Frau 

Gebauer, Dürlettel . . .1 ® 

20.50 

n 

Herrn Wilh. Merkel, Raschau . .[ ? 

63.63 

n 

Frau 

Oberthierarzt Gundelach,) ’S 



Detmold . 1 

2.— 

n 

Frau 

Daub, Eiserfeld . . . .1 ^ 

20.— 

71 

Herrn 

Fritzsch, Jüterbog . . .I® 

1.35 

71 

71 

Dr. med. Kröning, Brom-J 2 




berg . / Q 

20.— 

71 

71 

Dr. med. Oberholzer, Zürich, 




Jahresbeitrag . 

100.— 

71 

71 

Dr. med. Doerr, Mainz, Jahres- 




beitrag . 

100.— 

11 

71 

Dr. med. Fries, Zürich, Jah- 




resbeitrag. 

10.— 

77 

71 

Dr. med. Hammerschmidt, Elber- 




feld, Jahresbeitrag .... 

10.— 

71 

71 

Dr. med. Stifft, Leipzig, Jah- 




resbeitrag . 

10.— 

11 

71 

Dr. med. Siegrist, Basel, Jah- 




resbeitrag. 

7.— 

n 

77 

Dr. med. Kallenbach, Rotter- 




dam, Jahresbeitrag .... 

13.— 

71 

71 

W. Steinmetz, Leipzig*) 

4.16 

71 

Frau 

Anna Doerge, Leipzig, Jahres- 



beit 

rag. 

20.— 

vom 

Berliner Verein homöopath. Aerzte, 


Jahresbeitrag. 

300.— 

von 

Freifrau von der Malsburg, Cassel, 



Jahresbeitrag. 

30.— 

71 

Herrn 

Dr. med. Lorbacher, Leipzig, 




testamentarisch verwilligt . 

500.- 

71 

71 

Stadtrath Dr. Wangemann, Leip- 




zig, Jahresbeitrag .... 

20.— 



Latus Mk. 

1645.28 


*) Mitarbeiter-Honorare der Allgemeinen homöopath. 
Zeitung. 


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31 


Transport Mk. 1645.28 


von Herrn Dr. med. Lorbacher, Leipzig*) 10.— 
vom Verein der homöopathischen Aerzte 

Oesterreichs, Jahresbeitrag . . . . 100.33 

von Herrn Dr. med. Oscar Hansen, Kopen¬ 
hagen .10.— 

von Herrn Apotheker Dr. C. Hof, Pforz¬ 
heim .100.— 

„ „ Dr. med. Mende-Ernst, Zürich, 

Jahresbeitrag. 8.— 

„ Centralvereins-Mitgliedern: j 

69 Jahresbeiträge ä 6 Mk.414.— | 


Mk. 2287.61 


*) Mitarbeiter-Honorare der Allgemeinen homöopath. 
Zeitung. 


Herzlichen Dank für diese Beiträge; — weitere 
Zuwendungen sind dankbarst dringend erbeten, um 
das Unternehmen auch ferner in bisheriger Weise 
weiterführen zu können. 

Leipzig, 20. Juli 1899. 

William Steinmetz, 

z. Z. Kassen Verwalter. 


Personalien. 

Am 9. Juli a. c. ist der Geh. Sanitätsrath und 
Kgl. Kreisphysikus a. D. Dr. med. Larisch, liomöo 
pathischer Arzt in Namslau (Schlesien) hochbe¬ 
tagt gestorben. — Eine der nächsten Nummern 
dieses Blattes wird einen Nekrolog aus der Feder 
des Herrn Dr. med. Weidner-Breslau bringen. 


Anzeigen. 


Sichere Existenz 
für einen homöopathischen Arzt. 

In bester Lage einer grösseren Industriestadt 
Sachsens ist eine erste Etage, bestehend in 
6 Zimmern nebst Zubehör per 1. October c. bezieh 
bar, zu vermiethen. 

Diese Wohnung haben bereits seit 20 Jahren 
Aerzte innegehabt und eine sehr ausreichende Praxis 
betrieben. Ganz besonders dürfte aber ein Homöo¬ 
path eine gute Existenz finden, da in dieser Stadt 
und Umgegend nur 1 homöopathischer Arzt prakti 
zirt. Gef. Offerten unter H. 901 nehmen Haasenstein 
& Vogler A. G., Dresden, entgegen. 



Dr. med. Dierkes, homöopath. Arzt, aus 
Paderborn praktizirt in jeder Saison in Dad Lipp- 
springe. Die Herren Collegen werden gebeten, ihren 
Patienten die Adresse mitzugoben. 



Hygiama. 

Seit 1891 klinisch vielfach erprobtes diätetisches 
Nähr- und Stärkungsmittel. 

(Zusammengesetzt aus condens. Milch, Gersten* und 
Weizenmehl, Zucker und Kakao.) 

Wegen seiner Leichtverdaulichkeit und hohen 
Nährkraft indicirt bei: 

Magen - und Darmleiden, Anaemie, 
Chlorose, Nervosität, Hyperem . gravid., 
Typhus abdornkünstlicher Ernährung, 
Scroph idose, Heconvalescenz . 

In vielen Hospitälern und Irrenanstalten ständig 
im Gebrauch. 

Preis der Dose M. 1.60 (300 g) u. M. 2.50 (500 g Inh.). 

Wissenschaftl. Urtheile, Analysen u. Gratismuster durch 

Dr. Theinhardt’s Nährmittel-Gesellschaft 

Cannstatt (Württbg.). 




Bönninghansens 

Therapeutisches Taschenbuch 

in neuer deutscher Auflage. 

Brosch. 10.— Mk., geh. 11.— Mk. 

Aufträgen sieht die Unterzeichnete Verlagshandlnng gern entgegen. 

A. Uarggrafs homöopath. Officin, Leipzig. 


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32 


Soeben ist im Verlage von Carl Gruner’s Homöopath. 
Officin, Leipzig und Berlin, erschienen: 

Die Heilung der Diphtherie 

auf homöopathischem Wege 

insbesondere durch 

Merciirius cyanatus. 

Rathschläge für Eltern. 

XI. Auflage der Dr. Villers* sehen Schrift. 

Theilweise neu bearbeitet 
von einem homöopathischen Arzte. 

Preis 50 Pfg. 

Alles Nähere aus der Besprechung in dieser Nummer 
ersichtlich. _ 

Im Verlage von A. Marggrafs Homöopath. Officin in 
Leipzig ist erschienen: 

Die homöopathische Behandlung 

der 

Augenkrankheiten 

sowie der 

Ohrenkrankheiten 

nach den Erfahrungen der homöopathischen 
Specialisten 

DDr. Vilas, Norton und Houghton 

zum Gebrauche für practische Aerzte. 
Bearbeitet von 

Dr. Th. Bruckner, 

homöopathischer Arzt in Basel. 

9*/i Druckbogen. 8°. Preis gut geh. M. 3.—, 
brosch. M. 2.50. 

Ausführliche Besprechung dieses Buches in No. 23/24 
des 128. Bandes dieser Zeitung. _ 

Im Verlage von A. MarggraPs homöopathischer 
Officin in Leipzig ist erschienen: 

Die vergleichende 

Arzneiwirkungslehre 

von 

Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering. 

Aus dem Englischen bearbeitet und herausgegeben 

von 

Sanitätsrath Dr. med. Faulwasser, Bernburg a. S. 

Complet geh. 20 Mark. 

Dieses neue Werk will den vorhandenen homöo¬ 
pathischen Arzneimittellehren keine Goncurrenz machen, 
denn nach Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe 
wesentlich von ihnen. — Es bringt Arzneivergleiche, 
Mitteldiagnosen, welche allein und ausschliesslich die 
Unterschiede je zweier derselben enthalten und in anti¬ 
thetischer Gegenüberstellung die betreffenden Verschieden¬ 
heiten scharf hervorheben. 

Diese vergleichende Arznei wirkungslehre ist vielmehr 
ein Supplement aller vorhandenen homöopathischen 
Arzneimittellehren. 

Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen 
homöopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer 
Zunge konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen. 

Jedem homöopathischen Arzte und gebildeten Laien 
ist die Anschaffung dieses Werkes dringend zu empfehlen. 


BAD UPPSPRIN6E 

Eisenbahn*Station Paderborn. 
Arminias-Quelle, stickstoffreiche Kalktherme. 
Erfolgreiches I unflOnnhthicO besonders im 
Heilmittel gegen l«UIIIJvll|JllllllöQ er8 ten Stadium. 
Asthma und Katarrhe der Respirations-Organe« 
Saison: Hai bis September« 
Pensions-Hotel; IfiirhoilC staubfrei inmitten 
neu renovlrt. ^1 llalla« des Parks gelegen. 
Auskunft durch die Brunnen-Administration. 


Im Verlage der Unterzeichneten Firma ist erschienen: 

Dr. Franz Hausmann’s 

Kleine Schriften. 

Nebst einem Anhänge: 

Handschriftlicher Nachtrag von Dr. Hausmann mit Satz¬ 
fehlerverbesserungen zu seinem grossen Werke: 
Ueber die Ursachen und Bedingungen der Krankheiten. 

Gesammelt und herausgegeben von 

Dr. C. Bojanus sen., Samara. 

Diese hochinteressante Sammlung wird Aerzten und 
Laien aufs Wärmste zum Studium empfohlen. Durch 
besondere Nebenumstände soll dieses 13 Druckbogen in 
Octavformat umfassende Buch broschirt zum billigen 
Preise von nur Mk. 1.50 verkauft werden, um ihm eine 
möglichste Verbreitung zu sichern. 

Leipzig. A. Marggrafs Homöopath. Officin. 



Das homöopathische Krankenhaus zu Leipzig 

(Sidonienstrasse No. 44) 

eröffnet im Sommer 1888 und Eigenthum des homöopa¬ 
thischen Central Vereins Deutschlands, nach Muster der 
besten und ersten Krankenhäuser und nach den neuesten 
Erfahrungen eingerichtet, wird den Anhängern und Freun¬ 
den der Homöopathie sowohl zur Benutzung in schweren 
Krankheitsfällen als auch zur wohlwollenden Unterstütz¬ 
ung aufs Wärmste empfohlen, damit auch Unbemittelten 
der Segen der homöopathischen Heilmethode zu Theil 
werden kann. Beitläge jeder Art, auch die kleinsten, 
nimmt der Kassenverwalter, Apotheker W. Steinmetz, in 
Firma A. Marggrafs homöopathische Officin in Leipzig, 
jederzeit dankbarst entgegen. 

Die neuen Statuten und Aufnahmebedingungen des 
mit einem Krankenpensionate I. und II. Klasse verbunde¬ 
nen homöopathischen Krankenhauses hierselbst können 
sowohl von der Direction desselben, wie auch von uns 
bezogen werden. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julius Mäser in Leipsig. 


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Band 139. 


Leipzig, den 3. August 1899. 


No.5 n. 6. 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG. 

Heraasgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle nnd Verlag von William Steinmetz (A. Marggrars homöopath. Offlcln) in Leipzig 

Thomaskirchhof 12. 

Erscheint litägig zu 2 Bogen. 18 Doppelnummem bilden einen Band. Preis 10 Af. 60 Pf . (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs -Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse 
in Leipzig und dessen Filialen öder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggraf*s homöopath. Offlcln in Leipzig) zu riohten 
3ind, werden mit 20 Pf, pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit S— 8 M, berechnet. 


Inhalt. Bekanntmachung, die am 9. und 10. August a. c. in Elberfeld stattfindende Generalversammlung des 
Homöopathischen Centralvereins Deutschlands betr. — Beobachtungen aus dem homöopathischen Krankenhause zu 
Leipzig. Von Dr.Stifft. — Blei-Vergiftung. Yon M. (Schluss.) — Ueber Apispräparate. Von Dr.Stiegele jun.-Stuttgart. — 
Aletris farinosa in Uterinkrankheiten. Von M. — L’Omiopatia in Italia. Von Dr. Mossa. — Einige Mittel bei Leiden 
der weiblichen Brustdrüsen. — Zur physiologischen Bestimmung der Lebensdauer des Menschen. Von M. — Nekrolog. 
Von Dr. Weidner-Breslau. — Zur Centralvereinsversammlung in Elberfeld. — Lesefrüchte. — Anzeigen. 


Schluss der Schriftieitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Die diesjährige 


Bekanntmachung. 


67. Generalversammlung des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands 


wird abgehalten werden 

am 9. und IO. August in Elberfeld 

im Hotel Weidenhof. Am Tage vorher, 8 . August, Nachmittags 4 Uhr, vorbereitende Sitzung der Materia- 
medica Commission in demselben Lokale, in dem die Generalversammlung tagt. 


Tagesordnung: 


Mittwoch, 9. August, im Hotel Weidenhof: 

Geschäfts-Sitzung, pünktlich Vormittags 8 Uhr: 

1. Abstimmung über die zur Aufnahme Angemel 

deten. 

2. Geschäfts-Bericht: 

a) des Vorstandes des Centralvereins, 

b) des Curatoriums des Krankenhauses, 

c) des dirigirenden Arztes desselben, 

d) des Vorstandes der Poliklinik. 

3. Rechnungslegung des Kassenverwalters und Er- 

theilung der Entlastung auf Grund der von dem 
vereideten Revisor vorgenommenen Revision der 
Kasse und der Rechnungsablage. 

4. Neuwahl bez. Bestätigung des Kassenverwalters. 

5. Neuwahl bez. Bestätigung des Institutsarztes. 

6. Bericht über die Vereinsbibliothek. 

7. Bestimmung des nächstjährigen Versammlungs¬ 

ortes. 

8. Bericht des Propaganda-Ausschusses. 

9. Bericht und Anträge des Ausschusses für die 

deutsche Arzneimittellehre. 


Lnträge: 

Der Berliner Verein homöopathischer Aerzte be¬ 
antragt, 

„dass von jetzt an der Director des homöo¬ 
pathischen Krankenhauses zu Leipzig verpflich¬ 
tet sein soll, alljährlich rechtzeitig vor der 
Generalversammlung dem Directorium einen ein¬ 
gehenden wissenschaftlichen Bericht über seine 
Thätigkeit einzureichen, sowie demselben auf 
Verlangen seine Kranken-Journale vorzulegen.“ 
Antrag der Vereinigung homöopathischer Aerzte 
Norddeutschlands: 

Das Curatorium des Krankenhauses wird alle 
drei Jahre von der Centralvereins Versammlung 
gewälilt; dasselbe muss ausser dem dirigirenden 
Arzte noch zwei andere ärztliche Mitglieder des 
Central Vereins als Mitglieder haben. 

Donnerstag, 10. August, Vormittags 9 Uhr: 

Wissenschaftliche Sitzung im Hotel Weidenhof. 

Gemäss dem Beschluss der vorjährigen General¬ 
versammlung übernimmt Herr Dr. Groos-Barmen 
den Vorsitz. 


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Nachtrag. 










u 


Vortrags-Themata: 

1. Herr Ober-Medicinalrath Dr. v. Sick über: „Pro¬ 
fessor Samuel und die Homöopathie —, mit ent¬ 
sprechender Zurückweisung des von dem Ge¬ 
nannten gegen unsere Heillehre gerichteten An¬ 
griffes.“ 


2. Dr. Gisevius jr. referirt über sein in der vor¬ 

jährigen Generalversammlung übernommenes 
Thema: „Perityphlitis-und ihre innerliche und 
chirurgische Behandlung.“ 

3. Discussion. 

4. Aufstellung neuer Themata für die nächste Jahres¬ 

versammlung. 


Fest - Programm: 


Dienstag, 8. August, im Hotel Weidenhof: 

Nachmittags 4 Uhr Sitzung der Materia-medica- 
Commission. 

Von Abends 8 Uhr an: 

BegrQssung im Hotel Weidenhof. 

Mittwoch, 9. August, Vormittags 8 Uhr, ebendaselbst: 
Geschäftliche Sitzung. 

Daran schliesst sich an: 


Donnerstag, 10. August, Vormittags 9 Uhr: 

Wissenschaftliche Sitzung ebendaselbst. 
Mittags 1 Uhr: Festessen im Speisesaale. 
Gegen 4 Uhr: Abfahrt nach Barmen mit der 
elektrischen Strassen bahn; daselbst mit 
Zahnradbahn nach dem TÖllethurm. Kaffee. 
Spaziergang durch die Barmer Anlagen nach 
der Stadthalle. 

Abends Conoert« 


•g 


a 

9 

bti 



Mittags 127t Uh*: Frühstück daselbst. 
Nachmittags 2 s / 4 Uhr: Abfahrt über Remscheid 
nach Station Sehaberg, von da nach Müng- 
sten, Kaiser-Wilhelm-Brüoke. — Kaffee. 
Abends Rüokfahrt. 


Absteige - Quartiere: Hotel Weidenhof, Hotel 
Post, Hotel Europäischer Hof, Hotel Kor- 
bach; alle in der Nähe des Bahnhofes. 
Zimmer vorher bestellen. 


Der Vorstand: 


Dr. Windelband-Berlin. Dr. Weber-Köln a. Rh. Dr. Rohowskj-Leipzig. 


Trotz Nachtrag und Berichtigungen sind immer noch Fehler im diesmaligen Festprogramm! So schreibt 
Herr Dr. Hammerschmidt, dass es ein Hotel Victoria seit 2 Jahren nicht mehr giebt; an dessen Stelle tritt Hotel 
Korbach. — Auch sei es noch nicht sicher, dass die Fahrt nach MQngsten in angegebener Weise erfolge. 

(Die „Expedition“ der „Centralvereins Mittheilungen“ und dieser Zeitung ist an diesen Fehlern schuld¬ 
los; sie hat drucken lassen, was ihr geschickt wurde.) 


Beobachtungen aus dem homöopathischen 
Krankenhause zu Leipzig. 

Von Dr. med. 8tifft, Leipzig. 

Zar Behandlung der acnten Pnenmonieen. 

(Schluss.) 

Wenn nun auch die Prüfungserscheinungen des 
Phosphor von Seiten der Brustorgane keine sehr 
hervortretenden und charakteristischen sind, — auch 
nach acuter Phosphorvergiftung hat man in den 
Lungen nur Hyperämie und Spuren katarrhalischer 
Entzündung gefunden; Moneret beschreibt allein, 
so weit mir bekannt, eine intensivere pneumonische 
Entzündung, und Schulz beobachtete bei Phosphor¬ 
fütterung Infarktbildung, — so gewinnen dieselben 
doch durch Zusammenhalten mit gewissen anderen 
Allgemeinerscheinungen ganz wesentlich an Bedeu¬ 
tung. Betrachten wir das Bild der acuten Phos¬ 
phorvergiftung, so treten zwei Formen, die häufig 
auch combinirt erscheinen, so sehr in den Vorder¬ 
grund, dass man daraufhin von einem Phosphoris¬ 
mus intestinalis acutus und einem Phosphorismus 
cerebrospinalis acutus gesprochen hat: Gastroenteritis 
mit heftigen Diarrhöen, Puls anfangs stark und 
erregt, später klein, erhöhte Temperatur, Dyspnoe 
mit Angst und Druckschmerz in der Brust, ab¬ 
hängig angeblich von einer Affection der Herz¬ 
nerven in Folge gebildeten Phosphorwasserstoffes, 


verstärktes Vesiculärathmen bei sonorem Percus¬ 
sionston, Unruhe, Zittern, Kopfschmerz, Delirien, 
Convulsionen. Vergleichen wir diese Erscheinungen 
mit manchen Fällen von Pneumonie, so tritt ge¬ 
legentlich eine ganz auffallende Aehnlichkeit der 
Symptome hervor, ja sogar bis zu dem bei Phos- 
phorvergiftung und bei Pneumonie beobachteten 
Icterus! Hierzu ein Krankheitsfall: 

Hermann W., aufgenommen am 5. April 1899 
mit einer Abendtemperatur von 41,1. Patient war 
vor ca. acht Tagen erkrankt mit allgemeinem Un¬ 
wohlsein, Appetitverlust, trockenem Husten, etwas 
Dyspnoe, heftigen Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit. 
Untersuchung ergab: Hohes Fieber, harten, frequen¬ 
ten Puls, verschärftes Athmen, besonders im rechten 
Unterlappen, mit spärlichen Rasselgeräuschen. Das 
geringe Sputum ab und zu blutig tingirt, bei 
tieferem Athmen unbestimmter Schmerz in der 
rechten Seite, wo dann auch Reibeger&usche hör¬ 
bar wurden, wodurch der Fall als eine Pleuro¬ 
pneumonie dextra anzusehen war. Es wird Aconit 8. 
gegeben und ein Priessnitz verordnet. 

Temperaturen: 



Morgens 

Mittags 

Abends 

6. 

April: 37,7 

— 

40,7 

7. 

„ 38,4 

— 

30,3 

8. 

„ 38,2 

— 

40,4 

9. 

„ 37,3 

37,0 

38,1 


Digitized by 


Google 


Berichtigungen, 


35 


6. bis 9. April: Zustand ziemlich der gleiche: 
Heftige Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Unruhe. 
Auf der Brust treten rechts unten stärkere Rassel¬ 
geräusche auf, Auswurf zäh, blutig gefärbt, keine 
Dämpfung. Am 9. Morgens Pseudokrise. 

Temperaturen: 


Morgens 

Mittags 

Abends 

10. April: 

39,1 

40,1 

38,8 

11. „ 

38,3 

39,0 

39,7 

12. „ 

37,0 

37,3 

40,1 

13. „ 

38,5 

37,9 

38,1 

14. „ 

36,6 

37,1 

36,6 


von da ab fieberfrei. 

10. bis 14. April: Stärkere Dyspnoe, heftige 
Brustschmerzen, Lungenbefund derselbe; Durchfall, 
leichte Delirien. Ord.: Bellad. 8. und Bryonia 3., 
welche etwas beruhigen. Am 12. Pseudokrise; 
tagsüber Befinden wieder schlechter, schneller 
Puls, starke Unruhe, Durchfall. Es wird Phosphor 6‘. 
gegeben. Abends Temperatur wieder 40,1, am 
anderen Morgen 38,5, und von da allmählicher 
Abfall. Schon am 13. tritt mehr Ruhe, etwas 
Appetit, in der folgenden Nacht Schlaf ein, Durch¬ 
fall plötzlich beseitigt. Vom 14. ab Reconvales- 
cenz mit auffallend schneller Besserung. Am 
10. Mai wurde Patient gesund entlassen. — Ich 
gebe zu, dass Phosphor vielleicht gerade in der 
Zeit der wahren Krise gegeben worden ist, obwohl 
der Temperatur*Abfall eigentlich nicht so auffallend 
wie bei den beiden vorausgegangenen Pseudokrisen 
war; jedenfalls aber war der normale Verlauf der 
Pneumonie gestört und wurde durch Phosphor auf 
das Günstigste beeinflusst. Neben Phosphor halte 
ich in diesen Fällen auch die Belladonna für häufig 
indicirt, besonders bei Hervortreten der Gehirn- 
und Darm-Erscheinungen, jedoch nur im Beginn 
der Erkrankung. 

Ich komme nun zu der dritten Form, den von 
mir als Eisenpneumonieen bezeichneten Entzün¬ 
dungen. Zu der Anwendbarkeit des Eisens in 
diesen Formen bin ich durch Rademacher ge¬ 
kommen, der in seiner Erfahrungs-Heillehre eine 
ganze Reihe von offenbar croupös-pneumonischen 
Lungenaffectionen beschreibt, die er als eine in 
den Lungen sich äussernde Störung des Gesammt- 
organismus ansieht und die er durch kein Mittel 
besser heilen konnte, als durch Eisen. Zum Zu¬ 
standekommen dieser Form gehört jedenfalls eine 
besondere Alteration des Blutes, wie ja auch die 
Affection des Gefässsystemes in ganz auffälliger 
Weise in den Vordergrund tritt: Pulsbeschleunigung, 
Aufregung und Angst, Blutungen, Schweisse. Ver¬ 
gleichen wir hiermit die Resultate homöopathischer 
Prüfungen, so finden wir als Allgemeinerscheinungen 
Erhöhung des Stoffwechsels, vermehrte Aus¬ 


scheidungen unter Eintritt von grösserer Schwäche, 
Anfällen von Zittern und Ohnmächten; Eisen ist 
ein mächtiges Reizmittel für alle Organe (Schulz). 
Im Besonderen treten hervor Congestivzustände, 
die sich auf zarteren Membranen (Conjunctiva) bis 
zu Entzündungserscheinungen steigern können, 
Herzklopfen, Athemnoth, Klopfen der Karotiden, 
Schlaflosigkeit, Nasenbluten, Hyperästhesie und 
Hitzegefühl auf der Haut, congestive Nerven¬ 
schmerzen. Valentinen beobachtete Blutungen (Apo¬ 
plexie) nach Gebrauch der Pyrmonter Stahlbrunnen. 
Nach fortgesetzten Fütterungen mit Eisensalzen hat 
man beiThieren Blutungen aus Nase, Maul und Uterus 
auftreten sehen. Bei acuten Vergiftungen treten 
die Allgemeinerscheinungen hinter die Aetzwirkungen 
der angewandten Präparate zurück. Jedenfalls 
wirkt das resorbirte Eisen auf die Bestandteile 
des Blutes in eigenthümlicher Weise ein; das 
Fibrin verliert seine Coagulationsfähigkeit. 

Wollen wir nun das Eisen nach homöopathischen 
Grundsätzen anwenden, so finden wir für dasselbe 
natürlich einen weit grösseren Wirkungskreis wie 
die alte Schule. Immer aber werden wir da, wo es 
passt, Irritationserscheinungen finden, nicht nur in 
acuten, sondern auch in chronischen Krankheiten. 
So wurde es auch von Rademacher gegen Delirium 
tremens, wo sich die irritirende Wirkung des al- 
koholisirten Blutes auf das Gehirn so deutlich aus¬ 
prägt, als gelegentliches Heilmittel erprobt. Die¬ 
selbe Erscheinung tritt oft genug im Verlaufe 
der Eisenpneumonieen hinzu. Hierzu ein Krank¬ 
heitsfall. 

Alfred 0., 33 Jahre, Schreiber, wurde am 
10. November 1898 in die Klinik aufgenommen. 
Beginn der Erkrankung Tags vorher mit Schüttel¬ 
frost. Temp. 38,8. Puls 120. Linker unterer 
Lungenlappen im Stadium der Anschoppung. Knister¬ 
rasseln, leichte Dämpfung. Dünnblutiger Auswurf. 
Grosse Aufregung, allgemeine Schweisse. Es wird 
Aconit gegeben. Nacht vom 10. bis 11. November 
sehr schlecht, Delirien alkoholischen Charakters. 

Temperaturen: 


Morgens 

10. November: — 

Mittags 

Abends 

38,8 

11. 

40,2 

40,2 

40,5 

12. 

38,8 

— 

37,4 

13. 

36,6 

— 

36,5 

14. 

36,3 

— 

37,1 

15. 

36,7 

— 

36,7 

16. 

36,8 

— 

36,6 


Am 11. November wird Ferr. acet Rademacheri 
gegeben, Abends bei 40,5 ein kühles Bad, worauf 
die Temperatur auf 39,3 fällt. In der Nacht 
wieder starke Delirien bei grosser Schwäche. Am 
12. November fällt die Temperatur vom Morgen 
bis Abend; die Unruhe, Schwäche und die Schweisse 

5* 


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36 


dauern an. Vom 13. November ab normale Tem¬ 
peratur mit Rückbildung aller Erscheinungen, spe- 
ciell auch der physikalischen Brustsymptome. Nur 
das Delirium tremens dauert trotz wiederholter 
Alkoholgaben in so heftiger Weise fort, dass zu 
Chloralhydrat gegriffen werden musste, dem in der 
Nacht vom 14. auf den 15. noch eine Morphium- 
Einspritzung hinzugefügt wurde. Von da ab war 
das Delirium wie mit einem Schlage unter Eintritt 
tiefen Schlafes geschwunden und der Zustand nor¬ 
mal. Vom 16. November ab wurde Phosphor ge¬ 
geben und der Kranke am 26. November gesund 
entlassen. — Wie in diesem Falle, so beobachtete 
ich auch in mehreren anderen meiner Privatpraxis 
die gleich gute Wirkung des Eisens; in 2 Fällen 
war ebenfalls ein heftiges Delirium hinzugetreten, 
doch dauerte dies nur kurze Zeit und schwand 
mit der Entfieberung von selbst, so dass weder Chloral¬ 
hydrat noch Morphium nöthig wurden. Zu diesen 
Mitteln aber werde ich unter gegebenen Umständen 
im Krankenhause wie in der Privatpraxis unbeirrt 
greifen, zum Wohle der Kranken, zur Beruhigung ' 
der Umgebung und meiner selbst. Es ist lächer- I 
lieh, in der homöopathischen Krankenhauspraxis | 
das Morphium verbieten zu wollen; wer dies thut, 
muss wenig Erfahrung und noch weniger ver¬ 
ständige Logik im Kopfe haben. — 

Es erübrigt, noch Einiges über den Verlauf und 
die Behandlung der in den Jahren 1890—99 be¬ 
obachteten 8 Fälle von katarrhalischer Pneumonie 
zu sagen. Hierunter waren 2, welche ältere Per¬ 
sonen betrafen, mit tödtlichem Ausgange; der eine 
Fall betraf eine Pneumonia catarrhalis, die zu einer 
bestehenden schweren Myocarditis, der andere eine 
Pneumonia catarrhalis, die zu einer Lebercirrhose 
hinzugetreten war. 

Bei kräftigen Leuten mittleren Alters verläuft die 
katarrhalische Pneumonie, wie bekannt, fast durchweg 
gut und ähnlich einer Capillarbronchitis, von der sie 
sich nur durch das höhere Fieber und die schwere¬ 
ren Allgemeinerscheinungen, gelegentlich auch durch 
den physikalischen Befund, unterscheidet. Bei Kin¬ 
dern und Greisen ist sie gefährlich. Wenn wir den 
Anschauungen der neueren Pathologen folgen, so 
müssen wir das Entstehen der katarrhalischen Pneu- | 
monieen nicht allein zurückführen auf eine Atelek- j 
tase der kleinsten Bronchien und Alveolen durch 
Verstopfung der Zuführungsgänge, denn die zu¬ 
führenden Bronchiolen können luftdurchgängig ge- i 
funden werden, sondern man muss zu ihrem Ent- 1 
stehen noch die Wirksamkeit entzündungserregender | 
Factoren heranziehen. Hierdurch erklärt sich auch 
das Auftreten schwerer lobulärer Pneumonieen im 
Gefolge des Typhus, des Keuchhustens, der Masern 
und Pocken. In ihrem Verlaufe führt die katar¬ 
rhalische Pneumonie zu reichlicher eiteriger Ein¬ 


schmelzung im Gegensätze zu der croupösen Pneu¬ 
monie, und bekanntlich auch gelegentlich zur 
Bildung von Broncliiektasieen und Lungeuabscess. 
Man beobachtet aber auch eine hämorrhagische 
Form, und diese ist es, die man klinisch vielleicht 
mit der von mir als zweite Form der croupösen 
Pneumonie, die eben auch mehr lobulär auftritt, 
verwechseln kann. Nach Symptomen und Verlauf 
glaubte ich aber die von mir beobachteten Fälle 
als croupöse auffassen zu müssen, Sectionsbefunde 
fehlten. Für uns Homöopathen ist übrigens diese 
Differentialdiagnose nur von wissenschaftlichem 
Interesse, insofern wir daraus Anhaltspunkte für 
die Erklärung unserer Mittelwirkungen zu gewinnen 
suchen. In praxi werden wir unter Umständen 
eine croupöse wie eine katarrhalische Pneumonie 
behandeln müssen, und ich möchte sogar speciell 
die schwereren Formen der Letzteren für eine 
Domäne des Phosphor erklären. Hier habe ich 
seine Wirksamkeit besonders nach Masern und 
Keuchhusten öfter glänzend bewährt gefunden, 
also gerade in den Fällen von lobulärer Pneumonie, 
die höchstwahrscheinlich wie die croupöse, in- 
fectiöser Natur waren. In den aus Capillarbronchitis 
hervorgegangenen, also mehr katarrhalischen Fällen 
habe ich besonders die Ammonium- und Antimon¬ 
salze angezeigt gefunden, wenn im Beginn Aconit, 
Bryonia oder Rhus nicht ausreichten. Die Wirkung 
der Ammonium- und Antimonsalze auf die Schleim¬ 
häute der Luftwege ist zu gut bekannt, um dar¬ 
über noch Besonderes sagen zu müssen. In An¬ 
wendung gezogen wurden: Ammonium carbonicum, 
Ammonium jodatum und Tartarus emeticus in 
dritter Decimalpotenz. In den beiden tödtlich ver¬ 
laufenen Fällen von katarrhalischer Pneumonie, die 
wahrscheinlich auf Hypostase beruhten, trat so 
schnell Lungenödem hinzu, dass von einer Mittel¬ 
wirkung nicht mehr die Rede sein konnte. Noch be¬ 
merke ich, dass ich bei der Behandlung der acuten 
Pneumonieen auch Werth legte auf die Anwendung 
roborirender Diät, lauwarmer Bäder und Priess- 
nitz’scher Umschläge. Dr. Stifft. 


Blei-Vergiftung. 

(Schluss.) 

Tremor ist bei der chronischen Bleivergiftung 
seltner als bei anderen Metallintoxicationen und 
erscheint theils in der Form des Tremor senilis 
oder mehr in der von Paralysis agitans, besonders 
in den nicht paralysirten Muskeln. Er kann aber 
auch die Lippen und Zunge befallen. Gelegentlich 
kommt wohl auch ein Krampf des Sphincter vesicae 
mit Dysurie vor. 


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37 


Erscheinungen in Folge örtlicher Application 
des Blei. Monorreau beobachtete an sich selbst eine 
deutliche Verminderung der Sensibilität an der 
Hautstelle, wo das Blei eingerieben wurde. 

Ein Schmied, der mit der Unken Hand in Blei 
gearbeitet hatte, an Kolik und Radialislähmung 
litt, zeigte am linken Arm eine ausgedehnte An¬ 
ästhesie, während die Sensibilität am rechten un¬ 
verändert war. Ein anderer Kranker, der stark 
mit Blei imprägnirte Schuhe trug, litt an Anästhesie 
beider Füsse, sowie an Parese einiger Unterschenkel¬ 
muskeln. 

Cerebrale Störungen . Encephalopathia saturnina. 
Störungen von Seiten der Hirnfunctionen treten zu¬ 
weilen bei einer schweren Bleivergiftung, hier und 
da auch bei leichteren Fällen auf, und sind diese 
acut, oder subacut oder chronischer Art. Kommt 
es zu einer Hemiplegie, so ist in der Kegel die 
motorische Lähmung nur gering, die sensible Stö¬ 
rung dagegen bedeutend, und es kann partielle 
oder vollständige Hemianästhesie erfolgen, welche 
auch auf die Specialsinne übergeht. Diese Er¬ 
scheinungen sind im Allgemeinen vorübergehend, 
also wohl nur die Folgen functioneller Störungen, 
wie sie bei Hysterischen Vorkommen. Diese Hemi¬ 
plegie ist aber nicht zu verwechseln mit der bei 
lange andauernder Bleivergiftung so häufig vor¬ 
kommenden und durch eine Hirnblutung bedingten. 

Viel häufiger beobachtet man allgemeine cere¬ 
brale Störungen, die sich in Convulsionen, Delirium 
und Coma äussern. Mitunter gehen leichtere Symp¬ 
tome, wie Schwindel, Geräusche in den Ohren, 
Tremor, Ruhelosigkeit und Schlaflosigkeit voraus. 
Die Convulsionen, gleich im Anfänge oder während 
des Deliriums auftretend, sind epileptiform und be¬ 
stehen aus tonischen und klonischen Spasmen; sie 
sind entweder allgemein oder ergreifen die eine 
Seite eher oder in stärkerem Grade. — Oft setzt 
das acute Delirium plötzlich ein und ist ungemein 
lebhaft mit einem hohen Grade von Erregung, zu¬ 
weilen mit Gesichts- yuid Gehör-Hallucinationen ver¬ 
bunden, so dass es, wenn auch Tremor saturni- 
nus vorhanden, mit dem Delirium tremens grosse 
Aehnlichkeit hat. Auf dies Delirium folgen meist 
Coma und Convulsionen; das erstere ist jedoch 
nicht absolut, so dass man den Kranken für einige 
Augenblicke aufwecken kann; doch fällt er schnell 
wieder in seine Bewusstlosigkeit zurück. Zuweilen 
begleitet leichtes Fieber die Hirnerscheinungen; 
der Tod kann unter wiederholten Convulsionen 
und tiefem Coma — durch Respirationslähmung 
eintreten. — Eine wichtige Begleitung dieser acu¬ 
ten Hirnaffection, die gar nicht selten erscheint, 
ist Neuritis optica. 

Es werden aber auch chronisch verlaufende 
Gehirnaffectionen, entweder im Anschluss an das 


acute Stadium oder selbständig, beobachtet. So 
hat man in mehreren Fällen von Bleivergiftung 
noch Jahre lang nach Ablauf der toxischen Ein¬ 
wirkung erscheinende Convulsionen gesehen, die in 
ihrem Charakter. und Verlauf mit denjenigen der 
gewöhnlichen Epilepsie Aehnlichkeit hatten, während 
andere Symptome fehlten. 

Psychopathia saturnina. 

Eine chronische Geistesstörung macht sich noch 
öfter geltend als obige Symptome. Die gewöhn¬ 
liche Form ist eine mit Delusionen verbundene 
Melancholie. Zuweilen treten psychische und moto¬ 
rische Erscheinungen auf, welche an die Dementia 
paralytica erinnern, aber sich schneller entwickeln 
als diese. Man hat auch eine echte allgemeine 
Paralyse der Irren mit Exaltationszuständen bei 
Bleikranken beobachtet, und sie mag auch auf 
Bleiintoxication zu beziehen sein. 

Wirkung auf das Sehorgan. 

Störungen von Seiten der Augen spielen bei 
der Bleivergiftung eine wichtige Rolle. Das Sehen 
kann beeinträchtigt sein, ohne dass ophthalmosko¬ 
pische Erscheinungen zu finden sind. Vollständige 
Amaurose, der urämischen ähnlich, ist beobachtet 
worden, auch da, wo sich keine nephritischen Symp¬ 
tome zeigten. Die unvollständige Amblyopie ist 
mit einer concentrischen Einengung des Gesichts¬ 
feldes und Störung des Farbensehens verbunden. 
Ferner hat man von ringförmigen Scotomen be¬ 
richtet, Gower vorübergehendes Grünsehen. 

Häufig findet man die acuten wie die chroni¬ 
schen Symptome der Bleivergiftung in so mannig¬ 
facher Weise combinirt, dass dadurch in den ein¬ 
zelnen Fällen ein ganz verschiedenartiges Krank¬ 
heitsbild zu Staude kommt. — Nicht immer besteht 
Kolik; die Lähmung kann auftreten, ohne dass eine 
Kolik vorhergegangen ist, und kann ihrerseits wieder 
fehlen, wenn Tremor und Schmerzen schon lange 
vorhanden sind. 

Pathologische Anatomie. 

Gewebsveränderungen finden sich nur da, wo 
das Blei mit Schwefel zusammenkommend mit die¬ 
sem eine Verbindung eingeht, vorzugsweise in den 
Fällen mit localisirter Lähmung und Atrophie. 

Die atrophischen Muskeln sind klein und blass, 
bisweilen gelblich und bröcklich. Bei Fällen von 
kurzer Dauer sind einzelne Muskelfasern schmaler 
als die normalen; zuweilen zeigt sich in den Striae 
eine Tendenz zu longitudinaler und transversaler 
Spaltung. Hat die Atrophie lange bestanden, so 
sind die Fasern überaus schmal, colloid- oder wachs¬ 
artig, häufig auch körnig oder fettig degenerirt. 
Schliesslich verschwindet jede Spur von Muskel¬ 
gewebe, an deren Stelle dann Bindegewebe er¬ 
scheint. 


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3 $ 


Die Veränderungen in den Nerven kommen in 
den intramuskulären Verästlungen besonders zum 
Vorschein, sind in den grösseren Aesten meist be¬ 
deutend, werden aber um so geringer, je weiter 
von der Peripherie der Nerv untersucht wird. Der 
Radialis und seine Aeste sind in erster Linie hieran 
betheiligt; doch sind nur selten alle Fasern des¬ 
selben degenerirt. In der Regel sind hier normale 
und degenerirte Fasern mit einander vermengt, und 
je weiter nach oben, desto zahlreicher werden die 
normalen Fasern. 

In der Mehrzahl der Fälle macht die Degenera¬ 
tion weit vor den vordem Wurzeln Halt; diese 
bleiben normal; doch hat man hier und da auch 
bei ihnen ähnliche Veränderungen, eine Mischung 
von normalen und degenerirten Fasern, wie in den 
peripherischen Nerven beobachtet. Die hintern 
Wurzeln waren stets intakt. So war auch im 
Rückenmark selbst bei lange bestehender Blei¬ 
lähmung keine Läsion nachzuweisen, ebenso im 
Hirn, selbst in den Fällen mit wohlmarkirten Hirn¬ 
erscheinungen. In den Hirnhäuten kamen zuweilen 
leichte Spuren von Entzündung vor, aber in dem 
Fall von Dementia paralytica war die Entzündung 
in der Pia und der äusseren Oberfläche der Dura 
deutlich ausgesprochen. 

Diese bei der Bleivergiftung nachgewiesenen 
pathologisch-anatomischen Befunde weisen deutlich 
auf einen der peripherischen Nerven treffenden 
Einfluss des Metalls hin, und die Kenntniss, die 
wir von dem Auftreten einer primären degenerativen 
Neuritis als die Folge vieler toxischer Agentien 
besitzen, wirft auch ein Licht auf die Pathologie 
der Bleivergiftung. Dieselbe ergreift die motorischen 
Fasern entschieden mehr als die sensiblen; dies 
unterscheidet die Bleivergiftung von der sonst 
analogen der AlcoholVergiftung, bei der auch die 
sensiblen Fasern afficirt werden. 

Die specifische Richtung der Bleivergiftung auf 
den Radialis beruht nach Gower ebenso auf einer 
besonderen Eigenthümlichkeit der Nerven, als auf 
einer solchen des Mittels, da ja auch von anderen 
Giften der Radialis vorzugsweise afficirt wird. 

„Es ist zweifelhaft, ob das Blei direct auf die 
Muskeln einwirkt. Die Ernährungsstörungen in 
ihnen und die Veränderungen ihrer elektrischen 
Erregbarkeit sind dieselben, wie sie bei primären 
Nervenaffectionen beobachtet werden, und sie er¬ 
klären sich durch die Annahme der Neuritis (ohne 
directe Einwirkung von Seiten des Bleies). 

Jedenfalls ist die Einwirkung des Bleies aber 
nicht bloss auf die peripheren Nerven beschränkt. 
In schweren Fällen können auch die motorischen 
Zellen des Rückenmarks und der vordem Wurzeln 
ergriffen werden. Wahrscheinlich haben die meisten 


Gifte, welche zuerst und hauptsächlich auf die 
peripheren Partieen der motorischen Nerven ein¬ 
wirken — auf die Peripherie des unteren Segments 
der motorischen Bahn — auch die Tendenz auf 
die Zellen, von denen die motorischen Fasern ent¬ 
springen, einzuwirken, somit also auf das ganze 
untere Segment. 

Viele Thatsachen sprechen ausserdem dafür, dass 
die „atrophische Paralyse“ der Muskeln, wo Atro¬ 
phie und Entartungsreaction schnell auf die Läh¬ 
mung folgen, von einer acuten Degeneration der 
peripheren Fasern abhängen, während die langsamer 
eintretende Atrophie mit der langsam entwickelten 
Paralyse und Entartungsreaction auf eine chronische 
Veränderung in den genannten Zellen des Rücken¬ 
marks zurückzuführen sind. 

Wichtigkeit des Bleisaums für die Diagnose der 
Bleivergiftung. 

Ein charakteristisches Symptom der Bleivergif¬ 
tung, das wir bisher nicht berührt haben, ist die 
Entstehung eines schmalen, bläulich-schwarzen 
Saums am Zahnfleisch, dicht an den Zähnen. Dieser 
Saum besteht aus Bleisulfat; der Schwefel stammt 
aus den Eiweisskörpern, die sich zwischen Zähnen 
und Zahnfleisch ansammeln. (Der bei der Silber¬ 
vergiftung vorhandene Saum ist dem Bleisaum 
ähnlich, dann dient die Hautverftlrbung als unter¬ 
scheidendes Merkmal der Argyrosis.) — Indessen 
kann der Bleisaum noch lange Zeit bestehen, nach¬ 
dem die Wirkung des Bleies im Körper längst auf¬ 
gehört hat. Der Saum wird selbst von Jodkalium, 
welches das Blei sonst aus den organischen Ver¬ 
bindungen der Gewebe löst und eliminirt, nicht 
immer beeinflusst. 

Man hat das Jodkalium denn auch therapeu¬ 
tisch benutzt, um die Elimination des Bleies aus 
dem Organismus damit zu erzielen. Das Jodblei 
ist zwar ein unlösliches Salz, es ist aber thatsäch- 
lich erwiesen, dass die Zufuhr von Jodkali die 
Ausscheidung des Bleies im Urin, vielleicht in einer 
complicirten chemischen Verbindung, sehr erhöht. 
Die Bleimenge im Urin nimmt dabei einige Wochen 
lang zu, um dann langsam zu sinken. 

So waren in einem Falle, bei dem vorher kein 
Blei im Urin nachweisbar war, auf täglich 0,3 Jod¬ 
kali am 1. Tage 0,005 im Harn enthalten; am 
4. 0,012, am 14. 0,022. Dann Hess die Menge 
langsam nach, und nach zwei weiteren Wochen 
waren nur noch Spuren vorhanden. Die ausge- 
schiedene Menge ist übrigens viel geringer als man 
erwarten sollte, vielleicht aus dem Grunde, dass 
die Leber, nicht die Niere, die Hauptmenge elimi¬ 
nirt. — So lange noch acute Erscheinungen be¬ 
stehen, wird man mit der Verordnung von Jod¬ 
kalium vorsichtig sein müssen, da durch das plötz- 


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liehe Freiwerden des bis dahin an die Gewebe 
gebundenen Bleies und die schnelle Aufnahme 
desselben in den Blutstrom die toxischen Einflüsse 
leicht gesteigert werden können. 

(Aus W. R. Gower’s Handbuch der Nerven¬ 
krankheiten. III. Band.) H. 


Ueber Apispräparate. 

Von Dr. Stiegele jun.-Stuttgart. 

Bis auf den heutigen Tag ist die Frage nach 
der Art des im Bienengift enthaltenen wirksamen 
Princips strittig. Den verschiedenen, hierüber auf¬ 
gestellten Hypothesen entsprechen die verschiedenen 
Darstellungsweisen der zu Prüfungs- oder Heil¬ 
zwecken gefertigten Präparate. Die einen Autoren 
plaidiren für die Aufnahme des Giftes durch Wasser, 
die anderen bevorzugen den alcoholischen Auszug. 
Zu den ersteren gehören Haie, Altschul, Marcy. 
Haie nimmt 10—12 lebende Bienen, wirft sie in 
eine Tasse und übergiesst sie mit heissem Wasser. 
Ausser diesem Verfahren schlägt er zwei Ersatz¬ 
methoden vor. Die Urtinctur, wie die drei ersten 
Verdünnungen, lässt er mit destillirtem Wasser an¬ 
fertigen, von der 4. Verdünnung an nimmt er reinen 
Alcohol. Die zweite Ersatzmethode nimmt eine 
Milchzuckerverreibung in Aussicht. Darüber später. 

Haie wie Altschul sind der Ansicht, dass der 
Alcohol das unverdünnte Gift zerstört und dass es 
in alcoholischer Lösung gerinnt. 

Den entgegengesetzten Standpunkt vertreten 
Hering, Humphrey und andere, denen die Deven- 
ter’sche und Scliwabe’sche Pharmacopöe im wesent¬ 
lichen gefolgt sind. Deventer verwendet weniger 
stark concentrirten Alcohol. Nach Schwabe werden 
„lebende Bienen in eine Flasche gebracht, durch 
Schütteln derselben zornig gemacht und mit der 
fünffachen Gewichtsmenge starkem Weingeist über¬ 
gossen. Durch acht Tage mit zweimaligem täg¬ 
lichem Umschütteln macerirt, wird diese Tinctur, 
indem man den oben stehenden klaren Theil ab¬ 
giesst, potenzirt.“ Nach Hering soll der Alcohol- 
rückstand nur die indifferenten Stoffe enthalten. 

Dieses Verfahren soll die leichte Zersetzlichkeit 
des Giftes in wässeriger Lösung vermeiden und die 
Gefahr der Verflüchtigung der besonders von Hering 
als wichtig betonten Stoffe verringern. 

So war der Streit unentschieden, bis neuere 
Untersuchungen Längere die Frage wieder brennend 
gestalteten, sie aber auch in manchen Punkten ihrer 
endgültigen Lösung nahe brachten. Im Folgenden 
seine Darstellung des Giftes und die damit ange- 
stellten Versuche. 


Stacheln sammt Adnexen werden in 06procenti- 
gem Alcohol gesammelt, nach Abflltriren des Alco- 
hols bei 40° getrocknet, dann zu einem feinen 
Pulver verrieben und dieses wiederholt mit Wasser 
extrahirt. Durch Filtriren dieses wässerigen Ex- 
tractes erhielt er eine klare, gelblich-bräunliche 
Flüssigkeit, welche bei ihrer Anwendung je nach 
der Concentration typische Reaction hervorrief. 
Diese typische Reaction bestand darin, dass bei 
subconjunctivaler Injection oder auch wie später 
bei einfacher Einträufelung in’s Auge reichlicher 
Lidschlag, Lidschluss, Abwischbewegungen mit den 
vorderen Extremitäten, Thränenfluss, Hyperämie 
und Chemosis der Conjunctiva erfolgte. Je nach 
der Concentration zeigte sich nun früher oder 
später reichlich eitriger Inhalt im Conjunctivalsacke 
und croupöser Belag auf der Conjunctiva. Die Er¬ 
scheinung war so prompt eintretend, dass sie 
schon durch einen Tropfen mit einem Gehalt von 
0,00004 g nativen Giftes hervorgetufen wurde. 
Bezüglich des Einflusses, den das Bienengift auf 
thierische Gewebe auszuüben vermag, theilt Langer 
vorläufig Folgendes mit. 

„Das Aufträgen des genuinen Bienengiftes oder 
einer 2procentigen Giftlösung auf die unversehrte 
Haut vermag absolut keine reizende Wirkung her¬ 
vorzurufen, während die Schleimhaut der Nase und 
des Auges in specifischer Weise reagiren. Appli- 
cirt man hingegen das native Gift oder Tröpfchen 
von wässerigen Giftlösungen in kleinste Schnittwunden 
oder sticht durch ein solches Tröpfchen mit einer 
Nadel in die Haut ein, so tritt das verschieden 
stark ausgeprägte Bild auf, welches wir beim ein¬ 
zelnen Aculeatenstich beobachten können. Eine 
solche „ catane “ Application, wo das Gift nicht 
unter die Cutis gelangt, ruft bekanntlich nach der 
Art des stechenden Insectes verschieden starken 
Schmerz hervor; um die Stichstelle bildet sich eine 
an Ausdehnung sichtlich zunehmende Quaddel, die 
Anfangs blass erscheint, allmählich aber sich aus¬ 
breitend mit randständigen, unregelmässig gezackten 
Ausläufern in einen bis über handtellergrossen 
Herd entzündlicher Röthung und Schwellung über¬ 
geht, in dessen Centrum man die Stichstelle nur 
mehr als ein kleines miliares Knötchen erkennen 
kann, welches öftere einen kleinsten Blutpunkt 
zeigt. Dieses kleine, derb anzufühlende Knötchen 
überdauert oft tagelang die einzelne Stichverletzung, 
während die Erscheinungen der örtlichen Entzündung 
(Röthung, Schwellung) in der Regel binnen 48 Stunden 
verschwinden. 

„Die subcutane Application einer lprocentigen 
bis 2procentigen Lösung genuinen oder trockenen 
Giftes verursacht gleichfalls Schmerz. Die Thiere 
(Kaninchen und Hunde) zeigen sich nach der In¬ 
jection sehr unruhig und führen Abwehrbewegun- 


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gen gegen die Jnjectionsstelle hin aus. Die durch 
die injicirte Flüssigkeit abgehobene Hautpartie nimmt 
binnen 2 Stunden, wo bereits vollständige Resorp¬ 
tion stattgefunden hat, allmählich eine blasse Farbe 
an, während in dem randständigen Oedem bis über 
linsengrosse Suffusionen auftreten, und die Blut¬ 
gefässe der Umgebung sich stark gefüllt zeigen. 
Während nun im Verlauf von 2—8 Tagen das 
Oedem um den Injectionsbezirk fast vollständig 
verschwindet, und die randständigen Suffusionen 
ihre regressive Metamorphose antreten, nimmt die 
primär anämische Stelle derbere Beschaffenheit an 
und bildet sich im weiteren Verlaufe zu einem 
trockenen, lederartigen, von der Unterlage unab¬ 
hebbaren, braunen Schorf aus, der erst nach Wochen 
abgestossen wird.“ 

Auf die Wirkungen der intravenösen Applica¬ 
tion will ich jetzt nicht eingehen, da sie dem Zweck 
dieser Zeilen ferner liegen. 

Langer steht also mit seiner Darstellungsweise 
den principi^llen Anschauungen Hale’s, der nur 
eine Löslichkeit des Giftes in wässerigem Medium 
für möglich hält, nahe. Er betrachtet also nur den 
Alcoholrückstand als wirksam in schroffem Gegen¬ 
satz zu Hering, der in dem alcoholischen Auszug 
minus Rückstand das speciiische Agens vermuthet. 
Nun fehlt allerdings in den Langer’sehen Versuchs¬ 
reihen der noch zu erbringende Beweis, dass der 
alcoholische Auszug minus Rückstand unwirk¬ 
sam sei. 

Diese Lücke der Beweisführung habe ich in 
den nachstehenden Versuchen auszufüllen unter¬ 
nommen. Ich benutzte dazu eine Apis-Urtinctur, 
ein Präparat, das, den Hering’schen Hypothesen zu 
Folge, einen grossen Gehalt nativen Giftes voraus¬ 
setzen Hess und einen alcoholischen Auszug minus 
Rückstand darstellt. Ebenso war mit Bestimmtheit 
zu erwarten, dass die Versuchsergebnisse sich mit 
den Langer’schen decken würden, da ja dieselbe 
Giftspecies mit ähnlichen quantitativen Bedingungen 
zur Anwendung kommen sollte. 

1. Ich träufelte in mein linkes Auge in zwei 
zeitlich von einander getrennten Versuchen je einige 
Tropfen des Präparates ein. Es erfolgte reichlicher 
Thränenfluss, der Abwisc^reflex stellte sich eben¬ 
falls prompt ein — aber eine typische Reaction 
der Conjunctiva, wie sie von Langer vielfach be¬ 
obachtet und beschrieben worden ist, stellte sich 
in keinem Falle ein. Die auftretenden oben ge¬ 
nannten Symptome wie Thränensecretion etc. er¬ 
scheinen ebenso prompt bei Anwendung concen- 
trirten Alcohols. 

2. Der Cutis meines linken Armes incorpo- 
rirte ich durch 7 Schnittchen das Präparat; unter 
lebhaftem Jucken entwickelten sich Infiltrationen 
mit geringer Erhebung über das Niveau der Um¬ 


gebung, die eine gleichmässige hellrothe Verfärbung 
aufwiesen, und unter allmählich abnehmendem 
Juckreiz binnen 24 Stunden verschwunden waren. 
Von einer Quaddelbildung und anderen für das 
incorporirte Bienengift specifischen Erscheinungen 
war nicht der geringste Ansatz zu bemerken. Zu¬ 
dem wies ein am rechten Arm mit 96 procentigern 
Alcohol angestellter Controlversuch genau die näm¬ 
lichen Erscheinungen auf. 

3. Eine subcutane Injection einiger Tropfen 
der Tinctur in meinen rechten Arm bewirkte hef¬ 
tige, brennende Schmerzen, die sich im Zeitraum 
einer halben Stunde verloren; eine starke Infiltra¬ 
tion war noch nach 24 Stunden zu fühlen. Das 
waren die einzigen örtlichen Symptome. Also keine 
Quaddelbildung, kein randständiges Oedem mit 
Suffusionen und stark gefüllten Blutgefässen, keine 
Spur von der Reaction, wie wiT sie nach Bienen¬ 
stichen zu sehen gewohnt sind. Allgemeine Symp¬ 
tome traten überhaupt nicht in Erscheinung. 

Bei einer zweiten Versuchsperson verfuhr ich 
in derselben Weise. Die Einträufelung in die 
Conjunctiva unterliess ich hierbei wie auch später; 
gegenüber der Reaction, wie sie bei cutaner und 
subcutaner Application des Giftes erfolgt, erscheint 
mir die conjunctivale Versuchsform im Gegensatz 
zu Langer nicht einmal so charakteristisch. Bei 
Erforschung der Specifität müssen wir uns zu Ver¬ 
gleichszwecken doch an die Gewebe halten, die 
bereits als Träger significanter toxicologischer Ein¬ 
wirkung bekannt sind; dass aber von den Bienen 
die Conjunctiva mit besonderer Liebhaberei als 
Giftdepot benutzt würde, dürfte selten möglich ge¬ 
wesen sein. Lewin weiss nur von einem typischen 
Fall. Es muss daher das von Langer dort erzeugte 
pathologisch-anatomische Bild gegenüber den häufi¬ 
gen specifischen Veränderungen des Unterhautzell¬ 
gewebes in seiner Bewerthung zurückstehen; dazu 
kommt, dass das bewirkte anatomische Bild auf 
dieser Schleimhaut auch zu leicht durch andere 
Bedingungen wie Fremdkörper, Erkältung etc. ge¬ 
schaffen wird. Auch bei der Fern Wirkung des in 
die Haut gelangten Bienengiftes ist die Conjunctiva 
nur in sehr seltenen Fällen betheiligt. Das Re¬ 
sultat der genannten Versuche war, wie bei meiner 
eigenen Prüfung, ein negatives, und blieb es, nach¬ 
dem ich in die Versuchsreihe noch eine dritte Person 
aufgenommen hatte. 

Was ergiebt sich zunächst aus den Langer 1 sehen 
und meinen Versuchen? Die Hering’sche Ansicht, 
der Alcoholrückstand enthalte nur indifferente Stoffe, 
ist absolut unhaltbar. Es erscheint im Gegentheil 
der Schluss berechtigt, den Mangel an wirksamen 
Bestandteilen der Tinctur zuzuschieben. Bei dieser 
Negation des experiraentellen-therapeutischenWerthes 
genannten Präparates muss jedoch eine moderirende 


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41 


Einschränkung gemacht werden, auf die ich später 
zurückkommen werde. Allein sicher ist, dass bis¬ 
her mit falschen theoretischen Voraussetzungen ge 
arbeitet wurde. Man wollte auch das Bienengift 
in die grosse Zahl der Stoffe einreihen, die eine 
wirkungsvolle Bestätigung des Aehnlichkeitsgesetzes 
enthalten. Die toxicologische Grundlage der ganzen 
Beweisführung war in überzeugendster Art durch 
die vermittelst Bienenstiche unfreiwillig erfolgenden 
Prüfungen am gesunden Menschen gegeben. Die 
klinische Anwendung musste nunmehr durch niedriger 
gewählte Dosen die Möglichkeit therapeutischer Be¬ 
einflussung von Krankheitserscheinungen ähnlich 
dem durch Bienenstiche erzeugten Symptomenbild 
erhärten. Jetzt sind wir an der Fehlerquelle. Der 
Beweis wurde geführt mit einem Präparat, das in 
Folge Mangels an specifischen wirksamen Stoffen 
nicht einmal die toxicologischen Vorbedingungen 
erfüllen, geschweige denn deren klinische Bestäti¬ 
gung gewährleisten kann. 

Nachdem ich diese Beobachtung gemacht hatte, 
war die ganze Reihe des „klinischen Materials“, 
das ich mir gesammelt hatte, in seiner Bedeutung 
erheblich geschmälert. Ich habe jeden Fall mit 
kritischem Urtheil gemustert und kam dabei zu der I 
Erkenntniss, dass bei den ein wandsfreiesten und 
überzeugendsten Krankengeschichten entweder na- j 
tives Gift oder eine wässerige Lösung desselben 
zur Anwendung gekommen war. Ich möchte hier¬ 
bei namentlich an die von Haie und Mayländer 
beschriebenen Fälle erinnern; sie erhalten ihren 
besonderen Werth noch durch die Exactheit der 
Diagnose wie durch die lange, bis zur Application 
des Mittels verstrichene Dauer ihres Bestehens. 
Nun hat Hering unter bedauerlicher Ignorirung der 
im Rückstand enthaltenen Agentien den therapeu¬ 
tischen Hauptwerth auf die flüchtigen Stoffe ge¬ 
legt. Welcher Art dieselben sind und inwiefern 
die Ameisensäure bei ihren Effecten betheiligt ist, 
ist noch unentschieden und kann vorderhand auch 
unberücksichtigt bleiben. Der Hering’sche Gedanke 
an sich stellt schon einen so wichtigen Gesichts¬ 
punkt dar, dass sich eine gewisse Reserve in der 
vollständigen Ablehnung Herings wohl verstehen 
lässt. In den alcoholischen Auszug gehen die 
flüchtigen Stoffe über. An sie haben wir wohl zu 
denken, wenn man die mit grossem Energieaufwand 
verfochtenen Behauptungen erfahrener Praktiker 
über Apisheilungen hört. Viel eindringlicher sprechen 
aber zu Gunsten der flüchtigen Agentien die Prüfun¬ 
gen, die von dem württembergschen Verein homöo¬ 
pathischer Aerzte angestellt wurden und an anderer 
Stelle veröffentlicht werden. Wenn man die Prüfungs* 
resultate studirt, so drängt sich aus einer gewissen 
gesetzmässigen Folge der Erscheinungen, aus dem 
wiederholten Auftreten gleicher Symptome bei ver¬ 


schiedenen Individuen, aus der Congruenz charak¬ 
teristischer Momente der neuen Prüfung mit denen 
der vor Jahrzehnten angestellten, die Ueberzeugung 
von specifisch wirkenden Stoffen auf. Das sind die 
flüchtigen Principien. Dem widerspricht auch nicht 
die Beobachtung, dass bei recht hohen Potenzen 
charakteristische Symptome auftreten. Gerade aus 
den physikalisch-chemischen Eigenschaften flüchtiger 
Stoffe heraus verstehen wir das Auftreten solcher 
Erscheinungen. Ihre Energetik ist bekanntlich von 
der Oberflächenvergrösserung in hohem Maasse ab¬ 
hängig. Damit stimmen auch die Erfahrungen ge¬ 
wiegter Praktiker, die eine specifische Wirkung nur 
bei Verabreichung höherer Potenzen feststellen 
konnten. Ferner steht der Fall, dass hochdifferen- 
zirte Protoplasmagebilde und ihre Derivate noch in 
hohen Verdünnungen specifisch zellreizende Eigen¬ 
schaften entfalten, durchaus nicht ohne Anteceden- 
tien. Ich erinnere nur an die Wandlungen, die 
die Tuberkulintherapie seit ihrem ersten Auftreten 
in der Dosirungsfrage gemacht hat; man ist da all¬ 
mählich factisch zu homöopathischen Potenzen her¬ 
untergegangen *). 

Wenn man sich nun das bisher Gesagte über¬ 
legt, so muss sich einem Jeden ein mächtiges Be- 
dürfniss, vollends klar zu sehen, aufdrängen. Wir 
wissen, dass wir gegenwärtig mit zwei Präparaten 
arbeiten, die allem nach in physiologischer wie 
therapeutischer Hinsicht grosse Differenzen auf¬ 
weisen. Auf der einen Seite Apis, das in seiner 
Bereitungsweise Hering’schen Anschauungen ent¬ 
spricht; demgegenüber Apisin, das den Voraus¬ 
setzungen Langers und Haies nahekommt. Wir 
kennen den Charakter der Apispräparate aus den 
angestellten Prüfungen und den klinischen Ver¬ 
suchen. Wir können zugeben, dass bei der Hering’¬ 
schen Darstellungsart das Aehnlichkeitsgesetz zu 
seinem Recht gelangt, wenn man als tertium com- 
parationis die flüchtigen Stoffe annimmt. Ueber 
Apisin wissen wir wenig. Seine ersten Potenzen 
stellen Milchzuckerverreibungen der wässerigen Gift¬ 
lösung dar. In ihm sehen wir die Vereinigung 
aller wirksamen Principien, denn durch die Milch¬ 
zuckerverreibungen werden auch die flüchtigen 
Stoffe gebunden. Es wäre daher logischer und dem 
Sprachgebrauch entsprechender, den dem alcoholi¬ 
schen Auszug entstammenden Präparaten den Namen 
Apisin beizulegen, da sie mit der willkürlichen Los¬ 
lösung einzelner Bestandtheile (der flüchtigen Körper) 
vom wirksamen Ganzen eine subordinirte Begriffs¬ 
stellung erhalten. 

Diese Loslösung kann nicht gutgeheissen werden. 
Sie hat dazu geführt, dass die Aehnlichkeitsbeziehun- 
gen auf unzureichender Basis aufgebaut wurden. 

•) oder hinaufgestiegen. Red. 

6 


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42 


Die Bestandteile des Giftes, die für die Verglei¬ 
chung von Vergiftungssyniptomen und Krankheits- 
erscheinungen die wichtigsten Anhaltspunkte bieten 
mussten, wurden von vornherein ignorirt. 

Es war von jeher das Bestreben der homöo¬ 
pathischen Arzneiverordnungslehre, das Individuum, 
gleichviel welchem Naturreich entstammend, als 
solches zu prüfen und therapeutisch zu verwerten. 
Warum denn bei Bienengift eine Abspaltung vor¬ 
nehmen? 

Die Entwickelung der Digitalistherapie ist am 
besten geeignet, zu zeigen, dass die Zerstörung der 
individuellen Einheit, die Loslösuug einzelner Alca- 
loide von dem Charakter der ganzen Pflanze für 
die Verwendung am Krankenbett zu unverlässlichen 
Wirkungen führt. Ich verkenne damit keineswegs 
den Werth der Beobachtungen, die uns aus den 
Forschungen nach der Wirkung der Alcaloide der 
Nerven und Muskelgifte (Morphin, Strychnin etc.) 
erwachsen sind — werden ja doch dabei Hahne- 
mann’sche Postulate nach möglichster Vereinfachung 
medicamentöser Verordnungen erfüllt — nur ein 
analytisches Vorgehen, erst nach gründlicher Unter¬ 
suchung der Totalwirkungen die Erkenntniss der 
durch einzelne Componenten gesetzten Effecte an¬ 
zustreben, möchte ich damit befürworten. 

Mein Zögern gegenüber der Veröffentlichung 
der therapeutischen Qualitäten des Bienengiftes in 
dem ersten Band der neu zu schaftenden Arznei¬ 
mittellehre dürfte durch meine Darlegungen ge¬ 
nügend motivirt sein. 

Abgesehen von den sachlichen Schwierigkeiten, 
die sich namentlich auch auf das pharmaceutische 
Gebiet erstrecken, wäre es ein schwerer, tactischer 
Fehler, das junge Werk von vornherein mit einem 
solchen Conto von Unsicherheit zu belasten. Die 
Vorschläge, die sich für mich als Schlussfolgerungen 
aus dem Gesagten ergeben, unterbreite ich der 
collegialen Kritik. 

Es ist unumgänglich nothwendig, dass das bis¬ 
her als Apisin bezeichnete Präparat der experi¬ 
mentellen Prüfung und der therapeutischen Ver¬ 
wendung mehr wie bisher zugetheilt wird, da es die 
Hauptbestandteile des Giftes in sich vereinigt. Die 
Frage nach der Concentration des zur Darstellung 
nötigen Alcohols ist ebenfalls experimenteller 
Prüfung zu unterziehen. Nächstdem ergiebt sich, 
dass der Gebrauch der bisher gebräuchlichen Apis- 
tinctur und der ihr entstammenden Potenzen, weil 
zu falschen Schlüssen führend, nicht ratsam ist; 
zum mindesten muss der Kreis der Indicationen 
ganz bedeutend eingeengt werden. In der Tendenz 
dieser Arbeit kann es nicht liegen, weiteres darüber 
auszuführen; es ist das Sache späterer Versuche. 


Aletris farinosa in Uterinkrankheiten. 

Wir haben oft darüber zu klagen, dass so 
manche von der homöopathischen Schule geprüfte 
und therapeutisch verwertete Heilmittel von Aerzten 
der alten Schule als Specifica in gewissen Krauk- 
heitszuständen, ohne Angabe der Quelle, woraus sie 
geschöpft haben, in die medicinische Welt, ja ins 
grosse Publikum hinausgeworfen werden; wir dürfen 
aber auch nicht vergessen, dass ein Theil der neuen 
amerikanischen Mittel der Praxis der amerikanischen 
Eklektiker entlehnt, nur teilweise oder noch gar 
nicht geprüft, von homöopathischer Seite aufgenom¬ 
men worden ist. Zu diesen letzteren gehört auch 
Aletris farinosa. Haie giebt freilich in seinen 
„Neuen amerikanischen Heilmitteln“ eine kurze 
Pathogenese dieser Arzneipflanze; doch sind die 
aufgeführten Symptome grösstenteils ex usu in 
morbis entnommen. 

Farrington charakterisirt das Mittel in seiner 
„Klinischen Arzneimittellehre“, p. 307, ganz treffend 
dahin: ,,Das ist eine der bittersten Substanzen, die 
wir kennen. Sie ist sehr nahe bei Senecio und 
Helonias. Nach allopathischer Sprachweise ist sie 
ein Tonicum. Sie ist besonders nützlich bei Frauen, 
die ausser Uterinleiden und Weissfluss hartnäckige 
Verstopfung haben und sich sehr abquälen müssen, 
um eine Entleerung zu bewerkstelligen. Viel 
schaumiger Speichel häuft sich im Munde an. Hier 
muss auch noch erwähnt werden, dass, wo Aletris 
Heilmittel ist, Schwäche der Verdauung sich findet; 
Speisen belästigen die Kranken und liegen schwer 
im Magen.“ 

Wir sind letzthin an dieses Mittel sehr lebhaft 
erinnert worden durch eine jener uns überschwem¬ 
menden kleinen Brocliüren aus den Officinen der 
chemischen Industrie. In der Regel wirft man diese 
Schriftchen alsbald nach einem flüchtigen Blick in 
den Papierkorb, zumal wenn sie einem in so fettem 
grossen Druck, wie dies mit der Ueberschrift Aletris 
Cordial (Rio) unter die Augen kommen. Doch hier 
und da lohnt es sich, von solchen Dingen Notiz zu 
nehmen. 

Der Aletris Cordial ist ein aus der Aletris fari¬ 
nosa, dem amerikanischen Einhornbaum, mit ver¬ 
schiedenen aromatischen Stoffen hergestelltes Prä¬ 
parat — doch scheint die Wirkung der Aletris von 
diesem Beigemengsei nicht gar sehr modificirt zu 
werden, wie man aus den mitgetheilten Kranken¬ 
geschichten, wenn diese eben glaubwürdig sind, 
schliessen kann. 

So berichtet 1. c. ein Dr. med. Goliner-Erfurt 
über die guten Erfolge, die er mit diesem Prä¬ 
parat bei dysmenorrhöischen Frauen und Mädchen 
und den Menstruationsstörungen bleichsüchtiger Mäd¬ 
chen erzielt hat, wo es das Eisen weit hinter sich 


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43 


lasse. — Auch bei ausgesprochenen Fällen von 
Hysterie hat es ihm gute Dienste geleistet, so bei 
folgender Patientin: 

Eine 87 j. Frau, Mutter von 3 Kindern, klagte 
über hysterische Beschwerden und Menorrhagieen. 
Die Untersuchung ergab: Hypertrophie der ver¬ 
längerten Portio vaginalis, Descensus und Retro- 
versio Uteri. Später litt sie an einer Perimetritis 
mit starker Exsudatbildung. Auf der Höhe dieser 
Krankheit kam es zu heftigen hysterischen Krämpfen 
und Depressionserscheinungen, besonders zu Ohn¬ 
mächten. Anästhesie der Haut und Muskeln, so¬ 
wie partielle Hemiplegie wurden gleichfalls bei 
ihr beobachtet, abwechselnd mit Delirien. Narco- 
tische und antihysterische Mittel brachten nur vor¬ 
übergehende Erleichterung. Jetzt erhielt Patientin 
Aletris Cordial, 2 Mal täglich 1 TheelÖffel. Der Er¬ 
folg war günstig. Die Krämpfe und andere hyste¬ 
rische Beschwerden gingen zurück, das Allgemein¬ 
befinden der Patientin besserte sich zusehends. — 
Ob das Mittel auf die pathologischen Veränderun¬ 
gen des Uterus eingewirkt habe, sagt Verf. frei¬ 
lich nicht. M. 


L’Omiopatia in Italia. 

XXXV. Heft. 1899. 

Das Organ des homöopathischen italienischen 
Instituts berichtet wieder über einen langsamen, 
wenn auch stetigen Fortgang unserer Sache in 
Italien. So hat das dispensario omiopatico in Turin 
im Laufe des Jahres 1898 eine kleine, aber fort¬ 
schreitende Zunahme in der Zahl der dort Hilfe¬ 
suchenden zu melden, — eine Thatsache, die um 
so bemerkenswerther ist, als sich die Anzahl der 
Ambulatorien und (unentgeltlichen) Polikliniken fast 
monatlich in Turin vermehrt, in dem Maasse, 
dass den armen Kranken nur die Qual bei der 
Wahl bleibt. Freilich nicht allen dieser Ambu¬ 
latorien ist ein blühendes und kräftiges Leben be¬ 
stimmt; wie viele siechen nach einem kurzen Zeit¬ 
raum scheinbaren und flüchtigen Wohlseins an 
Inanition dahin; ja Collegen, welche sich an den 
öffentlichen Ambulanzen betheiligen, gestehen offen, 
dass es sonst die Kranken waren, welche auf den 
Arzt warteten, während es jetzt der Arzt ist, der 
auf die Kranken wartet. — Wie in den früheren 
Jahren, so stellten auch in diesem die Augen¬ 
kranken das grösste Contingent. Dass man ein so 
zartes Organ, wie das Auge, mit der grössten Be¬ 
hutsamkeit behandeln müsse, zu dieser Erkenntniss 
scheinen endlich auch viele allopathische Aerzte 
gekommen zu sein, indem sie vom Sublimat so 
schwache Lösungen, wie 1:10000, ja selbst 30 000 
anwenden. 


Es wurden Verordnungen gemacht 4493 
Besuche im Hause der Kranken . 152 

4645 

Consultationen von Dr. Bottino in 

der Apotheke und im Hause . 893 

5538 

Für die innerliche Behandlung sorgen DDr. G. 
Boniuo, C. Bottino und V. Rabajoli; für die chirur¬ 
gische die DDr. S. Denattris und M. Serivano. — 

Ueber das homöopathische Dispensarium in 
Florenz erstattet Dr. Baldelli einen ausführlichen 
Bericht, aus dem wir einige praktische Blüthen 
pflücken wollen. 

Unter den Krankheiten der Atlimungsorgane ist 
ein Fall von Pleurodynie hervorzuheben. Der 
Schmerz trat linkerseits äusserst heftig auf und ver¬ 
schlimmerte sich bei der kleinsten Bewegung unter 
grosser Dyspnoe. 

Ranunculus bulbosus brachte sofortige Erleich¬ 
terung, und zwar in der 3. Dil., während die 
höheren nicht anschlugen. 

Interessant ist die Heilung zweier Fälle von 
langwieriger Diarrhöe bei jungen Kindern, wo die 
in Folge von Schreck erstandene Krankheit allen 
Mitteln der alten Schule 3 Monate lang Trotz ge¬ 
boten, während sie auf wenige Gaben Ignatia 80. 
bald nachliess, — eine gute ätiologische Kur! 

Zincum 200. und 1000. erwies sich sehr wirk¬ 
sam bei der Enuresis eines jungen Mädchens, die 
nur bei Tage beim Gehen und Stehen sich zeigte. 

Ein armes Mädchen war an einem acuten Ge¬ 
lenkrheumatismus erkrankt. Einreibungen von Ich¬ 
thyol auf die Gelenke hatten die Schmerzen in 
denselben beschwichtigt, so dass das Kind geheilt 
schien, aber Tags darauf entwickelten sich die 
Zeichen einer Endocarditis. Dr. Baldelli fand die 
kleine Patientin in einem Zustande angstvoller 
Qual mit Cardiopalmus, etwas Fieber, spärlichem 
Urin, wogegen Strophantus und Digitalis nichts 
ausgerichtet hatten. Er verordnete Abrotanum 80. 
Dies besserte zwar die Herzsymptome, rief jedoch 
die Gliederschmerzen wieder hervor, die ihm nun, 
sowie dem später gereichten Cactus grandifl., nicht 
weichen wollten, sondern sich noch verschlimmerten 
und durch ihre Flüchtigkeit das Kind sehr herunter¬ 
brachten, so dass es schliesslich seinem Leiden er¬ 
lag; betrauert von seinen Eltern, die der hieran so 
unschuldigen Homöopathie den schlimmen Ausgang 
zuschrieben, obgleich Dr. B. ihnen von Anfang an 
in diesem übel zugerichteten Falle keine Hoffnung 
auf Heilung gemacht hatte. — 

Vor 3 Jahren wurde dem Verf. ein Jüngling 
vorgeführt, der schon zwei Mal wegen einer skro- 
phulösen Caries am Calcaneum operirt worden war. 
Die kranke Stelle war mit Jodoform bedeckt und 

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44 


mit Verband versehen. Man hatte schon eine dritte 
Operation vorgeschlagen. Die Prognose war un¬ 
günstig, da die Mutter an Tuberculosis gestorben 
war. Es waren auch bereits verschiedene mehr 
oder weniger umschriebene Abscesse, Periostitiden, 
aufgetreten; wo er sich stiess, bekam er Schmerzen. 
Calc. carb. et phosphor. in verschiedenen Dilutionen 
waren die Hauptmittel, welche die Lebenskraft des 
jungen Organismus anregten, sodann die Seeluft, 
Bäder und Sand unterstützten wesentlich die innere 
Behandlung, die länger als ein Jahr fortgesetzt 
wurde. Heute ist der junge Mensch frisch und 
munter und von ungewöhnlicher Thätigkeit und 
Intelligenz. 

Von Tuberculin 80., 3 bis 4 Gaben in einem 
Monat, hat Verf. bei tuberkulösen Patienten wieder¬ 
holt gute Wirkungen gesehen: das Fieber liess 
nach, die Eiterungen besserten sich und lieferten 
ein pus bonum; das ganze Befinden hob sich. 

Dr. Mossa. 


Einige Mittel bei Leiden der weiblichen 
Brustdrüsen. 

H. C. Allen hat die Indicationen von einigen 
Mitteln bei Leiden der Mammae so angegeben: 

Wenn die geschwollenen Brüste weder heilen, 
noch in Eiterung übergehen, dunkelroth, fast stein¬ 
hart sind, die Schmerzen von den Brustwarzen aus¬ 
gehen und über den ganzen Körper ausstrahlen; 
wenn die Brustwarzen wund und rissig, so ist Phy- 
tolacca indicirt. — Schmerzen, die von der Brust¬ 
warze über die Mamma sich strahlenförmig aus¬ 
breiten, sprechen für Belladonna, gehen sie von 
da durch den unteren Winkel der Scapula, beim 
Saugen des Kindes, für Croton tiglium. — Bei 
wehenartigen Schmerzen, die jedes Mal beim Säugen 
eintreten, Silicea. — Sind die Brüste sehr empfind¬ 
lich bei Berührung während der intramenstruellen 
Zeit, so denke man an Medorrhinum. — Schwel¬ 
lung und Verhärtung der Mammae während der 
Menses, Hisse in der Brustwarze, meisthin an der 
Basis (Sepia an der Spitze), oder harte Narben, 
die nach Brustabscessen zurückgeblieben sind, er¬ 
fordern Graphites. Empfindlichkeit und Härte der 
Mammae, einige Tage vor der Menses, steinhart 
oder mit harten, innen sitzenden Knötchen, Co- 
nium. — Hyperämie der Brüste, einige Tage vor 
den Menses, und eine so übermässige Empfindlich¬ 
keit dieser Theile, dass sie diese beim Treppen¬ 
steigen halten muss, Lac caninum. 

Beständiger Schmerz in der Gegend unterhalb 
der linken Brust, der durch die Brust bis zum 
unteren Winkel des Schulterblattes zieht, Husten 
und tiefes Einatbmen, Sanguinaria, — Schmerz in 


der Regio inframammaris, der aber nicht hindurch¬ 
geht, Actaea racemosa. 

(American Homoeopathist.) x. 


Zur physiologischen Bestimmung der 
Lebensdauer des Menschen. 

Flourens hat den Satz aufgestellt: So lange 
die Knochen mit ihren Ansätzen (Epiphysen) nicht 
verbunden sind, wächst das Thier. 

Hiermit ist der Dauer des Wachsthums ein 
bestimmter Termin gegeben. Das Verhältniss des 
Wachsthums zur Lebensdauer stellt sich auf etwa 
1:5. Die feste Verbindung der Knochen mit 
ihren Ansätzen tritt z. B. beim Kameel mit 8, 
beim Pferd mit 5, beim Ochsen und Löwen mit 4, 
beim Hund mit 2, bei der Katze mit l 1 /^ Jahren 
ein. Das Kameel hat eine Lebensdauer von 
8X5 — 40, das Pferd von 25, der Ochs und 
Löwe 15—20, der Hund 10—12, die Katze von 
9 —10 Jahren. Bei dem Menschen tritt diese Ver¬ 
bindung ungefähr mit dem 20. Jahr ein, somit 
wird sich sein normales Leben auf 100 Jahre 
stellen, wofür auch statistische und geschichtliche 
Thatsachen hinlänglich sprechen. Und doch ist 
dieses Verhältniss kein allgemein in der ganzen 
Thierwelt gültiges. Bei den niederen Thieren ist 
es jedenfalls unvollkommen oder gar nicht anwend¬ 
bar. Die Insecten sind ja überwiegend sehr kurz¬ 
lebig; ebenso viele niedere Wirbelthiere. Von 
zahlreichen Fischarten weiss man, dass sie be¬ 
ständig wachsen, und dass vielleicht nur im höch¬ 
sten Alter hierin ein Stillstand eintritt. 

Daraus ersieht man, dass sich das Verhältniss 
der Dauer des Wachsthums zu der des Lebens 
nach der Klasse der betreffenden Lebewesen richtet, 
und dass die Lebensdauer um so höher steigt, 
einer je höheren Organisation das Thier angehört. 
Aber selbst in den Ordnungen der einzelnen 
Klassen herrscht Verschiedenheit, denn selbst in 
einzelnen Thierfamilien treten Abweichungen von 
der Regel auf. Nach Flourens* Beobachtungen 
z. B. tritt die Verwachsung der Epiphysen beim 
Kaninchen nach dem ersten Jahre, beim Meer¬ 
schweinchen bereits mit 7 Monaten ein. Nach dem 
oben angegebenen Gesetz müsste also das normale 
Leben des Kaninchens 5, das des Meerschweinchens 
etwa 3 Jahre dauern, und doch ist erwiesen, 
dass diese Thiere ein Alter von 8 resp. 6—7 
Jahren erreichen. Hier wäre das Verhältniss also 
nicht 1 : 5, sondern 1 : 8 resp. 1 : 10. -— 

Der Mensch mit seinem höchst vollkommenen 
Organismus müsste Anwartschaft auf recht hohe 
Lebensdauer haben. Hufeland bestimmte auch die 
Zeit des Wachsthums für den Menschen auf 


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45 


25 Jahre und das Verhältnis desselben zur Lebens¬ 
dauer wie 1:8; folglich würde seine normale 
Lebensdauer sich auf 200 Jahre beziffern. Diesem 
Resultat widersprechen jedoch sowohl Geschichte als 
Statistik. — Das Wachsthum des Menschen in die 
Höhe ist mit dem 20. Lebensjahre abgeschlossen. 
Mit dem 40. Jahre ist dies auch mit dem in die 
Breite der Fall. Darüber hinaus kann der Körper 
zwar an Umfang zunehmen, aber dies ist weniger 
weitere Entwicklung der Organe, als Ansatz von 
Fett, einer wenig productiven Masse. Nach der 
Entwickelung in die Höhe und Breite geht in der 
Tiefe unseres Organismus eine innere Arbeit vor 
sich, die Erkr&ftigung, welche alle Theile fester, 
vollständiger, functionsfähiger macht. Diese Arbeit 
fällt zwischen das 40. und 55. Jahr, nach Flourens 
sogar bis ins 65. und 70. Jahr. Hier lässt er das 
erste, das kräftige Greisenalter beginnen, während 
er das hohe Alter in das 85. Jahr verlegt. Doch 
in der Regel tritt der Verfall, das Verblühen schon 
nach dem 60. Jahre ein und macht sich an Leib 
und Geist deutlich bemerklich. — Im Ganzen ist 
also das Verhält niss der Epiphysen Verwachsung zur 
Lebensdauer des Menschen wie 1 : 5 als die Regel 
zu betrachten. M. 


Nekrolog. 

Carl Larisch wurde am 20. November 1816 
in Breslau geboren als Sohn des homöopathischen 
Arztes Dr. Larisch. Das Gymnasium besuchte er 
in Neisse, seine medicinischen Studien machte er 
theils in Breslau theils in Berlin, wo er 1839 zum 
Dr. med. promovirt wurde. 

Seine ärztliche Thätigkeit übte er zuerst als 
Allopath aus in Breslau, ging aber 1844 nach Bad 
Charlottenbrunn in Schlesien, wo er 8 Jahre lang 
als Bade-Arzt thätig war und sich grosser Beliebt¬ 
heit erfreute. 

Am 6. Mai 1845 verheirathete er sich mit Frl. 
Franziska Grossmann, Tochter eines Fabrikbesitzers 
aus Tannhausen in Schlesien, und lebte mit ihr in 
glücklichster Ehe. Leider wurde ihm seine Gattin 
vor ca. 10 Jahren durch den Tod entrissen. 

Von Charlottenbrunn siedelte er im Jahre 1851 
oder 1852 nach Namslau über und wurde daselbst 
Königl. Kreisphysikus. 

Später ernannte ihn der Köuig zum Sanitätsrath. 
Bisher war Larisch noch immer allopathischer Arzt 
gewesen. Da fügte es das Schicksal, dass er anno 
1866 schwer an Typhus abdomin. erkrankte und von 
seinen allopathischen Collegen aufgegeben wurde. 

In dieser Noth suchten seine Angehörigen Hilfe 
hei der Homöopathie. Dr. Larisch genas und wandte 
sich von diesem Zeitpunkte an der Homöopathie 
zu, deren eifrigster Vertreter er von nun an wurde. 


Hatte Larisch schon als allopathischer Arzt 
durch seine tiefe Bildung und Gewissenhaftigkeit 
viel Freude und Dank in seinem Berufe geerntet, 
so begann doch erst jetzt für ihn eine Zeit reich¬ 
ster Erfolge. Weit und breit wurde sein Name 
als Homöopath bekannt und gerühmt. Ganz be¬ 
sonders hervorstechende Erfolge hatte er bei einer 
schweren Cholera-Epidemie in Namslau zu verzeich¬ 
nen und sich dabei unsterbliche Verdienste erworben. 

1891 legte Sanitätsrath Larisch sein Physikat 
nieder, nachdem er vorher, im Jahre 1885, mit 
dem Rothen Adler-Orden IV. Kl. decorirt worden, 
und später aus Anlass seines 50jährigen Amtsjubi¬ 
läums ihm im Jahre 1889 der Titel als Geheimer 
Sanitätsrath verliehen worden war. Aber auch in 
seinem Ruhestande suchten ihn immer noch Kranke 
und Elende auf, um seinen Rath zu erbitten, 
welchen er Niemandem versagte. Insbesondere 
fand die Armuth bei ihm stets ein mildes Herz 
und hilfreiche Hand. Dies documentirt Geheimrath 
Larisch auch durch viele milde Stiftungen. So 
z. B. gründete er zum Andenken an sein geliebtes 
Weib eine Franziska-Stiftung für arme Wöchne¬ 
rinnen mit einem Grundkapital von 8000 Mark, 
ferner eine andere Stiftung mit 7000 Mark für 
Arme ohne Unterschied der Confession in Namslau. 

Larisch hatte auch in der Stadtverwaltung sich 
hervorgethan, war Stadtverordneter von Namslau , 
bekleidete ausserdem noch andere städtische Aemter 
als Mitglied des Magistrats. Seit fast 50 Jahren 
Bürger der Stadt Namslau hat der Heimgegangene 
für dieselbe stets ein ausserordentlich reges Inter¬ 
esse bewiesen und jederzeit, wo sich ihm Gelegen¬ 
heit bot, gern und mit grossem Erfolge seine 
reichen Gaben in den Dienst derselben gestellt. 

Besonders verdienstvoll war seine Thätigkeit 
als Mitglied der Sanitäts- und der Schuldeputation. 
Viele Jahre gehörte er auch dem Kreistage als 
Vertreter der Stadt Namslau an. In Anerkennung 
seiner grossen Verdienste verlieh ihm die Stadt 
Namslau im Jahre 1894 das Ehrenbürgerrecht. 

Bis in sein letztes Jahr erfreute sich Geheim¬ 
rath Larisch eines relativen Wohlseins; insbeson¬ 
dere blieb er geistig frisch und rege bis zu seinem 
Tode. 

So ist denn Einer der Besten aus unserer Mitte 
gerissen worden! Von tiefem Schmerz erfüllt wei¬ 
nen an seinem Sarge nicht nur seine Pflegetochter, 
Frau Oberstlieutenant Hildebrand und deren Ver¬ 
wandte, nicht nur seine zahlreichen Clienten, seine 
treue Pflegerin, Frl. Fischer, sondern es trauert 
um ihn die ganze Bürgerschaft Namslau, es trauern 
um ihn seine engeren Collegen, Freunde und Be¬ 
kannte. Mir selbst, dem es vergönnt war, ihn his 
zum Tode zu behandeln, ist ein väterlich, wohl¬ 
wollender, uneigennütziger Freund und Berather 


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gestorben. Gott gebe ihm die ewige Ruhe und lasse 
ihn für sein wahrhaft christliches Leben gemessen 
die Freuden des Jenseits. Weidner-Breslau. 


Zur Centralvereinsversammlung in Elberfeld. 

Der homöopathische Centralverein tagt in die¬ 
sem Jahre in den Westmarken des Deutschen Reiches, 
unweit der Grenze des stammverwandten und be¬ 
freundeten Holland. Die Lehre Hahnemann’s ist 
verhältnissmässig spät in die holländischen Aerzte- 
kreise verpflanzt worden, erst in den 50er Jahren; 
dafür aber hat sie um so fester Wurzel gefasst, 
und gegenwärtig ist unser Nachbarland auf dem 
besten Wege, eine wirkliche Hochburg für die 
wissenschaftliche Homöopathie zu werden. 

Der erste eingeborene holländische Arzt, welcher 
das Specifitätsgesetz: Similia similibus auf seine 
Fahne schrieb und sich offen zur Homöopathie be¬ 
kannte, ist der noch jetzt in Utrecht prakticirende 
und sich allgemeiner Achtung erfreuende Dr. S. J. 
van Roijen gewesen. Im vergangenen Jahre war 
es ihm vergönnt, in voller geistiger und körper¬ 
licher Frische sein 40jähriges Doctorjubiläum zu 
feiern. Dieses Jubiläum ist deshalb ganz besonders 
bemerkenswerth, weil unter denen, die dem Jubilar 
ihre Glückwünsche darbrachten, sich zwei seiner 
Söhne befanden, die ebenfalls homöopathische, Aerzte 
sind. Ausserdem ist der Jubiläumstag der Geburts¬ 
tag des Vereines holländischer homöopathischer 
Aerzte geworden. 

Die alten Beziehungen Dr. S. J. van Roijens 
zu Deutschland — er ist seinerzeit von dem vor¬ 
trefflichen Dr. Clotar Müller in Leipzig in die Lehre 
Hahnemann’s eingeführt worden — und sein Inter¬ 
esse für die Bestrebungen des Centralvereins, wel¬ 
ches er wiederholt und noch in jüngster Zeit durch 
seine Mitarbeit an der Materia medica betliätigt 
hat, und die Nähe des Versammlungsortes haben 
ihn veranlasst, seine Theilnahme an der diesjähri¬ 
gen Versammlung des Centralvereins anzumelden. 

Wirbegrüssen diesen Entschluss Dr.vanRoijen’s in 
Elberfeld zu erscheinen mit aufrichtiger Freude und 
heissen den um unsere Sache hochverdienten Senior der 
holländischen Collegen bei uns herzlich willkommen. 

Viribus unitis! 

Im Namen der Leipziger Freunde: 

Dr. Wapler. 

Lesefrüchte. 

Rhinitis sicca anterior. 

Dr. Siebenmann beschreibt unter dem Titel: 
„Der trockene Katarrh und die Epithelmetaplasie 


der knorpeligen Nase“ ein wohl charakterisirtes, 
für die Praxis sehr wichtiges Krankheitsbild. Das¬ 
selbe soll nach des Autors Beobachtungen über 
mehr als 10 °/ 0 aller Nasenleiden überhaupt aus¬ 
machen. 

Diese Rhinitis sicca äussert sich im Beginn 
durch ein lästiges Gefühl von Trockenheit und 
Spannung in der Schleimhaut des Vestibuluras. Der 
firnissartige Ueberzug der erkrankten Schleimhaut 
verfilzt, wenn er hinabfliesst, die Vibrissae und be¬ 
wirkt auf die Innenfläche der Nasenflügel wie auf 
den häutigen Septum Borken und eczematöse Reiz¬ 
zustände. Im Anfangsstadium erscheint die Schleim¬ 
haut bei ziemlich normaler Dicke röthUchbraun, bei 
Sondenberührung oft klebrig , zuweilen trocken oder 
wie gefirnisst , ähnlich der am trocknen Katarrh er¬ 
krankten hinteren Rückenwand. Jetzt ist eine 
Restitutio ad integrum noch möglich, namentlich 
wenn dieser Zustand als Residuum einer gewöhn¬ 
lich acuten Rhinitis erscheint. — Geht der Process 
weiter, so nimmt die Schleimhaut allmählich eine 
graue Färbung an. Der Kranke sucht sich die 
durch Borken verengte Luftpassage frei zu machen; 
er schnaubt, schneuzt, bohrt mit dem Finger , wo¬ 
bei gewöhnlich mehrmalige heftige Blutungen ent¬ 
stehen, die manchmal lange anhalten und beim 
geringsten Anlasse sich wiederholen. Es bilden 
sich auch an den gereizten Stellen, namentlich da, 
wo Härchen ausgerissen sind, öfters Furunkel — 
eine abscedirende Folliculitis (wie bei Blepharitis 
ciliaris, die auch oft gleichzeitig mit dem hier 
beschriebenen Leiden auftritt). Weiterhin sehen 
wir die erkrankte Schleimhaut epidermisiren , d. h. 
immer mehr sich trülten , trocken icerden und schliess¬ 
lich ein hellgraues , epidermisartiges oder faseriges 
Aussehen annehmen. In vereinzelten Fällen ist das 
ganze Septum befallen, und zwar der Art, dass die 
Grenze zwischen Cutis und früherer Schleimhaut 
gänzlich verwischt ist Dehnt sich diese Verände¬ 
rung'»auch auf die knöchernen Wandungen der 
Nasenhöhlen fort, so haben wir das Bild der Rh. 
atrophica (Ozaena). Indem in allen Stadien mit 
den in trockenem Zustande entfernten Borken auch 
Theile des lebenden Gexcebes weggerissen werden, 
so werden, da diese Wunden hier schwer granu- 
liren, sondern sich wieder mit frischer Borke be¬ 
decken, allmählich, bei wiederholten Eingriffen, 
nach den oberflächlichen Lagen auch die tieferen 
der Weichtheilsbekleidung abgetragen. Wird schliess¬ 
lich der Knorpel zerstört , so kommt es zur Perfo¬ 
ration, , und da deren Ränder das gleiche Verhalten 
zeigen wie die frühere grosse Wundfläche, so wird 
bei fortgesetztem Bohren oder gewaltsamem Schneu¬ 
zen der Defect sich immer mehr erweitern. Ge¬ 
wöhnlich aber geniren die auf den Perforations¬ 
rändern liegenden Borken in diesem Stadium nur 


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wenig, so dass die mechanischen Insulte ausbleihen, i 
und der Process so zum Stillstände gelangt. Nur 
in seltenen Fällen kommt es auf der gereizten 
Schleimhaut zur Wucherung und Bildung von poly¬ 
pösen Excrescenzen (blutender Septumpolyp). Wich¬ 
tiger ist es, wenn der an die erkrankten Stellen 
kommende Fingernagel infectiöses Material hinein¬ 
bringt. Es kommt dann zur Furunculose , oder auch | 
zum Gesichtserysipel, So geht auch die primäre 
luberctdose der Nase , ebenso der Lupus meist 
von hier aus, ferner finden wir hier auch die Ent¬ 
stehungsquelle zu den idiopathischen acuten Septum- 
pldegmonen , die wegen ihrer entstellenden Wirkung 
auf die Form des Nasenrückens höheres Interesse 
beanspruchen. 

Wie steht es nun mit der Therapie? 

Verf. räth, consequent die auch bei Blepharitis 
ciliaris gebräuchlichen Salben anzuwenden, welche 
die Borken aufweichen und die Secretion leicht 
anregen; ferner verbiete man das Bohren und ge- 

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Soeben ist im Verlage von Carl Gruner’s Homöopath. 
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Die Heilung der Diphtherie 

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XI. Auflage der Dr. Villers’schen Schrift. 

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von einem homöopathischen Arzte. 

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Alles Nähere aus der Besprechung in Bd. 139, No. 3/4 
dieser Zeitung ersichtlich. 


waltsame Schneuzen, schneidet am besten die Vibris- 
sae kurz ab und verordne constitutionsverbessernde 
Mittel, wie Soolbäder, Eisen, Arsen, Leberthran, 
Kreosot u. a. — Gegen das habituelle Nasenbluten , 
welches oft eins der ersten auffälligen Symptome 
ist, verwendet er seit einer Reihe von Jahren mit 
grossem Nutzen das Kali hypermanganicum in Sub¬ 
stanz, ein Mittel, dessen hämostatische Wirkung in 
der Praxis viel zu wenig gewürdigt werde. Es 
wird als feines Pulver mit einem ganz kleinen, 
dem Sondenende aufgedrehten, befeuchteten Watte- 
bäuschchen auf die betreffende Stelle (den Ueber- 
schuss nachträglich wegtupfend) eingerieben oder 
aufgedrückt, und leistet so auch bei der Behand¬ 
lung variköser Venen des knorpligen Septums Vor¬ 
zügliches. — Der allgemein sonst gebräuchliche 
Galvanokauter wirkt nicht so rasch und begünstigt 
zudem die Epidermisirung zu sehr, als dass man 
ihn hier empfehlen könnte. — (Münchner med. 
Wochenschrift. 1895. No. 44) M. 

Dp. med. Dierkes, homöopath. Arzt,^ aus 
Paderborn praktizirt in jeder Saison in Dad Lipp- 
springe. Die Herren Collegen werden gebeten, ihren 
Patienten die Adresse mitzugeben. 


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A. Jlarggrafs homöopath. Officin, Leipzig. 


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Leipziger Kinderpulver. (Kinderhonig.) 

Zuverlässigstes Mittel gegen Brechdurchfall der Kinder. 


Bei den jetzigen Behandlungs weisen der Brech¬ 
durchfälle der Kinder erzielt man bis jetzt keine 
erhebliche Verringerung der Sterblichkeit. 

Die medicamentöse Behandlung ist eine ziemlich 
erfolglose und muss man das Hauptaugenmerk auf 
die Biiit richten. 

Zunächst wird beim Brechdurchfall der Urin alka¬ 
lisch, dann der bis dahin saure Stuhlgang und endlich 
ist sogar das Erbrochene gleichfalls stark alkalisch. 
Die eingehendsten und sorgfältigsten Versuche haben 
ergeben, dass weder das Bauclispeicliel-Secret, noch 
das des Magens im Stande ist, Eiweisskörper zu ver¬ 
dauen, resp. Peptone zu bilden. Das Pancreas-Secret 
ist bei den Brechdurchfällen der Kinder ferner nicht 
im Stande, Stärke und Rohrzucker in Traubenzucker 
überzuführen. Selbst der Speichel des Kindes, welcher 
übrigens meistens ganz fehlt, invertirt Stärke, im Gegen¬ 
satz zum normalen, nur sehr wenig, fast gar nicht. 

Hat man dem an Brechdurchfall leidenden Kinde 
Hafermehl oder sonstige Kindermehle gegeben, wobei 
gesunde Kinder oft sehr gut gedeihen, so findet sich 
bei der Analyse der Fäces meist reichlich Stärke, Ei- 
weiss und Rohrzucker, welcher der Nahrung zugesetzt 
wurde. Die Herren Aerzte werden dringend gebeten, 
während der Brechdurchfälle sorgfältige quantitative, 
vergleichende Analysen der Nahrung und der Excre¬ 
mente vorzunehmen. Sie werden sich überzeugen, 
dass die jetzt berühmten Kindermehle, welche bei 
gesunden Kindern sich sehr bewährt haben, fast so 
in den Excrementen sich wieder finden, wie sie ge¬ 
nossen sind, so dass man oft aus den Fäces die Nah¬ 
rung resp. das Kindermehl bestimmen kann. 

Aus diesen chemischen Untersuchungen ist aber 
der Schluss zu ziehen, dass Magen und Darm während 
des Brechdurchfalles nicht ihre physiologischen Auf¬ 
gaben erfüllen, also kein Eiweiss in Pepton, keine 
Stärke und keinen Rohrzucker in Traubenzucker um¬ 
wandeln. Es darf aber bekanntlich nur Traubenzucker 
absorbirt werden, kein Dextrin und kein Rohrzucker. 

Diese Thatsachen zeigen den Weg, den man zu 
gehen hat. 

Die Darmwände resorbiren auch während des 
Brechdurchfalles, wo sie »nicht physiologisch thätig 
sind, alles Gelöste einfach nach physikalischen Ge¬ 
setzen, — also auch den gelösten, aber nicht inver- 
tirten Rohrzucker. — Es ergiebft sich aus dieser Er- 
kenntniss die Pflicht, dem kranken Kinde die nothwendigen 
Nahrungsmittel (also Eiweiss und Kohlehydrate) in bereits 
verdauter Form zu reichen, da das Kind, wie nach¬ 
gewiesen, sie nicht mehr verdauen kann. 

In diesem Sinne ist nun dieses Kinderpulver (bez. 
Honig) dargestellt. 

Man nimmt von diesem Pulver (oder Honig) einen 
Theelöffel voll in die Saugflasche mit 0 Nummern (Stri¬ 
chen) Wasser. — Bedingung ist jedoch, dass nichts 
Anderes genossen wird, als nur dieses Pulver, so lange 
der Zustand ernst ist, nicht einmal Wasser oder Fenchel- 
thee; auch keinerlei Zusatz darf gemacht werden; be¬ 
sonders kein Zuckerwasser (Rohrzucker). In weniger 
schlimmen Fällen giebt man dieses Kinderpulver nicht 
allein, sondern in Lösung mit Gersten- oder Hafer¬ 
schleim zu gleichen Theilen vermischt. Auch wenn 
die Besserung fortschreitet, ist diese Mischung ge¬ 
stattet, lässt man aber den Zusatz dieses Kinderpulvers 


zu früh fort, so tritt in der Regel das Erbrechen bald 
wieder ein. — Haben die Kinder einige Tage nicht 
gebrochen und sich erholt, so gestattet man wieder die 
frühere Nahrung. Milch, selbst die Muttermilch, darf 
anfangs nur in sehr geringen Mengen gereicht werden. 

Der Erfolg ist folgender: 

Das Erbrechen hört stets und ausnahmslos sofort 
und dauernd auf; der übermässige Stuhlgang mildert 
sich, hört aber meistens nicht ganz auf und bleibt 
vorläufig grünlich schleimig. Diese Stühle enthalten 
aber keine Spur von Zucker. Der Traubenzucker, 
den die Kinder in dem Pulver (oder Honig) bekommen 
haben, ist resorbirt; es ist auch keine Spur von Pepton 
in den Stühlen; demnach ist auch dieses resorbirt. — 
Das Pepton verwandelt sich nicht im Darmkanal, son¬ 
dern in den Zellen der Darm wand wieder in Eiweiss. — 
Dagegen findet sich stets auch in solchen Stühlen das 
im Pepton stets noch vorhandene Eiweiss (Albumose) 
ganz wieder und zwar fast quantitativ. 

Da sich die gewöhnliche Nahrung der Kinder, 
Kindermehle etc., sehr oft so in den Fäces wieder¬ 
findet, dass man noch bestimmen kann, welches Kin¬ 
dermehl das Kind bekommen hat, so ist das ein Be¬ 
weis, dass nichts Erhebliches von demselben verdaut 
sein kann. 

Durch dieses Präparat dagegen werden die Kinder 
sogleich wieder munter, nachdem sie vorher bereits be¬ 
denkliche Schwäche gezeigt haben. Fühlte man den 
Leberrand in Folge von Herzschwäche bereits in der 
Nähe des Nabels, so findet man diesen Rand am fol¬ 
genden Tage bereits zurückgegangen: ein Beweis, 
dass die Herzthätigkeit sich wieder gehoben hat. 

Die Kinder nehmen dieses Mittel sehr gern: es 
ist ausserdem viel einfacher (ohne Kochen) zu be¬ 
reiten, als Haferschleim und Kindermehle. 

Jede Mutter lobt dasselbe; — es sei einfach zu¬ 
zubereiten und helfe prompt. — Die Kinder werden 
zusehends besser und nehmen an Gewicht zu. Ganz 
besonders hervorzuheben ist, dass dieses diätetische 
Präparat 15 Procent Albuminate enthält, während die 
anderen Kindemahrungsmittel (Kindermehle etc.) 
deren höchstens 12 Procent enthalten und auch nur 
in Form von Eiweiss, das selbst beim Kinde nur etwa 
die Hälfte in Pepton umzuwandeln vermag. 

Zum Schluss sei ausdrücklich hervorgehoben, dass 
in den wenigen Fällen, in welchen dieses Präparat 
allein eine vollkommene Heilung nicht erzielte, die 
geeignete gleichzeitige medicamentöse Behandlung 
ausnahmslos zum Ziele führte, welche sich vor Be¬ 
ginn der Anwendung dieses Präparates als erfolglos 
erwiesen hatte. 

Der Umsicht des Arztes muss es überlassen blei¬ 
ben, in besonderen Fällen das tägliche Quantum und 
den Verdünnungsgrad, abweichend von den oben an¬ 
gegebenen Zahlen, zu bestimmen. 

Pro Tag braucht man gewöhnlich 50 Gramm dieses 
Mittels. In Honigform lässt es sich billiger darstellen 
als pulverförmig, weshalb es in zwei Formen zu haben 
ist; die Wirksamkeit ist jedoch in beiden die gleiche. 
Eine Portion von 50 Gramm kostet in Pul verform 1,35 Mk. 

„ » „ „ „ „ „ Honigform 0,80 „ 

Nur zu haben bei: 

Apotheker W. Steinmetz in Leipzig 

und seinen Depositären. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggraf s homöopath. Officin) in Leipzig. 

Drnck von Julius Maser in Leipzig. 


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Band 139 


Leipzig, den 17. August 1899 


No. 7 n. 8. 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG. 

Herausgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle nnd Verlag von William Steinmetz (A.Marggrafs homöopath.Offlein) in Leipzig 

Thomaskirchhof 12. 


Erscheint Htftgig zu2 Bogen. 18 Doppelnummern bilden einen Band. Preis IO M. 60 . /. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mossa 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offloin ln Leipzig) zu richten 
sind, werden mit 20 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 6—8 Af. berechnet. 

Inhalt. Indicationen für Natrum muriaticum als Frauen-Mittel. Von Dr. Mossa. — Französische Schule för 
Homöopathie. Oeffentliche Curse in der Mairie von Saint Sulpice. Ueber Dyspepsieen. Auszug aus dem dritten, 
dort von Dr. Cartier gehaltenen Vortrage. — Statistischer Bericht über die Krankenfrequenz in der homöopathi¬ 
schen Heilanstalt zu Leipzig in der Zeit vom 21. Juni 1898 bis 20. Juni 1899. Von Dr. Stifft, dirig. Arzt. — Vor- 
Ifiufiger Bericht Ober den Verlauf der 67. Generalversammlung des Homöopathischen Centralvereins Deutschlands in 
Elberfeld am 9 und 10. August 1899. Von Dr. Mossa. — Cocain-Vergiftungen. — Die innerliche oder operative Be¬ 
handlung der Appendicitis. Von Dr. Frederick W. Elliot-Boston. — LesefrOchte. — Homöopathische Ferienkurse fOr 

Aerzte in Berlin. — Anzeigen. 

Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Indicationen für Natrum muriaticum 
als Frauen-Mittel. 

Von Dr. Mossa. 

Wenn wir hier Natrum muriaticum als Frauen- 
Mittel betrachten, so wollen wir damit nur sagen, 
dass es beim weiblichen Geschlechte mancherlei 
krankhafte Zustände giebt, die auf Grund pliysio 
logischer Tbatsachen wie der symptomatischen Er¬ 
scheinungen im Kochsalz ihr entsprechendes Gegen¬ 
bild, ihr Omoion und desshalb auch ihr Heilmittel 
finden werden. Es ist doch auch nicht von un¬ 
gefähr, dass das weibliche Geschlecht ein so 
bedeutendes Contingent für die kochsalzhaltigen 
Mineralquellen stellt. 

Schon die Kochsalz-Prüfungen, welche Hahne- 
mann und seine Mitarbeiter bei weiblichen Personen 
angestellt haben, zeigen zum Theil sehr charakte¬ 
ristische, oft tiefgehende Symptome und sind diese 
bei den Nachprüfungen der österreichischen homöo¬ 
pathischen Aerzte meist bestätigt und ergänzt worden. 

Wir treffen hier Bilder hysterischen Gepräges, 
wie sie kaum, ausser bei Sepia, bei einem anderen 
Mittel erscheinen: förmliche Crises hysteriques, so 
lesen wir bei Hahnemann: 

Anfall: es lief ihr vom steifen Genick in den Kopf; 
die Augen thaten ihr weh, es war ihr sehr übel, 
unter Frost und Besinnungslosigkeit (den 8. Tag). 


Anfälle wie Mutterstaupe (Hysteria); es zog ihr 
aus der linken Achsel nach dem Kopfe; es presste 
dann in den Schläfen, als wollte das Gehirn zer¬ 
platzen; das Gehirn schmerzte wie zerschlagen und 
wie wund, unter steten Ziehschmerzen aus der 
Achsel nach dem Kopfe und steter Uebelkeit wie 
vom Magen zum Erbrechen; sie musste sich legen, 
unter Frost, bei Gesichtshitze (den 8. Tag). 

Anfall: Zur Zeit des Abendessens war es ihr 
periodisch sehr übel (ohne dass sie zuvor gegessen 
hatte), und sie bekam bei jedem Uebelkeits- 
paroxysmus einen argen Frost; nach dem Nieder¬ 
legen ward sie im Bette bald warm, 'hne folgende 
Hitze, und wachte Nachts zwei Mal auf mit einem 
empfindlichen Ziehen in der Stirne hin und her, 
mit feinem Pochen dazwischen. 

Sie wird ungemein aufgeregt, darauf fängt es, 
unter grosser Angst, an in den Fingerspitzen zu 
knebeln, dann in Hand und Arm; der Arm schläft 
ein, wie abgestorben, und das Kriebeln und die 
Gefühllosigkeit steigt am Halse hinauf in die Lippen 
und Zunge (welche wie steif wird), während es in 
dem einen Zahne bohrt; darauf Kopfschwäche mit 
fehlerhaftem Sehen; auch das Bein schläft ein und 
ist wie in den Gelenken abgestorben — meist gegen 
Abend (nach 10 Stunden). 

Anfall: Früh (nach Milchgenuss) so übel und 
zitterig in den Gliedern, eine Stunde lang; es ward 


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ihr schwindlig und schwarz vor den Augen; sie 
wäre gefallen, wenn sie sich nicht angehalten hätte. 

Anfall: Vormittags wird es ihr brechartig und 
schwindelig, mit Wühlen in der Herzgrube und mit 
Frost, wie mit kaltem Wasser übergossen; wo sie 
hinsah, ging alles mit ihr im Kreise herum, als 
sollte sie vorwärts fallen. Der Kopf war ihr schwer, 
dass sie kaum gehen konnte und er deuchte ihr 
schwerer als der übrige Körper. 

Am mattesten ist sie früh im Bette und beim 
Sitzen; im Gehen fühlt sie keine Mattigkeit. 

Sie darf die Füsse durchaus nicht mit Gehen 
anstrengen, sonst wird ihr’s vor Müdigkeit ganz 
schwach und übel. 

Mancher möchte denken, die hier gegebenen 
Symptomencomplexe seien Erscheinungen, welche 
die Phantasie einer hysterischen Person ausgeheckt 
hat. Hiergegen bemerken wir, seit Charcot’s Ar¬ 
beiten über die Hysterie darf man mit solchen 
vagen, absprechenden Anschauungen nicht mehr 
an diesen den weiblichen, nach Charcot sogar auch 
den männlichen Organismus tief erfassenden patho¬ 
logischen Zustand herantreten, obwohl die Homöo¬ 
pathen gerade auf Grund der bei Mittelprüfungen 
hervortretenden, oft so wunderbaren, bizarren Ver¬ 
änderungen im Leiblichen wie im Psychischen schon 
lange vor Charcot die Realität jener hysterischen 
Erscheinungen anerkannt und bei der Behandlung 
berücksichtigt haben. 

Die hysterische Disposition mag ja bei Hahne- 
mann’s Prüferin vorhanden gewesen sein, das kön¬ 
nen wir immerhin zugeben, um so leichteres Spiel 
hatte bei ihr die dahin gerichtete Thätigkeit von 
Natrum muriaticum. 

Dass übrigens Hahnemann den Prüfungen an¬ 
derer, zumal weiblicher Personen gegenüber sich 
nicht kritiklos verhalten hat, das ersehen wir aus 
der von Dr. Watzke in seiner vorzüglichen Zu¬ 
sammenstellung der Nachprüfung des Kochsalzes 
von Seiten der österreichischen homöopathischen 
Aerzte gemachten Bemerkung, Hahnemann habe 
die Resultate, welche die von einem unter Dr. 
Scliröter’s Aufsicht gemachte Kochsalzprüfung bei 
einem 18jähr. Mädchen ergab, nicht in sein Re¬ 
gister der Natr. mur.-Prüfungen aufgenommen. Und 
doch war das junge Mädchen gesund, bis auf einen 
Kopfgrind, der vielleicht noch zur Zeit der Prüfung 
vorhanden gewesen sein mag. — Treten wir in den 
engeren Kreis des Weiblichen, des Geschlechtslebens 
und der Geschlechtsorgane, so hat das Kochsalz 
eine stark ausgesprochene Wirkung auf dieselben. 

Dr. Reiss berichtet von einem 24jähr. brünetten 
Mädchen mit lebhafter Gesichtsfarbe, cholerischer 
Temperatur, regem Geiste, starker Constitution, das 
früher einmal in Folge von kaltem Bade während j 


der Menstruation bleichsüchtig geworden war, jetzt 
aber regelmässig menstruirt, folgende die Menstrua¬ 
tion betreffenden Symptome: 

Die Prüferin hatte vor Eintritt der Menses 
Stechen von den Lenden bis in die Gebärmutter, 
besser durch Zusammenkrümmen und Sitzen, schlim¬ 
mer durch Gehen. Die Regel floss stärker, das Blut 
zeigte eine dunklere Farbe; während der Regel 
bohrender Schmerz um den Nabel, Uebelkeit, Herz¬ 
klopfen, Mattigkeit am ganzen Körper, Zittern der 
Glieder, der Augenlider, drückender Kopfschmerz, 
schabender, halbseitiger Gesichtsschmerz; dabei war 
sie ärgerlich und empfindlich. Nach dem Aufhören 
der Regel zeigten sich noch folgende Beschwerden: 
Weissfluss, milchiger Urin, Darmschneiden mit Ab¬ 
weichen, Schwerathmigkeit, Herzklopfen, Stechen 
und Schneiden im Kopfe, Zucken im Körper vor 
dem Einschlafen; Beschleunigung des Pulses, bleiche 
Gesichtsfarbe. Nach Aerger kehrte der Monatsfluss 
wieder zurück. 

Der Geschlechtstrieb war während der Dauer 
der Prüfung auffallend vermindert. 

Die in diesem Falle gebrauchte Quantität des 
Mittels war stark: 1 Mal eine, danu 7 Mal in 
mehrtägigen Intervallen je zwei Drachmen des rohen 
Kochsalzes. 

Im Handbuche der homöopathischen Arznei- 
! mittellehre von Trinks und Clotar Müller findet sich 
folgende Zusammenstellung der hierher gehörigen 
Symptome: Pressen und Drängen aus der Seite des 
Bauches nach den Geburtstheilen zu, früh Morgens, 
zum Ruhigsitzen nöthigend, um einen Muttervorfall 
zu verhüten. Jucken und Ausgehen der Haare 
am Schamhügel. Trockenheit der Scheide mit 
schmerzhaftem Coitus. Auf den Coitus erst grosse 
Leichtigkeit und Behaglichkeit, bald darauf aber 
grosse Reizbarkeit und Aergerlichkeit. Herbeirufen 
der bald zu erwartenden Regel, fast augenblicklich 
(nach dem Einnehmen des Mittels), und stärker als 
gewöhnlich; in der Nachwirkung scheint sich die 
Regel zu verzögern und geringer zu werden. — 
Wiederkehr der bei einem Fall 85 Tage ausge¬ 
bliebenen Regel mit grosser Schwere der Beine, 
und Wiedererscheinen des bei einer 50jähr. Frau 
*/* Jahr lang unterbliebenen Monatlichen. — Sehr 
starke Regel schwärzlichen Blutes, auch Nachts 
fliessend; Regel stärker als sonst, zur gehörigen 
Zeit, mit weniger Leibweh, aber Frost dabei, den 
ganzen ersten Tag mit vielem Gähnen, besonders 
Nachmittags. Regel um drei oder 7 Tage zu früh, 
gering, dabei Kopfschmerzen beim Husten, Bücken 
und Niesen, als sollte der Kopf zerspringen. Ver¬ 
mehrung der schon fliessenden Regel, Verlängerung 
derselben bis zu acht Tagen. Erst Abkürzung des 
Regeltermins und dann Verlängerung desselben. 

I Regel nach 18 Tagen, danu nach 7 Wochen, end- 


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51 


lieh ganz aasbleibend; sehr hartnäckige Unter¬ 
drückung der sonst pünktlichen Regel. 

Vor Eintritt der (verspäteten) Regel: Aengst- 
lichkeit und Weichlichkeitsgefühl, süssliches Heran¬ 
steigen im Schlunde und darauf Ausspucken bluti¬ 
gen Speichels. Vor der Regel: grosse Traurigkeit, 
Beängstigung und Ohnmachtsgefühl, bei kaltem 
Becken und innerer Hitze, reissender Zahnschmerz, 
mit Stechen, beim Zutritt der freien Luft in den 
Mund; nach dem Eintritt: Nachts starkes Fieber 
mit argem Durste und Schlaflosigkeit, sehr harter 
Stuhl, Hitze im Gesichte, Abends: Schnüren im 
Unterleibe, öfteres Brennen und Schneiden im Schosse 
beim Harnen, sowie im Sitzen beim Mittagessen. 

Nach der Regel: Kopf schwer und benommen, 
wie von Blutandrang, weibliche Impotenz, Abneigung 
vor Beischlaf und trockene Scheide. — Scheidefluss 
mit Jucken an der Scham, nach vorangegangenem 
Leibweh zusammenziehender, nach unten zu pressen¬ 
der Art wie zur Regel, früh; Nachts, grünliches 
Aussehen, ärger beim Gehen, sehr starker Scheide¬ 
fluss mit sehr änderndem Schmerz. 

Indessen die Pathogenese des Mittels giebt uns, 
unterstützt von den physiologischen Veränderungen, 
die dasselbe im Blutleben hervorbringt, noch manche 
eigenartige Zeichen, die uns für die therapeutische 
Anwendung von Bedeutung werden können. Das 
Kochsalz längere Zeit fortgebraucht erzeugt nämlich 
eine Dyskrasie des Blutes, die sich als Anämie, 
Chlorose, ja selbst als scorbutische Diathese dar¬ 
stellen kann. Wie diese Blutmischung die Func¬ 
tion der reproductiven Organe, namentlich der 
Gebärmutter und des Eierstockes, zu stören geeig¬ 
net ist, so kann wiederum anderseits die gestörte 
Function in diesen Geschlechtsorganen primär auf- 
treten und so einen den Symptomen der Kochsalz¬ 
krankheit analogen Zustand im Organismus be¬ 
dingen. 

Belehrend in dieser Beziehung ist eine Be¬ 
obachtung, die Dr. Rowley in den Medical Advance 
im Jahre 1894 mitgetheilt hat: 

Eine weibliche Person, die seit Jahren dem Ge¬ 
nüsse von Kochsalz im Uebermass ergeben gewesen 
war, war allmählich an einer Anämie hohen Grades 
erkrankt. Die Schleimhäute, wie auch die gesammte 
Haut, zeigten eine ausserordentliche Blässe; es be¬ 
stand eine äusserste Abmagerung. Chronische Ver¬ 
stopfung — die Regel ganz unordentlich — dabei 
grosse Schwäche und excessive Hyperästhesie und 
Sensibilität. Die Beschränkung des Salzgebrauches 
und eine Dosis Natrum mur. 200. brachte eine völlige 
Heilung der Patientin allmählich zu Stande. 

Die wahrscheinlich von einer Reizung des Rücken¬ 
markes ausgehende Hyperästhesie der Hautnerven, 
die oft unter dem klinischen, freilich sehr unbe¬ 
stimmten Bilde der Spinalirritation auftritt, hat bei 


Natrum muriaticum den eigenthümlichen Zug, dass 
die Kranke sich besser fühlt, wenn sie auf dem 
Rücken liegt. Dies Besserungsgefühl unter diesen 
Umständen macht sich selbst bei Vorhandensein einer 
Lageveränderung der Gebärmutter mit dem ominösen 
Kreuzweh bemerklich. 

Bezeichnend für die Natr. mur.-Kranke ist ihre 
Empfindlichkeit gegen die kühle Luft, die sie daher 
scheut, und doch hat sie wegen ihrer auf Anämie 
beruhenden Kurzathmigkeit wieder förmlichen Luft¬ 
hunger, und würde sie sich gern in freier Luft 
bewegen, wenn nicht die durch jede Anstrengung 
beschleunigte Herzthätigkeit, Herzklopfen, Herz¬ 
zittern oder -flattern, sie zur Ruhe zwängen. 

Die vom Herzen zu den Arterien getragene 
Blutwelle ist so schwach, dass der Puls leicht aus¬ 
setzt; namentlich fällt bei Natr. mur. (wie auch bei 
Acid. muriaticum) gern der dritte Pulsschlag aus. 

Als besonders auffälliges Symptom von Natr. 
mur. wird ein Gefühl von Kälte am Herzen (oder 
! in der Herzgegend?) angegeben. — Die Natr. mur.- 
f Kranke fröstelt überhaupt sehr leicht; Frösteln und 
I Frostüberlaufen, besonders im Rücken, Kälte der 
| Hände und Füsse, die ausserordentlich schwer durch 
künstliche Mittel zu erwärmen sind, sind keine 
seltenen Erscheinungen. 

Und doch fühlt sich die Natr. mur.-Kranke bei 
warmem Wetter schlechter als bei kühlem, die 
Sommerhitze bringt ihr das höchste Schwächegefühl, 
dass ein Gang in der Sonnenhitze sie in Ohnmacht 
versetzen kann (Mangel an Sauerstoff, Ozon, der 
Luft?). Der Schweiss tritt auch gar zu leicht bei 
Bewegung ein und zwar oft recht stark. 

Dass bei einer solchen Körperconstitution die 
Psyche nach der Seite des Gemüths hin eine 
traurige, ängstliche, sorgenvolle, weinerliche Stim¬ 
mung, also einen melancholischen Hauptzug, tragen 
werde, lässt sich wohl denken. 

Aber diese Melancholie hat sozusagen eine 
salzige Beimischung; es ist nicht die stillduldende 
von Pulsatilla, sondern eine reizbare, ärgerliche, 
und während jene durch Zuspruch und Trost ge¬ 
mildert und beruhigt wird, wird die von Natr. mur. 
gerade durch Trostworte gesteigert; die Natr. mur.- 
Kranke will nicht getröstet werden. 

Dabei kommt das Denkvermögen herunter, das 
Gedächtniss ist geschwächt; geistige Thätigkeit, wie 
körperliche, verschlechtert den Gesammtzustand. 

Es treten eine bedeutende Anzahl Erscheinungen 
am Gehirn auf, die theils den Charakter der Con- 
gestion, theils den der Anämie haben; wie schwer 
und unsicher die physiologische Deutung der unter 
dem Bilde einer Cephalalgie auftretenden Erschei¬ 
nungen ist, ist bekannt; und gerade bei den Kopf¬ 
schmerzen der Chlorotischen und Anämischen wird 
diese Klassificirung erst recht schwierig, und führt 

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52 


dieselbe, wenn wir uns bei der Therapie lediglich 
an diese Stütze halten wollen, oft genug auf einen 
Irrweg und einen Fehlgriff. — Halten wir uns da¬ 
gegen an die Qualität der Symptome, so haben wir 
bald dumpfen, betäubenden Schmerz, bald einen 
stechenden, der bis in die Schläfen und Ohren aus- 
strahlt, mit Druck und Schwere über den Augen 
wechselnd; bald tritt das Gefühl von Lockersein 
und Schwappen im Gehirn auf, bald das Gefühl, 
als sei das Gehirn zu gross und als wollte der 
Kopf auseinanderplatzen; vornämlich macht sich ein 
Wühlen, Pochen und Klopfen, Pulsiren geltend, 
namentlich im Hinterhaupte, am Schädelgrunde, aber 
auch in der Schläfe und Stirn, oft ein förmliches 
Hämmern. — Die Neuralgia ciliaris, die wir bei 
chlorotischen Frauen oft antreffen, ist auch beim 
Natr. mur. zu finden. 

Trotz der Stichhaltigkeit dieser das weibliche 
Geschlecht betreffenden Zeichen beim Kochsalz ist 
unsere Literatur bisher aber sehr spärlich an 
gynäkologischen Beobachtungen und Heilungsfallen 
mittels dieses hochwichtigen Mittels, während die 
BalneoJogen die Wirkung der Kochsalzquellen auf 
diesem Gebiete zu preisen nicht müde werden. 

Französische Schule für Homöopathie. 

Oeffentliche Curse in der Mairie von Saint-Sulpice. 

Ueber Dyspepsieen, 

Auszug aus dem dritten, dort von Dr. Cartier ge¬ 
haltenen Vortrage. 

Aus diesem Auszuge wollen wir wieder einige 
uns besonders interessirende pathologische Er¬ 
scheinungen und deren homöopathische Behandlung 
auslesen, so die Affeclionen der Magenschleimhaut. 

Die Magenschleimhaut kann eine Veränderung 
erfahren in Bezug auf die Secretion ihrer Drüsen — 
ein Zustand, der von höchster Wichtigkeit in der 
Pathologie des Magens, gewiss drei Viertel der 
chronischen Verdauungsstörungen (Dyspepsieen) aus¬ 
macht. Bald handelt es sich um eine zu reichliche 
Absonderung des Magensaftes, und wir haben eine 
Hyperpepsie oder Hyperchlorhydrie, bald im Gegen- 
theil ist die Absonderung des Succus gastricus zu 
gering, und der Kranke leidet, wie man sagt, an 
einer Hypopepsie oder Hypochlorhydrie. 

Die Hyperchlorhydrie. 

Die Hyperchlorhydrie hängt von einer über die 
Norm hinausgehenden Thätigkeit der Magendrüsen 
mit saurer Reaction (also von überschüssigem sauren 
Magensaft) ab, welche von Brennen im Magen be¬ 
gleitet ist. Die herrschende Medicin verschreibt 


hier dem chemischen Princip zu Folge alkalische 
Mittel, welche, indem sie die Säure binden und 
neutralisiren, Erleichterung bringen können. Manche 
Homöopathen, das Simile fast zum Ison ausdehnend, 
geben Säuren in Dilutionen, Acidum nitricum, sul* 
phuricum, lacticum, hydrochloricum etc. Dr. Cartier 
meint aber, dass man mit den Säuren kaum schneller 
einen Erfolg haben werde, als mit anderen homöo¬ 
pathisch angezeigten und durch die Praxis bereits 
bewährten Mitteln. Uebrigens ist es keineswegs 
ein Leichtes, die Hyperchlorhydrie und das wahre 
Soodbrennen, die Pyrosis, zu beseitigen. 

Das Arsen ist hier nicht so wirksam wie in 
dem Magenbrennen, das die acute Gastritis be¬ 
gleitet. 

Phosphorits ist bei folgenden charakteristischen 
Symptomen sehr nützlich: Brennen im Magen , das 
bis in die Speiseröhre hinauf steigt, Schründen und 
Kratzen und Brennen darin verursachend, mit 
Trockenheit des Halses bei Tag und Nacht. Auch 
der Geschmack im Munde wird sauer, besonders 
nach dem Essen. 

Capsicum ist ein viel versprechendes Mittel im 
Soodbrennen, wie auch im chronischen Magen¬ 
brennen. Verf. hat einen sehr hartnäckigen Fall 
von Pyrosis geheilt, indem er von der Urtinctur 
des Capsicum 10 Tropfen in 250,0 Aq. dest. 
2 Esslöffel voll nüchtern nehmen Hess. Von Hughes 
wird Pulsatilla wegen der Schmerzen, Calcarea carb. 
wegen der Magensäure, Lycopodium und Nux vom. 
für die Pyrosis gegeben. Auch Iris versicolor und 
Plumbum u. a. m. können angezeigt sein. Die 
Hyperchlorhydrie kann sich bei manchen Kranken 
erst nach dem Essen äussern; unter dem Einfluss 
der digestiven Erregung sondert die Magenschleim¬ 
haut mehr ab, als für die Verdauung erforderlich 
ist; oft aber ist die Hypersecretion der Art, dass 
die Kranken im nüchternen Zustande leiden; der 
an Nahrungsstoffen leere Magen ist so mit Magen¬ 
saft gefüllt, dass eine Mahlzeit oder etwelche Auf¬ 
nahme von einem Nahrungsstoff die Dyspepsie er¬ 
leichtert, indem sie die Hypersecretion nutzbar 
machen. 

Für dieses Symptom, Besserung beim Eissen , ist 
Conium in der 6. Dil. ein vorzügliches Mittel, zumal 
wenn der Schmerz sein Maximum in der Höhe des 
Brustbeins erlangt. — Auch Petroleum soll diesem 
Symptom, „Besserung beim Essen“, entsprechen, 
doch ist diesem Mittel ein nauseöser Zustand, etwa 
wie bei der Seekrankheit, angemessen. 

Alkohol und andere toxische Mittel wirken nicht 
nur auf die den Magensaft secernirenden Drüsen, 
sondern auch die anderen, wie die Schleimdrüsen 
des Magens, und verursachen einen Schleimkatarrh 
des Magens, eine Dyspepsia pituitosa, ein Er- 


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brechen von schleimigen und sauren Stoffen. Nux 
vomica und Kali bidiromicum sind für Trinker, die 
an jenem Uebel leiden, die besten Mittel; dabei 
mögen sie Wasser in ihren Wein giessen und vor 
Allem Maass halten! 

Die Hypoohlorhydrie. 

Häufiger noch als der oben beschriebene Zu¬ 
stand kommt heutzutage der der Hypochlorhydrie 
vor, ein Zustand verlangsamter Verdauung, besser 
Bradyspepsie genannt. Hier, wo der Kranke für 
die Verdauung nicht genügenden Magensaft ab¬ 
sondert, treten alle Symptome verlangsamter Ver¬ 
dauung auf: Flatulenz, Auftreibung des Magens, 
Schwere, Congestion, Schläfrigkeit und Schwer¬ 
beweglichkeit nach der Mahlzeit etc. Merkwürdig 
ist, wie sich in der durch Mangel an Magensaft 
hervorgerufenen, abnormen Gährung Fäulnisssäuren, 
welche der Digestion nicht dienen, entwickeln, wie 
Butter-, Essig- und Milchsäuren! 

Die französischen Homöopathen empfehlen in 
diesem Zustande von verlangsamter Verdauung die 
beiden Mittel Nux vom. 6. und Graphit. 12. im 
Wechsel, von denen das erstere */a Stunde vor dem 
Essen, das andere 2 Stunden nach demselben ge¬ 
reicht wird. Statt Graphit hält aber Dr. Jousset 
Lachesis am Platze, wenn der Kranke nervösen 
Temperaments ist und in der Magengrube sehr em¬ 
pfindlich ist. 

Ein bisher zu wenig beachtetes Mittel ist Grra- 
tiola; es folgt gut auf Nux vomica, und passt be¬ 
sonders bei den Dyspepsieen der Frauen, aber 
ohne gleichzeitige Gebärmutterstörungen: Krämpfe, 
Schmerzen, Druck iin Magen, Gähnen, Erweiterung 
(ähnlich wie bei Nux). (Berührung bessert die 
meisten Beschwerden von Gratiola, während diese 
bei Nux vom. mehr verschlimmert werden. Ref.) 

Lycopodium passt bei der Bradyspepsie, zumal, 
wenn die Leber betheiligt ist. Mangel an Secre- 
tion und an Zusammenziehung .des Magens; Be- 
dürfniss zu essen, aber schnelle Sättigung; Neigung, 
nach der Mahlzeit zu schlafen; Verstopfung etc. 

Bryonia ist nützlich bei Trockenheit aller Schleim¬ 
häute; die Faeces bilden harte Kügelchen wie 
Ziegenkoth; indessen ist Bryonia vorzugsweise auf 
die Tunica muscularis wirksam. 

Endlich ist Anacardium zu nennen. Wenn der 
Kranke Nachts erwacht, ist das Mittagessen noch 
nicht verdaut. 

Affection der Tunica musoularis. 

Die Muskelhaut des Magens kann der Sitz einer 
krankhaften Tonicität sein, die sich durch Con- 
tractionen, Krampf, Spasmen und Erbrechen äussert, j 


oder aber der Sitz einer Muskelerschlaffung, die 
sich durch Atonie, Gasanhäufung und Erweiterung 
des Magens kundgiebt. Wenn auch die von einer 
Veränderung der Tunica mucosa und muscularis, 
weil sie oft vereint mit einander Vorkommen und 
ihre Symptome sich vermischen, klinisch nicht immer 
scharf geschieden werden können, so bleibt nichts¬ 
destoweniger die Sonderung beider pathologisch- 
I anatomischen Bedingungen für die Aetiologie und 
Pathogenesie der Dyspepsieen von hohem Belaug. 

Gesteigerter Tonus der Muskelhaut. 

Von dem krampfhaft - schmerzhaften Zustande 
zeugt bei einer Anzahl von Kranken, besonders von 
jungen Mädchen, eine so hochgradige Spannung 
des Magenmuskels, dass es bei ihnen zu einem 
1 nauseösen, unangenehmen Zustande nach der Mahl¬ 
zeit kommt. Nichts beschwichtigt diese krankhafte 
Reizung wohl mehr als heisses Wasser , unmittelbar 
gebraucht. — 

Wird die Sache schlimmer, tritt Erbrechen hinzu, 
so ist Kreosot entschieden eines der besten Mittel 
(so bei Vomitus gravidarum); bei erfolglosem Brech¬ 
würgen ist Cocculus am Platze; auch Ipecacuanha 
hat seinen bestimmten Wirkungskreis hier. — Phos¬ 
phor ist sehr nützlich Keim Erbrechen der Anämi¬ 
schen mit spasmodischer Schwäche der Muscularis, 
wo man den Champagner als Hilfsmittel nebenbei 
gebrauchen kann. — Bei Spasmen des Oesophagus 
hat Verf. Baptisia als sehr wirksam erprobt. 

Beim Magenfo'ampf haben wir, neben der Milch, 
in der Nux vomica ein ausgezeichnetes Mittel, zu¬ 
mal bei Männern; ist der Krampf jedoch nervösen 
Ursprungs, so passt, besonders bei Frauen , Gra¬ 
tiola besser. Versagt Nux vomica, so stelle man 
ein neues Examen des Kranken an. Ist eine Er¬ 
kältung, Rheumatismus, vorangegangen, die sich auch 
auf der Muscularis festgesetzt haben kann, so wird 
Bryonia angezeigt sein, zumal bei Gefühl von Druck 
im Mayen , wie von einem Steine, Empfindlichkeit 
des Magens , wenn man ihn berührt oder betastet , 
was auf einen mehr entzündlichen Zustand hin¬ 
weist; hier ist das wahre Heilgebiet für Bryonia. 

Atonie der Muscularis des Magens. 

Die Atonie oder Erschlaffung der Tunica mus¬ 
cularis fällt meistentheils mit einer Hypopepsie, 
Dyspepsie aus Magenschwäche, zusammen. Der 
Magen, welcher seinen normalen Tonus verloren, 
wird durch die Gährungsproducte aufgetrieben und 
erweitert sich. — Indessen giebt es Magenerweite¬ 
rungen ganz schmerzloser Art; so haben die starken 
Biertrinker, wie in Deutschland, oft eine sehr be¬ 
trächtliche Mageu er Weiterung, ohne davon zu leiden, 


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54 


indem das Bier den Magen auswäscht und faulige 
Gährungsprocesse so nicht aufkommen lässt (viel¬ 
leicht wirkt auch der Hopfen hierbei mit. Ref.) 
Die Magenerweiterung kann sich übrigens bei an¬ 
gemessener Diät allmählich wieder zurückbilden und 
der Magen seinen Tonus wiedergewinnen. 

Eins der peinlichsten Symptome bei der Magen¬ 
erweiterung ist die Gasbildung und Anhäufung. Da 
ist es sehr merkwürdig, wie das absorbirende Mittel 
par excellence, die Kohle, die vom chemischen 
Standpunkte aus in grossen Dosen gegen die Fla¬ 
tulenz gegeben wird, auch in infinitesimaler Dosis 
diese Wirkung ausübt. Wir geben Carbo vege- 
tabilis oder animalis unter solchen Umständen in 
hohen Dilutionen. Letzteres zeichnet sich durch 
ein sehr ausgesprochenes Kältegefühl in der Magen¬ 
grube aus. — Nebstdem ist an Antimonium cru~ 
dum zu erinnern, besonders bei geruchlosem Ructus; 
bei den Gasanhäufungen der Gichtiker von Far- 
rington besonders empfohlen. Auch Formica kann 
unter Umständen gut thun. (Wir erwähnen noch 
China und Acidum carbolicum als werthvolle Mittel 
bei excessiver Gasbildung, zumal putrider Art. 
Referent.) 

Vertigo stomachalis ist häufig eine Folge¬ 
erscheinung der Magenerweiterung. Hier ist Rhus 
toxicodendron wie auch beim Schwindel ex anae- 
mia cerebri das Hauptmittel, während es beim con- 
gestiven Schwindel, sowie bei dem der Plethorischen 
nichts leistet. 

Gastralgie. 

In der mit einem Netz von Nerven- und Blut¬ 
gefässen durchzogenen Muscularis des Magens, die 
hierdurch gegen Schädlichkeiten so empfindlich ist, 
kann sich eine Neuralgie dieser Nerven unter dem 
Bilde der Gastralgie darstellen. Unter der Zahl 
der gegen dieses Leiden angezeigten und erprobten 
homöopathischen Mittel nimmt das Bismuth einen 
hohen Rang ein, Verf. giebt es in der 3.—6. Dil. 
Der äusserst empfindliche Magen ist der Sitz von 
krampfhaften Magenschmerzen, welche von saurem 
Aufstossen, zumal von Brechreiz und Neigung zu 
Diarrhöeen begleitet sind. Bisweilen gesellt sich 
Herzklopfen mit Erbrechen unmittelbar nach dem 
Essen hinzu. 

Hierauf bespricht der Redner die Dyspepsieen, 
welche durch Affection eines anderen Organes, das 
vom Magen entfernt sein kann, hervorgerufen wer¬ 
den. Hier interessirt uns besonders das, was er 
über die Dyspepsia neurasthenica sagt: „Die Neu¬ 
rasthenie, diese in ihrem Wesen noch so myste¬ 
riöse Krankheit, die das ganze Menschengeschlecht 
zu befallen droht, bringt sehr häufige und sehr 
hartnäckige gastrische Erscheinungen mit sich. Wir 


haben es hier mit einer sicherlich nervösen Dyspepsie 
zu thun, deren Ausgangspunkt aber nicht im Magen, 
sondern in den Nervencentren zu suchen ist. Je 
mehr man darauf erpicht ist, einem hieran leiden¬ 
den Neurastheniker Magenmittel gegen das Uebel 
zu geben, je weniger kommt man zum Ziel. Man soll 
die Nervencentra zunächst stärken, und dann wird 
die Dyspepsie schon verschwinden. Dafür spricht 
schon die Thatsache, dass kein Lebewesen auf 
Erden die Einathmung reiner Luft zur Verdauung 
weniger entbehren kann, als der Neurastheniker. 
Man mag alle Amara, alle Purgative des gegen die 
Anorexia neurasthenica aufgestellten Codex geben, 
nichts wird einem solchen aus dem Gleichgewicht 
gekommenen Wesen das Gefühl des Appetits mehr 
wiederbringen, als die Luftveränderung, besonders 
H öhenluft. Die subcutanen Einspritzungen von Stoffen, 
die dem Nervencentrum heilsam sind, bringen dem 
Neurastheniker eine bessere Verdauung, als alle 
Pepsine der Welt; es ist nur schade, dass diese 
Impfungen früher oder später, trotz aller anti¬ 
septischen Vorsichtsmassregeln, Abscesse veranlassen. 
Dies ist das Unangenehmste bei der hypoderma- 
tischen Methode. Anacardium, das man in der 
nervösen Dyspepsie so gepriesen hat, hat dem Redner 
in den meisten Fällen versagt. — Phosphor bringt 
bisweilen einen Erfolg, wenn es nicht zu sehr er¬ 
regt; denn das Mittel wirkt auf die Nervencentra. 
Ebenso kann Kali phosphoricum dem Neurasthe¬ 
niker Besserung verschaffen. — Gratiola thut 
gute Dienste, wenn diese Dyspepsie, was oft der 
Fall ist, von einem gastrischen Katarrh begleitet 
ist. — 

Es ist richtig, dass diese beim Neurastheniker 
erscheinende Dyspepsie auch der homöopathischen 
Behandlung meist grosse Schwierigkeiten bereitet. 
Das kranke Individuum in toto mit dem ganzen 
Complex der krankhaften objectiven und subjectiven 
Erscheinungen wird uns in der That hier ganz be¬ 
sonders das Heilobject sein, nicht die einzelne 
Neuralgie. — Ob es bei solchen Lehrvorträgen 
über die homöopathische Heilmethode zweckmässig» 
ist, die Gegenstände nach Art der Handbücher über 
specielle Pathologie zu behandeln, will uns nicht 
recht einleuchten. Die Homöopathie verlangt in 
erster Linie die feinste Individualisirung des Einzel¬ 
falls, alles Gruppenartige führt auf Abwege, con- 
crete Fälle, ausgewählte Beispiele aus der Literatur 
und eigenen Praxis werden den Neuling tiefer in 
das Wesen unserer Heilkunst einzuführen geeignet 
sein; das Pathologische und Anatomisch - Physio¬ 
logische braucht dabei nicht vernachlässigt zu wer¬ 
den. Aber der Mitteldiagnostik werden wir noch 
mehr Aufmerksamkeit zu schenken haben, als der 
Krankheitsdiagnose. M. 


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Statistischer Bericht 

Uber die Krankenfrequenz in der homöopathischen Heilanstalt zu Leipzig 

in der Zeit vom 21. Juni 1S9S bis 20. Juni 1899. 

Zahl der Verpflegten { ““ 

Zahl der Verpflegungetage { g^en 3^3 


Erkrankung 


I. Infections- und Allgemeine Krankheiten. 

Rheumatismus articul. acutus ot chronic. 

Typhus abdominalis. 

Aktinoraycosis. 

Gonorrhoea acuta . 

Gonorrhoen chronica. 

Ulcus molle. 

Primäre Syphilis. 

Constitutionelle Syphilis. 

Scrofulosis universalis. 

Tuberculosis universalis. 

Arthritis chronica. 

Chlorosis. 

Anaemie. 

Bösartige Neubildungen: 

Carcinoma oesophagi. 

Carcinoma ventriculi. 

Carcinoma uteri. 

Lymphosarkom. 

II. Lokalisirte Krankheiten: 

A. Krankheiten des Nervensystems. 

Hemiplegio. 

Syringomyelie. 

Tabes dorsalis. 

Ischias . 

Neuritis N. Ulnaris. 

Epilepsie. . 

Neurasthenie. 

Hysterie. 


B. Krankheiten der Augen und Ohren. 

Keratitis parenchymatosa. 

Otitis media catarrhalis chronica. 

C. Krankheiten der Athmungsorgane. 

Rhinitis chronica. 

Laryngitis catarrhalis chron. 

Bronchitis acuta purulenta. 

Bronchitis capillaris. 

Pneumonia catarrhalis. 

Pneumonia crouposa. • - • » 

Latus 1 . . 


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3 

6 

3 

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1 

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1 

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1 

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1 


1 

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5 

76 

40 

46 

10 

17 

1 14 

6 

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1 2 

4 

8 

1 9 


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50 


Erkrankung 

Be¬ 

stand 

am 

21. Juni 
1898 

M. W. 

Zu¬ 

gang 

M. W. 

Ce- I 
heilt 

MW. 1 

Ausgang 
der Krankheit 

Ce- Un- 

beHsert geheilt 

M. W.| M. W. 

Ge¬ 

storben 

M. W. 

Be¬ 

stand 

am 

20. Juni 
1899 

M. W. 

Bronchopneumonia chronica. . . 

_ 

_ 

1 

_ 

_ 

_ 

1 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

Pleuropneuraonia dextra. 

— 

— 

1 

— 

1 

— 

— 

_| 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Pleuritis sicca. 

— 

— 

1 

— 

1 

— 

— 

— 1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Pleuritis exsudativa chronica. 

— 

— 

1 

1 

— 

— 

1 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Catarrhus apic. pulmon. acut. 

— 

— 

— 

1 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Tuberculosis pulmonum. ... 

3 

— 

14 

7 

— 

— 

10 

3 

3 

3 

4 

— 

— 

1 

D. Krankheiten der Circulationsorgane. 















Insuff. valv. Mitralis. 

— 

— 

3 

— 

— 


2 

— 

_ 

— 

1 

— 

— 

— 

Myocarditis chronica. 

— 

1 

— 

— 

— 


— 

— 

*— 

— 

- 

1 

— 

— 

ArteriosclerosiB. 

— 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

_ 

— 

1 

— 

— 

— 

E. Krankheiten der Verdauungsorgane. 















Tonsillitis follicularis. 

— 

— 

— 

1 

_ 

11 

— 

-1 

_ 

— 

_ 

— 

— 

— 

Dyspepsie. ... 

— 

- 

3 

2 

3 

2: 

— 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

Cardialgie. 

— 

— 

2 

2 

2 

2 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Catarrh. ventriculi chronicus. 

1 

— 

5 

— 

2 

_ 

2 

— 

2 

— 

— 

— 

— 

— 

Ulcus ventriculi. 

— 

1 

2 

1 

— 

2 

— 

— 

_ 

— 

1 

— 

1 

— 

Catarrhus intestinalis chronicus . 

1 

— 

5 

— 

4 

— 

1 

— 

1 

— 

— 

_ 

— 

— 

Typhlitis stercoralis.. 

— 

— 

1 

— 

1 

— 

— 

— 


— 

— 

_ 

— 

— 

Haemorrhoiden . 

— 

— 

1 

— 

1 

— 

— 

— i 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

— 

Fistula ani. 

— 

— 

1 

— 

1 

_ 

— 

— 1 

_ 

— 

— 

_ 

— 

— 

Cirrhosis hepatis. 

— 

1 

— 

2 

— 

— 

— 

3 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

F. Krankheiten der Harn- und Geschlechtsorgane. 















Cystitis pumlenta. 

— 

1 

1 

1 

— 

2 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

1 

— 

Nephritis acuta. 

— 

— 

— 

1 

— 

1 

— 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

Nephritis chronica parenchvmat. .... 

— 

— 

— 

1 

— 

— 

— 


— 

— 

— 

1 

— 

— 

Haematurie. 

1 

— 

— 

— 

1 

_ 

— 

_ 

— 

— 

— 

— 

— 

_ 

Orchitis acuta (gonorrh.). 

— 

— 

2 

— 

2 

_ 

— 

_ 

_ 

— 

_ 

_ 

— 

_ 

Varicocele.. 

— 

— 

1 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

1 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

Endometritis acuta. 

— 

— 

_ 

2 

_ 

2 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

■_ 

_ 

Myoma uteri. 

— 

— 

— 

1 

_ 

— 

— 


_ 

1 

_ 

_ 

— 

— 

Haematoma retro-uterin.. 

— 

— 

— 

1 

_ 

_ 

_ 

1 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

Parametritis chronica adhaes. 

- 

— 

- 

2 

— 

1 

— 

1 

- 

— 

— 

— 

— 

— 

G. Krankheiten der Bewegungsorgane. 















Osteomyelitis chronica. 

— 

— 

3 

1 

2 

_ 

_ 

_ 

1 

1 

_ 

_ 

_ 

_ 

Tendovaginitis traumaticaa. . 

— 

— 

1 


1 

: _ 

— 

_ 

_ 

— 

_ 

_ 

— 

— 

Gonitis chronica (tuberculosa). 

— 

— 

2 

— 

— 

_ 

1 

_ 

1 

— 

_ 

— 

— 

— 

Myositis rheumatica acuta et chron. 

_ 

— 

14 

1 

9 

l 

5 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

Pes planus inflammat.. 

— 

— 

1 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

- 

— 

H. Krankheiten der äusseren Bedeckungen. 

Psoriasis. 


1 

2 

1 

1 

1 l 

1 








Eczema squamosum universale. 

— 

— 

2 

— 

1 

— 

— 

_ 

_ 

— 

— 

— 

1 

— 

Ulcus cruri8. 

— 

— 

4 

1 

4 

l 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

Lymphadenitis inguinalis. .... 

— 

— 

2 

— 

1 


,— 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

1 

_ 

Furunculosis. 

— 

— 

1 

_ 

1 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

Mentagra. 

— 

— 

1 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

1. Verletzungen. 















Ulcus scissum man. 

_ 

_ 

1 

_ 

1 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

Ulcus scissum ped. 

_ 

_ 

_ 

2 

_ 

2 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

Distorsio genu . 

— 

— 

1 

_ 

1 


_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

Contusion. 


- 

1 

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— 

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— 

— 

— 

1 

— 

Latus 2 . . 

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II 

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5 

7 

2 

5 

1 2 


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57 


Erkrankung 

Be¬ 

stand 

am 

21 .Juni 
1898 

M. W. 

Zu¬ 

gang 

M.|W. 

Ge¬ 

heilt 

M.|\V. | 

Ausgang 
der Krankheit 

Ge- In¬ 

bessert gehellt 

M.|W.[ M.JVV. 

Ge¬ 

storben 

| M. W. 

Be¬ 

stand 

am 

20. Juni 
1899 

M. W. 

K. Intoxikationen. 


p 




1 






Intoxicatio Plumbi chronic. 

— — 

2 — 

2 

_ 

_ 


_ 


_ 

_ 

_ 

Alcoholißmus chron. (Tremor alcoh.). 

— | - 

3 — 

— 

— 

2 


— 


— 

1 

— 

L. Parasiten 












Pediculi capitis. 

— |_ 

- 2 

— 

2 

— 

II 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

Scabies (Eczema scabiei). 

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Latus 3 . . 


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19 238 128 66 22 15 26 

257 257 


Es wurden insgesammt behandelt 257 Kranke 
in 8972 Verpflegungstagen, d. h. in pro Kopf 34,91 
Verpflegungstagen. Diese Verpflegungsdauer muss 
auf den ersten Blick für homöopathische Behand¬ 
lung etwas hoch erscheinen, doch erklärt sie sich 
aus der Art der behandelten Krankheiten, die lange 
Zeit der Behandlung erforderten: constitutioneile 
Syphilis (12), Chlorosa (5), Bösartige Neubildungen 
(4), Ischias (5), Neurasthenie (6), Hysterie (8), 
Lungentuberkulose (24), chronische Magen- und 
Darmkatarrhe (12) etc. Von einer Unterscheidung 
der Verpflegungsdauer in acuten und chronischen 
Krankheitsfällen wurde Abstand genommen, da die¬ 
selbe streng objectiv kaum möglich erscheint. Die 
Arzneikosten pro Verpflegungstag stellen sich auf 
0,032 Mark 

In I. Classe wurden behandelt —, in II. Classe 
10 Männer, 7 Frauen, in III. Classe 162 Männer, 
73 Frauen, 5 Kinder, davon auf Rechnung der 
Ortskrankenkasse 135 Männer, 38 Frauen, 1 Kind; 
auf Rechnung der Dienstbotenkasse 7 Frauen, der 
Central-Malerkasse 1 Mann, der Postkasse 1 Mann, 
der Krankenkasse der Bäcker-Innung zu Leipzig 
2 Männer. 

In Freistelle wurden behandelt 9 Männer, 
25 Frauen, 4 Kinder in 2235 Verpflegungstagen. 
In zahlreichen Fällen konnten Kranke, welche be¬ 
reits vor ihrer Genesung von ihren Kassen aus 


gesteuert und nicht in der Lage waren, das Ver¬ 
pflegungsgeld selbst weiter zu zahlen, in Freistellen 
übernommen und bis zu ihrer Genesung weiter 
behandelt werden — auch ein Segen der für jede 
Anstalt so hochwichtigen Stiftungen. 

Dr. Stifft, dirig. Arzt. 


Vorläufiger Bericht 

über den Verlauf der 67. Generalversammlung 
des Homöopath. Centralvereins Deutschlands 
in Elberfeld am 9. und 10. August 1899. 

Die Wahl Elberfelds zu unserem diesjährigen 
Congresse hat sich schliesslich doch als eine glück¬ 
liche erwiesen. Wenn wir auf die sonstigen Fre¬ 
quenzlisten hinblicken, so war die Versammlung 
nicht schlecht besucht; es waren zwischen 30—33 
Anwesende zu verzeichnen, darunter freilich einige 
Nicht-Mitglieder des Vereins, aber sehr liebe, 
werthe Genossen. Aus der Nähe, aus Rheinland 
und Westphalen, hätten wir jedoch, zumal nach 
unserem kräftigen Aufruf, mehr Theilnahme er¬ 
wartet. — Die Sitzungen verliefen unter der um¬ 
sichtigen Leitung des gewählten Vorsitzenden glatt 
und förderlich; leider begannen sie, infolge des 
späten Erscheinens der Mitglieder, meist lange erst 


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58 


nach dem Ablauf des akademischen Viertels; schon 
die vorbereitende am Dienstag, den 8., war gut 
besucht; die geschäftliche am 9. brachte in man¬ 
chen Punkten Klärung, die wissenschaftliche er¬ 
freute uns mit gediegenen Vorträgen. Aber auch 
das Dulce kam neben dem Utile zu seinem Rechte. 
Die Herren Collegen in Elberfeld und Barmen 
haben ja mit grosser Umsicht und Liebenswürdig¬ 
keit dafür Sorge getragen, uns das Bergische Land, 
das nicht bloss ein gewerbthätiges Centrum ersten 
Ranges ist, sondern sich durch hohe Naturschön¬ 
heit und im wahrsten Sinne des Worts jetzt durch 
ein hochragendes Kunstwerk deutscher Technik, 
die Kaiser Wilhelm-Brücke, die in diesen Tagen 
durch unsern Kaiser ihre Weihe empfangen soll, 
auszeichnet, in genussreicher Weise vor Augen zu 
führen — und das in der angenehmen, heiteren 
Gesellschaft unserer mitanwesenden Frauen. 

Die Berichte ergaben, dass das begonnene Werk 
der neuen homöopathischen Arzneimittellehre im 
Laufe des verflossenen Jahres wacker gefordert 
worden ist, so dass es immer mehr greifbare Ge¬ 
stalt gewinnt; die Propaganda hat durch Schrift 
und Wort, in specie durch die in Berlin von den 
unermüdlichen Collegen ins Leben gerufenen Ferien- 
Kurse gute Früchte getragen, wofür die Aufnahme 
von 22 neuen, meist durch jene Mittel unserer 
Therapie gewonnenen, Mitglieder in den Central¬ 
verein ein kräftiges Zeugniss ablegt. — 

Abgesehen von manchen noch etwas trüben 
Punkten haben wir von unserer Versammlung in 
Elberfeld den Eindruck gewonnen, dass unsere 
Sache vorangeht, und wir, bei weiterer, fortgesetz¬ 
ter Arbeit in Eintracht und Frieden, um die Zu¬ 
kunft der Homöopathie in Deutschland nicht bange 
zu sein brauchen. — 

An Thatsaclien melden wir noch vorläufig den 
Austritt des Herrn Collegen Oberstabsarzt Dr. v. Ro- 
howsky aus dem Vorstande des Central Vereins und 
die Wahl des Collegen Dr. Stifft an seine Stelle. — 
Als Sitz für die nächstjährige Versammlung ist 
Dresden gewählt worden. Dr. Mossa. 


Cocain-Vergiftungen. 

Die Fälle von acuter Cocain-Vergiftung, oftmals 
mit tödtlichem Ausgange, mehren sich in auffälliger 
Weise. 

So berichtet Dr. Sarland (The Lancet. Novem¬ 
ber 1895) einen solchen: 1. Eine junge Frau hatte 
gegen Zahnschmerzen etwa 0,8 Cocain mur. in 
wässeriger Lösung genommen. — Unmittelbar dar¬ 
auf Schwindelund epileptiforme Convulsionen, welche 
sich 9 Mal wiederholten und nach 40 Minuten den 
Tod herbeiführten. 


Die Section ergab starke Blutüberfüllung der 
Gehirnhäute und Lungen, sonst nichts Wesent¬ 
liches. 

2. Einem kräftigen Manne wurden gegen 4 gr 
einer 4%. Cocain - Lösung in die Harnröhre ein¬ 
gespritzt. Wenige Secunden danach heftige Con¬ 
vulsionen und innerhalb 4 Minuten, trotz energischer 
Anwendung von Amylnitrit, trat der Tod ein. Ganz 
in derselben Art war der Hergang bei einem 
zweiten Manne, dem von derselben Lösung nur 
20 Tropfen in die Harnröhre gespritzt ward. In 
beiden Fällen ergab die Section: intensive Lungen- 
congestion. 

3. Bei einer jungen Frau war eine kleine kos¬ 
metische Operation im Gesicht vorgenommen worden, 
worauf Carbolsäure auf die Wunde angewandt wurde. 
Wegen heftiger Schmerzen trug man 4 °/ 0 . Cocain- 
Lösung auf. Nach wenigen Minuten heftige Er¬ 
regung, Uebelbefinden und Tod. 

4. Einem 29jähr. Manne, der wegen Mastdarm- 
fistel operirt werden sollte, wurden 20 Tropfen 
einer 4 °/ 0 . Lösung subcutan eingespritzt, und nach 
10 Minuten dieselbe Dosis noch ein Mal. 3 Minuten 
später Bewusstlosigkeit und Convulsionen, nach einer 
weiteren Minute Exitus letalis. (Med. Journal. 
Tokio 1895. 1.) 

5. Eine 35jähr. Frau nahm 1,25 Cocain. Da¬ 
nach alsbald Schwindel und wilde Delirien. Hier 
trat bei geeigneter Behandlung Genesung ein. 
Fälle mit günstigem Ausgange nach so hohen Dosen 
sind nur sehr wenige veröffentlicht. — Die Behand¬ 
lung soll in Morphiumeinspritzungen bestehen, wo 
frühzeitiger Collaps mit tetanischen Krämpfen und 
Cyanose auftritt; Stimulantia, Strychnineinspritzung, 
Alkohol, Aether soll man bei Herzschwäche an¬ 
wenden. — Oft sah man die Erscheinungen auch 
ohne Behandlung schwinden. 

Einen sehr ausführlich beschriebenen Fall von 
Cocain-Vergiftung von den Harn wegen aus brachte 
die Berliner kl. Wochenschrift 1896. No. 22. 

Ein 37jähr. kräftiger Mann, nicht neuropathisch 
beaulagt, zeigte Symptome einer Harnblasen¬ 
geschwulst, und wurde deshalb unter Cocainanästhe- 
sirung der Harnröhre 4 Mal von anderer Seite und 
1 Mal von Dr. Nitze cystokopisch untersucht. Es 
wurde ihm jedesmal eine frisch bereitete Lösung 
von Cocain mur. 2,0:30,0 mittels einer Injections- 
spritze von 6 cm Inhalt in 5 Portionen nach ein¬ 
ander durch die Urethra in die Blase gespritzt. 
Die Theile blieben etwa 3 Minuten in Berührung 
mit dem Cocain, dann wurde die bis dahin ver¬ 
schlossen gehaltene Orific. urethrae est. geöffnet, 
so dass 6 — 8 cm Cocain-Lösung wieder abflossen, 
und ein Rest in der Blase verblieb. Die 6. Cocain- 
Anwendung fand zum Behuf der Exstirpation des 
Tumor statt, die'gut, ohne besonderen Bluterguss 


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50 


vor sich ging. — Etwa 60 Minuten danach 7. Cocain- 
Anästhesie, um die Basis der Geschwulst mittels 
galvanokaustischem Brenner zu vernichten. — Kaum 
waren aber die letzten 6 cm Cocain eingespritzt, 
als Pat. über Kopfschmerzen , Schwindel und Ohren¬ 
sausen klagte, um dann sofort unter Verlust des 
Bewusstseins in die heftigsten klonischen Krämpfe 
zu verfallen. Sofort Entfernung des Cocain und 
Ausspülung der Blase. Die klonischen , mitunter 
auch tonischen Krämpfe begannen an der Gesiclits- 
und Kaumuskulatur , hielten 45 Minuten an und 
wiederholten sich dann erst alle 1—2 Minuten, 
hierauf seltner. Respiration sehr unregelmässig , zeit¬ 
weise völlig aussetzend . Pupillen anfangs ad maxi- 
mum erweitert, Conjunctivalreflexe vollkommen er¬ 
loschen; starke Cyanose des Gesichts, Puls sehr 
verlangsamt ®/ 4 Stunde lang künstliche Athmung. 
Nun erst war die Athmung wieder regelmässig, 
aber mehr verlangsamt und flach, Pupillen mittel¬ 
weit, Puls regelmässiger und voller, Sensorium je¬ 
doch noch vollständig benommen. Etwa 1 Stunde 
nach Anwendung des Cocain zeigte sich der Corneal- 
reflex wieder lebhaft, auf Hautreiz energische Ab¬ 
wehrbewegungen, aber noch gänzliche Bewusst¬ 
losigkeit. 2*/ 2 Stunde später reagirte er auf lautes 
Anrufen, befand sich aber noch in Somnolenz. 
B 1 /^ Stunde nach den ersten Vergiftungszeichen 
Wiederkehr des Bewusstseins, doch noch völlige 
Amnesie, die erst nach 7 Stunden schwand. Jetzt 
zeigte sich Schwindel, Eingenommenheit des Kopfes, 
grosse Trockenheit des Mundes , Uebelkeit , Erbrechen, 
Mattigkeit Tags darauf Wohlbefinden. — 7 Tage 
später wurde Pat noch einmal cocainisirt (! Ref.) 
mit Sol. Cocain 1,0:30,0, wobei sich keine Ver¬ 
giftungserscheinungen zeigten . 

Der Berichterstatter sagt am Schlüsse: Der Fall 
zeigt, wie heimtückisch das Cocain ist, und wie 
machtlos wir sind, derartige gelegentlich uns über¬ 
raschende Fälle zu vermeiden. Das Präparat war 
gut; eine Idiosynkrasie lag nicht vor, denn 6 Mal 
hat Pat. die Anästhesie gut ertragen, das 7. Mal 
nicht. Wunden, Risse etc. nach der Cystokopie 
konnten auch nicht schuld sein, dass vielleicht eine 
grössere Menge Cocain resorbirt worden ist. Kurz, 
wir stehen vor einem Räthsel, dürfen aber trotz¬ 
dem das Cocain nicht deshalb aus unserer Praxis 
verbannen, da solche Fälle doch recht selten sind 
und wir kein besseres Mittel auf diesem Gebiete 
besitzen. 

Dr. Nitze hat trotz mehrerer tausend Fälle, wo 
er die Cocainisirung in gleicher Weise anwandte, 
nur obigen Fall und merkwürdigerweise noch vor 
einigen Wochen einen ähnlichen erlebt. 

Aus diesen Mittheilungen ersehen wir, dass 
Cocain ein intensiv auf das Gehirn und Rücken¬ 
mark wirkendes Mittel ist, das, in starken Dosen 


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angewandt, das Leben in höchstem Maasse bedroht. 
Beim innerlichem Gebrauch hat es in 4°/ 0 . Lösung 
mehrfach den Tod herbeigeführt; hier führte sogar 
6°/ 0 . Lösung in äusserlicher Application fast auch zu 
diesem Ausgange. — Ein Mal so gebraucht, und 
vielleicht nach einer längeren Zwischenzeit wieder¬ 
holt, möchte es nicht so deletär wirken; im letzt¬ 
berichteten Falle stürmte man aber gar 7 Mal in 
kurzen Intervallen auf denselben Kranken mit der 
Injection einer starken Lösung per Urethram ein, 
da ist doch eine cumulative Wirkung, eine Ueber- 
sättigung des Pat. mit diesem tiefwirkenden Agens 
leicht möglich. — Die Chirurgen haben deshalb 
alle Ursache, mit der Cocain-Anästhesie doch recht 
vorsichtig vorzugehen, die Zahnärzte ganz beson¬ 
ders, die es eine Zeit lang für höchst unschuldig an¬ 
gesehen haben. 

Eine kunstgerechte physiologische Prüfung des 
Cocain fehlt uns noch; sie würde uns in demselben 
wahrscheinlich ein recht brauchbares Mittel an die 
Hand geben. 


Die innerliche oder operative Behandlung 
der Appendicitis. 

Von Dr. Frederick W. Elliot-Boston. 
Vortrag in der chirurgischen und gynäkologischen 
Gesellschaft von Massachusetts. 

(Aus dem North American Journal of Homoeopathy. 
April 1899.) 

Die folgenden Fälle, welche Verf. aus den von 
ihm beobachteten ausgelesen, hält er als typisch 
für gewisse Formen von Appendicitis. 

1. Fall. Ein 23jähr. Fräulein, Buchhalterin, 
leidet an chronischer Verstopfung und Kopfweh. 
Wegen Dysmenorrhoea membranacea ist ihr, inner¬ 
halb zwei Jahren, der Uterus zwei Mal ausgekratzt 
worden, worauf der Zustand geheilt erschien. Die 
gegenwärtigen Symptome, Anfangs ganz unbedeu¬ 
tend, nahmen nach und nach heimtückischer Weise 
zu, und jetzt ist sie wegen der Schmerzen in der 
Regio iliaca dextra gänzlich unbrauchbar. T. 101. 
P. 110; keine Uebelkeit oder Erbrechen; grosse 
Druckempfindlichkeit und schwache Fluctuation über 
Mr. Burney’s Punkt. Wiederherstellung in 14 Tagen 
unter Anwendung von Oliven-Oel per os et anum, 
nach der von Dr. Terry in New York angegebenen 
Methode und homöopathischen Mitteln. — Kein 
Recidiv. 

2. Fall. Ein 7 jähr. zarter, ehrgeiziger Knabe, 
bekam beim Fussballspiel einen Schlag in die rechte 
Seite; der Schmerz an dieser Stelle war dumpf. 
Wiederherstellung unter derselben Behandlung wie 
bei No. 1, nur dass statt Olivenöl heisses Wasser 
gebraucht worden ist. Kein Recidiv. 

8 * 


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60 


8. Fall. Frau, 28 Jahr, Haushälterin, bekam 
im 7. Monat der Schwangerschaft eine gut aus¬ 
gesprochene Appendicitis; der rechtsseitige M. rectus 
ist rigid; hohe Temperatur, schneller Puls, elendes 
Gesicht; nervös, besorgt, sehr herunter; die Dämpfung 
ist nicht deutlich begrenzt, localisirte Druckempfind¬ 
lichkeit und Schmerz. Nausea. Wiederherstellung 
unter Behandlung mit heissem Wasser. Kein Re- 
cidiv. Sie brachte zur rechten Zeit ein gesundes 
10 Pfund schweres Kind zur Welt. 

4. Fall. Ein SOjähr. Mann, kräftig und gut 
genährt, zeigte zuerst die Symptome einer acuten 
Peritonitis, ohne einen besonders umschriebenen 
Schmerzpunkt oder Empfindlichkeit; er weigerte 
sich, ins Hospital zu gehen, besserte sich allmählich 
unter dem Gebrauch von Salzen und kalten ört¬ 
lichen Umschlägen. Am neunten Tage trat plötz- | 
lieh ein Rückfall ein, und jetzt liess er sich ins 
Hospital aufnehmen. Am folgenden Tage wurde 
hier die Operation gemacht, wobei sich eine allge¬ 
meine suppurative Peritonitis, von dem perforiten 
Wurmfortsatz ausgehend, zeigte. Tod in drei 
Tagen. 

5. Fall. Ein Händler, bis dahin gesund, ein 
enthusiastischer Radler, war plötzlich von einem 
heftigen, kolikartigen Schmerz im Unterleib nieder¬ 
geworfen worden. Geringes Fieber, alle Symptome 
besser am Ende von 24 Stunden, so dass er auf 
dem Wege der Genesung erschien. Plötzlich wieder 
schlimmer, wurde er ins Hospital aufgenommen, wo 
die Operation alsbald gemacht wurde, und er in 
24 Stunden, noch nicht drei Tage nach dem ersten 
Anfall, verstarb. 

6. Fall. Ein 30jähr. Mann, gut gebaut, aus¬ 
nehmend stark und kräftig, hatte drei Anfälle gut 
überstanden. Der letzte war milder als die vorigen 
beim Beginn, aber die Symptome hielten an; die 
Operation war nach verschiedenen Consultationen 
und langen Berathungen beschlossen. Er hatte gar 
nicht das Aussehen eines schwer Erkrankten. Er 
ward zu Hause operirt. Bis zum sechsten Tage 
nach der Operation ging Alles gut, da erschien, 
ohne alle Vorboten, ein anhaltendes Brechwürgen, 
das allen Mitteln trotzte. Tod unter urämischen 
Erscheinungen am 9. Tage nach der Operation, 
dem 12. der Krankheit. 

7. Fall. Ein 36jähr. Mann, in einem Marmor¬ 
geschäft, der gewohnt war, schwere Marmorstücke 
zu heben. Vor 12 Jahren war er von einem 
schwerbeladenen Wagen überfahren worden, wobei 
ihm die Räder über den Unterleib, gerade über die 
Hüften gegangen waren, die Verletzung war viel- , 
leicht geringer, weil es auf weichem Sandboden ge- ] 
schah. Er hatte oftmals Schmerzanfälle in der 
rechten Seite gehabt, die in den letzten zwei Jahren I 
heftiger und häufiger ein traten. Jetzt war er ge- | 


rade von einem solchen genesen, der ihn auf 
mehrere Tage ins Bett geworfen hatte. Sein Arzt 
hatte ihn davon unterrichtet, dass er an einem 
krankhaften Zustande der Appendix leide und dass 
jeder neue Anfall gefährlicher für ihn würde, wes¬ 
halb er sich an einen Chirurgen wenden solle. Er 
suchte Dr. Elliot auf. Die Untersuchung zeigte 
bei dem starken, hahnebüchenen Mann eine kleine 
Geschwulst in der Gegend der Appendix, die nur 
bei tiefem Drucke etwas schmerzhaft war, Ope¬ 
ration im Baptist-Hospital. — Einschnitt von 1 ! / a 
Zoll; l*/ 2 Wochen im Bette; nach 14 Tagen ent¬ 
lassen. 

Dieser Appendix fand sich sehr verlängert und 
eingeschnürt an einem Punkte, in einem Drittel der 
Länge vom Darm (dies ist die anatomische Stelle, 

I welche am wenigsten Blutzufuhr und deshalb die 
niedrigste Lebenskraft hat und somit der Lieblings¬ 
sitz pathologischer Veränderungen ist). Eine dünne 
silberne Sonde ging mit Schwierigkeit durch diese 
Strictur. Die Wände des so gebildeten Sackes 
waren verdünnt und durch Eiter stark ausgedehnt. 
Die Schleimhaut war tief ulcerirt. Offenbar füllte 
sich die Höhle zeitweise an, und, wenn der Druck 
hierdurch zunahm, wurde die Strictur überwunden, 
so dass das Secret seinen Weg in den Blinddarm 
fand, womit der Anfall zur Zeit vorüber war. Mit 
jedem Anfall jedoch wurde die Strictur dichter, die 
Wände dünner und schwächer, und es war nur 
eine Frage der Zeit, wann die Ruptur in der Peri- 
toneal-Höhle stattfinden würde. 

8. Fall. Ein 14jähr. Schulknabe, von zarter 
Gesundheit, machte eines Sonntags nach einer kräf¬ 
tigen Mahlzeit eine Fahrt von 12 (engl.) Meilen 
auf seinem Zweirad, und fühlte sich bei seiner 
Heimkehr nicht ganz wohl. Am Montag etwas 
besser, verschlimmerte sich sein Zustand am Diens¬ 
tag. Als ihn Dr. E. an diesem Tage Nachmittags 
5 Uhr sah, zeigte sich etwas Geschwulst, und bei 
tiefem Drucke ein wenig Empfindlichkeit. T. 99,4 °F., 
P. 80. Gesicht unverändert, die Funktionen nor¬ 
mal; die Eltern waren daher nicht wenig erstaunt, 
als der Arzt sie von dem Ernste der Sache und 
der Möglichkeit einer Operation in Kenntniss setzte. 
Indessen wurde vorläufig eine Behandlung mit heissem 
Wasser eingeleitet, bis der Knabe sich merklich 
wohl befand. Am Freitag, Nachmittags 6 Uhr, war 
der P. 76, stark, voll, regelmässig; T. 99. Ge¬ 
sicht heiter. Der Zustand erschien in der That 
sehr günstig und die Heilung in Sicht. Sonnabend 
in der Nacht 2 Uhr zum Knaben gerufen, fand 
, Dr. E. eine auffallende Verschlimmerung. Das Ge- 
| sicht war ängstlich, livid, das Athmen schnell, flach, 
P. 140, schwach, fadenförmig; T. 104; deutlicheört- 
I liehe Druckempfindlichkeit und eine breite Dämpfung. 
| Ein herbeigerufener Chirurg operirte im Hause so- 


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61 


bald als thunlich. — Der Appendix erwies sich 
gangränös am Ende und durchbohrt; in der Bauch¬ 
höhle war reichlicher Eiter und verhärtete Fäkal¬ 
stoffe, der Appendix wurde abgeschnitten, der Eiter 
und die Fäcalien mittels eines Schwammes entleert, 
darauf folgte eine ausgiebige Rieselung mit nor¬ 
maler Salzlösung und eine Gazedrainage. Der kleine 
Patient war am Schlüsse der schleunig beendeten 
Operation dem Collapsus nahe, aber durch Stimu¬ 
lantia und Strychnin wieder belebt. Eine Woche 
lang war der Zustand kritisch; es öffnete sich ein 
grosser post-peritonealer Abscess. 

Die Reconvalescenz zog sich in die Länge. 
Eine Nachoperation wegen einer Hernie war nicht 
erforderlich. 

Der gegenwärtige Gesundheitszustand vortreff¬ 
lich. 

9. Fall. Eine 64jähr. Wittwe, die einen kleinen 
Laden hält, nervös, ist seit Jahren wegen Magen¬ 
schwäche in ärztlicher Behandlung, immer halb¬ 
invalide. Vor 15 Jahren hatte sie eine Geschwulst 
in der rechten Seite, die zeitweise sehr schmerz¬ 
haft war, gewöhnlich aber beim Liegen, und damit 
auch der Schmerz, verschwand. — Jetzt zeigte sich 
bei der ersten Untersuchung eine kleine und aus¬ 
nehmend schmerzhafte Schwellung rechterseits, ge¬ 
rade über dem Pouparti’schen Bande. Versuche, 
diese zurückzubringen, waren erfolglos. Operation 
alsbald im Hause. Schenkel-Hernie; der Sack ent¬ 
hielt den Darm und den mit ihm verflochtenen und 
eingeschnürten Appendix. Letzterer wurde excidirt. 
Heilung. — 

Es ist anzunehmen, dass eine sehr grosse An¬ 
zahl, wahrscheinlich 90 Proc. primärer Fälle von 
Appendicitis von selbst oder unter ärztlicher Be¬ 
handlung heilen (diese Schätzung stützt sich auf 
sorgfältige Statistik, unter anderen die von Dr. 
Ritter im St. Hedwig-Spital zu Berlin, der an 968 
Fälle zusammengestellt hat); ferner, dass die Mehr¬ 
zahl derer, die einen ersten Anfall überstanden 
haben, keinen weiteren bekommen 

Es kommt der Krankheit nicht die hohe Sterb¬ 
lichkeitsziffer zu, welche ihr manche Chirurgen zu¬ 
geschrieben haben. Bei 300 Sectionsbefunden in 
Chicago zeigte sich, dass 100 Individuen einmal 
im Leben eine Appendicitis gehabt und alle von der 
Krankheit genesen waren. Von den übrigen chirur¬ 
gisch behandelten 10 Proc. sind nur wenige von 
jenem fulminanten Typus. 

Alle fulminanten Fälle sollten sechs Stunden 
sorgfältig beobachtet werden. Hat sich dieser Cha¬ 
rakter der Krankheit dann herausgestellt, so soll 
man einen Chirurgen zu einer Berathung herbei¬ 
ziehen, nicht wegen seines Messers, sondern wegen 
seines Urtheils über die Räthlichkeit einer Ope¬ 
ration. Falls nach Ablauf von zwölf Stunden keine 


Besserung eingetreten, soll man in der Regel zur 
Operation schreiten. 

Die Frage ist von Interesse, ob nicht Fussball 
und das Radeln in manchen Fällen als directe Ur¬ 
sache eines Anfalls anzusehen sind. 

Der zarte Appendix wird bei gewissen in diesen 
Sports beobachteten Stellungen über den scharfen, 
gespannten, harten Rand des Psoasmuskels ge¬ 
zogen, was unter Umständen von gefährlichen Folgen 
sein kann. 

Diagnose. 

Diese ist in der Regel klar und unzweideutig 
bei Gegenwart der Hauptsymptome: erhöhte Tem¬ 
peratur, schneller Puls, Nausea oder Erbrechen, 
örtlicher Schmerz, merkbare Geschwulst, Empfind¬ 
lichkeit bei tiefem oder oberflächlichem Druck; 
Starrheit der Bauchwandung. In manchen Fällen 
ist sie jedoch schwer oder unmöglich. Hierfür 
liefert ein hervorragender Arzt aus der Nachbar¬ 
schaft dem Verf. ein sehr lehrreiches Beispiel. 

Dieser hatte vier Anfälle von Appendicitis, von 
denen jeder einzelne durch die klassischen Sym¬ 
ptome gekennzeichnet war. Die Diagnose war von 
einem sehr bedeutenden Chirurgen und Arzt der 
Hauptstadt festgestellt worden. Es schien gar kein 
Zweifel betreffs der Natur, der Gefahr und der 
Dringlichkeit eines operativen Eingriffs möglich. 
Aber der kranke Arzt wies die vorgeschlagene 
Operation zurück. Er hatte die Kühnheit, von 
jedem Anfalle, trotz der ungünstigsten Prognose, 
gesund davon zu kommen. Als er später an einer 
anderen Krankheit starb, fand sich bei der Autopsie 
sein Appendix — völlig normal, ohne jedes Zeichen 
einer früheren oder derzeitigen Verletzung. Um¬ 
gekehrt hat jeder erfahrene Chirurg Fälle be¬ 
obachtet mit gar keinen oder unbedeutenden Sym¬ 
ptomen, ohne erhebliche Temperaturerhöhung, ohne 
merkliche Beschleunigung des Pulses, ohne fühl¬ 
baren Tumor und Rigidität der Bauchwand, ohne 
Nausea, localisirten Schmerz oder Druckempfind¬ 
lichkeit, die von einem Zustand verhältnissmässigen 
Wohlbefindens plötzlich und fast ohne jeder Warn¬ 
signale in einen Status verhängnisvollen Collapsus 
übergingen, wie sich dies an dem unter No. 8 bei¬ 
gebrachten Fall sehr nahe zeigt. — 

Arzneiliche und andere Hilfsmittel. 

Von homöopathischen Mitteln haben sich Bryon., 
Nux vom. und Ipecacuanha wirksam gezeigt (und 
Bellad., Mercur? Ref,). — Opium in materiellen 
Dosen ist streng contra-indicirt. 

Ein volles Glas mit heissem Wasser stündlich, bis 
reichlicher Schweiss, Oeffnung und Diurese eingetreten 
ist; nebstdem ein hoch hinaufgehendes Enema von 
heisser Seifenlösung, von wenigstens 2 Quart. Ein 
reines Colon ist eine nothwendige Bedingung für 
einen gesunden Wurmfortsatz oder um einen kranken 


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62 


zur Gesundheit zurückzubringen. — Olivenöl reich¬ 
lich per os oder anum ist in manchen Fällen nütz¬ 
lich und heilbringend (unter welchen Umständen? 
Ref.). Salzhaltige Laxantia, wenn Wasser oder Oel 
unwirksam sind. (Diese Indication möchten wir nicht 
unterschreiben. Ref.). 

Ein Eiswickel oder in Eiswasser getränkte und 
ausgewundene Handtücher häufig auf den Unter¬ 
leib zu legen. (Kühlende, später Priessnitz’sche Um¬ 
schläge scheinen uns zweckmässiger. Ref.). 

Die Diät eines von einer Appendicitis Genesen¬ 
den so 11 ebenso sorgsam gewählt und innegehalten 
werden, als die eines Typhus-Reconvalescenten; der 
Kranke soll nach jedem schweren Anfall wenigstens 
14 Tage im Bette verbleiben. 

Trotz der von manchen Chirurgen veröffent¬ 
lichten Listen von 75 oder gar 100 ohne einen 
Todesfall verlaufenen Operationen, steht es fest, 
dass eine im acuten Stadium gemachte Appen- 
diceotomie immerhin ein ernster und oftmals ein 
unsicherer operativer Eingriff ist. Dr. W. W. Keen 
von Philadelphia hat sich bei der letzten Versamm¬ 
lung der American Medical Association zu Denver 
dahin ausgesprochen: „Ich protestire gegen den 
Gebrauch von Opium, seltene Fälle ausgenommen, 
weil es die Symptome der Krankheit verdeckt und 
den Kranken ins Grab zu bringen pflegt. Ich be¬ 
streite die Behauptung, dass durch Operation alle, 
ausser 2 Proc. der Fälle gerettet werden. Ich 
fordere jeden hier anwesenden Operateur heraus, 
100 gesunde Personen zu nehmen und an ihnen 
zu operiren, ohne mehr als 2 Proc. zu verlieren. 
Wir fehlen alle, meine Herren; ich weiss nicht 
weshalb, aber das, dass wir fehlen. Ich halte die 
Operation nicht in allen Fällen für nothwendig. 
Ich möchte lieber einen lebendigen Menschen mit, 
als einen Todten ohne Appendix haben. Ich halte 
auch nicht dafür, wie jener witzige Franzose, dass 
kein Fall ohne Autopsie vollständig sei. Ist der 
Kranke nach 48 stündiger Beobachtung nicht 
schlechter, so lass ihn in Ruhe, dass es ihm wohl¬ 
gehe!“ Die Statistik ist oftmals irreführend. Es 
giebt ein berühmtes bon mot eines englischen Staats¬ 
mannes, „dass nichts so viel lüge als Thatsachen, 
ausgenommen Zahlen“. Ein College, der jüngst von 
einer Sommerreise zum Studium des London-Spitals 
heimkehrte, berichtet über ein Gespräch mit einem 
der leitenden Chirurgen Londons, betreffs der Sta¬ 
tistik eines gewissen amerikanischen Chirurgen, der 
eine Reihe von 85 consecutiven Appendiceotomieen 
ohne einen Todesfall für sich in Anspruch nimmt, 
eine Reihe von nicht ausgewählten Fällen, sondern 
von verschiedenen Typen, acute, chronische und 
recidivirte. Der Commentar, den jener gab, war: 
„Entweder liegt da eine Täuschung vor oder Ihr 
in Amerika entfernt ein gut Theil gesunder Wurm- j 


fortsätze“. Dazu gab er als Illustration noch fol¬ 
gendes Geschichtchen: 

Ein ihm befreundeter Patient war epileptischen 
Anfällen unterworfen. Er hatte eine Reise nach 
Amerika vor, aber ehe er auslief, nähte er eine 
Karte in seine Weste, auf die er Folgendes schrieb: 
„Ich bin ein Epileptiker. Sollte man mich bewusst¬ 
los auf der Strasse antreffen, so bitte ich, meinen 
Appendix nicht zu entfernen, da dies unschuldige 
Organ einige Jahre vorher, als ich Boston besuchte, 
ausgeschnitten worden ist.“ 

Nachdem Verf. noch einige praktische Winke 
für die Technik der Operation angegeben, schliesst 
er: Ohne Frage ist die unselige Meinungsverschie¬ 
denheit zwischen Aerzten und Chirurgen betreffs 
der Appendicitis an manchem Todesfall schuld. — 
Ist die Zeit noch nicht da, wo man den Dogmatis¬ 
mus bei Seite legt und eine Appendicitis von Allen 
als eine sowohl in das Bereich des internen wie 
chirurgischen Arztes gehörige Krankheit angesehen 
und jeder Fall für sich besonders auf Grund der 
vorhandenen Specifica diagnosticirt wird, abseits 
von statistischen Tabellen, die selten am Kranken¬ 
bett brauchbar sind, ohne Leidenschaft und vor¬ 
gefasste Meinungen? 

Die medicinische Literatur zeigt in der That, 
dass der Conservatismus unter den leitenden Chirur¬ 
gen Englands, Deutschlands und mancher medi- 
cinischen Central-Amerikas betreffs der Operation in 
Fällen von Appendicitis im Zunehmen ist, indem 
man die chirurgische Behandlung unter Vorhanden¬ 
sein klarer und unzweideutiger Indicationen für zu¬ 
lässig hält. 

LesefrUchte. 

Ein einfaches Mittel, um das Beschlagen des 
Kehlkopfspiegels zu verhüten, giebt Dr. A. Kirn¬ 
stein (Berlin) an. Wenn man nämlich auf einem 
trocknen Kehlkopfspiegel eine winzige Spur gelber 
Schmierseife verreibt und die Fläche dann mit einem 
trockenen Tuche in kreisenden Bewegungen putzt, 
bis der Spiegel wieder blank ist, so bleibt das so 
präparirte Glas beim Anhauchen vollständig klar. 
Einen so präparirten Spiegel kann man unerwärmt 
nach Verf. in den Rachen des Pat. einführen und 
zur Untersuchung der Luftwege benutzen, ohne je 
eine Trübung des Gesichtsfeldes durch Anlaufen des 
Glases zu erfahren . — Da wird man wohl auch das 
Anlaufen der Brille, wenn man aus der Winter¬ 
kälte in das warme Zimmer eines Kranken tritt, 
auf diese Weise gut verhüten können. Der nächste 
Winter wird uns zu diesem Versuche schon Ge¬ 
legenheit geben. 


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79 


Homöopathische Ferienkurse für Aerzte 
in Berlin. 

Die diesjährigen Herbst-Vorträge finden statt 
vom 2. bis 28. October 1899 am Montag, Mittwoch 
und Freitag Abend 1 / a 8 Uhr in der Poliklinik 
Charlottenstr. 77, II. 

Den Herren Gollegen steht ausserdem der Be¬ 
such der Poliklinik wochentäglich von 3 / 2 2 Uhr ab 
frei. 

Die Vorträge umfassen ausgewählte Kapitel 
aus der Homöopathie und zwar: 

1. Oct. 2. Ueber Hahnemann's Leben 

und Werke und über Princi- 

pien der Homöopathie. . . . Dr. Gisevius jun. 

2. „ 4 Ueber Stoffwechselkrank¬ 

heiten . Dr. Kröner. 

3. „ 6. Ueber Atropin u. Belladonna, 

Merkur, Phosphor . Hofarzt Dr. Windelband. 


4. Oct. 9. Ueber Augenkrankheiten . . Dr. Borehmann. 

5. ,11. Ueber Metrorrhagieen . . . . Dr. Dahlke. 

6 . „ 13. Ueber Hautkrankheiten . . . Dr. Dammholz. 

7. „ 16. Ueber Bryonia, Nux vom., 


8 . , 18. Ueber Nervenkrankheiten . . Dr. Kröner. 

9. „ 20. Ueber Darmkrankheiten . . 

Hofarzt Dr. Windelband. 

10. „ 23. Ueber Skrophulose. Dr. Gisevius jun. 

11. , 25. Ueber Mittel wähl. Dr. Sulzer. 

12. „ 27. Ueber Beziehungen der Arz¬ 

neimittel unter einander . . Dr. Dahlke. 


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dieselbe jetzt dauernd gebraucht wird, hat sich folgende 
einfache Anwendungsweise am besten bewährt: Der Körper 
des Patienten wird an zwei aufeinander folgenden Tagen, 
Morgens und Abends, mit der Seife eingeschäumt, den 
Schaum lässt man eintrocknen und giebt vor jedem Ein¬ 
schäumen, sowie nach Beendigung der Kur ein warmes 
Vollbad. Da die Seife neutral ist, so hat sie irgendwelche 
Reizungen nicht erzeugt, auch ist sie von solchen Leuten, 
die bereits stärkere Eczeme hatten, sehr gut vertragen. 

Vorzüge der „Nicotiana-Seife“ sind, dass die Kur mit 
derselben billig ist, dass die Patienten selbst, sowie auch 
ihre Umgebung nicht unter dem penetranten Gerüche der 
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Inhalt. Vorbemerkung der Redaction. Die Homöopathie vor dem Richterstuhle des Experiments. Von 
Dr. Gisevius, praktischer Arzt zu Berlin. — 67. Generalversammlung des Homöopathischen Centralvereins Deutsch¬ 
lands in Elberfeld am 9 und 10 August 1899. Von Dr. Mossa. (Schluss.) — LesefrOchte. — Anzeigen. 


Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Vorbemerkung der Redaction. 

Herr College Gisevius jun.-Berlin hat sieh der 
Mühe unterzogen, eine neue „Werbeschrift“ für 
die homöopathische Heilkunst unter den Aerzten 
der herrschenden Schule, die der Stimme der ; 
Wahrheit zugänglich sind, abzufassen. Er hat in 
derselben vor Allem das Experiment, dieses grosse 
Organon aller wahren Naturwissenschaft, vor dem 
jeder wissenschaftlich denkende Arzt Respect hat, 
als die Grundlage der Homöopathie an die Spitze 
gestellt, alles theoretische Räsonnement möglichst 
vermeidend', und sucht hauptsächlich durch die 
Gegenüberstellung der durch Prüfung am Gesun¬ 
den, also durch das physiologische Experiment, hei 
einer Reihe von Mitteln erforschten pathogene¬ 
tischen Erscheinungen und deren praktische Ver¬ 
wendung als Indicationen, auf Grund des Aehnlicli- 
keitsgesetzes, in einer Anzahl beweiskräftiger con- 
creter Fälle die Richtigkeit und praktische Brauch¬ 
barkeit der homöopathischen Heilmethode ad oculos 
zu demonstriren. Die Auswahl der herangezogenen 
Mittel, sowie auch die der concreten Fälle, unter 
denen beachtenswerthe Beobachtungen des Ver¬ 
fassers selbst erscheinen, halten wir für treffend. 

Ehe aber die Propaganda-Commission an den 
weiteren Druck dieser Schrift geht, hält sie es für 
angemessen, dieselbe dem Urtheil der Mitglieder 
des Centralvereins und auch der anderen Berufs¬ 
genossen zu unterbreiten, und ist die Redaction 
dieser Zeitung gern bereit, desfallsigen Aeusse- 
rungen Raum zu gewähren. 


Die Homöopathie vor dem Richterstuhle 
des Experiments. 

Von Dr. Gisevius jun., praktischer Arzt zu Berlin. 

„Cur ego hac tertia parte librum Paracelsi 
coelum Philosophorum dictum explicandum sum- 
serim, latere te nolui, benevole lector, ne me ma- 
teria destitutum crederes scribendi, si non aliorum 
scriptis meum librum augerem: quod hic boni scri- 
bere institui, vel absque Paracelsicorum librorum 
admistione facere potuissem, verum hac proprie 
causa, quia Paracelsus superiori seculo complures 
elegantissimos libros communi commodo publicavit, 
sed satis obscuros et ob hoc ab- iinperitis falsos 
habitos et contemtos, sed quia arcanis referta me- 
rito maximi faciendos. In quibus postquam veri- 
tatem deprehendi, aegerrime tali sinistros de hoc 
viro sermones, quasi omnium rerum rudi et vaga- 
bundo, cui ingenuina philosophia, Medicina et 
Alchyraia pauci aequales fuerunt. Quin eo res de- 
venit, ut # gnavus Medicinae studiosus, strenuus alias 
veritatis sectator, eam ex scriptis ipsius investiga- 
turus, se illis delectari indicinam facere non audeat, 
verum propter malevolos istis nolens volens absti- 
nere, cumque maiori turba in tenebris haerere co- 
gatur; dubium vero non est, quin lumen olim nobis 
a Paracelso accensum bonorum scriptis renovatum 
a multis amabitur. u 

So lautet der Anfang der Praefatio, die in 
einem alten Druck Johann Rudolph Glauber, der 
Urheber des Sal mirabile, seiner Neuherausgabe 

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9S 


Durchfall schleimig*grün, schwarzer Schleim 
mit hartnäckigem Erbrechen; Abführen wie schmutzi¬ 
ges Wasser, Blut — mit ausserordentlicher Kälte 
der Extremitäten und intensivem Zwang. 

Nur spärlich Haematurie, Albuminurie. 

Puls klein, fadenförmig; Wadenkrämpfe. 

Frost, ausserordentliche Hitze mit kleinem, 
schwachen und sehr häufigen Puls. 

Ergänzend sei noch hervorgehoben, dass Virchow 
sogar (Archiv, 47. Band, S. 524) selbst betont hat, 
dass das Bild der acuten As-Vergiftung der schwer¬ 
sten Cholera klinisch und anatomisch genau ent¬ 
spricht. 

Ausser den angeführten Symptomen enthalten 
die homöopathischen Register eine solche Masse 
auf den Magen befindlichen Erscheinungen, dass 
sich Krankheitsbilder der verschiedensten Magen- 
Erkrankungen ergeben vom leichten Katarrh bis 
zu den schwersten destructiven Processen. 

Nach dem Simile-Grundsatz angewendet, schliesst 
der therapeutische Erfolg die Beweiskette. 

Dieser bleibt jedoch aus, wenn man As nun 
bei allen Magen-Erkrankungen schematisch an¬ 
wendet, die bei oberflächlicher Betrachtung dem 
groben As-Bilde entsprechen. Hier liegt der Schwer¬ 
punkt und das Geheitnniss des Erfolges wieder in 
der genauen Berücksichtigung der sogenannten be¬ 
gleitenden Symptome. 

„Quälender Durst, Vollsein nach geringem 
Speisegenuss. Schwäche-Gefühl in der Magengrube, 
besser durch Essen, aber sobald der Kranke zu 
essen beginnt, hat er Drang zu diarrhöeschem 
Stuhl. Die Magenkrämpfe treten periodisch, be¬ 
sonders Nachts auf. Aeussere Wärme lindert.“ 

Ein Paar Fälle aus der unendlichen Zahl bre- 
vissima manu: Apotheker; seit 15 Jahren: Bei 
grosser Uebelkeit nach Speisegenuss, auch Nachts 
heftiges Speiseerbrechen, dann gallig gefärbte 
Flüssigkeit, scharf, sauer. Nachher heftiger Schmerz 
in der Magengegend bis zum Nabel, Brennen wie 
von glühender Kohle. Poltern im Bauch, Blähungen. 
Bei Anspannung der Bauchpresse Schmerzen im 
Leibe. Grüner Durchfall mit Zwang und Brennen 
im After. 

Angst, Unruhe, Schlaflosigkeit, Schnupfen, Nasen¬ 
bluten, Appetit fehlt, Aufstossen, Gesicht fahl, 
Todesfurcht. (Gastritis chronica acida.) 

Binnen wenigen Wochen Heilung mit As. 

Frau von 44 J. Seit 4 Jahren Krampf 5—6 
Mal. Beginnt mit zusammenziehenden Schmerzen 
im 1. Hypochonder, darauf Angst und Beklemmung 
auf der Brust, mit brennendem Schmerz und 
schwerem Athmen, Hitze, Ohnmacht. Dann reich¬ 
licher Scbweiss. Aeussere Wärme lindert, nach 
Essen schlimmer. (Cardialgie.) 

Mit As Heilung in 14 Tagen. 


Die Casuistik ist unerschöpflich. 

Die Affectionen des Dai'ines betreffend, so sei 
hier nur auf eine Thatsache verwiesen. Virchow 
hält das As-Bild für identisch mit dem der Cholera 
asiatica. 

Die letzte grosse Cholera-Epidemie in Hamburg 
hatte in den ersten 2 Monaten 80 °/ 0 Mortalität. 

Von 317 homöopathisch behandelten starben 1^. 
Wenn 12 Patienten, die mangels Pflege in Kranken¬ 
häuser gebracht wurden und 31, die aus ver¬ 
schiedenen Gründen in anderweitige Behandlung 
übergingen, hinzugerechnet werden, so beträgt die 
Mortalität 15 1 / 2 °/ 0 - 

Die Behandlung erfolgte mit As. 

Die zweite Phase der Vergiftung begreift Ver¬ 
änderungen der parenchymatösen Organe der Brust - 
und Bauchhöhle , sowie der Haut in sich. — 

Daneben treten Schlcimhautaffectionen auf: Hart¬ 
näckiger Bindehautkatarrh , grippeartiger Schnupfen , 
Katarrhe der Kehlkopf - und Xi^röArenschleimhaut. 
Das ausgeworfene Secret ist schleimig, hier und 
da etwas blutig. — Dem ersten Angriffspunkte 
entsprechen aus den homöopathischen Prüfungen 
zahlreiche Augensymplome, die in ihrem Gesammt- 
bild eine starke Schwellung der Lider mit inten¬ 
siver Rothe der Ränder und ausserordentliche 
Schmerzhaftigkeit zeigen. Dabei massenhafte dünne 
Absonderung von grosser Schärfe. — 

Vergleiche: 

Frau von 54 J., seit 8 Tagen Conjunctiv. 
Rhinit. catarrli. Nachts Sclera geröthet, Lider öde- 
matös, Stechen im Bulbus, Photophobie — Sand¬ 
körnchengefühl, Brennen, Ciliarneuralgie. Ausfluss 
brennend heisser Thränen. Flor vor dem Auge. — 
Starke Nasen-Absonderung. — Kopf eingenommen. 
Mattigkeit, Frost, Durst, Schlaflosigkeit. 

As heilte in wenigen Tagen. 

Ebenso sind die Nasensymptome der homöo¬ 
pathischen Prüfungen sehr bezeichnend. Absonde¬ 
rung einer dünnen, ätzenden Flüssigkeit. Dabei 
Verstopfungsgefühl, dumpfer, klopfender Kopf¬ 
schmerz. Halte dagegen: 

Im letzten Jahre kamen 3 Fälle von mehr¬ 
jährigem Schnupfen in Behandlung mit den obigen 
Kennzeichen. Dabei Fehlen von Geruch und Ge¬ 
schmack, keine Polypen. 

Ein Fall zeichnete sich dadurch aus, dass der 
Schnupfen seit 5 Jahren anfallsw^eise Nachts auf¬ 
trat. — Alle wurden in wenigen Wochen mit A 9 
geheilt. 

Die oben angedeuteten Schädigungen der Bron¬ 
chien werden verstärkt durch die unten zu er¬ 
wähnenden Veränderungen des Herzens und der 
Blutgefässe, die auch den Lungenkreislauf schä¬ 
digen. 


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Die Betheiligung der Bronchien drückt sich in 
folgenden homöopathischen Prüfungs-Resultaten aus: 

„Asthmatisches Athmen: muss sich mit der 
Brust vornüber neigen, muss des Nachts aus dem 
Bette springen. Grosse Atheinnoth. Gesicht cya- 
notisch und mit kaltem Schweiss bedeckt. Grosse 
Angst. Nachthusten, muss aufsitzen, sobald der 
Husten beginnt, — um 1 Uhr Nachts mit Schwer- 
athmen. Zusammenschnüren der Brust mit grosser 
Angst und Unruhe, Abends, beim Bergaufgehen.“ 

Vergleiche: 

Gebrauch des As bei den Schmugglern Steiermarks 
zur Aufbesserung der Athrnung bei dem Tragen 
schwerer Lasten. 

Ferner: 

Asthma seit 8 Jahren: 

Sobald er sich Abends zum Schlafen legt: Brust¬ 
krampf, Engbrüstigkeit, Exspiriuin pfeifend; Zu¬ 
sammenpressen auf der Brust und in der Kehle, 
das ihn zum Vorbücken und Aufsitzen nöthigt mit 
Erleichterung. Athmen immer schwieriger, das Aus- 
athmen fein wie höchster Fistelton. Dabei ver¬ 
zweifelnde Angst, Schweiss; Anfall 3—4 Stunden, 
lässt erst nach Mitternacht nach. 

As heilt in kürzester Zeit. — Trotzdem die 
homöopathische Literatur eine grosse Reihe ähn¬ 
licher Heilungen enthält, muss hier immer wieder 
für das Gelingen des Experimentes die Anwendung 
von As eben wie für den genau passenden As-Fall 
gefordert werden. 

Der Einfluss des Giftes auf das Herz kann bei 
acuter Vorgiftung zum Tode durch Herzlähmung 
führen, da der Herzmuskel degenerirt; bei grossen 
Dosen wohl auch die Herzganglien, wie es der 
anatomische Befund beweist. — Hinzu kommen die 
homöopathischen Prüfungsergebnisse: „Herzklopfen 
mit Angst, kann nicht auf dem Rücken liegen; 
Angina pectoris, plötzliche Bewegung über dem 
Herzen; peinlicher Praecordial-Schmerz; Puls klein, 
sehr häufig, unregelmässig, fadenförmig; schliesslich 
Oedeme “ 

Bei der klinischen Nutzanwendung sei darauf 
aufmerksam gemacht, wie genau sich der Effect 
mit den experimentell gefundenen Thatsachen deckt. 
Nur Schwächezustände des Herzens mancherlei Art 
von rein functioneller bis zu schwerer Myocarditis 
oder Cor adiposum passen für das Mittel, aber 
Klappenfehler nur insofern, als die Herzwandungen 
mit beteiligt sind, denn nur diese greift das Gift 
an (vergleiche im Gegensatz Aconit.). 

Was diese beschränkte Wirkung thun kann, 
dafür seien folgende Fälle angeführt: 

Frau 74 Jahre alt. Abgemagert. Viel an 
Gicht und Herzstörungen leidend; seit 6 Wochen 
Dyspnoe und Herzklopfen, besonders bei Bewegung 
und Rückenlage, drückender Kopfschmerz. Lippen 


und Nase cyanotisch; Taubheit. Trockener Husten. 
Herzhypertrophie und Insufficienz der Bicuspidalis. 
P. 120. Haut kühl. Unterschenkel und Füsse 
ödematös. Schlaflosigkeit. Angst. 

Durch Arsen wurden die Beschwerden auf 
längere Zeit beseitigt. 

Mann von 50 J. Seit 12 J. Mitral-Insufficienz. 
Viele Curmethoden erfolglos. Kachexie. Nächtliche 
Dyspnoe. Appetitlosigkeit. Bronchial katarrh. Ge¬ 
sicht und Glieder ödematös. Seit 2 Jahren arbeits¬ 
unfähig. 

Durch Arsen binnen Kurzem Wohlbefinden und 
Arbeitsfähigkeit. 

Nach Vriejeus wird durch As das Blut zer¬ 
stört; es ist auch mikroskopisch nachgewiesen. 

Die Zersetzungsproducte werden in der Haut 
abgelagert. Aus den homöopathischen Prüfungen 
ergeben sich zahlreiche Symptome, die je nachdem 
das Bild verschiedener schwerer Bluterkrankungen 
ergeben: Chlorose, perniciöse Anaemie, Leukaemie 
(Milz-Tumoren der Prüfungen), Werlhofsche Blut¬ 
krankheit (Petechien der Prüfungen). 

Dagegen. 

Mädchen, 6 Jahre. Skrophulös. Hautvenen- 
Geflecht auffallend entwickelt. Oft Nasenbluten. 
Ueber den ganzen Körper, selbst in der Conjunc- 
tiva massenhafte schwarzblaue Flecken. Blutungen. 
Morbus Werlhofii. 

Lange ärztlich behandelt. 

Arsen heilte in kürzester Zeit. 

Weiter zeigt die As-Vergiftung andere Stoff¬ 
wechselstörungen, so rapide Abmagerung. 

Dazu aus homöopathischen Prüfungen: „Grosse 
Abmagerung, erdfarbenes Gesicht, blaue Ränder um 
die Augen, grosse Schwäche in allen Gliedern, Ab¬ 
neigung gegen jede Thätigkeit, starkes Ruhe-Be- 
dftrfni8S.“ 

Vergleiche damit: 

Kleine Dosen As werden z. B. in Steiermark 
zu Mastkuren an Menschen und Pferden benutzt; 
alternde Koketten erneuern die schwindende Körper¬ 
fülle in den As-Brunnen Süd-Tirols. Direct an- 
gestellte Versuche ergaben z. Z. rapide Gewichts¬ 
zunahme. — Diese Fett ansetzende, in die Körper- 
Oekonomie tief eingreifende Wirkung kommt 
natürlich auch bei vielen sonst As indicirenden 
Krankheiten zur Geltung, bei denen nebenbei die 
Ernährung zurückging. 

Das Arsenic- Fieber: 

Acltere Autoren, Ortila, Takenius, berichten 
ausdrücklich über Fieber, die in den späteren Sta¬ 
dien chronischer As-Vergiftung sich einstellten. 
Imbert-Gourbeyre bringt eine längere Reihe von 
Beispielen. Klose in Reichenstein sah bei As- 
Arbeitern in den späteren Stadien hektisches Fieber. 
Lancereaux berichtete vor Kurzem an die franzö- 

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sische Akademie über eine Vergiftung, bei der das 
intermittireude Fieber bis zu 39,5 stieg. 

Dazu aus homöopathischen Prüfungen: „Frost 
ohne Durst, darauf Hitze mit grossem Durst und 
ohne Schweiss; nach Stunden tritt Schweiss ein, 
worauf die Beschwerden zunehmen; Leber und 
Milz ist geschwollen. 

Trockene Hitze Abends und Nachts mit Durst 
und häufigem Trinken nur geringer Mengen auf 
einmal. 

Gegen Ende des Fiebers Schweiss, womit alle 
früheren Symptome verschwinden. 

Alle diese Thatsachen zeigen ausserdem den 
Charakter des intermittirenden, typisch Wieder¬ 
kehrenden. 

Hiernach folge ein Fall aus der unendlichen 
Zahl geheilter Intermittenten. 

Tertiana in Polen bekommen; Chin. half end¬ 
lich nicht mehr zur Unterdrückung. Zuletzt brachte 
er aus dem Lazareth eine Quartana mit, die mit 
heftigen Kolikschmerzen anfing, die Ohnmächten im 
Gefolge hatten. Körper kalt, nach einer halben 
Stunde Frost, dann Fieber mit Nachlass der Schmerzen 
und Schweiss, dann grosse Schwäche. Leiden be¬ 
steht seit */ 4 Jahr. 

Arsen, heilte in Kurzem. Doch muss jeder Ma¬ 
lariafall sorgfältig untersucht werden mittels des | 
Arznei-Bildes von As, ob dieses oder ein anderes J 
Intermittensmittel indicirt ist. 

Nieren; 

Die Menge des Urins sinkt bei As-Vergiftung. 
Derselbe enthält Blut und Cylinder. | 

Tenesmus. j 

Dazu die homöopathischen Prüfungssymptome: | 
„Der Urin ist spärlich, geht mit Schwierigkeit ab, 
brennt bei der Entleerung. 

Urin dunkelbraun, trübe, mit rothem, sandigem 
Sediment; mit Blut gemischt. 

Wachs und Fettcylinder. Oedeme. 

Vergleiche damit: 

Bursche von 18 Jahren, seit mehreren Wochen 
ärztlich behandelt, zeigt jetzt bedeutenden Ascites 
und Anasarca, besonders im Gesicht und an den 
Gliedern. Urin spärlich, massenhaft Albumen. 
Dyspnoe. Respiration beschleunigt. Herzklopfen. 
Puls weich und schnell. Durchfall. Kopfschmerz. ; 
Schwäche. j 

Heilung mit Arsen in 8 Tagen. 1 

Die Haut wird in ausgedehntester Weise von 
dem Gifte verändert. Es treten auf papulöse, pustu- ^ 
löse, Urticaria- und rubeolaartige Ausschläge. An¬ 
schwellungen und Geschwüre an verschiedenen 
Körperstellen. Haare und Nägel fallen aus. 

Die entsprechenden Symptome aus den homöo¬ 
pathischen Prüfungen sind entsprechend von der 
grössten Mannigfaltigkeit. Sie zeigen Affectionen 


von einfacher Trockenheit und Schuppen der Haut 
bis zum Herpes, Eczem, Pruritus, Psoriasis, Urti¬ 
caria, Petechieen. 
i Vergleiche damit: 

Die ausgedehnte Anwendung des Mittels Seitens 
der Hautspecialisten. 

| Verschieden davon ist die homöopathische An- 

1 wendung durch Beobachtung der schärferen Indi- 
| cationen, wie sie den Prüfungsbildern entstammen. 

Dann aber sei hier noch eine Bemerkung einge- 
i flochten. Die Frage der homöopathischen Doso- 
I logie, mittels der die ganze Lehre lächerlich ge- 
! macht zu werden versucht wird, wird in diesem 
Abriss nicht erörtert, da sie für den vorliegenden 
Zweck irrelevant ist. Doch sei bei dieser Gelegen¬ 
heit festgestellt: 

In der dritten Phase von Brouardel und Bouchet 
ergreift das Gift das Centralnervensystem . Eine 
grosse Reihe von Autoren hat aus Beobachtungen 
von Menschen- und Thierversuchen hier eine lange 
Reihe von Thatsachen sichergestellt; unter ihnen 
■ Hahneraann in seinem Werke: „Ueber Arsen-Ver¬ 
giftung, ihre Hülfe und gerichtliche Ausmittelung u 
| (Leipzig, 1786, bei Crusius). Betreffen diese Thiere, 
so hat ein französischer Homöopath Prof. Imbert- 
Gourbeyre zahlreiche Beobachtungen am Menschen 
(Vergiftungen) veröffentlicht. 

Gelähmt werden bisweilen alle 4 Extremitäten. 
Hemiplegieen; Atrophieen mit consecutiver Klauen¬ 
hand. Elektrische Erregbarkeit ist herabgesetzt. — 
Parästliesieen, Anästhesieen, Hemianästhesieen. Da¬ 
bei oft Schwindel, Ohnmacht, Krämpfe. 

Die homöopathischen Prüfungen ergaben unter 
Anderm: 

Muskelzuckungen. 

Krampfhafte Bewegungen der Hände und des 
ganzen Körpers. Auch mit Schreien. 

Klonische Krämpfe. 

Pelziges Gefühl und Zittern in den Gliedern. 
Schwäche der Extremitäten. 

Lähmung der Unterglieder mit Anästhesie etc. 

Vergleiche den üblichen Gebrauch bei Myelitis, 
Tabes, progressiver Bulbärparalyse, Chorea etc. 

In der Homöopathie richtet sich der Gebrauch 
von As bei diesen Leiden nach der jeweiligen 
Uebereinstimraung des Krankheitsbildes mit dem 
Arsen-Bilde. 

So: 

Mann von 36 J. Seit zwei Jahren oft Brenn¬ 
schmerz im Magen, Drücken im Rückgrat. Dann 
Schwindel und Krämpfe mit Bewusstseins-Verlust 
15 Minuten dauernd. Nachher Druckschmerz im 
Hinterhaupt. Morgens süsser Geschmack. Brennen 
im. Magen. Durchfall mit Brennen im After, 
Strangurie. 

Durch As nach vier Wochen dauernd geheilt 


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Als Ischias und Prosopalgie werden in den 
Vergiftungs-Protokollen rein sensible Störungen be¬ 
zeichnet. 

Dazu Prüfungs-Ergebnisse: 

„Brennende, stechende Schmerzen wie von 
glühend heissen Nadeln in der linken Gesichts- 
hälfte. 

Heftiger Schmers l&pgs den rechten unteren 
Maxillar-N erven. tt ^ y 

Die Ischias-SylUpJ^e seien übergangen. 

Dagegen. 

Allgemein erfolgreich bei gewissen Neuralgieen 
benutzt, doch bisweilen mangels genauer Indica- 
tionen versagend. 

Ganz besonders reagiren die auf larvirter Malaria 
beruhenden intermittirenden Formen f die typisch 
auftreten. 

So waren einer Frau von ca. 35 Jahren alle 
Zähne ausgezogen wegen wüthender Trigeminus- 
Neuralgie. Dieselbe bestand nach wie vor. 

Sie erhielt Arsen mit sofortigem Erfolg. 

Cantharis: 

Die ausserordentlich reizende Wirkung dieses 
Mittels auf die gesammten Harnorgane ist sattsam 
bekannt. 

Die betreffenden Symptome nach Vergiftungen 
sind nach Robert folgende: 

„Heftiger Schmerz in der Nierengegend, äusserst 
quälender Harndrang, Brennen in der Harnröhre, 
Cylinder — Eiweiss — und bluthaltiger Harn. Kopf¬ 
schmerz, Schwindel, Coma.“ 

Die Cantharidin-Nephritis betrifft stets die Glo- 
meruli und die gewundenen Kanäle. In dem 
Glomerulis kommt es zu einer so massenhaften 
Auswanderung weisser Blutkörperchen, dass der 
Gefössknäuel davon ganz comprimirt werden kann. 
(Robert.) 

Ebenso Husemann. 

Bei den von Prof. Schroff in Wien angestellten 
Versuchen erlitt sein Schüler Heinrich eine schwere 
Entzündung der gesammten Harnorgane, die 14 Tage 
dauerte. 

Dazu aus homöopathischen Prüfungen: 

„Schwindel mit Schwanken. Schwere des Kopfes. 
Kopfschmerz. Convulsionen. 

Schmerz in der Nierengegend. Nierenentzün¬ 
dung. Krampfhafter Harndrang mit schneidenden 
Schmerzen. Unaufhörlicher Harndrang mit tropfen - 
weisem Harnträufeln. Schmerzhaftes Uriniren mit 
Abgang zähen Schleims. Abgang von flüssigem 
oder geronnenem Blute. Vollständige Harnverhal¬ 
tung.“ 

Endlich sei noch auf die allbekannte blasen¬ 
bildende Kraft des Mittels hingewiesen. 


Dazu folgende Heilungen als Beispiele: 

„The British medical Journal“ vom Jahre 
1898 schreibt Dr. Beven: „Die günstige Wirkung 
von Cantharides bei innerlicher Anwendung auf 
gewisse Affectionen der Nieren scheint mir nicht 
allgemein bekannt zu sein; deshalb bedarf es keiner 
Rechtfertigung, wenn ich folgenden Fall zur Kennt- 
niss der Berufsgenossen bringe: 

Mann von 68 Jahren. Gesund bis er vor 
einem Jahr eine Masse Blut durch die Urethra 
entleerte. Die Blutung kehrte immer wieder, trotz¬ 
dem alle Hämostatica der Pharmakopoe • Catechu, 
Campeche-Holz, Gerbsäure, Eichenrinde, Alaun, 
Eisen, Ergotin, Hamamelis etc. versucht wurden 
und ein ausgezeichneter Chirurg in einem Londoner 
Krankenhaus ihn untersuchte.“ 

10 Monate nach Beginn der Erkrankung über¬ 
nahm Dr. Beven den Patienten und fand massen¬ 
hafte Blutkörperchen und Epithelien im Urin. Verf. 
verordnete Cantharis. Nach 24 Stunden stand die 
Blutung. Nach 10 Tagen wieder etwas Blut, 
dann Heilung. Diese Beobachtung ist von um so 
grösserem Interesse, weil Dr. Beven nicht der 
homöopathischen Schule angehört: „Die Wirkung 
der Canthariden,“ sagte er, „war merkwürdig, in¬ 
dem sie in 24 Stunden die Blutung stillten, während 
diese unter dem gewöhnlichen Hämostaticis in einem 
Zeitraum von 10 Monaten nicht nur nicht gewichen, 
sondern gesteigert worden ist. . . . Dieses Mittel 
bewirkt auch eine sehr auffällige Verminderung 
des Gehaltes von Eiweiss im Urin bei Personen, 
die an grosser, weisser Niere leiden, wenn man es 
in kleinen Dosen reicht.“ 

Der zweite Fall ist homöopathischer Seits (Verf.) 
beobachtet: 

Junge von 8 Jahren: 

Diphtherie: Am zweiten Tage wenig Eiweiss. 
Vierter Tag fast Anurie. Bis zum 13. Tag: Urin 
' und Eiweissmenge wechselnd. Doch sehr selten 
: 1 j 2 Liter. 

Am 13. Tage: Oedem und Anasarca so ge¬ 
stiegen , dass der Kranke wie eine Tonne ge¬ 
staltet ist. 

16. Tag. Die Eiweissmenge hat soweit zuge¬ 
nommen, dass die ganze Urinsäule erstarrt. Massen¬ 
haft Cylinder. Jetzt fast nur Blut entleert, 
makroskopisch und mikroskopisch erkennbar, Blut¬ 
erbrechen, Nasenbluten. — Ueber den ganzen Körper 
treten lebhaft juckende , mit tritbem Semem gefüllte 
Bläschen auf. — Darauf wird Cantharis verordnet. 
Nach wenigen Stunden setzen wahre Urinflutlien ein. 
Am dritten Tage Eiiceiss und Oedem völlig ver¬ 
schwunden. 

Die Nutzlosigkeit aller bis dahin verwendeten 
i Mittel, homöopathischer und Wasserprozeduren, die 


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Hoffnungslosigkeit des Falles und die sofortige 
Wirkung des homöopathischen genau angezeigten 
Mittels (Blasenbildung) lassen die Schärfe dieses 
Experimentes ganz besonders hervortreten. 

„Nicht nur über die Nützlichkeit gewisser Heil¬ 
mittel in gewissen Fällen, nicht nur über die Zweck¬ 
mässigkeit gewisser Arzneien und therapeutischer 
Methoden — sogar über den Werth unserer ge¬ 
summten innem Therapie befinden sich die An¬ 
sichten im Widerstreit.“ Ephraim sagt es. (Volk- 
mann’sche Vorträge. No. 70.) Er findet den Grund 
in dem Fehlen einer Statistik der Therapie. — Auch 
er preist das Experiment als Richter-Ideal für die 
Medicin. Aber es ist nach ihm deswegen wenig 
verwendbar, weil gleiche Ursachen und gleiche Ob¬ 
jecte für gleiche Wirkungen nothwendig sind und 
wir: ,,es eben in der Medicin nicht mit gleichen 
Dingen zu thun haben, sondern mit Wesen, die 
nicht nur einander, sondern zu verschiedenen Zeiten 
sich selbst ungleich sind; und in noch höherem 
Grade gilt dies natürlich von dem Verliältniss der 
Thiere, der hauptsächlichsten Objecte der medici- 
nischen Experimente, zu dem Menschen. Darum 
können wir eben die aus einem Thier- oder Men¬ 
schenexperiment erhellenden ursächlichen Verhält¬ 
nisse nur dann auf einen andern Organismus über¬ 
tragen, wenn die Gleichheit desselben mit dem 
Versuchsobjecte und zwar in dem betreffenden 
Punkte dargethan ist.“ 

Hahnemann aber bat uns die Möglichkeit er¬ 
öffnet, der Therapie das untrügliche Experiment 
zu Grunde zu legen, welche sich aufbaut auf der 
Gleichartigkeit seiner Glieder, die erforscht werden 
kann, aus der jedesmaligen genauen Feststellung 
der feinen Symptome, wie sie dem genauen Forscher 
das Krankheitsbild und das Arzneibild darbieten. 
Ist er hier saumselig, so misslingt das Experiment. 

* * * 

Den Berufsgenossen aber sei dringend em¬ 
pfohlen, durch Studium der Homöopathie sich zu 
überzeugen, dass die hier mitgetheilten einzelnen 
Thatsachen nur Repräsentanten grosser Reihen sind. 

Gelegenheit zum Studium der Homöopathie in 
Deutschland ist gegeben: Im Leipziger homöopa¬ 
thischen Krankenhaus; in Berlin, wo jedes Früh¬ 
jahr und Herbst Ferienkurse stattfinden zu gleicher 
Zeit, wie die sonstigen ärztlichen Ferienkurse; die 
Anzeigen erfolgen rechtzeitig im Aerztlichen Central¬ 
anzeiger. — In Stuttgart im Diakonissen-Hospitale. 

In Wien befinden sich gleichfalls homöopathische 
Krankenhäuser. 

Auskunft über diese Punkte, sowie über Lite¬ 
ratur, homöopathisches Dispensirexamen in Preussen 
durch Dr. Dammholz-Berlin, Gneisenaustr. 112. 


Vorschläge für die Anstellung von Arznei- 
prüfungen. 

Von Dr. Schier, Mainz. 

Damit die Prüfung von Lathyrus sativus, welche 
zunächst nach dem officiellen Beschluss des Central- 
vereins in Angriff genommen werden soll, in ein¬ 
heitlicher Weise veranstaltet wird, erlaube ich mir, 
hier den Herren Coli« tpr einige Vorschläge zu 
unterbreiten, nachdem icn 3JHrEnt1astung, nament¬ 
lich der Berliner Collegen, die Sammlung und Be¬ 
arbeitung der Resultate übernommen habe. 

Vor allem ersuche ich die hoffentlich recht 
zahlreichen Theilnehmer 'und Theilnehmerinnen — 
die vollen Namen werden nur veröffentlicht, wenn 
es nicht verbeten ist —' mit den Experimenten 
möglichst sofort zu beginnen; die nächsten Monate 
sind ja im Allgemeinen die relativ ruhigsten in 
der Praxis und eine Arbeit, welche stets ver¬ 
schoben wird, dürfte schliesslich nur mit Wider¬ 
willen und dementsprechend geringem Erfolge ge¬ 
leistet werden. 

Vorschläge zu machen, auf deren allgemeine 
Ausführung nach früheren Erfahrungen kaum zu 
rechnen ist, darf ich mir wohl ersparen. Tempe¬ 
raturmessungen, sphygmographischc Curven, Urin¬ 
untersuchungen sind recht erwünscht, doch nicht 
unbedingt erforderlich, zumal nicht vorausgesetzt 
wird, dass die Prüfer solch gewaltige Dosen des 
ohnehin nicht sehr giftigen Mittels nehmen, dass 
davon derartige objective nachweisbare Symptome 
resultiren. Die Eruirung dieser bleibt vielmehr 
Thierversuchen Vorbehalten, zu deren Ausführung 
zweifellos einige Collegen fähig und bereit sind. 

Durchaus erforderlich aber für die kritische 
Classificirung der Symptome ist die Bekanntgabe 
der Constitutionsverhältnisse des Prüfers; hierher 
gehören: Die Constitution im Allgemeinen (ob kräftig, 
schwach, mittelkräftig), das Körpergewicht, die Kor- 
pergrösse, das Temperament, die Lebensgewohn¬ 
heiten (speciell auch bezüglich des Schlafes und 
Stuhlgangs), bei Damen die Verhältnisse der Periode, 
Gesichtsfarbe, Farbe der Haare und Augen, das 
Allgemeinbefinden, Lebensgescbichte bezüglich über¬ 
standener Krankheiten, Vererbungsverhältnisse; 
wünschenswerth ist auch eine Aufzählung der in 
den letzten Wochen vor Beginn der Prüfung etwa 
constatirten abnormen objectiven und subjectiven 
Symptome. 

Bezüglich der Lebensweise wird keine Aende- 
rung erwartet, zumal Massigkeit und Regelmässig¬ 
keit als selbstverständlich vorausgesetzt werden darf; 
Potatoren und Gourmands haben ja nicht so viel 
wissenschaftlichen Eifer, dass sie sich an Arznei¬ 
prüfungen betheiligen werden. 

Besonders ausgesprochene Phasen der Witte- 


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rung während der Versuche sollten in den Proto¬ 
kollen Erwähnung finden, wie denn überhaupt die 
begleitenden Umstände (Verschlimmerung und Besse¬ 
rung in Folge derselben) zumeist die wichtigsten 
differentiellen Anzeichen ergeben. 

Die Dosen des Mittels werden den einzelnen 
Prüfern völlig anheimgestellt; da der Central verein 
beschlossen hat, nur ein M^el gleichzeitig zu prüfen, 
so wird die hoffentlich rjy ^zahlreiche Betheiligung 
von Hoch- und Tiefpo^b&lern ©s ermöglichen, den 
über die Potenzenfrage begehenden verschiedenen 
Anschauungen genügend Rechnung zu tragen. 

Ueber die vortheilhafteste Art des Einnehmens 
differiren ebenfalls die Ansichten. Die einen ver¬ 
langen, man solle eine einzige Dosis viele Stunden, 
Tage, selbst Wochen hindurch auswirken lassen, 
dann eine stärkere G.abe nehmen etc. Andere 
wollen von einer raschen Wiederholung derselben 
Gabe (eventuell 1 / 4 —1 stündlich) die besten Erfolge 
gesehen haben. Offenbar kommt es bei der dies¬ 
bezüglichen Wahl der Methode auch auf die Wir¬ 
kungsart des Mittels selbst, z. B. ob cumulirend 
oder nicht, an. Im Allgemeinen dürfte die erste 
Methode vorzuziehen sein, schon deshalb, weil die 
zweite geradezu eine Angewöhnung an das Mittel 
bedeutet, welches dann gar keine Symptome mehr 
machen kann. Doch möge auch hier jeder Prüfer 
seiner individuellen Ansicht gemäss handeln; auf 
je verschiedenartigeren Wegen dasselbe Resultat 
erreicht wird, desto unantastbarer ist es. 

Diejenige Prüfung, welche die meisten Sym¬ 
ptome ergiebt, braucht noch lange nicht die beste 
zu sein. Vielmehr bitte ich die Herren Collegen 
dringend, möglichste Selbstkritik zu üben und mir 
die Nothwendigkeit, dem Einen oder Anderen auf 
die Hühneraugen zu treten, wie dies die Oester- 
reicher reichlich thaten, zu ersparen. Abgesehen 
davon, dass mir dies subjectiv überhaupt höchst 
unangenehm wäre, muss ich in dieser Hinsicht ja 
schon aus dem Grunde sehr vorsichtig sein, weil 
Mancher eine herbe Kritik seiner Leistung zum 
Vorwände nehmen dürfte, sich in ein stillbeschau- 
ljches Dasein zurückzuziehen. 

Ist ein Symptom unsicher, so wartet man am 
besten sein Wiederauftreten ab, um es dann mit 
Angabe auch der ersten Beobachtung zu notiren. 
Im Uebrigen empfehle ich dringend, die Beobach¬ 
tungen sofort, sei es auch nur auf ein fliegendes 
Blatt, zu notiren und nicht abzuwarten, bis Ge¬ 
legenheit ist, es ins eigentliche Protokoll einzu¬ 
tragen. Tag und Stunde des Einnehmens sowohl, 
als des Auftretens der Symptome bitte genau an¬ 
zugeben, Alles in der dritten Person. Krankheits- 
namen, z. B. Neuralgie, Katarrh, rheumatische 
Schmerzen etc., sind durchaus zu vermeiden, da 
sie ein Urtheil enthalten, welches nur aus einer 


Combination gleicher Beobachtungen von möglichst 
vielen verschiedenen Prüfern resultiren soll. 

Die positiven Symptome sind die werthvollsten, 
also solche, welche der Prüfer noch nie bei sich 
beobachtet hatte; das Verschwinden von Symptomen, 
welche bereits vor den Experimenten bestanden 
hatten, kann nur mit speciellem Hinweis auf diese 
Thatsache notirt werden. Steigert sich ein bereits 
vor der Prüfung beobachtetes Symptom während 
derselben, so ist es mit Vorsicht aufzunehmen und 
am besten erst bei deutlicher Wiederholung zu ver¬ 
merken. Gegenüber solchen Symptomen endlich, 
welche schon vor der Prüfung bestanden haben, 
zeitweilig verschwinden und während der Prüfung 
wiedererscheinen, ist äusserster Scepticismus am 
Platze. Zehn positive Symptome der ersten Art, 
welche bei 50 verschiedenen Prüfern einigermassen 
gleichmässig auftreten, sind weit werthvoller als 
1000 Symptome, die von ein oder zwei Prüfern 
resultiren. 

Die Empfänglichkeit der einzelnen Individuen 
gegenüber den Prüfungsmitteln ist sehr verschieden; 
man darf nicht gleich die Flinte ins Korn werfen, 
wenn die ersten Versuche resultatlos verlaufen. 
Die Depression, welche mich befiel, als die erste 
meiner früheren Prüfungen, nämlich die im Herbst 
1898 angestellte Prüfung mit Vinca minor Anfangs 
recht spärliche Resultate ergab, war insofern selbst 
verschuldet, als ich mit zu grossen Erwartungen 
an die Sache heranging. Später ging es dann 

besser und z. B. die im Sommer 1894 von uns 

angestellte Prüfung des Ranunculus sceleratus er¬ 
gab recht hübsche Resultate. (Vergl. No. 21/22 u.ff. 
des 129. Bandes dieser Zeitung.) 

Von Rechts wegen sollten die Prüfer den Namen 
des Mittels nicht kennen, um jede Autosuggestion 
in dieser Hinsicht zu vermeiden; da indessen La- 
thyrus sativus in seiner Wirkung noch so sehr 

wenig studirt ist, so verschlägt die Bekanntgabe 
des Mittels dies Mal gar nichts. 

Schliesslich bitte ich nochmals dringend, die 

Versuche sofort zu beginnen und alsbald nach Be¬ 
endigung derselben die Protokolle an meine Adresse 
einzusenden: Dr. Schi er-Mainz, Schottstr. 1. 


Mater perlarum. 

Bei der Wichtigkeit, die dieses Mittel, wie 
schon aus den von den Collegen in Berlin ver¬ 
anstalteten Prüfungen hervorgeht, beanspruchen 
darf, geben wir hiermit eine Zusammenstellung der 
bisher beobachteten pathogenetischen Erscheinungen, 
wie sie uns College Gisevius jun. übermittelt hat. 

Zunächst geben wir noch einige pharmakolo¬ 
gische Notizen über dieses Mittel. 


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104 


Die Knochenentzündung der Perlmutterdrechs¬ 
ler, von Englisch zuerst im Jahre 1869 beobachtet, 
verläuft der Phospbornekrose im Ganzen analog, 
nur dass sie nicht wie letztere den Kiefer, sondern 
irgend einen Knochen befällt. Die Erkrankung 
betrifft vorzugsweise jugendliche Individuen, wie 
ja auch das an den Prüfungen betheiligte Kind 
ausserordentlich stark reagirte. 

Unter reissenden Schmerzen, welche denen bei 
Osteomyelitis ähnlich sind, schwillt nach mehrjähri¬ 
ger Beschäftigung mit dem Perlmutter-Drechseln 
ein Knochen an; schliesslich kommt er zur Nekrose. 

Der Perlmutter-Staub besteht aus 95 °/ 0 kohlen¬ 
saurem Kalk und 5°/ 0 Conchylin. 

Von unseren Prüfern sind angegeben: 

Knochenschmerzen mit objectiver Schwellung 

2 Mal. 

Knochen schm erzen ohne objective Schwellung 

3 Mal. 

Mangel dieser Symptome 2 Mal, dann aber 
auffallende Müdigkeit in den Gliedern. 

1. Psyche. 

2. Nervensystem. 

3. Schlaf und Träume. 

4. Fieber. 

5. Haut. 

Auf beiden Unterschenkeln, besonders links, 
Hämorrhagieen. 

6. Knochen und Gelenke: 

Schmerz oberhalb des rechten Knies. 

Linkes Knie druckempfindlich. 

Schmerz auf der Vorderseite des linken Knöchel¬ 
gelenkes. 

Leichter Druckschmerz am innern Epicondylus 
des linken Kniegelenkes. 

Intensiver Schmerz in der linken Ulna. 

Intensiv lähmender Schmerz im linken Hüft¬ 
gelenk sehr druckempfindlich. 

Schmerz in der Tuberositas tibiae dextrae. 

Gefühl von Verrenkung in der rechten Scapula. 
Schmerz im rechten Knie, rechten Unterarm, rech¬ 
ten Femur. Stiche durch den linken Femur. 

Schmerz Grundphalang 5. Finger rechte Hand, 
Mitte des linken Radius. 

Schmerz in der Articul. sacro-iliaca, im rechten 
Rippenbogen in der Mammillarlinie, rechten Tibia- 
tarsal-Gelenk, linken Index. Obere Ende des 
rechten Humerus. Verrenkungsgefühl der rechten 
Scapula. Bohrender Schmerz im linken Hallux. 

Schwellung des linken Knöchels. 

Schmerzen in den Hüftgelenken. 

Leichtes Ziehen im rechten Arm. 

Reissen bald im Arm, bald in den Füssen. 

Leichter Schmerz im rechten Handgelenk, 
ziehende Schmerzen in der linken Schultergegend. 

Schwellung der Mittelhandknochen. 


Reissen in allen Gelenken. 

7. Kopf: Kopfschmerzen. 

8 . Augen — Gesicht. Ausgesprochene Con¬ 
junctivitis. 

9. Ohr und Gehör: 

Stechender Schmerz im rechten Ohr bei weitem 
Oeffnen des Mundes. 

Vollheitsgefühl und j^-'^cken ijn rechten Ohr 
und Schmerz im rechte&vW^. 

Gleich nach vollendeft^iü^rüfung ©ine ausge¬ 
prägte Otitis media mit /Empfindlichkeit des Proc. 
mastoid. 

10. Nase und Geruch. 

11 . Gesicht. 

12. Mund und Mundhöhle: Zahnschmerzen. 
Zahnschmerz. Zahn wird cariös. 

13. Pharynx und Hals: * 

Schnürende Trockenheit im Hals. 

Pharynx stark geröthet. 

14. Magen: 

Nach dem Essen Sodbrennen. 

Brennendes, aufsteigendes Gefühl vom Magen, 

15. Abdomen: Leibschmerzen. 

Schmerz im Unterleib, drückend, brennend, Ge¬ 
fühl wie geschwollen. 

16. Rectum und Anus. 

17. Stuhl: Blähungen. 

Stuhlverstopfung. 

18. Harnorgane. 

19. Geschlechtsorgane: weibliche: 

Weissfluss. 

Ausfluss: gelblich, Wäsche fleckend. 

Menses: weniger Schmerzen. 

Menses: schwächer. 

20. Athmungsorgane: 

Trockener Husten. 

21. Brust. 

22. Circulationsorgane. Pulszahl vennehrt bis 
auf 120. 

23. Nacken und Rücken: 

Heftige Schmerzen in der linken Lurabalgegend. 
Schmerz im rechten Schulterblatt. 
Halswirbelsäule bei Bewegung sehr empfindlich. 
Schmerzen im Kreuz. 

Rückenschmerz. 

24. Extremitäten: A. Obere. 

B. Untere: linke Fussgelenk knarrt sehr laut 
beim Drehen. 

Rechtes Knie müde, wird nachgeschleppt. 

25. Modalitäten: 

Schmerzen in der linken Lumbalgegend, besser 
durch viel arbeiten. 

Schmerz auf der Vorderseite des linken Knöchel¬ 
gelenkes, besser in der Ruhe. 

J Schmerz im rechten Schulterblatt: schlechter 
I durch Athmen; besser durch Bewegung und Druck. 


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105 


Zahnschmerz besser durch Niederlegen. 

Kopfschmerz schlechter durch Niederlegen. 

Schmerzen schlimmer in Bettwärme. 

Schmerzen und Schwellung im Knochen be¬ 
ginnen 4 Uhr Nachmittags. 

Zwei in der jüngsten Zeit auf diese Prüfungs¬ 
resultate hin mit Mater perlarum behandelte Fälle 
sind hier vielleicht zur Bestätigung von Interesse. 
Bei einem jungen Manne von 16 Jahren hatte sich 
seit 2 Jahren im Anschluss an einen Stoss eine 
spindelförmige Verdickung der linken Tibia ent¬ 
wickelt, die ca. 10 cm lang und 5 cm hoch war. 

Die Diagnose lautete auf Osteomyelitis chronica. 

Er war Monate lang homöopathisch behandelt 
worden. Vergeblich. 

Mater perlarum wirkte vorzüglich. 

Er hatte vorher bisweilen Wochen lang vor 
Schmerzen nicht gehen können. 

Der andere Fall betraf ein junges Mädchen 
von 18 Jahren mit Tumor albus genu, die trotz 
Jodoform-Injection und einem Stützapparat vor 
Schmerzen nicht auftreten konnte. Das Knie war 
total geschwollen, druckempfindlich, ankylotisch. 
Nach 4 Monaten lief sie ohne Apparat. 

Im Anschluss an dies noch weiter zu be¬ 
arbeitende Mittel haben die Berliner Collegen Ver¬ 
suche mit Meerschweinchen angestellt, die theils 
mit Silicea, Calcarea phospliorica und Mater per¬ 
larum gefüttert wurden; dieselben sollen später 
mit Tuberkelbazillen inficirt werden, um zu sehen, 
ob durch diese Mittel ein locus minoris resistentiae 
geschaffen wird, wo die Mikroorganismen sich an¬ 
siedeln können. — Wir sind Hevrn Kittel für 
Beschaffung und Unterbringung der Thiere zu gröss¬ 
tem Danke verpflichtet. 

Die Beobachtung, dass durch Phosphor-Einwir¬ 
kung erkrankte Knochen auffallend oft tuberkulös 
werden, lässt aus diesen Thierversuchen ein thera¬ 
peutisch verwendbares Resultat erwarten. 


Aus Chicago. 

In Memoriam! 

Die homöopathische Universität in Chicago, ja 
die homöopathische Wissenschaft überhaupt, hat in 
der letzten Zeit drei, wenn wir das Jahr vorher 
mit hinzurechnen, vier bedeutende Männer ver¬ 
loren: DDr. Professoren Mitchell, Haie, Hoyne und 
Burt. Die drei ersten sind Verfasser von Werken, 
namentlich über Materia medica, die einen bleiben¬ 
den Werth haben. 

Prof. Mitchell war ein ausgezeichneter, ernster 
und begeisterter Lehrer, der auch wirklich, wie es 
einem Professor der homöopathischen Therapie ge¬ 
ziemt, von der Wirksamkeit der Heilmittel über¬ 


zeugt war, und auch Kranke mit Krebs und Appen- 
dicitis, wo so viele homöopathische Aerzte jetzt 
gleich zum Messer greifen, für innerliche Behand¬ 
lung zugänglich hielt. Er litt an einem hyper¬ 
trophischen Herzen und dies führte ihn zu tieferem 
Studium der Brustkrankheiten. Er starb plötzlich 
in Folge von Aneurysma der Aorta. 

Prof. Haie war der thätige und glückliche 
Pionier auf dem Gebiete der amerikanischen Materia 
medica. Seine „New Remedies“, welche 1864 her¬ 
auskamen, bilden eine Sammlung von Prüfungen in 
Amerika einheimischer Mittel; gleichwohl war er 
nicht etwa der Meinung, als ob diese einheimischen 
Mittel die ausländischen verdrängen sollten. Seit 
Jahren erhob er als der einzige Mann seine Stimme 
für Mittelprüfungen und führte solche auch, von 
seinem getreuen Kämpen Burt unterstützt, selbst 
aus. Er hatte auch ein scharfes Augenmerk auf 
das Gebiet der Eklektiker, und es gelang ihm mehr 
als irgend einem Anderen, diesen Flügel der Aerzte- 
welt zur Annahme unserer Lehren zu bewegen. — 
Bei all dieser Arbeit auf dem Gebiete der Eklek¬ 
tiker wies er doch, als man ihn kurz vor seinem 
Tode fragte, welche Mittel man den jungen Stu¬ 
denten zuerst lehren solle, auf Ilahnemann’s Materia 
medica pura hin. Haie hat eine eigene Regel be¬ 
treffs der Anwendung homöopathischer Potenzirungen 
aufgestellt; er gab starke Dosen für die primären 
ähnlichen Symptome und kleine Dosen für die 
secundären. Sein Hauptmerk war natürlich auf die 
primäre Wirkung der Mittel gerichtet (d. i. die 
physiologische. Ref.), und so entstand seine Regel 
von den starken Dosen und der Aufstellung von 
einer doppelten Wirksamkeit der Mittel, je nach 
der Dosis. Auch Hahnemann versuchte sich von 
den primären Symptomen leiten zu lassen — und 
doch lässt sich nicht leugnen, dass die von einem 
Mittel in dem Organismus erzeugten reactiven oder 
secundären Symptome die wirklich kurativen sein 
müssen. — Bei Digitalis stimmt die Hale’sche Regel; 
bei anderen Mitteln kommt man damit nicht zum 
Ziel. — Seine umfassenden Arbeiten sind sehr 
werthvoll, und haben manche schon mehrere Auf¬ 
lagen bereits erlebt. 

Prof. Burt, wohlvertraut mit den Wäldern von 
Canada und den einheimischen Arzneipflanzen, suchte 
die Wirkung derselben durch Prüfungen an sich 
selbst, wobei er kühner und opferfreudiger als 
irgend ein Prüfer vorging, festzustellen. Seine erste 
selbständige Schrift (er arbeitete sonst in Gemein¬ 
schaft mit Dr. Haie) war die „Pathogenese der 
Stigmata Madis“ und „Polyporus“. Sein populärstes 
Werk war ein Symptomen-Index mit physiologischen 
Umrissen, Charakteristiken von Mitteln, das mehr¬ 
fach aufgelegt worden ist. Erweitert wurde es zu 
einer „Physiologischen Materia medica“ in der Art 

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wie Heinigke’s Werk. Er wurde dann zum Pro¬ 
fessor der Materia medica berufen und gab dann 
die ,,Remembrance“ heraus, eine Sammlung von 
Mittelcharakteristiken und eine Condensirung seiner 
grössten Werke. 

Prof. Hoyne stammte aus Chicago, wo er in 
der. städtischen Schule und Universität seine Aus¬ 
bildung erhielt. Er promovirte am Bellevue Ho¬ 
spital Medical College und war ein Schüler des 
bekannten Chirurgen Prof. Frank-Hamilton. Er be¬ 
absichtigte auch sich der Chirurgie zu widmen, aber 
unter der Einwirkung seines Onkels, Professor Dr. 
S. Smith, der die Homöopathie in Chicago ver¬ 
breitete, und seines Grossvaters Dr. Temple, eines 
ausgezeichneten homöopathischen Praktikers in St. 
Louis, wandte er sich der Homöopathie zu. Durch 
Prof. C. C. Smith, der von Philadelphia nach Chicago 
übergesiedelt war, bekam Hoyne eine ausgesprochene 
Richtung zur Anwendung von Hochpotenzen. So 
wurde der hoffnungsvolle Chirurg ein enthusiasti¬ 
scher Anhänger der Hochpotenzen-Therapie — ein 
Kernschuss mit der 200. (denn höher stieg man 
damals nicht) zog den Thatenlustigen in hohem 
Grade an. Zu der Professur für Materia medica 
im Hahnemann Medical College (Chicago) berufen, 
liess er die leitenden Symptome der Mittel, nach 
der Art Hering’s, auf Karten anbringen, und 
sammelte, um seine Vorlesungen über Materia 
medica zu illustriren, Einzelffclle, die er dann als 
„Clinical Therapeutics“ in zwei Bänden herausgab. 
Letzthin sammelte er Material zu einem dritten 
Bande, in dem er, nach dem Vorbilde von Rückert’s 
und Raue’s Werk, die Heilungssymptome in den 
Einzelfkllen, welche den Mitteln zuzuschreiben sind, 
hervorheben wollte. Besonders interessirten ihn die 
klinischen Hautleiden und Syphilis. Eine Frucht 
dieser Studien war sein schätzbares Werk „Urinary 
and Venereal Diseases“. Er selbst litt an der 
Blase. Das Mittel, was ihm am meisten Erleichte¬ 
rung brachte, war Pulsat. Wie ein schwarzer 
Schatten zog es über sein Antlitz, als er zwei Tage 
vor der Steinoperation sagte, für einen Blasen stein 
aus oxalsaurem Kalk scheint es kein Heilmittel zu 
geben. (Prof. H. C. Allen meint freilich, der nor¬ 
male Urin sei das Heilmittel. Wird aber normaler 
Urin einen Stein in der Blase auflösen?) Wie 
jetzt das Schicksal der (homöopathischen) Collegen 
in Chicago sich gestalten wird, das ist eine die ganze 
Aerzteschaft interessirende Frage. M. 


Indicationen für Lachesis. 

Es ist wohl hauptsächlich der typhoide Charakter 
einer Erkrankung, der für Lachesis spricht. Unter 
Einwirkung des Lachesis-Giftes wird das Blut ent¬ 


mischt, zersetzt; der Faserstoff desselben wird zer¬ 
stört; es bilden sich Ecchyraosen, Haemorrhagieen, 
asthenische Entzündungen, Abscesse, bösartige Ent¬ 
zündungen, Gangraena, Pyaemie und mit all dem 
entwickelt sich ein typhoider Zustand. 

Die Symptome, welche in diesen Umständen 
auf Lachesis hinweisen, sind: 

Der Patient ist nervös, ängstlich, redselig, 
springt von einem Gegenstand zum andern. Zu¬ 
weilen Furcht, vergiftet zu werden, sodass er die 
verabreichte Arznei zurückweist. Bisweilen nehmen 
seine Vorstellungen einen sonderbaren Zug an; er 
bildet sich ein, todt zu sein, und als würden Vor¬ 
bereitungen zu seinem Begräbniss gemacht. Eh* ist 
geneigt zu murmelndem Delirium. Ein ander Mal 
sinkt der Kranke in einen immer tieferen Zustand 
von Torpor, mit Kälte der Glieder, Zittern der 
Hände und des Rumpfes. — Soll er die Zunge 
hervorstrecken, so kommt diese zögernd heraus, 
oder verfangt sich in den Zähnen; zittert beim 
Ausstrecken; sie ist gewöhnlich mit einem schwarz¬ 
braunen Belag bedeckt, zeigt kleine Bläschen an 
der Spitze. Die Lippen platzen auf und geben 
dunkles Blut von sich. Auf dies geschwätzige 
Reden folgt gemeinhin Depression und Schwäche. 
Bei manchen Typhösen herrscht das Gefühl vor, 
als ob sie unter einer sie überwältigenden Gewalt 
stünden. Der Kranke ist immer schlimmer nach 
dem Schlaf. Es ist in der Regel Diarrhöe zu¬ 
gegen, die sich durch einen schrecklichen Gestank 
der Entleerungen auszeichnet. Selbst wenn diese 
geformt und sonst ganz natürlich erscheinen, geben 
sie diesen penetranten Geruch von sich. 

Lachesis kann auch in einem späteren Stadium 
des Typhus angezeigt sein, wenn der Kranke in 
Stupor daliegt mit herabfallendem Unterkiefer und 
anderen Zeichen drohender Gehirnlähmung. 

Lachesis ist bisweilen angezeigt bei Gesichts¬ 
rose , namentlich wenn diese die linke Seite ein¬ 
nimmt. Anfangs mag das Gesicht glänzendroth 
sein, doch bald nimmt es eine dunkelbläuliche 
Färbung an. Die Infiltration ins Zellgewebe ist 
beträchtlich, sodass das Auge der afficirten Seite 
geschwollen erscheint. Zu der bläulichen Gesichts¬ 
farbe kommt noch bedeutende Schwäche als 
Charakteristicum hinzu. Selbst schon im Anfang, 
wenn die Haut noch roth ist, ist der Puls schwach, 
beschleunigt; die Füsse werden gern kühl, der 
Kopf ist angegriffen, sodass der Pat. bald schlaf¬ 
trunken wird, unter murmelndem Delirium, oder 
dem oben angegebenen entgegengesetzten Zustande 
von typhöser Erregung mit Geschwätzigkeit. 

Auf die weiblichen Genitalien wirkt Lach, ent¬ 
schieden; besonders hat es zu den Ovarien, zumal 
zum linken, specifische Beziehung. Ovaritis, Ovar- 
algie, Geschwulst können durch dasselbe gehoben 


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107 


werden, wenn die Theile gegen den Druck der 
Kleider empfindlich sind. . Die Regel ist spärlich, 
schwach, das Blut klumpig, dunkel und sehr 
stinkend; dabei Schmerz in den Hüften, hat nach 
dem linken Ovarium ein Gefühl von Herabziehen — 
Alles besser, wenn der Blutfluss eingetreten ist. 
Die Gebärmutter verträgt nicht den leisesten Druck. 
Lach, kann bei Metritis puerperalis in Frage kom¬ 
men, zumal, wenn der Lochialfiuss stinkend ist. 
Das Gesicht ist purpurroth, die Kranke bewusstlos. 

Ulcera cruris mit bläulichem Rande; die Theile 
sind livid, empfindlich; die Geschwüre brennen bei 
Berührung. Sie breiten sich gern oberflächlich aus, 
haben nur wenig Absonderung. Dunkelbläuliche 
oder schwärzliche Blasen umgeben die Ulcera und 
die Haut ist ringsum abgestorben. Bisweilen hört 
die Absonderung auf; die Kranke ist betäubt, kalt, 
das Bein wird ödematös und eine bläulich-rothe 
Schwellung längs dem Verlaufe der Venen zeigt 
auf Phlebitis hin. 

Lach, beeinflusst deutlich den Kreislauf; es be¬ 
wirkt Hitzeanwandlung, wie in der Klimax, Blut¬ 
andrang nach dem Kopf bei Kälte der Füsse, Herz¬ 
klopfen, mit dem Gefühl einer Einschnürung um 
das Herz, als ob dieses mit Bändern eng festge¬ 
bunden sei. 

Das Mittel ist auch bei Wassersucht an gezeigt, 
wenn der Urin dunkel, fast schwarz ist, Eiweiss 
enthält und die Haut über den ödematösen Theilen 
dunkel, bläulich-schwarz ist. — Ferner kann es bei 
Scarlatina in Anwendung kommen, und zwar in 
bösartigen Formen. Das Kind ist schlummersüchtig, 
fällt leicht in einen tiefen Schlaf. Der Ausschlag 
kommt nur sehr unvollständig oder sehr langsam 
hervor, und hat eine dunkle Purpurfärbung; öfters 
ist er untermischt mit einer Maserneruption. Es 
kommt leicht eine Complication mit einer membra- 
nösen Ausschwitzung im Halse, die einen diphtherie¬ 
artigen Charakter trägt, hinzu. Die Halsdrüsen 
sind geschwollen. Das Zellgewebe des Halses ist 
entzündet und droht zu abscediren. Schaut man in 
den Hals, so findet man ihn dunkelroth und eine 
schmutzigweisse Auflagerung auf den Mandeln, be¬ 
sonders auf der linken. Die Zunge ist am Grunde 
schmutziggelb belegt, und die rothen Papillen ragen 
durch den Belag hervor. Der Puls ist schwach 
und die Haut fühlt sich kühl an. Dabei ist Neigung 
zum Erguss dunklen Blutes aus Mund und Nase. 

Bei der Diphtherie ist Lach, am Platze , wenn 
die Membran zuerst auf der linken Mandel sich 
bildet und von da nach der rechten fortschreitet. 
Die Halssymptome sind schlechter vom Leerschlucken , 
während Essen , Schlucken fester Nahrung bessert. 
Beständig ein Gefühl von einem Pflock in der 
linken Halsseite, der bei jedem Schluckact hinab¬ 
steigt, aber dann zurückkommt. Bisweilen beim 


Erwachen aus dem Schlafe ein Gefühl als ob Nadeln 
im Halse wären, das Erstickungsnoth macht. Sind 
die Mandeln stark geschwollen, so kommen die 
Flüssigkeiten durch die Nase heraus. Die Fauces 
sind von dunkler Purpurfarbe. — Grosse Abge- 
schlagenheit. — Die Herzthätigkeit ist geschwächt. 
Verschlimmerung nach dem Schlaf. Der Hals ist 
gegen die leiseste Berührung empfindlich; leidet 
nichts Festes um sich. 

(The Hahnemannian Advocate. 15. Sept. 1898.) 

M. 


Gähnen als Begleiterscheinung des Hustens. 

Anacardium orientale: 

Nach den Anfallen von Keuchhusten lange an¬ 
haltendes Gähnen und Schlaftrunkenheit. (Bönning¬ 
hausen.) 

Opium: 

Angreifender, schwerlöslicher Husten, dessen An¬ 
fällen stets Gähnen folgte, bei einer Dame zur 
Zeit einer beginnenden Grippen-Epidemie. Husten 
nach Gähnen oder Gähnen steigert den Husten: 
Arn., Cina, Mur. acid., Nux vom., Staphisagria. 


Ansteckungsgefahr der Tuberculose. 

Die Frage über directe Ansteckungsgefahr der 
Tuberculose scheint wieder in ein neues Stadium 
getreten zu sein. Bisher hielt man das getrock¬ 
nete und zerstäubte Sputum eines Tuberculösen 
als Vermittler der Ansteckung, während die kranke 
Person für ungefährlich galt. Jetzt hat nun Prof. 
Flügge-Breslau nebst seinen Schülern experimental 
zu erweisen gesucht, dass der Phthisiker selbst 
eine nicht unbedeutende Gefahr für seine Um¬ 
gebung darstellt. — Beim Sprechen , Räuspern , 
Husten und Niesen soll er nämlich die Bacillen 
in weite Entfernungen um sich verbreiten. Dr. Hübe- 
ner spülte sich den Mund mit einer wässerigen 
Aufschwemmung von Prodigiosascultur. (Es ist 
dieses ein gutartiger mit rother Farbe wachsender 
Bacillus.) Danach sprach er 10 Minuten mit lauter 
Stimme, während sterile Culturplatten in seiner 
Nähe aufgestellt waren, und siehe da! eine ausser¬ 
ordentlich grosse Zahl von Colonien der Prodigiosas 
entwickelte sich auf den Platten. — Sodann hat 
man bei stark hustenden Phthisikern, namentlich 
in den Morgenstunden, sehr reichliche Tuberkel¬ 
bacillen, theils vereinzelt theils in ganzen Haufen, 
auf Objectträgern 0,5—1 m von ihnen entfernt, 
aufgefangen. 

Fränkel-Berlin hält es für ausgemacht) dass 
schon beim blossen Sprechen Tuberkelbacillen aus 
dem Munde von Schwindsüchtigen in die Luft ge- 

U* 


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langen. Dass diese Bacillen in der Mundflüssigkeit 
enthalten sind, ist von Flügge direct nachgewiesen; 
dass beim Sprechen Flüssigkeitstheile, bei dem 
einen Menschen mehr, beim andern weniger, in die 
Luft spritzen, ist bekannt und kann durch Sprechen 
gegen einen geneigt vor den Mund gehaltenen 
Spiegel auch noch besonders bewiesen werden. 

Das sind allerdings bedenklich erscheinende 
Thatsachen, die sicherlich, wenn sie ins Publikum 
durch die Tagespresse gelangen, eine grosse Panik 
hervorrufen werden, die insbesondere aber auch 
den Arzt, der viel mit Schwindsüchtigen zu thun 
hat, nicht unberührt lassen. 

Da ist denn bereits B. Frankel (Berliner kl. 
Wochenschrift. 1899. Nr. 2) mit Vorschlägen zu 
Schutzvorrichtungen hervorgetreten. 

Eine vollständige Isolirung der Phthisiker ist 
unmöglich; eine gut% Lüftung der Räume, wo 
Schwindsüchtige sich aufhalten, kann den Gesunden 
einigermassen vor der Anspritzinfection bewahren. 
Zur sichern Prophylaxe hat nun B. Fränkel eine 
Schutzmaske , die hier der Kranke zu tragen hat, 
construirt, mittels welcher sein Mund bei freige- 
lassener Nase durch dichte Mulllagen verschlossen 
wird. Wenn man diese Maske mit Fichtennadelöl 
oder dergl. tränkte, so trügen sie die Patienten, 
indem sie davon eine heilsame Wirkung erwarteten, 
nicht ungern. 

Die Mullschichten zeigten sich in vielen Fällen 
nach eintägigem Gebrauch der Maske schon ma¬ 
kroskopisch verunreinigt; in 50 °/ 0 enthielt die 
Verunreinigung Tuberkelbacillen. Bei der Mehr¬ 
zahl blieb aber die Maske trotz des Sprechens 
rein, und es Hessen sich keine Bacillen auf der¬ 
selben Anden. 

Fränkel will nun, dass die Kranken mindestens 
da, wo sie dauernd mit Gesunden einen Raum 
theilen, angehalten werden sollten, diese Maske zu 
tragen. 

Für Krankenhäuser, wo die Phthisiker neben 
leicht inßcirbaren, geschwächten Personen liegen, 
mag dies gerathen und vielleicht auch durchführ¬ 
bar sein. Ob aber Phthisiker im gewöhnlichen 
Leben bereit sein werden, eine solche Maske zum 
Schutze für ihre Mitmenschen zu tragen, das ist 
eine andere Frage. Es wird schon schwer halten, 
jene an eine angemessene „Hustendisciplin“ zu 
gewöhnen, d. b., dass sie in Gegenwart Anderer 
den Husten womöglich unterdrücken und stets nur 
in das vorgehaltene Taschentuch husten. Dass ein 
Kranker den Husten selbst auf eine längere Zeit 
unterdrücken kann, das kann man in Kirchen und 
Theatern beobachten. Während vor und dann 
wieder nach der Predigt oft ein sehr unerquick¬ 
liches Räuspern, Hüsteln und Husten zu hören ist, 


herrscht, so lange der Prediger auf der Kanzel ist, 
eine um so mehr wohlthuende Stille. — 

Eine gründliche Reinhaltung des Mundes, na¬ 
mentlich öfteres Ausspülen desselben nach dem Ex- 
pectoriura wird man dem Phthisiker zur dringenden 
Pflicht machen müssen. — 

Der Gesunde aber wird die Vorsicht zu be¬ 
obachten haben, beim Verkehr, zumal beim Sprechen, 
mit den Kranken, ihrem Munde nicht zu nahe zu 
kommen. Je widerstandsfester er sich hält, desto 
weniger hat er von den Bacillen zu fürchten. 
Ueberdies ist ja auch ein grosser Theil der in 
der Sputis enthaltenen Tuberkelbacillen abgestorben. 

M. 


Digitalis in Pneumonia senilis. 

DigitaUs ist nach Dr. E. V. Ross ein sehr wirk¬ 
sames Mittel bei Pneumonia alter Leute, wenn sich 
folgendes Krankheitsbild darbietet: 

Trockner Husten mit Schleimrasseln über beiden 
Lungen, ohne Auswurf; kommt es zum Auswurf, 
so hat dieser das Aussehen von „Pflaumenbrühe“. 

Gesicht blass, todtenähnlich, oder von cyano- 
tischer Färbung. 

Extremitäten kalt und cyanotisch. 

Puls schwach, häuüg, unregelmässig, selbst 
intermittirend. 

Grosse Hinfälligkeit. 

Brechübligkeit zum Sterben, oder Gefühl von 
Hinsein, als sollte das Leben erlöschen, in der 
Herzgrube. 

Diese Symptome zeigen einen verzweifelten Zu¬ 
stand an, deuten klar auf drohende Lungenlähmung. 

Das pflaumenbrühähnliche Sputum, das für Di¬ 
gitalis charakteristisch ist, gilt als ein sehr un¬ 
günstiges Zeichen, indem es eine hochgradige Blut¬ 
entmischung anzeigt. — 

Bei Patienten über 60 Jahr alt ist die Sterb¬ 
lichkeit nach Grisolle ca. 59°/ 0 . 

Antimon, tartar. ist in derartigen Fällen das 
nächste Analogon zu Digitalis. — (The homoeopath. 
Physician. Mai 1897.) M. 


Jodium. 

Dr. G. J. Burch hat in The Clinique eine Studie 
über die Wirkung des Jods in Frauenkrankheiten 
veröffentlicht, die manche charakteristische Indication 
darbietet. 

Als Typus für die Jodkranke stellt er hin: Die 
betreffende Patientin ist gross, abgemagert, schwach, 
jung, mit dunklen Augen, Haaren und Teint. Von 
psychischer Seite ist sie vergesslich und furchtsam; 
hat oft eine schreckliche Furcht; dies grenzt an 


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109 


Irrsinn. Sie kann sich nicht ruhig verhalten; muss 
irgend etwas betreiben; wenn sie sich ruhig ver¬ 
hält, meint sie sterben zu müssen. Sie ist unge¬ 
stüm. Bisweilen phantasirt sie davon, sich oder 
eine ihr theure Person zu todten; stürzt sich plötz¬ 
lich mit solcher Gewalt auf diese, dass man sie 
kaum von ihr losreissen kann. Sie versenkt sich 
nicht so in den Gegenstand ihres Missbehagens, 
wie man es bei Igk ' # findet, noch verfolgt sie 
denselben wie die Nuxvomica- oder Sepiakranke 
bis zum Selbstmord. Sie weiss, dass ihr Trieb 
nicht natürlich ist und sie sucht ihm zu wider¬ 
stehen. Die Haut hat eine Erdfarbe und ist zu¬ 
sammengeschrumpft und welk, und giebt der Kranken 
ein älteres Aussehen. Hierin ähnelt das Mittel dem 
Sulphur; das letztere jedoch ruft Plethora abdo¬ 
minalis, Hitzeüberlaufen, Schmerz auf dem Scheitel 
des Kopfes, Verschlimmerung in den Stunden vor 
der Mahlzeit etc. hervor. Unter Jodwirkung ist 
der Unterleib eher eingezogen als hervorgewölbt. 

Die Drüsen entwickeln sich auf Kosten des 
übrigen Körpers, ausgenommen der Brustdrüsen, 
welche zusammengeschrumpft sind. Die angeschwolle¬ 
nen Drüsen zeichnen sich aus durch Härte und Un¬ 
empfindlichkeit. Wer das Mittel in starken Dosen 
giebt, darf dessen Einwirkung auf die Schilddrüse 
nicht vergessen. Uebrigens nehmen auch die Man¬ 
deln, die Leber und die Milz an dieser allgemeinen 
Drüsenanschwellung Theil. Geschwulst der Mandeln 
und der Gebärmutter kommen häufig verbunden 
vor. — 

Ein wichtiges Symptom von Jod ist der be¬ 
ständige Hunger. Gewisse Mittel haben Hunger zu 
bestimmten Tageszeiten oder nach bestimmten 
Speisen, dagegen hat der für Jod reizempfindliche 
Kranke ihn immer, ohne eine besondere Neigung 
zu einem besonderen Nahrungsmittel. Mit dem 
Hunger steigt auch die Schwäche des Geistes so¬ 
wohl wie die des Körpers. Beim Essen kommt 
eine schnelle, aber vorübergehende Besserung. Es 
tritt auch viel Aufstossen, Flatulenz, Schmerz im 
Magen, und ein wässeriger, käseartiger Stuhl wie 
von unverdauten Stoffen unter Morgen-Verschlimme¬ 
rung ein. 

Die Geistesschwäche von Jod ist der von Arsen 
sehr ähnlich, aber die Jodkranke verträgt keine 
Hitze; sie hält sich gern an einem kühlen Orte auf. 

Was die Einwirkung von Jod auf die weib¬ 
lichen Geschlechtsorgane betrifft, so erzeugt es An¬ 
schwellung und Verhärtung des Uterus und ver¬ 
mindert dessen Sensibilität. Es bringt gern Metror- 
rhagieen, namentlich nach dem Stuhlgang, hervor. 
Beim Uterus-Carcinom mit starker Blutung ist Jod 
oftmals ein Palliativ. Es ruft auch einen heftigen 
Schmerz auf einem Punkt zwischen Gebärmutter 
und rechtsseitigem Eierstock hervor. Es hat eine 


gelbliche, scharfe und blutig gefärbte Leukorrhoe, 
besonders zur Zeit der Periode. Das Gewebe des 
Eierstocks ist ungewöhnlich fest und kann der Sitz 
von Geschwulst-Cysten sein. Diese sind aber un¬ 
schmerzhaft. — Die Kranke hat die Empfindung, 
als ob der Uterus ihr wie ein fremder Körper im 
Becken läge. Wenn auch Oedem bei diesem Mittel 
vorkommt, so braucht dieses doch nicht — wie bei 
Apis und Arsen — die Ursache von Beckenaus¬ 
schwitzungen abzugeben. — Bei Herzschwäche und 
Erschöpfung vom Treppensteigen, Verschlimmerung 
während des Essens, passt Arsenicum jodatum; Jod¬ 
kalium dagegen, wenn Oedem der Hände und der 
Lider auf eine Nierenaffection hinweist. Ebenso, 
wenn starke Dosen Mercur. gebraucht worden sind. 
Nach Missbrauch von Jod ist Hep. sulph. das 
Hauptmittel. 


Terebinthina-Symptome. 

Ein Mann, mit sehr brünettem Teint, berich¬ 
tete, dass, wenn er irgendwie mit Terpenthin in 
Berührung käme, er folgende Wirkungen davon 
verspüre: 

1. Häufiges Verlangen zu uriniren; es dauert 
aber immer einige Zeit, ehe der Urin abfliesst. 

2. Bisweilen, wenn der Urin halb entleert ist, 
stockt er plötzlich einige Augenblicke und geht 
dann wieder erst ab, und ist dann von einem bren¬ 
nenden Schmerz von der Eichel bis zum Mittel¬ 
fleisch hin begleitet. 

3. Brennen in der Harnröhre von vorn nach 
hinten nur während des Urinirens. 

4. Mitunter kann er den Urin nur während des 
Stuhlgangs lassen. (Aloes, Alumina.) 

Reichlicher während des Stuhls. Ammon, mur. 
ox. ac. 

Kann den Urin nur im Stehen lassen. Sassa- 
parilla. 

Kann den Urin nur im Sitzen lassen. Zincum. 

Muss immer Stuhlgang haben, wenn er Urin 
lässt. Mur. acid. 

Beim Uriniren entgeht ihm der Stuhl. Squilla. 

Beim Stuhlgang fliesst ihr der Ham nie mit 
ab, bei der Schwangerschaft mit Atonie der innern 
Geschlechtstheile; er kann nur bei vorgebeugter 
Stellung gelassen werden. China. (Heilwirkung.) 

(The homoeopath. Physician. Juni 1897.) 

M. 


Reflex-Krämpfe. 

Ein 13jähriges Mädchen, seit 3 Monaten krank, 
hat alle 3 Wochen einen Krampfanfall gehabt; in 
der letztvergangenen Woche 3 Mal. 


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110 


Sie verliert plötzlich das Bewusstsein. Dabei 
gerötetes Gesicht; blutiger Schaum vor dem Mund. 
Nach den Krämpfen schläft sie den ganzen Tag. 
Sie treten immer Morgens auf. Cephalalgia supra- 
orbitalis und occipitalis. Sehr nervös. Menstruirt 
seit 8 Jahren; jetzt treten die Regel alle 3 Wochen 
ein. — 

Schwindelig. — Verstopfung. — Appetit und 
Schlaf gut. 

Bis in die letzte Woche unter allöopathischer 
Behandlung — aber ohne Erfolg: das letzte Mittel 
hat den allgemeinen Zustand nur verschlimmert. 

Nux vomica 30. (eine Gabe). 

10. Februar. Etwas besser. S. 1. 

13. Februar. Wieder Krampfanfall. 

18. Februar. Bei näherer Untersuchung zeigte 
sich: Vaginitis granulosa, der Uterus antiflectirt, 
der Cervix offen. — Der linke Eierstock prolabirt 
und druckempfindlich. Die intra-uterine Unter¬ 
suchung schmerzlos, das Cavum uteri 2 8 / 4 " tief. — 
Hymen offen. Die äusseren Geschlechtstheile anä¬ 
misch und livid; die Haut des Unterbauches und 
der Beine blass und schlaff. Im Urin überschüssige 
Phosphate; sonst normal. 

Verdacht auf Masturbation. 

Hyoscyamus 1000. (1 Gabe). 

20. Februar. Kein Kopfweh; die Nervosität 
ist vergangen. S. 1. 

24. Febr. Sie fühlt sich besser. S. 1. 

3. April. Vollkommen wohl. S. 1. 

Nach mehr als einem Jahre stellt siesich wie¬ 
der vor und gab an, dass sie seitdem ungestört 
gesund gewesen sei. Dr. Eric von der Goltz. 

(The homoeopathic Physician. Juni 1897.) 

H. 


Danksagung. 

Der kürzlich in Arnsberg in Westphalen ver¬ 
storbene homöopathische Arzt, 

Herr Dr. med. Albert Amberg 

hat dem 

Homöopathiaohen Krankenhause zu Leipzig 

letztwillig die Summe von 

500 Mk. 

ausgesetzt, und zwar nach dem Wortlaute seines 
Testamentes: 

„aus Dankbarkeit für die Homöopathie, durch 
welche er viele sonst nicht erreichte Heil¬ 
erfolge erzielt habe.“ 

Wir rufen auch diesem edlen Geber unseren 
aufrichtigsten und herzlichsten Dank und ein inniges 
„Ruhe sanft“ in die Ewigkeit nach. 

Leipzig, im September 1899. 

Das Curatorinm des Homöopathischen 
Krankenhanses za Leipzig. 


Homöopathische Ferienkurse für Aerzte 
in Berlin. 

Die diesjährigen Herbst-Vorträge finden statt 
vom 2. bis 28. October 1899 am Montag, Mittwoch 
und Freitag Abend i j 9 8 Uhr in der Poliklinik 
Charlottenstr. 77, II. 

Den Herren Collegen steht ausserdem der Be¬ 
such der Poliklinik wocho^Piich von 1 / a 2 Uhr ab 
frei. 

Die Vorträge umfassen ausgewählte Kapitel 
aus der Homöopathie und zwar: 

1. Oct. 2. Ueber Hahnemann's Leben 

und Werke und über Princi- 

pien der Homöopathie; . . . Dr. Gisevius jun. 

2. „ 4. Ueber Stoffwechselkrank¬ 

heiten .Dr. Kröner. 

3. „ 6. Ueber Atropin u. Belladonna, 

Merkur. Phosphor . Hofarzt Dr. Windelband. 

4. , 9. Ueber Augenkrankheiten . . Dr. Borchmann. 

5. „ 11. Ueber Metrorrhagieen . . . . Dr. Dahlke. 

ö. „ 13. Ueber Hautkrankheiten . . . Dr. Damntholz. 

7. „ 16. Ueber Bryonia, Nux vom., 

Rhus tox.Dr. Burkhard. 

8. „ 18. Ueber Nervenkrankheiten . . Dr. Kröner. 

9. „ 20. Ueber Darmkrankheiten . . 

Hofarzt Dr. Windelband. 

10. „ 23. Ueber Skrophulose.Dr. Gisevius jun. 

11. „ 25. Ueber Mittel wähl.Dr. Sulzer. 

12. „ 27. Ueber Beziehungen der Arz¬ 

neimittel unter einander . . Dr. Dahlke. 

Auf Wunsch ist Herr Apotheker Kittel, Berlin 
W., Kurfürstendamm 1, bereit, in näher zu be¬ 
stimmenden Stunden Anleitung über Reactionen 
der Arzneimittel, über Arzneimittelbereitung nach 
homöopathischen Grundsätzen etc. zu geben. 

Weitere Auskunft ertheilt jederzeit: Dr. Damm¬ 
holz, Berlin S.W., Gneisenaustr. 112. 

Berliner Verein homöopath. Aerzte. 


Personalien. 

Im Anfang des Monats September starb in 
Arnsberg der homöopathische Arzt Dr. Albert 
Amberg, den Lesern unserer Zeitung durch Ver¬ 
öffentlichung mancher sehr anziehenden Kranken¬ 
geschichte bekannt. Von jüdischen Eltern ge¬ 
boren, erhielt er in Arnsberg seine Gymnasial¬ 
bildung in den 50er Jahren, und zeichnete sich 
durch seinen Fleiss und seine gediegenen Kennt¬ 
nisse vor vielen seiner Mitschüler vorteilhaft aus. 
Er war nicht verheiratet, nicht frei von Hypo¬ 
chondrie, erfreute sich aber eines ausgezeichneten 
Rufs als Arzt. Dr. med. Groos-Erfurt 


Berichtigung. 

Mit grosser Theilnahme habe ich den Vortrag 
des Collegen Dr. Hammerschmidt in Elberfeld über 
die Entwicklung der Homöopathie im Wupperthal 


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111 


gelesen. Bei dieser Gelegenheit geschieht auch 
meiner Erwähnung als Bruder des Dr. Ernst Groos 
in Barmen, der, früher in Magdeburg, jetzt in Er¬ 
furt practicire. Ich erlaube mir berichtigend zu 
bemerken, dass mein Umzug nach Erfurt nicht er¬ 
folgt ist, um dort von neuem die ärztliche Thätig- 
keit wieder aufzunehmen, sondern um nach ange¬ 


strengter Thätigkeit für einige Jahre noch der 
Ruhe zu geniessen. Ausserdem lebt Herr Dr. Roth 
hier, im Alter von 72 Jahren. Schon während 
meines Aufenthalts in Mühlhausen i. Th. war er 
hier als homöopathischer Arzt thätig und geniesst 
nun auch die wohlverdiente Ruhe. 

Dr. med. Groos-Erfurt. 


ms 


Die 

Herbstversammlung des Sächsisch-Anhaltinischen Vereins homöopathischer Aerzte 

findet Sonntag, den 8. Ootober, in De&gau im Hötel Kaiserhof statt. 

Beginn der Sitzung 1 Uhr. Diner 3 Uhr. 

Vorsitzender: Schriftführer: 

Geh. Sanitätsrath Dr. Faulwasser. Dr. Alexander Viller«. 


Anzeigen. 

BAD UPPSPRINGEI s£ 


Dr. med. Dierkes, homöopath. Arztaus 
Paderborn praktizirt in jeder Saison in Bad liipp- 
springe. Die Herren (Jollegen werden gebeten, ihren 
Patienten die Adresse mitzugeben. 


Eisenbahn-Station Paderborn. 
Armlnius-Quelle, stickstoffreiche Kalktherme. 
Erfolgreiches I nnnOnnhthicO besonders im 
Heilmittel gegen l-llllljüll|jlltlilwü ersten Stadium. 
Asthma und Katarrhe der Respirations-Organe. 

Saison: Mai bis September* 
Pensions-Hotel; 1/iipkaiiQ staubfrei inmitten 

neu renovirt. ■■«1*0. des Parks gelegen. 

Auskunft durch die Bronnen-Administration. 


Soeben ist im Verlage von Carl Gruner’s homöopath. 
Officin, Leipzig und Berlin, erschienen: 

Die Heilung der Diphtherie 

auf homöopathischem Wege 

insbesondere durch 

Mercnrius cyanatus. 

Rathschläge für Eltern. 

XI. Auflage der Dr. Villers’schen Schrift. 
Theilweise neu bearbeitet 
von einem homöopathischen Arzte. 

Preis 50 Pfg. 

Alles Nähere aus der Besprechung in Bd. 139, No. 3/4 
dieser Zeitung ersichtlich. 


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Seit 1891 klinisch vielfach erprobtes diätetisches 
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Weizenmehl, Zuoker und Kakao.) 

Wegen seiner Leichtverdaulichkeit und hohen 
Nährkraft indicirt bei: 

Magen - und Dannleiden , Anaemie , 
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im Gebrauch. 

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Wissenschaft!. Urtheile, Analysen u. Gratismuster dnrch 

Dr. Theinhardt’s Nährmittel-Gesellschaft 

Cannstatt (Wiirttbg.). 


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Therapeutisches Taschenbuch 

in neuer deutscher Auflage. 

Brosch. 10.— Mk., geb. 11.— Mk. 

Aufträgen sieht die Unterzeichnete Verlagshandlung gern entgegen. 

A. Harggrafs homöopath. OfAcin, Leipzig. 


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Die Revisionen der ärztlichen Hausapotheken betreffend. 


Auf häufig vorkommende Anfragen theile ich hierdurch mit, dass die Herren Revisoren 
homöopathischen Aerzten bisher Folgendes verlangt haben: 


mit Nachtr&gen.) 

bei sclbstdnpensirenden 


1. Den Approbationsschein. 

2. Das Zeagniss über das in Berlin bestandene 
Dispensirexamen. 

3. Die Genehmigung zum Halten einer homöopa¬ 
thischen Hausapotheke. (Diese wird von dem Re¬ 
gierungspräsidenten auf Antrag nach Prüfung der Ver¬ 
hältnisse widerruflich ertheilt.) 

4. Eine Sammlung aller das Selbstdispensiren der 
homöopathischen Aerzte Deutschlands betreffen¬ 
den Gesetze (z. B. Lorbacher’s Anleitung und die 
neueren Vorschriften, publicirt in Nr. 5/6 der Allg. 
homöopath.Ztg., 128. Bd., oder die neuesten Apotheker¬ 
gesetze von Medicinalassessor Feldhaus, Münster i. W.) 

5. Ein Journal über die abgegebenen Arzneien (Men¬ 
gen, Inhalt und Taxpreise derselben) mit Namen der 
Patienten, Datum etc. 

(Alle Mittel müssen jetzt bei Abgabe an die Patien¬ 
ten mit einer Signatur versehen sein, die ausser dem 
Namen des dispensirenden Arztes auch den Namen 
des Patienten, Datum, Buchnummer und Anwendungs- 
wei8e des Arzneimittels trägt; solche Etiketten liefere 
ich sehr gern und stehe mit Proben zu Diensten.) 

6. Eine homöopathische Pharmakopoe. (Es ist nicht 
gesagt, welche, und nimmt man am besten die von 
Dr. Schwabe, da in den Apotheken Nord- und Mittel- 
Deutschlands allgemein nach dieser gearbeitet wird.) 

7. Revieionsmässige Einrichtung der Hausapotheke. 

Dazu gehört: 

a) Ein separates Zimmer. 

b) 1 Schrank für die Venena, Tab. B. | laut 

(Giftschrank) I meinen 

c) 1 ,, „ „ Separanda, Tab. U.| früheren 

(Separandaschrank)J Offerten. 

d) 1 „ „ Nicnt-Separanda 

e) Alle in Lorbacher’s Anleitung angegebenen 52 Mittel 
in D. 1. bez. C. 1. flüssigen Potenzen oderVerreibungen 
(in einfach. Gläsern mit Korkstöpseln oder in solchen 
mit Glasstöpseln, — Quantitäten & 15,0 genügen). 

[Alle Venen* —- Tab. B. — Urstofle, Ur- 
tincturen und ihre D. 1., D. 2. und D. 3. Potenzen 
müssen im Giftschranke aufbewahrt werden und 
„weiss auf schwarz“ signirt sein. 

Alle Separanda, — Tab. C. — Urstofle, 
Urtincturen und ihre D. 1., D. 2. und D. 3. 
flüssigen Potenzen oder Verreibungen müssen im 
Separandaschranke aufbewahrt werden und „roth 


Alle Nicht-Separanda und die weiteren Potenzen 
der Venena uud Separanda von D. 4 (inclusive) 
aufwärts müssen ausserhalb der Gift- und Separanda- 
schränke in einem dritten Schranke aufbewahrt werden 
und „8ch warz auf weiss“ signirt sein. — Manche Revi¬ 
soren gehen soweit, für die äusserlichen Mittel Signa¬ 
turen „weiss auf roth“ zu verlangen, eine derartige 
Reichsverordnung ist mir nicht bekannt und bin 

ich der Ansicht, dass man *esem Wunsche nicht zu 
fügen hat. Sind die äusserlioaen Mittel sonst richtig 
signirt — „schwarz auf weiss“ oder ,,roth auf weiss“, je 
nachdem sie Nichtseparanda oder Separanda sind — und 
in sechseckigen Gläsern, so sind sie vorschriftsmässig 
eingereiht. 

Die nöthigen Etiketten sind laut früheren Offerten 
alle hier zu haben.] 

f) Die nöthigen Waagen, Gewichte, Mörser und Löffel für die 
Gifte und Nicht-Gifte; erstere mit entsprechender Sig- 
nirung, analog den Vorschriften, die unter e) genannt sind. 

In manchen Regierungsbezirken verlangt man nur: 
1 Mörser, 1 Waage, 1 Löffel, je mit „Gift“ siguirt. 

In andereu für jede Giftsorte, wie Arsenicalia, Alc&loide, 
Mercurialia und Phosphorus, je 1 Waage, 1 Mörser und 
1 Löffel, separat und besonders signirt. 

(Alles ist auf Lager und wird auf Wunsch geliefert.) 

g) Manchmal wird auch eine Tarirwaage verlangt, die von 
Aerzten fast nie gebraucht wird und sehr theuer ist. (Unter 
50—60 Mark sind sie nicht zu haben; ich habe daher 
solche in einfachster Ausführung, auf einfachem Brette, 
für Revisionszwecke genügend, hersteilen lassen, die ich 
zum Preise von 24 Mark offeriren kann.) 

h) Ein Arbeitstisch und die sonstigen Utensilien zur Bereitung 
von Potenzen, Verreibungen etc. und zur Abgabe der 
Arzneien, als: präcisirteWaagen, Gewichte, Mörser,Löffel, 
Trichter, Mensurirgläschen, Fläschchen, Schachteln, Korke, 
Beutel etc. etc. 

i) In einigen Regierungsbezirken wünschen die Herren Revi¬ 
soren von allen in den ärztlichen Hausapotheken vor¬ 
handenen Mitteln die 1. Potenzen vorräthig zu sehen, 
während meistens nur die unter e) angeführten 52 Mittel 
in solchen verlangt werden. 

k) Ganz peinliche Revisoren verlangen sogar auch ein Waaren- 
Eingangsjournal mit Angabe der Bezugsquellen und Auf¬ 
führung jedes einzelnen bezogenen Mittels, wozu ich als 
Belege ganz specificirte Rechnungen liefern muss, auf 
denen jedes Mittel mit Namen, Gewicht, Potenz und 
Preis einzeln aufgeführt ist. 

bestens 


auf weiss“ signirt sein. 

Alles hier Aufgeführte liefere ich nach früheren Offerten, mit denen ich erneut gerne zu Diensten stehe, 
und billigst. 

Alle Herren Aerzte ersuche ich um gef. Benachrichtigung, falls nach ihren bei Revisionen gemachten Erfahrungen 
obige Angaben nicht vollständig oder falls abweichende Anforderungen gestellt worden sind, damit man in die Lage 
kommt, in dieser Angelegenheit ganz exacte Angaben machen zu können, was bisher bei der verschiedenen Handhabung 
in den einzelnen Regierungsbezirken nicht möglich war. 

Hierzu noch folgende ergänzende Mittheilungen: 

Za No. 3. Wer das Dispensir-Examen bestanden hat, muss durch seinen zuständigen Kreis-Physicus das vom 
Minister ausgefertigte Berechtigungs-Attest der betr. Regierung einsenden Es bedarf zur Ausübung der homöo¬ 
pathischen Praxis mit Selbstdispensation ebenso wenig einer Genehmigung Seitens der Regierung, wie zur ärztlichen 
Praxis überhaupt. Auf die Nachsuchung einer solchen Genehmigung darf sich kein homöopathischer Arzt einlassen. 

Zu No. 5. Angabe der Buchnummer ist nicht überall erforderlich, die Signaturen müssen aber besagen: 

Zeit und Gabe, wie die Arzneien zu nehmen, — in Buchstaben —, bei flüssigen Mitteln zum innerlichen Gebrauch 
die Etiquetten auf weisseni Grunde (in runden Gläsern); zum äusserlichen Gebrauch die Etiquetten auf rotliem 
Grunde (in 6 eckigen Gläsern). 

Za No« 7. Alle Venena (Tab.B) in Ur st offen und Urtincturen zu halten, ist von der Regierung in Minden ver¬ 
boten und der Minister hat dieses Verbot bestätigt. — AlleMedicamente sollen in 1. Verdünnung (Potenz) vorhanden sein. 

A. Marggraf’s homöopathische Offlein, Leipzig. 

Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Offlein) in Leipzig. 

Druck von Julius Mäser in Leipzig. 


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Band 139. 


Leipzig« den 12. Oetober 1899. 


Ho. 15 n. 16. 


ALLGEMEINE 

IOMÖOPATIIISCIIE ZEITIM 


Heraasgegeben von 


Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle and Verlag von William Steinmetz (A.Marggraf*s ho möopath. Offlein) ln Leipzig 

Thomaskirchhof 12. 


Erscheint 14t&gig eh 2 Bogen. 18Doppelnummern bilden einen Band. Preis WM. 50Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Poetanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs -Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welohe an Rudolf Mosse 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. MarggraTs homöopath. Offlein in Leipzig) su richten 
sind, werden mit 20 Pf '. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 6— 8 M. berechnet. 


Inhalt. Zur Wirksamkeit von Colchicum autumnalo im Rheumatismus. Von Dr. Mossa. — Zur neuen Phar- 
makopOe. Von Dr. Greenfield, Cottbus. — Zur Werbeschrift von Dr. Gisevius jun.: „Die Homöopath vor dem 
Richterstuhle des Experiments. 11 Von Dr. $. J. van Royen, Utrecht. — Zur Pestbehandlung. Von E. Schlegel, Arzt 
in TObingen. — Klinische Vortrfige Ober die Therapie der Nervenkrankheiten. Von Prof. Halbert-Chicago. — Aus 
der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in MOnchen. — Die Behandlung der trachomatfisen Lider mittels 
Massage mit Borsfiure. Von Dr. William Spencer, Philadelphia. — Ueber die Einwirkung von Alkohol auf die Ver¬ 
dauung. — Die Revisionen der Ärztlichen Hausapotheken betreffend. (Vervollständigt mit Nachträgen.) Berichtigung. 

Ministerialerlass, betreffend die homöopathischen Hausapotheken. — LesefrOchte. — Anzeigen. 

•W Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. '•Z 


Zur Wirksamkeit von Colchicum autumnale 1 
im Rheumatismus. 

Von Dr. Hossa. 

Die nasskühle Witterung des Herbstes, die sich 
jetzt nach den so überaus heissen Sommertagen, 
wo man bei Nacht wie bei Tage aus dem Schweisse 
nicht herauskam, geltend macht, wobei diese über¬ 
mässige Hautth&tigkeit so plötzlich unterbrochen 
wird, wird nicht verfehlen, eine ergiebige Anzahl 
rheumatischer Leiden zu zeitigen, welche der 
„ Herbstzeitlosen M eine günstige Gelegenheit bie¬ 
ten, ihre sch&tzenswerthen Heilkräfte uns darzu¬ 
bringen. 

Darum halten wir es für zeitgemäss, den Wir¬ 
kungskreis dieses wichtigen Heilmittels, wie er sich 
auf Grund der vorhandenen Prüfungen und reiner 
klinischer Beobachtungen ergeben hat, einmal näher 
ins Auge zu fassen. Denn so wenig Grund wir haben, 
es als ein souveränes Specificum für Rheumatismus 
oder Gicht anzuerkennen, so wenig sind wir be¬ 
rechtigt, seine treffliche Wirksamkeit in den für 
dasselbe passenden rheumatischen und gichtischen 
Leiden abzuleugnen. Es gilt eben, den Wirkungs¬ 
kreis des Mittels bestimmt und deutlich zu um¬ 
grenzen, so dass dann die klinischen Indicationen 
schärfer hervortreten. 


Die Indicationen, welche Kafka in seiner ho¬ 
möopathischen Therapie, Bd. II, p. 299, über die 
Anwendung von Colchicum in gewissen Fällen von 
acutem Gelenkrheumatismus giebt, sind folgende: 

„Ein wichtiges und hilfreiches Mittel, sagt er 
1. e., ist Colchicum 3., wenn eine allgemeine Ent¬ 
zündung der Gelenke vorhanden ist, und die Kran¬ 
ken so überempfindlich sind, dass die leiseste Er¬ 
schütterung der Luft, des Bettes, des Fussbodens etc. 
die Schmerzen unerträglich macht, wenn das Fieber 
und die Schmerzen in den Abend- und Nachtstun¬ 
den exacerbiren und hierbei mit copiöser Schweiss 
verminderter , sehr saturirter Hamabsonderung und 
mit unlöschbarem Durste verbunden sind; wenn 
die grösseren Gelenke, z. B. am Knie, am Ell¬ 
bogen, an der Schulter etc. intensiv geröthet und 
heiss, die kleinen Gelenke jedoch, z. B. an den 
Fingern und Zehen, geschwollen und steif erschei¬ 
nen, und in den letztgenannten Organen bei der 
grössten Schmerzhaftigkeit die Empfindung vor¬ 
herrscht, als wären sie gelähmt oder eingeschlafen, 
wenn zugleich in Folge der Heftigkeit des Fiebers 
und der Schmerzen der Athem sehr beschleunigt 
und der Herzschlag sehr bedeutend verstärkt ist, so 
dass eine Complication mit Endo- oder Pericarditis 
zu befürchten ist. 

„In einem solchen Falle wirkt Colchicum, in 

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114 


Solution und stündlich gereicht, viel verlässlicher J 
als Bell, oder als Aconit; binnen 24 Stunden kön¬ 
nen die heftigsten Schmerzen gemildert und die 
allgemeine Gelenkentzündung sistirt sein. Da bei 
derartigen Erscheinungen sehr häufig die oben- 
genannten Complicationen eintreten, so muss man | 
•ehr genau und oft den Thorax und das Herz j 
untersuchen. In der Peri- und Endocarditis haben 
wir kein genügendes Resultat von diesem Mittel 
gesehen, sondern mussten zur Spigelia greifen, 
deren Wirkung in solchen Fällen viel zuverlässi¬ 
ger ist.“ 

Hiervon weicht das Krankheitsbild, das Bähr 
(Bd. II, p. 660) von dem Colchicum-Rheuma giebt, 
in manchen Punkten erheblich ab. „Colchicum, 
giebt er 1. c. an, ist kein Mittel für eigentliche 
acute Rheuma, wohl aber vortrefflich in den ge¬ 
mischten subacuten Affectionen der Gelenke und 
Muskeln, wo bei ersteren lediglich die äusseren 
Gelenktheile leiden. Das Fieber ist nicht heftig, 
mit stetem Frösteln untermischt, ohne oder mit 
ganz unbedeutendem Schweisse, wobei doch der 
Harn sehr saturirt ist und stark sedimentirt. Die 
schmerzhaften Gelenke sind nicht geschwollen oder 
geröthet; die Schmerzen nehmen Nachts und durch 
Bewegung und durch Berührung erheblich zu. Die 
Krankheit entstand durch feuchtkalte Witterung.“ 

Mir scheint es, als ob beide Autoren den Wir¬ 
kungskreis des Colchicum zu eng gefasst haben; 
die von anderen homöopathischen Aerzten und von 
mir seihst gemachten Beobachtungen lassen sich 
weder in die eine noch die andere Kategorie völlig 
unterbringen. 

Eigene Beobachtung . 

Ein 9 8 / 4 Jahr altes Mädchen mit dunkelbrau¬ 
nem Haar und blassgelbem Teint, der sich aber bei 
schneller Bewegung und Erregung das Gesicht schnell i 
rötbet. Ihr Grossvater väterlicherseits ist an Phthi- 
sis gestorben; der Vater kräftig und gesund, aber 
venös, hat Neigung zu Durchfallen. Ihre Mutter 
leidet an Dysmenorrhöe und ist in hohem Grade 
nervös-hysterisch. — Die Geschwister zeigen mehr 
oder weniger einen scrophulösen Zug (chronischen 
Nasenkatarrh, Drüsenanschwellungen, Kropf), so 
dass sie sämmtlich diesen Sommer eine mehrwöchent¬ 
liche Kur im Soolbade von Jagstfeld gebrauchten. 

Patientin fröstelt oft, erkältet sich leicht, hat 
Neigung zu Diarrhöeen, die mehr rheumatischen 
als gastrischen Ursprungs erscheinen. Im Frühling \ 
dieses Jahres hat sie bereits einen leichten Fall 
veu Rheumatismus acutus des linken Fussgelenkes 
mit blasser Anschwellung und ziemlicher Schmerz¬ 
haftigkeit gehabt, der bei Bettruhe, Watteein wick¬ 
ln^ und einigen Gaben Aconit unter Schweiss¬ 
ausbruch bald vorüberging. 

Am 8 . September klagte sie Abends über Frost 


und Schwere in den Gliedern; das Wetter hatte 
um diese Zeit einen jähen Uebergang von sehr 
hoher, trockner Wärme unter starken Regengüssen 
und Gewittern zur feuchten Kühle durchgemacht: 
auch hatte Pat. in der Schulstube in der Nähe des 
offenen Fensters gesessen, was ihr niemals gut be¬ 
kommt. 

Am 9. September blieb sie zu Hause, im Bett, 
bekam von der ängstlichen Mutter Aconit, daneben 
aber auch, um so mit Doppel kraft auf Schweiss 
hinzuwirken, eine Tasse Lindenblüthenthee. Es 
trat wohl auch Schweiss ein, aber das Leiden war 
damit nicht abgeschnitten, so dass man meine Hilfe 
nachsuchte. 

Am 10. September fand ich Pat. im Bette auf 
dem Rücken liegend, das Gesicht blassgelb, aber 
mit einem grossen dunkelrothen Fleck auf der 
Mitte der Wangen. Die Hauttemperatur ist etwas 
erhöht, der Puls macht 120 kleine, leicht unter¬ 
drückbare Schläge; der Herzschlag dagegen ist 
bedeutend verstärkt. — Sie klagt über reissenden 
Schmerz im linken Fuss, besonders auf dem Rist 
desselben; scheut jede Bewegung, weil diese den 
Schmerz vermehrt, ebenso Berührung. Der linke 
Fuss zeigt auch eine Anschwellung, besonders an 
der Aussenseite des Gelenks, um den Malleolus 
externus, von blasser, bleigrauer Färbung. — Stuhl 
verstopft. Anorexie. Sie erhielt Bryonia 6., Mor¬ 
gens und Abends 2 Tropfen. 

11. September. Die Nacht war sehr unruhig 
gewesen; der Schmerz hatte zur Nacht bedeutend 
zugenommen, so dass sie oft laut wimmern musste. — 
Es ging nur sehr wenig, dunkelrother Urin ab, 
doch kein Stuhl. — Milch, etwas Gerstenschleim, 
Weintrauben. Bryon. cont. 

12. Sept. Die Schmerzen hatten wieder gegen 
Abend und während der Nacht sich erheblich ge¬ 
steigert: Pat. zeigt eine solche Ueberempfindlichkeit , 
dass sie bei der geringsten Erschütterung des Deck¬ 
bettes, ja schon bei Annühei'ung an den kranken 
Theil laut jammert. Jetzt war auch der rechte Fuss 
und das linke Hüftgelenk schmerzhaft. Der rechte 
Fuss war überdies in derselben Weise wie der 
linke angeschwollen. In den Zehen hatte sie die 
Empfindung, als ob diese steif und stan' wären. — 
Der Puls war noch immer frequent und klein, der 
Herzschlag übermässig stark, der Urin spärlich und 
dunkelroth. — Zunge etwas gelb belegt, wenig 
Appetit, ziemlich starker Durst. — Die Haut mässig 
warm, etwas feucht. — Beklemmung auf der Brust. 
Wenn sie, was hier und da geschieht, hustet, so 
steigern sich die Schmerzen in den kranken Thei- 
len ausserordentlich. 

Da Bryonia so wenig gewirkt, die vorhandenen 
Symptome und das ursächliche Moment, die nass¬ 
kühle Witterung, entschieden auf Colchicum bin- 


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115 


deuteten, so gab ich der kleinen Kranken jetzt 
von diesem Mittel, und zwar von der 6. Dil. 6 Tro¬ 
pfen in einem Glase Wassers gelöst, 2stündlich 

1 Theelöffel. 

13. Sept. Die abendliche und nächtliche Ex¬ 
acerbation war ausgeblieben, so dass Pat. wieder 
einmal schlafen konnte. Die Anzahl der Pulse 
war auf 100 herabgesunken. Der linke Fuss war 
abgeschwollen und weniger schmerzhaft. Der Urin 
war reichlicher und weniger dunkel gefärbt. Es hatte 
sich Stuhl eingestellt, wobei erst feste, dann dünn¬ 
breiige, braune, stinkende Massen entleert wurden. 
Das linke Fussgelenk war abgeschwollen, das rechte 
dagegen noch stärker geschwollen und noch schmerz¬ 
haft. Die Kleine ist etwas munterer geworden. 

14. Sept. Wieder etwas unruhige Nacht, wäh¬ 
rend welcher das rechte Fussgelenk abgeschwollen, 
dagegen das linke wieder geschwollen war. Colch. 
cont. 

15. Sept. Pat. hatte die Nacht gut geschlafen, 
und war Morgens recht munter. Wenn auch das 
linke Fussgelenk noch geschwollen, so hatte doch 
der Schmerz bedeutend abgenommen, und nament¬ 
lich war jene Hypersensibilität gewichen. P. 72, 
Haut mässig warm, leicht schwitzend. Sie hatte 

2 dünne Stuhlentleerungen gehabt, mehr Urin von 
dunkelgelber Färbung gelassen. Der Appetit ist 
erwacht. — Gerstenschleim, Reis mit Fleischbrühe. 

Colchicum cont., aber nur 3 Mal täglich 1 Thee¬ 
löffel. 

16. Sept. Jetzt hat auch der Ictus cordis 
seine normale Stärke erreicht. Die Kleine fühlt 
sich ganz wohl, so dass sie im Bette spielt und 
liest. Der Schmerz im 1. Hüftgelenk ist gewichen, 
die Schwellung des 1. Fussgelenkes gesunken. Sie 
kann beide Füsse jetzt frei bewegen und ihre Be¬ 
dürfnisse ausserhalb des Bettes verrichten. 

Colchicum 2 Mal täglich 1 Gabe. 

So schritt die Besserung stetig fort, und konnte 
die Kleine am 18. September das Bett verlassen. — 

Einen ähnlichen Fall bei einem 10jährigen 
Knaben, bei dem ein Fussgelenk ebenfalls eine 
solche blasse Anschwellung zeigte, und wo die 
Hypersensibilität eben so hervorstechend war, hatte 
ich vor mehreren Jahren zu behandeln, und hat 
auch bei diesem Colchicum die Heilung herbei¬ 
geführt. 

Diese beiden von mir beobachteten Fälle, wo¬ 
bei Colchicum zur Anwendung, und zwar mit Er¬ 
folg, gekommen ist, liegen, möchte ich sagen, in 
der Mitte zwischen den von Kafka und Bähr auf¬ 
gestellten Indicationen Fieber war in beiden vor¬ 
handen, aber es hatte mehr einen subacuten Cha¬ 
rakter (Bähr), mehr einen erethischen als synocha- 
len Typus. Die verstärkte Herzthätigkeit bei 
frequentem, aber kleinem Pulse, hielt immer die 


Besorgniss rege, dass das Herz in den krankhaften 
Process hineingezogen werden möchte. — Während 
Bähr keine, Kafka eine ausgesprochene Anschwel¬ 
lung und Röthe der ergriffenen Gelenke für pas¬ 
send hält, boten dagegen meine Beobachtungen 
wohl Anschwellungen, aber von blasser, bleigrauer 
Färbung. Der spärliche dunkelrothe Urin, der 
nach Bähr noch starkes Sediment fallen lässt, ist 
für Colch. sicherlich charakteristisch, obwohl er ja 
auch bei einer Reihe anderer Mittel vorkommt. 

Unsere homöopathische Literatur ist bisher noch 
sehr arm an klinischen Beobachtungen in dieser 
Beziehung. Die alte Schule hat zwar von die¬ 
sem Mittel, früher noch mehr als zur Zeit, Ge¬ 
brauch gemacht, besonders in gichtischen Affectio- 
nen, aber die Autoren sprachen sich bald sehr 
günstig, bald wieder absprechend für seine Heil¬ 
wirkungen aus. Das meiste Lob haben ihm immer 
die englischen Aerzte gespendet, vielleicht deshalb, 
weil das nasskalte Klima ihres Landes günstige 
Chancen für Colchicum darbietet. Sie haben es 
bei Gicht, wie bei Rheumatismen, acuten wie fieber¬ 
losen, chronischen Fällen oft mit sehr gutem Er¬ 
folg gebraucht. In der Regel bedienten sie sich 
des Vinum seminis Colchicis und das oft in star¬ 
ken Gaben und lange fortgesetzt. 

Dr. Williams, der mit diesem Mittel viel ope- 
rirte, sagt, es wirke in chronischen Fällen vorzüg¬ 
lich schmerzstillend und bringt dem Kranken den 
der nächtlichen Schmerzen wegen so sehr entbehr¬ 
ten Schlaf. Er behauptet, das aus den Samen 
bereitete Präparat habe nicht die unangenehmen 
Nebenwirkungen auf Magen und Darm, wie die aus 
der Wurzel dargestellte Tinctur. 

Die von Williams mitgetheilten Heilungen chro¬ 
nischer Rheumatismen haben manches Interesse für 
uns. So berichtet er von einem 30jährigen Manne, 
der an heftigen Schmerzen in den Lenden, Schul¬ 
tern und Armen litt; dabei war er fieberlos, hatte 
Appetit und Stuhl. Infolge seiner Beschäftigung 
beim Malzdarren war er häufig plötzlichem Wechsel 
von Kälte und den heissen Dämpfen des feuchten 
Malzes ausgesetzt. Die Krankheit hat seit 3 Jahren 
allmählich zugenommen, bei stetem Mangel an 
Schlaf. Sechs Tage nach dem Gebrauch von Col¬ 
chicum Hessen die Schmerzen gänzlich nach, und 
zwar auf die Dauer. 

2. Ein 65jähriger Mann, seit mehreren Jahren 
an heftigstem Rheumatismus in Armen und Beinen 
leidend, musste endlich mehrere Wochen, da die 
Schmerzen unerträglich geworden und ihm die Be¬ 
wegung unmöglich machten, das Bett hüten. Aller 
Schlaf fehlte. Endlich konnte er sich wieder fort¬ 
schleppen ; sein Körper war aber durch das lange 
Leiden so zusammengezogen, dass er nicht aufrecht 
stehen oder gehen konnte. Er erhielt Colch. — 

lb* 


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116 


Nach drei Wochen war er wieder so weit, dass er 
sein Geschäft als Kutscher besorgen konnte. — 
Nach einigen Jahren litt er wieder an heftigen 
Gliederschmerzen; die Gelenke waren so schmerz¬ 
haft und die Hacken so heraufgezogen, dass ihm 
das Gehen äusserst beschwerlich war. Auch hier 
half Colch. binnen 1 Monat vollständig. 

In den Colchicum-Prüfungen, resp. Vergiftungen 
sind mehrfach starke Krämpfe und schmerzhafte 
Muskelzusammenziehungen an den Füssen, beson¬ 
ders an der Fusssohle, beobachtet worden. 

8. Eine 55jährige Frau, viele Jahre dem Rheu¬ 
matismus, besonders in den Lenden und in der 
linken Hüfte unterworfen, hatte 8 Monate das Bett 
nicht verlassen können, ohne die heftigsten Anfälle 
zu erleiden. — Seit den letzten 8 Monaten ist sie 
seiten schmerzensfrei. Die Schmerzen traten meist 
Nachmittags 4 Uhr sehr intensiv auf, hielten bis 
8 Uhr an, wo sie dann wieder nachliessen, um 
Morgens 1 Uhr wiederzukehren; sie gingen bis zur 
linken Schulter und die Brust und dauerten meh¬ 
rere Stunden an. 

Die Zunge mit braunem Schleim belegt. Kein 
Fieber, wenig Appetit, etwas Durst; Haut weder 
heiss noch trocken; der ganze Körper abgemagert. 
Mehrwöchentliche Behandlung war erfolglos. — 
Nun Colchicum, das in weniger als einer Woche 
die Schmerzen erheblich linderte, den Appetit hob 
und unter Eintritt von Schlaf und Appetit und 
Kraftzunahme Genesung herbeiführte. 

Derartige Beobachtungen können wir freilich 
von unserem homöopathischen Standpunkte nicht 
als mustergültig hinstellen, da die Krankheitsbilder, 
trotz einzelner prägnanter Striche und Züge, doch 
zu allgemein gehalten sind. Immerhin geht aber 
aus ihnen hervor, dass Colchicum auch in chroni¬ 
schen Fällen von Rheumatismus, unter geeigneten 
Umständen, viel zu leisten vermag. 

Wir müssen deshalb den Rahmen der Colchicum- 
Indicationen weiterspannen, als es oben geschehen 
ist — und das ist von Farrington in seiner klini¬ 
schen Arzneimittellehre treffend geschehen. 

Colchicum hat, sagt dieser Autor ganz richtig, 
eine specielle Affinität zu den fibrösen Geweben, 
wozu er die Sehnen und Aponeurosen der Muskeln, 
Gelenkbänder und selbst das Periost mit einbegreift. 
Die durch Colchicum erzeugte Schwellung kann 
dunkelroth, aber auch blass sein, neigt wenig zur 
Eiterung (es wird sich um seröse Ergüsse handeln); 
sie ist äusserst empfindlich gegen Berührung und 
Bewegung und hat grosse Neigung, von einem 
Gelenk zum andern überzuspringen. So ist das 
Mittel bei einem Rheumatiker indicirt, wenn 
Schmerz und Geschwulst in dem einen Gelenk be¬ 
ginnt und von da nach einem anderen wandert, 
oder von der einen Körperseite nach der anderen 


hinübergeht. Die abendliche und nächtliche Ver¬ 
schlimmerung ist stark markirt. Ueber die Be¬ 
schaffenheit des Harns haben wir genügend ge¬ 
sprochen. — Für chronische Fälle ist Schwäche, 
wie sie aus Mangel an Schlaf sich ausbildet, be- 
achtenswerthes Symptom. — Farrington hebt eben¬ 
falls die übermässige Reizbarkeit und Ueberempfind- 
lichkeit der Colch.-Kranken stark hervor. Jede 
kleine äussere Einwirkung, wie Licht, Geräusch 
oder starke Gerüche, belästigen sie und die Schmer¬ 
zen dünken ihnen unerträglich. 

Nebst dem heftige schneidende und stechende 
Schmerzen in der Brust, besonders am Herzen mit 
grosser Oppression und Athemnoth. Gefühl, als 
wäre die Brust von einem festen Bande zusammen¬ 
geschnürt — Indicationen, die bei einer rheuma¬ 
tischen Affection der Brust* und des Herzens zu 
verwerthen sein möchten. — 

Wir können nicht umhin, einzugestehen, dass 
manche der hier angeführten Symptome nicht direct 
aus der Quelle der Pathogenesie des Mittels ge¬ 
flossen , sondern aus klinischen Beobachtungen, 
Heilanzeichen sind, die sich freilich mehrfach be¬ 
stätigt haben. Indessen, von diesem abgesehen, 
bleiben doch noch eine beträchtliche Reihe patho¬ 
genetischer Symptome charakteristischer Art, die 
uns für die Wahl der Herbstzeitlosen in rheumati¬ 
schen Zuständen als Leitfaden dienen können. So 
können wir Farrington wohl zustimmen, wenn er 
behauptet: „Colchicum steht fast einzig da bei 
Gicht und Rheumatismus. Es giebt keine Mittel, 
die in dieser Beziehung ihm ähnlich wären an Wirk¬ 
samkeit. u 


Zur neuen Pharmakoptfe. 

Von Dr. Greenfield, Cottbus. 

Als vor etwa zwei Jahren eine Commission zur 
Bearbeitung einer neuen homöopathischen Pharma¬ 
kopoe zusammentrat, wurde dieselbe in homöo¬ 
pathischen Kreisen vielfach mit Freuden begrüsst. 
Denn einerseits zeigten die vorhandenen Pharma- 
kopöeen thatsächlich wesentliche Mängel, anderer¬ 
seits konnte man in diesem Schritte der Regierung 
ein Entgegenkommen erblicken und für die Zu¬ 
kunft weitere Zugeständnisse erhoffen. Auch der 
Umstand, dass allopathische Apotheker zugezogen 
wurden, brauchte nicht nothwendigerweise als böses 
Omen aufgefasst zu werden, da die berufensten 
Vertreter der homöopathischen Pharmacie unsere 
Interessen vertraten. Leider liess der erste Misston 
nicht lange auf sich warten. In Folge von Mei¬ 
nungsverschiedenheiten sahen sich die Leipziger 
Herren veranlasst, aus der Commission auszuschei¬ 
den; ob mit Recht oder Unrecht bleibe dahingestellt. 


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117 


Während nun die Commission ihre Arbeiten fort¬ 
setzte, wurde jetzt auch die Schwabe’sche Pharma- 
copoea polyglotta einer Neubearbeitung unterzogen, 
deren Entwurf kürzlich allen homöopathischen 
Aerzten zugeschickt worden ist. 

Der erste allgemeine Theil ist mit wenigen Ver¬ 
änderungen in die Neuauflage übernommen worden. 
Neu und entschieden als Fortschritt zu begrüssen 
ist der Abschnitt: „Allgemeine Methoden zur Unter¬ 
suchung der homöopathischen Arzneipräparate.“ 
Derselbe stellt allgemeine Regeln auf für die Be¬ 
stimmung des speciüschen Gewichts, des Extract- 
gehalts, der fetten Oele, der Trockensubstanz und 
der Alcaloide. 

Eine ganz wesentliche Bereicherung soll aber 
der specielle Theil erfahren. Es sollen bei allen 
Mitteln „sowohl kurze prägnante Beschreibungen 
der Rohstoffe und Präparate, als auch Vorschriften 
für die Prüfung auf Identität, Reinheit und Gehalt 
aufgenommen werden.“ 

Um die diesbezüglichen Untersuchungen mit 
Erfolg an stellen zu lassen, hat der Herausgeber in 
Leipzig ein chemisches Laboratorium eingerichtet, 
in welchem eifrig Mittelanalysen gemacht werden. 
Wenn es der Schwabe’schen Verlagsbuchhandlung 
gelingt, alle homöopathischen Arzneien in derselben 
rollkommenen Weise bearbeiten zu lassen, wie die 
bisher fertiggestellten und im Entwurf veröffent¬ 
lichten 14 Mittel, so kann sie mit Recht be¬ 
anspruchen, eine Pharmakopoe geliefert zu haben, 
die allen billigen Ansprüchen genügt. Damit würde 
aber die Nothwendigkeit einer neuen Pharmakopoe 
wegfallen. Es ist ja auch gar nicht wahrscheinlich, 
dass die Commission ein besseres Werk zu Stande 
bringen wird; wenigstens berechtigt der Entwurf 
des allgemeinen Theiles, welcher uns vorliegt, durch¬ 
aus nicht zu einer solchen Annahme. Derselbe ist 
sehr knapp gehalten, giebt auf 8 Seiten die all¬ 
gemeinen Grundsätze der homöopathischen Arznei¬ 
bereitungsweise und unterscheidet sich nur in zwei 
Punkten principiell von der Schwabe’sehen Pharma¬ 
kopoe. 

Die erste Abweichung betrifft die Valenzfrage. 
Im Gegensatz zu Habnemann’s Vorschrift sollen 
die Ausgangsstufen aller Arzneien, gleichviel ob 
es sich um reine Urstoffe (z. B. Säuren, Metalle) 
oder um Tincturen, Essenzen etc. handelt, als Ur- 
potenzen bezeichnet und im Verhältnis von 1 : 10 
(resp. 1 : 100) weiter potenzirt werden. Es ist das 
zweifellos eine Vereinfachung, und haben wir daher 
bei der Abstimmung auch für diesen Modus ge¬ 
stimmt. Da aber die Schwabe’sche Pharmakopoe 
die bisherige Hahnemann’sche Berechnungsweise 
nicht aufgeben will, so ist zu befürchten, dass eine 
heillose Verwirrung eintritt, die besonders Anfängern 


die grössten Schwierigkeiten bereiten und so der 
Ausbreitung der Homöopathie direct hinderlich wer¬ 
den kann. 

Von weit grösserer Tragweite ist aber die zweite 
Abweichung des Commissionsentwurfes, welche die 
Anfertigung der Tincturen und Essenzen betrifft. 
Zunächst sei bemerkt, dass die Bezeichnung Essenz 
ganz wegfällt, und die alkoholischen Auszüge sämmt- 
lich die Bezeichnung Tinctur erhalten, wogegen 
sich ja nichts Besonderes einwenden lässt Der 
Commissionsentwurf unterscheidet nur 2 Zuberei¬ 
tungsarten: Die frischen Pflanzen, Thiere und deren 
Theile werden mit der doppelten Menge Alkohol 
übergossen und nach 14 tägigem Stehenlassen aus- 
gepresst und abfiltrirt, während die getrockneten 
Stoffe mit 10 Gewichtstheilen Weingeist übergossen, 
im Uebrigen aber ähnlich behandelt werden. 

Nach der Hahnemann’sehen Methode dagegen 
werden 1. die saftreichen Pflanzen erst ausgepresst 
und wird dann der Saft mit der gleichen Menge 
Alkohol vermengt; 2. die weniger saftreichen erst 
mit 2 / 8 Weingeist angefeuchtet und dann ausgepresst; 
3. bei einer Reihe von Pflanzen, die viel zähen 
Schleim enthalten, wird die doppelte Menge Alkohol 
zugesetzt und dann ausgepresst. Der Arzneigehalt 
wird nach der Menge des zugesetzten Alkohols be¬ 
rechnet und werden dementsprechend von 1. und 2. 
zur Herstellung der ersten Decimalpotenz 2 Ge- 
wichtBtheile, von 3. 6 Gewichtstheile genommen 
und mit Alkohol auf 10 Gewichtstheile ergänzt. 
Die sogen. Tincturen, die durch Uebergiessen 
trockener Substanzen mit 10 Gewichtstheilen Wein¬ 
geist hergestellt werden, gelten als erste Decimal¬ 
potenz. Es ist nun sehr fraglich, ob die Abweichungen 
des Commissionsentwurfes wirkliche Verbesserungen 
sind. Die Analysen im Schwabe’sehen Laboratorium 
haben wenigstens bisher einen höheren Arznei¬ 
gehalt der nach dem Commissionsentwurf bereiteten 
Essenzen nicht ergeben. Eines aber ist sicher. 
Ein grosser, wenn nicht der grösste Theil der deut¬ 
schen homöopathischen Aerzte wird nicht gewillt 
sein, die bisherigen bewährten Mittel preiszugeben, 
um mit unbekannten Präparaten zu arbeiten und 
das um so mehr, als die angesehensten und ver¬ 
lässlichsten homöopathischen Centralapotheken sich 
der neuen Pharmakopoe nicht anschliessen. Es 
würde also die Uneinigkeit unter uns Homöopathen, 
die an sich schon gross genug ist, noch vermehrt 
werden und das zu einer Zeit, da wir mehr denn 
je zusammenstehen sollten. 

Es wäre demnach das Zweckmässigste, die Com¬ 
missionsarbeiten gänzlich fallen zu lassen und der 
Regierung die Annahme der Schwabe’schen Pharma- 
copoea polyglotta vorzuschlagen. Es bedeutet das 
für die Mitglieder der Commission unzweifelhaft 


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ein Opfer; aber wir hoffen, dass sie im Interesse 
unserer guten Sache auch vor einem solchen nicht 
zurückschrecken werden. 


Zur Werbeschrift von Dr. Gisevius jun.: 

„Die Homöopathie vor dem Richterstuhl 
des Experiments.“ 

Von Dr. S. J. van Royen-TJtrecht. 

I. 

Als ein erfreuliches Zeichen von dem regen 
Interesse, welches diese Schrift bei den Herren 
Collegen erweckt hat, theilen wir hier die Aeusse- 
rung unseres werthgeschätzten, von Elberfeld her 
in freundlicher Erinnerung stehenden Veteranen, 
Herrn Dr. S. J. van Royen-Utrecht, mit. 

Sehr geehrter Herr College! 

Mit Vergnügen las ich Ihre Schrift ,,Die Homöo¬ 
pathie vor dem Richterstuhle des Experiments“. Die 
Redaction der ,,Allg. hom. Zeitg.“ ruft das Urtheil 
der Collegen an, und deshalb erlaube ich mir, j 
Ihnen folgende Bemerkung zu machen. | 

Obgleich die A esculns f&Me schlagend sind, achte 
ich dieses Mittel für allopathische Collegen weniger 
geeignet, weil sie die pathogenetische Wirkung 
gar nicht kennen. Die Wahl auch für den Allo¬ 
pathen bekannter Mittel ist gross genug. ! 

Kann ich Ihnen dienen mit einem schönen Fall 
von Cicuta virosa nebst den Vergiftungsgeschichten 
aus der Traitö de Toxicologie von Orfila, einer un¬ 
verdächtigen Autorität, dann steht er zu Ihrer 
Verfügung. ! 

Der betreffende Fall ist dieser: j 

Cicuta virosa . Ein 20jähriges Fräulein, das 

an Menstruationskrämpfen gelitten hat, welche aber 
geheilt sind, ist seit 9 Jahren epileptisch. I 

17. Decemher 1894. Die Anfälle kommen j 
alle 6, 7 oder 8 Wochen. Sie fangen an mit i 
Zuckungen in den Armen und Beinen. Zwang¬ 
weises Drehen des Kopfes mit Steifheit der Hals¬ 
muskeln, Kopfschmerz im Hinterkopfe, Stumpf- ! 
sinnigkeit. Gefühl von Ohnmächtigwerden, Rücken- 
und Lendenschmerz. Der Anfall endet mit Gähnen. 
Cicuta virosa 6., ein Mal täglich. 

8. Januar 1895. Sie hat wieder einen An- ! 
fall gehabt. Contin. Cicuta virosa. j 

24. Januar 1895. Kein Anfall. Cont. Cicuta | 
virosa. 

20. Februar 1895. Hat etwas Ziehen ge- t 
habt, aber keinen Anfall. 

Von da an bis 5. Juni kein Anfall, nur noch | 
von Zeit zu Zeit etwas Ziehen. Cicuta virosa 
1 Mal während einer Woche. — j 


11. Juli 1896. Kein Anfall seit 3. Januar 1895, 
nur etwas Ziehen in Armen und Beinen und etwas 
Schwindel. 

26. September 1899. Seit Januar 1895 
kein Anfall. Nur von Zeit zu Zeit, das letzte 
Mal, September 1898, ein Gefühl, wobei sie fürchtet, 
einen Anfall zu bekommen. Keine Arznei. 

Vergleiche nun mit dieser Krankheits-Geschichte 
Orfila, Traite de Toxicologie, 5 e edition, II. 412 sqq., 
Wirkung von Cicuta virosa auf den thierischen Or¬ 
ganismus. 

,,Un jeune chien — — fut en proie ä des 
mouvements convulsifs tr£s violents; bientöt il 
affrait un emprostothonos, bientöt un opistotho- 
nos.“ — 

„Moeder, . . . un gar<;on de 6 ans, fut en 
proie ä des mouvements convulsifs horribles, perdit 
l’usage des sens et serra fortement la bouche; il 
grinQait les dents, tournait les yeux d’une ma- 
niöre surprenante.“ 

„Eblouissement, obscurcissement de la vue, 
vertiges, cöphalalgie.“ 

„D’autresfois un dölire furieux ou des atta- 
ques d’öpilepsie plus ou moins rapprochöes.“ 

Ihr ergebener 

Dr. S. J. van Royen. 

Der Verfasser der Werbeschrift, wie auch der 
Schriftleiter dieser Zeitung, geben zu, dass die 
Ausstellung von Dr. van Royen nicht unbegründet 
ist. Aesculus hippoc. ist in der That, und nament¬ 
lich nach seiner in den mitgetheilten Heilungen 
bethätigten Wirkung, den Aerzten der alten Schule 
ein wenig oder gar nicht bekanntes Mittel. — In¬ 
dessen tritt seine Wirkung in den haemorrhoidalen 
Störungen so prägnant hervor, dass wir diese Fälle 
doch nicht daran geben möchten. — Vielleicht dient 
gerade die Neuheit dieses auf Grund der Arznei¬ 
prüfung am Gesunden gewonnenen Pathogenese so 
schlagend wirkenden Mittels als ein Reiz für die 
Herrn Collegen aus dem anderen Lager, sich mit 
unserer Arznei-Mittel-Lehre, die solche Schätze 
birgt, näher zu beschäftigen. 

Für die Mittheilung des Cicuta-Falles sind wir 
Dr. van Royen zu Dank verpflichtet, (cf. p. 121 
d. Nummer.) Dr. Hosia. 


Zur Pestbehandlung. 

Von E. Schlegel, Arzt in Tübingen. 

Als vor einem Jahre die Pestffclle in Wien vor¬ 
kamen, suchte ich mich an der Hand allopathischer 
und homöopathischer Werke über die Natur und die 
Heilbarkeit der Beulenpest zu unterrichten. Ich 
verstehe unter „Natur“ nicht etwa Hypothesen 


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über das Contagium, sondern die ^tatsächlichen 
Naturerscheinungen der Erkrankung selbst, die 
Symptome. Diese finden wir in geeigneten neueren 
und älteren Lehrbüchern ausführlich beschrieben, 
auch hat ein in Italien thätiger Arzt, dessen Namen 
ich mich nicht entsinne, eine gute einfache, für 
den homöopathischen Arzt brauchbare Beschreibung 
der vorjährigen Pestfalle gegeben, wobei mir be¬ 
sonders die Initialsymptome wichtig schienen: grosse 
Müdigkeit und gleichgültige Gemüthsdepression , weiss¬ 
helegte Zunge , leichte Gedunsenheit, des Gesichts . Ich 
habe damals die Arzneimittellehre überdacht und 
kam zu der Ansicht, dass Kalium chloratum ein 
sehr beachtenswerthes Mittel bei der Pest sein 
dürfte, auch fand ich begreiflich, dass in homöo¬ 
pathischen Schriften Ignatia als hilfreich erwähnt 
wird. Im weiteren Verlauf der Erkrankung an 
Beulenpeat gestaltet sich bekanntlich das Bild in 
den einzelnen Epidemieen sehr verschieden und die 
Seuche kann auch als sehr schwere infectiöse 
Lungenentzündung verlaufen. Es versteht sich, 
dass die Schlangengifte, sowie Arsenic. die Aehn- 
lichkeit ihrer Wirkungen manchfach aufdrftngen; 
dem Beginn der Krankheit entsprechen sie aber 
im Allgemeinen nicht. Ohne Zweifel werden sich 
indessen Mittel finden lassen, die in nicht allzu¬ 
schweren Erkrankungsfällen Heilwirkung auf Grund 
der Aehnlichkeit der Naturerscheinungen äussern 
und die Sterblichkeit herabdrücken, wie dies ja 
auch bei Cholera der Fall ist. — Da wir abermals 
vor der Möglichkeit stehen, eine Verbreitung der 
Seuche in Europa gewärtigen zu müssen, hielt ich 
es nicht für überflüssig, in dieser Kürze auf die 
Stellung der Homöopathie zur Sache hinzuweisen 
und hier noch einen sehr interessanten Brief ab¬ 
zudrucken, den ich von einem Rigenser Herrn er¬ 
hielt, als im vorigen October die Gefahr von Wien 
aus actuell geworden war. Der Brief lautet: 

„Durch die Pestfälle in Wien ist meiner Frau 
und mir eine Mittheilung in das Gedächtniss ge¬ 
kommen, die mir Ihnen gegenüber doch erwähnens- 
werth erscheint. In den siebziger Jahren war 
häufig ein alter Herr, General von Erdberg, russi¬ 
scher Ingenieurgeneral, bei uns im Hause, welcher 
in früheren Jahren an der asiatischen und kauka- 
sichen Grenze gestandeu hatte. Irgendwo — des 
Ortsnamens erinnere ich mich nicht mehr — war 
die Beulenpest ausgebrochen und raffte viele Men¬ 
schen dahin. Die Aerzte konnten nicht mit ihren 
Mitteln helfen und war das einzige Mittel, dass 
alle Häuser und Kleider der Gestorbenen verbrannt 
wurden, selbst auch viele Leichen. Da war ein 
einfacher Feldscheer bei dem Regiment, der furcht 
los zu den Kranken ging, ohne von der Krankheit 
ergriffen zu werden. Wer sich von ihm behandeln 
lassen wollte, den stellte er wieder her. Der 


General von Erdberg, der sich mit diesem Feld¬ 
scheer sehr gut stand, war auch erkrankt, und die 
Aerzte liessen ihn als Todescandidaten unbeachtet 
liegen. Da kam der Feldscheer zu ihm, behandelte 
und pflegte ihn, bis der General gesund wurde. 
Erst in hohem Alter starb der alte Herr in Peters¬ 
burg. Das Mittel war Tabaköl, welches sich in 
der Pfeife des Feldscheers gesammelt hatte. Dieses 
liess er aus der Pfeife aus dem Rohre auströpfeln, 
machte dem Kranken in den Achselhöhlen in erster 
Linie, oder auch, wo sich sonst Beulen zu zeigen 
begannen, kreuzförmige Hautaufschnitte, rieb das 
Tabaköl hinein und zwar mehrere Mal täglich, 
bis die Krankheit gebrochen war. Der Tabak, 
den der Feldscheer rauchte, war keine feine Sorte, 
sondern die ganz ordinäre Sorte, in Russland unter 
dem Namen Machdrka bekannt. Der Feldscheer hatte 
sich selbst ebenso eingerieben, obgleich er nicht 
krank war und dadurch wahrscheinlich immunisirt.“ 
Das hier wirksam gefundene Mittel ist also ein 
sehr nicotinreiches Tabakpräparat Dass Nico- 
tina tabacum ein heroisches Mittel sei, dass es bei 
schweren acuten Verdauungsleiden, bei einge¬ 
klemmten Hernien, Collapszuständen, sowie als 
Hustenmittel (Keuchhusten) Grosses leistet, wissen 
Viele von uns. Bei Rademacher hat der Tabak 
hohen Ruhm gegen Bluthusten, wie auch als Nerven¬ 
mittel. In ersterer Hinsicht ist Extractum nico- 
tinae die Medicin, dem im Briefe genannten 
„Tabaköl“ (Tabaksaft) nahestehend; als Nerven¬ 
mittel wirkt dann Aquae nicotianae, das wässerige 
Destillat, besser. Schon in des Tabernaemontani 
Kräuterbuch, Ausgabe Basel 1731, wird der Tabak 
herba sancta, sana sancta, genannt, ein Beweis be¬ 
sonderer Hochschätzung seiner Heilkräfte: „Des¬ 
gleichen sei es auch gar ein herrlich Wundkraut 
und vertreibe allerlei hitzige Geschwulst, aber an 
alten und schwachen Personen sei es gar nicht 
sicher zu brauchen, sondern allein an jungen und 
starken.“ — „Mit dem Saft wol gerieben und dann 
die zerstossenen Blätter übergebunden, vertreibt 
allerhand Kröpf, Drüsen, Feigwarzen, Pestilenz¬ 
blattern.“ Man darf auf solche Empfehlungen der 
guten Alten nicht zu viel geben; sie wissen bei¬ 
nahe jedem Mittel Aehnliches nachzurühmen und 
doch: der Prüfung ist die Sache werth, zumal ein 
Zeugniss aus neuerer Zeit in jener Mittheilung vor¬ 
liegt. Merkwürdig ist, dass die alten Aerzte einen 
sehr ausgedehnten Gebrauch von Tabacum gemacht 
haben müssen, da Tabernaemontanus 5 verschiedene 
arzneiliche Präparate aufzählt und mit Nennung 
von Gewährsmännern kundgiebt. — 

Die Anwendungsart des Tabaksaftes bei un- 
serm russischen Feldscheer darf uns nicht be¬ 
fremden: wir haben ja heut zu Tage öfter von 
directen Einverleibungen in erkrankte Theile oder 


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in den allgemeinen Kreislauf Gebrauch zu machen: 
Sublimat, Arsenic., Morphium, die verschiedenen 
Sera und alles Mögliche wird so ingerirt; ich würde 
sehr empfehlen, im Ernstfall die Heilmethode des 
Feldscheers genau nachzumachen , wenigstens in den 
ersten Fällen. 

Ob diese Pestbehandlung auf Ueberlieferung be¬ 
ruht haben mag? Ich möchte es sehr bezweifeln, 
traue vielmehr dem tapfern Feldchirurgen die Ur¬ 
heberschaft der Idee zu, dass eine so scheussliche 
Krankheit mit dem Saft aus der Pfeife, der „ekel¬ 
haft und stinkend wie die Pest“ ist, zu kuriren 
versucht werdet) dürfe. Es war vielleicht nur ein 
Gedankenblitz bei dem alten Herrn, eine momen¬ 
tane Erleuchtung, der das Experiment auf dem 
Fusse folgte. 

Zum Schluss läöchte ich noch darauf hin weisen, 
dass Blutserum vom Aasgeier , vielleicht auch vom 
Raben , sich zu Heilversuchen ebenfalls eignen 
dürfte. Diese Thiere sind ja befähigt, Infections- 
stoffe weitgehend zu bewältigen. Die Pestleichen, 
die von den indischen Parsen auf den „Thürmen 
des Schweigens“ niedergelegt werden, sind schon 
sehnlich von Geierscharen erwartet, welche augen¬ 
blicklich über den stets neu gedeckten Tisch her¬ 
fallen.*) — 


Klinische Vorträge Uber die Therapie der 
Nervenkrankheiten. 

Von Prof. Halbert-Ghioago. 

I. Thuja. 

Die an nervösen Krankheiten Leidenden geben 
oft so sonderbare Symptome an, dass man sich 
fragt, ob die Krankheit wirklich existirt oder viel¬ 
leicht ein Product der Einbildung ist. In allen 
Fällen ist es des Arztes Aufgabe zu heilen, sei es 
die krankhafte Vorstellung des Patienten, sei es 
die Affection, von der er wirklich ergriffen ist. Des¬ 
halb hat man den verschiedenartigen Empfindungen 
des Leidenden die grösste Aufmerksamkeit zu 
schenken, denn in vielen Fällen bilden diese Sen¬ 
sationen die schätzbarsten Anzeigen zur Mittelwahl. 

Dies zeigt sich auch in folgendem Fall. 

Ein 29jähriger Mann klagte über eine Gesichts- 
neuralgie, die ihm grosse Schmerzen verursachte. 
Er war bereits von einer grossen Reihe von Aerzten, 
aber ohne den geringsten Erfolg behandelt worden, 
so dass er sehr verzagt war. Auch die Bemühungen 
des Prof. Halhert waren anfangs resultatlos; das 
Leiden blieb auf demselben Fleck. Schon manch- 

*) Umschläge mit starkem Tabaksdecoct auf die 
Müzbrandbeule (pustula maligna), besonders wenn sie 
schmerzlos geworden und durch einen tiefen Ein¬ 
schnitt blossgelegt ist, ist ein in Russland bekanntes 
Volksmittel. Red. 


mal hatte ihn Farrington’s Handbuch aus solchen 
Verlegenheiten gerissen, und so auch in diesem 
Fall. Beim Durchblättern des Buches stiess Verf. 
auf Thuja, in dessen Pathogenese sich: „Ver¬ 
schlimmerung der Symptome in sitzender Stellung“ 
findet — ein Symptom, das bei diesem Patienten 
gerade zutraf. Er war oftmals genöthigt, sich 
horizontal niederzulegen, um sich Erleichterung zu 
verschaffen. 

Bei Thuja erscheint die Neuralgie in der regio 
facialis und nimmt von da den Kopf ein; der 
Kranke hat die Empfindung, als werde ihm ein 
Nagel in die Stirn eingedrückt. Der gedachte 
Patient hatte dieses Symptom nicht ausgesprochen. 
Er klagte über heftige, stechende Schmerzen, die 
in der regio zygomatica anfingen und sich über die 
Augen nach dem Kopfe erstreckten. Indessen in 
Ermangelung eines passenderen Mittels gab Verf. 
Thuja 8. Dil. Der Erfolg trat nicht sofort ein; 
aber am Ende der ersten Woche zeigte sich merk¬ 
liche Besserung, und beim Fortgebrauch des Mittels 
verschwand die Neuralgie allmählich. 

Zu erwähnen ist noch, dass der Kranke früher 
von einem venerischen Leiden mit Condylomen 
afficirt gewesen. Letztere waren durch örtliche 
Mittel beseitigt worden. Ausserdem hatte er an 
einer chronischen Prostatitis gelitten, sowie an zeit¬ 
weisen Anfällen von Gelenkrheumatismus. Der 
gonorrhoische Zug ist hierbei unverkennbar, und 
diese Antecedentien rechtfertigen die Wahl des 
Mittels um so mehr. 

Thuja ist ein Arzneistoff, der in der Neurasthe¬ 
nie am Platze ist, wenn sich auf Geschlechts- 
affectionen späterhin neuralgische Zufälle zeigen, 
die einer Arthritis rheumatica oder einer, den 
N. facialis betreffenden Neuralgie ähnlich sind. 
Ebenso wichtig ist aber das Mittel, wenn der untere 
Theil des Rückenmarks durch ein Leiden der Ge¬ 
schlechtsorgane afficirt gewesen ist, und sich nach 
mehreren Jahren Reflexsymptome hiervon im obe¬ 
ren Theil des Rückenmarks entwickeln. Diese ner¬ 
vösen, in Folge jugendlicher Geschlechtsstörungen 
auftretenden Erscheinungen kommen uns so häufig 
vor, dass wir uns glücklich schätzen köinitni, in 
der Thuja ein hier wirksames Mittel zu besitzen. 

Diese hat auch die Tendenz, das Rectum und die 
Blase zu lähmen — Störungen, die in der Regel 
Neuralgien im Gebiete des N. accinctus herbeiführen. 

II. Asa foetida in nervösen Affectionen. 

Die Asa foetida ist schon lange in Nerven¬ 
krankheiten gebraucht worden. Sie wurde empirisch 
als ein Nerventonicum verordnet. Studiren wir 
das Mittel vom homöopathischen Gesichtspunkte 
aus, so sehen wir, dass seine physiologischen 
Symptome einen krankhaften Zustand, der der 
Neurasthenie und Hysterie analog ist, darstellen. 


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Es liegt in dem Mittel ein spasmodischer Zug, 
der einer eigentümlichen nervösen Spannung ent¬ 
spricht und sich durch Starrheit der Muskeln 
äussert. Diese Wirkung kann periodisch auftreten, 
wenn das Nervensystem sehr gespannt und sehr 
erregt ist. Asa foetida ist sehr nützlich in der 
Hysterie, denn diese Affection ist ja immer durch 
Anfälle von nervöser Spannung gekennzeichnet. 
Der Globus hystericus ist eine wie bei dieser 
Krankheit so bei Asa foetida sehr markirte Er¬ 
scheinung. Diese Spasmodität tritt auch in folgen¬ 
dem Falle hervor: 

Ein 32jähriger Mann, einer neurasthenischen 
Familie entstammend, ist nervös, reizbar, psychisch 
angegriffen. Er hat keine bestimmte Carriere er¬ 
griffen, weil er weder Geduld noch Vertrauen zu 
sich selbst hatte; er behauptete, keine Hand¬ 
arbeiten verrichten zu können, wegen einer hefti¬ 
gen, in den Armen und Beinen empfundenen 
Muskelspannung; andererseits verursachen ihm 
Kopfarbeiten zu viel Ermüdung., ln den Muskeln 
hat er ein Gefühl von heftiger Zusaramenziehung; 
die Reflexe sind durchweg erhöht. Er klagt über 
einen krampfhaften Druck auf der Brust, als ob 
sich die Lunge nicht vollständig erweitern könnte 
der Bauch ist hart und gespannt infolge von Starr 
heit der Muskeln. In verschiedenen Muskelgruppen 
bestehen spasmodische Zusammenziehungen, auch 
stellt sich zeitweise das Symptom des Globus bei 
ihm ein. Ueberdies ist der Kranke beständig be’ 
schlechter Laune, so dass, wie es scheint, sein 
Leiden seinen Gemüthszustand ebenfalls ergriffen 
hat. Asa foetida 3. Dil. brachte Anfangs keine 
bemerkenswerthe Veränderung, da aber dieses 
Mittel deutlich angezeigt war, so wurde es mehrere 
Monate fortgegeben. Der Kranke besserte sich 
ganz allmählich, und ist jetzt entschieden auf dem 
Wege zur Genesung. 

Dieser Fall beweist den Werth des angezeigten 
Mittels in erster Linie, in zweiter die Nothwendig- 
keit in der Anwendung desselben fortzufahren, 
wenn man einen günstigen Erfolg erzielen will. 
Setzt man ein gut gewähltes Mittel nicht lange 
genug fort, so setzt man sich oft Misserfolgen aus. 

III. Cicuta virosa in epileptoiden Fällen. 

Dieses Mittel hat eine reizende Wirkung auf 
die Medulla spinalis; sodann übt es einen sedativen 
Eindruck auf die Gehirnganglien. Die von ihm 
bewirkten Krämpfe ergreifen vorzugsweise die 
Arme und Beine; dauert seine Wirkung eine 
Zeit lang fort, so nimmt der Körper die Opistho¬ 
tonus-Stellung an. Die Convulsionen sind heftig 
und häufig vom Verlust des Bewusstseins begleitet, 
woraus sich ein oft mehrere Tage anhaltender 
kataleptischer Zustand entwickelt. Charakteristisch 
für dieses Mittel ist die Tendenz zur Lähmung; 


diese ist die Folge der übermässig hoben Spannung 
der Glieder-Muskeln — einer Spannung, die von 
einer excessiven Nervenreizung während des Par- 
oxysmus herrührt. Cicuta virosa ist ferner angezeigt, 
wenn eine sehr ausgesprochene Cyanose des Ge¬ 
sichts und Schaum vor dem Munde zugegen ist. 
Der Kranke bietet eine hochgradige Sensibilität 
vor den Anfällen dar; dies ist die charakteristische 
Aura des Arzneikörpers. 

Cicuta besitzt ferner eine sehr bedeutende 
Wirkung auf das Zwet'chfell; so bemerkt man ge¬ 
wöhnlich Singultus vor und nach dem Krampf; 
der Kranke macht beim Atbmen grosse An¬ 
strengungen und vermag nur schwer zu schlucken. 

Eine andere Indication für das Mittel ist der 
Ausbruch von Pusteln, die gegen Berührung sehr 
empfindlich sind, einige Tage vor dem Anfall. 

Ein 26jähriger Handlungsgehilfe litt seit etwa 
3 Monaten an Anfällen epileptoider Art. Diese 
Attacken waren sehr heftig und nöthigten mehrere 
Tage zu Hause zu bleiben wegen der Schwäche 
und der Schmerzen, die er in den Gliedern infolge 
der Muskelkrämpfe verspürte. Seine Geistes- 
thätigkeit war wenig beeinflusst, so dass er — 

I was sonst nicht der Fall zu sein pflegt — seinem 
I Geschäfte ohne Mühe obliegen konnte. Verf., der 
' ihn bei einem seiner Anfälle beobachten konnte, 

I war betroffen von der Heftigkeit des Opisthotonus, 

| der Gesichtscyauose und von der Neigung zum 
Schlucksen nach dem Krampf. Ein anderes be- 
merkenswerthes Symptom bei ihm war das schwere 
Schlingen fester Speisen einige Zeit nach dem An¬ 
fall. Diese Erscheinung war so stark ausgesprochen, 
dass der Kranke noch mehrere Tage nur flüssige 
Nahrung zu sich nahm und auch dies geschah nur 
mühsam. Ausserdem war er jeden Monat, und zwar 
einige Tage vor dem Anfalle, vom Ausbruche druck¬ 
empfindlicher Bläschen im Gesichte heimgesucht. 

Nach vergeblicher Anwendung verschiedener 
1 Mittel kam Verf. auf Cicuta virosa, dessen Patho- 
; genese so auffallend ähnliche Symptome darbietet. 
Patient bekam es in der 2. Dil. mehrere Wochen 
hindurch. Der nächste Anfall war weniger heftig. 
Das Mittel wurde fortgesetzt, selbst in der Dosis 
von 10 Tropfen der Urtinctur, sobald die ersten 
Zeichen der Aura erschienen. Verf. konnte eine 
| deutliche Abnahme in der Dauer und Heftigkeit 
| des folgenden Anfalls beobachten. Schliesslich gab 
i er die 30. Dil. fast ein Jahr hindurch. Verf. 

kann nicht behaupten, dass der Kranke völlig ge- 
| heilt sei, sein Zustand hat sich aber wenigstens 
j bedeutend gebessert. Seit 5 Monaten hat kein An- 
i fall mehr stattgefunden und der letzte war sehr leicht. 
Das Mittel hat sicher die Heftigkeit der Muskel¬ 
krämpfe, das Schlucksen und die dem Anfall nach- 
i folgenden paralytischen Erscheinungen verringert. 

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Bei Cicuta virosa ergreift der pathologische Pro- 
ce8s zuerst die spinalen Zellen, sodann das vasomo¬ 
torische System durch Vermittlung des Sympathicus. 

IV. Agaricus in der Paralysis agitans nebst 
gastrischen Krisen. 

Ein 50jfthriger Mann befragte Verf. wegen 
einer Schüttellähmung, die sich von Tag zu Tag 
steigerte. Sein Fall, wie die meisten dieser Art, 
schien unheilbar. Das Gesicht war unbeweglich; 
es zeigte sich das charakteristische Zittern, der 
Gang in kleinen Schritten, der vornüber gebeugte 
Körper, und andere für die Krankheit typische 
Symptome. Die Sensibilitätsstörungen waren mannig¬ 
fach und sehr deutlich. Besonders schwer empfand 
er ein Gefühl von Nagen in der Magengrube, und 
wenn er hiervon befreit werden könnte, sagte er, 
würde er sein Leiden leicht ertragen. 

Verf. verschrieb ihm mehrere, bereits in der 
Paralysis agitans gebrauchte Mittel; aber, sagte er: 
„ich gestehe mein Unrecht ein, denn alle diese 
Mittel waren für die Krankheit gewählt, aber nicht 
gemäss der beobachteten Symptome.“ So ver¬ 
gingen mehrere Monate ohne einen Erfolg. Ich 
machte sodann eine strenge Prüfung aller Sym¬ 
ptome, indem ich aus meinem Geiste jeden Ge¬ 
danken an die Affection selbst zu verbannen be¬ 
müht war. Da wurde ich von der beständigen 
Hindeutung des Kranken auf die nagende Em¬ 
pfindung im Magen betroffen; ich erfuhr, dass 
dieses Symptom begleitet war von einem Gefühl 
von Ameisenkriebeln in der Rückengegend. Durch 
beständiges Kratzen dieser Theile suchte er sich 
eine Erleichterung zu verschaffen, aber er bewirkte 
damit nur eine um so stärkere Reizung. Diese 
Empfindung quälte ihn nur bei Tage; bei Nacht 
spürte er nichts davon. 

Im Farrington blätternd, fand Verf. diese Sym¬ 
ptome in der Pathogenese von Agaricus muscarius 
gut beschrieben, als Erfahrungen, die einer Spinal¬ 
irritation zugeschrieben wurden. 

Ferner zeigten sich beim Kranken noch andere 
nervöse Symptome, wie Brennen und Beissen in 
den Händen, Füssen und Ohren, als ob sie er¬ 
froren wären, Contractionen in den Gesichtsmuskeln, 
Brennen und Wehthun längs des Rückenmarks, 
bei grosser Empfindlichkeit desselben gegen Be¬ 
rührung, Lidkrämpfe mit Schwindel, etc. Mit 
anderen Worten, das war nach den Symptomen 
ein so recht für Agaricus passender Fall. Auch 
bessern sich bei diesem Mittel alle Symptome bei 
Nacht und während des Schlafes , und das war ja 
gerade bei unserem Kranken so sehr eigenthüm- 
lich, dass seine Leiden mit dem Tage anfingen 
und bei Nacht verschwanden. 

Darauf hin erhielt Patient Agar. musc. in der 
3. Dec. Dil. Zwei Monate später schrieb er, dass 


I dies das erste Mittel sei, welches ihm Erleichterung 
zu schaffen vermöge. Er fuhr damit längere Zeit 
fort, und zwar mit vorzüglichem Erfolge. Die Em¬ 
pfindung im Magen ist vollständig verschwunden. 
Zum Schluss sagt Verf.: „Ich bin von der in 
diesem Falle von Paralysis agitans eingetretenen 
Besserung sehr überrascht worden; denn, trotzdem 
die pathologischen Verhältnisse dieselben geblieben 
und die Hauptsymptome noch vorhanden sind, so 
hat doch der Kranke mehr Kraft und mehr Con- 
trolle über seine Bewegung, und das Zittern hat 
sich merklich vermindert; er schreitet mit mehr 
Sicherheit, und scheint die Coordination voll¬ 
kommener zu sein.“ (The Clinique Revue homoeop. 
beige. Nov. 1898.)_ M. 

Aus der Versammlung deutscher Natur¬ 
forscher und Aerzte in München. 

In der gemeinsamen Abtheilung für innere 
Medicin und Hygiene sprach Prof. H. Büchner- 
München „Ueber natürliche Schutzeinrichtungen des 
Organismus und deren Beeinflussung zum Zweck 
der Abwehr von Infectionserregern.“ Schon 1894 
lautete das Gesammtergebniss der Untersuchungen, 
dass das Blut als das grosse bakterienfeindliche 
Schutzmittel im Körper angesehen werden müsse. 
Es handelt sich nunmehr darum, die Art dieser 
Wirkung näher zu beleuchten und die praktischen 
Folgerungen daraus zu ziehen. Die bei der Ab¬ 
wehr von Infectionserregern wirksamen Stoffe des 
Blutes sind nach den neuesten Ergebnissen offenbar 
als eine Art von Verdauungsmittel aufzufassen. 
Dieselben sind im Stande, Bakterien ebensogut auf¬ 
zulösen , wie fremde rothe Blutkörperchen. Zu 
solchen verdauenden, auflösenden Wirkungen sind 
auch die weissen Blutkörperchen befähigt. Diese 
Wirkung des Blutes ist bisher weit unterschätzt 
worden, trotz der vorzüglichen Arbeiten und 
Forschungen des Chirurgen Prof. Bier, der nach¬ 
wies, dass durch Blutanstauung die Knochen- und 
Gelenktuberkulose, der acute und chronische Ge¬ 
lenkrheumatismus häufig in überraschender Weise 
geheilt werden können. Auch die Steigerung der 
arteriellen Blutzufuhr durch Anwendung heisser 
Luft erzielt Heilwirkungen; namentlich ist dies 
aber der Fall bei derjenigen Vermehrung der Blut¬ 
zufuhr, welche durch Alkoholverbände in bestimmten 
Körpertheilen hervorgerufen werden kann. Die 
chirurgische Erfahrung lehrt, dass unter solchen 
Verbänden die heftigsten Zellgewebs- und Lymph- 
gefössentzündungen, Furunkel, Abscesse etc. un¬ 
mittelbar zum Stillstand und zur Heilung gebracht 
werden, lediglich durch die raschere und stärkere 
Durchblutung der Organe. Eine scheinbar unwich¬ 
tige, in Wirklichkeit recht schädliche, weil so un- 


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gemein häufige Erkrankung, welche durch Alkohol¬ 
anwendung geheilt und verhütet werden kann, ist 
auch die sogenannte Zahnfäule. Schlechte, schmerz¬ 
hafte, abbröckelnde Zähne haben bei uns zu Lande 
sehr viele Menschen; aber die wenigsten wissen, 
dass sie durch regelmässige, täglich zweimalige An¬ 
wendung von Alkohol zum Zahnputzen ihre Zähne 
allmählich wieder gesund machen und gesund er¬ 
halten können, und zwar weit sicherer als durch 
alle Zahntincturen, Pulver, Pasten u. dergl. Auch 
diese Wirkung beruht auf der verstärkten Zufuhr 
von Blut zu den Zähnen, wodurch diese besser 
ernährt und besser in den Stand gesetzt werden, 
den Angriffen der Bakterien Widerstand zu leisten. 
Noch wichtiger ist die Thatsache, dass durch 
Alkoholverbände viele, bereits verzweifelt scheinende 
Fälle von Knochen- und Gelenktuberkulose noch 
geheilt werden können, wie sich das durch Ver¬ 
suche in der Münchener chirurgischen Klinik, die 
auf Veranlassung des Vortragenden ausgeführt 
wurden, herausstellte. Die Zahl der Fälle ist zwar 
wegen der Kürze der Zeit noch gering, aber die 
Ergebnisse sind sehr günstige, zum Theil glänzende. 
So erfolgte z. B. hei einem 15jährigen Mädchen 
mit tiefen tuberkulösen Fisteln am rechten Hand¬ 
gelenk, das wegen bisheriger Aussichtslosigkeit der 
Behandlung bereits zur Operation bestimmt war, 
unter Alkohol verband innerhalb 4 Wochen voll¬ 
ständige Heilung. Es ist zweifellos anzunehmen, 
dass sich noch weitere Krankheitsformen finden, die 
durch Alkoholverbände geheilt werden können, und 
im allgemeinen ist zu erwarten, dass die Medicin 
von den jetzt klarliegenden, resorptiven und heilen¬ 
den Wirkungen des Blutes eine immer zweck- 
mässigere und wirksamere Anwendung machen wird. 

X. 


Die Behandlung der trachomattteen Lider 
mittels Massage mit Borsäure. 

Von Dr. William Spencer, Philadelphia. 

Aus einem Vortrage, den Dr. Spencer in the 
Homoeopathic Medical Society von Pennsylvanien 
im September 1894 gehalten, geben wir hiermit 
einen Auszug, der sich besonders auf den prak¬ 
tischen Theil bezieht. 

Das Trachom charakterisirt sich durch langsam 
fortschreitende Veränderungen in der Bindehaut 
der Augenlider, denen zufolge diese Membran 
hypertrophisch, gefässreich und durch feste Er¬ 
hebungen rauh wird. Die Hypertrophie der Schleim¬ 
haut erscheint unter papillärer, granulöser oder ge¬ 
mischter Form. Das Sehen ist durch die Mit- 
affection der Hornhaut, die sich als Pannus oder 
Geschwürigkeit zeigt, gestört. Bei der Behandlung 


dieser Krankheit kommen nur die mildesten Fälle, 
oder solche, die frühzeitig behandelt werden, zur 
völligen Heilung mit Wiederherstellung des Seh¬ 
vermögens. In anderen Fällen bleiben Reste zu¬ 
rück, die einen bleibenden Fehler in der Cornea, 
den Lidern oder der Bindehaut verursachen. Die 
absondernden Drüsen werden oblitterirt, die Binde¬ 
haut kann nicht die erforderliche Feuchtigkeit 
liefern, und so entsteht eine lästige Trockenheit 
und Reizung der Lider. Durch Schrumpfung der 
Gewebe werden die Haarfollikel verzogen, die 
Haare gehen aus oder richten sich gegen den 
Bulbus herab. Die Lidspalte ist verkürzt, die 
Lider können nicht gehörig von einander gehalten 
werden, die Tarsi treten hervor als straffe Wülste. 

Als Hauptaufgabe hat die Therapie die Be¬ 
seitigung und Absorption der granulären Neu¬ 
bildungen betrachtet, und sind die hierzu ange¬ 
wandten Verfahren — eine Legion, und doch ist 
das Ziel selten vollständig erreicht worden. 

Durch einen Artikel in dem Journal für Oph¬ 
thalmologie, Otologie und Laryngologie, Juli 1891, 
wurde die Aufmerksamkeit des Vfs. auf die An¬ 
wendung der Massage mittels Borsäure gelenkt, 
und, da sich eine Anzahl von Fällen trachomatöser 
Augenkranker in der Dispensiranstalt des Hahne- 
mann - Hospitals befanden, so erschien das Ver¬ 
fahren des Versuches werth. Seitdem ist es dort 
in allen acuten wie chronischen Fällen angewendet 
worden, ohne alle andere Beihelfer, ausser Atro¬ 
pin in Photophobie höheren Grades oder bei 
Iritis und Hornhautgeschwüren. 

Man anästhesirt das Auge mit einer Cocain- 
Lösung, reinigt es mit Seife und Wasser, wenn’s 
nöthig ist, verstäubt dann reichlich gepulverte Bor¬ 
säure über die nach aussen gewendeten Lider, und 
reibt dies mit der Spitze des Zeigefingers, unter 
tüchtigem Drucke, gehörig ein. 

Bei dem ersten Aufbringen und Einreiben des 
Pulvers bildet sich eine dicke Paste, indem die 
Reizung der Conjunctiva eine starke Absonderung 
von Feuchtigkeit veranlasst. Ist die Paste aufge¬ 
zogen oder gelöst, so thut man wieder Pulver auf 
und setzt die Massage fort. 

Dies geschieht mehrmals während der Behand¬ 
lung, bis die Secretionen keine Paste mehr bilden 
und heim Einhalten der Procedur das Gewebe und 
das Pulver völlig trocken sind. Ist die Cornea 
durch Pannus mit betheiligt, so macht man durch 
die geschlossenen Lider eine indirecte Massage der 
Cornea. Im Anfänge dieses Verfahrens wird sich, 
da die Conjunctiva hyperaemisch ist, etwas Blutung 
zeigen. Das wird aber nach einigen Proceduren 
aufhören. Obwohl dies Verfahren dem Anschein 
nach sehr rauh ist, so folgt doch geringe Reaction 
darauf, und Patient kann, nachdem man die äusse- 

16* 


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einem Typhuskranken gebraucht worden ist? Ref. ] 
muss aber dieses Experimentiren mit noch wenig 
bekannten Mitteln an einem Typhus- Kranken, und j 
zwar in starken Dosen, als unverantwortlich erklären, j 

Fronmüller hat übrigens schon 1883 3 Vergif- 
tungsfälle nach äusserlicher Anwendung des Naph- , 
thalins auf Wunden veröffentlicht. Die Symptome 
waren: Plötzlich auftretendes Fieber mit starker 
Pulsfrequenz, zweimal mit Schüttelfrost beginnend, 
Appetitslosigkeit, Durst und Kopfschmerz, einmal 
drohender Collapsus, unwillkürlicher Abgang von 
Kotli und Urin , maniakalische Aufregung , einmal 
Urin sehr eiweisshaltig mit Cylindern im Sediment , 
einmal dunkel, ebenfalls mit viel Eiweiss. 

Dazu kommt nun ein neuerlich von Dr. Zangerle 
aus der medicinischen Poliklinik in Maryburg mit- 
getheilter, interessanter Fall. 

Ein in den Wald zum Holzsammeln geschickter 
12jähriger Knabe kam Abends 9 Uhr in einem 
Zustande nach Hause, den der Vater für einen 
Rausch com Alkoholgenuss hielt, weshalb er den 
Jungen züchtigte. Der Knabe hatte taumelnden 
(Jang, war ludh bewusstlos , sprach kein Wort , gab 
auf Fragen keine Antwort und reagirte auch nicht 
auf die Prügel. Die Kameraden des Knaben ver¬ 
sicherten dem Vater, dass sein Sohn keinen Alkohol 
genossen, auch keine Beeren im Walde, wohl aber 
zwei Bonbons, die ihm ein Schulgenosse geschenkt | 
hatte, worauf allmählich die Erkrankung eingetreten j 
sei. — Pat. bekam grosse Mengen Milch und Zucker, | 
worauf bald Erbrechen erfolgte. 

Dr. Zangerle fand den Jungen am anderen 
Morgen noch etwas müde und schläfrig, sonst aber 
war Alles normal. — 

Es stellte sich heraus, dass jene Bonbons in 
einer Droguerie als Mottenmittel verkaufte Naph - 
thalin - Tabletten gewesen waren. Sie sahen wie 
Zucker aus und bestanden aus mechanisch zusammen¬ 
gepresstem Naphthalin, das sich bei der Unter¬ 
suchung als durchaus rein erwies, etwa 2 Gramm 
an Gewicht. 

Ein anderer Knabe, der nur einen solchen Bonbon 
verspeiste, war darnach ebenfalls, aber leichter erkrankt. 

Werden die Empfehler des Naphthalins diesen 
Thatsachen gegenüber dieses Mittel als ein un¬ 
schuldiges anzupreisen die Stirn haben? Für den 
einigermasseu einsichtsvollen Arzt steht es wohl I 
als ein Axiom da, dass ein Mittel, welches dem 
Gesunden nicht schaden, d. h. bei ihm keinerlei 
pathogenetische Erscheinungen erzeugen, auch dem 
Kranken nicht helfen kann. Deshalb ist es Ref. 
immer aufgefallen, wie ein so guter Beobachter 
wie Rademacher die Heilmittel in solche dem 
menschlichen Organismus freundliche und feindliche 
hat eintheilen können. 

Die Prüfungen von manchen für „freundlich“ 


erklärten Mitteln, wie z. B. Kupfer und Eisen, die 
R. an sich selbst ausgeführt hat, sind freilich höchst 
oberflächlich: und andererseits war sein Organismus 
wohl von jener hahnebüchenen, für den Besitzer 
sehr schätzbaren Art, die von Arzneireizen nur 
wenig angekränkelt wird. 

Für uns steht fest, dass unter den neuen chemi¬ 
schen Mitteln gar manche eine grosse Heilwirkung 
in sich bergen, nicht obgleich, sondern gerade weil 
sie am Gesunden so bedeutende Reizerscheinungen 
hervorrufeu können. 

Dieser Gedankengang, der doch gar nicht so 
paradox ist, will den Vertretern der herrschenden 
Schule so schwer in den Kopf, sonst würde sie 
nicht neuere Mittel, die in der That am rechten 
Ort und in der rechten Dosis gegeben, entschie¬ 
dene Heilwirkungen äussern und oft geäussert 
haben, alsbald wieder verwerfen, sobald die klinische 
Beobachtung oder unfreiwillige Experimente am 
Gesunden „toxische“ oder besser pathogenetische 
Wirkungen zu Tage gefördert haben, — ein Spiel, 
das sich vor dem aufmerksamen Beobachter immer 
wieder erneuert. Erst das pathogenetische, nicht 
bloss physiologische, Experiment am gesunden Men¬ 
schen und auch Thier — dann der klinische Ver¬ 
such! So verlangt es die Wissenschaft der Mediein; 
das Ausprobiren der neuen Mittel an allen mög¬ 
lichen Kranken, und sei es in noch so vielen Uni¬ 
versitätshospitälern, fördert die Erkenntniss in der 
Arzneimittel-Wirkungslehre im Ganzen wenig. 

Dr. Mossa. 

Faciamus experimentum in anima vili! 

Wie und wo ist dieser wirklich verruchte Aus¬ 
spruch von ärztlicher Seite gethan worden? 

Der gelehrte, grosse Latinist Muret erkrankte 
auf einer Fussreise nach Italien in einem Alpcn- 
dorfe in bedenklicher Weise. Sein Arzt rief einen 
Collegen zur Berathung. Dieser schlug ein heroi- 
| sches Mittel vor mit der Bemerkung: Faciamus 
I experimentum in anima vili, d h. also: Machen wir 
einmal ein Experiment an einer gewöhnlichen, be¬ 
langlosen Seele, einem werthlosen Leben, um das 
sich doch Niemand kümmert. Der Herr College 
bekam aber eine Antwort, die ihm vor dieser Seele 
sicherlich Respect einflösste. Denn der durch diesen 
Ausspruch tief erschrockene, und wohl auch empörte 
Kranke raffte sich auf und rief in gutem Latein: 
„Etiam ego redemptus sum pretioso sanguine 
Christi.“ — 

Freilich der moderne Arzt, falls er ein Leben 
so niedrig anschlagen sollte, hätte eher von einem 
corpus vile gesprochen, aber auch so wäre der 
Ausspruch eines echten Schülers des Ilippokrates 
unwürdig. M. 


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125 


Die Revisionen der ärztlichen Hausapotheken betreffend. StrÄÄJnf) 

Auf häufig vorkommende Anfragen theile ich hierdurch mit, dass die Herren Revisoren bei selbstdispensirenden 
homöopathischen Aerzten bisher Folgendes verlangt haben: 

1. Den Approbationsschein. Alle Nicht-Separanda und die weiteren Potenzen 

2. Das Zeugntss ttber das in Berlin bestandene der Yenena und Separanda von D. 4 (inclusive) 

Dispensirexamen. aufwärts müssen ausserhalb der Gift- und Separanda- 

3. Die Genehmigung zum Halten einer homöopa- schränke in einem dritten Schranke aufbewahrt werden 

thischen Hausapotheke. (Diese wird von dem Ke- und „schwarz auf weiss“ signirt sein. — Manche Revi- 

gierungspTäsidenten auf Antrag nach Prüfung der Ver- soren gehen soweit, für die ausser liehen Mittel Signa- 

hältnisse widerruflich ertheilt.) turen „weiss auf roth“ zu verlangen, eine derartige 

4. Eine Sammlung aUer das Selbstdispensiren der Keichsverordnung ist mir jedoch nicht bekannt und bin 

homöopathischen Aerzte Deutschlands betreffen- ich der Ansicht, dass man sich diesem Wunsche nicht zu 

den Gesetze (z. B. Lorbacher’s Anleitung und die fügen hat. Sind die äusserlichen Mittel sonst richtig 

neueren Vorschriften, publicirt in Nr. 5/6 der Allg. signirt — „schwarz auf weiss“ oder „roth auf weiss“, je 

homöopath. Ztg., 128.Bd., oder die neuesten Apotheker- nachdem sie Nichtseparanda oder Separanda sind — und 

gesetze von Medicinalaasessor Feldhaus, Münster i. W.) in sechseckigen Gläsern, so sind sie vorschriftsmässig 

5. Ein Journal ttber die abgegebenen Arzneien (Men- eingereiht. 

gen, Inhalt und Taxpreise derselben) mit Namen der Die nöthigen Etiketten sind laut früheren Offerten 

Patienten, Datum etc. alle hier zu haben.] 

(Alle Mittel müssen jetzt bei Abgabe an die Patien- f) Die nöthigen Waagen, Gewichte, Mörser und Löffel für die 
ten mit einer Signatur versehen sein, die ausser dem Gifte und Nicht-Gifte; erstere mit entsprechender Sig- 

Namen des dispensirenden Arztes auch den Namen nirung, analog den Vorschriften, die unter e) genannt sind, 

des Patienten, Datum, Buchnummer und Anwendungs- In manchen Regierungsbezirken verlangt man nur: 

weise des Arzneimittels trägt; solche Etiketten liefere 1 Mörser, 1 Waage, 1 Löffel, je mit „Gifl“ signirt. 
ich »ehr gern und stehe mit Proben zu Diensten.) In anderen für jede Giftsorte, wie Arsenicalia, Alcaloide, 

6. Eine homöopathische Pharmakopöe. (Es ist nicht Mercurialia und Phosphorus, je 1 Waage, 1 Mörser und 
gesagt, welche, und nimmt man am besten die von 1 Löffel, separat und besonders signirt. 

Dr. Schwabe, da in den Apotheken Nord- und Mittel- (Alles ist auf Lager und wird auf Wunsch geliefert.) 

Deutschlands allgemein nach dieser gearbeitet wird.) g) Manchmal wird auch eine Tarirwaage verlangt, die von 

7. RcYisioDsmttssIge Einrichtung der Hausapotheke. Aerzten fast nie gebraucht wird und sehr theuer ist. (Unter 

Dazu gehört: 50—60 Mark sind sie nicht zu haben; ich habe daher 

a) Ein separates Zimmer. solche in einfachster Ausführung, auf einfachem Brette, 

b) 1 Schrank für die Venena, Tab. B. | laut für Revisionszwecke genügend, herstellen lassen, die ich 

(Giftschrank) I meinen zum Preise von 24 Mark offeriren kann.) 

c) 1 ,, „ „ Separanda, Tab. C.| früheren h) Ein Arbeitstisch und die sonstigen Utensilien zur Bereitung 

(Separandaschrank)J Offerten. von Potenzen, Verreibungen etc. und zur Abgabe der 

d) 1 „ „ ,, Nicht-Separanda Arzneien, als: präcisirte Waagen, Gewichte, Mörser, Löffel, 

e) Alle in Lorbacher’s Anleitung angegebenen 52 Mittel Trichter, Mensurirgläschen, Täschchen, Schachteln, Korke, 

in D. 1. bez. C 1. flüssigen Potenzen oderVerreibungen Beutel etc. etc. 

(in einfach. Gläsern mit Korkstöpseln oder in solchen i) In einigen Regierungsbezirken wünschen die Herren Revi- 
mit Glasstöpseln, — Quantitäten ä 15,0 genügen). soren von allen in den ärztlichen Hausapotheken vor- 

[Alle Yenena — Tab. B. — Urstoffe, Ur- handenen Mitteln die 1. Potenzen vorräthig zu sehen, 

tincturen und ihre D. 1., D. 2. und D. 3. Potenzen während meistens nur die unter e) angeführten 52 Mittel 

müssen im Giftschranke aufbewahrt werden und in solchen verlangt werden. 

„weis 8 auf schwarz“ signirt sein. k) Ganz peinliche Revisoren verlangen sogar auch ein Waaren- 

Alle Separanda — Tab. C. — Urstoffe, Eingangsjournal mit Angabe der Bezugsquellen und Auf- 

Urtincturen und ihre D. 1., D. 2. und D. 3. führung jedes einzelnen bezogenen Mittels, wozu ich als 

flüssigen Potenzen oder Verreibungen müssen im Belege ganz specificirte Rechnungen liefern muss, auf 

Separandaschranke aufbewahrt werden und „roth denen jedes Mittel mit Namen, Gewicht, Potenz und 

auf weiss“ signirt sein. Preis einzeln aufgeführt ist. 

Alles hier Aufgeführte liefere ich nach früheren Offerten, mit denen ich erneut gerne zu Diensten stehe, bestens 
und billigst. 

Alle Herren Aerzte ersuche ich um gef. Benachrichtigung, falls nach ihren bei Revisionen gemachten Erfahrungen 
obige Angaben nicht vollständig oder falls abweichende Anforderungen gestellt worden sind, damit man in die Lage 
kommt, in dieser Angelegenheit ganz exacte Angaben machen zu können, was bisher bei der verschiedenen Handhabung 
in den einzelnen Regierungsbezirken nicht möglich war. 

Hierzu noch folgende ergänzende Mittheilungen: 

Zu No. 5. Angabe der Buchnummer ist nicht überall erforderlich, die Signaturen müssen aber besagen: 

Zeit und Gabe, wie die Arzneien zu nehmen, — in Buchstaben —, bei flüssigen Mitteln zum innerlichen Gebrauch 
die Etiquetten auf welssani Grunde (in runden Gläsern); zum äusserlichen Gebrauch die Etiquetten auf rotheiu 
Grunde (in 6 eckigen Gläsern). 

Zu No. 7. Alle Venena (Tab. B) in Urst offen und Urtincturen zu halten, ist von der Regierung in Minden ver¬ 
boten und der Minister hat dieses Verbot bestätigt. — AUeMedicamente sollen in 1. Verdünnung (Potenz) vorhanden sein. 

A. MarggraPs homöopathische Offlein, Leipzig. 



Berichtigung. 

Zu No. 3 der vorstehenden „die Revision der 
ärztlichen Hausapotheken betreffenden “ Angaben habe 


ich seit Längerem auf Anregung eines homöopathi¬ 
schen Arztes in Westfalen auf Grund seiner Er¬ 
fahrungen noch folgende Mittheilung gebracht: 


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142 


„Zu No. 3. Wer das Dispcnsir-Examen bestan¬ 
den bat, muss durch seinen zuständigen Kreis* 
Physicus das vom Miuister ausgefertigte Berech¬ 
tigungs-Attest der betr. Regierung einsenden. Es 
bedarf zur Ausübung der homöopathischen Praxis 
mit Selbstdispensation ebenso wenig Genehmigung 
Seitens der Regierung, wie zur ärztlichen Praxis 
überhaupt. Auf die Nachsuchung einer solchen Ge¬ 
nehmigung darf sich kein homöopathischer Arzt • 
einlassen.“ j 

Heute schreibt mir nun Herr Ilofarzt Dr. Windel- ' 
band-Berlin, als Vorsitzender des Vereins selbst- 
dispensirender preussischcr homöopathischer Aerzte, 
wofür ich bestens danke, dass diese Notiz nicht 
richtig sei und diejenigen homöopathischen Aerzte, 
welche ihr Dispensirrecht ausüben wollen, in Cou- 
flict mit dem Minister und in die Gefahr bringen ! 
könne, ihr Dispensirrecht überhaupt zu verlieren! — j 
Diese Herren müssen sich vielmehr streng nach 
dem Ministerial-Erlas8 vom 19. Januar 1897, den , 
ich schon am 11. März 1897 in No. 11/12 des , 
134. Bandes der Allgemeinen homöopathischen Zei¬ 
tung veröffentlicht habe, richten. — Ich lasse daher | 
in Zukunft gern diese, von mir nur gut gemeinte I 
Anmerkung weg und verweise erneut und ausdrück¬ 
lich auf vorstehend genannten und nachstehend ab- ! 
gedruckten Ministerialerlass. 

Leipzig, 3. October 1899. 

William Steinmetz. 

Ministerialerlass, 

betreffend die homöopathischen Hausapotheken- 

Die Vorschriften des Reglements über die Be’ i 
fugniss der approbirten Medicinalpersonen zum ! 
Selbstdispensiren der nach homöopathischen Grund- i 
Sätzen bereiteten Arzneimittel vom 20. Juni 1843 
(G.-S. S. 305) haben vielfach die Auslegung er¬ 
fahren, dass Aerzte, welche die im § 3 des Regle¬ 
ments bezeichnete Prüfung bestanden haben, schon 
auf Grund des erlangten Befähigungszeugnisses ; 
sich zum Selbstdispensiren homöopathischer Arznei- ! 
mittel für berechtigt halten, ohne hierzu die Er- . 
laubniss des Ministers der geistlichen etc. Angelegen¬ 
heiten erhalten zu haben. Dass diese Auslegung j 
eine irrige ist, ergeben die Vorschriften der §§ 2 ' 
und 3, welche das Recht, nach homöopathischen 
Grundsätzen bereitete Arzneimittel selbst zu dis- 
pensiren, ausser von der durch das Bestehen einer 
Prüfung nachzuweisenden Befähigung noch von 
einer besonderen Erlaubnis des Ministers ausdrück¬ 
lich abhängig machen. Wer ohne diese Genehmi¬ 
gung homöopathische Arzneimittel selbst dispensirt, + 
solljgemäss der Bestimmung im § 8 daselbst von 
der Befugniss hierzu für immer ausgeschlossen 
bleiben und ausserdem nach den allgemeinen Vor- , 


Schriften über den unbefugten Verkauf von Arz 
nein bestraft werden. 

Indem ich Veranlassung nehme, die vorstehenden 
Anordnungen des Reglements erneut in Erinnerung 
zu bringen, bemerke ich zugleich, dass ich beab¬ 
sichtige, bei der Handhabung dieser Angelegenheit 
in Zukunft nach Massgabe der nachstehenden Ge¬ 
sichtspunkte zu verfahren. 

1. Denjenigen homöopathischen Acrzten, welche 
bisher ohne ministerielle Erlaubnis homöopathische 
Arzneimittel selbst dispensirt haben, wird die Ge¬ 
nehmigung ohne Weiteres ertheilt werden, sofern 
nicht Verfehlungen des Antragstellers gegen die 
medicinal-polizeilichen Vorschriften oder sonstige die 
Zuverlässigkeit der Person in Frage stellende llin- 
derungsgründe eiue Versagung erforderlich er¬ 
scheinen lassen. 

2. Der Umstand, dass bei den vorhandenen 
Apotheken eines Ortes homöopathische Arznei¬ 
abgabestellen eingerichtet sind, bildet kein Hinder¬ 
niss für die Ertlieilung der Genehmigung. 

3. Beim Wechsel des Wohnortes des Arztes 
erlischt die Genehmigung nicht; dagegen ist der 
Arzt verpflichtet, von dem Wechsel dem Regierungs¬ 
präsidenten, und, falls der Wohnort in den Bezirk 
einer anderen Regierung verlegt wird, auch dem 
Präsidenten dieser Regierung Anzeige zu erstatten. 

4. Die zur Zeit bestehenden Vorschriften über 
die Einrichtung und Beaufsichtigung der ärztlichen 
Hausapotheken bleiben auch ferner massgebend 
(vgl. die §§ 49, 50 der Vorschriften über Ein¬ 
richtung und Betrieb der Apotheken etc. vom 16. De- 
ccraber 1893, M. Bl. f. i. V. 1894, S. 11, und 
§§ 1, 25, 26 der Anweisung zur amtlichen Besich¬ 
tigung der Apotheken etc. vom 16. December 1893, 
daselbst S. 12 und 15). 

Indem ich die entgegenstchendcn Bestimmungen 
des Runderlasses vom 14. November 1895 aufhebe, 
ersuche ich Ew. Hochwohlgeboren ergebenst, bei 
berichtlichen Anträgen die vorstehenden Gesichts¬ 
punkte gefälligst zu beachten. 

Berlin, den 19. Januar 1897. 

Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und 
Mcdicinalangclegenheitcn. 

Bosse. 

Lesefrlichte. 

Die Behandlung der Ozaena init Citronensiiure. 

Von Dr. Hamm in Braunsehweig. 

Für die Behandlung der Ozaena sind schon un¬ 
zählige Mittel angegeben worden, ohne dass aucli 
nur eius derselben die Bezeichnung eines wirk¬ 
lichen Heilmittels verdiente. Das kann auch nicht 


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127 


Fällen beobachten konnte, verläuft ungefähr 
folgendermassen: Der Kranke wird plötzlich auf¬ 
geregt, sieht wirr um sich, betrachtet die Um¬ 
gebung verwundert, gestikulirt lebhaft, will fort, 
redet wirr oder tobt gar; das Gesicht ist stark ge- 
röthet, die Athmungsbewegungen sind tief und an¬ 
gestrengt. Die objective Untersuchung ergiebt sy¬ 
stolische Geräusche an der Herzspitze oder Zeichen 
von Herzschwäche, Temperatur normal, Oedeme 
brauchen nicht vorhanden zu sein, ebenso fehlt 
häufig Albumen im Harn. Das ganze Krank¬ 
heitsbild erinnert zunächst an einen urämischen 
Anfall, doch fehlen zu dem Bilde Sopor und Somno¬ 
lenz und ferner die bei der Urämie stets vorhan¬ 
denen Zuckungen. Ob als Ursache der Erschei¬ 
nungen, ähnlich wie bei der Urämie, die Entstehung 
toxischer Körper anzunehmen ist, die in übergrosser 
Menge aus der ödematösen Flüssigkeit in das Blut 
aufgenommen und nicht schnell genug ausgeschieden 
werden, so dass sie das Centralorgan vergiften, 


erscheint Verf. höchst zweifelhaft, da er den Sym- 
ptomencomplex auch bei fehlenden Oedemen beob¬ 
achtete. Die Aufregungszustände auf embolische 
Processe zurückzuführen, erscheint ihm ebenfalls 
gewagt, da er niemals Spuren von Lähmungen be¬ 
merkte. Der Anfall selbst pflegt nach einigen 6 
bis 10 Stunden oder mehr zu verschwinden, um 
dann nach Monaten wieder aufzutreten. Die Pro¬ 
gnose ist eine günstige, was zu wissen um so wich¬ 
tiger ist, als der Anfall den Eindruck einer plötzlich 
aufgetretenen Geisteskrankheit macht; doch muss 
man die Angehörigen auf die fast regelmässig auf¬ 
tretenden Recidive hin weisen. Für die Behandlung 
des Anfalles genügt es, den Kranken unter guter 
Bewachung zur ruhigen Bettlage zu veranlassen, 
eventuell Morphiumeinspritzung, bei mangelhafter 
Herzaction Digitalis bei gleichzeitig gereichtem 
Opiat; in der anfallsfreien Zeit Behandlung des zu 
Grunde liegenden Herzleidens. 

(Sep.-Abdr. D. m. W. 11. Mai 99.) 


Anzeigen. 


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Leipzig ist erschienen: 

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brosch. M. 2.50. 

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des 128. Bandes dieser Zeitung. 


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Therapeutisches Taschenbuch 

in neuer deutscher Auflage. 

Brosch. 10.— Mk., geh. 11.— Mk. 

Aufträgen sieht die Unterzeichnete Verlagshandlnng gern entgegen. 

A. Marggraf’s homöopath. Offtein, Leipzig. 


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12S 


Nachstehend verzeichnete Apotheken empfehlen wir 

als Haupt-Depots 

unserer homöopathischen Arzneien, Hausapotheken etc. — 
Dieselben haben sich verpflichtet, alle Arzneien etc. von 
uns nur in Originalpackungen mit einer unsrer Firmen zu 
beziehen und weiter zu verkaufen, sodass volle Garantie 
für Echtheit und beste Qualität den verehrten Käufern 
geboten ist. 

Karl Otte’s Fischmarkt-Apotheke, Hamburg, 

Fischmarkt. 

Dr. G. Wiedermann, Löwen-Apotheke, Frei¬ 
burg i- Baden. 

Joh. Manecke, Hof-Apotheke, Magdeburg. 
Dr. C. Hofs Apotheke, Pforzheim (Baden), 

gegenüber dem Rathhause. 

Dr. Fr. Oelze, Krummacher’sche Apotheke, 
Bielefeld, am alten Markt. 

Alfred Fitzau, Rothe Apotheke, Bernburg 

(Anhalt), Kaiserstrasse 3 a. 

H. Steinhorst, Mohren-Apotheke, Prenzlau. 
Wed. Bulterman & Cohen, Apotheker, Rotter¬ 
dam, Hoogstraat. 

.!. W. Floryn, Centraal-Apotheek, Haarlem, 

Groote Houtstraat 78.. 

Weitere Depots folgen in allen grossen Städten. 

Die vereinigten 

Leipziger homöopathischen Apotheken: 
Tftschner & Co., Homöopathische Central-Apotheke, 
A. Marggrafs homöopathische Offloin und Carl 
Gruner’s homöopathische Offloin (früher in Dresden). 


Hochfeines Tafel- (Speise-) Oel. 

Allen Freunden eines voizüglicben Speise- oder Salat- 
Oeles empfehle ich, aus ersten Häusern bezogen, billigst 

hochfeinstes Provenceröl (Huile Vierge) 

gold gelb, von feinstem Geruch und Geschmack 
krystallklar 

I a 1 Flasche : 500,0 Gramm incl. Flasche Mk. 1.70. 

Ii a 1 , : 500,0 „ 1.40. 

Bei grösseren Mengen noch billiger. 

Leipzig. A. Marggrafs homöopath. Offlein. 


Im Verlage von A. Marggrafs homöopathischer 

Offlcin in Leipzig ist erschienen: 

Die vergleichende 

Arzneiwirkungslehre 

von 

Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering. 

Aus dem Englischen bearbeitet und herausgegeben 
von 

Sanitätsrath Dr. med. F&nlw&sser, Bernburg a. S. 
Complet geh. 20 Mark. 

Dieses neue Werk will den vorhandenen homöo¬ 
pathischen Arzneimittellehren keine Concurrenz machen, 
denn nach Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe 
wesentlich von ihnen. — Es bringt Arzueivergleiche, 
Mitteldiagnosen, welche allein und ausschliesslich die 
Unterschiede je zweier derselben enthalten und in anti¬ 
thetischer Gegenüberstellung die betreffenden Verschieden¬ 
heiten scharf hervorheben. 

Diese vergleichende Arznei wirkungslehre ist vielmehr 
ein Supplement aller vorhandenen homöopathischen 
Arzneimittellehren. 

Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen 
homöopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer 
Zunge konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen. 

Jedem homöopathischen Arzte und gebildeten Laien 
ist die Anschaffung dieses Werkes dringend zu empfehlen. 


Auf Reisen und zur Dispensation sehr practisch. 
Homöopathische Mittel 

in Tablettenform, & 0,£5 Gramm Gewicht» 

(Das richtige Quantum für eine einzelne Arzneigabe.) 


1 Cylinder 

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12 Stück 

— 

3 Gramm 

. . . Mk. 

-.20 

1 1 Flacon od. 
1 IScl'achlel 

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3.50 


A. Marggrafs homöopath. Offtein, Leipzig. 


Cur- und Badeort Augustusbad bei Dresden 

(Eisenbahnstation Radeberg, an der Sächsisch-Schlesischen Bahn.) 

Wasserheilanstalt, Stahl- und Moorbad, klimatischer Curort, 

220 m über dem Spiegel der Ostsee, in einem reizenden Thale, geschützt vor rauhen Winden, inmitten alter, herr¬ 
licher Waldparkanlagen gelegen, auch für Milch- und Molkenkuren eingerichtet, passend bei allgemeinen Schwäche¬ 
zuständen, Blutarmuth, Skrophulose, Bleichsucht, englischer Krankheit, Herzleiden, Rheumatismus, Gicht, Nerven¬ 
leiden und verschiedenen Frauenkrankheiten etc. Aeusserst günstige Wohnungsverhältnisse, niedrige Preise der 
Bäder, billige Pension. Dirigirender Arzt Dr. med. Julius Msysr. 

Jede eingehendere Auskunft wird bereitwilligst ertheilt. 

Aoxn.tn.bad bei Badeberx l. s. Pie Bade-Pirection. 

Verantwortlicher Schriftleiter: Dr.- Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officio) in lioipzig. 

Druck von Julius Maser iu Leipzig. 


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Band 139. 


Leipzig, den 26. Oetober 1899, 


No. 17 u. 18 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITH«. 

Heransgegeben von 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A.Marggrars Homöopath. Offlein) in Leipzig 

Thomaskirchhof 12. 


Erscheint 14tägig zu 2 Bogen. 13 Doppolnummern bilden einen Band. Preis 10 Af. 50 Pf\ (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 189.S). — Inserate, welche an Rudolf Mosse 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. MarggraFa homöopath. Offloln ln Leipzig) zu richten 
lind, werden mit 20 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Boilagen werden mit 6—8 Af. berechnet- 


Inhalt. Viscum album, die Mistel, ihre Naturgeschichte, traditionellen Heilkräfte, sowie ihr Gebrauch im Volke 
und der wissenschaftlichen Medicin in Behandlung von Krankheiten nebst neueren Prüfungen des Mittels. Von 
Dr. George Black, London 1899. — Bericht über die Herbstversammlung der Schweizer und süddeutschen homöo¬ 
pathischen Aerzte in Rorschach am 23. und 24. September 1899. Von Dr. med. H. Göhrum Stuttgart. — Jod-Ver¬ 
giftung. — Toxicologische Wirkungen von Naphtalin. — Faciamus experimentum in anima vili! — Die Revision 
der ärztlichen Hausapotheken betreffend. (Vervollständigt mit Nachträgen.) Berichtigung. Ministerialerlass, betreffend 
die homöopathischen Hausapotheken. — Lesefrüchte. — Anzeigen. 

9 ^ Schluss der Schriftleitun#: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Viscum album, die Mistel, 
ihre Naturgeschichte, traditionellen Heilkräfte, 
sowie ihr Gebrauch im Volke und der wissen¬ 
schaftlichen Medicin in Behandlung von Krank¬ 
heiten nebst neueren Prüfungen des Mittels. 

Von Dr. George Black, London 1899. 

Dr Black giebt uns in diesem Werke eine reckt 
ausführliche Monographie über das Viscum album, 
dies geschichtlich wie arzneilich merkwürdige 
Mittel. Er hat den 8toff aus den verschiedensten 
Quellen geschöpft, aus alten und neueren Schrift¬ 
stellern, und, was uns das Wichtigste ist, die physio¬ 
logische und therapeutische Wirksamkeit möglichst 
zu erforschen sich bemüht. Seine eigenen Prü¬ 
fungen und Beobachtungen, die eine besondere 
Richtung des Mittels auf das Gehörorgan darthun, 
sind beachtenswerth. — Zu bedauern ist, dass die 
Anordnung des reichen Materials nicht planvoller, 
übersichtlicher geschehen ist: so fehlt namentlich 
eine systematische Zusammenstellung der Patho- 
genesie. 

Dr. Black’s Werk wird für den, welcher dieses 
Mittel für unsere geplante Neue homöopathische 
Arzneimittellehre bearbeiten möchte, viel brauch¬ 
bares Material liefern; um ihm zu Hilfe zu kom¬ 
men, wollen wir vorläufig die von dem Verfasser 


an sich und einigen anderen Personen, darunter 
auch einige weiblichen Geschlechts, veranstalteten 
Prüfungen hier wiedergeben, die die von unserem 
Prüfungsmeister, Herrn Collegen Schier, im 130. 
Bande dieser Zeitung gelieferten Prüfungsresultate, 
welche der Verf. aber nicht gekannt zu haben 
scheint, da er ihrer gar nicht erwähnt, theils be¬ 
stätigen, theils ergänzen. 

J)r. Black’s Prüfung an sich selbst. 

Er ist 43 Jahre alt, von mittlerer Grösse, mager; 
sein früher braunes Haar ist jetzt beträchtlich mit 
grau gemischt; die Augen grau. Seit 27 Jahren 
ist er ein vollständiger Abstinenzler (sich aller 
Spirituosen enthaltend). Seit 8 Monaten hat er 
sich auch des Fleisches vom Metzger, Geflügels, 
Wildprets und der Fische enthalten. 

Am 6- November (Freitags), Nachmittags 4 Uhr 
15 Min., nahm er 5 Tropfen der 3. Dcc.-Dil. von 
Viscum album. 

Nach etwa einer Stunde spürte er ein dumpfes 
Weh im Kopfe. In der Nacht vom G. zum 7. Nov. 
träumte er viel, behielt aber nichts in der Erinne¬ 
rung von den Träumen, die jedoch nicht angenehm 
waren. 

7. November (Sonnabends). Wieder 5 Tropfen 
um dieselbe Zeit, ebenso um 11 Uhr Abends. Wie¬ 
der dumpfes Kopfweh, das aber länger anhielt. 
Vollheit im Kopfe. Zuriickkehrend von einer Reise 

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sind bei ihm nicht so stark ausgesprochen als bei 
Crotalus. 

Naja tripudians (die Cobra) wieder übertrifft 
jene beiden Schlangengifte an Energie der Giftig¬ 
keit, und tritt seine Wirkung tiefer auf das Nerven¬ 
system als auf das Blut hervor Ist also die Prostra¬ 
tion aussergewöhnlieh gross schon beim Ausbruch 
der Krankheit und droht Herzlähmung, so kann 
man an Naja denken. 

von Moltke, dem grossen Strategen, hat man 
erzählt, dass er auf Grund tiefgehendster Studien 
der Verhältnisse der Länder, mit denen Preussen in 
einen Krieg verwickelt werden könne, einen sorg¬ 
fältig ausgearbeiteten Feldzugsplan in seinem Pulte 
liegen gehabt, der dann im concreten Fall auch 
wirklich zur Ausführung gekommen und zum Siege 
geführt habe. — Nun, die durch das Experiment 
gewonnene Arzneimittellehre der homöopathischen 
Schule liefert uns auch die Mittel zur Kriegsbereit¬ 
schaft gegen Krankheiten, sobald uns die eigen¬ 
artigen Erscheinungen derselben bekannt geworden 
sind, selbst wenn wir ihr eigentliches Wesen noch 
nicht kennen. So war es bei der Cholera, beim 
gelben Fieber und auch bei der Diphtherie, und 
so hat es sich jüngst auch bei der Pest in Indien 
gezeigt. 

,,Major Deane,“ heisst es in dem Artikel der 
Monthly Homoeopathic Review, „ist jetzt dabei, in 
Indien zu versuchen, was die Homöopathie gegen 
die Pest ausrichten kann. Die Sterblichkeit bei 
der gewöhnlichen Behandlung, sagt er, mag zwischen 
60 bis 95 Procent liegen; 70 bis 80 Procent mag 
etwa die Durchschnittsziffer sein. Bei 50 ) Fällen, 
die er selbst behandelte, hatte er eine Sterblich¬ 
keit von 54 Procent; bei seinen letzten 19 Fällen, 
nachdem er schon mehr Erfahrung gesammelt hatte, 
kamen 6 Todesfälle vor, also 31,11 Proc., ein Re¬ 
sultat, das er festhalten zu können hofft. 

Er hat Crotalus und Naja in hypoderuiatischen 
Einspritzungen angewandt. — Interessant ist die 
Bemerkung, dass das Gift dieser Schlangen, welches 
von der Homöopathie schon längst bei septischen 
Zuständen gebraucht worden ist, aber auch das 
mancher Pilze Tox-Albuminate darstellen, welche 
den Toxinen mancher pathogenen Bakterien ähn- j 
lieh sind.“ f 

Dass Major Deane’s Therapie und seine Heil¬ 
erfolge die Aufmerksamkeit weiter Kreise auf sich 
gezogen,, dafür spricht der Bericht des Special¬ 
correspondenten der „Lancet“ vom 8. Juli c.: 1 

„Aussicht auf Hilfe in der Pestbehandlung ist 
von einer wenig erwarteten Seife durch die Methode 
der Einimpfung von Schlangengift gekommen. So 
weit sie versucht worden ist, scheint sie von fast 
unmittelbarer Besserung begleitet zu sein; einige 
Versuche au Affen geben weitere Aussicht auf Er- ! 


folge Man hat das Gift der Cobra (Naja), mit 
Glycerin gemischt, hypodermatisch angewendet. Die 
Anzahl der so behandelten Fälle ist noch zu gering, 
um eine vergleichende Statistik aufzustellen; aber 
man berichtet, die Kranken hätten nach der Ein¬ 
spritzung eine schnelle und deutliche Besserung ge¬ 
zeigt. Anfangs machte man den Versuch mit einer 
Dose von 1 / B Gran, aber später gebrauchte man 
eine grössere bis auf v« Gran mit schlagenderem 
Erfolge. Es ist zur Zeit schwer, das Rationale des 
Verfahrens einzusehen; aber vielleicht steht das 
Gift der Pest und der Cobraschlange in einem anta¬ 
gonistischen Verliältniss in ihren Wirkungen auf 
das Nervensystem. Das Pestgift möchte vielleicht 
durch seine Wirkung auf das Nervensystem tödten, 
indem es die vitalen Centra lähmt; das Schlangen¬ 
gift, ihm vielleicht chemisch verbunden, mag sich 
dem Pestgift direct feindlich erweisen. Erklärungen 
sind natürlich vorläufig rein speculativ, so dass 
wir weitere Experimente nach dieser Richtung mit 
grossem Interesse ab warten.“ 

Nun die „unerwartete Seite“, aus der, wie der 
Correspondent sagt, Hilfe für die Pestbehandlung 
in Sicht ist, ist das homöopathische Lager mit 
seinem wohlgerüsteten Arsenal an geprüften Mitteln, 
und was das Rationale dieses Verfahrens betrifft, 
so steht dies Verfahren unter dem therapeutischen 
Gesetz der Aehnlichkeit, von dem geleitet eine 
Anzahl homöopathischer Aerzte die Indication der 
Schlangengifte in der Pest schon lange voraus¬ 
bestimmt hatten, bis schliesslich Major Deane das 
experimentum crucis zur Verwunderung der die 
Homöopathie Nichtkennenden oder Nichtkennen- 
Wollenden, zum Heile der Menschheit, ausgeführt 
hat. — 

Der Typus der Pest für Anwendbarkeit der 
Schlangengifte ist ein deutlich-umschriebener; es 
giebt aber Fälle genug, die mit Erscheinungen von 
Seiten des Gehirns oder der Lungen oder des 
Darmkanals complicirt sind, welche andere Mittel, 
wie Apis, Hyoscyamus, Phosphor oder Arsen erfordern. 
Die Vorschrift des Individualisirens gilt, wie überall 
in der homöopathischen Therapie, auch in dieser 
Seuche. — 

Der Major Deane hat dem Review die Berichte 
über 18 Pestfälle eingesandt, die wir hier zur Illustra¬ 
tion des Obengesagten mitzutheilen uns verpflichtet 
halten. 

1. Fall. Ein 9jähr. Mädchen ward am 24. Dec. 
1898 aufgenommen. Seit 3 Tagen krank unter 
Fieber, heftigen Frostschaudern, Schmerz und Ge¬ 
schwulst in der rechten Achselhöhle. 

T. 101,2° F. (38,4° C.) P. 116. R. 46. Schlura- 
mersüchtig; unfähig zu sitzen oder zu stehen, 
Zunge belegt, roth an der Spitze und den Rän¬ 
dern. — In den folgenden Tagen schwankte die 


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Temperatur zwischen 99 und 104° F. (38 —40° C.), I 5. Januar. 9 Uhr 15 Min. Abends. Murmeln¬ 


der Puls zwischen 100 und 132. Der Schmerz in der 
Geschwulst war sehr heftig; am 29. Dec. ist ihr 
das Bewegen des Kopfes sehr schwer: es zeigen 
sich Beulen auf beiden Seiten des Halses, die an 
Umfang zunehmen. Schlucken erschwert, die Axillar¬ 
beule vergrössert und verbreitet sich auf den rechten 
Arm, der sehr empfindlich gegen Druck ist. 

Sie hat bisher Naja innerlich genommen. 

Am Abend des 30. December war Athem und 
Schlucken schwer. 

Dr. Deane legte ein Blasenpflaster über die Ge¬ 
schwulst an der rechten Halsseite (der Kopf war 
gegen die linke Schulter fixirt) und auf die bloss¬ 
gelegte Oberfläche eine Tinctur von Crotalus 1: 1000 
und gab Apis m. 5. stündlich. 

Am nächsten Morgen war der Schmerz viel ge¬ 
ringer, obwohl sich der Umfang der Geschwulst 
unverändert zeigte. Das Athmen war leichter, und 
der Gesichtsausdruck des Kindes war nicht mehr 
so gar leidend. Die Geschwulst am rechten Arm 
hatte sich bis zum Ellbogen hingezogen und war 
sehr empfindlich. 

Apis alle 2 Stunden. 

Am 31. December stieg die T. auf 104,2° F.; 
aber am 1. Januar 1899 sah das Kind munterer 
aus als bisher, das Athmen und Schlucken erschien 
nicht mehr bedenklich. Die Zellgewebsentzündung 
am Arm stand alsbald still. 

Am 3. Januar ist notirt, dass die Geschwulst 
über dem linken Winkel des Unterkiefers stark 
hervortrat. — Der weitere Verlauf bot nichts Be¬ 
sonderes dar. Die rechtsseitige Halsbeule absce- 
dirte. — Die Kleine konnte am 14. Februar als 
gesund entlassen werden. 

(Crotalus wurde hier also endermatisch ange¬ 
wandt und gleichzeitig Apis innerlich, so dass, ob¬ 
wohl der Erfolg günstig, das Heilexperiment kein 
reines zu nennen ist. Ref.) 

2. Fall. Ein 18jähr. Mädchen, aufgenommen 
am 2. Januar 1899 um 4 Uhr 50 Min. Nachmit¬ 
tags. Fieber trat erst gestern ein, nach ihrer Aus- i 
sage, aber seit 3 Tagen bestand eine Beule in der 
linken Schenkelgegend. T. 104° F. P. 140 R. 40. 

Kopfweh, Augen geröthet. Schlummersüchtig; 
auf Fragen antwortet sie nicht ordentlich. Rollt 
den Kopf hin und her. 

Apis 2 stündlich. 

3. Januar. T. 104,6° F. P. 140. R. 36. 
Weniger Rollen des Kopfes. 9 Uhr 15 Min. Abends 
Neigung zu murmelnden Delirien; sie will auf 
Fragen nicht antworten. 

Crotalus Viooo m. 3. (c. 3 Gran), zweistündlich, 
per os. 

4. Januar. T. 101,4° F. P. 88. R. 36. Scheint 
besser. 


des Delirium, spricht beständig mit sich, pflückt an 
den Betttüchern, spuckt die Arznei aus. 

Gegen äussere Eindrücke unempfindlich. Der 
Zustand erinnert lebhaft an Delirium tremens. 

Hyoscyamus 2 stündlich. 

6. Januar. T. 100,6° F. Hat letzte Nacht etwas 
geschlafen, doch delirirt sie noch, obwohl sie etwas 
klarer im Kopf. T. 98,4° F. Sie antwortet auf 
Fragen, aber fallt darnach wieder ins Delirium — un¬ 
ruhig. 

7. Januar. Heute früh bei Bewusstsein. 

8. Januar. Weniger Unruhe, zeigt auf Ver¬ 
langen die Zunge. 

Hyoscyamus 3 stündlich. 

Schlaf bei Nacht gut. 

9. Januar. T. 99,4° F. Das Delirium lässt 
nach. Von dem Tage an ging die Genesung, ob¬ 
wohl Pat. noch einige Tage sehr schwach, gut von 
statten. 

Die Beule eiterte und ward am 12. Februar 
geöffnet. 

Hyoscyamus hat hier gut gewirkt und hält es Verf. 
auch aus anderen Beobachtungen für ein bei der 
Pest unter den obwaltenden Umständen sehr brauch¬ 
bares Mittel. 

3. Fall. 

25jähr. Frau, aufgeuommen am 21. Jan. 1899. 
Seit 4 Tagen krank; zuerst Geschwulst in der 
rechten Schenkelgegend, dann Fieber, etwas Husten. 
Die Beule ist sehr empfindlich. T. 98,4° F. P. 102. 
R. 26. — Herztöne verhüllt. Der Puls weich und 
leicht zusammenzudrücken. 

Lachesis 1 I \ OQO m. 5. zweistündlich. 

22. Januar. Starker Kopfschmerz. R. 26. P. 74. 
T. 99,8° F. 

24. Januar. Abends vorher T. 101,8° F. Kein 
Schlaf, Frostschauer, heftiges Kopfweh. 

R. 40. P. 116. T. 104,6° F. 

Abends T. 105° F.; leichter trockner Husten, 
Puls sehr weich; das Sphygmogram zeigt Mangel an 
Tonus in den Gefassen. 

Naja 1 / 10<)0 ni. 3. hypodermatisch injicirt. 

Innerhalb 2 Stunden T. 102° F. Während der 
Nacht wurde die Iujection 2 Mal wiederholt. 

25. Januar. T. 98,4° F. P. 96. R. 32. 

Die Beule ist noch immer sehr empfindlich; die 
Gefässe zeigen mehr Tonus, der Dicrotismus des 
Pulses lässt nach. Von da ab ging der Bubo, ohne 
Eiterung, zurück; derGesammtzustand erregte keiner¬ 
lei Bedenken mehr. 

Am 14. Februar wurde sie als gesund ent¬ 
lassen. 

4. Fall. 

Ein 6jähr. Mädchen, Tochter von der Frau in 
Fall 3, aufgenommen am 21. Januar 1899. Soll 

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seit 6 Tagen fieberhaft erkrankt sein; die Krank¬ 
heit begann mit Schmerz und Schwellung der 
rechten Halsseite. T. 105° F. R. iS. P. 144. 
Kopfweh, Delirium trat einige Stunden nach ihrer 
Aufnahme ein; sie lag mit zurückgezogenem Kopf, 
sehr ruhelos und reizbar, so dass starker Verdacht 
auf beginnende Meningitis sich erhob. — Hinten 
in der linken Achselhöhle rauhes Atlimen. 

Apis mellif. (Tinctur) m. 5., stündlich, von 
4 Uhr Nachmittags an. 

22. Januar. T. 100,4° F. R. 38. P. 124. 
Vergangene Nacht schlaflos. — Hat heute früh 
den Kopf hin und her gerollt. 

M. T. 99,4° F. Sie schlief von 10 Uhr Vor¬ 
mittags bis 6 Uhr Nachmittags. 

23. Januar. T. 98,4° F. R. 30. P. 80. Der 
Allgemeinzustand merklich besser; die Zurück¬ 
ziehung des Kopfes und die hochgradige Reizbar¬ 
keit sind vergangen. Von' da ab ungestörte Ge¬ 
nesung. Die Beule eiterte und war am 28. Jan. 
eröffnet. 

Entlassen am 14. Februar. 

5. Fall. 35jähr. Frau. 24. Jan. 1899. Sie 
hat vor 4 Wochen zwei Kinder an der Pest ver¬ 
loren. Um 11 Uhr Vormittags stellte sich Fieber 
ein. — Die Augen waren entzündet; etwas Kopf¬ 
weh. Der Puls kaum zu fühlen, Herztöne sehr 
schwach. T. 108,2° F. P. 132. R. 34. 

Naja 3 /iooo» m - *>., hypodermatisch; in der 
Nacht 1 Mal wiederholt. 

25. Januar. T. 98,8° F. P. 80, deutlich zu 
fühlen. R. 80. 

Die Herztöne deutlicher. — Eiweiss im Urin. 

26. Januar. Die Congestion der Augen weit 
geringer. T. 101° F. 

28. Januar. Kein Eiweiss. — Der weitere Ver¬ 
lauf hat nichts Bemerkenswerthes. 

Am 4. Februar entlassen. 

Anmerkung des Verfasseis: Ich bin überzeugt, 
dass Apis die Gehirnsymptome, welche bei Kindern 
mit Halsbeulen gewöhnlich sind, beseitigt, cf. Fall 1 
wegen der Apiswirkung. 

6. Fall. 60jährige Frau, 25. Januar 1899. 
Vor neun Tagen hat sie ihre an der Pest ver¬ 
storbene Tochter begraben. Fühlt sich seit zwei 
Tagen krank. 

Jetzt klagt sie über Schmerz am ganzen Körper, 
heftiges Kopfweh und grossen Durst. In dem 
linken Schambug eine kleine, aber sehr empfind¬ 
liche Beule. Zunge rein. T. 102° F., P. 124, 
klein und weich. Die Haut heiss, Calor mordax. 

25. Jan., 4 Uhr 30 Min. Nachmittags. R. 40. 

Naja Vioou» m - hypodermatisch. 

7 Uhr Abends. T. 103,2. P. 112. R. 32. Ein¬ 
spritzung wiederholt. 

9 Uhr Abends. Puls voller. 


Um 10 Uhr nochmals injicirt. — und das Mittel 
zweistündlich per os. 

26. Jan. T. 104°. P. 110. R. 40. Schlief gut, 
Kopfweh vergangen. 

Morgens ruhelos, rollt den Kopf hin und her. 

Naja, m. 10., hypodermatisch. 

27. Jan. T. 100,8° F. P. 84. R. 28. Sieht 
klarer und munterer aus. 

Die Beule verging ohne Eiterung. 

Entlassen am 12. Februar. 

Der 8. Fall betrifft einen 30jährigen Mann, 
der am 31. Januar 1899 aufgenommen wurde. Das 
Fieber setzte vor 2 Tagen mit Schüttelfrost ein. 
Sein Vater war vor 4 Tagen an der Pest gestor¬ 
ben. — Die Augen congestionirt, besonders das 
linke; die Zunge weiss belegt. Die Herztöne sind 
durch die Athmungsgeräusclie maskirt. Zittern des 
Körpers. 

T. 102,0° F. P. 136. Keine Beulen. 

Naja ’/ioocm m - 10., hypodermatisch. 

31. Jan., Vormittags. T. 103,4° F. R. 50. 
P. 130. 

Injection wiederholt um 3 und 4 Uhr Nach¬ 
mittags. 

5 Uhr Nachmittags. T. 104°. R. 54. P. 110, 
sehr schwach. Atlimen mühsam und geräuschvoll. 

Tod um 2 Uhr Nachts am 1. Febr. 

9. Fall. 35jähriger Mann, aufgenommen am 

2. Februar 1899. Er zeigt stark ausgesprochene 
Zeichen von der Lepra: verdickte Ohren und 
Tuberkel an der Stirn; trockene, schuppige und 
glänzende Haut; die Zehen und Nägel beider Füsse 
afficirt. Gestern hatte er Diarrhöe und verschie¬ 
dene wässerige Entleerungen vor der Aufnahme. 
Geschwulst in der linken Schenkelgegend seit 
7 Tagen, die von Frost und Hitze begleitet war. — 
Die Haut ist heiss und trocken; Pat. ist schlummer¬ 
süchtig. 

T. 103,2° F. P. 138. R. 36. Der erste Herz¬ 
ton verkürzt. Puls schwach und leicht zusammeu- 
zudrücken. 

Crotalus 1 / 10oo , m. 10., injicirt. 

10 Uhr Vormittags. T. 103° F. P. 126. R. 26. 

Wiederholte Einspritzung und in. 10 per os, 
wenn er wach ist, zweistündlich. 

3. Febr. T. 101° F. P. 108. R. 24. Er fühlt 
sich besser. Die Beule ist gross und empfindlich 
bei Druck. Bei Nacht hat er heftigen Schmerz 
darin gehabt. 

Abends. T. 103,4° F. P. 112. R. 32. 

4. Febr. T. 97,6° F. P. 96. R. 22. 

Abends. T. 103,8° F. P. 112. P. 36. Puls 

voller. 

5 Uhr Abends. Wieder eingespritzt. 

6 Uhr 30 Min. Abends. T. 101,2° F. P. 120. 
R. 28. 


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5. Febr. T. 97,2° F. P. 94. R. 20. 

Von da an ging die Genesung gut vor sich. 
Die Beule wurde gebäht am 4. Febr. und am 9. 
geöffnet uud der Eiter entleert. Jetzt am 19. Febr. 
ist die Wunde fast geschlossen. 

10. Fall. Frau Venkatee, 35 Jahre alt, wurde ( 
gleichzeitig mit ihrem Manne am 5. Febr. aufgenom¬ 
men; es war ein merkwürdiges Duplikat (siehe , 
Fall 11). Ihre Tochter war vor zwei Tagen an j 
der Pest (ohne Beulen) gestorben. 

T. 103,4° F. R. 32. P. 120, pulsus celer. ; 
Augen entzündet. IIerzbewegung unregelmässig. Sie 
giebt an, seit 5 Tagen krank zu sein. Keine Beule . 

Geistig ganz klar. Brennen in Augen und 
Fusssohlen. Zunge gefurcht und zitternd. 

Sie war offenbar moribund. — 

Sie erhielt Crotalus 1 j l 000 , m. 10., hypodermatisch, 
aber ohne Erfolg, und sie starb 2 Stunden nach 
der Aufnahme. 

11. Fall. Ihr Ehemann, ebenfalls 35 Jahre alt, 
will auch seit 5 Tagen krank sein; die Krankheit 
setzte mit Frostschauern ein. Jetzt Kopfweh, Puls 
schnellend, Herztöne nicht vernehmbar. 

T. 103,4° F. R. 42. P. 120. 

Augen entzüudet. Keine Beule. * 1 

Crotalus wie im vorigen Falle um 10 Uhr 
40 Min. Vormittags und um 12 Uhr 35 Min. in- 
jicirt. , 

Um 1 Uhr 30 Min. Nachmittags war der P. 
ein wenig besser, nicht so schnellend; und um 
4 Uhr 30 Min. waren die Herztöne hörbar. 

Crotalus, m. 5., per os, 1 j 2 stündlich. 

6 Uhr Abends. T. stieg auf 105,4° F. Es 
trat Sclilucksen ein, kein Schmerz; Haut trocken 
und brennend heiss. Geist klar. — Pulslos. 

Er starb um Mitternacht. 

12. Fall. Frau, 23 Jahre, am 5. Febr. 1899 
aufgenommen. Ihr Vater war in Yellakanka vor 
15 Tagen an der Pest gestorben. Vor 10 Tagen : 
hat sie, wie sie angiebt, einen Tag Fieber mit 
Fieberschauer gehabt. Heute früh zeigte sich j 
eine Anschwellung unter dem rechten Ohrläppchen. ; 

Sie klagt über Schmerz beim Schlucken. Puls | 
weich und leicht zusammenzudrücken. Erster Herz- I 
ton verdeckt. T. 100° F. P. 130. R. 28. 

Naja Vioooi m - 10., eingespritzt, und m. 5. zwei¬ 
stündlich per os. 

6. Febr. T. 99,4° F. P. 104. R. 30. Der 
erste Herzton deutlicher. — Schmerz in der Beule, j 
die sehr empfindlich, aber kleiner geworden ist. , 

Von da ab war die T. offenbar von dem schmerz- 
haften Zustande der Beule beeinflusst. Letztere | 
wurde kataplasmirt und innerlich kleine Dosen , 
Belladonna gegeben. Die Symptome standen schnell j 
still und die Beule wurde ohne Eiterung zurück- ’ 
gebildet. , 


Entlassen am 18. Febr. 

13. Fall. 30jährige Frau, am 7. Febr. auf- 
geuommen. Das Fieber fing gestern unter Frost 
an, und heute früh wurde eine Anschwellung in 
der linken Schenkelbeuge bemerkt. Die Augen 
etwas entzündet. — In ihrem Hause war noch kein 
Pestfall; sie hat vor 8 Tagen einen Pestkranken 
besucht. Seit 1 Monat schwanger. 

T. 105° F. P. 150. R. 44. 

12 Uhr 45 Min. Vormittags. Naja Vm>o, m. 5., 
hypodermatisch, um 1 Uhr 45 Min. wiederholt. 

2 Uhr Nachmittags. T. 105° F. P. 148. R. 40. 

8 Uhr Nachmittags. P. 128. R. 42. Neigung 
zum Schlaf. 

8. Febr. T. 104° F. P. 156. R. 44. Sie 
schlief gut. Die Zunge dick weiss belegt. — Puls 
sehr weich. 

9. Febr. Von da ab verschlimmerte sich ihr 
Zustand. Um 3 Uhr Mittags war der Puls faden¬ 
förmig, nicht zählbar. Stilles Delirium. T. blieb 
zwischen 104 — 105° F. 

Sie hatte 3 Einspritzungen von Naja 1 / 500 ; dar¬ 
auf eine gute Nacht. 

10. Febr. T. 103° F. P. 160. R. 44. Die 
Harnblase sehr ausgedehnt; der Katheter wird ein¬ 
geführt. 

Naja 1 / ö00 , m. 10., eingespritzt. 

Herztöne stärker, nicht so verschleiert. Aus 
der Vagina ein dunkler, jauchiger Ausfluss. 

Abends. T. 102° F. 

11. Febr. T. 100° F. Noch Delirium und all¬ 
gemeines Zittern des ganzen Körpers — oft ein 
bedenkliches Zeichen. 

Hyoscyamus, m. 10., zweistündlich. Die Lähmung 
der Blase hält an. 

13. Febr. T. 103° F. P. 140. R. 40. 

Das Delirium liess nach, die Zunge reinigt sich 
an der Spitze. Das Muskelzittern dauert noch fort. Es 
wurden gestern kleine Dosen Opium im Wechsel 
mit Hyoscyamus verordnet. 

14. Febr. T. 103° F. Hat vergangene Nacht 
gut geschlafen. Weniger Muskelzittern. Der Pelz 
auf der Zunge klärt sich. Kein Delirium. 

15. Febr. T. 101,2° F. Die Beule ist kleiner. 
Sie fühlt sich wohler; spricht verständig. 

16. Febr. T. 102° F. Die Blase noch immer 
gelähmt. Die Zunge reinigt sich schnell. 

P. 110. R. 44. Kein Lungensymptom. Das 
Muskelzittern hat ganz nachgelassen. 

Es kennzeichnet den Zustand, iu dem Pat. sich 
befunden hat, gut, dass ein Sanitätsbeamter, der 
den Fall vorher gesehen hatte, sein Erstaunen aus¬ 
drückt, sie noch lebend zu finden. 

In der Uteringegend zeigte sich etwas Em¬ 
pfindlichkeit. Der Scheidenausfluss hat eine rothe 
Färbung angenommen und jetzt aufgehört. 


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Sie ist in der Genesung. Die Blasenlähmung Die Abend-T. vom 16. war 104,8° F. P. 104. Sie 

ist vollständig vergangen. lag schwer und stumpf da; wollte keine Frage be- 

14. Fall. lOjähriger Knabe, aufgenommen am antworten. — Die Beule war sehr empfindlich; die 

8. Febr. 1899. Er kam mit der Bahn an; hatte I Gewebe über und um die Drüse erschienen mehr 

vergangene Nacht Fieber gehabt. I afficirt und infiltrirt als die Drüse selbst. 


T. 105,2° F. P. 156, klein. R. 48. 

Zunge nicht belegt. Kein Husten. Beulen in 
den rechten Leisten- und Schenkelgegenden. Augen 
etwas entzündet. 

3 Uhr 30 Min. Nachmittags. Naja m. 10., 
eingespritzt. 

9 Uhr Abends. T. 104,2° F. P. 150. R. 42. 

9. Febr. T. 103,6° F. P. 100. R. 42. Er 
hatte eine gute Nacht; nimmt Speise. Bekam 
gestern Abend Bell, im Wechsel mit Arsen; aber 
am Nachmittag des 9. Febr. bekam er Delirien, Er¬ 
brechen und Diarrhöe, wobei zwei Spulwürmer aus 
dem Munde entleert wurden. Das Herz wurde un¬ 
regelmässig und er verfiel schnell und starb um 
5 Uhr 30 Min. Nachmittags. 

15. Fall. 40jähriger Mann, 9. Febr. 1899, er¬ 
krankte gestern unter Fieber und am Abend er¬ 
schien eine Beule in der 1. Schenkelgegend. 

T. 101,4° F. R. 34. P. nicht zu fühlen. Be¬ 
wusstsein klar. Augen entzündet, Sprache schwer 
und schleppend. Zunge weiss mit rother Spitze. 
Körper kühl. Die Beule ist gross und empfindlich. 
Kein Husten. 

Naja Yßoo» m * 10., cingespritzt. 

Nach einigen Stunden setzte Husten ein mit 
Delirium, die Sprache war völlig die eines Be¬ 
trunkenen. 

Einspritzung wiederholt um 6 Uhr Abends, 
aber keine Reaction. — Er starb um Mitternacht. 

16. Fall. Mädchen, 8 Jahre alt, 9. Febr. 1899. 
Auch ihr Vater war diesen Morgen mit Pest auf¬ 
genommen worden. 

T. 105,2° F. P. 110. R. 40. Haut heiss und 
trocken. 

Naja J / 50w , m. 10., eingespritzt. 

4 Uhr Nachmittags. Sie schläft. T. 105,8° F. 
R. 28. P. 132, klein und schwer zu zählen. 

Einspritzung um 7 Uhr Abends wiederholt. 

10. Febr. T. 102,4° F. Sie hat die ganze 
Nacht gut geschlafen, sieht besser aus. Erster 
Herzton schwach, der zweite ziemlich scharf. 

3 Uhr Nachmittags. In einem singenden Deli¬ 
rium. T. 105. P. 156. R. 24. Herztöne deut¬ 


Apis, m. 5., zweistündlich. 

17. Febr. T. 98° F. Bewusstsein klar; sie 
streckt die Zunge auf Verlangen heraus. — Die 
| Beule weniger empfindlich. Autor sah das Kind 
I Anfangs März wieder, nachdem er den Dienst im 
| Hospital verlassen, und fand sie genesen. 

17. Fall. 10jährige Knabe, 10. Febr. 1899. 
Seit 3 Tagen Fieber und Geschwulst unter dem 
rechten Kieferwinkel, die schon vor dem Fieber 
dagewesen sein soll. — Zunge weiss. 

j T. 1(10,2° F. P. 138. K. 24. 

Die Beule erschwert ihm das Oeftiien des Mun- 
i des sehr; sie ist sehr empfindlich. 

I Naja Vaoo» m. 10., eingespritzt. 

Abend-T. 103,8° F. P. 120. R. 36. Diesen 
I Abend ward er durch den Tod eines Patienten im 
Krankenzimmer erschreckt. 

Kleine Dosen Opium. 

11. Febr. T. 99° F. Schmerz in der Beule. 

12. Febr. T. 97° F. Die Beule ging schnell 
zurück. Schlaf gut. — Hiernach besserte er sich 
bald und konnte am 17. Febr. entlassen werden. 

18. Fall. 30jähriger Mann am 13. Febr. 1899 
um 10 Uhr 45 Min. Vormittags aufgenommen. 
Augen stark congestionirt und das Gesicht roth- 
glühend. Er ist in einem halbbewussten Zustand, 
aus dem man ihn nicht erwecken kann. — Haut 
trocken, sehr heiss. Er soll auf dem Wege zum 
Hospital eine grüne Flüssigkeit erbrochen haben. 

T. 102,4° F. P. 96, klein, unterdrückbar. R. 28. 

Kleine Beule in der linken Schenkelgegend; 
wenn man diese drückt, so zieht er zurück. 

Naja J / 500 , m. 10., eingespritzt. 

Um 11 Uhr 45 Min. Vormittags wiederholt 
Ebenso um 3 Uhr 45 Min. Nachmittags. 

Um 4 Uhr Nachmittags. T. 104 ° F. Ruhelos. 
Runzeln der Stirn. Augen offen und starr. Er 
rollt den Kopf; Zittern der Halsmuskeln. 

Puls voller, aber weich und leicht zusammeu- 
gedrückt. 

Um Mitternacht T. 102 0 F. 

14. Febr. Während der Nacht kein Schlaf; 


licher. 


nimmt mühsam etwas Nahrung zu sich; er lässt 


11. Febr. Ein kleiner, sehr empfindlicher Bubo sich so weit aufwecken, dass er die Zunge zeigt; 
zeigt sich in der rechten Achselhöhle. diese ist auf dem Rücken weiss, au der Spitze 

Vom 10. bis 16. wurde sie mit kleinen Dosen den Rändern roth. Augen weniger geröthet. 

Arsen und Opium behandelt; am 14. hörte das Der Körper zitterig. 

Delirium auf. 5 Uhr Abends starb er. 

In der Nacht vom 12. hatte sie gesunden I Anmerkung. Die in diesen Fällen gebrauchte 
Schlaf; am 13. bemerkte man Zunahme der Beule, j Naja war in den angegebenen Dilutionen mit 


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151 


Glycerin hergestellt, und stammte von Dr. Deane’s 
selbstbereiteten Präparaten her. — 

Wir erfahren aus diesen Beobachtungen, wie 
schwer der Kampf auch der homöopathischen Mittel ■ 
gegen eine den Organismus so tief durch- und zer- I 
setzende Seuche wie die Pest ist, wie manches 
Opfer er kostet, dass er aber trotzdem nicht so 
trost- und hoffnungslos ausfallt als die bisher da- , 
gege;i gebrauchte Therapie: auf die Ergebnisse i 
der Serumthernpie sind wir gespannt. 

Dr. Hossa. I 


Carbolgangrän. 

Nach den Untersuchungen von E. Müller und 
Frankenburger ist schon 2procentige Carbollösung 
im Stande, durch örtliche Einwirkung auf die rothen 
und weissen Körperchen Gerinnungen in den Ka¬ 
pillaren, in den Arteriolen und Venen und hier¬ 
durch den localen Gewebstod herbeizufübren. 
Der Carbolbrand ist immer trockene Mummification, 
welche fast ausschliesslich an den Fingern und 
Zehen vorkommt. Begünstigt wird er durch die 
auästhesirende Wirkung der Carbolsäure; die Pa¬ 
tienten lassen gern die Umschläge auf den früher 
schmerzhaften Fingern liegen, und sind dann s hr 
erstaunt, dass die erst grauwciss, dann schwarz 
gewordenen Finger abgestorben sein sollen, ohne 
dass sie irgend eine Empfindung davon gehabt. 
Begünstigend für das Zustandekommen des Brandes j 
wirken überdies gleichzeitige Circulationsstörungen, i 
welche durch starke Umschnürung, Entzündung | 
oder Verletzung bedingt sind. Eine sehr zarte [ 
Haut (bei Kindern), Anämie und mangelhafte | 
Herzthätigkeit prädisponiren ebenfalls dazu. Es j 
kommt hierbei weniger auf die Concentration als 
auf die Anwendungsdauer der Lösung an. — 

Deshalb hat man die Carbolsäure Umschläge 
mit Recht jetzt meist ausser Gebrauch gesetzt von 
ärztlicher Seite, während sie beim grossen Publi¬ 
kum leider noch immer beliebt sind. M. 1 


Zwei Natrum muriaticum-Fälle. I 

1. Fall. Harriet M. Gemüthsstimmung beweg- I 
lieb, dunkler Teint, schwarzes Haar und ebensolche 
Augen, kräftig. 30 Jahr alt. Unverbeirathet. Ge¬ 
wicht 120 Pfund. Wärterin. Datum: 1. Dec 1897. 

Chronische Heiserkeit und Halsweh bei Sonnen- j 
Untergang oder vor einem Regen, schlimmer an 
der Seeküste; Feuchtigkeit und Staub. Staub reizt I 
ihr sogar die Lippen und das Zahnfleisch; empfind- , 
liebes Trockenheitsgefühl im Halse, trotz mehr als | 
normaler Speichelabsonderung. Der Speichel ver- . 
mehrt beim Lachen und Sprechen. 


Die Wirbelsäule in der Lendengegend be¬ 
schädigt durch einen Sturz vom Pferde vor acht 
Jahren, wobei eine Rippe gebrochen war, so dass 
sie ein halbes Jahr im Bette liegen musste; wäh¬ 
rend der ganzen Zeit furchtbares Erbrechen. 

Sie erbricht jetzt sehr leicht, sobald sie sieb 
ermüdet. 

Hat ihr Lebelang viel Salz gegessen. 

Hat fast immer in Boston gelebt, aber jetzt 
thut ihr die Seeluft nicht gut. 

Schwitzt niemals, ausser bei ungewöhnlicher 
Anstrengung um gegen etwas Hartes zu stossen 
zu ihrer Erleichterung, was seit jener Verletzung 
von ihr geschieht. 

Körperwärme immer etwas unter der Norm. 

Natrum muriaticum Hochpotenz, eine Gabe. 

Dies genügte zu vollständiger Heilung; inner¬ 
halb eines Jahres kein Recidiv. — Die Ver¬ 
schlimmerung von Staub, bei Sonnenuntergang, vor 
einem Regen, der vermehrte Speichel beim Lachen 
und Sprechen, das Erbrechen nach Ermüdung, 
Fersenschmerz, alles war unter der Einwirkung von 
Natrum muriaticum verschwunden. 

2. Fall. Eine 35j. Frau, Mulattin. 

Mattherzig, gross, schlank von Gestalt. 

Tuberculöse Diathese, fleischige Faser. 

Ihr Lebelang an Verstopfung leidend, Stühle 
hart, dunkelgrün, fast schwarz, wie Schafkotli. 

Fühlt sich immer matt. 

Beim Ausgehen in die frische Luft überfällt 
sie ein grosses Angstgefühl, so dass sie wieder 
nach Hause eilt. 

Husten trocken, der von einem Reiz unterhalb 
des unteren Theils des Brustbeins herzukommen 
scheint. 

Heiserkeit Abends und Morgens; kein Halsweh. 

Schwitzt schrecklich, wenn sie Morgens ausgeht. 

Zeitweise wie bleischwer im ganzen Körper. 

ln den Augen beim Vornüberbeugen ein Gefühl, 
als sollten sie herausfallen. 

Brüste schmerzhaft zur Zeit der Menses. 

Starkes Herabziehen in der Gebärmuttergegend. 

Gefühl, als sei der Rücken zerbrochen, zeit¬ 
weise. 

Widerwille gegen alle Speisen, ausser Brod 
und heissem Wasser, die ihre ganze Nahrung aus¬ 
machen; hiervon isst sie tüchtig, wird dabei aber 
immer magerer. 

Dies war der Status praesens am 13. Mai 1898. 

Verf. sagt: Beim Studium dieses Falles fand er 
keine genügende Indication für irgend ein Mittel. 
Da erinnerte er sich des Auspruchs eines unserer 
Meister, jedes Symptom involvire das ihm entgegen¬ 
gesetzte. So wandte er das Symptom „Verlangen 
nach Brod M in das Gegentheil um in „Abneigung 
gegen Brod“, wie es sich bei Natrum mur. findet, 


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152 


und deshalb verordnet© er es, freilich mit wenig 
Hoffnung, der Patientin und gab ihr am 13. Mai, 
sowie am 3. Juli und 12. August je eine Gabe 
einer Hochpotenz. Die Besserung zeigte sich 
bald und schritt bis zur Beseitigung aller krank¬ 
haften Symptome fort. — 

Die Begründung für die Wahl von Natr. mur. 
im 2. Fall steht auf schwachen Füssen und er¬ 
innert uns lebhaft an das deutsche Sprüchwort: 
„Umgekehrt wird ein Schuh daraus.“ Die grosse 
Scheu der Kranken vor der freien Luft, das Müdig¬ 
keit«- und Ermattungs-Gefühl, die grosse Neigung 
zu Schweiss bei Bewegung, dazu der Kitzelreiz 
zum .Husten in dem unteren Theil des Brustbeins 
und die langwierige, chronische Verstopfung und 
da« Herabpressen ad uterum nebst dem Kreuz¬ 
schmerz können wohl auf Natrum mur. hinweisen, 
wenn auch die Gemüthsart und das Temperament frei¬ 
lich einen ganz anderen Charakter trägt. M. 


Viscum album, die Mistel, 
ihre Naturgeschichte, traditionellen Heilkräfte, 
sowie ihr Gebrauch im Volke und der wissen¬ 
schaftlichen Medicin in Behandlung von Krank¬ 
heiten nebst neueren Prüfungen des Mittels. 

Von Dr. George Black, London 189!*. 

(Fortsetzung.) 

24. December. Vergangene Nacht gut ge¬ 
schlafen ; war gestern Tags über recht herab¬ 
gestimmt. — Beim Schreiben und Lesen heute Vor¬ 
mittag verschiedene einzelne, scharfe, augenblick¬ 
liche Schmerzanfalle im unteren Tlieile des rechten 
Schenkels nach hinten; sie scheinen oberflächlich 
zu sein, ein dumpfer Schmerz im linken Schenkel, 
der im N. ischiadicus selbst zu sitzen schien. — 
Beim Umherbewegen fühlt er nichts; es kommt 
nur, wenn er sitzt und still bleibt. — Keine 
Arznei. — 

26. December. Gestern fast den ganzen Tag 
ein heftiger, scharfer Schmerz am Aussenrande der 
rechten Achsel-Gegend, nach dem Schulterblatt zu; 
er war noch beim Schlafengehen ziemlich schlimm; 
heute ist er weg. Vor jenem Schmerz zeigte sich 
ein ähnliches, aber weniger markirtes Weh in der 
linken Brustgegend, besonders beim Tiefathmen. 
Auch dieses ist heute vergangen. An der linken 
Halsseite eine grosse Papel, empfindlich gegen Be¬ 
rührung; ein rother Hof, etwa ein Sixpence gross. 

27. December. Ein sehr anhaltendes, heftiges 
Weh auf der linken Seite des Afters, stundenlang; 
ganz besonders trat es Abends hervor, wo es den 
linken Schenkel einzog durch eine Art heftig¬ 
ziehenden Heissens. Er hatte auch einen oder zwei 


ziemlich scharfe Schmerzanfalle neuralgischen Cha- 
I rakters und einen dumpfen Schmerz in dem unteren 
Tlieile der rechten Augenhöhle; dieses kam, nahm 
etwas zu und schwand allmählich hinweg. Die 
Schwere im Nacken hat sich gelegt. — Ein lautes, 
singendes Geräusch etwa 6 Mal im rechten Ohr in 
2-3 Minuten. — Eine Art krachendes Geräusch 
iin linken Ohr bei Anstrengung während des schweren 
Stuhles. 

1 Januar. Zwischen 12 und 1 Uhr Nachts zu 
Bette gegangen, spürte er beim Liegen ein sonder¬ 
bares, allgemeines Zittern durch den Körper, als 
ob alle Muskeln in fibrillärer Contraction sich be¬ 
fänden; es war nicht ein einfacher Ruck, auch kein 
| anhaltendes Zucken des Muskels oder eines Theils 
] desselben, sondern ein allgemeiner, den ganzen 
! Körper treffender Zustand. Er hielt an, bis er in 
! Schlaf verfiel. 

! Diese vom 15. November bis 1. Januar, also 
1 über einen Zeitraum von mehr als 60 Tagen, aus- 
geführte, .standhafte Prüfung der Mistel von dem 
geehrten Herrn Collegen Dr. George Black hat 
vollen Anspruch auf unsere Anerkennung. — Er 
hat an den an sich selbst beobachteten Symptomen 
möglichst Kritik zu üben versucht — und doch 
ist es nicht völlig klar, ob der bei rauhem Winter¬ 
wetter entstandene Katarrh ein reines Product der 
Prüfung oder der Witterung gewesen ist. — Die 
theil weise recht tiefgehende Wirkung des Mittels 
auf das Muskel- und Nervensystem (zumal den Lum- 
bartheil und in specie den N. ischiadicus) ist deut¬ 
lich markirt, ebenso die auf das Herz und die 
Blutgefässe des Kopfes und das Gehör. Die Dilu¬ 
tionen, von der 3. Decimale an, brachten schon 
ein gut Theil mehr oder weniger gut ausgesproche¬ 
ner Befindungsveränderungen, die dann unter dem 
Gebrauch der Urtinctur an Intensität und zum Theil 
auch an Extensität Zunahmen; es kam unter Ein¬ 
wirkung der letzteren zu einem höchst charakte¬ 
ristischen Glottiskrampf und schliesslich zu einem 
allgemeinen Tumor des Körpers. — Es ist von 
hohem Interesse, die Beschreibung der subjectiven 
Empfindungen, z. B. im Gehirn, die Dr. Black an 
| sich erfahren hat, mit denen zu vergleichen, welche 
Dr. Schier und seine Mitprüfer beobachtet haben, 
i Man ersieht, wie schwer oft ein Ausdruck über 
eine bisher nie gehabte Empfindung, Sensation, in 
der Sprache zu finden ist. — 

Wir reihen hieran die von 2 Prüferinnen mit- 
getheilten Prüfungsergebnisse: 

2. Prüfung. 

Ein 20jähr. Mädchen, gut gebaut, etwas über 
Mittelgrösse und ganz robust, mit blondem Haar 
i und grauen Augen; einige erweiterte Gapillargefässe 
i laufen in unregelmässiger Linie über die Sclerotica. 

| An der Stirn zahlreiche Acnepusteln. Als Kind 


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158 


Keuchhusten und Scarlatina. — Menstruation regel¬ 
mässig, von 2 tägiger Dauer. — Stuhl regelmässig. 

Vom 26. November bis Ende des Monats 1896 
nahm sie in nicht regelmässigen Zwischenzeiten 
von der 2. Dec. von Viscum album, von 5 bis 
20 Tropfen steigend. I 

Vom 3.—8. December von der 1. Dec. 

December 8., 9., 10., 12., 13. und 15. Dosen von 
1 —10 Tropfen der Urtinctur; am letzten Tage 
80 Tropfen. 

16. December. Gegen 11 Uhr 30 Minuten 
Abends, als sie zu Bette ging, zwei heftige Stösse 
am Herzen, wonach ein erschreckliches Herzklopfen 
folgte. Nach 1—2 Minuten mässigte es sich wieder 
zu dem gewöhnlichen Rhythmus. Dann eine Art 
Zittern in den Gliedern; die Zähne klapperten; es 
überkam sie ein allgemeines Beben; dies hielt etwa 
1 Stunde an. Nachdem das Herzklopfen und Zittern 
vergangen war, wurde das Gesicht glutroth. — 
Heute Morgen fühlte sie sich zitterig; Schmerz 
zwischen den Schultern — ein Wehthun. Links 
vom Brustbein, und gerade über der Brustwarze, 
ein Wehgefühl, deutlicher beim Tiefathmen. Beim 
Erwachen Schmerz in der Kreuzgegend brennender 
Art, von Bewegung nicht verändert, der bis jetzt, 
10 Uhr 30 Min. Vormittags, anhielt. — Vergangene 
Nacht häufiger Urinlassen als sonst. — Sie konnte 
keinen Theil des Körpers ruhig halten; bald ruckte 
ein Bein, bald ein Arm. Die Rucke wurden immer 
schwächer, bis sie auf hörten. — (Vor 7 Jahren 
hatte sie eine ähnliche Art von Rucken gehabt, 
das nach dem Zubettgehen ein trat, damals dauerte 
es aber immer länger als jetzt.) — Diesen Morgen 
gab es ihr, wenn sie sich schnell drehte, einen j 
Ruck und, wenn sie etwas auf heben oder einen i 
Fuss vorwärts setzen wollte, war es ihr, als ob es 
zuckte. Sie ging 2 Mal zu uriniren, während dieses 
Zitterns; darnach schien es etwas nachzulassen, 
kam dann aber wieder. — In der letzten Nacht 
war der Urin (vor dem Zittern) sehr hellfarbig, die 
jedes Mal entleerte Menge die gewöhnliche, aber 
im Ganzen war die Quantität vermehrt. Seit 3 bis 
4 Tagen vermehrte Speichelabsonderung; Bluten 
des Zahnfleisches. Heute Brechübel vor Frühstück 
und Mittagbrod. 

December 18., 19., 21., 22. Viscum album 8., 
von 15 — 30 Tropfen pro dosi; die grösste Tages- | 
gäbe war 40 Tropfen. 

25. December 5 Tropfen der 80. 

7. Januar 1897. Letzte Nacht etwas Herz¬ 
klopfen, ehe die Zuckungen kamen; diese dauerten 
3 Stunden, dabei eine sonderbare Empfindung. Es 
war ihr kalt, plötzlich kam ein Gefühl von Hitze 
über sie, ohne dass sie wirklich heiss war. Dar¬ 
nach wurde ihr schrecklich heiss; sie hatte heftiges 
Kopfweh, ein Klopfen, Alles schien ungeheuer gross 


herum (3 Uhr Morgens). Beim Zubettgehen war 
ihr ganz wohl gewesen. — Die Zuckungen be¬ 
gannen in den Beinen; doch war es mehr ein allge¬ 
meines, überall verbreitetes Springen und Zucken. 
Das ganze Bett schien zu beben; die Zähne klap- 
l perten erst, wenn sie aus dem Bette stieg. Weder 
vor, noch während, noch nach dem Zittern ein 
Herzklopfen. Beim Zittern und nach demselben 
hat sie immer das Gefühl, als ob sie etwas Schreck¬ 
liches thun werde (so pflegte es ihr auch vor 7 Jahren 
bei jenen Anfällen zu Muthe zu sein; damals half 
ihr Valeriana-Wurzel). Sie hat 2 oder 8 Mal Wasser 
gelassen, dies war etwas blass. — Sie schlief wenig, 
denn eingeschlafen, wachte sie bald wieder auf. 

1. Februar. Sie fühlt sich jetzt noch zitterig, 
als ob sie von einer schweren Krankheit genesen 
wäre; schlechter beim Aufstehen als beim Schlafen¬ 
gehen. Kopfweh, bald in dem Wirbel, bald in der 
Stirn, dumpfes Weh; andere Mal mehr neuralgisch; 
Kopf und Gesicht empfindlich, der Schmerz ist 
scharf, besonders am Abend und nach Arbeit: fühlt 
sich schwach. Hatte scharfen Schmerz in der Ovarial- 
gegend, kommend und gehend, seit 2 Wochen. 
Bewegt sie sich, oder die mit ihr im selben Bette 
schlafende Mutter, so wird sie zitterig und die Eier¬ 
stocksschmerzen sind schlimmer. Uriniren nicht 
häufiger; kein Uterinschmerz. Letzte Regel dauerte 
länger, war geringer, ohne erhöhten Schmerz. Kreuz- 
schroerz. Stuhl gut. — Heisshunger. 

Einige Monate später gab sie folgenden Bericht 
über ihr Befinden: Klopfender Schmerz oben am 
Wirbel des Kopfes, der sich über den ganzen Kopf 
ausbreitete, so dass sie fast verwirrt war. Schiessende 
Schmerzen im Kopf und an verschiedenen Körper¬ 
teilen, besonders auf der linken Brustseite. Ein 
ziemlich heftiger Schmerz in der linken Seite, der 
einmal x / 4 Stunde lang anhielt. Herzklopfen, mit 
der Empfindung, als ob sie sinnlos sei. — Gefühl 
einer schweren Last zwischen den Schultern, und 
bisweilen Schmerz. — Bisweilen grosses Kältegefühl 
im Rücken; öfters Gefühl brennender Hitze den 
Rücken herab (in der Kreuzgegend). Bisweilen 
war es ihr, als ob eine Haut über den Augen 
wäre. — Empfindung, als sollte sie Jemand beissen, 
wenn sie die Zähne nicht fest zusammenhielt. — 
Eine unselige Empfindung, als ob sie eine schreck- 
| liehe That verrichten würde, wenn sie sich nicht 
energisch beherrschte. Manchmal, wenn sie draussen 
war, kam es ihr vor, als ob sie Jemand von der 
Taille her herunterziehen wollte, und alsbald dar¬ 
nach ist es ihr, als ob der obere Theil des Kör¬ 
pers in der Luft schwebte. Oefters Gefühl von 
Uebelkeit und Schwindel. Sie liegt in der Nacht 
wach, und es kommen die schrecklichsten Bilder 
vor die Phantasie, aber bald kann sie einschlafen, 
wenn sie sich sehr bemüht, an etwas Angenehmes 

20 


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154 


zu denken. Beim Wachen in der Nacht ist ihr 
immer sehr heiss, ausgenommen die Kniee, Beine 
und Füsse, die sehr kalt sind. 

5. Februar 1898. Die obige Darstellung ent¬ 
spricht theilweise dem gegenwärtigen Zustande des 
Fräuleins. Sie ist noch von denselben Empfindungen, 
die für sie eine schreckliche und höchst unheilvolle 
Realität haben, gequält. Ihr Zustand ist wirklich 
äusser8t bedauern8werth. Sie ist sehr intelligent, 
gut erzogen und ihrer Aufgabe als Pflegerin völlig 
gewachsen. Sie macht den Eindruck einer stark 
physischen und stark geistigen Persönlichkeit mit 
einer über das gewöhnliche Maass weit hinaus¬ 
gehenden Willensstärke. Sie war mit Dr. Black 
und anderen Aerzten bei Kranken unter Umstän¬ 
den, welche die stärksten Nerven angreifen, ohne 
je durch die geringste Gemüthserregung in ihrer 
Pflichterfüllung gestört zu sein. Jetzt aber fühlt 
sie sich überaus elend, fürchtet, ihren Verstand zu 
verlieren und einen epileptischen Anfall zu be¬ 
kommen, dass sie am liebsten in einem Asyl unter¬ 
gebracht wäre. Der Gedanke, dass sie eine schreck¬ 
liche That thun werde, will nicht von ihr weichen, 
und drängt sie wohl nach Schutz und Ueherwachung, 
um ihre Selbstbeherrschung durch andere unter¬ 
stützt zu sehen. — Dieser ganze Complex geistigen 
und physischen Elends soll sich, wie sie nach¬ 
drücklich erklärt, nach dem Einnehmen von Vis- 
cum album entwickelt haben. Ihre Mutter meint, 
es habe in ihrem Körper gelegen, aber jener furcht¬ 
bare Arzneistoff habe Alles zum Vorschein gebracht. 
Dr. Black selbst ist die Sache nicht klar. Ohne 
Zweifel, meitit er, seien die heftigen Erschütte¬ 
rungen, die nervösen Rucke und das Zittern, das 
sie beim Einnehmen der Urtinctur erfahren, dem 
Mittel zuzuschreiben, vielleicht ebenso der zweite 
heftige Anfall, indessen ist zu bemerken, dass sie 
8—4 Monate vor Beginn der Prüfung durch den 
plötzlichen Tod ihres Vaters eine heftige Gemüths- 
erschütterung erhalten, deren Nachwirkung wohl fort¬ 
gedauert habe. Ferner ist in Bezug auf den Kreuz¬ 
schmerz, über den sie geklagt hat und an dem sie 
noch leidet, zu erwähnen, dass sie, hei der Pflege 
einer Hysterischen, die, wenn nicht wirklich geistig 
gestört, doch nahe daran war, eines Tages, als sie 
dieser, die von ihr weggelaufen war, nachlief, auf 
das Gesäss hinfiel und sie sich einige Nächte nicht 
ohne Schmerz im Bette umdrehen konnte; welcher 
Schmerz sich dann noch mehrere Wochen bemerk¬ 
bar machte. Freilich soll er einige Wochen vor 
der Prüfung aufgehört haben. — Die Schwester 
der Prüferin ist ein Prototyp der Nervosität, leidet 
auch an Migräne. — Diese Thatsachen sind bei 
dieser Prüfung in Rechnung zu bringen. 

8. Prüfung. 

Eine 87 j. Frau, Mutter von drei Kindern, mit 


' schwarzen Haaren, nussbraunen Augen, mittelgross 
und mittelkräftig, von sanftem Wesen. Während 
der Schulzeit, vom 14. zum 15. Jahre, hat sie er¬ 
heblich gelitten an Rheumatismus in den Gelenken 
der zwei ersten Finger und in den Handgelenken. 
Späterhin hatte sie auf dem Rücken der linken 
Hand ein Ganglien, etwa 1 Zoll lang, das die 
Hand und das Handgelenk schwächte. Auch hatte 
sie Anschwellungen wie grosse Erbsen an der 
Aussenseite der linken Hand. 12 oder 18 Jahre 
alt litt sie viel von Rheuma im rechten Schulter¬ 
gelenk. — Zwischen dem 6. und 10. Lebensjahre 
hat sie Scharlachfieber, Varioliden und Keuchhusten 
gehabt, 1883 Influenza. — Menstruation regelmässig, 
eher etwas zu spät als zu früh. Vor 6 Monaten 
nach der Geburt des zweiten Kindes starke Menor¬ 
rhagie. 

Sie nahm ein am 14., 17., 18., 19. und 21. De- 
cember eine Dose von der 3. Dilution von 10 bis 
80 Tropfen. 

Es trat Rucken und Zucken der Muskeln ein. 
Schiessende Schmerzen in der linken Eierstocks¬ 
gegend und bei Bewegung Lendenweh und Steifig¬ 
keit. — 

4. Prüfung. 

Ein Mädchen, 27 Jahr alt, von mittlerer Grösse 
und Stärke, mit braunem Haar, blaugrünen Augen, 
guten Zähnen. Letzten Winter Influenza und Bron¬ 
chitis. — Vor 2 Jahren Anämie mit Oedem des 
linken Beins und Herzschwäche (nach Aussage des 
Arztes). (Ruhe, Ferrum und Digitalis besserten.) 
Als Kind Masern, Scharlachfieber und Keuchhusten. 
5 Jahre Krankenpflegerin. Die Menstruation be¬ 
gann im 17. Jahre, nicht sehr regelmässig. Nur 
1 Mal menstruirt in 3 Monaten vor 2 1 /« Jahren; 
Dauer derselben gewöhnlich 1 Tag. Die letzte 
Periode dauerte 2 Tage nach dreimonatlichem Inter¬ 
vall. Das Blut sehr hell und sehr gering an Menge. 
Vorher fühlt sie sich schwach, muss sich Öfters 
hinsetzen, um nicht ohnmächtig zu werden. An 
zwei Stunden grosse Schmerzen im Hypogastrium, 
immer Vorzeichen der ein tretenden Regel. Im Bette 
ist alles gut, heim Aufsein fühlt sie sich aber dann 
schwach bis zur Ohnmacht. Sehr wenig Rücken¬ 
schmerz. Stuhl regelmässig. Urin in gewöhnlicher 
Menge, schmerzlos. Nach starkem Gehen oder Laufen 
hat sie bisweilen Schmerz in der linken Seite, über 
dem Hüftbein. P. 76, regelmässig; R. 20; beides 
im Sitzen. T. 98° F. im Munde. 

Brust . Athmungsgeräusch in der rechten Lungen¬ 
spitze weniger gut. — Herztöne überall klar und 
rein. — 

5. November um 4 Uhr Nachmittags 5 Tropfen 
von Viscum album 3. Dec. auf Milchzucker. 

7. November. Keine Wirkung. — Die gleiche 
Dosis 4 Uhr Nachmittags. 


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155 


8. November. Um 4 Uhr 20 Min. Nachmittags 
12 Tropfen. 

9. November. Sie weiss nicht, ob es von 
dem Mittel herrührt, aber sie hat etwas schiessen¬ 
den Schmerz über der Gegend des linken Eier¬ 
stocks gehabt, und nach ] / 2 Stunde ein dumpfes 
Weh (wie sie es ähnlich vor etwa 8 Monaten nach 
einem langen Spaziergang empfunden). Gestern | 
war sie ziemlich schnell und weit gegangen. Das 
Weh trat ein, als sie heimkam und sich nieder¬ 
setzte. Beim Gehen spürte sie nichts. Sie träumte 
die ganze Nacht von ihren Tagesgeschäften. Sie 
konnte mit den Dingen nicht recht fertig werden. 
Es standen eine Menge Flaschen am Fenster, und 
je mehr sie reinigte, desto mehr waren da. Appetit 
gut. Viscum album 3. Dec., 15 Tropfen auf S. 1. 

10. November. Sie konnte die ganze Nacht 
wegen Schmerzen im rechten Bein bis 4 Uhr Mor¬ 
gens nicht schlafen. Der Schmerz fing an in der 
Kniekehle, ging die Mitte der Wade hinab, wandte 
sich dann zu der Crista tibiae herum; er schoss 
so einige Minuten hinab, dann blieb ein Weh 
zurück. Sie konnte das Bein nicht still halten; 
dieses zuckte zeitweise, that aber bis heute früh 
weh. Einen ähnlichen Schmerz hat sie bei der 
Regel in der Wade. Wenn sie sich von einer 
Seite zur anderen bewegte, und ebenso das Bein, 
so war der Schmerz geringer. — Nach dem Auf¬ 
stehen hielt der Schmerz noch etwas an, jetzt ist 
er weg. Keine Arznei. 

11. November. Das Bein that ihr letzte Nacht 
in derselben Weise weh; hörte das Weh zeitweise 
auf, so fühlte sie Hitze daselbst; wie ein Brennen 
mitten in der Wade. Das Weh dauerte nicht so 
lange als in der vorigen Nacht. — Sie konnte 
dabei nicht still liegen, legte das Bein immer an 
eine andere, kühle Stelle im Bette, was etwas er¬ 
leichterte. — Keine Medicin. 

12. November. Vergangene Nacht, nachdem 
sie eine kleine Weile im Bette gelegen, schwache 
Wiederkehr des Schmerzes; er hielt nicht lange an. 

Viscum album 3. Dec., 10 Tropfen auf Milch¬ 
zucker. 

13. November. Diese Nacht kein Schmerz; 
Schlaf gut, und fühlt sich nach demselben wohl. 

27. November. 5 Tropfen der 2. Dec. auf 
Milchzucker. 

Sie war gestern „unwohl“; die Periode war 
dies Mal etwas früher als sonst gekommen. 

28. November. 15 Tropfen der 2. Dec. um 1 
5 Uhr Nachmittags. 

Gestern Abend schrecklich müde, als ob sie 
schwer gearbeitet und nicht geruht hätte. — Und 
doch konnte sie nicht schlafen; dabei war sie ganz j 
schmerzfrei. Diesen Morgen war der Regelfluss 
wieder erschienen (nach 14 Tagen recidivirt), was i 


sonst nie vorgekommen. Sonst immer 2 Tage, dies 
Mal nur 1 Tag. — Die Augen sind ihr schläfrig, 
sie kann sie kaum offen halten; es ist ihr, als ob 
die Lider zu schwer wären. Keine Arznei. 

30. November. Fühlt sich noch sehr müde. 

2. December. Die Periode Hess gestern nach. 
Gegen drei Tage hatte sie noch die Müdigkeit ge- 
I habt; auch konnte sie die Augen nur schwer offen 
halten und mochte mit Niemand reden. — Heute 
wohlauf. 

5. December. 20 Tropfen auf Milchzucker. 

8. December. Sie hat seitdem noch von der 
1. Dec. 2 Mal 5 Tropfen auf Milchzucker genom¬ 
men, dann 16 Tropfen auf drei Gaben vertheilt. — 
Keine besondere Wirkung. Heute 1 Tropfen der 
Urtinctur auf S. 1. um 4 Uhr 30 Min. Nachmit- 
tags. 

9. December. Fühlt sich matt, konnte wegen 
Zahnweh nicht schlafen; ging deshalb zum Zahn¬ 
arzt. — 

10. December. 1 Mal bei Nacht und mehrere 
Mäle heute Morgen ein Gefühl in der Regio hypo- 
gastrica, wie sie es vor dem Eintritt der Regel zu 
haben pflegt; so jetzt um 2 Uhr 40 Min. Es ist 
ein Hitzegefühl und ein anhaltendes, ermüdendes 
Weh; sie klagt über einen Schmerz wie Zahnweh, 
der nur in der linken Schamleiste anhebt. Nicht 
erheblich, aber er macht einen müde. Etwas Schmerz 
in der linken Eierstocksgegend, die auch etwas 
druckempfindlich erscheint. Die Zehe that ihr in 
der Nacht weh. 

Viscum album 0, 6 Tropfen auf S. 1. um 4 Uhr 
30 Min. Nachmittags. 

11. December. Fühlt sich heute weit besser. 
Heute früh etwas Weh in der linken Eierstocks¬ 
gegend, das aber bis zum Nachmittag völlig ver¬ 
schwunden war. Urtinctur 10 Tropfen in Wässer. 

12. December. Sie hatte schreckliches Weh 
in der linken Eierstocksgegend und abwärts, etwa 
einen Zoll über der Schambeinfalte; dies weckte 
sie um 8 Uhr Morgens. Der Schmerz dauerte 
gegen eine Stunde und war äusserst heftig, wie 
sie ihn nie empfunden. Nachdem er vergangen, 
fühlte sie sich recht übel und schauderte vor Kälte. 
Es war ein ununterbrochener Schmerz. Lange vor 
demselben hatte sie Schmerz in der Brust; dieser 
aber kam und ging öfters; sein Sitz war in der 
Regio sternalis, nahe der Mamma, und ging 
von rechts quer herüber. Dabei sehr schläfrig, 

1 konnte heute sich gar nicht ermuntern. Es ging 
eine kurze Zeit weg, aber beim Tiefathmen kam 
es wieder. Auf der linken Seite ist ihr das Liegen 
unangenehm; der Schmerz auf der Seite (im linken 
Eierstock) wird dann schlimmer, und ergriff dann 
auch das linke Hüftbein. Derartigen Schmerz hat 
sie nie zuvor gehabt, so dass sie jetzt wünscht, 

20 * 


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15 « 


sie hätte die Medicin nie getrunken. P. 96 um 
8 Uhr 30 Min. Nachmittags. 

14. December. Gestern etwas Weh in der 
linken Seite. — Heute früh um 11 Uhr Nasen¬ 
bluten. 

15. December. Das Nasenbluten kam nicht 
wieder. Letzte Nacht Haut sehr trocken; glänzend, 
etwa wie beim Scharlachfieher. Viscum album 0, 
6 Tropfen um 8 Uhr 30 Min. Nachmittags. 

16. December. Keinerlei Symptome. 4 Uhr 
Nachmittags 10 Tropfen der Urtinctur in Wasser. 

17. December. Kein Schmerz, aber starkes 
Rucken in Händen und Füssen, „wie bei einer 
Person mit Veitstanz“, lange Zeit. Hätte sie etwas 
in der Hand gehabt, so wäre es ihr zweifelsohne 
entfallen. Es kam, nachdem sie eine Zeit lang im 
Bette gewesen (etwa gegen 1 Uhr Nachts). Zu¬ 
erst sprang die linke Hand, dann beide Beine; das 
Herz schien dabei sehr schnell zu schlagen. Hielt 
sie die linke Hand fest mit der rechten, so liess 
es etwas nach. Dabei Neigung, mehr Urin zu 
lassen; sie musste dazu aufstehen, was sonst *nie 
der Fall ist, und liess mehr Urin als sonst, was 
auch noch heute früh geschah. Dann fühlte sie 
aufeinanderfolgende Stiche, die etwas über der Wurzel 
(Spitze? Ref.) der linken Brust zu der Mamma 
abwärts gingen. Solche Rucke hatte sie auch schon 
eine Nacht zuvor gehabt; letzte Nacht waren sie 
aber weit heftiger. — Am linken Arm und Bein 
war es am schlimmsten. Es dauerte an 2—8 Stun¬ 
den. Beim Liegen auf dem linken Arm liess es 
etwas nach. Sie spürte auch etwas Hüpfen oder 
Springen der Muskeln des Epigastriums und Unter¬ 
leibes. Ihre Zähne klapperten. Keine Arznei. 

19. December. Schmerz im linken Bein, in 
der Wade, letzte Nacht im Bette; mehr oder weniger 
die ganze Nacht über. Der linke Arm zuckte, aber 
nicht viel, bald nachdem sie (um 11 Uhr) zu Bette 
gegangen war; etwa 1 / f Stunde. 

21. December. Letzte Nacht einige Rucke 
im Arm und Bein linkerseits, etwa 1 Stunde, von 12 
bis 1 Uhr. Der Urin hatte nach dem Stehen eine 
milchweisse Färbung. Brauchte zum Urinlassen 
nicht aufzustehen. Um dieselbe Zeit einige Stiche 
im oberen Theil der linken Brust. — Keine Me¬ 
dicin. 

22. December. Gestern Kopfweh; heute Nasen¬ 
bluten. 

Viscum album 3. Dec., 10 Tropfen um 4 Uhr 
80 Min. Nachmittags, um 7 Uhr Abends wieder 
10 Tropfen in Wasser. 

23. December. Beim Sitzen spürte sie diesen 
Nachmittag ein schmerzhaftes Weh in der oberen 
und unteren Fläche beider Waden, bis zur Mitte 
gehend. Sie muss die Beine bewegen, nie im 
Bette. Sie kann sie beim Sitzen nicht still halten. 


Dieses Gefühl, das sie früher nie gehabt, dauerte 
von 3 Uhr 30 Min. bis jetzt, 5 Uhr Nachmittags. 

26. December. Gestern Abend 7 Uhr 30 Min. 
10 Tropfen der 8. Dec.; heute früh 8 Uhr 30 Min. 
und Abends wieder je 10 Tropfen. 

Am 27. December um 12 Uhr 30 Min. Mittags 
eine Stunde lang Zucken in Armen und Beinen, 
zuerst im linken Arm, eine Stunde lang um 12 Uhr 
30 Min., nicht sehr stark. — Im Bette sehr ruhe¬ 
los. Diesen Morgen fand sie fast alles Bettzeug 
auf dem Boden. Sie fühlte sich recht elend, hatte 
alle Nachtkleider aufgeknöpft, wohl wegen Hitze. 

In der Nacht zum 24. December bemerkte sie 
einige rothe Flecke auf der Brust und 1—2 am 
Halse, linkerseits. Sodann zeigten sie sich im Ge¬ 
sicht, unter dem Kinn und an dem Brustkasten; 
sie waren roth und hart, ohne Kopf. — Auf dem 
Gesicht bemerkt man jetzt eine Papel, roth und 
prominent unter dem Finger. (Desgleichen hat sie 
früher nie gehabt.) — Wehgefühl in der Regio 
hypogastrica wie vor der Regel. 

Viscum album 3. Dec., 10 Tropfen Morgens. 

28. December. Bis Mitternacht wohl; dann hef¬ 
tige Schmerzen in der linken Eierstocks- und Nabel¬ 
gegend; sehr schwach, wenn sie sich bewegen 
wollte. Sie fand sich auf dem Fussboden statt im 
Bette. Heute früh trat die Regel ein. Den ganzen 
Morgen hinfällig. Der Schmerz in der linken Seite 
dauerte bis 20 Minuten vor 2 Uhr Nachmil tags, 
und wurde dann geringer. Dieser Schmerz war 
unerträglich, so dass ihr das Weinen ankam. (Vor 
5 — 6 Jahren hatte sie beim Eintritt der Menses 
ein Weh in der linken Eierstocksgegend, aber nie¬ 
mals bedeutend; ein solches kam auch bisweilen zu 
anderen Zeiten — aber es war nie so schlimm als 
nach Einnehmen des Mittels.) Immer ist die linke 
Seite afficirt. P. 88—92. Die linke Ovarialgegend 
und bis zum Schambein herab empfindlich gegen 
Druck. 

1. Januar 1897. Seit dem 28. December kam 
der Schmerz jede Nacht und weckte sie oftmals, 
so dass sie bis gegen Morgen nicht zu schlafen im 
Stande war. Der Schmerz und die afficirten Theile 
sind die gleichen wie früher. Am 30. December 
hatte die Periode aufgehört; und dieser Tag sowie 
die folgende Nacht war gut; am 31. December 
Morgens kam sie wieder, hielt aber nur kurze Zeit 
an. Heute ist es weit stärker, und sie fühlt sich 
sehr matt, zu nichts zu gebrauchen. Kopf und 
Beine haben ihr sehr weh gethan. Rücken schmerz¬ 
los. Urin und Stuhl ungestört. — Sie hat Der¬ 
artiges ihr Lebelang nicht durchgemacht. — 

Bemerkung des Referenten. Es ist zu be¬ 
dauern, dass der College Dr. Black über das weitere 
Befinden dieser so schwer von dem Mittel ergriffe¬ 
nen Prüferin nichts mitgetheilt hat. — Die Ein- 


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157 


Wirkung der Mistel auf das weibliche Geschlecht 1 
ist in diesen hier gegebenen Prüfungen deutlich | 
gekennzeichnet. Die Richtung desselben auf den j 
linksseitigen Eierstock und die abwärts davon liegen¬ 
den Theile, sowie auch auf die Gebärmutter, zu¬ 
mal als Molimina menstrualia und Pellans, ist stark 
ausgesprochen. Die Einwirkung auf das motorische 
Nervensystem, das Rucken, Zucken, Werfen der 
Ober- wie Unterglieder ist bis zu dem Bilde einer 
Chorea entwickelt. Ebenso ist die Action auf das 
Herz stark ausgeprägt. — 

Die Geduld und Ausdauer dieser Prüferinnen 
ist wirklich bewundernswerth zu nennen. — 

Hieran wollen wir nun einige therapeutische 
Anwendungen von Viscum album von Seiten des 
Dr. Black anreihen. 

1. Fall. Myalgie. 

Ein 57jähriges Fräulein, mit dunklem Haar 
und Augen, mittlerer Grösse und Stärke, die sich 
sonst wohl befunden, ruft am 6. Februar 1898 
wegen Schmerz zwischen den Schultern Dr. Black’s 
Rath. Die Bewegung derselben ist sehr beschwer¬ 
lich. So kann sie sich Morgens beim Aufstehen 
kaum allein anziehen. Der Schmerz fängt, im 
Bette liegend, Morgens an. Hat sie sich beim Auf¬ 
sein einige Zeit herumbewegt, so fühlt sie nichts 
davon. Am vorigen Tage war auch das zweite 
Gelenk des rechten Mittelfingers geschwollen; das 
verging aber nach einiger Zeit. Das Leiden be¬ 
steht etwa seit 8 Tagen. 

Viscum album 30., 5 Tropfen auf Milchzucker, 
eine Gabe um 5 Uhr Nachmittags. 

Am 7. Februar. Weniger Schmerz als seither. 

Am 10. Februar. Sie klagt über eine kne¬ 
belnde (juckende) Empfindung von der rechten 
Schulter, nach vorn unter die Achsel, nach der 
Brusthin sich ziehend. Viscum album *30., 12 Tropfen i 
in ein Glas halb mit Wasser, 4 stündlich einen 1 
Theelöffel voll. — Autor begegnete ihr draussen 
und war erstaunt, wie munter sie dahintrabte. Der | 
Schmerz, sagte sie, ist nicht vergangen, aber er 
ist im Verschwinden. — I 

Am 14. Februar. Er zeigte sich ein paar Stun- ( 
den Morgens, aber kein Vergleich mit seiner früheren 
Stärke; sie kann sich wieder, ohne Aufschrei, an¬ 
ziehen. Seitdem sie das Mittel genommen, hat sie 
keinen Schmerz mehr in der rechten Seite gehabt; 
aber zwischen den Schultern hat sie noch eine Spur 
davon. Die Schwellung der Fingergelenke liess 
allmählich nach und kam nicht wieder. 

2. Fall. Lumbago. 

Eine 30jähr. Frau, mit dunkelbraunem Haar 
und dunkelgrauen Augen, stellte sich am 1. März 
1898 vor. Als sie vor 3 Tagen Abends aus der 
Stadt heimgekehrt war, bekam sie Abends Frost- ! 
schauer. Am anderen Morgen that ihr der Rücken j 


sehr weh; als ob er in Stücke zerrissen würde; 
sie hatte das Verlangen, etwas dagegen zu drücken. 
Jetzt ist es noch sehr schlimm; es muss ihr Jemand 
beim Aufstehen behilflich sein. Wenn sie den linken 
Arm bewegt, kommt es ihr in den Rücken. Selbst 
das Aufschnaufen thut ihr weh. — Der Sitz des 
Schmerzes ist in der Lendengegend und die Wirbel¬ 
säule aufwärts. T. 98° F. P. 70. Die Zunge ist 
rein. Sie kann nichts essen, obwohl sie sich sterbends- 
matt fühlt. Schluss (folgt.) 

Senecio aureus 

in einem Falle von Mania puerperalis. 

Von Dr. Seiden H. Talcott. 

Eine 26jähr. Frau, Mutter von zwei Kindern, 
wurde am 17. Juni 1896 in das Middletown State 
Hom. Hospital aufgenommen. Die Verwandten sagten 
aus, dass sie während ihrer Schwangerschaft sich 
fortwährend darüber geängstet habe, dass das zu 
erwartende Kind ebenso wie das zuerst geborene 
todt zur Welt kommen werde. Am 8. Juni fand 
die Entbindung statt; das Kind war kräftig und 
gesund. Als sie am 17. d. M. ins Krankenhaus 
kam, war sie in einem Zustande einer heftigen 
acuten Manie. Ihr Aussehen war nicht schlecht; 
sie ist gross und stattlich, aber von schlaffer Ge- 
websart. Sie ist geistig sehr aufgeregt: mit einer 
hysterischen Hyperästhesie. Ihre Temperatur war 
103 F., der Puls 112, Respiration 28. In den 
ersten drei Monaten trat im Hospital in ihrem phy¬ 
sischen Befinden eine geringe Besserung ein; aber 
die maniakalische Erregung hatte statt ab- eher 
zugenommen. Ein Mal stieg die T. auf 105°, ge¬ 
wöhnlich hielt sie sich aber auf 103° F. Sie er¬ 
hielt die üblichen Mittel: Aconit, Baptisia, Bella¬ 
donna, Hyoscyamus, Pulsatilla und Stramonium, 
wie sie angezeigt erschienen, aber der psychische 
Zustand wollte sich nicht bessern. Die T. blieb 
hoch; sie geberdete sich wie eine verworrene, ge¬ 
walttätige, immer bewegliche, kaum zu bändigende 
Person. — Wir erfuhren schliesslich, dass die 
Lochien plötzlich nach der Entbindung aufgebört, 
der Menstrualfluss noch nicht wieder erschienen 
war. In Anbetracht der Amenorrhoe, verbunden 
mit beständiger psychischer Aufregung, heftigem 
Kopfschmerz, grosser nervöser Reizbarkeit und 
Schlaflosigkeit, sowie hysterischem Erethismus, gaben 
wir Senecio aureus in der 3. Dec.-Dil., zweistünd¬ 
lich in Tropfen. Am 15. Sept. nahm sie die erste 
Gabe. In weniger als 3 Tagen begann die Besse¬ 
rung, die dann stetig fortschritt. Am 26. war sie 
ziemlich verständig, und der Schlaf war gut. Im 
October zeigte sich die Monate lang ausgebliebene 
Periode wieder zum ersten Mal. Am 20. October 


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158 


erscbien sie frei vou allen Wahngebilden und im 
geistigen Gleichgewicht, war aber noch sehr kraft¬ 
los. Obwohl sie wohlgenährt und gesund aussah, 
konnte sie Wochen lang die gewöhnliche Beschäf¬ 
tigung nicht Aushalten. Eine solche Schwäche des 
ganzen Organismus folgt manchmal auf derartige j 
schwere maniakalische Anfälle. 

Auf den Wunsch ihrer Verwandten war sie auf 
einen Monat nach Hause entlassen. Eine Zeit lang 
ging es hier gut, dann kam ein Rückfall und am 
17. November trat sie wieder in das Spital. — 
Um diese Zeit war sie aufgeregt, heftig, gewalt¬ 
tätig. Bellad. beschwichtigte etwas, aber nicht 
vollständig, und so wurde wieder zu Senccio ge¬ 
griffen. Von da ab besserte sie sich in leiblicher 
wie geistiger Hinsicht sehr bald. Die Periode kam 
rechtzeitig und gut und alle physischen und psy¬ 
chischen Functionen befanden sich in normaler 
Ordnung. 

Ara 15. Febr. 1897 wurde sie auf einen Monat 
beurlaubt, und konnte am 19. März als geheilt 
entlassen werden. Seitdem hat sie sich leiblich j 
wie geistig einer guten Gesundheit erfreut. Verf. I 
schliesst: j 

„Wenn auch die Prüfung von Senecio aureus 
nicht vollständig und die Gemüthssymptome nur 
schwach vertreten sind, so genügen diese doch bis- | 
weilen zur Wahl des Mittels. Es scheint die Mitte 
zu halten zwischen dem wilden, erregten, ungestü¬ 
men Geisteszustand von Belladonna und dem mil¬ 
den, thränenreichen und veränderlichen von Pulsa- 
tilla. — Eine Wiederherstellung vorn Wochenbett- 
Wahnsinn ohne Wiederkehr der menstrualen Func¬ 
tion ist etwas Seltenes, und zur Erreichung dieses 
Zweckes wird man Senecio in Zukunft mehr be¬ 
achten müssen.“ 

(North American Journal of Homoeopathy. 

November 1897.) M. 


Lesefrüchte. 

Einfluss der Schwangerschaft anf das Herz. 

Larchey hat behauptet, dass der linke Ventrikel 
durch die Schwangerschaft hypertrophisch werde: 
dieses findet aber hauptsächlich bei eklainptischen j 
Frauen statt. Prof. Pinard ist der Ansicht, dass 
die Schwangerschaft an sich keine Herzkrankheit 
hervorbringe. Auch auf das Endocardium wirkt 
die Schwangerschaft nicht direct krankmachend; 
kommt bei einer Gravida Endocarditis vor, so wird 
das Herz derselben schon vorher krank gewesen 
sein, ebenso wird das bei einer Myo- oder Peri- 
carditis der Fall sein. 

Hat eine schwanger gewordene Frau ein Herz- ■ 
leiden, ohne dass die Nieren ergriffen sind, wo also , 


eine gute Complication besteht, so kann die Frau 
alle Phasen der Gravidität ohne Unfall überstehen. 
Sind aber die Nieren bereits erkrankt, so wird man 
bei der Gravida Herzerscheinungen beobachten, wie 
hydrostatische Störungen, Athemlosigkeit und Athem- 
beklemmung, sowie Lungenerscheinungen, die, wenn 
sie nicht beachtet und gehörig behandelt werden, 
lebensgefährlich werden können. Da man jedoch 
im Voraus nicht wissen kann, ob die Nieren er¬ 
griffen werden oder ob sich Compensation bilden 
werde, so ist die Frage, ob ein herzkrankes Mäd¬ 
chen heirathen dürfe, nicht so leicht zu beant¬ 
worten. 

Der Einfluss von Herzleiden auf den Verlauf 
der Schwangerschaft äussert sich in der Häufigkeit 
frühzeitiger Geburten. Die Placenta ist bei dieser 
gewöhnlich von weisser Farbe. Während des Kreisens 
beobachtet man bei solchen Frauen öfters: Dyspnoe, 
Herzinsufficienz, plötzlichen Tod; hier kommt zur 
Herzkrankheit aber noch eine Deformität der Wir¬ 
belsäule, Pleuritis, Pericarditis oder auch Erweite¬ 
rung der Geburtsorgane hinzu. Dann haben wir 
also indessen keine normale Schwangerschaft vor 
uns. Hier und da beobachtet man auch einen 
Lungenkatarrh mit Erstickungsanfällen. 

Höchst selten, und nur wenn die Leber ange¬ 
griffen ist, kommen während der Nachgeburtsperiodo 
Blutungen vor. Man hat den herzkranken Frauen 
den Rath ertheilt, nicht zu heirathen oder doch 
keine Kinder zu gebären; kommen Kinder, diese 
nicht selbst zu säugen. Die Thatsachen sprechen 
hingegen dafür, dass auch Herzkranke ohne Un¬ 
fälle Kinder gebären. 

Die Prognose hängt vom Zustande der Nieren 
ab; bei einer Buckligen und bei Amnionwasser¬ 
sucht wird sie ungünstig sein. 

Was die Behandlung der herzleidenden Gravidae 
betrifft, so ist für sie Ruhe, Vermeidung aller An¬ 
strengung notwendig; die Nieren- und Darmfunctionen 
sind sorgfältig zu überwachen, für Nachtruhe ist 
zu sorgen. 

Jaconet empfiehlt als Kost 2 Liter Milch täg¬ 
lich von 5 Monaten an, sowie Digitalis als Infus. 

Kommt man zu einer Gravida mit Herzer¬ 
scheinungen, so sind nach Prof. Pinard geboten: 
1. schnelle Entleerung des Uterus; 2. Aderlass. 
Letzteren empfiehlt er auch, ohne Verzug, bei 
acutem Lungenödem vorzunehmen. 

(Vorlesung des Prof. Pinard — Klinik Bandelocque 
in Paris. Le monde medical.) 

Ein nenes Symptom zur frühzeitigen Er¬ 
kenntnis» von Lnngen-Tuberkniose. 

Dr. Murat (Gazette hebdomadaire de mädecine 
et Chirurgie, 5. März d. J.) macht auf ein sub- 


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159 


jectives Symptom aufmerksam, das er häufig bei 
Personen mit beginnender Tuberkulose angetroffen 
hat. Da es schmerzlos ist, achten in der Regel die 
Kranken darauf nicht, bis man sie darauf aufmerk¬ 
sam macht. Es besteht in einer merklichen Vibra¬ 
tion in der ergriffenen Lungenspitze beim lauten j 
Sprechen. Bisweilen sucht der Patient instinctiv I 
das Vibriren zu vermindern, indem er den Arm der 
entsprechenden Seite gegen die Brust drückt. Dies 
Symptom ist die natürliche Folge von der Ver- ; 
dichtung des Lungengewebes und ist der Broncho- 
phonie seinem Wesen nach analog, geht dieser aber 
öfters voraus, wie Dr. Murat aus seinen Beobach* | 
tungen constatiren kann. Wenn ein Kranker, einer 
beginnenden Tuberkulose verdächtig, tiefe Exspira¬ 
tionen zu machen gelernt hat, und man leitet seine 
Aufmerksamkeit auf diesen Punkt hin, so wird er | 


gewöhnlich das Vibriren auf der afficirten Seite 
wahrzunehmen im Stande sein, als ob die tuber¬ 
kulöse Lunge mit dem Kehlkopfe in Verbindung 
stände, während auf der gesunden Seite dieses Ge¬ 
fühl nicht zu bemerken ist. — Sollte sich diese 
Beobachtung bewahrheiten, so hätten wir allerdings 
ein schätzbares Hilfsmittel zur frühzeitigen Dia¬ 
gnose der Lungen-Tuberkulose. 


Personal-Nachrichten. 

Der homöopathische Arzt Dr. Reignerie ist von 
Strassburg i. E. nach Lahr (i. Baden) übergesiedelt, 
und Dr. Schönebeck (Soltau) an seiner Stelle nach 
Strassburg verzogen. 


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Trommelsucht (Aufblähen) der Wiederkäuer. 

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welches schnell in Gährung übergeht, im Magen Gase entstehen, die einen so starken Druck auf dessen 
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theil des letzteren liegt in den Verletzungen, welche dem Thiere beigebracht werden, die Eiterungen, Ab¬ 
magerung etc. leicht zur Folge haben können. 

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160 


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geb. 1.50. 

Hausmann, Kleine Schriften. Gesammelt und herausge¬ 
geben von Dr. C. Bojanus, sen. 1895. cart. 1.50. 

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von Dr. Hans Wapler. brosch. —.50. 

Die Unhaltbarkeit der Hochpotenzen, von Dr. Kallenbach, 
Rotterdam, brosch. —.80. 

Kunkel, Dr. med., Die homöopathische Behandlung der 
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Alles Nähere aus der Besprechung in Bd. 139, No. 3/4 
dieser Zeitung ersichtlich. 

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Da neuerdings bei Revisionen auch mehrfach Tarir- 
waagen verlangt worden sind, welche jedoch die Herren 
Aerzte nie brauchen und die im Allgemeinen nicht unter 
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zuständen, Blutarm uth, Skrophulose, Bleichsucht, englischer Krankheit, Herzleiden, Rheumatismus, Gicht, Nerven¬ 
leiden und verschiedenen Frauenkrankheiten etc. Aeusserst günstige Wohnungsverhältnisse, niedrige Preise der 
Bäder, billige Pension. Dirigirender Arzt Dr. med. Juiips Meyer. 

Jede eingehendere Auskunft wird bereitwilligst ertheilt. 

Aaguitusbad bei Badebers i. s. Pie Bade-Pirection. 

Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttg&rt. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julius Maser in Leipzig. 


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Band 139, 


Leipzig, den 23. November 1899. No.21ll.22, 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITEN«. 

Herausgegeben Ton 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle and Verlas; ron William Steinmetz (A. MarggraFs homöopath. Offlein) in Leipzig 

Thomaskirchhof 12. 


Erscheint 14tftgig zu 2 Bogen. 13Doppelnnmmern bilden einen Band. Preis WM. 50Pf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlein ln Leipzig) zu richten 
sind, werden mit 20 Pf. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 6—8 M. berechnet. 


Inhalt. 12. Herbstversammlung des Vereins der homöopathischen Aerzte Württembergs in Stuttgart am 5 No¬ 
vember 1899. Bef. Dr. Mossa. — Die bevorstehende ärztliche Standesordnung und die Stellung der homöopathischen 
Aerzte zu derselben. Vortrag von Dr. Weiss-Gmünd. — Spongia marina bei Herzleiden. Von Dr. Mossa. — 
Drei Fälle von Appendicitis aus meiner Praxis. Von Dr. Schier in Mainz. — Viscum album, die Mistel, ihre Natur¬ 
geschichte, traditionellen Heilkräfte, sowie ihr Gebrauch im Volke und der wissenschaftlichen Medicin in Behandlung 
von Krankheiten nebst neueren Prüfungen des Mittels. Von Dr. George Black, London 1899. (Schluss.) — Lese¬ 
früchte. — Mittheilung. — Kaiserbad in Rosenheim. — Anzeigen. 


W3~ Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Die Stelle des dirigirenden Arztes am homöopathischen Kran- 
kenhause zu Leipzig soll vom I. April 1900 ab anderweitig besetzt werden. 

Die Stelle ist dotirt mit einem Jahresgehalt von 4000 Mark. — Gesuche sind 
bis zum 15. December a. c. an den Unterzeichneten Vorsitzenden einzureichen, hei 
dem anch Näheres zu erfahren ist. 

Leipzig, den 6. November 1899. 

Das Curatorium des homöopathischen Krankenhauses. 

Dr. med. Stifft, Vorsitzender. 


12. Herbstversammlung 
des Vereins der homöopathischen Aerzte 
Württembergs in Stuttgart 

am 5. November 1899. 

Die Versammlung des Vereins der homöopa¬ 
thischen Aerzte Württembergs fand dieses Jahr 
ziemlich spät statt, aber sie war durch schönes 
Alt-Weiber-Sommerwetter begünstigt und zahlreich 
besucht, auch von Collegen ausserhalb der schwarz- 
rothen Grenzpfähle. Die Zahl der Anwesenden 
betrug 22. Es erschienen daselbst: 

1. Kirn-Pforzheim. 3. Boffenmeyer - Reut- 

2. Weiss-Gmünd. lingen. 


4. Glökler - Kirchheim- 

Teck. 

5. Eckermann - Metzin¬ 

gen. 

6. Reichel-Calw. 

7. Stiegele jun.-Stutt¬ 

gart. 

8. Grüuewald - Frank¬ 

furt a. M. 

9. Sellentin - Darmstadt. 

10. Cramer-Karlsruhe. 

11. J. Layer-Pforzheim. 


12. Förg-Heilbronn a. N. 

13. G. Layer-Wildbad. 

14. Endriss-Göppingen. 

15. Jaeger-Hall. 

16. Lorenz-Stuttgart. 

17. Schier-Mainz. 

18. v. Sick-Stuttgart. 

19. Göhrum-Stuttgart. 

20. Mossa-Stuttgart. 

21. Sigmundt - Spaichin- 

gen. 

22. Pfleiderer-Bondorf. 


Der derzeitige Vorsitzende, HerrObermedicinalrath 
Dr. v. Sick, eröffnete die Sitzung um 5 1 I 2 Uhr, und 


21 


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162 


nach Wiederbestätigung des bisherigen Vorstandes, 
des Obermedicinalraths Dr. v. Sick als Vorsitzen¬ 
den, Dr. Göhrum als Schriftführer und Dr. Lorenz 
als Kassenwart, begrüsst er die auf die Einladung 
hin zahlreich erschienenen Collegen. Sodann warf 
er einen kurzen Rückblick auf die Verhandlungen 
des Central Vereins in Elberfeld. Er hat daselbst j 
den Eindruck gewonnen, dass die persönliche, uns 
so sehr schädigende Feindseligkeit unter einzelnen 
Mitgliedern im Verschwinden begriffen und ein ver¬ 
söhnlicher Geist die Mehrzahl beseele. Je mehr 
das friedliebende Element vorherrsche, desto er- 
spriesslicher wird das Ergebniss der Centralvereins¬ 
versammlungen ausfallen, weshalb Redner die süd¬ 
deutschen Collegen dringend zum Besuch derselben 
auffordert. Der Centralverein ist nun doch das 
Centralorgan für die homöopathischen Interessen 
in Deutschland, weshalb es unsere Pflicht sei, den¬ 
selben zu kräftigen. Die durch die Berliner Col¬ 
legen demselben eingeflösste frische Bewegung ver¬ 
spricht Gutes. — Der vom Redner in Elberfeld 
gehaltene Vortrag ,,Professor Samuel und die Ho¬ 
möopathie“, über den die homöopathischen Zeit¬ 
schriften ausführlich berichtet, sei nun bereits als 
Werbeschrift im Druck erschienen und stehe den 
Collegen für sich und zur weiteren Verbreitung 
zur Verfügung. — Auch von einer der Homöo¬ 
pathie zwar befreundeten, officiell aber der alten 
Schule zugehörigen, competenten Persönlichkeit ist 
ihm volle Zustimmung zu dem im Vortrage Aus¬ 
geführten zu Theil geworden. — So lauge indessen 
die homöopathischen Anschauungen nicht Allgemein¬ 
gut der Aerzte geworden seien, würden wir in 
einer Sonderstellung verbleiben, welche durch die 
Agitation der Laien, so nützlich diese für die Ver¬ 
breitung unserer Heilmethode auch gewesen, eher 
verschärft als gebessert werden könnte. — Zu 
manchen Bedenken haben in Elberfeld die Verhand¬ 
lungen über das Leipziger homöopathische Kran¬ 
kenhaus Anlass gegeben; indessen ist zu erwarten, 
dass die zur Zeit vorhandenen Schwierigkeiten bald 
wieder zur Ausgleichung kommen werden. — Be¬ 
treffs der daselbst ausgeübten Therapie wünscht 
Redner, dass man von dem symptomatischen Ver- | 
fahren nach dem Usus der alten Schule so selten 
als möglich Gebrauch machen möchte. Er selbst hält 
es z. B. beim etwaigen Eintritt von Delirium tremens 
bei einer an Pneumonie erkrankten Person für an¬ 
gezeigt, die dem Gesaimntzuxtand einschliesslich 
der Hirnaffection entsprechenden homöopathischen , 
Mittel zu verabreichen, und nicht gleich durch 
Morphium in stärkeren Dosen das Säuferdelirium 
zu unterdrücken. Andernfalls verfällt man dem 
Vorwurf, dass man bei drohenden Symptomen ] 
genöthigt sei, immer zum allopathischen Verfahren 
zu greifen und stellt die Homöopathie hierdurch 


leicht bloss; auch ist Redner davon überzeugt, dass 
die homöopathische Behandlung, unter obigen Um¬ 
ständen, dem Kranken entschieden mehr fromme. — 
Zu erwähnen sei noch, dass der Centralverein 
Dr. Kröner-Potsdam zum Vertreter der deutschen 
Homöopathie beim internationalen Congress zu Paris 
im nächsten Jahre ausersehen habe. — Für die 
Einrichtung der Ferien-Kurse in Berlin spendet 
Redner den dortigen Collegen hohes Lob. 

Die Aufnahme des Dr. Pfleiderer in den Ver¬ 
ein der homöopathischen Aerzte Württembergs er¬ 
folgt ohne Widerspruch. 

Der Vorsitzende ertheilt jetzt das Wort an 
Dr. Weiss-Gmünd zum „Bericht über die bevor¬ 
stehende ärztliche Standesordnung und die Stellung 
der homöopathischen Aerzte dazu“. 

Da wir den mit grossem Beifall aufgenommenen 
Vortrag des Dr. Weiss, der dieses wichtige Thema 
mit grosser Sachkenntnis und scharfem Urtheil 
nach allen Seiten gründlich erwogen hat, in ex¬ 
tenso bringen, so geben wir an dieser Stelle nur 
die vom Vortragenden den Mitgliedern des Vereins 
zur Beschlussfassung vorgelegten Anträge: 

1. Es ist dringend wünschenswerth, dass jedes 
Mitglied seinen Eintritt in den zuständigen 
Bezirksverein erkläre, um in demselben bei 
Besprechung der vom Landesausschuss ihm 
vorzulegenden Entwurf einer Standesordnung 
den Standpunkt der homöopathischen Aerzte 
zu vertreten und gegen Beschlüsse, welche 
die Actionsfreiheit der homöopathischen Heil¬ 
methode beeinträchtigen können, formellen 
Protest zu erheben. 

2. Den Vorsitzenden des Vereins, Herrn Ober- 
medicinalrath I)r. v. Sick, zu ersuchen, eine 
im Sinne der Ausführungen des Redners ge¬ 
haltene Erklärung des Vereins bei der Be¬ 
gutachtung des Entwurfes zu einer Standes¬ 
ordnung der Württemberger Aerzte im Königl. 
Medicinalcollegiura abzugeben. 

3. Es mögen diese Resolutionen des Vereins in 
Gestalt eines ausführlichen Memorandums vor 
der Einbringung des Gesetzentwurfes durch 
das Kgl. Ministerium an die Kammern der 
betreffenden Commission, resp. den Präsiden¬ 
ten derselben überreicht werden. 

Der Vorsitzende eröffnet die Besprechung die¬ 
ser Anträge, zunächst des ersten, indem er aus¬ 
führt: Es haben bisher nur sehr wenige homöopa¬ 
thische Aerzte von dem ihnen, wie jedem anderen 
Arzt, zustehendeu Rechte des Eintritts in den zu¬ 
ständigen Bezirksverein Gebrauch gemacht. Er 
selbst habe es schon seit langer Zeit gethan und 
sei mit dem Anträge 1 von Collegen Weiss, dass 
die anderen Collegen es auch thun möchten, völlig 
einverstanden. Er habe auch den Sitzungen des 


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163 


Bezirksvereius I so oft beige wohnt, als dort ihn | 
interessirende Themata auf der Tagesordnung stan¬ 
den. So nahm er auch jüngst Antheil daran bei 
Besprechung der Standesordnung, namentlich wegen 
des viel erörterten § 11, welcher bestimmt, dass 
„ politische , religiöse , wissenschaftliche Fragen dem 1 
Ehrengerichte nicht unterliegen Ein Arzt war gar , 
der Meinung, dass wissenschaftliche Fragen über¬ 
haupt aus den Bezirks vereinen ausgeschlossen wer¬ 
den sollten. Da dies zu weit geht, so erklärte 
sich v. Sick dagegen. — Die von Manchen ge¬ 
hegte Besorgniss, man werde etwaige Polemik von 
homöopathischen Aerzten gegen das Heilverfahren 
der herrschenden Schule trotz dem § 11, wie er 
jetzt gefasst sei, dennoch vor die Schranken des 
Ehrengerichts ziehen können, weil ja der Homöo¬ 
pathie von ihren Gegnern der wissenschaftliche 
Charakter abgesprochen werde, könne er nicht 
theilen. So wollten einst difficile Leute, als in 
einem Staate absolute Religionsfreiheit gewährt j 
wurde, doch noch einen besonderen Schutz für die 
Atheisten, weil man besorgte, dass diese als reli 
gionslos durch jenes Gesetz nicht genügend ge¬ 
schützt seien. In praxi sei ein solcher Fall aber 
kaum vorgekommen. 

Mossa. Bisher sind wir Aerzte meist inter- 
esse- und theilnahmlos aneinander vorübergegangen, 
wenn nicht hier und da einmal eine unliebsame 
Friction stattgefunden hat. Das einzige Band, was 
mich mit der Gesammtheit noch verknüpft, war 
der Beitrag für die — Wittwenkasse. Durch die 
Standesordnung wird diese Isolirung aber wohl auf¬ 
hören; wir werden den Bezirks vereinen beitreten 
müssen, deshalb sei es jetzt an der Zeit, freiwillig 
denselben beizutreten, um unsere Sache bei Zeiten 
zu vertreten und einen Modus vivendi mit den 
allopathischen Coli egen zu gewinnen. 

Lorenz erklärt sich mit Weiss’ Anträgen ein¬ 
verstanden, auch in dem, was die Prophylaxe be- l 
trifft; die neue Standesordnung könnte Gefahr für 
uns bringen, deshalb möchte er rathen und be¬ 
antragen, eine ständige Commission aus unserer 
Mitte zu erwählen, die den Verlauf der Dinge im 
Auge behält, um zur rechten Zeit abwehrende 
Schritte thun zu können. I 

v. Sick stimmt dem zu. 

Weiss erwartet von seinem 1. Anträge schon , 
eine solche prophylaktische Wirkung. 

Förg ist mit Antrag 1 einverstanden, da man 
ihn aber im Ortsverein von Heilbronn schroff zu¬ 
rückgewiesen habe, so sei es ihm, nachdem er 
deshalb aus dem Bezirks verein ausgeschieden, jetzt 
nicht möglich, in letzterem wieder die Aufnahme | 
nachzusuchen. 

Der Vorsitzende lässt nun zunächst über Weiss’ | 
Antrag 1 abstimmen; dieser wird von der Versamm- | 


lung angenommen; sodann über Lorenz’ Antrag 
betreffs Niedersetzung einer Commission; auch die¬ 
ser, als praktisch allgemein anerkannt, wird accep- 
tirt und wird sofort zur Wahl der Commissions¬ 
mitglieder geschritten. Als solche werden v. Sick, 
Lorenz, Weiss, Glökler uud Göhrum vorgeschlagen 
und auch gewählt. — Die beiden anderen Anträge 
von Weiss werden vorläufig noch zurückgelegt, da, 
wie der Vorsitzende ausführt, der geschäftsmässige 
Gang derartiger Angelegenheiten eine geraume 
Zeit in Anspruch nehmen werde. Die Commission 
werde unsere Sache nach Kräften wahren und ver¬ 
treten. 

Inzwischen war die Zeit des auf 8 r / 2 Uhr an¬ 
gesetzten gemeinschaftlichen Abendessens heran¬ 
genaht, und so wurde dieser gastronomische Theil 
der Tagesordnung in Ausführung gebracht. — 
Mossa, angeregt durch den Gedanken, dass diese 
Herbst Versammlung des Vereins die letzte in die¬ 
sem Jahrhundert ist, gab bei der Tafel diesem 
Säculum, das die Homöopathie in der Wiege, in 
ihrem Wachsen und Gedeihen gesehen, einen 
Scheidegruss. Er erinnerte die jüngere Generation 
an die schweren Kämpfe, welche unsere Heilkunst 
nicht nur nach aussen, sondern auch im eigenen Lager 
zu bestehen gehabt hat, indem jeder Satz der von 
Hahneraann aufgestellten Lehre und Praxis durch 
die Feuerprobe einer oft äusserst scharfen Kritik 
hindurch gehen musste. Wie frühzeitig entbrannte 
der bis auf die neueste Zeit fortgesetzte Streit 
zwischen den Makro- und Mikro-Dosisten, wie ge¬ 
waltig donnerte und blitzte der Alte von Cöthen 
gegen die Halb- oder Dreiviertel-Homöopathen! 
Aber unter all diesen Kämpfen, gegen welche der 
in unseren Tagen gegen das Leipziger homöopa¬ 
thische Krankenhaus nur ein kleines Intermezzo 
bildet, erstarkte die Homöopathie und ist zu einem 
starken, riesigen Baume herangewachsen, der seine 
Aeste über die ganze cultivirte Erde erstrecke, 
und auch innerlich ist sie gereift. Wenn wir uns 
nun am Ende des neunzehnten Jahrhunderts des 
blühenden Zustandes unserer Heilkunst erfreuen, 
so darf uns dennoch nicht der Gedanke beikommen, 
dass wir, die wir die reiche Erbschaft angetreten, 
nun die Hände in den Schooss legen dürfen, son¬ 
dern eingedenk des Goethe’schen Wortes: ,,Was 
du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um 
es zu besitzen,“ muss ein Jeder von uns bestrebt 
sein, zum weiteren Ausbau unserer Heilkunst und 
zur vollen Anerkennung derselben in der Wissen¬ 
schaft wie im Staat nach Kräften mitzuwirken. 
Homoeopathia vivat, fioreat, crescat a seculo ad 
seculum! — Dieser Spruch fand bei den Versam¬ 
melten einen begeisterten Anklang. 

Leiblich gestärkt und geistig erfrischt ging die 
Gesellschaft wieder in das Sitzungszimmer an die 

21 * 


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ernste Arbeit. Zunächst brachte der Vorsitzende 
die Frage, an welchem Tage in der Woche wir 
künftig unsere Versammlung abhalten sollten, zur 
Sprache. Hierbei stellte es sich heraus, dass der ; 
Sonntag den meisten Collegen der am besten ge- ! 
eignete Tag erschien; nur wurde der Wunsch aus¬ 
gesprochen, die Sitzung auf eine frühere Stunde 
des Nachmittags anzusetzen, dem in der Folge denn 
auch entsprochen werden soll. 

Weiter kam er auf die Arzneiprüfungen zu 
sprechen und ertheilte Dr. Schier-Mainz betreffs 
dieser Angelegenheit das Wort. 

Schier forderte die Anwesenden dringend auf, ' 
an den Arzneiprüfungen, dieser für uns so wich- I 
tigen Sache, regen Antheil zu nehmen, und sobald | 
als möglich mit der Prüfung von Lnthyrus sativus , 
das für dieses Jahr vom Centralverein als Prüfungs¬ 
mittel bestimmt ist, an sich selbst und ihren Be¬ 
kannten zu beginnen, damit er im Stande sei, die j 
Redigirung der Prüfungsprotokolle rechtzeitig zu | 
erledigen. Für die sich bereit erklärenden Herren j 
werde Dr. Schwabe in grosser Liberalität das Prä¬ 
parat liefern. — j 

Sodann erhielt Mossa das Wort zu seinem an- ] 
gemeldeten Vortrage: „Spongia bei Herzkrank¬ 
heiten.“ 

Da wir diesen Vortrag ebenfalls ausführlich in 
dieser Nummer bringen, so wollen wir hier nur die 
lebhafte, au dieses Thema sich anschliessende Dis- 
cussion wiedergeben. 

v. Sick dankt dem Redner für die Mittheilungen 
und fragt ihn, ob er die Spongia noch in anderen 
ähnlichen Fällen angewandt und erprobt habe Er 
selbst hätte unter ähnlichen Umständen eher an 
Kali carbon. gedacht. 

Mossa: In einem Falle, wo er Aneurysma aortae 
diagnosticirt, habe es wenig gewirkt Ein dem ge¬ 
schilderten völlig ähnlicher Fall mit den hervor¬ 
gehobenen charakteristischen Zeichen ist ihm nicht 
wieder vorgekommen. 

Kirn erinnert daran, dass in der gerösteten j 
Spongia neben Jod sicherlich auch Kohle (eine Art j 
Carbo animalis. Ref.) und wohl auch Kali carbo- 
nicum enthalten sei. (Carbo veget. und animalis 
können bei Asthma mit asphyktischen Symptomen 
sehr wirksam sein, zumal bei alten Personen; hier 
ist aber einmal der chronische Katarrh der Luft¬ 
röhre, dann aber auch die Flatulenz das ursächliche 
Moment. Ref.) 

v. Sick. Spongia stellt in der That ein sehr 
complicirtes Mittel dar, das aber doch wieder eine 
Einheit bildet und als solches geprüft worden ist. 

Göhrum constatirt, dass er bei Kranken mit 
Herzaffectionen oftmals den nach der Weihe’schen 
Methode für Spongia sprechenden Schmerzpunkt 


gefunden habe. Dieser liegt im U. linken Inter- 
costalraum, rechts von der Mamillarlinie. 

G. Lay er berichtet folgenden Spongia-FaU. Elin 
11 jähriges Mädchen, dessen Eltern an Gelenkrheu¬ 
matismus gelitten, erkrankte an rheumatischen Be¬ 
schwerden, die durch Natrum sulphuricum und 
Bryonia beschwichtigt wurden. Im Mai bei recht 
kaltem Wetter stellte sich ein schweres Recidiv ein. 
Von der Schule nach Hause gekommen, bekam sie 
Anschwellung der Gelenke, bald zeigten sich auch 
Herzbeschwerden. Sie wurde apathisch, cyanotisch, 
der Puls kaum fühlbar. Dazu Oedem und Kälte 
des Körpers. Am Herzen lässt sich eine Dilatation 
nachweisen. 

Eingedenk einer Bemerkung von Farrington 
über die Wirkung von Spongia auf das Herz gab 
Lay er Spongia 200., 20 Globuli in einem Glase 
Wasser, 1 / 2 stündlich einen Theelöffel voll. Am 
anderen Morgen war Pat. wesentlich besser. 

v. Sick hat bei bedenklichen Zuständen in 
acuten Leiden, namentlich Lungenentzündung, wo 
Cyanose, rasselnder Athem, Collapsus zugegen war, 
in manchen Fällen von Carbo vegetabilis Besserung 
und Heilung beobachtet. 

Sigmundt ist durch einen Fall von schwerem 
Typhus bei einer Frau, wo die Prognose wegen 
Zutritt einer hypostatischen Pneumonie sehr trübe 
war, und die von Prof. Rapp (neben Wein) verab¬ 
reichte Carbo vegetabilis der Krankheit eine ent¬ 
schiedene Wendung zum Bessern gab, zuerst von 
der Homöopathie überzeugt worden. 

Kirn. Nach Weihe ist Jod ebenfalls ein wich¬ 
tiges Herzmittel. 

Göhrum sagt, Spongia sei auch im Beginne 
von Herzleiden brauchbar, was Mossa nach den 
bisherigen Beobachtungen, abgesehen von dem so 
acuten Falle von G Layer, für noch nicht er¬ 
wiesen hält. 

Stiegele junior berichtet eine treffliche Wir¬ 
kung von Carbo vegetabilis bei einer Frau, die 
längere Zeit an Parese des gesammten Darmtractus 
gelitten. Sie lag im Bette, an Kräften sehr her¬ 
untergekommen, mit grosser Gemüthsdepression; die 
Darmentleerung war schleimig. Sechs Wochen war 
sie ohne Erfolg mit Abführmitteln behandelt wor¬ 
den. — Carbo vegetabilis 6. brachte bald eine 
wesentliche Besserung im Magen und Darm; damit 
verschwand auch die psychische Depression. Nach 
5 wöchentlicher Behandlung war der Stuhl völlig 
geregelt. 

End riss hat Carbo veget. in mehreren Fällen 
von schwerer Athemnoth mit chronischen Darmka¬ 
tarrhen, hartnäckiger Verstopfung, hoher Flatulenz, 
zeitweiligem Herzklopfen sehr wirksam gefunden. 
Es waren meist alte Leute, die nur wenig Löffel 
Essen zu sich nahmen. 


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165 


Sigmund t bestätigt dies aus seiner Gegend; die 
Verstopfung wechselt in derartigen Fällen oft mit 
Durchfall: Carbo veget. sei ein wahres Polychrest. 
Er gebraucht das Mittel in der 6. Dil. 

Cr am er beobachtete derartige Fälle in Karls¬ 
ruhe oft bei Frauen. — Eine Frau glaubte an 
beginnender Schwindsucht zu leiden, sie hatte 
Schmerzen oben unter den Lungenspitzen, dabei 
öfters Herzklopfen, Meteorismus, Verstopfung. Carbo 
veget. 8. Dil. half. 

Sigmundt hebt noch das schlechte Vertragen 
von Fetten bei diesen Pat. hervor. 

Schier. Bei manchen Kranken kommen auch 
Kröpfe, oft von sehr geringem Umfange, vor; hier 
sei Spongia 3. oder 2. angezeigt. 

G. Layer hat bei einem 7 — 8jährigen Mädchen 
einen parenchymatösen Kropf nach einer Gabe 
Spongia 200. aller 8 Tage in Zeit von 3 — 4 Wochen 
sich verkleinern sehen; der Kropf kam dann wie¬ 
der, und wich abermals auf Spongia. 

Schier wendet ein, es komme, wie er an sich 
selber beobachtet, ein zeitweises Ab- und An¬ 
schwellen des Struma vor. Die Beschwerden waren 
aber gerade beim Anschwellen geringer. — Der 
Einfluss des Mondes auf diese Schwankungen sei 
nicht zu verkennen. 

Layer. Obiger Kropf dauerte schon mehrere 
Jahre. — Schliesslich verging er. 

Kirn. Die Schilddrüse sei ein Organ für die 
Regulirung des Blutdruckes, woher ihr Zusammen¬ 
hang mit Herzkrankheiten und das Auftreten von 
Schlaganfällen, Blödsinn nach Exstirpation des 
Kropfes. 

Pf lei der er ist der Ansicht, dass nach der 
Operation das Blut eine chemische Veränderung 
erleide, indem nach Ausschaltung der Schilddrüse 
aus dem Kreisläufe eine Dyskrasie des Blutes ent¬ 
steht. Der Idiotismus der Kropf kranken ist durch 
eine Kur mit Schilddrüsensubstanz gehoben worden. 

Mossa. Junge Mädchen leiden in der Ent¬ 
wicklungsperiode oft an Struma, das durch homöo¬ 
pathische Mittel, wie Calc. c. oder auch Natrum rour., 
gebessert wird, manchmal wohl auch selbst ver¬ 
geht. — Gegen den indurirten Kropf ist es schwer, 
etwas auszurichten. 

Cramer. Es ist ihm aufgefallen, dass in der 
Pathogenesie von Spongia bald das Tief-, bald das 
Hochliegen im Bette als charakteristisch hinge¬ 
stellt sei. 

G. Layer. Das Hochliegen oder Aufsitzen der 
Spongia-Kranken kommt als Symptom in dem mo¬ 
mentanen Anfall vor; sonst befinden sie sich im 
Tiefliegen besser, da zumal bei Kropfkranken das 
Gehirn schlecht mit Blut versorgt ist. 

Schier meint, es sei hier nur ein scheinbarer 
Widerspruch. Patienten, die eine Neigung zu 


I Lungenkrankheiten haben, die liegen gern, während 
| die mit Herzkrankheiten lieber aufsitzen. 

Mossa. Solche scheinbare Widersprüche kom¬ 
men in unseren Arzneiprüfungen vielfach vor: so 
bei vielen Patienten Verstopfung und Durchfall, 
z. B. bei Sulphur und Natrum mur. — Dies hängt 
theils von der Gabengrösse ab, theils sind es 
Schwankungen, Oscillationen (v. Grauvogl), die in 
dem Auf- und Absteigen in der Function eines 
Organs beruhen. Er erinnerte hierbei an die seiner 
Zeit von Prof. Hoppe-Basel bekannt gemachten Ver¬ 
suche über An- und Abschwellung der Blutgefässe, 
bei denen merkwürdiger Weise höhere Potenzen 
einen stärkeren Impuls zeigten als die niederen. 

v. Sick weist auf die von Hahnemann aufge¬ 
stellte Lehre von den Wechsel- und Gegenwirkungen 
eines Mittels hin. 

Sigmundt. Rapp sagte, solche Gegensätze in 
der Wirkung kämen bei allen Mitteln vor. 

Sellentin erinnert an die Primär- und Secun- 
där-Wirkung der Mittel. — 

Damit endete diese ausgiebige, interessante und 
lehrreiche Discussion. Die Tagesordnung war er¬ 
schöpft, doch gab der Vorsitzende und die Ver¬ 
sammlung dem Collegen G. Layer gern Gelegen¬ 
heit, sein Correferat über gynäkologisch-therapeu¬ 
tische Behandlung, an dem er in der Versammlung 
zu Rorschach verhindert gewesen, hier zum Vor¬ 
trag zu bringen, wobei er freilich in vielen Punkten 
den Ausführungen des Referenten Künzli ent¬ 
gegentrat. 

Künzli räth als Vorbeugungsmittel — zur 
Verhütung von Endometritis — nach jedem Abortus 
und schweren Geburten mit operativem Eingriffe 
Apis und Arsen, zu geben. 

Layer will schon vorher dafür Sorge bei den 
Gravidis tragen, dass es nicht zur Einnistung von 
Bakterien komme und die Constitution der Frau 
gekräftigt werde. Zu dem Zwecke nehme jede 
Gravida aller 8 Tage ein warmes Bad, jedes iertel- 
jahr eine V aginalausspülung von 8 / 4 Liter Wasser, 
*/ 4 Liter 96°/ 0 gen Alkohol und 1 Esslöffel Aruika- 
Tinctur, in den letzten 4 Wochen aber aller acht 
Tage ein solches; bei der Geburt Vaseline, unter 
Alkohol aufbewahrt. Bei diesem Verfahren hat 
Redner, wie er sagt, in seiner 7 8jährigen Frauen¬ 
praxis keinen Fall von Puerperalfieber erlebt, an 
dem er sich hätte die Schuld beiraessen können. — 
1 Während der Geburt giebt er Arnica; wenn Blu- 
t tung zu befürchten ist, wenn Placenta adhaesiva 
früher vorgekommen, Hydrastis canadensis, 30. 
6.-3.; bei acuter Sepsis: Alkoholausspülung; Aus¬ 
räumung etwaiger Placentar-Reste ist geboten. Bei 
eingetretener Metritis: Arsen., Apis, Bryon.; vor 
Mercurius warnt er jedoch, äusserlicli warme Kata 
| plasmate, nie Eisblase! 


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166 


Die von Künzli bei chronischer Endometritis 
empfohlenen intrauterinen Einspritzungen von Jodo¬ 
form-Lösungen oder Jodoform-Tampons verwirft er; 
hier genüge die homöopathische Behandlung voll¬ 
ständig. Jodoform erscheint deshalb unschuldig, 
weil es langsam resorbirt wird infolge der grossen 
Schleimabsonderung. 

Die Leukorrhoe sei keine selbständige Erkran¬ 
kung, sondern nur ein Symptom; mit der Gruud- 
krankheit höre auch der Weissfluss auf. Durch 
äusserliche Mittel beseitigte Leukorrhoe mache in 
kürzerer oder längerer Zeit eine Metastase nach 
einem anderen Organ; so seien Mamillarknoten oft 
die Folge eines malträtirten Gebärmutterleidens — 
ebenso manche Migräne und Psychosen haben hierin 
ihre Wurzel. — Aehnlich verhalte es sich mit der 
äusserlichen Unterdrückung von Fussgeschwüren 
und Milchschorf. 

Kirn beobachtete einen Fall, wo nach äusser- 
licher Behandlung und Beseitigung eines Ulcus 
cruris hochgradige Dyspnoe auftrat, die erst nach 
Sulp hur wieder wich. 

Sellentin dagegen redet bei diesen Leiden 
auch der äusserlichen Behandlung das Wort. Er 
hatte eine Frau zu behandeln, der man wegen 
eines gangränescirenden Schenkelgeschwürs das 
Bein in einer Klinik amputiren wollte: Nachdem 
Sulphur und Arsen, jod. wenig gefruchtet, wandte 
er eine Salbe von Argentum nitricum (0,01 auf 50) 
an. Unter Anwendung derselben bildete sich eine 
gute Granulation und das Geschwür kam zur Ver¬ 
heilung. — Allerdings war in diesem Falle ein 
Trauma die Veranlassung des Leidens gewesen, 
nämlich eine Contusion am Schienbein. — 

Lay er spricht sodann über die von Künzli bei 
Uterinfibromen empfohlene Massage, welche er miss¬ 
billigen muss. Auch Thure-Brandt und Ziegenspeck, 
Autoritäten auf diesem Gebiete, hätten die Massage 
bei diesem Leiden nicht angewandt. Layer meinte, 
es läge bei Künzli eine Verwechselung mit Cysten 
vor. Gegen solche habe ihm die Massage manche 
gute Dienste geleistet. Er zerdrückt die Cyste, 
wobei freilich ein Choc selten ausbleibt, der aber 
nie einen hohen Grad erreicht. Hat die Cyste 
keinen infectiösen Inhalt, so schadet ihre Entleerung 
in die Bauchhöhle gar nicht. Hierüber muss uns 
die Anamnese und genaue Untersuchung Aufschluss 
geben. — 

Redner erklärt sich bereit, wenn es die Col- 
legen wünschen, die gynäkologische Therapie vom 
Standpunkte des homöopathischen Arztes zum Gegen¬ 
stände eines späteren Vortrages zu machen. 

Beachtenswerth ist J. Layer’s Mahnung, die 
gynäkologische Untersuchung bei kranken Frauen 
nie zu versäumen, um nicht in der Diagnose und 
Therapie zu Fehlgriffen zu kommen. Zur Beleuch- 


| tung seines Ausspruchs berichtete er einen Fall 
mit ödematöser Anschwellung an den unteren Ex¬ 
tremitäten, besonders der einen Seite. Von einer 
I Erkrankung der Brust- oder Bauchorgane, der Leber 
oder Nieren war nichts nachzuweisen. Bei der 
| Untersuchung der Beckenorgane fand er aber eine 
parametrische Geschwulst, die auf die Vena iliaca 
einen starken Druck ausübte und so zu der An- 
I Schwellung Anlass geben musste. — 

Im Verlaufe dieser Verhandlungen war aber 
die Zeit bis um 11 Uhr Nachts vorgerückt; der 
Vorsitzende schloss nun die Sitzung mit einem Dank 
auf die zahlreich erschienenen Mitglieder des Ver- 
| eins und ihre lebendige Theilnahme an den Dis- 
cussionen zu den Vorträgen, aus denen man so 
manches für die Praxis Brauchbare habe entnehmen 
j können. — 

Nachträglich sei noch bemerkt, dass die Col- 
I legen Glökler-Kirchheim o. Teck, Reichel-Calw, 

| Eckermann - Metzingen, Stiegele junior - Stuttgart, 
Pfleiderer - Bondorf, Cramer - Karlsruhe, Sellentin- 
Darmstadt, Lorenz-Stuttgart und G. Layer-Wildbad 
an der Prüfung von Lathyrus sat. theilnehmen 
wollen und bis spätestens März ihr Prüfungsproto- 
' koll an Collegen Schier-Mainz einzusenden ver¬ 
sprochen haben. Hoffen wir, dass sie, ohne gar 
zu sehr dabei zu leiden, ergiebige pathogenetische 
Zeichen von diesem Mittel an sich erfahren mögen. 

Dr. Hossa. 

Die bevorstehende ärztliche Standesordnung 
und die Stellung der homöopathischen Aerzte 
zu derselben. 

Vortrag von Dr. Weiss-Gmünd. 

Sehr geehrte Herren Collegen! 

Der unermüdliche Herr Schriftführer unseres 
Vereins hat mich unlängst aufgefordert über die 
bevorstehende ärztliche Standesordnung und die 
Stellung der homöopathischen Aerzte dazu am 
! heutigen Abend Bericht zu erstatten. Ich habe 
1 mich dieser Aufgabe gern unterzogen, weil ich in 
meiner Eigenschaft als homöopathischer Arzt und 
zu gleicher Zeit als einer der ältesten Mitglieder 
des 5. ärztlichen Bezirksvereins und des Gmünder 
( Ortsvereins in dieser Frage hinlänglich orientirt zu 
, sein glaube. Wenn es je für die Aerzte im All¬ 
gemeinen von Wichtigkeit war zu einem Gesetz¬ 
entwurf rechtzeitig Stellung zu nehmen, so ist dies 
der Fall bei dem uns vorliegenden Entwurf einer 
ärztlichen Standesordnung, bei der zumal für die 
homöopathischen Aerzte in hervorragender Weise 
das Wort gilt „tua res agitur“. Meine Herren! 
Bekanntlich galten die deutschen Aerzte vor dem 


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167 


Gesetz als Gewerbtreibende. § 6 der Reichs- 1 
gewerbeordnung bestimmt nämlich: Auf.... die 
Ausübung der Heilkunde findet das gegenwärtige 
Gesetz insoweit Anwendung, als dasselbe ausdrück¬ 
lich Bestimmungen darüber enthält. Die wichtigste | 
von diesen Bestimmungen ist diejenige des § 29, i 
die gleichsam die Grundlage für die Stellung des j 
praktischen Arztes bildet und die Approbations- i 
Vorschriften sowie die Freizügigkeit des Arztes im | 
ganzen deutschen Reich enthält. Die praktischen I 
Aerzte gehören sonach zu den Gewerbtreibenden, 
die einer besonderen „ Approbation u bedürfen, nur 
wer eine solche besitzt ist berechtigt sich als Arzt 
zu bezeichnen, dagegen ist die Ausübung der Heil¬ 
kunde im Allgemeinen freigegeben. 

Soweit nun aber in der Reichsgewerbeordnung 
weitere Bestimmungen fehlen, können für die Aus¬ 
übung der Heilkunde landesgesetzliche Vorschriften 
erlassen werden. Z. B. für ärztliche Standes- und 
Gebührenordnungen etc.; und solche Erlasse und 
Gesetze betreffend die staatliche Organisation des 
ärztlichen Standes sind bis jetzt nur in den Bundes¬ 
staaten Preussen, Bayern, Sachsen, Württemberg, 
Baden, Hessen, Oldenburg, Braunschweig, Hamburg | 
und Elsass-Lothringen vorhanden, in den übrigen > 
16 Bundesstaaten noch nicht. Die Berufsthätigkeit I 
des wfirttembergischen Arztes speciell bewegte sich 
bis dato in dem Rahmen der durch die Reichs¬ 
gewerbeordnung und die Verfügung des Königlich 
Württembergischen Ministerium des Innern betreffend 
die ärztlichen, thierärztlichen und pharmaceutischen 
Vereine vom 30. December 1875 sowie der König]. \ 
Verordnung betr. die Gebühren der Aerzte etc. vom j 
17. März 1899 sammt der Verfügung des Ministe¬ 
rium des Innern betr. die Gebühren der approbirten 
Aerzte etc. für die Geschäfte der Privatpraxis vom 
25. März 1899 gegebenen Normen. Nach § 1 des i 
Ministerialerlasses von 1875 sind die approbirten ( 
Aerzte befugt, zur Vertretung ihrer gemeinsamen J 
Interessen einen ärztlichen Landesverein zu bilden, 
der von der Regierung als das Organ des ärztlichen 
Standes anerkannt wird, wenn und so lange er den 
vorgeschriebenen Bedingungen entspricht. Wer nach 
§ 3 Mitglied des ärztlichen Vereins werden will 
hat einem Bezirksverein beizutreten. Der Beitritt , 
ist von dem Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte j 
abhängig, bleibt aber dem Ermessen jedes Einzelnen 
anheimgestellt. Der Austritt muss beim bleibenden 
oder zeitlichen Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte | 
erfolgen. Im übrigen bleibt er dem Belieben des 
einzelnen Mitglieds Vorbehalten. Der ärztliche : 
Landesverein gliedert sich in 8 Bezirksvereine, 
welche die einzelnen Ortsvereine in sich begreifen. 
Die Bezirksvereine haben wissenschaftliche, colle- 
giale und sociale Standesaufgaben zu erfüllen und 
können selbständig Anträge an die betr. Unter- ! 


behörden des Landes bringen sowie auf Veranlas¬ 
sung der letzteren sachverständige Gutachten an 
dieselben abgeben. 

Die einzelnen Bezirksvereine wählen je auf die 
Dauer von 3 Jahren einen Delegirten und für jeden 
derselben einen Stellvertreter aus ihrer Mitte. Diese 
Delegirten bilden den Ausschuss des ärztlichen 
Landesvereines. Diesem Ausschuss liegt ob „sich 
mit Fragen und Angelegenheiten zu befassen und 
darüber in Berathung zu treten, welche entweder 
die ärztliche Wissenschaft und Kunst als solche 
oder das Interesse der öffentlichen Gesundheits¬ 
pflege betreffen oder auf die Wahrung und Ver¬ 
tretung der bürgerlichen- und Berufsinteressen der 
Aerzte sich beziehen. Ausserdem wird der Aus¬ 
schuss von dem Ministerium des Innern oder dem 
Medicinalcollegium in den genannten Angelegen¬ 
heiten gutächtlich gehört, und in der Regel all¬ 
jährlich einmal zur Theilnahme an den Verhand¬ 
lungen im Ministerium des Innern oder im Medi¬ 
cinalcollegium über wichtigere derartige Gegenstände 
beigezogen. Uebrigens steht dem Ausschuss noch 
zu, unaufgefordert in Sachen der Medicinaiverfassung 
und Medicinalverwaltung Anträge zu stellen, auf 
vorhandene Mängel und Uebelstände aufmerksam 
zu machen und wünschenswerthe Verbesserungen 
in Vorschlag zu bringen. 

Disciptinarbefugnisse stehen den Bezirksvereinen 
nicht zu; einzelne Vereine, wenn ich recht unter¬ 
richtet bin, ausschliesslich die Ortsvereine, haben 
eine Standesordnung ausgearbeitet, darunter der 
Gmünder ärztliche Verein, auf welche sie ihre 
Mitglieder verpflichten. 

Meine Herren! Sie ersehen aus dem Gesagten, 
dass die freiheitlichen Errungenschaften der Reichs¬ 
gewerbeordnung, nämlich Freizügigkeit des Arztes, 
Freiwilligkeit der Hilfeleistung und Freigebung der 
Ausübung der Heilkunde durch die bisherige Landes¬ 
gesetzgebung in keinerlei Weise beschränkt worden 
sind. Nach den bestehenden Bestimmungen findet 
also kein Beitrittszwang zu den Vereinen statt und 
stehen dem Bezirksvereine keinerlei disciplinarische 
Befugnisse über seine Mitglieder zu. Er ist also 
ausser Stande, unwürdigen Collegen den Eintritt 
in den Bezirksverein zu wehren oder solche, wenn 
sie schon Mitglieder sind, aus dem Verein auszu- 
schliessen, so lange sie noch im Besitze der bürger¬ 
lichen Ehrenrechte sind. Z. B. diene ein Fall aus 
dem 5. ärztlichen Bezirksverein, bei welchem ein 
anrüchig gewordener College, gegen welchen von 
seiner Vorgesetzten Behörde eine Disciplinarunter- 
suchung mit nachfolgender Amtsentsetzung ein¬ 
geleitet werden musste, nicht dazu bewogen werden 
konnte, seinen Austritt aus dem Verein zu erklären. 
Der Verein war genöthigt sich daraufhin aufzu¬ 
lösen und musste nach Jahresfrist vollständig neu- 


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168 


organisirt werden, wobei er immer noch Gefahr 
lief durch die Beitrittserklärung des betr. Herrn, 
die zum Glück nicht erfolgte, wieder zu nichte zu * 
werden, allein nicht nur aus dem Mangel jeglicher 
Disciplinarbefugnisse der Bezirksvereine, sondern 
auch aus der Freiwilligkeit des Beitritts zu den¬ 
selben erwuchs eine Reihe der schwerwiegendsten 
Missstände. Ich brauche den Herren Collegen die 
ganze Jeremiade der letzten 2 Jahrzehnte nicht 
vorzuerzählen, da Sie zum grössten Theil sie 
schaudernd selbst erlebten. Nur hervorheben möchte 
ich, dass die junge Organisation des ärztlichen 
Standes gleich bei ihrem Anfang auf die schwer¬ 
sten Proben gestellt wurde, die es nur geben kann, 
denn sie fiel in die Zeit der Socialgesetzgebuhg. 
Mächtige Verbände von Krankenkassen, Alters¬ 
und Invaliditätskassen, berufsgenossenschaftliche 
Organisationen, grosse Verbände von Lebens ver- 
sicherungs- und Unfallversicherungs-Gesellschaften 
suchten dem ärztlichen Stand Gesetze aufzuerlegen, 
bei deren Ausarbeitung er nicht gehört, sein Inter¬ 
esse nicht gewahrt und seine Ehre nicht berück¬ 
sichtigt worden war; nicht zu vergessen ist dabei, 
dass auch die Regierungen, obwohl der Erfolg der 
Socialgesetzgebung die Wissenschaftlichkeit und 
Gewissenhaftigkeit des ärztlichen Standes zur Vor- ! 
aussetzung hatte, die Wünsche und das Gutachten 
des ärztlichen Standes nur selten einholten, noch 
weniger aber berücksichtigten. Kein Wunder also, 
dass unter solchen Verhältnissen die Beschlüsse der 
ärztlichen Bezirksvereine grösstentheils wirkungslos ! 
blieben und dass verschiedene Aerzte es vorzogen 
den Vereinen, welche ihnen nur Pflichten auf¬ 
legten, aber keine Rechte und keinen Schutz er- 
theilten, fern zu bleiben, ihren Sonderinteressen j 
nachzugehen, durch Unterbietung den Werth der ( 
ärztlichen Dienstleistung überhaupt in den Augen 
des Publikums herabsetzten und den ganzen Stand 
durch entwürdigende Dienstverträge zu benach- 
theiligen. Zu dem Allem kam noch das Unglück 
des unerhörten Anwachsens des ärztlichen An¬ 
gebots, das eine scharfe Concurrenz in bisher 
nicht üblichen Formen und ein unsauberes Re- 
clamewesen hervorrief. Kurz, wer überhaupt ein 
feines Gefühl für sociale Strömungen und die 
öffentliche Meinung hat, wird mir ohne Weiteres 
zugeben, dass trotz des Aufschwungs der ärzt¬ 
lichen Wissenschaft in den letzten 25 Jahren im 
Durchschnitt der Arzt in der allgemeinen Achtung 
gesunken ist. Dass diese Missstände bestehen 
unterliegt keinem Zweifel, wie ihnen aber abzu¬ 
helfen, darüber gehen 'Me Meinungen noch weit 
auseinander. Entspreche ad dem socialen Zug un¬ 
serer Zeit lag der Gedanke nahe, durch eine 
bessere Organisation des ärztlichen Standes zunächst 
einmal eine einheitliche Behandlung aller Fragen, 


die ihn betreffen, anzustreben und dem ,,divide et 
impera“, das bisher befolgt worden war, ein Ende 
zu machen. Diesem von der überwiegenden Mehr¬ 
zahl der deutschen Aerzte getheilten Wunsche 
haben die Regierungen sieb nicht verschliessen 
können und so sind nach der Reihe in Preussen, 
Sachsen, Württemberg und Bayern Gesetzesent- 
würfe eingebraebt und Gesetze gegeben worden, 
welche die berufsgenossenschaftliche Neuorganisa¬ 
tion des ärztlichen Standes auf Grund der ge¬ 
machten Erfahrungen in den betreffenden Ländern 
ins Werk setzen sollen; wir haben es in unserem 
engeren Kreise zunächst mit dem auf Anregung 
der Königlich Württembergischen Regierung durch 
eine Commission des ärztlichen Landesausschusses 
ausgearbeiteten Entwurf einer Neuorganisation un¬ 
seres Standes zu tbun, welcher sich in seinen Grund¬ 
zügen an die frühere Ordnung anschliessend als neue 
Leitgedanken Zwangsbetheiligung, Standesordnung 
und Ehrengericht und Umlagebefugniss enthält. 
Und dieser Entwurf, meine Herren, welcher in 
No. 27 des Jahrgangs 1899 des „Medicinischen 
Correspondenzblattes“ enthalten ist, wird Ihnen 
ohne Zweifel seinem Wortlaut nach bekannt sein, 
so dass ich mir wohl die Wiedergabe heute er¬ 
sparen kann. Dieser Entwurf also ist es, welcher 
gegenwärtig den Bezirksvereinen zur Durchbera- 
thung vorliegt. Nachdem der Entwurf in den 
meisten Bezirksvereinen im Princip angenommen 
und den Delegirten der Auftrag zu nur wenigen 
und unwesentlichen Abänderungen gegeben worden 
ist, unterliegt es gar keinem Zweifel, dass der Ent¬ 
wurf auf den Wunsch der überwiegenden Mehrzahl 
der württembergischen Aerzte, vielleicht mit einigen 
redactioneilen Abänderungen des begutachtenden 
Königlichen Medicinalcollegiums vom Königlichen 
Ministerium des Innern den Abgeordnetenkammern 
vorgelegt wird. Ich würde es für unnütze Zeit¬ 
vergeudung ansehen, wenn wir bei dieser Sachlage 
uns mit Vorbringung principieller Bedenken gegen 
die Zwangsbestimmungen, welche er im Unter¬ 
schied gegen das frühere Vereinsgesetz enthält, 
auf halten würden; da solchen, wenn sie je in un¬ 
serem engeren Kreise vorhanden wären, in An¬ 
betracht der grossen Majorität, die sich für die¬ 
selben ausgesprochen hat, an massgebender Stelle 
sicher keine weiteren Folgen gegeben würden. Wir 
haben uns also, meine Herren, und damit komme ich 
zum 2. Theil meines Themas, als württembergische 
Aerzte mit diesem „Fait accompli“ abzufinden 
und wären wir als Homöopathen, welche in wissen¬ 
schaftlichen Dingen eine esoterische Stellung ein¬ 
nehmen, auch noch so geneigt diese Stellung auf 
( das sociale Gebiet zu übertragen, so sind wir ein¬ 
fach genöthigt mit den Thatsachen zu rechnen und 
rebus sic stantibus uns auf den Boden des kommenden 


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Vereinsgesetzes mit allen übrigen Aerzten des 
Landes uns zu stellen. (Schluss folgt.) 


Spongia marina in Herzleiden. 

Von Dr. Mossa. 

Am 31. Januar 1898 ging mir folgender Kran¬ 
kenbericht zu: 

Eine 39 Jahre alte Frau (aus dem Eisass) leidet 
6—7 Jahre am Herzen, ihr Arzt constatirte einen 
organischen Herzfehler, den er auf einen Gelenk¬ 
rheumatismus bezog, den sie, freilich schon vor 
30 Jahren, durchgemacht hat. Bei Tage geht es 
ihr leidlich gut, von jeder stärkeren Bewegung je¬ 
doch, besonders vom Treppensteigen, das ihr schwer j 
fällt, bekommt sie Herzklopfen. Sie fühlt das Herz 
links in der Herzgrube anschlagen. Seit einem | 
Jahre ist aber ihr Zustand bedeutend schlimmer 
geworden, namentlich bei Nacht. Fast jede Nacht, 
regelmässig zwischen 2—-3 Uhr, stellt sich folgen¬ 
der schwerer Anfall ein: Sie wird dann durch 
starkes Herzklopfen aus dem Schlafe geweckt; das¬ 
selbe ist verbunden mit heftigem Zittern am ganzen 
Körper und Zähneklappern, starker Beklemmung 
der Brust und Athemnoth, so dass sie zu ersticken 
fürchtet. Dieser schreckliche Anfall hält fast eine 
Stunde an; wenn er vorüber ist, fühlt sie sich 
äusserst matt. Was die anderen Functionen be¬ 
trifft, so ist der Appetit gut; trotzdem nimmt die 
Abmagerung und Schwäche so zu, dass sie in der 
Wirthschaft gar nichts leisten kann. Die Men¬ 
struation ist regelmässig; vor ihrem Eintritt stellen 
sich solche Anfälle gern ein. Sie hat 4 Kinder ge¬ 
boren. — Gesichtsfarbe kränklich. Die bisherige 
Behandlung war fruchtlos. — 

Dass es sich hier um einen sehr schweren Fall 
von organischem Herzleiden, wohl einen Klappen¬ 
fehler handelte, geht aus der einfachen Darstellung 
hervor. Sollte ich die bei mir Hilfe suchende Pa¬ 
tientin kurzweg abweisen? Dagegen sträubte sich 
mein menschliches wie ärztliches Pflichtgefühl. 
Mochte es auch der homöopathischen Heilkunst 
nicht gelingen, die seit vielen Jahren bestehende 
Vitium cordis zu beseitigen, so könnte es doch noch 
möglich sein, die so schrecklichen Erscheinungen 
der Angina pectoris zu beschwichtigen, sagte ich 
mir, und schritt in Gottes Namen an die Behand¬ 
lung. 

Therapie. Unter all den mir bekannten Heil¬ 
mitteln erschien mir keins für diesen Fall ge¬ 
eigneter als — Spongia. Ich schickte der Patientin 
5 Pulver mit Spongia 30., 5 mit Spongia 200. und 
10 mit Saccharum lactis. Sie nahm zunächst an 
3 Abenden je ein Pulver von Spong. 30., dann 


3 Pulver S. 1., hierauf Spongia 200. auf 3 Abende, 
3 S. 1., 2 Spong. 30., 3 S. 1., 2 Spong. 200. u. s. f. 

Am 5. März kam folgender Bericht, 10 Tage 
nachdem Patientin das letzte Pulver verbraucht 
hatte. Nach dem 4. Pulver, schreibt sie, ging es 
etwas besser. Die Anfälle kamen seitdem nicbt 
mehr zum vollen Ausbruche; das Herzklopfen ist 
nicht mehr so stark, auch nicht so lange anhaltend 
als sonst. Der Schlaf ist ruhiger. Es ging von 
Tag zu Tag besser. — Nach dem 17. trat eine 
Verschlimmerung ein, die aber bald wieder vor¬ 
überging. Der Appetit vortrefflich; Kraft und Lust 
zur Arbeit hat zugenommen. — Der Stuhl erfolgt 
ohne künstliche Mittel. Erst vor 3 Tagen bekam 
sie wieder einmal einen ziemlich heftigen Anfall 
von Herzklopfen, der aber doch bei Weitem nicht 
so lange dauerte als sonst. 

Spongia 30. und 200. contin. 

6. Juli. Der Zustand ist im Ganzen besser; 
nur beim Treppensteigen, bei Schreck und nebligem 
Wetter klopft das Herz stärker. Die Menstruation 
tritt alle 25 Tage ohne Beschwerden ein. 80 Pulse. 
Spongia contin. — 

28. September 1899, also nach mehr als einem 
Jahre, kam erst wieder ein Bericht. Während 
dieses Zeitraums hat sie keine Mittel mehr erhalten. 
Die Frau hat den ganzen Winter 1898 und bis 
zum Juni 1899 eine gute Zeit gehabt, indem die 
Anfalle fast gänzlich ausgeblieben sind. Jetzt treten 
sie aber wieder von Zeit zu Zeit auf, immer noch 
um dieselbe Zeit, zwischen 2—3 Uhr Morgens, 
dauern aber jetzt höchstens eine halbe Stunde. 

Ob bei noch längere Zeit fortgesetzter An¬ 
wendung des Mittels ein noch günstigeres Resultat 
erzielt worden wäre, diese Annahme ist nicht ganz 
| von der Hand zu weisen. Jedenfalls hat Spongia 
I einen entschieden wohlthuenden Einfluss auf dieses 
so hoffnungslos scheinende Leiden ausgeübt, wenn 
sie auch die hier sicherlich zu Grunde liegenden 
organischen Veränderungen am Herzen nicht hat 
aufheben können. — 

Uomöopathicität des Mittels. 

Die Einwirkung des Röst-Schwammes auf das 
Herz tritt schon in den von Hahnemann berich¬ 
teten Prüfungen hervor, namentlich bei einer weib¬ 
lichen Person. Diese war bei jeder, noch so un¬ 
bedeutenden Bewegung des Körpers schwach , das 
Blut wallt ihr in die Brust herauf , das Gesicht 
wird heiss , der Körper fängt an zu glühen , die 
Adern sind hart aufgetrieben und der Atlieni ver¬ 
geht ihr; erst nach langer Ruhe kann sie sich wieder 
erholen. Dann heisst es: 

„Nach einer mässigen Bewegung im Freien 
wird sie plötzlich schwach und wankt auj den Stuhl 
zu; unter grosser Angst , Uebelkeit , Gesichtsblässe , 
kurzem , keuchendem Athem wallt es vom Herzen in 

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170 


die Brust herauf, als wollte es nach oben ausbrechen. 
Schmerz in der Herzgegend. Dabei schliessen sich 
die Augen unwillkürlich, fast krampfhaft und Tlirä- 
nen brechen durch die geschlossenen Wimpern; sie 
hat Bewusstsein, ist aber unfähig, durch den Willen 
auf die Glieder zu wirken.“ 

Mag bei dieser letzteren Prüferiu Hysterie mit 
im Spiele sein, jedenfalls sind die bei ihr und der 
ersten Prüferin unter Einwirkung von Spongia ein¬ 
tretenden Erscheinungen von hochgradiger Con- 
gestion nach dem Herzen einem so guten Be¬ 
obachter, wie unser Hahnemann es war, als positive 
erschienen. 

Einen bedeutenden Schritt zur weiteren Er¬ 
kenntnis brachte eine von Dr. Wells an einer 
Kranken gemachten Beobachtung: 

Eine Herzleidende bekam vom Genuss eines 
Stückes gerösteten Schwammes: Schreckliches Herz- 
klopfen , lebensgefährliche Athemnoth; die Lippen 
wurden blau, der Athcm schnappend; dabei heftige 
Schmerzen am Herzen mit Schreck und Furcht. 
Dies veranlasste Dr. Wells, die Spongia bei Kranken 
mit organischen Herzleiden zu erproben, so in fol¬ 
gendem, typisch gewordenen Falle: 

Bei einem an acutem Rheumatismus leidenden 
Manne war das Rheuma (und schon zum zweiten 
Mal) von den Lendenmuskeln auf das Herz ge¬ 
wandert. Pat. erwachte Nachts zwischen 1 —2 Uhr 
mit Erstickungsgefühl , schallendem Husten , sehr 
schwerem Athem, unter äusserster Besorgnis, Auf¬ 
regung und Angst. Das Herz schlägt gewaltsam , 
reissend schnell; jeder Herzschlag ist von einem 
lauten Blasen, wie aus einem Blasebalg begleitet . — 
Spongia 200. half schnell. Es handelte sich hier 
um eine alte Ablagerung au den Klappen. 

Späterhin hat C. Hering in der Allgeiu. liom. 
Zeitung, Jahrgang 1868, No. 18, auf die Wirkung 
von Spongia bei alten Herzleiden aufmerksam ge¬ 
macht. — 

Er fand es wirksam in einem Falle, bei dem 
täglich mehrere Anfälle von Hitze mit hohem Angst¬ 
gefühl, Schmerz in der Herzgegend, Weinen, Un- 
tröstlichkeit, — Pat. möchte am liebsten auf der 
Stelle sterben — vorhanden waren. 

Folgende Heilungsgeschichte ist auch inter¬ 
essant : 

Eine Frau hat unregelmässige Herzschläge , Er¬ 
stickung drohendes Herzklopfen bei der geiingsten 
Anstrengung, zumal beim Treppensteigen; wenn sie 
den Arm über den Kopf erhebt, wird sie ohn¬ 
mächtig. Im Bette muss sie mit dem Kopfe hoch 
liegen; sie erwacht oft Nachts unter Schreck und 
Furcht, als ob sie ersticken müsste . Die physi¬ 
kalische Untersuchung ergab Zeichen von Klappen¬ 
ablagerungen. Spongia half. C. Hering fand unser 
Mittel dann besonders wirksam, wenn die Herz¬ 


klappen der Sitz des Leidens sind, und wenn die 
Kranke plötzlich unter Schreck bei Nacht erwacht. 

Wiederholt hat er selbst Abnahme des Klappen¬ 
geräusches unter der Einwirkung von Spongia, in 
der 200., constatiren können. 

Auch Jahr giebt an, von Spongia bei Krankeu 
mit Klappenfehlern nur Gutes beobachtet zu haben, 
wenn jenes charakteristische Symptom: „Erwachen 
mit Schreck und Furcht zu ersticken“ bei ihnen 
zugegen war. Ebenso hat ihm dieses Mittel in 
einem Fall alter Brustbräune (Angina pectoris) mit 
gleichzeitigen Klappenfehlern bedeutende Erleichte- 
rung gebracht, wenngleich in diesem Falle Arsen 
sich noch wirksamer gezeigt hat. 

C. Hering macht besonders auf Spongia auf¬ 
merksam, wenn der acute Rheumatismus das Herz 
befallen und zu fibrösen Ablagerungen an dcu 
Klappen geführt hat. Ferner hat man Spongia bei 
Aneurysma der Aorta mit Nutzen gebraucht, wenn 
ein in Paroxysmen auftretender Husten, der sich 
beim Liegen ausserordentlich steigerte, zugegen 
war.— Vergleicht man nun die bei meiner Kranken 
geschilderten Symptome mit denen, welche Dr. Wells 
freilich bei einer schon Herzleidenden beobachtet 
hat, die dann aber auch durch andere klinische 
Heilerfolge bestätigt worden sind, so ist eine zwischen 
beiden Reihen bestehende Aehnlichkeit unverkenn¬ 
bar. — 

Das bei meiner Patientin noch hinzukommende 
Symptom von Zittern am ganzen Körper und Zähne¬ 
klappen während der nächtlichen Anfälle ist wohl 
nur als eine accessorische Erscheinung in dem 
Bilde der durch ihre Dauer und Intensität bis zur 
Asphyxie gesteigerten Stenocardie zu betrachten 
und durfte deshalb auf die Mittelwahl keinen be¬ 
stimmenden Einfluss ausüben. — Sehen wir mit 
Romberg eine solche Stenocardie als eine Neu¬ 
ralgie des Herznerven-Geflechts an, bei der eine zu 
bestimmten Zeiten, namentlich während des nächt¬ 
lichen Schlafes, bis zum höchsten Grade gesteigerte 
Blutstauung im Herzapparate das veranlassende 
Moment bildet, so erscheint uns die Wirkung der 
hochpotenzirten Spongia in diesen Fällen erklär¬ 
licher. — Grosse, massive Gaben des Mittels würden 
gewiss unheilvoll wirken. 

Aus dieser pharmakodynamischen Studie hat 
sich uns wieder die Thatsache ergeben, wie wichtig 
auch die aus einem reinen klinischen Experiment 
genommenen Wirkungssymptome eines Mittels für 
die Praxis werden, ja, wie solche uns eine bei 
einem Mittel durch das Experiment am Gesunden 
wenig oder noch gar nicht herausgetretene Wir 
kungsrichtung aufdecken können. 

Deshalb war es mir lieb, in C. Herings kurz¬ 
gefasster, von Dr. Gisevius-Berlin übersetzten ho¬ 
möopathischen Arzneimittellehre bei Spongia die 


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Indication für Herzaffectionen, deren klinischer Ur¬ 
sprung durch die bekannten Zeichen ausgedrückt 
ist, kurz und bündig, aber das Wesentliche ent¬ 
haltend, angegeben zu finden. 


3 Fälle von Appendicitis aus meiner Praxis, j 

Von Dr. Schier in Mainz. 

1. Auguste Z. in K., 14 Jahre alt, kam am j 
9. April 1897 in meine Behandlung wegen chro¬ 
nischer recidivirender Erkrankung des Wurmfort¬ 
satzes. Das Mädchen hatte bereits über 2 Jahre 
mit dem Leiden zu thun und während des letzten 
Jahres fast beständig zu Bett liegen müssen. Der 
erste Anfall im Jahre 1895 war von dem allo¬ 
pathischen Hausarzte schulgerecht behandelt worden i 
mit Eisapplicationen und Opium. Dieser Behänd- | 
lung ist cs wohl auch zuzuschreiben, dass die Er¬ 
krankung nicht gründlich ausheilte und ein Recidiv 
nach dem anderen sich zeigte, dass die Patientin 1 
im Jahre lb96 und im ersten Quartal 1897 kaum 
mehr aus dem Bette konnte, wegen gewaltiger 
Steigerung der Schmerzen, sobald sie die geringste 
Bewegung ausführte. Da sich zweifellos Verwach¬ 
sungen gebildet hatten, war die Aussicht auf gänz¬ 
liche Wiederherstellung ’ recht mässig. Der Haus¬ 
arzt hatte die Operation für dringend nöthig erklärt, 
doch wollten die Eltern, bevor sie sich hierzu ent¬ 
schlossen, noch einen Versuch mit der Homöopathie 
machen. Aus eigener Initiative hatten die Eltern 
seit längerer Zeit das Eis durch Umschläge mit 
warmem Flachs ersetzt, eine Anwendung, welche 
ich nur gutheissen konnte, obgleich mir von irgend 
welcher spedfischen Wirkung des Flachses nichts 
bekannt war. 

Mercurius sol. D. 3. und Belladonna D. 4. waren 
die homöopathischen Mittel, welche zunächst in 
3 stündlichem Wechsel gereicht wurden und mit so 
gutem Erfolge, dass die Patientin am 3. Mai das 
Bett auf einige Stunden tagsüber verlassen konnte. 
Auch das Allgemeinbefinden hob sich allmählich | 
wieder, der bis dahin träge Stuhlgang wurde regel- j 
mässiger, obwohl an der milden Diät — Vorzugs- I 
weise Schleimsuppen und Milch — nichts geändert ’ 
wurde, und im Monate Juni stellte sich die Regel | 
zum ersten Male ein. , 

Indessen machte die Besserung darnach nicht | 
die wünschenswerthen Fortschritte, auch Silicea und ( 
Sulfur, welche verschiedentlich dazwischen gereicht 
wurden, um zur Lösung der Verwachsungen mit¬ 
zuwirken, förderten nicht viel, immerhin brachte 
ich die Patientin, welche ich inzwischen mehrmals , 
besucht hatte, so weit, dass sie im August die i 
weite Reise, circa 60 Kilometer, zu mir wagen und 
meine Sprechstunde aufsuchen konnte. Die Schmerz- i 


haftigkeit war immer noch eine bedeutende, nament¬ 
lich beim Gehen; länger als l j l Stunde konnte sie 
sich im Freien nicht bewegen. Eine Garantie, 
dass ich das Leideu in absehbarer, bestimmter Zeit 
völlig beseitigen werde, konnte ich unter diesen 
Umständen nicht bieten, und ontliess daher die 
Patientin aus meiner Behandlung, da ihr und ihren 
Eltern von allen möglichen Basen und Vermitt¬ 
lungspersonen allopathischer Aerzte die Operation 
als das ultimum refugium dringend empfohlen wurde. 
Ob die letztere ausgeführt wurde, und ob der Er¬ 
folg ein guter war, ist mir unbekannt, gewiss aber 
ist mir, dass bei richtiger Behandlung zu Beginn 
des Leidens dasselbe in relativ kurzer Zeit recidiv- 
frei hätte gehoben werden können, wie das bei 
den zwei folgenden Fällen gelang. 

2. Frau Lehrer S. in N., 41 Jahre alt, bekam 
im März 1898 einen acuten Anfall von Appendicitis 
mit Schmerzhaftigkeit und faustgrosser Schwellung 
in der Gegend des Wurmfortsatzes, Stuhl Verstopfung, 
gänzlicher Appetitlosigkeit und Fieber, welches zeit¬ 
weilig bis 39,5° stieg, bei einer Pulsfrequenz von 
120 pro Minute. Im Uebrigen war die Patientin 
organisch normal und bis dahin kaum jemals krank 
gewesen. 

Absolute Bettruhe wurde angeordnet, Nahrung, 
da kein Verlangen darnach bestand, gar nicht ge¬ 
reicht, der Durst mit Citronenlimonade gestillt; auf 
die schmerzhafte Stelle wurden heisse Leinsamen¬ 
umschläge applicirt, Mercur. sol. D. 3. und Bella¬ 
donna D. 3. in ^stündlichem Wechsel gegeben. 
Am 2. Tage stellte sich spontan Stuhlgang ein, 
Appetit zeigte sich, so dass Schleimsuppe und Milch 
gereicht werden konnteu; das Fieber und die 
Schmerzhaftigkeit, auch die Geschwulst, vermin¬ 
derten sich und am 3. Tage war jede Gefahr vor¬ 
über. Die Medicamente wurden am 2. Tage in 
stündlichem, am 3. Tage aber in 2stündlichem 
Wechsel gereicht, am 5. Tage konnte die Patientin 
bereits zeitweilig ausser Bett sein und am 8. Tage 
nach Beginn der Erkrankung aus der Behandlung 
entlassen werden. Recidive sind bis jetzt nicht 
vorgekommen, das Befinden ist ein durchaus nor¬ 
males geblieben. 

3. Frau H. in M., 28 Jahre alt, erkrankte am 
7. Juni a. c. ganz plötzlich an Appendicitis in der¬ 
selben Weise wie Nr. 2, doch war der Anfall noch 
heftiger. Die Temperatur stieg über 40°, die Puls¬ 
frequenz betrug zeitweilig 140 pro Minute und die 
Schmerzhaftigkeit und allgemeine Nervosität war 
so bedeutend, dass jede Bewegung im Bette, sogar 
die Erschütterung der Möbel im anstossenden Zim¬ 
mer, der Kranken unerträglich war. Die Patientin 
war im Allgemeinen bis dahin gesund gewesen und 
glaubte den Anfall auf eine Erkältung zurückführen 
zu können. 

22 * 


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Die Behandlung war dieselbe wie bei Nr. 2, 
sie war aber dadurch erschwert, dass die Kranke 
ca. 20 Kilometer von hier entfernt an einem schwer 
zu erreichenden Orte wohnte, so dass ich sie in 
der Woche nur 1 — 2 Mal besuchen konnte. Die 
heissen Umschläge steigerten den Schmerz ins Un¬ 
geheuere, sie wurden daher zunächst durch lau¬ 
warme ersetzt; da aber auch diese nicht vertragen 
wurden, musste ich zu kalten Umschlägen mit circa 
8° Wasser greifen, welche sich als sehr wohlthuend 
erwiesen und alle 10 Minuten erneuert wurden. 

Da nichts destoweniger die Schmerzen nicht 
dauernd abnahmen, auch nach der Mitte des Leibes 
zu ausstrahlten und die durchaus hart sich an- 
fühlende Geschwulst einen immer grösseren Umfang 
annahm — sie war am 11. Juni über faustgross —, 
so ersetzte ich Belladonna durch Bryonia D. 3., 
welche anfangs in ^stündlichem Wechsel mit Mer- 
curius sol. D. 8., später seltener gereicht wurde. 
Die Diät bestand in schleimigen Wassersuppen mit 
Zusatz von Somatose, gegen Milch empfand die 
Patientin einen unüberwindlichen Ekel ; als Getränk 
wurde auch hier Citronenlimonade gereicht. 

Am 12. Juni endlich stellte sich spontan Stuhl¬ 
gang ein, vorzugsweise hellgelb, wässerig, mit Blut¬ 
fasern vermischt, von schauderhaftem Gerüche, der 
dann in kurzen Pausen sich wiederholte bis zu 
10 Mal in 24 Stunden. Die Schmerzhaftigkeit liess 
daraufhin etwas nach, auch die Geschwulst und 
das Fieber verminderten sich, um vom 17. Juni 
ab wieder allmählich zuzunehmen. Da zeigte sich 
am 19. Juni die Periode, obwohl Patientin bereits 
am 4. Juni und zuvor immer pünktlich alle vier 
Wochen die Menses gehabt hatte. Diese Erschei¬ 
nung war offenbar kritischer Natur, denn von nun 
ab trat im weiteren Gefolge von durch fälligen, 
äusserst foetiden Stühlen durchgreifende Besserung 
ein, doch konnte die Patientin nicht vor Ende des 
Monats zeitweilig das Bett verlassen und wurde 
erst Mitte Juli aus der Behandlung entlassen. Ob 
in diesem Falle der Infectionsstoff das Parametrium 
in Mitleidenschaft gezogen hat, lasse ich dahin¬ 
gestellt, wahrscheinlich ist es in hohem Grade. Bis 
jetzt, Anfang November, hat die Patientin keinerlei 
Folgenerscheinungen gehabt. 

Im Anschluss an diese Fälle möchte ich noch 
ein Vorkommniss eigenthümlicher Art erwähnen. 
Vor circa 2 Jahren behandelte ich einen an Magen- 
carcinom erkrankten etwa 60jährigen Mann. Die 
Anamnese ergab, dass derselbe 8 —10 Jahre zuvor 
an mehrmals recidivirender Appendicitis gelitten 
hatte und die Angehörigen erzählten mir, ihr sehr 
alter und erfahrener, inzwischen verstorbener Haus¬ 
arzt habe ihnen die spätere Erkrankung des Vaters 
an Magenkrebs mit Wahrscheinlichkeit in Aussicht 
gestellt; seine Erfahrung habe ihm gezeigt, dass 


Magenkrebs die spätere fast regelmässige Folge der 
Blinddarmentzündung sei. 

Ich habe inzwischen mein Augenmerk auf diesen 
Punkt gerichtet und in der That in mehreren Fällen 
diese Behauptung bestätigt gefunden: 3 von meinen 
8 in den letzten 2 Jahren an Magencarcinom er¬ 
krankten bez. gestorbenen Patienten hatten früher 
an Appendicitis gelitten. Wie der causale Zu¬ 
sammenhang, wenn er überhaupt besteht, zu er¬ 
klären ist, steht dahin. Die Annahme, dass der 
Appendix eine physiologische Function ausübt, ist 
ja recht wahrscheinlich, wenn letztere bis jetzt auch 
nicht bekannt ist. Ob wohl das die Appendicitis 
bewirkende Protozoon — die specifische Dyskrasie 
als Grundlage vorausgesetzt — dasselbe ist, wie 
das carcinomatÖ8e? Ob es eine jüngere Entwick¬ 
lungsstufe des letzteren darstellt, so dass dieses 
von jenem abstammt? Merkwürdig ist auch die 
gleichzeitige Zunahme der Appendicitis und des 
Carcinoms, freilich nicht nur des Magencarcinoms, 

1 von Jahr zu Jahr seit 10—15 Jahren. Sollte das 
Carcinom sich etwa dann bilden im Gefolge von 
I Appendicitis, wenn die letztere mit Eis und Opium 
| unterdrückt und so der Selbstreinigungsprocess des 
| Organismus behindert wird, die Dyskrasie bestehen 
bleibt? 


Viscum album, die Mistel, 
ihre Naturgeschichte, traditionellen Heilkräfte, 
sowie ihr Gebrauch im Volke und der wissen¬ 
schaftlichen Medicin in Behandlung von Krank¬ 
heiten nebst neueren Prüfungen des Mittels. 

Von Dr. George Black, London 1899. 

(Schluss.) 

Beim Husten grosser Schmerz in Brust und 
Rücken. Gestern hat sie etwas dicken grünlich- 
gelben Schleim herausgebracht. 

Viscum album 3. zweistündlich. 

2. März. — Sie kann sich heute selbst im 
Bette aufsetzen und von einer Seite auf die andere 
drehen: weit weniger Schmerz im Rückeu. 

3. Fall. Lumbago. 

Eine 60jährige magere, gebrechliche Frau, mit 
weissen Haaren und braunen Augen, hat an Blasen- 
katarrh gelitten, der unter Ferr. phosph. und Kali 
chlor, sich gebessert hat. Am 20. Februar klagt 
sie, dass sie an den zwei vorhergehenden Tagen 
Frostschauer gehabt; sie könnte nicht warm wer¬ 
den. Tags vorher Schmerz in der rechten Lenden- 
I gegend bis zur rechten Hinterbacke; heute war 
| der Schmerz noch schlimmer, der bei der gering- 
j sten Bewegung sich steigert. T. 101. P. 112. 

I Gesicht geröthet; Zunge grau belegt. 


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Viscum album dreistündlich. 

21. Febr. Kann sich heute früh etwas leichter 
bewegen. T. 99° F. P. 96. Contin. 

22. Febr. T. normal. P. 72. Fühlt sich besser: 
der Rückenschmerz ist fast vergangen; sie kann 
sich ohne Schmerz bewegen und drehen. — So 
schnell war die Besserung bei ihr sonst nie ein¬ 
getreten. 

4. Fall. Rheumatismus aponeurosis lumbaris. 

Eine 45jähr. Frau, mittelgross und mittelstark, 
klagte am 23. Febr. 1898 über Schmerz am un¬ 
tern Theil des Rückens, in der Kreuzgegend, der 
zwei Tage vorher sie befallen hatte. Konnte sich 
weder nach rechts noch nach links hin drehen. 
Stark verschlimmert durch Bewegung. Sie nahm 
sofort Aconit, das sie bis jetzt fortgebraucht hat, 
und legte Flaschen mit heissem Salz und heissem 
Wasser auf, was ihr etwas Erleichterung brachte. 
Bewegung ist ihr aber noch sehr schmerzhaft. Sie 
hatte Schmerz in dem Unterleib und in den Seiten. 
Die Erkrankung erfolgte nach Erkältung im Nebel, 
unter Frostschauer. Sie beschreibt den Schmerz 
als einen schrecklich zusammenkrallenden, als ob 
es ihr ans Leben ginge. Anfangs muss sie sehr 
häufig Wasser lassen; jetzt nicht mehr so oft. 
T. 99,4° F. P. 80. Actaea racemosa 0 4 Tro¬ 
pfen in ein Glas Wasser, zweistündlich 1 Thee- 
löffel. 

24. Febr. Nicht besser. T. 99,4° F. P. 80. 
Bei der geringsten Bewegung heftiger Schmerz, 
so dass sich die Augen mit Thränen füllen. 

Viscum album 3. zweistündlich. 

25. Febr. Die Nacht war besser; sie kann 
sich besser bewegen, fühlt sich besser. T. 100° F. 
P. 72. 

Contin. Das Fieber nimmt allmählich ab, und 
in zwei oder drei Tagen war sie die Treppe her¬ 
untergegangen; aller Schmerz im Rücken war weg. 

In Metrorrhagieen, worin Verf. Viscum album 
mehrfach angewendet hat, war der Erfolg wenig 
ermuthigend; in Fällen von Placenta-Retention war 
er =» nihil. 

Ischias . 

Patient meldet sich am 24. Juli 1893. Vor 
2 oder 3 Jahren war er unfähig, sich ins Bett zu 
legen, weil er das Liegen nicht ertragen konnte. 
Der Sitz des Schmerzes war in der Mitte des rech¬ 
ten Hinterbacken, von wo er sich hinten längs der 
Schenkel zur Kniekehle und von da an der Rück¬ 
seite des Beines bis kurz über das Fussgelenk er¬ 
streckte. Er hatte das Gefühl, als ob die Sehnen 
hinter dem Knie angespannt wären und als ob das 
Bein heraufgezogen würde. Er bekam Viscum album 
und am 29. Juli berichtete er, dass er nach Ein¬ 


nehmen des Mittels 1 l j % Stunden schmerzensfrei 
gewesen; was bei ihm seit Anfang seiner Ischias 
nicht vorgekommen war. Leider war dem Collegen 
der Vorrath an Viscum ausgegangen. Er gab dem 
Kranken Carbo bisulphid (Carboretum sulphuris, 
Schwefelkohlenstoff), welcher dem Kranken volle 
Heilung brachte. 

Rheumatismus mit Anschwellung des linken 
Fussgelenks. 

Ein 60j. Mann, schwächlich, zart gebaut, mit 
rothem Haar, hämorrhagischer Diathese, hat seit 
einer Woche Schmerzen in den Beinen, nachdem 
er sich in feuchter Nebelluft erkältet hatte. Seit 
vorigen Montag, beim Aufstehen Morgens, that ihm 
das linke Fussgelenk weh, so dass er die Treppe 
hinunter humpeln musste. Besonders war es 
schmerzhaft, wenn er es bewegen, namentlich von 
einer Seite zur andern wenden wollte. Das Ge¬ 
lenk ist angeschwollen und druckempfindlich, be¬ 
sonders wenn er den Malleolus des anderen dagegen 
presst. Sonst ist kein Gelenk weiter afficirt Vis¬ 
cum album 3., 12 Tropfen in l / 2 Glas Wasser 
4 stündlich 1 Löffel voll. — Nach 5 Tagen war 
alle Schwellung vergangen; er kann das Bein nach 
allen Richtungen ohne Schmerz bewegen. 

Rechtsseitige Kniegeschwulst. 

Ein 20jähr. Mädchen, blind, hatte vor zwei 
Jahren in Folge eines Falles eine Contusion am 
rechten Knie erlitten. Damals schien Alles gut 
vorüber zu gehen; aber seit länger als einem Jahre 
war es ihr, als ob ein kleiner Knochen aus seiner 
Lage gekommen wäre; da zeigte sich eine An¬ 
schwellung, die seither immer stärker geworden ist. 
Sie kann des Schmerzes wegen jetzt nur mühsam 
gehen; wenn sie längere Zeit gesessen, thut cs 
entsetzlich weh. 

Das rechte Kniegelenk ist zur Zeit, am 10. April 
1894, geschwollen, um zwei Zoll dicker als das 
linke; die rechte Wade ist um einen Zoll schwächer 
als die linke; Schlaf und Appetit gut. Die An¬ 
schwellung des Gelenks ist an der Innenseite be¬ 
sonders bemerkbar, wo dasselbe gespannt und voll 
ist; es ist aber auch über- und unterhalb der Knie¬ 
scheibe geschwollen und gespannt. Gegen Druck 
nicht empfindlich. Die Periode hat 2 Mal aus¬ 
gesetzt. Pulsat. 30. eine Gabe. 

19. Mai. Tags darauf noch schlimmer; sie 
kann kaum 3 Schritte gehen. Sie hatte es auf 
eigenen Antrieb mit Jod eingepinselt, bis die Haut 
platzte und sie es nicht mehr aushalten konnte. 
Nach 14 Tagen ging es besser, auch mit der Be¬ 
weglichkeit des Beines. Bei der Untersuchung 
zeigte sich jedoch das Kniegelenk eher mehr ge¬ 
schwollen. Der Umfang des rechten Kniees betrug 
15 Zoll, der des linken 12 1 / 2 . Viscum album 3., 


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174 


6 Tropfen in l r2 Glas Wasser, 3 Mal täglich 
1 Löffel voll. 

2. Juni. Sie giebt au, besser damit geben zu 
können. Sie hat nicht mehr den Schmerz, wie ei- 
früher war. Umfang 14 1 / 2 Zoll rechts. 

25. Juli. Ebenso. Sie kann weit besser sieh 
bewegen. Viscuin alb. wurde fortgegeben, die 
Dosis auf 12 Tropfen erhöht. 

Gehör-Leiden. 

Eine 30jähr. Frau, Mutter von drei Kindern, 
mit dunkelbraunem Haar, grauen Augen, kräftig, j 
unter Mittelgrösse. 

15. Februar 1898. Seit ihrem neunten Jahre 
hat sie mit dem linken Obre wenig gehört. Wahr¬ 
scheinlich kam es nach den Maseru. Nach dem I 
Ohren weh kam ein Ausfluss, mehr oder weniger 
stark, stinkend, fast unerträglich. Der Ausfluss I 
hört auf, wenn Schmerz eintritt; so seit vorigem 
Freitag. Es war eine Art Brummen und Rollen 
seitdem bis Sonntag Abend, wo es, als sie aus der 
Kirche nach Hause kam, schrecklich zunahm. Es 
kommt nickweise. Der Schmerz ist so, als ob ihr 
Jemand das Ohr losschrauben wollte. Der äussere 
Theil des Ohrs wird sehr kalt; ebenso wird die 
Nase auf dieser Seite eiskalt. Der Kopf ist ihr 
schwer wie ein grosser Klumpen. — Bei der Unter¬ 
suchung zeigt sich das Trommelfell eingerissen und, 
wenn man durch die runde Oeffnung des Risses 
blickt, tritt eine rothe, fleischig aussehende Masse 
hervor. Die Regio mastoidea ist nicht empfindlich 
gegen Druck; der grösste Schmerz scheint gerade i 
hinter dem Ohrläppchen zu sitzen. Liegt sie auf 
der linken Seite des Kopfes, und hebt sie ihn auf, 
so ist ihr, als ob ein schweres Gewicht von dieser 
Seite herabhänge. Wenn der Eiter hervorbrechen 
will, so vernimmt sie eine Stunde lang ein zischen¬ 
des, siedendes Geräusch, dann giebt es einen Knall, 
und sie weiss, dass es zum Durchbruch gekommen 
ist und sie hat Erleichterung. Das hat sich öfters ' 
wiederholt, so alle oder alle 2 Monate. 

Viscum album 30., 12 Tropfen in 1 / 2 Glas j 
Wasser, 2 stündlich einen Löffel voll. 

16. Februar. Den Tag über besser bis jetzt. 
Sie schlief besser, wenn auch nicht ganz ruhig. 
Nachdem sie eingeschlafen, schreckte sie plötzlich 
wieder auf. Den Tag über hat sie nur das rollende, * 
brennende Gefühl im Ohre gehabt; keinen Schmerz. , 
Erst beim Ausgehen wurde dieses schlimm. 

21. Februar. Dr. B. fand die Patientin bei 
ihrer Arbeit singend und wohlgemuth. Aller Schmerz i 
war weg und kein Ausfluss dagewesen — etwas, | 
was vordem ihr nie passirt war. Sonst hatte jeder j 
Anfall mit einem Abscess und dessen Aufbruch 
geendet. Ref. Dr. Mossa. 


Lesefruchte. 

Ein Dr. Weiss empfiehlt gegen Epistaxis nach vor¬ 
angegangener Berieselung der Nasenhöhle mit Wasser 
von 45 — 50° C. eine solche mit einer Lösung von 
5 g Gelatine in 200 ccm 7 proc. Kochsalzlösung. 

(Journal des practiciens. Jan. 1899.) 

Zur Physiologie des Peritoneum. 

1. Das Peritoneum absorbirt und sondert Flüs¬ 
siges ab. Festes geht durch dasselbe hindurch, 
besonders im diaphragmatischen Abschnitt, wenn 
es in einer Flüssigkeit gelöst ist. Bei den Ver¬ 
suchen tritt die Absorption mehr hervor als die 
Secretion. 

2. Bei der Physiologie des Peritoneum hat man 
besonders auf den interendothelen Raum mit seiner 
Erweiterung und Zusammenziehung zu sehen. Die 
Deckplatten sind vielleicht wenig betheiligt. Das 
metamorphisirt erhärtete Protoplasma der Deckplatte 
ist hauptsächlich auf mechanischem Wege behülf- 
lich, die Bewegung des Bauchfells zu erleichtern, 
wozu dann auch das viscerale, durch den inter- 
dothelen Raum abgehende Secret mitwirkt. In¬ 
dessen spielt die Deckplatte ohne Zweifel eine 
Rolle bei der Osmose. 

3. Das peritoneale Secret wird entweder auf 
dem Wege der lymphatischen (d. i. der inter¬ 
stitiellen) Räumlichkeiten oder der Blutgefässe be¬ 
wirkt. Die Lyinphgefässe scheinen dies aber in 
erster Linie zu thun. 

4. Die Localität, wo die Absorption fein ver- 
theilter, in Flüssigkeit suspendirter Körnchen sich 
experimentell am meisten nachweisen lässt, ist die 
Regio diaphragmatica. Die vielen interstitiellen 
Räume lymphatischer Kanäle im Zwerchfell werden 
schneller mit den feinen Stoffpartikelchen gefüllt, 
und zwar schon einige Minuten, nachdem die Sub¬ 
stanz in das Peritoneum eingespritzt ist. 

5. Im Peritoneum findet ein Flüssigkeitsstrom 
in der Richtung nach dem Zwerchfell hin statt. 

6. Das Peritoneum im getödteten Thier absor¬ 
birt Flüssigkeiten ähnlich wie im lebenden noch 
einige Stunden nach dem Tode, und zwar bis auf 
36 Stunden. Das lebende Thier absorbirt bis 
auf 10 per Cent seines Körpergewichts; 30 Mi¬ 
nuten nach dem Tode bis 6 per Cent innerhalb 
Ys Stunde. 

7. Das Peritoneum ist ein Lymphsack. 

8. Bei der anerkannten Schnelligkeit der peri¬ 
tonealen Absorption könnten Iujectionen in das 
Peritoneum bei ausgedehnten, gefährlichen Blu¬ 
tungen das Leben retten. 

9. In 30 Minuten absorbirt die peritoneale 
Höhle während des Lebens bis zu 10 per Cent 
des Körpergewichts. 


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17S 


10. Die schnelle Flüssigkeitsabsorption des Peri¬ 
toneum spricht gegen die Irrigation bei Laparoto- 
mieen, da Infectionskeime weithin schnell verbreitet 
werden können. 

11. Die Leucocythen bilden eine Schutzwehr 
für das Peritoneum, indem sie das Fremdartige, 
seien es vegetabilische Keime oder anorganische 
Partikel, durch Digestion, Abfangen Fortschaffen 
oder Sterilisiren unschädlich machen. 

12. Die so bedeutende Activität des Zwerch¬ 
fells in Absorption macht es zu einer höchst ge¬ 
fährlichen Infections-Oertlichkeit. 

13. Die gefährlichsten Herde in Peritonitis sind 
jene Stellen von überaus thätiger Absorption, wie 
Zwerchfell und Dünndarm, deren Absorption und 
Infection tödtet. Die günstigen, die Schutzherde vor 
Peritonitis, sind die Stellen mit langsamer Absorp¬ 
tion, woselbst sich Exsudate bilden. Die dem Peri- 


1 toneum günstigen Herde sind die der dicken Ge- 
! därme, die Becken-Appendiculäro — und Gailblasen¬ 
gegend. 

Mittheilung. 

Dein prakt. homöopathischen Arzte 
| Dr. med. Roth in Erfurt 

1 ist der Titel „Sanitätsrath“ verliehen worden, wozu 
; auch wir ihn herzlichst beglückwünschen. 


Die Kur- und Wasserheilanstalt „Kaiserbad“ in 
Rosenheim erfreut sich trotz der vorgerückten Jahres 
zeit noch eines guten Besuches. Dieselbe bleibt den 
ganzen Winter über in Betrieb. Die Frequenz der 
diesjährigen Kurgäste hat die des vergangenen Jahres 
1 schon im September überschritten. Die ärztliche 
| Leitung ist eine streng wissenschaftlich rationelle. 


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Galvanisirte Stahldrahtschlnndröhren 

das vorzüglichste, stets sicher wirkende, und allein vollkommen unschädliche medicinische Instrument gegen die 
Trommelsucht (Aufblähen) der Wiederkäuer. 

Die Trommelsucht hat ihren Grund darin, dass durch gieriges Fressen von tliaufeuchtem Grünfutter, 
welches schnell in Gährung übergeht, im Magen Gase entstehen, die einen so starken Druck auf dessen 
Wände ausüben, dass das Platzen eine unbedingte Folge ist. 

Schnelle Hilfe ist also die Hauptsache! 

Daher ist von den zuweilen angewandten unsinnigen Mitteln, wie Aderlässen, Auf- und Abtreiben der 
Thiere, sowie auch von der Anwendung des Troicarts aufs Entschiedenste abzurathen. Der grosse Nach¬ 
theil des letzteren liegt in. den Verletzungen, welche dem Thiere beigebracht werden, die Eiterungen, Ab¬ 
magerung etc. leicht zur Folge haben können. 

Alle diese Nachtheile sind durch das 

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vollkommen ausgeschlossen! Daher darf dasselbe keinem Landwirth fehlen! 

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Aufträgen sieht die Unterzeichnete Verlagshandlung gern entgegen. 

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176 


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Hendrichs, Zahnschmerzen. Deutsch. 2. Aufl. 1888. —.30. 
Holland., 2. Aufl., — .50. 

Allgemeine homöopath. Zeitung. 139. Band. (2. Halbjahr 
1899.) Halbjährlich 10.50. 

Mttller, Charakteristik. Deutsch, 3. Aufl. 1890, geh. 1.50. 
Spanisch, 2. Aufl. 1891, broscli. 2.—, geb. 2.50. 

Homöopath. Allerlei. 1890. brosch. 1.—, in Parthien billiger. 

La Curacion y Profilaxia per ei Tratamiento Homeopätico 
de Las Prinzipates enfermedades Infecciosas. 2. Aull. 
1893. brosch. 1.20. 

Diverse kleine Anweisungen zur Heilung einzelner Krank¬ 
heiten. ä 20 Pf. 

Hlrsokel. Der homöopathische Arzneischatz in seiner An¬ 
wendung am Krankenbette. Für Familie und Haus 
neu bearbeitet von Dr. med. Goullon in Weimar. 
16. Auflage, geh. 4 M. 

Hübner, Homöopath. Thierarzt. 9. Aufl. 1892. cart. 3.—. 
geb. 3.75. 

— Krankheiten der Pferde. 9. Aufl. 1894. broscli. 1.20. 
geh. 1.60. 

Günther, Kleiner homöopath. Thierarzt. 2. Aufl. 1888. 
geb. 1.50. 

Hausmann, Kleine Schriften. Gesammelt und herausge¬ 
geben von Dr. C. Bojanus, sen, 1895. cart. 1.50. 

Homöopath. Hilfstabellen. Belehrung über die Bereitung 
der Potenzen aus den Urtincturen, Stärke des zu ver¬ 
wendenden Aleohols etc. mit einer Anlage über Lutze’s 
Chiffre-Schrift. 2. Aufl. 1.—. 

Homöopathische Arzneitaxe, bearbeitet in Uebereinstim- 
mung mit allen in Deutschland bisher erschienenen 
officiellen und im Gebrauch befindlichen homöopathischen 
Arzneitaxen. —.30. 

Bönninghausen^ Therapeutisches Taschenbuch für homöopath. 
Aerzte, neu herausgegeben von Dr. med. Fries, brosch. 
10.—, geb. 11.—. 

Die Grundzüge der modernen wissenschaftlichen Homöopathie, 

von Dr. Hans Wapler. brosch. —.50. 

Die Unhaltbarkeit der Hochpotenzen, von Dr. Kallenbach, 
Rotterdam, brosch. —.80. 

Kunkel, Dr. med., Die homöopathische Behandlung der 
Heiserkeit, brosch. —.50. I 


Im Verlage von A. Marggrafs homöopathischer 
Officin in Leipzig ist erschienen: 

Die vergleichende 

Arzneiwirkungslehre 

von 

Dr. med. H. Gross und Prof. Dr. med. C. Hering. 

Aus dem Englischen bearbeitet und herausgegeben 

von 

Sanitätsrath Dr. med. Faulwasser, Bernburg a. S. 

Coraplet geb. 20 Mark. 

Dieses neue Werk will den vorhandenen homöo¬ 
pathischen Arzneimittellehren keine Concurrenz machen, 
denn nach Form und Inhalt unterscheidet sich dasselbe 
wesentlich von ihnen. — Es bringt Arzneivergleiche, 
Mitteldiagnosen, welche allein und ausschliesslich die 
Unterschiede je zweier derselben enthalten und in anti¬ 
thetischer Gegenüberstellung die betreffenden Verschieden¬ 
heiten scharf hervorheben. 

Diese vergleichende Arznei wirkungslehre ist vielmehr 
ein Supplement aller vorhandenen homöopathischen 
Arzneimittellehren. 

Eine solche Arbeit fehlte bisher in der deutschen 
homöopathischen Literatur und nur die Aerzte englischer 
Zunge konnten sich rühmen, dieselbe zu besitzen. 

Jedem homöopathischen Arzte und gebildeten Laieu 
ist die Anschaffung dieses Werkes dringend zu empfehlen 


Auf Reisen und zur Dispensation sehr practisch. 
Homöopathische Mittel 

in Tablettenform, ä 0,25 Gramm Gewicht* 

(Das richtige Quantum für eine einzelne Arzneigabe.) 


1 Cylinder ä 12 

Stück 

= 3 Gramm . . . 

Mk. 

-.20 

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= 6 

,, ... 


—.30 

1 4 30 

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= 7,5 

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= 12,5 

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= 37,5 

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1.35 

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= 50 

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ii 

1.80 

1 „ 4 400 

n 

= 100 


7» 

3.50 

A. Marggrafs Homöopath. Officin, 

Leipzig. 


Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mossa-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julius Milser in Leipzig. 


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Band 139. 


Leipzig, den 7 . Deeembev 1899 . No.23 U.24 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITUNG. 

Heraasgegeben yon 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag von William Steinmetz (A. Marggrafs Homöopath. Offlein) in Leipzig 

Thomaskirchhof 12. 

Erscheint 14tägig zu2 Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 Ai* 60Pf* (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs-Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welohe an Rudolf Mosse 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlein in Leipzig) su riohten 
sind, werden mit 20 Pf . pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 6—8 Ai* berechnet. 

Inhalt. Einladung zum Abonnement. — Drei Fälle aus der Hospitalpraxis. Von Dr. Giles F. Goldsbrough, 
Assistenzarzt am Londoner homöopathischen Spital. Bef. Dr. Mossa. — Die bevorstehende ärztliche Standesord¬ 
nung und die Stellung der homöopathischen Aerzte zu derselben. Vortrag von Dr. Weiss-GmOnd. (Schluss.) — 
L’Omiopatia in Italia. 36. Heft. 1899. Mittheilungen aus dem kleinen homöopath. Spital von Dr. B. Rabajoli. 
Bef. Dr. Mossa. — Die Zustände des Auges diagnostisch bei allgemeinen Krankheiten. Nach Dr. D. A. Mac Lachlan 
in Detroit von Dr. Th. Kafka in Karlsbad. — Aloä in einem Falle von Incontinentia et faecum. Von Dr. Sam. 
van den Berghe. Bef. Dr. Mossa. — Dr. von Hartungen’s Homöopathisches Sanatorium in Riva am Gardasee. — Zur 
Diät beim Menschen. — Vom BOchertische. — Lesef rächte. — Mittheilung. — Druckfehler-Berichtigung. — Bethel, 
Sarepta, Nazareth und Wilhelmsdorf. — GemeinnOtziges. — Anzeigen. 

Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. '•Z 


Einladung zum Abonnement 


Um in der Zusendung dieser Zeitung keine Unterbrechung eintreten zu lassen, werden die ge¬ 
ehrten Abonnenten um gefällige rechtzeitige Erneuerung des Abonnements auf Band 140 (1. Halbjahr 
1900) höflichst ersucht. Alle Postanstalten und Buchhandlungen, sowie die Unterzeichnete VerlagS- 
handlung selbst nehmen Bestellungen zum Preise von 10 Mark 50 Pfg. pro Band entgegen. Probe¬ 


nummern stehen stets unberechnet und portofrei zu Diensten. 
Leipzig, im December 1899. 


Hochachtungsvoll 

die Verlftgshandlung von William Steinmetz 


(i. Fa. A; Marggrafs Homöopath. Offtcin.) 


Drei Fälle aus der Hospitalpraxis. 

Von Dr. Gilea F. Goldsbrough, 

Assistenzarzt am Londoner homöopathischen Spital. 

Verf. schickt voraus, dass die folgenden Fälle, 
die mehr oder weniger von chronischem Charakter 
und wegen ihrer Eigenart uns vom therapeutischem 
Gesichtspunkte aus interessant erscheinen, seiner 
Obhut im London Homoeopathic Hospital wäh¬ 
rend des verflossenen Vierteljahres unterstanden 
haben. Würde er die sie betreffenden interessiren- 
den Punkte jetzt nicht veröffentlichen, so würden 
diese wahrscheinlich in den voluminösen Kranken¬ 
journalen des Hospitals begraben und für das ärzt¬ 
liche Gesichtsfeld verloren sein.*) 

*) Bef. wünscht, der ärztliche Leiter unseres homöo¬ 
pathischen Krankenhauses in Leipzig, sowie auch der 


1. Fall. Malaria-Fieber — Chronisches Sumpf- 
fieber — Vergrösseremg der Milz — Arsen — 
Chinin — Ceanothus. — Entschiedene Besserung. 

Ein 28j. unverheiratheter Beamter wurde am 
4. August 1896 in das Hahnemann-Spital wegen 
Malaria-Fieber aufgenommen. Die Geschichte seiner 
Krankheit ergab Folgendes: lm fünften Lebens¬ 
jahre überstand er ein typhoides Fieber (Typhus. 
Kef.). Vor sieben Jahren hielt man ihn für brust¬ 
krank, die rechte Lunge war afficirt; er nahm 
Leberthran. Damals befand er sich als Soldat in 
der indischen Armee. 1892 ging er nach Afrika, 
wo er sich alsbald ein Malaria-Fieber zuzog. Da¬ 
von genesen, blieb er bis zum Februar dieses 

I des kleinen Hospitals in München, möchten sich diese 
I beherzigenswerthe Bemerkung ihres Londoner Oollegen 
i nicht vergeblich gesagt sein lassen. 

23 


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1*8 


Jahres (1896) ziemlich gesund, wo dann das Fieber ' 
(wohl in Afrika) recidivirte, und seitdem ist er 
ab und zu immer krank gewesen. 

Status praesens bei seiner Aufnahme: 

Pat. ist ziemlich gut genährt, von ausge¬ 
sprochen gelbblasser Gesichtsfarbe, die Lippen und 
Lidbindehaut besonders blass. Seine Grösse be- j 
trägt 5'9" und sein Körpergewicht 9 Stein 7 1 /* Ibs. 
(etwa 135 Pfd.). Er ist immer leicht im Gewicht 
gewesen. — Seine Fieberanfälle beschreibt er, wie 
folgt: Frostschaucr, der um 2 Uhr Nachmittags 
beginnt, danach bald Hitze, Schweiss fängt um 
4 Uhr Nachmittags an, der bis zum Abend an¬ 
hält. Es tritt alle oder aller zwei Tage ein An¬ 
fall ein. — Mitunter fehlt das Froststadium, und 
es zeigt sich nur Hitze mit darauffolgendem Schweiss. | 
Beim Herannahen eines Anfalls fühlt er Müdigkeit | 
und Durst; der Durst ist besonders beim Frost ; 
hervorstechend, weniger während der Hitze und I 
des Schweisses. Nach dem Anfall klagt er über I 
Kopfweh quer über den Augen nebst Schwindel, 
Gesichtstrübung und Lichtscheu. 

Bei der Untersuchung des Bluts vermittels ■ 
Glowers’ Haemocytometer und Oliver’s „Tinto- | 
raeter“ für die Abschätzung von Haemoglobin — 
beides unter der Leitung von Dr. Blackley an¬ 
gewendet — ergab sich der Gehalt des Haemo- 
globins auf ca. 43 °/ 0 des normalen und von rothen 
Blutkörperchen kamen 3500000 auf den Cubik- 
Millimeter. Letztere wechseln sehr in Grösse und 
Form. — Die Leukocythen (die weissen Blutkörper¬ 
chen. Ref.) erscheinen etwas vermehrt. Die Unter¬ 
leibsorgane normal, ausgenommen die Milz , welche 
bis in die Nabellinie hinabreicht; ihre grösste Länge 
betrug 9". Der Kreislauf und auch die Lungen 
zeigen keine Störung. Urin reichlich, sp. Gew. 
1,008, sauer reagirend, ohne Eiweiss oder Phos¬ 
phate. Pat. schläft gut; seine Stimmung ist nicht 
gedrückt. Nimmt er grosse Dosen Chinin, so wird 
er schwerhörig. Der Appetit ist gut, die Zunge 
rein, der Stuhlgang regelmässig und von normaler 
Beschaffenheit. 

Krankheitsverlauf und Behandlung. 

Vom 4.—20. August stand Pat. unter Obhut 
von Dr. Blackley. Zunächst bekam er Oenanthe 
crocata 1., 3st. 1 Tropfen, und ward auf die 
1. Form in der Diät gesetzt. Dies Verfahren 
dauerte bis zum 7. August, worauf bis zum 11. j 
Sacch. lactis folgt. Die Temperaturcurve zeigt j 
einen unregelmässigen Gang des Fiebers, da aber 1 
damals die Temperatur nur Morgens und Abends ! 
aufgenommen wurde, so mögen manche besondere 
Unregelmässigkeiten der Beobachtung entgangen | 
sein. 

Am 10. August zeigte eine neue Blutunter¬ 
suchung 30 °/ 0 an Haemoglobin vom normalen. 


Arsen, album 3. Dec. 5 Tropfen 3 Mal täg¬ 
lich, und am 12. Liquor arsenicalis 1 Tropfen 
3 Mal täglich. 

Am 17. ward das Blut wieder untersucht; es 
ergab an Haemoglobin 50 °/o vom normalen, 
rothe Blutkörperchen 1700000 auf 1 Cubik-Milli- 
meter. Rep. Liquor arsenicalis gtt. 2. 3 Mal 
täglich. 

20. August ist angemerkt: Heftiger Fieberfrost 
gestern um den Mittag, T. stieg bis auf 103 0 F. 
(ca. 39,5° C.\ Er fühlte sich heute früh sehr 
deprimirt und hinfällig; etwas Kopfweh. Wie die 
Fiebertabelle zeigt, hatte sich die T. mehrere Abende 
nacheinander auf 103 0 F. gehoben; in der Nacht 
vom 22. auf 104 0 F. 

Am 22. August zeigte sich bei der während 
des Hitzestadiums vorgenommenen Blutanalyse das 
Plasmodium in einer Anzahl rother Blutkörperchen. 
Ceanothus american. 1. gtt. 3 Mal täglich wurde 
von Dr. Minster verordnet. 

Am 24. sah Dr. Goldsbrough den Patienten 
zum ersten Mal. Der Mann fühlte sich sehr krank, 
täglich Fieberanfälle: der Kopfschmerz hatte zu¬ 
genommen, die Hinfälligkeit war gross. Ceanothus 
wurde fortgesetzt; ausserdem wurde Chin. sulph. 
Vs ® r * gegeben, sobald ein neuer Frostschauer be¬ 
gann , und J /a stündlich bis zum Einsetzen des 
Schweisses fortgesetzt werden. 

Wie die Fiebermessungen um 4 Uhr ergaben, 
erwies sich diese Behandlung sehr wirksam; denn 
nur ein Mal stieg seitdem die T. auf 103° F. und 
nur einmal auf 101,8° F. 

Vom 7.—10. September schien es, als ob das 
Chinin seine Kraft eingehüsst habe, und da Pat. 
von Anfang an grosse Dosen dieses Mittels ge¬ 
nommen, so ward dasselbe ausgesetzt. Nun wurde 
Ceanothus allein genommen und zwar in der 
1. Dec. Dil. 3stündlich 5 Tropfen am 10. September, 
in der Urtinctur zu je 3 Tropfen 3 Mal täglich 
am 14. September und zu je 5 Tropfen am 28. Sep¬ 
tember. Vom 10. September an überschritt die 
T. 100,8° F. nur 2 oder 3 Mal, und vom 18. Sep¬ 
tember erhob sie sich nicht mehr auf 100 0 F., 
ausgenommen den 25., wo sie in vier Stunden auf 
100,4° F. stand. Am 29. September verliess der 
Mann das Hospital. Die Milz, am 14. gemessen, 
hatte in ihrer grössten Länge jetzt 8". — Er zeigte 
sich nach 14 Tagen wieder in der Poliklinik; sein 
Zustand war derselbe. Er fühlte sich sehr wohl, 
wie er sagte, aber seine T. stieg gelegentlich noch 
auf 100° F. oder etwas darüber. 

Verf. fügt folgende Schlussbemerkung hinzu: 
Es ist zu hoffen, dass dieser Fall unter fortgesetzter 
Beobachtung bleibt und dessen weiterer Verlauf 
nebst Untersuchung des chronischen Malaria-Siech- 
thums, an dem Pat. offenbar leidet, zum Bericht 


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179 


kommt. Inzwischen ist es von Interesse, die Wir¬ 
kung der dem Pat. im Hospital verordneten Mittel 
zu constatiren. Es mochte erwartet werden, dass, 
wenn die Fieberanfälle nachliessen, eine fortgesetzte 
Arsenikanwendung den constitutioneilen Zustand des 
Kranken erheblich verbessert haben würde. In¬ 
dessen, so lange die Paroxysmen auftreten, ist 
Chinin unzweifelhaft ein hier homöopathisch an¬ 
gezeigtes Mittel, und hätte der Kranke nicht 
in frühem Anfällen von diesem Mittel unge 
bührlich starke Dosen gewohnheitsgemäss ge¬ 
nommen, so würde es in diesem Falle sich sicher 
heilkräftiger gezeigt haben. 

Unsere Kenntniss von Ceanothus als homöo¬ 
pathisches Mittel ist noch ganz unreif; abgesehen 
davon, dass es mit der Milz in Beziehung steht, 
sind uns seine Wirkungen auf den gesunden Orga¬ 
nismus unbekannt. 

Die hier angewandten Dosen mögen gross er¬ 
scheinen, aber es waren solche, wie man sie ur¬ 
sprünglich bei Milzvergrösserung in Gebrauch ge¬ 
zogen hat. 

2. Fall. Chronische Diarrhöe mit Symptomen, 
welche eine Tuberkulose vortäuschte — Arsen — 
Calcarea — Heilung. 

Ein 20j. Dienstmädchen, mager, von mittlerer 
Grösse, ward am 7. Juli 1896 aufgenommen. — 
Pat. ist niemals kräftig gewesen; drei Monate alt 
hatte sie einen Abscess in der Leistengegend und 
von ihrem dritten Jahr bis etwa vor einem Jahr 
hat sie immer an Absonderungen aus Ohren und 
Augen gelitten. Vor 4 Jahren bestand sie die 
Influenza, worauf ein rheumatisches Gliederweh von 
elfwöchentlicher Dauer folgte. Auch in den darauf¬ 
folgenden beiden Jahren ward sie von der Influenza 
befallen. 

Vor drei Jahren war die Regel, soweit immer 
normal, infolge Erkältung bei ihr ausgeblieben. — 
Ferner hat sie häufig an „schwärenden“ Fingern 
gelitten. Vor einem Jahre war sie wegen Ab¬ 
zehrung und Diarrhöe in einem Krankenhause ge¬ 
wesen, das sie aber nach neun Wochen an Gewicht 
leichter als bei ihrem Eintritt verliess. Seitdem 
war es mit ihr stetig bergab gegangen, da sie be¬ 
ständig an wässerigen, sehr stinkenden, schwächen¬ 
den Diarrhöen litt. Vergangene Woche kam noch 
Erbrechen hinzu. — Die Diarrhöe war durch 
strenge Milchdiät einigermassen auf eine Zeit lang 
eingeschränkt worden. 

Status praesens bei der Aufnahme . 

Appetit sehr gering, auf alles Mögliche. Immer 
Durst. Zähne sehr defect, Athem übelriechend; 
das Zahnfleisch schwammig. Zunge roth, glasirt 
und ziemlich gefurcht. — Mund wund. Geschmack 
und Geruch sehr herabgesetzt. Nach jeder Mahl¬ 
zeit schwer und aufgetrieben mit saurem Auf- 


stossen. Gasrumpeln im Leibe* Kneipende Schmerzen 
in der Regio hypogastrica bei Bewegung und beim 
Husten. Bisweilen windet sie sich vor Schmerz, 
der durch Druck und heisse Flanellumschläge ge¬ 
mildert wird. Der Unterleib ist über dem unteren 
Theil, besonders auf der linken Seite, druckempfind¬ 
lich, tympanitisch, aber nicht ausgedehnt. Mehrere 
Stühle in 24 Stunden, besonders häufig zur Nacht¬ 
zeit eintretend; sie sind blassgelb, wässerig, stin¬ 
kend, brennend heiss, begleitet von Tenesmus; 
nach der Entleerung besser. Herzklopfen und Dys¬ 
pnoe bei Bewegung. Sie wird zuweilen ohnmächtig; 
liegt unbehaglich, flach, im Bette. Puls schnell, 
regelmässig, von niedriger Spannung und geringem 
Umfange. Herztöne normal. Trockner, erschüttern¬ 
der Husten. Brust sehr abgemagert. Herabgesetzte 
Athembewegung. Percussion zeigt R. 0. und unter 
dem Schlüsselbein und der Intrascapular-Gegend 
etwas Dämpfung. Die Exspiration ist verlängert 
und fast bronchial. Bronchophonie. Keine feuchten 
Geräusche. — Das Uriniren macht Brennen. Urin 
oft dunkel, sp. Gew. 1028, sauer reagirend, mit 
einer Spur von Phosphaten, Die Haut am Stamm 
trocken und rauh. Zeichen von Panaritien an den 
Fingern beider Hände. Nachts schwitzt sie etwas. 
Schlaf unruhig und wenig in der ersten Hälfte der 
Nacht. — Kopfweh beim Lesen. Schwindel beim 
Aufstehen und Husten. Fernsehen kann sie nicht. 
Gehörvermögen mangelhaft; zeitweise Ohrenfluss. 
Der rechte Meatus ist mit Ohrenschmalz verstopft; 
der linke enthält eine braune stinkende Masse, die 
Wandungen sind weich, mit Granulationen bedeckt. 
Pat. ist sehr nervös und deprimirt. In den kleinen 
Gelenken hat sie bisweilen Schmerz. 

Verlauf und Behandlung. 

Zuerst richtete man seine Aufmerksamkeit auf 
den Zustand der Ohren und des Mundes; diese 
wurden gereinigt und möglichst asepticirt. — Einige 
Zähne wurden entfernt. — Verordnet wurde Arsen 
3. Dec. und bis zum 2. August fortgesetzt. Die 
Diät bestand zunächst in Milch mit Kalkwasser; 
dann wurden mehlige Stoffe, Saft von rohem 
Fleisch, Reispudding, Brot mit Butter, sowie Cacao 
verabreicht. Dies besserte den allgemeinen Zu¬ 
stand der Pat., hatte aber auf die Darmfunction 
wenig Einfluss. So heisst es z. B. am 21. Juli: 
„Um 1 oder 2 Uhr Nachts sehr reichliche und 
stinkende Entleerungen; diese bestehen in einer 
beträchtlichen Menge dunkelbrauner Flüssigkeit 
mit etwas braunem Schaum darauf und enthalten 
unverdautes Milchgerinnsel, sowie etwas flüssigen 
fäculenten Stoff.“ Der Schmerz wie oben geschildert. 
: Dieser Zustand dauerte bis zum 15. August, wo 
die Diarrhöe, nach einem Gang in die frische Luft, 
noch zunahm. Seit dem 3. August war Ignatia 
1. Dec. mit Ars. alb. 3. Dec. im Wechsel gegeben 

23* 


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worden. Am 18. August erhielt sie Colocynthis 
l.Dec. Am 19. zeigten sich 4 Stühle in 24 Stunden, 
ebenso am 21. — Am 24. sah Verf. diesen Fall 
zum ersten Mal, und nach einer Musterung des ge- 
sammten Symptombildes musste er Arsen innerlich 
als angezeigt halten; doch entschied er sich, da 
das Mittel in der niederen Potenz fehlgeschlagen, 
für eine höhere. Er gab also Arsen 12. 3 Mal 
täglich 1 Tropfen vor dem Essen. Am 26. August 
heisst es im Krankenjournal: Nur 1 Stuhl in 
24 Stunden, dunkler. Pat. fühlt sich durchweg 
besser. Ars. ausgesetzt, bis etwa die Entleerungen 
sich wieder häufen sollten. 

81. Aug. Die beiden letzten Tage drei Stühle, 
dünnflüssig. Ars. repet. am 30. Heute nur ein 
Stuhl. 

I. Sept. Zwei dünne Entleerungen in 24 St., 
blass. 

3. Sept. Ein reichlicher stinkender Stuhl und 
zwei kleine in 24 St. 

7. Sept. Zwei lockere Stühle in 24 St.; sie 
sind jetzt von einem gelben, halbfesten, pulver¬ 
förmigen Material. Die Leibschmerzen sind weit 
geringer. Pat. hatte jedes Mal, wenn der Stuhl 
wieder lockerer ward, von Ars. alb. 12. genommen, 
und es war durchweg besser mit ihr. 

Dieser Fall zeigt das tuberkulöse Gepräge so 
ausgesprochen, dass Verf., obwohl die fortschreitende 
Besserung des Zustandes jetzt unverkennbar war, 
späterhin, am 7. September, von Calcarea carbo- 
nica 80. 2 Mal täglich 3 Tropfen gab — und 
Butterbrot mit dazwischen gelegten feinen Schichten 
rohen Fleisches (Sandwiches) zur Kost hinzufügte. — 
Das Journal weist danach folgende beachtenswerthe 
Veränderungen auf. 

8. Sept. Gestern ein kleiner, lockerer Stuhl. 

10. Sept. Seitdem keine Entleerung. 

II. Sept. Ein Mal Stuhl in der Nacht und 
zwar geformt. 

12. Sept. Dito. Stuhl geformt, blass, gelb, 
wie Glaserkitt. Pat. ist hungrig, wünscht mehr 
Nahrung. 

17. Sept. Keine Diarrhöe; Stuhl immer ge¬ 
formt. Täglich Seezunge und jene Fleisch-Brot- 
schnittchen. — Haselhuhn gestattet; dies macht 
aber etwas Schmerz. Pat. hat seit der letzten 
Wägung um 4 Pfd. zugenommen. 

20. Sept. Sie wird als geheilt entlassen. 

Als sie sich im October wieder vorstellte, hatte 
sie dermassen an Fleisch angesetzt, dass sie Verf. 
erst gar nicht wieder erkannte. — Sie ist völlig 
gesund nach ihrer Angabe. — 

3. Fall. Erschöpfung von Ueberanstrengung — 
Gastrische Neurose — Vorgetäuschte Geschwulst 
im Unterleibe — Bettruhe — Lycopodium — Gen¬ 
tiana lutea — Chamomilla — Hergestellt. 


Mary A. G., 56 Jahr alt, in einem grossen 
Haushalt beschäftigt, wurde am 7. September 1896 
in Quin Ward aufgenommen. 

Krankheitsgeschichte: Vor fünf Monaten bekam 
sie heftige Schmerzen, die unter den Armen an¬ 
fingen, das Epigastrium befielen und sich um den 
Rücken herum erstreckten. Sie hatte die Empfin¬ 
dung von etwas Heissem den Rücken herab. Sie 
hatte in 14 Monaten einen Stein (14 Pfd. Ref.) an 
Körpergewicht verloren, war magerer und schwächer 
geworden. Wegen jenen Schmerzen hat sie sich 
in den letzten 2 oder 3 Monaten oftmals mitten 
in der Arbeit niederlegen müssen. Häufig Auf- 
stossen beim Schmerz. Verschiedene Male hat sie 
auch — ohne jeden Schmerz — hellrothes Blut 
ausgehustet, worauf am nächsten Tage die Brust 
im obern Theile web that. Dabei bestand gewöhn¬ 
lich Weichleibigkeit, zumal am Morgen; diß Ent¬ 
leerungen waren halbfest, von normaler Farbe. Sie 
ist die Jüngste unter ihren Geschwistern. — Die 
Menstruation hat bereits seit 12 Jahren aufge- 
hört. — Bis vor 11 Jahren war sie gesund ge¬ 
wesen; damals soll sie ein „Lebergeschwür“ ge¬ 
habt haben und hat Blut gehustet. Fünf Jahre 
zuvor bekam sie die Influenza, wonach sie die 
Augenlider nur mit Mühe erheben konnte. In 
ihrer Lebensweise ist sie immer regelmässig und 
mässig gewesen. Es war für sie in einem gut- 
situirten Hause gut gesorgt worden, aber sie batte 
schwer zu arbeiten. Ihre Familiengeschichte ist 
günstig, abgesehen davon, dass eine ihrer Schwestern 
in einem Asyl sich befindet und eine andere, 
27 Jahre alt, an Schwindsucht gestorben ist. 

Status praesens 3 Tage nach der Aufnahme. 

In Dr. Epp’s Privatklinik, von wo sie in’s 
Spital geschickt worden war, hatte sie eine Woche 
vorher Arsen, jodat. 4. Dec. und Millefolium 1. Dec. 
im Wechsel erhalten, was auch nach der Aufnahme 
weiter gegeben worden ist. — 

Pat. sieht mager und elend aus, leidet an Kopf¬ 
weh, HitzanWandlungen und oft an „abgestorbenen“ 
Fingern. Beim Versuch zu arbeiten, überkommt 
sie ein Anfall von Zittern. Sie ist sehr herabge¬ 
stimmt und schwach; verliert bei längerem Sprechen 
die Stimme. Die Haut ist trocken und blass; Nachts 
Schweiss. Die Zunge ist rein, der Appetit dürftig; 
das Essen bringt gewöhnlich, nach einer Stunde, 
Schmerz um den Nabel mit der Empfindung, als 
sei daselbst Wind und ein harter Körper. Auf- 
stossen mit dem Geschmack des Genossenen oder 
faulig. Zeitweise Würgen und Uebelkeit, wenn 
der Schmerz heftig auftritt. 

Der Zustand des Unterleibes charakterisirt den 
Fall ganz besonders. Der Bauch ist ahgemagert 
und etwas eingezogeu. Eine vorzugsweise druck¬ 
empfindliche Zone befindet sich dicht um oder über 


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dem Nabel; schon bei der geringsten Berührung | 
daselbst weicht Pat. zurück. Die Untersuchung ! 
wurde so angestellt, dass zur Simulation keine Ge¬ 
legenheit gegeben war. Bei leichter Palpation j 
fühlt man in dieser Gegend einen festen Körper, [ 
wie etwa eine Billardkugel; er scheint an die Leber 
zu grenzen, und lässt sich unten besser als oben 
umschreiben. Es lässt sich an ihm deutliche Pul¬ 
sation und bei der Auscultation ein bestimmtes Ge¬ 
räusch constatiren. Man konnte somit leicht zu 
Diagnose eines Aorten-Aneurysma verleitet werden. 
Durch die Bauchwand war die peristaltische Be¬ 
wegung zu sehen; das Colon descendens scheint mit , 
Faeces gefüllt. Seit der Aufnahme kein Stuhlgang. 
Urin der Menge nach normal; sp. Gew. 1010; er ; 
enthielt Phosphate, kein Eiweiss. — Pat. ist kurz- 
athmigund hat etwas beschwerlichen, trocknen Husten. 
Kein abnormes physikalisches Zeichen in der Brust. 
Herzklopfen bei der geringsten Kraftanstrengung.— 
Herztöne normal. P. 90, regelmässig, an Umfang 
und Spannung gut. 

Bei einer sorgfältigen Untersuchung der Kran¬ 
ken, fühlte sich Verf. überzeugt, dass er es hier 
mit keinem Fall von Aorten-Aneurysma zu thun | 
habe, sondern mit einem Zustande allgemeiner ner¬ 
vöser Herabstimmung, welche die gastrische Gegend i 
und noch mehr den Plexus solaris afficirt und auch | 
eine Parese des Colon herbeigeführt habe. Jener 
Körper, den man dort fühlt, war nichts anderes, als 
ein Theil des so ausgedehnten und mit Fäcal- j 
stoffen gefüllten Colon. Die der ganzen Krank- ' 
heit zu Grunde liegende Ursache, die Ueberan i 
strengung durch schwere Arbeit, machte ihren 
Einfluss auf die anderen Organe geltend, und 
ist derselben auch die Haemoptysis, ohne eine Er¬ 
krankung der Lunge, zuzuschreiben. Für diese 
Diagnose sprach deutlich der hochgradige neuro¬ 
tische Zustand der Patientin. 

Sollte diese Ansicht richtig sein, so musste Bett¬ 
ruhe für die Kranke sehr erspriesslich sein. Für 
damals erschien Lycopodium am Ersten angezeigt. ! 
Dies wurde ihr in der 12. Dil. gegeben. Für 
Oeffnung wurde durch ein Lavement gesorgt. 

14. Sept Sie fühlt sich besser; Bauch weniger 
empfindlich; weniger ’ Gasanhäufung. Oeffnung er¬ 
folgt nur auf Lavement. Die umschriebene Zone 
von Schmerz und Druckempfindlichkeit, wie oben 
geschildert. Pat. fühlt daselbst ein Klopfen, was 
offenbar von der Pulsation der Aorta herrührte, 
und bezeichnet es als sehr empfindlich. 

Dieses Symptom erschien Verf. so charakte¬ 
ristisch, dass er nach einem Mittel suchte, bei dem j 
nebst der Totalität der anderen Erscheinungen 
dieses Symptom besonders ausgesprochen war. Er , 
fand zwei Mittel: Gentiana lutea und Oleander, die 
er vorher nie gebraucht hatte. Unter Gentiana ! 


haben wir, in Allen’s Encyclopaedie, das Symptom 
von Empfindlichkeit in der Nabelgegend bei Be¬ 
rührung genau angegeben, und zwar von zuver¬ 
lässigen Prüfern. Auch die übrigen Verhältnisse 
des Abdomen bei diesem Mittel schienen mit denen 
des vorliegenden Falles hübsch übereinzustimmen. 
Eingedenk obenein, wie die alte Schule Gentiana 
als tonisirendes Mittel gebraucht, entschloss er sich 
zu einem Versuch mit diesem Mittel. Die Wirkung 
war schnell und bestimmt, wie sich aus folgenden 
Aufzeichnungen ergiebt. 

Am 19. Sept. war Gentiana lutea 1. Dec. zu 
2 Tropfen 3stündlich verordnet worden. Am 21. 
sagt das Journal: „Der klopfende Schmerz hörte 
eine Stunde nach dem Einnehmen des Mittels auf, 
und hat sie ihn seitdem nicht mehr empfunden.“ 
Auch war die äusserliche Empfindlichkeit weit ge¬ 
ringer. Seit 3 Tagen arbeiteten die Därme von 
selbst. — Am 26. Sept. heisst es: ,,Die Besserung 
hielt an. Rep. Sie konnte gewöhnlichen Druck 
auf der früher schmerzhaften Stelle jetzt gut er¬ 
tragen.“ — Am 28. Sept. war sie durch eine un¬ 
ruhige Stubengenossin sehr gestört worden, so dass 
sie niedergeschlagen und reizbar ist. — Chamo- 
milla 6. Sie blieb bis zum 8. October im Kranken¬ 
hause; Besserung war auf der ganzen Linie ein¬ 
getreten. 

Später hat sie bei einem Besuch berichtet: 
Der Bauchschmerz ist völlig vergangen; sie kann 
gut essen und nimmt an Fleisch zu. Der Darm¬ 
kanal arbeitet regelmässig. Hinzuzufügen ist noch, 
dass während ihres Aufenthalts im Krankenhause 
Pat. Diät ,,erster Klasse“ bekommen hat. (The 
monthly homoeopathic Review. 1. December 1896.) 

Dr. M088&. 


Die bevorstehende ärztliche Standesordnung 
und die Stellung der homöopathischen Aerzte 
zu derselben. 

Vortrag von Dr. Weiss-Gmünd, 

(Schluss.) 

Damit soll nicht gesagt sein, dass wir alles 
blindlings und unbesehen acceptiren. Ich möchte 
nämlich die Herren Collegen auf den berüchtigten 
§ 11 des Entwurfes aufmerksam machen, welcher 
uns homöopathischen Aerzten bei missverständlicher 
Auslegung sehr unbequem werden könnte. Der 
Zusatzantrag Lieh , politische, religiöse und tech¬ 
nische Fragen können kein Gegenstand der Ver¬ 
folgung sein, erscheint mir doch nicht so ganz 
überflüssig, und in dankenswerther Weise hat auf 
Antrag des Ortsvereins Gmünd der Bezirksverein 
Aalen den Zusatzantrag Lieb in der Fassung durch 


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182 


den Referenten wieder hergestellt, dass medicinisch 
technische Fragen nicht zum Gegenstand der Ver¬ 
folgung gemacht werden dürfen. 

Wir dürfen dem verehrten Herrn Voi'ritzen - 
den unseres Vereins, der jüngst eine so scharfe 
Lanze mit einem wissenschaftlichen Gegner der 
Homöopathie gebrochen hat, mit vollem Recht Zu¬ 
trauen, dass er an massgebender Stelle eine der¬ 
artige Redaction des § 11 befürworten wird, die 
eine missbräuchliche Anwendung desselben auf die 
Homöopathie und ihre ärztlichen Vertreter absolut 
ausschliesst. Haben wir uns betreffs der Vereins¬ 
gesetzgebung auf denselben Standpunkt gestellt, 
wie unsere übrigen württembergischen Collegen, 
so treten bei der Beurtheilung der bevorstehenden 
StAndesordnung für den homöopathischen Arzt er¬ 
hebliche Bedenken in den Vordergrund. Nach § 6 
sollte u. A. jeder Bezirksverein durch Satzungen 
die Rechte und Pflichten der Mitglieder und eine 
Standes- und Ehrengerichts-Ordnung festsetzen. 
Mit Recht wurde schon in der Ausschusssitzung 
des Landesvereins hierzu bemerkt, dass solche Ord¬ 
nungen besser für den ganzen Landesverein er¬ 
lassen werden und auch in verschiedenen Bezirks¬ 
vereinen, im Interesse einer einheitlichen Fassung, 
der Entwurf einer Standes- und Ehrengerichts¬ 
ordnung als Sache des Landesausschusses erklärt. 
Wir werden wohl mit der Annahme nicht fehl¬ 
gehen, dass ein solcher Entwurf, wenn er an die 
Bezirksvereine hinausgeht, wie schon dies Vereins¬ 
gesetz sich eng an diejenigen Ordnungen an- 
schliessen wird, die schon in anderen deutschen 
Bundesstaaten bestehen, insbesondere in Sachsen, 
wo sie bereits Gesetz geworden. Der Wichtigkeit 
dieses Punkts halber kann ich die Herren Collegen 
mit der wörtlichen Verlesung der sächsischen Standes¬ 
ordnung nicht verschonen. (Es folgt die Verlesung 
der sächsischen Standesordnung.) 

Meine Herren! Das Alles wird in dem künf¬ 
tigen Entwurf einer Standesordnung für die württem¬ 
bergischen Aerzte wörtlich oder dem Sinne nach 
enthalten sein. Darüber darf keinen Augenblick 
ein Zweifel bestehen bleiben, dass auch von dem 
homöopathischen Arzt diejenigen Paragraphen, 
welche persönliche Reclame, unlautern Wettbewerb 
und malhonettes Benehmen überhaupt mit Strafe 
bedrohen, ohne Weiteres wie von jedem verstän¬ 
digen Arzt angenommen werden müssen. Ganz 
anders aber müssen wir uns zu denjenigen Ab¬ 
schnitten der verlesenen Standesordnung verhalten, 
welche geeignet sind, mehr oder weniger jede Agi¬ 
tation für unsere therapeutische Methode zu ver- 
pönen, weil sie der Eigenart derselben keine Rech¬ 
nung tragen. Ich rechne darunter insbesondere 
§ 6, betr. ausschliesslich briefliche Behandlung (Bei¬ 
spiel von Vollbeding) gewerbsmässig. Dann § 7, 


| betr. Krankenbehandlung und Vertretung durch 
| Nichtärzte. Während andererseits auch wir darauf 
| beharren müssen nach § 9, dass für jeden Arzt 
die Consultationspflicht mit einem andern gesetz- 
| lieh festgelegt wird. Dass auch der homöopathische 
i Arzt ohne jede persönliche Reclame ganz gut aus- 
kommen kann, beweist eine grosse Anzahl württem- 
bergischer homöopathischer Aerzte aus alter und 
I neuer Zeit, welche sich nicht bloss einer grossen 
, Praxis und des Vertrauens ihrer Patienten erfreuen, 
sondern auch in ärztlichen Vereinen und öffent- 
j liehen Aemtern eine ehrenvolle Stelle einnehmen. 

Meine Herren! Da Se. Excellenz der Herr 
j Kultusminister die wissenschaftliche Begründung der 
| homöopathischen Heilmethode als hinlänglich er- 
| bracht erachtet, sie an der Universität ungehindert 
| lehren und ausüben lässt, müssen wir nach dem 
Grundsatz handeln: si nequeo superos, Acheronta 
| movebo. Wir rufen die Laien nicht zu Schieds¬ 
richtern für eine innere Streitfrage der wissenschaft- 
I liehen Medicin auf, aber wir können solange nicht 
aufhören, uns in populären Schriften an die Laien- 
| weit zu wenden, als uns die Fachblätter grössten- 
1 theils verschlossen sind und solange die meisten 
I politischen Zeitungen, ja sogar die Monatsschriften 
I und illustrirten Zeitungen der herrschenden Schule 
freiwillige Handlangerdienste leisteten, sind wir ge- 
| nöthigt, durch Wort und Schrift in allen uns zu- 
] gänglichen Kreisen für die von uns erkannte Wahr- 
1 heit Propaganda zu machen. Dafür aber, dass der 
! Eigenart der homöopathischen Heilmethode, welche 
( sich zu einer Volksmethode im Lauf der v Jahre 
entwickelt und für arztarme Districte geradezu zu 
einer volkswirthschaftlichen Nothwendigkeit gestaltet 
hat, vom Gesetzgeber künftighin schon in der zu 
erlassenden Standesordnung hinlänglich Rechnung 
getragen wird, dafür stehen uns meines Erachtens 
i mehrere gangbare Wege offen. Ich beantrage, der 
| Verein der homöopathischen Aerzte Württembergs 
wolle beschliessen: 

1. Es wird von jedem Mitglied desselben dringend 
gewünscht, seinen Eintritt in den zuständigen Be- 
I zirksverein zu erklären und in demselben bei Be- 
i sprechung des vom Landesausschuss demselben vor- 
j zulegenden Entwurfs einer Standesordnung den 
i Standpunkt der homöopathischen Aerzte in der an- 
| gegeben Richtung zu vertreten, und gegen Be- 
j Schlüsse, welche die Actionsfreiheit der homöo¬ 
pathischen Heilmethode beeinträchtigen könnten, 
formellen Protest zu erheben. 

i 2. Der Verein der homöopathischen Aerzte 
Württembergs wolle den Vorsitzenden des Vereins, 
Herrn Obermedicinalrath Dr. v. Sick, ersuchen, er 
möge eine im Sinne obiger Ausführungen gehaltene 
( Erklärung bei der Begutachtung des Entwurf» zu 


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183 


einer Standesordnung der württembergischen Aerzte 
im königlichen Medicinalcollegium abgeben. 

3. Es sollen diese Resolutionen des Vereins in 
Gestalt eines ausführlicheren Memorandums vor der 
Einbringung des Gesetzentwurfs durch das könig¬ 
liche Ministerium an die Kammern der betr. Com¬ 
mission resp. jedem Präsidenten derselben über¬ 
reicht werden. 

Meine Herren, wir sind an einen Wendepunkt 
der Homöopathie in unserem engeren Vaterland 
und dem ganzen Deutschen Reich angekommen. 
Möge der von mir beantragte Verzicht der homöo¬ 
pathischen Aerzte auf alle Sonderinteressen den 
übrigen ärztlichen Collegen beweisen, dass wir ho¬ 
möopathischen Aerzte uns als Kinder einer Mutter, 
unserer medicinischen Wissenschaft, fühlen, und 
dass wir uns mit allen Berufsgenossen auf socialem 
Gebiete solidarisch erklären. — Möge dann aber 
auch von der anderen Seite der Widerstand gegen¬ 
über unserer Heilmethode sich auf das Gebiet be¬ 
schränken, dem der ganze Streit angehört, nämlich 
die wissenschaftliche und vorurtheilsfreie Kritik 
und unserer Methode die Bahn frei werden; wir 
sind Alle davon überzeugt, dass unsere Heilmethode 
diese Prüfung mit Glanz bestehen wird zum Wohl 
der Menschheit und zur Ehre der Heilwissenschaft! 


L’Omiopatia in Italia. 

36. Heft. 1899. 

Mittheilungen aus dem kleinen homöopath. Hospital 
von Dr. B. Rabajoli. 

1. Ein 15 jähriges Mädchen hatte von Kindheit 
an an verschiedenen skrophulösen Affectionen, wie 
Crusta lactea, Geschwulst der Halsdrüsen etc., ge¬ 
litten. Seit 5 Jahren besteht ein bis heute fort¬ 
dauerndes Augenleiden. Das linke Auge zeigt die 
Residuen einer vorgeschrittenen Keratitis und eine 
leichte Entzündung der Bindehaut. Das rechte 
Auge zeigt eine parenchymatöse Keratitis in voller 
Entwicklung, wozu sich plötzlich ein Geschwür der 
Hornhaut, das ein Staphylom zu bilden neigt, ge¬ 
treten ist. 

Kal. chloratum und einige Dosen Kali bichrom. 
während der Zeit, wo sich das Geschwür zu ent¬ 
wickeln begann, gegeben, brachten in einigen Tagen 
eine völlige Heilung mit Zurücklassung eines 
weissen Fleckes. 

2. Ein 15 jähriges Mädchen mit Diabetes mellitus. 
Weder in der Familien- noch in der Lebens¬ 
geschichte der Kranken Hess sich ein Grund für 
eine so frühzeitige Entwicklung dieses Uebels, 
dessen erste Symptome vor etwa 4 Jahren sich 
zeigten, ausfindig machen. 


Die Menge des täglich entleerten Urins betrug 
während der Beobachtungszeit im Durchschnitt fünf 
Liter und die des Zuckers, nach Fehling’s Methode 
gemessen, ergab als Tagesmittel 100 Gramm. 

Zuerst wurde Uranum nitricum gegeben und 
eine mässig beschränkte, nicht ausschliessliche 
Fleischdiät angeordnet. Hierbei kam die Zucker¬ 
ausscheidung auf einen Grad, der Gutes verhiess; 
ebenso mässigte sich der intensive Durst und die 
Kräfte nahmen zu. 

Aber nach einigen Tagen begann die Kranke, 
um eine ihrem Gaumen mehr zusagende Kost 
zu erlangen, alle Künste anzuwenden, um den 
Arzt über die Quantität des entleerten Urins zu 
täuschen; sie verdünnte letzteren mit Wasser, 
um auch über den Zuckergehalt desselben zu 
täuschen. Kurz, alle seitdem gemachten Harn¬ 
analysen waren falsch und die Patientin verlor, um 
einem kindischen Wunsche zu genügen, eine kost¬ 
bare Zeit, und ging aus dem Spital, war im All¬ 
gemeinen besser, aber ohne nennenswerthe Verände¬ 
rung in Bezüg auf Quantität und Qualität des Urins. 

3. Eine 37 jährige Frau kam mit den Sym¬ 
ptomen einer linksseitigen Ischias und hartnäckiger 
Verstopfung ins Spital. Es wurden mehrere Mittel, 
:.ber immer mit ungenügendem Erfolge gegeben. 
Da zeigt es sich bei näherer Untersuchung, dass 
es sich um eine mechanische Ursache, um eine Retro- 
versio Uteri und starke Adhaerenzen des Uterus in 
der Fossa iliaca sinistra handelte. Da Pat. sich 
aber einer Operation nicht unterziehen wollte, wurde 
sie entlassen. 

Wir haben diese beiden mit einem Misserfolg 
endenden Fälle hier wiedergegeben, um zu zeigen, 
wie man nicht alle in einem homöopathischen Spital 
vorkommenden Misserfolge der Ungeschicklichkeit 
der homöopathischen Aerzte zuschreiben darf. 

4. Ein 80 jähriger Mann litt schon verschiedene 
Male an Ophthalmie und insbesondere an einer 
granulösen Conjunctivitis. Er kam aus einem an¬ 
deren Krankenhause, das er verlassen hatte, weil 
er sich nicht länger einer örtlichen, höchst schmerz¬ 
haften Behandlung, die den Zustand seiner Augen 
immer mehr verschlimmerte, unterziehen wollte. 

Das rechte Auge zeigte eine leichte Injection 
der Bindehaut. Am linken ist die Bindehaut des 
unteren Lides erheblich hypertrophisch und ge- 
röthet. Die Conjunctiva tarsalis zeigt sich auf¬ 
fallend granulös und tracheomatös. Die Cornea 
hat auch an dem entzündlichen Processe theil- 
genomraen und hat sich ein kleines Geschwür auf 
derselben gebildet. 

Jequirity, Kali bichrom., Jod. flav., Hydr. 
bichlor., und als Beihilfe Warm-Wasser-Umschläge 
auf die Augen, brachten bald den fast hoffnungs¬ 
losen Zustand zu entschiedener Besserung. 


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5. Ein 19jähriges Mädchen, von »Seiten der 
Eltern nicht belastet, bekam vor zwei Monaten in 
Folge plötzlicher Schweissunterdriickung Arthritis 
im rechten Handgelenk; in wenigen Tagen schwoll 
die Hand unter so heftigen Schmerzen an, dass sie 
nicht einmal den Druck des Betttuches ertragen 
konnte. Einen Monat lang war salicylsaures Natron 
fast täglich, aber mit negativem Erfolge gebraucht 
worden. 

Sie erhielt Kali hydrojodicum und genas voll¬ 
ständig. 

6. Eine 45jährige Frau bekam Ende vorigen 
Jahres ein Ekzem am ganzen Kopfe, das sich in 
einigen Tagen über Augen, Ohren, ja das ganze 
Gesicht ausbreitete. In einem städtischen Hospitale 
wurden nur örtliche Mittel angewandt, und in zehn 
Tagen war der Hautausschlag beseitigt. — Einen 
besseren Erfolg hätte sie sich nicht wünschen 
können, aber die Kranke war doch nicht zufrieden, 
denn in dem Maasse, wie das Ekzem schwand, 
stellte sich bei ihr eine Art innerer Unruhe, häu¬ 
fige Aufregungen und schliesslich Wahnbilder und 
Delirien ein, so dass sie in eine Irrenanstalt zu 
gehen genöthigt war, wo sie einen Monat verblieb. 
Nachdem sie diese etwa 14 Tage verlassen, er¬ 
schien das Ekzem aufs Neue, welches schnell wie¬ 
der das ganze Gesicht (sie konnte die Augen nicht 
öffnen), die Ohren, den Hals und einen Theil der 
Kopfhaut einnahm; es bildete sich eine dicke 
Kruste, unter der eine fortwährende Secretion statt- I 
fand, die der Pat. ein unerträgliches Beissen und 
Jucken verursachte. In diesem Zustande suchte 
sie Hilfe im homöopathischen Hospital. Aeusser- 
liche Mittel wurden nicht gebraucht; innerlich be¬ 
kam sie Rhus radicans, Hepar sulph. und Clematis. 
Innerhalb 25 Tagen war das Ekzem völlig ver¬ 
schwunden, doch blieb sie noch 14 Tage in der 
Anstalt, bis das zurückgebliebene Hautjucken völlig 
geheilt war. Während der 40tägigen Kur hatte 
sie an 5 Kilogramm an Körpergewicht zugenommen. 

Klinische Bemerkungen von Dr. Bonino. 

Heüeboruts niger . 

Ein 59jähriger Bauersmann, nie erheblich krank 
gewesen. Ein Bruder von ihm ist kurze Zeit irre 
gewesen. — Seit etwa einem Monate hatte sich 
bei dem Pat. in Folge von Geschäftssorgen eine 
Art von Psychopathie mit dem Gefühl von Trunken¬ 
heit, Taumeln, Schwierigkeit sich auf den Beinen zu 
halten, Gleichgültigkeit gegen Alles, entwickelt; 
Fragen verstand er schwer und beantwortete sie, 
wenn er sich dazu aufraffen konnte, langsam; er 
fühlte kein Verlangen zu essen oder zu trinken ! 
oder seine Nothdurft zu verrichten. Er litt an Ver¬ 
stopfung; er ist schlaf los und sitzt still mit leerem 
Blicke da; ist abgemagert. jJyoscyamus brachte 


etwas Schlaf, aber Helleborus niger war es Vor¬ 
behalten, in einigen Tagen den Mann von seinen 
schweren Leiden zu befreien und ihn seiner Familie, 
die schon das Schlimmste gefürchtet hatte, wieder¬ 
zugeben. Das Mittel wurde in der 3. und 6. Dilu¬ 
tion, 2 — 3 Dosen täglich, gegeben und bewirkte 
eine stetig zunehmende Klärung des psychopathischen 
Zustandes, bis dieser endlich völlig gehoben war. 

Secale cornutum. 

Hier haben wir es nicht mit einem Fall zu 
thun, der so geartet war, dass er mit einem ein¬ 
zigen Mittel geheilt werden konnte, aber er scheint 
dem Verf. aus zwei Gründen besonders beachtens- 
wertb. Erstlich betraf es eine Frau von 42 Jahren, 
Mutter von vier Kindern, welche wegen eines 
Magen- und Darmkatarrhs, der der schulgerechten 
Behandlung in einem Krankenhause ersten Ranges 
an sechs Monate getrotzt hatte, und trotz aller 
guten Pflege sehr heruntergekommen, die Hilfe 
der Homöopathie suchte; sodann giebt er eine Be¬ 
stätigung eines charakteristischen Symptoms von 
Secale cornutum, nämlich äusserliche Kälte mit 
schlechtem Ertragen von Bedeckung, ein Symptom, 
das unter den anderen choleraartigen Erscheinungen 
hervorleuchtete, diese aber waren Erbrechen, Singul- 
tus mit heftigen Schmerzen im Magen, Diarrhöe, 

1 Aphonie, fadenförmiger, zeitweise unfühlbarer Puls, 
kalte Haut, die mit kaltem Schweisse bedeckt war, 
Athemnoth, spärlicher, brennend heisser Urin. — 
Arsenicum, das zuerst verabreicht wurde, vermochte 
die Steigerung des Uebels nicht zu hemmen, so 
dass die Prognose von Stunde zu Stunde ungün¬ 
stiger wurde, bis man, in Rücksicht auf jenes oben 
erwähnte Symptom zu Secale cornutum griff, unter¬ 
stützt von einigen Gaben Veratrum album. Letzteres 
machte den Singultus aber jedesmal stärker, welcher 
dann erst dem Secale wich. — 

Der Kampf dauerte 40 Stunden, bis sich eine 
leichte Reaction und ein auf Arsenik hinweisender 
Durst zeigte, worauf letzteres Mittel gegeben wurde, 
worauf sich die Frau gradatim erholte. Es blieb 
I nur etwas schwache Verdauung, die noch Berück¬ 
sichtigung erforderte. 

Aus der Poliklinik in Bom von Dr. Carlo Ladelei. 

Ein 2 7a jähriges Kind hatte in seinen ersten 
Lebenstagen einen starken Ausbruch von Crusta 
lactea gehabt, der durch verschiedene Salben ver¬ 
trieben worden war. Späterhin zeigte es bedeutende 
Schwäche in den Untergliedern in dem Grade, dass 
es im Alter von 2 Jahren erst gehen konnte, unter 
dem Gebrauch verschiedener Kalkpräparate und 
Bädern mit Wein und Eisen. 

Jetzt, etwa seit 8 Monaten, wo es ziemlich gut 
zu gehen anfing, sind seine Beine allmählich wie- 


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der schwächer geworden, und kann es sich nicht 
auf den Füssen halten. 

Verordnet wurde Sulphur 6. Seit 14 Tagen 
zeigten die unteren Glieder wieder etwas mehr 
Widerstandskraft, und so wurde das Mittel noch 
weitere 10 Tage gegeben. Hierauf bekam es 
Calc. carb. in verschiedenen Dilutionen und nach 
Verlauf von 2 x / 2 Monaten hat das Mädchen völlig 
die Gebrauchsfähigkeit der Unterglieder wieder er¬ 
langt, so dass es eine Freude ist, es gehen und 
laufen zu sehen. 

Phytolacca. Ein 20jähriger Mann litt über zwei 
Monate an einem gastro-intestinalen Katarrh. Ohne 
Gebrauch von Abführmitteln kein Stuhl. Er klagt 
über fortwährende Leibschmerzen, besonders nach 
dem Essen, starkes Brennen im Magen und häufige 
Brechneigung. Phytolacca 4. Darnach verging, 
innerhalb 4 Tagen, die Brechneigung; es waren 
in zwei vorhergehenden Tagen zwei spontane, etwas 
compacte Entleerungen erfolgt; die Leibschmerzen 
sind weit geringer, doch wird er noch von’ bestän¬ 
digem Rumpeln in den Gedärmen mit Abgang vieler 
stinkender Winde geplagt. 

Carbo vegetabilis 4. brachte ihm in 8 Tagen 
vollständige Genesung. 

Ein 47 jähriger Mann litt schon über 8 Monate 
an Darmkatarrh. Obstipatio habitualis mit spär¬ 
lichen, mühsamen Entleerungen alle 7 oder 8 Tage, 
starkes Brennen am After; der Koth ist mit blutigem 
Schleim gemischt; Getöse in den Därmen und be¬ 
ständige Schmerzen nach dem Essen. 

Er erhielt am 30. März Phytolacca 4. 

4. April. Die Stuhlgänge erfolgen häufiger 
und mit Schaum bedeckt. Phytolacca 6. 

12. April. Diarrhöeartige Entleerungen mit 
starken Schmerzen und Schweregefühl im After. 
Phytolacca 80. 

20. April. Die Entleerungen sind jetzt regel¬ 
mässig, die Schmerzen geringer, das Kollern im 
Bauch aber hat zugenommen. Carbo animalis 3. trit. 

5. Mai. Alles gut; nur haben sich heftige, 
immer mehr und mehr zunehmende schneidende 
Schmerzen im Unterleibe eingefunden (vielleicht eine 
Arzneiwirkung von der in so starker Gabe ge¬ 
reichten Fleischkohle. Ref.). Nach Mercur. corros. 18. 
verschwanden diese und Pat. konnte als völlig ge¬ 
heilt entlassen werden; er hat jetzt regelmässig, 
ohne irgend welche Beschwerden, alle 24 Stunden 
Leibesöffnung. 

Eine 48jährige Frau litt seit mehreren Jahren 
an einer Neurasthenie, die sie ungemein plagte. 
Zur Zeit klagte sie über völlige Appetitlosigkeit 
und ein sehr lästiges Gefühl, als ob eine Menge 
kleiner Insekten beständig über das Gehirn liefen; 
ausserdem empfindet sie in den Ohren das Geräusch 
von einem grossen siedenden Kessel. 


Petroleum 6. In etwa 20 Tagen hörten diese 
Symptome fast völlig auf; jetzt aber stellte sich in 
grösseren oder geringeren Zwischenräumen ein all¬ 
gemeines Jucken (Pruritus) auf der Haut ein. 
Aconit. Nap. 6. Dil. Unter Anwendung dieses Mittels 
innerhalb 7—8 Tagen erschien auf dem ganzen 
Körper ein reichlicher, miliariaartiger, höchst jucken¬ 
der Ausschlag. Sulphur. 30. stillte in weniger als 
2 Tagen dieses Jucken und in etwa 2 Wochen 
war die Frau völlig gesund. 

Ein 15jähriges, noch nicht menstruirtes Mäd¬ 
chen, von lymphatisch - skrophulöser Constitution, 
zeigte die Drüsen am Halse, die submuskulären, 
und die in den Weichen stark geschwollen und 
schmerzhaft. 

Calcarea carb. 200. und Graphit. 200. bewirkten 
nach dreimonatlicher Behandlung eine vollständige 
Rückbildung der Drüsen. 

Febris intermittens tertiana. 

Ein 2 6jähriger Mann litt seit ca. 2 / a Jahre an 
einer Febris intermittens tertiana. Das Fieber be¬ 
ginnt gegen 11 Uhr Vormittags mit starkem Frost, 
hält 5—6 Stunden an, wobei die T. auf 40° C. 
steigt und fällt dann unter reichlichem Schweisse. 
Beim Anfall ist immer Brechreiz und Fremitus in¬ 
testinalis zugegen. Er hat per os und per injec- 
tionem 60 Gramm Chinin genommen. 

Dr. Ladelei, während eines Anfalls, den man 
wohl einen perniciösen nennen konnte, gerufen, 
verordnete 0,20 Ipecacuanha in der 3. Verreibung, 
in einem halben Glase Wassers gelöst, alle 10 Mi¬ 
nuten einen Esslöffel voll. Der Anfall wurde glück¬ 
lich überwunden und 2 Tage darauf kehrte das 
Fieber ohne bedenkliche Erscheinungen wieder. 

Jetzt Ipec. 30. Es kamen noch 2 Anfälle, der 
eine leichter als der andere, und sodann war die 
Krankheit, mit diesem Mittel allein, geheilt. — 

Es sind dies schöne Resultate, welche der ho¬ 
möopathische College in Rom in seiner poliklinischen 
Thütigkeit bei einer Clientei erreichte, wo die äusseren 
Umstände, wie Diät und gute WohnungsVerhältnisse 
und Abwartung sicherlich viel zu wünschen übrig 
Hessen und deshalb zur Erreichung der Heilung 
nicht beitragen konnten. Dr. Mossa. 


Die Zustände des Auges diagnostisch bei 
allgemeinen Krankheiten. 

Nach Dr. D. A. Mac Laohlan in Detroit, Mich., 
Transact. 1898, S. 398. 

Von Dr. Th. Kafka in Karlsbad. 

Wir leben in einem praktischen Zeitalter. 
Vorüber sind die Tage, wo blosser Muth, Ent¬ 
schlossenheit oder Heroismus Schlachten gewann; 

24 


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186 


ho bewies es ruhmreich Admiral Dewey auf Manila, 
dass Wissenschaft (Gehirn, Praxis und Präcision) 
auch nothwendig ist. (? Red.) 

Ebenso wie in der Schlacht, verhält es sich 
beim Kampfe gegen die Krankheit. Die Zeit ist 
vorbei, wo bloss grobe und aufschneiderische Auf¬ 
geblasenheit, sonore Stimme und eine Metzgerhand 
den Chirurgen ausmachte oder wo blosse angenom¬ 
mene Würde, Geheimniss und die Lancette und 
eine Pillenschachtel einen Arzt kennzeichnete. 
Wissenschaft ist nöthig und auch Geschick. Ich 
glaube, es war Wendel! Holmes, der äusserte: 
„Wissenschaft ist feines Möbel für das obere Stock¬ 
werk, wenn gesunder Menschenverstand im Parterre 
ist; aber ohne gesunden Menschenverstand im Par¬ 
terre und ersten Stock ist die blosse Wissenschaft 
im zweiten Stockwerk für den Patienten mehr vom 
Uebel. „Wissenschaft; ist Macht, tf wenn gut an¬ 
gewandt. Wir müssen medicinisches Wissen haben, 
aber Geschicklichkeit ist das essentielle für die Er¬ 
zielung des Erfolges. 

Chirurgie und Therapie haben seit undenkbaren 
Zeiten einen Ehebund geschlossen und ,,was Gott 
vereinigt hat, soll der Mensch nicht trennen.“ Es 
giebt heutzutage Leute, die diese beiden trennen 
wollen, aber es giebt weder einen Richter noch 
eine Jury unterm Himmel, die sie scheiden könnten, 
denn sie sind durch ein unlösliches Band verbunden. 
Welches ist das Band, das sie zusaramengehalten 
hat und stets Zusammenhalten wird? Es ist die 
Kunst der Diagnose, denn dadurch allein können 
wir entscheiden, ob Chirurgie oder innere Behand¬ 
lung in einem gegebenen Falle erforderlich ist oder 
ob, wenn der Arzt den Fall schon in Behandlung 
hat, die Zeit gekommen ist, den Chirurgen holen 
zu lassen. 

Die Tage sind vorüber, wo der Doctor nur 
„klug und weise“ auszusehen, kein Wort zu 
sprechen, und nach der Totalität der Symptome 
etwas zu verschreiben brauchte und entweder dem 
Genesungsfeste oder der Begräbnisfeier, die darauf 
folgte, präsidirte. Die „Dienstmädchen“ der Me- 
dicin, Hygiene und Sanitätslehre, um nicht von 
der herangebildeten öffentlichen Meinung zu reden, 
machen es nicht länger möglich, eine Diagnose zu 
erkünsteln oder zu erschwindeln. Der Patient ist 
nicht der einzige, der berücksichtigt werden muss; 
seine Verwandten, seine Nach baren und selbst seine 
Mitbürger müssen beschützt werden. Deshalb ist 
eine Diagnose bestimmend, ob der Chirurg zu 
Rathe gezogen werden muss oder nicht. Wir müs¬ 
sen deshalb uns aller Mittel bedienen, die die 
Wissenschaft und Kunst zu unserer Disposition 
gestellt hat. Eben die sonst im Allgemeinen ausser 
Acht gelassenen Hilfsmittel und Erscheinungen am 
Auge können unserer Beachtung und unseres Stu¬ 


diums zu diesem Zwecke werth sein. Wir werden viel¬ 
leicht finden, dass durch einen Blick durch diese Fenster 
der Seele der Schlupfwinkel so manches Einschlei¬ 
chers und Friedensstörers in dem Tempel, der für 
den Menschen nach des Schöpfers eigenem Eben¬ 
bild, als dessen vorzüglichstes Kunstwerk geschaffen 
wurde, entdeckt wird. Es ist deshalb die Hoffnung 
des Schreibers, Ihre Gedanken und Aufmerksam¬ 
keit auf dieses einzige und unentbehrliche Organ 
zu richten, als ein Mittel um die Zeichen der Zer¬ 
störung oder Unordnung in der complicirten Struc- 
tur der grauen und weissen Substanz, der Neu- 
roglia, der Zellen, der Fasern und der Axencylinder 
zu entziffern, aller dieser Materien, die den ge- 
heimnissvollen und bewunderungswürdigen Mechanis¬ 
mus, genannt das Nervensystem, ausmachen. In¬ 
soweit als dies letztere controllirt und regulirt, an¬ 
regt und hemmt jedes Organ und Gewebe, jeden 
Gedanken und jede Handlung des Lebewesens, 
sind wir durch dessen Manifestationen im Stande, 
die Ursache, die Beschaffenheit und Oertlichkeit 
von vielen Verletzungen und Erkrankungen, die 
der Menschheit zukommen, zu erkennen. 

Beginnen wir mit den äusseren Abtkeiluugen 
des Auges, so können wir eine grosse Menge 
Kennzeichen und Symptome von Allgemeinerkran¬ 
kungen bemerken. Unfähigkeit das untere Augen¬ 
lid zu schliessen zeigt Lähmung der Orbicularis, 
herrührend von Läsion des Gesichtsnerven, sei es 
nun eine Geschwulst, Otitis, specifische Erkrankung 
oder Verletzung der Ohrspeicheldrüse etc. Ptosis 
oder Herabsinken des oberen Augenlides allein 
zeigt an eine cortikale Nervenstörung, gerade ganz 
vorn im centralen vordem Convolute oder Hysterie. 
Schwarze Ränder um die Augen kommen von der 
Periode, Augenerkrankungen etc. und Verfärbung 
der Lider zeigen Leber- und Gebärmuttererkran¬ 
kungen an, braune Flecke auf den Lidern weisen 
auf Addison’s Erkrankung der Nebennieren hin. 

Oedem der Augenlider weist auf Herz- oder 
Nierenkrankheiten hin, auf Arzneivergiftung (Arse¬ 
nik) und Trichinose, bei der es nicht nur ein wich¬ 
tiges, sondern auch oft das erste objective Sym¬ 
ptom ist. Congestion oder Entzündung der Augen¬ 
lider deutet auf Augenanstrengung hin, aber auch 
auf Magen-, Gebärmutter- und Eierstockserkran¬ 
kungen. Eine gelbe Bindehaut verräth auch einem 
Laien eine Lebererkrankung, sowie eine über¬ 
triebene Blässe derselben Anämie oder Kachexie 
zur Grundlage hat. Blutaustretungen in der Binde¬ 
haut bei alten Leuten weisen auf atheromatöse 
Degeneration und sind oft Vorboten von Schlag¬ 
fluss; bei jungen Leuten kommen sie bei Keuch¬ 
husten , nach epileptischen Paroxysmen vor etc. 
Phlyctänuläre Geschwüre der Bindehaut und der 
Hornhaut deuten gewissermassen auf Dyskraaie oder 


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187 


schwache Leberthätigkeit, von Struma verursacht 
oder von infectiösen und septischen Erkrankungen, 
Tuberkulose und Eczem (speciell der Nase), ver¬ 
spätete Menstruation etc. Die Hornhaut bietet ein 
verschiedenartiges diagnostisches Aeussere dar. Der 
Arcus senilis, die graue Linie um den Rand der 
Cornea bei älteren Leuten, ist oft ein Zeichen von 
fettiger Entartung der anderen Gewebe und ist 
vergesellschaftet mit Fettherz. 

Neuroparalytuche Geschwüre der Cornea weisen 
auf eine Verletzung des Trigeminus hin, durch Er¬ 
krankung der Nerven selbst, syphilitischen Ablage¬ 
rungen und Schädelbruch. Xerosis oder Trocken¬ 
heit der Hornhaut und der Bindehaut kommt auch 
zuweilen von Affectionen des Trigeminus, mehr 
beobachtet bei Kindern mit schweren Krankheiten, 
wie Scharlach, Masern, Typhus und Cholera infan¬ 
tum und bei Erwachsenen mit Gelbsucht. Gewöhn¬ 
lich verkündet sie den herannahenden Tod und ihr 
Verschwinden (der Xerosis) zeigt Besserung an. 
Interstitielle Entzündung oder Infiltration der Horn¬ 
haut ist das hauptsächlichste diagnostische Kenn¬ 
zeichen der Hornhaut; es verkündigt erbliche 
Syphilis in ungefähr 70 Procent aller Fälle. Sie 
kommt vor im Alter von 6—20 Jahren, ist stets 
chronisch und gewöhnlich begleitet von anderen 
bekannteren Zeichen der angeborenen Syphilis z. B. 
besonderer Gestaltung des Gesichts und des Schädels, 
cariösen Zähnen, Taubheit, geschwollenen Drüsen, 
Anschwellung des Periosts etc. Gelegentlich be¬ 
obachtet man sie bei erblicher Syphilis und noch 
seltener bei Sqrophulose. 

Die Iris liefert eine grosse Reihe von Anzeigen 
von Allgemeinerkrankungen, besonders in der Do¬ 
mäne des Nervensystems. Gewöhnlich sind die 
Regenbogenhäute glänzend von Ansehen. Trübe, 
matte Regenbogenhaut ist ein Zeichen von Ent¬ 
zündung, die gewöhnlich ein Kennzeichen von er¬ 
erbter Syphilis bei Kindern, so wie Iritis eine 
Krankheit der Erwachsenen ist. Bei den letzteren 
ist dies bezeichnend für die rheumatische, scro- 
phulöse und tuberkulöse Diathese oder von speci- 
fischer Erkrankung, ein grosser Procentsatz aller 
Fälle rührt her von erworbener Syphilis. Man darf 
indessen nicht vergessen, dass Trauma, Infection 
und Ausbreitung von anderen Th eilen her in vielen 
Fällen mitspielt, und dass ein unregelmässiges 
Aussehen der Regenbogenhaut oft einer vorher¬ 
gegangenen Entzündung mit Verwachsungen (vordere 
und hintere Synechien) oder angeborenen Defecten, 
wie Colobom, Fortbestehen der Pupillarmembran etc. 
entspricht. Ein Tuberkel oder Blatter in der Iris 
ist fast stets ein syphilitisches Gumma. Durch 
ihre Bewegungen beweist uns die Regenbogenhaut 
indessen die grössten Dienste in der Diagnose. 
Gewöhnlich sind die Pupillen gleich grosse und 


Ungleichheit ist immer pathologisch. Sie ziehen 
sich gleichmässig zusammen, wenn Lichtstrahlen in 
beide Augen eindringen oder nur in ein Auge 
(consensuelle Reaction) und eine Unmöglichkeit es 
zu thun, zeigt Blindheit an; es ist deshalb ein 
werthvolles, diagnostisches Kennzeichen in vielen 
Zuständen. Die Pupillen ziehen sich zusammen in 
Folge von Reizung des Opticus oder der moto¬ 
rischen Augennerven oder von deren Centren; 
Lähmung des Sympathicus, Accommodation und Con- 
vergenz; Andrang des Blutes zu den Gefössen der 
Regenbogenhaut und Wirkungen gewisser Arznei¬ 
mittel (Miotica). 

Die Iris erweitert sich bei Paralyse des Opticus, 
der augenbewegenden Nerven und bei Trauma oder 
Zerstörung ihrer Centren; Lähmung des sympathi¬ 
schen Nerven, Accommodation und Convergenz, Fülle 
der Irisgefhsse und gewisse Arzneiwirkungen (My- 
driatica). Von Pupillarkennzeichen bei Erkrankungen 
des Nervensystems möge constatirt werden, dass 
dieselben nur vorhanden sind, wenn die Störung 
oberhalb der Verbindung des sympathischen Nerven 
mit dem Rückenmarksstrang stattfindet. 

Man kann behaupten, dass auch im Allgemeinen 
die Erweiterung der Pupille auf Gehirndruck hin¬ 
deutet, die Zusammenziehung der Pupillen zeigt 
Reizung; die Erweiterung kommt häufiger bei Ge¬ 
hirnerkrankung, die Zusammenziehung ist die Regel 
bei Rückenmarksverletzungen. Rückenmarkserkran¬ 
kungen mit Erweiterung weisen auf einfache Reizung 
(Anregung des Sympathicus); die Rückenmarks¬ 
symptome mit Zusammenziehung weisen hin auf 
eine zerstörende Verletzung (Paralyse des Sympa¬ 
thicus). 

Der Zustand der Pupille liefert oft die erste 
Andeutung einer Gehirn- oder Rückenmarkserkran¬ 
kung und da die Heilung so häufig davon abhängt, 
dass die Behandlung bei Zeiten beginnt, kann die 
Kenntniss von den pupillaren Anzeigen nicht genug 
gewürdigt werden. 

Erweiterung wird verursacht durch Hämorrhagie, 
Abscess, Geschwülste und Gehirnerschütterungen, 
Meningitis (im letzten Stadium), Hysterie und Epi¬ 
lepsie (letztes Stadium), Melancholie, Anämie, Trige¬ 
minuserkrankung, Eclampsie (Urämie), Diphtherie, 
Keuchhusten (markirt den Uebergang vom katarrha¬ 
lischen zum convulsiven Stadium), diffuser Encepha- 
i litis, Trichinose, Morbus Basedowii, und durch fol* 

| gende Gifte: Aconit, Amylnitrit, Atropin, Belladonna, 

I Bromkali, Cocain, Kohlensäure, Cyankali, Duboisin, 
i Ergotin, Aether, Aethylnitrit, Gelsemium, Glonoin, 
Hyoscin, Hyoscyanin, Kleesäure, Stramonium und 
verschiedene Ptomaine. (Schluss folgt.) 


24* 


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188 


Aloe in einem Falle von Incontinentia et 
faecum. 

Von Dr. Sam. van den Berghe. 

Anfangs vorigen Jahres wurde der belgische 
College wegen eines jungen Mädchens, einer 
Klosternovize, consultirt, die an unfreiwilligem Ab¬ 
gänge des Urins und der Faeces litt. 

Die Kranke, einige zwanzig Jahre alt, blond, 
lymphatisch-sanguinisch, gut menstruirt, war sonst 
immer gesund gewesen, abgesehen von einer scro- 
phulösen Augenkrankheit, welche die Erblindung 
eines Auges zur Folge gehabt hatte. Jetzt leidet 
sie, ausser jener Incontinenz, an einer Cephalalgie, 
die sich als ein unbestimmtes Gefühl von Schwere 
und in einem druckenden Schmerz in der Stirn 
äussert. 

Nach Aussage der Kranken und dem Zeugnisse 
ihrer Familie hat diese traurige Schwäche erst 
nach ihrem Eintritt in’s Kloster, also seit einigen 
Monaten, begonnen. 

Seit dieser Zeit hat sich die Krankheit ge¬ 
steigert, und zwar in einem solchen Grade, dass 
die Novize überall unzweideutige Spuren auf ihrem 
Gange in Gestalt fäcaler Stoffe zurücklässt und 
deshalb ihren dienstlichen Functionen nicht nach- 
kommen kann. Sonderbarerweise entgleiten selbst 
die gut geformten Faeces dem Anus, ohne dass 
die Kranke das geringste Bedürfnis zu Stuhl zu 
gehen verspürt; sie wird dies erst zu spät gewahr, 
wenn die Excremente schon auf dem Boden sind. 

Am 9. Februar wird verordnet: Aloe 30., 5 | 
Glohuli täglich. 

Am 16. Februar zeigt sich bedeutende Besse¬ 
rung: es ist weder Kopfschmerz, noch jene Incon¬ 
tinentia mehr vorhanden, wenn man der optimisti¬ 
schen Aussage der Patientin, die nicht gern aus 
dem Kloster entlassen werden wollte, trauen durfte. 
Es wird deshalb auf sorgsame Beobachtung von 
einer weniger interessirten Seite gedrungen. 

Das Mittel wird fortgesetzt. 

Am 23. Februar wird wieder auffallende und 
anhaltende Besserung von der Superiorin bestätigt. 
Die Incontinentia hat aufgehört; nur zeigt die Bett¬ 
wäsche noch Spuren von Enuresis. — Das Mittel 
wird ausgesetzt. 

Im März, wo Dr. van den Berghe das Mädchen 
noch einmal sah, wurde völlige Herstellung be¬ 
richtet. 

Im Jahre 1895 hat er einen ähnlichen Fall 
mit demselben Mittel unter gleichem Erfolge be¬ 
handelt 

Ein 4—5jähriger Knabe litt seit mehreren 
Wochen an unfreiwilligem Abgänge von Urin und 
Stuhl; letzterer war diarrhöeartig: jedes Mal, wenn 


es zum Uriniren kam, so geschah dies bei Tage 
wie bei Nacht unwillkürlich. 

Es wurde eine völlige Heilung in 4 Tagen 
durch Aloe 30. erzielt; ein Rückfall nach Verlauf 
von vier Monaten wich ebenso schnell demselben 
Mittel. — (Journal beige d’homoeopathie. Vol. VI. 
No. 1. Jan. —Febr. 1899.) — 

Wenn ein Arzt der alten Schule solche ausser- 
gewöhnliche Heilungen berichtet, so pflegt man 
sich selten Rechenschaft darüber zu gehen, auf 
Grund welchen therapeutischen Gesetzes diese zu 
Stande gekommen sind. Auf den Gedanken, eine 
solche Incontinentia mit Aloe zu heilen, wäre man 
von jener Seite schwerlich gekommen, wo man 
dieses Mittel nur als eins der stärksten Drastica 
kennt; aber auch von homöopathischer Seite könnte 
man sich fragen, ob das Mittel dem Aehnlichkeits- 
gesetze gemäss gewählt worden sei. Die Aloe¬ 
stühle sind gewöhnlich von einem Tenesmus be¬ 
gleitet, wie die Wirkung des Mittels überhaupt 
stark auf das Rectum gerichtet ist. Und doch ist 
für Aloe charakteristisch ein beständiges Gefühl, 
als ob Stuhl erfolgen sollte, so dass der Kranke 
beim Abgänge eines Flatus Gefahr läuft, gleich¬ 
zeitig den Stuhl fahren zu lassen, — ein Ereig¬ 
niss, das hei Kindern manchmal vorkommt. Hierin 
sehen wir eiuen Schritt von der Spannung und dem 
Krampf des Sphincter ani zu einer Erschlaffung 
desselben. — Freilich selbst die dünnflüssigen Ent¬ 
leerungen, welche Aloe hei einzelnen Prüfern ge¬ 
macht hat, von denen es heisst, dass sie fast un¬ 
willkürlich abgingen, erfolgen nicht ohne Störung, 
ohne Knurren und Umgehen im Leibe, wie ja 
Aloe überhaupt viel Flatulenz erzeugt, — Symptome, 
von denen wir in den mitgetheilten Fällen nichts 
angemerkt finden. 

Die Cephalalgia frontalis des ersten Falles findet 
sich dagegen hei Aloe gut ausgesprochen. Ver¬ 
mehrtes Harnlassen, und gerade hei Kindern, ist 
ein Symptom, das wir in 0. Hering’s Pathogenese 
von Aloe wiederfinden. 

Indessen der unfreiwillige Abgang von Harn 
oder Faeces ist höchstens angedeutet, aber nicht 
deutlich hei den Prüfern hervorgetreten. 

Möglich wäre noch die Erklärung, dass die 
Gegenwart von Askariden bei dem Mädchen wie 
beim Knaben jene Erscheinungen hervorgerufen 
haben durch einen kriebelnden Reiz vor und im 
After, wofür Aloe erst recht am Platze gewesen 
wäre. 

Das gleichzeitige Auftreten von Incontinentia 
urinae et faecum ist übrigens ein seltenes patho¬ 
logisches Vorkommniss, — und um so mehr haben 
uns die Beobachtungen des geehrten belgischen 
Collegen interessirt. Dr. Mosta. 


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180 


Doetor von Hartungen’s 
Homöopathisches Sanatorium 
in Riva am Gardasee. 

Die Anhänger der Homöopathie entbehrten bis¬ 
her eines bequemen Pflegeheims im Süden , das be¬ 
züglich der Behandlung, Diät, Licht, Luft, Wasser, 
wie Bewegungskuren ganz nach den Grundsätzen 
ihrer Heillehre geleitet wird. Es ist Thatsache, 
dass sich vorwiegend nur Schwerkranke diesem 
Behandlungssysteme mit seinen fast an’s Wunder¬ 
bare grenzenden Heilerfolgen zuwenden, nachdem 
alle anderen Heilmethoden der Allopathie vergebens 
versucht oder unter der Erscheinung heftiger Ver¬ 
schlimmerung aufgegeben wurden; auf diese Weise 
treten Lungenkranke, Krebsleidende, Tabetiker wie 
Epileptiker oft in einem so vorgerückten Stadium 
unserem Heilsysteme noch vertrauensvoll näher, 
in welchem meist jede Heilung ausgeschlossen und 
nur noch Linderung ihrer Leiden und Schmerzen 
zu erzielen ist Wie sehr aber gerade solche 
Kranke auf Licht und Luft angewiesen sind, um 
Erleichterung ihrer Qualen, Stillstand ihres Leidens 
zu erreichen, weiss jeder Laie wie Praktiker. Um 
so freudiger wird die Gründung eines in diesem 
Geiste geleiteten Sanatoriums von den homöopathi¬ 
schen Collegen y wie der heilbedürfligen Menschheit 
begrüsst werden . Hier sollen Kurmethode, Klima 
und die ganze zweckentsprechende Einrichtung des 
Sanatoriums vereint einzig dem Schwerkranken 
zur Besserung, ja vollständigen Genesung ver¬ 
helfen. 

Kranke, welche den Süden oder speciell das 
subtropische Klima Rivals aufsuchen, beanspruchen 
eine Wintermilde, die einen täglich mehrstündigen 
Aufenthalt im Freien, das Schlafen bei offenem 
Fenster, den Gebrauch von Sonnen-, Licht-, Luft-, wie 
Seebädern zu einer Zeit ermöglichen, in welcher 
ganz Mitteleuropa schneebedeckt, erstarrt, von 
eisigen Winden durchfegt oder in graue, feucht¬ 
kalte Nebelmassen gehüllt, seine Bewohner in die 
Nähe ihrer Rauchfeuer bannt. Was aber die Gunst 
eines milden Himmels dem Kranken gewährt , das 
erzählen uns alle Heilanstalten glücklich oder un¬ 
glücklich geleitet durch ihre Kurerfolge zur Sommers¬ 
zeit. Wie die Sonne, so sinkt auch die Besuchs¬ 
ziffer dieser Anstalten zur Herbst- und Winterszeit. 
Dasselbe gilt von allen Sommerkur- und Badeorten, 
deren ausschlaggebender Erfolg auch zumeist nur 
den der hygieinischen Heilung so günstigen klima¬ 
tischen Verhältnissen, weniger dem medicinischen 
Verfahren oder gar dem Schwefel-, Eisen-, Jod- 
und Arsenwasser als sogenanntem Gesundheitsbrünn¬ 
lein zuzuschreiben ist. 

Der denkende Kranke , den Weisungen seines 
hygieinisch gebildeten Arztes lebend, erreicht auch 


in den stillen Thälern eines Waldgebirges oder auf 
einfacher Höhenstation zur warmen Jahreszeit seine 
vollständige Erholung oder Gesundheit und vermeidet 
so zu seinem eigenen Besten die bekannten Massen - 
heüanstalteny wo er nur zur Schablone oder Nummer 
werden muss, wie die bereits so verseuchten und von 
Krankenelend überfüllten Kurorte , die durch gesell¬ 
schaftlichen Zwang freiheitslähmend, durch auf¬ 
regende Vergnügungen und erschöpfende Zer¬ 
streuungen nervenschwächend wirken müssen. 

Der heilsame Einfluss des ozeanischen Klima 
von Riva auf den Organismus Nervenkranker, Blut¬ 
armer, Brust-, Magen-, wie Nierenleidender icird 
auch von keiner anderen klimatischen Station Europa?s 
übertroffen . Welche physikalische Hülfsfactoren 
hier die Hauptrolle spielen, um so glänzende Heil¬ 
erfolge zu erzielen, darüber belehrt eingehendst 
„das Handbuch der klimatischen Heilkunde von 
Dr. von Hartungen, Berlin, Issleib-Schuhr. w 

Wie sehr begehrt und bedarf so ein armer 
Kranker der strengstens durchgeführten indivi¬ 
duellen Behandlung, und wie selten erfüllt sich 
diese so nothwendige Form derselben in den Heil¬ 
kasernen moderner Richtung. Einem solchen Be¬ 
dürfnisse des Kranken jeder Art entspricht aber 
hier die anerkannt mustergültig eingerichtete ho¬ 
möopathische Anstalt »Villa Christophoro“ in Riva 
am Gardasee, deren Leiter nie mehr als 20 — 25 
Kranke in gleichzeitiger Behandlung hält und 
dessen Institut daher nur eine Maximal-Besuchs¬ 
ziffer von 150 Personen jährlich aufzuweisen ver¬ 
mag. Die Leitung des ärztlichen Sanatoriums hat 
die Aufgabe, jedem Kranken eine streng indivi¬ 
duelle Behandlung angedeihen zu lassen und 
gleichzeitig den Hülfesuchenden durch hygiei- 
nische Belehrung so aufzuklären, dass er als 
sein eigener Gesundheitsrath auf sicherer Bahn 
gesund durch’s weitere Leben schreiten kann. Das 
homöopathische Heilinstitut am Gardasee misst die 
jedem Kranken gebührende Behandlungsart zu 
durch Anwendung der specifischen Mittel, des 
Lichtes, der Luft, des Dampfes oder Kaltwassers, 
sowie der Massage und activen Bewegungsübungen, 
Rudern, Bergsteigen, Radfahren usw. Auch Ath- 
mung8Übungen, sowie die Diät (besonders be¬ 
deutungsvoll bei Krebserkrankungen, Hautleiden) 
werden in den verschiedensten Modificationen zu 
Heilzwecken angeordnet; so gemischte Diät, Pflan¬ 
zen- und Milchdiät, Entfettungs-, Entziehungs- oder 
Reductionsmethoden. 

Da das kleine Kurhaus nur 15—20 Kranke 
aufzunehmen vermag, so wohnt ein Theil der Kur¬ 
gäste in verschiedenen Villen 10—15 Minuten ent¬ 
fernt, meist in der Nähe des See's. Besondere 
Heilerfolge erzielten bisher Nervenkranke, Fett¬ 
süchtige, Blutarme oder an Blutentmischung Leidende 


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190 


(HaUt^ Drüsen-, wie Knochenleiden), Lungenkranke, 
Magen-, Leber-, wie Nierenleidende. 

Da vom Oktober bis Juni die Anstalt fast stets 
überfüllt ist , so erscheint die Vorambestellung von 
besseren Zimmern im Kurhause selbst rathsam . Der 
Wochenpreis für volle Pension beträgt 80 Fl. = 
50 Mark. Die ärztliche Behandlung wird je nach 
Bedarf, Uebereinkommen und den privaten Ver¬ 
hältnissen der Kranken berechnet. 

So wenig* unser Kurverfahren in einem einzigen 
Systeme zur Geltung kommt, so sehr wird das 
Gute, das uns einzelne hervorragend hygieinische 
Aerzte, wie Hufeland, Niemeyer, Hahnemann, 
Kiesel u. a. geschaffen haben, oder das wir genialen 
Laienärzten, wie Priessnitz, Schroth, Rikli, Kneipp 
u. a. zu danken haben, bei einzelnen Fällen und 
stets nur in individueller Anpassung angewendet. 

Man prüfte eben im Laufe von 80 Jahren uhd 
behielt das Beste. 

Das Sanatorium ist vom 1. Juli bis 1. Oktober 
jeden Jahres geschlossen. 


Zur Diät beim Magenkrebs. 

Robin hat bei 40 Krebskranken, deren Autopsie 
die Diagnose später bethätigte, den Magensaft 
chemisch untersucht. 18 Mal fand er normale Aci¬ 
dität, in den 22 anderen Fällen war der Magen¬ 
saft neutral. Freie Salzsäure fehlte fast in allen, 
in 89 Fällen, wenn chemisch gebunden, war sie 
nur in geringer Menge (0,05—0,09) vorhanden. 
Milchsäure wurde 27 Mal, Buttersäure 7 Mal und 
Essigsäure nur 1 Mal gefunden. Fernere Unter¬ 
suchungen zeigten, dass die Eiweisskörper beinahe 
gar nickt verdaut (Mangel an Peptonen), während 
die Kohlehydrate leicht zersetzt werden, daher die 
Häufigkeit der Milchsäure. Der Krebskranke kann 
also die Ei weisskörper, auch die Milch, nicht ver¬ 
dauen, und letztere hat noch den Nachtheil, die 
Milchsäuregährung, welche man vermeiden sollte, 
zu vermehren. 

Die Diät der Krebskranken fordert demnach 
eine Vermeidung der Ei weisskörper, Verwerfung 
der Kohlehydrate und Verhütung der schädlichen 
Zersetzungsvorgänge. — Gleichmässige Milchdiät 
bei Kranken dieser Art wäre also ein Fehler. 


Vom BUchertische. 

Als Werbeschriften sind erschienen: 

1 . Professor Samuel und die Homöopathie. Rede 
gehalten auf der 67. Generalversammlung des ho- 
möopath. Centralvereins Deutschlands am 10. August 
1899 in Elberfeld. Von Obermed.-Rath Dr. v. Sick. 


(Separatabdruck aus der Zeitschrift des Berl. Ver¬ 
eins homöopath. Aerzte.) 

2 . Die Homöopathie vor dem Biohterstuhle des 
Experiments. Von Dr. Gisevius jun., prakt Arzt 
in Berlin. (Separatabdruck aus der Allg. Homöo¬ 
path. Zeitung.) Leipzig 1899. A. Marggrafs ho« 
möopath. Officin. 


Lesefrüchte. 

Thon als Wnndmittel. 

Nachdem Dr. Stampf den Thon, in feiu pulve- 
risirter Form, als ein gutes antiseptisches Mittel 
empfohlen hat, ist dasselbe von verschiedenen Seiten 
versucht und als erprobt gefunden worden. Die 
Vortheile, die man ihm nachrühmt, sind: Er ist 
sehr billig, ungiftig, wirkt stark austrocknend (man 
braucht den Verband bei eiternder Wundfläche 
nicht täglich zu wechseln); er ist ferner geruchlos, 
ja selbst desodorirend. — Als Nachtheile sind beob¬ 
achtet: Es bilden sich am Rande der Borken sehr 
festsitzende Borken und macht leicht schwammige 
Granulationen. Bewährt hat er sich bei tuberku¬ 
lösen, osteomylitischen Processen, bei Phlegmonen, 
Panaritien, Kopfekzem, Furunkeln etc. 

In einem Falle, wo bei einem Paralytiker eine 
Gangrän der Weichtheile und des Knochens mit 
stinkendem, jauchigem Secret neben permanenten 
Fussbädern mit Kali hypermang. Nachts Argilla 
dick aufgestreut wurde, so dass die Wunde damit 
angefüllt war, war nach 8 Tagen bereits der üble 
Geruch verschwunden, die Secretion bedeutend ver¬ 
mindert, das Aussehen der Wunde besser. Es 
schossen frische Granulationen auf, die Herde wur¬ 
den kleiner und überhäuteten sich allmählich; nach 
einigen Wochen war völlige Heilung eingetreten. — 

Nun, die essigsaure Thonerde-Lösung geniesst 
ja schon lange eines guten Rufes als Wundheil- 
raittel seit des seligen Burow’s dringender Em¬ 
pfehlung. — Und der Alaun, der früher in ähn¬ 
licher Weise verwandt worden ist, wird auch wohl 
nächstens wieder sein Auferstehungsfest feiern. 


Mittheilung. 

Das Dispensirexamen hat bestauden Dr. Lenger¬ 
mann aus Leer b. Burgsteinfurt i. W. 


Druckfehler-Berichtigung. 

In No. l‘J/20 dieser Zeitung, p. 146, 2. Spalte, Zeile 8 
von oben muss es statt 1 L heissen: 1 / B0 . 

In No. 21/22, p. 164, 2. Spalte, Zeile 1 u. 2 v. oben 
lies: Dieser liegt Im 3. Intercostalraum links auf der 
Mammillarllnie. 


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191 


Bethel, Sarepta, Nazareth und Wllhelmedorf 

(die Zionsgemeinde bei Bielefeld) 
stellen sich auch in diesem Jahre wieder bei ihren 
alten und nenen Freunden ein mit der herzlichen 
Bitte, ihrer zahlreichen Kranken und Elenden, Heimat¬ 
loses und Krüppel aller Art, zum bevorstehenden 
Weihnachtsfest gedenken zu wollen. — Viele, sehr 
viele von ihnen haben auf Erden Niemanden mehr, 
der ihnen eine Gabe der Liebe unter den Weihnachts¬ 
baum legt 

Auch die kleinste Gabe jeder Art nimmt mit 
innigem Dank an 

Bethel bei Bielefeld 

F. v* Bodelsehwingh, Pastor. 


Gemeinnütziges. 

Als Weihnachtsgebftek möchten wir unseren Haus¬ 
frauen Hygiama-Biskuit dringend empfehlen, zu wel¬ 
chem Frl. E. Hannemann, Vorsteherin der Kochschule 
des Lette-Vereins, Berlin, folgende Vorschrift giebt: 


150 Gr. Zucker I 300 Gr. Hygiama 

4 ganze Eier j 50 „ Mondamin 

Eier und Zucker werden l / A Stunde lang schau¬ 
mig gerührt, hierauf der gestossene Zimmt zugesetzt 
und nach und nach das mit dem Mondamin vermischte 
und durch ein Sieb geschlagene Hygiama; das Ganze 
wird 5 Minuten gut durchgerührt. Von dem Teig 
setzt man kleine Häufchen auf ein mit Butter be¬ 
strichenes Blech und lässt diese bei gelinder Hitze 
einige Minuten backen. 

Hygiama-Biskuits zeichnen sich nicht allein durch 
Wohlgeschmack und Haltbarkeit aus, sondern nament¬ 
lich durch hohen Gehalt an leichtverdaulichen und 
bekömmlichen Nährstoffen, so dass kaum ein lieber- 
laden und Verderben des Magens ein tritt, wie bei 
anderem Weihnachtsconfect. Diese Biskuits wurden 
von Frl. E. Hannemann auf der Ausstellung für Kran - 
kenpfleye , Berlin 1899 , hergestellt und verabreicht und 
fanden namentlich bei Aerzten viel Berücksichtigung 
und Anerkennung, ebenso wie Hygiama selbst, das 
als wohlschmeckendes, leichtverdauliches Nähr- und 
Kräftigungsmittel daselbst prämiirt wurde. 


Anzeigen. 


Hygiama. 

Seit 1891 klinisch vielfach erprobtes diätetisches 
Nähr* und Stärkungsmittel. 

(Zusammengesetzt aus eondens. Milob, Gersten- und 
Weizenmehl, Zuoker und Kakao.) 

Wegen seiner Leichtverdaulichkeit und hohen 
Nährkraft indicirt bei: 

Magen - und Darmleiden, Anaemie, 
Chlorose, Nervosität, Hyperem. gravid ., 
Typhus abdorn ., künstlicher Ernährung , 
Scrophulose, Reconvalescenz, 

In vielen Hospitälern und Irrenanstalten ständig 
im Gebrauch. 

Preis der Dose M. 1.60 (300g) u.M. 2.50 (500glnh.). 

Vorrftthig in den meisten Apotheken und Drogerien. 
Wiasensohaftl. Urtheile, Analysen u. Gratismuster durch 

Dr. Theinhardt’8 Nährmittel - Gesellschaft 
Cannstatt (Wiirttbg.). 


Im Verlage von A. Marggrafs homäopath. Officin in 
Leipzig ist erschienen: 

Die homöopathische Behandlung 

der 

Augenkrankheiten 

sowie der 

Ohrenkrankheiteii 

nach den Erfahrungen der homöopathischen 
Specialisten 

DDr. Vilas, Norton und Houghton 

zum Gebrauche für practische Aerzte. 
Bearbeitet von 

Dr. Th. Bruckner, 

homüopathischer Arzt in Basel. 

9 1 /* Druckbogen. 8°. Preis gut geh. M. 3.—, 
brosch. M. 2.50. 

Ausführliche Besprechung dieses Buches in No. 23/24 
des 128. Bandes dieser Zeitung. 


Inselbad 


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Empfohlen durch die homöopathischen Aerzte: 

Herrn Dr. med. Hörig, Paderborn, und 

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Königgrätzerstrasse 88. 


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Receptur-Tarirwaagen. 

Da neuerdings bei Revisionen auch mehrfach 
Tarirwaagen verlangt worden sind, welche jedoch 
die Herren Aerzte nie brauchen und die im All¬ 
gemeinen nicht unter 50—60 Mark zu haben sind, 
so habe ich billige und für Revisionszweck© völlig 
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Leipzig. 

A. Marggrafs Homöopath. Officio. 


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Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Mottl-Stuttgart. 

Geschäftsstelle und Verlag ?on William Steinmetz (A. Marggrafs homöopath. Officin) in Leipzig. 

Druck von Julius Maser in Leipzig. 


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Band 189. 


Leipzig, den 21. December 1899. No. 25 II. 26 


ALLGEMEINE 

HOMÖOPATHISCHE ZEITH«. 


Heraasgegeben yon 

Dr. med. Mossa, pract. Arzt in Stuttgart. 


Geschäftsstelle und Verlag ron William Steinmetz (A.Marggrafshomöopath. Offlein) in Leipzig 

Thomaskirchhof 12. 


Erscheint 14t&gig zu 2 Bogen. 13 Doppelnummern bilden einen Band. Preis 10 Af. OOPf. (Halbjahr). Alle Buchhandlungen und 
Postanstalten nehmen Bestellungen an. No. 109 des Post-Zeitungs -Verzeichnisses (pro 1898). — Inserate, welche an Rudolf Mosse 
in Leipzig und dessen Filialen oder an die Verlagshandlung selbst (A. Marggrafs homöopath. Offlcln ln Leipzig) zu richten 
sind, werden mit 20 P/. pro einmal gespaltene Petitzeile und deren Raum berechnet. — Beilagen werden mit 6—8 Af. berechnet. 


Inhalt. Einladung zum Abonnement. — Einladung zur Ausserordentlichen Generalversammlung des Vereins 
Berliner homöopathisches Krankenhaus am Donnerstag, den 28. Dec. 1899, zu Berlin. — Aphor. Hippocratis. II. Buch, 52. 
Von Dr. Mossa. - Phosphor in einem Falle von Lebercirrhose. Von Dr. Haridas Chakravarti Serampar, Bengalen, 
Indien. Kef. Dr. Mossa. — Die Zustände des Auges diagnostisch bei allgemeinen Krankheiten. Nach Dr. D. A. Mac 
Lachlan in Detroit von Dr. Th. Kafka in Karlsbad. (Schluss.) — Viscum album. Signaturenbild. Von E. Schlegel, 
Arzt in Tübingen. — Aufruf zur Betheiligung an Arzneiprüfungen. — Unsere Aufgabe. Von Dr. Mittelstaedt-Brom¬ 
berg. — Naphthalin. Von Dr. Louis Hartmann-New York. — Epilepsie. Ein Fall aus der Praxis. Von Dr. E. Car- 
leton-New York. — Lachesis — klinische Fälle. — Propaganda. Arzneiprüfungen. — Lesefrüchte. — Personalien. — 

Anzeigen. 


Schluss der Schriftleitung: Freitag vor dem Erscheinungstage. 


Einladung zum Abonnement. 

Um in der Zusendung dieser Zeitung keine Unterbrechung eintreten zu lassen, werden die ge¬ 
ehrten Abonnenten um gefällige rechtzeitige Erneuerung des Abonnements auf Band 140 (1. Halbjahr 
1900) höflicli3t ersucht. Alle Postanstalten und Buchhandlungen, sowie die Unterzeichnete VerlagS- 
huildlung selbst nehmen Bestellungen zum Preise von 10 Mark 50 Pfg. pro Band entgegen. Probe¬ 
nummern stehen stets unberechnet und portofrei zu Diensten. _ . . „ 

T . . t-\ , Hochachtungsvoll 

Leipzig, im December 1899. „ r . , ....... c,. . . 

die Verlagshandlung von William Steinmetz 

(i. Fa. A. Marggrafs Homöopath. Offlein.) 


Berliner homöopathisches Krankenhaus. 

Einladung 

zur 

Ausserordentlichen Generalversammlung 

am Donnerstag, den 28. December 1899, Abends 7 1 /* Uhr, in der Poliklinik des Berliner Vereins 

homöopathischer Aerzte, Charlottenstrasse 77/78. 

Tagesordnung: 

Umänderung der Statuten behufs Erlangung der Hechte eines eingetragenen Vereins nach dem 
bürgerlichen Gesetzbuch. 

Berlin, den 8. December 1899. DaS Curatorilim. 


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194 


Aphor. Hippocratis. 

II. Buch, 52. 

Von Dr. Mossa. 

Harra xara koyov xoitovrt xcü ttij yevojtitvov 
xard koyov, fri] fitraßcuvtiv a// tregov gtvovrog 
tov öogavrog ig UQ/Tjq. 

v. Bönninghausen, unser vortrefflicher Glossator 
der Aphorismen des Altmeisters Hippocrates, über¬ 
setzt den obenstehenden Satz : 

„Wenn der Arzt von seiner mit Ueberzeugung 
eingeleiteten Behandlung auch nicht so bald den 
erwarteten Erfolg sieht, so darf er doch, so lange 
die ursprünglichen Zeichen noch vorhanden sind, 
zu keinem anderen Mittel schreiten.“ 

Diese Uebersetzung trifft im Ganzen den Sinn 
des Aphorismus, abgesehen davon, dass uns xara 
koyov mehr ein nach einem bestimmten Plan ein- 
gesclilagenes Handeln zu bedeuten scheint. 

Wenn wir den vorstehenden Satz zum Aus¬ 
gangspunkt einer Erörterung ausersehen haben, so 
geschah dieses, weil in demselben für die in der 
Praxis so wichtigen Frage von der consequenten 
Durchführung einer planmässigen Behandlung eine 
Norm aufgestellt wird. Denn unserer Ansicht nach 
hat Hippocrates hier nicht bloss das einzelne Heil¬ 
mittel, sondern das gesammte in einem eintretenden 
Fall aus wohlerwogenen Gründen eingeschlagene, 
medicamentöse wie diätetische, Heilverfahren im 
Auge. Von diesem geht sein Ausspruch dahin, 
dass man es nicht aufgeben soll und ein anderes 
wählen, auch wenn der Erfolg der Erwartung nicht 
gleich entspricht, so lange der Zustand so bleibt, 
wie er im Anfänge gewesen. — 

Eine solche Consequenz im therapeutischen 
Verfahren hat sicherlich einen grossen Vorzug vor 
dem voreiligen, stürmischen Wechsel des Heilplans 
und der bezüglichen Heilmittel. Wie aber, wenn 
sich der Arzt in der Diagnose des Falles und in 
der Wahl der Mittel geirrt hat ? Dann kann seine 
Consequenz für den Kranken leicht üble Folgen 
haben, wenn sein Arzt seinen Fehlgriff zu spät erst 
erkennt. Wie oft hat das zu lange fortgesetzte 
antiphlogistische Verfahren den Kranken an den 
Hand des Grabes, ja in dieses selbst gebracht! 

v. Bönninghausen giebt Celsus Recht, wenn er 
diesen Ausspruch des Hippocrates auf die chroni¬ 
schen Krankheiten beschränkt, „weil bei diesen die 
Heilwirkung der gegebenen Arznei oft erst später 
erscheint, wenngleich diese vollkommen richtig ge¬ 
wählt war.“ 

Solche Fälle vergleicht Galen in seinem Com- 
mentar zu diesem Aphorismus mit der Wirkung 
des anhaltend auf einen Stein tröpfelnden Wassers, 
welcher dadurch langsam , aber unfehlbar ausge¬ 
höhlt wird. 


„So natürlich,“ sagt v. B. weiter, „ein solcher 
Hergang bei chronischen Krankheiten ist, so wenig 
findet dieser Lehrsatz bei acuten Krankheiten An¬ 
wendung, wobei schon nach wenigen Stu7ulen } oft 
noch weit schneller , eine Wirkung sich bemerkbar 
| machen muss, wenn die (homöopathische. Ref.) Arz- 
j nei irgend passend gewählt war. In diesen Fällen 
wird also die angerathene Consequenz ganz am un- 
rechten Orte sein, und so sehr auch die exspecta- 
tive Verfahrungs-Methode beim Hippocrates in 
Uebung war, so würden wir ihm doch Unrecht 
thun, wenn wir annähmen, dass er auch hier be¬ 
harrlich bei der ersten Ansicht zu verharren ge- 
rathen hätte. 

(Exspectativ ? Hippocrates spricht in seinen 
Aphorismen aber gerade vom Thun, Handeln. Ref.) 
Wenn aber dieser scharfe Beobachter damals schon 
die Kräfte der Arzneien in ihren feinsten Nüancen 
so genau gekannt hatte, wie die Homöopathen, so 
würde ohne Zweifel dieser Aphorismus eine ganz 
andere Gestalt bekommen und er die Probezeichen 
nicht verschwiegen haben, aus denen wir mit 
Sicherheit die Kriterien der günstigen oder un¬ 
günstigen Wirkungen der gereichten Arznei zu be- 
urtheilen vermögen.“ 

„Abgesehen von diesem Allen liegt in diesem 
Lehrsatz die dringende Warnung, ja nicht zu leicht 
mit den Arzneien zu icechseln } und es ist vielleicht 
zu bedauern, dass Hippocrates hier durch die an¬ 
gehängte Bedingung der sich gleich bleibenden 
Zeichen eine Beschränkung ausgesprochen hat, die 
nicht immer zulässig ist und leicht zu Missver¬ 
ständnis führen kann. Wenn nämlich, wie der 
Fall oft vorkommt, in den das vollständige Krank¬ 
heitsbild darstellenden Symptomen einige sich bessern 
oder verschwinden, während andere stärker und 
deutlicher auftreten, so ist dies allerdings eine Ver¬ 
änderung in dem ursprünglichen Zeichen-Complex, 
und wird mithin leicht Veranlassung geben können, 
zu anderen Mitteln überzugehen. Dies darf aber nur 
dann ausnahmsweise geschehen, wenn diese Verände¬ 
rungen nicht innerhalb, sondern ausserhalb der Wir- 
| kungsart liegen, und deshalb deutlich und bestimmt 
auf irgend ein anderes Mittel hingewiesen wird. Auch 
j können bei unnöthig starken oder zu oft xciederhoUen 
Gaben augenblickliche, oft lästige Nebenwirkungen 
auftreten, die indessen nur dann Berücksichtigung 
verdienen, wenn sie neben den übrigen Zeichen 
fortdauern oder fremdartige Erscheinungen dar¬ 
bieten. Sicher ist es indessen, dass von Seiten 
der Aerzte unendlich öfter durch zu häufiges 
Wechseln der Arzneien gesündigt wird, als durch 
■ übertriebene Consequenz, und es ist zu bedauern, 
dass es nur gar zu häufig an der erforderlichen 
Mittelkenntniss liegt, wenn solche Fehler begangen 
I werden. Tritt nun noch gar der weitverbreitete 


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195 


Irrt]ium hinzu, dass die Arznei unmittelbare Hilfe 
schafft, und man der Lebenskraft keine Zeit gönnt, 
ihre unentbehrliche Reaction zur Geltung zu bringen, 
so wird die Sache doppelt schlimm, und bei ge¬ 
fährlichen Erkrankungen eben durch solche Ueber- 
eilungen und vorzeitiges Wechseln der Mittel das 
Endresultat beklagenswert!!.“ So weit Bönning¬ 
hausen, der, ein Meister in der Mittelkenntniss 
und in der Kenntniss der Wirkungsdauer der Arz¬ 
neien, wohl befugt dazu war, ein Votum über 
diesen wichtigen Aphorismus abzugeben. 

Da die Wirkungsdauer der Arzneien, zumal 
einer einzelnen Gabe, bei der hier besprochenen 
Frage sehr in’s Gewicht fällt, so halten wir es 
für erspriesslich, dieses Thema wieder einmal zu 
allgemeinem Nutzen und Frommen zu besprechen. 

Das§ grosse Gaben oft sehr lange wirken, da¬ 
für haben wir wohlbeglaubigte Zeugnisse. 

Dr. Fleischmann, ein Mitglied der Wiener 
Prüfungsgesellschaft, nahm 10 Tropfen der Colo- 
cynthis-Tinctur und bekam danach einen Blutab¬ 
gang durch den After, welcher ein Jahr lang täg¬ 
lich, unter brennenden Schmerzen am After, wieder¬ 
kehrte. Der Prüfer hatte vor diesem Experiment 
niemals eine solche Blutung gehabt. 

Kopp erzählt in seinen Denkwürdigkeiten von 
einer Frau, welche wegen Gallensteinen und spar¬ 
samen Urinabgangs eine Zeit lang rectificirtes 
Terpenthin Oel in gesteigerter Gabe, zuletzt Abends 
und Morgens je 30 Tropfen bekam, bei der nach 
8 Tagen ein Veilchengeruch des Urins sich ein¬ 
stellte. Diesen Geruch behielt der Urin noch 
14 Tage, nachdem sie die letzte Gabe des Mittels 
eingenommen hatte. — Freilich ist in diesem Falle 
das Mittel längere Zeit und in verhältnissmässig 
grossen Dosen gegeben worden, so dass er schon 
an eine chronische Arzneivergiftung streift. 

Wie steht es aber mit der Wirkungsdauer 
kleiner Gaben? 

Hahnemann’s Ansicht ist wohl begründet, dass 
grosse Gaben von manchen Mitteln nur darum fast 
keine anderen Symptome, als Erbrechen, Durch¬ 
fall, Schweiss und Harnfluss bewirken, weil sie 
durch diese Wege zu schnell aus dem Körper ent¬ 
fernt werden, um auf ihn ihre specifischen Wir¬ 
kungen ausüben zu können, während kleine Dosen, 
welche keinen so gewaltigen Sturm erregen und 
nicht so schnell ausgeschieden werden, Zeit ge¬ 
winnen, den Organismus zu beeinflussen und ihn 
zur Reaction anzuregen. Es hängt aber die Wir¬ 
kungsdauer einer Arznei, d. h der Zeitraum, 
während dessen sie krankhafte Erscheinungen im 
Organismus hervorzurufen vermag, von der Länge 
oder Kürze ihres Verbleibens in diesem ab. 

Indessen hängt die Wirkungsdauer auch von 
der Eigenthümlichkeit und Natur der Arzneistoffe 


selbst ab. So wissen wir, dass Kampher, Moschus, 
Blausäure (Laurocerasus), Opium, Amylnitrit, Aether 
u. A. eine sehr kurze Wirkungsdauer haben. 

Eine andere Reihe haben eine mittlere Wir¬ 
kungsdauer von 4, G, 8, 12 Tagen; hierher ge¬ 
hören z. B. Bryonia, Pulsatilla, Rhus, Rheum. 
Eine dritte Klasse endlich wirkt langsamer, aber 
tiefer und nachhaltiger, mit einer Wirkungsdauer 
von 15, 20, 30, 40 Tagen und darüber. So die 
meisten Arzneien aus dem Mineralreich, die 
Mineralsäuren, ebenso Schwefel, Merkur, Thuja, 
Aurum u. A. 

Sodann hat aber auch die Natur der zu heilen¬ 
den Krankheit einen bedeutenden Einfluss auf die 
Wirkungsdauer des Mittels; es ist ein Unterschied, 
ob man es mit einem langwierigen chronischen 
Leiden zu thun hat, dessen Verlauf ein langsamer, 
wobei der Organismus schwerer aus seinem labilen 
Gleichgewicht und zur Reaction auf den Arzneireiz 
zu bewegen ist, oder mit schnellverlaufenden, fieber¬ 
haften Krankheiten. 

In letzteren wirken die Arzneien, selbst die, 
welche sonst eine längere Zeit zur Entwicklung 
ihrer Wirkung bedürfen, schneller, aber ihre Wir¬ 
kung läuft dafür in kürzerer Zeit ab; ihre Energie 
bricht sich bald in der Intensität der Erkrankung. 

In chronischen, zumal constitutioneilen Krank¬ 
heiten jedoch, mit Atonie der Gewebe, gewohn- 
heitsgemässen, stationären Zuständen, wird der 
Arzneireiz eine langsamere und weniger energische 
Reaction hervorrufen, aber seine Einwirkung wird 
sich längere Zeit hindurch entfalten. Daher werden 
auch in chronischen Leiden die Wirkungen klein¬ 
ster und feinster Arzneigaben, selbst in den mehr 
peripheren Theilen, wie Drüsen und Knochen, lange 
wahrgenommen. (Schluss folgt.) 


Phosphor in einem Falle von Lebercirrhose. 

Von Dr. Haridas Chakravarti Serampar, 
Bengalen, Indien. 

Sehr geringe Dosen von Phosphor, Monate lang 
fortgegeben, bringen bei Menschen und Thieren 
eine wirkliche Cirrhosis der Leber mit Gelbsucht 
hervor. Der folgende Fall will darthun, dass 
Phosphor eine Lebercirrhose, eben wenn sie von 
ausgesprochener Gelbsucht begleitet ist, zu heilen 
vermag. 

Es handelt sich um einen 36jährigen Mann, 
einen Landpächter. Seine wohlhabende Familie ist 
seit mehr als drei Generationen einem indolenten 
und unthätigen Leben ergeben. Sein Vater war 
ein Hypochondrist, litt beständig an Hämorrlioidal- 
beschwerden, und wurde in seinen letzten Lebens¬ 
jahren völlig geisteskrank; das geschah aber nach 

25 * 


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196 


der Geburt des Patienten. Die Mutter befand sich 
in guter Gesundheit. — Seit seiner Kindheit litt 
er an häufigen Anfällen von Diarrhöe, Prolapsus 
ani und Bl&hsucht, besonders bei Nacht, während 
Morgens und Vormittags Flatus in enormer Menge 
abgingen. 

In seinem 12. Jahre peinigte ihn eine Art 
Kopfschmerz fast ein Jahr lang, der den Tag über 
anhielt und nur nach Sonnenuntergang etwas nach- 
liess. Seitdem war er periodischen Anfällen von 
Kopfschmerz, die alle zehn oder zwölf Tage ein* 
traten, unterworfen. Vier oder fünf Jahre später 
fing er an häufig zu uriniren, und ging der Urin 
unter Brennern durch die Harnröhre; ob dabei ein 
Eiterausfluss stattgefunden, dessen kann er sich 
nicht entsinnen. Zur Zeit dieses schmerzhaften 
Urinirens fühlte er sich fieberhaft mit Brennen in 
den Händen, Füssen und Augen des Nachmittags. 
Dies verging in Monatsfrist ohne jede Behandlung, 
indem er aus Furcht vor Schande diese Sache ge¬ 
heim hielt. Im Alter von 21 Jahren litt er an 
Dyspepsie und Melancholie, weswegen er allopa¬ 
thische und einheimische Aerzte zu Rathe zog; 
aber ihre Bemühungen erwiesen sich innerhalb 
eines Jahres und darüber erfolglos. Er entzog sich 
schliesslich denselben — und allmählich ward es 
etwas besser damit, aber sein geistiger Zustand 
wurde mittlerweile so schlimm, dass er wieder einen 
Arzt herbeirufen musste. 

Seit dem Juli des folgenden Jahres wurde er 
viel durch Fieber und blutige Darmentleerungen 
mit Prolapsus vor und während der Stühle beun¬ 
ruhigt. Das Bluten war nach 35 tägiger Behand¬ 
lung durch einen allopathischen Arzt etwas besser, 
doch traten bei jeder Regenzeit die Blutungen wie¬ 
der auf. 1890 ging er nach Jessere, wo er etwa 
ein Jahr als reisender Beamter lebte, und kam 
dann äusserst geschwächt von Diarrhöe, Blutungen, 
hektischem Fieber, Dyspepsie und Ascites, zurück. 
Zwei Jahre später hatte er einen Ausschlag in der 
linken Lendengegend, der durch ein äusserliches 
Mittel beseitigt wurde. Bis zum Herbst 1895 zeig¬ 
ten sich gelegentliche hämorrhoidalische Blutungen. 
Im December desselben Jahres trat er in die Be¬ 
handlung eines Arztes der alten Schule, der den 
Fall als „Cirrhosis der Leber“ diagnosticirte und 
Lactopepsin und Peptofer verschrieb. Dies brachte 
nach 6 Monaten etwas Besserung. Aber im Octo- 
ber 1896 stellte sich wieder Fieber und Diarrhöe 
ein, und liess er nun den Verf. am 16. November, 
4 Uhr Nachmittags rufen, der folgenden Zustand 
an traf: 

Status praesens. T. 103,6° F., mit Brennen 
über den ganzen Körper, das von Mittag bis Abend 
ganz besonders sich steigerte. Durst massig. Kein 
Schweiss. Schlaf in der Nacht sehr unruhig. Augen 


und das ganze Aussehen anämisch und krankhaft 
gelb. Diarrhöe von grauen, wässerigen Entlee¬ 
rungen mit Prolapsus. Heisshunger mit Leerheits¬ 
gefühl im Magen. Unterleib aufgetrieben; häufiger 
Abgang von Flatus und Ructus, leer oder mit dem 
Geschmack des Genossenen. Der Urin spärlich und 
hochgefärbt. Der Geist schwach, kann sich nicht 
lange auf einen Gegenstand richten, ängstlich, un¬ 
ruhig. Füsse ödematös, im Bauch Ascites, während 
der Körper sonst höchst abgemagert ist. Etwas 
trockner Husten, schlimmer von Trinken. Bei der 
Percussion hört man die Dämpfung his zum Inter- 
costalraum zwischen der 7. und 8. Rippe, während 
die vordere Lebergrenze an 8 / 4 Zoll unter dem 
Rippenbogen zu fühlen ist. Die Lebergegend ist 
aber nicht druckempfindlich. Da der Kranke sehr 
anämisch und durch vielen Blutverlust .schwach 
war, so gab Verf. das hier angezeigte Mittel, den 
Phosphorus, in der 6. Dil. 4stündlich. 

17. November, 9 Uhr Vormittags. T. 100° F., 
Phosph. cont. T. 5,30 Abends 104,8° F., deut¬ 
liche Verschlimmerung. Seit voriger Nacht kein 
Stuhl. Mittel ausgesetzt. 

18. November. T. Morgens 101,4° F. Eine 
Abwaschung mit lauem Wasser um 1 Uhr. Diät: 
Milch und Sago. 

19. November. Letzte Nacht leichter Schweiss. 
T. 99,6° F. Morgens, 102,8° F. Abends. Placebo. 

20. November. Morgen-T. 100,4° F., Abends 
103,8° F. Phosphorus 30. alle 6 Stunden. 

21. November. Morgen-T. 98,4 F., um 2 Uhr 
Nachmittags 102°, und Abends 7 Uhr 100,6° F. 
Es ging ein gesunder Stuhl von gelblich-weisser 
Farbe um 11 Uhr Vormittags ab. Phosph. 30. cont. 

22. November. Hat die vergangene Nacht besser 
geschlafen. T. stieg Nachmittags auf 101° F. und 
sank Abends 10 Uhr auf die Norm. Phosph. 80. 

28. November. Kein Fieber. — Placebo. 

24. November. Entschieden besser. — Keine 
Medicin. 

Verf. sah ihn später im Februar v. J. wieder 
als einen ganz anderen Mann, voll Kraft und Blut. 
Am 10. Mai 1897, gerade vor dem Niederschreiben 
dieses Artikels, untersuchte er ihn noch einmal: 
die Leberdämpfung ging bis an die 6. Rippe. Er 
sah in jeder Beziehung wie ein gesunder Mann 
aus und sagte auch, er habe sich schon seit vielen 
Jahren nicht so wohl gefühlt wie jetzt: nur der 
Mastdarmvorfall belästigte ihn. 

Bemerkung des Verfassers: ,,Die Fähigkeit von 
Phosphor, Cirrhose hervorzurufen, ist wohlbekannt. 
Und dennoch bezweifeln manche unserer Berufs¬ 
genossen dessen Heilwirkung in dieser Krankheit, 
obwohl einige damit erlangte gute Erfolge von 
Dr. Salzer und Coolemann berichtet worden sind. 
Gleichwohl bin ich geneigt anzunehmen, dass 


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Mangel an sorgfältiger Forschung nach der Ge- 1 
saramtheit der Symptome und der constitutionellen 
Eigentümlichkeiten des Kranken gemeinhin zu 
einem Misserfolg führen. Ein Mittel, mag es auch 
immer im menschlichen Organismus den nämlichen 
pathologischen Zustand erzeugen, wird dennoch 
nur selten eine Heilung bewirken, wenn es seiner j 
Pathogenese nach sich nicht als Simillimum zu des j 
Kranken Symptomen verhält. Aus dem hier mit- 
getheilten Fall geht hervor, dass Phosph. bei Cir- 
rhose von Personen mit hämorrhagischer Diathese, 
ohne Complication mit Malaria oder Syphilis, ein 
zuverläs9liches Mittel ist. 

(North American Journal of Homoeopathy. 

November 1897.) 

Diese Beobachtung unseres hindostanischen Col- 
legen ist ebenso interessant als lehrreich; wir unter¬ 
schreiben seine Ansicht, dass Phosphor nicht jeden 
Fall von Leber-Cirrhose heilen wird, sondern nur 
einen solchen, wo neben der pathologisch-anatomi¬ 
schen auch eine symptomatische Uebereinstimmung 
zwischen dem Mittel und dem concreten Krankheits¬ 
fall gegeben ist. Dr. Mossa. 

Die Zustände des Auges diagnostisch bei 
allgemeinen Krankheiten. 

Nach Dr. D. A. Mao Lachlan in Detroit, Mich., 
Transact. 1898, S. 398. 

Von Dr. Th. Kafka in Karlsbad. 

(Schluss.) 

Zusammenziehung der Pupillen wird hervor¬ 
gerufen durch: Wahnsinn, Dementia paretica, Epi¬ 
lepsie oder Hysterie (im frühesten Stadium), Ataxie 
locomotrice, multiple Neuritis, Schlaf, Athemlosig- 
keit, Sclerose, und durch folgende Mittel: Eserin, 
Curare, Chloral, Chloroform (Erweiterung verkündet 
drohende Erstickung), Jodoform, Muscarin, Pilo¬ 
carpin, Physostigmin, Opium, Tabak etc. 

Myose und Ungleichheit der Pupillen ist charak¬ 
teristisch für Tabes, Hysterie, Neurasthenie etc. 

Reflexstarre der Pupille ist diagnostisch für 
Bulbarparalyse, Sclerose und paralytischen Blödsinn. 
Eine paradoxe Reaction der Pupille, Erweiterung 
bei Licht und Zusammenziehung bei Dunkelheit : 
wird bemerkt bei Kohlenoxydgas- und Leuchtgas- j 
Vergiftung. Hippus oder schnell wechselnde Zu- i 
sammenziehung und Erweiterung der Pupille ist ein 
für Hysterie charakteristisches Symptom, ebenso 
für Epilepsie und andere Zustände. 

Laminirte Cataracta ist ein Symptom der Rha- 
chitiker. I 

Erkrankungen der willkürlichen Augenmuskeln 
sind oft sehr behilflich bei den Bestimmungen von | 
Gehirnverletzungen; sie bestehen entweder aus | 


Krämpfen oder Lähmungen. Grössere Reizbarkeit 
der Gesiclitscentren verursacht Krämpfe, während 
Zerstörung desselben Theiles Lähmung hervorruft. 
Oftmals ist der Krampf nur das erste Stadium der 
Lähmung und einer ist gewöhnlich so wichtig als 
der andere, bei der Bestimmung des Sitzes der 
Krankheit. Bei der Apoplexie sind Kopf und Augen 
gegen die Seite der Erkrankung gewendet (deviatio 
conjugata) und Erschlaffung aus dieser Stellung, 
besonders wenn der Kopf und die Augen nach der 
entgegengesetzten Seite gedreht werden können, 
zeigen Heilung an. Die conjugirte Deviation ist 
gewöhnlich auch bei Gehirnabscess zugegen und 
im Laufe eines andern Gehirnschlages oder Ab- 
scesses, wenn frische Reizungssymptome (Krampf 
und Lähmung verschiedener Art) sich dazugesellen, 
kündigen Bluterguss, beziehungsweise Eiterung 
in den Ventrikeln an. Reizungssymptome (Krampf, 
Zucken, Nystagmus, Myosis, conjugirte Deviation etc.) 
zuerst und später Lähmung zeigen das allmähliche 
Anwachsen einer Gehirngeschwulst an: dasselbe 
kann man behaupten von der Basilarmeningitis, 
bevor und nachdem Exsudation erfolgt ist und von 
Gehirnblutung und anderen Gehirnzuständen, die 
innerhalb von Minuten, Stunden oder Tagen zu¬ 
nehmen; Symptome, die zuerst von Reizung her¬ 
rühren, später paralytisch werden, je nach der Zu¬ 
nahme oder Ausdehnung der Erkrankung. Nystagmus, 
ein ziemlich seltenes Symptom bei Gehirnerkrankung, 
ist bei multipler Sclerose gewöhnlich so häufig, dass 
es dafür diagnostisch ist. Der Nystagmus rührt 
her von Unterbrechung der Leitung zwischen der 
Oculomotoriusrinde und den Kernen der Augen¬ 
muskeln und davon kommt dann die Läsion. Die 
davon betroffenen Gehirnbestandtheile sind die 
Rinde (Centren allerersten Ranges), Kerne (Nuclei, 
Cdntren niedrigsten Ranges), die Nervenstämme 
(Basal) oder die Faserstränge, die die Kerne mit 
den Nervenstämmen verbinden. 

Die folgende Tafel mag bei der Diagnose der 
Lage der Erkrankung behilflich sein, während an¬ 
dere sich dazu gesellende Symptome ihre Be¬ 
schaffenheit (Charakter) erklären dürften: 


Gelähmte Muskeln oder 
Nerven. 

Nur ein Muskel (Oculomo- 
torius). 

Conjugate Paralysis oder 
Abweichung (Erkran 
kungen von associirten 
Centren). 


Die äusseren Augenmus¬ 
keln allein (Accommo- 
dation und Convergenz 
erhalten). 


Sitz der Erkrankung. 

Unter den Kernen (nuclei), 
(ausgenommenPtose,die 
cortikal sein kann). 

Die Kleinilirnschenkel, 
Federn (Pennae), vier¬ 
eckigen Körper (cor 
pora quadrigemina) und 
die grossen Gehirngang 
lien (Sehhügel etc.). 

Kerne (schliesst eine ba 
silare Erkrankung aus>. 


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Gelähmte Muskeln oder 
Nerven. 


Sitz der Erkrankung. 


Abducens und Facialis Wahrscheinlich nucleär. 


zusammen. 

Oculomotorius eines Au¬ 
ges mit entgegengesetz¬ 
ten Extremitäten. 

Abducens und Facialis mit 
Extremitäten. 


Die ganze Reihe der Ge¬ 
hirnnerven 


Anfang der Neuralgie des 
fünften. 

Ein optischer Nerv (colla- 
terale Erblindung). 


Pedunculi cerebri. 


der 


Augen¬ 

lähmung 

mit 


Schmerz oder Empfind¬ 
lichkeit der Orbita 
Tief gelegene Geschwulst 
Glotzen des Auges 
EinseitigeEntzündung des 
Opticus 

Berichtet von Trauma 


Die hintere Seite 
Federn (Pennae). 
der dritte . 
der fünfte 

der siebente! Gehirnbasis. 
Opticus 
olfactorius ' 

Gehirnbasis. 

Gehirnbasis unterhalb der 
Sehnervenkreuzung. 


Innerhalb 
der Orbita 
äusserlich. 


Hemianopsie oder Verlust der einen Hälfte 
des Gesichtsfeldes, ohne dass das Ophthalmoskop 
irgendwelche Veränderungen im Augenhintergrunde 
zeigt, setzt uns in Stand, eine Läsion des Seh¬ 
nervenverlaufes zu localisiren. Wenn der Defect 
nur für ein Auge bestellt, muss die Störung im 
Sehnerven selbst bestehen, gegenüber der Seh¬ 
nervenkreuzung. In der temporalen Hemiopie 
(Verlust der beiden äusseren Gesichtsfelder) be¬ 
steht die Störung im Chiasma selbst, indem die 
auseinanderhakenden Fasern zerstört sind. In der 
homonymen Hemiopie ist der Defect symmetrisch, 
z B. Verlust der äusseren Hälfte des einen Auges 
und der inneren des anderen, die Störung muss 
oberhalb der Sehnervenkreuzung liegen. Wenn 
noch dazu die Pupille nicht reagirt, wenn Licht 
auf den blinden Theil geworfen wird, muss die 
Störung bestehen im Verlaufe des Sehnerven, unter¬ 
halb der Stelle, wo die Fasern an den Nucleus 
oculomotorius abgegeben werden, aber wenn die 
Pupijle nicht reagirt, muss die Störung oberhalb 
dieses Theiles im Thalamus etc. oder selbst in der 
Rinde gelegen sein. 

Die Entzündung des Sehnerven ist selten eine 
locale Erkrankung, deren Diagnose ist von der 
grössten Wichtigkeit sowohl für den Augenspecia- 
listen als auch für den allgemeinen internen Prak¬ 
tiker, als sie auch viele Allgemeinerkrankungen 
anzeigt. Das Feld für die Diagnose aller vorher 
erwähnten Zustände ist ebenso offen für den allge¬ 
meinen Praktiker, als für den Augenspecialisten, 
aber darin ist Geschicklichkeit und Erfahrung beim 
Gebrauche des Augenspiegels erforderlich und der 
Specialist muss gewöhnlich consultirt werden. Die 
Nervenentzündung sollte immer im Verlaufe von 


I 

i 


nervösen Zuständen vermuthet werden, wenn die 
Pupille erweitert und das Sehen gestört ist, während 
sonst das Auge äusserlich normal zu sein scheint. 

Im Verlaufe von Gehirnerkrankungen wird Ent¬ 
zündung des Sehnerven veranlasst durch Druck 
auf denselben innerhalb der Gehirnhöhle, die ein¬ 
fache Congestion der Pupille hervorruft, oder durch 
directe Uebertragung der Entzündung vom Gehirn 
entlang dem Verlaufe des Nerven und dessen Ver¬ 
zweigungen (Neuritis descendens). Gehirntumoren 
und Wasserkopf verursachen die ersteren, indem 
sie sich nach und nach Raum in der Gehirnhöhle 
verschaffen, während die letztere gewöhnlich durch 
Gehirnhautentzündung veranlasst wird. 

Andere verursachende Krankheiten sind Gehirn¬ 
blutung, Embolie, Thrombose, Abscess und Ver¬ 
letzungen; paretischer Blödsinn und multiple Sclerose, 
Syphilis, Brigth’sche Krankheit, Diabetes, acute infec- 
tiöse Erkrankungen, wie z. B. Typhus, Scharlach, 
Masern, Blattern und Diphtheritis, Scrophulose, 
Störungen der Menstruation und Schwangerschaft, 
acute Anämie, Blei- und andere Arzneivergiftungen 
und Erkältung. 

In der Gestalt der congestionirten Papille des 
Sehnerven ist es fast pathognomiscli für Gehirn¬ 
geschwülste, die fast in 90 Proc. der Fälle vor¬ 
handen sind. Eine Untersuchung des Augenhinter¬ 
grundes wird auch im frühen Stadium der Ge¬ 
schwulst uns in Stand setzen, eine Diagnose zu 
machen. Die Entzündung kann frühzeitig oder 
spät eintreten, sie zeigt, dass das Wachsthum zu¬ 
nimmt und die Prognose ist folglich eine schlechte. 
Clioked disk (hyperänmehe Sehnervenpapille) ist 
gewöhnlich beiderseitig, aber ein Auge ist oft 
zuerst angegriffen. Es entwickelt sich in der Regel 
schnell und nach Wochen oder Monaten folgt dar¬ 
auf eine Atrophie des Gesichtsnerven und eine 
mehr oder weniger anhaltende Blindheit. 

Einfache Atrophie ist häufig ein Symptom der 
locomotorischen Ataxie und zugleich mit der Arpyle- 
Robertson’sehen Pupille (keine Reaction auf Licht 
und Miose) und Fehlen des Patellarreflexes ermög¬ 
licht eine rechtzeitige Diagnose des Tabes. Sie 
kommt auch vor bei anderen Erkrankungen des 
Rückenmarks und des Gehirns und ist fast stets 
bilateral, kann aber nicht in beiden Augen gleich¬ 
zeitig beginnen. 

Verschlechtertes Sehen und Entzündung der 
Netzhaut sind oft die ersten Zeichen von Nieren¬ 
erkrankungen. Plötzlicher Verlust des Gesichtes 
mit noch vorhandener Pupillenaction bei Erwachse¬ 
nen und während der Schwangerschaft erfordern 
eine Untersuchung des Allgenhintergrundes und des 
Harns zugleich. Netzhautentzündung mit den cha¬ 
rakteristischen gelblichweissen Flecken herum uin 
die Ceutralgrube (Fovea centralis) leiten auf die 


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199 


Bright’sche Krankheit. Netzhautblutungen sind auch 
kennzeichnend, da sie oft Gehirnschlagflüssen voran¬ 
gehen, besonders bei bejahrten Personen. 

Disseminirte Choreoditis mit trübem Glaskörper 
ist diagnostisch für Syphilis. Plötzliche Erblindung 
auf einem Auge mit kirschrothem Fleck in der 
Fovea centralis weist hin auf Embolie der Central¬ 
arterie der Netzhaut und permanente Blindheit und 
auf Herzkrankheit. Pulsation der Netzhautarterien, 
gleichzeitig mit dem Radialpuls und abwechselnd 
mit den Netzhautvenen ist ein Zeichen von Aorta- 
insufficienz und selten auch von Erkrankung der 
Mitralklappe. 

Glotzen des Augapfels ist ein wohlbekanntes 
Merkmal der Basedow’schen Krankheit, auch von 
Aneurysma der Carotis interna (pulsirender Exoph¬ 
thalmus) und von Lähmung der Musculi recti. 

Das Auge liefert uns auch einige diagnostische 
Merkmale für die Leiche. Trübung und Un¬ 
empfindlichkeit der Hornhaut, Fehlen der Pupillen- 
reaction für Licht, der sogenannte Fleck der Sclero- 
tica, eine gespaltene (dissecated) Stelle auf der 
äusseren oder inneren Seite oder unterhalb der 
Hornhaut und Xerosis der Bindehaut und Cornea 
entwickeln sich bald nach dem Tode und zeigen 
beinahe unfehlbar, dass das Leben erloschen ist. 


Viscum album. 

Signaturenbild. 

Vorbemerkung der Redaction. 

In welchem Sinne College Schlegel seine Signa¬ 
turenlehre aufgefasst hat und sie verstanden wissen 
will, darüber hat er sich im vorigen Bande dieser 
Zeitung, p. 70, ausgesprochen, nachdem er p. 53 
ein solches Signaturenbild von Aranea diadema und 
bryonia gezeichnet hatte. — Auf strenge Wissen¬ 
schaftlichkeit macht seine Naturbetrachtung keinen 
Anspruch, sie ist vielmehr eine symbolische, und, 
wenn wir das Signaturenbild eines Arzneikörpers 
mit den Zeichen zusammenstellen, welche wir durch 
die Prüfungen desselben am Gesunden erhalten 
haben, so verhalten sie sich etwa wie ein von 
einem mit tiefem Sinn für die Symbolik der Natur 
begabten Maler gezeichnetes Landschaftsbild zu 
einem photographischen Bilde derselben Landschaft. 
Und doch enthalten beide die charakteristischen 
Züge des Wirkungsbildes, so dass, wenn wir beide 
unserem Gedächtniss einprägen, das betreffende 
Mittel uns recht lebensvoll, als eigenartiges Indivi¬ 
duum sich vor uns darstellt. Freilich ohne wissen¬ 
schaftlichen Untergrund helfen uns die geistvollsten, 
symbolischen Naturbetrachtungen nicht weiter — 
und das ist auch College Schlegels Meinung: Erst 
Prüfung, dann Symbolik! 


Die Mistel ist ein halb schmarotzendes Gewächs, 
welches wir, nachdem die Bäume ihr Laub ver¬ 
loren haben, von November bis Mai ziemlich häufig 
auf verwahrlosten Obstbäumen beobachten können 
in Gestalt grüner oder bräunlichgrüner stark ver¬ 
zweigter Büschchen. Die Blüthezeit fällt in den 
März und April, noch ehe die Bäume ihr Laub ge¬ 
winnen. Die Frucht ist eine weisse, im Frucht¬ 
fleisch stark klebende Beere, aus welcher der* Vogel¬ 
leim bereitet wird. Das Schmarotzerthum besteht 
darin, dass die Mistel Wasser und Mineralsubstanzen 
der Unterlage (meist einem Apfelbaum) entnimmt, 
während die weitere Stoffaneignung aus der Atmo¬ 
sphäre und die Umbildungen im Innern des 
Pflanzenkörpers von den lederartigen grünen 
Blättern besorgt werden. Diese sind ausdauernd 
und verarbeiten das Licht im Winter und Früh¬ 
jahr ungehemmt, während sie sich im Sommer mit 
dem Schatten der Baumkrone begnügen müssen. 
Durch das Schmarotzerthum mag eine bedeutungs¬ 
volle Arbeitsersparniss in der Mistel bewirkt wer¬ 
den, wodurch ungewöhnliche Kräfte frei werden 
mögeu. Die Mistel symbolisirt in einem gewissen 
Maasse Krankheiten des Nervensystems, besonders 
seiner Centralgebilde, des Gehirns und Rücken¬ 
marks. Die Analogie liegt schon darin, dass auch 
das Centralnervensystem eine gewisse ausgiebige 
Parasitenstellung innerhalb unseres Stoffumsatzes 
einnimmt: es bedarf einer sehr reichlichen arteriellen 
Blutversorgung, welche es den Blutbahnen ent¬ 
nimmt, die ganz vorwiegend für den stofflichen 
Träger unserer höchsten Functionen zur Verfügung 
gestellt sind. — Die Verbreitung der Mistel ge¬ 
schieht durch Vögel, welche das Fruchtfleisch ver¬ 
dauen und manchen klebrigen Samen auf einen 
Bauinzweig niederlegen. — Auch hierin mag eine 
Analogie gefunden werden: wie die Mistel selbst, 
kommen die ihr entsprechenden Krankheiten „nur 
so angeflogen d. h. sie sind, wie Epilepsie, Chorea 
nicht in der Constitution erkennbar begründet, und 
man hat ihnen gegenüber in besonderem Maasse 
den Eindruck des „Zufalls“. — Die sehr auffallende 
dichotome Verzweigung der Mistel legt weiterhin 
die Vermuthung nahe, dass in der Anordnung der 
fast wagrecht auseinanderfliehenden Aestchen starke 
polare Gegensätze zum Austrag kommen. Man 
kann diese eigenartige Verzweigung Krampfstellung 
nennen. Wir finden solche — wenn auch in etwas 
geringerem Maasse — bei Hypericum perforatum 
wieder, ebenso bei Cichorium intybus. Hypericum 
ist ein bewährtes Wundkrampfmittel; über Cichorium 
ist mir nichts bekannt. — Während nun die vege¬ 
tativen Sprossen der Mistel so auseinanderfliehen, 
sind die achselstäudigen Früchte zum besten Kleb¬ 
mittel geworden, auch ein stark gegensätzliches 
Verhalten! Ich stelle mir vor, dass Krankheiten, 


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200 


die durch Mistel heilbar sind, ihre Verschlimme- 
rungszeit im Spätherbst, Winter und Frühjahr haben, I 
wo die Gedeihensbedingungen der Pflanze gegeben | 
sind. Ferner werden besonders Zustände, die auf 1 
paroxysmatische Ausgleichung hinstrebeu, ohne Pro- j 
duktbildungen in functionellen Entladungen bestehen, ! 
entsprechen. Hierher gehören: Epilepsieen, Chorea, 1 
Rheumatismen, Neuralgieen, wie auch die Erscheinun- | 
gen, welche die monatliche Periode und die Ausstossung | 
der Frucht nebst Nachgeburt betreffen, denn diese 
beiden Vorgänge sind Auslösungen durch Nerven- j 
Vermittelung. Für die Verschlimmerungsbedingun- ' 
gen in den genannten Jahreszeiten, sowie für Men¬ 
struation, Geburt und 7 Nachgeburtsperiode liegen 
klinische Bestätigungen vor. — 

Ich würde auch Keuchhusten dem Wirkungs¬ 
kreis der Mistel zuweisen (wegen des ausgesprochen 
paroxysmatischen Charakters der Krankheit), wenn 
die Mistelblätter mehr athmende Oberflächenentfal¬ 
tung darböten. Dieselben sind aber vielmehr dick 
von Parenchym, glatt und ohne Randentfaltung, 
sodass ihre Oberfläche bei Abwesenheit jeder Un¬ 
ebenheit, Kerbung oder Zahnung eine nur sehr 
sparsame Fläche darbietet und demgemäss mehr 
den compacten Organen der Assimilation, als dem 
lufttauschenden Lungengewebe entspricht. I 


Aufruf zur Betheiligung an Arzneiprüfungen. 

Der homöopathische Centralverein Deutschlands 
hat in seiner letzten Versammlung in Elberfeld 
officiell beschlossen, dass die Arzneiprüfungen weiter 
fortgesetzt werden sollen im Zusammenhang mit 
den übrigen bekannten Arbeiten. Wir haben aus 
den gleichen Bestrebungen früherer Zeiten gelernt, 
dass nur unausgesetztes, breit angelegtes, gemein¬ 
schaftliches Arbeiten zu dem Ziele führt, die Ho¬ 
möopathie und damit jeden einzelnen ihrer Vertreter 
auf diejenige Höhe allgemeiner Achtung zu heben, 
die sie verdient; wir sind fest entschlossen, diesen 
Weg unbeirrt weiter zu verfolgen und bitten jeden 
Collegen um seine Unterstützung. Die bisherigen 
Erfahrungen hinsichtlich der Arzneiprüfungen lassen 
es empfehlenswerth erscheinen, dass nur ein Mittel 
gleichzeitig von möglichst zahlreichen Vereinen und 
Collegen in Angriff genommen werde, um ein nach 
jeder Richtung hin vorurtheilsfreies und erschöpfen¬ 
des Resultat zu erzielen. 

Zunächst ist Lathyrus sativus zur Prüfung ge¬ 
wählt worden, ein Mittel, welches nach seinen bis¬ 
her bekannten Eigenschaften zu schliessen, unseren 
Arzneischatz namentlich hinsichtlich der Behandlung 
von Erkrankungen des Central-Nervensystems in 
sehr werthvol Weise ergänzen und bereichern 
dürfte. 


Herr Commerzienrath Dr. Willmar Schwabe in 
Leipzig, Querstrasse 5, hat sich mit grossherziger 
Liberalität erboten, den Theilnehmern an der Prü¬ 
fung das Mittel in beliebiger Potenz zur Verfügung 
zu stellen. Die Collegen mögen sich also unter 
Berufung auf diesen Aufruf möglichst bald und 
möglichst zahlreich an die angegebene Adresse 
wenden. 

Die Bearbeitung der Prüfungsresultate hat Col¬ 
lege Schier in Mainz , Schottstrasse t , übernommen; 
derselbe ist gern bereit, jede gewünschte nähere 
Auskunft zu ertheilen und bittet die Prüfer, ihre 
Adresse ihm anzugeben, thunlichst sofort die Ar¬ 
beit in Angriff zu nehmen und alsbald nach Fertig¬ 
stellung derselben an ihn einzusenden ,>[ 80 dass 
spätestens bis März 1900 sämmtliche Protokolle ein¬ 
geliefert sind. No. 13| 14 des 139. Bd. der Allg. 
homöopath. Zeitung hat eine Anleitung zur einheit¬ 
lichen Inangriffnahme der Prüfungen gebracht. 

Einige Collegen werden zweifellos in der Lage 
sein, auch Thierversuche zu veranstalten, deren 
Ergebnisse zur Feststellung der physiologischen 
Wirkungssphäre ebenso nothwendig wie anderseits 
zur Bestätigung und Ergänzung der am Menschen 
gewonnenen Resultate wünschenswerth sind. 

Gerade der jetzige Zeitpunkt erscheint zur 
Wiederaufnahme von Arzneiprüfungen besonders 
günstig, nachdem im homöopathischen Centralverein 
frisches Leben zu pulsiren beginnt und auch eine 
grosse Anzahl junger Collegen unserer therapeuti¬ 
schen Richtung sich angeschlossen hat, welche ge¬ 
wiss gerne bereit sind, ihr wirkliches Interesse für 
die Sache durch positive wissenschaftliche Mitarbeit 
zu documentiren. Ja, es ist geradezu nothwendig, 
diesen jüngsten strebsamen Collegen durch Ver¬ 
anstaltung von Arzneiprüfungen Gelegenheit zu 
geben, sich in homöopathische Anschauungen gründ¬ 
lich einzuarbeiten. 

Hinter diesen werden die bereits in der homöo¬ 
pathischen Praxis Erfahrenen sicherlich um so 
weniger zurückstehen wollen und dürfen, als ge¬ 
rade ihnen die Thätigkeit am Krankenbette jeden 
Tag aufs Neue die Nothwendigkeit des Ausbaues 
unserer Materia medica durch Neuprüfung und 
Nachprüfung vor Augen führt. 

Dass jeder einzelne Prüfer auch persönlichen 
Vortheil von seiner Arbeit hat, braucht kaum be¬ 
sonders betont zu werden; nur wer selbst Mittel 
geprüft hat, vermag in die Tiefe der homöopathi¬ 
schen Arzneimittellehre einzudringen und sich über 
die wichtigsten Theoreme unserer Therapie ein 
eigenes Urtheil zu bilden. 

Unmöglich endlich ist es keinem Collegen, hier 
positiv mitzuarbeiten, sei er auch noch so beschäf¬ 
tigt; einige Minuten pro Tag zur Führung des 
Protokolls kann jeder erübrigen, und wem günstige 


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Verhältnisse und eigene Tüchtigkeit eine grosse 
homöopathische Clientei verschafft haben, eben der, 
meinen wir, hat am ersten auch die moralische 
Pflicht, mitzuthun am wissenschaftlichen Ausbau 
unserer Therapie. 

Schaden an seiner Gesundheit braucht von den 
Experimenten Niemand zu befürchten; steht ja doch 
jedem Theilnehmer die ganze Scala der Potenzen 
zur Verfügung; auch ist das diesjährige Mittel kein 
intensiv giftig wirkendes. — 

Die Erfahrungen des Berliner Vereins haben 
überdies ergeben, dass die Mitglieder der Laien¬ 
vereine, unter entsprechender Anleitung und Be¬ 
aufsichtigung, zuweilen gute Resultate erzielen; wo 
kein Verein zur Verfügung steht, da findet doch 
wohl jeder College in seiner Clientei manche ver¬ 
trauenswürdige und eifrige Mitarbeiter. 

Also frisch auf zur That! 

Bis dat, qui cito dat! 

Dr. Gisevius II. Dr. Kröner. 

Dr. Schier, Mainz, Schottstr. 1. 


Unsere Aufgabe. 

Von Dr. Mittelstaedt-Bromberg. 

So oft sich nur die Gelegenheit bot, über den 
Werth der Homöopathie mit medicinisch Gebildeten 
oder I>aien ins Gespräch zu kommen, immer wurde 
mir der Mikrodosismus als das Charakteristicum der 
Homöopathie entgegengehalten. Ja, selbst solche 
Personen, welche die Homöopathie in Folge eigner 
Erfahrungen hochschätzen oder, wie der vulgäre 
Ausdruck lautet, „au die Homöopathie glauben“, 
waren erstaunt, wenn ich die Behauptung zurück¬ 
wies und auf die Unterschiede unserer Heilmethode 
gegenüber der Schulmedicin aufmerksam machte. 

Zuerst führte ich immer die Prüfung eines ein¬ 
fachen Arzneimittels am gesunden Menschen an. 
Es würde nicht in den Rahmen dieser Skizze ge¬ 
hören, wollte ich auch nur einigermassen alle Aus¬ 
sprüche anführen, welche die hier zu erwähnenden 
Punkte betreffen. Es wird aber für uns von grossem 
Interesse sein, die Ansichten zweier Männer zu 
hören, deren Aeusserungen fast ein Jahrhundert 
auseinanderliegen. Der eine, der Begründer und 
Grossmeister unserer Heilwissenschaft, Hahnemann, 
sagt in seiner „Heilkunde der Erfahrung“ 1805 
Folgendes über die Arzneiprüfung am gesunden 
Menschen mit einfachen Mitteln: „Am reinsten zeigen 
die Arzneimittel die Natur ihrer krankhaften Potenz 
und ihre absolute, wahre Wirkung im gesunden, 
menschlichen Körper, wenn man jedes allein und 
und unvermischt nehmen lässt. Die wohlthätigsten 
Wirkungen hervorzubringen, ist stets ein einziges 
einfaches Mittel geeignet, ganz ohne Zusatz; wenn 


es nur das bestgewählte, das passendste, in der 
rechten Gabe ist. Nie ist es nöthig, ihrer zwei zu¬ 
sammenzusetzen. 11 

Der andere ist der Pharmakologe H. Schulz in 
Greifswald. Viele seiner Schüler haben durch ihre 
Betheiligung an den Arzneiversuchen am gesunden 
Menschen den grossen Werth derselben kennen ge¬ 
lernt. Schulz spricht sich in seiner Pharmako¬ 
therapie 1898 folgendermassen aus: Die Pharma¬ 
kologie sei ,,berufen, der Pharmakotherapie vor¬ 
zuarbeiten und für auf ihrem Gebiet erzielte Resultate 
die wissenschaftliche Erklärung zu suchen“. Man 
müsse vom gesunden Menschen, und nicht vom 
Thiere, auf den kranken Menschen schliessen, denn 
,,was ich am Herzen des Frosches geschehen sehe, 
beweist nichts für die Annahme, dass es beim 
Warmblüter auch so sein muss. Schon die ein¬ 
fache Ueberlegung der anatomischen Verhältnisse 
weist darauf hin. Und was ich am Hunde, Kanin¬ 
chen, Meerschweinchen lerne, nutzt zunächst gar 
nichts für eine unmittelbare Schlussfolgerung auf 
entsprechendes Verhalten des Menschen und seiner 
Organe. Wenn irgendwo, gilt in der Pharmako¬ 
therapie das Wort: Individualisiren.“ 

Nachdem ich in dieser Weise den Arznei versuch 
am gesunden Menschen in Anlehnung an Hahne¬ 
mann, Schulz u. A. gerechtfertigt hatte, wurde mir 
gewöhnlich entgegengehalten, dass unsere homöo¬ 
pathische Arzneimittellehre nur eine Sammlung von 
Symptomen wäre. Woran sollen wir denn die Krank¬ 
heiten erkennen, wenn nicht an den subjectiven 
und objectiven Symptomen, die uns der Kranke 
bietet? Ebenso wie Virchow bei Abfassung der 
Sectionsprotokolle keine Diagnose gestattet, sondern 
nur eine ganz genaue, objective Beschreibung des 
Befundes, so dass der pathologische Anatom aus 
derselben sich die Diagnose selbst stellen kann; 
also wird in unseren Arzneimittellehren von den 
Arzneiprüfungen am gesunden Menschen alles Ob¬ 
jective zusammengetragen und, da wir es hier mit 
lebenden, fühlenden Menschen zu thun haben, auch 
die subjectiven Empfindungen aufgeschrieben. Nur 
auf diese Weise kann ein der homöopathischen 
Arzneimittellehre kundiger Arzt die feinen Unter¬ 
schiede zwischen den einzelnen Mittelbildern er¬ 
kennen und für einen betreffenden Krankheitsfall 
das gebotene Mittel finden, d. h. lege artis indivi¬ 
dualisiren. 

Diese Art der Heilmittelwahl ist das Haupt- 
charakteristicum der Homöopathie. Wir, homöo¬ 
pathischen Aerzte, stellen, soweit es irgend mög¬ 
lich, die klinische Diagnose, und dann suchen wir 
auf Grund des ,,Similia similibus“ das richtige Heil¬ 
mittel zu finden. Hahnemann hat dieses Aehnlich- 
keitsgesetz als einen „Erfahrungssatz“ hingestellt. 
Er hat, wie Carl Hencke in der Hoinoeopathic 

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Hahnemann’s 1861 ausführt, „nicht für nothwendig 
erachtet, den Begriff der Aehnlichkeit zu definiren. i 
Und in der That, wer seine Schriften nur mit 
einiger Aufmerksamkeit liest, wird nicht im Zweifel 
sein, was es heisst: Heile durch Syraptomen-Aehn- 
lichkeit. Hat der Arzt den Kranken mit Umsicht 
examinirt, unter Berücksichtigung der anamnestischen 
Momente alle erforschbaren Symptome und Krank¬ 
heitselemente zu einem vollständigen, lebendigen 
Krankheitsbilde geordnet, so wählt er unter den 
am Gesunden bereits geprüften und so hinlänglich 
gekannten Arzneien bei Gegeneinanderhaltung des 
Symptomen-Inbegriffs des Krankheitsfalles (der Er¬ 
scheinungsform der Krankheit) gegen die Sym- 
ptomen-Reihen der Arznei-Erstwirkung, diejenige 
Arznei, welche, ausser den Hauptzeichen der Krank¬ 
heit, ganz besonders und vorzugsweise den auf¬ 
fallenderen, sonderlichen, ungemeinen und eigen- 
lieitlichen (charakteristischen) Zeichen und Krank¬ 
heitselementen des Kranken in grösster Zahl uud 
grösster Aehnlichkeit entspricht und analog ist, und 
wendet die so gefundene homöopathisch passende 
Arznei einfach und in feinster Gabe an.“ 

Es sind im Laufe der Zeit verschiedene Er¬ 
klärungsversuche des Aehnlichkeitsprincipes auf- j 
gestellt. Man findet dieselben in dem vortrefflich 
geschriebenen Handbuch zur Kenntniss der homöo¬ 
pathischen oder specifiscben Heilkunst von L. Griesse- 
licli 1848 und in Hirschel’s Corapendium der Ho¬ 
möopathie 1864. Hirschei sagt: „Gestehen wir es 
offen, dass bis jetzt noch Keiner das Räthsel ge¬ 
löst hat, so Viele sich auch diese Aufgabe gestellt 
haben. Alles ist Versuch gehlieben.“ So lange 
wir nicht die Anatomie, Physiologie nnd Pathologie 
der Zelle, die Lebensvorgänge innerhalb derselben 
kennen, werden wir keine Erklärung für das Aehn- 
lichkeitsprincip haben. Bakody formulirt es in seiner 
Retorsion folgendermassen: „Nach der inductiv-em- 
pirischen Hahnemann’schen Methode werden gemäss 
der entsprechenden genetischen Phasen der inneren 
Krankheitsprocesse solche Arzneimittel in Anwen- 
dung gebracht, die im kranken Organismus die¬ 
selben Gewebe specifisch berühren, in welchen sie, 
dem gesunden Organismus ingerirt, ähnliche ana¬ 
tomisch-physiologische Veränderungen hervorzurufen 
vermögen.“ 

Eine andere Schwierigkeit bietet sich uns noch, 
wenn wir uns fragen, was ist ähnlich. In der 
Geometrie heisst es: Zwei Dreiecke sind ähnlich, 
wenn die drei Seiten in gleichem, proportionalem 
Verhältnis stehen, oder wenn zwei Winkel gleich i 
sind, oder wenn zwei Seiten in gleichem, propor¬ 
tionalem Verhältniss stehen und der von ihnen ein¬ 
geschlossene Winkel gleich ist, d. h. wenn die Ge¬ 
stalt der Dreiecke gleich, die Grösse aber ungleich 
ist. Aus diesem Beispiel sehen wir, dass der Be¬ 


griff „ähnlich“ ein aus „gleich“ und „ungleich“ 
zusammengesetzter ist. In der Geometrie ist fest¬ 
gelegt, was gleich, was ungleich hei dem Aelin- 
lichkeitsbegriff ist. Wie steht es aber mit der 
Symptomatologie einer natürlichen und einer Arznei- 
Krankheit? Wieviel Symptome sollen gleich, wie¬ 
viel ungleich sein? 

Aus allen diesen Gründen glaube ich nicht, 
dass wir unsern Fundamentalsatz, dem ich die 
grösste Bedeutung für die Auffindung des richtigen 
Heilmittels in einer Erkrankung beilege, werden 
direct beweisen und erklären können. 

Wir werden aber einem Erklärungsversuche 
näher kommen, wenn wir unsere Aufmerksamkeit 
auf das biologische Grundgesetz von Rudolf Arndt 
und die Grundprincipien der Organtherapie von 
H. Schulz richten. Derselbe äussert sich in seiner 
Pharmakotherapie 1898, wie folgt: „Im Anschlüsse 
an das von Pflüger zuerst aufgestellte Zuckungs¬ 
gesetz hat R. Arndt dessen allgemeine Gültigkeit 
für alle Lebenserscheinungen überhaupt dargethan 
und darauf sein biologisches Grundgesetz entwickelt. 
Dasselbe lautet: ,Kleine Reize fachen die Lebens- 
thätigkeit an, mittelstarke fördern sie, starke hemmen 
sie, und stärkste heben sic auf, aber durchaus in¬ 
dividuell ist, was sich als einen schwachen, einen 
mittelstarken, einen starken oder sogen, stärksten 
Reiz wirksam zeigt.* Geleitet von eigenen Unter¬ 
suchungen und gestützt auf die in unseren Lehr¬ 
büchern mitgetheilten Erfahrungen über Arznei¬ 
wirkungen, ist es mir nachdem gelungen, die Gül¬ 
tigkeit des Arndt’schen Gesetzes auch für die 
Pharmakotherapie darzuthun. Nur müsste zu diesem 
Zwecke das obengenannte Zuckungsgesetz, das für 
gesunde Organe gilt, dem Verhalten der Kranken 
angepasst werden. Die Erweiterung desselben, das 
Ritter-Valli’sche Gesetz, kommt bei kranken Organen 
in Anwendung. Kranke Organe befinden sich im 
Zustande erhöhter Erregbarkeit. Reize, die sonst 
vielleicht spurlos an ihnen vorübergehen, auf die 
wir vergebens eine Reaction erwarten würden, lösen 
bereits Reflexe von wechselnder Intensität aus. So¬ 
gar längst gewohnte, aber ausserhalb der gewohnten 
physiologischen sich befindende Reize werden unter 
solchen Umständen unangenehm empfunden, ja, 
können direct schädlich wirken. Ein krankes Organ, 
ein kranker Organismus sind für äussere Eindrücke, 
wie auch in ihrem Inneren sich abspielende Vor¬ 
gänge empfindlicher, wie im normalen Zustande.“ 

Hieraus ergeben sich für die Therapie zwei 
Gesetze: zuerst die umgekehrte Wirkung des grossen 
und kleinen Arzneireizes, dann die grössere Reiz¬ 
empfindlichkeit des kranken Organs gegenüber dem 
gesunden. 

Man soll nicht glauben, dass ich mit diesen 
beiden Gesetzen etwas Neues in die Homöopathie 


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203 


hi nein zutrage n beabsichtige. Im Gegentheil ist es 
mir ein Leichtes, aus Hahnemann’s Schriften zu 
beweisen, dass ihm diese beiden Gesetze sehr gut 
bekannt waren. Nehmen wir z. B. seine „Heil¬ 
kunde der Erfahrung“ in die Hand, so finden wir 
darin Folgendes geschrieben: ,,Bei der Einwirkung 
der einfachen Arzneien auf den gesunden mensch¬ 
lichen Körper entstehen zuerst Phänomene und 
Symptome, welche die von diesem Arzneimittel spe- 
cifisch zu erwartende positive Krankheit genannt 
werden kann oder ihre positive, primäre (erste und 
vorzüglichste) Wirkung. Ist diese vorüber, so er¬ 
folgt in schwer zu bemerkenden Uebergängen ge¬ 
rade das Gegentheil des ersteren Vorganges, es er¬ 
folgen die gerade entgegengesetzten (negativen) Sym¬ 
ptome als Nachwirkung.“ Später sagt Hahnemann: 
,,Wie sehr sich aber die Empfindlichkeit des Kör¬ 
pers gegen Arzneireize in Krankheiten erhöhe, hier¬ 
von hat nur der genaue Beobachter einen Be¬ 
griff.“ 

Nach diesen kurzen Ausführungen können wir 
homöopathischen Aerzte die Aufgaben, die unserer 
harren, kurz in folgender Weise zusammenfassen. 
Durch unsere Praxis geben wir den Beweis für 
die Richtigkeit des Aehnlichkeitsprincipes. Dann 
müssen wir, soweit es sich irgend durchführen lässt, 
an gesunden Menschen Arzneiversuche anstellen. 
Nur dadurch werden wir die allgemein verbreitete 
Ansicht über unsere Heilmethode, dass die Klein¬ 
heit der Arzneigabe im Verhältnis zu der in der 
Schulmedicin gebräuchlichen das Wesentliche sei, 
umstossen und die Laienwelt auf die Hauptcharakte- 
ristica der Homöopathie aufmerksam machen. Ausser¬ 
dem wäre es für die Verbreitung unserer Heil¬ 
methode in ärztlichen Kreisen sehr forderlich, wenn 
sich in irgend einer unserer Centralen, vielleicht 
im Anschluss an eine homöopathische Poliklinik, 
ein kleines Institut errichten Hesse, in dem wir die 
Beweise für die Fundamentalsätze unserer Heil¬ 
wissenschaft durch das Experiment an der lebenden 
Pflanzenzelle oder am Thierkörper zu vermehren 
suchten. 

Naphthalin. 

Von Dr. Louis Hartmann-New Tork. 

Obwohl dieses Mittel noch nicht geprüft wor¬ 
den ist, hat die klinische Anwendung desselben 
seine Brauchbarkeit doch schon in manchen beson¬ 
deren Fällen erwiesen. 

Die allgemeine Wirkung dieses Mittels auf den 
menschlichen Organismus ist als eine antiseptische 
und antispasmodische bezeichnet. In ersterer Be¬ 
ziehung hat man es bei Zuständen von Putrescenz, 
sp bei stinkenden Diarrhpeen von Phthisis und ty¬ 


phoidem Fieber, und in Bezug der antispasmodi¬ 
schen Wirkung bei acuter Coryza, Asthma und 
Keuchhusten gebraucht. —■ Auch hat man es bei 
Madenwürmern angewandt und in Hautleiden bei 
Eczema, Psoriasis und als Antisepticum bei Wunden. 

Werfen wir einen Blick auf seine chemischen 
und physikalischen Eigenschaften. Naphthalin ge¬ 
hört in die Reihe der Hydro-Carbonate, ein Product 
aus dem Kohlentheer. Es ist ein grauweisses Pul- 
I ver mit dem charakteristischen Geruch des Stein- 
| kohlentheers und einem brennenden, aromatischen Ge- 
' Schmack. In Wasser unlöslich, löst es sich in 15 Theilen 
! Alkohol und sehr leicht in Aether, Chloroform, so¬ 
wie in festen und flüchtigen Oelen. Bei der ge¬ 
wöhnlichen Temperatur verflöchtet es sich langsam, 
wenn erhitzt aber schnell. Sein Dampf ist ent¬ 
zündbar und brennt mit einer leuchtenden und 
nissigen Flamme. Man muss es in wohlverschlosse¬ 
nen Flaschen aufbewahren. Im menschlichen Kör¬ 
per hat es eine specifische Beziehung zu den 
Schleimhäuten, in denen es eine katarrhalische Ent¬ 
zündung erzeugt. — Bei Affectionen der Nasen- 
| Schleimhaut findet es sich angezeigt bei akuter 
I Coryza mit einer flüssigen, ätzenden Absonderung 
I und vielem Niesen. — Es passt auch bei spasmo- 
i dischen Zuständen der Lunge: die Hustenanfälle 
| folgen so schnell aufeinander, dass der Kranke gar 
nicht zu Athem kommen kann. — Verf. hat der- 
1 artige asthmatische Anfalle durch dieses Mittel 
! schnell erleichtert gesehen. 

In Keuchhusten haben wir im Naphthalin eins 
der wirksamsten Mittel, so hat es der Verf. wenig- 
| stens in den letzten zwei Jahren in seiner Praxis 
| erfahren. 

Jenes Leiden befiel in epidemischer Verbreitung 
seine Gegend; nachdem er die die Zeit her ge¬ 
priesenen Mittel mit wenig oder gar keinem Erfolge 
gebraucht, kam er auf Naphthalin, und es gelang 
ihm, damit einige der hartnäckigsten Fälle zu hei¬ 
len. Er wandte es dann in allen Fällen an und 
hatte überall gleich günstige Erfolge. Frühzeitig 
gegeben kann es die Krankheit abschneiden. Bis¬ 
weilen ist noch ein anderes Mittel, namentlich Dro¬ 
sera, zur vollen Heilung erforderlich, das dann 
aber auch überraschend wirkt. 

Wenn ein Phthisiker jenen quälenden Husten 
mit Nachtschweissen und Diarrhöeen hat, wird ihm 
Naphthalin sehr gut thun. — Im Mai 1895 wurde 
Verf. von einem jungen Manne consultirt, dessen 
linke Lunge stark afficirt war. Pat. konnte keine 
Nacht schlafen wegen seines Hustens, und wenn er 
einschlummerte, weckte es ihn wieder auf. Dabei 
erschöpften ihn die Nachtschweisse; bei Tage batte 
er überdies mehrere stinkende dünnflüssige Ent¬ 
leerungen. Die angezeigten Mittel versagten: da 
erwies sich Naphthalin als Helfer in der Noth. 

26* 


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204 


Nach zweiwöchentlicher Anwendung war es ent¬ 
schieden besser; er schlief gut, hatte wieder Ap¬ 
petit und nahm an Kräften zu. Es ging ihm bis 
zum September gut, wo er sich von einem nächt¬ 
lichen Gelage kommend stark erkältete. Dann 
ging es wieder bergab, aber Naphthalin thut ihm 
auch jetzt noch gut. 

Verf. giebt das Mittel in der I. Verreibung, je 
nach den Umständen wiederholt. 

(North American Journal of Hom. October 1897.) 

X. 


Epilepsie. 

Ein Fall aus der Praxis. 

Von Dr. E. Carleton-New York. 

Die Epilepsie hat das Menschengeschlecht seit 
Jahrhunderten geplagt. Diese Krankheit ist an¬ 
dauernd von der Aerzteschaft studirt worden, und 
noch ist sie im Grunde nicht verstanden worden. 
Die pathologische Anatomie hat uns keine ge¬ 
nügende Erklärung gegeben. Man hat post mortem 
jede Art von Veränderung entdeckt, und doch 
wieder Fälle beobachtet, wo jedes Gewebspartikel- 
chen in völlig normalem Zustande gefunden worden 
ist. Man hat die Krankheit als eine „functioneile“ 
bezeichnet. Der homöopathische Arzt, der in dieser 
wie in allen anderen Krankheitsformen die Gesammt- 
heit der bei dem kranken Individuum auftretenden 
Symptome und Erscheinungen als die innerste Krank¬ 
heit auffasst und dies diesem Krankheitsbilde ent¬ 
sprechende Simile als Heilmittel zu wählen in der 
Lage ist, ist besser daran, als der Arzt von der 
herrschenden Schule, der mit seinen Bromiden, und 
das in starken Dosen, doch nur eine zeitweise 
Pallation und einen leichten Intervall zu Stande 
bringt, und seinem Kranken noch eine Arznei¬ 
krankheit aufhängt. Mit einem operativen Eingriff 
kann er höchstens auch manchmal beschwichtigend 
wirken. 

So schrecklich diese Krankheit ist, so ist sie 
der reinen Homöopathie doch zugänglich. Bönning¬ 
hausen soll dreissig Fälle geheilt haben und die 
meisten Homöopathen haben wohl von etwelchen 
Erfolgen zu berichten. Es scheint wünschenswerth, 
von Zeit zu Zeit an diese Thatsache zu erinnern 
und einwandsfreie Heilungen auf diesem Gebiete 
zu veröffentlichen. Hierzu soll auch der folgende 
Fall dienen. 

Eine 34j. Frau stellt sich am 19. Januar 1893 
mit folgender Krankheitsgeschichte vor: 

Vor 7 Jahren brachte sie ein Kind im 7. Mo¬ 
nate zur Welt. Sie hatte wegen Wassersucht Digi¬ 
talis, tropfenweise, erhalten. Dieses mag den Tod 
des Kindes und die Frühgeburt verschuldet haben. 


Das angewendete Heilverfahren war heroische Allo¬ 
pathie: Curette, Ergotin, viel Whisky. Sechs Tage 
nach der Entbindung war sie theilweise gelähmt 
durch einen Embolus in der Arteria media menin- 
gealis dextra; die Glieder der linken Körperhälfte 
wurden allmählich gebrauchsunfähig. Es fand eine 
Consultation bedeutender Aerzte, darunter ein 
Specialist für Geistes- und Nervenkrankheiten 
von internationalem Rufe, statt. Sie verordneten 
grosse Dosen von Jodkalium, Nitroglycerin u. a. 
Nach längerer Zeit konnte sie ein wenig, langsam, 
mit dem linken Fusse schlotternd, gehen, den Arm 
bewegen und mit den Fingern langsam zuhaken. 
Sie konnte aber ohne fremde Hilfe nicht die Klei¬ 
der aufhaken. 

Um die Zeit, als sie soweit kam, stellten sich 
bei ihr epileptische Anfälle ein, die allmählich häu¬ 
figer und schwerer wurden. Pat. gab än f dass 
einen Monat vor deren Eintritt ihr auf Verordnung 
der Aerzte Eis auf die Wirbelsäule gelegt worden 
war, was ihr das Gehirn gereizt habe. Die con- 
sultirenden Aerzte stellten die Diagnose auf genuine 
Epilepsie. Die Mutter der Kranken beschrieb mir 
den Verlauf dieser Anfälle. Es wurden verschiedene 
Bromide in den möglichst grossen Dosen, Hypo- 
phosphites, Ammonium-Mittel und Solutio Fowleri 
arsenicalis gegeben. Allmählich nahmen die Anfälle 
bis zu einem gewissen Punkte an Häufigkeit und 
Heftigkeit ab, dann blieben sie aber stationär und 
in ihrem Typus unverändert. Die angegebenen 
Mittel wurden ausgesetzt. Wegen Verstopfung wurde 
Cascara sagrada verordnet, wovon sie viel nahm. 

Als Dr. Carleton die Behandlung dieser Pat. 
übernahm, traten die Anfälle unregelmässig auf, 
durchschnittlich 1 Mal in drei Monaten, um 11 Uhr 
Vormittags unter Angst, Herzklopfen, Schwindel, 
mitunter Nausea; um 2—3 Uhr in der folgenden 
Nacht hörte ihre Mutter einen Schrei, fand die 
Kranke ohne Bewusstsein, den Kopf nach rechts 
gedreht, die Daumen eingeschlagen, tonische und 
klonische Krämpfe; die Augen nach oben gerollt, 
die Pupillen erweitert, mit dem Mund kauend und 
Schaum vor demselben; sie biss sich in die Zunge, 
danach langanhaltender, betäubter Schlaf. 

Pat. war eine Frau von mittlerer Grösse, brünett, 
matt, ruhigen, sanften Gemüths. — Vorwürfe machen 
ihr dunkle Ringe um die Augen; leicht beleidigt, 
schweigsam, nachgiebig. Bisweilen zeigt sich Ge¬ 
dächtnisschwäche in diesem und jenem. Jucken 
auf dem Kopf, die Haare sind sehr geneigt sich 
zu verfilzen; gewöhnlich rutscht sie mit dem rechten 
Fusse über den Boden; immer kalte Glieder von 
Kindbeit an; Appetit gering, Schlaf gut; Regel 
alle sechs Wochen, ziemlich reichlich. 

Der Verf. gab kein Versprechen, das aucji nicht 


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gefordert wurde, sprach aber seine Hoffnung aus, 
den Zustand zu mildern. 

Therapie . Die Constitution und das Gemüth 
wiesen deutlich auf Ignatia hin; auch wurden die 
krampfhaften und begleitenden Erscheinungen durch 
dieses Mittel gut gedeckt. Er wählte also dieses 
Mittel, und da es nicht nur curativ, sondern auch 
antidotarisch gegen die früher gebrauchten Arzneien 
und Massnahmen wirken sollte, so gab er es in 
einer mittleren Potenz, der 200., und in kurzen 
Zwischenräumen. (Für uns ist diese Potenz schon 
ganz erheblich hoch. Ref.) Er löste sie in Wasser 
und liess davon 2 stündlich nehmen, bis sich Besse¬ 
rung zeigen würde. Wie erwartet, klagte sie über 
die Verstopfung, da hiergegen alle Mittel verboten 
worden waren, ausser ein Klystier mit warmem 
Wasser, wenn sie sich dadurch gar zu sehr be¬ 
schwert fühlen sollte. 

Sie war gehorsam, und die Verstopfung, nahm 
immer mehr ah. Im Verlauf von etwa 4 Wochen 
war ihr Zustand besser; aber nach Aussetzen des 
Mittels wurde er wieder schlimmer. Dann wurde 
Ignatia aufs Neue, aber seltener gegeben, und 
wieder setzte Besserung ein, und dies Mal in noch 
kürzerer Zeit als beim ersten Mal, und hielt auch 
länger an. 

Am 1. Juli, sechs Monate nach der ersten Vor¬ 
stellung kam folgender Bericht: Pat. fühlt sich 
ziemlich matt. Die Schwindelanfälle, welche immer 
den letzten Theil des Intervalls zwischen der schweren 
Attacke zu markiren pflegen, haben begonnen und 
sie hatte in je einer Woche einen solchen. Sie be¬ 
ginnen gewöhnlich 4 Wochen nach dem schweren 
Anfall. Dies Mal vergingen bis zum nächsten An¬ 
fall 6 Wochen. Die freien Intervalle sind seit Be¬ 
ginn der Behandlung immer länger geworden. 

Vom 14. August: Sie fühlt sich schwach und 
eiend. Ihre Periode kam am 1. August, wie ge¬ 
wöhnlich nach 6 Wochen und dauerte bis zum 8. 
Am 18. kehrte sie wieder. Die Kranke ist ganz 
dunkel um die Augen herum, und sieht übel aus. 
Dabei ist aber Appetit und Schlaf ganz gut. Den 
letzten schweren Anfall hat sie vor 11 Wochen ge¬ 
habt. Vor 8 Tagen litt sie an Verdauungsstörung, 
die aber keinen Anfall hervorrief: was schon ein 
grosser Gewinn ist. Sie bekam darauf 2 Pulver 
mit Ignatia 200., von denen eins vor Schlafen¬ 
gehen, das andere am nächsten Morgen genommen 
werden sollte. 

Aber sie kamen zu spät. Am 15. Aug., 6 Uhr 
Morgens, kam wieder ein epileptischer Anfall, der 
aber nur kurze Zeit dauerte. 11 Wochen war sie 
wieder freigeblieben. — Der linke Arm ist besser; 
sie kann ihn freier bewegen. Der Monatsfluss ist 
noch immer sehr stark. 

Pie Besserung schritt dann, mit geringen Unter¬ 


brechungen, fort; nach jedem Anfall wurde eine* 
Gabe Ignatia 200. verabreicht. Der letzte Anfall 
kam am 17. Juli 1894. 

Im Jahre 1897 hatte Verf. Gelegenheit, die 
Pat. wiederzusehen. Er fand bei ihr Alles in Ord¬ 
nung. Die Extremitäten waren wieder functions¬ 
fähig; keine Schwindelanfälle mehr; Wohlbefinden. 
Das konnte er auch im Juni 1898 bestätigen. Vier 
Jahre sind ohne jede Störung vergangen. — Es 
ist also eine wirkliche Heilung dieses schweren 
Falls von Epilepsie zu verzeichnen, wozu die Aus¬ 
dauer der Kranken, wie auch des Arztes bei dem 
einmal als passend erkannten Mittel beigetragen hat. 

(The Homoeopathic Fhysician. März 1899.) 


Lachesis — klinische Fälle. 

Elerstocks-Geschwulst. 

Eine 35j. Frau mit dunklem Teint, Mutter von 
5 Kindern, klagte über heftigen Schmerz in der 
Gegend des linken Eierstocks und über einen sehr 
dunkelfarbigen Ausfluss aus der Vagina. Bei der 
Untersuchung liess sich im linken Ovarium eine 
Geschwulst von der Grösse eines Gänseeies deut¬ 
lich herausfühlen. Die Schmerzen und der Aus¬ 
fluss bestanden länger als einen Monat. Zwei 
Aerzte hatten eine Eierstocksgeschwulst diagnosti- 
cirt, und beide erklärten, hier könne nur eine 
Operation helfen. Dieser wollte sich Pat. aber 
nicht unterwerfen. 

Der Fall zeigte wenig Symptome, aber einige 
waren klar ausgesprochen. So lange der Ausfluss 
reichlich stattfand, fühlte sie sich besser, während 
Nachlass des Ausflusses ihren ganzen Zustand ver¬ 
schlimmerte; dann der Umstand, dass sie sich nach 
dem Schlaf immer schlechter fühlte. Dazu kam 
noch die Oertlichkeit des Leidens; es war der link¬ 
seitige Eierstock. Diese Umstände wiesen auf 
Lachesis hin. Von diesem Mittel erhielt sie in 
der 200. Potenz. 

Am folgenden Abend war sie in hoher Ge- 
müthsaufregung, da ihr der frühere Arzt beim 
Morgenbesuch darauf hingewiesen, dass beim Auf¬ 
schub der Operation ihr die Gefahr drohe, der 
Tumor möchte platzen und sie sofort sterben. 
Doch sie liess sich wieder beruhigen, und folgen¬ 
den Tages war ihre Stimmung, obwohl Schmerz 
und Ausfluss noch unverändert waren, eine bessere. 
Sie fasste Hoffnung, — das Mittel fing an zu 
wirken. — Auch war ihr Magen, in dem bisher 
die geringste Aufnahme von Speise grosse Be¬ 
schwerde gemacht hatte, in besserem Zustande. 
Milch konnte sie jetzt beschwerderos gemessen 
Von Zeit zu Zeit erhielt sie eine Gabe Lad.i - 


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Big 200., wobei ihr Zustand sich fortschreitend 
besserte. Ihr Appetit wurde gut, sie konnte herz¬ 
haft essen und nahm an Körpergewicht zu. Der 
Schmerz im linken Eierstock liess nach, doch blieb 
die Gegend noch etwas druckempfindlich. Auch 
der Ausfluss liess allmählich nach. Beim Eintritt 
der Periode nahm dieselbe wieder beträchtlich zu, 
sonst aber waren keine Beschwerden da. Nach 
Aufhören der Menstruation war der Ausfluss ganz 
verschwunden. Während dieser Zeit war auch die 
Geschwulst fast ganz verschwunden. Die Kranke 
konnte aufsein und ihre leichten häuslichen Arbeiten 
verrjphten. Etwa 2 Monate nach der ersten Gabe 
von Jjachesis konnte sie für gesund erklärt werden. 
So v ar sie durch innerliche Behandlung, ohne die 
angerathene Verstümmelung, ihrem Leiden ent¬ 
gangen. 

Klimacterium. 

Eine 53 J. alte Frau, bei der die Menstruation 
seit 5 Jahren ausgeblieben, hat seitdem viel an 
Hitzwallungen, auf die kalter Schweiss folgt, ge¬ 
litten. 

Die vorherrschenden Symptome waren: 

Klopfender, auseinanderspringender Schmerz in 
den Schläfen, besser beim Liegen. 

Erschütterung beim Erwachen vom Schlaf, be¬ 
sonders wenn sie etwas Enganliegendes um den Hals 
hat Mit dieser erschütternden Empfindung erwacht 
sie häufig, bald nachdem sie Abends eingeschlafen 
ist. Heftige Schmerzen längs dem linken Arme 
mit Herzklopfen, schlimmer, wenn sie auf der 
linken Seite liegt. Schweres Athmen, wie Zu¬ 
sammenschnürung in der Brust. 

Diese Symptome, welche allmählich mit der 
Menopausis eingetreten, hatten sich in den letzten 
Monaten noch verschlimmert. 

Lachesis, im Ganzen 3 Gaben in Hochpotenzen; 
brachte bald eine deutliche Wendung zum Bessern 
und in 8 Wochen völlige Heilung. 

Formication in der linken Ferse. 

Eine 60j. Frau klagte über das Gefühl, als ob 
ihr in der linken Ferse ein Wurm herumkrieche , 
was sie während des Tages ausserordentlich be¬ 
lästigte und ihr bei Nacht den Schlaf fast gänzlich 
raubte. Dies hatte schon mehrere Monate gedauert 
und war im Laufe der Zeit immer schlimmer ge¬ 
worden. 

Wenige Gaben Lachesis 30. brachten Heilung. 
(Lachesis hat: Kriebeln, heftiges Jucken, wie von 
einem eingedrungenen Insekt, an kleinen Punkten 
des Fussspanns und an den Fersen.) 

Asthma. 

Ein 40j. Kaufmann litt seit 7 Jahren an 1 
Asthma, als dessen Ursache er Gemüthserregung j 


mit Kränkung angab, die so schwer auf ihm laste¬ 
ten , dass er oft im Bette Nachts aufsass und 
weinen musste. Die Anfälle kamen im Winter in 
Intervallen von 8—14 Tagen und dauerten dann 
mehrere Tage, und zwar hauptsächlich bei Nacht, 
wenn er auch bei Tage nicht ganz frei davon 
war. Während des Anfalls muss er im Bette 
sitzen und die Brust entblössen. Sein Gemüth ist 
reizbar; Verschlimmerung in nasskaltem Wetter. 
Füsse schwitzen; und geht reichlicher, blasser 
Urin während dieser Zeit ab. Der Hals ist gegen 
Druck der Kleidung empfindlich , so dass er sehr 
weite und lockere Kragen tragen muss. Er hat die 
Bäder in Wiesbaden gebraucht. Nach vergeblicher 
Anwendung mehrerer homöopathischer Mittel wurde 
Lachesis 30. verordnet. Danach erfolgte ein äusserst 
heftiger Anfall, dann aber allmähliche Besserung. 

(The Hahnemannian Advocate. 15. Juli 1899.) 


Propaganda. Arzneiprüfungen. 

Die Collegen, welche Werbeschriften zur wei¬ 
teren Verbreitung zu erhalten wünschen oder über 
Angriffe gegen die Homöopathie zu berichten haben, 
werden gebeten, sich deshalb an Dr. Mossa-Stutt- 
gart zu wenden. 

Die Leitung der Mittelprüfung, zu deren Theil- 
nahme Jedermann dringend aufgefordert wird, ruht 
in den Händen von Dr. Schier-Mainz. Die Prä¬ 
parate liefert Herr Dr. Willmar Schwabe-Leipzig 
freundlichst gratis. 

Lesefrüchte. 

Heilung eines intranasalen Lupus durch 
Guajacolrasogen. 

Eine Frau, 40 Jahre alt, litt an Lupus der gan¬ 
zen äusseren Nase und der anstossenden Wangen- 
partieen, doch hatte der Process auch die innere 
Fläche der Nase ergriffen. Es fanden sich die 
an der Umbiegung der Cartilagines alares gelege¬ 
nen Gruben und eine rundliche Stelle rechts am 
Septum nasale, dicht hinter der Spina nasalis an¬ 
terior, in geschwürigem resp. granulösem Zustande; 
ferner war die r. mittlere Muschel in ihrer ganzen 
Ausdehnung in ein borkenbelegtes körniges Polster 
verwandelt. Die übrige Nasenschleimhaut zeigte 
eine nicht specifische Schwellung; in dem, beson¬ 
ders in der rechten Nasenhöhle, producirten serös¬ 
schleimig-eitrigen Secret liessen sich keine Koch’- 
schen Bacillen auffinden. Dabei Spitzenkatarrh und 
Anämie. Die Behandlung begann im September 
1895, zunächst mit Milchsäurelösungen und Ichthyol¬ 
salbe und Vasogen. Am Septum schwanden die 
I Granulationen langsam, nber nur vorübergehend. 


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207 


ja im November entwickelte sich daselbst binnen I 
14 Tagen ein Geschwür, das, trotz andauernder | 
Ichthyolanwendung, den Knorpel etwa in der Aus¬ 
dehnung eines halben Kleinfingernagels blosslegte. 
Jetzt machte Autor einen Versuch mit Klever’s 
lOproc. Guajacolvasogen. Es wurden mit demselben 
Wattepfropfe von geeigneter Form und Grösse ge¬ 
tränkt und an der mittleren Muschel, sowie zwi¬ 
schen dieser und dem Septum, ferner in der vor¬ 
dersten Nasengrube und auf dem Geschwür am 
Septum deponirt. Diese Pfropfe blieben bis zum 
Schlafengehen liegen, dann womöglich durch Aus¬ 
schnauben entfernt. 1 — 3 Stunden war das ziem¬ 
lich schmerzhaft. Im Laufe von 1V* Monaten heil¬ 
ten nun sämmtliche afficirten Stellen, bei meist 
zweitägiger Anwendung des Mittels, vollkommen 
aus. — Im Februar 1896 kam es jedoch zu einer 
neuen Knötchenbildung am vordem Rande jener 
vertieften Stelle am Septum und zum Auftreten 


I einiger Knötchen auf der andern Seite des häu- 
| tigen Septums; aber auch hier erfolgte die Heilung 
prompt nach wiederholter Anwendung jener Pfröpf- 
chen, und zwar unter dem Bilde der einfachen 
Resorption. Bis zum October 1896 ist ein neues 
Auftreten des Lupus nicht erfolgt. — Indes waren 
noch nebenbei Airoleinblasungen in die Nase ge¬ 
macht und intern Kreosot gegeben worden, doch 
will Verf. diesen Mitteln keinen Einfluss auf die 
erlangte Heilung (? Ref.) beimessen. 

(München, med. Wochenschrift. 189(f. No. 52.) 


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als den schaffensfroudigen Schriftsteller dar, die Feder in . Arztes, aber auch jeden Freundes unserer Heilkunst, einen 
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