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Full text of "Allgemeine kritische geschichte der religionen"

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From the Library 
of 


SIR EDWARD BURNETT TYLOR,KNT., 
D. C. . F. RS. 


The first Reader and Professor of Anthropology 
in the University of Oxford. 


Presented to the Radcliffe Trustees 


by 
DAME ANNA REBECCA TYLOR, 


June, 1917. 





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Alsemeine 


kritiſche 


Geſchichte der Religionen, 


von 


C. Mein ers, 


Königl. Geofötitannichen Hoftath, und ordentlichem Lehrer 
der Philoſophie zu Goͤttingen. 








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Zwebter Band. 





a Han nover, 
im Werlage der Helwingiichen Hofs Buchpandlung. 








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Vorrede 
sum zweyten Bande 





gr: freue mich, und danke der Vorſehung für 
die Vollendung auch diefes Wertes um deſto 
mehr, Da ich in der Ausarbeitung bdeffelben 
zweymal durch Krankheiten unterbrochen wur: 
de, die meinem Leben drohten, und von wel⸗ 
hen ich mich langſam erhohlte. 0 
Unter allen Büchern des eriten und zwey⸗ 
ten Bandes ift Feines, ich behaupte diefes mit 
Zuverficht, in welchem nicht mehrere, über 
der Geſchichte bisher ſchwebende Dunfelfeiten 
wären zerftreut, mehrere bedeutende Zweyfel 
gelöft, und eben fo viele verwirrende Irrthuͤ⸗ 
thümer vernichtet worden. Es würde mir ein 
Leichtes gemefen feyn, mic) bey gemeinen Le⸗ 
fern wichtiger zu machen, wenn idy die Duns 
kelheiten, welche ich zerftreute, die Zweyfel, 
welche ich löste, und die Irrthuͤmer, welche 
id) vernichtete, jedes Mahl hätte bemerflih 
machen wollen. sch verfchmähte dieſes zu 
thun, weil mich je länger, je mehr vor allem 
unnöthigen, und . Geraͤuſch machenden Ges 
ſchreibſel ekelt. Wenn man die Wahrheit hin 
länglich Dargerhan hat; fo Fallen die ihr enfgegen: 
gelegten Irrhuͤmer von felbit.uber den Haufen. 
Es wird aufmerffamer® Lefern nicht ent⸗ 
gehen, daß durch. die ganze Reihe der. Unters 
ſuchungen dieſes Werkes, ich weiß nicht, 
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I 


| J hen geiſtigen Sinn hineindeuteten. | Es war 


Bu 7 


iv — — 


ich ſagen ſoll, eine auffoliende Analogie, oder 


Harmonie herrſcht, vermöge deren die verſchie⸗ 
denen Theile gegenfeitig ſich entſprechen, oder - 
mit einander zuſammenſtimmen. Voͤlker, Die 
folche Götter anerkannten, mußten fie auf eine 


| J ſolche Art verehren, und umgekehrt. Voͤlker, 


die ſolche Begriffe von hoͤheren Naturen, und 
deren Verehrung hatten, muften ſolche Tem⸗ 
pel und Altäre bauen, ſolche Priefter und. 
Sn annehmen, oder wählen, an ſolche 
orbedentungen der Zufunft glauben, endlich 
gute Werke, und die Schieffale der Seelen nach 
dem Tode fich fo vorftellen, als ich gegeigt habe. 
Eine folche Analogie oder Harmonie, als wovon 
ich jeßt rede, wird: man in den bisherigen For⸗ 
fehern der Religionen vergebeng fuchen. Es war 
nämlich ein gemeiner Fehler faſt aller bisherigen - 


Zorſcher, daß fie die Moͤtter ungebildeter Voͤl⸗ 


fer zu ſehr verherrlichten, .und Dann, meiftens 


ohne es zu bemerken, in einen offenbaren Wis 


— 


derſpruch fielen, wenn fie geſtehen muften, daß. 


man folchen Göttern auf eine ihren angeblichen 
Vollkommenheiten ger nicht wuͤrdige Art gedient 


Habe. Kinige nahmen wahr, daß die ver 
.. meintlichen erhabenen DBorftellungen von Goͤt⸗ 


‚teen, welche fie diefen, oder jenen Voͤlkern hie: 
ben, mit dem Dienfte derfelben nicht überein 


ſtimmten. Dieſe brauchten gewöhnlidy den 


Kunſtgriff, daß fe den rohen ſinnlichen Goͤt⸗ 
terdienſt fuͤr ſymboliſch erflärten, und einen bs 


fafk 


faft nicht möglich, Eine Religion, oder Emen 
Ameig des Goͤtterdienſtes richtig darzuftellen, 
f0 lange man nicht diejenige- Religion , denjes 
nigen Zweig des Goͤtterdienſtes, welchen man 
unterfuchte, mit allen übrigen Religionen, oder 
Zweigen des Goͤtterdienſtes veralichen hatte. 
Nur die Vergleichung mit allen übrigen Relis 
gionen, oder allen übrigen Theilen des Götter 
dienftes zeigte den rechten Sefichtspunct, aus 
welchem man eine jede einzelne Religion, einen 
jeden einzelnen Zweig des Gottesdienſtes oder 
Goͤtterdienſtes zu betrachten habe. 
Se mehr die große Menge von merkwuͤr⸗ 
“gen Factis, welche ich in diefer Gefchichte ger 
fommelt , und die Refultate, welche ich dars- 
aus gezogen habe, in die Waffe der gemeinen 
Erkenntniß gebildetee Dienfchen übergehen wer; 
den; deito mehr wird das Publicum im Stans 
de ſeyn, wahre- Religion von falfchen,. und 
verdorbenen Religionen zu unterfcheiden : defto 
ehr wird es einfehen, daß man das Wefen, 
oder die innere Beichaffenheit von Religionen 
nicht nach der Einheit, oder Mehrheit von Götz 
tern, welche fie verfündigen, auch nicht nad) 
den pomphaften Nahmen, und Beynahmen, 
welche fie der Gottheit, oder den Goͤttern ges 
ben, fondern ganz allein nach dem Dienfte bes 
urtheilen müffe, welcyen Voͤlker Einem Gott, 
Dder mehreren Göttern erwiefen haben. Wenn 


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Ein Gott eben fo verehrt wurde, als anderemo . - 


Diele Götter; fo war der einige Gott fben fo 


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wenig der wahre Gott, als es irgend Einer der vie⸗ 
len Goͤtter polytheiſtiſcher Volker war. — Auch 
ſchmeichle ich mir, daß nach meinen Unterſu⸗ 
chungen kuͤnftige Forſcher es nicht mehr wagen 
“werden, folche leere, auf allegorifche, oder ety⸗ 
mologifche Deutungen, und andere willführliche 
„Vorausſetzungen gegründete Theorieen befannt 
zu machen, als wodurch Jablonski, Boulans 
ger, Volney, Jones, u. ſ. w. die Geſchichte 
ber Religionen einzelner berühmter Voͤlker vers 
wirrt haben. Sollten. aber dennoc) ähnliche 


grundloſe Syſteme zum Vorfchein fommen, fo 


ift das Publicum mit Hülfe der gegenwärtigen 
Geſchichte im Stande, den Werth ſolcher Wer⸗ 
fe, oder vielmehr die Richtigkeit der darin vor, 
getragenen Thatfachen, und Säge zu beurtheilen, 
Die Geſchichte der Religionen macht Eis 
nen der vornehmften Abfchnitte der Geſchich⸗ 


te der Menfchheit, oder der Achten Natur _ 


Geſchichte des Menſchen aus. sch habe mir 
‚ vorgenommen, alles, was die Berfehung mir 
noch von Muffe und Kräften gönnen wird, auf 
pie forgfältige Ausarbeitung der eben genanıs ' 
ten Wiffenfchaft zu ‚wenden, wovon Die Ge⸗ 
fchjichte der Religionen nur ein Theil ift. Gerade 
defiwegen aber, weil ich mit großer Sorgfalt zu 
‚ arbeiten denfe, iſt es nicht wahrfcheinlid), daß 
das letzte meiner wichtigern Werfe noch bey 
meinen Lebzeiten werde gedruckt werden. 
Goͤttingen am 5. Jenner 1807. 


Inhalt 


: . Dienern der Götter in religiöfen Abſichten darges 








Sechstes Buch. 
Geſchichte der Opfer und Gaben. 





= >, PR Voͤlker erkannten nicht bloß höhere Naturen, 
fondern ehrten fie auch. Keine Verehrung ber Göts ' 


ser war älter und allgemeiner, als bie durch Ge⸗ 


ſchenke, welche man ihnen barbrachte. Go bald 


man fih mächtige Wefen mit menſchlichen Beduͤrf⸗ 
niffen und Neigungen, als bie einzigen Urheber 
des Gluͤckes und Unglüces der Sterblichen dachte; 
fo konnte es nicht fehlen, daß man fie durch die 
Befriedigung ihrer Bebürfniffe und Neigungen zu 
gewinnen und zu verfühnen geſucht hätte. Auch 


findet man daher eben fo wenig ein Wolf, das den 


Göttern nit Dpfer uud Gaben dargeboten, als 
man jemahls Eins entdeckt hat, bad gar Feine Goͤt⸗ 


.ter erfannt hätte. 


In einem allgemeinern Sinne bedeutet Opfer 
ein jedes Geſchenk, mas den Göttern, ober ben 


bracht wird. Im engern oder gewöhnlichen Sinne 


‚verfiand man unter Opfern die Geſchenke verzehrs: 


barer, ober genießbarer Dinge, wodurch cörperli: 


he Beduͤrfniſſe der Götter befriedigt, ober ben Goͤt⸗ 


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tern finnliche Genüffe verfhafft, oder der Zorn und 
die Rachgier der Götter befänftigt würden. In 
biefer Bedeutung bed Wortes fprady man eben ff 
wohl Yon Keufchheits « Opfern, und Räud: Opfern, 
von Schuld⸗ und Sühnopfern, ald von Speifeopfera 
und Trankopfern. Die eigentlihen Opfer unters 


ſchied man in allen nicht ganz ungebildeten Spra⸗ 
chen von heiligen Gaben, Bergabungen und Stifs 
tungen. : Man nahm die Leßteren Ausdruͤcke für 
Geſchenke von ſolchen Dingen, wodurch von den 
Göttern und deren Dienern entweder änßere Bes 
ſchwerden abgewandt, oder Eitelkeit, Stolz, Bea 


gierde nah Reichthuͤmern und Koftbarkeiten, und 


andere Meigungen, welche man im den: Göttern 
vorausſetzte, befriedigt würben. Wo man Gaben 
von Vergabungen, ober Stiftungen untenfchied, da 
bezeichnete man mit dem erſtern Worte die Gefchens 


Se von beweglihen Dingen, von Kleidern oder 


. ESchmuck, von Statuͤen oder Gemaͤhlden u. ſ. w.: 


unter den Iegteren, Schenkungen von unbeweglis 


„chen Gütern, oder von Fonds und ‚einträglichen 


Rechten, weldhe Quellen beftändiger Einkünfte für 


die Götter, ober deren Diener wurden. Wlan mag 


die Wörter Opfer und Yaben fo genau beftimmen, 
als man will; fo bleibt es doch in einzelnen Faͤl⸗ 


‚ Ien zweifelhaft, ob man gewiffe Geſchenke an bie 


Goͤtter zu den einen, ober den andern zählen folle. 
Man weihte den Goͤttern häufig ſchoͤne oder feltene 
Thiere, indem man fich einbildete, daß bie Götter 
an dem Anblicke derfelben Verguügen finden, oder 


dieſelben zum Reiten und Fahren brauchten. Noch 


häufiger fchenfte man den Goͤttern zarte Gewäns 

der, Teppiche und Polfter, weil man die Meinung 

begte, daß die Götter eben fo ven, ober ver: 
zaͤr⸗ 


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Secdhstes Bud. 
Gefchichte der Opfer und Haben. 





>, Völker erkannten nicht bloß höhere Naturen, 


jondern ehren fie auch. Keine Verehrung der Goͤt⸗ 


ter war Alter und allgemeiner, als bie burdy Ges 
ſchenke, welche man ihnen darbrachte. Go bald 
man fi mädytige Weſen mit menfchlichen Beduͤrf⸗ 
aiffen und Neigungen, als die einzigen Urheber 
des Gluͤckes und Ungluͤckes der Sterblichen dachte; 
fo konnte es nicht fehlen, daß man fie durch bie 
Befriedigung ihrer Bebürfniffe und Neigungen zu 
gewinnen und zu verſoͤhnen geſucht hätte. Auch 
findet man daher eben fo wenig ein Wolf, das ben 
Goͤttern nit Dpfer uud Gaben dargeboten, ale. 
man jemahls Eins entderft bat, bad gar kein Goͤt⸗ 
ter erkannt hätte. Ä | 


In einem allgemeinern Sinne bedeutet Opfer 
ein jedes Geſchenk, mad den Göttern, ober ben 
Dienern der Götter in religiöfen Abfichten barges: 
bradht wird. Im engern oder gewöhnlichen Sinne 
verſtand man unter Opfern bie Geſchenke verzehrs. 
barer, ober. genießbarer Dinge, wodurch cörperli: 
heVeduͤrfniſſe der Götter befeieälgt, oder ben Goͤt⸗ 


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tern finnliche Genüfle verfhafft, ober ber Zorn und 


die Rachgier der Goͤtter beſaͤnftigt wuͤrden. In 


dieſer Bedeutung des Wortes ſprach man eben ſo 


wohl von Keuſchheits⸗Opfern, und RaͤuchOpfern, 
von Schuld⸗ und Suͤhnopfern, als Yon Speiſeopfern 
und Trankopfern. Die eigentlichen Opfer unters 


ſchied man in allen. nicht ganz ungebildeten Spra⸗ 
hen von heiligen Gaben, Bergabungen und Stifs 
tungen. : Man nahm die Ießteren Ausdruͤcke für 
Geſchenke von ſolchen Dingen, wodurch von den 
Göttern und deren Dienern entweder aͤnßere Bes 
ſchwerden abgemandt, ‚oder Eitelkeit, Stolz, Ben 


‚gierde nah Reichthuͤmern und Koftbarkeiten, und 


andere Meigungen, melde man im den Göttern 
vorausſetzte, befriedigt würben. Wo man Gaben 
von Vergabungen, ober Stiftungen untevfchied, da 
bezeichnete man mit dem erftern Worte die Geſchen⸗ 
Se von beweglichen Dingen, von Kleidern oder 


Schmuck, von Statuen oder Gemaͤhlden u. f. w.: 


unter den Ießteren, Schenkungen von, unbeweglis 


„hen Gütern, oder von Fonds und .einträglichen 


Rechten, weldye Quellen beftändiger Einkünfte für 
die Gätter, oder deren Diener wurden, Wlan mag 
die Wörter Dpfer und Baben fo genau beftimmen, 
als .man will; fo bleibt es body in einzeluen Faͤl⸗ 


‚ Ien zweifelhaft, ob man gewiſſe Geſchenke an bie 


Goͤtter zu den einen, ober den andern zählen ſolle. 
Man weihte ben Goͤttern häufig ſchoͤne oder feltene 
Xhiere, indem man ſich einbildete, daß die Götter 
an dem Anblicke verfelben Vergnügen finden, ober 


> biefelben zum Reiten und Fahren brauchten. Noch 


häufiger fchenkte man den Goͤttern zarte Gewäns 

der, Teppiche und Polfter, weil man die Meinung 

begte, daß die Götter eben fo weichlich, ober ven 
zaͤr⸗ 


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zͤrtelt, als bie Könige und Groflen der Erde ſeyen. 
Soll man die angeführten Geſchenke Gaben, oder 


Npfer nennen? Einen Hauptzweig ber verzehrba⸗ 


ten, ober genicfbaren Dinge, tie ben Göttern ges 
fhenft wurden, machten die Thiere aus, welche 
man barbracıte, bamit fie den Göttern zur Speiſe 


dienen, ober ben Unmuth und bie Rachgier berfels - 


ben ablühlen mödten a). Dieß Schlachten von 


Opferthieren warb ein Merkma hl, nın welches wil⸗ 


Im man dad Wort Opfer aud) auf ſolche Thiere 
übertrug , welche man in ganz entgegengefeßten Abs 
fihten erwürgte. Man tödtete ſehr oft Thiere, 
die ben Göttern vorzuͤglich werth waren, bald um 
der Ohnmacht der Ießteren zu fpotten, bald um ber 


underfönnlidsen Wuth böfer Gottheiten zu troßen 6). 


Man nannte and diefe Ermürgungen don Thie⸗ 
sn Dpfer, weil fie in gottesdienſtlichen Abfichten, 
oder in Beziehung auf bie Götter geſchahen. Wenn 


man dieſe Art zu reden auch dulden will, fo muß _ 


man 00d nicht vergeſſen, baf das Wort Opfer in 
den beyden letzten Faͤllen auf eine uneigentliche Art 
gebraucht wird. 


Es war- eine don Alters her unter. ben Gries 


den berrfchende Meinung, duß die erſten Sterblis 


hen Feine andere, als reine Dyier gebracht, und 
daß ſie die Altaͤre der Götter nie mit dem Blute 
— von 


a) So dem Priap in Lampſakus Eſel, Lact. J. a1. 
der Ceres und dem Bakchus Schweine and Zie⸗ 
genböde. Serv. ad Virg. Aen. II. ig0. 

b) Man (. im erſten Bande die Abſchnitte von Feti⸗ 
fihen und vom Xhierdienfte, 

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1 


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4 mn 


von Thieren befleckt hättene). Die Griechen naun⸗ 
ten ben Rekrops d), und die Roͤmer den Numach 
| ale heilige und weife Könige, welche nur unblutige 
, Opfer bargebradyt, und thre Zeitgenofien von bem 
Wuͤrgen und Verzehren der Thiere abgewandt häts 
senf). Man klagte bie fpäteren Dienfchengefchledhter 
an, daß fie von ber urfprünglichen Einfalt und Froͤm⸗ 
| migkeit der Vorfahren abgefellen feyen, indem fie 
aus Schlemmerey, oder Leckerhaftigkeit nach dem 
J Fleiſche erwuͤrgter Thiere getrachtet, und dann die 
u Vörter durch das Darbringen blutiger Opfer gleiche 
ſam zu Theilnehmern ihrer Grauſamkeit gemade 

-hätten ). Ben genauerer Unterfuchung ergibt es 

jih, daß die Meinung von dem höheren Alters - 
thume der unbIutigen Opfer eben_fo falfch.ift, ale 
| die Sage, daß berühmte Könige der älteren Zeit 
| den Göttern nur unblutige Opfer bargeboten haͤt⸗ 
I 1m Im Dur chſchnitt naͤhrte uud ergößte man - 
\ von 


- 
— — — — 
— — 


e) Schon Komeyer de.luftrat. c. 24. p. 297. führte, 
folgende Stelle aus dem fechöten Buche Der Gefegean: 
.  Tavyayrıoy unsousv 8v aAloıc, Orı ads Boos srwÄun- 
uev ywaolaı, Jyusta Te uxyy rooı Joisı (am, 
zıluve ds nal uchrı Kapam dsdavusyor,, Xu Toaura 
alla dyva Fvnara, oxpnev d’arsıyovro, dc u 
6cıov av scIaw, » de rac Tav Jswv Bmuss kinarı 
| .: waren, Man f. auch dad Fragment des Theos 
/ Be beym Porphyriue de ab, animal. II, L 
= et 
. d) Paulan, vu, 2. 


e) Piutarsch, in Numa I], 259 p. Edit, Reiskii, 
xD Dan f. auch Gaquet 11. 1. p. 75 
8) Man f. bef, Theophraft 1. c. 
£ 4 


& 


Unnter ben unblutigen Opfern waren die Spei⸗ 
feopfer,, wenn auch nicht. älter, doch allgemeiner, 
als die erfien Trank, und Rauchopfer. Im Gans 
zen opferte man den Göttern die freywilligeh Ga⸗ 
ben der Natur früher, als ſolche Probucte ber 
Erde, welde bie Pflege und Wartung ber 
Menfchen erforderten. Auch bot man den Göttern 


‚ allenthatben vorzüglich diejenigen Gewaͤchſe, in 


denjenigen Geftalten dar, welche, und in welden 
die Menſchen fie am meiften liebten. Im fübs 
lihen Europa alfo, im weſtlichen Afien, und 
im nordweftlichen Afrika opferte man ben Göt: 
tern zuerft außer füßen Eicheln die Früchte des 


Weinſtocks, des Feigen : and Dehlbaumes und . 


anderer Fruchtbaͤume: nicht weniger Zwiebeln, 
Pflanzen, und Wurzeln, welche bie Erde aus ih⸗ 
rem fruchtbaren Schooße erzeusten) Nach ber 
Erfindung der erfien Getraibes Arten bracdte' man 
auch biefe auf die Altaͤre der Götter, Go lange 
die Menfchen die Aehren von Gerfte und Weißen 
entweder roh, odet ein wenig geroͤſtet aßen ; fo lans 


WR opferten fie diefelben ben Göttern gleichfalls auf - 


bie 


a) Man f. Theophr,ap. Porphyr. II. 5. De Abſtin. 
Theophraft redete nicht bloß nach alten Sagen, 
fondern duch nad) leeren Theorien. Die Erde fagt 
Theophraft, erzeugte zuerft Kräuter, und dann 
Baume. Bäume eutfianden früher, ald die Mens 


- 


Knoblauch, Kürbiffe, und aͤhnliche genießbare 


{hen Getraide bauen ernten. Mean opferte alfe - 


den Göttern zuerft Pflanzen, daun Bayumfrüchte und 
zufegt Getraide s Arten, Weber die älteften unbluti⸗ 


nen Eipeifeopfer fehe man vorzüglich Saubert, de. 


- Sacrificiis 17% % p» 643 49. 


⸗ 


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6 j . — — 


fuͤr die Quelle des Lebens gehalten, nund daß fie 
diefee Gottheit deßwegen nur Raͤuchwerk, nice 
aber lebende Thiere geopfert ' Isätten Ah). In 


Delos hatte Apoli der Erzeuger einen Altar; auf 


- weldem man nidt allein keine Thiere ſchlachtete, 


and ‚Feine biutige Dpfer verbrannte, fondern auch 
sicht einmahl Feuer anzündetes mefimegen man 


Fruͤchte der Erde, oder Ruden, bie dem Gotte 


beflimmt waren, bloß auf den Altar fegte, ohne 
fie zu verbrennen 2). Auf dem Altar der Paphi⸗ 
fyen Denus zänbete man bloße reine Feuer an, 


d. h. ſolche Feuer , die nicht durch blutige Opfer bes 
fleckt wurden. Man begoß den Altar nie mit bem 


Binte ber Opfertisieres allein man fhlachtete nichts 


deftoweniger in der Nähe des Altırs Thiere, um - 


aus ben Eingemelben derfelben den Willen ber Goͤt⸗ 


tinw zu ‚erkennen d). In Mom brachte man in Als 
teren Zeiten dem Gott Terminus bloß unblutige 
Dpfer H.. Auch enthielt man ſich an dem Gedaͤcht⸗ 


nißfeſte der Stiftung der Stadt von bein Schlachten . ° | 





und Dpfern von Thieren m), Wahrfheinlich war - | 


bie Seltenheit von Goͤttern, Altaͤren, und Feſten, 


die Feine blutige Opfer zuließen, die Urſache, daß 


unblutige Opfer für heiligen, alg andere gehalten 
werben, 


Ä Uns 
KR) Sammt. / von Reifen, xvi. e. 8 | 
i) Dingen, VIEL 9 13. 


“ & Taeiti Hiſt. It. 36 Hoßiae nt. quoque vovit. 


ſod mares geliguntur.. Certifima fides haedo- 
rum fihris. Sanguinem arao aſfundere vetitum. 
: Proeihue er igne purg altaria adolentur etc. 


h) Lomeyer I. & P: eg 
m) Plutarch. I. p- 9% - 


| 


— — 
[5 


Te —« 


— —— 


7 X 


Unter den unblutigen Opfern waren die Spei⸗ 
fopfer, wenn auch nicht: Alter, doch allgemeiner, 
old die erfien Trank⸗ und Rauchopfer. Im Gans 
sem opferte man den Göttern die freywilligen Ga⸗ 
kn der Natur früher, als ſolche Probucte ber 
Erde, welche die Pflege und Wartung ber 
Menfhen erforberten, Auch bot man den Göttern 


allenthalben vorzuͤglich biejenigen Gewaͤchſe, in 


denjenigen Geſtalten dar, welche, und in welchen 


. te Menſchen fie am meiſten liebten. Im ſuͤd⸗ 


lichen Europa alfo, im weſtlichen Aſien, und 
im nordweſtlichen Afrika opferte man ben Goͤt⸗ 
tern zuerſt außer ſuͤßen Eicheln die Fruͤchte des 


Weinſtocks, des Feigen⸗ and Oehlbaumes und 


auderer Fruchtbaͤume: nicht weniger Zwiebeln, 


Knoblauch, Kuͤrbiſſe, und aͤhnliche genießbare 


Pflanzen, und Wurzeln, welche die Erde aus ih⸗ 
tem fruchtbaren Schooße erzeugten) Mad) ber 
Erfindung ber erfien Getraides Arten brachte' man 
and diefe auf die Altaͤre der Götter. Go lange 
vie Menfchen die Aehren von Gerfte und Weißen 
entweder roh, oder ein wenig geroͤſtet aßen ; fo lans 


fe opferten ſie diefelben den Göttern gleichfalls Fri 
€ 


x) Man f. Theophr.ap. Porphyr. II, 5, De Abſtin. 
Theophraft redete nicht bloß nach alten Sagen, 
foudern duch nach leeren Theorien. Die Erde fagt 
Theophraſt, erzeugte zuerft Kräuter, und dann 
Baume. Bäume eutſtanden früher, ald die Men 


{hen Getraide bauen lernten. Man opferte alfe - 


den Göttern zuerft Pflanzen, dann Baumfruͤchte und 
julegt Getraide : Arten. Weber die älteften unbluti⸗ 
nen Speifeopfer fehe man vorzüglich Saubert, de. 
Sacrificiis c. 2% P. 54349 | 


/ 


- 


— — — — 


X 


N 
* — — — —— — — 
7 


Aegyptier opferten ber Iſis t), die Griechen und 


/ 
s x ’ 
8 dena m 
“ \ J N 


bie eine, ober bie andere Art 0), Bis auf den 


heutigen Zag werden in Afrika, Afien und Ame⸗ 
zica Reis, Hirſe und Maitz den Göttern entweber 
roh, ober mit einer fehr geringen. Zubereitung vors 
gefeßt p)., Nachdem man gelernt hatte, die geſaͤu⸗ 
‚berten Körner in Mehl zu verwandeln; und biefes 


Mehl entweder roh mit Salz und Waſſer zu mis: 


fen, oder zu einem Brey zu Fochen; fo ließ man 
and) dieſe verbefferten Nahrungsmittel den Göttern 


gu gute fommen g). Auf gekochten Brey folgten 


‚in langen Zeiträumen ungefäuertes, und gefäuertes 
Brot, auch alleriey Arten von Kuchen, die in den 
erſten Zeiten vorzüglich aus Mehl und Honig, vers ' 


fertigt, und fpäter mic Wein und anderen Ingre⸗ 


bienzen verfeßt wurden 7). Die Aegyptier füllten 


bie Opferthiere nicht bloß mit Brot, Feigen, Traus 
ben, und Honig, fondern auch mit koſtbaren Spes 


cereyen, und berbrannten fie aldbanı s). Die 


Menſchen entfanten nach der Erfindung der volls 
kommneren Zubereitungss Arten bem Genuſſe ro: 
her, ober geröfteter Achren, oder des ungekochten 
Mehls. Allein fie. wagten es nicht, den Göttern 


das weni, Gute zu entziehen, wenn fie ihney 


gleih das Beſſere im Weberfluffe darbrachten. Die 
Roͤ⸗ 


e) 1l..cc. Schmidt de faerificiis Aegyptior. p. 2337- 


p) Loyer p. 248, 249. de Bry VI. 20. Acoſta F. 207. - 


9 Theophrafi, ap. Porphyr, II, 6. Saubert, 1, c, 
pP» 551. . 

r) Theopb, 1. e. 11 $. 6. Saubert. 
653. | | | 

s) 11, 40 Herod, 

#) Schmidt p; 37, 41. 


l. c. pı 561“ 


“ 


I 


. — — 9 


Römer, der Sonne, ber Ceres, und dem Bak⸗ 


dus entweder Garden von Gerfte und Weißen, .. 


ser. Körbe voll Achren und Körnern, oder alle 
Arten von rohen unbereiteten Crögemächfen, bie 
ihnen felbft zue Nahrung dienten u). Auch machte 
auter den Griechen und Roͤmern bis auf bie ſpaͤte⸗ 
ſten Zeiten Mehl mit Salz vermiſcht ein beſtaͤndi⸗ 
ges Voropfer vor dem Schlachten von Opferthieren 
aus x) Die erſten unblutigen Opfer wurben 
meiſtens verbrannt, woher im Griechiſchen bie Woͤr⸗ 
tee Iussv und Joa für Opfern und Opfer üners 
baupt entfianden y). WBieweilen feßte, ober legte 
man aber die Opfer auf Altaͤre, oder an anbere heis 
lige Derter hin, und diefe Art zn opfern führte in 
die Griechiſche, und Römifche Sprache die Aus⸗ 
drüdte ponere, imponere, anteponere, Iso’x, 
wejscIu, und avaInuara ei Z). 


= 


Da alle Voͤlker überzeugt waren, daß bie 


Götter nicht bloß Hunger, fondern auch Durſt em⸗ 


pfaͤnden; ſo brachte man denſelben eben ſo fruͤh 
Trankopfer, als Speiſeopfer a). Die von den 


Grie⸗ 


u) Porphyr, Il. $.7. Saubert l. c. p. 550, 
x) Ueber die Mola falfa, und »Aoxguras, oder sAoyu« 


rev, f. Theophr. ap. Porphyr. II, 6, und San- | 


bert, p. 551. 


y) Saubert, 1. c. p. 559. Theophr, VI, 5 ap. 
Porphyr, Ä 0 ‘ 


2) Saubert, l. c p: 549, 
s) Trankopfer, und Trankopfer bringen hieß im Gries 


chiſchen amevdy, Adı3n, Adıdariov, im Rateiniihen, - 


libamen, libati), libare, Saubert, c.e5. p. 578. 


® v 
‘ ⸗ 
10 XX EZB 


- Griechen fogenannten nüchternen Tvanlopfer 6) wa⸗ 
ven unftreitig alter, und allgemeiner,. als die nicht⸗ 
nüchternen“ Go lange die Menfchen kein anderzs . 
Getränk kannten, als reines Waſſer, ſo lange 
brachten fie auch den Göttern bloß Libationen von 
Waſſer. Diefe erften und einfachſten Trankopfer 
.. behielten alle aroße Völker des Alterthums bis auf 
die fpäteften Zeiten bey c), Man feßte entweder, 
wie noch jetzt manche Meger thun, Krüge mit Wafe 
ſer neben die Speifeopfer bin, oder man gof das 
Waſſer an die Altäre und in's Feuer, oder. man 
fhättete ed auf die Köpfe der Opferthiere aus. 
Wahrſcheinlich dachten manche Völker nicht daran, 
den Göttern Waffer s Libationen zu bringen, weil 
fie glaubten, daß die höheren Naturen allenthal« 
ben Waſſer finden, und ihren Durft nach Belies 
ben Löfchen Pönnten. Auf die !ikationen von Wafs 
fer folgten zunädft die von Honig, wenigftens in 
allen ben Gegenden, in welden fih Bienen, und 
wilder Honig fanden d). Später, als beyde, aber 
boͤchſt wahrfcheinlich von gleidhem Alter waren bie 
Zrankopfer von Milh und Blut, die unter noma⸗ 


diſchen Voͤlkern zuerſt entſtanden ey⸗ und in Ir | 
fols 


b) vr dar rien : E ‚ypuhsuen, Saub. 
p. z88. 83. I 

e) Ueber’ tie * s Pibationen der Aeayptier ſehe 
man Schmidt p. 233. der Juden, Michaelis Moſ. 

NMecht, IV. 44-49. €, der Griechen uud Römer, 
Saubert 1. c. p. ı82. - 84. 

d; 'Theophr. ap. Porphyr. II. 6. Saubert. l. c. p. 
584 

⸗VUeber die Rlntopfer int Afterthum-, Savbert. p. 


580. Bi. uͤber dir Milchopfer 584. 85. Ueber 
oo. die \ 


* 


ffgenden Zeiten fortdauerten. Gewoöͤhnlich goß 


mar die Milch, und das Blut auf, oder an die: 


Altaͤre. Nicht felten beftrih man mit bem Blute 
ſewohl die Statäen, als bie Altäre der Götter. 
Ale Tatarifche uud Mongolifhe Hirtenvoͤlker bes 
veiteten Yon undenklichen Zeiten her aus der Mil 
ihrer Heerden, befonderd and Stutens Mild, einen 
beraufchenden Trank, welchen fie Kumyß nennen. 
Eie opferten auch biefes Lieblings ⸗Getraͤnk den 
Göttern f} fo wie übırhaupt alle Nationen die von 


. Ihnen erfundenen beraufchenben Getränke den Göts 


r 


tern darboten g). Vegetabiliſche Dehle, Biere, 


und Meine- waren Produrte des Aderbaus, und 


kannten alfo zuerft auch nur von ackerbuuenden Voͤl⸗ 
tern geopfert werden. Die Deutfchen Völker ers 
freueten ihre Götter, befonderd den Odin, mit 
maͤchtigen Bechern von ſtarken Bieren h). Unter 
den Griechen und Römern waren die Libationen 
von Deht vielleicht nicht Alter, aber doch in früs 


beren Zeiten häufiger und reichlicher, als bie von | 


ein 25 Wenn man es auch bezweifeln koͤnnte, 
daß Romulus nur Milch, und Leinen Wein ges 


opfert 
die Milchopfer der Lappen, der Gibirifchen und 


Mougoliſchen Voͤlker, des aͤlteren Gmelins Reiſ. 


III. 22.23, 443. Pallas Mongol. WEL. S. 134. 


* 


Georgi's Beſchreibung der Nationen des Ruſſ. 
Reichs ©. 14. 


N Gmelin, und Dallas U. cc. 
z5) So gießen die Americaner den Göttern von ihrem 


Ebicai, die Negern, von ihrem Palmenwein, Die Chie 


nejen von ihrem Arrack hin. 
h) Keisler p 14% 


j) Ueber die Fibarıonen von Debl, Theophr. ap. Por, 
phyr. und Saubert, p. 586. 


[4 


19 E — u ⏑— 


opfert, und daß Numa, wegen der Seltenhei⸗ 

des Weins, dergleichen den abgeſchiedenen Seelen 

|. 38 opfern verboten habe k), fo kann man doch kaum 
7 eine alte Gage verwerfen, welche faſt ale Roͤmiſche 

Gefchichtfchreiber und Alterthumsforfcher aufbes 
„wahrt haben. Dieſer Sage zufolge gelebte Papi⸗ 
rius Curfor in einem Kriege gegen die Samniter 

dem Jupiter einen Meinen Becher Weins, wenn. 

der Gott ihm den Sieg über, die Feinde feines - 

WVolks verleihen würde I): zum ſichern Beweiſe, 

dag man im hohen Alterthum aud eine geringe 
Quantitaͤt von Wein für ein.ber Götter wuͤrdiges 

» , Geſchenk hielt! In fpäteren Zeiten burfte den Goͤt⸗ 

le wie) bu rteen nicht jeder trinkbare, fondern nur reiner Wein 

uff zehn geopfert werben, Der Bein war unrein, wenn 

4 ba man ihn von unbefchnittenen, oder von foldyen Mes 

ben gewonnen hatte, bie vom Blitze getroffen, 

oder durch traurige Unfälle, 3. B. durch das Er: 

henken von Unglücklichen befleddt worden waren 

| Kür nicht weniger unrein hielt man ſolche Weine, 

— welche Menſchen mit verwundeten Fuͤßen gekeltert, 

oder worein man unreine Dinge hatte fallen baſſen m). 

Einigen Göttern opferte man nicht Lautern, ſondern 

bloß ſolchen Wein, der mit Waſſer gemiſcht worben 

| u | war 


I Es 
„ua Artlı % 


.) ⁊ 
4A," 
gest? 


k) Plin. Hit, Nat XIV. i8. Romulum lacte, non: 
vino libaffe, indicio ſunt facra ab eo inſtituta, 
uae hodie -cuftodiunt morem,, Numae regis 
Pofihumia lex eſt, vino rogum ne refpergico. 
Quod lanxiffe illum propter inopiam vini, ne- 

mo dubitet, - 
Ib) 1. c.c. ı3. L. Papirius Imperator adverfus Sam- 
nites dimicaturus votum fecit, ſi vicillet, lovi 

\ pocillam vini. 


J m) Plin. l. c. c. ig. 


— — | 18 


vn). Man feßte fogar voraus, baf es unter 
den Göttern, mie unter den Menſchen, Weinhaffer 
sehe. Nahmentlich bot man den Eumeniden, den 
Toͤchtern der Nacht, niemahls Wein bar o). 


Die Menfchen fingen nicht früher an, ihre . 
Eßluſt und Trinkluſt mit Bergnägen zu fillen, als — — 


ſie an wohlriechenden Blume balſami —E Hol: RN‘ 
oder berauf.henden Kräutern, Hoͤ e * —* 
—— — „und einen gleichen | —* —3 


ſchmack in den Goͤttern vorausſezten. Man kann „e 
um befto weniger zweyfeln, daß Räuchopfer, oder Und‘ * 
doch ſolche Dpfer, bie dem Sinne des Geruchs —2 73 
chmeicheln ſollten, eben fo alt, als Speiſe⸗ und ” Ay fr 

ranfopfer feyen, ba bie Wilden in allen Theilen — 
der neuen Welt ihren Göttern Taback, und andere L 
balfamifche Kräuter darbringen 2). Die Briechen 
und Mömer opferten ben Göttern in Älteren Zeiten 
entweder Bündel von Eiſenkraut g), ober Zweige nm um. * 
und Fruͤchte von Lorbeeren und Myrten, oder klein⸗ er 

| ges 


n) Saubert, 1, c, 541. . 
o)Lt, _ 


.p) Von den Norbs Americanifchen Wilden fagt dieſes 
Charlevoix p, 348. von denen in Jucatan, die 
hiſtory of the Boucaneers I, 107. von den Kloris 
danern, Samınl, ver Reifen, XVI. 499 ©; 


q) Verbena, isgoßorayov,, wiewohl Verbena in ber | 
Folge alle heilige Zweige, felbft von Myrten, und 

Lorbeeren bedeute. Saubert ' c, 24. p. 541. 
549. j - 


x 


- 14 mn en ur 


| gefchnittene wohlriechente Hölzer vr)... Die Mors 
u .. genländer waren die Erfien, welche vor den Göts - 
tern Poftbaren Weihrauch verkrannten, and mit 
folhen Raͤuchopfern eine beynahe unglaubliche 
Verſchwendung trieben, wenn e8 anders wahr iſt, 
‚was Herodot erzählt, daß man an dein Fefte des 
Delus in Babylon taufend Pfund Weihrauch vers 

- brannt habe s). . Diefe Räuchopfer famen, wie 
bie Eoftbare Waare felbft, fpät zu den Griechen 
‚und Römern: weßwegen auch alle. Weltweiſe, wel⸗ 
che mehr auf die innere, als aͤußere Verehrung 
hoͤherer Naturen drangen, das Verbrennen von 

koͤſtlichem Weihrauch nicht weniger, als die thieri⸗ 

ſchen Opfer tadelten t). Eine viel ältere und lies 
benswuͤrdigere Sitte der Griechen und Roͤmer war, 
die Statuen, Altaͤre, und Tempel der Goͤtter 
. entweder mit friſchen Zweigen, ober mit tiee chen 
| Blu⸗ 


. 


4 


D7) Saubert. I, c. u. Theophraſt: ap. Porphyr. II, - 
ry bs MapxXaoryTn Tav supyuevmv Junaparuv 
zarıda ri av smıßlenfac, ori moAlos nu vor sr 
Jvscı guyasnouusva Twv sumdwv EuAav Fıva, 


‚s) I 183 cc. | 


t) Theophr; I, c. Arnobius VII. 26c, frägt tris 
- amphirend,, woher denn die neue Sitte gekommen 
fen, koſtbare ausländiiche Raͤuchwerke in den Tem⸗ 
peln der väterlichen Götter Zu verbreimen, eine‘ 
Sitte, wonon weder dad alte Griechenland, und 
Etrurien , noch and) Alba und Rom zu den Zeiten 
ded Romulus und YIuma etwas gewußt häts 
ten? Unde igitur coepta eſt ulurpatio ejus aſſu- 
mi, aut in antiquam et veterem confuetudi- 

\ nem quaenam irruit novitas, ut quod tempella 
tibus tantis necellarium non fuit, locum ſume- 

. rot in caerimoniis primum? - J 


- 


\ > 


— — 15 
Blumen, und Blumiencraͤnzen zu ſchmuͤcken, auch 
ja gewifien, Zeiten Roſen, und andere Blumen 
anf Die Gräber der Verſtorbenen zu ſtreuen #). 
Wer kann fagen, ob dieſe Sitte einheimiſch ‚ ober 
aͤgyptiſchen Urfprungs war? Die Denfmöhler ber 
Aegyptier beweifen, daß fo wohl die Statien ih⸗ 
rer Götter, als die Häupter ihrer Priefter oft 


wit $otoß = und anderen Blumen ummwunden was 
ren x). \ 


Die erften und einfachften thierifchen Opfer 
waren diejenigen, melde die Menfhen brachten, 
bevor fie. Thlere gezähmt hatten, oder wenigſtens 
bevor fie Heerden von zahmem Vieh unterhielten, 
um die Milch und dad Fleiſch berfelben zu ihrer 
vornehmften Nahrung zu machen. . Diefe einfachs 
ſten thieriſchen Opfer finden noch immer unter ben 
Fiſcher- und Jaͤgervoͤlkern in America, Sibirien, . 
und Afrika Statt. Die Wilden im nörrlichen 
America eſſen ſelten oder niemahls, halten wenig⸗ 
ſtens nach einer ergiebigen Jaad, oder einem gluͤck⸗ 
lichen Fiſchfange nie frohere Gaſtmaͤhler, ohne den 
Goͤttern, oder den Geiſtern der getoͤdteten Thiere 
etwas von der ‚erlangten Beute zu opfern y). Gie 
find, wie alle übrige Völker, in Nöthen am freys 
aebigften gegen bie Götter. Auf aefahrvollen 
Megen and Strömen opfern fie. ganze Thiere, ents 
weber Vögel ober Hunde, welche Iezteren ſie bis⸗ 
weilen Tebendig mit zufammengebuntenen Deinen _ 
aufhängen, und vor Hunger oder Wuth umlom: - 

oo. | maen 
u) Sanbert. de ſacrif. c. 24. 544 et.fq p. | 
x) Schmidt I, c. p. 24. 


y) Charlevoix lour, p. 118, 348 


FIN 
ern ann 


16 — — 


men laſſen 2). Wahrſcheinlich wiſſen die Ameri⸗ 
cauer ſelbſt nicht, warum ſie den Hirſchen und Baͤ⸗ 
ren Welſchkorn , und dem Welſchkorn Baͤrenfleiſch 


opfern 22). Auf dieſelbige, oder eine aͤhnliche 
"Art opfern bie roheften Meger » Völker a), die 
. Kamtfchadalen, ‚und öftlichen Infulaner 5). Die 


Kamtſchadalen bringen den Göttern gewöhnlich von 
gefangenen Zifhen nur die Köpfe und Schwänze, 

welche fie felbft nicht genießen. Ohne Wergleis 
hung karger in thierifchen Opfern als bie meiften 
Fifcher » und Jaͤgerhorden, waren! von jeher, und 


ſind auch jezt roch bie roheren Hirtenvölker im 
mittlern, im Öftlichen und nörblichen Aſien. Selbſt 


noch zu den Zeiten des Herodot gaben die Perſer, 
unter welchen die Haͤupter von Familien allein, 


ober dody mit den Prieſtern gemeinſchaftlich opfer⸗ 
ten, von ben Opferthieren, welche fie fchlachteten, 


ben Göttern nichts, ald das Blut, ober das Le⸗ 


ben c): Wenn bie Perfer, fagt Herodot, opfern : 


wollen, fo errichten fie Feine Altäre, und zuͤnden 
kein Feuer an. Gie fhmücen bie Opferthiere 


nicht, und wiffen eben fo wenig von Voropfern als 


von Tranfopfern, oder von gottesdienſtlicher Mu⸗ 
fit, weldye bie Opfer begleiten müßte, Wer ops 
fern will, legt feine Feierkleider an, fuͤhrt das 


| Opferihier an einen reinen Ort, und betet bey dem 


Opfern zu den Goͤttern um die Wohlfahrt des 
Koͤnigs nnud bed ganzen Dei ſchen Volks, inwels 
| Gem 

x) 1. c. 


22) Losfiel ©. 53, 
a) de Bry VI. c. ao. Mathews p. 65- 67. 


db) Steller S. 465. Georgi’s Ruſſ. Boͤllerſch. 


©. 373. | 
€) I, 130. — 


wma. - —“ 17 


dem Gebet auch das: Wohl des Opfernden mit be⸗ 

griffen iſt. Wenn der Opfernde das geſchlachtete 
Thier zerſtuͤckelt, und gekocht hat; fo legt er das 
Fleiſch auf friſche und faubere. Blaͤtter, oder Kraͤu⸗ 
ter. Wey diefem Hinlegen fingt ein Priefler, aber 
Magier ein heiliges Sieb ab, nach deffen Cinbis 
zung berjenige, ‚welcher geopfert hat, alles Fleiſch 
sufommennimmt, und nach feinem Gutduͤnken vers 
wendet. Die alten: Slaven warfen nur bie ſchlech⸗ 
teſten Theile ber Opferthiere in's Feuer. Das 
Beſte verzehrten ſie entweder ſelbſt, ober gaben 
ed den Prieſtern. Die Benennungen ber Opfer⸗ 
thiere, der Opferaltaͤre und Opferprieſter, die 
alle vom Speiſen, ober Freſſen abgeleited waren, 
zeigten an, daß die Opfer nit fo wohl den Goͤt⸗ 
teru, als den Opfernden ſelbſt beſtimmt ſeyhen. 
Alle Tatariſche, und Mongol iſche Horden in Si⸗ 
birien, in den Statthalterſchaften Orenburg, Ca⸗ 
ſan, und Aſtracan, geben den Goͤttern von den 
Thieren, welche fie opfern, dieſe moͤgen nun in 
Pferden und Kuͤhen, ober in. Schaafen und Rrnn⸗ 
thieren beſtehen, entweder nichts, als die Knochen 
und Hoͤrner d), ober hoͤchſtens neben den Knochen 
und Hoͤrnern noch die Koͤpfe, oder die Naſen und 
Ohren, die Fuͤße und Gedaͤrme ). Die Lappen, 


und - 


d) So die Wogulen, Beorgi’s Reifen, & 599. 
Die Lappen, Georgi's Ruſſ. Voͤlk. ©. 13. 389. 
Die Buraͤten oder Bratskis, des älteren Gmelin's 
Reifen, III. 24 ©. 


e) So die Tſchuwaſchen, Vchetemiſſen uUnd Motte 


e 


alten, III, 360, Aytſchkow's Togehuh ©. .on. 
. EEE Ze 


und wahrſcheiunlich die meiſten Übrigen keäummten . 


| I". 


I 


Voͤlker troͤſten ſich damit, daß bie Goͤtter die Ares 
chen der Opferthiere ſchon wieder mit Fleiſch be⸗ 


‚Heiden wuͤrden. Vielleicht hegen bie ‚Neger in 
Afrika, die den Goͤttern von Opferthieren auch 
‚weiter nichts, als die Haͤute und Hoͤrner jukom⸗ 

„men laſſen f), ‚einen ähylidden Glauben. Die Ta⸗ 
tariſchen und Mongolifhen Hirten⸗ Voͤlker in Si⸗ 
birien opfern ben Goͤttern nur tin. großen Noͤthen 


| ganze Thiere Er ‚oder. theilen die. Opferthiere mit 


t 
. 
- “ 
. 
—— — — 


ben. Goͤttern. Dieß leztere thun..bie Tſcher emiſſen 


bey gemeinſchaftlichen Opfern, die im Nahmen 


Bon. ganzen Dorffchaften gebracht werben )). Das 
im Nahmer von Allen gekaufte, und gefchlachtete 
 „D:pferthter, wozu man meiftens ein weiſſes Pferd, 
.... ober/eine weiſſe Kuh wählt, wird unter die Anwe⸗ 
ſenden zu gleichen Theilen vertheilt. Ein Jeder 


zerlegt feinen Antheil wieder in zwey Haͤlften. 


Eine von dieſen Haͤlften behaͤlt man fuͤr ſich, die 

andere legt man in einen großen Keſſel. Wenn 
- ber Keffel vol iſt, ſo werfen die Tſcheremiſſen den 

-Subalt deſſelben in’d Feuer, mit den Worten: 


Feuer, bringe. unfer Opfer zu-Gott! Da faft alle 


Völker bie den Göttern beftimmten. Opferthtere, 


aber Theile von -Opferthieren verbrannten, fo was 
| . ren 


Müller in dem Voy. au Nord vm. 415. Steller 
IL. c. jagt in einer Note von allen Aſiatiſchen Hei⸗ 
den, daß ſie den Goͤttern von den Thieren, weiche 


J ſie opferten, nichts gaͤben, als was ſie ſelbſt nicht 


brauchen koͤunten, hoͤchſtens die Koͤpfe und inte, 
P Demanet I.40©. 


, 8) Beörgt’s Ruß. Voͤlk. S. 389» 
a) Ritſchkow J. o 


R 


T—— — 7777 
- 


— — | 19 


ru fü wahrſcheinlich auch meiſtens gleicher Mel⸗ 
zung mit ben Griechen und Römern, welche annah⸗ 
men, daß die Götter fih vorzüglich mit dem Blute 
ber Opferthiere, und dem von den verbrannten / 

en _auffteigenden Dampfe nährten 5). Die 
eltern wahren Nomaden im Op: 
fern tft einzig und allein aus ihrer Artı zu Ieben er⸗ 
Hirbkar. Diefe Völker begnügen fich meiftens mit 
der Milch ihrer Heerden, oder mit dem Fleiſche 
ſolcher Thiere, bie verreckt, oder frank find. Ges 
finde Thiere ſchlachten fie fehr felten, und wenn 
fie alfo dergleichen den Göttern opfern, fo ift bie 
Begierde nach einer beffern Nahrung fo groß, daß 
fie faft alles, oder doch das Beſte für fih bes 
halten. | 


Ge karger die nomadiſchen beſonders die we⸗ 


niger gebildeten nomadiſchen Voͤlker, im Opfern 
waren, deſto verſchwendriſcher wurden die acker⸗ 
bauenden Nationen, fo bald das Opfern ein Haupt⸗ 
geſchaͤft der Prieſter, und der vornehmſte Theil 


des Goͤtterdienſtes geworden war * Es macht 


den, 


i) Lucian, II, 794. nalısa da ylovraı airansva Toy 


su Tν Jvcimy HaMYoV RUTY AVICCY AYNVBYyUSVov, Ku | 
roic Papas  Jvoyrag 


[4 


ro dıuz ds Toy Iopuen, 6 
repixesouv. 


Selbſt unter den reichſten Volkern behielten die 


Armen die alte Einfalt im Dpiern bey. So opfere 
ten die armen Aegyptier nicht Schweine, fondern 
Heine aus Mehl gehadene Bilder ı von on ; 


6-> 
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80 — — 
den Griechen und Roͤmern Keine Ehre, daß fie 
alle übrige bekannte Völker in zahlreihen Dpfern 
übertrafen, und noch weniger, daß die gröfte Vers 
ſchwendung im Opfern vorzuͤglich in die Zeiten fiel, 
wo Die Griechen und Römer am meiften Kunſt 
and MWiffenfhaft befaßen Nachdem Jaſon, 
Herr von Theffalten, "ein: Zeitgenoß des Sokra⸗ 
ses, die höchfte Stuffe von Macht und Anſehen 
erftiegen hattes fo befahl er allen ihm untermorfer 
nen. Städten, daf fie, eine jede eine gewiffe Ans 


zahl von großem und Meinem Vieh nräften follten, 


bas würdig fey, dem Apoll geopfert zu werden /). 
Er fegte derjenigen Stadt, die den fehönften Och⸗ 
ſen liefern werde, eine goldene Erone zum Preife 
aus. Ungeachtet nah Zenopbons Bericht “Jar 
ſon's Forderungen nur mäßig aewefen waren, fo 
erhielt er body der gemeinen. Sage zffolge nicht 
weniger, ‚als tanfend fette Ochfen, und zehntau⸗ 
fend Stück von Eleinem Vieh. Alerander opferte 
nach dem Siege über bie Lacedämonier eine Heka⸗ 
. tombe m), und die Mutter Aleranders, bie Rös 
nigin Olympias, opferte gewöhnlich bey taufens 
denn). Die Römer gelobten in gefährlichen -Zeis 
ten, und wenn ihre Wünfche erfüllt wurden, opfers 
ten fie den Göttern alled, was in dem Frühlinge 
eines gewiſſen Jahrs von Käldern and Lämmern, 
von 


—Uerdqàd. II. c. 4%. und die Chineſen opfern Wilder 
von allerley Sachen aus Goldpapier. Dampier 
II. Te et 
I) Xenoph. Hiſt. Graeca VI, 4 pP. 404. Ed. 
hieme:; on 
m) Suidas in Voce Athenaeus, 
2) Porphyr, II, $. 6. 


n 


. 


— — 21t 
von jungen Ziegen und Schweinen gebohren worden 
wer 0). : Mod, häufiger gelobten die Roͤmiſchen 
Feldherren, und opferten nad) srfochtenem Siege 
hundert Ochſen 9). Nach dem Tode bes Tibe⸗ 
rins freuten ſich die Römer, und die dem Mömis 
fen Scepter unterworfenen Voͤlfer über die Er: 
bebung des neuen Beherrſchers fo fehr, daß fie in 
den drey erften Monathen der Megierung des Ca⸗ 
ligula über hundert und ſechszig tauſend Ochſen 
opferten 9). Antonin der Weiſe, und Julian 
der Fromme, waren fo unmaͤßig im Opfern, daß 
fie drüber felbft ihren abergläubigen "Zeitgenoffen 
zum Gefpötte wurden, und Julian den Beynah⸗ 
men des Dpfers Schlächtere, oder victimarlus . 


erhielt 7). Zu den Zeiten des Seſchichtſchreiben⸗ 
. CCa⸗ 


o) Liv. 28. 10. Quod ver attulerit ex fuillo, a- 
villo. capreno, 'bovillo‘'grege, quaeque profana 
erunt „ Jovi fieri, ex qua die [enatus populus- 
que julferit, ® | 

P 5 9%. Aemilius Daulus vor ber Schlacht mit 
dem Perfeus. Plutareh, IL, a8r. | 

g) Suet in Caligula c. 14. .. tanta publica laeti- 
tik, ut tribus proximis menhbus, ac ne totis 
quidem, [upra centum fexaginta millia victima- 
yum caela tradantur. Schon unter dem Auguſt 
wünfchte ein Senator Aufus an einem zabheihen - 
Saftmahle, daß Auguft von einer angetretenen 
Reiſe nicht glucklich zuriidiommen möge, und fezte 
binzu idem omnes et tauros et vitalaa optare. 
Senec. UI 27e, de Benef. v 

Ammian. Mare XXH. 14. XXV:-4c. Aeſtima- 
batar, fi redillet, “Julianss,) de Parthis boves 
jam defuturos. Marc illius: ſimilis Caelaris, 


in’ quem. id accepimus jactum : di Muxoi Pos 
Ä | per 


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' ' I , - f . 
x 4 ” .# 
2 — —— 
a f \ ' { 


Capitolinus unterfhie man meine getsöhnliche Seas 
tombe von einem Kaiferlihen Opfer. Als man,. 


fagt Capitolin s), bem Balbin das Haupt des 
Werimin bradte, war feine Freude fo groß, dag 


er den Goͤttern auf der Stelle eine Hekatombe opferte. 


Bey einer Hekatombe werden hundert Altaͤre von 


Raſen nahe bey einander errichtet, und an dieſen 


Altaͤren hundert Schweine, hundert Schaafe u. ſ. 


w. geſchlachtet. Iſt aber das Opfer ein kaiſer⸗ 
liches Opfer, ſo toͤdtet man an den Altaͤren hun⸗ 


dert Löwen, hundert Adler, und andere aͤhnliche 
Thiere. Die Griehen brachten vormahls foldye 
. Dpfer, wenn fie von peſtilenzialiſchen Seuchen 
heimgeſucht wurden ; und es iſt bekannt, daß viele 


Keaeiſer dergleichen zebrocht haben t): Capitoli⸗ 


nus irrte gewiß, wenn er glaubte, daß ſolche 


Opfer, dergleichen nach, ihm bie Kaiſerlichen wa⸗ 


ren, unter den Griechen, und ſelbſt in älteren. 


Zeiten unter den Roͤmern gebraͤuchlich geweſen 


ſeyen. Etwas gewoͤhnliches aber unter den Grie— 
‚ den und Römern war es, daß Pi bie Staͤdte, 
de 


..IPl V 


7 


eine TO nalgapi“ av 00 —— qusic arme 
ua. | " u 


4). in Maximo et Balbino c. xi. 


) L. c. Hecatombe autem tale facrificium ef. 


, Centum araę uno in lgco celpititise eriguntar, 
et adeas centumg (ges, ecentum oves mactan- 
‚ tur. „Nam fi imperatorium lacrificium fit, cen- 
tum leones‘, ‚aäntum.bimilae, et caetera: hujus 


l 


modi animalia ‚centehä feriuntur, . Quod. qui- 


dem Grasci quondam feoiſſe dicuntars quum 
c. poſtilentia laborarent, et.a multis imperptori- 
bus id celebratum confiat, 





„— — . 33 
der Fuͤrſten und Felbherrn, ſondern felbft reiche 
ser wohlhabende Privats Perſonen drey Stuͤck, 
oder zwanzig Stuͤck von großem, ns kleinem Died 
af einmahl barbracten u). - -- 


Bey den erften thierifchen. Opfern brauchte 
man gewiß Feine andere Werkzeuge und Gefäße, . 
ıld deren ſich die Hausväter und Familien fonft 
bedienten. Nachdem man aber den Goͤttern be⸗ 
ſondere Tempel und Altaͤre errichtet, oder heilige 
Opferplaͤtze geweiht hatte; fo Fam man auch balb- 
dahin, daß man Snftrumente und Gefäße anfchafte, 
die ganz allein zum Schlachten unb Wereiten ber 
Dpferthiere. beftimmt waren. . Diefe Werkzeuge 
und Gefäße waren anfangs Flein an Zahl, und ſehr 
einfach. Die leßteren beftanden entweder ans Thon, 
ober aus Holz. . Der Jehova ber Juden bingegen- 
erhielt faſt lauter goldened Geräth, bevos man ihm 
noch einen feften Tempel erbaute uw); und biefe That⸗ 
fahe allein laͤßt vermuthen, daß das Geräth ber, 
Aegyptiſchen Götter nicht minder Toftbar geweſen 
fy. Da der Gott Bel in Babylon ungeheure Tis 
fhe und Statüen don gediegenem Golde hatte x); 
fo kann man ‚nicht zweyfeln, baß die Opfergefäße 
io dem Tempel diefed Gottes and demſilbigen Mies 
tall gearbeitet waren. Dad Geräth in ben vors 
nehmſten Tempeln der Griechen und Römer war 
in ben fpäteren Zeiten entweder golden, ober ſil⸗ 
been, und fehr oft mit. Perlen und edelen Steineu 
beſetzt. Nicht felten. übertraf die Kunſt, womit 
die Kleinobe gearbeitet. waren, ben koſtbaren — 
n 
u) Sanbert, de Sacrif, c, 18. p. 39. 9 
wu) Exod, c, 2 


x) ;, ı81, 83 c, Herodot, 


[4 
N ö v 
2 
x 
26 . m - wem 
i h 
* 


rech⸗ fehr weit y). Sio.mie die beſſeren Opfer nicht 
die ſchlechteren verdraͤngten; fo behielt man auch 

in den .Zempelg..die irdenen, hoͤlzernen, ober ans 
Weiden geflochtenen Gefaͤße bey, nachdem man die 
Goͤtter mit goldenem. und ſilbernem Geſchirr übers 

" . ‚flüflig verforgt hatte 2). Sa man hielt fo ger. 

Das Ältere und einfarere Opfergeräch für heiligen, 
atd das neuere koſtbarere und fihönere 2). j 


Die Opferthiere waren eben fo verſchieden, ala 
He Gottheiten, benen fie geopfert, und die Abfichs 
ten und Perfonen, in und von welchen fie geopfert 
wurden. Man nahm allenthalben- au, daß ber 
„Geſchmack der Götter nicht weniger von einander 

abweiche, als der Geſchmack der Menſchen: daß 
die einen an dem Fleiſche dieſer, die anderen an dem 

Fleiſche jener Thiere das groͤſte Wohlgefallen faͤn⸗ 

den: daß die einen junge, die anderen aͤltere: und 

- ‚wieberum dieſe weiſſe und weibliche, andere ſchwarze, 

oder männliche Thiere vorzoͤgen d). Diefelbigen Göts 
v | ter 

Yy) Saubert, c. 18. 

2) Senec, Ep. 98.. Tubero paupertatem et le dignam 
et .eapitolio jadicavit, cum fictilibus in publica 


coena uſus, ohendit, debere hominem his elle 
contentum, quibus dii etiam num nterentur, . 


4) Porphyr. II. G. 18. de Abſt. anim. eJay 'xuı ra 
walnrarn 704 xupanız, aa Eulıva Umapxovrz, 

AaAMov Serum veronisas dım TS Tyy dANy na 77V aPe- 
Asiay Ta TEXvIc. \ 


” 


2) In den Gefegen der zwölf Tafeln hieß ed: Quae- 
“ que cuigue divo decorae gratae fint hoflise pro- 

‘ vidento, ap. Saub, c. 18: p. 366.-Arnob VII, 18. 
Quae cß enim caufa, utille tauris Deus, has - 


1 


N 


N Ze ' 235 


ter erhielten andere Opfer, wenn man ihren Hum⸗ 
ger ſtillen, oder ihren Guumen kitzeln: andere, 
wenn man ihren Zorn befänftigen, oder ihre Rach⸗ 
gier befriedigen wollte c). Bisweilen vereinigte 
man an Einem DOpferfefte, zum Beyſpiel, an dem 
Feſte der Artemis zu Paträ, nicht mar alle Ars 
in Ton Früchten und genießbaren Thieren, fonbern 
felbft mehrere Gattungen von Wildprett and wilden 
Zhieren d). Diefelbigen Gottheiten erhielten andere 
Dpfer, wenn ganze Staaten, oder Fuͤrſten und. 
Gemwaltige: andere, wenn Arme und Geringe in 
denfelbigen Abfichten opferten. Aus allen vielen. 
Urfachen zufammen genommen kann man es erklaͤ⸗ 
ren, warum faſt keine Art von ungenießbaren Thie⸗ 
ren uͤbrig blieb, welche man nicht gewiſſen Gotthei⸗ 

3 . ten 


dis alius honoreter, aut ovibus:. hic lactentibus 

porcnlis, alter intonfis agnis: hic virginibus bu- 

culis,' capris ille cornutis: hie fterilibus vaccu- 

lies, at ille incientibus [crofis, hie albentibus, 

ille tetris, alter foeminei generis, alter vero ani- 
\ 


mantibus malculinis, 


e) Servius ad Virg. Georg. II, v. igo. Vistimae 
numinibus aut per fimilitudinem aut per contra. 
rietatem immolantur, Per fmilitudinem, ut 
nigram pecus Plutoni. Per contrarietatem, ut 
Porcae, quae obeft frugibus, Cereri; et caper, . 
qui obeft vitibus, "Libero; item capra Äefcula- 
pio, qui eft Deus falutis, cum capra nunquam 
fine febre fit, | | | 


d) Paufan. VII. c. 18. sehxAlum yap 4 WUTRG scroy. 
Bwnov, opvdag rs siwduns, mar .lupun Gpuog 
erayra, arı ds do aypac, Am sAuPzerE au dopum- 

 dac, di ra nuı Äuxwv nu apurwv OXUnvaG, Ölds ab. 
1x reisın Twv Iyoıwv, nararıyaxcı de awi vav‘ Ans 
nov nal dsvdewy napmnv Tay YMSpRV. 


- 


3 ‘ 


- 
+ 
— —— 


J 


26 — — 


ten geopfert hätte; und warum: wiederum kaum 


eine Art von genießbaren Thieren erfunden wurde, 
Die nicht von gewiſſen Göttern wären verſchmaͤht 


| worden ⸗2 ). Sm Durchſchnitt opferte man den 


oͤttern, denen man eine wohlgefaͤllige Nahrung 
verſchaffen wollte, ſolche Thiere, deren Fleiſch man 
ſelbſt am meiſten liebte, oder am haͤufigſten genoß. 
So wie die Griechen und Roͤmer meiſtens Ochſen und 
Kälber, Ziegen, Schaafe und Schweine opferten ); 
fo die Maffageten, und andere, fowohl Tatari⸗ 
fhe, als Mongolifhe Hirtenvölker Pferde und 
Hüllen g). Von der Zeit an, wo Laligula fid 
als einen Lebenden Gott anbeten ließ, verlangte 
dieſer Wüterih, daß ihm die Foftbaren Leckereyen, 
' auf welche bie beruhmteften Schlemmer ben gröften 
Werth feßten, täglich geopfert würden 5). 


Es war den vielgöttifchen. Völkern nicht ger 


| nug, den Geſchmack der Götter zu erforfchen, und 


. einem Jeden die wohlgefälligften Ihiere zu opfern. 
‚Man bemühte Yih auch, aus jeber Thierart die 
groͤſten, Tchönften, fettefien, und "tadellofeften 
Thiere auezuſachen; 3 und ſolche ſorgfaͤltig gewaͤhlte 

Opfer⸗ 


0) Arnob. L c.- nat, ut fieri moris eft, obſer- 
‘vationis Alicnjus, et religionis metu ille caprina 
abſtinet fe carıe‘, porcinum alius execratur at- 

. tactam, huic ovilla foetulenta funt vilcera ; ac 
ne fiomachum fatiget invalidum‘, hic bubulam 


eh, dnritiem vitat, et’lactentinm lenitatem , ‚m 


digerat expeditius fumit, 
DH Liv. 20, c. IV. Xenoph. Hiſt. Gr, vi. 6. 1.c. 
6) 1. 216. Herod. 
A) Sueton, in Calig. I. ſup. cit. 





— — 27 


Opferthiere wurden deßwegen victimae eximiae, 
egrepiae, lectae genannt i). In Aegypten pers 
naute man die Uuswahl, und Präfung von Opfers. 
tbieren nicht den Dpfernden-au, fondern man lic 
fe von ben Prieftern anftellen: ohne Zwenfel, weil 
man glaubte, daß das Darbringen von tadelhaften 
Opferthieren bie Götter nicht allein nicht gewinne, 
sder verſoͤhhne, fondern fie vielmehr zum Zorn reitze. 
Die Aegyptiſchen Priefter unterfuchten jedes Opfers 
thier fo wohl fiehend, als liegend am gauzen Coͤr⸗ 
per, befonderd am Schweife, und an ber Zunge. 
Ein einziges ſchwarzes Haar machte das fchönfte 
hier zum Opfer untüdtig. Tadellos befunbene 
Thiere zeichneten bie Priefter dadurch aus, daß fie 
die Stirn. derfelben mit Byblos ummanben, und 
ihnen ein Siegel aufdruͤckten. Wer andere, als 
geprüfte und befiegelte Thiere opferte, war bed To⸗ 
des fehuldig k). - Moſes bequemte fi) nad) den 
Begriffen, welche fein Volk in Aegppten!aufgefaßt 
hatte,. indem er verordnete, daß nur vollſtaͤndige, 
und mängellofe Thiere dem Jehova geopfert wer⸗ 
den ſollten 1). Sehr viele Voͤlker, und beſonders 
die beruͤhmteſten Nationen des Alterthums, fingen 
allmaͤhlich an, zu glauben, daß Thiere nicht bloß 

an den aͤußeren Gliedmaaßen, ſondern auch an den 
oo ins 


! 


3) Man f. die —* alter Schriftſteller beym Sau- 
bert. c. 18. 364-68. p. und Lomejer c, 23. p. 283. -. 
Dad Wort legere druückte das ſorgfaͤltige Auswaͤh⸗ 
len der Opferthiere aus. Thiere, die wegen gewiffer 
Gebrechen zum Opfern untächtig waren, naunten 
man “prin, rock, 17 EHFUDR. “ 


k) 11, 39. Herodot. u 
h) Levit. XXII. v. 18. et ſq. 


* 


er —— 


on ianern Theilen ohne das oeriadſte Gebreigen ſeyn * 
muͤßten, um ber Goͤtter würtig zu werden. Man 
erforſchte den immern Geſundheits « Zuftand der - 

\ ‚Dpferthiere zuerſt dadurch, daß man ihnen entives 
‚der $ Futter vorſetzte , oder daß man fie mit kaltem 
Waſ. begoß m). Wenn die Thiere fraßen, oder 
ſchauberten, fo ſchloß man, daß fie geſund ſeyen. 

—Im entgegengeſetzten Fall berntuthete man innere 
Gebrechen. Die Griechen und Römer durchwuͤhl⸗ 
ten nach dem Beyſpiele der Bewohner des alten 
Orrients die Eingeweide der Opferthier⸗ ſelbſt. Wenn 

alle innere Theile geſund, und vollſtaͤndig warenz 

„fo nannte man Opferthiere, gluͤcklich, froh, oder 

ſchoͤn n)3 im entgegengeſetzten Falle, unglücklich, 

‚ raurig, und haͤßlich. Weil es oft begegnete, daß 
die ſchoͤnſten und fetteſten Thiere an irgend einem 
innern Theile ein kleines Gebrechen hatten; ſo hielt 
man beſtaͤndig mehrere Opferthiere in Wereitfdaft, 

wenn etwa bad erfte, oder die erften untuͤchtig be 

funden wurden. Wlan nannte -folhe Opferthiere 
hoftias fuccidanias 0). Es mwährte bisweilen nicht 
bloß mehrere Stunden p) fordern mehrere Tage, 
‘ bes 
an) Lomejer 1. ce. Axtſchrow S. 87 von den Tſche⸗ 
remiſſen. Gmelin, III. 22. 23. von den Buꝛaͤten. 


> a) Victimas fauflas, laetas, waäuc, | 


0) Gell. IV. 6. Succidanise autem hoftiae dieun- 
tar, elittera per morem compefiti vocabuli ini .. 
litteram eommutata. Nam quali [uceaedaneaa . 
appellstae: guoniam fi primis hoftüis litetum - 

“non erat, aliac poft easdem ductae hoftiae cae- ' 

‚ debantur, Vide etiam Saubert. c. ı9. p. 423. 


p) 3. B. vor ber Schlacht bey Plataa, Piutarch De 
520. p. 





\ um JE . 29 


bevor man ein gluͤckliches Opfer traf y). Aemi⸗ 
lius Paulus opferte vor der Schlacht gegen ven 
Derfeus zwanzig Ochſen, und erſt ber ein und zwans 
jigfte bot ein glückliches Opfer bar 7). Caͤſar ließ 
einft hundert Ochſen ſchlachten, ohne ein einziges 
gluͤckliches Dpfer zu finden: s), Das Opfern eines 
gluͤcklichen DOpferthiers druͤckte man im Griechiſchen 
durch bad Wort zardspssoI, und im rateiniſchen 
durch perlitare aus t). 


Um auserwaͤhlte Opferthiere den Göttern 
noch wohlgefälliger .zu machen, verfhönerte man fie 
anf alleriey Art. - Man vergoldete ihre Hörner. 
Man ummand ihre Häuptermit Binden, oder Eräns 


zeu. Man feßte ihnen fo gar einen Kopfpuß auf, 


ber ben Mitris ber Morgenlänbifäen Prieſter ähm 
lid war 0). 


Selbft bey dem Führen, und. Sqhlacten von 
Dipferthieren bewies man eine Sorgfalt, oder viel⸗ 
mehr 


9) Dertyliden | 3. B. fand erſt a am vierten Taae ein 
frohes, v.er untadeliches Opfer. Xenoph. Hiſt Gr. 


III. c. 1. x — 2 TETTRPWY ꝓaspœæ —— qu- 
ousvos nala xuhseoc Dapuv, 
- r) Plutarch. II, sgr, 
s) Flor, IV; 94. j 
‚ 6) Script. eit. 

u) Man f. Saubert, 1, c. e. 18. p. 385, eıfq. zu 
die zu die em Capitel ‚gehörigen. Kupfer. 'Plutareh. 
in Aemil, Paulo lJ. Zır. uer@ ds Teras yyovro 
KPUGORSp®. rpopinı Bass, dxarov Kom, pıTpac 
JExyuayl Ka SERNaUIV, _ 


- 


zo 0. RRX RnB 


mehr · Angſtlichkeit, als wenn man nicht mit hoͤhe⸗ 
ren Naturen, ſondern mit den laͤunigſten, und reitz⸗ 


barſten Tyrannen zu thun gehabt haͤtte. Die Opfer⸗ 
thiere durften nicht gezogen, fondern nur an locke⸗ 


ren Seilen geführt werben, gleichſam, als wenn 


ſie ſich freywillig den Göttern darboͤten x). Uns 


vorhergeſehene, und unverſchuldete gleichzeitige Uns 


fraͤlle vereitelten nicht bloß Opfer, und andere gots 


tesdienſtliche Handlungen, ſondern verkehrten ſie ſo 


gar in ſchwere Verſuͤndigungen. Während ber 


Feier ber fo genannten groſſen Gpieley), bie im- 


%.263. nad ber Erbauung Roms den Göttern zu 


Ehren gegeben wurden, ließ ein Roͤmiſcher Haus⸗ 


vater einen Sclaven Von den übrigen Mitknechten 


über das Forum geiffeln, und nachher umbringen. 
Das Angſtgeſchrey, und die Eontorfionen des Ger 
geiffelten erregten in vielen von. benen, die ben feſt⸗ 


üichen Umgang mithielten, Unwillen über die Haͤr⸗ 


te des Herrn, nnd Mitleiden mit dem Ungluͤckli⸗ 


“den, ber fo graufam gemißhandelt wurte, Nichte 


deſtoweniger feßte man das Gepränge fort, nnd 
feierte die Spiele, wie man fih vorgenommen 
hatte. Nicht Yange nachher erhielt ein. gemeiuer 
Mömer ein Zraumgefiht, im mweldem “Jupiter 


ihm auftrug, ten Confuln gu fagen, daß ihm ber 
Vortaͤnzer mißfallen habe, und daß die Stadt 


Mom bafür büßen mwürbe, : wenn man nicht. die 


Spiele von neuem auf das prächtigfte wieberhohle,2). 
. Zu Der 


2) Merula p. 26, © ©: 
y) Ludi Magni, Liv. II. 56. Plut, in Coriol, II. 
129- 3% oo 
: 3) Livius 1 c. Aibiludis praelaltatorem diſplicuiſſe: 
niſi magnifice inftaurarentur hi ludi, periculum 
urbi fore, Iret, ea conlulibüs nunciaret, 


! 


— — J 31 


Dee Traͤumer richtete. ben erhaltenen Auftrag nicht ˖ 
aus, weil er fuͤrchtete, daß die ganze Stadt, und 
beſonders bie erſten Magiſtrats⸗Perſonen ver Re⸗ 
publik ihn für einen Phantsften halten wuͤrden, 
Sem er feinen Traum bekannt made, Der Unges 
berfam bes Mannes ward dadurch geftraft, dag 
fin Sohn erfrantte, und in wenigen Tagen flarb. 
Nach dem Tode des Sohns kehrte daffelbige Traums 
gefecht mit der hinzugefügten Drohung wieber, baf 
der Gewarnte noch härter werbe geflraft werben, 
wenn er Länger zoͤgere, dem MWefehl dee Götter zu 
geborchen. Da er dennoch Bedenken trug, ſich 
bey den Sonfuln zu melden, fo warb er ſelbſt Yon 
einer heftigen Krankheit befallen. Jezt erkannte 
es die Hand der Gätter, ließ fich in den Senat 
tragen, und erzählte, was ihm gefchehen mar. 
Er hatte kaum feine Erzählung geendigt, als er 
fh vollkommen gefund fühlte, und nah Haufe 
ging, da er vorher Feius feiner Glieder hatte ruͤh⸗ 
ren koͤnnen. — Der Senat wußte atıfangs nicht, 
was das. göttlihe Traumgeſicht mit den Wortäns 
zer meine. Man faın endlich auf den Grund, und 
erneuerte bie Spiele fammt den übrigen Feſtlichkei⸗ 
ten, die Damit verbunden gemefen waren. — 
Plutarch preist nicht nur die Froͤmmigkeit bes - 
Roͤmiſchen Volks, fondern auch vorzüglich Die Vor⸗ 
ſicht des Numa, der. bey allen gottesdienſtlichen 


Handlungen von Prieſtern, und Magiſtrats-Per⸗ 


fonen einen Gerold Beitellte, welcher laut rufen 
wußte: hoc age, um die handelnden Perfonen zu 
einer befiäudigen Aufmerkſamkeit aufzufordern. 


. Die geringfügigften Kleinigkeiten, ſezt Plutarch 


hinzu, find hinreichend, um die Roͤmer zur Wie, 
berhoblung Yon Feſten, Spielen und Opfern. zu 
— EZ bes 


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bewegen. Wenn 3, 8. an großen Feſten, wo ‚die 
Bildniſſe der Götter, oder Andere. Heiligthuͤmer 
in Karren gefahren werben, ein Pferd müde oder 
‚fletig wird, oder Einer der Führer das Geil in 
die linke Hand nimmtz- fo befhließt man angenz - 
blicklich, das entweihre Teft noch einmahl zu ‚beges 


hen. Um biefer, und ähnlicher Verfehen willen 


ſind in fpätern Zeiten Opfer wohl dreyßig Mabhle 
wiederhohlt worden a). Un 'einer andern „Stelle 


führt -derfelbige Geſchichtſchreiber 6). guter den 


‚Benfpiglen der puͤnctlichen Frömmigkeit ber Roͤ⸗ 
mer. noch folgende an. Um biefelbige Zeit, als 
Scipio Naſica, und C. Martius wegen eines 


kleinen bey ihrer Wahl begangenen Perſehens das 


Confulat ntederlegen mußten, nahm man zwey ber 
vornehmſten Nömer ihre Priefterwürde: dem Cor⸗ 
- nelius Ceihegus,- weil. er die Eingeweide eines - 
Opferthiers nidt gebührend, auf den Altar gelegt 


hatte: dem Quintus Sulpieins, weil ihm eine 


Muͤtze, dergleichen die Flamines Digles führen, 
während feiner Amtsverrichtung Yom Kopfe gefals 
‚Ien war. Die Aenaftlichfeit ber Römer auch in 
‚deu geringſten Kleinigkeiten artete nach Plutarche 


—O 


Urtheil nicht in Aberglauben aus, da ſie nie weiter 


gingen, als ſie nach ihren vaͤterlichen Satzungen 
| . . a ge⸗ 


5 Ev ds roic xxro xboroic PR Juasay ' Tpgneye 
TORE smonsar „ RE TOR SAÄBINERTOG, 7 pe 
. NpBuerug Yivaadıl donsvros, runurg kev —8 
wpos ro Jaoy Pronaıw. | 


u In Vita Mircelli "Open n. A0B - ap. Pe: 


.% 


— 


— — 33 


schen mußten d), an: den vůterſichen Satungen 
ige aͤnderten. mr 

Wenn ein: ‚Opferthier vor bem Altare ſtand, 
fo‘ beobachtete an. noch mehrere Gebräuche, ehe 


man es. wirklich ſchlachtete. Man .fireute demfels 


ben Mehl mit Salz vermiſcht auf die Stirn, wel; 


. ches im eigentlidhften Sinne des Worts immolare 


hieß d)y. Man ſchnitt tem Opferthiere einige 
Snrnheare wen ‚, uns warf die Haare in's Feuer, 
Man detete, und goß bey, ober Eurz dor dem Bes 


ten Wein zwiſchen die Hörner. Bisweilen flug 
man auch mit Klappern an die Köpfe ber Opfers 
thiere. Es mar eind der ungluͤcklichſten Zeichen, 


bie fich ‚bey dein- Opfern ereiguen Fonnten, wenn 
ein Thier vor dem Altar entfloh, beſonders / nach⸗ 


dem es verwundet worden ware 2 


Gine alte, aber genif ungegrändete Eeg⸗ ers | 
zählte, daß die Griechen nurſpruͤnglich ben Göttern 
ganze, oder ungeiheilte Thiere ‚geopfert hätten e). 
Eben diefe Sage. beihuldigte den Promerbens ale 
den Erſten, der den Jupiter berüct, und ihm 
bie beſten Theile von Opferthieren entzogen hä: 
be 5). Die Griechen und Roͤmer opferten den 

Goͤt⸗ 


ce) xy Tv 8 arv Aixpote anti oletzobrae 
zdsuie mpoosuyvudaev deiswdäruoue, To undev ae 
Aafrev, unbe wapskhaivay Fa) warpıwys 

d) c. ıg. Saubert, p. 381. 

#) Hefiod, Theögon. 555 et id. 

f) Saub, XX c. p. 438. 29.” 


, 7 
u ! ‘ 
* C 9 
“ ... 260 1 [X vu) 


J 
— 
44 yA 


Göttern nur ſehr ſelten ganze Thierr, welche die 
Erſteren öAoxausa, ober rslsras, bie Anderen Pro- 
tervias nannten g). Gewoͤhnlich theilte man’ bie 
Dpferthiere mie den Göttern, welches profecare 
bie 4). Von dem Ießtern Worte .entfprangen 
bie Ausdruͤcke proficiae, und profecta, womit 
man bie den Göttern beftimmten Theile bezöfchnete. 
Weil diefe Theile meiftend in ben Eingeweiden, 
und in ben mit der. Fethaut umwundenen Scheu⸗ 
. Selü der Thiere beftanden; fo nannte man fie im 
: Griechtfchen unpim; unpus, im Lateiniſchen vifcera, 
exta und particulas i). Das Hinreichen, „der 
Hitwerfen.. der den Göttern beſtimmten Theile 
‚ brüdten die Römer durch die Wörter reddere und 
porricere, unb das Verbrennen, durch adolere 
aus k). Aus der Afche der verbraanten Xheile 
. errichtete man in mehreren Gegenden von Griechens 
land Altäre, die für viel heiliger, ald andere ges 
halten wurden. Der gröfte und berühmtefte unter 
folhen Afchen : Altären war derjenige, ber dem 
Olympiſchen Jupiter bey Elid geweiht. war 2). 
Diefer Altar wur zivey und zwanzig Fuß body, 
und hundert fünf und zwanzig Tuß im Umfange. 
Frauen und Jungfrauen durften nur ben aͤußerſten 
Saum des Altar beitreten, Zu ben höheren Stuf⸗ 
5 . oo. \ fen 
®» l. e. 
A) L. c. p. 451. 

i) I. c. p. 43% 

k) p..433. | 

) Panfanias V. 18€. (in ähnlicher mar gu Pers 

mus, nnd auf der Inſel Samos. Die Athenienfer 
unnnten fie avrosxedag soxapns. ib, Ä 


_ 35 


 Rahatten bloß Männer Zugang. Die Grieden 
. mp Römer hoben häufig fo wohl bie Köpfe, als 
. Ne Haͤute ber Opferthiere auf. Gie nagelten obıe. 
; Angten die Köpfe in den Tempeln, oder an ander 
ven heiligen Orten auf; und auf den Haͤuten liefen 

fe Perfonen ſchlafen, welche gekommen waren, 
un bie Götter um Rath zu: fragen m). Die Yes. 
gptier verkauften bie Köpfe von Dpferthieren an- 
he Griechen, ober warfen fie in ben Nil, weil fie 
bey jedem Dpfer die Köpfe verfluchten, ober 


wuͤnſchten, daß alles Boͤſe, was den Opfernden 


ſelbſt, ober ihrem Vaterlande bevorſtehe, auf das 
Laupt des Opferthiers fallen möge m). = 


Die häufigen. und reihen . Opfer gingen unter 
den Römern fehr früh in foͤrmliche Gaſtmaͤhler 
über, zu welchen alle, oder body viele Goͤtter, und 


-—m en a 2 a} 


üc. anf ben Rath der Sibyllinifhen Bücher, um 
eine ſchwere Peftilenz abzuwenden, welche Wens. 
ſhen und Thiere ergriffen hatte o). Man bewir⸗ 
thete acht Tage lang ten Apoll und Herculee, 
da Mercur und-LTeprun, bie Barona und Dias 
na auf daß präctigfie. Eben fo lange ‚gleiten bie 

b⸗ 


a) Wenn man dieß in dem Tenpel des Jupiter 
that, jo nannte man ein ſolches Schlafen, in wel⸗ 
chem man weißagende Traͤume erwartete, incubare 


Jori, Servins ad Aeneid, VII, 86 v, 
n) II, 39. Herodot. 


e) V. 13. Livis, Ss“ 5 sn 
_ .. " “ ” n = \ 


Goͤttinnen in ihren Bilöniffen zugezogen, und bie " 
lectifternia genanut wurden. Daß _erfle lectiſter · 
nium veranſtaltete man zu Rom im J. 356. ab _ 


— 


N 
— en ———— — 
⸗ 


—5 


36 er — 

Römer offene Tafet, und ladeten Bekannte und 
Unbekannte an ihre Tiſche ein. Man ſezte waͤh⸗ 
rend bdieſer Zeit alle Fetnbfeligkeiten aus, und . 
loͤste fo gar die Schuldner, welde man in harten 

Wander feftgehätten hatte 9): Man legte bie 
Bildniſſe männlicher Gottheiten anf weiche, und 
Pofibare Betten hin, Die Statuͤen Yon Goͤttinnen 


Hingegen ſtellte man auf Seſſel, weil in aͤlteren 


Zeiten bie, Fralin nicht, wie die Maͤnner, zu 
Tiſche lagen, ſonderũ faßen ). Mean brhtelt die 
elte Sitte bey den Göttimenn bey‘, ſelbſt nachdem 
die Roͤmerinnen angefangen hatten, ſich gleich den 
Maͤnnern zu Tiſche zu legen 2 J 


Alle ‚feierliche Opfer, ſelbſt ſolche, welde 
man den abgeſchiedenen Seelen von Verſtorbenen 
gebracht hatte, waren mit Opfer: Mahlzeiten be⸗ 
gleitet, an denen man die, von den Opferthieren 
zurückbehaltenen Theile, oder ganze Opferthiere' 
mit den Göttern verzehrte. Unter den Opfers 


"Mahlzeiten Yon Privat s Perfonen waren Feine 


koſtbarer, ald diejenigen, die von ben vornehm⸗ 


ſten Römifchen Magiſtrats⸗-Perſonen gleich nad) 


dem’ Antritte ihrer Aemter gegeben wurden 9). 
. Die | 


vi Manſ. auch xxu. 10. Liv. 
9) Vater. Max, IL ı1..$. 8. . 
T) I. c. Juno et Minerva in fellas ad coenam in- 
vitantur. Quod genus ſeveritatis aetas noſtra 


diligentits in Capitolio, quam in ſuis demibus 
fervät, etc. - J 


4) Man nannte fie coenas adjiciales, ober. adipialen 
& 26, p. 699. Sanhert, Sie loſteten ſo viel, als 
ein 


⸗ 


— 


— 37 


Die oͤffentlichen Opfers Mahlzeiter wurden in ben 
Tempeln ber: Götter gehalten, welchen man ger 
opfert Hatte), und man darf ed ald Regel am 
nehmen,. daß men bie Götter ſelbſt zu ſolchen 
Mahlzeiten zugog. Zur Weforgung ber oͤffentli⸗ 

hen Qpferſchmaͤuſe waren in Nom die fo genannten 
Fpulones befellt, deren anfangs nur drey, in ber 
Folge fieben waren u). Die Epulones Yabeten 
34 dag Öffentlichen Dyfer » Mahlzeiten, wie. an ben 
leetiterniis, Diſchgenoſſen der Götter ein x): 
Auch verordnete, ober wählte man durch das Loos 
einen Trink⸗Meiſter, der die Meile ber Libatio⸗ 
nen, und Geſundheiten beſtimmen, beym Zutrin⸗ 


Een auf Zucht und Ordnung halten‘, und bie Wis. 


derſperſtigen ſtrafen mußte 9). Die Griechen 
DE ee | tran⸗ 
GE tn | . 
Nein Römer befigen mufte, um znm orde equelirie 
„zu gehören. Ep. 95. Senęec. Quid et coena 
fumtuofa Aagitiofius, et equeſtrem cenlum con- 
fumente? quid tam dignum: cenloria nota, fi 
guis, ut ii ganeones Iaquuntur, Abi haec et 
.  genio. [uo praeftet? et toties tamen feRertio 
‘.aditiales coenae frugalilfimis viris confiterunt. 
Eadem res fi gulae datur, turpiseft: ſi honori, 
reprehen&cneni effugit, ie 


&) So heißt es in der Rede pro trjiumpho Aemilii. . 


: Pauli ap, Liv, 45, c. 39. Tlas quidem epulas 
fenatus, quae nec privato loco, nec publico 


profano , led in eapitglio eduntpr, utrum ho- 
minum voluptatis caufa, an deorum hominumi- _ 


que. ... . turbaturi eſtia? 


u) Magifri-Epelonum, Saub, 15. p. 600, Gar. 
x) Coepulones, parahiti ]. nn 
"yIEPÄE :  Magißer bibendi. 
! fteria, len regna bibend! (obfewa voc 


yon . 
qui magi- 
ulaa (alen- 


/ nes) 


u a nnd 


36 2 — 
Römer offene Tafek, und ladeten Bekanute und 
Unbekannte an ihre Tiſche ein. Man ſezte waͤh⸗ 
u renb bieſer Zeit alle Feindſeligkeiten aus, und 
0 Ibßte‘ fo gar Me Schüldner, welche man in harten 
Banden feſtgehalten hatte 39): Man legte bie 
Bildnilfe männlicher Gottheiten anf weiche, und 
koͤſtbare Berten hin. Die Statuͤen Yon Göttinnerr 
Hingegen ſtellte mitt auf Seſſel weil in alteren 
Zeiten bie, Pralien nicht, wie ‚die Männer, zu 
Tiſche Tagen, fondern ſaßen g). Man brhielt Die 
| alte Sitte bey den Goͤttinenn Bey‘, felbft nachdem 
| die Roͤmerinnen angefangen hatten, ſich stets ben 
u Männern zu Tifhe zu legen ). 


Age feierliche Opfer, ‚ felbft plche, welche 

J man den abgeſchiedenen Seelen von Verſtorbenen 
xı gebracht hatte, waren mit Opfer: Mahlzeiten be: _ 
| gleitet, an denen man bie von ben Opferthieren 
zurückbehaltenen Theile, oder ganze Opferthiere' 
- mit den Göttern verzehrte. Unter den Opfers 
"Mahlzeiten von Privat» Perfonen waren feine 

koſtbarer, als diejenigen, die von ben vornehm⸗ 

ſten Roͤmiſchen Magiſtrats⸗-Perſonen gleich nach 

dem Antritte ihrer Aemter gegeben wurden f). 

| Die 


’ 


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27 
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—— — ç — — — 
J 


— —— — 
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et aud) XXII. 10. Liv. 

9) Vater. Max, II. 1. §. 2. 

T) I. c. Juno et Minerva in ſellas ad coenam in- 
vitantur. Quod genus ſeveritatis aetas noſtra 


diligentius in Capitolio, quam in fuis demibus 
fervät, etc. 


) Man nannte fie coenas adjiciales, ober. adiialgs 
6. 26, p. 699. Sauhert, Sie loſteten ſo viel, als 
ein 


⸗ 





— ⸗— 3 


Di öfenstichen Opfers Mehtjeiten'marben In ben 
Impeln ber Götter gehalten, . melden man ge 
wert hatte 4), und man darf ed old Regel am 
xhmen, daß men Me Götter felbf zu ſolchen 
Mahlzeiten zuzog. Zur Beſorgung' ber öffentlis 
sn Qpferſchmaͤnſe waren iu Rom die fo genannten 
kpulones beſtellt, deren anfangs nur drey, in ber 
“ Felge fieben waren u). Die Epulones labeten 
: tg Öffentlichen Dyfer Mahlzeiten, wie au ben 
leetilernmiis, Tiſchgenoſſen der GSoͤtter ein x): 
Auch verordnete, oder waͤhlte man durch das Loos 
Asen Trink⸗ Meiſter, der. die Meile ber Libatios 
nen, und Geſundheiten beſtimmen, beym Zutrin⸗ 
In anf Zucht und Ordnung halten, und bie Wi⸗ 
kerfpeufiigen ‚firafen mußte 9). Die Griechen 

u \ ’ ⸗ trans 


.zu gehöreu. Ep. 95. ‚Senecr- Quid eſt coena 
fumtuola itioßus, et equgfirem cenlum con- 
famente? quid tam dignum. cenloria nota, ſi 
quis, ut ii ganennes Igqunntur, Abi haec-ot 
genio. [uo praeftet? et toties tamen feRertio 
aditiales coenae frugaliffimis viris confiterunt. 
Eadem res fi gulae datur, turpis el: fi honori, 


| ein Römer befigen muſtenm zum. orde equeftrie 


reprehenGohlem eflugit, 
&) So heißt ed in der Rede pro trjumpho Aemilii. . 
Pauli ap, Liv, 45. c. 39. Nlas quidem epulas 
fenatus, quae nec privato loco, nec publico 
profano , fed in eapit lio eduntpr, utrum ho-- 
minum voluptatis caufa, an deorum hominumi- _ 
Que ı or» turbaturi eßia? > s 


u) Magifiri Bpelonum. Saub, Lę. p. 600, Gar. 
x) Goepulonea, paraßtil. c. ** J 
1ER. Magier bibendl, qui magi- 
! fteria. fen regna Bibendi (oblewwa yocu aa. ſqlen- 
et nes) 


33 = | I u 
tunen entweber-auf der. Reihe, oder Ereutzwetſe: 
Das heißt, bew zuerſt Triukende, gab den Becher, 


aus welchem er getrunken, ober den er geleert, und 
wieber gefüllt hatte, mit ben Worten zyorwn we), 


einem nächften Nachbar jur Rechten, ober dem . 


a 
- x 
innen en — une 
. ’ 
x 
x 


’ 
. 
- v 
- 
. 
-— Tr 


ihm gegenüberfißenden; und biefer fahr fort, wie ! 
der Bortrinfer angefangen hatte, bis der Becher 
Burdı bie Hände aller Tifchgenoffen ggangen war a). | 


Man trank entweber ju Ehren der Ödtter, indem | 
man zugleich ein Trankopfer brachte, oder auf bie 
Wohlfahrt von Fuͤrſten und Mogiftrases Perfos 


nen, ober von Freunden und Geliebten; und das 
Butriufen an Opfermählern war daher eine gotteßs 
dienfiliche Handlung, wodurch man bie Götter 
felbft ehren, ober die Gnade und Wohlchaten ber 


: Götter auf Vorgefeßte, oder Angehörige herab⸗ 
. Ieiten wollte. Die Römer nahmen das Zutrinfen 


der Griechen ans welches man Graeco more bi-, 
bere nannte 5). Ein aͤhnliches Zutrinfen fand 

fih unter‘ allen Germanifhen, Celtifhen, unb 
Seythiſchen Völkern c). Die Scandinavier * 
| Ä 0 Sen 


nes) tenebat., pocula e epulonibus propinabat. 
Ipſe alias audivit Arbiter, Dictator, Modimpe: 
rator: apud Graecos souurwampxys, Beaikeaug, 
APATYY | 
2 propino tibi, 
#) Saubert, I, e. 600 p. W 
5) Man |. das Zeugniß des Asconius beym Sau⸗ 
bertus p. 610. ae oo ie 
*) Man ſ. bef. Pellontier Hilloire des Celtes IL, 


"9 492 - 47% Dreyers verririchte Abhandi. 1. 
u. f. E. und Meiskeri Antignit, 553 et ſq. p. u 


N 


-—— 39 


Im zu Ehren ber Bötter, bänfiger obere zum Aus 
denken beruͤhmter Helden, oder von Wohlthätern, 
freunden nnd Angehörigen; . und folche Becher 
warden bald Minnes Becher, bald Gebädtnigs 
Becher - genannt. Unter ben alten Germaniern, 
: mb Eelten war es eine eben fo große Veleibigung, 
wenn man das Zutrinken von Jemandem verſchmaͤh⸗ 
te, ald wenn man jemandem einen Becher Weins, 
oder Biers anbot, ohne vorher zugetrunken zu 
haben; . una feldft Jungfrauen alfo mußten trins 
‚Im, wenn fie vornehmen Gaftfreunden einen Pos 
tel, ober ein Trink s Dorn, oder einen Trink⸗ 
Schedel darreichten. Die urfprünglie Abficht 
des Zutrinkens erhellt aus einer Sitte, bie noch 
za Xenopbons Zeiten unter den Thraciern übrig 
mar. Als der. König der Thracier, Seurbes, 


dem Eenopbon Beſcheid gethan, oder wieder auf - 


Znopbans Geſundheit getrunken hatte; fo ſchuͤt⸗ 
tete er ben Reſt bed Weins auf bas Kleid feines 
sähften Machbars, gleichfam als eine Libation, 


um Heil und Segen auf die Tiſchgenoſſen kerabzus 


ringen d ) . 


Eine ber vornehmften Urfachen ber Opfer, 
wie einer jeden andern Götters Verehrung war, bie 
Gnade und MWohlthaten höherer Naturen, befons 
bers Geſundheit und ein langes Leben, Reichthum, 
Ehre und Macht, Sieg über. Keinde, und andere 
irdiſche Güter: zu erhalten. Alle ungebikdete Voͤl⸗ 


fer, ' 


d) Delloutier l. 475 ©. hat die Stellen and dem 


Athendus gelammelt, ſezt aber hinzu: l'ignore, 


quel etoft le but de cet ufage, qui palloit pour 
une Politefle parmi les Thraces, 





—R — — 

fer, und ig 8er gioße Haufe unter · mauchen ger 
bildeten Nationen glaubte von jeher daß eSert⸗ 
heit eben fo wenig umſonſt was Gutes thue al 


felhftfügjtige Menfgen: bag nam ben. Gitern ge⸗ 
ben muͤſſe, um wieder⸗zu erhalten: daß man ihre 


Gnade in befto höheren Srabe erlamge/ jerreihlis 


her man gebe: daß ‚fg die Froͤmmigkett vorzuͤg⸗ 
ih darin beftche, Eoftbare Dpfer und Geſchenke 
barzabringen, um ihrer Cnade und Wohlthaten 
in ausgezeichneten Gtade sehrtig zu werden, Menu 
man beweiät, daß dieſe Denkart ſich felgft unter 
den Griechen: und Mömern in den Zeiten ihrer hoͤch⸗ 
Rei Cultur fand; fo wird man es: um deſto wes 
niger bezweyfeln, Daß fie ſich auch unter allen. übrie _ 
gen ielasttifz den Voͤlkern zefunden habe, und noch 
finde. Sm Griechenlaiid baute Fein Voll ſo proͤch 


tige Zempel: Erin Volk feierte. fo prächtige Feſte, 


uͤnd brachte fo Foftbure Dpfer, als die Athenionſer #). 
Da die Athenlenſer wußten, ſagt Aenophon, bei 
nicht jeder Arme dergleichen thun koͤnnte, fo bau⸗ 
fen fie herrliche Tempel, opferten.und feierien Hefte 
aus dem oͤffentlichen Schage, bamit auch der Ges 
ringſte anfer den Mergnügungen und Vortheilen, 
wilde die öffentlichen Jen nel, Feſte und ‚Opfer 
gewährten, an bein Mervienfte Theil nehme, was, 
man fih dadurch bey den Goͤtiern erweibe,. Sokras 
tes und Plato /) ‚befämpften die gemeine Dentart 
ber Athenienſer fo wohl durch ihre Reden und Schrif⸗ 
ten, ala durch ihre Art'zu handela. Sokrates 
brachte von feinem geringen Vermögen ben Göttern 
geringe Dpfey ben Er glaubte aber a 
nicht 


r) Xenoph de vepnbl, Athen, a: 4: 
Fi; beſ. Ide Rep. IH. p. »72, Vol. I. Edit. Malley, 


— — J— 


ucht, ben den Goͤttern weniger Zu: gelten, als dit 
Bornehmen, bie aud ihrem großen Vermögen de, 
Ssttern prächtiger opferten g). : Die Götter, fagte 
der Arhentfche Weile, würden dieſes Nahmens nirht 
worth ſeyn, nenn prächtige Opfer Ihnen aefälliger 
wären, als geringe, weil ed alodaun häufig ges 
fheben Fönnte, daß Boͤſewichter, die reichlich opfer- 
tm, mehr Gnade fänden, ald arme und fromme 
Zugenthafte, die diefed nicht vermödhten. Das 
teben der Menſchen wäre nicht Iebenswerth, wenn 
die Götter jemahls die Opfer ver Böfen freundlis 
Ger aufnähmen, als die ber Guten. Sokrates 
war überzeugt, daß die Götter ſich über bie Opfer 
der -Trommen am meiften freuten; unb- bag ein 
Jeder den Göttern fo wohl, als den Menfchen 
genug thue, wenn er den Sinen:und ben Anderen 
nad Vermögen leiſte Er hielt einen Jeden für 
einen tugendhaften und frommen Mann, der in 
feinem Berufe, entweder als Arzt; oder ald Ötaatds 
mann u. f. w. das ‚feifte, n was er r zu leiſten ſchaldig⸗ 
md im ‚Stande ſey h). 


Wenn man von der Onttheit glaubt f (est 
Plato 1), daB ſie um gewiffer Geſchenke willen - 
fi ſelbſt vergeffen, und die Tugend, oder bie 
Wohlfahrt ber Welt verrathen koͤnne; fo hat men 
von ihr ſchlechtere Begriffe; als von guten Kisten, 
Steuerleuten, und felbft von treuen Hunden, von 
len Peiner um eines elenden Vortheus wilen 

| | dos 


) 3.3. 8. 3. Memorahı, Soctanig, 
k) 1, nd 14 _ Memorah, Socrat, u 
>) Man te meine Seſch der Wi I. 987 6 


1 
— 
r 


— — 
. - . 
- 
———in 


42 — — 


das verraͤth, was ihm anvertraut worden. Uab 
woas koͤnnen wir bean der Gottheit anbieten, was 
fie und nicht ſelbſt geſchenkt hat? Iſt fie nicht 

Dis. Geberinn aller ‚guten Gaben, ſelbſt deren, 
womit man ſich einbilver, fie befiechen zu koͤnnen? 
Der wahre Gottesdienſt befteht gewiß nicht in eis 
sem. auf Eigennuß gegründeten Handel, oder in 
einem Austauſch von Opfern und Gaben gegen 
Güter des Leibes und bes Gluͤcks, ſondern im 
einer Bereitwilligkeit, .ven Willen der Gottheit zu 
erfüllen, und ſich und andere. durch tugendhafte 
Handlungen gluͤcklich zu machen. Dieſe großen 
Wahrheiten haben die Götter ſelbſt dadurch be⸗ 
ftaͤtigt, daß fie die Unternehmungen ber Spartas 
ner vor allen anderen gefegnet haben, ungeachtet 


dieß Volk nur kleine Opfer auf die Altaͤre der 


Goͤtter legte, anſtatt dag bie Abrigen Griechen 
zahlreiche Heerden ſchlachteten, die glaͤnzendſten 
Feſte feierten, die praͤchtigſten Tempel bauten, 
und dieſe Tempel mit den koſtbarſten Gaben aus 


.  füllten &). Um die Athenienfer zu demuͤthigen, 


ſchilderte Plato die Opfer und Gebete ber Spars 


taner, ober: Die WBegriffe der Spartaner von beys 


hen diel vortheilhafter, als fie es verdienten H. 


Bes 
BD he, &, 401, Ex Plat, Aleib. II. page, Edit.Gr. 
, Bal,. u | | 


hy Ich halte es felbft für eine poetifche Fiction, was 
Plato an der angeführten Stelle'von einem angeb⸗ 
lichen Orakel erzählt... Die Athenienfer, heißt eb, _ 
fonnten es nicht begreifen, warum fie gewöhnlid) 
den Spartanern Tr „da fie doch ee um 

empel und deren - Verzierungen, au Opfer und 
Feſte verſchwendeten. Sie ſchicklen daher einen On | 
- ., .. . ” 8 


— ee "Te — —— 


-- | a} 
Bevor die Spartaner einen Feldzug "antraten, 
spferte Der König dem "Jupiter: Sühret und ben 
übrigen Böttern zuerft in Sparta felbft m), und 
benn wieder dem Jupiter und der Minerva auf 
ber Graͤnze. Wenn biefe Opfer glaͤcklich waren, 
fo rückte man über die Gränze hinaus, und opferte 
gleich wieder, um aud bie fremden Götter zu ges 
winnen. Die Könige ber Spartaner opferten ims 
mer fehr früh, um ihren Keinden zuvorzukommen n). 
Auh die Römer fiengen alle wichtige Unterneh⸗ 
mungen mit Opfern, und meiftend mit Gelübden 
an, in welchen fie ben Göttern neue Dpfer, oder 
Sefte und Schaufpiele, ober Tempel und andere 


Dentmähler, oder große Schäße in Gold und Sil⸗ 


bee verſprachen, wenn bie Götter ihre Unteruchs 
mungen begluͤcken würben 0). 


Zu den Dpfern, wodurch man bie Wehzitha⸗ 
ten ber Goͤtter zu erlangen hoffte, gehörten auſier 
den Kenſchheits Opfern p) u. diejenigen, die 7 


ſandten an den Jupiter Ammon ab, und ließen 
dieſen fragen: woher es komme, daß die Spartaner 
fo jehr von den Goͤttern beguͤnſtigt wuͤrden ? Und 
der Gott antwortete: weil das Gebet der Spartauer 


den Göttern angenehmer ſey, als die Opfer und 


Feſte der uͤbrigen Griechen. 
m). Xenoph, de rep, Lacedaem, ce. 13. GR 
m Lc. 5. au de, Orav Juyras, apxsras usy Tara 


, TB 8pY8 ari xvaPaoc. menden Buhouevac ryv 
Tu Bss -suvosay. 


0) Bon den Votis der Roͤmer werde ich im Abſchaite | | 


vom Gebet ‚handeln. 


y) Bon diefen habe ih in ‚dem Abſchaitt von dem 
Phelus gehandeit, | 


— — 2 u ne 


| 


| 
! 


2. Ban Nationen unterfudgen die Wahrfager alle Eins 


. . 1 
- mn u ar 


Alterthum Frage⸗ Opfer, ober Wahrzagungs Opfer 
genannt wurden g). Ge bald man bey. Gedapken 


aßte, daß nur ganz vollſtaͤndige und unverdoxpent 


Thiere der Goͤtter wuͤrdig ſeyen; fo mußte man 
nothwendig auch zu glauben anfangen, daß die 
Untadelichkeit von. Thieren ein Zeichen, aber sing 
Wirkung der Gnade, jeder innere Mangel hiyges 
gen. ein Zeichen, aber eine. Wirkung der Ungnade 
pon Göttern ſey. Man fah je fonft alle abzige 
Gluͤcks- vder Ungluͤcksfaͤlle für unittelbare Wir⸗ 
kungen von Goͤttern an. Wie haͤtte man alſo nicht 
fließen ſollen, Daß auch bie Untadelichkeit, odex 
Mangelhaftigkeit der Opferthiere von den Goͤttern 
herruͤhree daß bie. eine. Gnade und Wohlthaten, 
bie anders ben Zorn und die. Strafen von Goͤttern 

 anküntige! In der That waren die Frager Opfer 
und das Wahrfagen and den Cingeweiden ber 
Opferthiere nicht weniger allgemein, als die Meys 
‚sang, dag man ben Goͤttern untabeliche Thiere 
-Sarbieten müffe. Unser den Voͤlkern des Alters 


thumo zogen Feine die Eingeweide der Ipfertbiere 


aͤufiger, und, in wichtigeren Ungelegeubeiten zu 
ath, als die Griechen und Römer. Unter beys. 


geweihe, vorzüglich das Herz und die Leber. Gie 


| ; thelten' bie ‘Leber in zwey Mäfften, wovon die eine U 


J dem Feinde, die andere dem opfernden Wolfe Gluͤck 
oder Ungluͤck verkuͤndigte 7). Go lenge bie Eins 
on u ge⸗ 

9) Sacrificia divinatoria, victimae canfultatoriae, 
videSaubert, c. 30. pı 446, 447, wo aud) die Gries 
chiſchen Benennungen diejer Art von Opfern ange⸗ 
führt werden. j ö 
r) Lueian. 1. 626. Serviua ad Aeneid, IV, 6. l.e. 
Saubert. p. 449." Die Ylüdlichen exta wurben laeta, 
oe ee - die 


y ’ ” * 


inside net guͤnſtig waren, To’ lange: yeiff mim 
ben Feind nicht an, Die Gelegenheit mochte fo glich 
lith ſeyn, als fie wollte. Ja man wehrte ſirh 


ie einmahl gegen den herannaheuten Feind, iwenR- 


man audi bataͤber in die größten Gefahren geriet, 
Bey Plakaa drangem die Perfer in dichten Haus 
fen auf das Griechifche Heer los. Manche Gries 
hiſche Krieger wurden verwundet, ımd der Schöne 
fie umter deu Griechiſchen Rünglingen fiel, von eis 
dem toͤdtlichen Pfeile getroffen s). Dennoch gab 
Paufentas nit dad Zeichen zum Angriff, weil 
unter allen Opfern, welche er ſchnell hinter einander 
(hladıten ließ, auch niche ein einziges guͤnſtig war, 
In diefer Noth wandte fidh der Spartaniſche Koͤ⸗ 


nig mit Thränen, und dem inbrünftigften Gebet an. 


die "Juno und andere Gottheiten des Platäenfis 
ſchen Gebiets, Das Geber des Rönigd ward ers 
hört. Die Eingeweide der Opferthiere verkuͤndigten 
gnaͤdige Goͤtter und einen glorreichen Sieg. Die 
Spartaniſche Schlachtordnung, die ſich bis dahin 
unthaͤtig erhalten hatte, erhob ſich auf einmahl in 
ihrer ganzen furchtbaren Kraft. Die Griechen 
ſiegten, wie ihnen die Götter verheißen hatten. — 
Der Spartanifche Feldherr Jerkyllidas zog ſich 
vor eine Anoliſche Feſte, um ſie mit dem groͤßten 
Nachdruck anzugreifen. Es lag ihm viel daran, 


ſich dieſer Feſte ſo geſchwind „ als möglich, zu bes - 


mähs 


die ungluͤclichen triſtia genannt. Die verſchiede⸗ 

nen Grade ber guͤnſtigen oder unguͤnſtigen Vorbeden⸗ 
tungen druͤckte man durch die Bepmörter afguta, 
sugalia, luftralia, clivia et peflifera aus. Sau- 
- bert Lc. p.45%. | 


$) II, 518, 819. Plutareli. 


? 


— mi 








x 
= 


mächtigen, um vor ber Ankunft des berßepeileuben ' 


Pharnabazus Meifter des ganzen Aeolifchen. Ges 


biets gu werden. Traurige Opfer hielten feinen uns  - 


gebulbigen Muth am erften Tage auf. Auch am 


; gwehten und dritten Tage waren bie Opfer nicht 


gzuͤnſtiger. Es kraͤnkte ihn tief, daß er bid ans 
. Ende des vierten Tages marten mußte, bevor 
die Eingeweide der Opferthiere Gluͤck und Segea 
zu feinem Vorhaben anzeigten u). Xenophoꝛ 
richtete ſich in allen ſeinen wichtigen Entſchließun⸗ 
gen nach den Ausſpruͤchen der Eingeweide von Opfer⸗ 


thieren, welche er eben ſo gut, als die Wahrſager 
ſelbſt zu verſtehen glaubte x). Nahmentlich lehnte 


er den ihm angetragenen Oberbefehl uͤber das Grie⸗ 
chiſche Heer ſtandhaft ab, weil die Götter ihn durch 
fo deutliche Zeichen in ten Eingeweiben ber Opfers 
thiere davon abgeſchreckt hätten, baß fie auch dem 
Unfundigften auffallend geweſen feyen y). Unter 
ben Griechiſchen Weltweiſen waren die Stoiker die 
eifrigften Wertheidiger der Wahrfagereg aus ben 
Eingeweiden ber Opferthiere. Sie behaupteten, 
daß einem Jeden durch göttliche Kräfte, ober Fuͤ⸗ 
gungen folche DOpferthiere, beren Eingemeibe ihm 
die Zukunft richtig anzeigten, zugeführt würben, 
and dB auch durch dieſelbige Urſachen — 

er⸗ 


u) III. 1. 6 14. nin. Graeca Xenoph. vol, III. De 


[4 


Jvousvos, paln xalsang Dapay, 
-#) V, 6, 9. 15. Anabaf, p. 297. 98. Vol, II 
„vn $. 21, Anabal, ze sun di Jon’ drwe @ 
roic lepoıg soyuyvar, aig war ıdımryy av Yywsaı, dr 
rauryc 146 MOVmpXing arımgscdaı nadaı, 


— 


133. 134. Kas uaypı rerrapuv Ypapav sumprepe - 


ee 47 
Beränderungen in ben Eingeweiben ber Opferthiere 
bervorgebradht werden Tönnten 2). 


Die Mömer empfingen bie Ruf, aus bes 


Eingeweiden ber Dpferthiere zu wahrfagen, ober. 
de fogenannte Extifpicina von ben Struslenz 


ud diefe extilpicina machte neben ber Kunſt, aus 
tem keuchten des Blitzes, und aus widernatuͤrli⸗ 


den Erſcheinungen die Zukunft vorherzuſehen, bie 


karufpicina aus a). Es waren von jeher unter 
ven Römern, wie unter den Griechen Einige, bie 
siht an die Wahrheit, oder Unträüglichfeit der 
Eingeweibe von Opfertbieren glaubten. Gchon 
tee ältere Caro Eonnte ſich nicht genug darüber 
ummdern, daß ein Harusſpex bem andern begegne, 
ohne über cinander zu lachen 6). Auch Cäfar 
kehrte füch nicht an die Warnung bes erfien Harus⸗ 
per, der ihın fagte, daß er nidyt vor einem gewiſ⸗ 

| . fen 


%) Cicer. de Divin. I, 52. II. 15.. . fed Chry- _ 


hppi, Antipatri, Pofdeonii, qui idem iftuc qui- 
dem dicunt, quod ef dictum a te, ad hofliam 
deligendam ducem elle vim quandam ſentien- 
tem.et divinam, qnae tota confuls mundo At. 
lad vero multo autem melius, quod et a te 
üfarpatum eft, et dicitur ab illis;. cum immo- 
lare quispiam vel:t, tum fieri extoram muta- 


tionem, ut aut abfit aliquid, aut ſuperſit: doo- 


rum enim numini parere omnia. 


a) 1, ı9, de Divin. Il. 00. Sed quoniam de extis 
et fulguribus ſatis eſt dilputatum oftenta reftant, 

ut tota harafpieina At periracata, 

b) II. 24. de Divinat, Verum illud Casonis ad- 
modam ſcitum ef, qui mirari le ajebar, quod 
m rideret harufpex,. harnfpigem cum - vi. 

et. .” 


8 W — — — 


ſen Zelißpuncte nad Afrika übergehen möchte cd). 


Nichts deftomeniger folgten bie Römer, und zwar 
bie gebildetſten und vornehmſten Nömer felbft in 
den Zeiten des Cicero den Vorbedeutungen der 
Eingeweide von Opferthieren nicht. weniger, als 


die Sriechen d). So gar Eäfar blieb nicht unbes 


wegt, ald an dem age, wo et zuerft in einem 
Hurpurfarbenen Kleide, und auf einem goldene 
Seſſel erſchien, ein geopferter fetter Ochſe ohne 
Herz befinden wurbe, und ber Haruspex Spu⸗ 
rinna daraus irgend ein großes Ungluͤck prophes 
jeite e)y. Als Caͤſar am folgenden Tage das Fra⸗ 
‘ges Öpfer-wiederhohlte; fah man mit nicht gerins 
gem Schrecken, daß an der Leber des Opferthiers 

— ber 


el Pr II. 24. Quid ? ipfe Caelar cuma fummo 


haruſpice moncretur, ne in Africam ante bru- 
nam transmitteret, nonne tranlmifit? Quod ni 
fecillet, uno in Ioco omnes adverlariorum co= 


piae convenillent, 


- 8) Cicero fagt diefes in beyden Büchern de. divina- 
tione. Ich führe nur folgende Stelle an 11. 04, 
hoc eivili bello, dii immortales! . . quae no« 

bis, in Graeciam Roma re[ponla haruſpicum 
milla [unt? quac dicta Poimpejo? etenim ille 
kdınodum extis et oftentis movebätur. 


49) 1. 50. de divinat, . . Quod paulo ante interi- 
“ tum Caelaris eontigit: qui cum immbolaret illo_ 


‚pufpurea velte proceflit, in extis bovis opimi 
cor non fuit. „. Qua ille rei novitate percul- 


. me et-confilium et vita deficerer, earnm ernim 
: ' zerum htrumgque a eorde profitilci, poſtero die 
„." put in pecore hom fuit. . 


} - 


‚.. die, quo primum in fella aurea fedit, et cum. 


fus, cum Spurinnd diceret, verendum ellet, 


on m 


OO Be A MEO3 a TB 


nn — — gr — — 


— — 4ad 
8 


der Theil rel, wilqhen man das up 
nannte F). | j 


Eine zweyie Haupturſache von Opfern war 
die Abſicht, den Goͤttern fuͤr zugewandtes Gluͤck, 
oder abgewandtes Ungluͤck zu danken. Die wilden 
Fiſcher⸗ und Jaͤger: Horden in allen Erdtheilen 
opfern den Goͤttern nach einer. jeden gluͤcklichen 
Fagd, und jedem gluͤcklichen Fiſchfange g). Alle 
Hirten: Völker brachten von jeher den Göttern die . 
Srftlinge ihrer Heerben dar. . Nach einem Befehle 
Jehova's mußten die Juden nicht bloß die Erſtge⸗ 
burt von allem Vieh, fondern auch bie erſtgebohr⸗ 
nen Söhne den Herrn weihen, oder loskaufen, 
weil der Gott Iſraels die Erfigeburt ber Aeghp⸗ 
tier erſchlagen, und fein Volk mir maͤchtiger Hand 
and der Aegyptiſchen Dienftbarkeit befreyt hatte A), 
Nah der Guͤndfluth baute Noah dem Herrn eis 
nen Altar, nahm von allerfey reinem Vieh und rei⸗ 
nem Gevoͤgel, vpferte Brandöpfer auf dem Altar, 
und der Herr voch den Tieblichen Geruch ). Nach⸗ 
dem die Juden im gelobten Lande den Adler. zu 
bauen angefangen hattenz boten fie dem Jehova 
auch die Erfilinge ihrer Früchte dar k). Zu ben 

| | " Danbs 

P) eapur. Ä 
&) Charlevoix p. ı1B, Georgi’s Ra Böll, G. 388, 

Valenyyn III 10 p, 

4) 11.8. Moſ. C. 13.12 4. V. IV, 3. v. 18. 
DVI. B. M. 8. v. æo. ai. 
H Mich. Moſ. Recht IV. ©, 104. 


D 


. ⸗ 
x 
+) a | 
. ji n 
1} 


Dankopfern. ver Zuden gehörten diejenigen, welche 
fie an allen hohen Feſten bradyten, und von wels 
chen fie Opfers Mahlzeiten anftellten, wozu nicht 
nur Witwen, Waiſen und Fremblinge,. fondern 
‚auch die Knechte eingeladen wurden /), Die Grie⸗ 
- en und Römer vpferten deu ‚Göttern, gleich dem 
Völkern des Morgenlandes, bie CErfilinge aller ' 
Früchte, welche Opfer unter den Griechen rayzzp- 
96.Ivgıw, und unter ben Römern lanx fatura ger 
nannt wurbenm). Viel Eoftbarer waren die Opfer 
nach großen Siegen zn). Nach der rührenden Ers 
zaͤhlung, ober vielmehr Erbichtung bed Renophon 
hatte Cyrus im hohen Alter, da er zum letzten 
Mahle nach Perfien zurück Eehrte 0), einen Traum, 
in welchen ihm Jemand, der mehr, ald Menſch 
zu feyn. ſchien, zurief: rüfte dich zum Abfibiede, 
Kenn du wirft zu den Göttern gerufen werden! Da 
ber Köntg merkte, daß fein Ende herannahe; fo 
opferte er auf allen Höhen dem Jupiter, ber 
Sonne, und’ den übrigen Göttern der Väter, und 
betete: nehmet diefe Dpfer als Danfopfer für alle 
die Wohlthaten an, welche ihr mir vor fo vielen 
nt J au⸗ 


IV. 61. .. 
m) Caſaub. de Satur. Roman. Edit. Ramb. p. 257. 
Saubert. v. 24. p-539. 540. 


æj So ſagt M.Servilius in der Rede pro triumpho 
Aemilii Pauli ap. Liv. 45. c. 39. pars non mi- 
nima triumphi eft victimae praecedentes, ut 
appareat Diis grates agentem imperatorem, ob 
rempublicam bene gellam redire. Omnes illes 
victimas, quas traducendas in triumpho vindi- 
tavit, alius alio caedente mactate, - ° 


0) Cyrop, VIII, 7, Se 1. 


mu —— $1. 


anderen Menſchen ermwiefen habe! Macht mein 
Reb,. und wieine Kinder, : meine Freunde, na) 
mein Waterland gluͤcklich, und fhenkt mir ein En 
ve, dad meinem gluͤcklichen Leben entſprechend 


ja! 


' Die dritte und lezte Haupturfache von Opfern 
war die Hoffnung, den Zorn der Goͤtter zu ver⸗ 
ſihnen, die Schuld von Sünden zu buͤßen, und 


gegenwärtige, ober künftige Unfälle, welche man 


für Wirkungen des göttlichen Zornd, oder für Koks 
gen begangener Suͤnden hielt, abzuwenden, oder 
dboh zu mildern. Alle Opfer, welche diefe Abs 


fihten hatten, wurben Süßnopfer p) genannt. 


Die Einrichtung ber Sühnopfer ſezt folgende 


allgemeine Vorftellungen voraus. Alle ungewähns - 


liche Begebenheiten find Zeichen, fo wie alle Uns 
fülle,. Wirkungen bes göttlichen Zorns. Die Göts 
ter werden durch unmifjentlihe und unvorfezliche 
Handlungen eben fo oft, und eben fo fehr zum 
Zorne gereißt, als durch bie gröbften und vorfezs 


lihfien Verbrechen. Selbſt Boͤſewichter aber, ' 


welche durch ſchwere Miffethaten den Zorn der 
Götter auf fit geladen, und ſich ber göttlichen 
Strafen würdig gemacht haben, koͤnnen ohne Meue 
und Befferung ihre Schuld auf eine doppelte Art 
tilgen, und eben fo den Zorn ber Götter befänstis 


gen, oder ihre Strafen abwenden: entweder, wenn 


fie den Gsttern Dpfer und Geſchenke bringen, oder 
wenn. fie Unſchuldige ſtatt der Sqhuldigen bügen 
machen. - J 

P) Sacrificia Sxpiatoria, 


n 2 


Wann 


a 


- en ee 
x Ks 


. Wenn die Neger 7), die Americaner r),. die 
Sibiriſchen Heiden s), und die Oſtindiſchen Inſu⸗ 
Toner £) irgend ein Ungluͤck erfahren; fo fragen fie _ 
gleich ihre Priefter oder Zauberer, wodurch fie die - 
Goͤtter beleidigt hätten, oder wodurch fie diefelben 
verſoͤhnen Fönnten, und die Priefter, oder Zaubes 
ver antworten: durch irgend ein Dpfer, oder Ges 
ſchenk. Auf diefelbige Urt dachten, und handelten die 
Griechen uno Römer. Schon Homer, und bie ' 
Alteften Dichter fagen, daß Menſchen, die etwas 
verbrochen hätten, die Götter durch Gebete und 
Dpfer beugen, ober ben Zorn der Götter brechen 
koͤnnten. Nahmentlich beriefen ſich auf den Ho⸗ 
mer · die Betrüger, die ſich zu Plato's Zeiten für 
Schuͤler des Orpheus und Muſaͤus aushaben u), 
und ohne Scheu behaupteten: man koͤnne durch 
Opfer, und andere gottesdienſtliche Handlungen, 
bie an geheimen Feſten vorgenommen wärden, nicht 
nur die Götter verfühnen, und die Strafen. ber 
Sünde in biefer und einer andern Melt abmenden, 
ſondern man Eönne auch die Götter felbft zwingen, . 
| . den 


. 9) de Bry VI, oo, Loyer p. 248, 
r) Charlevoix p. 348. . 
-, 9) Georgi's Ruß: Voͤlk. & 389. 
Ey) Valentyn III, 10. Zu ' 
" #) Plat, de Republ. L. II. 102- 106. Edit, Maffey, 
"Os de ryc ruv Iswv Um’ avIpwrwy mapaywyns Toy 
. Duppov nuprupovray, Ori x ensıvos ame 
» . Sperros ds ys xy Jsoi auror. ' 
N TEC AV Jvamımı xy suxgwäaig ayayyaı Aoıdy 
. TE AVIGONTE TRPRTOWERG, avipure Aussonsvbi, ore 
xivric Uaspdyn a MURpTy, 


| 


[2 


— — u) 


in Willen der Menſchen zu. erfällen 2 Unb 
biefe Betrüger täufchten nicht bloß Arme und Uns 
wiffende; mein, die Bornehmften und Reichſten 
unter ben Griechen, ja felbft ganze Städte, Je 
gefährlicher ober bedenklicher bie Zeitläufte waren, . 
defto mehr fahen die Roͤmer Zeichen und Wirkume 

gm des göttlihen Zornd y). Der Megel nad 
füchten Die Conſuls auf Befehl bed Senats bie. 
jürnenden Götter burdy größere. Opfer zu verfühs 
sen z). : Wenn aber. Prodigia ganz ungewöhnliche 


Schrecken erregten, oder fi) außerorbentlich Hufe 


ten; fo gab man den Zchnmännern Befehl, die 
Eiylinifäen Bücher einzufehen : : welqhe bann 8 
ws ne 


. 
”. 


x) 1. c. ayvpra; de a paursıc mi wAucıwv Jupas 
iorac, ways Bc 55 Raps oPıcı duvapıc u 
Yswy wong onery, Jugisic Ts a awadaıg, urs Te " 
adınyur TE Yayoray aurs x Tpoyovay, any 
peI’ Hdovay re um doprwv „ . wudovruc 8 pnayau 
Wwrag alla xy moAlsıc, oc apa Avasıs NY Ne 
Irpums adıynarav , dia Jvcımy x warding yo 
dovov, dıcı usvarı Cwoiwv, sic. ds Na. TSÄSUTN- 
wacıy. &c ds TElsras unÄscım, MITWV AXE KERNE 
aroÄuscıy uac. | 


y) Liv, 28 c. ı2. In civitate tanto dilcrimine ' 
belli follicita, guum omaiım [ecundorum ad- 
verforumgue caulas Deos verterent, multa pro- 
digia nuneiabantur. L. 29. c. 14. Impleverat 
ea res [uperftitione animos, pronigue et ad 
'nunciapda, et ad credenda prodigia erant: eo 
plura volgabantur. 


%) 28. €. at ‚tamen..., et , holiis majoribus procn« 
rari. placuit. 1 


- 


r * ‘ ’ ’ v — 
1 J 
’ t ‘ 
x . 
54 Zr — _eum \ 


ambhnlich entweber Feſte, ober Gaben und Opfer a), 
als Werföhnungsmittel der Götter vorſchrieben. 


Im I 559. ab u. c. sreigueten ſich fo häufige 
Erdbebhen, daß fo gar bie abergläubigen Römer fo 
wohl. der Sache felbft, als der vielen Ruhetage, 
. walde man deßwegen anfagte, überbräßig wurden. 


Man konnte weber Senat halten, noch oͤffentliche 


Angelegenheiten vornehmen, weil bie Confules 


ſtets mit Opfern, und anderen Verfühnungen der 


Götter befhäfftigt waren 5). Nachdem die Zehus 


männer erflärt hatten, was man thun mäfle, um 


led im Nahmen bed Senats bekannt, daß Nies 
mank an ſolchen Lagen, auf welde Ferien anges 
De worden, neue, Erdbeben melden folle c% 


Die oben angeführten Beyfpiele von Opfern und 
Feſten, welhe man um unbedeutender Verſehen, 
‚ ober Unfälle willen wiederhohlte, zeigen,; wie leicht, 
und wie oft die Mömer glaubten, daß bie Götter 


zum Züsmen und Strafen bewegt werben koͤnnten. 


Unter 


a) Liv, 31. c. 12. L. 34. c. 55 \ 


. db) L. 34. 0, 55 . . terrae motus ita erebri nun- 


ciabantur, 'ut non rei taritum ipfius, fed’ fe- 
siarum quoque ob id indictarum homines 
taederet. Nam neque ſenatus haberi ;. neque 
respublica adminiftrari poterat; Iacrificando 
sxpiandogue occupatis confulibus, 


c) 1, c. ne quis, quo die terrae motu nunclato 


- feriae indictae ns, eo die dlium terrae mo- 
tum nuntiaret, _ Gi 


- 


‚ bie Goͤtter zu befänftigens fo machten die Confus _ 


‘ . 
on — EN m —⸗ De u — 


BO DE u nn BD Mi. Bi - An ET 7 an -Ei- BB 4A Wi 


— — 55 


inter den Aegyptiern waren alle Opfer, auch 
he, welche man brachte, um ben Göttern für 
' Rohlthaten-.zu banken, ober Wohlthaten von ih⸗ 
mju erhalten, zugleich Suͤhnopfer. Wlan fprady 
‚ ie ven Kopf eined jeden Dpfertbierd die Fluͤche 
us, daß alle Uebel, die den Dpfernden ober dem 
men Vaterlande begegnen koͤnnten, anf biefes 
| Suipt fallen möchten d).. Moſes traf unter den 
Soden eine ber aͤgyptiſchen Ähnliche Denkart m, 
ud beftätigte fie darin. - Er theilte die Suͤhnopfer 
. wSindopfer und Schnlbopfer ab e), welche beyde 
viederum von ben fpäteren Gchriftgelehrten in 
mehrere Unterarten jerlegt wurden f). Cs iſt 
eben fo falſch, daß durch die Suͤndopfer unvorfeßs 
lihe und Durch die Schuldopfer vorſetzliche Ver⸗ 
gungen gebüßt werden follten ), als daß man 
fie erften für Begehung» Sünden, und die ander 
‚ taflr Unterlaffungs s Sünten gebracht habe hy; _ 
: Wofes ſagt zwar, in welden einzelnen. Fällen 
Sind: und in welchen Schaldopfer geopfert werden 
ſellun; allein ex gab Kein allgemeines, und ſiche⸗ 
8 Merkmahl an, nad welchen man die Fälle 
bite unterfcheiben. Einen, wo man bie einen, ober 
die anderen zu bringen babe. Vielmehr belegte. 
er tin und baffelbige Opfer bald mit dem Nahmen 
ven Suͤnd⸗ und bald mitbem Nahmen von Schuld⸗ 
5 | opfer 
q 11. 39 c. Herodot. Bu 
) . v. M. 4 5.6. Cap. 
N Outram 1. ©. 10. 
6) Sykes S. 278. 79: 


h Di glaubte Michaelis IV, 46, Moſaiſches 


apfer ). Mean brachte beohe ſowohl fir ünwill⸗ 


kuͤhrliche Handlungen ober Veraͤnderungen, und 
unvporſotzliche Vergehen, als für vorſetzliche Wers 


hrechen, welche man bereute. Zu den erſteren ge⸗ 
hörten Ausſatz, Saamenfluß, Bluifluͤſſe, und 


vorſetzliche Berührung oder Genuß von unreinen 
Dingen; zu ben anderen, Borknthaltung von frem⸗ 
dem Gut, Meineid, Diebſtahl, Raub, und Ehe⸗ 
bruch k). Moſes ſelbſt erkannte durch die Ein⸗ 
ſetzung ber Suͤnd⸗ und Schuldopfer au, daß man 
durch Dinge, welche man unvermeidlich, oder un⸗ 
vorſetzlich thue, ober Heide, fündigen: daß man 
| die Schuld grober vorſetzlicher Verbrechen durch 
eine Ark von Bußageld-) tilgen, oder fie auf Uns 


ſchuldige uͤbertragen, und biefe ſtatt der Schuldi⸗ 


gen leiden laſſen koͤnne. Die groͤſten Schuldopfer 


befianden bloß in einein Widder ohne Tadel, der 


zwey Seckel Silbers werth war: die kleinſten, in 

einem Paar junger Tauben, oder gar in einer klei⸗ 
gen Quantität von Mehl. Wenn mar zwey Tau⸗ 
ben darbrachte; fa war das Opfer ter. einen eine 
poena vicaria, das der. andern, eine mulcta. 


Der. Prieſter kneipte ber erſtern, bie gleichfam ſuͤr 


den ſchul digen Opfernden buͤßte, den Kopf ab, 
ſpreugte einen Theil des Bluts an bie Seiten beö 


Kat, un N das aͤerige Blut am Fuße a. 


> Dieß bemerkt ſchon Outram L.e 13. 68 Im 
tamen, ut eidem victimae nomen utrymgque 
ponnnmquam detur. Liv. 5 v. 6, ° 


H 3. B. M. 4. 5.6. a v. S. On- 
wam k Gr 120 6. 3. 


mulota. 


! 


| u 2° m u Be Ar 


ze m. 


’ 
ne u — XA >: 


Atars auslanfen. Die zweyhte biente zum Brands 
. spfer, und war gleichſam eine Strafſchuld, wie 
das Schuldopfer von MWeißenmehl, wovon eine 
Handvoll auf den Altar geworfen wurde, und der 
Reft dem Prieſter als ein Speifeopfer zufiel. Die 
gewöhnlichen Sündopfer ber Juden waren, gleih 
den Dpfern ber Aegyptier, zum Theil Sühnopfer, 
sum Theil Speife: oder Brandopfer m): Suͤhn⸗ 
opfer, weil man das Fell und Fleifh der Opfers 
thiere, fammt dem Kopfe, ben Schedeln, ben 
Eingeweiden und dem Unrath der Eingemweide außer 
dem Lager, ober der Stabt verbrannte: Speiſe⸗ 
‚spfer, weil man dad Blut an die Hörner, und 
ven Fuß des Altard goß, und alle Ferthäute 
famt deri Nieren auf dem Altare anzuͤndete. Die - 
merkwuͤrdigſten unter den Suͤndopfern ber. Tuben _ 
waren bie beyden Ziegenboͤcke, welche ber Hohen 
-priefter an dem jährlichen großen Verſoͤhnungsfeſte 
im Nahmen des ganzen Volks vor den Herrn flels 
fen mufite »). Wenn dieſes geſchehen war, fo. 
warf man das Loos über die beyden Boͤcke, ein 
Loos ben Herrn, bad andere, bem Iebigen Bock. 
Der Bo, auf melden das Loos des Herrn fiel, 
warb von dem Hohenprieſter ald Suͤndopfer ges 
pepfert, und durch das Plut beffelben, was der 
Hohepriefter fo wohl gegen den Gnadenſtuhl, al 
an die Hörner bes Altar fprengte, wurden bie 
Huͤtte des Stifts, and das ganze Volk von allen - 
Ihren Unreinigfeiten geſaͤubert. Nach dem Opfer 
des erſten Bockes legte ven Mohepriefter beyde 


m) In der erſten Rraͤckſicht poena vicaria, in Der 
andern mulcta, u Zu 


») UL, B. Moſ. Cap, 16. 


ine 


J 
—— ——— — 
* 
N 


‚Hände auf bad Haupt bes ledigen Bode, bekann⸗ 
te auf ihn alle Miſſethat der Kinder Iſrael, und 
alle ihre Uebertretung in allen ihren Sünden, trug 
diefe Sünden auf das Haupt ded Bocks über, und 
ließ ihn dann in. die Wuͤſte fuͤhren. Wer diefes 
gethan hatte, muſte feinen Leib, und feine Kleider 


waſchen, bevor er wieber in bad Lager, ober ‚bie 


Stadt zuruͤckkommen durfte. Der: Eine ber beys 
ven. Sündenböde alſo litt ſtatt der Israeliten 


und der andere nahm ihre Schuld auf ſich damut 
ſie von ben Strafen berfelben befrept wuͤrden 0). - 


| Die erften Gaben, welche man den Göttern. 


brachte, waren faft noch kaͤrglicher, als die älte 
ſten Opfer. . Die Neger p), die alten Peruaner 


und andere Bewohner ber neuen Melt g), beſon⸗ 


ders 


* 


0) Dieſelbige Denkart dauert noch jezt im Orient 


fort. Als Bruce vor dem Hafen von Jambo vor 
Auker lag, bektiegten ſich die Türken, und die 
Unterthanen bed Scherif. von Mekka - mehrere. Zas 
: ge auf das feindſeligſte. Endlich wurden beyde 
Fyarteyen des Streits muͤde, und kamen mit ein⸗ 
ander darin uͤberein, daß ſie einem Suͤnden⸗ Ka⸗ 
meel die beyderſeitige Schuld anflegen, und dann 


vdas damit beladene Thier firafen wollten. Man 


warf dem Kameel in langen Reden vor, daß es 
Menfchen erihlagen, und gedroht habe, bie Stadt 
anzuzünden, u ſ. w. Nachdem man alle Wors 
wuͤrfe erfchöpft hatte, Durchflachen die Umſtehen⸗ 
den dad Thier mit ihren Lanzenz und die bisheri⸗ 
gen Feinde gingen verfühnt nach Haufe, Bruce 
1. 151. 52. Neue Ausgabe. j 


) Lugerp.2ß88. 
M) Acoſia ſ. 206. 227. Charlevoix p, 348. 


8 


| — ——— —— 


— 855 
ind die Sibiriſchen Heiden ), fehenkten und fihens 


In ihren Göttern felten: etwas anderes, als zer⸗ 


Iuhene Scherben, oder unbrauchhare Lumpen, 
Etiefeln und Schuhe. Diefe Kaͤrglichkeit, ober 
Einfale in heiligen Gaben erhielt fih bis auf 
mfere Zeiten unter ben geringeren Volks: Elaffen 
kr reichſten Europaͤiſchen Laͤnder. Kin neuerer 
Reifendee traf in manchen Dratosien Staliend Eleine 
Eike au, die bloß mit Sand und kleinen Stei⸗ 


wen gefüllt, umb Don bürftigen Froinmen ald Ge⸗ 
Thrule waren hingelegt worden )). Won bem Zeits 


pncte an, wo mit den Meichthümern ber Völker 
er. Aberglaube, oder eine falfche Frömmigkeit in 


Heben Grabe zunahm, wurde die Verſchwendung 


in Gaben ohne Vergleichung größer, ald in Op⸗ 


fm, weil edle Metalle und Steine. einen höheren 
Beth hatten, und mehr gehäuft-werben konnten, 


als untadeliche Opferthiere. | | 


Man brachte Gaben aus eben ben Urſachen, | 


ws welchen man opferte: eutweber um ben Goͤt⸗ 


teen für empfangene Wohlthaten zu banken, ober - 
am fie zu bewegen, daß fie Gutes erweifen, ober. 


Voſes abwenden möchten. Am Ganzen genommen 


hotten die Gaben öfter, als bie Opfer, eine natürs 


Ihe Beziehung auf ‚die Lage, ober Vebärfniffe, 


und Münfche der Bebenden. Unter allen Völkern 


vum Beyſpiel t) ſchenkten Kranke, oder Beſchaͤdigte, 
die durch die Gnade der Goͤtter und Heiligen von 
| . | Abe 


r) Georgis Rufl. Bil. S. 389, 
9) Voyage en ltalie IV. 95. I 


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Thomaf. de Donariis c. 7, Keisleri Antig. p. 


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ihren Uebeln waren geheilt worden, entweber gols 
bene und, filberne, ober eherne and hölzerne Bil: 
ber der miederhergeſtellten Theile, oder wenigſtens 
gemahlte, ober geweihte Tafeln, auf meldıen bie 


Webel und bie Mittel dagegen finulic, Yorgeftellt, 


ober ausführlich befchrieben waren u). . Nach einer 


“ alten Gage unter den Griechen fiudierte Hippo⸗ 
krates fleiffig die Tafeln von Geheilten, die im 
dem Tempel des Aeſkulap auf der Juſel Kos. 
geweiht worden waren, und fchöpfte daraus bie 


erfien Elemente feiner Wiflenfchaft x). Gerettete 


: Schiffbrüdhige mibmeten den Göttern aus Dank⸗ 


barkeit entweber die Kleider, in. welchen fie dem 
Rode entgangen waren, ober ähnliche Tafeln, ders 


gleichen von geheilten Kranken dargebracht wurs 


den, und diefe Gaben dauern noch immer unter mehs 
reren chriſtlichen Völkern fort y). Knaben, Jung⸗ 
frauen und in Freyheit geſeßte Knechte ſchenkten 


den Göttern ihr Haupthaar: Juͤnglinge, die Erſt⸗ 


Hinge ihres Baartes 2). Vero legte feinen Pflaus 
mens Baart im eine goldene WBüchfe, die mit den 


koͤſt⸗ 


u) Strabo nennt beſonders die Tempel zu Epidaurus, 
Kos und Tricca als ſolche, wo ſich viele Tafeln ges 
‚funden hätten. VIII. 575p. Thomafinus führt 

merkwürdige Beyſpiele von diefen tabulis votivie, 

, bber ex voto at. 


x) Plin, sgo ce. ı. Is cum fuillet mos, liberatos 
morbis [cribere in templo ejus Dei, quid auxi- 
liatum ellet, ut poftes Amilitudo proficeret, ex- 
feripfille ea traditur, atque ut Varro apud nos 
credit, jam templo cremato infituille :medici- 
namı hane, quae clinicg vocatur, 


y) Tbomafin, 1. c. Guys, 145, 146 p. 
) Thomafin, c. 1, W 


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koͤſtlichſten Perlen befeßt war, und übergab bie; 
fe Kleinod dem Capitoliniſchen Jupiter a). Men: 
{hen aus allen Ständen ſchenkten den Göttern aus 
Dankbarkeit die Werkzeuge, oder Waffen und Ars 
beiten, benen fie, ihren Unterhalt, oder ihren 
Ruhm, ober ihre Wohlfahrt zu danken Hatten. 
Alte Fiſcher mweihten den Göttern ihre Nee, wie 
die Schäfer ihre Flöten b), und Kämpfer, ober Krieger 
die Waffen, womit fie geftritten hatten ch. Kuͤnſt⸗ 
le und Fünftliche Arbeiter boten den Göttern euts 
weber die Inſtrumente, womit fie ihre Dieifters 
werfe verfertigt hatten, oder eind nnd das aus 
dere ihrer Meiſterwerke felbfiz ober menigftens 
Symbole berfelben dar d). Dichter widmeten ben 
Göttern ihre Gedichte, oder ihre Leyer: weife Maͤn⸗ 
ner ihre Denkſpruͤche: Philofophen und andere 
Shriftfteller ihre midjtigften Werke e). Dieſe 


Benfpiele fanden auch in neueren Zeiten viele Nach⸗ 


ahmer. Manche chriſtliche Autoren fehrieben ihre 


Werke 


a) Suet. c. 12. in Nerone. Gymnico, quod in (eptis 
edebat - - - primam barbam poſnit, conditam- 


que in aureaın pyxidem, et pretioſiſſimis marga-. 


ritis adornatam Jovi Capitolino confecravit. 
8) Virg. Ecl. VII, 


e) Man ſ. Virg, Aeneid, I, 259, et ibi Servium. 


4) Viele Beyipiele kommen in dem Berzeichniffe der 
Schaͤtze ded Deiphiichen Tempels beym Paufanias 
Or , Lib, Ä,. “ 9 et ſq. Thomaſ C· 34. Hip⸗ 
pokrates widmere dem Apoll zu Delphi ein Bes 
rıppe von Erz, aus Dahtvarkeit für Die göttliche 
— womit er zerbrochene Gliedmaaßen geheilt 

atte. 


¶ Hierüber ſ. man Geſch. der Wiſſenſch. J. 53 u. f. ©; 
iog. IX, 6, Thomal, C. 25, | 


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Werke entweder der heiligen Dreyeinigkeit, oder 
der Jungfrau Maria und anderen Heiligen zu. 


Lipſius hatte bie Eitelkeit, feine ſilberne Schreib⸗ 
feber einem berühmten Gnadenbilde der Mutter 


.  &otted anzuhängen f). Giegreiche Feldherrn end⸗ 
lich weihten den Göttern entweder goldene Cronen, 


sder koſtbare von Feinden eroberte Rüftungen und 


I Waffen, oder einen Theil der Beute, oder auch 


alle drey zugleih g). Wenn der Waffen und Ruͤ⸗ 


ſtungen zu viele waren, fo las man bloß bie koſt⸗ 
barſten aus, um fie in den Tempeln der Götter 
- anfzubängen. Die übrigen brachte man in Einen 
‚Haufen zufammen, und zündete fie den Göttern 


gu Ehren ale ein Brantopfer an h). Im Deient 
wär ed uralte Sitte, ber Gottheit den zehnten 


Theil der von den Feinden genommenen Bente zu 


fihenifen i). Dieſelbige Sitte ward von den Grie⸗ 


‚Gen und Römern beobachtet i). Man kann Leicht 


. dens 


— 


f ) Thomafin. 1.c. Divae Hallenfis appenfug ho. 


+"  dieque conlpicitur calamus [criptorius cx ar- 


gento conflatus, quem aeterhitati vovit magnus 


“:_ ile Liplus etc, 


g) Thomal, c, 22. Ueber die Fofidaren Maffen und 
Rüftungen der Earthaginienfer , weldye Timoleon 
den Göttern widmete, ſ. man Plutarch. II. p. 233. 

“über die der Perfer, welche Alegander der Mis 
nerva weihte, Arsian, I. c. 16.. über bie [polia 


S 


i . opima der Römer Plut. II. 416, 417. 
%) Sd machte es Marius mit den Waffen nnd Ruͤ⸗ 

ftungen der Eimbrer. Plut, Il. 845.44 
. 3) Genel. e. 12. 


k) © ſchenkten die zehntauſend Griechen den zehn⸗ | 
"pen Theil der Beute dem Apoll zu Deiphi, und 
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u — — 6 3 
| denken, welche ungeheure Schaͤtze ſich allein durch 
dieſe Dankgaben von ſiegenden Feldherren in: den 
Tempeln der alten Welt aufhaͤufen mußten, 


Auch die Gaben, wodurch man die Goͤtter 
bewegen wollte, Wohlthaten zu erweiſen, oder 
Ungluͤck abzuwenden, hatten bisweilen eine Wer 
jiehung auf die Wünfche der Geber. So ſchenken ‘ 
bie Neger in Afrika ihren Fetiſchen leere Kruͤge 
wenn fie Megen brauchen: Saͤbel oder Dolche, wenn 
fie in den Krieg: Graͤten, wenn fie auf. den Fifchfang 
gehen, und kleine Scheeren oder Meſſer, wenn fie reiche 
lich Palmwein zu erhalten wünfen?). In Griechen⸗ 
land boten zarte Jungfrauen der Venus meiſtens 
Noaocxnetze und Bruſtbinden dar, damit die Goͤt⸗ 
tinn zum Wachsthum ihrer Haare und Bruͤſte 
Gedeihen gebe m); mannbare Sungfrauen hingegen ' 

leibbinden, um bald Semanden zu finden, der ihh⸗ 

nen den Guͤrtel Iöfe n). Im Ganzen genommen | 

aber fuchte man die Götter, welche man verföhr 

nen, oder von welden man Wohlthaten erhalten 

wollte; durch Eoftbares Geräth, durch Edelſteine 

und Perlen, am häufigften durch Waffen von Gold 
En - und 





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der Diana zu Epheſus V. c. 3. Anabaf. Xendph,, 
und Agefilaus. dei zehnten Theit der in zwey 
Jahren von den Perſern genommenen Beute, der 
über hundert Talente betrug c. 1. in vita Ageſilai. 
D Loyei. p. cab. 
m) Auch Pupas, Perſ. II. v. 70. 
PDiſcite poutifices in ſatris qhid facit adrırgı ? 
Nempe hoc, quod Veneri donatae a virgine 
- ° ' - pupae, R ‚ | N. 5. 


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n) c. 12. Tho mahn, 


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nm 
Juͤglich, weil es nicht genug bewährt ift )). Deſto 


unbezweyfelter ift der Heldenfinn, womit bie beys 
den Decier fih für Ihr Vaterland, und befonders 


für die Roͤmiſchen Legionen, und deren Bundes» 


genoſſen aufopferten m). Beyde erboten fi, den 


Zorn ber Götter durdy die Vergießung ihres Rluts 
zu verfühnen n). Beyde ſprachen gräßliche Flüche 


. über fich felbft aus, und Übergaben zugleich bie 


feindlichen Heere, unter welche fie fich ſtuͤrzen wolls 
ten, dem Zorne ber Götter, befonder6 der Ma⸗ 
ter Tellus, und der abgefhiebenen Seelen 0). 
Beyde richteten wirklich den gefuntenen Muth der 
Mömifchen Krieger wieder auf, und verbreiteten 
Schrecden und Verderben unter die feindlichen 
Heerfchaaren, melde fi dur dad Blut der ge: 
fallenen Sühnopfer befledt, und ber Made der 
Götter überantwortet glaubten. p). Ä 

| Thiere 


il) Liv. VII. 9 Cura non deellet, fi qua ad verum 
via inquirentem ferret: Nunc fama rerum fan- 
dum ef, ubi certam derogat vetuflas fidems - 

'»< Et lacus nomen ab hac recentiore inägnitius 
fabula eß. | 


: u) Liv. VIIE 9, X. e8. 


a) Liv. VII. 9. Vom Vıter Dectus ſicut coelo 

miſſus piaculum omnis deorum irae,. . X. 28, 
Datum hoc noftro generi ef, ut luendis pericu- 
lis publicis piacula ſimus. u 


J 0) U cc. Legiones auxiliaque hoflium, mecum _ 


... Diis manibus tellurique devoveo. . . Jam.ego 


mecum legiones holtium mactandas telluri, ao 
diis manibns dabo, on 


p)1.c. Vom Vater Decius: Evidentifimum id 
fait, quod quacungue equo invectus eſt et 
Be 0 Band 


wurde 5). Im Griechenland. waren feine Tempel 
reiher, als tie zu Olympia, und vorzüglich zu 
Delphi, von welchen ſchon Perikles vor dem Ans 
fauge bed Peloponneſiſchen Krieges fürchtete, daß 
fie durch die Lacedaͤmonier möchten geplündert vers 
ten 2). Sm Zempel: zu Delphi lagen vor feiner 
Beranbung turd die Phocenfer mehr Reichthuͤmer 
an Gold und Silber, ald in ganz Griechenland 
im Umlauf woren. Man fhäßte diefe Reichthuͤ⸗ 
mer auf mehr, als zehntaufend Talente, ober vier 
und fünfzig Millionen Livres v). Die Phocenfer 
unterhielten aus den Schäßen zu Delpht Sahre lang 
aroͤßere Meere, als bie reichften und mädhtigfien 
Freyſtaaten zu unterhalten im Stande gewefen was 
ten. Der Tempel zu Delpht warb audy deßwegen 
der reichfte in Griechenland, weil er nicht bloß von 
Griebiichen Fürften. und Staaten, fondern au 
son fremden Königen und Völfern große Gaben 
erhielt x). Allem Unfehen nach übertraf ber Tem 

pe 


5) De Dea Syria, in op. Luc, II. 457. wu u 
uns 0oAßs Tip, 89 Top syw oda, TpwWTov a6 wos 


Yap aurolcı amınyvaosraı xpykara, au Te Apmßeac, 
zu Fowmav, x Baßvioyıny, za aAix ax Kom- 
zadonıns, ra de naı Kılınsc Dapacı, ra ds Agoupm. 
sıdov de syw au Ta ev ra vw Audpy AronsaTaı, 
eoI1Ta wolirv, nu alu; Ox0om a6 apyupov 7 86 
xpucovr æroxsxpir ai. 

t) Apud Thucydidem Lc. 143. 

u) Voyage d'Anacharũs II. p.20. Ed. 4. 


.) Man Iefe nur allein, was Herodot Über die Frey⸗ 
gebigfeit der. Lydiſchen Könige gegen ten Gore zu 
Delphi ſagt. Herodot 1, ‘© 50, et lg. u 


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pel des Capitoliniſchen Jupiter zu Rom ſekbſt 
noch den Tempel zu Delphi an heiligen Schaͤtzen. 
Mod) ven Verſicherungen der Mömifhen Schrift⸗ 


ſteller war der Eapitolinifche Jupiter reicher, als 
‚der. oͤffentliche Schaß, da biefer am reichften 


war. . Jahrhunderte ang brachten friumphirende 
Seldherren diefem Gotte bie geplünderten Kunfts 


werke, und einen großen Theil der geraubten Schäße 


überwundener Völker dar. Eben fo lange wetteis 
ferten die mit den Römern verbändeten Könige und 
Staaten in ber Herrlichkeit der Gaben, welche fie 
dem vornehmſten Gott bed weltbeherrfchenden Vols 
kes darboten y). Der Eapitolinifche Jupiter ers 
hielt vorzüglich die Gaben, iveldye die Mömifchen 
Feldherren, oder Magiftrarsperfonen bey dem Ans 
fange von Kriegen, oder für die dauernde Wohlfahrt 
bed Reichs, fpäter für die Wohlfahrt der Beherrs 
her gelobten 2). Die unermeßlichen Reichthoaͤ⸗ 
mer des Gapitolinifchen Tempeld kann man allein 
and ber Größe der Diebftähle abnehmen, melde 
Eraffus und Caͤſar, als Conſules, an den verbor: 


‚genen Schaͤtzen des Gottes begiengen. Der Erftere 


vaͤmlich raubte zwey taufend 0), und der Andere 
dreytanfend Pfunde ungemünzten Golded, bie in: 
einem Gewölbe unter der. Schwelle des Tempels 

“ Be 0 [as 


y) Ein. Beyſpiel führt Cicero in der vierten Rede 
gegen den Verres c. 28. 29. an.. nn 
2)- &0 erhielt 3. ©. der Kaiſer Probue: von’ allen 
Galliſchen Städten goldene Eronen, welche er dem 

upiter umd anderen Göttern ſchenkte. Vopilcas 


4 


in ejus Vit. q. 15. 
4) Plin. XXXIII. ı, .. 


a 
De 





— — 62 


lagen 6). Auguſt erſehte dieſes mehr, als fuͤnffach, 
indem er außer funfzehntauſend Pfunden Goldeo 
den Werth von mehr, als einer Million Thaler, 
an koſtbaren Steinen und Perlen ſchenkte c)). Un⸗ 
tr den Machfolgern des Auguſt war Aurelian 
der Einzige, ber ſich ihm durch feine Freygebigkeit 
gegen den "Jupiter, und bie übrigen Roͤmiſchen 
Götter näherte d), Wahrſcheinlich beſaßen alle 
wegen ihrer Reichthuͤmer berühmten Gnavenörter 
der Chriften nicht fo große Schäße in Gold und 
Silder, in Perlen und. Edelfteinen, ald ein einzis 


ger der Don mir genannten Tempel bes Alterthums 


in ſich faßte. In den Hinterindifhen Reichen 
vergraben die Könige und Vornehmen ihre Schäße . 
in Tempeln, melde fie felbft gebaut haben e), 
oder fie werfen ihre Gaben an Gold und Stiber 
durch eine Deffnung in einen wegen feiner Heilig⸗ 
keit vorzüglich geehrten Tempel hinab. Dieß letz⸗ 

" tere 


3) Sueton, in Cael. c. 54. In primo confulatu . 
tria millia pondo auri furatus e capitolio, tan- 
tnmdem inaurati aeris repoluit. | 


e) Suet. in Aug. 6. 30. Aedes facras . , refecit, 
easque et taeteras opulentifiimis donis adorna- 
vit: utpote qui in -cellam Capitolini Jqvis fe- 
decim millia pondo auri, gemmasyue ac mar- 
garitas quingenties HS. una Jdonatione contu- 

lerit. 


d) Vopiſo.in Aurel, e. Su. Ulins donis, quae 
barbaris gentibus mernit, refectum ef Capito- 
lium: quindecim millia librarum auri ex ejus 
liberalitäte' unum tenet templum, omnia in'urbe 
fana ejus micant donis. oo 


ı 


1. 373. Loubire. 


⁊ 


/ [2 


68 | — — 


tere geſchieht bey dem Tempel Digon, nahe bey | 
Rangon, von deſſen Schage bewegen Sonnerat 


glaubt, daß er einer ber reichflen auf dem ganzen 


Erdboden fey. Einer der Gefandten, welche Luis 


dewig XIV. nad Siam ſchickte f), war überzeugt, 
bag fein König bie damahls fon auf Hunderte von 
Millionen fleigende Summe von Schulden würde 


„abtragen fönnen, wenn er fi) der in ben Siami⸗ 


fen und Peguanifchen Tempeln vergrabenen todten 


Schaͤtze bemaͤchtigen wollte, oder bemaͤchtigen bürfte. 


Alle bie Urſachen, um welcherwillen man an⸗ 


dere Opfer, und Gaben brachte, bewegten bie 


Menſchen auch, entweder ſich felbft freywillig, oder 
ihre Bruͤder gezwungen den Goͤttern als Opfer dar⸗ 
zubieten. Die Menſchenopfer waren von jeher 
entweder freywillig, ober gezwungen. Die letzte⸗ 
ren waren viel allgemeiner, als die erſteren. Man 
kann kaum irgend ein bedeutendes Volk nemen, 
das nicht Menſchen geopfert hätte, oder noch 

opferte g). 


Li 


| Wenn freywillige Hingebungen, oder gewalt⸗ 


fame Beraubungen des Sehens ben Nahmen von 


Menſchenopfern verdienen ſollen; ſo muͤſſen ſie 


nothwendig in gottesdienſtlichen, und zwar vorzuͤg⸗ 
J lich 


De oere, doch Tanı-ich die Stelle 


) Ueber die Menfchenopfer fe man vprzüglich meine 

⸗ beyden Abhandlungen de ſacrificiis —** im 
achten und neunten Bande der Commentationum 
Societ. Scient. Goeiting. VILI. 68 et fg. IX. 65 
et ig. p. 0 . on 


“ 


Ih is folgenben Abſichten gefihehen, entweber, um 
köurh die Gnade uud Wohlthaten ber Götter 
merhalten, ober um ben Göttern fin empfangene 
Bohlthaten zu banken, oder endlih um ihren 
dorn zu verföhnen. Man kann ed daher nicht 
Menſchenopfer nennen, wenn Perfonen aus Leber. 
nf, oder aus Ruhmgier, oder aus Furcht vor 
ter Schande, ober aus Sehnſucht nach gelichten 
: Berftorbenen ſich felbft das Leben nahmen, ober 
bvon Andern nehmen ließen. Unter vielen Wilden 
in America bitten lebensfatte Greiſe, bie ben flars 
len ind raſchen Sägern nicht mehr folgen Pönnen, 
ihre eigenen Söhne, daß biefe ihnen den Ichten 
Liebesdienſt erweiſen, und Tie von ber Laſt bed Les 
berd befreyen wollen. Die Söhne erfüllen die 
Bitten dee Vaͤter, ohne dag die Einen, unb bie 
Anderen, bey dem, was fie wuͤnſchen unb thun, 
die geringfte gottesdienſtliche Abſicht haben A). 
Unter den nördlich» Deutfhen, und felbft unter eis 
rigen Slaviſchen Völkern hielten Krieger es für 
dad gröfte Ungluͤck, und für einen unauslöfchlichen 
Schimpf, gleich Knechten und Weibern eines na⸗ 
Yrlihen Todes auf dem Krankenbette zu fterben. 
Vem fie daher den Tod der Helden nicht in ber _ 
Sclacht finden konnten; fo erſuchten fie Freunde 
oder Priefter, - oder gaben- ihren Feinden reiche 
Geſchenke, daß dieſe ihnen das Schwerdt durch die 
Vruſt ſtoßen, und fie dadurch der Gefahr eined 
eutehrenden Todes entnehmen möchten 5). Unter 

en 


. 191, Voyag.au Nord III, 382, Robert- 
fons Hißor. of Americ, I. p. 400. Ed, in 4. ' 


AM) Pelloutier I. ‚441. Moehſens Geſch. der Will. 
I. 44. 50 . 


4) Ei h; 


Er WE: <> 2 Zune 


en 
. 


und Danfbarkeit zu beweiſen. - Unter den 8 | 
\ . | u \ | | . 5 n | 


Bew Maffagrten undb Derbicen 6): hreifhte ber em 
erklaͤrliche Wahn; daß Männer nicht länger, als 


fiebenzig Jahre lrben arten; -- So bald alſo Je⸗ 
mand dus ſiebenſigſte Jahr erreicht, oder jurhd ges 


legt hatte; fo ward er von ſeinen noͤchſten Bluts⸗ 
verwandten nicht Lkoß erwuͤrgt, ſondern fein Leib 


wardmit Schaaffleiſch gekocht, und verzehrt, weil 
man dtefe Art von: Beſtattung für die ehrenvollſte 


nuter allen hielt. Unter allen edelmuͤthigen Voͤl⸗ 


kern begegnete cs Haͤufig, daß Liebende ſich an dem 


Grabe der Geliebten, Krieger und Elienten am 


vem Scheiterhaufen ihrer Feldherren, und Wohl⸗ 
haͤrer MD ſelbſt dad Leben nahmen, weil Ihnen: vie 


Sehnſucht nad den Ubgefchiederen unerträglich 
war Alle diefe, und ähnliche Aufopferangen des 


Lebens kann man Feine Menfchenopfer nennen, weil 
fie andere, als gottesdienſtliche Abſi se ober 


N Bewegungegrunde hatten. 


Ganz anders ſcheint es mir, Pr mit ben Bere 
fuielen zu verhalten, mo Unterthanen ben dem 


| \ Tode ihrer Fuͤrſten, Weiber bey dem Tode ihrer 


Männer, Sclaven und Sclavinnen bey dem Tobe 


three Herren oder Frauen fi ſelbſt das Leben 
nahmen, um den Verſtorbenen in eine andere Welt 


zu folgen, und ihnen dert, wie hier, ihre Liebe 


k) $traha Al. 781. 791. p, 


D 3. B. die Parther und deren Sclaven, Aenoph, 
Cyrop, VII, e, 3, auchten dem gloteichen Tode des 
Kaſeis Otho Tacit. Hiſt. II. 49.«. 


Snbiern m), ben Thraciern =), und Geten.o) ver⸗ 
anlaßte der Tod von Ehemännerk einen heftigen 
Streit der zurüdgebliebenen Ehefrauen, über bie 
Frage, weldye von ihnen den verſtorbenen Gatten 
am meiſten geliebt habe, und von ihm wieder ge⸗ 
liebt worden ſey? Diejenigen, denen ber Preis ber 
thelichen Liebe zuerkannt wurbe, ſtiegen ſrahlockend 
auf ven Scheiterhaufen, ber den Leichnam bed Ges 
liebten verzehren follte. Ein aͤhnlicher Wettſtreit 
findet bis anf ben heutigen Tag unter ben Weibern 
und WBenfchläferinnen mancher Neger » Könige 
Statt »). Su Hindoſtan ift es fahr gewöhnlich, 
dag Sclapinnen fi mit ihren geliebten Frauen 
verbrennen, und in Japan, daß Scladen ſich nad 
dem Tode ihrer gütigen Herren ben Bauch aufs 
fhneiden, um mit ihren Wohlthaͤterinnen ober 
Wohlthätern angenblicklich wieder vereinigt zu wers 
den q)._ Die Rechte vornehmer Japaneſen geben 
ihren Herren noch bey ihren Lebzeiten das heilige: 
Verſprechen, daß fie fich im Tode nicht von benfels. 
ben trennen wollen. Unter den ehemahligen Nat⸗ 
chez baten viele Unterthanen ihre Fuͤrſten, ums bie 


Ehre, bereinft mit ihnen fterben zu duͤrfen. Alle, 


biefenigen, benen biefe Gnade zugeftanden wurde, 
arbeiteten fogleich an Stricken, womit fie fidy über 


den Gräbern ihrer Beherrſcher erbropeln laſſen 


woll⸗ 


m) Valer. Max. II. 6. 

n) Herod. V. 5 

o) Mela Il, 2, | 
p) Oldendorp I. 317. Cavazzi 1. 396. 


M Bernier II. 113. Recueil des Voy. qui ent fervi 
a Pétabliſſ. de la Camp, Holland, V, 338, 


wenn - 


+ 


wollten r). Die jest erwähnten freywilligen Hin⸗ 
gebungen des Lebens fheinen mir wahre Menſchen⸗ 
opfer zu ſeyn, bie theild aus zärtlicher Dankbar⸗ 
Leit gegen bie Verſtorbenen, theils in der Wbficht 
gebracht wurden, ihrer in einer andern Welt fo 
- zu genleßen, oder ihren ſo zu dienen, als fie bers 
felten auf dieſer Erbe genoffen, ober Ihnen gedient! 
Batten, 


Wirliel unbezweyfelter waren die ‚eeproiltäen 
Menſchenopfer, wie fie ſich vormahls fa wohl un⸗ 
ter mehreren Germ miſchen Voͤlkern, als unter 
den alten Indtern fanden, und unter den heutigen 
Hindus, und deren Machbaren, éeder Eolonien 
noch jezt fingen. Die Weiber der Gothen gingen 
freudig dem Tode entgegen, weil fie hofften, daß 
‚fie aldbann mit ihren verfiorbenen Männern in die 
Derter der Freude kommen, und in ber Geſellſchaft 
threr Garten bleiben wuͤrden s). In berfelbigen 
Hoffnung flürzten fidy die Rnechte der Gothen vom 


Felſen herunter , oder ließen fid; mit ihren berfiors 


benen Herren lebendig Verbrennen. Weiber, bie 
ihren Mönnern, Knechte, bie ihren Herren nicht 
tm Tode folaten, waren nad der Meinung der 
Goͤthen anf ewig Yon der Gefellfhaft der Götter, 
nnd den Seltakeiten des Valhalla ausgeſchloſſent). 
Rach den Zeugniffen Griechiſcher Geſchichtſchreiber 
war es in aͤlteren Zeiten gar nicht ſelten, daß 
Brachwanen, oder Judiſche Prieſter fich in bren⸗ 
nende Scheiterhaufen warfen * Dieß thaten 

r) Charlevoix Journal etc. p. gen vie 

s) Schüge 262 u. f, S " 

8) ido S. 271. 294. 

u) Plut, 1, 195. Oneficr. ap, Lucien, DI, 338, 


& 
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_ — 73 


be PVrabwizen in ber nenern Seit nit mehr. 
Defto häufiger aber begegnet es, daß andere Hin⸗ 
dus ſich entweder von den ungeheuren Mädern bed 


Wagens, auf welchem ber Gott "Jagrenar ums . 


bergeführt wird, zerquetichen laffen, ober ſich auch 
in den Ganges, und andere Ströme flürzen, um 
anf einmahl mit den Öbttern vereinigt zu "werben, 
oder zu höheren Graben ber Seligkeit zu gelan⸗ 
gen x). Dieſelbige Hoffnung iſt ed, bie bis auf 
den heutigen Tag fo viele Tauſenbe von Indiſchen 


Weiberny) entweder auf die Scheiterhaufen, oder in 


die brennenden Pfuhle führt, wo bie Leichname der 
Gatten in Aſche verwandelt werden yy). Die 
Brahminen bilden‘ ben. unglücklichen Bethoͤrten 
ein, daß biefe durch einen. glorreichen Tod derſelbi⸗ 


x) Bernier II. 103. Hamilton I. 384. 396 della. 
Valle III. a8, 23. Tieffentbaler 1. 164. 


y) Ein Engländer Chambers glaubte, daß ſich im 
Bengalen allein jährlich) Funfzigtaufend Weiber frey⸗ 
‚willig:;verbrenuten. Papi bält zwar dieje Zahl für 
zu groß, verfichert aber zu gleicher Zeit, daß man 
die Zahl von Witwen, die mit’ ihren Männern freys 
willig fiürben, in Bengalen allein wenigfiend auf 
mehrere Taufende ſchaͤtzen könne. ‚II. 50, 


yy) Bernierll. 109-119, Tavernier II. 162. Sons 
ner I, 81-83. Wenn die Leichname von Männern 
beerdigt werden, fo laſſen fi die Weiber bis an 
den Hals lebendig begraben, und nachher dad Ge⸗ 
nicke brechen. Auf ähnliche Arten fterben die Weis 
ber mit den Männern in dem Königreiche Azem, 


auf den Inſeln Java, Pulo Roffa und Bali, wo 


noch Ueberbleibſel Indiſcher Kolonien vorhanden 


find. Tavernier II. 184 Recueil des Voy. et 


o. 1, 42ı. Valentyn IV. <66. Forreſt p. 170 


- 


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⸗ J 
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J 
74 [U] [5 
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gen Seligkeiten init ihren Ehrenmänner:thetihafe 
tig werben, ober ſich gar ber Umarmangen Boden 
Sdotier wuͤrdig machen würben, .n | 


" Water ben Maratten verbrannten men vor eis 


nigen Menſchenaltern mit den Leichjamen von Fuͤr⸗ 
ſten nicht nur nuͤtzliche Thiere, und Sclaven, fons 


dern auch Weiber, wenn dieſe gleich einer ſolchen 
Ethre gern uͤberhoben geweſen wären 2)... Auch uns 
ter den Geten a) und alten Scandinavieru b) zwang ° 
man oft Franen, ihren verfiorbenen Maͤnnern ine 
Tode zu folgen. Dieſer Zwang veraniste biswei⸗ 


‚Ten Koͤniginnen, ſich von ihren Chemablen zu ſchei⸗ 


den, wenn ſie fuͤrchteten, daß dieſe bald ſterben 


wuͤrden. Solche Veyſpiele Eiunen allerdings die 


Frage veranlaſſen, ob unter den alten Germaniern, 
und Hindus bie gezwungenen Weiber-Opfer aus 
ben freywilligen, ober umgekehrt entſtanden, ober 


welche von beyden bie aͤlteſten ſeyen. Sch: glankte 


vormahls, daß die freymwilligen auf\bie gezwunge⸗ 
nen arfolgt wären e). est flimme id; Adielern 
bey d), ber bie entgegengefeßte Meinung hegte; 
und zwar flelle ich mir bie allmählige Verwand⸗ 
Lung ber freywilligen Dienfchenopfer in gezwungene 


anf f folgende Art vor. Urſpruͤnglich ſtarben die 
Wei⸗ 


2) Hiſtor. fragmeni⸗ of the Mogul Empire, of 
the Marsttoes, and of the Englılh Concerns in 


Hindollan 1783. London p. 136% 
e) Stephan, de Urbibus p. 971. 
b) Schüge 2686. Keisler Ant, Sept. 147. 148, ©. 
e) VIII. Comment, Societ. reg, $eient, ps 76, 77. 
&) Antiq, Septentr. p- 1409. 


— — — — — — — m 0. — 


m m 75 
Beiber unter ben Hinbdus, Gothen u. ſ. w.’ gern 
nit ihren Männern, sbeild um mit dieſen ſogleich 
pieder bereinigt zu werben, theils um höhere Se⸗ 
ligkeiten, als fie fonft hätten erwarten koͤnnen, in 
mer Welt zu erlangen. Noch jezt haben’ die meis 
fra Weiber in Hindoſtan, die fih mit ihren vers 
ſerbenen Gatten verbrennen ,. eine ſolche Sehnſucht 
u ſterben, daß fie durch Feine Bitten, und Gruͤnu⸗ 
de devon koͤnnen zurückgehalten werbens). ‚Untere 
Kfeigen ben .Scheiterhaufen ungern. So balk 


man diefed bemerkt, fo wendet man .alle Arten 
ton Uebervredungskuͤnſten, und ſelhſt von Noͤthi⸗ 


gungen an, um bie Zoͤgeruden zu beſtimmen, und. 


den Zagenden Muth: gu machen. Ohne aller 


Zunfel fanden ſich zu allen Zeiten, wie euch je 
uh in Hindoſtan, einzelne Wuwen, bie fi was 
dr durch Witten, noch durch Zudringlichkeiten bes 
tregen lieſten, ‚vielleicht wenig grelichten, ober gar 
Chaßten Männern ihe Sehen aufzuopfern. Solche 
Reiber nun waren allerbings in Gefahr, auch mis 
der ihren Willen von den Soͤthnen, oder Anver⸗ 
wandten ber Verſtorbenen geopfert zu werben, mens 
Nefe anders fuͤrchteten, daß bie abgefchledenen 
Seelen die Nicht s Erfiheinung gelichter Weiber 
u den Nachgebliebenen ahnden Fönnten. | 


Die erhabenften unter den freywilligen Men⸗ 
ſchenopſern waren. diejenigen, wo edle Juͤngſinge 
md Männer ihr Leben tn dem traurigen Wahne 
hingaben, daß fie dadurch die Götter Verföhnen, 
ad undermeiblichen Untergang, ober andere, große 
Unfälle von ihren Mirbürgern abwenden würden, 
Die Jahrbücher der Griechen und Römer enthals 

| “ ren⸗ 
Rernier l. c. 


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x6 . 
— —4 


m die raͤhrendften Beyſpiele ſolcher Aufſoplenages 
fürs Vaterland. Als Epimenides Athen von den 


Zilecken, oder ber. Schuld reinigen ſollte, von welcher 


man vorausſetzte, daß fie auf ber Stadt liege; fo bot, 
ſich ein ſchoͤner Jhagling mir Nahmen Rrarmus 
zum Gühnepfer bar f). Inder Schlacht bey Platin 


wehrten fich die Griechen nicht cher gegen bie Pers - 


fer, als bis bie Eingeweide der Opferthiere gluͤck⸗ 
lich geworben, und ber Schoͤnſte unter den Gries 
giſchen Jünglingen, Kallikrates, ala ein Sühn« 

opfer aefollen war. ). Schon vor ber. Schlacht 


= bey Plataͤa begegnete es den Spartauern Bäufiger, 
als font, daß bie. Eingeweiße der Opferthiere dein 


Sluͤck, ober Teine gnaͤdigen Götter: verkuͤndigten. 
Diefe traurigen Zeichen erregten zuleßt die Ver⸗ 
muthung, daß bie Gbtter vielleicht bewegen zuͤru⸗ 
ten, weil man gegen alles Voͤlkerrecht die Geſaubd⸗ 
ten erflagen habe, weldhe Darius Hiſtaſpis abs 
geſchickt hätte, um nad Perfifher Art za reden, 
Kener und Waſſer, das heißt, Unterwerfung uns 
ter. bie Herrſchaft der. Merfer zu verlangen h). Das 
mit nun vor der Ankunft bed. Xerres bie auf dem 
Baterlande ruhende Blutſchuld getilge, und ber 
Born ber Götter verföhnt werde, ließ man Hffents 


lich ausrufen, daß derjenige oder diejenigen, die 


den Muth haͤtten, fuͤr das Vaterland zu ſterben, 


frch melden möchten. Der Öffentliche. Herold hatte 
dieſes Faum bekannt gemacht, als zwey ber anges 


fehenften Männer fi als freymwillige Opfer dar⸗ 
Rellten. ‚ Die beyden Spartaner begaben ſich, ſo 


ge⸗ 
5 Athenaeus XIII. c. 2. p. 6os. 
&) Plutarch. II. 519. 
. h) Herodot VII. c. 1354. 


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Lu. — man nn Ai —— 


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geſchwind fie Eonnten , zum Rerres damit niefer 
an ihnen thun moͤge, was bie Spartaner an den 
Perfifchen Gefandten gethan hatten. Der König 
der Perſer fügte ben edlen Männern kein Leid zu, 
weniger aus Bewunderung ber heldenmüthigen Bas 
terlands liebe, als in der Abfiht, die Spartaner 
sit von ihrer Blutfhuld, und bem daher entflans 
denen Zorne ber Götter zu befreyen. Als Thraſy⸗ 
bulus und feine Kreunde ihre Waterlaud von dem 
Suche der dreyßig Tyrannen erretten, und bad 
Heer der Untervrüder angreifen wollten; machte 
ihnen ein Weiffuger im Nahmen der Götter kund, 
daß fie nicht eher gegen bie Feinde in dichten Maus 
fen anrücen follten, bis Einer aus ihrem Mittel 
gefallen, ober verwundet worben fey. Thrafys 
bulus war Einer ber vorberften Krieger, und ih 
traf das Loos, daß er durd) fein Blut und Leben 
die Götter verföhnen mufte i). So oft im Orie 
chiſchen Maffilien eine verheerende Peſtilenz aus 
brach, fo oft bot fih Einer der aͤrmeren Bürger 
freywillig als ein Suͤhnopfer an. Man unterhielt 
einen Solchen ein Jahr lang auf oͤffentliche Koſten, 


führte ihn nach Art der Opferthiere geſchmuͤckt in 


der ganzen Stadt umher, und ſtuͤrzte ihn, mit 
den Fluͤchen und der Schuld der ganzen Gemeine 
beladen, von einem Felſen herab k). 


Wenn die freywilligen Menſchenopfer auch 
unter den Roͤmern nicht ſo zahlreich waren, als 
unter ben Griechen; fo ſind fie wenigſtens viel ber 
ruͤhmter. Ich, übergehe .da8 Beyſpiel des Cur⸗ 
tius niht nur, weil es zu befannt, fonderg vor⸗ 
| ügs 
i) Xenöph. IT, Co hr, Helen, ” s 
„BR Petron, in ‚fine Saryıic. Br 








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Pr f . 
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zaͤglich, weil es nicht genug bewährt ift )). Deſto 
umbezweyfelter ift der Heldenfinn, womit die bey⸗ 
den Decier fih für ihr Vaterland, und befonders 
für die Nömifchen Legionen , und deren Bundes» 
genoſſen aufopferten m). Beyde erboten fih, den 
Zorn ber Götter durdy die Vergießung ihres Rluts 
zu derfühnen 3). Beyde ſprachen graͤßliche Flüche 
uͤber ſich ſelbſt aus, und uͤbergaben zugleich die 
feindlichen Heere, unter welche ſie ſich ſtuͤrzen woll⸗ 
ten, dem Zorne der Goͤtter, beſonders der Ma⸗ 
ter Tellus, und der abgeſchiedenen Seelen 0). 
Beyde richteten wirklich den geſunkenen Muth der 
Roͤmiſchen Krieger wieder auf, und verbreiteten 
Schrecken und Verderben unter die feindlichen 
Heerſchaaren, welche ſich durch das Blut der ge⸗ 
fallenen Suͤhnopfer befleckt, und der Rache der 
Goͤtter uͤberantwortet glaubten p). 
Thiere 


il) Liv. VII. ꝙ Cura non deeſſet, fi qua ad verum 
via inquirentem ferret: Nunc fama rerum fan- 
dum eft, ubi certam derogat vernflas fidem. 

»- Et lacus nomen ab hac recentiore inßgnitins 
fabula ek. | 


“ 7) Liv. VIIE 9. X. 08. 


na) Liv. VII. 9. Vom Vater Deciue ſicut coelo 

miſſus piaculum omnis deorum irae,. . X. 28, 
Datum hoc noftro generi el, ut Iuendis pericu- 
lis publicis piacula fimus, 


0) U cc. Legiones auxiliague hoſtium, mecum 
Diis manibus.tellurique devoveo. .. Jamego 
mecum legiones holtium mactandas telluri, ap 

diis manibne dabo, | 


"p)1.c. Vom Vater Decius: Evidentilimum id 
foit, quod quacungue equo invectus efl ns 
u er F . ’ ud 


— — 93 


ſchloß men, auf einmahl zweyhundert Kinder aus 
den angeſehenſten Familien zu opfern. Außer die⸗ 
ſen Zweyhundert wurden noch Dreyhundert andere, 
als freywillige Opfer von armen Eltern darge⸗ 
bracht. Der Gott begnuͤgte ſich nicht bloß mit 
den Opfern. Die Väter, und Mütter muſteü 
ihm ihre Kinder fo übergeben, ald wenn fie es 
ohne Schmerz, oder mit Freuden thäten. Dumit 
aber doch die Dpfer durch das Wehklagen der El⸗ 
tern nicht geftört würden ; fo machte man wähs 
rend berfelben eine fo raufchende Mufit, dag man 
Tein Jammergeſchrey, wenn ed auch erhoben wurde, 
vernehmen Fonnte m). 


Die Völker des Abendlandes verſoͤhnten ihre 
Götter eben fo wohl durch Menſchenopfer, als die 
des Morgenlanded. Die Zaurier opferten Schiffs 


bruͤchige, beſonders, Griechen der Diana, ober - 


wie Andere wollten, ber „Jpbigenia nn). Die 
Suerifhen Völker feierten jaͤhrlich in einem heili⸗ 
gen Hain ein allgemeines Feſt, an welchem ein 
Menſch geopfert wurde 0). Die alten Gothen 


derföhnten ben Gott bes Krieges durch die Opfer 


gefangener Feinde. te fezten diefe Opfer noch 


eine Zeitlang fort, nachdem fie fchon die Chriftliche . 


Religion angenommen hatten p). Die Gothen in 
Schweden famen In jedem neunten Monden, und 


beſonders in jedem neunten Jahr zu Upfala zuſam⸗ 


men, 
| m) Diod, IL p. 416, Lactant. L. 29, Blut, VI, 633- 
6535. 
n) Herodot, iv. 103. Ä 
- 0) Tacit. Germ. 9 390. - oo 


X) Grotii Hiß, Goth, p, 617. 


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— — — — — 


man bem Themiſtokles waͤhrend eines Frageopfers, 


nen aus ihrer Mitte durch das Loos, und durch⸗ 
bohrten ihn mit einer Lanze, damit er dem Za⸗ 
molxis die Bitten bed ganzen Volks überbringe, 
und bie Gnade des Gottes für feine Verehrer ges 
winne. Die alten Scandinavier,, bie wahrfheins 
lich aus den Wohnſitzen der Scythen ausgegangen 
waren, gelobten dem Odin gefangene Feinde, wenn 
er ihnen den Steg über ihre Gegner verſchaffen 
werde 7). Ein Norwesifher Fürft Hacquin 

opferte ver Göttin Thongerda Horgatroll zwey 
hoffunngsvolle Soͤhne, um ben Sieg über Die 
Dänen zu erhalten. Die graufame Göttinn war 


mit diefem Opfer nicht einmahl zufrteben, fonbern 


derlangte noch einen dritten fiebenjährigen Sohn, 
der gleichfalls gefhlahter werden mußte ). Auf 
eine ähnliche Art erfauften bie Scandinapier von 
den Göttern ein langes Leben. Ein König Onus 
opferte dem Odin neun Söhne, um burd einen - 
Jeden derfelben eine zehnjährige Verläunerung bed 
Lebens zu erhalten. Man gab vor, daß ber Ads 
nig dad aͤußerſte Ziel des menfchlichen Lebens weis 
überfchritten habe t). Unter den Griechen erzähle 


ten es nicht bloß die Sagen ver Heldenzeit, daß 


Könige und Heerführer ihre eigene Kinder, ober 
ändere Menſchen geopfert ‚hätten, um durch bie 
Gnabe ber Götter eine gluͤckliche Schifffahrt, oder 
den Sieg über die Feinde zu erlangens fondern auch 


die neuere Geſchichte bewahrte ähnliche Beyſpiele 


auf. Kurz vor ber Schlacht bey Salamin brachte 
| wor 
7) Reisl, Antiq. Sept. p. 134. 
s) Bartholin. p. 228. et fg. 
) Baxthol, p, 700, 


— — 81 
wmit er beſchaͤffrigt war, drey vornehme Perſi⸗ 
(je Juͤnglinge, die ſich durch ihre außerordentliche 
Chönheit nicht weniger, als durch die Pracht ihr 
m Kleidung, und ihres Schmucks auszeichneten u). 
By dem Anblick dieſer Gefangenen forderte ber 
Beiffager Euphrantides ben Themiſtokles auf, 
tie edlen Perfer dem Bakchus mit dem Beynah⸗ 
. men des Brimmigen zu opfern, inbem die Gries 
hen alddann Heil und Sieg von dem Gotte erlans 
gen würden. Themiſtokles fehauberte anfangs 
dordiefer Zumuthung zuruͤck; allein da er bedach⸗ 
te, da der große Hrufe in gefährlichen Zeiten eher 
and dem unvernünftigften Aberglauben, als aus 
den teiftigften "Gründen Zutrauen und Hoffnung 
füipfe; fo gab er zu, daß die Gefangenen geopfert 
wirden, Aehnliche Dpfer finden noch jezt. oder 
fanden vor nicht gar langer Zeit in allen Erdtheis 
Im, außer Europa, Statt. Unter manden Ne⸗ 
ges Volkern opfert man bis auf ben heutigen Tag 
biele Onnderte, und felbft Laufende von Gefangen 
hen, weil man wähnt, daß man ſich Durch foldye 
Opfer der Gnade der Goͤtter, und mit biejer, des 
Gieges über die Feinde am unfehlbarften verfichern 
Önmex), In andern Gegenden von Afrika ſchlach⸗ 
tet man bald Kinder, bald erwachsene Menſchen 
aus eben dem Gründe y), aus. welchem man vors 
wihls ein Gleiches in Peru that 2), und noch 

on nn x. Tä 
u) Plut. 1. 465. 66. 
2) Projart ©. 269. 286. 299. 
y) Voyages de Snellgrave; Introd, 


2) Acoßa F, 229. 


gg 





"83 ' XX XXXX 


jezt auf ben Inſeln der Südfee that 0): um das 
durch die Wiederherftellung kranker Könige, oder 
eine Verlängerung ihres Lebens zu erhalten. Auf 


den Iufeln der Südfee wählt man zu den Men⸗ 


fehenopfern meiftens folche Perfonen, bie um ihrer 


‚Verbrechen willen ſchon lange den Tod Yerbient 


hätten. In Tunkin hingegen töbtet man jährlich 
Kinder durch Gift, damit die Götter die Felder 
feguen, und eine reihe Erndte ſchenken mögen b). 
Auch in Laos baut man ben Goͤttern Beinen Tem⸗ 


‘ pel, ohne die zuerft Vorübergehenden in bie Fun⸗ 


bamente zu werfen, und dadurch gleihfam den 
Grund und Boden zu heiligen c). 


Zu den gröften Wohlthaten der Götter rech⸗ 
nete man unter allen unerleuchteten Völkern die Of⸗ 


: fenbarungen ber Zukunft, welche man daher eben 


fowohl in den Eingeweiden von Menſchen, wie von 
Dpfertbieren fuhte. Im alten Albanten verehrte 


“man Vorzüglich den Mond d), Diefer Gottheit 


waren viele Priefter geweiht. Manche von biefen 


» Prieftern wurben von einer heiligen Wuth ergrifs 


fen, und irrten, fo lange diefelbe dauerte, in Waͤl⸗ 


bern und Einsden umher. Won Zeit zu Zeit ließ 


ber Hoheprirfter Einen und den Andern von fol: 
den ſchwaͤrmeriſchen Einfiedlern einfangen, und ein 
ganzes Fahr lang mit den ausgefuchteften Lecker⸗ 
biffen nährn. Wenn die Gefangenen genug ge: 
möäftet waren, fo z0g man fie hervor, und —* 

| 0 | ihnen 
a) Cooks letzte Reif. I, 351. II, 39. 43. 203. 


u 5) Ovington II, 52, , 


e; Sonnerat II, 39 ©. 
d) Strabo XI. 768. Edit. Almel, _ 


“Anm eine Lanze durch das Herz. Go bald bie 


durchbohrten fielen, fo traten Pricfter herzu, unb 
gaben auf die Zuckungen der Sterbenden Acht, um 


daraus den Willen der Götter zu vernehmen, ber 


ad fo gleich Öffentlich bekannt gemacht wurde. 
Die Halter fließen unglückliche Echlachtopfer von 
hinten mit einem Schwerbte nieder, um aus ben 


Convulſionen derfelben den glücklichen, oder ungluͤck⸗ 
ihn Ausgang von Unternehmungen gu erfahren e). 


Die Simbrer brauchten weiſe rauen bazu, 
am entweder dad Manfchen des Bluts, ober bie 
Eingeweide erwuͤrgter Feinde zu deuten fl. In 
ähnlichen Abſichten onferte man fowohl in Scandi⸗ 
nadien, als im alten Britannien, befonderd auf 
der Infel Man, gefangene Feinde g). Unter 
dm heitnifchen Slaven tranfen die Priefter bad 
Blut geopferter Feinde, damit fie zu Weiffagungen 
begeiſtert wuͤrden A). Won ben älteften Perfern 
IR nicht befannt, daß fie dem Mithras menſch⸗ 
lihe Frageopfer gebracht hörten. Als aber bie 

ferien des Mithras unter die Griechen und 

Ömer kamen, und mit einer Menge von Gebräus 
en überladen wurden, bon welchen man in Pers 
nichts wuſte; fo gefchah ed nicht felten, daß 
Man in diefen ſcheußlichen geheimen Feſten hen 
en 


e) III. 303. Strabo. 
Hit vI. 457. 


8) Barthol. 663 p. Maället Introduction dans U’hi- 
foire de Dannemarcp, 84. Taciti Annal, XIV. 30, 


h) Helmold p. 43. | _ 
0 5 2 


u ne 
% 
+ 


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fen erwürgte, um aus ihren Cingeweiben .zu 
wahrſagen. Wenigſtens fanden vie Chriften ‘zu 


Alerandrien, bie unter Julians Regierung in die 


Adyta des Mithras eindrangen, viele Gebeine und 
Schedel, wahrſcheinlich von Unglücklichen, welche 


man geopfert hatte i)y. Auch die Peruauer ſchlach⸗ 


teten ſowohl Menſchen, als Thiere, uni den Wil⸗ 
len der Goͤtter zu erforſchen. Wenn die erſten 


Frageopfer nicht glücklich waren. fo fuhr man mit 


dem MWürgen don Menfchen und Thieren fo lange 
fort, bis die Eingeweide der Geopferten den Wuͤn⸗ 
fgen der Opfernden entſprachen k). 


Die meilten Völker, bie den Göttern Mens 


ſchenopfer fhlachteten, um ihre Gnade zu gewinnen, 


brachten ihnen dergleichen auch, um ihre Dank⸗ 
barkeit für empfangene Wohlthaten zu beweifen. 


So opferten die Scandinapifchen Helden dem Cdin 


nad großen Siegen fehr oft gefangene Könige und 
Fuͤrſten, und bisweilen gelobten fie fogar, fich felbft 
ald Opfer darzuftellen, wenn der Gott ihnen den 
Sieg gewähren werbe I), Auch die Gallier op⸗ 
ferten häufig nah großen Siegen Menfchen: bis: 


weilen berbrannten fie bie ganze Beute, unter bie: 


fen, Thiere und Menfchen, ben Göttern zu Ehrenm). 


Faſt gewiß flürzten die alten Aegyptier jährlich, . 
wenn ber Nil feine höchfte Höhe erreicht hatte, aus 
Dankbarkeit eine Jungfrau in ben Strom, der ihre 


Sels 


i) Socrates Hill. Ecclef, IH. c. 0. 
X) Zarate I. p+ 52. | 


‘ I) Keisleri Antiq. $eptentrional, p. 134, 


2) Diod. V. 355 





— — - 


‘ ® 


selber und Gärten befruchten ſollte. Ein Beweis, 


ad Ueberbleibſel dieſer Opfer tft die noch immer 
frtdauernde Sitte, an dem Tage, mo bie Dämme 
durchſtochen und bie Gewaͤſſer ded Nils über Yes 
gypten gefeitet werten follen, das irbene Bild einer 
Sungfrau in den Strom zu werfen n). Anne 
fris, eine Gemahlinn des Xerres, ließ vierzehn 


Kinder vornehmer Perfonen lebendig begraben, um 


bem Gott unter ber Erde für das verlichene gluͤck⸗ 


Uche Alter zu danken 0). Die Jsraeliten gelobten 


siht felten ganze feindliche Stäbte dem Jehova, 
ud wenn fie fich berfelben bemädhtigten, fo brach⸗ 
ten fie darin alles um, mad Dbem hatte Ich 
ſche keinen Grund, warum man ſolche Würgerepen 
ht für menſchliche Dankopfer halten Fönnte p). 


No viel graufamer, als die alten Juden, was 


ten vormahls die Mericaner, und vor einem, ober 


 Anigen Mtenfchenaltern, mehrere menfchenfreflenbe 


Neger: Völker. Die Mericaner opferten Men⸗ 


n aus allen Gründen, aus welchen man ber: . 


gleihen geopfert hat: ‚unter anderen auch aus Dank⸗ 
barfeit für werlichene Siege, und andere Wohlthas 
im. Alle Gefangene, welche man im Kriege ge: 
macht hatte, wurden den Göttern zu Ehren ges 
ſhlachtet; und man rechnete, daß bisweilen an 
einem Tage in verſchiedenen Gegenden des Reichs 
funf, ja zwanzigtauſend Menſchenopfer gebracht 


worden ). Man führte die Schlachtopfer eins 
nach 


m) Savary I, 125-115, Sicart. p. 472. 
o) Herodot, VII, 114, 


r) Mißaelis wollte dieſes nicht. Mofaifch, Recht 


‚ 129% 
4) V. 19. 21. c. Acoſta. 


85 nn — 

sah den andern herbey, und legte fie auf einen 

kegelfoͤrmigen Stein, durch welchen die Bruft, und ' 
ein Theil bes Leibed gehoben und aufgefpannt 
wurden. Fünf Priefter hielten die Arme und 
Beine. Der fechfte ſchnitt nit einem foharfen fleis 
"gernen Meffer die Bruft auf, riß dem Verwun⸗ 
beten bad Herz aus dem Leibe, warf das rauchende 
Gerz dem Gießen ins Geſi dt, und ließ den ent⸗ 
feelten Leichnam die Stuffen des Tempels hinab- 
sollen. Wenn man eine Zeitlang Feine Menfchen 
geopfert hatte; fo meldeten bie Priefter den Ads 
vigen, daß bie Götter hungrig ſeyen. uf bicfe 
Aufforderung fandten tie Könige ſogleich Schaaren - 
nach allen Seiten aus, um Gefangene zu machen, 
mit deren Opfern man deu Hunger der Goͤtter flil: 
len könne, Was die Mericaner in der neuen Wels 
waren, dad waren im mittlern und meftlichen 
Ufrica die Anziger, Gager und Dahemes, alg 
welche indgefammt ihren Göttern gefangene Feinde 
bey Zaufenden opfertenr). Snellgrave felbft war 
Zeuge, daß man in Einer Nacht Hiertaufend Ge: . 
fangenen bie Köpfe -abgeichlagen, und aus dieſen 
Köpfen Pyramiden ald Denkmaͤhler ber Tapferkeit 
und Frömmigkeit errichtet hatte, 


Eine dritte Haupt⸗Urſache gezwungener Men⸗ 
ſchenopfer lag in der Abſicht, verſtorbenen Anver⸗ 
verwandten, oder Beherrſchern, ſo wie Waffen und 
Ruͤſtungen, Kleider, Geraͤth und Koftbarleiten, 
alſo auch geliebte, ober brauchbare Thiere, und . 
Menſchen nachzuſchicken, damit fie diefelben- in einer 
andern Welt twieberfinden moͤchten. Die alten 
Scythen erbroffelten an ben Gräbern verfiorbener 
Kos 


r) Projart ı. c. und Snellgrave p. 36. 54. 


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Könige die gelichteften ber Kebsweiber fammt allen 
den Perſonen, welche bie. Rönige in ihrem Leben bes 
dient hatten; und warfen die Leichname bderfelben 
in die Gräber der entfeelten Beherrſcher, gleich 
den Leibpferden, Trinkgeſchirr und allen anderen 
Dingen , welche fie lebend gebraucht hatten. Nach 
einem Jahre tödtete man außer funfzig Pferben eben 
fo viele Hausgenoſſen der verfiorbenen Könige, und 
fpießte bie einen, und bie anderen fo auf Pfählen, 
baß fie das Föniglihe Grab zu bewachen fchienen s). 
Ich erwähnte fchon oben, daß es ſowohl unter 
einigen Germaniſchen Mationen, als unter ben 
Maratten alte Sitte war, die Gemahlinnen, und 
Diener oder Sclaven von verſtorbenen Königen mit 
den teichnamen berfelben zu begraben, ober zu ver⸗ 
brennen.  Derfelbige Brauch fand wahrſcheinlich 

feit undenklichen Zeiten in ber Mengoley und im 

China £&), fo wie auf ben Dftindifhen und Suͤb⸗ 

©ee s Infeln Statt u). ‚Die Einwohner der Juſel 
Borneo hegen bie Meinung, baß alle die Menſchen, 
weldye fie gefangen nehmen, und mit eigner Hank 
umbringen, ihnen in jener Welt als Knechte dienen 
werben. Hieraus entftchen unfägliche Nachftelluns 
gen, Menſchenraube und Meuchelmorde. er 
keines Andern mächtig, ober habhaft werben Tann, 
kauft todeswuͤrdige Verbrecher um einen hohen 
Preis, um fie ſelbſt zu ermwürgen, und dadurch zu 
feinen ewigen Sclaven zu machen. 
Uns 


s) IV. 7:1, 78. Herodot. 

&) Voyage au Nord VII. p. 58. 

#) Coo®e letzte Reif. III, 160. Sprengels Beyir. 
Iii. G. 353. ' \ ’ v 


ı | BE EB | | 

-" Unter ben groͤßern Neger: VSlkern in Afrika 
tft Feind, das nicht die Gräber verſtorbener Koͤ⸗ 
nige mit den Seichnamen ſolcher ‘Perfonen füllte, 
von’ welchen man vorausfeßt, daß bie abgeſchiede⸗ 
nen Beherrſcher fie gern in einer andern Welt 
wieder fehen werben x). Die Zahl der Wriber 
und Sclaven, weldhe man erwürgt, .fleigt hin und 
wieder bid zu zwey, jı bis zu vierhundert und 
fünfhundert hinan. Damit aus dem Gefolge, das 
den’ Rönigen in das Sand der Seelen nachgeſchickt 
werden fol, Tih Niemand verſtecke, oder mit 


der Flucht rette, fo verbirat man den Tod von 


Färften fo lange, bis alle beſtimmte Schlacht⸗ 
opfer ergriffen und gebunden worden ſind. Hin 
amd wieder nimmt man denen, die ſterben ſollen, 
nicht mit Einem Streiche das Leben, ſondern man 
Bricht ihnen Arme und Beine, ſetzt fie dann in die 
"Gräber der Rönige, und reicht ihnen Speife und 
Trank, bis fie dur die Folgen der Zerſchmette⸗ 
eung des Coͤrpers aufgeriebın werten. Unter 
den Dahomes wiederhohlt man jährlich bie Men: 
ſchenopfer an den Gräbern der nönige, wo wenig: 
ſtens vierzig bis funfzig Sclaven umgebracht wers 
den. Das Volk felbft hält diefe Dpfer für fo 
nothwendig, dafl ed, wie man fürditet, gegen die 
lebenden Beherrfher aufftehen würde, wenn biefe 
es verfuchen wollten, die graufamen Opfer abzu⸗ 
ſchaffen yYy. Mir den Edrpern der Könige in 
Peru, und Mexico wurden alle ven ihnen gefams 
melte Schäße, alle ihre Kleider und Geräthe ae | 
_ Ä er⸗ 


a) Cavaaai I, 391. II. 166. des Marchais I, 518, 
* Projart lc. ©. 299. 329 Oldendorp I, 316. 


y) Ifert, ©. 179. 180, Norris p, 100, 


n ® 
en | 
— — 39 
— 
‘ 


derfonen, melde fie bebient hatten, unter biefen 
elöft die geliebteften “Brüder entweber bearabem, 
ter verbrannt 3). Sogar die Fürften der Trauças 
glaubten nicht, ihrem Stande gemäß begraben zu 
werden, oder in ber andern Welt zu erfcheinen, 
wenn nicht die Erfte ihrer Frauen, die Bornehms 
ften ihrer Bedienten, und. weniaftend zwanzig ihs 
te Untertanen fie über das’ Grab hinaus bes 
gleiteten a). : i | | 


Die letzte und vornehmſte Urfache gezwunge⸗ 
ne Menfchenopfer war die Ueberzeugung, daß 
man durch das Blut und Leben ber Menſchen ben 
Zorn der Götter, ober der äbgefchledenen Seelen 
am Fräftiaften ſtillen, und alfo aud die Wirkuns 
gendes göttlichen Zorns am fiherften abwenden könne, 
E iſt vi weniger'zu verwundern, daß man den 
Unmuth abgeſchiedener Seelen durch die Erwuͤr⸗ 
gang von Feinden zu ſtillen geſucht, als daß man 
dieſes nicht unter allen Voͤlkern gethan hat, da 
man beynahe ohne Ausnahme die Manes fuͤr zuͤr⸗ 
nende Weſen hielt, die an Bkut und Martern ein 
Iniges Wohlgefallen faͤnden. Am bekannteſten 
ft es, daß die Nord⸗Americaniſchen Wilden ges 
fangene Feinde unter unfäglichen Quaalen zu Tode 
einigen, und bey viefen furchtbaren Hinrichtungen 
bie Geiſter der gefallenen Krieger auffordern, hers 
zuzukommen, und ſich fatt an dem Blute der Feinde 
ihres Volkes zu trinken 5). In älteren Zeiten 


ges 


V Acoſta Lib. V. 8. F. 209. ↄ13. 
a) Tonti in.den.Voy, au Nord v. p. ı0r, 
b) Charlevoix Journ. P. 247. 


— 


9a — — 


gehörte ed faſt zu ben Tobtenopfern griechiſcher 
Kelben, baß man an ihren Gräbern gefangene Feinde 


erwürgte 6). Alexander der Broße erneuerte 
biefe Opfer, inbem er an bem Grabe feined Bas 
ters alle diejenigen erwuͤrgen ließ, die an ber Er- 
morbung beffelben Theil genommen, oder nur bas 
sum gewußt hatten d). Unter ben Alteren Roͤmern 
warb nicht allein Fein Mann, fonbern keine Iran 


aus einem angefehenen Gefchlechte begraben e), 
ohne dag man nit an ihren Grabmählern einige 


gefangene Feinde, ober gekaufte Sclaven: geopfert 
bätte. WM. und D. Juninus Brutus gaben zu 

großen Verderben des menfchlidhen Geſchlechts de 

alten Opfern eine andere Geſtalt. Sie waren bie 
esftien, die im J. 488 ab u. c. bie zum Tode bes 
ſtimmten Sclaven nicht, wie biöher, umbringen,fons 
dern mit einander bis auf ben Tod kaͤmpfen ließen f). 


Die Römer fanden an diefen blutigen Kämpfen 


bald ein fo, großed Vergnügen, baß fie diefelben 
allen übrigen Schaufpielen vorzogen. Chrgeizige, 
bie ben Staat berauben ober. umkehren wollten, 
ober beraubt und umgekehrt hatten, ſuchten fid) 
ben verdorbenen Mömern dadurch zu empfehlen, 
daß fie Hunderte von Gladiators Paaren auf eins 
mahl auf die Arena brachten. Nach dem Unsers 
gange ber Republik fahen fich die beften Katfer 
gezwungen, tem felgen und graufamen Pöbel ſo⸗ 

Ä ges 


- 8) Niad, XXUI, v. 179, Aeneid,X, 617,555. XII, 
| 948- 


— 


&) Jufin, XL 2. 


e) Servius ad Acneid. 1. 67. X. SıQ. 


HMHN Freinseh, Suppl, Liv. XVI. 48, Servius Il, c«, 





— * 

geraunte manera zu geben, die Hunderten von 
Menſchen Das Leben koſteten. Dieſe munera breis 
teten. ſich von Rom über alle Provinzen aus, und 
man kann mit Gewißiheit annehmen, daß unter 
ben heidnifchen Kaifern jährlich viele taufende von 
Sladiatoren bloß zur Buͤßung einer unnatärlichen 
inft umgebradit worden. 


Menſchliche Suͤhnopfer wurden den Goͤttern 

ehne Vergleichung häufiger, als ben abgeſchiede⸗ 
nen Seelen gebracht; und es war vielleicht kein be⸗ 
deutendes Volk auf ber ganzen Erbe, wo derglei⸗ 
chen nicht Statt gefunden hätten. Zu KHerodors 
Zeiten hatten bie Aegyptier fo lange aufgehört, 
Menſchen zu opfern, daß er eine Griechifche Sage 
"für durchaus unglaublich erflärte, nach welcher bie 
Argyptier ben Herkules hätten opfern wollen g). 
Und doch kann man nad den Zeugniffen anderer 
Schriftſteller kaum zweyfeln, daß die Aegyptier in 
älteren Zeiten Meunſchen mit rothen Haaren geopfert 
haben, um die Götter dadurch zu befänftigen A). 
Ald Zerres Griechenland mit Krieg überzichen 
mollte, ließ er ben geltebteften Sohn eines Iys 
diers Pythias, für melden der Vater um Ber 
freyung vom Kriegsdienſte gebeten. hatte, fo von 
einander hauen, ‚daß das ganze Perfifche Heer - 
durch die beyden Haͤlften des Coͤrpers durchgehes 
konnte 5): unſtreitig ein Suͤhnopfer, das fuͤr alle 
Perſer buͤßen, und die Götter vefänfeigen follte. 
Im 

I. 4. 


- k) Welleling ad Diod. I, p. 99. Schmidt de faeri- 
ficiis Aegypt. p. 201. Auch Denon II, Zor, 


;) VII. 39. 40, 


Sm- ganzen Orient behielten die Phoͤnicier, und 
beren Pflanzvoͤlker die menſchlichen Dpfer, beſon⸗ 
ders Suͤhnopfer, am hartnädigften by.“ Bey 
der Belagerung von Tyrus durch den Alerander, ' 
glaubten viele Einwohner ber Statt, dag man 
den Zorn ber Götter durch die Erneuerung der eine 
Zeitlang audgefezten Mienfchenopfer ftilen müfle- 


. Nur mit genauer Noth hielten vie Aelteren und 
Weiſeren diefe graufamen Opfer zurüd k). Sn 


Carthago dauerten die Menfchenopfer bid auf die 
Zerftörnng diefer Stadt fort I). Während ber ‘ 
Belagerung von Carthago dur ben Siciliſchen 
König Agathokles verbreitete fi der Wahn, daß 
diefes Unglüd eine Wirkung ded Zornd des Sa⸗ 
turn fen, und baß der Gott deßwegen zürne, weil 
man in ben lezten Zeiten bie Mienfchenopfer nicht 
fo; wie von Alters her, gebracht habe. Nach 


alter Sitte nämlich wählte man jährlich unter den . 


Kindern der edelften Sefchlechter eine gewifle Zahl 
aus, und legte fie auf eine folche Art in. die bes 
wenlichen Arme ber ehernen Starte des Sarurn, 
daß fie aus biefen in ein unten angezuͤndetes Feuer 
rollten. Kurz dor der Ankunft des Agathokles 
hingegen hatte man angefangen, Kinder armer El⸗ 
tern zu Faufen, und dieſe tem Gott anzubieten. 
Um num die begangenen Sünden zu büßen, und 
ben gerechten Zorn bed Gottes. zu befänftigen A bes 

on kchloß 


) Cortius IV. 4, 


ı) Juftin XIX, 1, erzäßlt, daß ſchon Darius Ayı 
ftaspie die Earthaginenjer verpflichter babe, Leine 
Menfchen mehr zu opfern. Dieß ift eben fo unges 
wiß, ald daß der König Gelo oder die Römer die 
Aufhebung der Menfchenopfer zu Bedingungen von 
Bündniffen, vder von Frieden gemacht hätten. 


‚ \ 


) 


ſchloß men, auf einmahl zweyhundert Kinder aus 
den angefehenften Familien zu opfern. Außer dies 
fen Zweyhundert wurden noch Drephundert andere, 
ald freywillige Opfer von armen. Eltern darge⸗ 
bracht. Der Gott begnügte ſich nicht bloß mit 
den Dpfern. Die Väter, und Mütter muften 
- ihm ihre Kinder fo übergeben, ald wenn fie es 

‚ohne Schmerz, oder mit Freuden thäten. Damit 
aber Doc, die Dpfer durch das Wehklagen der El⸗ 
tern nicht geftört würden ; fo machte man wähs 
rend Derfelben eine fo raufchende Muſik, daß ınan 
kein Jammergeſchrey, wenn es auch erhoben wurde, 
vernehmen Eonnte m). 


Die Völker des Abendlandes verföhnten ihre 
Götter eben fo wohl durch Menſchenopfer, als die 
des Morgenlandes. Die Taurier opferten Schiffs 


bruͤchige, beſonders, Griechen der Diana, oder - 


wie Andere mollten, der „Jpbigenia n). Die 
Sueviſchen Völker feierten jährlich in einem heili⸗ 
gen Hain ein allgemeines Feſt, an welchem ein 
Menfh geopfert wurde 0). Die alten Gothen 
derföhnten ben Gott des Krieges durch die Opfer 
gefangener Feinde. ie fezten diefe Opfer noch 


eine Zeitlang fort, nachdem fie fchon die Chriftliche . 


Religion angenommen hatten p). Die Gothen in 
Schweden kamen In jedem neunten Monden, und 


beſonders in iedem neunten Jahr zu Upſala zuſam⸗ 


men, 
n) Diod, IL p. 416, taeust. I, 20, Pius, VI, 635 
635. | 
n) Herodot. iv. 103, | 
0) Tacit. Germ. 9. 39 c. ' ur 


>) Grotii Hi, Goth, p, 617. 


— — 93 


— — — 
. 


94. — — 


men, und opferten jedes Mahl ſowohl Menſchen, 
als Thiere, an den neunjaͤhrigen Feſten, neun ge⸗ 
fangene Feinde, in Friedenszeiten neun Knechte ). 
Die Daͤnen, und Normaͤnner opferten alle neun 
Jahre, und zwar im Januar neun und neunzig 
Menſchen, und eben ſo viele Pferde, Hunde, und 
Hahnen r). So oft ſich uͤberdem ein großes, und 
allgemeines Ungluͤck eraͤugnete, entweder Miß⸗ 
wachs, und Hungersnoth, oder peſtartige Seu⸗ 
chen, u. ſ. w.; fo ſuchten bie Könige unter ihren 
Unterthanen bie erforderlichen Sühnopfer aus, oder . 
die Könige felbft wurden von ihren Unterthanen 
ergriffen, und al& die Urheber des Zorns der Goͤt⸗ 
ter den lesteren als Suͤhnopfer dargebracht 5), 
Auf eine gleiche Art dachten, und hanbdelten die 
Gallier. Wenn diefe im ſchwere Krankheiten fies 
Ten, ober fonft in große Lebensgefahren geriethen; 
fo gelobten, und brachten fie Menfchenopfer 2), 
weil fie glaubten, daß das Leben eines Dienfchen 
nur durch bad Leben eines antern Menfchen ers 
kauft werben koͤnne u). Ihrer Meinung nach was 
zen böfe Menſchen den ‚Göttern mohlgefälligere 
Sühnopfer, ala ſchuldloſe. Wenn aber feine Vers 
brecher zu haben waren, fo opferten fie unfchuldige 
Derfonen, welche fie bisweilen in ungeheure, von 
Zweigen geflochtene Bilduniſſe ſteckten, und mit 
| . be 
9) Mallet Introd, e 7. 
7) 1. c. | 
s) Barthel, p, 323. 393. 9% 
6) Iufiin, 26. c. 9. Caelar VI. 16. 
u) Caeſ. VI, 16. „ „ pro vita bominis niß vita ho- 
minis reddatur, non polle deorum immorts 
lium iram placarl, ' 


— — v 95 
Hefen verbrannten. In dem Kriege mit dem An⸗ 
tigonus x) kuͤndigten die Eingeweide der Opfer⸗ 


thiere den Gallogriechen ſchwere Niederlagen au. 
Dieſe Vorbedeutungen ſezten das aberglaͤubige 


Bolk in eine ſolche Wuth, daß ſie Weiber, und 


Kinder umbrachten, um den Zorn ber Goͤtter zu 
verſoͤhnen. Die Roͤmer ſahen die Druiden als die 
vornehmſten Urheber der Menſchenopfer an, und 
deßwegen verfuhren mehrere Kaiſer mit grofiem 
Ernſt gegen dieſe Prieſter der Gallier, und Bri⸗ 
tannier 4). Deſſen ungeachtet dauerten wahrſchein⸗ 
lich unter beyden Voͤlkern die menſchlichen Suͤhn⸗ 
opfer bis auf bie Einführung, und Befeſtigung ber 


Ehriftlichen Religion fort. Unter den alten heid⸗ 


niſchen Slaven erhielten fi ſolche Dpfer viel laͤn⸗ 


ger. Noch im zehnten Jahrhundert ward tn Ruf 


land jährli Einer durch das Loos gewählt, ber 
die Sünden des ganzen Volks auf fi nehmen, 


und durch fein Blut die Götter verfähnen muflez). 


Auch in Griehenland war nicht allein Fein 
Volk, fondern faft Feine Stadt, die nicht in großen 
Nöthen und Gefahren menſchliche Suͤhnopfer ge⸗ 
bracht 4), ſo wie kein Orakel, das nicht ſolche 
Opfer, als die ſicherſten Verſoͤhnungsmittel des 
Zorns der Goͤtter angerathen hätte 63). Selbſt ie 

als 


x) Iuſtin. 1, c. 


y) Tacit, Annal. XIV. 30. Sueton, in Claudio 


c. 30. 
z) Anton ©. 64 


a) Porphyr. de Abflin, II, 54- 56, 9. Menıl, Lect, 
Attic. IV, c. aæ. 


b) Paulan. IV. 9. VII. 19. zz. VIIL a. 


96. _- — 


“alten. Spartaner pferten in den alteſten Zeiten 


ber Diana jaͤhrlich eine Jungfrau Schon Ly⸗ 
kurg ſoll dieß Suͤhnopfer abgeſchaft, und ſtatt 


deſſen die Sitte eingefuͤhrt haben, daß Knaben und 


Juͤnalinge jaͤhrlich vor dem Altare der Goͤttin bis 
aufs Blut gegeiſſelt wurden c). Als Ageſilaus 
der Diana in Aulis eine Hindinn, und nicht eine 


Jun frau opferte; ſo zerſtreuten die Anwohner das 


Opfer, weil der Goͤttinn nicht Thiere, ſondern 


Mienſchen geopfert werden müßten d). Um die⸗, 


ſelbige Zeit ſuchte man den Pelopidas zu bereden, 
daß er traurige Vorbedeutungen, die einen ſchwe⸗ 


\ 


zen Zorn der Götter anfündigten, durch Menſchen⸗ 


opfer abwenden möchte. Der Thebaniſche Held 
‚verwarf biefen Rath mit Abſchen, und opferıe ein 
weiſſes Pferd, indem er fagte, daß aute Goͤtter 
an Merſchenblut fein Wohlgefallen finden koͤnn⸗ 
ten e). 


Die aͤlteren Roͤmer brachten vorzuͤglich dem 


Saturn jaͤhrlich Menſchenopfer. Nach einer Ue⸗ 


berlieferung, deren Dionys, und Plutarch ers 


waͤhnen f), hob ſchon "Herkules dieſe jährlichen.- 


Menfhenopfer auf, und erfezte fie durch den 
Brauch, der nody zu Plutarchs Zeiten beybehals 
ten wurde, jährlich dreyßig menfhenähnlidhe Bils 
ber in bie Tiber zu werfen. Wenn es auch waͤhr 


iſt, daß im J. 057 ab u. c. alle Meufgenopfes 


ce) Meurf, Mifc. Lac n. c. 14. Crag, m. Tit, 9% 
d) Plut, III. 625. 
#) Pintarch. II. 366 - 368. 


) Plutarch. VI. 102. 143, Dionyf, Antig, L 38. 
Pas Lact, I, sı e,. u 


h 7 


- 


ia Rom verboten worden; fo beobachtete man dies 
ſes Geſetz eben fo wenig, als andere Gefeße, Zu 
Caſars, und felbft zu Plinii Zeiten wurden ein 
Grieche, eine Griechinn, and mehrere andere Ger 
fangene aus Völkern, gegen welche bie Römer 
kriegten, an einem öffentlichen Drte in Rom Iebens 
dig Bearaben p). Plutarch erwähnt eines Ahnlis 
hen Suͤhnopfers, mo man zwey Griechen und eben 
fo viele Gallter erwürgte, weil drey Veſtalinnen 
entehrt, und eine vierte vom Blitz getroffen wor⸗ 


-ben war h). Caligula ließ mehrere unſchuldige 


Menfhen wie Dpfer ſchmuͤcken, und dann Son: 


Felſen herunterwerfen , um dadurch fein Leben don _ 


den Göttern zu erfaufen i), oder vielmehr, umten 
Zorn der Götter Yon fid) abzuleiten. Nero bes 
fimmte bie -vornehmften Roͤmer als Suͤhnopfer 
sum Tode, weil er von einem Öternbeuter Bas 
bilus hörte, daß die Erſcheinung eines Kometen 
den Göttern ber Erbe Gefahren brohe, und daß 
folhe Gefahren durch erlauchte Söhnopfer abge 
wandte werben könnten. Man erzählt vom has 
drian, daß er bad Bringen von Wrenfchenopfern in 
dem ganzen Umfange des Roͤmiſchen Reichs auf 
das fchärffte unterfagt habe k).. Wenn ınan ed 
auch in fpäteren Zeiten nicht mehr wagte, öffent 


‚ben 


lich Menſchen zu opfern, ſo unterließ man ed an 


e) Plin. 28. 2. - 


h) VII. 144. 148, 
i) Pro falute principis.. Sueton, In ej. vn⸗ 2 
k) Pallant, ap, Porphyr. h e. Lact. I, gi, 


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neſen hauen Eins ihrer Kinder f 
unm die Götter zu befänftigeit, über fie zu bewegen, 


Opfer den Zorn bed Meers zu verſoͤhnen g). 


{1 
! 2 ’ 
9 wm. —-— © 


den geheimen Feſten, beſonders in den Myſterien 
des Michras gewiß nicht, u | 


Die Peruaner, bie Mexicaner, und die Ne⸗ 


| ger ſchenten, und fchonen des Menſchenblutes eben- . 


ſo wenig, wenn fie die Götter verſoͤhnen, als 


‚wenn fie biefelben gewinnen, ober ihnen banfen 
wollten 2). Selbſt die Hindus, die es für eine 


ſchwere Sünde halten, genießbare Thiere zu ſchlach⸗ 


ten, und für ein ganz unerlaßliches Verbrecheit, 


einem Brahminen das Leben zu hehmen, felbft die 


Hindus flürgen in Zeiten gefährlicher Kriege, oder 


allgerneiner Seuchen, und Hungersnoth die Yors 
nehmften Brahminen Son Pagoden herunter, um 
baburd bei Zorn der Götter ju verſoͤhnen m): 
Die Chineſen werfeh ihre Kinder ins Waſſer zur 
Verſohnung der Geiſter dei —— n).. Die Tunti⸗ 

n bet Mitte durch, 


daß fie ben übrigen nicht ſchaden wöllen 0), Ju 
gleicher Abſicht bringen die Vewohner Kon Workes 


von Zeit zu Zeit Menſchenopfer p). Go gar bie 


Türken werfen bey gefährliche Siuͤrmen nicht nur 


andere Eoflbare Sachen ; fondern auch wohl einen 
Griechen, oder Juben über Bord, um durch ſolche 


| | Meis 
I) Acoßla, Oldendorp ‚% Loyer N, cc. 
m) Sonnerat I, 186 ©. 
n) Memoires cönc, les Chinoia II, 400% 
0) Rhodes p, 119. | Ä 

' p) Forreſt p. 368, a v 
9 „Bleemanne Meife nach der Krimm ©, 240. neue 

usg. | 


- — — — — — — 
— — — — 


Meiner Meinung nach koͤnnen zu ben menfde 


lichen Sühnopfern die unter vielen Völkern gebräuch: 


lichen Ausfezüngen von Kranfen, und Gterbenben 


aerechnet werden. Die alten Perfer und deren 


Nachbaren ließen gefährlih Kranke von Hunden 
jerreiffen 7), wahrſcheinlich um fie ben Göttern, 
welche bie Krankheiten geſchickt hatte, als Suͤhn⸗ 
opfer zu übergeben, und eben biefe Götter nicht 
burdy irgend eine ben Kranken geleiftete Hülfe zu 
zeigen. Sollten die Hindus aus einem Ähnlichen 
Grunde ihre ſterbenden Anverwandten an ben naͤch⸗ 
ſten Fluß bringen, ihnen Nafen, Ohren und 
Mund mit Schlamm zuſchmieren, und fie in bies 
ſem ſchrecklichen Zuſtande, ben Beſchwerden ber 
Jahrs zeiten und Witterung ausgeſezt, huͤlflos ſter⸗ 
ben laſſen )? Allem Anſehen nach warfen vor⸗ 
mahls bie Kamtſchadalen aus eben ben Wahne 
ſterbende Anverwandten aus ihren Huͤtten her⸗ 
aus, aus welchen fie ſich weigerten, Angehörige, 
bie in's Waſſer gefallen, und nur kaum mit dem 
Leben davon gekommen waren, wieder aufzuneh⸗ 
men 1), Man kann von der lezten Unbarmherzig⸗ 


[ £ } “ rn — 


feit ſchwerlich eine andere gedenkbare Urſache ange⸗ 


ben, als die Furcht, daß man durch liebreiche 
Dienſte, die man ben Opfern bes Zorns ber. Goͤt⸗ 
ter leiſte, bie lejteren gegen ſich felbft aufbringen 


koͤnne. Gelbft die Griechen und Mömer hätten. 


ähnliche Vorurtheile. Die Griechen hielten dieje⸗ 
Ä u | | nis 


r) Mat S. meine ſchon mehrmaͤbl Gngeführte Abh. de 
religione veterum Perlaruin, — 
Tennants Indian Recreat. 1. 168 
t) Steller ©: 211. J 

G3 


110 u F 


welche fie berůhrten, hefleckten y. Die gatelln jü | 


alicz am Duieſter inüffen bis an ben Hals in den 
Fluß gehen, went fiegemanden erben fehen. Um 
biefer Unannehmlichkeit auszuweichen, berlaffen fie 


ihre fterbenden Anderwanbten, und bingen Talmu⸗ 
diſche Juden, daß ſie die Sterbenden verſorgen, 
und die Verſtorbenen fo bald als moͤglich begraben u). 


Den mittleren Perſern ſchienen alle Kranke unrein, 


und Geneſete durften daher nicht eher ihre buͤrger ⸗ 


lichen Verrichtungen wieder anfangen, als bis ſie 
von Magiern waren gereinigt worden x). Eben 


die Morgenlaͤnder, die niemahls Bedenken trügen, 


ſich Peſtkranken zu naͤhern, und die Kleider von 

Peſtkranken anzulegen, oder zu kaufen, ſtimmten 
von jeher darin uͤberein, daß die Leichname von 
Menſchen und Thieren unrein ſeyen, und daß die 
Beruͤhrung derſelben beflecke. Unter den Juden 
waren Todtengraͤber nicht weniger unrein, als 
die Aerzte, welche unreine Kranke behandelt hat⸗ 
ten ). Im alten Aegypten %) ließen alle, bie 
ed kur einigermaßen vermochten, die Leichname vers 
ftorbener Anverwandten einbalfamiren. Zu dieſen 
Einbalſamirungen warb nothwendig erfordert, daß 


biejenigen, welche fie verrichteten, die fo genaun⸗ 


ten Pollinctören, bie weicheren, ber Verweſung am 
meiften unterworfenen Theile herauszogen, und 
“dann bie ausgeleerten Leichname eine Zeitlang 


5) Mid, 1. 6 

u) Rohrer ©. 109. 

&) Agathias II, €, 18; 

y) Michael: Mof N 1. €. 

#) 11, B6 et ig, & Herodot. 


beiz⸗ 


v 
— mm — — — — — 


Siebentes Bud. 
Geſchichte der gotteäbienftlichen Reinigungen. 





Yußer den Dpfern, und Gaben bieten bie Re⸗ 
ligionen ungebildeter Völker noch vier große Mits 
tel dar, die Gnade der Götter zu gewinnen, und 
ihren Zorn zu verſoͤhnen: : Reinigungen, und Selbſt⸗ 
Peinigungen, Gebete und Feſte. 

Gottesdienſtliche Reinigungen waren nicht we⸗ 
niger allgemein, als Opfer und Gaben; und diefe 
Thatſache allein widerlegt ſchon die ſeltſame Mei⸗ 
nung einiger neueren Gelehrten, weiche behaupte⸗ 


ten, daß Reinigungen in allerley mwohlthätigen, 


befonders: biätetifchen Abſichten, von Gefeßgebern, 
und Reltgionss Stiftern eingeführt worden, Rei⸗ 
nigungen fcheinen von eines geroiffen Seite eben fo. 
notärlih, als Opfer und Gaben: von anderen 
Seiten hingegen weniger natuͤrlich, oder gar uns 
natuͤrlich. Es waren höchft natürliche Gedan⸗ 
ken, daß man vor den Goͤttern eben ſo rein, und 
ſauber erſcheiner muͤſe/ als vor Koͤnigen, und 


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—— — 101 


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J Fuͤrſten; daß alſe ale, die an ihrem Leibe, ader 


an ihren Kleidern etwas unreines hätten, nicht 


würdig fegen, fih den Bildniffen, Tempeln, und 


Altären der Götter zu nähern; und menn Unreine 
dieſes wagten, daß fie alsdann gegen die Götter 
ie. eder den Zorn, und die Strafen berfels 
en auf ſich zögen, Weniger natürlich, ober felbft 


unnatuͤrlich war ber Glaube; daß man burh Nele 


nigungen bie Gnade höherer Maturen erlange und 
ihre Ungnade verfähne: daß man durch cärperlice 
Meinigungen Flecken ber Geele,. ober bie gröffen 
Verbrehen, und. Safer wegnehmen, und bie 
Schuld derfelben tilgen: baß-man endlich Befleckte 
durch eben die Gegenftände, und Handlungen rrints 
gen fönne, melde man fonft für die größten Unrei⸗ 
pigkeiten, und Beruureinigungen hielt. Allee 
dasjenige, was bem unbefangenen Forfcher in ben 
gottesdienſtlichen Meinigungen unnatürlich, ober 
wenige natürlich fheint, war, und. if eben fo 


ſehr verbreitet, als dag, was man ald natürlich 
gnzuerkennen geneigt iſt unb hieraus erhellt, ba 


das eine nicht weniger, als das andere, in ben 


Denkart uncuitioirter Völker gegründet. war, 


Handlungen, woburh man entweder Menſchen, 


pub Zhiere „ ober auch lebloſe Dinge von folden 
fhtharen, eben unſichtbaren Flecken befreyt, welde 


‚hie einen, und bie anderen zu gottegbienftlichen 


Werrichtungen untoͤchtig machen. Go, maynichfals 
tig die Meinigungen, und Reinigungsmittel was 
gen; chen ſe Lerſchieden waren die Grade der Un⸗ 
| J | | -  yela 


are 


A) yafageggz zalepat, Infirationen, 


— — 103 


reinigkeiten, und Befleckungen. Die meiſten Be⸗ 


fleckungen ſezten Unreine bloß außer Stand, got⸗ 
tes dienſtliche Handlungen vorzunehmen. Andere 


ſchloſſen die Unreinen nicht nur von allen gottes⸗ 
dienftlichen Verrihtungen aus, fondern machten fie 


auch zu Segenftänden bes Zornd der Götter, und. 


des allgemeinen Abſcheus der Menſchen b). 


Unter allen Voͤlkern der Erbe waren, wie 
ih anderömo gezeigt habe c), bie alt: Europäis 
f hen Nationen, mit Ausfhluß ber Griechen und 
Römer, bie einzigen, melde die Weiber nicht als 


unreine Geſchoͤpfe gering ſchaͤtzten, uud fie felbft - 


nicht in den Zeiten der Reinigung und der Niedera 


Eunft von ihrer Seite, ober von ihren Tiſchen, und 


aus ihren Käufern verſtießen. Alle übrige Voͤl⸗ 
fer mißbanbelten die Weiber um befto mehr, je 
nichtswuͤrdiger fie felbft waren; und entfernten fie 
beſonders in ben, Zeiten der Reinigung, und ber 
Moden, mande. fogar in, ben Zeiten ber Schwan⸗ 


‚gerfchaft mit unuͤberwindlichem Abſcheu: wahrſchein⸗ 


lich, weil man Reinigungen, Niederkuͤnfte, und 
Schwangerſchaften, wie gefaͤhrliche Krankheiten 
und den Tod, für Wirkungen des goͤttlichen Zorns, 
oder für goͤttliche Strafen anſah. Die. heutigen 
Morgenländer. .beharren umnerfchütterli in ben 
Vorurteilen der Bewohner des alten Orients, 
Weiber die ihr Monathlices haben, muͤſſen ſich 

| nicht 


&) Die Unreinen, der erftern. rt wurden bloß AaßyAoı 
profani‘,“ die der lezteren adırıaoı und avaysıc 
genaunt. Thucydides I. 126. 8 

€) Im erſten Theile der Geſchichte der, Weiber. 


x 


= 


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204 — — 
x J 


nicht nur von ihren Männern eutfernt halten, ſon⸗ 
dern fie dürfen auch Feine Moskern beſuchen, ja’ 
nicht einmahl beten, und faften d). Nicyt. weniger 
unrein find Frauen gleich nach der. Empfaͤngniß: be: 
fonders aber Wöcdhnerinuen, bie wenigflend vierzig 
Tage lang abgefondert wohnen, und fidy aller gote 
tesbtenftlihen Handlungen enthalten muͤſſen, bis 
ſie die im Koran vorgeſchriebenen Reinigungen vor⸗ 
gepommen haben. Moſes ließ zwar vie Unreis 
"nigkeit der Weiber in den Zeiten der Reinigung 
beſtehen allein er milderte die Unreinigkeit von 
Woͤchnerinnen, indem er die leztere, wenn ein 
Sohn gebohren worten war, auf fieben, wenn eis 
ne Tochter, auf vierzehn Tage beſtimmte z), Die 
Griechen, und Roͤmer waren unter ben urfprüngs 


lichen, Völkern unfers Erdtheils die einzigen, die 


dad andere Geſchlecht auf eine der morgenlaͤndi⸗ 
ſchen aͤhnliche Art behandelten, und auch morgen: 
laͤndiſche Vorſtellungen von ber Unreinigkeit der 
Weiber hatten, Die Griehinnen, und Roͤme⸗ 
‚rinnen muften fich zu. befiimmten Zeiten reinigen, 
ober reinigen Laffen, Fromme Männer führten 
ihre Weiber, ihre Rinder, und deren Saͤugam⸗ 
sıen ıngnathli zu. heiligen Perfonen, um biefels 
ben luſtriren zu laſſen F). Woͤchnerinnen maren 
uns 
FR Chardin wv. p 72- 78. Auf eine ‚ähnliche It 
habanhelt man die Werber unter den Hindus, 


Gensit & 95. den Ceylaneſen, Knox. p 94. 
und den Parſis, Tavernier I, igꝗi. 


e) IV. ↄga - 299. Michaelie Moſaiſches Recht, 
u; ) Lomeyer o. 87. p- 33% Theophr, Charact, 


Bälk Schneideri. 0. 2% ſonſt XVII. x Teseiy 


a un 


— — — — 


— — 105 


uter beyden Boͤlkern vierzig Tage unrein. Wer 


ine Woͤchnerinn berührte, durfte am Altar ber 


Diana eben fo wenig opfern, als ein Meuchel⸗ 
wörter. Auf der heiligen Inſel Delos unterfagte 
man ſchwangeren Weibern eben fo ſtrenge, niederzu⸗ 
bemmen, als man es den Angehoͤrigen von Vers 
ſtorbenen unterfagte, die Leichname der Ihrigen zu 
begraben. Die Unreinigkeit ber Mutter theilte 
ſich den Kindern mit. Neugebohrne Kinder wur⸗ 
den vnter de Griechen am fünften, unter den Kids 

mern Maͤdchen am adten, Knaben am neunten 

Tage luſtrirt g), Man bebiente fid) Dazu bed 


Syeihele, dem man wunderbare Kräfte, bejonders 


gegen Wezanberungen zutrante, und zwar um beflo 
mehr, wenn man ihn mit dem Staube aus Baͤ⸗ 
dern vermifcht hatte. - Mit diefer ſchmutzigen Mis 
(hang beftrih man die Lippen, und Stirn ter 
Kinder, und bediente ſich dazu ded Mittelfingers, 


weichen die Roͤmer infamem nannten, weil fie mit 
diefem Perſonen, ober Gegenftände aufeine ſchimpf⸗ 


fie Urt bezeichneten k). Dir Tag der Reinigung 
ward 


! 


Sousvoc mpos was OnPsorsiesec nara uva Kon 
peusoYa nsrarne Yuvaınog’ auv de um axoAudy 
j yury, Hera rns TIrINE n Tuv way, 


$) Lameyer ©, 25. pP. 315. 316, c. 27. p. 327. 28, 


Calaub, ad Perf. Sat. II. ꝑ. 2aı, Sueton, A 
in Nerone, 


b) Perfii Sat. II, 31 et fg. v. u 
“ Ecce Avia, aut: metuens divam 'matertera 
cunis *8 
exemit puerum, frontemque udaque labolla 
infami digito, et luſtralibus ante [alivig ex- 
| u piat. 


N 


N 


nn — 


106 emo 


‘warb dies luſtricus ſo wie der reinigende Speichel 
ſaliva luſtralis genaunt. ** * 


Die Bewohner des füblichen oͤſtlichen, und 


nördlichen Aſiens fuͤrchten ſich vor der Unreinig⸗ 
keit der Weiber noch viel mehr, und wenden aiſe 


auch viel härtere Reinigungs: und Verwahrungs⸗ 


mittel Dagegen an, als die Nationen bes Alters 
thums, ober bed Morgenlandes. Die Siamefen. 
halten Woͤchnerinnen einen ganzen Monath burd 
an einem beftänbigen Feuer , und wenden fie haͤu⸗ 


fig von einer Seite auf die andere, damit fie deſto 
gruͤndlicher gereinigt werden. Sie bekuͤmmern fich 
nicht darum, daß Kindbetterinnen durch den Rauch 


leiden, ber nur langſam aus einer Heffnung im 


Dache herausfteigt. Die Peguaner Legen Woͤch⸗ 


nerinnen auf einen Roſt, unter welchem Feuer ans 
gezuͤndet worden. Gluͤcklicher Weiſe dauert bie 
Roͤlten wicht länger, als vier, ober fünf Tage. 

Denn die Siamefen und Peguaner ihre Weiber 


hinlänglich gereinigt glauben, fg banken fie dem 
Feuer für die gefeiftete Reinigung , und ftellen ein 
Dankfeft an, wo fie alle Gerichte dem Teuer Anbie: 
ten, und nicht eher davon ‚genießen, als bis bie 
Speifen eine Zeitlang am Feuer geftanben haben H. 


Unter den Sibiriſchen Heiden, beſonders den Dfkias . 


Ten, Samojeden, und Lappen, bannt man bie 
Weiber während Ihrer Reinigung, und nad; ber 


Niederkunft in abgelegene Hütten, wo Woͤchnerin⸗ 
gen ſich wenigftens ſechs Wochen, haͤufig zwey volle 
Menathe aufhalten muͤſſen k), Wenr man, ber 


gergiee atalten EN wia⸗ 
1. 204, Lonbers. u | 
A) Voyag. au Nord VIIE p. 25, 407, Weber I, 
197. GSeorgl'o Ruf, Völlerfy. 483.376 ©, og 
ſtroͤm ©. 137. U 





ö— — — — wir — — —s ————————— — — 
— —— — ———— — — bi 
y 


= m 107 


FHechnerinnen, und ſolchen Weibern, die ihr Mo⸗ 


nathliches haben, keine beſondere Hütten anweiſen, 
eder erbauen kann; fo nimmt man ſich wenigſtens 
vor aller Gemeinſchaft mir ihnen auf das ſorgfäl⸗ 
tiefe in Acht. Man leidet nicht, daß bie Unrei⸗ 
zen Speifen bereiten, ober bad Geräch, die Klei⸗ 
ver und Heerden ber Maͤnner berühren. Beſon⸗ 
ders ſucht man es zu verhuͤten, baf fie nicht Aber 
das Feuer wegfihreiten, oder Aber bie Pfade ber 


Männer, und ber Rennthiere gehen. Die Lappen 


dulden es nicht, daß Weiber in den Zuſtaͤnden ber 
Unreintgleit fich der heiligen Thuͤr bedienen, aus 
welcher bie Männer geben, wenn fie opfern wollen. 
Ehen fo menig geftatten fie, daß folche Weiber den 
Weg betreten, welchen die Männer zum‘ Opfern 
genommen haben: daß fie ſich den Altären, ober 
Opferpläßen nähern, ober aus heiligen Seen fiichen. _ 


Unter den GSibiriſchen Heiden müffen Weiber, wels - | 


de die Zeit: ber Unreinigkeit überfianden haben, 
mehrmahl über ein loderndes Feuer fpringen, qm. 
gereinigt zu werden. Die Mongolinnen hingegen’ 
reinigen ſich dadurch, bag he ſich mit yarmem 
Waſſer waſchen I), 


Unter den Negern in Mhiba, fing u. ſ. w. 
hant man in einiger Entfernung von den Dörfern, 


oder bewohnten Haͤuſern befonbere Nätten, wohin 


ſich Woͤchnerinnen und Frauen ſowohl, ald Maͤd⸗ 
hen in den Zeiten der monathlichen Reiniguug be; 


‚geben möäflen, Die Unreinen, werden hier von ala 


ten Meibern bedient, und, bünfen nicht cher zu 
ie n Männern aurhdlchren, a8 bis fie ofen 


x ’ 
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ig. 


1 Pallae, Monagl. Volterſch. 1. 166 ©, 


.. 2108 — —— 


tig gewaſchen worden. Die Neger verpflichten ihre 
Weiber und mannbaren Toͤchter eidlich, daß ſie ihre 
monathlichen Zufaͤlle nicht verbergen wollen. Eine | 


Frau, die dieſen Eid braͤche, und im Zuſtande ih⸗ 
rer Unreinigkeit dem Maine Eſſen bereitete, wuͤrde 


dafür am: Leben geftraft werben m). Selbſt die | 


fauifhen Hottentotten fliehen ihre Weiber fomohl | 


-in ben Zeiten der Reinigung, ald während und nach 


der Entbindung, Mütter und neugebohrne Kinder 
werben nicht eher rein, als bis man fie bepißt, 


und mit Kuhmiſt uͤberſchmiert hat’ n). 


Auch unter ben‘ Americanern müffen Weiber 
während ihrer Reinigungszeit, und Wöchnerinnen, 


‚bie feßteren,, vierzig Tage lang in abaefonderten 


Hütten wohnen. Wenn die Zeit ber Unreinigkeit 
verfloffen ift, und bie Gebannten in ihre Wohnun⸗ 


‚gen zurückkehren; fo Lift man das Feuer and, 
ſchuͤttelt alles. Geräth des Hauſes, und zündet ein. 
‚neued Feuer an 0). Die Nords Americanifchen 


Wilden nähern fih ihren Weibern weder während 


der Schwangerfihaft, noch. während ber Zeit be& 


Stilens, das gemöhnlidh dvey Jahre dauert P) 
Unter ben Wilden am Oronoko muͤſſen Bräute viers 
sig Zage vor der Hochzeit fo firenge Faften hal⸗ 
ten, daß fe dadurch faſt ganz entfleiſcht werden. Man 

legt 


m) Des Marchais H. p. 180. und Eoyer p- 168, ı69. 
il n'y va pas moins pour elles, que de la vie, 
fi l’on P’apercevoit, qu'elles, accommodallent & 
manger pour lenre maris. pendant ce tems. 


n) Befchryving etc, 1. p. 273. 283. 
0) Charlevdix lourn. p. 288 
p)). c. 


ER TE ru rn RT 


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— m 109 


legt den Braͤuten riele harten Faſten in der Ab⸗ 
ſiht auf, um ſie von dem toͤdtlichen Gift zu rei⸗ 
sign, welches man in allen weiblichen Coͤrpern 
nimmt g). , Man glaubt nämlih, daß alleg,. 
vas von Weilbern während ihrer monathlichen Reis 
sigung berührt wird, abflirbt, und bag den Mäns 
een fogar die Beine anfchwellen, wenn fie an 
derter Eommen, mo Weiber gewefen find, bie 
br Mosiathlides hatten. 


Hus eben der Urſache, aus weldyer man Wels 
ber in gewiſſen Zuftänden ald Gegenſtaͤnde des goͤtt⸗ 
lichen Zorns verabjcheute, hielt man aud) Ausſaͤtzige 
und andere Kranke, noch mehr aber Leichname, 


Sterbehäufer und Gräber, fammt benen, welche die. 


einen oder die anderen berührt oder geſehen hatten, 
ja felöft foldhe, die den Verſtorbenen auf irgenb 
eine Art angehörten, für unrein und befleckend. 
Sm ganzen Drient erfannte man feine andere Krank: 
beit fo ſehr ‚für eine göttliche Strafe, ald ben Aus; 
ſatz. Der Juͤdiſche Geſetzgeber fand diefe Meynung 
nicht nur unter ſeinem Volke vor, ſondern beſtaͤrkte 
es darin; und deßwegen verordnete er, daß die 
Ansſaͤtzigen, als Unreine, abgeſondert wohnen 
ſollten, um Andere nicht zu beflecken ). Man 
traf im Mittelalter ähnliche Anftalten, und hegte 


aͤhrliche Worftellungen, indem man. befonders für. 
| Ausfägige Seelens Bäder einführte s) Unter ben 


Suden waren auch ſolche Kranke, die am Saamen⸗ 
fluffe litten, ſo unrein, daß fü ſ e ſelbt die Aerzte, 


. wels 


9 I. 248. 49: Gumiila, | 
) Mich. Moſ. Ri IV, 22d n. f. G. 
Balnea et relrigeris animarum. moſen &, 283. 


0) 
= x. 
— — — — . 
- 
= 


110 —— — 


welche fie. beruhrten, befleckten >. Diestaraike ja jü 


alicz am Duieſter inüffen bis an ben Hals in den 


{uf gehen, went ſie Jemanden fterben feheh. Um 


biefer Unannehmlichkeit auszuweichen, berlaffen fie 
"Ihre ſterbenden Anverwandten, und bingen Talmu⸗ 


diſche Juden, daß ſie die Sterbenden verſorgen, 
und die Verſtorbenen fo bald als moͤglich begraben u): 
Den mittleren Perfern ſchienen alle Kranke utrein, 


und Geneſete durften daher nicht eher Ihre buͤrger⸗ 


lichen Verrihtungen wieber Anfängen, als bie fie 
yon Magiern waren geteinigt worden x). Eben 


die Morgenländer , die niemahls Bedenken trügen, 
ſich Peſtkranken zu nähern, und bie Kleider von 


Peſtkranken anzulegen, oder zu Faufen, ſtimmten 
bon jeher darin überein, daß bie Leichname bon 
Dienfchen und Thieren unrein feyen, und daß bie 
Berührung berfelben beflecke. Unter bein Juden 
waren Todtengraͤber nicht weniger unrein, als 
die Aerzte, welche unreine Kranke. behandelt hats 
ten-y): Im alten Aegypten x) Tießen alle, bie 
es nur einigermaßen vermochten, die Leichname vers 
florbener Anverwandten einbalfamiren. Zu dieſen 
Einbalſamirungen ward nothwendig erfordert, daß 


j biejenigen, welche fie verrichteten, die fo genann⸗ 
ten Pollinctören, die weicheren, der Verweſung am 


meiſten unterworfenen Theile herauszogen, und 


“dann bie atögeleerten Leichname eine Zeitlang 


Ä | beijs 
t) Mich. 1, €. | | 
u) Rohrer ©. 109, 

&) Agathias II, e, 10. 

y) Michael: Mof Ri LE. 

xæ) 11, 86 et iq, &, Herodot. 


. — — 111 

beizten. So unentbehrlich abet auch die Pollinctoren 
waren, ſo mied man fie nicht bloß als unrein, ſon⸗ 
dern man verfolgte ſie, und vielleicht heftiger, als 
man Meuchelmoͤrder verfolgt haͤtte. Die Prieſter 
tt Venus zu Hierapolis wurden nicht bloß durch 
die Beruͤhrung, ſondern durch den bloßen Aublick 
von Todten unrein. Wer einen Leichnam geſehen 
hatte, mußte ſich einen ganzen Tag des Tempels 
kathhalten, und durfte ſelbſt am zweyten Tage nicht 
eher den Tempel betreten, als bis er ſich gereinigt 
hatte. Die Anveriwandten von Verſtorbenen wur⸗ 
den dreyßig Tage unrein, und konnten alfo ebeii 
fo lange keine gottesdienſtliche Handlungen verrichs 
im a), Noch jebt glauben alle Mahomebaner, 
dag tie Leichname von Menſchen fo wohl; als von 
Thieren befleiden b). Die Priefter ver Parfen 
werben fogar durch den bloßen Aublick von Todten 
seranveiniigt c). Eben dergleichen fürdytete man in 
Rom für die obetfien Prieſter. Wert daher bie 
Kaifer als oberſte Priefter einem verſtorbenen 
Blutsverwandten eine Lobrede hielten; -fo ward 
bie Leiche, ober bie Aſche hinter einen Vorhang 
geftellt, damit der Mebenbe fie nicht ſehen möchte d). 
In Griechenland waren die Spartaner die einzi⸗ 
gen,. welche Gräber und Leichname wicht als ber 
fleckend anſahen 5). Alle übrige Griechen hielten 
nicht bloß leichname ı und Gräben, ſoroen ſelbt die 
6% 


) IT. 487. Lüclan. 
b) IV. jg. 105. Chardiu. 
e) Tävernier I, ıgt ©. en 
d) Seneca de Tiberid in Conlol, ad Miete ih . 
#) Piutarch, I, as. 





N 
> 


B x “ . R . 
123 — —“ 
. “ N 


nicht einmahl auf die Straßen, um ben Mißhand⸗ 
lungen auszuweichen, welche fie fich Leicht dadurch 
zuziehen können, baß fie Jemanden berühren. — 
Nach diefen Datis ift es kaum nöthig, zu bemer: 


Ten, daß die frommen Perſer Feine Speifen bes 


rühren, bie von anderen Religions : Verwandten 
* bereitet worden find: daß fie ſich auch weder bes 
Geſchirrs verfelben, noch ihres Geräths bedienen. 
In den Augen frommer Perfer find bie Türken, 
bie Zataren, und andere Mahomebaner nicht wents 
ger unrein, als die Juden, die Chriften, oder bie 

Gögendiener”, | | 


“Die Perfer behaupten, daß ber Wein son u 
jeher verboten gewefen fey. - Wenn man die Büs 
der Moſis für das Gegentheil anführt, fo ant⸗ 


morten fie, baf bie Juden und Chriflen fie vers 


faͤlſcht: daß die Propheten, und Patriarchen nie 
‚Wein getrunken hätten, daß alfo auch die Erzähs 
Eung von Noahs Trunkenheit falſch ſey. Die 
Perſer halten nicht bloß den Wein für unrein, fons 
bern auch alles, worein, ober worauf Mein ges 


fallen iſt: auch die Meinkeller, und Weinhaͤuſer, 


bergeftalt, daß man Feine gotteddienftlidhe Hands 
lung. darin. ausüben, ja nicht einmahl füh. darin 
aufhalten darf”. 


Die Perſer machen aus ber geſezlichen Rei⸗ 
nigkelt den vornehmſten Theil ihres Gottesdienſtes, 
und die Vechta Glaͤubigen halten fo gar. dafuͤr, daß 
De Beobachtung ber Vorſchriften über gottesdienſt⸗ 

liche Reinigungen ben Menſchen lauter, und heilig 
mache. Sie haben befkändig ben Ausfprud ihres 
Propheten im Munde: Die Religion ift auf Rei⸗ 
z | nig⸗ 


— — . ı13 


Der. Anblid von Blut ift den meiften Men⸗ 
fhen zuwider, und ed iſt baher nicht zu verwundern, 
daß man Das Blur für befleckend, und die mit 
Blut Befprißten fir unrein hielt. So dachte man, 
und denkt man nicht bloß im Drient m), fondern 
eben fo bachten auch bie Griechen und Römer. Die 
beyden letzteren Völker trieben ihren Abſcheu genen 
Blut fo weit, daß felbft Helden, welde dad Bas 
terland entweder von Tyrannen, oder von anderen 
Störern der. öffentlichen Ruhe und Sicherheit bes 
freyt, und ſich dadurch ‚unfterbliche Verdienſte um 
ihre Mitbuͤrger erworben hatten, nicht eher wag⸗ 
tea, zu opfern, als bis ſie ſich von ben Flecken 
des dergofjenen Blutes hatten reinigen laffen m). 
Deo Japaneſen fcheint kein Blut befleckender, als 
das, was fie ſelbſt verlieren 0). Die Hindus 
baken einen ganz entgegengefeßten Glauben. Die 
Iöteren würden um keinen Preis Blut, nicht eins 
mahl von Thieren vergießen. Allein wenn fie felbft 
ſterben muͤſſen, fo fterben fie keinen Tod lieber, als 
einem ſolchen, bey welchem ihr Blut vergoffen 
wird, weil fie hoffen, daß fie durch das Vergie⸗ 


fen ihres Bluts von allen. ihren Sünden werben - 


gereinigt werden p). Keine, Todesart iſt ihnen 
daher ſchrecklicher, ale das Henken. 


| Dem 
a) Chardin IV; or UU = 
x) So Theſeus, Plutarch. I. 25.. Die Römer, wels 


he die Tarquinier und deren Anhänger geſchlagen 


hatten. Dionyl, I, 58. 

0) Raͤmpfer L24 © \ 
‘p) Travels in Europ, Aſia ett. I. 335. 
. N j j H 2* 


1234 — — “ 


traͤgt, bamit man um deſto bequemer die Meinis. 


gungen vornehmen. kann, weldye man in vier, und 


. zwanzig Stunden wenigftens fünfmahl, dad heißt 
eben fo oft vornehmen muß, als man zu beten - 


hat: Die Safuiften Ichren zwar, daß man fi 


‚ nicht reinigen bürfe, wenn man gewiß fen, daß. 


man in ber Zeit, bie zwifchen zwey Gebeten ver» 


fließt, ſich nicht befleckt babe, Allein es gehört 


fo wenig bazu, ſich zu Verunreinigen, daß man 


deßwegen nie ganz ficher feyn Bann”. 


«Die gemeine, ober orbentlide Reinigung 


“enthält zehn Puncte: fünf, welche den Kopf, umd 


eben fo viele, die den übrigen Coͤrper betreffek. 


Die fünf erfteren beftehen in dem Meiben ber Zaͤh⸗ 


ne, im Gurgeln, in dem Saͤubern der Naſe, ins 
den man Waffer hineinzieht, und wieder zurück 


fiößt, in dem Scheeren des .Kopfs, und tn dem . 


Scheeren des Gefihts: die fünf anderen, in dem 
einigen der Theile, wodurch bie Matur fich ers 


leichtert, In dem Abfchneiden ver Nägel, in dem - 


Ansreiffen der Haare zuerſt unter'den Armen, und 
dann an ben Schaamtheilen, und endlich in ber 
Befhneidung”. 


Nach diefen Bemerkungen theilt Chardin 


x 


die Weberfeßung einer Schrift mit p), welche ein 
"berühmter Schriftgelehrter auf Wefehf Abas des 
‚Großen verfertigt, und eben deßmegen bie Sums 
‚me, ober dad Handbuch bed Abas überfchrieben. 


batte. Das Buch befteht aus fieben und dreyßig 
Abſchnitten. Man gehe nur Einen diefer Abſchnitte 


Pr p. pet iq. p. 


durch, 





— — 115 


wegen an jedem Morgen, ſie mochten der Liebe ge⸗ 
noſſen und geträumt haben, oder nicht un). 


Mehreren Völker fchienen gewiſſe Thierarten 


fo unrein , daß fie dieſelben nicht allein nicht aßen, 


der den Göttern opferten, fondern fie au nicht 
einmahl berühren Eonnten , ohne fi) zu beflecken. 
In diefern Grade unrein find den heutigen Maho⸗ 


medanern der Yund, und das Schwein, weldes . 


leztere auch ſchon im alten Orient in gleichem Gras 
deverabfchent wurde x): ben Pen ber Haaſe x), 
ud den Sapanefen ber Fuchs y). 


So wie man Vefleckungen für Sinden hielt, 
{0 glaubte man, daß boͤſe Handlungen, befonters 
das Vergiegen ven unfhulbigem Blur, und Ent⸗ 


weihungen heiliger Dinge befleckten yy). In dem 


gröften Theile Yon Griechenland w.ren Moörder fo 
rein, daß fie ſelbſt diejenigen befleckten,! ‚ bie mit 
ih⸗ 


uu) Lomeyer 16. p. 218. Uuter den Mehomedas 
nern ift der Urin nıcht weniger befledend, als dab 
- Blut, Chardin IV, ı1ot, 


#) Chardin IV. 101. Mich. Mof, Recht IV. 308. 
22) Niebuhr II, 47 © 
y) Rämpfer, l. e. 


M) Es war beſonders unter den Juden eine gemeine 
Vorſtellung, daß Sünden befledten. Mınf. ke- 
vit, 18. v. 20. Pſalm 106.. v. 39 Jeren. 20 23. 
Led, 20, 7. 8. 36 AXlL, 3. | 


H 2 


' { 
116 \ " anne m. | 


ihnen umgingen 2). Als daher bie meuchelmoͤr⸗ 
deriſchen Kynether ſich an die Arkadiſchen Staͤdte 
wandten; ſo gebot man ihnen allenthalben, die 
Staͤdte zu raͤumen, und die Einwohner von Man⸗ 
tinea luſtrirten ſo gar ihre Stadt und ihr Gebiet, 
“um von der Befleckung, deren fie durch bie Kyne⸗ 
ther theilhaftig geworden waren, befreyt zu wer⸗ 
den a). Die Verunreinigung flieg, wenn man 
Blnt an heiliger Städte vergoffen, oder Beſchuͤtzte 
yon Goͤttern umgebracht hatte, diefe mochten ſchul⸗ 
dig oter unſchnldig ſeyn. Die Griechen mähnten, 
dag die Schuld und Befleckung eines folhen Vers 
brechens von ben Thätern auf die entfernteften Nach⸗ 
kommen übergingen. Eben daher wurden in Athen 
die Nachkommen derer, die den Kylon und beflen 
Genoſſen getöbtet hatten, als hoͤchſt unrein und 
anſteckend verabſcheut 5); und wenn ihre. Gegner 
bisweilen die Dberhand behielten, fo wurden bie 
Nachkoͤmmlinge der Mörber bes BRylon ald Fein 
de der Götter am Leben geftrafi. Man grub fo 
gar bie Gebeine ber WVerftorbenen aus, und warf 
fie über die Graͤnze, damit fie bie vaterlänbifche 
Erbe nicht beflecken a ce) Nach dem Abs‘ 

auge 


2) Zenophon in Tyrannie, IV. 9. 4. — ds 'n. 
romvras woAloı vonoy Ta Aiai Povſx unde rovu cur- 
0VTR NRJTapsUsIV. 

‚a) IV. sı, Polyb. Man vergl, Lomeyer c. 7 et 16. 

3) Thue. 1. 1260, 20 ano Tara sraysıc au —R 
ru Ja cxtuuo TE nalavro, xa To YaVoc To am axi- 
vos. N 


#) Piutarch, I, 335. Einer ähnlichen Sünde mach⸗ 
ten ſi ch diejenigen ſchuldig, welche den en 
ichen 


2 
ç* 





— — m7 


inne der Perſer reinigten bie meiften Griechiſchen 
Völker ihre Tempel, Altäre, und Statuͤen, weil 
fie burdy die Barbaren waren beflecdt worden. Ct 
um Goͤtterſpruche bed Delphiſchen Apoll zufolge 


“ maften die Griechen, melde bey Pfatäa gefiegt 
hatten, "Jupiter dem Befreyer einen Altar ers 


richten. Auf diefeen Altare bunften fie aber nicht 
cher opfern, als bis alles Feuer im ganzen Plas 
tenfifchen Gebiet, als befleckt ausgelöfht, und 
seines Fener von dem Altar zu Delphi gebracht 
erben war d), | 

Die Vorftellung von Sünden unter den Bll⸗ 
de ton Flecken, ober Unreinigkeiten veranlaßte 


unter allen Völkern den verderblihen Schluß: daß. 
man die Flecken der Sünde, - wie Befledungen des 


Corpers, durch gettesbtenftliche Reinigungen wege 


nehmen koͤnne. Die Orphiker ruͤhmten ſich nicht 


bloß, dag ſie Lebende, ſondern daß fie fo gar Ver⸗ 
ſtorbene von allen Flecken der Suͤnde ſaͤubern koͤnn⸗ 
time. Die Griechen und Roͤmer behielten beſtaͤn⸗ 
dig Yon Suͤnden, und Reinigungen von Sünder 
| Ä eben 


. 


fhen König Paufaniae in einem Tempel ermordes 
ten. Thucyd, I. 128. 134, 


4) 11507. Plutarch: — Ioni de un wporspov, y 
‚To nur T79 Xupay up æros Accævracq, wc ano TV 


‚ Pupßapuv psaonsvov, evavauedaı wuJapev er 


Aeldwy ano rc neivns dsıne. 


e) I], p. 104. de Republ. Ed. Malley. waTourec u. 
yovov ıdıwrag, alla au zeAsıc, ac apa Ausus TE 


a0 xaJappoı adınynaray = = = TI BY ATI CE. 
u0ı ds x TEÄSUTYTEEW. 


"ten fie aber mit bem Eſſen bis gegen Mutag , fo 


kommen. Dicke Milch audgenommen, melde fie. 


müffen fie wieber ihren ganzen Leib waſchen, abers 


mahls ein ſauberes Kleid anlegen, dreymahl Waſ⸗ 


ſer in den Mund werfey, ſich von neuem zeichnen, 
und Tiertum nehmen. Alle dieſe Handlungen wer⸗ 
den zum dritten Mahie gegen Abend wiederhohlt, 
wozu noch Gebete und andere Andachts⸗Uebungen 


für eine reine Götterkoft halten, effen und trinken 
die Brahminen durchaus nichts in den Häufern 
Kon anderen Hindus, nicht einmahl von Brahmis 
nen, die don einer anderen Secte find. Wenn 


die Brahminen Weiber aus einer anderen Caſte 


haben, fo dürfen biefe nicht allein nicht mit ihren 


Männern eſſen, fondern fie nicht einmahl eſſen, 
ſehen. Ein Brahmin, der dieſes Gefeg uͤbertraͤte, 


wuͤrde von allen uͤbrigen Brahminen als unrein 


| geflohen werben 2). 


Die Brahminen meiden bie übrigen Hindus 
wegen ihrer Unreinigkeit nicht ſo ſehr, als alle 
Caſten der Hindus die Europaͤer, und dann die 


verworfenen Parias verabſcheuen. Die Hindus 
verabſcheuen die Europaͤer nicht bloß deßwegen, 


weil dieſe, gleich dem Paxrias, Wein trinken, und 


Rindfleiſch eſſen, ſondern auch, weil fie in ben Haͤu⸗ 


fern, fo gar in deu Tempeln ausfpuden, beym 
Trinken das Gefchirr an. bie Lippen haften, und 
ben Mund mit ben Fingern wiſchen, fo, daß ber 
Speichel fie verunreinigt u). Wenn bie Europäer 


nicht bie maͤchtigeren waͤren, ſo wuͤrde man ſie 


eben. 


e) Kogess lc FOR 
®) 1,49 Sonnen . 


U} 
tn nn 


— — — — Fr 


— — 121 


ſenen bloß unfaͤhig macht, gottesbienſtliche Hand⸗ 
lungen vorzunehmen, dergleichen das Leſen des Ko⸗ 
rans, das Beten, und Beſuchen von Moskeen iſt, 
zu welchen eben ſo wohl eine leibliche, als geiſtige 
Reiniakeit erfordert wird. Der Leib, ſagen die 
Perſer, bietet ſich der Gottheit, wie die Seele 
dar. Er muß daher rein ſeyn, um mit Gott zu 
reden, ober einen feinem Dienſte geweihten Ort 

zu betreten. Eins der haͤrteſten Schimpfwoͤrter, 
was man gegen einen Perſer brauchen kann, be⸗ 
ſteht darin, wenn man Jemanden einen Uureinen, 
oder einen Befleckten nennt”, Ä 


“Die Perfer treiben die Sorgfalt für bie ges 
ſezliche Meinigkett unglaublich weit; und wenn Alle 
In diefem Stücke gleich pünctlich wären, fo wuͤrden 

Bekenner von anderen Religionen gar nicht unter: 
Ihnen wohnen Eönnen. Die Strengiten halten bens 
jenigen fchon für befleddt, der einen Menfchen von - 
einer andern Meligion, oder gar das, mad biefer 
in Händen harte, berührt hat. Ich felbft war 
Zeuge, daß ber verftorbene König von Perfien, 
der fonft gar nicht abergläubig, und bisweilen 
drey bis vier Tage hinter einander trunken war, 
einen neuen Ring in Waffer werfen ließ, weil ein 
Ehriftlicher Sumelirer ihn verfertigt hatte”. 


“Die Perfer unterfcheiden unter den Dingen, 
welche beflecken, die feuchten don den trockenen, 
Indem fie vorgeben, daß bie feuchten denen, welche 
fie berühren, einen gewiſſen Duft mittheilen, Wenn 
td daher regnet , fo gehen die Chriften, die Juden, 
und die Heiden nicht in die Mohnungen ber Mas: 

Vomebaner, und fo viel fie es vermeiden. koͤnnen, 

| 0 nicht 


‘N . - ) \ 
123 —— —“ 
P3 ST 


nicht einmahl auf die Straßen, um ben Mißhand⸗ 
lungen auszuweichen, welche fie fi Leicht dadurch 
zuziehen koͤnnen, daß ſie Jemanden beruͤhren. — 
Nach dieſen Datis iſt es kaum noͤthig, zu bemer⸗ 
ken, daß die frommen Perſer keine Speiſen be⸗ 
ruͤhren, die von anderen Religions- Verwandten 


bereitet worden ſind: daß ſie ſich auch weder des 


Geſchirrs derſelben, noch ihres Geraͤths bedienen. 


In den Augen frommer Perſer find bie Tuͤrken, 


die Tataren, und andere Mahomedaner nicht weni⸗ 
ger unrein, als die Juden, die Chriſten, oder die 
Gögendiener”, 


“Die Perfer behaupten, daß ber Wein von 
jeher verboten gewefen fey. Wenn man die Büs 
der Moſis für dad Gegentheil anführt, fo ants 
morten fie, daß bie Juden und Chriflen fie vers 


faͤlſcht? daß die Propheten, und Patriarchen nie 
‚Bein getrunfen hätten, daß alfo au die Erzähs 


kung von Noahs Trunkenheit falſch ſey. Die 
Perſer halten nicht bloß den Wein fuͤr unrein, ſon⸗ 
bern auch alles, worein, ober morauf Wein ges 


fallen ift: auch die Weinkeller, und Weiuhäufer, - 


bergeftalt, daß man Feine getteddienftlihe Hands 
lung: darin. ausüben, ja nicht einmahl ſich darin 
aufhalten darf”. a | 


Die Perfer machen aus ber gefezlichen Rei⸗ 
nigkeit den vornehmſten Theil ihres Gottesbienftes, 


und die Aecht⸗ Glaͤnbigen halten fo gar dafür, daß 
bdie Beobachtung ber Vorſchriften über gottes dienſt⸗ 
liche Reinigungen den Menſchen lauter, und heilig 


mache Sie haben beftandig den Ausfprud ihres 
Propheter im. Munde: Die Religion iſt auf Reis 
I nig⸗ 


— ——“ 123 


nigkelt gegruͤndet, und die Hälfte der Froͤmmigkeit 

beſteht darin, recht rein zu feyn. Das große Ges 

| wiht, was man auf Reinigkeit legt, erhellt allein 
baher , Daß Reinigungen vor allen übrigen gottes⸗ 
dienſtlichen Handlungen hergehen muͤſſen. Gebete 
zum Benfpiel, welche man verrichtete, ohne ſich 
vorher gewaſchen zu haben, wuͤrden nicht allein 4 
dergeblich, ſondern ſo gar ſtrafbar ſeyn. Eben ſo 
waͤre es eine Art von Entheiligung, wenn man 
den Koran nur mit der Spitze des Fingers beruͤhr⸗ 
te, ohne geſezlich rein zu ſeyn. Man findet daher 
gemeiniglich auf dem Bande des Korans, ſo wie 
der Sprüche und Thaten der Imams, die Worte: 
berührt dieß Buch nit, wenn ihr euch nicht vor⸗ 
ber gereinigt habt! Auch behaupten tie Perfer, daß 
Wabomer fulgende Lehre häufig wieberhohlt habe: 
Die Reinigung ift der Schluͤſſel des Gebets. Gott 
almmt ohne cörperlihe Meinigung fein Gebet 
au. 


u 


. "Ste nennen bie cörperliche Reinigung Teha . | 
tet, welches eine jede Säuberung bedeutet, fie ij 
mag.mit Waſſer, oder mit Erde vorgenommen ' 
worden feyn. : Mach ihrer Glaubenslehre iſt die 
coͤrperliche Reinigung fo nothwendig, daß ſelbſt 

ein gänzlicher Mangel von Waffer die Unterlaffung 
derfelben nicht. entfchuldigt ; denn wenn man kein 
Waſſer hot, fomuß man fih der Erde bedienen, 
Hierin Itegt der Grund, warum man in allen Haͤu— 

fern bes Morgenlandes fo fehr dafür ſoragt, Waſ⸗ 

fer in großen Behältern zu haben. In allen Stras 

den Läuft: Waſſer, wo man es nur irgend moͤglich 
machen konnte. Alle Moskeen haben ‚mehrere . 
Sehe, deren Tiefe mehr, als Manneshoͤhe be⸗ 


m trägt, 


trägt, bamit man um beflo bequemer die Reini⸗ 


gungen vornehmen kann, welche man in vier. und 


. zwanzig Stunden wenigftend fünfmahl, das heißt 
eben fo oft. vornehmen muß, als man zu beten - 


bat: Die Safniften Ichren zwar, daß man fi 


nicht reinigen bürfe, wenn man gewiß fen, daß: 


man in der Zeit, bie zwifchen zwey Gebeten ver» 


fließt, ſich nicht befledit babe. Allein es gehört. 


fo wenig dazu, fih zu verunreinigen, baß man 
deßwegen nie ganz ſicher ſeyn Bann”. 


«die gemeine, ober orbentlihe Meinigung 


enthält zehn Puncte: fünf, melde den Kopf, und 


eben fo viele, bie den übrigen Coͤrper betreffen. 
Die fünf erfleren beftchen in dem Meiben ber Zaͤh⸗ 
ne, im Gurgeln, in den Säubern ber Nafe, ins 
ven man Waffer hineinzieht, und wieder zurück 


fiögt, in dem Scheeren des Kopf, und in dem . 


Scheeren des Gefihts: die fünf anderen, in dem 
einigen der Theile, wodurch bie Natur fich ers 


leichtert, In dem Abfchneiden der Nägel, tn dem 


Ausreiffen der Haare zuerſt unter den Armen, und 
dann an ben Schaamtheilen, und: endlich in der 
Beſchneidungꝰ. 


Nach dieſen Bemerkungen theilt Chardin 


die Ueberſetzung einer Schrift mit p), welche ein 


berühmter Schriftgelehrter auf Befehl Abas des 


Großen verfertigt, und eben deßwegen bie Sums 
‚me, ober dad Handbuch des Abas überfchrieben. 


hatte. Das Buch befteht aus fieben und dreyßig 
Abſchnitten. Man gehe nur Einen dieſer Abſchnitte 
| durch, 


x) p. So et iq. p. 


J 
.— — — | in © 


x 
us — | \ 1 135 , 


darch, zum Beyſpiel gleich den erften von ben Reis 
nigungen ber Theile, woburd bie Natur fich ents 
ledigt, und man wird darüber erſtaunen, auf wie 
viele Dinge die Mahomebaner zu achten haben, 
theild um nichts von dem zu umnterlaffen, was gu 
einer gefezlihen Reinigung gehört, und theild um 
nichts zu thun, wodurch eine ſolche Meinigung 
wieder vereitelt, oder gar eine neue Befleckung 
zugezogen wird. — Und mit allen dieſen bes 
(bwerlihen, oder verberblichen Reinigungen, wo⸗ 
dur die Mahomedaner unaufhärlich geplagt, und 
von aller genanern Gemeinſchaft mit Anderödens 
kenden audgefchloffen werten g), eweichte ber Stif⸗ 
ter ihrer Meligion nicht einmahl fo wiel, daß feine 
Anhänger fi einer wahren Meinlichkeit befleiffigs 
tm. Die Unreinlichkeit fowohl, der Türken, als 
der Einwohner Aegyptens in, Kleidern, Wohnuns 
gen, und Stäbten ift die einzige Urfache der Uns 
ausrottlichkeit der Peſt, und ihrer immer wiebers 
kehrenden Verbreitung. In den äffentlichen Baͤ⸗ 
dern in Werften ift das Wafler mit einem fchmierts 
gen Unrath bedeckt, der dem Schaum von Geife 
gleiht, und aus dem Schmuße entſteht, welchen 
die Sörper der Badenden zuruͤck laſſen. Wenn die 
Perfer ihrem Gefeze zufolge den Kopf in’s Waſſer 
Reden wollen; fo fchieben fie den oben ſchwimmen⸗ 
den Unrath mit ber Hand ein wenig auf bie Seite, 
und tauchen dann ihr Haupt unter, Da Rranfe, 
wie Geſunde die öffentlichen Baͤder befuchen, fo 
geihieht es nicht felten, dag man in den Bädern 
mit ſchmutzigen, ober gefährlichen. ‚Krankheiten ans 
geſteckt wird nr). Die. 


9 Man f. auch Niebubre Beſchreib. von Arabien 
S. 46 und C Reiſen II. 164. 
In, 285%, Chardin, 


126 u 


* 
— 


Die Reinigungen der Hindus ſind noch be⸗ 
ſchwerlicher und verderblicher, als tie der Mahos 


medaner. ° Nur felten üben harte Herren gegen 


nichtswuͤrdige Sclaven, und unverföhnliche Widers 
ſacher gegen ihre Xodtfeinde einen foldhen Haß. und 


fi felbft und gegen ihre eigenen Brüder üben, 
Die Banianen, oder Indiſchen Kaufleute handeln 


und reifen nicht bloß nad) Zeylan und andern ofts 
indiſchen Inſeln, fondern aud nach Perfien und 
Arabien, nach ber Bucharey und Rußland. Sie 
mögen aber leben, wo fie wollen,- fo ziehen fie 


ſich allenthalben, aus Furcht unrein zu werten, 


Pd 


Brahminen ein fanbered Kleid anzichen. Ein 


don den Menſchen zuruͤck, unter melden fie fidy 


aufhalten, und mit welchen fie zu thun haben, Es 


geſchah mehrmahl auf Europäifchen Schiffen, daß 
Indiſchen Banianen ihr. Vorrath von Waſſer und 


Lebensmitteln ausging. Alsdann hungerten und 


durfieten fie lieber bis zum Tode, als daß fie aus 
ben Gefäßen der Chriften getrunfen, oder von ihs 
ren Spyeifen genoffen hätten s). Die Brahminen 


quälen fich felbft, und andere noch viel mehr, ale. 


die gemeinen Hindus. Wenn die Brahminen aufs 


geftanden find, welches gemeiniglicd, eine Stunde 
vor Aufgang ber Sonne geſchieht; fo waſchen fie - 


gleich ihr Geſicht, ihre Hände und Fuͤſſe Nach 
dieſem erften Bade ſetzen fie. ſich auf ein Brett, 


oder auf einen Teppich nieder, und fingen ein, oder 


mehrere Loblieder. Den Lobliedern folgen Reini⸗ 
gungen der Zähne und des Mundes, und Näder 
over Wafchungen des ganzen Cörpers: worauf die 


Kleid 


4)5) Grole I. 185, 188: Niebuhr il, gr 


ſolche Verfoluungen aus, als die Nindus gegen 


= 


— — 127 


Kleid iſt nur alsdann ſanber, wenn ed nad dem 
letzten Mahle, wo man es getragen hat, gewa⸗ 
ſchen, oder wenigſtens in's Waſſer geſteckt worden 
A Zum Gluͤck verlangen die Indiſchen Prieſter 
diefes nicht von feidenen Gewaͤndern, weil fie fol» 
de. ihrer Natur nad für reinliher halten, als 
baummwollene. Nachdem fie ſich angekleidet haben, 
fo feßen fie ſich auf dad Brett, oder den Teppich 
nieder, auf welchem fie ſchon Ein Mahl fagen, hoh⸗ 
len ganz frifhes Waller, und rühren das ein, 
womit fie fich bezeichnen wollen. Go bald dieſes 
fertig ift, fo nehmen fie dreymahl Waſſer in die 
Hand, werfen dad Waſſer in den Mund, obne 
diefen mit der Hand zu berühren, fprecden die 
vier und zwanzig Nahmen ber Gottheit aus, und 
brtaften dabey eben fo viele Theile ihres Coͤrpers. 
‚Hierauf bringen fie dee Sonne ein Zrankopfer, und 
beten ihr gewöhnliched Gebet, meiftens eben fo 
diele Mahle, als fie Kügelchen an ihren Moftns 
Prinzen haben. Nach dem Gebet wafchen fie ihren 
Fetiſchen, ein Pleines Bild von Stein, und heben 
das Waſſer, womit fie ihn gewafchen haben, Tiers 
tum genannt, forgfältig auf. Dann opfern fie . 
0b einem Bilde von Erz, feßen. ſich neben das 
Bild nieder, und fprengen von dem Waſſer Tier⸗ 
tum theild auf das Haupt, theild in den Mund, 
und in bie Ohren, Sm. bie letzteren ſtecken fie auch 
ach etwas. von einem Kraute Xoleje, weil fie 
‚dadurch vor Unreinigfeit gefhüßt werden, wenn 
fie zufällig etwas Unreines berühren follten, fo 
wie das Wafler Tiertam fie von allen ihren Süns 
den ſaͤubert. Ein leichtes Fruͤhſtuͤck macht eben 
die Waſchungen nothwendig, welche fie Morgens 
dlelh nach dem Aufftchen angeftellt haben. War⸗ 


. KeB. 


"ten fie aber. mit dem Eſſen bis gegen Mittag, :fo 


müffen fie wieber ihren ganzen Leib waſchen, abers 


mahls ein fauberes Kleid anlegen, dreymahl Wafs 


fer in den Mund werfeg, ſich von neuem zeichnen, 
und Tiertum nehmen. . Alle diefe Handlungen wer⸗ 
den zum britten Mahie gegen Abend wiederhohlt, 
wozu noch Gebete und andere Andachts⸗Uebungen 


kommen. Dide Milch audgenommen, melde fie. 


für eine reine Götterkoft halten, effen und trinfen 


die WBrahminen durchaus nichts in den Käufern = 
von anderen Hindus, nicht einmahl von Brahmis 


nen, die Don einer anderen Secte find. Wenn 


bie Brahminen Weiber aus einer anderen Caſte 


haben, fo dürfen biefe nicht allein nicht mit ihren 


Männern eflen, fondern fie nicht einmahl eflen , 


fehen. Ein Brahmin, der diefes Geſetz äberträte, 
würde von allen übrigen Brahminen als unrein 


geflohen werden t). 
| Die Brahminen meiden bie übrigen Hindus 


wegen ihrer Unreinigkeit nicht ſo ſehr, als alle 
Caſten der Hindus die Europaͤer, und dann die 


verworfenen Parias verabſcheuen. Die Hindus 


verabſcheuen die Europaͤer nicht bloß deßwegen, 


weil dieſe, gleich dem Paxias, Wein trinken, und 
Rindfleiſch eſſen, ſondern auch, weil fie in den Haͤu⸗ 


fern, fo gar in den Tempeln ausfpuden, beym 
Trinken das Geſchirr an. bie Lippen halten, und 
ben Mund mit den Fingern teifchen, fo, daß ber 


Speichel fie verunreinigt u). Wenn bie Europäer 
nicht bie maͤchtigeren wären, fo wuͤrde man ſie 


eben 


e) Rogers I. c. 18. 
”) 1.49, Sonner. 


— —ñ—— — 


— — | ag 


en fo, ober nah fhltmmer, als bie Parias bes 
handeln x). Die Parias muͤſſen nicht bloß vom 
den übrigen Hiudus abgefondert wohnen , fonders 
fe müffen ihre elenden Hätten in einer ſolchen Gute 
fernung von Staͤdten und Dörfern anlegen, daß 
der Wind den Einwohnern ber letgteren nicht ge 


führlich werden Dann. Die Parts dürfen kein . 
Waſſer aus öffentlichen, fondern nur aus ihren 


tigenen Brunnen fchöpfen, die deßwegen durch eins 
Einfaffung von Thierfuochen ausgezeichnet find. We 
geguet. ein Paria einem Hindu der höheren Gaften, 
fp muß er fitlle ſtehen und ſeich umwenden, bis 
dieſer vorübergegangen iſt. Weber ein Hinda einen 
Porta an, fo liegt diefem ob, den Mund zuznhal⸗ 
tn, damit fein Athem nicht beflecke. Die Hindus 
köten es für ein verdienſtliches Werk, felbf ber 
ſchoerlichem Ungesiefer und giftigen Schlangen. bad 
teen zu retten. "Einen. Paria hingegen laſſen fie 
Ueber umfommen, alt daß ſte ihm Huͤlfe leiſteten, 


nd ſich dadurch befleckten. Edle Hindus wuͤrden 


einen jeden Paria töbten, der fie nur unabſicht⸗ 
NG beruͤhrte. Wenn man bie Dieufle dee Pas 
ad braucht, fo laͤßt man fie durch eine befonbere 

ond s und eingeben. Bey tem Aut » und 
Eingehen haben Die Parias nicht das Herz, bie 
Angen aufzuſchlagen. Geſchaͤhe dieſes cinmahl, 
fo wuͤrde man allen Hausrath als befleckt vernich⸗ 
ten muͤſſen. — Und dieſe bis unter das Wirk 
eeniedrigten Parias find zahlreicher, als bie Hin⸗ 
WG allen Übrigen Eaftm! Rıs 


“ib, © 4 48. 
3 


— — — —· 1— — 


SI 


130. | — — | | 
Nachdem bie Gefahren, ſich gu verunreinigen, 
‚fi ſo ſehr vermehrt hatten, daß Keiner ficher ſehn 
Eonnte, ob er. nicht auf irgend eine Art befleckt 
worden fey; fo hielt man ed für das befte, feine: 
bedentende, weder öffentliche, noch gottesdienſtliche 
Handlung vorzunehmen, ohne die handelnden Per⸗ 
ſonen, oder die Schauplaͤtze der Handlung vorher 
luſtrirt zu haben. Luſtrationen gingen daher vor 
Volksverſammlungen, wie vor Feldzuͤgen und 
Schlachten her y). Man. betrat keinen Tempel, 
- man begrüßte die Götter nit, und betete nicht 
zu ihnen, man opferte nicht, und fragte bie Götter 
nicht um Math, man feierte feine Feſte und Spiele, 


befonderd lieg man ſich nicht in Myſterien ein⸗ 


weihen, ohne ſich durch Meinigungen zu allen bies 
fen gottesdienftlihen Handlungen tuͤchtig gemadıt 
zu haben 2). Vor allen Tempeln flanden Ges 
füge, oder Behälter mit Waſſer, damit diejenigen, 
welche ihre Andacht verrichten wollten, ſich auf der 
Stelle reinigen Fönnten a). J 


Mit allen dieſen Reinigungen glaubte man 
noch nicht genug gethan zu haben, um ſich von je⸗ 
der Unſauberkeit zu befreyen. Man ordnete daher 
beſondere Feſte an, an welchen man nicht nur ganze 
Woͤlker, oder Armeen und Flotten, ober die Eins 


wohs 


| y) Pollax VIII. 9.24. Plutarch, II. 516, av duvapıy, . 
fagt Aemilius Paulus, #v kaxsdoviz mapsAußov, 
ua Tov aim Jora auvrelssag xuJapuov auryg BIC. - 


2) Lomeyer &, 16. p. 195 et fg ' 


| «) Ein ſolches Gefäß hieß im Griechiſchen xepriys. . 
* "im Rateinifhen labrum, 1,c. p. gor. j 


— 


— — — | 


, j mm nn ’ \ 131 
wohner ben Stoͤdten und Doͤrfern h), ſondern auch 
Heerden c): nicht bloß Gärten und Aecker, Wein⸗ 
berge und Wieſen, fondern auch Berge, Waͤlder, 
Scheidewege, und fo gar Quellen d): nicht bloß 
yrofane, ſondern auch heilige Dinge, beſonders 
bie Zempel und Biltniffe der Götter reinigte e). 
Im Durchſchnitt waren bie Feſte, an welchen tie 
Bildniffe von Göttinnen gewafhen wurden, gloͤn⸗ 
zender, als die Waſchungs teſte der Goͤtter In 
Rom forderte man nach einer uralten Sitte von 
denen, welche bie Reinigung ber Statuͤen von 


Goͤttern übernahmen, Bürgfhaft f). Die nüßs _ 
Nlichſten, wenn audy nicht die glänzendften Meinis 


gungsfefte, waren die luftra der Roͤmer, an wels 


Gen fo wohl der fittlidye, als: politifche — 
von Buͤrgern beſtimmt, und das ganze Volk dur 


heilige Hantlungen mit den Goͤttern ausgeſoͤhnt 
wurde 8 


\ 


5) Un den Äußris, smburbialibus nd Palilibus 
der Roͤmer. Lomeyer, c.28. et c. Sı. Varro am 
veter. Gloflat. irı Cafaub, Natis ad erſium p.30. 


€) Lomeyer 0.29. 


d) An den ambarvalibus und Subvotauriibus, Bo 


fpin. de Feflis p. 98. Lomeyer.c. Macrob, V. 1, 
— de Leg. Il. c. 8. 9. 
eo) Lomeyer c, 26. p. 320 et lg. P. 
pP Pia. Quaeſt. Rom. 61. Lomeyer p. 326, 
g).Livins I. c. 42. 44. Cenlum enim infituit 
(Servius) rem faluberrimam tanto futuro imtpe- 


rio: ex quo belli, pacisque munia non viritim, 
ut ante, led pro habitu pecuniafum fierent, 


WW J2 


/ 


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on | Mar 


———— 


R 132 — — 


Man Hann von den Reinigungomittelũ eben 
Bas, was von ben Reinigungen felbft fagen. Die 


Eluen waren fehr natürlich, andere, eben fo uma⸗ 


Shrlich; und dody waren die letzteren nicht weniaer 
gemein, als die erfteren. Das natürlichfte unter 
allen war reines Wafler ,. dad man bey den Reinis 
Sungen auf verfchiebene Arten brauchte. Wald bas 
bete man ſich mit dem ganzen Eörper in reinem 


\ offer, und biefem Vaden entfprady dad Auswa⸗ 


von Kleidern, ober Geraͤth, bie gefänbert 


‚werden follten 4). Wald wufch man einzelne Thei⸗ 


Io, befonders die Haͤnde, womit man heilige Dins 
ge berühren, oder gotte@dienfiliche Handlungen 
verrichten wollte. Wald befprengte man ſich bloß, 


und zu biefen Wefprengungen brauchten die Gries 
chen, und Römer Heine Beſen von Zweigen, bie - 


vom £orbter s. oder Dchlbanın waren genommen 
worden. Beſprengungen wurden, wie andere hei⸗ 


ge Handlungen, gemeiniglich dreymahl wieder 


hohlt 5). Die Griechen ftechten in das Weihwaſ⸗ 


Ser vor den Tempeln häufig einen Brand vom Als 


tar, weil man einfaches Waſſer für nicht Eräftig 
un bielt 4). Noch viel gemifchter war das 

eihwaſſer, womit nach Moſis Vorſchriften bie: 
jenigen eatſaͤndigt wurden, ' welche einen Todten, 


. ober Toben s Gebeine berährt hatten I). - Der 


Priefter ließ eine rothe Kuh, an welcher kein F N. 
war, anßer dem Lager ſchlachten. Die geſchlach⸗ 
W tet⸗ 


A) Lameyar c. 358. 
) L. e. p. 445. 
k} Athenae IX, c. 28, P. 409 _ 
DW. M. 619 - 


ee. 138. 


tete Kuh warb Orchranut; und zit übe zul Ge 
⸗Holz, Yfopen, und rothe Wolle, welche bey 
er auf Die brennende Anh warf. Wenn alı 
es —* Aſche verwandelt war, fo faminelte 
ein reiner. Mann die Aſche, und fdyhttete fie an ei⸗ 
nen. zeigen Ort. So oft num Jemand ſich durch bie 
Berkchrung eines Tobten , ober Todtenbeind bes 
fledit hatte; fo nahm man von diefer Aſche, miſch⸗ 
- te fie mit reinem er in einem Gefäß, und be bee 
fprengte damit am dritten und fiebenten Tage, den⸗ 
jenigen, bee entfünbigt werben ſollte. Der Uns 
reine warb durch biefe Beſprengung rein. Dieje⸗ 
nigen hingegen, welche bie Aſche berührt, und bie 





Beſprengung —— hatten, wurden unrein 
bis an den A Wer einen Todten beruͤhrt 
kette, und r wicht entfünbigen wollte, befien 

—* ſellu⸗ anggerottet werben aus ber Gemeine 


Sc netärliie, ı wenn gleich sum Theil fit 
fame Reinigungsmittel, waren das Säften,. 
Schwenken. Das Reinigen daurch Lüften —* 
bie Römer ventilatio per Vannum m), weil men 


fh wahrfeinliä Dagu feldher Gefäße beviente, a8 


womit ber Landmann bie ansgehrofchenen Körner 
von ber Gpröu reinigtes Meine Leſer erinnern 
fh, daß auch die Americanifgen Wilden alles 
Hausgeraͤth läften, wenn gereinigte Kindbetterin⸗ 
nen in die Härten zuruͤckkehren. Ben dem Schwen⸗ 
Ten ſehten ſich zwey Perſonen auf Die beyden Eis 
sen eines Breus, oder ment, Der an einem 

Ä Baum 


m) c, 18, 


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— — — ⸗—— RE - - 


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Zn: 7 a en — — 


D 
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Baum beſeſtigt war, und hoben fi gegenſeitig 
empor m. 


Zu den fehr, natürlichen Melnigungen kann 
man auch die durch das Feuer, und durch Raͤuche⸗ 
rungen rechnen 0). Bey den erſteren ſprang man 
entweder uͤber ein loderndes Feuer weg, oder man 
ging zwiſchen zwey brennenden Feuern durch. Im 
vorhergehenden find ſchon Beyſpiele genug vorge⸗ 
kommen, daß ſolche Meininunger durch's Feuer 
noch jetzt unter vielen Voͤlkern gebraͤuchlich find. 
u ben luſtrirenden Mäucherungen brauchte man _ 
entweder Schwefel, oder mohlriechende Hölzer und 
Kräuter, beſonders Lorbeeren, oder trocknes Stroh. 


und Heu, ober endlich Weihrauch. Die Römer 


verbanden beyde Meinigungen durch Waffer unb 
Reuer fo wohl an Hochzeiten, als bey Leichenbes 
gänaniffen. Wenn Braͤute heimgeführt wurden, 
fo trug man ihnen Fackeln vor, und befprengte fie 
mit'reinem Wıffer, oder wuſch ihnen bie Füße das 
mit p). Bey Leichenbegängntffen ſprangen, oder 
fihritten diejenigen, melde von biefer traurigen 
Handlung zuräckkehrten, über ein breunendes Feuer, _ 


nachdem fie vorher mit reinem Waffer waren bes. - 
ſprengt worden 9). | 


De 

. . N ü 

—28— p. 200. Dieſe Art von Reinigung hieß aloil 
atio. nn u 


eo) 9 p 245 et Iq. | 
pP) © 80, l. ©. I 


gıl. +73 


Ba Een 1 7 
Da man Speichel; Kleyen, und’ einige Kraͤu⸗ 
ter brauchte, um Flecken oder Unſauberkeiten theils 


von feinem eigenen Leibe, theils aus anderen Din⸗ 


gen wegzubringen; ſo kann man auch dieſe Reini⸗ 
gungsmittel nicht geradezu unnatürlid nennen 5). 


Weniger natuͤrliche Reinigungs⸗ Mittel hingegen 


waren Eyer 9), Honig, Honig mit Waſſer, und 
Waſſer mit Blut gemiſcht. Eyer wandte man 
vorzüglich. in den Myfterien ald Reinigungsmittel 
an. Inden Geheimnifien bes Mithras goß man 
Den Eingeweihten flüffigen Honig ſtatt Waffers in 
bie Haͤnde, und forberte fie auf, daß fie die Hände 


| vor allem, was unfauber, oder unerlaubt feh, bes 
wahren möchten. Man bediente fi) neben dem 


Teuer des Honigs, und nicht des Waſſers, weil 
dieſes gleichſam ein natuͤrlicher Widerſacher des 
Feuers fey £): eine Raffinerie, die nur von kluͤe 
genden Betruͤgern erſonnen werben Tonntel - 


Ganz unnatuͤrliche Reinigungs s Arten waren 
‚bie durch das Umhextragen, ober Umherfuͤhr 
von Thieren, noch mehr das Beſtreichen, oder 
traͤufeln mit dem Blute von zum Theil anreinen 
Xhieren, bie weder von Menfchen genoſſen, noch 
den Goͤttern geopfert wurden. Man trug, oder 
führte nicht bloß Dchfen ,. Schaafe und Gchmeine, 
fondern Raben, Hunde und Löwen um Städte, 
ober Gebiete, oder Aecker und andere Gegenftänbe 
ber, welche man reinigen wollte, ohne biefe Thiere 


gerade zu ſchlachtenz und mer wiederhohlie man 


das 
r) 6. 94. p. or 308: 
sy) 0, 91, 
6) © 20, Pr 257% 


. . 


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Ta Sm —, 


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je" Dee 
das Umhertvogen, ‚oder. Uwiherfähren grucbhnlich 


derymahl u). Man feige hiebey ‚angenfheinlich 
voraus, daß die laden von Dingen, die gerei⸗ 
ige werden ſollten, auf ble Auer, welche man 


‚wunherteng, ober umherfuͤhrte, übergehen würben. 
Das Umhertrager war bey den kafkratlenın fo ger 
wohnlich, daß man ſtatt reinigen umhertragen füge 
0), und faft alle Wörter, melde Reinigunger, 
or Dinge, -vie ſich darauf Bezogen , andeuteten, 





mis dem Worte war, umber, verband y). Mod 


— gwmatärlider, ! als das Umherfaͤhren, oder Um 
hertragen lebendiger Thiere, war das Beſtreichen, 
web Betvraͤufrin mie dem Blate arbender, aber 


feiſch geſchlachteter Thiere. Vorfetzliche, web aus 
vorſetzliche Tedtſchlaͤger, die ſich in bie Eleuſub⸗ 
Aigen Dipften wollten einwehen al gen 


u) upon ⸗. 2. pe aß af Bofgin. de fefis 


— —D p. 43% Zu ben Morten dei 


(ocios Fürs: circum tulit unda, 


macht Setvius die Wenterfung : — | 


puraait. 'Antiquam verbam e — 
rvato te circumfersm.. id. 8 ‚te p 
Kan Iafiratio a circumlatione dicta ef A ne 

se, ve ſulphuris. 


| | N Lomeyer Le. quiequid enim vel rei Iufrandse 


.  »applicabant, id in orbem ducebant, unde prae 

.“ poßtio "sp: cum pleriegue huc pertinentibus 
verbis eompanitur: ut Tepwiapxeg, TEpIBATTsG“ 
9a, upIuage, zepayıkar, ruf, ot 
wegduncis, wepmalape, wupfmllsslar: Bap- 
(ı 1778 . 


Bi . 
‘ 
. 
Bu N Gr © ⏑ ⏑— 


' I 





ib nor dabur eeieigen, daß fe. Ibeen 


zauyen 
$eib. wit. dem Blute eines jungen Schweine bee 
figwmiezten.z)., «Swyden-Ießten Deiten.das Möınle 





i 8 t 
—— — —— 


ersßeYpın. ip Baumte a) - Dice en bes | 


Runden darin, daB Man eime tiefe Gruͤbe gruß, 
und bie Grube mit ‘Bohlen bedeckte, in welche man 
Viele Löcher gebohrt hatte. Der MPrießer, : eher 
wer ſich fonft reinigen laſſen wollte, ſtieg in bie 


* Grube hinab. Ueber der Grube durchſtieß man 


einem Stier mit einer Lanze das Herz, fo daß das 
Blut des Stiers durch die Loͤcher dar "Bohlen durch⸗ 


träufelte, und denjenigen , ber in der Grube war, 
benetzte. Damen fonft alles Blur für befledend 


hielt, fo wäre ed unbegreiflih, wie man jemahle 
Dad Beſtreichen, oder. Beträufeln mit. Blut für 
eine Reinigung hätte kalten können b); wenn man 
nicht durch die gemeinen Worftellungen von Sühn: 


opfern, und Sünden barauf geleitet worden wäs- 
Man ſchlachtete unſchuldige Thiere und Diens 


(ben, um fie für die Schuldigen Leiden gu Yaffen. 
Zugleich fah man Günden als Befleckungen au. 
Indem nun die Sühnopfer die Schuld von Andes 
ren auf fi, nahmen, und buͤßten, befreuten ober 
reinigten fie gleichfam diefenigen, für melde fie 
litten, ober farben; und daher gefchah ed, da 
man Suͤhnopfer häufig als Reinigungen, und ber: 

Ä er 


2). de la Croix p. 168. 
4) ©. 85: p. 293, 194. Lomeyer, .. 
») ) Euclen j. 556. wunderte ſich mit nedt dars 


al > Se Den 


⸗ 


u 


138 \ ” . zn — 


* 


fiber zuletzt das Blut der Suͤhnopfer als dasjenige 


— 


⁊ 


betrachtete, wodurch die Schuldigen gereinigt wuͤr⸗ 


— den. Dieſe Begriffe waren ſelbſt unter den Ju⸗ 
den fehr gemein, und daher heißt es in dem ‘Briefe 
-an die Mebräer: und wird faft alles mit Blut 

gereinigt, und ohne Blutvergießen geſchiehet Feine 
- Bergebung” ec). ' Bu 


YIK, v. ↄ0. 


[4 


7 


“ 


N 





m» | — 139 





Achtes Bud, 


Sefchichte der Faſten, Enthaltungen, md 
anderer Büßungen, auch des Moͤnchs⸗ und 
Cinfi edler s Lebend. 2 


. ’ 


D 


Diefelbigen Abfigten, welheman bey Opfern, _ 
. Gaben, und: Reinigungen hatte, fuchte man audy 
durch Faſten, Enthältungen, und andere Büßuns 
gen zu erreihen. Den Mahmen von Taften und 
Euthaltungen verdienen ganz allein ſolche Verſa⸗ 
gungen von genießbaren. Nahrungsmitteln, und 
erlaubter Liebe, welche man fich in gottesdienſtli⸗ 
en Abfichten auflegt, um dadurch höhere Natu⸗ 
ven zu. verföhnen, oder zu gewinnen. 


So wenig es jemahls ein bedentendes Bolt 
gab, das nit Opfer und Gaben gebracht, over 
Auftrationen gefannt; eben fo wenig gab es eins, 
das nicht Faſten, Enthaltungen, und andere Büßuns 
gen geübt hätte. Im Durchſchnitt waren Faften 
und Bäßungen häufiger, und härter unter ſchma⸗ 
den, ale 

beſchraͤnkten, als unter gebildeien und geiftvollen : : 


unter flarken: unter unmiffenden, und Ä 


2 T Ze me 


Bey aͤhnlicher Organtfation und Eultue; hänfiger . 
und härter uuter ben Wölkern des heifjen Dtinmels " 


Kris, ald unter ben Bewohnern der gemäßigten 
Zone. Das einzige fihhere Verwahrunge s. und 


Gegenmirtel gegen Faſten, und Enthaltungen iſt 


bie wahre. Aufflärung, bie und ‚lehrt, baß ein 
hoͤchſtes weiſes, und gütiges Weſen numoͤglich 
—— fiuben kanne, dag Weſen, bie 


zum Gluͤcklichſeyn erſchaffen worden, ſich unſchaͤd⸗ | | 





Hd unb- heitfann Vergnaͤgungen verſagen, oder 


J . gen durch unpörhige, anb:fchänfiche Entbehrungen. 


uud. Büßemgen ihrer Defnadheit Schaden zufägen. 


Bey übrigens aleichen Umſtaͤnden üben Völker um | 
defto ſtrengere Faſten und Euthhaltuugen, je wenis 


ger fie gebildet find. Die einzigen Ausuahmen 


Don biefer Megel bieten ſolche Matlonen dar, welche 


die Vorfigriften der Religionen, deren fie auhan⸗ 
gen, und unten biefen auch bie Aber Faſten und 
Enthaltungen, entweber nie ganz kennen gelernt, 
ober die Kenntniß derſelben ſo ſehr wieder verlor 
vren haben, daß fie nicht recht wiſſen, was ihnen 
obliegt, Das Erſte gilt don ben Kivgifen d), was: 


Anbere, von ben Arabiſchen Bedninen ⸗). Wende: 
find untoiffender, als die Türken, und fefken be 
weniger firenge, als biefe:; die Araber auch deß⸗ 


wegen, weil fie glauben, daß Mahomet es mit 
- feinen Landsleuten nicht fo gar - genam nehmen 
wabef) 


| | “ 
U Georg. Ruf. BIT. ©, 922. 293 
0) Arvienx II, 176 175 - 
NHbemrına 


en —⏑⏑⏑⏑⏑⏑ĩò.Û.1⏑⏑VO 


— | u. 


Es iſt nicht gu verwundera, daß alle Volter 
fi vor ihren zuͤrnenden Göttern demuͤthigten, und 
fi ſelbſt durch Faſten, Enthaltungen, und andere 
Seibft s Peinigungen flraften, um babardı bie be: 
leidigren Götter zu befänftigen, und bie göttlichen 
Strafen abzuwenden, ober zu erleichtern. Allein 


hoͤchſt wunderbar [heine ed, daß man eben fo früh, 


und eben fo allgemein Baften, Enthaltungen und 
Bäßungen Äbte, um fig ber Cuabe von nicht⸗ 
zuͤrnenden Göttern würbig, ober würbiger zu ma⸗ 
hen. Wie konnte man glauben, daß nicht belei⸗ 
digte, ober gereißte Obtter an Faſten, und Ents 
haltungen ein Werguügen finden: baf fie daher Fa⸗ 
Ken nud Enthaltungen ihren Verehrern als cin 


großes Berdienſt anrechnen, und ihnen deßwegen 


beſendere Wohlthaten zuwenden wuͤrden? — Viel⸗ 
leicht bietet und die Denk⸗ und Haudlungsart der 


Americaniſchen Wilden ben Schluͤſſel zu dieſem 


ſcheinbaren Raͤthſel bar, 
Die urſpruͤnglichen Americaner legen aller⸗ 


dings ſich ſelbſt, und ihren Kindern auch bewegen 


Faſten, und Buͤßungen auf, um zuͤrnende, ober 
böfe Goͤtter zu verfähnen 8). Allein viel haͤufiger, 
and firenger find diejenigen Faſten und Enthaltuns 
gen, welche fie übernehmen, um ſich der Gnade, 
und MBohltkosen der. Otter, befonders ihrer Ofs 
fenbarungen,, und ihres beftändigen Beyſtandes 
würdig zu machen. Wenn junge Wilbe fid ber 
‚Seit der Mannbarkeit nähern, ober dieſelbe er⸗ 
reicht haben; fo müflen fie acht Tage faſten, um 
j darch 


¶) Charlevoix Journal p. Sao, Veyagen en Mord. 


V. p. 24. Carver p. o85- 


142 j — — 


durch die Traͤume, welche fie in dieſer Faſtenzeit 
gehalten, ihren Schutzgeiſt, ober Manitu zu ers 
fahren ). Ein Jeder wählt nämlid das Xhier, 
ser. benjeniaen Gegenftand zu feinem Mtanita, ber 
-ı Akm. am häufiaften im Traume erfchtenen if. Im 
Aunfange der Jagbzeit theilt ſich eine jede Wölfen 
fhaft in mehrere Haufen, wovon rin Feder ben ges 
ſchickteſten Jäger, und ben berühmteften Kricger 
gzum ‚Anführer wählt. Alle Jäger haltın achttaͤgi⸗ 
ge Faſten, an melden fie gar Feine Speiſen, und 
Getränfe, nicht einmahl einen Tropfen Waflers zu  - 
ſich nehmen 1). Mach den Faften giebt der Ans 
führer feinen Genoſſen ein feitlibed Mahl, we . 
zwar die Eingeladenen mäßig -effen und triufen, bee 
Anführer ſelbſt aber fidy von allem enthält, weil er 
fi) verbunden glaubt, etwas ungemöhnliched zu 
thus, um die Gnade der Götter zu verdienen. 
‚Die vornehmfte Abfıcht aud) ber Yaften von Jaͤgern 
tft, mwahrfagente Träume zu erhalten, die ihnen 
anzeigen, mo fie bie meiften "Bären, Büffel, und 
anderes Wildprett finten und erlegen werben k).- 
. — Jau 


si 


h) Charlevoix p. 346. 
i) Charlevoix p. 115. Cette invitation . . . ef 
faivie d’un jeune de huit jours, pendant les. 
- quels il n’el pas möme permis de boire une 
- goutte d’Eau: et je wous dirai en pallant, que 
ce, que les Sauvages appellent jeunes, c’el ne 
rien prendre du tout Carver p. 985 .. . they 
totaliy abftain from every Kind either of vi 
cruals ordrink. e | 


x) Uchnliche Zaften halten die meiften Wilden, wenn 
fie in den Krieg gehen, umd fügen wohl gar noch 
Derwusduunen , und Werſtuͤmmelungen hinzu. 
Perrin duLac p 27. ,_  - — 


. ⸗ 


4 


1 


a | 143 


Sa Guiana mögen ſolche Wilde, die zur, Würde 
von Haͤuptern erhoben werben wollen, fih außer 


. mannidjfaltigen Creußigungen auch langwierige Fa⸗ 


ften gefallen laffen /). In den erften Faſten, bie 
ſechs Wochen dauern, reicht man ihnen weiter nichts, 
als ein wenig Hirfe und Caſſave. In den zwey: 
ten, bie nicht fo lang find, bringt ihnen von Zeit 
zu Zeit Einer der Häupter, zu welchen fie ſich ges 
fellen wollen, ein Stuͤck wilded Geflügel, um fie 
ein wenig aufzurichten, Durch ähnliche, ober no 


firengere Faſten bereiteten ſich von jeher die Zau⸗ 


berer in America zu ihrem Stande vor, und mad 
ten fi ſowohl der Erſcheinungen, ats des Beb⸗ 
ſtandes ihrer Schutzgeiſter wuͤrdig. Junge Jon⸗ 
geurs ſchloſſen ſich vormahls in Louiſiana neun 
Tage in eine abgeſonderte Huͤtte ein, wo ſie nicht 
allein gar keine Nahrung zu ſich nahmen, ſondern 


. aud) die ganze Zeit in unaufhoͤrlichen Gebeten, ober 


Anrufungen ihres. Schyßgeiftes zubrachten, fo baf 


fie auß einer exileptiſchen Auwandlung in die andere 


fielen m). Die Zünger der Zauberer in Gulang 


& 


muften nach überftandener Lehrzeit, bie bisweilen 
zehn Sahre dauerte n), ein ganzes Jahr faften, in. 


welchem man ihnen nichts, als ein wenig gekochte 
Hirſe und Eaffave gab. Diefe Faſten mergelten 
diejenigen, welche fie hielten, fo ſehr aus, daß fie 
Gerippen ähnlich ſahen, und nichts, als Haut 
und Knochen behielten. Auf biefe erſten Faſten 


folgten Peinigungen ‚, von welden man faum glau⸗ 


ben follte, dag ein Pferd, ober ein andere noch 


ſtaͤr⸗ 


2) Biet II. c. 10. p. 377 ei ſq. p· 5 


m) Voy, au Nord V. p. 22. 
2) ‚Biel UL & 12, P 385 et fq. | 


Märketeb, und weniger empfintlides Thier fie 


ausdauern Pönne, Auch damit war die Vorweihe 
wicht vollendet. Man verlangte bon untadelichen 

iayes 0), daß fie noch drey Jahre fafleten: daß 

e in dem erſten dieſer drey Jahre nichts, als 
Hirſe und Brot: Im zweyten Brot, mit etwas 
Fiſchen: und im dritten, dieſelbigen Nahrungs⸗ 
möttel, dann und wann mit einem Stuͤck wilden 


. "Seflägels genoͤſſen. Wenn man, fagt Carver, 


die Americantfhen Wilden frägt, warum fie fo 


-harte und Tangwierige Faſten halten; fo antworten 
fie, daß man dadurch böfe, oder zürnende Götter 


verföhne, daß man ſich aber dadurch auch fähluer 
mache, zu träumen, und durch Träume bie Ge 

enden zu eatdecken, bie an Wildprett am reichften 
—* p). Die Americaner machten alfo nicht bloß 
die Erfahrung , ſoudern achteten auch darauf, daß 
harte und anhaltende Faſten lebhafte Tränıne ers 
regten. Da fie Tränıne für unmittelbare Wirkum 


gen, ober Dffenbarungen von Göttern hielten; Ta 


war es ein ſelbſt für Wilde nicht zu ſchwerer Schluß, 
daß man ſich kur Faſten auch anderer Dffenbas 
rangen, und Wohlthaten ber Götter würdig ma⸗ 
hen koͤnne. Strenge Faſten führten Enthaltungen 
natuͤrlich mit fi. Wenn dieſes auch nicht 

| en 


0) &o nannte man in Guiana eben die Menſchen, die 
im mörblichen America unter dem Rahmen von Jon⸗ 
\ ' gleurs bekannt find. 


v) The reaſon, they give for ıhus falling, are, 
‚that it enables them ireely to dream, in which 
dreams they are informed, where ıhey [hall 
find the greatefi plenty of game; and allo ıhat 
it averts the difpleslure of the evil Spirits, and 
änduces them t0 be propilious, 


/ 


m 


fen wire, fe hatten Enthaltangen von: eufauibteh 
Liebe wit ben Enthaltungen don gefunden, -und 
beilfamen Speiſen zu viele Achnlichkeit, als-duf 
man nicht die erſteren aus bemfelbigen -Bruinkd 
hätte uͤben ſollen, aus welchen nah dier letzeeren 
hbte. Kein Wunder alſo, daß bie. Prieſtter vicht 
war unter den Pernanern g); ſondern unter bey 
nahe allen übrigen Voͤlkern vr) ſich, beſonders vor 
Seften, Enthattungen und Fafſten anflegten, und 
daß die Völker faſt durchgehende chren Prieſtern 
nachahzuten. Die Aegyptier, : und beren Prieſtes 
faſteten, uud creutzigten ſich vorzuͤglich am den Fe⸗ 
ſten der Iſis 5). Schon die aͤlteſten Fuden hatten 
fo genannte Naſtraͤats⸗ Greluͤbde, vermoͤge derrn 
fie gelobten, ſich eine Zeit lang don gewiſſen Ges 


tränken, oder Gpeifen zu. enthaltm 2). Moſes 


Heß diefe Geluͤbde unter feinem Volke beftchen, 
Ga fpäteren Zeiten feßten die Pharifaͤrr, die Eſſe⸗ 
ner, und die Therapruten in Faſten, Enthaltan⸗ 
gen, und andere Buͤßungen einen großen, ober gar 
ben gröften heit ihrer Frömmigkeit u), “uf * 


9) Zarate 5; “ | on 
“ 7) Mörin de Pülage Au jene chek bs Anciens par 


-rappori ä la religion, ın den Memgires de l!’Aca- 


demie des Infcriptions IV, 29. et Iq. p.- 


. 3) Herodbt: IT, 40. IV: 196. Piatärchi VII. S8r, | 


Schmitt p. 65 rl 
4) Mich: Moſ. Recht II. 55. u. f. G. 
#) Jofeph. Antiquit, Iudaic. XVIII. 2. de beilo Ju- 


“ 


daico 11, 8, Porphyr, ap, Euleb,. de Y’raepar, 
Evamgeli IX. 4. Bhilo, qupd'binmis. ProbubGt 
über p, 876. Edit, Hoefchelii Francof, 1006. 


D - 7 
8... :..0 
22 . 0.0.0.0... % 


Ten 
» 


146 J [mm 


chuliche Wet dachten, und hanbelteh hie geneke Ay 
thagoreer, und Platoniker, uch nach dem Wen: 
ſpiele der lehteren, die. erfien Ehriften x). Dis 


Griechen und Mömer hatten von den aͤlteſten Dei . 
een her nicht blaß heilige Jungfrauen; Die dad Ber 
luͤbbe der Keuſchheit bewahren, und zu gewiſſen 


Neiten faſten muſten y); ſondern fie forderten auch 


von mehreren Prieſtern, die Ruͤmer nahmentlich 


8 


von dem Flamen diaſis, daß er: manche. unſchaͤde 


liche Nahrungsmittel nicht beruͤhren, und. alfo. 


auch nicht. genießen durfte 2). Unter keyden Voͤl⸗ 
kern übten die Laden von benderlen. Geſchlecht, {cha 


kaͤnfig nicht bloß vor den Einweihungen in Myfer 


rien, und den Befragungen von Orakeln, ſondern 


auch dvor, und an manchen Feſten Enthaltungen 


und Faſten, um ſich ber Amaͤherung zu den Goͤt⸗ 


tern, und der Wohlthaten derſelben deſto wärbl: - 


ger zu arahen a). In Hindoſtan hat: jede große, 


Pagobe einen oberfien Prieſter, der nicht heirathen,: . 


und auch niemahls aus dem Tempel, in welchen 
ee mit ben Göttern wohnt, bernusgehen darf >), 


Die Brahniinen effen nicht allein gar Eein Fleiſch, 


and trinken feine beraufchende Getränke ,, fondern 


Be enthalten ſich auch von. manchen Frdgemäälen 
at m. Sen: mangta Sebenäafen 


% B 


) .. y. A 


R . 
var GC I... 1 


Wr „Den Sie ner Renz Platoniſchen Phil. Tun im. 


, Hieronymus in Pauli. Vita -p, 349, Ar 


liecia II, pı 055, 


Mein Leben des heil. Martinug ızı' u. f. ©. Pel- 
- 9) Meurfins Lect. Attic. IV, at. | 


æ) Pintarch, vii. p..164..165, Gellius Ko nn 


4) Motin u, Schmidt 1. ce, Loiheyet €; 38: ' 
) 1. 185. SGonnerat. | 


! 


— — 147 


und Fruͤchten, die den uͤbrigen Hindus nicht vers 

boten find c): ja fie dringen wenigſtens die Haͤlfte 

des Jahrs in ten ſtrengſten Fafte zu. So wie 

die Americaniſchen Wilden ſich durch langwi rige 

Faſten zu Offenbarungen der Gotter in Traͤumen 
vorberelten; fu bedienen ſich die Joguis der Faſten, 
um in Entzuͤckungen zu fallen, und in dieſen Ver⸗· 
zuͤckungen die Gottheit mit leiblichen Augen zu fe X 
hen d).. Sie ſetzen ſich naͤmlich nach mehrtaͤglgeun 
Faſten an einen einſainen Ort hin, und heften Ihre 

Augen. ſo lange auf die Spitze der Maſe, ober auf | Y 
die Gegend bes Nabels, bis fie die Gottheit ald | 


- ein weißliches Licht erblicken. Zuverläffige Rei⸗ 


ſende erzaͤhlen Beyſpiele von Indiſchen Weibern 
und Männern, die wicht. nur mehrere Wochen, 
fordern vierjig, ja achtzig Tage fafleten, ohne et» 
was anderes, als von Beit zu Zeit ein menta fris 
ſches Waſſer zu nehmen e). And’ diefe Kaften ents - 
ſtanden nicht aus krankhaften Coͤrper Zufländen, 
deraleihen man auch in unfern Erdtheile biöweis 
Ten bemerkt, und die mit einen unuͤberwindlichen 


Bitderwillen gegen alle Gpeifen verbunden find, 


(ndersi fie ſchienen garz ‚allein Wirkungen der Ue⸗ 
bang th den ohnedem Äuferft genoͤgſamen Hindus 
zu feyn, Die Faften ung Enthaltungen ber Hin⸗ 
dus verbreiteten ſich, wie bie Meinung von ihrer 
I .. - . . | R Ders 
€) wiebuhrs Reif. u. go. | | 
4) ‚Bernier II, 127. 128. Mignot in den Memoires 
- de l’Academje des Infeript, XXXL 316, erlq. p. | 
),Hamiltoh I. 62 153. Lioubere 3. 347. 348. 


Rebaht IL. 9a, 73, & ' 
2 2 ur Due 2 * » r ., — 
1194 bes _ 8 x RR. Ben t —WW N ⸗ 
* . 


—B 


- R 


Verdienſtlichkeit, wenn and, niht über alle, wer - 
nigſtens über bie meiften Wölker.des ſuͤdlichen, und 
oͤſtlichen Aſiens: doch mit dem merkwürdigen Mus 
terſchiede: dag: man tm ſuͤdlichen und, oͤſtlichen Aſien 
nur die Poiefter und Dxedensgeiftlichen, aber. nicht 
die Layen dazu verpflichter glaubte f). In This - 
ber gibt es in dem Prieſteramte kaum fo viele Stufe 
fen von. Würden, eld. es unter den Orbensgrifkiis 
„chen Grade ber Heiligkeit gibt, Die Grade her 
Heiligkeit merken ganz allein nad ten Orades: ber 
Gtrenge befiimmt, womit. die Ordensgeiſtlichen 
Faſten, Enthaltungen und Büßungen uͤben. Die 
Heiligſten unter allen find die fo genannten Vollen⸗ 
- beten, ober Wiedergebohruen, deren: Ordensregel / 
ich weiß nicht, ob ich fagen full, fo unmenfchlic. 
aber uͤbermenſchlich ift, daß ſelbſt Die geuͤbteſten 
Buͤßer es kaum eher, als kurz vor ihrem Tode, 
wagen, fid) dazu zu bekennen. . Huch werden biefe 

Ä Vollen⸗ 


f) Ueber die Thibetaner, und die übrigen Lamgie 
ſchen Voͤlker, Georgi Alpbab.. Thihet. p. 28: 
246. Stewart p, 476. Lepechin 1. o80, De a6 
—Beytraͤgel 215. ©. über die Parfen in Hindoſtan, 
Chicks Collect, VE: 337. und eben die Zeugs 
niſſe über die. Parfen auf ver Aufel Dlctra: ‚weiße 
wegen man ſicher annehmen fann, daß Anquetil IM. 
601, nicht recht untertichtet war, wenn er von 
den Parfen erzählte, ‚Daß fie Balken nicht allein 
nicht für verdienſtlich, fondern nicht einmahl für 
erlaubt hielten 2’ üder die Ceyläneien , Hrnox-p 4. 
/ über bie Ehineien, — Fdif. XVIII. 354. über 
die Japeneſen BRaͤmpfer J262. 298, aa über 
”. die — von — Voya Be Neatı. 
325. 327. und Sumatra, Marsden p. 63, Die 
letzteren faſten, um gitie6 Wetter zu erhalten. _ 


> 


+ 


— — 149" 


Bollenbeten,. wie wirkliche Goͤtter augebetet. Wenn 
Layen ihnen auf der Straße begegnen, ſo werfen 
ſie ſich dreymahl anbetend nieder, und ſchaͤtzen ſich 
aͤußerſt gluͤcklich, wenn fie von ihnen ben Segen 
empfangen. Waͤhrend dieſes Segens halten ſie 
den Mund, und die Naſe mit ber Hand, ober 
mit der’ Kappe za, bamit bie göttlichen Männer 
nicht durch ihren Hauch beflecht werden. . Die Ta⸗ 
lapoinen in Siam g) erklären geradezu, wie bie: 
Geiſtlichen unter den Drufen k), daß dad Weſen 
ber Religton in Faften, Enthaltungen, und Büßuns 
gen beftche: daß nur fie, und nicht bie Layen, zu 
dic fen heiltgen- Werken ˖ derpflichtet ſeyen: daß bie 
Layen vielmehr ungeſtraft ſuͤndigen, und dann ger 
gen milde Gaben von ben Zalapvinen ben Webers 
ſcouß ihrer guten Werke, und mit biefen, die ‘Bes 
freyung von ber Schuld aller ihrer Sünden kaufen 
Eönnten 1). Nach den Zeugniffen des fonft glaube 
würbigen Mariny unt-rfchelden fi die Bonzen in 
Zunfin und Laos von den Prieftern, und Ordens: 
geiſtkichen der. übrigen Wölfer bes fürlichen Aſiens 
anf eine. für fie hoͤchſt unruͤhmliche Art 2). Er 
wirft Ihnen vor, bag fie die won dem Volke F 
Vſau⸗ 


€) ‚Loubere L, 345, er fq. p. 387 et (q. p. 
.h) Niebuhrs Reifeu IL. ug, | 


i) 1 c, Selon eux le mä&tier des [ecnliers eſt de 
‘ pecher, et celui de Talapoinas eft de ne paint. 
pecher, et de faire penitence pour cenx, qui 
'pechent. IHs eomptennent, camme nous, que 
cenx, qui [ont deflines à 'expier- les pechez des 
autres ... doiwent eftre plus purs, que les 
autres .-. | 


k) p. 166. 167. 404 405. u .. 


\ 
} 


un 


150 — — 


ſchlichenen —** in ſG igeriſcen Erin 
verpraffen: daß fie Öffentlich mit Weibern, felbſt 
mit Bonzinnen, ein unzuͤchtiges Sehen führen: baf: 
fie ungeftraft au&- den. Shöfterm ‚in, die YBalt,-ıumbd. 
aus ber Welt in ihre Eiäften: zustigkfchren.,. © Ein 


ſolche allgemeine. Verdorbenheit von: Prieſtarn und 


Moͤnchen iſt nirgend, unglanklicher, als im ſuͤdli⸗ 


hen Aſien, wo alle Voͤſker die Meinung hegen, 
dos Prieſter, una. Moͤnche aicht nur.in ihrem eigen: 


nen Nahmen, ſondern auch fm Nahmen der Layen 


froemm ſeyn; muͤſſen. Wahrſcheinlich alſo machte 


Mariny die Ausgelaſſenheit einzelner. Genoſſen⸗ 


ſchaften von Bonzen zu einam..allgemeinen Verder⸗ 
| Dun des garzen Stande, - ch 


Eine zwehte Urſache von Faſten und Erthal⸗ 


tungen war. bie Abſicht, durch dieſe freywilligen 


Strafen böfe oder erzuͤrnte Goͤtter gu eerſobnen/ 
ab die Font pon. Suͤnden zu buͤßen. 


Unter ben Megern iſt keiner, der fi & wit 
and Furcht vor böfen, oder exzuͤrnten Göttern vom, 
dem Fleiſche gewiſſer Thiere, oder von gewiſſen 
Fiſchen, Fruͤchten, und Gemuͤſen enthielte. Auch 
fin» die Beyſpiele nicht ſelten, dag Juͤnglinge, und 


Jungkfrauen ſich ihr ganzes Leben durch eine firenge ' 


Enthaltung Yon den Vergnuͤgungen der Liebe Aufs 
legen f). Die Americanifchen Wilden faften und 


enthalten ſich häufig, entweder um böfe und erzünns 


te Götter, oder die abgefihiebenen Seelen von Fein⸗ 
ben und Freunden, ander Pie. Geifter der Thiere 
zu verſoöͤhnen, oder nicht gegen ſich zu. reißen. 


. Wenn ein Matches ı “iger vermahls ben erfien 


Feind 


2y Projart 1, 167. 70 E. 


J 


5 . 
u m ur zur > sn “Er GEBE An 


— 71 


Feind ſealpirt; ober ben erſten Gefangenen gemacht 
hatte; ſo aß er:in ſechs Monathen kein Fleiſch, 
and fülief eben fo lange nicht bey feinen Weibern, 
aus Furtht, daß:en von dem Geiſte des Erſchlage⸗ 
nen werbe-götddtet, daß er In der Folge kein Gtäd 
Haben, uns dag” alle feine Wunden tboͤtlich werben 
würden.m). : Die Auen faſteten nicht nur an dem 
groͤßen Sutfihdtgungss Feſte n), ſondern fie tha⸗ 
ten‘ dergleichen auch im vierten, fuͤnften, ſiebenten 
und zehnten Monath ihres Jahrs 0), Alle uͤbrk⸗ 
we Mlörgenländifhe Völker. beobachteten ſtrenge 
Kaften und Enthaltungen, theils an Verſoͤhnungs⸗ 
und traurigen Gedaͤchtnißfeſten, kheils In Zeiten 
‚ Ion großen Unfällen, und Veſorgniffen, bie durch 
traurige Vorbedeukungen waren erregt worden p). 
Daſſeldige geſchah unter ben Griechen und Römern; 
und von folden Faſten fhloffen fi ſelbſt Männer, 
wie Julins CAfar, und Auguſt nicht aus g). 
Bey diefer Allgemeinheit von Kaften war nichts 
natuͤrlicher, als dag auch die erftem Ehrifilicyen 
Gerkeinden zu faften anfingen, Die älteften Chris : 
Yon faſteten an den fogenannten Vigilien, oder in - 
den Nächten, die vor großen Feſten hergingen, 


m). Voyagen au, Nord IX. a4, 
J — 3. B. M. 16. v. 29. 35. 


0) Sacharia VIII. v. 19, 

pP). Morin 1, c. p. 20, 33. | 
Letzterer fchrieb einft an den Tiher: Sueten. In 
Penn. 0.76. Ne a ee mi Tiberi, 
taın diligenter fabbatis jejuninm ſervat, quam 
ego hadie fervari, qui in balinea demum polt 
horam primam noctis duas bucceas mandu- 
cavi.. 





B »,_ Er Br 
melde. wan In Srſang .nab: Mpbet: gubrachte · ). 
Mielleicht hatten viele Fafen urfpränglidn nicht die 
ht. Güpnen zu süßen, .fondenn fi zur: tgüne 
cdigen Feler Dreh malzen Feftes verzuhereiden. Buͤn⸗ 
Jerh hingegen waren die Faſten ‚mt ben. ſogenann⸗ 
448: yajunlig quatuar tempeſtsobam. die in jedemn 
Mirsteliahre.uyen Kuge danerten ke und daun Now 
daͤglich in den Nuadragefimis,: melden Einige vor 
dm, vierzigtaͤgiaan Faſten Mofs auf vera Berge 
GSinai ableiteten:#},.: Umbere hingegen als. Zeitze⸗ 
denten anfabenz. walche aan den Gottheit von je⸗ 
dem Jahre Danbringen mäffe: In ber Morgen⸗ 
doöndiſchen Sirche faftete man lauge eben ſo wenig 
an ben Sanxgheuden, als an den Senntagen. Je 
Aleron Zeiten hohmen die Chriſten an Faſttager 
bie zur neunten Etunde des Tages garnichts, nicht 
onmaht eur Trypfen Waſſers zu. ſich. Um bie 
' wennte Stunde een: fe bloſt Brat, mb trockene. 
Fruͤchte. Die Abendlaͤndiſchen Chaiden milderiog 
dieſe ſtreugen Faſten in fiebeuten Jahrhundert, im 
bein fie an Faſttagen nit blog gekochte Demüfe, 
ſendern auch Fiſche und Waſſervoͤgel zu. eſſen am 
fingen u), ;, Wem and) dieſe genulderten Faſtes 
. we hefhwerlid waren, der Fonnte fih vom Anfange 
des drepzehnten Jahrhunderts an Leicht davon frey 
machen, nachdem die Kirche das große Scheimmif 
gefunden hatte, bie aufgelegten Bugen zu verwan⸗ 
bein, ober zu geſtatten, daß ein Ynberer an ber 
Stelle des wirklichen Suͤnders buͤße. Man vers 
| ee 


7) Pelliccia . $. 25 


s) lc... 
 Dhap san fe 
2 u) Ps 246, 247 


oo. — — a 353 
minbekte Faſtcn in Odete, oder Bi liakyeben, and 
Gichete :wiieber im milde Gaben, tie ben Armen, 
geweiniglich dem Kirchen und Cläfteru gewotht und 
ben x). Unter ben heutigen Chriſten faſten bie 
Moergenlaäͤudiſchen ftnenger, als wie Abendlaͤndi⸗ 
ſchen, und unter den Abendlaͤndiſchen, die Griechi⸗ 
ſchen Ehriſten am ſtreagſten. Die Habeſſinier, 
mb Kopten geniefen bis nahe an, oder gar erfl 
‚wach Sonnen » Untergang ger nichts; und auch 
hean nehmen fie wicht allein Beinm Hein, Bein 
Flaiſch und Fiſche, fonderr auch ahcht einmahl 
Dehl, Buster; und Eyer y). Poncet fand einen 
den Aetthioxiichen Mind, der tn ſechs Jahren 

mon nicht, als on den Wiättern des wilden Oehl⸗ 
beumo gelebt hatte 2). Menue die Aegyptiſchen 
Mine ſech auch nicht qanz fo elend währen; fe 
werben fie doch durch die häufigen Riederwerfangen 
des Coͤrpers, und durch ihre ſchlechte Nahrung fo 
egemagest, daß fie mie Gofpenſter auöfehen a). 


L 


Fuͤr 

2) l. c. p. 6. 297. s5:. Weil man, ſagte Marks 
graf Otte Il im J. 1190. den Himmel nur durch 

. Beten, Saften, und adden erbalten könne, und 
die Schwachheit feiner Natur ihm dieſes nicht ers 


laube; To wollt er anderer frommer Männer Qunft, 
and gıie Werke kaufen. Moyſen ©. I18. 


y) Lobo.p. 97. Mailler H, 68 
2) Lettres Edit, IV, i6q, en J 
s) Vaneleb p. za1s. | 


Sn 


— 


N 


Lu ‚ 
j y 
, ’ 


on Kari Mroeriten bie Erifcheu wit un 
meniſchen Chriſten beftcht bie tige Haͤlfte des Fahre 
ons fireugen Bußlaßen; und non dev andern weis 
men Anbachik » oder. vervienfliche Faſten zinen 
großen , over. gar ben größten Theil weg 5). Die 
Bußfafken find: viel Irter ,. ald die verdieuſtlichen 
Au ben erfieren genichen die Mergenlaͤndiſchen 
Chrißen weder Wein, noch Fleiſch, und Fiſche; 
oder andere arimaliſche Nahrungsmittel: alſo Auch 
keine Gyer, Milch, Butter uud Kaͤſe. In ven 
Audachts Faſtengibt ed gewiſſe Tage, wo man 
ſich bloß von. Fleiſch enthält, oder wenn man auch 
den Tag über nichts genießt, die Abende uud Nächte 
an fehwelgerifshben ‚Tafeln zabringt? aus welchen 
Ubwedslungen vom anhaltenden; Faſten, und ums 
waͤßigen Schwelnedeyen aufmerkſame Beobachter 
das aufgebuniene Weſen ber meiften Armenier abs 
leiteten. - Die Diergenlänbifchen Ehriften find fü 
unwiſſend, daß fie dad Chriſtenthum auger den 
Vorgefchriebenen Gebeten und Meffen vorzüglich in 
. bie Beobachtung ber Faſten fegen. Die Armeni⸗ 
ſchen Priefter ertheilen daher auch eher Vergebung 
far-begangenen Mord, und andere grobe Werbres 
chen, als für einen "Bruch der Faſten 5). Den 
Morgenländifchen Chriſten kommen in Anfehung ' 
ı J J * a , x dee 


2) Ruflel p. 124. Tourmefort II. 167. Beorgi’s 

Muß. Voͤlterſch. 459 ©. bei. Chardin I. 218. 219. 

Der letzteſe fast von den Armeniern: Outre ces 

Jeünes d’obligatien, qui emportent la moitie le 

Pannee, ily en a trois autres de devation, Char, 
cun de einquante jouss, BE 


6) Tournef. I, c. el 


— 


* J 
x 


ber Yaften bie Griechiſchen Ehriſten am naͤchſten q). 
Die letzteren bringen wenigſtens ein Drittel, un® 
wenn man bie freywilligen , ober «ld Buße anfges 
legten Faſten mitrechnet.,. zroey Drittel des Jahro 
in firengen Faſten zu, bie ſich von demen der mor⸗ 
genländifchen Ehriften bloß dadurch unterfcheiden, 


daß man wenigſtens Linſen, und gefalzene oder gen 


doͤrrete Fiſche genießen darf. Die verruchteſten 
Menſchen brobachten tie Faſten nicht weniger ge⸗ 
nau, als die tugendhafteſten. Illyriſche Raͤuber 
brachten einſt ihren Anführer um, weil ey durch 
ben aͤußerſten Durſt genoͤthigt, an einem Faſttage 
Milch getemnken-hatte e). Die Griechiſchen Min⸗ 
be leben, gleich ben Morgenlaͤndiſchen, das ‚ganze 
Jahr durch eben fo, row bie. Sayen in der Faften⸗ 
yeit leben. Ge: find daher auch wegen der ſchlech⸗ 


ten mb unwerdaultchen Rathrungsmittel, auf wel 


6: fie beſchraͤnkt find, gefaͤhrlichen Leibfehäben, Ob⸗ 
ſtructionen, uud anderen: Unvebnumgen der Singer 
weide unterwerfen, In Rußlanud hat man wahrs 
Knommmen, daß die gefährkichften Krankheiten: ge⸗ 
meiniglich am Ende, ober u den langen de 
ausbrechet. 


WMahometr maqhte ale anfehitien Faſten ext 
kuͤrzer, als die Chriflichen Faſten feiner Zeit wa⸗ 
sen, und zwar nad ‚einen alten Legende * den 


| A) Ueber die Kaften "der Griechen, ‚Ruffel &, 124; 


—— 1l. 355. über die der Ruſſen, We⸗ | 


ber II, 66, der Fuüyrier ‚Taube 1. 76. 94. der 
“ Mingrelier und Beugle, Chardin 1. 74. 178. 
375. Pe 


*) Taube 1. 76. N 


— — 158 


236 ur | | — — 
Mach bed · Stiſters der Chriſtlichen Religion fx 


Als näurlih: der Prophet auf einem geflügelten 
Thiere in dad Paradies getragen: wurde, umd von 


Gott felbft fein Geſetz empfieng, verfpinch‘er ben 


Gottheit, baß er das empfangene Geſetz fireng . 
beobachten, amd daß er unter Anderen feiie Anhaͤn⸗ 
ger gehn Monathe Im: Fahre falten: machen .mollei 


Ber des Ruͤckkehr aus dem Paradieſe verweilte 
er. in vierten Himmel, und erzählte: Chriſtus/ 


was gwifchen ihm, und Gott vorgefallen war. 


Chriſtus warf ihm ein, daß er bie gehn monatie 


Uitchen Faſten nie durchſeßen werde, : und rieth ihm 
deßwegen, daß er abermahlss in das Paradies. him⸗ 


aufſteigen, und Gott um die Verminderung der 
Faſten bitten moͤge. Mabomet felgte tiefem gu⸗ 
sr Kath, nund echielt einen Machloß nen zwey. 


Monathen. Diefe Verminderung ſchien dem Urs - - 


heber des Chriſtenthums zu gering, und er vers‘ 


machte alſo Mahomes, ſich noch mehrere Mahle 
| bern Zhene bed einigen. Gottes zu nahen, an auf 


die fornere Milbernug der Faſten onzuinagen 
Matten Mahe met endlich bie Fuſtengeis auf Ei⸗ 
nen Monath herab gebracht hatte ; fo wollte Jeſus 
ihn zu quter LeBt bewegen, daß er bie Faſten auf 


GSine Woche herabſehzen, ober fie während der Gas 


Remiit nur bid am die meunte Stunde des Tages 
banetw laffen moͤge. Alein Mahometr weigerte 


ih, die göttlihe Barmherzigkeit weiter zu behelli⸗ 


gen ; und ed blieb alfo bey dem neunten Monden 


des Mahomedaniſchen Jahrs, dem Meorath Ra⸗ 


umben ! ober Romejen. 


Allein 


.p» Chardin IV, 187. et fg. p. Ins 


* 


— N 


u —c ⸗â⸗îïß —⸗ —ñ—N— — — 
D 


— — 157 


Alein außer den Feſten es MRamabat bie 
allen Glaͤnbigen vorgefchrieben worben find, gibt 
es noch viele andere Faſttage und Faftenzeiten, wel⸗ 
che die Mahemedaner ſich ſelbſt auflegen, oder ven 
ihren Geiſtlichrn auflegen laſſen, um :befkimmeg 
Sünten gu bäßen, ober um .überverbienftliche 
Werke zu kben 2). Die nicht vorgeſchrie benen Fa⸗ 
ſten fine nugleich zahlreicher, als Die geſeßlichen, 
nicht bloß urter den großen mahomedaniſchen Dias 
tionen , ſondern auch unter. den klaineren Irene 
Danifhen Gemeinen im.:Mufffchen Reich: _ 
Zataren in. Caſan zum. Weyſpiel haben nciebem 
Sabre über zweyhundert Faſttage, an walchen de 
vor Sonnen: Untergang gar nichts genießen h).: 


Wenn Die, gefetzlichen Fafte der Mahomeber 
ner weniger lang find, ald die bee Miergenlänbis 
fhen Chriften, fo: finb fie bogegen viel härter. 
Die Mahemebaner dürfen im ‚ganzen Moyarı Ras. 
madan, und chen fo anuch in den übrigen Faſtenzei⸗ 
ten Dom Ausgange der: Soune bis zu ihrem Unter⸗ 
gang nicht allein nichts effen, ober. trinken, oder 
der: Liebe pflegen , fontern fie dürfen nicht einmahl 
das Geſicht, oder den Mund waſchen, dürfen feine 
Heilmittel nehmen, keinen Speichel hinunterfchlu: |. 
en, oder nur ben. Mund in ber Abſicht öffnen, 
um frifche £uft zu fhöpfen: viel weniger dürfen \fie “ 
ſich aͤppide Blicke, ober Worte, und Beruͤhrun⸗ 
gen erlauben. Fromme Derfonen fangen ihre Fa: 
ftea nicht arit SornenAufgang, ſondern um 
Mitternacht an, fo daß ſie in ben Sommer⸗ Mo⸗ 


nathen tatich zwauzig Stunden faſten. Die Nicht⸗ 


e— * diom⸗ 
5) Chardig', € c. 31 u 
4a) Beorgis Ruß. Veilerſch· ©, 108. | 


v' 
i 


t 


ruͤckt halten füllte F).- !: Strenge Muſelmaͤnner ſe⸗ 


Ban? 7 Er | 
Fromunen erhbhlen Mh iR der Rache Mieble Be⸗ 


ſchwerden, welche fle ben Tag über. undheftamden 


haben, und bringen die maͤchtlichen Stundem In 


Schmaͤuſen, und anderen Luſtbarkeiten zu” Wahre 
fcheinlich zerſtoͤrt der ·ſchnelle Wechſel von Schlem⸗ 
wiege Faſten 1) die Seſundheit einey groͤßern 
Hahl von Menſchen, als die uͤbertriebenen Faͤſten. 


Einso der erlauchteſten Opfrr ber letzteren wur der 


tzeoße Beherrſcher don: Hindvſtan, Auteng »-Bebik), 
der vielleicht die meiſten Derwiſche durch feine ſtrenu⸗ 
gen Enthaltungen uͤbertraf. Die Faften bed Ras 
maban hemmen bie Sefchaͤfte des bürgerlichen Les 
bens, umd heben beſonders Handel und Wandel 
faſt ganz anf. Was von ben. leßteren noch Abrig 


bleibt, wird in der Macht getrieben, weßwegen 


ie Buazars une’ Vuden in. dem Faſtenmonde unges 
wo hultch erleuchtet find. - Selbft ſtarke Männer 
worden burch die Faſten nicht nur ermatter, unb 


deßwegen zu Geſchaͤften untuchtig, fondern fie‘ wer⸗ 
“den dadurch auch fü verdrießlich, daß man. nichts 


mit Ihnen anfangen kaun,, und fie behnahe fuͤr vers 
. hen- 


nr 
I 


i) Touthefort IH, 45.-Ruffel p. 124 © ' 
. k) Taverniet II. 104, | 
3). Chardin IV. 165 on a- heancoup de, peine en 
. getems- lä à traiter d'aſfaires avec les. Perfans, 
'ı ce jeäne les rendant' fi chagrins‘, et hi pen trai- 
tables, Pparticulierement' vers Ja ‚fin du jour, 
, quile paroillene aimme, des: extravegamn. “et 
» atleges: aullı ne aeiajt il puesgueszien dpraus 
. toat ce mois la, lurıout entire eux, ‚et des gens 
"de contraire religion, gout ils n’ajment pas 
d’&tre approchös, de ‚ queldtr atlonche- 
| ENTER nt gi 


* 6, ur 


m om 1 Du 


hen fo:gae bie Enthaftung von fl; weltlichen Ger 
ſchaͤften, fo wie ven. weltlichem Pomp ,. und raus 
fdrenden Vergnuͤgungen, als eigen Sei ber go» 
fen anm). Mit den Derwifshen, denen ihr Gitauh 
ein Ernſt ift, verhält ed ſich, wie mu den Mm 


chen ber Moraenlaͤndiſchen Chriften: das heißt, 


fie Leben befbänbig fo, wie bie Layen in, den Faſten 
leben, und baher n) -fagen bie Perfer, ba ein 
vollfommner Derwiſch fi in einem Juftande Yon 
beftänbigen Faſten befinde. Herr Niebuhr a) ese 
waͤhnt einer firengen Secte {in Moskat, der Beiaſi, 
die fidy nicht nur von allen berauſchenden Getraͤn⸗ 
Ben, fondern aud vom Taback und Caffee enthals 
ten, welche Icßteren für die übrigen Diahomebauge 
faſt eben ſo nothwendige Beduͤriniſſe, als Brot 
und Reis ſind. So wie die Faſten der Mahome⸗ 
daner überhaupt bald Buß⸗ und bald verdienſtliche 
Faſften find‘, fo ſcheint os faſt, als wenn die Faſten 
bes Ramadan beyde Abſichten erfüllen ſollen. Nach 
den Ausſpruͤchen ber Schriftgelehrten ſind die Fa⸗ 
ſten das Thor, und der Eingang der Re 
ee. 


ment, ou leur haleine ne les font oux et Near 

logis. . 

m) 1. c. p. 158. Ts dißinguent trois- fortes: de 
 jeünes, qu’ile pretendent, qu'il fant oblerwer, 

- tous trois, -ppyr- faire dignement lo, Cardme:. 
‘Pun confifte, dang l’abflinence des alimens, er 

* ‚des Attouchemens chärnels:' Pautre, qui con-' 
filte dans l’abllinence du peche: et le troißeme, 
i eſt de s’abltenir des ſoins temporels, et des 

eis.de cette vi, nat e 


mı c . “ a 3 5. | ; 
oil, ge a 


J 


t 


1. ee "u 


Wer im Monath Ramabaun ſtirbt, kommt unfehl⸗ 
dar in das. Paradies; denn mir dem Anfange der 
enzeit werden die Lhor⸗ des Paradieſes fuͤr alle 
aͤubige geoͤffnet, und hingegen bie  Ateee der 
Fälle verſchloſſen pP). nn 


Ans eben der Urfachen, aus welöen u mau 
fiß von Nahrungdmitteln und: den Genuſſe bes 
VKibe enthielt, übte man noch mancherley andere 
Buͤßungen. Man zwang ſich zu ungeſundin, ober 
angenießbaren, nicht menſchlichen Speiſen. Man 
derfagte ſich ben Schuß, melden ſichere, und bes 
queme Wohnungen, oder angemeffene Kleider ges 
en die Unbequemlichkeiten der Jahrdzetten, ud ' 

itterung gewähren, oder, man mählte fie fo ſchlecht, 
daß die Geſundheit darunter leiden muſte. Man 
unterbrach, oder verkuͤrzte abſichtlich den Schlaf, 
that auf alle Freuden der Freundfchaft, und Gefel⸗ 
Migfeit Verzicht, verwundete und verſtuͤmmelte ri 
nen Coͤrper, oder entfräftete, und gerrüttete ben 
ſelben durch unnaktuͤrliche Beſchwerden, und Marb. 
ter. Dieſe Selbſt⸗Peinigungen fanden ſich, wenn 
gleich nicht in derſelbigen Zahl, und denſelbigen 
Graden, unter ganz rohen, wie unten halbgehildes 
ten, und ſelbſt unter ſolchen Voͤlkern, die durch 
Kunſt und Wiſſenſchaft beruͤhmt waren. Unter 
ben Jaͤger⸗ und Fiſcher s Völkern find die Americas 
niſchen Wilden, beſonders bie tm fuͤdlichen Ame⸗ 


rica diejenigen, welche entweder ſich ſelbſt, oder 
ihre 


— 


p) p. 157. 1. c. LeiJeüne etia porte, et Vertrde 
de la religion: tout homme, qui meurt dans le 
tems du Jeune, eft bien - heureux, et va [üre- 
ment en Paradis, © 


0 ⸗ - | . a1 
thoe QAuptet Bub :Brnerer auf eine beynnhe wär 

gtocbliche Urt: yeinigen. Waͤlresd ber ſecho woͤꝛ 
chan tlichen Faſten, weiche bie kuͤuftigen Gäuptlinge 









in Guiana halten: muͤſſen, merden se taͤglich zweh ⸗ 
wahl, Morgens und Abenda, von den übrigen 
. Qäuptern beſenhn . Beßh jedem Beſuch muß ſich 


Ber Canbibatnimdie Mitte er Hütte, die Haͤnde 
uber dem Kopfe, higſtellen, ums won. einent jeden 
ſeiner Pruͤfen Deren Hiebe mit einer ſchweren Peit⸗ 


She zu erhalten;/ die aub den Wurzeln des Palm⸗ 


umns gemacht iſt. Die Kuoten und Spitzen deu 
Peuſchen, bean mil jeder Peitſche werden nun 
brey Diebe eriheilt „ bringen fo tief in bie Bruſt, 
ben Leib vund die Schenkel der -Gegeiff [ten ein, daß 


‚tete: Dieb geführt mind, ohse Blut Aichen zu man - 
der Wenn Die. ſechſswoͤchentlichen Faſten, und 


die doppelten Geiſſelungen an allen Lagen. der Fa⸗ 
ſtengeit uͤherſtanden ſinp; ſo legt man den durch Ja⸗ 


ſten/ und Geiſſelungen enfchöpften, und zerfleifche 


te Mann it fein Dongbert, knouͤpit dieſes an auzp 
unbe Bäume, meh zuͤndet unter. dem Bett von ben 


ſtuͤrkſten und ſtinkeudſten Kräutern .nder Hoͤlzern 
- eis Feuer an, Der Geſtank des Rauchs, und die 


Die bes Feners beingen in. deu, der fie duldet, 
bald eine Art von Wuth, bald todtdaͤhrliche Ohne 
machten hervor. Die Leßteren- verfpeikt' man durch 
erquickende Araͤnke, welche man den Ohamaͤchtigen 
reicht. Wenn bie Gemarterten ſich ein ‚wenig er⸗ 
babit haben, fo verdoppelt man ben Rauch und, 
das Feuer, und mit beyden nehmen bie Wuth, 
oder die Ohnmachten ber Ungluͤcklichen in: gleichem 
„se: u. Zu a Ders 

u Bier BE, CR RT = 


L 


162. | . u —— 


: [4 
14 


iſſe * en Augeniticken, io da⸗ 


—ð entfliehen ſcheint, legt man den Sterben⸗ 


bden ein Halsband, und einen Guͤrtel um, viemit 


BL N. 202 2 


ſchwarzen Ameiſen angefälı find. Die giftigen 
Biſſe diefer Ameifen vaufen wie: ſchon Sinaloſen in 
das Leben zarück. Mac diefer legten Prüfung ges 


ben die Würbigbefunbesen au den naͤchſten Fluß 
oder Bach, und werben nad geſcheheuer Reiniguug 
von den übrigen Haͤuptern alb Bruͤder anerfanut 
Die künftigen Zauberer peitſcht man. zwar nicht fe 
keftig, als die Haͤuptlinge; allein man laͤt fe. 
nach uͤberſtandenen Faſten fo lange tanzen , bid fr 


betaͤubt zur Erde fallen ⸗), und gibt ihnen als daun 
einen Trank von Tabacksſaft, der heftiges Erbre⸗ 


den, ſelbſt Blutbrechen herdorbringt. Man wies 


derhohlt dieſe Taͤnze, und dieſe Arzneyen mehrere 
Tage hinter einander, und bewirkt ober verſtaͤrkt 
- daburdy den Haug zus epileptifchen ‚Merzucdungen, 

‚der einem jeden Zauberer fo nothiwendig iſt 5). 
Man kann gar nicht zwenfeln, daß die fuͤrchterli⸗ 


hen Buͤßungen ſowohl ber Haͤnptlinge, als: ber. - 
Zauberer in Gulana in gottesbienftlichen Abſichten 
geſchehen, wenn man weiß, welche Zerfleiſchungen 


be Erfteren au ſich ſelbſt, und die Wildinnen au ih⸗ 


ren Kindern bey anderen Gelenenbeiten ausüben. - 
Ru der Zeit, als der Vater Gumilla unter den 


Samos lebte „brach eine anſteckende Kraunkheit 


aus, bie Merſchen von allen Altern ergriff 8 | 


DRK. 


8) Cette etrange medeeine le fait ler haut et bes, 
“ luy fait vider le fang; esla durs ;luheuss 
ours, 


“ 


— — ——— — ——. 700 [— 


| | 
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— — Ag 
Ä 


So ban die weiner merkten, oa ihre Kinber Hp _ 
nicht wohl befänbenz fo burchbehrten fie ihnen weit 
einem fpißigen Knoden bie Runden,  fingen.beif 
He rvorſtroͤmende Mut mit ihrem Munde auf; und 
ſpuckten es uͤber vie Coͤrper der Rinder vom Kopfe 
558 zu den Ferſen bin. Sie erneuerten dieſe Wise 
ben alle Diorgen, bis die Kinder entweder g 

wourben, ober flarben. Um biefelbige Zeit waren 
Die Haͤupter der Guamos verpflichtet, ſich jeden 


Meorgen zu zerfleiſchen, nm mit ihrem Blute ben 
Magen ber —** zu beſtreichen, die ihnen ge⸗ 


bracht, oder gu welchen fie hingeruſen wurden. 


Wegen dieſes taͤglichen Blutverluſts ſahen bie ges - 


ſunden Haͤupter blaͤſſer, und magerer, ald Wire 
der Kranken aud. Aungenſcheinlich hatten bie Ver⸗ 
abuse. der Haͤupter, und ber Kinder Beine ans 


dere Abſicht, ale die Goͤtter zu verföhnen, von 
“ welchen man mähnte, baß tie ' Seanfgelten wären | 


augeſchickt worden. 


Auf ihonhe Arten fudite: man bie Obi 


nicht nur in anderen Theilen von America, fonberm 
auch unter den Megern, und ben Bewohnern ſo 
wohl der Suͤbluͤnder, «ld ber. Ghbfer: Infeln: gs 
verſoͤhnen. Die Floridaner hatten jährlich Buße 
fefte, an welchen alle ohne Ausnahme fafteten, bie 

Priefter in Wildniſſe flohen, und die Weiber ſich 


derfenten, und bad Blut in bie Luft Meere 2) 


»). Sam. der * xvi. * S. 504 Die, Bin 


den. am Miſſuri follen jährlich Arı Gornenfefe, 
8 | 
üben Persia da Lac’ Erg men 


1 

(4 
241 4 ... 
— 


= 
x u ⸗⸗ — — 


—8D 


a6 L or ee \ 
Ee Mrfeſter —* Monche, ad delihen Zunge 
fractan in Menien.a) - raten. die Naͤchte mh 
Beas: ſchlaflos zu, weil fie außer anderen heiligeg 
Qendlaugen fi bie Beine, ober. andere Theile 
5 Leibes wit Kharfer Inftraͤmguten zexritzten 
wrltche fie daux in: Keine Bündel yon Stroh ſteck5 
Sk, damit das Bolt om dieſes blusigen Werkzeugen 
iher Suͤßunges erkeynan koͤnne. Die Merigang 
ſchen Prieſter geiffelton ſich an. manchen · Feſten nis 
ſchweren und Inotigen. Peitſchen bis auf's Blut, 
‚und Kierin ahmte ihnen, das · garze Volk uch, Viele 
Geiſtliche gingen in ihrern Buͤſangen fo-weit, daß 
ſes ihre Geſchlechtotheile mittou durchſchaitien, oder 
fich auf andere Arten. verſtuͤrmel ten, um ſich zu 
ven Vergnͤgungen dar Lebe afmalic untücsig 
zurmachen. Foſt auf dieſelbige Her geiffslsen,. un 
u ——— Fchedier Prieſter in Peru ). Mauqhe 
‚ wen dieſen Prieſtern begaben ſich in ie oͤdeſten 
Wildniſſe auf dem höchften, und unwirthbarſten 
- Bergen, ober flachen fich die Augen aus, oder 
ſtuezoa fi gar vor Fatſen in Naufenole Abgruͤn⸗ 
wdvertzineb 2). Doß die Beweohner. dar Suͤdlaͤndan. 
wud Suͤdſee⸗VFJufeln ſich ſelbſt, ober: isn Hint 
dern gur Verſoͤnnung der Goͤtter· lioder der fing 








u ger abſchneiden, oder Zähne mwöfckkagen, ⸗0), ifk: 


baanmn al⸗ dog. He Reger au be Sadtune 
=) Acoba v. c ‚ 1% 17. F . 221, 83,26, 
Wera — J 
"16. et Zarate l: . 2 1 

“ns; . à4 4 
“ Cooks letzte 2er 1. 16: ©, 


. ‘ 


Ah den Obreleib von der. Olulerhn Bikandie Dieb 


ver erſchaeiden, am ihre Sünden ye bogen 9). 





3: fg] — 


. Unser den Voͤlkern bed alten ODeunto {deinem 
bie "Yegpptier am mäßigfien,. bie Syrer hingegen 
am ausſchweifendſten in veligiäfen Selbftpeinigume 
gen geweſen zu ſeyn. In der Stadt Buftri wars 
jaͤhrlich der. "Wis zu "Ehren ein Feſt gefsiest, je 
welchem aus allen Gegenden von Aegyptena Sant 





viele Myriaden von Maͤnnern und Welbbern as 


ſfammenkamen. Ale diefe Myriaben warden maß 
Sollbrachtem Opfer gegeiffelt. Die Kaviar, bie 
fi) in Aegypten niebergefaffen hatten, begwägten: 
ſich nicht mir dieſen Geiſſelnugen, ſondern vermnu⸗ 
deten ihre Geſichter mit Meſſern, ober Dolchen, 
welche fie entbloßten; ein gewiſſer Bewals, fapb: 


gerobor hinzu, daß fie Fremde, aub nicht Eier 
gebehrne ſind c). Die Prieſter des Daal — | 


gen zerfeßten fi mit Meſſern und Pfriemen, als 
ihr Gott zögerte, ihnen burh ein "unter. ge‘ 
Höfe zu tomwen d). Die Bexchrer dev Eyes: 


gr FNKen, oder der Venus tn Hierapolid Hlien > 


em 


Rn de Eıy India Orient, ©, 5%. 
© U. 63, Spätere Schriftfieller ermäbnen eiferner 


re weihe die Priefter des Saturn | ana ' 


E db, imd es einer Rinde, welche Me —* 
ale gezogep hatten, Achmidt p, nn DI 
‘ ei audı feinem Zweifel — * —8 


bleibt man doch, in Anſehung der Urſachen des 


ragens der Halsbaͤnder, und Nafenringe ungemiß. 
‚No mehr kann man es bezweyfels, Ref Richt in 
den aͤlteſten Zeiten geſchehen ſey. | 


4, 1. 19. 28. Vuch der Koͤnige. 


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"Mel vide vlaa bey: Berfegungen 
- bon. eher heiligen Wuth *2 entmannter ſich / 
und wurden von ben Beſitzern der Haͤuſer, in wel⸗ 





fehen. Wiele, 


dpa: fir bie 'aligefiheittenen -Iihelle geworfen hatten, 


weit: weiblichen Kleidern augetban dd). Die wos | 


weh / und falſchen Prieſter der Dea Syria, und 
Cybele, bie in den erſten Jahrhunderten nach 

—— eure in: Griechenland und Italien ums 

er. zungen; lockten die fiaunende Menge vorzüglich 


dedurch an: fich", bag fie in Aufällen von heiligen 


Maferey- 2m. Arme gerbiffen, oder. mit Meſſern 


ten +). Bon ben Juden ik ed aus ber _ 
 keifigen. Geſchichte bekannt, daß fie an ihren Buße 


feſten barfuß, in Sacke nnd in ber Afche faßen, . 


ud ſich geiffeiten. Die Pharifaͤer ur geiffelten ſich 


wicht bleß au: den Vaßfeſten, ſondern zu einer je⸗ 
"den andern Jeit, vorzuͤglich auf volkreichen Stra⸗ 


Bew und Plaͤtzen, um durch ſolche überverbienfe 


liche Werke den Ruf, und die Vortheile einer ſel⸗ 


temen Heiligkeit zu erwerben. Die Juͤdiſchen Bäs- 
 fungenn waren zu Plutarchs Zeiten muber dan Grie⸗ 
chen und Roͤmern fo gemein geworden, daß er dasg 


im Sacke, oder in zerriſſenen Lumpen, das 


Waͤlzen im Staube, das Wehklagen über ben 


Genuß uoerlaubter Greifen und Geträsfe {u ben 


s „ges 


2) Da Den Syria In Luck, Oper m. Fame | 


e) Martial, Epigram, XI, 85, Alba minus faexia 

'Iacerantur brachia eultris cum furil ad Phrygios 
euthea turba medos ; und Apulej. vıukp 14 
Eolvi, Diuque capite demiflo , . . et —8 
quam morübns Ar ineurfantea mufculos, ad 
polremum ancipiti ferro, quod gerebant, 
guisque brachis diffecant, . ‘ (us 


⸗ 


. m bee 





— — e, 


—8 


groben Kingerugen bed Werglaaben ſeiner 


Zeitgenoſſen zaͤhlte f). Selbſt binsige Buͤgungen 


waren nuter ben Ortechen und Römern fo alt, daß 
man ihren Utſprung entweber gar nicht, oder nur auß 


Weiligen Sagen angeben Tann. Die Prieſter der Dei 


lona opfesten von jeher biefer Göttin ihr eigenes 
Blut g). Einer alten Ucherlieferung zufolge vers 
wantelte Lykurg bie Dienfchenopfer , * man 
bis dahin bes Diana gebracht hatte, in Bintige 
Geiſſelnagen, bie vor dem Altar ber Göttian am 
Spartaniſchen Fänglingen vorgenemmen, und wos 
darch der Altar. dev Goͤttum mit Bint beneßt wur⸗ 
de æ). Man erzaͤhlte noch gu ben Zeiten des Pau⸗ 
ſenias, ba, wenn bie Geiſſelnden aus Mitleiden 
‚ ober and Achtung gegen 7 
Geb Son Abmglingen eine gersiffe Schonung 

gen viofe bendefen,, bie Obttien Ihren Zorn vr hs 
eiue- feldie Wikive baburdh äußere," Baß- ihr fonft 
Lleichtes Bild unerträglich fchwer werde; ES war: 
eu eben fo natuͤrliche Denkart, daß man dur: 
freywiliige Dchtigungen, als daß man durch Ehräs: 
nen, Welliagen, und andere Merkmahle des in⸗ 
nigen Gefuͤhls goͤrtlicher Strafen der Zorn boͤerer 
Natusen mſe koͤnne i). 


























-, 


5) vi, 643 Edit, Baiskil.. 
2) Lactant, I. c. 21. 
h) Paufanias III. 16, 


) ges; Tufeul. Quaell, III. 29. Accedit laper. 
Atio muliebris quaedam, Exiftimant enim, 

- diis immortalibus fe facilins fatisfacturos, hi 

eorum plaga perculG fucio⸗ fe et Araros elle 
Sieantur. | 


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200 m | 
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40 


» I. ig. Eap. Rogers, Auch Oringian TI. "4 


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Bo mon anuehm⸗⸗ Dorf, A Be Keane 
Bien. ber Himns zu der Zeit, aiE die nischen 
yuerft mit dieſen Wolke befemit wurden, den 
beusigan Goͤtterdienſt aͤhrlich warz fo Taun. man _ 
ſicher behaupten, daß. die Hindus van jeher im 


Ruͤckſcht auf. velbhaewoͤblte Buͤßnogen elle uͤbriga 


Moionen hinter ſich ließen, uber weriaflend DM 
Inların andern Volke übertroffen nun: nass: 


Senne: Banga: k) wird der Wagen. biefes Gets 


tes Durch bie Stroßen, ober in der Nacbarſchaft 


wo EStaͤdtarmunhergezogen. Ju de Mitte: 1) 


Aseährficht ein hoher Pfahl aufgerkiter ,. durch 
daffen; aberes Fude ein heweglicher Walken geht. 
Ven der: Gpitze deßs Balkene hangen mohreen 
GStricke mit Karken eiſernen Hakan herab, melde: 
7 be Weibef fo wobl, ais Maͤnger Sch Ann, 

fleiſch am den Schultern, oder gar. brands Abe 





| —**— Rippen ziehen laſſen, bawit man fie vor⸗ 


mittel derſeiben emporheben koͤnne. ‚Arie in: Ime) 


aſt Schwebenden sehen ‚vor, daß fie Keine Gchine 
zeu gpfinden,: Um bie glauben au machen, ne} 


ches fie allerlen Mranaben mit Degen, welche fie: 
inter Hand haben, ober fie laden, ‚und ſchietzen 
Gewehre, glelhfam zum Beihen der Freude ab. 
Damit man aber doch das Jammern ſolcher, die 


viellacht durch die Heftigkeit ber Schmerzen uͤber⸗ 
paͤltigt werben möchten, nicht hoͤre; fo un bie 
‚ Winftehenden in wuͤthende Geſchreve and, Vie ſo 


lange erneuert werben, bis man bie In ber Luft 
an wieder “ bie kete herobgelaſfen 
at. 


Eben 


\ 


“en ir Bameitdkn; welcher die erwahn⸗ 
tom freywilligen Marter ber Hindus zuerſt anfuͤhr⸗ 
ta, war Augenzeuge von folgenden ſchreckliches 
Geist; Peiaigungen ). Er fand im J. 1604060 
einer Meinen Pagode dor Parvati einen Brahmin, 
Der unverruͤckt auf einer Gtelle ſaß, und füdy wie‘ 
zum Schlafen niedrelegte, ſoudern bloß ſcheub 
fddfummıerte. In den Stunden des Wachens wur’ 
melte ber VBrahmin entweder die Nahmen des 
Bowara, ‚oder andere Gebete her, fhmädte bay 
Bild des Gottes mit Blumen, zuͤndete vor bems 
ſelben ein Sicht an, und bramite Raͤuchwerk. Ron 
Zeit zu Zeit forang er ploͤtzlich anf, und flellte fh 
forgerade und unbeweglih, wie eine Wilbfänle, 
auf:den Kopf. hin. Er erhielt fih in biefer Stels 
. Jung fo lange, daß alle Zufchuuer dadurch in bad. 
boͤchſte Erſtaunen verfeßt wurden, Bisweilen bes 
gab er fich auf ben Hof der Pagode an einen Platz, 
wo er Über einer Brube mehrere Bambus Stäbe 
im. Form eines Galens errſchtet, und an den Aber 
liegenden Querr⸗ Deab zwey Stricke mie Schlin⸗ 
gen beſeftlat hatte. Er zuͤndete alsdann in der» 
Cube: ein Feuer an, und legte nm die Grube Rei⸗ 


= fen, oben Sracke von Dolg der. Men biefe gen ı 





ſchehhen war ;: fs idee er die Yon dem obern 
Dambg s Stabe herabhangenden Schlingen um . 
femme Weine, und ſchwenkte fi mit dem ganze: 
Ebeper eine haite Seunde laug bin und ber; fa 
datj er min dem Mopf, und Geſicht beſtaͤndig durch 
dit lodeynde Flamme fuhr: wobey eu unaufhoͤrtich 
betote, und das Fener mit dem nut bie Grubee 
liegenden Hetze anſchuͤrte. Ohngefaͤhr um dieſci 
ige AB wrna ein auderer Vuͤßer einen Auanen - 
urn . \ ' um 


3) Roger U. 17. Gap: TE 


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28: . - ———. 


ww den Hals, der aus eiſernen Bohen betand, 


vier und zwanzig Pfund ſchwer war, und mie ein 
Zaun den. augen Kopf einfäloß.: Der Taigens 
beste -bu6 Gleläbhe getbam, „feine Wilede wicht chen, 
abqnlegen; als bis ex fo viele Allmofen zuſammen⸗ 


gebracht habe, daß er eine Pagode erbauen koͤnne. — 


we ſchleppten ſchwere eiſerne Ketten hinter ſich 


ber, oder gingen auf Saudalen, aus welchen fharfe, 


Spitzen hervbrragten, und wodurch bey jedem Tritt 
die Fußſohlen verwundet wurden⸗ Noch mehr 


wunderte ſich Rogers, als er einen Mann er⸗ 


blickte, der ſich mit einer ſtarken Kette: an einen 


Baum hatte feſtſchmieden laſſen, um an dieſer 


Stelle fein Leben unter allen Beſchwerden der Jahrs⸗ 


rn ‚zeiten, und Witterung, fo wie unser den befläuhte .. 
gen Gefahren des Qungertobes zuzubringen. : 
Die meiften und härteften Buͤter finden 77 
‚unter ben Joghis, die ohne alle Bekleidung entwe⸗ 


Ver unter Bäumen, ober unter den offenen Hallen 


‚ber Pagoben wohrnen m). Manche ven biefen Jo⸗ 
ghie haben Haare, bie bis auf die Ferſen herab⸗ 
fallen, und durch Mangel von Pflege fe verwirrt, 


ober gufanmengefiebt ſiad, wie das Haupthaar der 





Ungloͤcklichen, die eines Weichſelzopf Haben, Ber⸗ 
nier ſah au mehreren Orten Joghis, die einen oder 





ten, daß dieſe Gliedmaaßes wie abgeforben wo⸗ 
sen, und weber zum Nehmen von Speiſe und 


TDrank, noch zu anderen. Verrihtumgen gebraucht : 


werden konnten. Diefe Büger wären in-ı Tuner. 
Det verhungert oder verdurſtet, wem nicht 





") Beroier IL. 138. er fq. D 


beyde Arme fo Lange über dein Kopfe gehalten hate ' 


Ks 
bächtige Perfonen ihnen bad Retlweꝛdi gun - 





— — 171 


Hätten: Wubeve ſtanden diele Tage-Tang aufreqht, 


ohne ſich eine andere Ruhe zu erlauben, als melde 


ihmen ein kurz dauerndes Hinſtuͤtzen auf ein dor ih⸗ 
wem ausgefpanntes Geil gewährte Die. Weine 












ter freyem Himmeil ihr Geficht fo lange gen Him⸗ 
wel richten, daß fie baruͤber dad Vermoͤgen verlie⸗ 
ren, ihren Kopf in eine andere Stellung zu briu⸗ 


gen: : Der Hals folder Starrer ſchwillt fo gewal⸗ 
tig.an, dag er eine gleiche Dicke mit dem Kopfe 


erhaͤlt a). Manche halten ihre Fäufte fo lange und 
- feft zuſammengedruͤckt, bis die Mägel durch den 


Rücken der Hand durchdringen 0). Beugnifle - 
der nemefien Meifeuben beweifen, baß bie von mir | 
erwaͤhnten Büßangen bis anf den heutigen Zag uns. 


tee deu Hiadas fortbauern „), und daß fetbft die 


. 40 den Küften der Jubiſchen Halbinſel ee: 
| | are 


1188, Hımilon, . Ze 


.e) ib, 


» Man f. bei. Niebuhr B. 1:75. Grofe }. s6. | 


Fıyer p. 108. Gonnerak. I. zıg. 200, Turner 


2. 510,211. Die Subiigen Fakirs haben in den 


- Zumpen, womit fie fi dehaugen, fehr oft Gold 
und Edelſteine verſteckt, weßwegen dev Kaiſer 
rengzeb ihnen einſt aus fiheinbarer Miſdthaͤtigkeit 

für ihre Lumpen neue Kleider ſcheukte. Tavernier 


„Liefer Buͤßer wurden von dem Langen Stehen fe: 
Du and aufgeſchwollen, wie igve Schenkel waren, 
Aehnliche Wirkungen empfinden diejenigen, die ups. 


lI. 33. 160, Ovington 1, zen: Selbſi die Ioguık 


follen mit. Evelfteinen,, welche fie ig ihrem graͤßli⸗ 


Gen Hanraeditihe verftede hatren, einen Kandel 


. weißen, Groſe I. 197%. . 


oͤſtlichen Afiend :fäychreh fid die Ehimefen , aheii 


1 2 "2 


Parſen eiken'miäh. gerugen Tell — Br 
der Hindus angenommen haben N \ TORE 


Unter den aurigen Wotkern —* lachac ae: 





ptelmehr bie Bonzen der Chineſen ben Selbſt⸗ Minen - 
nigungen ber Hindad am mehflen mörkkeri Pi 


Le Comte traf Bonzen an, welche arcadiche Meta: 


ten, die dreyßig Fuß lang waren, mr einem Arme: 
und Beine trugen, und: nue mie genkum Mühe: 
durch bie Straßen ſchleppten. Andere (Blugen» - 
niit großen Steinen fo heftig auf ihre Abpfe, Daß. 
das Blut yon allen Geiten herabraun. (in juns 
ger Wonze hatte ſich in einen Keſtg einfperren Laf 
fen, der dicht mit fatior Nägeln befegt, oder: 
ausgeſchlagen mar. Elnem Geluͤbbe gemäß wullte: 


0 er wit eher and biefem Kefig heransgchen; abe.» 
bitsß er einen jeden Nagel mit feinem Wlude Ben 
an andaͤchtige Menſchen verkauft habe ). J 


Wenn die Indiſchen Buͤßer jemahls neicht 
wurden, ſo geſchah es durch die eifrigſten unter 
den Ebhriſten, die durch ausgeſuchte Sewſtpeiu 
gungen ihre Suͤnden zu tilgen, oder nad dieſen 
Schen h che Grade der Seligkeit zu erlangen hof⸗ 
ten, Merkwuͤrdige Behſylele don Chriſtlichen Errumig 
gungen werden bald nachher vorkommen. Bu den 
allgemeineren Buͤßungen der Chriſten, die ſich 


| nicht bloß auf Hedenogeiuis⸗ und Einſi A bes 


9 Da engen Grein Reifen III. 43. S. 
ach Le RÄT u. AN LE Memoiren fur les Chie | 


„ E. 


DEE. ———— ” 
s 





Sa 


U — — 173 


ſchraͤnkten, gehoͤrten das Tragen. von beſchwerli⸗ | 


chen oder peinlisen Laften und, Kleidern, und dan 


Geiſſelungen. Was andere Chriſten thaten;. un 


ben Zorn dir Gottheit zu verſoͤhnen, oder um 
ihre Önade. zu erlangen, das thaten. bie Mitter in 
gleichen Abfihten um ihrer Schönen willen. Ei⸗ 
nige ließen fih eine Zeitlang Binden. über eing 


son ihren Augen. legen. Audere trugen Ringe 


und Ketten, weßwegen das Tragen von Ehren⸗ 
ketten bis auf ben heutigen Tag ald ein Beiden 
von Srgebenheit betrachtet wird 8). elfjelungen 
murden in den Chriſtlichen Abendlaͤndern nicht eher, 


als im zehnten Jahrhundert bekannt. Der Uthe⸗ 


ber berfelben, war ein Einfiedier, Dominicus, mit 
bem Beynghmen ber. Gepauzerne, weil er ein eifere 
ned, mit Zacken verfehenes Panzerhemd auf be 
bloßen Leibe. trug u). Das Beyſpiel des Eremi⸗ 
ten griff Ichneller. unb gewaltiger um ſich, als bie 
gefährlichite Contagion. Es entitanden zahlreiche 
Schaaren, xud faft. kann man fagen, Heerszuͤge 
von — bie ganzen Ländern und Propius 
en ben Untergang drohten, und nur mit ber äußere 
Gewalt zepfirgut werben konnten. ' Deffensliche 
Geifjelungen haben fih am längfien unter den Spas 
niere und Portugieſen erhalten,. Noch im Anfange 


des achtzehuten. Jahrhunderts zegen bie vornehm⸗ 
ſlen Maͤnner und Juͤnglinge in Spanien au feſtlichen 


Tagen durch die Straßen der Staͤdte, geiſſelten 
ſich, beſonders upter ben Fenyſtern ihrer. Schönen, 


und.befprigten diefe mit dem Blute, was fie durch 
bie Geiſſelungen hervorgelockt hatten x)... Wahr⸗ 


“ 


en u ſchein⸗ 
&) St. Palaye I. 190. 036. 
u) Pelliccia II, 198-200. 


“ x) Labat Voy. en Eipagne I, 18%. . 


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fchetafich bereiteten ſich bie Spanier auf eine Ahnit 


Ge Art, wie bie Portaglefen in Brafilien, zu ihreh 


Blnttgen Gelffelungen vor y). Diefe Heßen naͤm⸗ 
lich am Tage vor ben Faſten, wo fie ihren Um— 
gang und ihre Sffentlichen Geiſſelungen vornehmen 


wollten, bie oberen Theile bes Coͤrpers burch Scheer 
‚ \neffer over andere Inſtrumente verwunden, damit 

bie Geiſſelungen die frifchen Narben aufreiffen, und 
bas Bint um deſto zeichlicher fließen machen moͤcht 


ten: Andere, bie ſich nicht griſſelten, trugen ſchwer⸗ 


Keten, oder Stüde Holz, ober Eränze von Dei 


gen, deren Spigen gegen bie Bruſt gerichtet waren: 


Ungeachtet die Mahomedaner anf die Faſten 


einen noch hoͤhern Werth ſetzten, ala die Chriſten, 
ſo waren fie doch von jeher. in allen uaͤbrigen Ar⸗ 
ten von Bägangen weniger eifrig, als biefe. Un⸗ 
ter den Perſern üben bio die vollendeten Lehrer, 


welche fie Muchtehed nennen, die Rechte ber Geiſ⸗ 


ſelung gegen reuige Suͤnder aus. Wenn Jemand 


tn irgend einer ſchweren Suͤnde, in Trunkenheit / 
Blasphemie, dem Genuſſe unerlaubter Speifen 


n. J. w. gelebt, und den ernſtlichen Vorſatz hat, fich 


"gu beſſernz fo geht er mit mehreren Freunden, bie 
gleichſam Buͤrge feiner Meue und Belehrung vers 


ben, zu einem Muchtehed, beichtet biefem ſelne 
Vergehungen, nnd bitter den Heiligen fußfaͤllig, 
baß er tha freyfprechen well. Der Muchteheb 


haͤlt als dann eine ernfiliche Strafprebigt, ermahnt 

. ben reulgen Suͤnder zur Staudhaftigkeit im Guten, 
gibt ihm mach Beſchaffenheit feiner Echuld mehr,’ 
ober weniger Streiche, und fertige ihm einen Abs 


laß⸗ 


y) Barbinais uf. 240. 841, ein 


In 15° 


— 


Lo ». Brief aus, ber aber zagleich ben Empfaͤn⸗ 
ger, wenn:er zuruͤckfallen ſollte, dem Zorne Och 
tes undder Rache des Ali auf ewig uͤberantwortet. 


Wem Voͤlker einmahl die Meinung gefaßt 
hatten, daß man durch Faſten, Enthaltungen und 
andere Büßungen die Gnade der Gottheit erlange, 
und. ihre Ungnade verfühnes; fo konnte ed faſt nicht 


ſehlen, daß nicht einzelne, aͤngſtliche, oder. übers _ 


“ 


fromme Perfonen zu dem Entfchluffe gekommen de 





ten, ihr ganze& leben, oben doch einen beträcdhtii 
ben Theil deffelben In Kaften, Euthaleungen amb 


Buͤßungen hinzußtingen, um beyde erwähnte Zwecke, 


ober doch einen berfelben zu erreihen. Die Auße 
führung eines folhen Entſchluſſes brachte nothwen⸗ 
Dig eine Zaruͤckziehung von den meiften weitfühen 
Berfireuungen, Freuden und Geſchaͤften hervor, auch 
wenn bie Büffenden fortfahren, in bee Mitte ihrer 
Familien und Mitbürger zu bleiben. Die ernſt⸗ 


lich Buͤßenden merkten es aber bald, daß ber Aufs 


enthalt unter den Kindern der Welt zu viele Ver⸗ 
füdynugen, ober Aergerniſſe, oder wenigſtens Line 


terbrechungen ihrer Andachten mir fi: führe 2) 3 
und fie entflehhen vaher aus bem ect ah 


de du um Urouswm Tic änaf Um Dias ayIsc 


‘Alla reigus le wusres Tag durrpißng @v uywois 


y'povaypınic, epymay usralinnörtäs. 8 din Tiya wugs 
swırorydevonsıyv 'maayIparuas, alle Sn vag ı% 
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reicher Gefell ſhalten in eiĩne * —— | 
fie verbanden ſich mit: anderen von gleichen —* | 
amgen, um nad gewiſſen Gefetzen, unb unter gew 
willen Oberen ein heiliges Leben zu führen, und 
KG gegenfeiig zur Warnung und Aufınamterung zu 


dienen. Im ciften Falle entſtanden Einfiebler: 


tm anderen moͤnchiſche Vereine. Veyde wavesn 
MWirkungen allgemehner Anlagen ber menfchlidrem 
Maturz;z und fanden ſich Daher umten den verſchier 
Senartigften Voͤlkern, welche nie die.geringfie Gep 
meinfchaft mit einnuder hatten: Wenn gleich Möwe 
erey eben fo natuͤrlich iſt, als der. Stand bey 
Mänfiedier ; fo faun man doch behaupten, daß bier 
fen Älter und. ollaemeiner war, als jener, weil. des 
Exrtſchlaß einzelner Menſchen hinreicht, Einſiedler 
gu bilben, anſtatt daß zu moͤuchtſchen Vereinen eine 
Bufammenfiimmung * mehreren gleichgeſnnten 

Werfonen erfarbert wird: .. 


Die U⸗terſuchangen uͤber die angeblichen Zau⸗ 
berer und Beſchwoͤrer werden lehren, daß Diane 
che derſelben ſelbſ unter den reheſten Wilden ſich 
eine Zeitlang in Einoͤden begeben, um ſich ferr. Don 
> aller: wenſchlichen Sefellichaft: · dr. Umgenges, umh 
Weyſtandes höherer Naturen würdig zu machen. 
Im weſtlichen Afien waren bie Albanier das erfte 
Walk, ober Eins: der erſten Völker, unter wels 
chen die Geſchichte wahrer Tinfiedler erwaͤhnt. Die 
Albanien verehrten vor allen anderen Goͤttern den 
Mond. Der Hohepsiefter. des Mondes hatte in 
Ruͤckſicht auf Rang. um Eiskünfte.nur den Koͤnig 
über ſich. Seine Gewalt erſtreckte ſich nicht bloß 
über. bie. großen Beſitzungen und Schaͤtze des Tem⸗ 
ple, fonbern auch über bie Egaenn der a 

. wein: 





> 


| — | 11T. 
geweihten, unter welchen Maunche ‚von. einem a 
“ Yichen Geiſte getrieben wurden und weiſſagtzn a“. 


Diejenigen,. welche der. Geift ber Weiflagung am 


ſtaͤrkſten ergriff, ‚serliegen ihre. Brüder, und irra 
ten. einzefp In, Bad: Waͤldern amber 6)⸗ Aehnliche 
Tempel und Hohepriefter, auch aͤtznliche Schaaren 
von Gottgeweihten beyderley Geſchlechts fanden ſich 
zu Komana auf dem Antitaurus c), In einer Stadt 
gleiches Nahmens im Pontus d) yud zu Peſſinus e). 
Es iſt fehr.mahrfcheinlih, dag unter dieſen vie⸗ 
len Tanfenken: von Gotiesknechten Manche ſo 
ſehr begeiſtert wurden, daß ſie, gleich den Albani⸗ 

ſchen, in Waͤldern oder Eiuoͤden umherſchweiften. 


Ungleich merkwuͤrdiger, ols bie Albaniſchen 
and andere Einſiedler im weſtlichen Aſien, waren 
die. Therapeuten, die fat gewiß im dritten Jahr⸗ 
hundert vor Chriſti Geburt unter den Juden ent⸗ 
fanden, und fidy zu Pbilo’s Zeiten über alle heile 
Bed Roͤmifchen Reichs, wo Juͤdiſche Cokonien 
W u on wohn⸗ 
"a Strabö X. - 69... .* | 67 7 ispoduhuy; os a4 
 Gesiwar erh, ai wpoßyraiadırn. nr 

by i.c, ds dtav aurwv er wÄsov nuraagerog yaya- 


wevos wARvarRı KATE Tas —RXX te: Te 


c) XIl. 809. wAusov usv TO TaV Yaopochrad' —* 

Jos, au co Tu IspodsAwv 8v aury: . Der lezteren 

waren mehr, als ſechſtauſend, ſowohl Weiber, als 
Minner. 0 nn 

" 3) 16.838, 369. Auch hier waren 6000 Inpößrrn 

Lupe en, 

. BR se wäh: Min, 2. N '\% 


> 


— 


[2.3 " 


eine heilige Ucebung war pn); ‚fo. ag die ni 
| peuten micht cher,al® ayı Abend, andy deßwegen 
nicht, weil fie die: Stillung ner coͤrperlichen Ber 

duͤrfniſſe für Werke der Finſterniß hielten gi 


Btre; Speife beſtand in :gefkuertem oder ungefämee: . 


sem Brot, anb-ihe Trank in: Waffer, Selbſt ai 


deu. froheſten. Feſten wuͤrzten⸗ ſier das erſtere nut 


durch etwad Satz and. Iſopen 77. Manche faſte⸗ 


gen drey, je ſo gox ſechs Tage, ohne’ das geringftd 


von Speiſe und Trankezutſich zu nehmen O. Ihr 
een Wohnungen: und Mihruagsmitteln eutſprachen 
bie Kleider. Die Therapeulen Irugen im Winter 
Roͤcke von. graber Wolle ,. Im Sommeér san gemen⸗ 


ner Leinewand &:. Eben dire Therapeuten, irdelche 


fen ſechs Tuge in der Woche in ihren Cellen ober 


Gapellen eingefhkoffen hieftch‘; ohne. auch‘ nur cin 
eimziges Maͤhls aͤber bie Schwelle zu kommen, vber 
einer Blick in die Außenwelt su hun u), verfattd 


wieen ſich am fiebenten Tage in gemeinſchaftli⸗ 
ben Bethaͤuſern, iwo die Aelteſten und Weiſeſten 
entweder; heilige Reden hielten, über heilige. Schoffe 


ser Borlafen: und auslegten, ober heilige Geſaͤnge 
eisen aan weten" die: Uebrigen Thbeil naht 


.. 
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v5 p. Ars; vo'de e£ kudıya aaxpı dc Soirapad dinerun Ä 


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D) p. 476. exudy TO 18V Pirpsaqreıy. aEiay Parrog Apo · 


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— du . 199 


Städte auf's tank, entweder in ſtille Gaͤrten und 


Laudſche, oder .an kuhige Plaͤtze, too andere The⸗ 
rapeuten fody türdergelafien hatten, und wo fie alſo 
vor den Anfälten vor Mänbern nicht weniger fiher . 
weren, als vor ben ıböfen Beyſpielen verborbener 
Menſchen m). Auch bann, wann fe ſich In ber 
Mähe Yon Anderes anbunten, führten fie ihre Weh⸗ 
nungen nicht 'in Kichten Reiben auf. Jedes Haut 
blieb von dem nächſten Durd einen gewiffen Raum 
getrennt, Damit es gleichſam zu einer abgefchieber 
nen Einfisdeley werde. Die Wohnungen der Tier 
zapenten waren hoͤchſt einfachh, und dienten bloß 
dazu, ihre Brfißer den Winter uͤber gegen die Kälte, 
und im Sommer gegen den Brand ber Sonne zu 
fhhßen. Bey aller Ihrer Einfachheit hatte. eine 
jede Therapenten⸗ Wohnung reine Capelle w), in 
welcher tie Therapenten fi ſechs Tage in der 
Woche von Aufgaug ber Sonne bis zu ihrem te 
dergang unaufhärlich mis dene Leſen heiliger Ws 
cher, oder mtr GAbsten,: frammen Betrachtungen 
und Geſaͤngen' befchäftigten a). : Man brachte. im 
diefe Capellen weder Speife. und Trank, noch an⸗ 
dere Dinge, die ſichlauf den Coͤrper bezogen, den 
zur Befriedigung coͤrperlicher Beduͤrfniſſe dienten. 
Da in ven ſechs Tagen ter Woche die ganze Zeit 


zwifchen dem Aufgange und Untergange ber Sonne 
Be en ‚eine 


MP. 


a) Phbilo nannte diefe Hand = Kapelle ouvuiay und 
KOvasypıoy, 09 Ü Aevamsyo Ty4 esuya ic abet: 
: pa Torten, | 6 


0) l. e. 


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. 
, 

a nn 

133 —X 


\ 


wahre Einfiebler, Die burch. ihre Bißinngen und uͤbri⸗ 


gen. Andachtsuͤbungen entweber die Suͤnden des vor; 
dergehenden Lebens zu tilgen, ober in einer beſſern 
Welt ungewoͤhnliche Grabe von Seligkeit zu erlangen 
koften. Zugleich Tann man fie wegen ihres Benfanis 
menwohnens, ihrer gemeinfchaftlichen Bethäufer und 
Andachten als Moͤnche anfchen. Die Therapenten 
weren Muſter genug, um Andere fowohl zum eins 


fieblerifchen, als zum Miöndötehen zu veißen, 


Die erſten Nachfolger der Therapeuten. wa⸗ 


ren die Ebrifilichen Einficbler in Hegppten, bie 


in dieſem Lande entſtanden wären, auch wenn 


ihnen das Venfpiel der Therapenten nicht vor⸗ 
geleuchtet haͤtte. Als das Haupt der Chriſt⸗ 


lichen Einſiedler nannte man mit Recht ſchon im 


vierten Jahrhundert den heiligen Paulus von The⸗ 


bene) Die Verfolgungen unter dem Decius unb: 


Valerian noͤthigten ben funfzehnjährigen Juͤugliug, 
feine Vaterſtadt zu verlaſſen, und auf feinem abs 
‚ gelegenen Landgute einen Zufluchtsort zu fuchen d). 
Weil er fuͤrchten mufte, daß fein eigener Schwa⸗ 


ger ihm bier verrathen werbe, fo entfloh er in die 
Thebaiſche Wuͤſte, Die zwiſchen dem rohen Meer 


uud dem oͤſtlichen Uſer des Mils liegt.“ Hier 
lrrte er eine Zeitlang. umher, bis ei: endlich anr 
Fruße eined Berges. eine Deffuuug ſah, Kie mund 
ee Ze ein 


e) Hieronym. in Pauli vita p.%4r, Amathas vero 


et Macariue, dilcipuli Antonii, .: otiam uns 


affirmant, Paulum quendam Thebaeum pringin 
rem illius rei fuille, quod non tam noihind, . 


. uam opinione nos quague comprobemns ıu 
Abe | Br ac ve 


) 


n 


% . 


D s ’ 
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. men. Sie ‚lafen zürh. dentetan.bie ‚heiligen Schreiß 
ten. nicht nach dem buchſtaͤblichen Sinn, ſondern 
ſnchten ollenthalben einen geheimen, tief verſteckten 
Sim auf. x). . Ste verglichen daher ein jedes. heis 
Lige ‘Buch mit einem lebenden Thier, an welchem 
der- buchſtaͤbliche Sim den Eörper, ber geheime 
Sinn ‚hingegen :bie Seele ausmache. Noch ans 


bäshtiger, als ben: fiebenten Tag, begingen fie den 


fiebenmahl fichenten, und beſonders jeden funfzigb 
zen Tag, von welchem ber vorhergehende nur ein 
Berfefi.war.y). ; An biefen großen Feſten ders 
einigten. ſich Männer und Weiber gu Einem lobfins 
genden Chore æ), anftatt daß währen» den Andachs 
ten des fiebenten Tages bie Weiber von den Mäns 
nern abgefondert blichen a)... Die Therapentins 
nen waren. meiſtens alte Jungſrauen, bie nicht ges 
. zwadgen, wie einige. Griechiſche Prieſterinnen, fons 
bern freywillig das‘ Geluͤbde tiner ewigen Keuſch⸗ 
heit abgelegt: nad vewaͤhrt hatten 5). : Die The⸗ 
rapeutinnen, fagt Phile, verachten bie fi nnlichen 


Lüfte, aus Liebe zur himmliſchen MBeisheit, nach 


weicher fie ſtreben. Sie wuͤnſchen nicht ſterbliche, 
ſonderwunſterbliche Kinder, vergleichen Gott lie⸗ 


bende Seelen nur aus fich. ſolbſt gebähren können, _ 


wenn ber. Vater der Wetsgkit:-Btrählen feines 
Lichts iu dieſelben audgeftvenar Bat. — Unläugs 
| baroareꝛ Die Thgenpkuten om beyrerley Geſchlecht/ 


wahre 
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| 122 v⸗ {m . , 
 wehre Sinfiebler,.die durch Ihre Buͤßnugen und uͤbri⸗ 
gen: Undahtsübungen entweder die Sünden bes vor: 
bergebenten ‚Lebens zu tilgen, ober in einer beſſern 
Welt ungewöhnliche Grabe von Seligkeit zu.erlangen 
hoften. Zugleich Tann man fie wegen ihres Benfanis 
menwohnend, ihrer gemeinfchaftlichen Bethaͤuſer und 
Andachten als, Moͤnche auſehen. Die Therapenten 
waren Muſter genug, um Andere ſowohl zum ein⸗ 
fiedleriſchen, als zum Möndgöleben zu reißen, 


Die erfim Nachfolger der Therapeuten. wa ⸗ 
rou bie Ehriftlichen Einfichler im Aeghpten, die 
in ‚biefem Laube entflanben waͤren, auch wenn 
ihnen das VBenfpiel der Therapenten nicht vor⸗ 
geleuchtet hätte... Als das Haupt der Chriſt⸗ 

lichen Einſiedler nannte man mit Recht ſchon im. 

vierten Jahrhundert den heiligen Paulus von The⸗ 

bene) Die Verfelgungen unter dem Decius und: 

Valerian noͤthigten ben funfzehnjährigen Juͤugliug, 

feige Vaterſtadt zu verlaſſen, und auf feinem abs 

‚ gelegenen Landgute einen Zufluchtsort zu ſuchen d). 

Weil er fürdten mufle, daß fein eigener Schwa⸗ 
aer: ihm bier verrathen werbe, fo entfloh er in die 
Thbebaiſche Wuͤſte, bie zwiſchen dem rocken Were. 

und dem dgſtlichen Ufer des Mils liegt.“ Hier 

irete er eine Zeitlang umher, bis er eudlich am 

Buße. eines Berges. eine Deffunug ſah, hie mei 

Er ‘ em 


e) Hieronym. in Pauli vita p,$41, Amathas vero 
et Macariug, dilcipali Antonii. „s yetiam nung 
affirmant, Paulum quendam Thebseum princi- 
rem illius rei fulffe, quod non tam norhimd, _ 
quam opinione nos quogue comprobamps, u 


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Sana 


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‘ 


- allen Kräften: nah. . Der beilige Godrie zurn 


._ 


Benfpiel, der im J. 1170. als Einſiedler in Eng 


land farb, nutzte dreymahl ein eifeuneds Hemd ab, 
daß er mnmittelbar am -Leibe tung: . Er Enet 
Aſche in fein Brok, blieb. im ſtrengſten Winter 


ganze Nächte im Waſſer ſtehen, und fireute Salz 


in feine Wunden und Gefhwüre.m) Die heilige 
Catharina von Corboba weidete gleich.den Thieren 
bed Feldes, und zwar an Faſttagen weniger-,, :ol$ 
gewoͤhnlich 2). ur | Be; 


Die Mahomiedaniſche Relinion formte ſich zu 
fehr nach der Juͤdiſchen, und Chriſtlichen, als 
daß nicht auch fie ihre Anachoreten hätte erholten 
ſollen. . Die. Einſiedler unter den Zügfen..unp 
Mauren werben Gantons genannta). Diefe Gag 


tons find meiſtens Bloͤdſinnige oder Wahnfiuniag, 


bie entiweber ganz nackt einher gehen, uber mit. Fe— 
bern und Lumpen phantaſtiſch behängt find. Gie - . 
smerfcheiben ſich Yon ben. Therapeuten," =“ ben . 


N, 


+‘ J » 
v 


“ m) Pennant's Scotl. p. 33. 


n) St, Forx V, 88. Schon zu. Sieronymi Zeiten ger 


hörte ed zn den Uebungen oder Büßungen deier, die 
einen Schein von Heiligkeit zi Frlangen fuchten, daß 
Männer fi) wie Weiber, Weiber, 'wie Männer 
kleideten. Wie verfappten Weiber Ahmten Enten 

. ,. und audere Nachtvoͤgel nad), Urad infantiam rei 
geant, imitantur noctugs ‚gt buhancs, -. Die 
,Mäuner aingen bartuf,. und (hisppten id. ' 
“Ketten, Plaee omnia, fadt Hieronymus, Bl 

: tafgummenta Aiaboli, de Cüfadia Virfmit; p 468 


ie) Pocockl. 14, Arvieux I, 208. 324. Hoͤſt 5. 
219, nn Far 


14 ⸗ 
> 


x [} 
„ . 
. 2 J 
u 


off zu feiner Kleidung ber he Ueber der Ein⸗ 
fiedeley des heiligen Paulus ward nachher ein 
Eloſter erbaut, das die Grotte in ſich ſchließt, and 
bis auf den heutigen Tag won Koptifden Möns 


 Ahen bewohnt wird i). Das Elofter:und bie Grotte 


Ttegen gleichfam in. dem Herzen des ‘Berges Colzim, 
einige Stunden vom rothen Mieere, deſſen Anſicht 
bad bie umgebenden Felswaͤnde gehindert: wird, 


Pautus erhielt bald eine große Menge von 

| Dradahmern.- Alle natürliche und künftliche Möhs 
Yen in den Aeapptifhen und Arabiſchen MWüften 
wurden mit Einfieblern bevoͤlkert. Viele Schwärs 
mer, bie Feine ſichere oder unbefeßte Höhlen finden 
konnten, bereiteten ſich beraleichen mie unfäglis 
cher Muͤhe ſelbſt zu, ober fie treten beſtaͤndig in ben 
Müften umber, und föhliefen, , Wo fie von der 
- Macht uͤberfallen wurden. Man nannte die letzte⸗ 
ven Anamhoreten, : zum Unterfchiebe von den Eres 
miten, melde eiwen feſten Aufenthalt hatten k). 
Dirie erſten Nachahmer des h. Paulus begnigten 
ich nicht damit, eben fo ſtrenge, ober noch firens - 
ger zu -faften, als Ihe Worbild 5 fonbern fie legten 
fh auch außerdem mehr, ober weniger ſtrenge 
Wuͤßuagen auf /yJ. Den Eremiten des Morgen: 
landes eiferten die khendlaͤndiſchen Einſiedler aus | 
aueh 


4 344. sd. RAR impicam abi vindicavit, qum 
9a Spartarum modum de palmae foliis ipfe Abi 
Gontexnerat, 


x #) Sieard im 3. Bande der Lei. Edif, „M. B pr 
gun et fq. 


A) Sulp, Sever. Dial. 1. e. 19- 15, 15. 37.'Fa % 
I) Hieronym. p. 344, 4i 


— 


allen Kraͤſten nach. Der hejlige Godrie zurn 
Beyſpiel, der im J. 1170. als Einſiedler in Engs 
land ſtarb, nutzte dreymahl ein eifeuued Hemd ab, 
das er unmittelbar am Leibe trug: Er knet 

Aſche in ſein Brot, blieb im ſtrengſten. Winter 


ganze Naͤchte im Waſſer ſtehen, und ſtreute Salz 
im feine Wunden und Geſchwuͤre m) Die heilige 


Catharina von Cordova weidete gleich, den Thieren 
des Feldes, und zwar an Faſttagen weniger,ols 


gew oͤlhhnlich u)) ur En“ 


Die Mahenıebanifche Relinton formte ſich zu 
ſehr nach der Juͤdiſchen, und Chriſtlichen, als 
daß nicht auch fie ihre Unacereten hätte erhalten 
folen. Die. Einfiedler unter den Xisken.-unp 
Mauren werben Santons genannt 0). Diefe Say 
tons find meiſtens Bloͤdſinnige oder MWahnfiusiae, 
bie entweder ganz nackt einher gehen, aber mit (ker 


bern und Lumpen phantaſtiſch behänge find. Gie 


< amerfgelben ſich von den Therapeuten, und ben 
' ze = Cbriſt⸗ 


m) Pennant's Scotl. p. 30. 
n) St, Forx V, 88. Schon zu Hieronymi Zeiten ge⸗ 
hörte eR zu den Uebungen oder Büßungen deigr, die 
einen Schein von Heitigkeit zu Friangen juchten, daß 
Männer’ fid) ‘wie Weiber, Weiber, wie Männer 
kleideten. Die verfappten Ariber ahmten Enlen 
und audere Nachtvoͤgel nach. VUt ad infantiam rei 
geant, imitantur noctuas gt buhoncs, -, Dig 
""Mäuner gingen barfuf,. und ſchl⸗ppten ſich, 
"Ketten, Hace omnia, ſagt Hieronymus Ba 


“ „nafgusttenta Aiaboli, de Cuſtodia Virgmit, p 408. 
6) Pocockl, 14, Arvieux ], 208. 326. Hoͤſt S. 
Le | ’ + \ _ >) 


312, s 


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196 a Zee 


Chriftlichen Ereniten am meiften darin, daß fie e 
fich nicht an beſtimmten einfamen Plägen aufbals 
ten, auch nicht das Geraͤuſch der Staͤdte fliehen, - 
je nicht einmahl ſtrenge Enthaltſamkeit üben. Die . 
Gartens führen ein unftetes Leben, und fommen 
nicht felten in volkreiche Städte, wo fie, befons 
ders von Weibern, als Heilige verehrt werben. 
Reo der Afrikaner war felbft Zeuge, daß eik 
viehiſcher Ein ſtedler eine ſchoͤne Fran oͤffentlich bes 
ſchlief. Die Frau, die der Umarmungen bes 
Santons genoſſen hatte, warb als eine Heilige ger 
fan ‚ und felbft ihr Gatte wänfchte ſich deßwegen 
Glaͤck p). Ein vollkommen aͤhnliches Beyſpiel er⸗ 
lebte, und erzaͤhlt Arvieur g). Wenn man ben 
Sankons niqht don freyen Stuͤcken gibt, was fie 
brauchen; fo nehmen fie alles, was ihnen gefällt, 
Keiner widerfeßt fi ſich diefen Mäuberepen, ober ver⸗ 
langt bie geringfte Bezahlung ' 


Nach alten Sagen wanderten bie höheren Eds 
fien ber Hindns aus dem weftlichen Aften, wahr⸗ 
fcheinlich aus ben Kaukoaſiſchen, oder benachbarten 
ändern ein, wo die Priefter in großem Anfehen . 
flanden, und unter den Prieſtern ſchwaͤrmeriſche 
Buͤßer und Einfiedler waren. Es iſt daher nicht 
zu verwunbern, daß fhon die Begleiter Aleran: 


| ders unter ben fogenaunten Weltweiſen ber Indier 


Büßer und Einſiedler fanden. Mad, ben Erzaͤh⸗ 
Yangen der Griechiſchen Geſchichtſchreiber wohnten 
bie Drahmtmen in Gärten oder Hainen vor den _ 
Städten, führten ein ſtrenges und befchauliches Le⸗ 
ben, und enthielten ſich gänzlich von dem n.Omf 


'») Delcr, Afric. fl, ws 
? ll. ce. 


Po wohl des Fleiſches, als der Lieber). Unter 
beu Germanen ehrte man am meiſten biejmigen, ’ 
melde man Waldbruͤder nannte, weil fie fich bes 
ſtaͤudig in Wäldern aufhielten, Yon wilden Fruͤch⸗ 
‘sen und Erdgewaͤchſen lebten, mwb Ihre Bloße mit 
ben Blättern, oder der Minte, und den Fibern 
Don Bäumen beberften s). Auch biefe verfagten 
fi alle berauſchende Getränke, und die Wergads 
gungen der Liebe, Kine gleiche Enthaltſamkeit 
Abten die Weiber, welche man gu ihnen vechnete, 
weil fie eine gleiche Lebensart erwählten. 2). Wo 
Verden, den Brachmanen und Germauen suters 
ſchied mean bie Pramner u), die wieder in mehrere 
Secten zerſelen. inter diefen Gerten bewunderte 
man borzhglich die Gymneten, ober die Mackten, 
tie ganz unbebleinet einhergingen, ungeachtet fie 
beſtaͤndig Unter regen Simmel als Krenge Büßer 
Iebten. Die Griechiſchen Geſchichtſchreiber vebeten 
am von weiblichen Giynmeten x): vielleicht, weil 
fie Woaber, melde ſach an Die nackten Helligen 


wandten, für ihre Genoffinnen: oder Schweſtern 
weiten. 





Im 


| 2) Strabo ‘XV. 039. . | 

:H he. p. 1090. Tas de yaoumwar, ruc nauwrium . 
-tarus Tioßisc Dow evonxdseda, durrac su 
Wars Ute, wa PuAkaiv zu Kapital æyplob, otc. 

t) Zuuhilaugpev; Keviıs nu Yysaınac, J— 
BR aurac appadıqavi . 

w) 2 c, 1047. TONMYRR.. . 

x) a Teva ds eu, TB Pros we 
70466. a va 2. ‚ Yu \, nn 


f; ‘ 


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- 
UNE rain 


138 g . nn... Ah ., 
, 1 . 


m heutigen. Hindoftan Tirfern vile Sacton 


" amb::Gafben „Einfichkee son verfihledener Arty). 
Dur ber’ Hleinfte, Theil ber Indiſchen Cinfiedler 


Orte biefelbige Stellang oder lage behaupten, oder 


wählt ſich einen feſten eiyſamen Aufenthalt. Dig 
Man:bioß diejenigen, bie. Jahre lang an Einem 


fl an einen Baum feſtſchmieden, oder ſich irgend⸗ 
wo⸗eingraben laſſen. Die meiſten. Jodiſchen Ein⸗ 
: Mebler ſind wandernd, und irren ohne alle ober 


Himaͤngliche Bedeckung des Coͤrpers von einem 


Orte zum andern umher, wobey ſie⸗ die ſtrengſte 


Sutizaltſamkeit, und im Durchſchnitt die ſchrecktich⸗ 


ſten Buͤßungen üben. Auch in'Pegu 2), Siam e),- 


Sorea: 5), und Japan c), ja:felbfl: auf den Sanb⸗ 


mich: Snfeln dd), gibt es Einſualer, und foıgar 


Einfieblerinnen, die ſich beftänpig in, Wäldern, oder 


Wil dniſſen aufhalten, und. nieriatie Städte, ober 
amter die Menſchen kommen. - Die. Wald » Zalas. 


poinen In. Stam führen.ein-fe ſtreges heben, Daß 


= 


es in einem jeden anderen wenigen heiſſen kande 
ganz anertröglid ſeyn wuͤrde. 2 00 6 
" a. & 


f, 


y) Sennerat I. 214. u. f. S. Nach einer Indiſchen 
Schrift, welche Crawfordt anfuͤhrt, Sketehes 
etc. $ 188 - 124 iſt zwar die Graͤnze der Joghis 

un mid, Sa 

Führen doch faſt durchgehends ein befchauliches Les 

. ben, wobey ſie fo viel, als moͤglich uubeweglich 
bleiben. 

a "Ey Voyag. aux Indes Oriental. IE; 8 \ 


a). Loubere I, 342. 345. 46: 359: ' Iran 
b) Voyag. au Nord IV. 305, “ \ „rt .7 .d IN | 


J vs) Zamnfer I. 285.S. ne 28 re ie ee 


4) Coafs letzte Reife III. 107 G. Eu 


niaſſis nicht gertau beſtimmt. Allein jene 





⸗ 


—“ 190. 


"So mie:bi2 Therayentee DaB: Voeerud en 


Ehriftlih:nEinfiepler. waren , for bie Eſſener, dent 
Shrifliten. Moͤnche ). - Die. Effener thaten: ſich 
unter. ben Juden wahrſcheinlich uns eben: die Zeil, 
wie die Therapeuten. ader wie bie. Priefter :.Eierten: 
der Pharifker, und Gadducder hervor. Philo 
und Joſephus fhäßten die Zahl · der Effener aufß 
vier taufend, Wenn dieſe Schaͤtzung richtig war, 
fe: wurden die Eſſrner der Zahl nach von den The⸗ 
zapeuten tusit- übertroffen, '- Die Eſſener fuͤhrten 


” 
— — — — 
- 
s 


nicht: ein beſchauliches oder iletrachtendes, ‚faonbeemı ' 


ein :thätige&, oder arbeitfemes deben, ie baue 
ten das land, uad. trieben andere maͤtzliche Kuͤnſte, 


des Friedens. Hingegen verabſcheuden fie die Ver⸗ 


fertigung van Wofhn imd Nehftwngen, Handel uudj 


Gewerkr beſonders das Gewerbe von Wirthen, 


als urmenſthlich, oder ſittenvexherbend. Sie; 
wohnten in Doͤrfern, nicht in Gtäbten, weniger, , 


weit fie bie-WBeyfpiele dee Städten Bewohner:für, - 


orrfünyerifh;histfen, al& weil fie gegen bie -Infber- 


berfelben: einer Widerwillen hatten; Mit Am ⸗ 
‚Eintritt in eine Eſſener⸗ Gemeine hörte,alled. per⸗ 


ſoͤnliche Eigenthunmauf. Der Eintregende uͤbergab 
fein, ganzes. Permoͤgan der Geſellſchaft, und erhielt, 
dagegen die Verſtcherung,“ daß ar zu allen Zeiten, ı 
und ia allen, Lagen, tote ein jeder anderer. Bruder, 
werde ‚unterfläßt werden. » Jede Gemeinge nahın, 
velfende Bruͤden mit ‚ber groͤſten Gaſtfreundlithkeit 
auf: pflegis abre Kranken mod. lien Siem 


* * 7 chen, 


A ei ze won 
) Ueber vie ii Phils‘ 1: 457. — et p. 6335 
‚ex: Eufeb”!Prdep. ‚Evang. ferner Jölepk. - Antie' 
“galt XVII, x, 95 5 et de bello Judsic, II. 

BE BES Be: 


190 . eu zu 


hin, ober Abgelebten mit einer fo eifeigen Sorg⸗ 
falt, daß man unter den Eſſenern eben fo werig 
Arme und Bettler, als Knechte fand. Kuecht⸗ 
ſchaft ſchien den Eſſenern mit ber natuͤrliches 
GSleichheit der Menſchen, ober mit der Wuͤrde ber 
menſchlichen Natur unvereinbar. Wer arbeiten 
konnte, arbeitete aus allen Kräften, weil man. 


nuͤtzliche Thaͤtigkeit für eine gottesdienſtliche Hands. 


Yung hielt, und brachte ben Lohn feiner Arbeit im 
den gemeinen Seckel, ohne irgend etwas für ſich zu 
behalten. An Raͤckſccht anf Wohnung, Kleidung 


mb Nahrung fand unter ben: Eſſenern bie gröfte 


Einfachheit, unb Gleichfoͤrmigkeit Statt. Gie 
wechſelten die Kleider nach den Fahrszeiten, tut 


lgten fie nicht eher:ab, als bis fie zerriſſen, oder 


gänzlich abzenutgzt waren. Sie ſahen warme Baͤo 
ber, und: Satbangen des Ebrpers als Urſachen 
nnd: Wirkungen von Weichlichkeilt an. Sie reinig⸗ 
ten ihre Leiber mit Faktem Waffer, bevor fir won 
der Arbeit zum Eſſen gingen. Die Eſſener aßen 
Mittags und Abends an gemeinſchaſtlichen Tafeln/ 
wo allen ohne Unmtetrſchted daſſelbige Brot, uund 
dieſelbigen Speiſen vorgeſetzt wurden. So wie ſie 
ihr Tagewerk mit Gebet anflagen, und endigten, 
fo auch ihr Mittaas s und Abendeſſen.“ Die ächten‘ 
Effener heiratheten nicht, ſondern bewahrten ihr: 


ganzes Leben dur eine unverbruͤchliche Enthalt⸗ 
ſamkeit. Mur Ein Nebenzweig hielt bie Ehe Kr 


erlaudt und nothwendig, nicht um der ſinnlichen 
Vergnuͤgungen willen, melde fie gewaͤhre, ſon⸗ 
dern zur Erhaltung des Menſchengeſchlechts 5). 
So bald die verheiratheten Eſſener merkten, daß 
ihre Frauen ſchwanger ſeyen; fo erlaubten fie ir 

: . € 


NM 1.8 $ 13. Iof. de bello Indaico. 


n 





ihre Umarmungen nicht weiter. Die Eſſener fchene 
ten ſich am Sabbat no mehr, als die übrigen: 
Juden, vor aller cörperlichen Arbeit, und weihten 
ihn ganz ber. Andacht, ober dem Unterricht in bein, 
Kigen Kenntniffen... Der. Unterricht: beftand vorzuͤg⸗ 
Lich darin, dag Einer irgend ein.heifiges Buch vor⸗ 
Las, und dann Diefer, oder Imer aus den Weis. 
feften ber Gemeine bad Worgelefene erklärte, ober 
anmandte. In ber Aufnahme neuer Mitalieber 
waren bie Eſſeniſchen Gemeinden fehr vorfihtig. 
Sie prüften einen eben, der ſich darbot, zuerk 
Ein Jahr, und wenn er biefed Jahr ihren Erwar⸗ 
tungen entfprochey hatte, noch zwey Sabre, um 
zu erforfchen, oh er tm Stande, ober wärtig ſey, 
in ihre Geſellſchaft aufgenommen zu werden. Wer 
is dieſer doppelten Prüfung gehörig beſtand, ward. 
za ihren gemeinſchaftlichen Tafeln zugelaffen, und 
als ein aͤchter Bruber anerkannt, wenn er vorher 
bey ben heiligften und furchtbarſten Eiden gelobt. 
hatte, daß er Gott ehren, frine Nebenmenſchen 


lieben, und ihnen dienen, fid) dor allen Laftern, 


und Verbrechen, . befonderd vor Lug und. Trug, 
ober jeder andern Ungerechtigkeit forgfältig hüten, 
feinen rechtmäßigen Oberen gehorchen, die Lehren: 
der Eſſener unperänbert bewahren, und weder dieſe, 
noch ihre heiligen Schriften irgend einem Ungeweih⸗ 
ten..mittheifen wolle. , Wit diefen Fiden, weldye 
fie felbft von ben Singuweihenden forderten, ſtimmte 
die Anmaßung niheuberein, bag man ihrem bloßen. 
Worte eben fo fehr,. als den eidlichen Verficheruns 
gen Anderer tranen folle g).. Die Eingeweibten. 
wurden nach ber Laͤnge ber Zeit, welche fe in dem 
Bunde zugebracht, und den Fortſchritten, meine | 

ie 


s 4 
- | ’ 
— 
* 


192 J hu 


Pl zemacht hatten, in vier Grade abgetheilt. Oie 


Brüder bed unterften Grades ſtanden unter denen 
Bes hoͤchſten ſo tief, daß wenn Einer ber Legteren 
von Jemanden der Erfteren beruͤhrt wurde, er ſich 
eben fo reinigte, als wenn er von einem Profanca 
wäre befleckt würden. Die Effener erreichten mei⸗ 


ſtens wegen thred mäßigen und arbeitfamen, durch 


Feine Laſter und heftige Leidenſchaften getruͤbten Le⸗ 


vens ein ſehr hohes Alter, und gingen dem Tode 
nicht nur unerſchtocken, ſondern mit den froheſten 


Hoffnungen entgegen, weil ſie überzeugt waren, 
daß die von den Banden bes Eoͤrpers befreyten 
Seelen guter und frommer Menſchen in einer beſ⸗ 
fern Wett den Lohn Ihrer Tugenden empfangen, 
und‘ einet endloſen Seligfeit  theilhaftig werden 
würden.“ Nach den Erzählungen des Pbilo und! 
Joſephus waren die Effener bey allen Veraͤnde⸗ 


. ringen, "melde Paldftina erfahren hatte; wegen 


ihres tabellofen Wandels von den willkuͤhrlichſten 
td granfamften Beherrſchern ruft Achtung behan⸗ 
dell ärworden. Nur in dem letzten Kriege mit den 
Nöinern wurden fie fo wenig, als irgend ein an⸗ 
derer Theil ihres Volks geſchont. Die wuͤthen⸗ 
den Steger erſchoͤpften alle Marters Künfte, um: 
die Eſſener zu zwingen , ‘daß fie entweder dem Ur⸗ 


heber ihres Bundes finden, ober irgend etwas 


verbotenes effen möchten: Die Effener, weit eut⸗ 
ferät ‘zu klagen, vder zu winſeln, ober um Abkuͤr⸗ 
zung, und Milderung threr Quaalen zu bitten, 
lachten nnter den ſchrecklichſten Folterungen, und 
ſpotteten dadurch der Ohnmacht'ihrer Peiniger A): 
Heiner meiner Leſer wird zweyfein, daß die vers! 
ſchiedenen Gemeinben von Effenorn "eben ſo ae 

8 


rc. Sion ne, 


— — 00199 


Eiöfter waren, deren Mitglicher bie Geluͤbbe bey 


Keuſchheit, dex Armuth und des Gehorſams abges 


legt hatten, und die unter gemeinſchaftlichen Obe⸗ 


zen „. und nach gemeinſchaftlichen Vorſchriften ein 


gemeiufames Leben führten. . .- nn 


Penn man bedenkt daß die Ehriſten ſolche 


Beyſpiele vor ſich hatten, dergleichen die Eſſeni⸗ 
fihen Bräderfhaften waren; fo fann man nicht ums 


DL) 
[4 


Hu, fi zu wundern, daß unter ben Erſteren nicht 


viel früher ähnliche Werbrüderungen. entftanben. 
In Rom verfluchte man fogar die erſten Moͤnche 


und Nonnen 5). : Unter ben Öriechifchen und Dlors : \ 
genländifchen Chriften fingen Jungfrauen viel früs 


ber au, ala Jünglinge und Männer, feierliche 


Geluͤbde abzulegen, daß fie ihr ganzes Leben in ber 


ſtaͤndigen Enthaltungen, Faſten, und anderen 
Buß: und Andachts-VUsbungen hinbringen woll; 


ten. Diefe Gelübde find um deſto auffallender, 
da fie mit der urfprünglichen Denfart fo mohl ber. 


aͤlteſten, als der heutigen Morgenlaͤndiſchen Voͤl⸗ 


ker offenbar ſtritten. Die Orientaler hielten poy 
jeher, und halten auch jeßt den ehelofen Stand . 


von mannharen Sungfranen, und von zeugungs— 


fähigen Weibern nicht allein für. keinen heiligen 
ober gottgefälligen, fondern vielinehr für eiwen Stau 
ber Verwerfung, fo wie Fruchtbarkeit, und eine 


zahlreiche Nachfommenfchaft für einen großen goͤtt⸗ 


lichen 


i) Hieronym. ad Paulam ps 169. hoc inter ſe po- 


lus mullitabat »- . quousque-genus deteflabi- 
e Monachorum non urbe pellitar? non hpidi- 
bus obruitur? non praecipitstur in. fluctus Ti: » 


MN vD ii’. 
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’ p 7 . 
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, —8 N 
194 4 : DU) 


chen Gegen i). Die Therapentinnen hatten frey⸗ | 
Ita) biefe alte und herrfchende Meinung bes Orients 


ſchon erſchuͤttert. Allein wie Hein: war bie Zahl 


ber Therapeutinnen gegen die Menge von Chriſtli⸗ 


. den Jungfrau, welche man fon im dritten 


Jahrhundert als ben erlauchtern Theil ihrer Glau⸗ 
—— anſah /), und im Anfange des vier⸗ 
ten Jahrhunderts in Konſtantinopel allein bey Tau⸗ 


ſenden zählte. Im dritten Jahrhundert konnten 
manubare, das heißt, zwoͤlfjaͤhrige Jungfrau 


Das Gelübbe der Keufihhelt ablegen m). 

Weihe beftanb darin, daß ein Biſchof, ober ie 
dazu bevollmächtigter Presbpter einer gehbrig ges 
prüften Jungfrau einer purpurfarbenen welleuen. 


. Schleier reichte, welchen die Geweihte naher als 
‚tin Merkmahl ihres Geluͤbdes auf dem Kopfe tragen 
‚mußte, Cine förmlich geweihte Jungfrau durfte 


nicht wieder in die Welt zuruͤcktreten, ſondern muß⸗ 
te das Geluͤbde der Keuſchheit unverbruͤchlich bis 
an ihren Tod bewahren. Die erſten heiligen Junge 
[even ber Ehriften führten Bein gemeinfames Les 

en, fondern blichen in ihren Familien, wo fie 
fi ch aber doch von allen weltlichen Zerfireuungen, 


Ergoͤtzlichkeiten, und Gefchäften entfernt halten 


mußten. Sie trugen einfadyere Kleider don beſchei⸗ 


deneren Farben, als die weltlichen Frauen unb 


Jungfrauen, beteten, fafteren und arbeiteten. 
Wenn bie Arbeiten ihrer Haͤude nicht J 


» Mich. Mol, R, TIL 27. Montagn, I, 118 p. 


‘ 3) Dleßrior. portio Chrißi, Cyprian, ap. 
Pelliccia 1 oz5- — p 


w)Pdih,e 


men —— — — oo. 


m FE , j ” 195 


. 


fie zu ernähren, fo erhielten fie Allniofen aus dem 


Seckel ber Gemeinden, deren Mitglieder fie mas 
ren. Eben die Männer, welche die erfien Moͤnchs⸗ 


Cloͤſter ſtifteten, ſtifteten auch die erfien Sungfrauens 
Elöftern). 


Der erſte Urheber nicht des einfieblerifchen, 
fonbern des gemeinfamen Lebens Chriſtlicher Eins 
ſiedler war der heilige Antonius, ber ſich ohnges 


faͤhr ein Menſchenalter fpäter, als der heilige 


Paulus, mit einigen Freunden und Schülern in dis 


Thebaiſche Wüuͤſte begab, und dort nach Art der J 


Therapeuten außer einem gemeinſchaftlichen Bet⸗ 


hauſe, kleine Cellen fuͤr ſich, und die Seinigen er⸗ 
baute 0). Antonius, und feine Freunde ſahen 


m) Pelliccia 1, c. p. 158. - 


0) Daß Antonius ohngefäßr ein Menſchenalter ſpaͤ⸗ 


ter in die Wuͤſte ging, ald Paulus, wird durch 


folgende Umſtaͤnde dargethar. In feinem neundige _ 


ſten Fahre fiel der heilige Antonius auf den Ges 
Bauten, daß. kein oolllommmerer Einſtedler, ale er, 
fi in der Woͤſte niedergeläflen babe. Hieronym. 
2, ec: p. 345. Haec in mentem ejus cogitatio in- 
eidit, nullum ultra [e perfectum Monachum in 
eremo confedifie. Kin Traum offenbarte ihm, 


Daß ein noch viel vollkommnerer Einſiedler in der - 


‚Mäfte lebe. Dieſem Traume 'zufolge fuchte, und 


bh 


“ altwar. Paulus entwih in die Wuͤſte als ein 


funfzehns oder fechözehmjähriger Juͤngling. Wentz 


man nun bad Wlter der beyden Einſiedier zu der 
"Zeit, als fie ſich gegenfeitig keunen. lernten, mit 
einander vergleiht, und dabey beveuft, daß Ans 
tonius bey ſeiner Slucht in die Wuͤſte nicht ſo 


Jung 
x “ e.'x“ * 
— . N⸗ 
f 


. 
— an — — — 


⸗ [2 
— — — 


fand er den heiligen Paulus, als dieſer 113 Jahre 





IE. 


ſich felbft als vollkommne Einfiebler an, weil fie 
. fern von Städten und Dörfern ein audaͤchtig⸗ buͤßen⸗ 
bes Leben in der menſchenleeren Thebaiſchen Wuͤ⸗ 
fie führten. Sie nannten fi daher ſelbſt, und 
wurden auch von Anderen Moͤnche, oder Finfiebler 
genannt p). Beil aber doch diefe Moͤnche zu gleis 
der. Zeit nahe zufammenmohnten, unb unter ber ' 
Aufſicht, und nach ben Vorſchriften eines gemeim : 
ſchaftlichen Vorſtehers g) ein gemeinfames anbäd): 
tig buͤßendes Leben führten; fo nannte man fie auch 
Zuſammenlebende, und bie Vereine felbft, Zufams 
menlebungen 7). Die erfien Vereine, welde Ans 
tonius, und deſſen Schüler, ober Nachahmer grüns 
beten, wohnten nicht unter Einem Dache, fondern 
in einzeluen zerſtreuten Cellen, bie um ein, aber, 
- mehrere gemeinfchaftlide Bethäufer erbaut, und 
“day woman Ueberfälle von Raͤubern zu fürchten 
hatte, mit hohen Mauera umgeben waren: : Die, 
erften Chriſtlichen Moͤnche in Aegypten gingen bars 
fuß, und Eleideten fi) bloß in Gewaͤnder von gros 
bem Zuche, ober fo genannte Cilicia s). Sie ai 
Kels 


| | kung war, ald Paulus; fo wird man kaum in 
"2,0057 Mbrede feyn können, daß die Gtiftung der Mön- 
cherey obngefähr ein Menſchenalter fpäter, als der 
Stand der Epriftlichen Einfiedler erfolgte. 

») Hieronym, 1, c, et Pelliceia I ug, 


9) Im Sriechiſchen ABBac, im- Kateinifchen Pater, 
A16 der h. Antonius von dem Beſuche des h. 
, Paulus zurücdtebrte , redeten ihn zwey feiner 
Schüler mit den Worten an: ubi tam Dia mo- 
zatus es Pater? p. 351. Hieronym, : 
r) Kewoßin „ Kowoßiran. Pelliccia I, ıso p 
s) 1, ısa, Pelliccia, | 


| io — 97 
hielten fi von Wein, und Fleiſchſpeiſen gänzlich, 
aßen in der Woche nichts, als Brot, und trock⸗ 
ne Früchte, und erlaubten fi bloß am Sonntage 
gelohte Gemuͤſe. Die Natur der Dinge führte 
dom Anbeginn an das herbey, was noch jeßt in 


allen Morgenlaͤndiſchen, und Griechiſchen Eloͤſtern 
Sitte iſt: daß naͤmlich die Neulinge, oder die jun⸗ 


* 


.. gen Moͤnche mehr arbeiten, als beten, fingen, 


und andere Andachts⸗ Uebungen halten mußten: .. 
daß man die coͤrperlichen Arbeiten in ebem den Vers 
häftniffe minderte, in welchem Mönde an Kräfe 
ten des Leibes abs, und an geiftlichen Vollkommen⸗ 


heiten zunahmen: daß man endlih Schwache und 


reife, die ihre ganze Zeit auf Beten, Singen, 
und geiſtliche Betrachtungen mandten, von allen 


Hands Arbeiten befreyte. Die anfangenden Moͤn⸗ 


che wurden zu fo ſchweren Arbeiten angehalten, daß 
man fchreielige Hände ald ein charakteriftifche® 


Merkmahl derfelten anfaht). Diejüngeren Brüs‘ 
der mußten nicht bloß für ſich felbft, fondern auch 


für die Alten und Schwachen das Nothmendige ers 
werben. Alle diejenigen, welchen Beine Arbeiten 
auf dem Felde, oder in’ Gärten angewiefen waren,. 
blieben gleich den Therapeuten, ſechs Tage lang. 
in ihren Eellen eingefchloffen, und kamen bloß an. 
Sonn s und Feſttagen zu gemeinfhaftlihen Andach⸗ 


ten In den Kirchen ber Cloͤſter zuſammen »). 


Die jetzt vorgetragenen Nachrichten von Zeit 


genoffen über: die erften Anfänge des Chriftlichen 
Mönhswefend in Aegypten laſſen fih um befto. 


weniger‘ bezweyfeln, ba die Cloͤſter des h. Antos 


U — | nius 
£) Hieronym. apud Pellier, I, c. 


1, u ” Bu 


ae 
I, 


2’) Ge — — ——— 
nius und Paulus, auch andere alte Cloͤſter im. 
Aegypten, ‚und. ben benachbarten Landen ihre urs 
ſpruͤngliche Einrichtung faft unverändert beubehals, 
ten haben 2). Mach ber. Erzählung des Vaters 
Siccard liegt das Clofter des h. Antonius am 

| Fuße des Berges Eolzim im Angeficht des rothen 
Meers. Vergebens ſuchte dieſer Reiſende und 
deſſen Gefaͤhrte eine Pforte in den hoben Mauern, 
womit das Cloſter umgeben war. Die Bewohner, _ | 

aller Cloͤſter in ben Äegyptiſchen und Arabifhen - 
Wuͤſten muͤſſen fih durch unerſteigliche Mauern, 

‚bie gar keinen Eingang haben, ſchuͤtzen, wenn fie 

- {ih nicht der  beftändigen Gefahr ausfeßen wollen, 
son raͤuberiſchen Beduinen überfallen unb audges 
xluͤndert zu werden. Die Kameels Treiber, bie 

ben V. Siccard bis an das Cloſter gebradt hat: . 
ten, ferien fo lange und fo heftig, und warfen . 
ſo. lange Steitne in den Garten des Cloſters bins 
ein, bid man im Cloſter erfuhr, daß außerhalb 

ber Dauer Meifende feyen, welche eingelaffen zu 
werden wuͤnſchten. Es erſchienen einige Moͤnche 

auf der Zinne einer hohen Mauer, und gaben durch 
GBGeberden und Reden zu erfeunen, daß die Fremb⸗ 
Tinge willkommen ſeyen. Man ließ ſo gleich ein 

Gefäß mit friſchem Waſſer herab, weil man weis, 
daß alle diejenigen, die fi dem Cloſter naͤhern, 
Fein dringenderes Veduͤrfniß; als das haben, einen. 
„brennenden Durft zu ſtillen. Wald nachher ftieg 
ein Eorbartiger Seſſel herab, in welden ſich bie 
Reiſenden feßten, und womit fie vermoͤge einer 
Winde bis an ein Fenſter, ober an eing Deffnung: 
in der obern Mauer hinaufgezogen wurden. . 8* 

us 


=) Dan fu Siccard 1, fapra cit. bef 197 u. fe-&. 


, . 


⸗ 


in. . \ 
. x 
x 
. 
un mu» . 199 


Superior und bie äbeigen Mönde ſabeter bie Aus 
koͤmmlinge zuerſt in bie Kirche, und dann in eine 
zeinliche, aber aͤrmliche Celle, wo man ihnen einen 


in. Sefam s Dehl gekochten Brey, über weldden man ' 


einige Löffel Honig hergegoflen hatte, auftrug, und 
nad) bern Eſſen zwey Taſſen, bie Eine mit Wein, 
die andere mit Eaffee, vorfeßte. — In der Mitte 
des innern Hofes find zwey Kirchen, oder viels 
mehr Gapellen, bie zwanzig bis dreyßig Schritte 
Iang, viel weniger breit, unb durch eine kleine 
Gallerie verbunden find. Neben den Kirchen ſteht 
ein viereckiger feſter Thurm, deſſen Eingang ohn⸗ 
gefaͤhr drey Klafter von dem Boden entfernt iſt. 
In dieſen Thurm retten ſich die Moͤnche, wenn 
es ben Beduinen gelingt, bie aͤußere Mauer zu. 
erſteigen. Derfelbige Thurm ſchließt auch bie 
Handfhriften und heiligen Geräthe in fi, die 


von einigem MWerthe find. Die Eellen ber Moͤn⸗ . 


che find laͤngs der Inneren Mauer hergebaut, und 
fa ohne Ausnahme von einander abgefondert. 
Ste bilden mit den übrigen Haushaltunge ses 
baͤuden eine Peine Stadt mitten in ber Wuͤſte. 
Der Garten des Cloſters umgibt ben innen Hof, 
und macht mit biefem ein Viereck von ohngefähr 
neun:ober zehn Diorgen and. In dem Garten 
zieht man außer alleriey Gemuͤſen und Huͤlſen⸗ 
früdgten, Dattel » und Deblbäume, Pfirfih » und 
Aypricofen Bäume, endlich fo viele Rebſtoͤcke, daß 
man eine mäßige Quantität Weins bereiten kann. 

Diefen Wein hebt das Efofter bloß für Gäfte auf, 
welde man befonder6 ehren will Die Mönde 
trinfen dergleichen nur an den vier großen Feſten, 
indem ihr gewoͤhnliches Getränk Waſſer ift, das 
‚von dem Tuße des Berges Colzim durch u unters 


ir⸗ 
\ 


ſrdiſche Möhren ins Cflofter geleitet wird. Im 
Cloſter waren zu Siccard's Zeiten bloß funfzehn 


Moͤnche vorhanden, unter welchen nur der Super 


rior, und noch Ein Mönd die prieſterliche Weihe 
hatten. Die Kleidung der Moͤnche beſteht in einem 
Hemde von weiſſer Wolle, in einer Welle von 
ſchwarzer Serge mit langen Ermeln, und in einer 
Zunica von brauner Wolle: welche legtere ‚bie 
übrigen Kleidungsſtuͤcke bedeckt. Auf dem Kopfe 
tragen fie eine fhwarze Capuße, fiber ber Caputze 
“ine rothe, oder blaue Müße von Wolle, die 
wiederum mit einem blan und weiß geftreiften Tuv⸗ 
dan umwunden ift. Sie entblößen ihr geſchornes 
Haupt nie, weder in, noch außer der Kirche. Die 
Sandalen ſind roth oder ſchwarz. Struͤmpfe ken⸗ 
nen bie Moͤnche gar nicht. Die Hauptſtuͤcke ih⸗ 
rer Regel beſtehen darin, daß ſie die Geluͤbbe 
der Keuſchheit, des Gehorſams und ber Armuth 
bewahren: daß ſie innerhalb des Cloſters nie 
Fleiſch eſſen: daß fie das ganze Jahr durch faſten, 


= bie Eonnabende, Sonntage und Dftertage audges 


nommen; daß fie ihre Horas fiehend fingen, und 
ſich dabey hoͤchſtens auf einen Gtab lägen, ber 
- oben ein-Queerholz, oder eine Handhabe hat: daß 
fie um Mitternacht zu Chore gehen: daß fie anf 
‚ einer bloßen Matrage ſchlafen: daß fie endlich 
‚ale Abende hundert und funfzig Niederwerfungen 
zur Erde vornehmen, und jebeB Mahl, wenn fie 
fich wieber erheben, das Zeichen des Creuzes ma⸗ 
Ken, - In dem ganzen Convent waren brey, ober 
vier Mönche, bie ein viel firengered und heiliger 
res Leben führten, als bie fibrigen, ‘ Siccard 
ſah diefe Buͤßer von höherem Range nicht, weil 
ſie zuruͤckgezogener, als Andere, leben. Das Br 
Ä j mahl 


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wahl foldder Heiligen feh, fagte man Ihm, ein 
febernes Pallium, ober Scapnulter, welches man 
die englifche Kleidung, ober dad Gewand der Eur 
gel nenne. Dieß Scapulier hänge mit zwry Ce. 
den auf der Bruſt, und mit eben fo vielen Em 
den anf dem Rüden herab. Man knuͤpfe die vier 
Enden zuſammen, fo, daß fie Mb mehrma 
durchereuzten. Zu ben höheren Hebungen ber Bol 
endeten. gehöre befonders biefe, daß fie ſich an 
jedem Abend dreyhundert Mahle mit ausgebret⸗ 
teten Armen auf den Boden werfen, und eben fb 
oft Erenze machen müßten. Der Superior beB 
Cloſters deB heiligen Antonius, ber den Vater 
Siccard zum Eloſter des heiligen Paulus bis 
gleitete, gab biefem die Nachricht, daß beide Eld⸗ 
ſter unter einem Superior generalis ſtuͤnden, der 
in einem Dorfe, Bouche, an dem weſtlichen Ufer 
bed Nils wohne, und die Eloͤſter mit den Noth⸗ 
wendigkeiten verſorge, welche ſie ſich nicht ſelbſt 
verſchaffen koͤnnten. Beyde Elbſter find in gerader 
Linie nur eine Stunde von einander entfernt. Nichts 
deſto weniger muͤſſen Fußgaͤnger einen Weg von 
zehn, und ſolche Reiſende, die zu Pferde, ober 
"auf Kameelen reifen, einen Weg Yon funfzehn Stun⸗ 
ten machen, um and dem einen in das andere 
zu Fommen, Das Cloſter des heiligen Paulus 
liegt an dem weſtlichen, das des heiligen Anto⸗ 
nius an dem Ödftlihen Abhange bes Berges Eols 
jim, ber ich zwiſchen benden” heiligen Dertern in 
. ganz unerfleiglihen Kelswänden und Felsſpitzen 
erhebt y);. und dadurch eine gerade Gemeinſchaft 
zwiſchen diefen Cloſtern unnoͤglich macht. | 
‚ 0 er >71 
" en . 8 
Y)1.c. p. 218, u 


‚Das Wetele des h. Antonius ſtunmte ſo (che 
mit dem Geifte ber Zeit überein, daß in wenigen 
Fahren — aͤhnliche Cloͤſter nicht nur in Ae⸗ 
gyypten, und ben übrigen Morgenlaͤndern, ſondern 

‘and felbft in Italien und Gallien entflanden z). 
Masdge biefer Cloͤſter enthielten nicht bloß Hunderte,‘ 

“ Sondern mehgre Taufende von Mönchen; und der 
Kegel nach fahen alle die Cloͤſter, die nach dem 
Bexyſpiele Eines berühmten Mönche, ‚eines Anto⸗ 
nius, eines Pachomius, eines Serapion aeftife 
tet wurden, dieſes Mufter als ihr gemeinfchafts 
liches Oberhaupt an a) Die große Zahl von 
Mönchen, welche einzelne Cloͤſter enthielten, und 
bie große Zahl von Cloͤſtern, die Ein Oberhaupt 
auerkannten, machten durchaus eine Mehrheit von 
Vorſtehern von verſchiedenem Range, und Benen⸗ 
auugen nothwendig. Da bie Chriſten nicht mehr 
verfolgt wurden, fo hatten die Moͤnche nicht nös- 
thig, in ferne and duͤrre Wüften zu fliehen, Sie 
wählten vielmehr in Hegypten vorzuͤglich die frucht⸗ 
. Baren Ufer bes Nils, und naͤherten ſich ſelbſt den 
.Staͤdten je. laͤnger, je mehr. Ja die geiſtlichen 
0b weltlichen Autoritäten drangen fo gar darauf, 
daß die Elöfter in ber Nähe ber Staͤdte angelegt 
werben möchten, weil man ibre Vewoboer als dann 
ge⸗ 





=) Pellicsia I, Planks Geſchichte hte ber Chriſt⸗ 
1? ⸗ — —X—— Verfaſſung 1. 5 
u⸗ f· S. Sulpicii Severi Dial. I, io. 27. Meine 
Geſchichte des ti, Martinus ©. 147. ven h. Mars 


©. 145. 


tin begleiteten allein 2000 Mine au Seabe. . 


e, 1 oe. — 


— — 203 


genauer beobachten kounte, ld in fernen Einoͤden b). 
Die Werfegung der Cloͤſter in die Gtäbte ſelbſt 
fand nicht cher, ala im ſechſten Jahrhunderte 
Statt c). Wahrſcheinlich veranlaßte die Anuähes 
zung, ober gar erſt die Werfegung ber Cloͤſter im 
die ‚Städte bie wichtige Veränderung, daß bie 
Moͤnche nicht in einzelnen Zellen, fondern daß alle 
unter Einem gemeinfchaftlihen Dache wohnten d). 


Nach den ausdruͤcklichen Zengniſſen von zuver⸗ 
laͤſſigen Geſchichtſchreibern e) fingen die Mönche 
ſchon im vierten Jahrhundert an, geiftlihe Vers 
richtungen vorzunehmen, und ſich in geiftlihe Aus 
. gelegenheiten zu miſchen. Dieß war etwas fo uns 
vermeidliches, daß ed von bem erften Aubeginn ber 
Eisfter an gefchehen mußte: . Die Moͤnche wohne 


ten freplich in einfamen Wuͤſten, allein fie führten 


aichts deſtoweniger ein gemeinfaned chen, und ka⸗ 
men, wenn and) nicht alle täglich zu gewiſſen Stuns 
den, doch in jeder Woche menigfiend Ein Wahl, | 
naͤmlich mn Genutage zufammen, um oemenſc 


3) Planf; ©. gro. J 
®) Plank, u. Pelliccia 1, oc. 


d) Auch der h. Martin erbaute ſich, ſelbſt nachdem 
er zum Biſchofe von Tours gewählt worden war, 
an eines einjamen, zwey Stunden von der Stadt 
entlegenen, Drte eine hölzerne Hütte. Geine Juͤn⸗ 
ger., deren fich in kurzer Zeit achtzig um ihn vers 
fammelten,, taten Deßgleichen,, oder arbeiteten fick 
Eellen in den Feld hinein, an deſſen Abhange die 
Hutter der He errichtet waren: Meben. deb 5. 
Martiuus ©. 143. | Ä | 


s) ap, Pellieciam 1, 123. 


fr zu beten, gu fingen, das cm gu neh 
inen, und geiſtliche Reben, ober Ermahnungen zw 
hören. Um dieſes gemeinfihaftlichen Gottesdien⸗ 
ſtes willen mußte in jebem Eloſter wenigſtens Ein, 
in größeren Cloͤſtern mehrere gemweibte, Prieſter 
ſeyn. Alle Voͤlker hatten Jahrhunderte lang gu 
ben Monchen ein groͤßeres Zutrauen, als gu: den 
Weltgeiſtlichen; und es konnte alfo nicht fehlen; 


daß nicht die als Prieſter ordiuirten Moͤnche häufig 
aufſer den Cloͤſtern wären verlangt, und —— | 


worden. Manche Biſchoͤfe begünfligten dieſes, bes 
ſonders in Gegenden, mo die Weltgeiſtlichen no 
in zu aeringer Zahl waren f). Die immer fleis 


gende Aufnahme don Mönchen in dem Klerus, ja | 


ſelbſt die allgemeine Vergeiſtligung ber ka 
welche Gregor der Große durchſetzte g), .wub 


DBonifas IV betätigte h) , würde der —R3 


lichkeit keinen fo großen Abbruch gethan haben, als 
ſie nachher wirklich: that, wenn bie Cloͤſter beſtaͤn⸗ 
bia unter der Auffecht, und in ber Getvalt der Bi⸗ 
f&dfe. geblieben wären. ULB aber- die Roͤmiſchen 
Paͤbſte im zwölften Jahrhundert anfiengen, einzelne 
Cloͤſter, und deren Vorſteher ber Gerichtsbarkeit 
der Biſchoͤfe, in deren Sprengel fie lagen, zu chts 
giehen, und im folgenden Jahrhundert elle Drbeuss 
geiftliche-von bee . Gewalt ihrer biäherigen. welt, 


geiftlichen Dberen befreyten; fo ward bie Ordens 
geiſtlichleit die heftigſte, und sefätrligfe Wider⸗ 


fades 


N Dianf 421. u. f. S. 
. 8) Lib. JK. Cap. 13, ap. Pelliociam p. 128. 


h) Diefer erflärte auf einer Roͤmiſchen Synode , daß 
Mind zu allen Klerikaliſchen Verrichtungen Te 
guam idonei ſeyen. Planf ©, 428. 5 


Fan 
=. — — — — — = 


| — — “.˖ 205 
ſacherinn ber Weltgeiſtlichkeit ). Die Roͤmiſchen 
Paͤbſte beguͤnſtigten meiſtens die Ordens⸗Geiſtli⸗ 
chen gegen die Weltgeiſtlichkeit; und jene ergriffen 
daher eine jede Veranlaſſung, um biefe, fo oft fie 
Eonnten, zu kraͤnken, ober zu unterbrüden. 


So wenig die große Dienge von ſtark bevoͤl⸗ 
kerten Eiöftern in den Morgens und Abenblänbern 
ohne mancherley Beamte beftthen konnte; eben fo 
wenig ohne eine Norm, ober Regel, die allen Mit⸗ 
gliedern und Angehörigen der heiligen Vereine vor⸗ 
ſchrieb, was fie zu thun, und zu laſſen haͤtten. 
Wirklich entwarfen fhon ber h. Pachomine, ber 
h. Bafilius, ber h. Augufiin und Andere &) foß 
he Regeln für die Elöfter, bie von ihnen waren 
: gegründet morben ,. oder fich ihnen unterworfen hats 
ten. Unter allen biefen Regeln fand Peine. andere ' 
einen fo-allgemeiuen, und bauernden Beyfall, ald 
welche der h. Benedict in ber erften Haͤlfte des 
fechsten Fahrhunderts für fein Cloſter zu Eaffino 
euffeßte, und die in ben folgenden Jahrhunderten 
beynahe von allen Eldftern des Abendlandes anges 
. nommen wurde /). Diefer allgemeine, und dauernde 
Beyfall eutftand nicht fo wohl daher, daB Bene⸗ 
dicts Megel ganz neue und unerhörte Dinge enthale 
ten hätte, als vielmehr aus bem Vorzuge, daß 
fie elle bie zweckmaͤßigen Vorſchriften und Einrich⸗ 
tungen zuſammenfaßte, bie vorher nur einzeln, oder 
gerfireut Statt gefünden hatten. Schon bie erſten 
Aegyptiſchen Moͤnche arbeiteten, unb mußten er 
ö) Pellicefa 1. c. p. 107- 129. 
k)_Diant i. c. 407. 411. ia. | 
I) Pelliccia I. sog. 130. Planb U c 414. fe ©. 


- 
wu. 


u) Via Mu Lois B.- 0. To Tal 


206 . — — 


beiten, | wenn fie anders ihr Leben feiten wollten, 
Es war gewiß Nachahmung Morgenlaͤndiſcher Mu⸗ 


ſter, daß der heilige Martin bie jüngeren Mönche 
durch das Abſchreiben von Wuͤchern deichäftigte m). 
Die erſten Moͤnche wurden genoͤthigt, Buͤcher ab⸗ 
zuſchreiben, weil ihre Cloͤſter zu arm, und Buͤcher 
viel zu theuer waren als daß ſie auch nur die unent⸗ 


behriichfien haͤtten kaufen koͤnnen. Es laͤßt ſich enb⸗ 


lich kaum anders denken, als daß ſchon in den er⸗ 


Ren Cloͤſtern diejenigen Mitglieder, die zu geiſt⸗ 
lichen Berrichtungen beſtimmt waren, fleiſſiger, 
als Andere ſtudierten, und wenn ſie unter den 


juͤngeren ‚Stenlingen. hoffnungsvolle Sabjecte fan⸗ 
‚ben, dieſe zum Beſten ihrer. Cloͤſter, fo gut fie 


konnten, unterrichteten.. Da im fechften Jahrhun⸗ 
dert alle öffentliche Schulen untergingen, fo was 
zen die größeren Stifter und Cloͤſter gezwungen, 
eigene Schulen anzulegen, in welchen ſie tuͤchtige 


Maͤrnner ziehen koͤnnten. Durch dieſe nuͤtzlichen 


Arbeiten erwarben ſich die Cloͤſter unvergeßliche 


Verdienſte um alle Abendlaͤndiſche Reiche. Sie 


bauten zahlloſe Gegenden von neuem, oder doch diel 
beſſer an, als fie es bis dahin geweſen waren; 
Sie vervielfaͤltigten die noch nicht verlohrnen Werke 


des Alterthums durch ihre Abſchriften, und wur⸗ 


den daburch ihre Erhalter. Sie retteten endlich 


durch ihre Schulen alle, was noch Yon fhönen 
and nüglicdyen Künften, ober Kenntniſſen übrig war, 
von einem fonft unvermeiblichen. Umtergange. Das. 


nennte, zehnte, und eilfte Jahrhundert find derfe j 


alge Zeitraum, in welchem die Eläfter bes Abeund⸗ 


Landes am meiften Gutes, und gm wenigfien-Bhs 


ſes ſtifteten. Im zwölften und pe ahr⸗ 


un⸗ 


⸗ 


- =... 
bunbert wurden nit nur bie Cloͤſter und geiſtlichen 
Orden zu fehr vervielfältigt, fondern audy die meis 
fien Elöfter zu fehr bereichert, als daß ſich die alte 


Zudt, und bie damit verbundene nüßlicde Thaͤtig⸗ 


Leit ber Orbensgeiftlichen hätte erhalten können u). 
Don ber Mitte des dreyzehnten Jahrhunderte an 
taufchten die -meiften Cloͤſter bie nuͤtzlichen Kennt⸗ 
niſſe und Kuͤnſte, wodurch ſie ſich in fruͤheren Zei⸗ 
ten empfohlen hatten, gegen alle Arten von groben 


Laſtern und Verbrechen aus. Die Bettelorden un⸗ 


terſchieden ſich nur eine kurze Zeit von den uͤbrigen 
Moͤnchen durch beſſere Kenntniſſe, und Sitten. 
Sie eilten ihren unwiſſenden und verdorbenen Bruͤ⸗ 
dern nicht nur bald nach, ſondern fo gar zuvor. 
Die Bettelmoͤnche waren es vorzuͤglich, uͤber deren 

Unwiſſenheit, Laſterhaftigkeit, und Uebermuth alle 
Woͤlker, und Fuͤrſten unſers Erdtheils im Aufange 


des ſechszehnten Jahrhunderts am meiften klagten, 


und bie auch durch dieſe Unwiſſenheit, Laſterhaftig⸗ 
keit, und Uebermuth die Reformation vorzuͤglich 
nicht fo wohl veranlaßten, ale ergwangen o) · 


Ein treues Nachbild der Berborbenkeit der 


Ordensgeiſtlichen des Mittelalters findet man bis 


anf den heutigen Tag in den Manns⸗ und Frauens⸗ 


Elöftern des Spaniſchen und Portugiefifhen Ame⸗ 


vice. 


n) Man f. unter Anderen Gerberti Mißor, Nigrae 
Syvae p. 205. 3826 - 327. 


r 


| 0) Dan f. meine hiftor. Vergleichung des Mittelal⸗ 


ters, u. ſ. w. IID. die beyden ſetzten Abſchnitt 
umd m weinen Lrbendi i fepnitte, 


ner -vorgiglich die keben von Aeugun 
ia von Hatten. Zu 


bungen beruͤhmter 


* 
⸗ 
— Rum an : 
. . - 
vo. 
x r . 


208 | — — a 


step). Die Kirche überhaupt, und befonbers bie 
Orrbensgeiſtlichkeit iſt nicht nur bie vornehmſte 
Befigerinn Yon Grund⸗Eigenthum, und. Grunds 
ginfen in den Spantfhen und Portugiefifhen Pro: 
vinzen ber neuen Welt, ſondern auch ber beweg⸗ 
lichen Schäge von Edelfteinen und Perlen, von 
Goold und Silber g). Die Orbdensgeiftlichen braus 
chen alle Mittel, welche ihnen die Unmiffenheit und 
after der Layen, fammt dem daher entfpringene 
ben Aberglauben barbieten, um ihre bewegliden 
und unbeweglichen Schaͤtze beftänbig zu vermehren. 
Im Befiße und Genuſſe biefer Schaͤtze glauben 
fie fih ‚von den Ordens⸗Geluͤbden der Armuth, 
der Maͤßigkeit und ter Keufchheit gänzlich entbun⸗ 
ben. GSelbſt die Franciscaner und andere Bets 
telmoͤnche flolzieren in Sammt und Seide, in 

der koſtbarſten Leinwand, und mit den feinſten 
Spitzen. Der Pracht ihrer Kleidung entfprehen 
ihr Gefolge, ihr Haus⸗ und Tiſchgeraͤth, und ihre 
Tafeln. Mönche und Nonnen halten Sclaven und 


Sclavinnen, von welchen fie ſich bedtenenlaffen. Ihre - 


Gellen find mir den gröften Seltenheiten, und ihre 
Tafeln mit ben ansgefuchteften Leckerehen und Wei⸗ 
nen ber alten und nenen Welt verfehen. Die 
Mönche haben eben fu öffentlich ihre Geliebten 
— | | ee 7; 

f > 


p) Sierüber fehe man Gage I. 70. 71. 111.26 27. 
"19, 161, 168, Fresier p. 408. 5. 409 - 312, 448. 
Barbinais I, 140 - 148. III. 0089-10, Lindley 


9) Man ſchlug den Kirchenſchatz, der an einem Zefl: 
tage in ber Kirche bei großen. Franciscaner-Clo⸗ 
ſtere in Lime andgefellt wer, auf zeha Millionen 


Piaſter an. I, 143. Barbintia. 





— — 209 


oder Wepfchläferinhen, als bie Nonnen ihre Lieb⸗ 
haber 7), und beyde erkennen ohne Gchen ihre 


Kinder an. ° Barbinais war ſelbſt Zeuge, dab 


ber fiebenzigjährige Superior eines Cloſters in 
Lima in einer großen Gefellfhaft den Neffen des 
Vice» Königd bat, daß biefer doch Yon der Vers 
Bindung mit feiner Geliebten, welche ex fieben Jahre 
unterhalten, und die ihm drey Kinder gebohren 
habe, ablafien wolle. Er babe der Schönen alles 
zugewandt, was ihm nur irgend aufzutreiben möge 
lich geweſen ſey. Es würbe ihn gar zu fehr ſchmer⸗ 
jen, wenn ein jüngerer Galan ihm ein Gut raus 
ben wolle, beffen ruhiger Beſitz ihn fo Lange glück; 
lich gemacht habe. Der naive Antrag bed Super 
riors gab nicht daB geringfte Aergerniß, weil man 
an ähnliche Auftritte täglich gewohnt war s). 
Die Mönde entfchuldigen Ihre Unenthaltfamfeit 
'entweber damit, daß fie von ihren Cloͤſtern weiter 
nichts, als Wohnung, Kleibung und Nahrung, 
aber Feine Pflege erhalten, oder daß fie theilß nicht 
bie Abſicht, theils nicht die Freyheit haben, fid) 
in foͤrmliche Verbindungen mir Perfonen bed ans 
dern Geſchlechts einzulaffen 2). Die Reden und 
nn ‚. ©s 

r) Frezier und Barbinais, 
s) 1 147. 148. Barbin. . 2 
6) Frosier p: Agı. Les Moines en eludun: 
a * —,. de V’eglils) fur ce, gu» 
n’etant par libres, ils ne font pas amancevez 
"” dans 'tontes les formes, et que d’ailleurs ils 
zz’ont pas l’intention de l’ötre: plailante defaite! 
Amancebado nennt man in Peru denjenigen, Ter 
mit einer Frauensperſon in einem Concubinat lebt. 


ib, : | ur 
nt Dre VE —587* 


210 Du Ze EEE 

Gefänge von Ordensgeiſtlichen ſind nit ‚weniger 
ſchaamlos als die der Layen.,. Darbinais wohnte 
am 24. Dec. 1718 der Mitternachts s Meſſe in 
einem Frauen: Elofter zu St. Salvador bey. Die 
Nonnen waren auf einem offenen Chore, eine jede 
mit einem muſikaliſchen Inſtrumente verfeken. Ad 
ber. geiftliche Director des Cloſters den Pſalw 
‚ venite exultemus anftimmte u), fingen alle Non⸗ 
nen an, luſtige Lieder zu fingen, auf welde fie 
fi) das ganze Fahr durch vorbereitet hatten,. und 
begleiteten ihren Gefang eine jebe mit dem Inſtru⸗ 


'ment, das fie mitgebracht hatte Hieraus ent⸗ | 


ftand ein Lärm, ber alle diejenigen, welche er nicht 
betaͤnbte, zum lauten Lachen brachte. Nachdem 
endlich der wilde Gefang, und bie wilde Mufik 
aufhoͤrte, feßte fih eine der Nonnen In einen Lehn⸗ 
ſtuhl, und hob Eine luſtige Erzählung der Aben⸗ 
theuer aller der Perfonen an, die zum Hofe des 


WVice⸗Koͤnigs gehörten. Zuletzt trat Eine ber. 


Monnen auf, und machte einem Neffen bes Koͤ⸗ 
nigs die bitterſten Vorwuͤrfe darüber, daß ex ihr 
ungetreu geworden ſey, und einer andern Dame in 
der Stadt den Hof made. Der junge Cavalier 
war Verfhämter, als die Nonne, und entfernte 
fih plöglih aus der Kirche. Mach allen diefen 
Scenen fang man eine Dieffe, worauf die Nonmen 
insgefammt dad Abendmahl genofien. — Die un: 
geiftlichen Lafter der Moͤnche tn Lima mindern‘ th⸗ 
zen. geiſtlichen Stolz nicht -alleftı nicht, - fohdern 
feinen itmen vielmehr zu erhöhen x). |." Nice 
zufrieden mit ben, tiefen ‚MWerbeugungen, welche 
J on . "oc MAN 
| - + A 
) III. 407 et ſq. p. 
=) Fresier p. 430. 451. 


— — II. 


man ihnen allenshalben macht, reichen fie fo wohl, 
in den Straßen, als in den Kirchen die Ermel 
ihrer Kleider zum Küffen hin. Sie thun dieſes 
felbft während der heiligfien Handlungen, wo bies 
jenigen, welche fie zum Ermels Kuſſe nöthigen; 
dadurch in ihrer Andacht geftört werben. Gleich 
den Layen tragen fat alle Moͤnche Dölde, une 
bebienen ſich dieſer Waffen, wenn man fie iu ihren 
Vergnügungen ſtoͤren will. Sie handeln, ober 
ſchachern endlich nit bloß, fondern fcheuen fi 
auch nicht zu ſtehlen, wo fie nur koͤnnen. Die 
Franzoͤſiſchen Sciffahrer und Kaufleute, bie au 
des -Küfte von Peru und Chili handelten, mach⸗ 
ten, bie unangenehme Erfahrung, daß beſonders 
die Geiftlichen fehr behende Finger hätten y). . 


Im Chriftlihen Europa find nod immer bie 
Spanifchen. und Portugiefifhen Moͤnche die vers 
berbenften und ſchaͤdlichſten 2): Die Griechiſchen 
hingegen im Durchſchnitt bie unmifjenpfien und 
unglüctichften. Die Spanifchen Mönde und None 
‚nen wurben nicht bloß durch ihre eigene Eheloſig⸗ 
Leit eine Haupturſache der Entoölkerung ihres Was 
terlandes-, ſondern am meiften dadurch, bag fie 
fortfuhren, ‚immer mehr Güter anzufanfen. Die, 
von Elöftern angelauften Guͤter wurden naͤmlich 
von allen Abgaben frey. Die öffentlichen Laften 
fielen daher je länger, je mehr. auf eine kleinere 
Zahl von arbeitenden Menfchen, welde fie nicht 
' —. Bu aufs 


y) Frezier l,c. 


2) Üeber die Portugieſiſchen ſehe man Chatelah 65; 
"über die Spänifhen Plüers Reifen ©, 236. 


O 2 





[4 
T 


13 —— 


aufbringen Eonnten, und trieben Die Verzweifelnden J 
tm die neue Welt hin. — Ich ſage hier nichts 


mehr von dem ſchrecklichen Faſten der Griechiſchen 
Moͤnche, von welchem ſelbſt Katholiſche Ordens⸗ 
geiſtliche geſtehen mußten, daß ſie die Faſten der 


ſtrengſten Orden ihrer Kirche weit uͤbertraͤfen a). 
Wen ihrer ſchlechten Nahrung muͤſſen die Gries 
Sifhen Mönche unaufhörlich entweder auf dem . 
Kelde und in ben Gärten, ober am Webſtuhle 
arbeiten; und wenn fie nicht fo viel leiften, als 


ihre Dberen verlangen, ober biefen fonft nicht ges 
‚nng thun, fo werden fie burd Schläge auf die 
ßſohlen unbarmherzig gemißhantelt 5), Die 


iechiſchen Patriarchen, an welche die Zurkifhen 
Großen nnaufhörliche Forderungen machen, prefe 


fen die Bifchöfe und Archimandriten aus, Die 


Arhimandriten fallen über ihre Moͤnche her, und 
Be Mönde wenden alle Arten Yon Künften an, 


um wiederum ben Layen das Ihrige abzuloFen. 
In dem Rufe der groͤſten Heiligkeit ſtehen das’ 
Griechiſche Cloſter auf dem Berge Sinai c), deſ⸗ 
ſen Bewohner aus Furcht vor den Beduinen be⸗ 
ſtaͤndig innerhalb den Mauern ihres Cloſters ein⸗ 

eſchloſſen bleiben, und dann die zwanzig Cloͤſter 
auf dem Berge Athos, in wilden ſich ohngefaͤhr 


5000 


. 


4) Lettr, Edit. II. 64. Rappellez - vous ce, gui 
- fe pratique ò la Trappe, et a Sept- Fonds; onny . 


voit rien de lemblable, 


| ‚3) Man f. über die Griechifchen Moͤnche, Belon 
37 u. & Tournefort I 34, 409. LettresEdit. 
 Ke Taube L, 89. 90. - Voiney IL, 326 et Iq. P. 


e) Volney 1 c,. — 


⸗ 


———— — 


X 
> 4 m  —— R gi 
\ . | pe" 7 


sono Din adfhalten follen ch. Bon. der Seh 
. An, wo die Türken den Moͤnchen anf ben - Athos 


einen jährlichen Tribut von zwanzig- taufenb Die © 


fern aufgelegt haben, iſt bie alte Cloſterzucht ſehr 
geſchwaͤcht, und die Sitten ber Mönche find auf 
mehrere Urten verborben worben ). Um bie ſtets 
wiederkehrenden Forderungen ber Türken, ober 
ber höheren Geiſtlichkeit befriedigen zu könne‘; ehe 
men die Elöfter gern reiche Novizen auf, 


beträchtliche Wergabungen machen. Man belohnt 


ſolche Vergabungen dadurch, daß man bie Wohls 
thäter faft von allen firengen Vorſchriften dr Res . 
gel tifpenfirt. Man übergibt ferner eingelnen 
Mönden Landguͤter, ober geftattet- ihnen freyes 
Handel und Gewerbe, um von ben Einen jaͤhr⸗ 
liche Pachtgelder, ‘von. den andern jährliche Ups 
gaben zu erhalten, und beide nach ihrem Tode zu 
‚beerben. Es iſt einleudhtend, daß man ſolche ſich 
ſelbſt uͤberlaſſene Moͤnche nicht in der gehoͤrigen 
Ordnung erhalten kaun. Enplich ſchickt man 
Almofen: Sammler nicht nur durch ganz Griechen⸗ 
land, ſondern über alle Griechiſche Infeln aus, . 
Dieſe Saminler werben auf ihren zuͤgelloſen Wan⸗ 
derungen meiſtens verderben, und bringen die ans 
genomanenen Lafer unter ihre Bräter nrid 


2) Belon, et Lettr, rai Dec, 
0) Lettr, Edif. 1. c. 


) In Stavonien arteten manche. Nonnen⸗ Elöfter, 
die in tiefen Wäldern lagen, in Bordelle, manche 
Mauns = Elöfter in Räuberhöhlen aus, Man ward 
‚daher gezwungen, die einen und die andern aufzus 

bheben. Taube 1. c. Die Aebte in Ningrelien find 

even ſo ruchlos, als die Dive Lamberti'p, 165, | 


4314 | — — 
Bey dem harten Leben, welches die Griechiſchen 
Mönche im Durchſchnitt wirklich führen, und ber 


mod härteren Unterwuͤrfigkeit, in welcher ihre Obe⸗ 
gen fie halten, werben meine Lefer barüber er: 


ſtaunen, daß die Slavoniſchen Lanblente fi aus 
"allen Kräften bemähen, ihre Söhne in Elöfter - 


zu bringen, und daß fo gar die von der Welt 


ganz s"gefonderten 8) Mönche auf dem Ginat ſich 


viel glüdlihher preifen, als die Kinder ber Welt. 
Und doch haben die Einen und die Anderen Recht. 
"Die gemeinen Griechen nähren fich nicht viel beffer, 
und werben von ben Tuͤrkiſchen Befehlshabern und 
Soldaten ohne Weraleihung mehr geplagt, ober 
 demißhandilt, als bie eingefihloffenen Moͤnche. 


— 


Die Mahomedaner erhielten eben ſo wenig, | 


als die Chriften, gleich nach der Entftehung ihrer 
Religion Moͤnche, ober Cloͤſter h), Nachdem 
: fi aber das Moͤnchsweſen einmahl gebiltet hatte, 
' fo verbreitete es ſich nicht bloß ſehr ſchnell, fon: 


bern es entftanden audy allmählich manderley Drs 


ben und Regeln, wovon bie einen firenger, als bie 
anderen waren, ober die urſpruͤngliche Zucht beſſer, 
als andere erhielten. Aus biefer Verſchiedenheit 


ber Regeln, unb ber Bucht der Tuͤrkiſchen Elöften 


muß man ed erklären, baf bie glaubmwärbigfien 


‚Metfenden in ihren Urtbeilen und Nachrichten‘ über 


die Derwifche ſo ſehr von einander abweichen. Sm 


Ganzen legen die Derwiſche die Geluͤbde ber Keuſch⸗ 


heit, 


‚m Taube und Valney I. co. 
h) Man ſ. bierüber Ricaut p. 250 et fg, Arvieux 


VI. 464, Taurnefort II. 89. Porter 1. 46. 4% 


Grifirhe p. 86 et fq 


x 


Li, ı ı _L__ 


- 


— * ar 
gt ‚der Armuuth und des Gehorſams ab. Um 
ferdeffen. follen manche Tuͤrklſche Mönche verheiras 
ther feyn, und die Erlaubnig haben, ihre, Weiber, 
bie freylich nicht in die Sr Femme. bürfen, bon.” 
get, u. Zeit zu befuchen. . find die Gelübbe, 
der erwifche nicht fo erh lich, als die der 

riſttichen Ordensgeiſtlichen. 
wiſch fuͤhlt, daß er das Geluͤbbe der Enthaltſam⸗ 
keit nicht beobachten Kinn, fo. entläßt man ihn Lies. 
Ber aus dem Clofter, ald dag man feiner Natur. 
Gewalt anthun follte.. Solche nüßlihe Arbeiten, 


als wodurch bie Chriſtlichen Moͤnche ſich Jahrhun⸗ 


berte lang um das menſchliche Geſchlecht verdient 
machten, fanden nie unter den Derwiſchen Statt. 
Die Tuͤrkiſchen Moͤnche ziehen ihren Unterhalt aus 
milden Stiftungen, und bringen ihre ganze Zeit im 
Gebet, in heiligen Betrachtungen ‚. und anderen 
Andachto, Üebungen, oder in träger Ruhe hin. 
‚Die Votfieher der Elöfter halten gemeiniglich zwey⸗ 
mahl in der Woche an ihre Untergebenen heilige 
Reden, oder erklaͤren dunkle Stellen des Korans, 
‚und anderer heiligen Buͤcher. Nach der Endigung 
diefer Neben, oder Vorlefungen heben bie Mönde: 
- den berüchtigten Drehtanz an, wobey fie ſich mit 


einer unglaublichen Geſchwindigkeit fo Lange auf ih⸗ 


( 


ven Ferfen umher wirbeln, bis fie ſchaͤumend, und 
athemlos zu Boden fallen. Manche feßen den 
Drehtanz eben ſo lange, als diejenigen fort, die zu 
Boden fihirzen, und bleiben auf einmahl fo unbe: 


mweglich ſtehen, ald wenn fie eingewurzelt waͤren. 


Viele Derwiſche wiſſen ſelbſt nicht, in welchen Ab⸗ 
ſichten der Dyehtang eingeführt worden. Hoͤchſt 
wahrſcheinlich brauchte man ihn feit undenklichen 
Zeiten in den Morgenlaͤndern als ein Mittel, in 

Ver⸗ 


Penn ein Der⸗ 


\ D 


0 
- 


’ 


' ‘ 
, \ , 
216, m — 


—* F fallen,. und durib- Verzickuus m 
ereinigung mit der Gottheit. zu gelangen. .. Auch 


= D’e Sufis in Perſi en wirbeln ſich unter beſtaͤndigem 


Shdhuͤtteln. bes Kopfes, und bem Ausrufen bee 
Rahmens Sottes fo lange herum, bis fie ſchaͤn⸗ 
mepb' und athẽemlos zu. Boden ſtuͤrzen 5). . Sowohl - 


die Sufis, „'als die Derwifche'bebienen fih no ela 


— 


nes andern Mittels, um ſich in Ekſtaſen zu ver⸗ 


ſetzen. Die erſteren heften ihre Augen fa, Tange » 
an die Spitzen ihrer Naſen, bis fie in eine Art 
‚von Betaͤubung verfinfen. Die . Anderen ‚faufen 


enttocder Wein und Brantewein, ober genießen 
Opium, bis fie das Bewußtſeyn ihrer Gelbft, 
Noder ihres äußeren Zuſtandes verlieren. Wenig⸗ 
ft n8 verfihert Ricaut, daß bie Derwiſche zu ben 
ſtaͤrkſten Trinkern, und Opium⸗ Eſſern in ber, 
Tuͤrkey achören H. E8 gefchieht in ber Türken, " 


was fo oft in der Chriftenheit gefhah. - Die Cloͤ⸗ 


Mer der Derwiſche werben bisweilen E hlupfwinkel “u 


verbotener Lüfte, und firafbarer Verbrechen. Uns 


ter Wrderen zerfiörte ber berühmte MWizier Au: 


prinli ein fhön gelegenes Cloſter nahe bey Adriano: 
pel, daß wegen bed Rufes der Heiligkeit häufig 
Don vornehmen Tuͤrkinnen befuhht wurde. Man 
entdeckte, daß die ſchoͤnen Pilgerinnen ihren gehei« 
men Litbh bern an dem heiligen Orte Zuſammen⸗ 
kuͤnfte gaben N). Die Moͤnche eines gewiſſen Or⸗ 
dens nehmen gluͤhende Eiſen auf eine ſolche Art in 
den Mund, daß man den a Speiäel ziſchen hört, 
und 


©) ur, : 211. 919, Chardin, | 
Mpase a. 
I) Ricaut p. 266. 


u | 217 


und B fake, fi eht, ohne im geringfien verletzt un" 


werben m). Ich rechne diefen Gebranch von glüs 
henden Eiſen nicht fo wohl zu ben Buͤßungen, als 
zu den gaukleriſchen Kuͤnſten, wodurch die Moͤnche 
bie Bewunderung. ber Li Mense zu erbalı 
ten hoffen. . . .e 


Winn unter den keinen Hindus die gehn 
der Monchs orden auch nicht fo groß ſeyn follte, ale | 
unter den Tuͤrken, und befonderd unter deu Chri« 


a fo war.allem Anſehen nad die Zahl ber . | 


Mönche von jeher unter ben erftern verhäftnigmägig 
viel betraͤchtlicher, als unter den legteren n). Auch 
weichen die Mönche der Hindus weit mehr von 
einander ab, als die Chriſtlichen und Tüsfifcen. 
Mönde. Nur die wenigften. Zubifhen Mönche 
wohnen an Einem Drte unter ber Aufficht gemeins 
ſchaftlicher Oberen beyſammen. Dich than fafk 
ganz allein die Joghis, die ſoch in Gaͤrten vor ben 
Staͤdten aufhalten, aber nie in die Staͤdte ſelbſt 
gehen 0), und auch nicht iu Haͤuſern ſchlafen y)). 
Die meiſten Indiſchen Moͤnche fuͤhren ein unſtetes 
Leben, ober wohnen unter ben ihrigen. Die firem 
geren Drden, 3. B. der. Joghis, ber Saniaſſis, 
y. ſ. w. beobachten insgeſammi das Geluͤbbe der 

Keuſch⸗ | 


+ 


‘ zn) Ricant u. Griffitts I, 06, 


7) Min f bei. Sonnerat.1, 214. u. f. ©. Bernier 
II. 121. Leitr. Edif. IX. 282. et lg. p. 


⸗ 


’e) Bernier ], 7 


y) Anqueul p. 139. 366. 


’ 


‘ f' 
. a 
216 m om 
x .. ’ 


Verzuͤckung zu fallen, unb durch Perzuͤckung ar 


seteiniaung mit ber Gottheit ju gelangen... And - 


55 Sufiö in Perfien wirbeln ſich unter beftändigem, 


Schuͤtteln des Kopfes, und dem Ausrufen des 
Rahmens Goftes fo lange herum, bis fie ſchaͤn⸗ 
mepd’und athemlos zu. Boden ſtuͤrzen i). Sowohl 


die Sufis, als die Derwiſche bedienen ſich poch eia 


21 


nes andern. Mittels, um ſich in Ekſtaſen zu ver⸗ 
ſetzen. Die erſteren heften ihre Augen fo. Tange » 


an bie. Spitzen Ihrer Naſen, bis fie in eine Art, 


‚von Betäubung verfinten. Die Anderen ‚faufen 


enttocher Mein und Brantewein, ober genießen 
Opium, bis fie dad Bewußtſeyn ihrer Selbſt, 


oder ihres äußeren Zuſtandes verlieren. Wenig⸗ 


ſtens verſichert Ricaut, daß die Derwiſche zu ben 


. ud 


ſtaͤrkſten Trinkern, und Opium⸗Eſſern in ber, 


Tuͤrkey gehören 4). Es geſchieht in der Türken, 


was fo oft,in der Chriftenheit geſchah. Die EIds 


‚fter der Derwifche werben bisweilen Schlupfwinkel 


verbotener Lüfte, und firafbarer Verbredien. Uns 


prinli ein ſchoͤn gelegenes Cloſter nahe bey Adriano: 


pel, bad wegen bed Mufes der Heiligkeit häufig 


don vornehmen Zürkinnen befuht wurd. Man 
entdeckte, daß die. fhönen Pilgerinnen ihren gehei« 
men titbh:bern an dem heiligen Drte Zuſammen⸗ 


kuͤnfte gaben ). Die Mönche eines gemiffen Ors 
dens nehmen glähente Eifen auf eine folde Art in 


den Mund, bag man ben Speichel zifdhen hört, 
u eo | und 
&) III, aıı. 219, Chardin, | 

NP 254. . J 
1) Ricaut p. 266. 


ter Urbderen zerfiörte der berühmte Vizier Au: " . 


1 


- ten hoffen. 


ı — 7 217 
und ſchaͤumen ſieht, ohne im geringſten verlezt zu 
werden m). Ich rechne —E— nt glüs 

henden Eiſen nicht fo wohl, zu. den Buͤßungen, als 
zu den gaukleriſchen Kuͤnſten, wodurch die Moͤrche 
bie Bewunderung der flaunenten Menge zu erhal⸗ 


» 


. Wenn unter den heidniſchen Hindus die Zah 


der Moͤnchsorden auch nicht fo groß ſeyn follte, ala 


unter ben Türfen, und befonderd unter bes. Chri« ". 
fien;..fo war allem Anfehen nad die Zahl ber . 

Mönche von jeher unter deu erftern verhältnigmägig 
viel betraͤchtlicher, als unter den legteren n). Auch 
weichen die Mönche der Hindus weit mehr Yon 
einander ab, ald die Chriftliden und Tuͤrkiſchen 
Mönde. Mur die wenigfien Indiſchen Mönde 
wohnen an Einem Orte unter ber AUufficht gemeine 
ſchaftlicher Oberen beyſammen. Dick than fa 
ganz allein die Joghis, die ſich in Gaͤrten vor den 
Städten aufhalten, aber nie in hie Staͤdte ſelbſt 


achen 0), und auch nicht in Käufern ſchlafen y). | 


Die meiften Indiſchen Mönde führen ein unftetes 
Leben, ober wohnen unter ben thrigen. Die firene 
geren Drden, 3. B. der. Joghis, ber Santafll’s, 
u. fe w. beobachten indgefammt dad Gelübbe ber . 
u i Keuſch⸗ 

J 2) Rlcant u Griffit I, cc, 
n) Min f be . Sonnerat. I, 214. u. f. S. Bernier 

II. 121, Lettr, Edit. IX. 282, et fg. p. 


” 


‘g) Bernier ], c. 


pP) Anquetil p. 129. 366, a Sa 


⸗ f] \ 


ug u 5 
Keufähekt. Yübere Yingegen heſrathen. % es 
gibt ſogar eine Moͤnchs-Eaſte, deren Mitglieder 


aͤls Monche gebohren' werden, und bio Weiber 


aus ihber eigenen Caſte heirathen g). Die Indi⸗ 
ſchen Moͤnche moͤgen aber feſte Sitze haben, und 
heirathen, oder nicht; ſo behalten ſie immer die 
weſentlichen Merkmahle des Moͤnchthums bey. 


Sie ziehen ſich naͤmlich von allen weltlichen Ge⸗ 
ſthaͤften und Vergnuͤgungen zuruͤck, und bringen 
nach der Regel, zu welcher fie ſich bekennen, ihr 
Leben in beſtaͤndigen Buß⸗ und Andachts⸗ Uebun⸗ 


gen zu. Da die Religionen aller Voͤlker des oͤſtli⸗ 
Gen und ſuͤdlichen Aſiens aus Hindoſtan entſprun⸗ 
gen, oder wenigſtens mit dem Goͤtterdienſte der 
Hindus ſtark vermiſcht worden ſind; ſo ſollte man 
glauben, daß bad Moͤnchsweſen der erſteren mit 


- bem ber Ießteren viel miehr übereinftimme, als es 
wirklich Abereiuftimmt. In Xhibet, und im gan⸗ 


jen uͤbrigen oͤſtlichen ſo wohl, als füblichen Afien 
Benne man nicht bloß Moͤnche, fordern auch Non⸗ 
nen, und unter beyben weniger eine Verfchiebenheit 


von Orden, als von Graden. Moͤnche und Non⸗ 


nen, die in Thibet, gleichſam auf den 'uuterften 


” 


Stuffen des heiligen Lebens ſtehen, wohnen bei 


den/ihrigen, und koͤnnen fich verheirathen, wann 
fie wollen. So bald aber beyde einen gewiſſen 
Brad von Vollendung erreicht haben; fo müflen fie 
bad Geluͤbde der Keuſchheit ablegen, deſſen Ders 


: Teßung unfehlbar mit bem Zobe beftraft wird, Die 


Mann » fowohl, als die Frauen s Clöfter find 


faft ohne Ausnahme auf hohen Bergen oder Zelfen. 


ers 


'g) Sonne. 1. . S. 217. 


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um v 
/ ⸗ 


— — ⸗ 19 
baute). An Siam, und wahrſcheinlih in allen 


Vvbrigen Hinterindiſchen Reichen gibt es nicht bloß 


Monche, oder Talapoinen, ſondern auch Nonnen, 
oder Talapoininnen 5 Beyde möhnen in ben Be⸗ 
zirken, bie zu den Tempeln gehören, und mit Bams 
bu⸗Pfaͤlen umzäumt find. Hoͤchſtens haben die. 


Talapoinen thre Gellen an ber einen, und die as 


Yapoininnen an der entgegengefeßten Seite der Bam⸗ 
bu s Zäune. Die Talapoininnen find meiſtens ſo 

alt, daß man ſchon aus diefem Grunde einen: 

Bruch des Keuſchheits⸗Geluͤbbes von ihnen befürchs. | 
ten barf. Wenn unterbeffen eine Talapoininn eis, 

sven: Tehltritt begeht, fo wirb fie zwar nicht am tes, 
ben geftraft, wie Talapoinen, bie ſich einer aͤhnli⸗ 
en Sünde ſchuldig machen. Allein man ftößt fie ie. 
aus der heiligen Schwefterfihaft aus, und übergibt 
fie ihren Anvermandten ‚ bamit diefe fie nach Vers. 
bienft zuͤchtigen. Die Talapoinen find nicht bloß, 
Priefter, mie tie Chriſtlichen Moͤnche, fondern fie‘ 
ſind die einzigen Priefter der Wölfer des binteren 
Indiens. Sie bedienen daher bie Götter, hüten 
ihre Tempel, beſorgen Feſte und Opfer, und un⸗ 
terrichten zu gewiſſen Zeiten das Volk ſowohl in 
ber Geſchichte der Goͤtter, als in dem, was man 
den Goͤttern und ihren Dienern ſchuldig iſt. Je⸗ 
der Talapoin nimmt zwey, oder drey Kinder zu 


‚Aid, und erzieht fie zu feinem Stande, wenn er fie 


anders ruͤchtig dazu findet, Die Prieſter⸗ Mönde - 
| le⸗ 


nn) Georgi p. an. Man vergleiihe Turner p. . 309- 
1 | 


s) Lombere I, 340- 59 Pr 


sı0 Imre. 0 

Gefänge von: Ordensgeiſtlichen ſind nicht „weniger 
ſchaamlos, als die der Layer... Darbinais wohnte 
am 24. Dec. 1718 der Mitternadits s Mefie in 
einem Frauen: Clofter zu St. Salvador bey. Die 
Nonnen waren anf einen offenen Chore, eine jebe 
mit einem muſikaliſchen Inſtrumente verfeken. Als 


ber. ‚geiftliche Director des Cloſters den Pſalm 


venfte exultemus anſtimmte #), fingen alle Non⸗ 
nen an, luſtige Lieder zu fingen, auf welde fie 


fi das ganze Jahr durdy vorbereitet hatten, und 


begleiteten ihren Gefang eine jede mit bem Inſtru⸗ 


⸗ 


'ment, das fie mitgebracht hatte. Hieraus ent⸗ 


ſtand ein Laͤrm, der alle diejenigen, welche er nicht 
betaͤubte, zum lauten Lachen brachte. Nachdem 
endlich der wilde Geſang, und bie wilde Muſik 
“aufhörte, feßte fh eine ber Nonnen in einen Lehn⸗ 
ftuhl, und hob Eine luſtige Erzählung der Aben⸗ 
theuer aller der Perfonen an, die zum Dofe.beg' 


Vice⸗Koͤnigs gehörten. 'Zulegt trat. Eine ber. 


Nonnen auf, und machte einem Neffen des Koͤ⸗ 
nigs die bitterfien Vorwürfe darüber, da ex ihr 
ungetreu geworben fey, und einer andern Damme in 
der Stadt den Hof made. Der junge Cavalier 
war verfhämter, als die Nonne, unb entfernte 
ſich plöglih aus der Kirche. Mac allen dieſen 
Scenen fang man eine Wieffe, . worauf bie Nomen 
insgeſammt das Abendmahl genofien. — Die un: 
geiftlichen Lafter der Mönche tn Lima mindern ih⸗ 
zen geiſtlichen Stolz nicht alleia nicht; - fordern 
feinen ihnen vielmehr zu erhöhen x). Nice 
zufrieden mit ben, tiefen Verbeugungen, welche 
un oe. 1. OMA 


er 


) iu. 207 et lq. p. 
=) Fresier p, 430. 431. 


R \ 
’ - 





— — U 1 


man ihnen allenshalben macht, reichen fie fo wohl 


in den Straßen, als in den Kirchen die Ermel 
ihrer Kleider zum Käffen hin. Sie thun dieſes 
felbft während ber heiligfien Handlungen, wo bies 
jenigen, welche fie zum Ermels Kufle nöthigen; 
dadurch in ihrer Andacht geftört werben. . Gleich 


den Layen tragen faſt alle Moͤnche Doͤlche, und 


bedienen ſich dieſer Waffen, wenn man ſie in ihren 
Vergnuͤgungen ſtoͤren will. Sie handeln, ober 
ſchachern endlich nicht bloß, fondern fcheuen fi 


auch nicht zu fiehlen, wo fie nur können. Die 


Franzoͤſiſchen Schiffahrer und Kaufleute, die au 
der Kuͤſte von Peru und Chili handelten, made 
ten, bie unangenehme Erfahrung, daß pefonbere 


bie Geiſtlichen ſehr behende Singer hätten y). 


Im Chriſtlichen Europa ſind noch immer die 
Spauiſchen und Portugieſiſchen Moͤnche die ver⸗ 
dorbenſten und ſchaͤdlichſten 2.). Die Griechiſchen 
hingegen im Durchſchnitt die unwiſſendſten und 
unglüdlichften. Die Spanifchen Moͤnche und None 
nen wurden nicht bloß durd ihre eigene Eheloſig⸗ 
feit eine Haupturſache der Entvölkerung ihres Was 
terlandes, ſondern am meiften dadurch, bag fig 
fortfahren, immer mehr Güter anzukaufen. Dig 
von Elöftern ‚angelauften Guͤter wurden naͤmlich 
von allen Abgaben frey. Die oͤffentlichen Laſten 
fielen daher je laͤnger, je mehr auf eine kleinere 


aa don arbeitenben mh, welche fie, nicht 


auf⸗ 


7) Fresier lc. 


z) neber die Portugie ſiſchen ſehe man n Chatelek 655, 
"über die Spänifchen Pluͤers Reifen ©. 236. 


O 2 


4 
⁊ 


*312 m um 


m 


aufbringen konnten, und trieben die Verzweifelnden 
In bie neue Welt bin. — Ich ſage hier nichts 


meht von dem ſchrecklichen Faſten der Griechiſchen 
Mönche, von welchem ſelbſt Katholiſche Ordens⸗ 
geiſtliche geſtehen mußten, daß ſie die Faſten der 


ſtrengſten Orden ihrer Kirche weit uͤbertraͤfen a). 
Wen ihrer ſchlechten Nahrung muͤſſen die Gries 
Sifhen Moͤnche unaufhörlich entweder auf dem . 


Kelde und in den Gärten, ober am Webftuhle 
arbeiten; und wenn fie nicht fo viel Leiften, als 
ihre Oberen verlangen, ober biefen fonft nicht ges 
‚nng hun, fo werden fie dburd Schläge auf bie 
zone unbarmherzig gemißhanbelt 5). Die 

riehifchen Patriarhen, an welche die Tuͤrkiſchen 
Großen unaufhörliche Forberungen machen, prefs 
fen die Bifchöfe und Archimanpriten aus, Die 





Achimandriten fallen Über ihre Mönde her, und. 
Be Mönde wenden alle Arten Yon Künften an, 


‚am wiederum ben Layen das Ihrige abzuloPen. 


In dem.Mufe der gröften Heiligkeit flehen das 


Griechiſche Elofter auf dem Berge Sinai c), deſ⸗ 


‚fen Bewohner aus Furcht vor den Beduinen bes 


ſtaͤndig innerhalb den Mauern ihres Cloſters ein» 
efgloffen bleiben, und dann bie zwanzig Cloͤſter 
auf dem Werge Athos, im welden ſich ohngefähr 


5000 


4) Lettr, Edit. 11. 64. Rappolles-vous ce, qui 
.“ Aber PP q 
fe pratique 5 la Trappe, et aSept- Fonds; onny . 


veit rien de femblable, 


‚3) Man f. über vie Griechifchen Moͤuche, Belon 
37 u. f. S. Tournefort I 34, 409. LettresEdit, 


“ Le; Taube I, 89. go. Volney II, 326 et Iq. .. 


e) Volnsy 1 c,. u 


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G- ⸗ m a . 1 
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5000 Mind aufhalten follen d). Mon. ber Seht 


‚an, wo bie Türken den Mönchen anf bem Athos 


einen. jährlichen Tribut von zwanzig taufenb Pins 


ſtern aufgelegt haben, iſt die alte Cloſterzucht fehr 


sefhwädt, und die Sitten ber Mönche find auf 
mehrere Arten verborben worden 5). Um bie ſtets 


wiederkehrenden Forderungen der Tuͤrken, oder 


ber höheren Geiſtlichkeit befriedigen zu koͤnne neh⸗ 
men die Cloͤſter gern reiche Novizen auf, bie 
beträchtlihe Vergabungen mahen. Man belohnt 


ſolche Vergabungen dadurch, daß man bie Wohls 


thäter faft von allen firengen Borfchriften der Res . 
gel tifpenfirt. Man übergibt ferner eingelnen 
Minden Landgüter, oder geftattet- ihnen freyen 
Handel und Gewerbe, um von den Einen jähr 
liche Pachtgelder, von. den andern jährliche Ab⸗ 
gaben zu erhalten, und beibe nach ihren Tode zu 


‚beerben. Es iſt einleuchtend, daß man ſolche ſich 


felbft überlaffene Moͤnche nicht in der gehörigen. 
Ordnung erhalten kaun. Knplih fdicdt man 
Almofen: Sammler nicht nur durch ganz Griechen⸗ 
land, ſondern über alle Griechiſche Juſels aus. . 
Diefe Sammler werben aufihren zägellofen Wan 
derungen meiftend verderben, und bringen die ans 
genommenen Lafer unter ihre Bruͤder zuruͤck Ri ) 
| Bey 


&) Belon, et Lettr, Edif, Il, cc, 
e) Lettr. Edif. 1I. c. 


f) In Stavonien arteten manche Nonnen Eiöfter, 
die in tiefen Wäldern lagen, is Bordelle, manche 
Manns = Eiöfter in Raͤuberhoͤhlen aus. Man ward 
‚daher gezwungen, die einen und die andern aufzus 
heben. Taube 1. c. Die Yebte in Sinarelien find 

eben ſo ruchlos, als die Bilchöfe. Lamberti'p. 165, 


Ben dem harten Leben, welches die Griedjifchen 
Mönche im Durchſchnitt wirklich führen, und der 
noch härteren Untermürfigfeit, in welcher ihre Obe⸗ 
gen fie halten, werden meine Lefer barüber er: 


Pausen, daß die Slavoniſchen Lanblente fich aus 
allen Kräften bemähen, ihre Söhne in Cloͤſter 


gu bringen, und daß ſo gar bie von ber Melt 


ganz ;«"gefonderten ge) Moͤnche auf dem Sinai ſich 


biel gluͤcklicher preiſen, als die Kinder ber Welt. 
Und doch haben bie Einen und die Anderen Recht. 


Die gerneinen Griechen nähren ſich nicht viel beffer, 


amd werden von ben Tuͤrkiſchen Befehlshabern und 
Soldaten ohne Wergleihung mehr geplagt, ober 


‚ gemißhandelt, als bie eingefihloffenen Moͤnche. 


Die Mahomebaner erhielten eben fo wenig, 
als die Chriſten, gleich nad) ver Entftehung ihrer 
Religion Moͤnche, oder Cloͤſter bh), Nachdem 


fich aber das Moͤnchsweſen einmahl gebildet hatte, 
. fo verbreitete es ſich nicht bloß ſehr ſchnell, fon: 


Geanjen legen die Derwifche die Geluͤbde ri 
u ya 


bern es entftanden auch allmählich mancherley Drs 
ben und Regeln, wovon bie einen firenger, als bie 


anderen waren, oder die urſpruͤngliche Zucht befier, 
als andere erhielten. Aus biefer Verſchiedenheit 


ber Regeln, und ber Zucht der Tuͤrkiſchen Elöften 
muß man es erklären, baf bie glaubmwärbigften 
Keifenden in ihren Urtheilen und Nachrichten über 


bie Derwifche ſo ſehr von einander abweichen, Sm 


i) Taube und Velney 1. oo. 


h) Man f. bierüber Aicaur p. 50 et ſq. Arvieux 
VI. 464, Tournefort II. 89. Börter 1. 46, 47, 
Griffrhs p. 86 er fq | 


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f u ” m. 


beit,“ 'der Armeth und des Gehorſams äb. Um, 
terdeffen follen manche Tuͤrkiſche Moͤnche verheiras 


Über feyn, und die Erlaubniß haben, ihre Weiber, 
die freylich nicht in die Cloͤſter kommen.bürfen, von " 


Zeit zu. Zeit zu beſuchen. Auch find die Gelübbe, 
der Derwiſche nicht fo unverbruͤchlich, als die der 


Ehriſtlichen Ordensgeiſtlichen. Wenn ein Ders 


wifch fühlt, daß er das Geluͤbde der Enthaltſam⸗ 
keit nicht beobachten Kinn, fo. entläßt man ihn lies 


Ber aus dem Glofter, ald daß man feiner Matur. 


Gewalt anthun follte. Solche nüßlihe Arbeiten, 
als wodurch die Chriftlihen Mönche ih Jahrhun⸗ 
berte lang um das menſchliche Gefchleht verdient 
machten,, fanden nie unter den Derwifchen Statt. 


Die Türkifhen Mönche zichen ihren Unterhalt aus 


milden Stiftungen, und bringen ihre ganze Zeit im 
Gebet, in heiligen Betrachtungen, und anderen 
Andachts, Uebungen, oder in iraͤger Ruhe hin. 


Die Vorſteher der Cloͤſter halten gemeiniglich zwey⸗ 


mahl in der Woche an ihre Untergebenen heilige 
Reden, oder erklaͤren dunkle Stellen des Koran, 
und anderer heiligen Buͤcher. Nach der Endigung 
dieſer Reden, oder Vorleſungen heben die Moͤnche 
den beruͤchtigten Drehtanz an, wobey ſie ſich mit 
einer unglaublichen Geſchwindigkeit ſo lange auf ih⸗ 
ren Ferſen umher wirbeln, bis fie ſchaͤumend, und 
athemlos zu Boden fallen. Manche ſetzen den 
Drehtanz eben ſo lange, als diejenigen fort, die zu 
Boden fikrzen ‚, und bleiben auf einmahl fo unbe: 
weglich ſtehen, als wenn fie eingewurzelt wären. 
Viele Derwiſche wiſſen ſelbſt nicht, in welchen Ab⸗ 
ſichten der Drehtanz eingeführt worden. Hoͤchſt 
wahrſcheinlich brauchte man ihn ſeit undenklichen 
Zeiten in den Morgenlaͤndern als ein Mittel, in 

’ er⸗ 


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Bahn F fallen,. un dur Verzuͤckung zur 


Bereinigung mit der Gottheit j zu gelangen. , Auch 


"rd Sufie In Perfien wirbeln fid, unter beſtaͤndigem 
| stein. 5 bes Kopfes, und dem Ausrufen bes 


ahmens Gottes fo Lange herum, bis fie ſchaͤn⸗ 


mepb"und Athöinlos zu. Boden ftürzen n). , Sowohl - - 


die Sufis, „'als bie Derwifche bedienen ſich noch eia 


nes andern. Mittels, um ſich in Ekſtaſen zu ver⸗ 


ſetzen. Die, erſteren heften ihre Augen fo, Tange 
an bie Spißen Ihrer Nafen, bis fie in eine Art, 


enttocder Mein und Brantewein, ober genießen 
Spium, bis fie das Bewußtſeyn ihrer Selbſt, 


“ oter ihres äußeren Zuflandes verlieren. Wenig⸗ 


ft n8 verfichert Ricaut, daß die Derwiſche zu den 


ſtaͤrkſten Trinkern, und Opium⸗-Eſſern in ber, 


Tuͤrkey gehören k). Es geſchieht in der Türken, 
was fo oft,in der Chriftenheit geſchah. Die Cloͤ⸗ 


- 


Ed 


‚von Betäubung, verfinten. Die . Anderen faufen 


ſter der Derwifche werben bisweilen Ehlnpfwinkel 


verbotener Lüfte, und ſtrafbarer Verbrechen. Un⸗ 


ter Arderen zerſtoͤrte der berühmte Vizier Ru⸗— 


prinli ein ſchoͤn gelegenes Cloſter nahe bey Adriano: 
pel, dad wegen des Rufes der Heiligkeit häufig 
Don vornehmen Türfinnen befuht wurde. Dan 
entdeckte, daß bie. fhönen Pilgerinnen ihren gehei⸗ 
men Litbh bern an dem heiligen Orte Zuſammen⸗ 


kunfte gaben ). Die Mönde eines gemiffen Or⸗ 
dens nehmen gluͤhende Eifen auf eine foldye Art in 


den Mund, daß man den » Speiäel ziſchen hört, 
und 


i) Ir, 211. 219, Chardin. u . 
‚K)'p- 864. on 


- 1) Ricaut p. 266. 


L 


und B könn eht, ohne im geringfien arelegt an | 
werden m). Ich rechne diefen Gebrandy von glüs 
henden Eiſen nicht fo wohl, zu den Buͤßnngen, als 
zu den gaukleriſchen Kuͤnſten, wodurch bie Mönde 
bie Bewunderung. ber Rama ‚Denge zu wel⸗ 
ten hoffen. 


Wenn unter ben beibüifen Hindus die tehn 
der Moͤnchsorden auch nicht ſo groß ſeyn follte, ale . 
anter ben Zürfen, und befonder3 unter der Chris 


ſten; fo war.alem Anſehen nad die Zahl ber . | 


Mönche von jeher unter ben erftern verhäftnifgmägig 
viel betraͤchtlicher, als unter den letzteren n). Auch 
weichen, die Mönche der Hindus weit mehr ‚von 
einander ab, ald die Chriſtlichen und Tüsfifhen 
Moͤnche. Mur die wenigſten Indiſchen Moͤncha 


wohnen an Einem Orte unter der Aufficht gemein⸗ | 


ſchaftlicher Oberen beyſammen. Dieß ıhan faſt 
ganz allein die Joghis, die fach. in Gärten vor ben 
Staͤdten aufhalten, aber nie in die Staͤdte ſelbſt 


gehen 0), und auch nicht in Haͤuſern ſchlafen y). 
Die meiſten Indiſchen Moͤnche führen ein unſtetes 


Leben, ober wohnen unter ben thrigen. Die ſtreu⸗ 
geren Orden, 3. B. der Joghis, ber Santafirs,- 
u. fs w. beohachten indgefamms das GSelübbe der . 

Bu | Lesſqh⸗ | 


.. 2) Rlcamı u. . Grifis il, cc, 


7) Min 9 bet. Sonnerat l. 14. u. f. €. Bernier 
II. 221, Leu, Edif., IR 282. et fg. p. 


⸗ 
8 


'e) Bernier i. © 


) anqueu Pe 129 366, on 


— 


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Keuſchheft. Aübere hingegen heſrathen.“ Ja es 
gibt ſogar eine Moͤuchs⸗-Eaſte, deren Mitglieder 
aͤls Moͤnche gebobren werben, und bloß Weiber 
aus ihber eigenen Eafte heirathen g). Die Indi⸗ 
ſchen Moͤnche mögen aber feſte Sitze haben, und 
heirathen, ober nichts; fo behalten fie Immer die 
wefentlihen Merkmahle des Moͤnchthums bey. 
‚Sie ziehen ſich naͤmlich von allen weltlichen Ges 
 _ fhäften and Vergnügungen zuruͤck, und bringen 
nach der Regel, zu melcher fie fich befennen, ihr 
Leben in beſtaͤndigen Buß⸗ und Andachts⸗Uebun⸗ 
gen zu. Da die Religionen aller Voͤlker des oͤſtli⸗ 
hen und ſuͤblichen Aſiens aus Hindoſtan entſprun⸗ 
gen, ober wenigſtens mit dem Gotterdienſte der 
Hindus ſtark vermifcht worden find; fo follte man 
Hauben , daß das Moͤnchsweſen der erfleren mit 
- dem ber Ießteren viel mehr übereinftimmie, als es 
wirklich übereiuftimmt. In Thibet, und im gan⸗ 
jen uͤbrigen oͤſtlichen fo wohl, als ſuͤdlichen Aſien 
kennt man nicht bloß Moͤnche, ſondern auch Non⸗ 
nen, und unter beyden weniger eine Verſchiedenheit 
von Orden, als von Graden. Moͤnche und Non⸗ 
nen, bie in Thibet, gleichſam auf den unterſten 
Stuffen des heiligen Lebens fichen, wohnen bey 
den’ihrigen, und koͤnnen ſich verheirathen, wann 
„fie wollen. So bald aber beyde einen gewiſſen 
Grad von Vollendung erreicht haben; fo muͤſſen fie 
das Celühbde der Keuſchheit ablegen, befien Ders 
feßung unfehlbar mit bem Tode beftraft wird. Die 
Mannd s ſowohl, als die Grauen + Cloͤſter find 
faft ohne Ausnahme auf hohen Wergen ober Felſen 
| | er⸗ 


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'g) Sonner. 1. 0.6. 217%. 


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— — J 219 


‚ebautr). An Stam, und wahrſcheinlich in allen 
" übrigen Hinterindiſchen Reichen gibt es nicht bloß 
Mönche, oder Talapoinen, fondern au Sonnen, 
oder Talapoininneh BY Beyde woͤhnen in ben Bes 
giefen, die zu den Tempeln gehören, und mit Bam⸗ 
bus Pfälen umzaͤumt find. Hoͤchſtens haben die 
Talappinen ihre Gellen an bei einen, und die Tas 
Iepoininnen an berentgegengefegten Seiteder Bam⸗ 
bu s Zäune. Die Talapoininnen find meiſtens ſo 
alt, daß man ſchon aus diefem Grunde keinen 
Bruch des Keuſchheits⸗Geluͤbbdes von ihnen befuͤrchh 
ten barf. Wenn unterdeflen eine Talapoininn eis 
sen. Sehltritt begeht, fo wirb fie jwar nicht aın Le⸗ 
ben geftraft, wie Talapoinen, bie fi einer aͤhnli⸗ 
hen Sünde fhultig machen. Allein man ftößt fie. 
aus der heiligen Schwefterfihaft aus, und übergibt 
fie ihren Anvermandten, bamit biefe fie nach Vers 
dienft züchtigen. : Die Talapoinen find nicht bloß. 
Priefter, mie tie Chriftlihen Moͤnche, fonbern fre 
ſind die einzigen Priefter der Wölfer des’ hinteren 
Andiend. Sie bebienen baher die Gätter, hüten. 
ihre Tempel, beforgen Feſte und Dpfer, und uns 
terrichten zu gemifien Zeiten das Volk ſowohl in. 
der Geſchichte der GStter, ald in dem, was man 
den Göttern und ihren Dienern fhuldig iſt. Je⸗ 
ber Talapoin nimmt: zwey, ober brey Kinder zu 
Ai, und erzieht fie zu feinem Stande, wenn er fie 

andere tächtig dazu findet, Die Priefter: Mönche - 

| | le: 


y), Georgi p. sıs. Man vergleiche Turner p. 509- 
314 | | 


s) Lombere I, 43-59 p. 


\ 


_ . — 
8* 
v „.» . R pi “ 
320 , mm 
N nm 


[eben zum Theil von ben. Sänbexenen , bie zu den 
Tempeln ber GStter gehören., und welche fie durch 


Selaven bearbeiten laſſen: vorzüglich aber von ben - - 


Allmofen, welde fie felbft fainmeln. Gie fielen 
ſich vor bie Thuͤren der. Häufer, und wenn man fie. 
eine Zeitlang fiehen Läßt , ‚fo geben fie weiter, ohne 
etwas zu fordern. Hamilton ruͤhmt befonders 
von ben Talapoinen in Pegu, baß fie nicht bloß 
alle Streitigkeiten unter Verwandten und Rachba⸗ 
ren beylegen, ſondern daß ſie auch gegen Fremd⸗ 
linge eine Menſchlichkeit und Barmherzigkeit uͤben, 
die den Dienern der wahren Religion unter aufges 
Härten Völkern Ehre machen würde. Nah ben. 
Geſetzen des Landes find alle Ungluͤckliche, die ſich 
aus Schiffbruͤchen an bie Ufer von Pegu retten, 


:  Gelaven bes Könige. Die Talapoinen vereiteln - 


bieß grauſame Geſetz, indem fie ſich der Schiffs 
brüchtgen annehmen, fie in ihren Zellen beherber⸗ 
gen, und fie mit Empfehlungsfcgreiben von Cloſter 
zu Elofter bis zu einem Dafen ſchicken, wo bie 
Empfohlenen Gelegenheit Anden, im ihr Vaterland - 

uuruͤckzukehren t). | 


Moͤnche wurden unter allen Völkern ale Lieb⸗ 
linge bed Himmels verehrt, und Nonnen wurden 
haͤufig unter Ehriften Bräute, ober Werlobte des 
Himmels genannt. Diefe Benennung koͤnnte leicht 
AÄnlaß geben, daß man’fie mit anderen Frauen und 
Mädchen verwechſelte, bie zwar den Göttern ger - 
weiht waren, aber eine ganz andere Beftimmung 
hatten, ale wahre Nonnen. — Unter allen gr0s 

> gen 


S 


n. 6.6 p. a 


— 


gen vielgottiſchen Völkern ward von Njcher, ‚amd 
wird auch jegt noch ein ſtark Befeßter Harem als 
ein fo nothwendiges Merkmahl von. Macht und . 


Reichthum angefehen, dag nicht bloß undermögenbe 


Greife, ſondern gaͤnzlich⸗ Verſchnittene bergleichen 


unterhalten. Solche Voͤlker mußten bald zu glau⸗ 

ben anfangen, daß man den Goͤttern eben ſo wohl, 

als den Koͤnigen und Großen der Erbe einen Ha⸗ 

rem verſchaffen muͤſſe. — Unter allen großen 

vielgoͤttiſchen Völkern finden ſich ferner Geſellſchaf⸗ 

ten, oder Schweſterfchaften von oͤffentlichen Weibs⸗ 

perſonen, oder ſogenannten Taͤnzerinnen, welche 

den Genuß der ſinnlichen Liebe auf die ſchaamlo⸗ 

ſeſte Art darſtellen, und dann allen denen, An wel⸗ 

hen fie Begierden erregt haben, ben Genuß ihrer 

Neiße überlaffen. Es ift bekannt, daß die ride 

sigen Taͤnze ber Bayaderen bie vornehmfte Würze 

aller Gaftmähler in Aſien, und Afrika find. Dias 

nahm in den Göttern benfelbigen Geſchmack, wie 

‚in ben Königen und Großen ber Erbe an, und lieg 
entroeber bie Mitglieder des göttlichen Marems vor 

ben Göttern tanzen, ober beftellte außer biefen bes 

fondere Tänzerinnen, die bein Dienfte des Tempels 

ausfchließlich gewibmet waren. Weine Leſer erins 

- dern fi) aud dem erften Theile u), dag die Bräute 
und Frauen der großen Schlange in Whida zugleich 
‚den Dienft don Taͤnzerinnen verrichten müffen: daß 
die Syrer, Affyrer und Phönicier in den Tempeln 
des Daal- Peor ganze Schaaren von ſchoͤnen 
, Mädchen, und Kuaben nicht blog zum Wergnägen 
des Gottes, und ſeiner Prieſter ſondern auch 
fe 


u) 3, 208. 6 


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422 . — — | 


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feiner Verehrer unterhielten; und daß felbfi die 
Suden biefen. Beyſpielen ıhrer Nachbaren folgtenx), 
Madyrden Erzählungen der älteren Reifenden find 
große Indiſche Pagoden vben fo wenig ohne Täns 
erinnen, als obie Priefter. Papi y) nennt biefe 

änzertnuen die Frauen der Götter; ‚und zwax 
nicht ohne Grund, weil die. Hindus überzeugt find, 


Menſchen rigen. — | | 
Im alten Peru waren. Einrichtungen, bie fi : 


| daß die Bapaderen die Götter eben fo, wie bie 


theils dem Harem ber großen Schlange in Whibe, 


i 


“tern aller Elaffen folde , bie noch nicht dad achte 


theils der Schweſterſchaft der Veftalinnen in Rom 
näherten 2).. Jede Provinz des Reichs hatte wes 
nigftend Fin Cloſter, in welchem junge Maͤdchen 
von älteren,. und erfahrnen Frauen, oder Jung⸗ 
frauen erzogen wurden. . Jedes Cloſter hatte einen 
Vorſteher, ber die Macht beſaß, unter den Toͤch⸗ 


‘ 


Jahr erreicht hatten, und günftige Hoffnungen ers 
regten, für fein Clofter auszuwählen. Hier wurs 
ben .bie Kinder bie zum vierzehnten Jahre in. alle 
dem unterrichtet, was fie vach ihren Fünftigen Be⸗ 


ſtimmungen zu wiffen brauchten. Go bald die 


Maͤdchen daß pierzehnte Sabre zurück gelegt hatten, 
fo fehichte man fie an den Hof. Der Hof widmete 


* einige derfelben zum beſtaͤndigen Tempeldienſt, wos 


bey fie ihre Jungfrauſchaft unverleglih bewahren 
.. a Br mus 


ie u. | | = 


7) Ik 22. 57. 
z) Acofa V. ch, 15. fol, ans, 2, 


—W 
— — 223 


N 


muſtes. Audere opferte man den Göttern, und 


die übrigen. vertheilte man in bie Harems des In⸗ 


ca, und feiner Grogen. Wenn eine heilige Zunge 


frau ſich verführen ließ, fo warb fie entweber le⸗ 


beudig begraben, oder mit einer andern ſchmaͤhlichen 


Todesſtrafe belegt. Eben biefe Strafen ‚vollzog 
man im gleichen Tal an den zweyhundert Jurg⸗ 
‚frauen ; die in älteren Zeiten zu Carangua der 
Sonne geweiht waren a). 


J Die Cloſteraͤhnlichen Inſtitute in ber Haupt⸗ 
ſtadt des Mexicaniſchen Reichs wichen von ven 


Peruaniſchen nicht weniger, ald von denen in ans 
deren Ländern ab. In dem Bezirk des vornehm⸗ 
ſten Tempels zu Mexico waren zwey Elöfter, eins 
für junge Mädchen, das andere, für Knaben, 
Die erften durften nicht älter, als zwölf ober drey⸗ 


sehn Jahre fenn, und wurden Töchter ber Buße 


genannt b). Ihre Verrichtungen beſtanden barin, 
daß fie ben Tempel .reinigten, «daß fie ſowohl die 
Dpfer für bie Gottheit, als die Speifen für bie 


Priefter bereiteten, und bie Decken ober Kleiber 
für die Gottheit, und ihren Tempel verfertigten.. 
Ueberdem mußten fie den Andachten der Priefter, 


ſelbſt den nächtlichen, beywohnen, -unb Ihren Leib 


eben fo ereußigen, mie bie Priefter thaten. Ges . 
woͤhnlich zerfegten fie fih Ohren und Wangen, und 
mufchen dann das Blut in einem Pleinen Teiche ab, , - 


ber zum Cloſter gehörte. Dieſes Cloͤſterliche Le⸗ 
ben dauerte nur Ein Jahr. Hatte eine buͤßende 
| | | Jaung⸗ 
a) II. 55. | ü 
a4) Aral l.c. | . 


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"33 oo = —_. 
Fungfraũ bas Unglaͤck, bas Geluͤbbe ber Keuſchr 
heit zu brechen, 'ober ſich nur den Verdacht davon 
uzuziehen; fo warb fie ohne Erbarmung am Le⸗ 


ben peflraft; In dem männlichen Clofler waren 


Fuͤnglinge von achtzehn Jahren, die ähnliche Ars 
‚Weiten verrichten, "Ähnliche Enthaltung und Büpun 
gen üben mußten, wie bie Sungfranen. . 


eu 


\ 


U) U Zu ang‘ 





Neuntes Bud. 
Geſchichte der Gebete, Anbetungen; und 
an , Eide. N u . 





i 


Sp wie niemahld ein Volk ohne Religien, 
und Feine Religion, ohne Gaben und Opfer, ohne, | 
Meinigungen and Büßungen erfunden wurde; fo. | 
‚ ud) nie ohne Gebete und Anbetungen cd). Diefele 

bigen Urſachen, welche die Menſchen zu Opfern u 
and Gaben, zu Reinigungen, und Buͤßungen vers‘ 
anlaßten, bewegten fie auch zu Gebeten, und Uns 
vetungen. Alte Völker hielten die Götter für bie ' 

‚ einzigen, unb unmittelbaren Urheber nicht bloß. 

von glüdlihen und ungluͤcklichen, fondern ſelbſt 

von allen nur einigermaaßen ungewöhnlichen Weges 

benheiten. Sie mochten alfo im Gluͤck, ober Un, 
| et gluͤ 


©) Wenn Slacourt von den Nadegaſſen ſagte, 27 — 
man unter ihnen weder Gebete, noch Anberungen 
finde; p. 69 ſo beobachtere er fie entweder nicht ge⸗ 
nau genug, oder er nahm das More Gebet in cin | 


nem’ zu eingefehränkten Siun. 


u 0 
236: ‘ on u 


gluͤck ſeyn: mochten das eine hoffen; oder zu ers 


langen, das andere fürchten, ober zu Vermeiden 


"traten; fo waren ihre Gedanken, und Empfin: 
‚ bungen beftändig auf die höheren Naturen gerichtet, 
deren Onabe fie alles Gute, deren Ungnabe fie alle 


Uebel zuſchrieben. Empfindungen und Münfde, 
die an ‚höhere. Maturen in der Abfuht gerid)tet 
werben, um ihre Wohlthaten zu erhalten, ober 
ihre Strafen abzuwenden, ober. ihnen für zuge⸗ 
wandten Gutes, und abgemanbte Uebel zu danken, 


‚ find Gebete. Wenn die an höhere Naturen geridy: 


teten Anliegen und Wünfche nicht in Worten, oder 
durch Töne, und Bewegungen ber Sprach⸗ Or⸗ 
gane ausgedruͤckt werden, ſondern im Innerſten 
bed Herzens verſchloſſen bleiben; ſo nennt man ſie 
ſtille Gebete. Diefelbigen Anliegen, und Empfin⸗ 


‚ bungen, bie in Worten ausgedruͤckt, Gebete hei⸗ 
gen, merben Anbetungen "genannt, wenn fie ſich 


durch Mienen, und Geberden, ober. durch. gewiſſe 
Lagen. und Stellungen bed Cärper& offenbar. 


. Unbetungen Eönnen ohne Gebet: Gebet ohne An, 


Betungen Statt finden Ernſtliche Gebete find, 
ohne Ausnahme mit Anbetungen , wahrhafte Ans. 
Betungen faft Immer mit Gebeten verbunden, weil 
lebhafte Wünfhe und Empfindungen fih unfehls 
bar durch Mienen und Geberden, meiſtens auch 


durch Worte aͤußeren. 


Die meiften Völker beteten Haut, nit nur, 
wel lebhafte Wünfche und Empfindungen vermöge 


‚ der Einrichtung der menſchlichen Natur in Worte 


äberfirdinen, fondern weil ınan auch die Meinung 
begte, daß laute Gebete cher gehört, und Worn 
wuͤr⸗ 





ee 232 


wuͤrden, als flille d). Diefer natürlichen Denkart 


roher Menſchen ſtand eine andere nicht minder na} 
tuͤrliche gerabezn entgegen: die Meinung nämlich, 
daß mun durd lautes Beten, fo gar durch da& 
Nennen von Nahmen, Götter, ober abgeſchiedene 
Serlen beunruhigen, und zum Zorne teigen koͤnne. 
Wenigſtens finde id; feinen andern erbenflichen 
Grund, warum fo wohl die Otaheiter, als die 
Buraͤten in Sibirien ey, bie Sonne in der gröften 
Srille anbeten, und die leßteren fo gar bie Lippen 
feft zufammendruͤcken, um ja fein Wort hervorzw 
bringen F). Die Dftiafen bewegen beym Beten 


bloß die Lippen, ober pfeifen, mie wenn man Hun⸗ 


den pfeift g). Die Gebete der Wogulen A), und 
| Ä der 


ch) Weber die Denfart der Morgenlaͤnder und Griechen/ 


Saedorf de Hyımis p. 3. der Neger, Olden⸗ 


op 1. 325. Selbſt die Ehriften bes vierten uud 

fünften Jahrhunderts fchrieen an den Liebesmaͤh⸗ 

lern, weiche fie üt»r den Gräbern der Märtyrer 

bielten , fo laut, ats fie fonntem, wert fie fuͤrchte⸗ 

ten, daß die abgeſchiedenen Seelen ber Heiligen 

ihre Gebete ſonſt nicht vernehmen würden, Man fs 
im erſten Theile, den Abſchnitt vom Todtendienſt. 
4 ) Forſter 18, 149. Iebrand p. 64. 

Mais ſerrant les dents, et ne prononçant 
pas une parole, Wenigſtens findet bey dieſen 
Voͤlkern der Grund nicht Etatt, aus welchem, wie 
wir im folgenden Buche feben werden, die Hindus 
daB geheime Gebet ihrer Secte in der gröften Stille 
beten. Man f, vorläufig Sonnerat 1. 55 ©. 

g£) l. ec. Toutes leurs prieres conſiſtent a faite 
certaines grimaces les levres: et a hier, cam. 
ine quand on vent appeller un chien, 


A) Georgi’s Reifen 599 ©. 
u Va 


— —22 — 
— 


Eon 


m. 


⁊— — — 


u u Barca —N . . 
x 


— — — — 
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ber Karakafſer, ‚ die ihrer Bebehrung angeachtet 
doch immer noch der alten Vielgoͤtteren ihrer Vor⸗ 


i fohren. anhangen, beſtehen in bloßen Stopfänf 


gern ; i)» 


Man betete zu den Goͤttern aus ben | den 
Gründen, und in eben ben Fällen, aus melden, 
und in welchen man mächtige Menſchen anflehte., 


Man betete bald in feinem eigenen, bald in Aude⸗ 
rer Nahmen. Man betete bald, um den Göttern 


für empfangene Wohlthaten,, oder die Ubwendung _ 


von Uebeln zu banken: bald, um gewiſſe Wohl⸗ 


- thaten zu erlangen, oder von gewiſſen Uebeln be⸗ 


freyt zu werben. Alle dieſe Urſachen von Gebeten 
waren gleich natuͤrlich, und alle daher entfichende 


Arten von Gebeten gleih alt. Wenn alfo auch 


feine Art von. Gebeten in Ruͤckſicht auf Alter einen 
Vorzug vor den uͤbrigen verdient, ſo kann man 


doch mit Zuverſi icht ſagen, daß die Gebete um be⸗ 


ſtimmte Guͤter, und um die Abwendung von be⸗ 


fimmten Uebeln, und Gefahren don jeher die Haus 


figſten, ober allgemeinſten waren. | 
Ale Volker baten bie Goͤrter, bis anf bie 


Entftehung des Chriſtenthums, bloß um zeitliche 


Güter, und um bie Abmwenbung von zeitlichen Ue⸗ 
bein, Wilde Fifchers und Jaͤgervoͤlker Beteten zu 


den Sonern, daß ſie den if u und bie Jagd k), 


iv; 
Ey Gesrgis Veſchreibuns der Soft Vollerſch. 
©. 291. 


x) B. die Tunguſen, des aͤltern Suelins Neiſen, 
II. 251 Se 


u 229 

Hietenvolker m), 124 die Götter ihra · Weiden neh 
Heerden, ackerbauende Mationen u), bag die Ghtr 
ter ihre Gärten und Felder begluͤcken möchten. 
Alle ohne Ausnahme baten um Geſundheit umb 
Ianges Leben für ſich und die Ihrigen, um Reich⸗ 
thum, günflige Witterung und Gieg über die Fein⸗ 
de und Widerſacher 0). In Unfehung ber letzte 
ven Witte bleiben die rohen Chriſten ia Mingre⸗ 
lien fehr weit: hinter ben nicht mehr gebildeten 
Mohamedanern zuruͤck. Die Erfteren wuͤnſchen 
in ihren Gebeten am bie heiligen Bilber, daß 
biefe bie Feinde ber. Betenden, und alles, was 
denfelben angehöre, Däufer, Heerden and Aecker 
Yernichten wollen 3), anftatt daß die roheſten 
Mohamedaner ihre Gebete für unwirkfam halten,i 
fo lange fie ſich nie mit ben Widerfachern aus 
. Ihrem Volke ausgeſoöhnt haben g). Unter Nation 
zen, die unumfchränften Veherrſchern untertkau 
waren, geſchah es häufig, daß man in alle Gebete 
bie Wohlfahrt den Könige einfhloß, oder umter. 
anderen Wohlthaten auch um bie Guade ber Abs. 
nige flehte r). Dach herodots Bericht: burften 
| bie Perſer. nicht für fi id, ober- bie. Zeriger 
na 


ın) 3,8. bie Holtentotten, Befchrysing IL I 206 p. 


2) 3. 3. felbft bie Neger, Loyer p. 244. olden⸗ 
dorp 1. 305 S. 


e) 11. ce, bef. EÜldendorp. und Loyer, auch Beorgr’6 
Beſchr. Ruf. Böllerfh. ©. 391. Valentyn III. 6.. 


p) Lamberti p. 239, | 
4) Tournefort 11. 40. 


7) Bon den Perſern, Herodot 1 250. Von ben 
Tunkineſen, Dampier II. 71 


Fa 
‚ 


au 77 zu —— | 
- fondeen iflemnditen. die Götter .um bie Wehlfahrt 
BE Königs: und des Perfifchen Volks anflchen, 
indem tn wer. Mohlfaher der ganzen Nation auch 
bie ihrige euthalten: ſey. Alle Volker betreten nie 
fubruͤnſtiger, als wenn fie. entweder Unfälle anf 
ber Jagd, oder dem Fiſchfarge, vber. in ihrer 
Saͤrten und Keltern nügüufkige -Mätterung, oder 
Niedberlagen und Verheerungen von Feinden, oder 
Krankheiten und Tobesfaͤlle, oder Ueberſchwem 
"mungen und Gewitierſchaͤden u: ſ. w. wirklich ers 
fohren Yatten, :: ober noch erfuhren, oder in bey 
Raͤthe fuͤrchneten. Daun klngten fie bin Goͤttern 
under Henlen und Wehklagen ihre Roth. Dann 
Masten ſie bie: Goͤtter winſelnd: was denn fie oder 
bie: Ihrigen: denn Bhttern gethau hätten 5)2. Die 
Griechen ind: oͤmer Beteten nicht allein nicht 
wordiger, ſendern noch unwaͤrdiger, als die rohe⸗ 
flen Wilden. Mahmentlich waren unter beyden 
Voltkern in ben Deiten der. Sittenverderbniß keine 
Gebete häufiger, als die von Kindern um den 
balbigen Tod ihrer Eltern ober. anderer nahen 
Blutsverwandten. Daher die Klagen von Gife 
tenrichtern und bie Derkſpruͤche von Sittenfehrenn : 
Du, man den Göttern Wuͤnſche in's Ohr flüftere, 
welche man -fih por den Menſchen anzuerkennen 
fhener Faß man unter den Menſchen fo. Ieben 
wuͤſſe, als wenn man bie Gettheit ſtets zur Zeus 
ginn haben, und zu ben Böttem fo beten, als 
wenn man veu allen Menſchen gehört weg. N. 
— o⸗ 


‘ 


) Georgi und Dldendorp I. eo. 


. 6) Soneea Ep, X. Sed nt more men enm alſque 
munuleulo epiſtolam mittam , verum ef, gnad 
\ / .. j ⸗ 0 ‚ap 


“» 
. 


5 


- — ——— 238 - 


Sokrates wir unter den Srfeden ber Erſte N), 
welder fagte, daß man bie Götter bloß um dab, . 


was gut fey, bitten müffe, weil fie am beften 


 wüßten, waß einem jedem Menſchen Mußen dber 


Schaden bringe. Wer zu ten Göttern um Reich⸗ 
thum, ober Macht, nder andere Dinge bete, bie 
bald nuͤtzlich, Bald ſchaͤdlich feyen, der gleiche fols 


ben Thoren, melde höhere Weſen um Wuͤrfel⸗ 
- fprel, oder Treffen und andere Dinge bäten, deren 


Ausgang ungewiß, oder unbefannt ſey. GEs ift 
durchaus unglanblih, was Plato den Sokrates 
von den Lacedaͤmoniern fagen läßt x): daß fie 
nämlich Fein anderes Gebet gehabt hätten, als 
daß die Ödtter ihre guten Handlungen fegnen, en 

e⸗ 


} 


apud Atkinedorum inveni: tune ſcito, te efle 
omnibus cupiditatibus folutum, cam eo per- 
veneris, ut'nihil Deum roges, nifi quod ro- 
gare pollis palam. Nunc enim quantz eſt de. 
mentia hominum ? Turpiflima vota diis in» 
_fafurrant : ‘Gi quis admoverit aurem eontice- 
fcent, er quod lcire homisem nolunt, deo'nar- 


zant. Vide ergo, ne hec lalubriter praecipi - 


“ pofhit: fic vive cum hominibus, tanquam deus 

videst : fic loquere cum deo, tangnam homi- 

«nes. audiant. Petron, p, m. 247. 148. et Per 
Aus Sat, H. V’9% N 


u" Gbi introrfum, et fub Hngua knmurmn- 


2. t:0o0 ß 
ebullit patrui praeclarum funus... ° 
pupillumne utinam, quem proximus haeres 
impello, expungam! eic, Ä 


| u) I. 6.3, Xenophont, Memorab, | 


2) pı ag, Edit, Bal, Graer, . 


\ 


. 


. 
— — — — 
22 


738 — — 


belognen möchten 4)... Rein Griechiſcher Schrilt⸗ 
ſteller ftellte fo oft, als Plato, bie Spartauer 
‚hen übrigen Griechen, befouders ben Athenienſern 
„entgegen, um biefe kemüthigen, und jene erheben. 
zu können. Plato mag dieſes aus blinder Pays 
‚ ‚teplichkeit für bie Spartaner, oder aus einer Art 
von Erbitterung gegen die Arhenienfer gethan has 
"ben; fo iſt nichts gewiſſer, als daß ex den Er⸗ 
ſteren viele unverdiente Lobſpruͤche beylegte. Zu 
dieſen gehört unſtreitig auch das Lob ber Spar⸗ 
taniſchen Art zu beten. Der Goͤtterdienſt der 
Spartaner war bem Götterdienfte ber übrigen 
rtehen in ben meiften Stüden zu aͤhslich, ala 
daß fie ‚gleihfow im Sakratiſchen Sinn hätten 
beter koͤnnen. on | 


Mean bat die Götter nit bloß um Dinge, 
welche man Von. guien Menfchen zu. erbisten ſich 
geſcheut hätte, fonbern man bat fie auch auf eine 
Art, die für nicht ganz ſchlechte Menſchen empoͤ⸗ 
send gemefen wäre: Kein Volk hatte zu feinen 
Goͤttern das Zutrauen, daß fie aus eigener Ben 
wegung Gutes than wärben. Alle Volker alaubs | 
ten vielmehr, daß bie Götter mur alddann Gutes 
erwiefen, wenn man ihnen Dpfer und Gaben brius 
‚ gen aber wenigſtens dergleichen vorſpreche. Eben 
baher waren Gelübbe, ober. foͤrmliche Berfpres 
dungen, in welden man fih gegen bie Götter 
aubeiſchig machte, ihnen nach ber Erhoͤrung Fi 

| 0 | ’ ⸗ 


* 


YLe. zu ıdya au dunasız Äuasers mupmmigas 
sUxXyYy uxavrei, vu Rain 0m reis ayaYoıs Tac Tisc 
didorat aulsverrec au wPswın cwuras, vAger d' adsıc 
RN ENBIVEY SULRuEvOYy AXSTEis. 

I 


N 


Br 


Gebeten etmas zu geben, cher gm: leiſten, eBin-fo 
allgemein, als Gebete ſelbſt =). - Alle Keifende 


bemerken von den Bilden in Amerika a), von 


ben Negern 6) und ven Sibiriſchen Heiden +), * 
fie ben Goͤttern nicht bloß geloben, ſondern ihre 
Geluͤbde auch treulich, halten. Die Neger tragen 
ſo gar eiferne Ringe, um ſich ſelbſe daran F go 
Innern, daß fie Schuldner der Götter fegen. - 

defto ſchaͤndlicher iſt es, daß die verdorbenen en 


ſten in Mingrelien fehr häuftg Geluͤbde, welche 


fie in Rranfheiten gethan haben, nach ber Wieder⸗ 
herſtellung nicht erfüllen, und zwar unter dem WVor⸗ 
wande, baf fie dieſelben bloß in der Angſt, oder 
aus Furcht gethan hätten, von ben Heiligen Bils 


dern getödter zu werden d). Die Griechen unk 


Mömer Iteßen beynahe alle übrige Völker in Ruͤck⸗ 
fit anf die Schaͤndlichkeit ihrer Geluͤbde hinten 
fh. Die Lokrier ‚gelobten in einem’ ungkückita 
hen Kriege, den fie mit einem benachbarten Typs 
sammen führten, daß fie an dem naͤchſten Feſte ben‘. 
Venus als bre Soden Preis geben. wollten, wenn 

bie 


| 8 dNiedeck p. 96. ettlaͤrt Geluͤbde fehr richtig:- Sed 
\ jam ad vote, quae in eo tantum a:petitoriis pre- 


eibus differust, quod Deos auxiliatares vel de- 


pulfores mali pollicitis donis .quibusdam obli« 
gare haberentur ad exaudiendum petita: vorum 
enim ef promiflio. facta diis pro obtinendo quo- 

iam beneficio eum firmitate aliqua et obliga- 
tione ad ilind, quod prins liheram erat agere, 


8 Charlevoix p. 349. 

5) Moore Travele P-9t 
-«) Georgi's Reil. 599, 600 ©. - 
d) Lambert, p, 233. j 


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L 


DE 17 ee 
dle Ben nen ben a verleihe. Nach ers - 
haltenem Siege zoͤgerten fie mit der Vollziebung 
itzres Gelaͤbdes. Der araliftige Dionys brachte 


hnen das, was fie. ber Goͤttinn verſprochen hats 
ten, in's Andenten, nub beredete fie, ihre Frauen 


und Toͤchter, praͤchtig geſchmuͤckt, im Tempel ver 


Venus zu verfammeln, damit durd das Lood 
‚ Hundert Jungfrauen ausgewählt waͤrden, ‚bie im 
rahmen ber uͤbrigen den geichehenen Geläbde 
genug thun koͤnnten. Die Lokrier folgten ben ' 
_ Wathe des Dionpfins, meil biefer zugleid den 
Vorſchlag gethan hatte, alle Männer ſchwoͤren zu 
laſſen, daß fie Feine ber hundert Jungfrauen be 
" züihren wollten: Als die ganze Schaar von Frauen _ 
‚und Jungfrauen beyſammen war, ließ Dionypfins 
den Tempel beſetzen, und die geſchmuͤckten Schoͤ⸗ 
nen ihrer Kleider berauben ). Zu einer andern 
Bett brauchten bie Lofrier gegen die Krotoniaten, 
mit welchen fie im Kriege waren, eine ähnliche 
Liſt, als wodurch Dionye fie berüdt hatte, Sie 
börten nämlich, - daß die Einwohner von Kroton 
den Gott zu Delphi um Rath gefragt, und auf 
- die Antwort: bie Feinde müßeen mehr durd; Ger _ 
übte, als durch Waffen Äbermunden werben f): 
denm Apoll den zehnten Theil der Meute vers 


ſprochen hätten. Um nun ihren Seinden ten Rang 


abzulaufen, gelobten ſie beinfelbigen Gott ben 

neunten Theil der Spolien, und hielten biefed Ges 

Inbde ſehr geheim, bamit fie nicht. wieder von ben 

Krotontaten überboten wärben, Die Me 
’ W rü ⸗ 


) Juin. XX. 3. J 
ib. RX. © 3. priun votie ‚haften, guam armia 


vincendos, 


8F 
| — — 235 
ruͤckten mit einer achtmahl ſtaͤrkeren Macht her⸗ 
an, als die Lokrier ihnen entgegenſehen konnten. 
Die Wahrrehmung ihrer geringen Zahl brachte 
die Lokrier zur Berzweyflung Die Verzwenflung 
befeuerte ihren Muth, und. der Muth, womit fie 


fochten, werfhaffte ihnen ben Ste. Ganz Grie⸗ 


chenlaud ſchrieb dieſen wundervollen Sieg dem. ber 
ſendern Beyſtand der Goͤtter, und dieſen Bey⸗ 
ftand der Goͤtter dem heimlich gethanen groͤßern 
Geluͤbde zu Man glaubte dieſes um deſto fe⸗ 
ſter, weil man anf ben behden Flügeln bes Lori 
fhen Heers zwey Juͤnalinge von außerortentlicher 


Größe anf weiffen Pferden kuͤmpfend gefehen hatte, ' 


die nach ber Schlacht verfhwunden waren, und 
weil der Sieg ber Lokrier an eben dem Tage, an 


welchem man gefochten hatte, in Korinth, Athen 


und Sparta befannt geworben: war g). 


Die Griechen und Römer mochten wuͤnchen, 


ober unternehmen, was fie wollten, fo opferten 
fie deu Göttern, aber gelobten wenigſtens, daß 


fin, wenn. die Götter ihre Wüofche erfüllten, und 
ihre Unternehmungen fegneten, Opfer und Gaben . 


bringen, oder Feſte und Spiele feiern wollten. 
Hierin ſtimmten alle Stände, alle. Geſchlechter 
und Alter zuſammen h), Die feierlihften Ge: 
lübte waren diejenigen, welche Feldherren im Ans 
fange von Feldzägen und Schlachten, oft mitten 
im gefabrdollen Raupe: und bohe Magiftrates 


ur Jafin. 1.e. 


A) Man ſ. Tomalıni lihram Gngalarom de denariis 
et tabmlis vouvis. Im 12. Bande de6 Thelaurii 
Ang. Rom, von Graͤvius. 


Pers 


—— 


\ 


J 


! q 


| | MPerſonen ber dem Antritt threr Aemter machten, 
um von ben Göoͤttern einen glorreichen Sieg, oder 


Did: unverrückte Dauer der Wohlfahrt des Vater⸗ 
Sande® und feiner Beherrſcher zu erlangen:i). Les 
brigens unterfchieden. ſich diefe felerlichen Geluͤhbe 


von ben. gewöhnlichen Geluͤbden einzelner Privat⸗ 
MPerſonen durch weiter nichts, als Durch die Größe 


ber Berneiffungen, welche man ben ®httern machte. 
Selbſt der Roͤwiſche Senat, ber Anderen rin gutel 


Beyſpiel hätte geben follen, ſuchte ben "Fupiren - 


durch tanfend Pfund Golides zu beſtechen, wie ihm 
fo gar ein Satyriker vorwarf ik Wenn bie Roͤ⸗ 


miſchen Magifirats » Perfonen im Begriff. waren, 
tn ihre Provinzen abzureifarz; fo ließen fie ihre 


Geläbbe in Gegenwart von Zeugen anffchreiben, 
und verfiegeltendiefe Schuld Berfchreibungen. Sols 
he aufgezeichnete, und mit Siegeln verfchene Gen - 
Kübde wurden vota nuncupata, et fignata ges 
nannt ). Man übergab- die gefehriebinen unb 


verſiegelten Geluͤbde ben Soͤttern, indem’ man fie 


mit Wachs an Die Starten, meiſtens an bie Knie 
ber Statuͤen Mebte m). Go lange jemand bad, 
2,0 | Ä . - . was 
i) Tomaf. e. :. 19.00, 
k) Petron. Satyr. p. 148. Ipfe Senatus, recti bon 
nique praeeeptor, mille pondo auri Capitolio 


promittere folet: et ne quis dubiset peeunianz 
soncupifeere, Jovem quoque peculig exorat. 


.)) Tomal, c. 3. p. 750. Niedeck p. 77. Beyde 

führen folgende Worte des Feſtus an: Vota nuncn. 

ta dicuntur, guae Coſſ. Praſtores, cum in 

rovinciam proficilcuntur, faciunt; es in ta- 
‚bulas praefentibas multis referuntur, 


mw) n. ec. Daher ſagte Juvenal Sat. X, 
Propter quae fas eſt genua incerare Deorumꝭ 





— — 237 


was er den Goͤttern verſprochen hatte, nicht lei⸗ 
ſtete, warb er als ein Schuldner derſelben anges 
ſehen, und voti reus genannt, Wenn aber das 
Verſprochene geleiſtet worden war, fo nahm man 
die Schuldverſchreibungen von den Knieen der Goͤt⸗ 
ter weg, und zerriß fie. Die Erfüllung von Ges 
luͤbden bezeichneten bie Römer mit. den Worten, 
vota teddere, folvere, diflolvere, perlolvere, 
exegoi vata, liberari votis. Hatte man. einen 
Altar, ober ein audereö Denkmahl gelobt, .fo bes 
merkte man auf den Inſchriften, dag. man fein 


Gelübde gern und um der Werbienfte der Götter 


willen erfüllt habe m). Erfüllte Gelübbe, die . 
auf die Erfüllung der Wünfce ‘won Gelobenden 
folgten, bießen vota rata. Won den Gelobenden, 
deren Wuͤnfche nicht erfüllt wurden ſagte man, 
daß fie aus ihren Geluͤbden herausgefallen fegen o)3 
ſo wie man von der Erfuͤllung der Wuͤnſche von 
Gelobenden die Formel votis damnari brauchte. 


Die Juden gelobten, wie die bielgöttifchen 
Woͤlker, bald Gaben und Opfer, bald unfhäds 
liche Enthaltungen, Woſes ließ dieſe Gelübbe 
beſtehen p); allein er traf boch mehrere Einrich⸗ 
tungen, wodurch biefenigen, bie ſich äbereilt hats 
. ten, erleihtert'wurben. Gelübbe waren nur alds 
dann gültig, wenn fie foͤrmlich mit den Lippen 
waren außgefprocdhen worden g). Wen es gereute, 

ir⸗ 


i E:nbenz merito, bene merentibts. Il, ce, Auch 

- Lomeyer de luft. c. 6. et Merula de facrif, p. 83. 
6) votie cadere, 

»r) Mid. Moſ. Recht Is f S. F 

| 2 w. Doll 3.5.7.9 10. V. 2a5 44.. 


I 


| 


ET re — 


4 


irgend erwas gelobt zu haben; der konnte ſich nach 
einer: mäßigen Schaͤzung lookaufen. Dieß war 
feibſt denen geſtattet, die ſich dem Heiligthume als 


Knethte gelobt hatten. Te mehr Moſes feinem 


VBolke die Gelübbe erleichterte, deſto ımerbittficher 


war er, wenn man feindliche Städte, oder Städte 
abgoͤttiſcher Juden dern Jehova gelobt hatte. Dieſe 
Geluͤbde, welche Cherem hießen, waren unerlaß⸗ 
Nr). Die gelobten Städte mußten vernichtet, 
and alles, was in denſelben Leben hatte, dem Zors 
ne des “Jehoon aufgeopfert werden. Der Jehova 


u Menn bie Menſchen alaubten, daß die Goͤt⸗ 


‚ter ihnen Meohlthaten erwieſen, ober Gefahren; 
und Uebel‘ ven ihnen abgewandt hätten; fo aaben 
fie ihren Dan? anfer Gaben und Dpfern meiftens 


auch durch Worte zu erfeunen. Wurden die Wors 


te des Danks nicht bloß ausaefprochen, ſondern ge⸗ 


fo entſtanden Danklieder, oder Dankgeſaͤnge. Die 
Dankgebete, und Danklieder waren ihrer Natur 
nach Lobgebete, und Loblieder. Die Dankenden 
prieſen die Macht und Gnade, womit die Goͤtter 


fie beglückt, oder errettet hätten; und was mar da 


natürlicher, als daß die Danfenben von dem, was 
fie ſelbſt erfahren hatten, zu den übrigen preiswuͤr⸗ 


digen Eigenfchaften, Thaten, und Begebenheiten‘ - 


ihrer erhabenen Wohlthaͤter übergingen? Man 
that. dieſes nicht: bloß aus Dankharkeit, ſondern 


auch vermoͤge der allgemeinen. Ueberzeugung, daß 


die 


G⸗ 


a 


der Juden war allerdings ein ſchrecklicher Gott. Ze 


‚ fungen, oder gar mit Muſik und Tanz begleitet; 


N 


7) 1II. B. M. 26. v. an Mic. Moſ. R. 14. 13 S. 


SEE (eu 
» - 
« x ” 
! 


— — — a39 


bie Goͤtter, gleich den Menſchen, an Schmeichel⸗ 
Mahmen, und Lobpreiſungen Wohlgefallen faͤn⸗ 
den 5). Die Griechen und Noͤmer brauchten nicht 
nur von allen Goͤttern und Goͤttinnen gemeinſchafft⸗ 
liche, fondern fie legten beymahe einer jeben Gott⸗ 
heit eigenthümliche Schmeichel s Wörter, oder Bey: 
wörter zu. Auch hier wandte man auf bie Goͤtter 
an, was man an den Menſchen erfahren, battes _ 


af zwar alle an Schmeicheleyen Bergnögungen 


faͤnden, daß man aber doch einer jeden Gottheit auf 
eine eigene, ihr am meiſten wohlgefaͤllige Art ſchmei⸗ 
cheln muͤſſe. Dieſer Wahn war unter den Griechen 


und Roͤmern fo herrſchend, daß fie ſich ſorgſaͤltig 


huͤteten, den vornebmften Göttern, und Goͤttine 
nen andere, als bie ihnen am meiften wohlgefaͤlli⸗ 
gen Nahmen, und Beynahmen zu geben. dene 
fie diefes thäten, fürdhteten fie, fü werbe ihr Gebet 
in Fluch verkehrt, und der Zorn der Goͤtter anf . 
eine ſchreckliche Art gereißt werden t). Die boss 
nehmften Schmeichel⸗Nahmen, und Bepnahmen, 
womit die Griechen und Römer ihre Götter. und 
Goͤttinnen anredeten, waren. folgende w): bie Seli⸗ 


Sn, ge u, 


H Euripides laͤßt in feinem Hippolyt die Venus 
felbft fagen: evası Yap dn xæy Iawv. [7:77 vods ri⸗ 
nAonacevo Kaıpzoıv aypmmiv Umo. 


J N Arnob. III. 43. ÜUsque adeo res exigit proptia- 
‚tim Deos [cirg, nec ambigere, nec dubitare de 
uniußcojusque vi, nomine; ut ſi alienis ritibus, 


et appellationibus fuerint invocati, et aures ha 


- beant obfiructas, et. piaculis nos terrcamt in- 
expiabilibus ‚obligatos. 


Ss 


u) Niedeck c. 3. p. 37. et a p. et —* I. c. 2 


et ſq. de formul. 


— 


I 


\ 


S_ 


N, 


gen, .ımb Milden x, bie Großen und. PAIFFFERG 
benn bie Beywoͤrter ber Sröfte- und Beſte wurden 
bloß vom Jupiter gebraucht y): die Könige, und 


Herren, bie Königinnen und Herrinnen 2): Wäter 


und Mütter a), bie Erhalter, bie Guten, bie 


Freundlichen, bie Gnaͤdigen und Schönen 5). Auch 


die Juden nannten ihren “jehovab ben Großen 
und Guten, ben Gerehten, ten Barmherzigen, 


unb Heiligen c). Manche DBenennungen, ober 


Weynahmen / von Göttern druͤckten nicht allein. feine 


MWorzüge, ſondern große Gebrehen, aber ſolche 
Gebrechen aus, auf weldye man glaubte, daß bie. . 
Gottheiten ſtolz ſeyen. Homer nennt die "Juno. 
fehr häufig die verfchmiste,, und den Wiars, den 
Menfheiwürger, und Städte: Verwuͤſter, fo wie 
die alten Scandinavier ihren Odin den Vater bei, 
Wuͤrgens, ven Verheerer und? Morbbrenner nann⸗ 
zn d). Die vornehmften Gottheiten der Griechen. 
and. Römer wurden meiftens. an jebem Orte unter. 
dom befonbern Nahmen, oder Beynahmen u. 


x) Aæxæapec, Beati, &yvas, Iperrupa, Almae, 
y) ntegni, et Magnae „ Maximi, ‚Optimus, max 


5 —* et Domini: Reginae ac Dominae, 


@) Patres Matreequc, 
8) Confervatores, Boni, Amici, propiut, pul- 


chri, 


.e) ib, | 
d) Mallet 1. 52. Le Pere du Carnage,, le depopu- 
Iatgur, lincendire, u. fe m  . 


in sar 


. ehrt e). Unter mehreren Voͤlkern waren die Nah⸗ 
nen bon gewiffen Goͤttern fo heilig ober furchtbar, 
daß fie dieſelben nicht auszuſprechen wagten, fd wie 
noch jeßt die meiſten Wilden fi nicht unterſtehen/ 
gewiſſe Thiere, oder verſtorbene Anverwandte bey 
ihren Rahmen zu nennen. "Die Phönizier, und 
beren Pflanzuölker deuteten ben Saturn durch den 

Beynahmen des Alten an; und mit eben dieſem 

Beynahmen bezeichnen die Sibtriſchen Heiden den 

Baͤren, deu fie ſich nicht ſchenen, umzubringen, 

wohl aber ihn ga nennen, wenn Meihm göttliche 

Ehre erweifen. B 

Bey ber alten, und allgemeinen Meinung: 
daß die Götter wicht weniger, als die Menſchen, 

Lobpreiſungen, und ſelbſt Schmeichelehen liebten, 

and daß elne jede Gottheit gewiſſe Mahmen, oder 

| Beynahmen, ober bie Erhebung gewiſſer Eigen⸗ 





ſchaften, Thaten, und Begebenheiten vor llen and. 


“deren gern höre, iſt es ſehr leicht zu erfiären, 


haupt, beſonders bie Lob» und Dank» Gebete, oder 
Lieder nichts, als Die Nahmen ober Bennahmen 
von Göttern enthielten, und warum man gewiſſe 
Gebete, über Nahmen und: Beynahmen Yon Goͤl⸗ 


tern fo oft wiederhohlte. So riefen bie. Priefter . 


des 

49 
0) Man fi Brillon. de formul, 1.98 el e. 
JIupiter unter den Beynahmen des Statoris, Fere- 


trii, Elieii, Fauni, Lucetii, Victorie,. itiviäl, 


‚. . ärbiträtoris, folpitatotis, lexvatoris, 
zatorid, fulminaturis, u (ei, ” 


ji 2 | 
J —* 4 .. \ .832 und Ch 
% 
Fun 
* 


Viminij; Fagutalis * Latiaris, Hercei, Ppituih 
P 4 


. 
. 


— 


9 ] 


warum unter fo vielen Voͤlkern die Gebete übers 


38. 


Igbe 


- — — — 
8X 


> : 
| 
2408 


bes: Daal dieſen Gott vom Morgen bis an den 


"Mittag unaufhärlid bey feinem Nahmen au f). 
Wenn die Kunfteichter auch wicht über dad Alter 
der fogenannten Orphiſchen Hymnen einig find; fo 


flimmen fie twenigftend in bem Urtheil zufammen, 
daß biefe Eleder um viele Jahrhunderte nach dem 


Ospbene im einem ben älteren Griechen fremden 
Geſchmack gebichtet worden, in dem biefelben faſt 


nichts, als die verſchledenen Nahmen, und Beh 


samen von Göttern in ſich faſſen. Die gewoͤhnli⸗ 
den. Gebete der Hindus beſtehen bloß aus ben 
Mahmen, und Beynahmen von Göttern, die ſehr 
oft wieberhohlt werben g). Die Mauren h), die 
Türken d), und die Perſer k), wiederhohlen ents 
weber bie Wörtes La illah, illah allah fo oft nad. 
fo laut, bis fie ſchwarz im Geſicht werden, und 
den Betenden der Athem vergeht, ober ber Diund 
zu ſchaͤumen anfängt; oder. fie zählen die Vollkom⸗ 
menheiten Gottes in eben fo vielen Beywoͤrtern 


. guf, und zwar jebedmahl mit dem Zuſatze: gelobt 


fey feine W.isheit, feine Güte, u.f. w. Im 
. Srabifchen find von dem Worte Alla, ober Allah, 
welches fo viel als dienen, verehren, anbeten., bes 
deutet, neun unb neungig Wörter abgeleitet, melde 
mau bie ſchoͤnen, die lichenowurdigen nennt. m 

on> 


, 
2 


f) 1. 8. der Könige 19. v. 46. 
..g) Rogers l, 16, 
‘h) Tally p- 9% 94. 


5) Joh 'Cotoviei Itiaer. Hicroſolym. e. 4. beym 
Niedeck p. gi. gea. nn 


u =) Chardia IV. p. 27% 


1 
2 — — — — AU. . 


\ 


fonderd haben bie Mahomedaner /) eine Sameu⸗ 
lung, von taufend und Einem Nahmen, und Beys. 
"nahmen ver Gottheit, wodurch bie Eigenſchaften, 
oder. Vollkommenheiten derfelben ansgedruͤckt wer⸗ 
den. Man nennt dieſe Sammlung einen Panzer 
oder Harniſch, weil man überzeugt ift, daß der 
innere Menfh dadurch eben fo Eräftig, als ber 
äußere durch den fefleften Harniſch geſchuͤtzt wer⸗ 
de., Dan has fie wach Zehnern abgetheilt, deren 
Jeder ſich mit einem Reime, oder doch mit einem 
abgemeſſenen Rythmus endigt. Das erſte Zehent 
lautet folgentergeftalt: O, mein Gott! Ich rufe’ 
dich bey deinem Nahmen an! O Gott! O Geber! 
O Goͤtiger! O Barmherziger! O ſtarker! O 
Großer! O Ewiger! O Weiſer! O Vergeber! O 
Heilender! Viele Menſchen tragen bie tauſend und 
Einen Nahmen, oder Beynahmen Gottes, ald 
einen Amulet auf der Bruſt, oder auf dem 
Arme. | 


Nicht weniger alt, und natärlih, als bad. 
Aneinanderreiben der Nahmen, und Beynahmen 
von Göttern, waren biejenigen Lob⸗ und Danke 


Gebete, oder Gefänge, In weldhen man bie Gotts. - 


beit durch die Verberrlichung ihrer Thaten, und 
Schickſale pries. Diefe Hymnen, melde der zu 
"früh verftorbene Snedorf fehr paſſend epifche 
nannte m), fanden ſich von ben aͤlteſten Zeiten F 
Zu | v 


2) Chardin1. e. Selden, 1. &, p. 66. 


m) de Hymnis vererum Graecorum feripſit Fride- 
rieus Snedorf, Hafnienßs Hafniao et Lipf, 1796: 
% pP 7. et ſq. 

— W Q 2 \ u — 


ı 


U — 
ſo wohl unter ben Vewohaern deb Orienis ale | 
vorzuͤglich unter den Griechen, und Roͤmern. "Die: 
Hinreiſſendſten unter Allen Lobgefängen waren une 
ſtreitig die eines Moſes n), eines David, und 
anderer Iſraelitiſhen Sänger vo); In Griecheddd 
laund hatte eine jede Haupt⸗Gottheit —*8 
Hymnen, die meiſtens mit eigenthuͤmlichen Nah: 
men belegt würden p); Zu ben kaͤglichen Morgen⸗ 
Gebeten Indiſcher Brahminen gehört unter ander 
ren Eins, in welchen gewiffe Wunder, vder wun⸗ 
dervolle Thaten des Viſten geprieſen werden —2 | 


"Da alle Boͤlker die Meinung hatten daß die 
Gottheit nichts umſonſt thue, daß man ihr ents 
weder etwas geben und leiſten / oder das eine, und 
das andere derſprechen muͤſſe, wenn ſie Wohltha⸗ 
ten erweiſen, und Uebel abwenden ſolle; fo mußte | 
man auch nothwendig ‘bald atif den Gedauken om - 
men ; daß die Gottheit nichts ungebeten thue, und‘ 
daß man alfo alled, mwas.man unternehme, mit 
Gebet anfıngei muͤſſe.  Diefet Getanke entwi⸗ 
ckelte ich fchon inter manchen ganz rohen Voͤlkern r). 
Unter den ärößeren Stationen war er allgemein sy: 
nirgend aber allgemeiner, als unter den Grieche 
"und Römern, unter welchen deßwegen alle Dichter, 
Red⸗ 


n) B. m. 2.6 7 .. 

0) 8. d. Richter V. 

p) Snedorfl. c. W | 
9) L ı7. Rogers. 
7) Georgi u. Oldendorp II. cc, 


53.2. unter ben Juden, und im Orient, Ouiram 
I. c. 15. p. 157 


— Zu. 245 


Nedner, und Geſchichtſchreiber ihre Werke wit 
der Anxufung irgend einer Gottheit, oder ber uns 
ſterblichen Goͤrrer überhaupt anfisngen. 2), Man 
fagte fo gar dem Caͤſar nad, daß er nah einem 
Unfalle, den er unter Weges erfahren hatte, ſich 
nie in feinen Reiſewagen ſetzte, ohne dreymahl ein. 
. „gewiffes Gebet auszuſprechen; eine Gewohnheit, 
die noch zu Plinii Zeiten herrſchend war m). u 


- Unter allen ungebildeten Voͤlkern ‚glaubten bie 
Opfernden, daß fie durch Opfer; diejenigen, wel⸗ 
che ſich Tuftrirten, daß fie durch Reinigungen; die 
Buͤßenden, daß fie durch Buͤßungen die Gnade der 
- Gottheit erlangen, und ihre Ungnade verföhnen 
Könnten. in gleiches fingen bie Petenden balb 
“an, von Gebeten zu hoffen, in bem man wähnte, 
daß man dadurch alles von ber Göttern erſchmei⸗ 
chelin, oder daß man fie ‚fo Tange durch Gebete ers 
mänen koͤnne, bis fie bie. Wünfche ber Bittenden 
erfällten. Um bie Gottheit zu ermuͤden, beteten 
die. Priefter per. Juten Stunden lana, fo wie die 
‚ Driefter. des Baal Stunden lang ſchrieen x). % ww. 
‚der Schlacht bey, Platan waren bie Gebete, und 
Opfer des Koͤnigs Pauſanias lange ohne Wir⸗ 
Zung. MB endlich die Gefahren Immer naͤber ber⸗ 

| ) an⸗ 


* 


| — Ten ' WE R v 
e) Plin, Xxvin., 9, ‚Brilon. de formalip I. 69. 0, 
u) 1. c. Cakfarzın 'Aktavorenh poſt unum ancipi- 
tem vehieuh cafım ferant femper, ut primum 
confediflet , quod plerosque nunc facere [eis 
“ "mus, carmine ter yepetito fecusitalemn Itinerum 
aucupari folttam, © 0" Mur 
2) Mathauso Vive 7: 1. B. der, Könige 18: Wo 26. 


271 


, 4 


249 Ä — — 
andrangen, , und dee König mit der groͤſten A 
brunft zu den Gdttern des Plataͤenſtſchen Gebiets 
Betete; Yo ließen. fi dieſe endlich erweichen. Die 
Eingeweide der Opferthiere verfünbigten Sieg, und 
das Griechiſche Meer fand muthig zum Kampfe 
Yo. wfy) Der Gedanke, duß man Goͤtter durch 
J Gebete ermuͤden koͤnne, war unter den Roͤmern fo 
Eu gemein, daß man ihn bey allen Arten Yon Schrifts 
41 Aftellern findet 2). Die. Heiligen unter ben erften 
\ Ehriften hatten ein gleiches Zurrauen zu ihren Ges 
‚beten. Der h. Martin fuͤhlte in feinem Gelfte a), 
daß die Seuche, womit ein gewiſſes Haus heimge⸗ 
“fücht wurde, eine göttliche Strafe ſey. Um dieſe 
Strafe, abzrwenden, betete, und faſtete er fieben 
Tage, und Naͤchte, bis die Wortheit ſich erweichen 
- JB, und fein Gebet erhoͤrte. Bey fo rohen Be⸗ 
| I ‚ berateichen ſchon die Ehriſten des vierten 


- ⸗ 
.-.. 


- 
en — ———— > 


ahrhunderes von der Gotthite, und vom Geber 
egten, hätte man glauven follen, daß fie früher 
dahin aclangt wären, das Gebet für die Summe 
be Religior zu halten, wodurch mon alle Tugen⸗ 
den und ha htetz erfeßen, und wlle Sünden büßen 
Fönne” Allein die Kathofifihe Klrche fing erſt Im 
zwölften Sera any don Gebeten und Alls 
6 | mo⸗ 


.y° Pintareh. II, 519: 500, 


u Niedeck p oʒ ‘8. Horst r. L 1.08, wi 
"Pen yon 
‚Virginee- —88* * audiontem 


Garming Voſtam. 
. Maeit. i. m. Hiß, Iguarun. interim ‚Hape .. 
— fatigabat alieni jam imperii Deoo. 


L . 0) Dising. Sntpit, Rev. BI. 0:14, w- ſuriin 
oo fentis obat, diving numine verberari, 





20 


7 


Tugend, und Froͤmmigkeit nicht gefährlicher hätte 
ſeyn koͤnnen. Wenn einem Saͤnder die Faſten, 
welche man ihm auflegte, zu beſchwerlich — 
fo verwandelte man bie Faſten in Allmoſen, unb 


konnte oder wollte er die Allmofen nicht geben, fo _ 


verwandelte man biefe in Yebete, und verband mit 
tem Herſagen von gewiffen Gebeten einen Immer 


ausgedehntern Ablaß 6). 


Alle, auch bie roheſten Wölker, alerbten, 
daß es Worte, und Charaktere gebe, wodurch 


man höhere Naturen ſelbſt wider ihren Willen 


zwingen koͤnne, dem Willen der Menſchen zu ges 


horchen. Allein rohe Völker hielten ſolche Woͤr⸗ 


thigen koͤnne, die Bitten der Menſchen zu erhoͤren. 
Von dem Augenblick an, wo man anfing, GSebete 
überhaupt für Beſchwoͤrungen und Zauberformeln 
zu halten, oder bamit zu verwechſeln, wurden die- 
. Gebete, befonder® tie Öffentlichen, und feierlichen, 


ter, und Zeichen für. Geheimniffe, bie blog ihren . 


Zauberern, und Beſchwoͤrern bekannt feyen. Ans 


rer ben größeren. Nationen hingegen fing man bald 


an, zu glauben, daß man durch Gebite Goͤtter 
nicht Bloß reißen, ober beivegen, ſondern auch nds 


fiehende, ober unveränderlihe Yormulare, von 
welchen man nichts wegzunehmen, und zu welchen 


man nichts zuzufeßen wagte, weil man überzeugt 
war, daß ihre ganze Kraft in ber Wahl, und 
Folge der Worte liege. Bon nun an betrachtete 


man es ald etwas durchaus gleichgültiged, mit 


” welqhen Frog nd VOR melcher Perſonen 


Ge⸗ 


⸗ 


5) pellicela ih 20 


- mofen einen Gebrauch zu machen der für die achte 


N 
, 
nenn erg 


ed 2... PBlereV 


54 
, 
22 fi „00. 
# > 1} 
2 
m. 


Eaete subgeferoden:. ja fo aan,.ob fie ansgefpene. 
de · ober nur ſouſt in Bewegung gefeßt wuͤrden. 


Man fand es im geringften nicht nothwendig, daß 
Gebete in einer verſtaͤndlichen Sprache, oder in 
——— Worten abgefaßt ſeyen. Vielmehr 
arqute man manchen Gebeten um deſto mehr zu, je 


„weniger fie Verftändlich waren. . Da bie Kraft von. 


Gebeten bloß von ber Wahl, und. Folge son Woͤr⸗ 
‚tern und Sylben, nicht von den Gefinnungen, und 
Perſonen der Betenden abhing; ‚fo betete man für 
Andere, ſelbſt für Verſtorbene, und ließ Antere 
für ſich beten. Man erfand Werkzeuge, vermoͤge 
‚beren man die Zahl der hergeſagten Gebete erfahs 


sen, ja fo ger fi bie Mibe des Vetens eigen 


Zounte, 


} Fa , 
.Alle Volter des Atierthume hatten he jebe 


Gottheit, für ‚jedes Feſt, für 1 jede gottesdienſtliche 
Handlung ftehende Gebetsformeln +). Unter als 


fen dieſen Völkern ifk keins, deffen Gebete, und - 


Art zu beten wir fo genau kennen, ald bie ber 
‚Römer und eben daher feße ich vorzuͤglich Die 
Eiurichtung der Roͤmiſchen Gebete aus einander, 
Diejenigen, welche im Nahmen des Volka beteten, 


mochten Prieſter, oder Magifirats :. Perfonen 
mi fe Wurfia fi durchaus nicht aus ber un | 


e Man f. Petit Leges Attic. p. a2ot. Galo ad, Jam. 


bliehum p. 295. Briffon, de Formulis I. .c.9 9% 
109 112 3 Niedeck c. 3 er 8. Plin. XXVHRL, 

aatt Quippe vietimas caedi fine pre- 
eatione npn videtur referre, neo Deos rite qon- 
ſun. Practorea alia ſunt verba impetrantis, alia 
! 0. "orja, alia commentationis. Vidimns cer 


tie ‚Prosstionibus oblecrafle fummoe magißrarue, 


> 


| Ä 


-. 


dee Herzens, oder nach ben Eingebungen ihres eis 


genen Geiſtes beten. Damit Fein Wort .ausgelafs 
. fen, . ober. unrichtig .auögeiprochen werde; fo las 
Jemand dem DBetenden bad Gebet nad einem ges 
fchriebenen Formular vor. Man beftellte. ferner 
einen Andern, ber Acht geben mußte, ob ber Be⸗ 
tende bie Woͤrte, bie ihm vornelefen wurden, rich⸗ 
tig nachſpreche. Ein Drittes forderte die Umſtehen⸗ 
ben auf, ba6 Geber ja nicht durch Gefpräche, wer 
nigſtens wicht durch fo genannte unglückliche Worte 
zu unterbrechen, ober zu entkraͤften. Aus Furcht, 
‚daß die Umftehenden bad, der ergangenen Aufforbes 


. zung nicht genau folgen, und etwas fagen möchten, 


. wa8 ber Rraft des Gebets entgegenwirke, muſte 
ein Trompeter. mährenb bed Gebets ‚blafen, weil 
man nach den Büchern. der Auguren annakın, daß 
ungluͤck liche Zeichen und Worte, melde man nicht 

vernommen habe, ohne nachtheilige Wirkung blies 


ben d). Fin einziges unglüc (iched, oder nur uns 


sichtige® Wort koͤnne, dachte man, auf der Stelle 
„ste ſchrecklichſten Wirkungen des goͤttlichen Zorns 
Be 2 Then 


og 


4) Plin. 1, e. Etne guid verborum praetereatur, 


aut praepoflerum dicatur, de feripte praeire 
aliquem, rurlusque allum cuftodem dari atten, 


dat, alium vero praeponi, qui fareri linguis 
jubest; tibiginem canere ne quid aliud exaudia- . 


. tur, .» In augurum certe difeiplina conflat, 
. @eque diras, neque ‚ulla aufpicia pertinere ad 
eos, qui quamgue rem ingredientes obfervare 
fe ea negaverint:‘ quo munere divinae induk 


gentiae majus. nullum ed, -Favere linguis bes 


‚ deutete bald, daß man ſchweigeu, bald, daß man 
.„.. Nine audere, 'ald gute uud ‚glückliche. Worte; aber 
‚ Reben vorbringen ſolle. Rriſſon. Lo au a 


Lv 


250 j — — 
Serworbringen,, fo tie oft durch einzelne Worte 
bie Schickſale ganzer Reiche beſtimmt würden e). 
Es gebe allerdings Worte und Gebete, fo wohl 
Unrbmiſche, als Roͤmiſche, wodurch bie Götter 
nicht bloß gereitzt, ſondern gezwungen wuͤrden; 
und ſelbſt Plinins war zweyfelhaft, melde die 
wirkſamſten ſehen f). Gerade deßwegen, weil es 
eine alte, und allgemeine Meinung war, daß bie 
Kraft der Gebere anf ben Worten bernhe, ans 
welchen fie beftünden; gerade bewegen erflaunte 
das Roͤmiſche Volk über die Kuͤhnheit des jüngern 
Scipio, als er bie Gebets s Rormel abänderte, 
welche er als Cenſor nach geendigtem Luſtro aud⸗ 
- fprechen follte. Er betete nit, wie feine Vorgaͤn⸗ 
-ger gethan hatten, daß die Götter das Roͤmiſche 
Bolt noch immer gluͤcklicher, und mächtiger mas 
chen, fonbern daß fie die Wohlfahrt deſſelben bauer: 
haft erhalten möchten 2). Die Römer wähnten. 
| fi, 


e) I. e. Utrague memorls infigni, quoties ipfae 
dirae obfirepentes nocuerint, quotiesve preca- 
tio erraverit, ſie repente extis adimi capita, 
vel corda, aut geminari victima flante . . . 
multi vero magnarum rerum fata et oftenta ver- 
bis permutari, 
‚f} Neque ef facile dien, externa verha atque 
ineffabilia derogent fidem validius, an Latina 
inopinata, et quae ridicula videri cogit animus, 
femper aliquid immenfum exſpectane, ac di- 
gnum deo movendo, imo vero' guod Bumini 
. Imperet, Zu den Zeiten des Arnobine brauchte 
man beym Opfern mehrere ganz fremde Worier: 


VII. 24. Quid, inqusm, fibl haec volunt apexa- 


bo, ißeis, Äilicermia, longavo? 
) Valer. Max. IV. c. 1. $. 10. No Africanus qui- 
‚ Sem pofterlor now de le tacere patitur: qui en 
u 9% 





— 


ſich, gleich den Griechen, im Beſitze Yon Gebeten, 
oder Formeln, wodurch fie die Götter noͤthigen 
Enten, bald gewiſffe Staͤbte, Tempel, und Sta⸗ 
tuͤen entweder gu verlaſſen, oder einzunehmen, bald 
zu befhügen , oder zu verfolgen, und za Grunde 
zu richten. Zu den erfieren gehörten die Formeln 
der Epocat!;n, und Einweihung, beren ich im Ab⸗ 
ſchnitt von den Bildniſſen der Götter erwähnt has 


am ein 251 ) 


be: zu den letzteren, die der Deiligung, und Mers - 


fluchung bh). Es laͤßt fih kaum eine größere Ver: 
blendung denken, ald dieſe, daß nicht bloß gute, 


fondern felbft böfe Menſchen im Stande ſeyn ſoll⸗ 


ten 


for, quum lufirum. conderet, inque folito fieri 
“facrificio [criba ex publicis tabulis ‚folenne ei 
‚precationis carmen praeiret, quo dii immoria- 
jes, ut populi Romani res meliores ampliores- 
- que facerent, rogabantur: fatis, inquit, bonae 
et magnas funt, Itaque precor, ut eas perpe- 
tno incolamtes fervent. Ac protinus in tabulis 
pubiseis ad henc modum carmen emendari juf. 
is. Qua votorum verecundia deincope capld- 
zes in condendis lafiris uſi fant, ’ 


Aah Bravme glaubte, freylich unrichtig, day Confe- 


eratio nur von Dertern, Plaßen uud Aeckern, de- 


dicatio, von Tempeln, Altären und Statiien ara 


‚brancht worden ſey. Man fa Erneli Clar. Cic, 


in Voce conlecratin, Nichts deflo weniger mare 
es gut geweſen, wenn man die Peiligung von Din⸗ 
gen, wodurch man ſie den Goͤttern zum Eigenthum 


— 


uud Schutze übecgab, von der Weihe, oder Eins 


weihung ber Tempel, und Gtatien von Göttern 


unterfehieden bitte. Ueber Die Leges dedicatio- 


- nie ſ. man Brillon. 1, 194. über die formulas di- 
rarum, exfecrationum, et devotionum, id, I, 
384 0, Weber die Heitigung yon Elis, Plataa und 


Be Yolyb, I. 73. Piutarchi Il. 329. ' Than 


eyd. 1, 74 111, 50. \ 


— — —— — 


— — 


2452 — nz 


ten „. oermoge. gewiſſer Worte und Gebeinche b6s 


here Naturen zu Werkzeugen ihrer Rache gegen 


Unſchuldige zu machen, und wenn. fie ihre, Gefine 
‚nungen aͤnderten, pie Götter fa gleich nom fernen 
Schabenthun.abzuhatten i . So bald „bie Decige 


ſich ſelbſt verwünfdt hatten, fo konnten die Götter 
nicht umbin, fie. zu vernichten 2). Das ganze 


Roͤmiſche Volk mar überzeugt, daß. Ste HMiederigs 


‚ge des Craſſus eine Folge der. Verwuͤnſchungen 


ſey, weldye der Tribun Atejus gegen ihn audges 


ſtoßen hatte I); und ſelbſt der Ngturforſcher Pli⸗ 
nius ſagt von ſich, und feinen Zeitgenoſſen: daß 

ein Jeder ſich vor gräßlichen Berwinfgungen 
‚ fürdte m). | 


Die weniger gebildeten Shrißen, ünb Maho⸗ 


miebaner haben noch jetzt vom Geber dieſelbigen 
Vorſtellungen, wie die Griechen und Roͤmer hat⸗ 


ten; und man darf ſich alſo nicht wundern, daß 
die, Yintys und and:re ‚heibnifche Wolter in Afien 


fi wicht zu .rie-tigenen Begriffen erhoben. : Die 
Spanier und Portaraieſen in den Amerlcaniſchen 


Colonien denken ginnt einmahl Baran , zu dem wah⸗ 


‚ven Gott zu Beten m), ſondern ſie worden fi oin⸗ 


und allein an die Muster Gottes und andere 
Hei⸗ 
Ü) Ueber bar Inn dueben Son Zerniisfhungen fa 
man meine verm. Kihriften HIT, 20% Sr 
k) Livins VIH. 69. 10. X, 28. 
2) Plutareh. II]. p. 440. nl 


an) XXVIII 9. Defigi widem —ER 
nemo non metuit. 


n) Krerier P. 419-006, et p. Sn bel aa 


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Heilige. Wenn ein Heilkaer ein Gebet nicht zur 
rechten Zeit erhoͤrt; fü’ erflären fie, daß fie ihn 
sicht weiter auruſen tollen d), und beten zu einen 
andern. Eben ſo flehen fie, wenn bie Mutter 


Gortes Hort‘ Beroe Carmel, ober vom Roſen⸗ 


cranze, vber Yon ber Wauͤſte an p). Der Gotted⸗ 
niert der Spanier und Portügiefen beſteht vorzuͤg⸗ 
lich in dem Beten des Mofehcranges g). Sie mur⸗ 
mein ihren Rofeneranz ohne tie geringfte Andacht, 
murten unter den ſchluͤpfrichſten Gefpräden, und 


ſeibſt in der Meinung bet, daß ber Roſencranz 


ihnen in ihren." verliebten Unternehmungen helfen 


an einem Altar, ober anf Dem Kirchhofe eins 
Cloſters zu finden, weil fie hoffen, daß jie als⸗ 
dann um deſto mehr Antheil an ben Gebeten ber 






o) ib. p. 248. 
) De la Solsdad l,c, \ 


q)1.e p. Ag: WI ſemble, que töut fe teduit atı 
 zolaire „ ,'s !- — 


5 ib, p. 419. 423. j’ai ſouvent teinafqus, qu’ile 
y comptent anufh pour la reuffite de leurs intri- 


werte r) Sie flirten nicht bloͤß Seelen Meffert -. - 
für ſich und bie Ahriach 5), fonbern machen auch 
groß? Vergubungen, um ein Grab entweder nahe 


ues ainouveufes - - - ils nisrniotteilt fonvent - 


© . za&mie leur chapelet, en eonreflant de #holes, 
qui ve [ont gueres compstibles aveö de pieux 
xercices, ' nn. ' 


N 


.) Ueber. den Urſprung der Gesten Meilen, Pelliccia F 


| er 5 1. 285. 


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Gottes von Bethlehem nicht hilſt, bie Mutter | 


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254 \ — 


Glaͤnbigen haben erben 2). Wir follten hie 


Sparniſchen uud Portngiefifhen. Chriſten nicht auch 


N 


glauben, daß man durch Gebete felige Geiſter 
herablocen, oder herabnoͤthigen, und böfe Geifter. 
vertreiben u): daß man durch Verwuͤnſchungen fos: 
wohl ganze Völfer, ald einzelne Dienfchen dem Zorne 
ter Gottheit und ber Heiligen übergebeg, fo wie durch 
Segnungen alle Arten von Uebeln abwenden, und 
ſelbſt lebloſen Dingen uͤbernatuͤrliche Kräfte mitthei⸗ 
Ien koͤnne? Glocken und anderes hzriliges Geraͤch, 
Waffen und Kriegszeichen wurden vicht bloß im 
Mittelalter x), fendern werben noch jeßt, mit 
unzähligen anderen Gegenſtaͤnden unter dag mei⸗ 
ſten Chriſtlichen Voͤſkern eingeſegnet; und mie 


lange mag es ſeyn, daß ber große Haufe ſelbſt 


anter ben aufgeklaͤrteren Nationen anfers Erd⸗ 
theils zu glauben aufgehört hat: durch das Laͤuten 
ben eingeſegneten Glocken könnten Hagelwetier, 

und Blitzürahlen, Sturmgeiſter und andere Infts 

maͤchte abgririeben, ober-. befänftigt. werben? 


Die unerleuchteten DMahomebaner. haben vor . 
ben unerleuchteten Chriften weniaſtens Einen uns 
Iängbaren Vorzug, daß fie nämlich nicht bloß In 
ber Einſamkeit, fondern auch an öffentlichen Plägen, - 
und in großen Gefellfhaften mit einer Sammlung, 
ober 


t) p. 496, lc, plas ils fe font enterrer proche de 
’autel; plüs ils partieipent aux ſuſffrages des 
prieres des Fideles, . . 


u) Coreal I, 79. 8r. 


&) Man-f. Caffel im Alten und Neem der Herzage- 
thlimer Bremen und Verden II. ©. 351, St. Pa: 
| kayo J. 62 P. \ 


= — —— 235 
oder Jabruuſt beten, die durch nichts, ſelbſt nicht 
durch ploͤtzlich anſcheinende Gefahren zerſt reut wird y).. 
Gin anderer Vorzug iſt mehr ſcheinbar, als wirk⸗ 
lich, dieſer nämlich: daß ſie ſich In ihren Gebeten 
unmittelbar nur an Gott wenden, und daß weder 
des Koran, mod) tie Ausleger bed Korans Gchete 
an bie Heiligen gerabezu. vorfchreiben 2). Der 
treffliche Beobachter, ber dieſes erzählt, kann 
nicht laͤugnen, daß die Mahomebaner unzählige, 
Mahle den Mahomed, Ay, Haſſein und aus 
dere Heilige anrufen. Es laͤßt ſich kaum andere 
denken, ald dag ber große Haufe der Muſelmaͤn⸗ 
ner biefes in eben der Abficht thur, in welcher es 
die mngebildeten Chriften thaten, oder noch thun: 
usb nicht bloß deßwegen, weil die Gottheit es 
befohlen habe. — 


Uebrigens halten die Mahomedaner mit den 
ungebildeten Chriſten dafür, daß man taͤglich eine 
gewiſſe Zahl von Gebeten verrichten muͤſſe, wenn 
man fi) nicht die Ungnade der Gottheit zugichen 
wolle, und bag man fi ber Gnade der Gottheit 


- um 


y) Chardin IV, mo. je ne puis m’empöcher de 
dire encore une fois, gne la priere des Maho- 
anetans Se fait avec une reverence inconcevable, 
et qu’on ne pent regarder l'attention, qu’ils y 
apportent, le Zeile, et l’humilite, dont ila Pac- 
compagnent, fans admiration. Ils ne remuänt 
pas les yenx, .. Ils prient Dieu à voix'entre-- 
conpe&, tantöt bas, tantöt haut, tantdt d’efprig: 
fenlement; mais tout cela eſt & ponfe&, fi exact, 
fi recueilli, ‚quiallurement ils noas font la der- 
niere honte â nous autres Chrötiens. Ferner 
Guys 1. 474. Lettr, Edif, IV; 274. 454. 456 


2) WV. 191, 0m. Chärdin, * u. 


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256 mund “ ui 


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um deſto waͤrdlaer mache, je mehr Gebete man 


uͤber die geſetzliche Zahl bete 0). Nach den ses’ 


genden ber Mahomedaner machte ihr Prophet fi 


zuerſt gegen die Gottheit anheiſchig, daß feine Au⸗! 
hänger alle vier ‚und zwanzig Stunden zu funfjtg' 
verfchtedenen Mahlen beten follten. « Auf die Vor⸗ 


tkellungen ber älteren Prophetem, did vor ihm ers 


ſchienen waren, erſuchte Mahomed tie Gottheit, ! 


"saß fie doc um der menfhligen Gebrechlichkeit“ 


willen etwas von ber Zahl furfzlg erlaffen wolle. 
Die Gottheit feßte die fünfzig Gebete auf dreyßig 
herab. Es zeigte ſich aber ſchon bey der Vers’ 
theidigung don Medina, daß auch drerfig täge' 
‚ Vice Gebete zu viel feyen, Indem die Gläubigen 
“prch die Gebete beftändig in ihren kriegeriſchen 


Arbeiten unterbrochen wurden. Mahomed trug‘ 
dieſes der Gottheit vor, und brachte fie dahin, 


daß fie Yon den mahren Glaͤubigen nicht mehr, 


als fünf tägliche Gebete verlangte, bie am Mor⸗ 
gen, um Mittag, Nachmittags, Abends und-vor 


dem Schlafengehen vertichtet werden follten. Da 
es Reiſenden, Kriegern, und anderen ſtark be⸗ 
fihäftigten Leuten nicht ſelten unmöglich wird, ſelbſt 
diefe fünf Gebrte zu den borgefchriebenen Zeiten 
u verrichten; Te haben die Schriftgelehrten meh⸗ 


zere Mittel erfunden, bie. Pflicht des. Betens zu 
. erleichtern: vorzuͤglich badurch, daß fieedfürerlaubt 


erklaͤrten, zwey Gebete auf eiumahl zuſammenzu⸗ 
nehmen, und die Zeit des Betens um mehrere 
Stunden zu anticipiren, ober zu verzoͤgern. Die 
frommen Mahomebaner begnügen, ſich nicht mit 
‚ ben" flinf gefeglichen Gebeten, fondern vermehren 
fie nad dem Maaße ihrer Froͤmmigkeit mit einer 


&) Chatdin 1, €, p. it eilg 


‚dee 


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0ER — — M__. 


nn 
kleinern ober groͤßern Zahl: uͤberverdienſtlicher Ges 
bete, ‚die ſtets mit ben gefeßlichen zufammenges 
betet werden. Mur das Gebet der Mitternacht 


wird einzeln gehetet, weßmegen man auch dei 
größten Werth daranf legt 5): - 77 


Der Inhalt, fo wohl. der geſehlichen, als 
der uͤberverdienſtlichen Gebete ift immer derſelbige, 


ausgenommen, daß nicht ſtets eiherley Stellen 
bes’ Korans abgelefen, oder hergefagt werben c); 
Mur an befonderen Feten, vpder bey beſonderen 
Gelegeuheiten hält man außerordentliche Gebete) 


die von ben gemöhnlicden abweichen: Die Betend . 
den wiederhohlen die Worte, aus welchen vie vr⸗ 


dentlichen Gebete beſtehen, mehrs ober wenigrre 
Mahle, je nachdem fre bloß gefcßliche, uber außer 
den gefeßlichen auch überverdienfiliche Gebete ver⸗ 
richten. Um bie Zahl der Wiederhohlungen zu 
meflen, brauchen die Mahomedaner Rofencränze, 
deren Kugeln meiftend aus heiliger Erde gemacht 
find, die von den Gräbern uroßer Propheten ges 
nommen worden. . Die Rofeneränze der Mahome⸗ 
daner enthalten nicht immer eine aleich große Zahl 
von Angeln. Die gewöhnliche Zahl iſt neun un® 
neunzig, inter, welchen ber Megel nach die drey 
und dreyßigſte, und ſechs und ſechszigſte etwad 
‚größer, als die Übrigen find. Die Betenden fas 


gen bey den erfien drey und dreyßig: O großer, 


Gott! bey den zwehten: Ruhm gebührt dem 
großen Gott! ben ben drittens Gott fep gelobt! 
Zu den Zeiten ber Creutzzuͤge lehrte Peter der 
a Ä Ein⸗ 
53IL. c. p. 112. 113. 
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258 — — 


Einſiedler zuerſt dieCreutzfahrer nach ſolchen 
Inſtrumenten zu beten, dergleichen die Mahome⸗ 


daner hatten, Ganz allgemein aber wurden dieſe 
Werkzenge in der Abendlaͤndiſchen Kirche erſt durch 


den heiligen Dominicus, der vorgab, daß die 
Mutter Gottes ſelbſt ihm den Roſencranz als ein 


herrliches Gnabenmittel übergeben babe. 


Die Mahomedauer mögen bie geſetzlichen Ge: 


bete fo inbruͤnſtig und genau, als moͤglich, und 
der uͤberverdienſtlichen ſo viele, als nur immer 


“möglich, gebetet haben; fo glauben fie doch mit 


ihrem Propheten, daß alle dieſe Gebete vergeblich 
feyen, wenn fie nicht in dem Anzuge, der Rich⸗ 


sung, den Stellungen und tagen, mit ben Bewer 


gungen dee Hände und der Arme, mit einer fols 
hen. Sauberkeit des Eörpers und des Bodens, 
wie fie. im Koran vorgeſchrieben werden, gebetet 


‚hätten a4). Auch Mahomet alſo dachte ſich ben 


einzigen wahren Gott als einen ſtrengen Herrn, ober 
eigenſinnigen Beherrſcher, der ſeine treueſten Knech⸗ 
te, oder Unterthanen verwerfe, wenn ſie ihm nicht 
alle die aͤußeren Beweiſe von Ehrerbietung gaͤben, 


welche er als Herr und Koͤnig verlangen koͤnne. 


Weil 


q) l. e. p. 114. Les Docteurs Perfans difent, qu'il 
y a huit dilpoßtions requifes a l’orailon: ſix 


interieures, - - et deux exterieures; l’une, la 


nettete du corps, et de tout ce, qui y touehe, 


- et qui l’environne; l’autre, le gelte du corps. 
Or par le gefte du corps ils entendent beau- 
coup de chofes, - =» - - comme d’£tre tuurne 
vis -&« vis de la Mecque, le mpuvement des 
bras et des mains, le proflernemen: du corpe, 
et celui du front contre terre, 


ma m". m. 


, — — 259 


. Weil ‚nun bie Mahomebaner überzeugt find, 
dag Gott ‚eine gewiſſe Zahl von Gebeten zu be⸗ 
fimmten Zeiten bey Androhung feiner Ungsübe 
fosdere: daB er um deſto mehr Gnade erweiſe, 
je mehr Gebete man über bie geforderte Zahl bete: 
daß man aber auch nur al6dann feine Schuldigkeit 
thue, und ſich Verdienſt erwerbe, wenn man ges 
nau fo bete, wie ber Prophet ed nach göttlichen 
Befehlen vorgefchrieben habe; fo bleiben fie, we⸗ 

nigſtens die Ängftliben, immer äwenfelhaft, vB . 
ſie ihre Schuld richtig abgetragen, ober fich fo viel 

Verdienſt erworben haben, als fie fich hätten et; 
werben mögen. Wegen dieſer Ungewißheit Fan: 

fen fie bey ihrem Leben häufig bie Gebete von. 
anderen Frommen und machen Stiftungen, daß 

nach ihrem Tode, ober dem Tode ber Ihri⸗ 
gen im Nahmen ber Einen, oder ber Anderen ges 
betet werde eo). Es gibt unter den Mahomeda⸗ 
niſchen Schriftgelehrten Einige, welche behaups 
ten f), baß bie Gebete für die Verſtorbenen nur 
ben Sebenden müßten, weil es ein Gott gefälliged 
Merk, fey, ſich der Verſtorbenen auf eine liebreiche 
Art zu erinneri. Allein bie meiſten Ausleger bes 
Korans ſtimmen mit dem allgemeineit Glauben ber . 
Mahomebanifchen Voͤlker zufummen: daß man 
durch Gebete die Qudalen ber Verdammten lihs 
bern, und die Seligkeiten der Erwaͤhlten echehen 
Ä — u⸗ 


6) le. p. 155. Iis engagent des gens ponr eela 
durant leur vie, et apres leur mort, a faire la, 
priere accoutumée pour euk; en leur Abm, et 
en leuf-place, etc, 


Hai a — 
Rs. 


— 


260 = - — — 


koͤnne. Diele Mahomedaner beſachen die SEynege⸗ 
gen der Juden und, Chriſten, tim an den Gebeten 
der Frommen unter Beyden Voͤlkern Theil zu neh: 
men g). Eben fo häufig geſchiehtt es, daß fie 
die Rollen von Papier, oder Pergament, welche 


fie als Amulete zu tragen pflegen, nicht blog mit _ 


Sprüchen bes Korans und, den Gebeten von Mas 
homebanern,. ‚fondern au mit den Gebeten von 
ſolchen Juden und Chriſten beſchreiben laffen, die 
in dem Rufe der Froͤmmigkeit ſtehen. Es iſt 
einleuchtend, daß man keine richtige Begriffe vom 
Gebet unter ſolchen Voͤlkern habe, wo man ans 
nimmt, daß tie Gottheit eine beftiminte Zahl von 
Gebeten verlange: dag man durch eine größere 
Zahl von Gebeten die Gnade der Gottheit unfehls 
bar. erwerbe: daß es beym Beten auf etwas ans 
ders, als auf den innern Werth und die Gefins 
ungen der Beenden ankemme: daß man für Ans 
bere beten, und don Anderen für fi ich beten laſſen 
koͤnne. 


1 


So falſch und roh auch die Vorſtellungen der 


Chriſten und Mohammedaner waren, fo kommen 


ſie doch bey weitem nicht den Vorſtellungen der 


Hindus, der Thibetaner und ber übrigen großen 


heidniſchen Nationen. im füblichen und oͤſtlichen 
Afien gleich: welche man mit Recht als die aus 
berſte — der Verkehrtheit im Beten anſehen 
kaun k). Auch unter andern Voͤlkern glaubte 
man, 


. 8).Poiret, 1, 130. 


A) Ueber dad Beten der Hindus Aogers . €. 16. 
Beorgi’s Ruſſ. BÖLL 464 ©. Exout- Vedam I, 


‘ 


8 





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.ı .e * , 
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man, ober mochte man glauben ; was die Hin⸗ 
das behaupten, daß man but) gewiſſe Gebete 


-  unb Gebräude, befonder& durch das Herfagen der 


Nahmen und Beynahmen von Göttern, ohne Ruͤck⸗ 
fiht auf Leben und Geſinnungen, eine endlofe Ges 
Tigkeit nadı dem Tode erhalten, ober verfchaffen 
Fönne. Allein man hatte fonft nirgend dad Herz, 
geradezu zu erklären, vo das Aus ſprechen des 
Nahmens Eines Gottes feine übernatärlichen Wirs 
kungen hervorbringe, wenn man es auch in der Ab⸗ 
ſicht thue, ſeiner zu ſpotten, wie die Hindus von 


dem Ausfprehen des Nahmens des Diftun vor⸗ 


geben i). Einige Gebete der Hindus beftehen aus 
ganz unverfläntlihen, oder vielmehr finnlofen 
Worten und Sylben; und gerabe biefe Zauberfors 
meln find ed, welche fie Gremben am mwenigften 
wiittheilen, aus Furcht, bag ihnen alsdenn ber 
Kopf zerſpringen möchte N Unm ber Wirkung 
ihrer ‘Gebete gewiß zu ſeyn, mieberhohlen bie 
Hindus dieſelben fehr oft; und damit fie bie Zahf 
ber Wiererhohlungen genau erfahren, laſſen fie 
bey . jedem . Geber eine Kugel, oder Eoralle an 
ihrem Paternofter, oder Mofencranze fallen: ein 
Werkzeug, welches fie nit nur allen Nationen 
des oͤſtlichen und. ſuͤdlichen Aſiens, ſondern auch 


wahrſcheinlich den erſten Mahomedanern mitge⸗ I 
| we Born | fo wie aberhaupt ven den T as 


€ 


9 rg Dee Thibetaner und Ealmmeen, Georgi MW 


phab. Thiber, p. 248. 442. Pallas Keen, I. 


Lepecbin 1, 280. Der Tunlinefen, _ 


2. 35Ar 
"  "Dampier IH, 91, Der Ehinefen ,- DobeS, 20% 
» Esonr- Vedam I, a . — 


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a, — — . ... 


21 | , 


444 — 


J homedaniſchen und Indiſchen Gehraͤuchen beym 

| Keten eine kaum zu. verkennende Aehnlichkeit ift. 2), 
2. Mag follte.eh kaum für möglich halten, dag man 

| in Ruͤckſicht auf Beten noch gröblicher irren könne, 


‘ 
\ “ 


268 die Hindus; und doch gingen, bie Schüler der 


. Oinbuß, die Thibetaner und. übrigen Lamaifhen 


Voͤlker noch um einen Schritt weiter. Die Hins 
dus beten für Andere, und laſſen Andere für fid 
bitten, fo mig bie Bewohner von Hinter Indien - 
das ‘Beten, gleich anderen heilen des Goͤtter⸗ 
hienfked, ihren Prieftern überlaffen. Die Thibe⸗ 
faner und Calmycken finden auch biefes noch zu 
hefchmerlich, aber zu koſtbar. Sie fchreiben das 

ber. ihre Gebete auf Streifen von wollenen Zeus 
‚gen, befefiigen dieſe an Stangen, und richten bie 
Stangen quf eine ſolche Art auf, daß bie mit Ges 
beten. beſchriebenen Streifen vom Winde bemegt 
werden. Untere ſtecken ihre Gebete in ausge 


Bu böhlte Cylinder, durch melde bewegliche Mäder - 


‚ gehen. Wenn biefe Mäder, und vermittelfi ber 


Mäder, die gefpriebenen Gebete umgebreht wer⸗ 

ben; fo bilten fi bie. Lamaifchen Wölter ein, 
daß, bie Götter die bewegten Gebetäs Formeln 
ſcchon leſen werben. | | — 


—Eyx yerhielt ſich urſpruͤnalich mit ben Gebe⸗ 
ten, wie mit ben Opſern, Feſten m. ſ. ‚w. Die 
einen, wie die anderen, waren lange unbeſtimmt. 
So wenig die erſten Menſchen an gewiſſen Tagen, 
und in gewiſſen Stunden den Goͤttern zu Ehren 


epferten, oder Feſte felerten, To wenlg betéeten fie 


uch. Vielmehr wandten fie ſich im eher an hör 
SI Here Naturen fe oft fie noranglichee Släc, Me 


ine 


{ 
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— —— 263° 


Ungfüd erfahren Hatten, ober das eine wänfdgten, 
und dem anberen zu entgehen ſuchten, ober endlich 
burch ungewöhnliche Erſcheinungen getroffen wor⸗ 
ben waren. Auf dieſe Art beten die meiften Wils 
ben in allen Erdtheilen, felbft viele Neger⸗Boͤl⸗ 
fer m). Die älteften beflimmten täglichen Gebete 
waren die Diorgens Gebete, in, welchen man ents 
weber bie aufgehenbe Sonne, ober andere Gotthei⸗ 
ten um Gegen für bie Gefchäfte des bevorſtehenden 
Tages aurief. So beten manche Neger alle Mor⸗ 
gen, aber nit zu anderen Tageszeiten; und auch 
die Griehen, und Römer beteten ohne Ausnahme - 
Morgens zu ben Göttern n). Auf die Morgen⸗ 
Gebete folgten zunaͤchſt die regelmäßigen Abend⸗ 
Gebete, die ſich {don unter einigen größeren Mes 
gers Matienen finden, und auch unter ben Gries 
hen und Roͤmern ſehr gewöhnlich waren o). Um 
aber täglich mach oͤſter, als zweymahl, ober gar fo 
oft zu beſtimmten Zeiten zu beten, wie bie Hindus, 
unb Mahomedaner thun p), mufte man die Vers 
gleiäung der Gottheit mir unumſchraͤnkten Be⸗ 
beyrfchern gleichfam vollendet, und aus biefer Sen 
Bu 0 | glei⸗ 


m) Oldendorp I. 325. | 
a) Niedeck c. 9% P.99 101. Oldendorp 1. c. 
Die Römer glaubten den Göttern eben fo, wie die 
Clienten ihren Patronen, Morgend aufwarten zu 
- müfler Manche erfchienen zu diefen Aufwartun⸗ 
en früher, als die Tempel aufueichloffen wurden, 
Senec. Ep. 95. Vetemus falutationibus matuti- 
nis fungi, et foribus afldere temploram: hu- 
mana ambitio iflis ofliciis capitur, I 


0) ll. cc, _ 
9) Rogers uud Chardin ll, cc, 


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gleichimg ben Schluß grzogen haben, baf bie Bott 
heit durch Lobpreifungen, und Aufwartungen nie: 
gefärtigt werden Ehnner. daß flesan beyden um deſto 
mehr: Wohlgefallen- finde, , je öfter fie wiederdoblt 


— — — — 
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würden, 


Da man annehmen barf, daß Fuiſchen bie er⸗ 
fen, und allgemeinſten Götter ber Menſchen was, 


ven; fo kann man auch voranbſetzen, Daß bie er⸗ 


fin Menfchen fi beym ‘Beten dahin wandten, wo 


fie ihre Götter vor ſich fahen, ober wenigftens 
glaubten, daß ſie gegenwärtig ſeyen. Erft mit 
der Ontftehnng des Sternen s Dienfted, befonderd 
ber Anbetung ber aufgehenden Sonne, ſcheint ed 
unter den groͤßern Voͤlkern Sitte geworben zu ſeyn, 


ſich bey allen Gebeten, und fetbft bey anderen gots: 
teöbienftlichen. Handlungen gegen Morgen, oben: 
Stationen des alten 
Orients, unb nach ihrem Beyſpiele bie Grishen: 
und Möıner. waren beym Beten ohne Ausnahme; 
genen Dften gekehrt q ), Gerade. Begwegen, weil. 
olfe Heidniſche Völker gegen Diowgen betsten, muß⸗ 


Aufgang zu richten. Die. 


ten die Juden die entgegengefeßte Richtung gegen 
Abend beobachten, Yon welcher Richtung fie nuv 
alsdann abmichen, wenn fie.in. Abgoͤtterey zuruͤck⸗ 
firln nr). Die Mahomedaner mäffen fi während 


des Betens gegen Das heilige Haus zu Mekka wen⸗ 
top) Dieß Heiligühum liegt den Mahomeda⸗ 


nern, 


* 


g) Taeit, Hin. IT. 6. 94 et Ibi Tip Niedech 


€ 82, P. 19ä, et fg. p. 
7) Niedeck 1. c. p. 197; 
s) Chrdin l. . 





| —— 265 

nern, die in den weſtlichen Reichen Aſiens wohnen, 
gegen Süden, wohin alſo auch bie Betenden ihr 
Antlitz richten. Ganz anders, verhält es ſich mit 
den Mahomedanern, die im ſuͤdlichen Aſien oder 
Afrika, und felbft in den ſuͤdlichſten Gegenden von 
Arabien leben. Well nun vie Mahomedauer in. 
ben verfhiedenen Theilen ber Erde ſich nach einem 
Puncte hinrichten, muͤſſen fie beym Beten noth⸗ 


wendig den entgegengeſetzteſten Himmels⸗ Gegenden | 


zugewandt fiehen. Es’ war ohne allen Zweyfel 


bloße Nachahmung der benachbarten mahomebanis : 


fhen Zataren, daß die Heidniſchen Wogulen ſich 
beym Beten gegen Suͤden wandten ). 


So bald Fuͤrſten von ihren Unterthanen, oder 


bdie Reichen und Maͤchtigen von ben Geringeren ver; 
langten, daß dieſe nur auf eine gewiſſe Art -gepußt: ' 


unb gelleibes vor ihnen erfcheinen därften; ſo fin⸗ 


gen die Völker an, zu glauben, daß die Götter” 


ähnliche Gorberungen machten, oder ähnliche Er⸗ 
wartungen hegten. Das Aeußere, unter welchem 
die Verehrer der Goͤtter ſich dieſen naͤherten, war 
verſchieden nach der. Verſchiedenheit der Geſinnun⸗ 


gen, und Abſichten ber Betenden: anders, wenn 


man den Goͤttern ſeine Dankbarkeit und Ehrfurche 
bezeugen, anders, wenn man ſie erweichen, und 
verſoͤhnen wollte. Unter allen groͤßeren Voͤlkern 
hielt man es zuerſt fuͤr unumgoͤnglich nothwendig, 
daß man weder im. Gebet, noch in anderen religioͤ⸗ 
ſen Handlungen zu den Göttern anders, als mit 
einem ſaubern, oder geſaͤuberten Coͤrper hinzutreten 


doͤrfe Eben baher afngen. unten allen u | 
⸗ 


) Georgi .e, | 
” Niedeck €: 12 Ghardin and Key N, eq. 


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266. ⸗ ne; — 


Völkern vor dem Gebete Reinigungen her. eis 


nizungen waren and) unter ben Griechen amd Rös 


mern fo unzertrennlich mit Gebeten verbunden, dag, 


menu fie irgend eine grobe, ober unserzeibliche Uns 


ſchicklichkeit ausdruͤcken wollten, fie don dem, ber 


‚gefehlt hatte, zu fagen pflegen: er habe etwas 


‚ mit ungewafchenen Händen, und Füßen unternoms 


men. Die Völker des Morgenlandes, und nach 
ihrem Benfpiele, bie Griechen. und Römer bedeck⸗ 
ten von jeher, und bedecken noch jeßt beym Beten 
ihr Haupt, entweder mit Capußen, bie fid an. . 


- ben Gewaͤndern fanden, oder mit. Müßen, oder 


endlich mit turbanartigen Binden, und Eraͤnzen x). 
Die Römer entblößten anfangs, gleich anderen ur: 


ſpruͤnglich⸗ Europdifhen Völkern, ihre Haupt, 
. wenn fie fi den Göttern, ober foldyen Menſchen 


naheten,, denen fie Ehrfurcht bewetfen wollten. In 


ſpaͤteren Zeiten ahmten fie ben Drientalern, und 


Griechen nah, und verehrten bloß den Sarurn 
mit eutbläßten Haupte y). Die Perfer verhülls 
ten. fo gar den. Mund, wenn ſie zu bem göttlichen 


Feuer beteten, aus Kurt, die Meinkeit biefer- 


Gottheit durch ihren Athem zu beflecken. Auf 
gleihe Art verhoͤllen fig. die Thibetaner, wenn fie 
or den Keiligften unter ihren Buͤßern nieberfale 
len 2), Die Kleidung der Vetenden war unter den 


Orientalern, auch unter den Griechen und Römern, 
glei ben Bedeckungen des Haupts, mehr fauber 
I le = | wu 


a) Niedcka 


u ?) Fintarch, in quaoſt. Romanis Oper, VI, y9- 
. P 


2) Man fe die Zeugniffe inden Abſchnitten nom Feuers 
Dienſt, und von Bißungem * 


\ 


wer —— 





me 967 


web demuͤthig, als prächtig: ensueben ganz weiß, 
ober bon befcheidenen Farben a)... Gelb die vor⸗ 


nehmften Mahomebaner legen beym Beten alle ihre 


Prachtkleider ab, und behalten nichts, als ein 
weiſſes Hemd an, Äber melden fie bey kaltem Wet⸗ 
ter einen einfachen, mit Laͤmmerfellen gefütterten 


Pelz bermerfen laſſen 4). Jn ſchwarzen, aıy 


alten, und zerlumpten Kleibern erſchien man blog 
aldbanı , wenn man die Götter ber Unterwelt vers 
ehren, ober zürnende Götter ermeichen wollte c). 
Zu ken allgemeinſten Merkmahlen ber Demäüthis 
puus nor den Göttern gehörte bie gaͤnzliche Ent⸗ 
loͤßung ber Fuͤtze, oder menigffens das Ahlegeg 
ber Sandalen und Schuhe, momit man bie Fuße 
gewoͤhnlich zu bedeckan pflegte d). Die Vrabmi⸗ 
ven ziehen fo gar ihr Oberkleid aus, unb-Iegen ca 
auf. bie Schulter, wenn fie in das Alleyheiligſte 


der Tempel gehen wollen. 


Ehen die Geſinnungen der Demuth, und Abs 
ficaten der Demüthigung , welche die größern Voͤl⸗ 
ter auch buch ihre Kleidung zu erkennen: gaben, 
drückten alle Nationen durch natärliche Geberden 
aus: entweder durch das Niederwerſen bed ganzen 
Coͤrpers auf die Erde, ober durch das Nieberſchla⸗ 
gen ber Augen, und das Senken des Haupts, over 
durch das Hinſmken auf bie Aniee, ober durch bad 
Aneftrecken der Arme und Haͤnde, bie unter eini⸗ 

| Ä gen 


@). Niedeck e. 14, 
3. IV. 115, Cherdia, 
e) c, 14. Niedeck, 


al,ch . 





‚gen Voltern in formliche, oder Anbehufige Umarz 
mungen äbergingen: 


De allgemeinfte natürliche Ausdruck der De⸗ 
muͤthigung vor höheren Naturen, wie vor unum⸗ 
ſchraͤnkten Beherrſchern, war das Niederwerfen 

bes ganzen Gbrpers auf die Erbe. Selbſt die ro: 
hen Wogulen berährten vormals, wenn fie fih an 
ihre Götter wanbten, ehrfurchtsbou die Erde, und 
die Lappen warfen ſich, ſo bald ſie ihren Opfer⸗ 
platz erblickten, nieder, krochen zu ber heiligen 
Staͤtte hin, und blieben waͤhrend des Gebets mit 
bem Gefichte auf der Erde Liegen e).: Niederwers 
fungen zue Erde während des Betens waren vor: 
mahls eben fo wohl unter ben “Tuben, als unter 
den Hetbnifchen Voͤlkern des Drients, und find 
jeßt noch unter ben Mahomebanern und Morgens. - 
landiſchen Chriften nicht weniger, als unter ben 
vielgoͤttiſchen Nationen des fühlichen, und oͤſtlichen 
Aſiens gebraͤuchlich 5). Auch die Griechen 
RG 


r 


*) Bogſtroͤm ©. 203. Georgi's Beſchreib. Ruff, 
” Voͤlterſch. & 13. 


u; Nach der Weife feines Volks fiel € eiftus auf fein | 
Antlig nieder, und betete. Matthaͤi c. 26, v. 39. 
Dieſem Benfpiele folgten bie erften Chriften, Nie- 
deck p. 177. €. 17. Ueber die Niederwerfungen 
der Mahomedaner, Chardin IV, 120. Guys I, 4% 
Lettres Edif, N. E. IV. 274; 4654. 458. 
Hinbus, ib, und Rogers I. c. 16. auch Taver 
nier Il. p. 334. Ueber die Riederwerfungen der 
Koptifchen Chriften, und Mönche in's bejgndere 
n- —* p · 205. im fünften Bande ber Letir, Edit, 


x 


— — | ’ 269 


X 


Rsömer warfen fi) Häufig bey dein Eintreten in eis 
‚nen Tempel, oder bey der Berührung des Bodens 


eined fremben Landes zur Erbe nieder, an. bie 
Gottheit des Tempels, oder bie Goͤtter bed Lan⸗ 
bes anzubeten g). Wenn die alten Miorgenlänber, 


"bie Griechen and Römer ſich nicht ganz zur Erbe 


warfen, ſo fchlugen fie wenigſtens die Augen nies 
ber , und fenften ihre Häupter 4). Mur bey ben 
Aubetungen ber Sonne, und der himmliſchen Götz 
tee richtete man die Augen, und das Geficht ges 

gen den Himmel empor si). oo 


Das Nieberfallen auf bie Rniee war, wenn 
auch nicht fo gemein, ald dad Niederwerfen des 


‚ganzen Coͤrpers, body fehr .hänfig unter den vers 


ſchiedenſten Völkern. Die Einwohner von Hispa⸗ 
niola ; welde Columbus antraf, Enieeten vor ih⸗ 
ren Ööttern A), tie noch jeßt die Meger beym 
Beten thun /). - Die Aegnptier ehrten dur 
Knieen ihre Götter , wie ihre Könige, und baren 

\ . ers 


— 


g) Niedeck I, c, 


A) Die Kinder Iſrael neigeten fi) vor. dem Jeho⸗ 
vah, und bereten ihn an. 11. 8. M. IV. 3. es 
hovah unterfaate Ihnen, ibr Haupt nicht vor Der 
Sonne, dem Monde, und dem übrigen Öternens 
heer zu beugen. V. B. M. 4. 19. Senec, Quaelt, 
Natur. VII, 30. Si intramus templa compoſiti, 
-fi ad lacrificium acceſſuri vnltum ſabmittimus, 
togam addncimus, ſi in omne argumentum 
modefliae fingimur, ete. 


iy v. B. Moſes 4. 19. Niedeck p. 170. 
By) Itinerar. [ecund. Chriſtoph. Columbi p, 66. 
3) Oldendorp I; 325: 


’ 
Ed . . » \ 


20. — — 


Vertraute m). Die Griechen und Römer ließen 
ſich beym Beten bald auf beyde Kniee, bald nur 
auf Eins, entweder das Rechte, vder bau Linke 
nieder n). Die heutigen Diahomebaner zuhen vor⸗ 
züglich auf ihren Knien, wenn fie ihre Anbetun⸗ 
gen verrichten, und die Erde mit ihrer Stirn bes 
rühren 0). Die fo genannten Proftrationen hinges 
gen nehmen fie fiehend vor, indem fie ben Cörper 
‚ faft bis in die Gegend der Kniee herabbeugen, wos 
bey fie ihre Hände auf bie Lenden flügen p). Die 
erften Chriſten beteten häufig Enieend g). Im 
. ‚vierten und fünften Jahrhundert kunieete man nicht 
an Sonntagen und am Pfingfifefte, meil das 
Knieen ein Zeichen von Reue und Buße, nicht von 
Freude und Dankbarkeit ſey r). Die Juden burfs 
ten fi) eben fo wenig, als die heutigen Mahome⸗ 
daner, beym Beten hinfeßen s), weil ber Wohl: 
fand ed von jeher im Morgenlaude Par 


E } 
. 
3 . 
- . | 
ne 7 —— —— — — — — —— 


m) i. B. M. gr v. 43. 
) Niedeck p. 180. 181. 
a) IV. 190. Chardin. | 
"p) \..c. Mais pour l'inclination da corps, qui ef 
la profßtration proprement dite, elle fe fait &tant 
debout, droit [ur [es pieds, appuyant les mains 
‘ forle devant des cuifles, et penchant le corps 
fi bas, que la tete vienne presque aux gendux, 
et en [e relevant droit, et elevant les mains en 
I hat, j 
9) Nieder S. 181. 188: bat die Beyfpiele Ans den’ 
_ Büchern ded neuen Teſtaments gelammelt. 
:r) Niedeek p. 182. 183. Hofp. de feſtis Chriſtian 
p. 20% u 
5) Niedeck p, 186. Chardin 1. c, 


‘ 
\ 


— 275 


daß Unterthanen ſich in Gegenwart ihrer Beherr⸗ 
ſcher, Clienten vor ihren Patronen, Weiber, Kin⸗ 
der und Knechte vor ihren Maͤnnern, Vaͤtern und 


Herren niederließen. 


Im alten Orient wie im alten Griechenlande 
und Italien druͤckten von undenklichen Zeiten her 
Unterthanen ihren Beherrſchern, Knechte ihren 
Herren, Frauen und Kinder ihren Maͤnnern und 
Vaͤtern Ehrfurcht und Ergebenheit dadurch aus, 
daß fie ihnen entweder bie Hände, ober die Aniee, 
und den Saum ber Kleider, ober endlich die Füße 
kuͤßten. as Untergebene ihren Vorgefeßten thas 
ten, dad thaten tie Menfchen überhaupt den. Goͤt⸗ 
tern. Sie kuͤßten alfo entweder die Hände, oder 
die Kniee, ober bie Fuͤße der Bildniffeder Götter; _ 
nicht felten die Schwellen , und Pfoften der Tem⸗ 
pel, aud bie Erte, wenn fit entweder vach langer 
Zeit in ihr Vaterland zuruͤckkehrten, oder in einem 
fremden Lande glücklich anlangten 2). Die feeyen 
Griechen, und Römer erlaubten fi fo gar, dab - 
Kinn und den Mund von Statuͤen zu Eüffen, und . 
eben daher gefchah es, daß dieſe Theile an beruͤhm⸗ 
ten Statüen durch das häufige Küffen ein wenig ab» 
gefchliffen waren u). Wenn man entweder nicht 
die Zeit harte, oder es nicht wagte, fi den Göts _ 
teen zu nahen, oder wenn man die Götter nicht ers 
geichen konnte; fo fügte man bie Hand, gleichſam 
um den Goͤttern die Küffe zugumerfn. Hiob 
ruͤhmte von fi, baßer die Sonne, und den Mond 

nuicht auf dieſe Art betehrt habe x). Die Roͤmer 


6) Niedeck c, 25. p. 234.. et lg. p- 
u) I. c. p. 154. | | 
3) Cap. XXXL . a6 97, 


\ 
! a 


. — —— TRITT 


nann⸗ 


— — — — —⸗ 
’ 


27% EZ eine — — 


nannten ſolche Kuͤſſe oſcula labrata. Es if merb⸗ 
wuͤrdig, daß in allen Orientaliſchen Sprachen fo 
wohl, als im Griedifhen und Lateinifchen die .- 
Wörter, ‚welche Anbetung bezeichnen, vom Küffen. 
hergenommen, ober abgeleitet worden find y). 


Miicht weniger natuͤrlich, als bie bisher er⸗ 
waͤhnten Aeußerungen ber Demuth, der Ehrfurcht; 
und Ergebenheit, war das Ausſtrecken ber Hände 
‚und Arme, wodurch man bie zoͤgernden Wohltha⸗ 
ten, und in großen Noͤthen, die ſchleunige Huͤlfe 


der Götter gleichſam herabzuziehen ſuchte. Da 


ſelbſt die kalten Americaner bey ihren Gebeten, 
und Anbetungen Haͤnde und Arme emporheben 2); 
fo kann man mit Redit erwarten, daß alle übrige - 


Voͤlker der Erde ein Gleiches gethan haben, ober 


noch thun a). Die- Griechen and Römer umarm⸗ 


“ten haͤufig nicht bfoß die Altaͤre, oder Anice, fons 


tern die Statuͤen ber Goͤtter ſelbſt, und. benetzten 


Li 


ſie mit ihren Thraͤnen, ſo mie Römerinnen in den 


Zeiten. von greßen Noͤthen die Lempel. ber. Goͤtter 
mit ihren Haaren reinigten )). Ä 


Weniger natürlich, ‚und alſo aud) weniger ges 
mein,’ und übereinfliimmen®, waren bie übrigen 


Bewegungen ber Hände, und des Cörper& beumt 
Beten, und Unbeten. Die Römer hoben beym 


‚Bes. 


y) Mignot in. ben Memoires de PAcademie des In- 
Teript. XXXVL 88. etfQ,p , > Br 


z) Carver p. 67. Lettr. Edifiant VII. 19. N. E. 
a) Niedeck c. 71. p 203 et lg. - u 
b) Niedeck c, as. et sg, Polyb, IX, 6. 


\ 
⸗ 


_ El u ar. 
mb Beſchwoͤrer einen gewiſſen Fleck gleichfam hei⸗ 
ligen, oder feindſeligen Beſchwoͤrungen, und Zau⸗ 
berwerken unzugaͤnglich machen wollten s). 


Je genayer man die Natur bes Gebets ken⸗ 
nen gelernt hat, deſto Leichter wird ed, die Ar |! 
ſichten, und Einrichtungen des Eibes unter allen , 
Völkern der Erde zu beurtheilen. Der Eipwar. +, - 
anter Teiner Nation dad, was er nach ben Aus⸗ 
fprücen einer richtigen Vernunft, ober eines er⸗ 
Lauchten Chriſtenthums feyn follte #). Er befiand * . 
vielmehr allenthalben in einer feierlichen Aufforde⸗ 
rung bed Zorns, oder der Rache höherer Naturen 
gegen die Schwoͤrenden, wenn biefe entweder die - 
Wahrheit wifentlich verhehlen, oder die Unwahrs 
- heit wiffentlich fagen, oder gegebene Berfprehuns 
‚gen wiſſentlich nicht halten würden. Die Auffor⸗ ' 
derungen ber göttlihen Mache gefchahen bald in - 
Worten, bald durch gewiffe Handlungen, meiftens 

Ä n 


s) Pennants Voy. to the Hebrides II, 15. 


8) Der ehrwürdige Böhmer fagte in feinen Prin- 

-eipiis juris Canonici G. 399 - 332, Jusjuran- 
dum eft afleveratio religiola, qua quis deum A 
invocat tanquam teflem veri, et vindieem,: fi 
feiens fefellerit, - - Vis et poteflas jurisjuran- . 

 di’conßftit in invocatione dei in tellem_et’vin- 
dicem> - - In invocatione dei in teflem et. 
vindicem perperam quaeritur execratio: aliud- 
enim eft, fe fubjicere vindietae divinae, quod 
Chrißiani ef; alind vero Gbimer aliisve mala 
decernere, quod elle debet. a religione Chri- 
ftiani alienum, - - Juramentum cui junguntur - - 
“ exeCrationes,” vocatur execratoriun, quale ſo- 
let eſſe jusamentum'Judaeorum, 


* 


N. 
f 


\ 


was ſie ehren wollen, beſonders als, was ‚ihren. 


Königen angehört, über den Kopf erheben, oder 
über bem Kopfe emportragen. 


Unter den Merkmahlen der Andacht war mir 
I; Feine laͤnger raͤthſelhafter, als diejenige Bewegung 


poris nannten. Die Griechiſchen und Roͤmiſchen 
Schriftſteller fuͤhren das Umdrehen des Eorpers 
als eine bekannte Sache an, und die beruͤhmteſten 
Alterthums-⸗Forſcher fellten die Zeugniffe der Als 
ten neben einander, ohne ben Urfprung, und bie 
Abficht ber gottesdienftlichen Umdrehung des Coͤr⸗ 





| pers befriedigend zu erflärenh). Diecircumactio 
corporis beftand unter den Griechen, und Römern‘ 


darin 5), daß DBetende, nachdem fie ihr Gebet 


| ” “verrichtet hatten, und bevor fie anbetend zur Erbe 
N 


fielen, fih breymahl Yon ber Rechten zur Linken 
| rn amd rechten, anftatt daß die Gallier biefelbige Um: 
— drehung in entgegengeſetzter Nichtung von der Un⸗ 
iv Ben gut Rechten vornahmen k). Babefäch 


“ 


„ e) Erafinu⸗ Chil. I. Cent. I. in proverbio! ado- 

rato circumactus. Niedeck c. 24. Pithoeus ad 

cap. 9. Suet. Vitae Vitellii, ‘Brillon, de formülis 
I. c. 58. 

0 Unter den Symbolis der Pothagoreer war Einst 
mpoouuvey wepıdspspevos. Nach ber Erzählung 
welche Plutard von der Circmmactio Corparis 

. macht , I. 277. 512. 873. follte man glanben, daß 
vieler heilige Brauch nur den Römern eigen he⸗ 
weſen ſey. 


‘a Plin, 28. e. 8, In adorando Bent ad ofen 


lum refetimus, _totumque eorpus eircumagi- _ 


mus; 


des Coͤrpers, welche die Römer circumactio cor- 


a 





N 


u 23... 


befchränkte fich die circumactio corporis bloß auf 
ein dreymahliges Umdrehen des Görpers um feis 
- nen Mittelpunct ,. fo oft die Gegenſtaͤnde ber Ans 
betung nicht aegenmwärtig waren, oder eine fokhe 
Sage und Stellung batten, daß man fie nicht ums 
gehen konnte. Wenn aber ein Umgehen Gtatt 
fand, fo breiten fich die Betenden, und Anbetens 
den nicht bloß dreymahl um, fonbern umgingen 
dreymahl die Statüen ober Ultäre, zu melden, 
und dor weldhen fie beteten, ober anbeteten. Das 
dreymahl Umgehen war von undenklichen . Zeiten 
her in Afien ein heiliger Brauch, ben ınan fowohl |. 
bey ben Anbetungen der Götter, als ber Könige 
beobachtete : faft gewiß in d.r Abſicht, um alle bie f 
Beſchwoͤrungen, oder Zauberwerke aufzufangen, 
welche auf die einen, und die anderen fallen koͤnn⸗ 
‚ten, und gleichſam einen heiligen Kreis um. die⸗ 
felben herzuziehen. Wenn bie Brahminen Mor; J 
gens ihren Goͤtßßen geopfert haben, fo gehen fine ; 
nigftens dreymahl, "bisweilen noch öfter um denfel: 
ben herum, und werfen fich eben fo oft mit ausges | 
ſtreckten Armen zur Erde nieder /). Auf eine glei: 
he Art, nämlid) durch ein dreymahliges Umgehen, 
‚und Niederwerfen, ehrte man vormahls bie Rds“ _ 
nige von Perfien, und faft gewiß alle übrige Koͤ⸗ 
‚nige des Drientd m), Auch die Juden umgingen 1 
den Altar, und andere heilige Oerter von der Died | 
Ä Ä DE 7) 


nm. 


nn | 
müs: quod in ‚laevum fesifle, Galliae religios 

‚ua credunt, u 

H Rogers 1, c. 16, 

g m) Della Valle Ill, Zei, 


S 3 v 
1 r 
y ! 


lige Umhergehen im Kreiſe, woburd Zauberer, 


— 


l 


1 R " . 
- - » 
376 .. m mein . ' ut \ \ 
. , . , : - 
> 


gen müßte, fie dofjelbe doc von dem Roͤmiſchen 


Volke aufihn ableiten möchten; . fo wandte er ſich 
dreymahl um, wobey er fiel, was die Umſtehen⸗ 
‚den für ein fehr traurige Zeichen: hielten p). Di: 
‚tellius trug die Anbetung, weldye man bisher den _ 
Göttern allein ermiefen hatte, zuerft auf ben Cali⸗ 


gula über g). Das dreymahlige Umgehen erhielt 
fidy ‚ohne Zweyfel unter. den nachfolgenden Roͤmi⸗ 


ſchen, und Griechiſchen Kaifern. Woher anders, 
als aus einer Nachahmung diefer Sitte, folltedas - 
‚fogenannte Berennen des Kaiſerlichen Lehnſtuhls 
entſtanden feyny wobey die Vaſallen dreymahl um 


das Geruͤſt ritten, auf welchem ber Kaiſer ſaß r)? 
Eines gleichen Urfprungs fdeint mir das dreymah⸗ 


und 


n) Niedeck 1, c, p. 250, 

0) Plutarch, I. 277. 

» I, 310. 13, Plut, Tevr, srav, xufurep eri —* 
æÆiolę EIG BREVERKEVOIG - Ka wpeCKUvgCReW ei 


defın afslırrav „ scoQaiy apıspefopssos. Li- 


vius V. c. ar, n 


| 0) Sueton. in Vitellio €. 2. Idem Miri in adu- 


:  dJando ingenii. Primus C. Caelarem adorari ut 
deum inflitait, cum rever[ns ex Syria non ali- 
ter adire-anfus ellet, quam capite velato‘, cir- 
chmvertensgtre de, deinde procumbeng.: — 

r) Schmidts Geſch. der. Deurfch. VII. 167 ©. 


— 


teen zur Linken n), "Die Römer gaben das Umdre⸗ 
hen des Coͤrpers beym Beten und Anbeten für eine . 
Einrichtung des Numa aus 0). Als Camillus 
nach der Croberung von Veji die Goͤtter bat, daß, 
wenn auf dieſes große Gluͤck irgend ein Unfall fol⸗ 


v 


\ 


"und Veſchwoͤrer einen gewiffen Fleck gleichſam hei⸗ 
ligen, oder feindſeligen Beſchwoͤrungen, und Zau⸗ 
berwerken unzugaͤuglich machen wollten 5). 


Fe genaner man bie Natur bed Gebets ken⸗ 


nen gelernt hat, deſto leichter wird es, die Ab⸗ 
ſichten, und Einrichtungen des Eibes unter allen 
Voͤlkern der Erde zu beurtheilen. Der Eid war 
unter keiner Nation das, was er nach ben Aus⸗. 
ſpruͤchen einer richtigen Vernunft, ober eines er⸗ 
lauchten Chriſtenthums ſeyn follte t). Er beſtand 
vielmehr allenthalben in einer feierlichen Aufforde⸗ 
rung des Zorns, oder der Rache hoͤherer Naturen 


gegen bie Schwoͤrenden, wenn dieſe entweder die 
Wahrheit wiſſentlich verhehlen, oder die Unwahr⸗ 


heit wiſſentlich ſagen, oder gegebene Verſprechun⸗ 
gen wiſſentlich nicht halten wuͤrden. Die Auffor⸗ 


derungen ber göttlichen Rache geſchahen bald in 
Worten, bald durch gewiſſe Handlungen, meiſtens 
in 


s) Pennants Voy. to the Hebrides II, 15. 


4) Der ehrwürdige Böhmer fagte in feinen Prin- 
-cipiis juris Canonici G. 329 - 338. Jusjuran- 
dum efi afleveratio religiola, qua quis deum 
invocat tanquam teflem veri, et vindicem, fi 
feiens fefellerit, - - Vis et poteflas jurisjuran- 
di conſiſtit in invocatione dei in tellem_etvin- 


dicem> - - In invocatione dei in teflem et. 
vindicem perpöram quaeritur execratio: aliud 
enim eft, fe fubjicere vindictae divinae, quod 


Chrißiani ef; alind vero Gbimet aliisve mala 


decernere,. quod elle debet: a religione Chri- 


4 [5 = 217: 


fiani alienum, - - Juramentnm cui junguntur - - 


execrationes, vocatur execratorium, quale ſo- 
let elle jusamentum Judaeorum, 


„IB. ee 
in i Worten uud Thaten zugleich. Die Aufforderun⸗ 
| gen mochten. gefchehen, wie fie wollten; fo glaubs 
ten alle Voͤller, daß die Gottheit dadurch ‚zum 
Zorne gegen die Meineidigen nicht bloß. gereißt, 
ſondern —— wurde; und man hielt daher 
r Eide fo fehr, als irgend eine andere Art von Ges 
betew, befontend von Fluch⸗ Gebeten, für Bes 
Pwörungen, oder Bauber ⸗ Formeln, welchen 
ſelbſt Götter gehorchen müßten u). Alle Völker 
.  Sloffen, und. beſchworen eher Bündniffe mit andes 
ven Völkern, als fie orbentlide Gerichte, und 
_ &erichts » Drbnungen hatten; unb man darf bahen 
auch annehmen, daß Verfprehungs Fide aller 
fepen, als Verſſcherungs⸗ Eide. | 


& tie man von dem Herfagen ber Nahmen, 


—— alle Arten yon Segnungen erwartete; 

mußte man nothwendig alle Arten von Uebeln 

fürchten, wenn man bey ben Mahmen ber Goͤtter 

faͤlfchlich ſchwor; wenn man bie Götter feierlich 

als Raͤcher des Meineides aufrief; wenn man ihs 

ren heiligen Nahmen durch Meineit eatpelbte * 
ge 


) Diefe Vorſellungen waren den Juden mit allen 
— uͤbrigen Voͤlkern des Alterthums gemein. Zeho⸗ 
pah ſelbſt beſchwor nicht bioß dad Bindniß‘, was 
er mit Abrabam geſchloſſen, oder dad Veiſpre⸗ 
den, was er demſelben gegeben batte, ſondern er 
ef fiid fo gar deim Durchwandeln durch die 
alften nefchlachteter Opferrhierg: Gen“ KKIV. %, 
AXVI. 3, Stäudlin ig der hiltoria jurisjur. biblieg, 
die das 1 Programm er 1805. qusmachte 
4.: offenbar um fich ſelbſt adutch unmiders | 
Fe zu binden. ſeh # 


/ 


md Beynahmen von Göttern in den Lob⸗ und 


— 


= 


— — 285 


Haare ohne Bedenken hir. Sind ſi e es ridt, 
ſo geſtehen ſie gleich ihren Febltritt. Untreue 
Weibtr, die Haare aus einer Baͤrenhaut anneh⸗ 
men, wuͤrden nach dem Oſtiakiſchen Volksglauben 
unfehlbar in drey Tagen von eben dem Baͤren 
zerriſſen werden, deſſen Haare ſie durch einen Meins 
eid befchtmpft haͤtten y). An den Huldigungs⸗ 
Feſten, wo die Oſtiaken den Eid der Irene in Ge⸗ 


genwart ihrer Woiwoden ablegen follen, breitct 


man eine Bärenhaut auf der Erbe aus, läßt 
einen jeden Schwörenben auf biefe Haut hinfigen, 
kaͤlt ihm außer einem Belle ein Stud Brot auf 
‚ einem Meffer vor; und laͤßt in dann folgende Worte 
nachſprechen: auf den Fall, dag ich meinem Herru 


nicht treu bleibe, ober mich wiffentlich gegen ihn - 


empoͤre, möge mich diefer ‘Bär zerreiflen:. bieß 
Stuͤck Brot, was. id eſſen werde, möge mi 


erſticken: dieß Meſſer möge mich umbringen, -unp. 


dieß Beil mir den Kopf abſchlagen 2), - Unter 
_ ‚ven alten Seythen ſchlachteten diejenigen, bie don 
Maͤchtigeren Usrrecht gelitten hatten, und zu ſchwach 
waren, ſich ſelbſt Genugthuung zu verſchaffen, einen 
Ochſen, kochten das Fleiſch, und ſetzten ſich dann 
auf bie Haut hin, um ihre Freunde und Bekannte, 
ober anbere Freunde ber Gerechtigkeit zur Huͤlfe 
aufzufordern a). Wer ſich entfchloß, dem tt 
tenden beyzuftchen, trat auf bie Ochſenhaut, auf 


. wilder: der Bittende faß, und legte baburch bep ' 
beiligſten Ei; ab, daß er aus allen Kräften. hel⸗ 


fen 


9 ebrand pꝛ 44. 


u 2) Muller fur les moeurs des Ofliakos p. —2* A. 


'#) U. 2 Lucian in Toxari. 


nl „3 


Ei Vu. ⸗ 
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"andere, als ihre Kinder haben wolle d). Als 


‘ 
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Faſt noch öfter, als bey den Göttern feldfl, 
ſchwor man bey heiligen Dirigen, deren Entwei⸗ 


hung durch Meineid Die Götter, wie man glaubte, 


nothwendig an den Meineidigen ahnden wuͤrden, 
and ahnden muͤßten. Selbſt die Jnden fingen 


in ſpaͤteren Zeiten an, bey dem Himmel und der 


Erde, bey Jeruſalem, und anderen heiligen Or⸗ 


ten, ben dem Tempel und wor bem Altar bes 


Tempels zu fhwören a). Die Schwörenden bes 
Aruͤhrten ſtets bie heiligen Dinge, bey welchen fie 
ſchworen, wenn fie anders erreichbar waren, Konns 
Ite diefes- nicht gefchehen, fo ftredte m 


ſtens vie Mände gegen. dief:!ben ans 5b), Man 


feßte, daß’ die Schwoͤrenden fih um deſto mehr 
ſcheuen würben, heiline Dinge durch einen Mein⸗ 


eid zu entweihen. Hamilkar ließ feinen Sohn 
qannibal auf einem Altar ſchwoͤren, baf er einen 


unaueloſchlichen Haß gegen die Römer hegen wolle c). 
Ein ruchloſer Prolemaͤer ſchwor ben dem Altare, 


dem Bil;niffe und Giße des Jupiter, daß er 


Fih ehne Trug mit feiner Schweſter vermaͤhlen, 
daß .r keine andere Gemahlin nehmen, und Feine 


die 


4) Matthäl v. 34 u. f. S. Stäudlin L.e. p. 1418. 
5) Seibſt die Juden ſchworen beym Jehova mit aufs 
vebobener Hand, Stäudlin I.c, pe 4 
e) Polyb, III. 11. 
d) XXIV. ↄ2. Iuſtin. Quo perducto in [anetillimum 
‚‚ Jovis templum, veterrimae Macedonum religio- 


nis, Prolemacus fumtis in manus altaribus, con- 
tingens ipla fimulacra et pulvinaria deorum, 


inauditin, ultimisque exſecrationibus adjurat dic, . 


n 


drang anf. diefe Verährungen, weil man borauds 


N 


die Haͤupter ber Sainniter ihre Juͤnglinge zu eineın 

unbedingten Gehorfam’ verpflichten wollten, ließen 
fie Einen nad bem Andern an einen Altar tres 
ten, und bey dem Altar unter den ſchrecklichſten 
Verwuͤnſchungen gegen ſich ſelbſt und die Ihrigen 
ſchwoͤren, daß ſie ihren Feldherren jederzeit ge⸗ 
horchen, daß ſie ſelbſt nie aus der Schlacht wei⸗ 
- hen, und einen jeden Fliehenden toͤdten wollten ). 

Andere Völker fihmoren bey ben Gräbern ihrer 
Vorfahren. Dieß thaten in Älteren Zeiten bie 
Scythen, indem fie die Srabmähler ber durch 
ihre Gerechtigkeitsliebe am meiften berühmten 
Männer berührten f), Eben diefed thun noch 
jegt die heidnifchen Einwohner von Sumatra g). 
Miel allgemeiner war das Schwören bey Waffen, 
- Krieadzeihen und Müftungen, die entweder felbft 
als Fetiſchen verehrt, ober body als gewiffen Goͤt⸗ 
tern heilig betrachtet wurden. “ Die Griecchifchen. 
‚ Könige der Heldenzeit ſchworen bey ihren Zeptern, 


N x v 
, . 
, * 
ausm / BB \ 881 


welche man allerdings als eine Art von Waffe 


anfehen kann ). Die Griechen, bie dem jüngeren 
Eyrus gefolgt waren, ſchworen nach dem Tobe 
biefes Helden, daß fie einander nicht verlaſſen; 
— und 

e) Livins X, ce. 38. Admovebatur altaribus mi- 
les - - - dein jurare. cogebatur diro quodam 


carmine in exfecrationem eapitis familiaeque et - 


firpis compoßko, ni iffet in praelium, quo 


imperatores duxillent: et fi aut ipfe ex acie fu- 


"gifet, aut fi quem fugientem vidillet, non 
- -extemplo excidiller. “ | 


MV Heredor, IV. 170 .. rw ruußav draus — 
g) Marsden p. 189. 205. 204. _ 0 
M) Ariſtot. Polit, III. c, 10, 


368 — — 
und bie Barbaren, daß fie treue Wegweiſer ſeyn 
| wollten. Die Griechen berührten bey dieſem Schwur 
4 "ihre Schilde mit dem Degen, unb die Barbaren 
mit ber Lanze 5) Nicht Lange nachher beftätigten _ 
dieſelbigen Griechen eine. mit: ben Mabronen ges ' 
. teoffene Webereinkunft dadurch, daß fie von diefen 
- einen Spieß annahinen, und ihnen ‘einen Gricdis 
Shen Spieß zurücdgaben ). Mac der Erobe⸗ 
rung von Neu⸗Carthago machte Seipio bekannt, . 
daß er demjenigen, ber bie Mauer ber Stadt 
‚ zuerft erffiegen babe, eine Mauer-Crone zur Be 
lohnung feiner Zapferkeit ſcheuken wolle. Auf 
dieſes Ehrenzeichen. machten zwey Auſpruch: Ei⸗ 
ner von der Flotte, und ein Centurio der vier⸗ 
> ten Legion. Für ben Einen nahm die ganze Flotte, 
für den andern alle Segionen den Lebhafteften Theil. 
Beyde Parteyen wollten bey allen Göttern ſchwoͤ⸗ 
ven, daß der von ihnen Begünftigte des Ehren⸗ 
zeichens allein wärdig ſey. Laͤlius meldete dies 
ſes dem Scipio, und bat feinen Freund, daß er 
die aufgebrachten Gemuͤther befäuftigen möge, das 
mit nicht die Einen, oder die Anderen ſich felbf, . - 
die Adler und Übrigen Kriegszeihen mit einem 
Meineide belaften, und bie Heiligkeit des Eibes 
entweiben möchten 7). Es iſt bekannt, De die 
. ' 20x39 


) Xenoph, Anabal, VI, 6. 2. $ 5 Pı 86, 

j k) ib. IV. e,8. 6.5. | J 
Livius XXVI. c.48. Stare hinc legionarios mi- 
"tes, hinc elaflicos , per omnes deoe paratos ju- 
‘rare magis, quae velint, quam quae ciant vera 
elle: et obftingere perjurio'non fe lokım,.[uum- 
que caput, led figna militaria, et aquilas, facra- 
mentique religionem. Die Roͤmiſchen Kriege h 
. ruhrs⸗ 


J 


— — 283 


Dr 2 
1 


Germanier, die Gallier und andere ait⸗Europaͤi⸗ u. 
ſche Völker bald das Schwerdt, bald ihre Kriegs⸗ 


zeichen als wirkliche Gottheiten, ober als heilige 


Dinge verehrten m). Daher die allgemeine Sitte, 


auf Schwerbter und Kriegszeihen, befonderd von 
Kriegern, ſchwoͤren zu laſſen: eine Sitte, bie in 
Holſtein bis in das fiebenzehnte Jahrhundert forts 


bauerten)! Die Tſcheremiſſen, Ifhuwafden und - 


Wotiaͤken legen ihre Eide über. zwey Creutzweis 
gehaltenen Säbeln ab 0). Ich bür ungewiß, ob 
deßwegen, weil fie die Saͤbel für etwas Heiliges 
halten, ober um dadurch anzuzeigen, daß fie im 


Falle des Meineides mis diefen Saͤbeln möchten 


getsotet werben. Die Chriftlihen Völker ſchwo⸗ 
ven vormahls, und. fihmören zum Theil noch jet 


auf Reliquien, oder auf die Bibel, ober auf Hei⸗ 


ligenbilder p); die Mahomedaniſchen auf dem Ko⸗ 
van 4). Auch bie Neger in Guinea, bie fonft 
| ; bey 


rührten nämlich, wenn fie einen Eid ablegten, ihre- 


Kriegszeichen. Saubert, de facrif. p. 118. 115. 
Die Worte obflingere - - - fapramenti religionem 
find fehr merkwuͤrdig. ’ 


m) Man ſ. den Abſchnitt von den Fetiſchen, u. Caefar 
de hello Gall. VIl, se. 


P) Man I. Dreyers Anmerkung von der in Holftein 
ehedeſſen üblihen Gewahnheit, die Eide an ber Kling 
ge des Degens abzulegen. 4. 173 urf. Si vermilcte 
Abhaud!, i on 

e) Gmelin I. 81 5 


p) Pelliccia II]. P. 2. P- 350. Lamberti p- 156. 


g) Chardin If 410. Dieß thun ſelbſt die Tartaren 


tn Sibirien. Gmelin I. 21 S. 


— — —- 


—⸗⸗ 


—* 


284 BE _ — 


7 


| ben ber Ablegung von Einen Fetiſchen genießen, 


oder kuͤſſen, fchwoͤren häufig bey der Bibel, wel⸗ 


che man ihnen vorlegt, ober an ben Kopf und die 


Bruſt hält #), fo wie die heidniſchen Einwohner 


Son Sumatra, bie gewoͤhnlich auf ben Gräbern 
ihrer Vorfahren ſchwoͤren, eben biefes auch bey 
dem Koran der Mahomedaniſchen Malayen thuns). - 
Die Hindus ſchwoͤren gewöhnlich bey der Kuh, und -- 


- halten: bisweilen während der Ablegung des Eides 


J 


) Chardin III. 411. della Valle III. ı7, 


- ein Meſſer in der Hand: wobey fie wünfchen, daß 
das Meſſer das heilige Thier töbten möge, wenn - 


fie falſch ſchwoͤren #). Die rohen Galler in Afrika 


beſchmieren den Kopf eined Schaafs mit Butter, . _ 


und legen dann während des Schwoͤrens ihre Haud 


„auf ben befirthenen Kopf u). Die Buräten’ ver 
‚ehren vorzüalih einen hohen Felfenberg an dem 


Ufer des Baikal⸗Sees. - Diejenigen, welche einen 
Gid abzulegen haben, müffen diefen heiligen Berg 
befteigen, und auf bem Gipfel deſſelben fchwören. 


Die Vuraͤten haben den feften Glauben, daß feis 
ner, der den heiligen Berg durch‘ einen Meineid 


entweihe, wieder berunterfomme, fonbern viel⸗ 
mehr getödter werde x), Oſtiaken, melde ihre 


Weiber der Untreue argwöhnen, bieten denfelben 


eine Handvoll, Haare aus einer Baͤrenhaut an. 
Sind. die Frauen unfhuldig, fo nehmen fie die 
—— "Dass 


I 


r) Bosmann S. 166, - - 
4) Marsden Il. CC 


u) Lobo p. 30. 


#) Isbrand im 8. Banbe.der Voy, au Nord p, 6. 
- Dallas Mongol. Volk, I, 18 &, _ | 


4 


Haare ohne Bedenken hin. Sind ſie es nid, 
“fo geftehen fie gleich Ihren Febltritt. Untreue 
. MWeibsr, die Haare aus einer Baͤrenhaut anneh⸗ 
men, würden nad) dem Oſtiakiſchen Volfsglauben 
unfehlbar in drey Tagen von eben dem Bären 
“ zerriffen werben, deffen Haare fie durch einen Deine 
eid beſchimpft hätten y). An den Huldigungs⸗ 
Feſten, wo die Oſtiaken den Eid der Treue in Ge⸗ 
genwart ihrer Woiwoden ablegen follen, breitet 


man eine Baͤrenhaut auf der Erbe aus, Tat 


einen jeden Schwörenden auf biefe Haut hinfigen, 
bölt ihm außer einem Belle ein Stuͤck Brot auf 
‚ einem Meffer vor, und läßt ihn baun folgende Worte 

nachſprechen: auf den Fall, dag ich meinem Herru 


nicht treu bleibe, oder mich wiffentlich gegen ihn 


empoͤre, möge mid, diefer Bär zerreiffen:. bieß 
Stud Bröt, was ich een. werde, möge mid 


erſticken: dieß Meffer möge mich umbringen, und 


‚bieß Beil mir den Kopf abſchlagen 2). Unter 
‚den alten Seythen ſchlachteten diejenigen, bie Yon 
Maͤchtigeren Unrecht gelitten hatten, und zu ſchwach 
waren, ſich felo Genugthuung zu verfchaffen, zinen 
Ochſen, kochten das Fleiſch, und ſetzten ſich baum 
auf die Haut hin, um ihre Freunde und Bekannte, 
ober anbere Freunde ber‘ Gerechtigkeit zur Huͤlfe 
aufzuforbere a). Wer ſich entſchloß, bem Bit⸗ 


tenden beyzuſtehen, trat auf bie Ocſenhaut, auf 
welcher ber Vittende faß, und legte baburch deu 
beiligſten ei: ab, daß er aus allen Kräften. hel⸗ 


fen 


n lebrand p. 44. 


%) Muller far les moeurs des —E p. —* A. | 


'6)- U. 84 Lucian in Toxari. 


en ⸗ñ > 


fen wolle b). Auch unter den Seythen ion war | 
vie Haut eines aefchlachteten Thiers ein Fetiſche, 


den man beym Schwoͤren beruͤhrte, und: von wels 


cheim man „glaubte, daß er ben Meinetbigen ſtra⸗ 


fin werde. an ' 
Bau Eben bie. Volter, , welche bey ben Göttern, 


»ber.:ben heiligen Dingen fd;mworen, legten ſehr 


Paͤufta Eide entweder bey. einzelnen Verfonen ‚ober 
bey ihrem eigenen Leben und Gliedmaßen, ’ oder 
endlich bey ſolchen Gegenſtaͤnden ab, von melden 
hrs Wohlfahrt abhing, oder wovon ‚man wenig⸗ 


Rene verausfegte, :daß fie ihnen fehr theuer ſeyen. 


3548 irgend inöglid, war, beruͤhrten die Schwös 
erben bie Perfonen ,' oder Theile und Gegenfikas 
De, be: weldyen fie ſchworen; und zwar inmmerrki 


ber Metnung, daß..ter-Mieineld auf das, mus 


man berührte, den wöttlidhen Forn und göttliche 
Sıpafen herabbringen werde. ‚Die: Buben: [chwos 
Hen in ſpaͤteren Zeiten nicht bloß bay ihrem Haupte, 
vie die Griechen c), ſondern auch: bey dem Leben 


dr: Könige, gleich ben Perſern and ben fpäteren 


imern, welchen Ießteren ber Eid 'per genium 


Sfiricipis , ber per falutem: Caefaris als in Ma⸗ 


jeſtkess Verbrechen unterfagt wurbe, weil man 


flaͤrchttee , daß die Beherrſcher ſtatt der Teichtfene 
niyen ober boshaften Meineidigen koͤnnten geſtrafe 
werden 4). Hiervon waren bie Scothen zu he⸗ 


rodore Zeiten fo feſt uͤberzeugt,v duß fie bey je 
der 


5) L. e. To yap krißgvai ryc —E —x — 


ng Meſ. Du V. 247. 218; Athenae. 1 


x . “ na * or. S 


d) ne 


. 


ten "werben f).- Auch bie Oſtindiſchen Voͤlker triu⸗ 
ken Fluchwaſſer, ober ſolches Waſſer, in welches 


man vorher einen Fetiſchen, z. B. einen alten 


Dolch, ober einen Flintenlauf eingetancht hat g). 


Wenn Schwoͤrende bey der Ablegung von 
Eiden keine heiligen, oder verwuͤnſchten Dinge ge⸗ 


noſſen, ſo nahmen ſie meiſtens gewiſſe Handlun⸗ 


gen vor, wodurch angedeutet wurde, welchen götk: 


lichen Strafen fie fih im Falle des Meineides un: 


teriverfen würden, oder. ausgefeßt glaubten. Uns 


- tee den Juden geſchahen die heiligften Eibe bey 


Dpfern. Man ſchlachtete gewöhnlich fieben Opfers | 


thiere, woher das Schwoͤren im. Hebraͤiſchen den 

Mahmen Siebenen erhielt. Die gefchlachteten 
Thiere wurben in zwey Hälften zerlegt, und ber 
Schwoͤrende ging durch bie beyben Hälften ber zer⸗ 
legten Dpferthiere durch, um baburch anzuzeigen, 


‚daß er, wenn er meinelbig ſey, ober werde, glei - | 


ben Opferthieren zerflücelt werben wolle. Das 
Durchgehen durch bie- beyden Hälften gerftüchelter 
DOpferthiere war bey der Beſchwoͤrung von Buͤnd⸗ 


niffen unter allen Völkern des Alterthums, au 


unter ben Griechen und Römern gebraͤuchlich, und 
eben daher entflanden unter den beyden letzteren 
Nationen die Medensdarten dıaIzuy, und foedus 


inire, wodurch!: man Vuͤndrife— und das Schließen 


von 


‚f) Loyer p. 258. Cavazai I. 304. 310. Marmol 
© gt Labat I 413, Flacourt I. 99. Römer 
74. 


g) Von den Siamelen, Loubere I, 247. Von den 
Einwohnern von Sumara, Maisden p, 204. 


— — 293 


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allein ausgerottet wuͤrden )). Nach dem en 
0. . Ä | ins. 


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94 " 
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son Buͤndniſſen bezeichnete 4). Die: Berfwere 
nen, welche die verjagten Tarquinier -zurücfühs 


dem Blute eined geſchlachteten Dienfchenopfers, 
deſſen Eingeweide fie berührten i). Als Arijtideg 
im Rahmen ſeines Volks das Buͤndniß mit den 
Aſiatiſchen Griechen ſchloß, die‘ vorher unter ber 
Herrſchaft der Perfer gewefen, oder deu Sparta: 
nern gefolat waren, marfen er fo wohl, als bie 
Abgeordneten‘ ber Bundesgenoſſen Kugeln, ober 
Maffen von glühentem Eifen ıin’d Meer, mit ber 


Berwünfchung, daß diejenigen, welche das Bünds 


aiß braͤchen, gleich den Eifenmaflen möchten weg: 
arworfen, und aufgelöfcht werben 2). Gebietende 
Umſtaͤnde nöthigten in ber Folge die Arhenienfer, 
das befchworne Buͤndniß zu brechen; und nun gab 
Ariſtides ihnen felbft den Math, daß Me bie Stra⸗ 
fen des Meineides über ihn allein Fommen laſſen 
möhten. Nach dem Polybius machten bie Roͤ⸗ 


mifchen Feciales bey der Beſchwoͤrung von Bünbs- 
wiffen ftetd die ausdruͤckliche Bedingung, daß, 


wenn bie Roͤmer eidbruͤchig werben follten, nur fie 


RR Sofes ©, 231. Michaelis Mof. Recht II. 9 
Vi: 147, 


’ Ö) Plutarch, I. 39x. in vita Publicolae. 
' k: Piutarch. IL, 236, 


HIN. os. Si fidem fervallo, nach ber Ueberſetzung 

des Eafautonus, tum me dii sdjuvent, Sin 

fciens fefellero, tum ego lalvis cacteris.omni- 

bus, in [uis patrüs, -fuis legibus, ſnis penati- 

"* bus, Iscris, fepulcris, folus extermincer, ut his 
nünc lapis. — 


ven wollten, ſchworen ſich gegenſeitige Treue bey 


— 





u | — 289 


Beklagten in der. Hand, ald wenn der wahre Eid 
dieſelbige Wirkung hervorbringen wuͤrde, welche 
man ſonſt nur don dem Meineide erwartete 0). 
Fremdlinge ließ man bey den Gtabtheren ſchwöͤ— 
ven p), deren Sicherheit oder Integrität die Schwös 
renden wenig interefliren kennte. Als Alarich 
und Chlodewig einen gefchloffehen Frieden bes 
ſchworen; fo ſaßten dieſe Könige ſich nicht ein es 
ber bey feinenn eigenen Baart, fondern Alarich 
berührte den Baart ded Chlodewig pp). ' 


Sn eben ber Abſicht, in welcher man bey den 
Nahmen von Göttern und bey Heiligthuͤmern, oͤder 
wenigfiend bey theuren Gegenſtaͤnden ſchwor, af 
und tranf man bey der Ablegung von Eiden, bald 
heilige, bald verfluchte Dinge, von welden man 
glaubte, daß jie unvermeidliches Verderben uͤber 
den Meineivigen bringen wuͤrden. Bisweilen, 
ſcheint es, genoß man gewoͤhnliche Speiſen und 
Getraͤnke, uͤber welche man vorher weder Segen, 

noch Fluͤche ausgeſprochen hatte, und ſtieß dann 
beym Genug graͤßliche Verwuͤnſchungen aus, daß 
dieſe ſonſt geſunden Speiſen, und Getraͤnke den 
Schwoͤrenden erſticken, oder rötten möchten, went 


er fi eined Meineides ſchuldig m 9). Allein 
ed 


0) Dreyer lc, 
v)ıc .. 
‚pp) Aimon, Gel. Franc, I. c. 20. Pellontier], 356, 
9) So nimmt in gewiffen Gegenden von Sumatra 
der jenige, der ſchwoͤren foll, ‚bloß. etwas Reis in 
den Muund, und wuͤnſcht, daß dieſer Reis zu einem 
Steine werden moͤge, wenn er falſch ſchwore. 
Marsden pP: 309 | 


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290 m. . . , s 
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ad tft ſehr ſchwer, den Genuß von Dingen, ber 
Bloß eine fombolifhe Bedeutung hatte, von dem 


Genuffe heiliger und verfluchter Dinge gu unters 
ſcheiden, da unter aberglänbigen Wölkern eine‘ 


‚Kleinigkeit hinreiht, etwas zu einem Fetiſchen, 


ober Zauberwerke zu machen. Zu den Dingen, 


welche man bey der Ablegung von Eiden genoß, ges 


hörte zuerft das Blut der Schwoͤrenden. Bey ver 
Schließung von Buͤndniſſen war es zu Herodots 


. ‚Zeiten unter den Scyhthen Sitten), daß bie Ab⸗ 


geordneten fich Fleine Wunden an einem beliebigen 


Theile ihres Coͤrpers ‚machten, und. einige Tro⸗ 
pfen Bluts in einen. Becher voll Weins fallen 


ließen. Dian tauchte in den mir Blut gemifchten 
Wein, alle Arten von Waffen ein, Säbel und 
Dfeile, Aexte, und Wurffpiege, und trank dann 


‚ben Becher unter den ſchrecklichſten Verwuͤnſchun⸗ 


gen aus. Die Scythen flifteten noch zu Lucians 
Beiten auf die jeßt befchriebene Art die beiligften 
Helden : Freundfchaften s). Bey dem Buͤndnuiſſe, 
welches bie Mieder und Lyder unter dem Aftyas 

es und Cyaxares fchlofien, beſchworen ober bes 
340 die Abgeordneten den neuen Bund dadurch, 


daß fie ſich kleine Wunden am Arme machten, und 


Einer des Andern Blut aufleckte 2). Auf eine 
ähnliche Art verwunden ſich noch jetzt Schwörende, 
und trinken das vergoſſene Blut auf der Inſel Ce⸗ 
ram, auf den Philippiniſchen Inſeln, und unter 


manchen Negern u), In Tunkin trinkt man beym 


wand 
7W. 10. 


9) Luc, in Toxari II, 548. 
&) Herodot; I. e. 74 


> 


u) Valentyn III. 10. Argenfola I, zog, Fermin | 


163 p. 


. 
— ——— ——— —— 


— — — — 
— u u 
Ds 
- 
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fey, die Hüften ſchwinden, und ber Leib auffchmels 


— — 291 


| Schwoͤren das mit Arrack gemiſchte Wut einer 


Kenne x) , und in Amboina Kaßenblut y), das 
mit Salz, Erde und anderen Dingen vermifcht ift: 
wobey man wuͤnſcht, daß die Geifter aller birfer 


Dinge den Schwörenden, wenn er meineidig fey, . 
oder werde, plagen mögen. Die Tüngufen floßen . 


einem Hunde ein Meffer in’s Herz, und fangen 
da6 hervorfirömende Blut ein 2). 


Einer‘ der furchtbarſten Eide, bie unter ben. - 
. Völkern bes Alterthums geſchworen wurden, war 


der Reinigungs: Eid, melden nah Moſis Vors 
fhriften die des Ehebruchs verdaͤchtigen Feraelis 
finnen ablegen mußten a). Wenn ein Sude feine 


Kran bed Ehebruchs aramöhnte, fo führte er fie 


nad; Jeruſalem, und flellte fie vor ben Priefter. 
Der Priefter entfchleierte das funft verhüllte Ange⸗ 
ficht ber’ Befchuldigten, band ihre Haare los, und 
legte ein Rüge s Opfer anf ihre Hand. Zu gleis 
her Zeit fchrich er gräßliche Fläche auf einen Zets 


. tel, wuſch diefe Flüche mit Weihwaſſer ab, dad 


mit dem Staube aus dem Tempel gemifcht war, 


und ließ die Beſchuldigte dieß Fluch- Wafler trin⸗ 


fen. Die Fluͤche, oder Verwuͤnſchungen beffanben 
barin, daß der Schwoͤrenden, wenn fie ſchuldig 


len 


æ) Valentyn III. zos. ”. 
Y)H.mle . — 
2) Isbrand p. 85. | 
a) IV.9. Moſ. 5. 12 u fr V. Mid Mofaifches 
Necht V: 211 u. f. ©. | - | 
| Ä T 3 


x 
wu ee — — — 


len ſolle, da hingegen das Fluchwaſſer ihr nicht 


ſchaden werde, wenn ſie unbefleckt ſep· 


Die Ehriſten des Mittelalters "nahmen bey 


der Ablegung von Eiden haͤufig das Abendmahl, 
und Ritter ſchworen uͤber einem gebratenen Pfau, 


ber nachher zerlegt, und vertheilt wurde db). Ein 
Zatarifcher Knaͤs, ber ben Eid ber Treue ablegte, 
verfluchte ſich felbft in Diefem, und dem Künftigen 


Leben, wenn er den Eid der Treue nicht halten 


follte. Zugleih trank er. eine Schaale Brantes 
wein, und wuͤnſchte, daß diefed Getränk ihm im 
Halſe ſtecken bleibe, und fein Herz verberben mös 
ge, wenn er fich des Meineides ſchuldig niade c). 
Ale Zatarifche Völker, die dem Ruſſiſchen Sceps 


ter gehorchen, die Tſchuwaſchen, Theremiſſen, Wos 
tiaͤken u. ſ. w. eſſen beym Schwoͤren entweder 


Brot und Salz, oder Mehlkloͤße, wobey ſie Salz⸗ 
waſſer trinken: alles mit dem Wunſche, daß das 
Genoſſene ihnen im Halſe ſtecken bleibe, wenn ſie 


| falſch ſchwoͤren d). Huſtet ein Tſchuwaſche bey 


dem Trinken von Salzwaſſer, ſo wird er fuͤr mein⸗ 


eidig gehaltene). Die meiſten Neger in Afrika 


eſſen und trinken allerley, was von ihren Gangas, 
ober, Fetiſchirern beſchworen, ober bereitet worden: 
in der feften Ueberzeugung, daß die genoffenen Fe⸗ 
tifchen, ober Zauberwerke den Meineidigen töds 
fen 


6b) Selchov Element. Jur, German, p. 825. St, Pa- 
laye III, 11p. nu 


€) Sifcher 8. 639. 
8) Pallas Reiſ. L 95 Muͤllers Samml. IR. 365. 


14) Paua⸗ l. ©. 


. 
. , — am 293 


ten werben f).- Auch bie Oſtindiſchen Boͤlker triu⸗ 
ken Fluchwaſſer, oder ſolches Waſſer, in welches 


man vorher einen Fetiſchen, z. B. einen alten 


Dolch oder einen Flintenlauf eingetancht bat g). 


Wenn Schwoͤrende bey ber Ablegung bon | 
Eiden Beine heiligen, oder. verwünfchten Dinge ge: . 


nofien, fo nahmen fie meiftens gewiſſe Danbluns 


gen vor, wodurch angedeutet wurde, welchen götk: 


lichen Strafen fie ſich im Galle des Meineides un: 


teriverfen würden, oder ausgefeßt glaubten. Uns 


tee den Juden geſchahen bie heiligfien Eibe ben 


Opfern. Man ſchlachtete gewöhnlich fieben Opfers | 


thiere, woher das Schwören im. Hebraͤiſchen den 

Rahmen GSiebenen erhielt. Die gefchlachteten 
Thiere wurden in zwey Hälften zerlegt, und ber 
Schwoͤrende ging durch die beyden Hälften ber zer⸗ 
legten Dpferthiere durch, um baburch anzuzeigen, 


daß er, wenn er meineibig fey, ober werde, glei - . 


ben Opferthieren zerflückelt werben wolle. Das 


Durchgehen durch die begden Hälften gerftückelten 


Dpferthiere war bey der Beſchwoͤrung von Buͤnd⸗ 


niffen unter allen Völkern des Alterthums, auch 


unter ben Griechen und Römern gebraͤuchlich, und 
eben baher entfianden unter ben beyden leßteren 
Nationen die Redensarten dıaYyuy, unb foedus 


inire, wodurd man änbaife, und das Schließen _ 
non 


f) Loyer p. s5s. Cavazei 1. 30%. 310. Marmol 
ee 119, ‚Labat k ‚413. Flacourt J. 99, Römer 
74. 


5) Yon den Siameſen, Loubere I, 247. Von den 
Einwohnern von Sumatra, Marsden p, 204... 


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mon Buͤndniſfen bezeichnete h). Die Verſchwore⸗ 
men, welche die verjagten Tarquinier zuruͤckfuͤhh⸗ 
ren wollten, ſchworen ſich gegenſeitige Treue bey 


dem Blute eines geſchlachteten Menſchenopfers, 
deſſen Eingeweide fie beruͤhrten i). Als Ariſtides 
im Rahmen ſeines Volks das Buͤndniß mit den 
Aſiatiſchen Griechen ſchloß, bie‘ vorher unter ber 
Herrſchaft der Perfer geweſen, oder den Sparta: 
gern gefolgt waren, warfen er fo wohl, als bie 
Abgeordneten: der Bundedgenofien Kugeln, ober 
Maffen von gluͤhendem Eifen in's Meer, mit ber 


VWerwuͤnſchung, daß diejenigen, welche dad Bünds 


aiß bräcen, gleid ben Eifenmaffen moͤchten weg⸗ 
| armorfen ‚ und aufgelöfaht werben 2); Gebietende 


Amſtaͤnde nöthigten in der Folge die Athenienſer, 


daB beſchworne Buͤndniß zu brechen; und nun gab 
Ariſtides ihnen felbft den Rath, daß fie bie Stra⸗ 
fen des Meiueited über ihn allein kommen laffen 
möhten. Nah dem Polpbius machten bie Roͤ⸗ 


miſchen Fecialed bey-der Veſchwoͤrung von Buͤnd⸗ 


siffen ſtets die ausdrückliche Vebingung, daß, 


— 


wenn die Roͤmer eidbruͤchig werden ſollten, nur ſie 


‚allein ausgerottet wuͤrden I). Nach dem — 
| | ns 


1 Ste 8, zzi. michaelis Moſ. Recht II. 8. 


1) Plutareh. I. 391. in vita Publicolae, 
. Piutarch. II, 536, 


118, 05, Si fidem fervallo, nad) ber ueberſehung 
des Caſaubonus, tum me dii adjuvent. Sin 
fciens fefellero, tum ego falvis caeteris.omni- 
bus, in fuis patrüs, fuis legibus, fuis penati» 

r bus, lacris, fepulcris, folus exterminer, ut hic 
münc lapis. 


von Vündniffen nicht blog einen Stein weg, fon 
dern fchlugen mit dem Steine, ben fie in der Hand - 


22 295 


hingegen warfen die Feciales bey der Beſchwoͤrung 


hatten, eine Sau, und wuͤnſchten, daß das Volk, 
welches das abgefchlofjene Buͤndniß breche, auf 
eine gleiche Art von den Goͤttern moͤge geſchlagen 


werben m): Go wie bie alten Franken bey ber 


Ablegung von Eiden einen Stock wegwarfen n); fo 


ſchneiden die Einwohner von Borneo ein Bambus 


Mohr entzwey 0), und die Chinefen ſchlagen einem 
Huhn ober Hahn. den Kopf ein, ober drehen eis 
nem folchen Thiere ben Hals um p): alles unter 


der Verwuͤnſchung, daß dem Schwoͤrenden eben fo 


geſchehe, wenn er die Unwahrheit ſage, oder ſein 
Wort nit halte. Die Calmycken g), die Java⸗ 
ner, und Malayen 7), laſſen ſich ben der Ables 


gung von Eiden einen entblößten Saͤbel in ben 


Nacken legen, ober berühren mit dem Munde, ober 


ber Zunge bald die Mündung eines Feuergewehrs 


ober Rugeln, bald bie Spige eined Pfeiles, oder 


Dolches; wobey fie den Fluch audfpreihen, daß .. 


fie, wenn fie meineibig würben, durch diefe Waf—⸗ 


fen möchten 'getöbter werden. Unter einigen Me: 


gern 


m) IX. c. 5 Per quem populum fiat, quo minus 


‚, legibus dietis hetur, ut eum ita Jupiter feriat, 


. quemadmodum a fecialihus porcus feriatur, 
7) Dreyer). c. 6,1006 

0) Sprengele Bept. 1,255. 

7) Valentyn III, 20, Rarrow p. 54. 


 Pallae Reifen I, 33%. deſſen Mongol. Voͤlkerſch. 
— 220.. — 


7) Vogel & 299. Marsden p- 309. 


! 


B N 


niß zur Ranzion, theils von ihren. Anverwandten 
bie erforderlichen $öfegelder auszumirken.. Der 


Senuat ſchlug aller Bitten, ımd Worftellungen uns 


geachtet die Erlaubniß, ſich loszukaufen, ftanbhaft 
46, Die Abgeordneten kehrten baher in das Pu⸗ 
nifche Lager zuruͤck, tie fie dem Hannibal eidlich 
verſprochen hatten: einen einzigen ausgenommen, 
ber gleich nach der Abreife aus bem Lager unter _ 
bem Vorwande,“ etivad vergeſſen zu haben, zuruͤck⸗ 
aegangen war, und durch diefe Ruͤckkehr feinen‘ 
Eide genug gethan zu haben glaubte. Diefe unroͤ⸗ 
miſche Schlauheit erregte einen. fo beftigen Unwil⸗ 
Ien, daß der Senat den Eidbrüdigen erareifen, 
und gebunden zum Hannibal zurüdführen ließ n). 
Wenige Mienfchenalter nach bem Polybius vers 
Iohr fi die Ehrfurcht gegen den Eid in eben dem 
Verhältniffe, in welchen Treue und Redlichkeit 
verfhmanden 0). Die Treuloſiakeit der verdorbe⸗ 
nen Römer ging bald zur ihren Siegern, ben Gers 
manifchen Nationen über. Wenn ed au nicht alle 


Geſchichtſchreiber des Mittelalters bezeugten, ſo 
‚würden es allein bie aͤlteſten Geſetze ber bentfchen 


Völker darthun, daß Meineid, und Wortbruͤchig⸗ 
feit kaum jemahls unter den Griechen und Roͤ⸗ 


mern berrfchender waren, ald unter ben eben fo 


roben, als verdorbenen Chriſten der fiuſteren "han 
uns 


n) VI. 56. Bolyb. Gellius erzäbft biefelbige Bear: 
benbeit mit etwas veränderten Umſtaͤnden: VII, 
18 ©. wobey er frenfich einen ſebr wichtinen Ge⸗ 
währsmann ben Cornelius tIepos. anführt. 


0) Man f. die oben angeführte Stelle des Civius. 


% 


— 


— — 2333 


hunderte p). Die Leichtigkeit, ſich von der Säulb 


des Meineides zu befreyen, ober von der Befle⸗ 


ung beffelben reinigen zu laffen, war unftreitig 
eine Haupt⸗ Urfahe der häufigen Meineide unter 
den Völkern bes Mittelalters, fo wie unter den 


- verborbenen Juden, oder ben Kaufafifchen Chris 
fen, und den DMegern in Afrika. GSelbſt nad’ 


den Mofaifchen Gefegen Fonnte man die Schuld 
bed Meineides durch ein Opfer abFaufen 4). Die 
Juden fahen den Meineid bloß als eine Beleidi⸗ 
gung ber Gottheit an, und belegten ihn deßwegen 
nicht allein nidye mit bürgerlichen Strafen, fondern 


nicht einmahl mit allgemeiner Schande vr). Unter 


den Mingrelifhen Chriften fürchten ſich Einige vor 
dem Schwören auf. Heiligenbilder fo fehr, daß fie 
nie, aud nicht in der gerechteften Sache, einen Eid 
ablegen s), Weit größer ift die Zahl derer , bie 
Fein Bedenken tragen,. falfhe Eide zu ſchwoͤren, 
entweber weil fie glauben, baß bie Heiligenbilder 
ben Meineid nicht fo Abel nehmen werben, oder 
dag man fich mit ihnen abfinden Fönne. Die Min⸗ 
grelier ſchwoͤren am Liebften auf foldhe Bilder, die 
eine fanfte Miene haben, ober denen fie vorher ihre 
Abſicht, falſch zu ſchwoͤren, mit ber Bitte, biefes 
nicht übel zu deuten, und dem Gelübbe eines Op⸗ 


fers 


») Man fe im erften Bande meiner hiſtor. Vergl. des 


Mittelalters, die Abſchnitte von den Sitten, den 
Geſetzen und der Gerichte: Verfaffung- 


- g) Mich; Mof. Recht V. 206. 
r) Mich. 1. c. Staendlin p. 11. 
s) Voyages au Nord VII. 156. 051= 38, 


bj & 
u ren ET — — 
‘ 


- 7 
N rn nen en — 


\ 


nn 


u 
, 
298, — — 


n den Juden lietzen zwar bie Eſſener einen Jeden, den 
ſie in ihre Gemeinſchaft aufnahinen, einen fuͤrchter⸗ 
lichen Eid ſchwoͤren. Allein nad der Aufnahme in 


bie Gefelifchaft war den Eingeweihten der Eid auf 
das ſtrengſte unterfagt. Auch unter ben Schrift⸗ 
gelehrten der Juden erklaͤrten manche den Eid übers 
haupt für unerlaubt, ober bedenklich 4). Selbſt 
der Stifter der Chriſtlichen Religion wuͤnſchte, daß 
feine aͤchten Anhänger ſich des Eibes. überheben 
möchten e); und dieſen Gefinnungen Chrifti zufols 
ge legen die Quacker nie einen Eid ab. Philo 


uw 


der Jude hielt es gleichfalls für das Beſte, daß 


man gar keine Eide ſchwoͤre. Wenn man- aber 
ſchwoͤren wolle, oder muͤſſe, ſo ſolle man es nicht 
bey dem Nahmen Gottes thun, ſondern entweder 


bey ber Wohlfahrt, und dem Andenken der Eltern, 


oder. bey dem Himmel und. ber. Erde, ber Sonne," 


und dem Weltganzen f}. 


Der Eid war allen unverberbenen Völkern 
heilig. So bald aber Sucht nach finnlichen Vers 
gnuͤgungen, und nad ben Mitteln, ſich biefe zu 
verſchaffen, herrfchend wurde; fo verſchwand bie 


J Ehrfurcht gegen den Eid, Nationen mochten gebil⸗ 
bet oder ungebildet fedn, mochten Einen, oder 


mehrere Goͤtter anerkennen. - Die Ehrfurcht gegen 
ben Eib wurde viel feltener durch Unglauben, als 


turd einen aus bem Gittenverberben entfpringens 


‚den Uberglauben getoͤdtet: das beißt, man warb 


nicht eidbruͤchig, teil man ber Götter fpettete, 


ſon⸗ 


ap 16. Sueudlin ı, . — 


e) le, p. 17. k 


| B he. pP» 16. 


& [3 


a — 299 


ſondern weil man Mittel gefunden zu haben glaub⸗ 


te, die durch den Meineid beleidigten Goͤtter zu 
verſoͤhnen und ihre Strafen abzuwenden. Unter 


. Teinem Volke blieb der Eid laͤnaer heilig, als uns 


ter den Römern g); und eben befiwegen war ber 
Eid einer der ftärkften Zügel, womit bie Haͤupter 


des Volks felbft den murrenden, und aufgewiegels 


di 


ten Pöbel im Zaume hielten. Schon in früheren 
Zeiten verließen einft die Legionen ihren Conful, 
einen Sabier, mit welchem fie unzufrieden waren, 
indem fie fich weigerten, den von ber Reuterey 
ſchon aefcdylagenen Feind zu verfolgen Ah). Die 
Sgeerfährer des naͤchſten Jahrd, unter welchen wies 
der ein Fabier war, hielten deßwegen ihre Krie⸗ 
ger ftetö im Lager zufammen, ald wenn fie ihrem 
Muthe niht trauten. Die Feinde benußten diefe 
Ruhe des Roͤmiſchen Heer⸗ und naheten ſich dem 
Roͤmiſchen Lager mit einem immer kuͤhnern, und 
bitterm Hohn. Der Hohn ber Feinde ward ben 
Legionen bald unerträglih, und fie forberten alfo 
laut, und in Haufen, daß man fie in bie Schlacht 
führe. Der Eonful M. Sabius that dieſes nicht 
eher, als bis ſeine Krieger geſchworen hatten, daß 


fie aus dem Kampfe nicht anders, als ſiegend zus 
ruͤckkehzren würden. Der Full eines Fabiers, ber 


einige Jahre vorher Eonful gemwefen war, machte 
einen Theil ber Legionen fo beftürzt, bag fie ihres 
Eides uneingedenk zu weichen anfingen. Nun er: 


ianerten die Sabier die Weichenden an ben abaes 
legten Eid, Diefe Erinnerung ftellte auch aleih 


ben Muth der Römer wieder her, und verfchafte 
ihnen 
n Montesquien Efprit dee Loix VII, 33. 
h) Livins 1, 0,43-46 — — 


Sn 


302 — — 


niß zur Ranzion, theils von ihren Anverwandten 


die erforderlichen Loͤſegelder auszuwirken. Der 


Senat ſchlug aller Bitten, und Vorſtellungen uns 


geachtet die Erlaubniß, ſich loszukaufen, ſtandhaft 
db. Die Abgeordneten kehrten daher in das Pu⸗ 
niſche Lager zuruͤck, wie fie dem Hannibal eidlich 
verſprochen hatten: einen einzigen ausgenommen, 


der gleich nach der Abreiſe aus dem Lager unter 


dem Vorwande, etivad vergeſſen zu haben, zuruͤck⸗ 

acgangen war, und durch dieſe Ruͤckkehr feinem’ 
Eide genug gethan zu haben glaubte. Dieſe unroͤ⸗ 
miſche Schlauheit erregte einen ſo, heſtigen Unwil⸗ 
len, daß der Senat den Eidbruͤchigen ergreifen, 
und gebunden zum Hannibal zurädführen ließ n). 
Menige Mienfchenalter nad dem Polybius vers 


lohr ſich die Ehrfurdt gegen den Eid in eben dem 


Verhältniffe, in welchen Treue und Medlichkeit 
verfhmanden 0), Die Treulofiakeit ber verdorbe⸗ 
nen Römer ging bald zur ihren Siegern, den Gers 
manifchen Nationen über. Wenn ed auch nicht alle 
Geſchichtſchreiber des Mittelalters bezeugten, fo. 


würden es allein bie Älteften Geſetze ber beutfchen 


Völker darthun, dag Meineid, und Wortbruͤchig⸗ 
keit kaum jemahls unter den Griechen und Roͤ⸗ 


"mern berrfchender waren, als unter den eben fo 
BE sahen, als verdorbenen Chriften ber fiufteren. Jahre 


hun. 


n) VI. 66. Polyb. Gellius erzäbtt biefelbige Beae⸗ 
benhelt mit etwas veränderten Umſtaͤnden: VII. 
18 ©. wobey er freylich einen ſebr wichtigen Ges 
waͤhrsmann ben Cornelius LIepos anführt. 


0) Man ſ. die oben angeführte Stelle des Livius, 


‘ ! 
% 


— 


hunderte p): Die Seichtigkeit, ſich von der Sqchuld 


des Meineides zu befreyen, ober von ber Befle⸗ 


ckung deſſelben reinigen zu laſſen, war unſtreitig 
eine Daupts Urfahe der häufigen Meineide unter 
den Völkern des Mittelalters, fo wie unter den 
verborbenen Juden, oder den KRaufafifhen Chris 


fin, und den Negern in Afrika. Selbſt nad 


den Mofaifhen Gefeßen konnte man die Schuld 
bed Meineides durch ein Opfer ablaufen g). Die 
Juden fahen ben Meineid bloß als eine Beleidi⸗ 
gung ber Gottheit an, und belegten ihn bewegen 
nicht allein nicht mit buͤrgerlichen Strafen, fondern 
nicht einmahl mit allgemeiner Schande ri. Unter 
den Mingrelifchen Chriften fuͤrchten ſich Einige vor 
dem Schwören auf. Heiligenbilder fo fehr, daß fie 
nie, auch nicht in der gerechteften Sache, einen Eid 
. ablegens), Weit größer ift die Zahl derer, bie 
kein Bedenken tragen, falfhe Eide zu ſchwoͤren, 
entweber weil fie glauben, daß bie Heiligenbilder 
den Meineid nicht fo Abel nehmen werben, oder 
dag man fich mit ihnen abfinden koͤnne. Die Mins 
grelier ſchwoͤren am Liebften auf ſolche Bilder, bie 


eine fanfte Miene haben, ober denen fie vorher ihre 


Abſicht, falſch zu ſchwoͤren, mit ber Bitte, biefes 
nicht übel zu beuten, und dem Gelübbe eines Op⸗ 


fers 


p) Man ſ. im erften Bande meiner hiſtor. Vergl. des 
Mittelalters, die Ubſchnitte von den Sitten, den 
Geſetzen und der Gerichte = Berfaffung. 


- g) Mich, Mof. Recht V. 206. 
r) Mich. 1. c. Staendlin p. 11. E 
s) Voyages au Nord VII. 156. 231= 58, 


\ 
x 
— —— — * 


: 1) — 

entwickelten ſich nur allmählih. Die erften Men: 
ſchen opferten, und beteten zu ben Göttern, büß: 
ten, oder reinigten ſich zu jeder unbeſtimmten Zeit, 
wenn ihnen ein Gluͤck, oder Ungluͤck widerfahren 
war, wenn fie von den Göttern Wohlthaten erlans 


‚gen, oder beh Zorn berfelben verſoͤhnen wollten. 
Die Verrichtung einzelner gotteddienftliher Hands 
Yungen führte nicht gleich, und nicht nothwendig 


die Enthaltung von den gewoͤhnlichen Geſchaͤften 
mit ſich. Schon unter vielen wilden Volkern aber 


bildete ſich der Gedanke aus, daß ınan Götter in - 


gewiffen ,, weiftend jährigen Zeiträumen ehren 


müffe. Unter manchen Natibnen ward zugleich 


mit den jährigen Zeiträumen auch bie Jahrszeit 


beftimmt, in welcher man Feſte feierte. Selbſt 


nachdem man bie Zeiträume, innerhalb welcher, 
und die Fahrszeiten, in welden man Feſte beges 


hen muͤſſe, beftimmit hatte, dauerte es fehr Lange, 
bevor man die Tage feftfeßte, too Feſte begangen - 


werden follten. Da bie Menſchen ben Göttern 
eben fo fruͤh für empfangene Wohlthaten dankten, 


als fie von denfelben Wohlthaten zuerlangen, oder 


ihren Zorn zu verſoͤhnen fuchten; fa barf man mit 
Auverfiht behaupten, daß Freuden und Dankfe⸗ 
. fe, Buß⸗ und Verfshnüngs s Fefte gleich alt, und 

allgemein waren. So wohl bie fröhen, als bie 


traurigen Gedaͤchtniß⸗Feſte Taffen fih ohne Zwaug 


zu den. einen, und. ben Anderen rechnen, Benz 
man fie aber unterfcheiden willy ſo muß man nicht 
darg:fjen, daß die Gedaͤchtniß⸗ Feſte im Durch⸗ 
ſchnitt jünger waren, als die aͤlteſten Dank⸗ und 


Freudenfeſte, oder Buß⸗ und Verſoͤhnungsfeſte. 
Die gottesdienſtlichen Feſte waren eben fü menig 


alle 


— — — — — — — 


Dartey fie gerecht hielten. Mad) ben Grfegen 
der älteren. beutfchen Völker mußten bie ſtreiten⸗ 
ben Parteyen nach der Verſchiedenheit ihres Stau⸗ 
bed, und der Wichtigkeit des Streits bald ſechs 
oder zwoͤlf, bald vier und zwauzig, zwey und ſie⸗ 
benzig, ja bis dreyhundert Mitſchwoͤrende ſtel⸗ 
Im y). Man mochte bie Zahl von eidlichen 
. Zeugen fo fehr vermehren, als man wollte; fo ers 
reichte man doch feine Abficht nicht, bie Mahrheit 
berauszubringen. Ganze Gemeinden, oder Ges 


ſchlechter waren mit einander bahin verbruͤdert, daßz 


fie in allen Sachen Einer für den Antern —2* 
ren wollten. Unter den Calmyken läßt man Per⸗ 
fonen, bie eined Diebftals, ober eined andern 
Verbrediend beſchuldigt werben, nie felbft zum Ei⸗ 
de zu, fondern fordert entweber ihre Saiffane, 
oder Nachbaren, und Anverwanbten auf, baß fie 
bie Unſchuld der Beklagten nad) ihrem beften Wifs 
fen eidlich erhärten mögen z). Tragen biefe Be⸗ 
denken, einen ſolchen Eid abzulegen, fo erflärt ber 
Michter denjenigen für ſchuldig, gegen deſſen Uns 
ſchuld alle, welche ihn am genaueſten kennen, ge⸗ 
gründete Zwenfel hegen. Die Geſetze ber Be⸗ 
wohner von Sumatra fließen zwar bie Ange 
klagten felbft nicht vom Reinigungselde aus. 

Allein fie fordern in zwepfelhaften Fällen auch 
bie Miteide ber Anverwanbten ; und wenn biefe _ 
ben 


y) Meine Bergleichung des Mittelalt. I, 581. 482. 
2 Pallas Mongol, Voͤlk. I, 218, 280, 


vw f 


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— — — ⸗te⸗ - 
.. ° 
I‘ z x - . 
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i ‚und zwar alsdann fefigefeßt, wann eine jede Fa⸗ 


’ 


| rc pflegt. Die Familien, bie zu einen Dorfe, 


310 ' u — 


Unter ben heidniſchen Volkern Stliciend, forscht 
Tatariſchen, als Mongolifchen. Urfprunge, zu 


welchen leßteren man auch bie öftlichen SSufulauer 
zählen kann, finden fidy mehrere,. deren Feſte ins⸗ 


gefammt unbeftimmt find, weil bie Feſte bey als 


lexrley zufälligen, bald gluͤcklichen, bald unglücs. | 
lichen Gelegenheiten gefeiert werben d). ° Unter 
ben meiften Sibirifhen Nationen iſt noch jeßt, 


ober war wenigſtens vor einigen Menfchenaltern 


ber gröfte Theil ber Feſte unbeſtimmt. Zugleich 
aber hatten ſie gewiſſe jährliche Feſte, Die entwe⸗ 
der im Fruͤhling, oder im Herbſte und Winter 


gehalten würden. Die Fruͤhlingsfeſte feierten nicht 


bloß tie Teleuthiſchen, Wotiaͤkiſchen, Tſchuwaſchi⸗ | 
ſchen nnd Tſcheremiſſiſchen Tataren, fondern auch 


die Jakuten und Buraͤten: lauter Hirtenvoͤlker, 


welche Heerden von alleriey Bieh, befonders von 


Pferden unterhalten e). Die Belt, ober der Tag 
der Fruͤhlingsfeſte wirb.unter ben einen von Scha⸗ 
manen, unter anberen- von ben Aelteſten des Volks, 


milie einen gewiſſen Vorrath von geſaͤuerter Pfer⸗ 
demilch, ober ſogenanuten Kumyß beyſammen hat? 
welches gewoͤhnlich gegen Ende des Junius zu ge⸗ 

ober 


4) So ſagt z. B: mauer von den Oſliaken, mad ge⸗ 
wiß auch von den Samojeden nnd anderen Binnis 


ſchen Stämmen gilt: Voyages au Nord VIH. sı1.. 


Ile n’ont'ni jours, ni heures regiez pour leure 
lacrifices. 


4) Man. f. des älteren Smelins Reif. I. 296, IL, 
361-635. 11. Borr. ©. 8. Müller’s Ruf. Geſch. 
ll, 349.359. Rytſchkovs Rage -©. ‚9 9. Pal: 
.. Ja6 Re el. 90, 91. 


- 
- - 
— — — — — 2 


4 


m 0,307 





Zehntes Bud). 


Geſchichte der gottesdienſtlichen Feierlichkei⸗ 
= | ten, und Feſte. un 





Erſter Abſchnitt, 


Geſchichte der oͤffentlichen Feierlichkeiten, 
und Zeſte. | | | 





Han kann alle gottesdienſtliche Handlungen, 
welche ich bisher unterfucht habe, Gaben und Ops 
fer, Reinigungen und Büßungen, Gebete und 
Anbetungen, religioͤſe Feierlichkeiten, oder Ges 

. Bräuche, und Caͤrimonien nennen, In biefer Ber 
dentung find Feierlichkeiten eben fo. alt, und allges 
- mein, ald Meligionen ſelbſt. Ganz. anders vers 
haͤlt es ſich mit Feſten, wenn man darunter folde 
Tage, oder Zeiten verſteht, an, und in meiden 
man fich von feinen gewöhnlichen Arbeiten enihält, 
um fie ganz, ober vorzüglich ber Verehrung höher 
rer Naturen, ober gottesdienſtlichen Handlungen, - 
and. Betrachtungen zu weihen. Feſte entftanden 
fpäter, als Felerlichteiten und beſtimmte Feſte 
I 2 ent⸗ 


5 308 . u u — | 
entwickelten ſich nur allmaͤhlich. Die erften Men⸗ 
ſchen opferten, und beteten zu ben Goͤtiern, buͤß⸗ 
ten, oder reinigten ſich zu jeder unbeſtimmten Zeit, 


wenn ihnen ein Gluͤck, oder Unglüd widerfahren | 


war, wenn fie von den Göttern Wohlthaten erlans 


gen, oder ben Zorn berfelben verſoͤhnen wollten. . 
Die Verrichtung einzelner gottesdienſtlicher Hands 
Yungen führte nicht gleich, uͤnd nicht möthtdendig 
die Enthaltung don den gewoͤhnlichen Gefhäften . 


mit fih. Schon unter vielen wilden Völkern aber 


bildete fi der Gedanke aus, daß ınan Götter in 


gewiffen ;_ meiſtens jährigen Zeiträumen ehren 


müffe. Unter manden Natibnen ward zugleid 


mit ben jährigen Zeltraͤumen auch bie Jahrszeit 


beſtimmt, in welcher man Feſte feierte, Selbſt 
nachdem man die Zeitraͤume, innerhalb welcher, 


und die Jahrs zeiten, in welchen man Feſte bege⸗ 


ben muͤſſe, beſtimmt hatte, dauerte es ſehr lange, 
bevor man die Tage feſtſezte, wo Feſte begangen 


werden ſollten. Da vie Menſchen den Göttern 
eben fo früh Für empfangene Wohlthaten dankten, 


als fie von denfelben Wohlthaten zu erlangen, ober. 


ihren Zorn zu verſoͤhnen ſuchten; fa barf man mit 
Zuverſicht behaupten, daß Freuden⸗ und Dankfe⸗ 
fie, Bags und Verſoͤhnungs⸗Feſte gleich alt, und 


| allgemein waren. Sp wohl bie fröhen, ale bie - 
traurigen Gedaͤchtniß⸗Feſte laſſen ſich ohne Zwang 


zu ben einen, und ben anderen rechnen. Nenn 
man fie aber unterſcheiden will; To muß man nicht 


verg:ffen, daß die Gedädtnigs Feſte Im Durch⸗ 


ſchnitt jünger wären, als die aͤlteſten Dank⸗ und 


Greudenfefte, oder Buß⸗ und Verſoͤhnungsfeſte. 
Die gottes dienſtlichen Feſte waren eben ſo wenig | 
u | allle 


— — — 309 


alle traurig, als froͤhlich a): am menigften trans 
sige Gedoͤchtnißfeſte der Suͤndfluth, wie Bou⸗ 
langer mit einer muͤhſeligen Gelehrſamkeit, und 
vergeblichem Scharfſinn zu beweiſen ſuchte. Im 


Ganzen uͤberwogen der Zahl nach die frohen Feſte 


die traurigen; und ſelbſt viele tranzige Feſte waren 
mit wilden Froͤhlichkeiten verbunden. Alle jetzt 
von mir vorgetragene Saͤtze werben, durch folgende 
Zeugniſſe über bie Wefchaffenheit der Feierlichkei⸗ 


ten und Feſte unter den roheſten Voͤlkern der Erde | 


oußer Zweyfel gefeßt. 


Die Americaniſchen Wilden, fügt Senmepin d), 
haben Feſte des Abſchiedes und des Dankes, des 
Friedens und bed Krieges, Heiraths⸗Geſund⸗ 


beit » und Zobtenfefte: das heißt, die Wilden 
bringen bey ben genannten Veranlafiungen den Goͤt⸗ 


tern Dpfer, und fielen Opferſchmaͤuſe an, die 


Einen, oder mehrere Tage dauern. Alle biefe 


Feſte find fo unbeftimmt, als die Gelegenheiten, 


welche dieſelben veranlaffen. Die einzigen bes: 


ſtimmteren Fefte find. die Traumfefte und bie Tob⸗ 


tens efte, von. welchen jene jährlih, dieſe alle 


acht, ober zehn. Jahre gehalten werben. Die Als 


ten bellimmer worerbeꝛde die Zage biefer Feſte c). 


Un⸗ 


4) Das letztere behauptete ber Verf. des Buche fur 


le.genie des Natione, p. 75. Daß erftere Bon- 


langer in ten Antiguitee devoilden £ 106 ©. und. 


an vielen anderen Stellen. 
8) V. ag. 


6) Charlevoix Jonrnat pı 356. 57. 377. Weber die. 


Feſte der Earaiben und der Böiter am Orauoco, du 


Tetre IL 387. Labat VI. 116. Gumilla r 267%... 


Ueber die Feſte der Ehiuenſer, Fresier pP, 307. 128, 


Su 
—— 


\ 
— 


ſchehen ren Die Femilien, die zu einem Dorfe, 


310 — — 


Unter den beibnifchen Völkern Stbiciers, ſewohl 
Tatariſchen, als Mongoliſchen Urſprungs, zu 


welchen letzteren man auch bie oͤſtlichen Inſulaner 
zaͤhlen kann, finden ſich mehrere, deren Feſte ins⸗ 


geſammt unbeſtimmt ſind, weil die Feſte bey al⸗ 


lexrley zufälligen, bald gluͤcklichen, bald ungluͤck⸗ 


lichen Gelegenheiten gefeiert werden dy. Unter 


ben meiſten Sibiriſchen Nationen iſt noch jetzt, 


oder war wenigſtens vor einigen Menſchenaltern 
der groͤſte Theil der Feſte unbeſtimmt. Zugleich 
aber hatten ſie gewiſſe jaͤhrliche Feſte, die entwe⸗ 


der im Frühling, ober im Kerbfle und Winter 


‚gehalten würden. Die Fruͤhlingsfeſte feierten. nicht 
bloß die Teleuthifchen, Woliaͤkiſchen, Tſchuwaſchi⸗⸗ 
ſchen nnd Tſcheremiſſiſchen Tataren, fondern auch 
die akuten und Buraͤten: lauter Hirtenvoͤlker, 


- welche Heerden von allerley Bieh, beſonders von 


Pferden. unterhalten 5). Die Zeit, ober ber Tag 


der Fruͤhlingsfeſte wirb.unter ben einen von Schas 


manen, unter anberen von ben Aelteſten des Volks, 


und zwar alddann fefigefegt, wann eine jede Fa⸗ 
milie einen gewifien Vorrath von gefäuerter Pfer⸗ 


demilch, ober fogenannten Kumyß beyfammen bat? 
welches gewöhnlich gegen. Ende des Junius zu ges 


ober 


4) & fagt 3. 8: muuer von den Oſliaklen, was ge⸗ 
wiß auch von den Samojeden und anderen Finni⸗ 
ſchen Staͤmmen gilt: Voyages au Nord VII. sıı, 
Ts n’ont'ni jours, ni heures reglez pour leurs 
ſacrifices. 


.e) Man ſ. des aͤlteren Gmelin⸗ Reiſ. I. 296, IL, 
361-653. 1II. Borr. ©. 8. Müllers Ruf. Geſch. 
1ll, 349.359. Rytſchkovs vage ‘©. 9 9}. Pals 
las Refendl. 90, 91. 


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‚ober einer. Horde gehören, verfammeln id zur be⸗ 
ſtimmten Zeit an einem gleichfalls beſtimmten Orte, 
und Bringen ihre Worräthe Yon Kumyß mit. . Den 
. Anfang des Feſtes macht ein Schaman durch drey 
feierliche Libationen, durch welche man unter den 


Jakuten ſagt, daß die Goͤttert gefuttert werden. | 
Nach vollbrachten Libationen fängt zuerſt der Sha .; 


man an, zu trinken. - Bon dem Schaman geht 
- ber. Schlau, oder bad Gefäß ber Reihe nach uns 


ter ben Übrigen Verfammelten umber, unb wird 


fo oft wieder gefüllt, bis kein Kumyß mehr übrig 


tft, und Weiber und Männer, Alte und Junge 


ſinnlos liegen bleiben. Man opfert an ben Fruͤh⸗ 


lings s Feften die Erfllinge bed Ertrags ber Heer⸗ 
ben, um ben göttlichen. Gegen für bie Erhaltung 


und Vermehrung ber. Heerden zu erlangen. Die 
Tſcheremiſſen, die mit dem Hirtenleben ſchon sts 
was Werbau verbinden, fleben die Götter: zus 
gleich an, daß diefe auch ihre Aecker fegnen mollen. 


"Bey den akuten wird bloß getrunfen, Unten - | 


ben Tataren hingegen, und ben. Buräten werben 


meiſtens einige Schaafe,.oder auch größeres Vieh 
geſchlachtet, von welchen man bad Fleiſch verzehrt, 


und die Haͤute, Hörner und Knochen den Göttern 


opfert. Die Kamtfchabalen ſammt ben Übrigen 
Anwohnern des öftlihen Oceans, und ben oͤſtli⸗ 


chen Juſulanern f) hatten Feine Frühlings, Fefte, 
fondern Winterfeſte, zu melden man gewoͤhnlich 
ben ganzen December beftimmte, nachdem alle Wins 
ter : Vorraͤthe gefammelt worben waren. Einzelne 


— Famftien und ganze Dorfſchaften beſuchten ſich ges 


» Beösevs Ruf BA, a 3710373. ort s. 


‚327: 331. 


4 


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9 18 ’ : X 
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genfeitig, und brachten die feſtliche Zeit in beſtaͤn⸗ 
digen. Schmänfen und anderen Ergößungen zu. Uns 
ter den übrigen zufälligen Feſten waren keine fros 
ber, als diejenigen, welche man nad dem Ans 


treiben, ober der Erlegung von Wallfifchen und 


anderen großen Seethieren hielt. Ein folder Fand, 
ober Fang warb als ein gemeinfchaftliches Gut, 
oder Gluͤck ganzer Inſeln, oder Diſtriete angefes 
ben. Dan. blieb fo Lange beyſammen, bis alles 
verzehrt war. : Doc) fing man nicht eher an, zu 
ſchmauſen, als bid man ben Gottern ein Dank⸗ 
vpfer gebracht hatte. 


Wenn manche Neger i in dem Theile des Goͤt⸗ 


ur terdienſtes, der in Feſten und gottesdienſtlichen 


Feierlichkeiten beſteht, um einige Schritte weiter 
worgerückt find, als bie rohen Bewohner ber neuen 
‚ Welt, und des: nördlichen und oͤſtlichen Aſiens; ſe 
muß man ben Grund davon in den Bepfpielen 
yon Mahemedanern ſuchen, mit welchen fie umges. 


ben, ober doch mittelbar befannt geworben find. 


Auch die meiſten Feſte der Meger find eben fo 
gufällig , als die gluͤcklichen oder unglücklichen Be⸗ 
gebenheiten,. welche fie zu. Opfern und Opfer: Dahl» 
zeiten veranlaffen g)- Außer dieſen unbeſtimmten 
Feſten begehen bie meiften Negervoͤlker ein jährliches 
Feſt, das dem Traum s efte- der Umericaner aͤhn⸗ 
lich iſt. Die jährliche Feſt dauert acht. Tage, 
ad enbigt fi) am letzten Tage mit der feierlichen 
Austreibung des boͤſen Gottes, den man durch hefs 
tiges Geſchrey, durch das Werfen. van: Gutun 
Ä — un 


9) Bosſsmann ©. 186 


und allerley. Unrath verjagen zu koͤnnen glaubt A). 
Unter anderen Üteger » Völkern ift ber Geburts⸗ 
Tag für einen Jeden ber feftlihfte Tag, an weils 
chem man fich felbft, ünd ben Fetiſchen mit. weiſſen 


Farben bemahlt i). Auch diejenigen Neger, die 


ihren Geburtstag nicht als ein jaͤhrliches Feſt be⸗ 
gehen, opfern haͤufig in jeder Woche an dem Tage, 
an welchem fie gebohren worden find, und dann 
noch an einem andern Tage, meiſtend am Frey⸗ 
‘tage k). Sie enthalten ſich an beyten Tagen vom 


Palm: Wein, und anderen beraufchenden Getränken, - 


Die, Feier der Geburtstage fowohl, «ld die bea 
fllmmten woͤchentlichen Feſttage ſcheinen mir bloße 
Nachahmungen Mohamebanifcher Einrichtungen 
zu ſeyn. Die Hottentotten haben wenigſtens einen 
fe großen Hang zu gottesdienſtlichen Feſten, Schmaͤu⸗ 
ſen und anderen Ergoͤtzungen, als die Neger; al⸗ 


fein ihre Feſte ſind ohne Ausnahme unbeſtimmt. 


Alle Geueſſen eines Kraals kommen zuſammen, ober 
werben eingeladen, wenn Jemand van einer Krauk⸗ 
beit: geneſen, oder ‚einer ‚großen Gefahr entgangen 
iſt: wenn man Juͤnglinge in die Zahl der Maͤn⸗ 


mer aufnehmen, ober einen Haͤuptling erwaͤhlen 


will: wenn man gefährliche reiſſende Thiere erlegt, 
ober ein Kraal die Abficht hat, feinen Wufenthale 


zu veränbern., _ober bie Schutzgottheit des Mondes 


zu perſobuen h. In den angefürten unk anderen 
| aͤn⸗ 
B) ib. €. 192. 193.. Wahrſcheinlich fd? efendas 


Seit, ‚weldyed Ifert das Neujahrsfeft. neunt, und 
daß in den Auguſt fallen ol. So c12.” 


ö) Loyer p. 546. 
k) Boemann, Loyer und Iſert Il, ec, 
I) Beichryving etc. I, aso er fq. p. 


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Ahnlichen Falln ſchlachtet man den fetteſten Och⸗ 
‘fen ober Büffel der Gemeine, und geht nicht cher 


aus einander, ald bi bad Dpferthier verzehrt tft. 


In den Zwifchenräumen des Gchmaufend unter 
halt man ſich mit Rauchen und Gefpräden, mit. 
Geſaͤngen und Zänzen. Go fehr bie Hottentetten 


ftarke Getränke Tieben, fo nehmen fie dergleichen 
an ihren. Feſten gar nit, uber mit ber gröften 


| Mäßigung zu fih: eine Enthaltfamkelt, welche 


ich gleichfalls für Mahomedaniſchen Urfprungs 
halte. Sie drücken das Begehen von Feften durch 


die Holländifchen Wörter anders maken aus, und 


beuten dadurch au, daß fie an ben Feſten nie 
ihre gemöhnlichen Arbeiten üben. So wie bie 


Feſte unter ben Hottentotten befchaffen find, ſe 
auch unter ben Amboineſen, unb anderen Oſtindi⸗ | 


fen Inſulanern m). 


Zu den aͤlteſten beſtimmten Feſten achort die 
Feier des Reumondes, die faft gewiß unter ale 
len Voͤlkern entſtand, fo bald man bie glänzens 
ben Coͤrper bed Himmels zu verehren anfing. Man 


betete den Mond nicht früher, als bie Sonne an; 
allein wahrſcheinlich widmete man denſelben frühen j 
beftimmte Feſte. Die Sonne ging alle vier und 
zwanzig Stunden Ein Mahl unter, und flieg auch 


wieber über ben Horizont herauf. Wenn man 


vdie Sonne auch jeden Morgen und Abend anbetete, 
. fo Eonnte man ihr zu Ehren doch nicht täglich 


we Feſte begehen. Der Mond verſchwand in jedem 


Monath auf laͤngere Zeit, als wenn er nicht wie⸗ 
derkehren werde; und um deſto lebhafter war die 


‚Freude, wenn man ihn zum erften Mahle jung, 


oder 
m) Valentyn II. 6. 


— ——— 


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| der . uengebohren: wieder erblickte. Schon die 


Buraͤten feiern die Erſcheinung des Noumondes 
ſo regelmaͤßig, daß ein neuerer Reiſender dieſes 


Feſt den Sonntag ber Burdten namıten).. Die. | 


Zeit bed Neumondes iſt in Congo das einzige bes 


FHimmte Opferfeſt, da bie übrigen Dpfertage eben 
fo unbeflimme find, als bie Urſachen, wodurch 
man zum Opfern: bewegt. wird. Selbſt Moſes 
ließ die Feier ded neuen Lichts befteben, und: zeich⸗ 
nete bad neue Licht. des fiebenten Monden dadurch 
and, daß die Süden ſich von aller Arbeit, wie am 
Sabbath, enthalten muften 0). Gleich den Abri: 
. gen Völkern des Alterthums opferten aud ‘die 


Griechen und Römer an den Neumonden p). 


Wenn es irgend ein frohes Feſt gibt, was 
der Feier des Neumondes bad höhere Alterthum 


fireitig machen Bann; fo iſt es das Menjahrsfef, 


wo man fich über bie Wiederernenerung, ober Ver⸗ 
jüngung der Natur gegenfeitig freute und Gluͤck 
wuͤnſchte, auch. zugleich die Gottheit um Gegen 
für das kommende Jebr, beſonders für. die Tamm 

rndte 


‚n) Beorgi 1. 299 ©. Ä 
0) Michaelis Mof. Recht IV. 169 5171. 


. p) Hofpin. de feflis p. 83- 85. Boulanger II. 
2854-45 Der legtere beweist, daB mandye Natio⸗ 
nen auch die Zeit des Vollmondes feftlich begangen 


baden. Weil die Yauzvımı der Griechen eher mit 
den Nonis, als mir ven Calendis der Römer zus. 


fanmentrafen, fo entfiand Dabee die ſprichwoͤrtliche 

| Medendart: ad Calendas graecas, Holpin |, c. 
"Die Einwohner der Maldiven begrüßen den Neu⸗ 

mond noch jeßt mir manchen zeichen von ı Froͤlich— 
keit, Pyrard pe 200. 


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1 ——— 


Jahrs war der Frühling, oder bie Zeit, wa bie 


Erde ihren Schooß wieder oͤffnete, wo friſche Graͤ⸗ 


ſer und Blumen hervor keimten, und die Baͤume 
ſich mit Blaͤttern und Bluͤthen bekleideten. Da 


die Verjuͤngung der Matur nach der Verſchieden⸗ 


beit der Klimate in ſehr verſchiedene Zeiten fällt, 
und auch bald von ben erſten, bald von mehreren, 
und gleichſam den unbezwenfelten Merkmahlen ders 
felben angerechnet werben kann; fo läßt es fich 
begreifen, warum, das Neujahrfeft-unter einigen 
Völkern im Januar, oder Februar, unter anderen. 
im Diay und Aprik, oder noch fpäter begangen, 


wurde, ungeachtet alfenthalben dieſelbige Ahſicht 


zum Grunde lag. - Schon die Wilden in Florida 
kommen im Arfange, oder ben der Rückkehr der 


ſchoͤnen Jahrs zeit Doͤrferweiſe zuſammen, um fi. 
ſich unter einander zu freuen, und gleichſam mit 
der Ernenerung der Natur auch Ihre Freundſchafto⸗ 


Buͤndniſſe zu erneuern ). Nach Herrn Beorgi r), 
feiern alle Sibiriſche Heiden außer den. Trinkfeſten, 


beren ich vorher erwähnt habe, befondere Frühlings : 


eher Meujahrsfefte, wo fie den Goͤttern das erfte 


Gras und die Erfilinge der Heerden, vorzuͤglich 


Milch opfern, und fi für bad Tonmende Jahr 
ben Segen ber Göster erbitten. Moſes nannte 
ben erfien Mond bed Jahrs nicht, mie bie übrigen 


Orientaler, Niſan , ſondern den Aehrenmend sr), 


weil er verorbnete, daß an dem ſechszehnten dieſes 
| | | Mon⸗ 


M Adair p. TI. A | — 
r) Beſchr. ver Ruſſ. Bölferfh. ©. 33 
s) IV, 165. 70. 71. Michaelis Mof. Recht. 


— Erndte anflehte. Der natarlichſte Anfang des 


n 


Menden, der unfern April entſprach, dem Je⸗ 
hovah bie erften Aehren geopfert werben follten. 
Das ältere Jahr der Hebräer, fagt Michaelis, 
fing‘ mit dem neuen Dionde bes fiebenten Monaths 
an, der in den Ditober fiel. Moſes lieg dieſen/ 
Anfang ded Jahrs nach, wie vor beftehen, weil 
berfelbe für Kanf und Pachtung von Gütern am! 
bequemften, und ben wenigſten Ausnahinen unters ! 
worfen war. Wie fam aber, muß man neths 


wendig fragen, ein Hirten⸗Volk, dergleichen bie) - 


Juden noch zu Moſis Zeiten waren, zur Beſtim⸗ 
mung eined -neuen Jahrs, bie allenfalls für aders 


Bauende Nationen, im geringften aber nicht für) 


Momaden paſſend war, unter welchen udch jest 


bie vornehmften Eontracte über das Miethen von . 


Heerden, vber-über die Vertheilung ihrer Probucte 


im Fruͤhlinge, und- für den nächften Sommer ges . 


ſchloſſen werden? Die Aälteften Perfer feierten ben 
Anfang des Fahre um die Fruͤhlingsnachtgleiche. 
Da diefer Zeitpunct mit dem Anfange. der Mo⸗ 
hamedaniſchen Jahre nit zufammenfiimmtz fo 

ward das alte Tlenjahröfeft nach der Einführung 
der Mahomedanifhen Religion eine Zeitlaug abs 
geſchafft. Allein man ſtellte es in der Folge als 
ein bürgerliches Feſt wieder ber, und beging es, 
die gotteßbienftlihen Handlungen audgenommen, 
wie die Vorfahren es begangen hatten... Zu Char⸗ 
din's Zeiten ſchmuͤckte fi In Perfien ein Jeder 
am Neujahrs: Felt ſo gut er konnte: weßwegen 
die Perfifchen Bauern es daß Feſt ber. neuen Kleiber 
Hannten. Die Vornehmiten Beamten wuͤnſchten 
dein Könige, Elienten ihren Patronen, Unterges 
bene ihren Vorgefeßten Gluͤck, und machten ihnen 
Geſchenke. Die Könige, Patronen und Vorge⸗ 


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. feßten bewirtheten biejenfgen ‚ bie ihnen Gläl gu 


wuͤnſcht und Geſchenke gemacht hatten. Unter 
den Geſchenken, welde Freunde und Bekannte 
einander ſchickten, waren Feine häufiger, als bes. 
mahlte und vergölbete Eyer. An einigen Eyern 
war die Mahlerey fo kuͤnſtlich, und die Vergol⸗ 
dung. fo koſtbar, bag fie mit drey Ducaten bes 
zahlt wurden. Nach einer alten Gage befchentte 
man ſich in Perfien von jeher am neuen Sabre 
mit Eyern, weil dad Ey anf den Urfprung, ober 
Anfang aller Dinge -hindeute 2). Diefe Sage iſt 
nicht ganz verwerflich. Selbſt die Mahomedani⸗ 

ſchen Perſer feiern das Neujahrsfeſt als eine Wie⸗ 

dererneuerung ber Natur u); und bie Gebern als 
ein. Gedaͤchtnißfeſt der Schöpfung, oder des Urs 
fprungs. aller Dinge x). Im ganzen öftlidhen 
und fühlichen Afien feiert man dad Neujahröfeft 

zwar nicht im April, oder um die Nacqhtgleiche, 
aber body in ber Nähe derſelben, nämlich im Fe⸗ 
bruar: um welche Zeit die Natur fi in dieſen 
Laͤndern zu verjüngen anfängt, ober ſich ſchon merk; 
lih verjängt hat y). Dad Neujahrfeft ift im 
| oͤſt⸗ 


t) Chardin I, 239. 2440. 


s) 11.035. parreque ce jour ef comme le renou- 
vellement de la nature, chaque chole repre- 
nant une nouvelle vie a l’approche du Soleil, 


4) Anquetil III. 574 


y) Die Calmylen am Neumonde des Aprils, Pallas 
Reifen], 353. Die Thibetauer, Chinefen und übris 
\ gen ſaͤdlichen Aſiaten im Februar. Georgi p. 461. 

u oyag. au Nord VIII. 146. Gmelins ci 1., 
449. 450. Gobien Hilft, de [Edit de l'Emperenr 

. e 


und daß bie vornehmſten Magiſtrats⸗ Perfoner 
nes de 


J aſtlichen und füblichen Aflen das groͤſte und allges 


meinfte Volkofeſt, das wenigftens vierzehn Tage, 


meiſtens dreh bis vier Wochen dauert. Menſchen 


von allen Staͤnden, Geſchlechtern und Altern op⸗ 
fern nicht bloß den Goͤttern, um ihre Gnade und 
Segnungen für das neue Jahr gu erlangen, ſon⸗ 
dern ſchmuͤcken, begluͤckwuͤnſchen ober beſchenken 


ſich gegenſeitig, und uͤberlaſſen ſich allen Arten 


von Ergoͤtzungen. Die Chineſen trinken und ſpie⸗ 
len nie unmaͤßiger, ald während bes Neujahr⸗ 


feſtes. Wenigſtens waren bie Chinefen, welche 
Gmelin bey Kiachta fah, einen ganzen Monath 


durch nicht nuͤchtern 2). Die Tunlinefen halten 
ed für eine wefentliche Worbereitung zu dieſem 
Feſte, dag fie ſich mit ihren Widerſachern auss 
föhnen, und für einen weſentlichen Theil deſſelben, 
daß fie befonders in ben erſten brey Tagen bed 
neuen Jahrs Niemanden beleibigen a). Von den 


Römern iſt es allgemein befaunt, daß fie das . 


neue Sayr init. dem Januar anfingen : baf fie bie 
Calendas Januarias eben fo feierten, als alle 
übrige große Völker der älteren und neueren Zeitz 


m 


de la Chine P- 8, du Halde Il. 110. LeGom- 
te l. 874 erla.p. Mariny 459 et ſq. p. RA 


m 
pfer H.45. Turner p. 144. hält die Fruͤhlings⸗ 


fefte in Hindoftan und Thiber, an weichen fich als 
les freut und net, für Satur nalien. In Habeſſi⸗ 


nien feiert man das neue Jahr am 28. ober 29. 


Yugufl. Bruce hatte ſchwerlich Recht, wenn er. 


: fügte, daß ale Drientalifche Voͤller ein Gleiches 


. thun. V. 36. N. Ausg. 
le... 
4) Mariny-l, e. 


320 — — 
am erſten Tage des Jahrs Ihre Aemter antra⸗ 


. ten b)., Die Chriſtlichen Kirchenlehrer des vier⸗ 
- ten und fünften Jahrhunderts erklaͤrten diejenigen 


für Heiden, oder bed Shriftlichen Mahmens un⸗ 


würdig, welche die Feierlichkeiten, Thorheiten und 
Ausſchweifungen des heidntfchen Neujahrsfeſtes ans 
nehmen, oder nachahmen wuͤrden. Auch dieſes 
Eifern war fruchtlos. Die Chriſten thaten alles, 
and faſt noch mehr, als was bie Heiden getham 
hatten, und gaben tem Feſte bloß einen andern 
Nahmin: nämlich ber Befchneitung Chrifti c). 


ZIn China, und bem ganzen übrigen füblihen 


- Afien tft Bein Tag ber ganzen Meujahrsfeier glaͤn⸗ 


gender, als derjenige‘, anf welchen das fogenannte 


Lampenfeſt faͤllt 4). An dieſem Lampenfeſte wer⸗ 
den, vorzügfi in China, nicht nur unzaͤhlige 
Feuerwerke, und Freudenfeuer abgebrannt,: und 
nicht bloß die Häufer und Straßen der Stäbte und 
Dösfer, fondern auch Gaͤrten, ja fo gar Sfennche 

| 5 on es 


: 8) Holpin, de feſtis Ethnic. p.60.91.90._ 
e) Holpin, de feſtis Chrifiian, p. 40 et fq. p. und 
‚den Vater Zampi in der Relation de la Mingre. 
lie im 7. Bande der Voy. au Nord p. 283, wo ee 


u nnter anderen folgende Stelle des Lertullian an⸗ 


- führt: plures jam invenies ethnicorum fores 
-. fine lucernis et laureis, quam Chrillisnorum, 
Die heidniſchen Römer ſchmuͤckten naͤmlich au dea 
Calend, „Janzar. ihre Thüren mit Lorbeer⸗Rei⸗ 
ern. 


a) An China faͤllt das Lampenfeſt anf den 15. Tag des 


erſten Monden, du Halde und Le Comte Il. cc, . 


Ueber die fampenfeite in Pegu, Becueil des Voy, 
aux Indes Orient. 111.62. in Siam, Loubere I, 147, 
iu Geylon, Knox p. 81, 


— 


' BL — | 3ar 


Wege, und Wälder, in ber Nähe von Städten 
und Wegen mit Millionen -von Lampen, oder La: 
ternen behangen: wodurch ganze Landſchaften das 
Unfehen von bezauberten Gegenden erhalten. Die 
reihen: und vornehmen Chinefen wetteifern mit eins 
ander in der Groͤße und Koftbarkeit von Laternen, 
welche man am Lampenfeſte zu Erleuchtungen 
braucht. An einigen Laternen iſt die Vergoldung, 
das Schnitzwerk, und der Lack fo koſtbar, daß ſie 
auf zweytauſend Thaler zu ſtehen kommen e). Man 
macht diefe Maſchinen ſo groß , daß fie fünf und 
zwanzig bis dreyßig Fuß im Durdmeffer haben, 


und daß man darin eſſen, ſchlafen, Beſuche anneh⸗ 


men, ja fo gar Luſtſpiele und Ballete aufführen 
kann f). Das Lampenfeft , weldes die Aegyptier 
der Minerva in Sais zu Ehren feierten g), war 
dem Chinefifchen Sampenfefte fo aͤhnlich, daß man 
fi nit wuntern darf, daß faft alle Alterthums⸗ 
. forfcher beyde für einerley gehalten, oder gar bad 
eine von dem andern abgeleitet haben. Es iſt aber 
mehr, als zwenfelhaft, daß tas Aegyptiſche Lam⸗ 


penfeſt ein Theil der Neujahrsfeier geweſen ſey, 


weil Herodot erzaͤhlt, daß die Urſache, um wel⸗ 
cher willen man die Nachtfeier zu Sais, und im 
ganzen übrigen Aegypten begche, nur in einer ges 


hei⸗ 


| e) Le Comte I. 275, 


l,c. - - de forte. que vous ſeres etonnee, 

Madame, d’apprendre, qu’x Is Chine on’ peut 
manger, epucher, recevoir des vihites, repre- 
fenter des: Comedies, ei danſer de⸗ Ballets 
"dans une lauterne, 


2) Herodot. II, 62. —— 
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heimen ‚Sage ‚mitgetheilt werde. Freylich kann 


man nicht wiſſen, ob nicht die heilige Sage, deren 
Herodot erwaͤhnt, denen aͤhnlich war, aus wel: 
chen man in China den Urſprung des Lampenfeſtes 
erklaͤrt, und unter denen eine ſo dichteriſch und 
ſinnvoll iſt, daß ich es bedaure, fie ber Kürze we⸗ 


. gen nit anführen zu Eönnen h). In Öriechenland, | 


und Rem, feierte man mehrere nächtliche Feſte 
burch Umgänge mit Fackeln: befonderd ber Ceres 
und Droferpine, der Sebrus, und ben unterirbie« 


ſchen Göttern zu Ehren: welche Heidniſche Feſte 


die Chriſten in das Feſt der Reinigung Mariä 
umbildeten 5). . Viel merfwürbiger iſt es, daß 
bie Heidniſchen Römer an, dem Neujahrsfeſte die 
Zhuren ihrer. Daufer mit Laternen erleuchteten, 


und daß die Chrijten bie Erleuchtung zugleich mit 
dem Feſte annahmen k). 


Ohne bie Aus ſpruͤche der Geſchichte koͤnnte es 
Niemand dermuthen, daß ſolche Feſte, dergleichen 
die Saturnalien der Griechen und Roͤmer waren, 
zu den aͤlteſten, und allgemeinſten froͤhlichen Feſten 
gehoͤrten. Unter beyden genannten Voͤlkern fanden 
ſich mancherley Sagen über den Urſprung, ober 
die Veranlaſſung ber Saturnalien /). Alle biefe 
Sagen vertienen wenig, ober gar feinen Glauben. 


Die wahre Urſache der Saturnalien muß man in 


der 


A) Le Comte I, egt et fq. pe | 
'ö) Hofpinian. de fell, Chriſtian. p. 68. 83. 


k) Man fe das vorher angeführte Zeugniß des Ter⸗ 
tulliau. 


I) Holpin, de feſt. Ethnic. p. 237 et [q. 





ber allgemeinen Anlage unſerer Hate fchen, 


bermöge deren bie Menſchen, ohne es felbft zu wiſ⸗ 
fen, angetrieben werden, ſich zu gewiffen Zeiten 
don allen ihren gewöhnlichen Ürbeiten, fo wie von 


ben Geſetzen des gemeinen Wohlſtandes loszureiſ⸗ 


fen, und alle Unterſchiede ber Stände, ja in fo 
fern es moͤglich iſt, alle Unterſchiede der Geſchlech⸗ 
ter, und Alter aufzuheben, um ſich ihrer Freude, 
Ihren Launen, und ſeibſt ihrem Muthwillen ohne 
Zwang, und, ohne Furcht vor Ahndung, und Strafe 
überloffen zu koͤnnen. Unter allen Völkern ber 
Erbe find eine trübfinniger, Feine weniger zur 
Freude und zu Scherzen geneigt, als die urſpruͤng⸗ 
lichen Americaner; und buch bildeten ſich unter eis 


nem großen Theile der Rord-⸗ Umericanifchen . 


Wilden, die ſchon vorher genannten Traum Feſte. 
So bald dieſe Feſte ausgerufen, oder verkuͤndigt 
worden find m); fo brechen Männer, Weiber, und 
Kinder aus allen Cabanen heraus, und zwar faſt 
ganz nackt, die Kälte mag fo ſtark ſeyn, als fie 
- will, Die Umherirrenden laufen, oder taumeln, 


als wenn fie trunken, oder hicht recht bey Sinne 


ſeyen; und man rechnet daher Niemanden at, was 


er in dieſem Zuſtande aageblicher Trunkenheit, 6 oder 


Verwirrung vornimmt. 


Die Einen uͤberſchuͤtten einen Jeden, der * | 


hen begegnet, mit kaltem Wafler, vber init bei 

fer Aſche. Andere werfen glühende Kohlen, ober 

Brände nad) ben Köpfen von Bekannten und. Ye 
bes 


in) Charlevoik p. 356. 333. nad) den Ersäbtungen 


des P. Dablon, 


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B P ‘ “. 


bekannten. Diele dringen in bie offenen Hütten 


ein, ftoßen oder fchlagen Alle, vie ihrer Wurh 


nicht ausweichen, zerbrehen den Hausrath, der 
ihnen unter die Hände kommt, ' ober drohen gar die 
Hütten nieberzureifien, oder zu verbrennen, oder 
Diefen und Jenen umzubringen, wenn man nicht 


ihre Träume erraihe, oder enträthfele. Auch bie . 
Neger in Achim, und mwahrfcheinlidy noch mande _ 


andere Neger » Völker feßen jährlich, acht Tage 
zum freyen Ausbruche einer jeden Art von Muth: 


willen aus n). In diefen acht Tagen Fann ein Ser 


der fingen und tanzen, fagen und necken, wie, und 
was, und wen er will, Es gibt Fein anderes 

- Mittel, ſich von Spottreden, oder Spottliedern, 
und anderen’ Neckereyen zu befteyen, als daß man 
den Spottenden, und Neckenden reichlich einfchenft: 
wodurd die Spöttereyen fo. gleich in Lobreden, und 
Lobgeſaͤnge umgewandelt werden. Im alten 
Orient, wenigſtens im alten Babylonien, Aſſyrien, 
und Perſien, feierte man ſo genannte Sakkea, oder 
Sakkiſche Tage o), an welchen man nicht bloß die, 


„Ungleichheit ver Stände aufhob, fondern fo gar bie 


Mollen ver Herren und Snechte, der Herrſcher und 
Beherrſchten umtauſchte. In Perfien befreyte man 
unter den todeswuͤrdigen Verbrechern,, "welche man 
in Ketten und Banden hielt, Einen aus feinem 
Gefängniffe und von feinen Feffeln,. reichte ihm 


alles, was er verlangte; gab ihm bie fhönften . 


Kebsweiber, und feßteiihn fo gar auf einen koͤnig⸗ 


lichen Thron. Am Ende bes Feftes aber zug man . 


dem verkappten Könige feinen koͤniglichen Schmuck, 
und feine Koͤniglichen Kleider wieder aus, und 
voll⸗ 
n) Bosmann ©. 192. 193. — 
) Berofus ap, Arhenacum XIV, «. 10. 


- 
- 


- 0. 323 


vollzog an ihm bie. Strafe, welche er verdient. 


hatte: wahrſcheinlich um dadurch anzudeuten, daß 


nun alles wieder in die alte Ordnung zuruͤckkehren 
muͤſſe. Spuren der alten Sakkiſchen Tage haben 
fid) unter ben Parfen in Kirman erhalten p). In 


Aegypten übten beyde Gefchlechter an dem Feſte, 
welches der Diana zu Bubaftid gefeiert wurde, 
nicht weniger Muthwillen aus, als die übrigen 
Morgenländer an den Sakkiſchen Tagen, und die 
Griechen und Römer an ven GSaturnalien. Man 
Tann dieſes nicht bloß aus ber DBefchreibung des 
Herodot, fondern aud) aus ber von diefem Ges 
ſchichtſchreiber angeführten Nachricht fchließen g): 
daß man an biefem Feſte allein mehr Wein zu ver⸗ 
zehren pflege, als in dem ganzen uͤbrigen Jahre. 


Nichts deſto weniger ſcheint dieſem Feſte Einer der 
Haupt s Charaktere der alten Saturnalien gefehlt 
zu haben: die Aufhebung der Ungleichheit der 
Stände. Auch war das ein mit ber Natur der 


Saturnalien nicht aut zu vercinigender Umftand, 
daß dad Feſt der Diane nur in Einer Stadt Ae⸗ 
gyptens gefeiert wurbe, und daß biejenigen, die 
Theil daran nehmen wollten, nach Bubaſtis wall: 
fahrten mußten. Die eigentlihen Saturnalien 
wurden von den älteften Zeiten her fo wohl in Gries 
henland, als in Stalien, doch vorzüglich in Ita⸗ 


- lien gefeiert ). Sie hatten ihren Nahmen vom 


Saturn, von welden alte Weberlieferungen in 


Griechenland, und Stalien erzählten,. baß er die 


| ro⸗ 
. p) Anquetil III, 581, 
g) 11. 60. 


r) Lucian. Saturn, in Oper, Iil. 3856-95. Macro- | 


bii Saturn. I, c. 7, et 10, 


— vi rn \ 


_ ⸗ 
g06 or a. 


rohen Vorfahren in ben Känften bed Selb: unk 
Gaͤrtenbaues unterrichtet, oder daß ey Über Itae, 

lien geherrfcht habe: dag während feiner Regierung 
die goldenen Zeiten geweſen ſeyen: daß die Sterb⸗ 
licen ohne Arbeit alles im Ueberfluſſe gehabt, und 
bdaß man weder Kriege, noch andere Streitigkeiten, 
weter Herren noch Knechte gekannt habe, Dig 
Saturnalien dauerten in Älteren Zeiten nur Einen 
Tag. Nah der Verbeſſerung des Ealenders un⸗ 
fer dem Julius Chfar verlängerten fie ſich bis zu 
drey Tagen, und nodyfpäter bis zu fünf, und fies, 
hen Tagen 2). "Der Anfang der Saturnalien fiel 
in Rom auf den ſiebenzehnten December. Waͤh⸗ 
rend der Saturnalien nahmen die Griechen und 
Roͤmor nicht allein keine ernſtliche haͤusliche, oder 
öffentliche Geſchaͤfte vor, fondern e8 war Ent: 
- weinung ber heiligen Zeit, wenn man bergleichen vors 
nahm, Man fah die Saturnalien als eine Nuhes 
zeit an, bie ganz ber Freude, und dem Scherzo 
gewidmet fey. Man Eonnte fiih an ben Saturna⸗ 
lien niele® erfauben $ man mußte an den Saturna⸗ 
Tien piele® dulden, was man ſich fonft nicht erlane 
ben, oder nicht dulden burfte, Man deutete es 
nicht nel wenn feltft gefeßte Männer an den Gas 
turnafien laut fangen, oder ſchrieen; wenn fie nicht 
bloß tranken, fondeyn ſich betranfen: wenn fie in 
- Mürfeln um Möffe, nur nicht um Gelb fpielten ı 
wenn fie ſich dan Geficht mir Muß beftrichen, ober 
fih ensfleideten, und ganz nackt 'mit einer Spies 
. Yerinn auf dem Nacken um ein Haus bertanztent 
wenn fie eidlich Bekannte, und Unbekannte Ir 
als 


/ 


Du ee und Hofgin. de feftie Erhnieorum 226, 
«fg p. 


N 


— — rn 


kaltem Waffer befdyütteten. Freunde und Anver⸗ 
wandte bewirtheten einander; und an ſolchen frohen 
Schmaͤuſen wurden Könige des Fefted gewählt. 
Die Reihen und Bornehmen kleideten, : ober bes 
fhenkten die Arnien und Geringen. ‚Herren fpeiss 
ten mit ihren Anechten, oder warteten gar ihren 


Kuechten bey Tifhe auf, und ließen fih die Scherze - 


derfelben gern gefallen 2). _ Die Gaturnalien was 
ren ein fo allgemein belichtes Volksfeſt, daß fie 
fi mit der Verbreitung der Chriftlicden Religion 


nicht ganz verlieren Bonnten. Nur der Nahme 
verſchwand. Das Feſt felbft blieb, ober mobelte 


ſich nad) dem Geiſte der neuen Religion um, unb 
erſchien unter allerley nenen Benennungen wieder. 
Es ift faft feinem Zweifel unterworfen, baß aus 
den Saturnalien der Roͤmer die Marren » unb 


Eſelsfeſte, die Feſte der Unfchuldigen, und felbft 


die Faſtnachts-Luſtbarkeiten ber Chriftlichen Voͤl⸗ 
fer des Mittelalters entfianden find u). Die 
Narrenfeſte, die Efelöfefte, und die Feſte her Uns 
fhuldigen wurden entweder gleih nah Weihnach⸗ 
ten, oder am Neujahrötage, oder um das Feft der 
heiligen Dreykönige in allen Kirchen und Cloͤſtern 
ber Chriftenheit begangen. So wie an ben Gas 
turnalien ber Römer bie Knechte bie — 

er⸗ 


£) im defto TAcherticher war ed, daß Boulanger' 
nicht bloß Die Neujahrsfeier, fondern aud) die Sas 
turnalien der Alten zu einem traurigen Bedachtniß⸗ 
feſte der Suͤndfluth machen wollte. T, ch. 6. 


u Mau % Du Tilllor Memoires pour fervie a Phi- 
ftoire de la.fete des fous p ı-4. p. 37 et ſq. 
auch Holpinian, de feltis Chriſtianorum p. 59 


u 


u 


828 u . — — 


Herren ſpielten; ſo thaten an dem Narrenſeſte die 
Subdiakoni, und andere Unter-Bediente von 
Kirchen und Cloͤſtern, was ſonſt nur ihren Haͤup⸗ 


tern zu thun erlaubt war. Je nachdem Kirchen 


unter Biſchoͤfen, oder Erzbiſchoͤfen, oder gar un⸗ 
mittelbar unter dem Pabſte ſtanden, waͤhlte man 


aus der niedern Geiſtlichkeit, oder Dienerſchaft eis 
- sen Biſchof, oder Erzbiſchof, oder Pabſt, und in 


Slöftern, einen Abt ter Narren. Man führte . 
den gemählten Abt, oder Bifchof, oder Erzbiſchof, 
oder Pabſt mit den Inſignien ſeiner Wuͤrde ange⸗ 
than; in die Kirche, und ließ ihn hier vor den Au⸗ 
gen des ganzen Volks alle die heiligen Handlungen 
ber Perfon vornehmen, welche der Verkappte vor: 


ſtellte. Seine Begleiter waren auf mancherley 


Arten vermummt, die entweber Jadyen, oder Schres 


‚Ken erregten. Beyin Eintritt in dad Chor fing 
das Gefolge des Abtes, ober Biſchofes der Mars 


ven an, zw tanzen, und fchmußige Lieder zu fin 
gen. Während ber Meile aßen die Einen vor den 
Augen des Priefters Wuͤrſte. Andere fpielten auf 
ben Altare in Wiürfeln, oder Karen. Mob , 
Andere warfen in das Rauchfaß altes Leder, oder 


"andere: uͤbelriechende Dinge. Mac der Meſſe lief, 


und tanzte man in ber ganzen Kirche umher, . wos 
hey Einige fich gänzlich entEleideten. Bey bem 
Au⸗gange aus der Kirche feßte man ſich auf Dreck⸗ 


karren, aus. welchen man Unreinigfeiten auf die 


Vor ernehrnden warf, Man lief bie Karren 
bisweilen file halten, um allerley unzuchtige Re⸗ 
den und Bewegungen vorbringen, und- machen zu 
Fönnen. Die Ausgelaſſenſten bes Poͤbels aefellten 
fih gu ver auögelsffenen Geiſtlichkeit, meiſtens in 

| geiſt⸗ 


— — 329 
geiſtlichen Trachten x). In einigen Kirchen und 
Tloͤſtern tanzten tie Biſchoͤfe, oder Erzbiſchoͤfe, 
and Aebte ſelbſt mit ihren Domherren, und Gons 
ventualer in ber Kirche, oder ſpielten Kegel, Ball, 
Mürfel und Karten; und diefe Ergößungen nann⸗ 
‘4° man ganz nad) der Weife der alten Saturnalien 
die Freyheit des Decembers y), Hin und wieber 
ward dad Eſels⸗- Feſt zugleich mit dem Narren 
Gefte gefeiert. Andersſswo beging man ed allein, 
oder ftatt dee letzteren. An dem Eſelsfeſte führte. 
man einen Efel, der ein geiſtliches Biret anf dem 
Hrücken trug, in bie Kirde, nnd fana theild am 
Eingange der Kirche, theild auf dem Chore luſtige 
Lieder, befonderd einen Fomifchen Lokaefang auf 
ben Efel ab, in welchem jede Strophe fi mit 
ben Worten envigte: He, fire Ane, hé; wo 
benn bad ganze Volk in ben fingenben Chor eins 
flimmte 2). Diefelbigen Ausgelaffenkeiten, welche 
man an dem Feſte ber Narren, ober der unfıhuls 
digen Kinder übte, wieberhohlte man an manchen 
Orten auch in anderen Zeiten bed Jahrs: befon: 
ders im Unfange der Faften, und am erfien May. 
Rod ju Hoſpinians Zelten waren die Faſtnachts⸗ 

| Luſt⸗ 


x) 1. c. p. 6. 


y) p. 7. Et - » ce divertillement s ppelloit la li. 
berte de Decembre. Horat, Il, Sat. 7. 
Age, libertate Decembris, 


2) L. e. p. 14. 15. Ih will die erſte Girophe her⸗ 
ſetzen: 
Orientis partibus 
adventavit alınus 
Pulcher et fortiſſimus 
Sarcinis aptifltimus, 
Hs, Sire Ane, be, 


- 


30 00 [u 


Luſtbarkeiten dee Kirchen ungleich fittenlofer, als. 

bie Saturnalien ber Heidniſchen Roͤmer. Geifts ° 
liche und dayen, Weiber und Männer, Alte unb 
Junge ſchwaͤrmten in lächerlichen, oder ſcheußlichen, 
ober unehrbaren Masken an heiligen und unheiligen 
Orten umher. Man ſang und tanzte, man führte 
£uftfpiele und Trauerſpiele auf, nicht bloß auf oͤf⸗ 
fentlihen Straßen und Pläßen, fondern in Kirs 
chen und in fremder Käufern, in welde man mit 
Gewalt eindrang. Diefe Zänze und Echaufpiele 
waren meiftens eben fo ſchaamlos, als die Schmäufe 
unmäßig waren a). Am erften May zogen in Als 
teren Zeiten die Domherren felbft, in fpäteren, bie 
Chorfänger, und Chorfhüler, auch die Lehrer und 
Schüler der Burfen auf hohen Schulen, paarweiſe 
in Proceffion in einen benachbarten Wald, um 
grüne Zweige zu hohlen, womit man bie Statuͤen, 
und Altäre der Heiligen fhmüden koͤnne. Bey. 
dem Anszuge, und Einzuge wurde mit allen Gl 
den fo heftig geläutet, daß nicht felten Glocken 
‚und Menſchen befhädigt wurden, Bey der Ruͤck⸗ 
Eche waren die Mitglieder der Proceffionen ver⸗ 
mummt, warfen den Umftehenden Kleyen, oder 
Sand in’d Geſicht, Tießen fie tanzen, oder ie | 
Ä Be⸗ 


«) i.c. Nonnulli in divitum aedes [efe ingerunt, 
comocdias vel’tragoedias,. easque non omnino 
turpitndine vaeantes exhibituri. Saltationes 
porro iisdem diebus fiunt admodum Inbricae ' 
et impendicae pars in foro et in plateis, pars 
in domibus privatis, et noctu perinde ag inter- 
dia. Aceedınt luxuriofa ac temulenta convi- 
vis ad intempellam noctem, A non al cre- 
pulculum protracta Ubi obſecro, tam mulıa, . 
tamique varia,ab Ethnieig facta leguntur, 


> — 331 


Beſen ſpringen, u. ſ. w. 5). Dieſe, und bie abri— 
gen Arten von Narren: Heften wurden zwar in als 


. ken Jahrhunderten von einzelnen Bifhöfen, oder 


Mäbften, und Kirchen s Werfammlungen verbotens 
allein fie wurden nicht eher, als im funfzehnten und 
ſechs zehnten, zum Theil erft im fiebenzehnten uud 


achtzehnten Sahrhundert wirklich abgeſchafft. Ce 
‚gen diefe Abfayaffung feräubten fi Feine mehr, 


al& die Geiftlichen ſelbſt. Man behauptete, daß 
das Narrenfeft eben fp wohl von Gott eingefeßt 
ſey, ald das Feſt der Empfängnig Mariaͤ c). 


Unſere Vorfahren, faaten die Freunde ber Narrens 
fefte, erlaubten dieſe Feierlichkeiten. Lafſet uns, 


wie biefe guten, und großen Männer, leben, und 
eben das thun, was fie thaten. Was an’ den 
rarrenfeften gefhieht, gefchieht nicht im Genft, 
ſondern im Scherz, um und nad alter Weiſe zu 
ergößen, und ber und natärlichen Thorheit wenige 
ftend Ein Mahl im Sahre einen Ausgang zu ver⸗ 


ſchaffen. Weintonnen wuͤrden berfien, wenn-man 

fie nicht bisweilen Sffnete, und ihnen Luft verſchafte. 
- Mir find alte, ſchlecht gebundene Faſſer ,‚ welche 
der Mein der Weisheit fprengen - ‚würde, wenn 


wir ihn in einem unaufhörlichen Eifer im Dienfte 
Gottes fortaähren ließen. Wir weihen daher eis 
nize Tage Spielen und Scherzen, um mit befto 
mehr Frende zu den Studien, und zu dem Dienſte 


Gottes zuruͤch zu kehren. Die Narrenfeſte ſtrit⸗ 


ten nicht mehr mit dem aͤchten Chriſtenthum, als 
ein Feſt dev Molacks, zu Gurat, wahrfcheinlid 
einer ausgearteten Ser bon Mahomedanern, mit 


den 


5) L «. P» 16. 17. 
) o. p. go. | — 


! 


332 , f — 


den Religionen, ja mit dem ganzen Geiſte der 
Morgenlaͤndiſchen Voͤlker ſtreitet. Die Molacks kom⸗ 
men jährlich zu einer gewiſſen Zeit, welche fie kei⸗ 
nem Profanen bekannt werben laflen, zufammen, 
‚ and bringen den Tag in Fröhlichkeit zu. Genen 
Abend vereinigen fi Männer. und Weiber in einem 
großen uuerleuchteten Zimmer, defien Boden mit 


— 


Teppichen bedeckt iſt. Jedes Weib läßt. ben 


.Mann, welchen der Zufall ihr zufuͤhrt, zum Ge 

nuſſe ber hoͤchſten Gunſt⸗Bezeugungen zu. Das 
mit die Frauen ihre Beyſchlaͤfer wieder erkennen, 
fchenft eine Jede dem ihrinen ein Schnupftuch, ober 
ein anderes Andenken. Es geſchiebt an diefen Fe⸗ 
firn des gemeinen Genuffes nicht felten, daß Vaͤ⸗ 
ter bey ihren Töchtern, "Brüder bey ihren Schwes 
ftern Schlafen. Solche Verbindungen, melde 
man zu jeder andern Zeit als blutſchaͤnderiſch ders 
abfchenen würte, fcheinen den Molacks an bem-ers 
wähnten Feſte vollfommen erlaubt 4). Sollte 


nicht auch dieſes Feſt durch ſolche Vorſtellungen | 


veranlaßt worben fenn, bergleichen gewiß bey den 
Bakchanalien, und anderen aͤbbelichen Feſten zum 
Grunde lagen? 


Von gleichem Alter mit den bisher anterſuch⸗ 
ten froben Beften waren die Dank: und fFreubenfefte, 


0 


welche man den Goͤttern zu Ehren fuͤr ſolche Wohls. 


thaten feierte, bie den meiften Völkern in gewiſſen 


Jahrszeiten vorzüglich zu Theil wurden... Jaͤger⸗ 
»ölfer haben Zeiten, wo bie Jagd e), Se 
Er . . . Is 


d) Hamilton I. 149. 
e) Charlevoix Journ. p. 118 Carver p. 2:6, 87- 


& 


- 


x oO euer nn 5 er EEE > - Den — — mm — 


-- 0. '333 


Voͤlker andere Zeiten, wo der Fifchfang im gan; | 
zen Sahre am einträglichften iftz und wo daher - 


ganze Voͤlkerſchaften und Gemeinheiten ihren Bor: 
rath für ben Winter, ober doch für mehrere Mo: 
niathe einfammeln f). Sägers und Fiſcher⸗-Voͤl⸗ 


ker fiellen nah großen Jagden und gluͤcklichen 


Sifhfängen feftlihe Zufammenkünfte an, an weh 


- den fie ſich nicht nur der gewonnenen Beute freuen, 


fondern aud) den Göttern für das empfangene Gute 
danfen. Die meiften Jäger s. und Fiſchervoͤlker 


bauen entmweber felbft, oder burd ihre Weiber 
gewiſſe Getreide s Urten, oder genießbare Wurzeln 
and Früdte, die ihnen neben ben Fiſchen, oder 


dem MWildprett zur Speife dienen. in gleiches 


- thun mande Nomaden, befonders biejeniger, die 
‚wie die Zatarifchen Völker in den sftlihen Pros - 
pinzen des Europaͤiſchen Rußlandes, ben Winter 


über in feften Dörfern wohnen, und nur im Som⸗ 
mer mit ihren Heerden umher ziehen g),. Eben 


daher fielen dieſe Zataren, wie die meiften Ne⸗ 


ger: Völker in Afrika h), Erndte⸗Feſte an, die 
eben fo wohl Dank s als Freudenfefte find. Bey 
ben eigentlichen ackerbauenden Nationen hing nicht 
bloß die Zeit, fondern auch bie Zahl ber Erndte⸗ 


Feſte davon ab, ob fie bloß Getreide, oder außer. 


bein Getreide auch den Meinftod, den Oehlbaum 
and andere Fruchtbäume bauten. Ackerbauende 
Volker, die bloß Getreide und keinen Weinſtock 


bauten, harten und haben gewhnlich nur Ein jaͤhr⸗ 
i li⸗ 


u: Steller und Georgi II. ce. 


g) Georgi's Beldbr. ©. 386. 83, Pallas I L, gr. 
918. Rytſchkovl. c. ©, 42. 


h) Oldendorp L 33 0.008 


—— — — 


35% u an — 
rn l . 


liches Erndte⸗Feſt tad nach ber vollendeten Ge j 


trelde : Erndte gefetert wurde i). Solche Nationen 
hingegen, die fi) auf den Weinbau, den Oehlbau 
u. ſ. w. eben fo fehr, ober noch mehr legten, als 
anf ben Getreites Bau, glaubten ſich verpflichtet, 


| den Göttern nicht weniger für die Weinlefe und 
andere Baumfruͤchte, als für die Getreide-Erndte 


su danken. Go feierten die Juden das Erndtefeſt 
am funfzigſten Tage vom ſechs zehnten des erften 
Monden angerechnet, und dad Lauberhütten, Feft 
am Abend des vierzehnten Tages des fiebenten 
Monden k). - Das Lauberhuͤttenfeſt war bad Dank⸗ 
feſt für. die Obſt- und Weinleſe. Dieſen beyden 
Feſten entſprachen die Freuden⸗ und Dank⸗Feſte, 
welche de Griechen und Roͤmer der Ceres und dem 
Bakchus zu Ehren feierten )3 welde Sefte in 
der Folge meiſtens in geheime Fefte, oder in Ges 
bächtnißfefte übergingen, und daburd) eine ganz ans 


en u, GEHE "GE 


* 
EI 


dere Richtung erhielten, als fie urſpruͤnglich gehabt | 


hatten, 
. Weniger alt, als die Feier des Neumondes 


und des. neuen Jahre, oder die Saturnalien und. 


Erndtefeſte, waren alle, ober body die meiften fros 


hen Gedaͤchtniß⸗ Fefte, an welchen man fid) bald der 


gluͤcklichen Wenebenheiten, bald ber glorreichen u 


Thaten von Östtern, Helden, Religions, Stiftern, 
Heiligen und Vorfahren, oder auch der Wohlthar 
. ten. mit Freude und Dankbarkeit erinnerte, welche 


die 
i) So die alten Slawen, Anton G. 77 
Michaelis Moſ. Recht IV. 141. 1q. 

) Holſpin. de feſtis p. aug. 


— — 


——ü — RT u m wm 
7 


— — 2336 


die lebenden Verehrer ber Goͤtter ſelbſt empfangen 
hatten. Viele Voͤlker feierten, und feiern noch 
jetzt die Geburtstage ihrer Goͤtter und Religions⸗ 
Stifter m). Vielleicht waren bie Geburtsfeſte ber 


Götter die Veranlaffung, dag die Menfchen au 
ihre eigenen und ber Shrigen Geburtstage feierten, 


fo wie gewiß bie Feſte ber Heiligen bie Feier ber 
Nahmenstage veranlaßt haben. Un ähnlichen 


Feſten erneuerte man das Andenken glädlidyer, ' 


ober Iuftiger Vegebenheiten, glorreicher oder wun⸗ 
dervoller Thaten von Goͤttern, Helden. und Pro: 
pheten. So bezeugten die Juden an dem Paſcha 
dem Gotte der Väter ihre Freude und Dankbar⸗ 


keit darüber, baß er fein Volk mit mächtiger Hand . 


aus der Aegyptiſchen Dienftbarkeit errettet hatte m). 
Unter den Griedyen und Römern waren bie meiften 
frohen Fefte, nahmentlich die zarnyupsss ber Erſte⸗ 
ren 0), und die Ludi ber Letzteren, befonbers bie Ludi 
circenfes p): Megalenies PP) und florales 2. bie 

udi 


m) Ueber die Meburtskeſte der Legyptiſchen Goͤtter 
Plutarch. VII. p. 402. Des Geburtsfeſtes, oder 


der Gott-⸗Erſcheinung des Apis habe ich fon uns. 


“ter Dem Abfchnitt vom Tbierdienſt erwähnt, Ueber 
das Geburts-Feſt des Viſtnu in Hindoſtan, Ro⸗ 
gers II. c. 12. Des Tenſio⸗Dai in Japan, 
Rämpfer I. 223 S. 


rn) Michaelis IV, 14r. 


0) Diony[. Halicarnafl, V. 520, Iſocr. I. 1. ‘Ho- 
fpin. 119, 270, 


p) Holpin. p, 64. 
pp) ib: p.245. ' 
g) Lactant, I, io, Val, Mas, I, 10. $. 8. 


— — nn en 


— çú r—cr— 


336 - —— — 


Ludi Saliorum r) et Lupercorum ı Ss), religioͤſe Ge⸗ 
daͤchtniß⸗ Feſte. Als der juͤngere Caro einft den 
Spielen der Slora zufah, ſcheute fi) das Roͤ— 
mifche Voll, die Entblößung der Mimarum zu 
fordern, welche man mit den Tänzerinnen in Afien 
vergleihen kann. Go bald Caro durdy feinen 
Freund Savonins erfuhr, daß er bad Vergnuͤ⸗ 
gen ber Römer ftöre, entfernte er fih, und kad 
ganze Römifche Volk klatſchte ihm Beyfall ned. 
Noch miderfinniger, als die Flora s Spiele der 
Römer, wenn auch weniger unfittlid, war das 
Feſt, was man dem „Herkules jährlich in Lindus 
- feierte, und deffen vornehmfte Feierlichkeit in Fluͤ⸗ 
chen, ober Verwuͤnſchungen beſtand: zum Anden⸗ 
ken der Fluͤche, welche ein Bauer wegen zwey ge⸗ 
raubter Ochſen gegen den Herkules aus geſtoßen 
hatte 1). Die Mahomedaner haben mancherley 
Feſte, wenn gleih nit fo viele, als vormahls 
bie Chriften hatten, an melden fie fi die Aben⸗ 
theuer, ober die Siege und Wunder ihres Relis 
gions Stifters und anderer Propheten, und Heiligen 
zurhdiufen u). Ich bin ungewiß, ob bie beuben 
Bairams Feſte auch als Gedaͤchtniß⸗ Fefte anzus 
ſehen ſind x). Die heutigen Perſer feiern an 
| meh⸗ 


r) Livius 1. ao. Dionyf. u. 10, Hofpin. p. 183, 
8) Hofpin. p. 101.2. 
8) Lactant. Inftit Div. 1; c. 2ı, - oo 
#) Chardin IV. 200 ct ſq p. | 


æ) Chardin 1.c. p. 198.199 Ricaut p. 29. Eben 
ſo ungewiß him ich, ob das Sonnenfelt im:- alten 
Perſien Athen! X. co, und die Feſte der Sonne 

ı Heltopoiik, und der Latona zu Buto, Hero- 
‚dor, 11, 63 c. Gedachtniß s Zefte waren, 


' 


— — | 337 


mehreren Feſten das Andenken der Schoͤpfung der 
verſchiedenen Theile det Welt, beſonders des Mens 
ſchengeſchlechts 4). Die Athenienſer veranſtalteten 
bis auf die ſpaͤteſten Zeiten Freuden⸗ und Dank⸗Feſte 
an den Tagen, an welchen fie in denZeiten ihres Ruhms 
und ihrer Größe bie herrlichſten Siege uͤber ihre 
Feinde, beſonders über tie Feinde ter Griechiſchen 
Freyheit bey Marathon, Salamin und Platäa - 
erfodhten hatten 2). Zwar nicht fo berühmt, aber 
eben fo merkwuͤrdia, als die Siegesfefte der Athe⸗ 
nienſer, war ein Gedächtnißfeft in Argos. Der 
Spartanifhde König Bleomenes ſchlug die Ars 
giver auf’s Haupt, und drang mit feinen fiegret: 
hen Kriegern bis an bie Mauer, fein Mitfönig 
Dematarus fo gar bis in die Stadt Argos vor. 
Die Niederlage der Männer erweckte auf einmahl - 
den Muth der Frauen. Durch dad Beyſpiel der 
Dichterin Teleſilla angefeuert, legten die Argive⸗ 
rinnen Waffen und Ruͤſtungen an, und hielten 
nicht nur den Rleomenes von ben Mauern ber 
Stadt ab, ſondern trieben auch den Demaratus 


zur Stabt hinaus. Zum Andenken dieſes Siegsess 


ſtifteten fie dem Mars ˖ einen Tempel, und zus 
gleich ein jaͤhrliches Feſt, an welchem bie Weiber 
maͤnnliche Kleider und Waffen, die Männer weib⸗ 


liche Gewänder und Schmud trugen, Die übrig 


ge 


| ” ‘ 
y Angnetil II. 574. Niebuhrs Reifen IL 49 ©. 
2) Plutarch VII. 378. 379. nennt genau die Monds 


she und Tage, an welchen dieſe edaͤchtniß⸗ Feſt 


begangen wurden, raura 3 wolıs dopragsı, a 
Unsp army Ivaı Toig Isoic. 


2 


- 


' 
y 


| gebliebenen Urgiverinnen vermählten fi & wicht mit 


ihren Knechten, fondern mit ben angefehenften Eins 


. wohuern ihres Gebiets. - Um aber diefe neuen 


Bürger, und deren männlihe Nachkommen ſtets 
an ben Adel, der Bürgerinnen von Argos zu er⸗ 
inneren, machten fie das Gefeß, daß die Braͤute 


‘in ber Hochzeitsnacht mit Baͤrten verſchen ſeyn | 
‚. folten a). u 


Dioiie meiſten Völker glaubten nicht bloß, daß 
fie ſich an den Freuden⸗ und Dankfeſten allen Ars 
ten von Vergnuͤgungen uͤberlaſſen koͤnnten, ſondern 
daß fie ſich denſelben bis zum Uebermaaße übers - 


laſſen muͤßten; und ſie hielten daher an Feſten für 


gotteöbienftliche Handlungen, was fie zu einer jes . 
ben ‚anderen Zeit als unerlaubt, oder gar als ents 
ehrenb verabfchenten. Dian übertrieb die Bezeu⸗ 
gungen der Freude, wie die der Traurigkeit, theils um 


in höheren Naturen deſto eher die Meinung zu 
‚erregen, daß die einen und bie anderen recht ernſt⸗ 
US ſeyen, theilß, weil man uͤberzeugt war, daß 


die Götter gleich rohen oder vertorbenen Menſchen 
an unmaͤßigen finnlicher Genüffen, ober an ben 
Schaufpielen folder Genuͤſſe Mohlgefallen hätten. 


Die Juden feierten -ihr Paſcha durch Opfermähs 


ler, durch Geſang, Spiel und Tanz. Selbſt 


‚David tanzte vor der Bundeslade, welches ihm 
Wichpael übel nahm, weil der Tanz von jeher im 


Orient ald eine unſchickliche Bewegung ehelofer 
Leute betrachtet ward-b)., Im -alten Perfien war , 


es Sitte, daß ber, Köniz am Feſte der Soͤnne 


nicht 


«) Pintarch de Virtut. Muller. VII, p. 10. 11. | 
. 5) IV, 146-148, Michael. | 


| — — 439 
nicht bloß tanzte, ſondern ſich auch berauſchte c). 
In Sriechenland und Italien hielt nicht bloß 
das Volk eine allgemeine Berauſchung für einen 


weſentlichen Theil der Bakchus, Feſte, fondern 
ſelbſt die ſtrengeren Weltweiſen, die den unmaͤßi⸗ 


gen Genuß des Weins als hoͤchſt gefaͤhrlich für 


Leib und Seele tadelten, erlaubten denſelben an 
ben Feſten des Gottes, welchen man als den Ges 
ber des Weins verehrte d). Meine us werben 
ſich noch der ſchaͤndlichen Umgaͤnge, Schauſpiele 
und Caͤrimonien erinnern, die ſewohl an den Fe⸗ 
ſten des Bakchus, als der Ceres vorgenommen 
wurden, ‚und von welchen ich in dem Abſchnitte 
don dem Dienſte des Phallus geredet habe. He— 
rodot rechnet es den Aeghptiern und Griechen zu 
einem großen Verdienſt an, daß ſie ſich nicht, wie 
die meiſten übrigen Voͤlker, gleihh den Thieren in 


den Tempeln vermiſchten; und ſich, wenn ſie ihren 


Weibern beygewohnt haͤtten, vorher reinigten, be⸗ 
vor ſie die Tempel der Goͤtter beſuchten. Alle 
übrige Voͤlker, ſagt Herodot «), glauben, daß 
es ſich mit den Menſchen, wie mit dem Vieh 
verhalte, und daß den Menſchen erlaubt ſey, was 


"die Bdtter den Vögeln und Thieren gefkatteten. 


Diefe pflegten der Liebe in Tempeln und heiligen 


Dis 


e) Athenae. X, 10, ‚ 
d) Plato p, 415. 525. 564. Edit. Baf. Graec, Un 
der letzten Stelle heißt es: mıvav de sic nadyy, are 
aAlkodı wa wear, wÄNv Ey Tag TE Ton eivov dov- 
roc Jan doprug, ur’ noPalss, 


0) 11.64, | 
9a 


7 ⸗ - 3 
3. oO ! a -.-' 
4 j 
. - 


Hainen; und eben deßwegen Könnten die Menſchen 
ein Gleiches thun. Auch die Aegyptier aber bes 
gingen das Feft ber Diana zu Bubaſtis mit einer. 
wilden Schaamlofigfeit und Voͤllerey, welchen man - 
fi) Bloß deßwegen überließ, weil man wähnte, daß 
fie von dem Dienfte der Goͤttinn unzertrennlich 
feyen 5). Die älteren Chriften fahen den Sonn⸗ 
tag, und bie großen Feſte allerdings als Tage ber 
Freude und des Danfes an; und fie fafteten das " 
ber an dieſen Togen nicht, weil. Faften ein Zei; 
chen ber Buße war. Allein fie Außerten ihre Freu: 
de und Danfbarkeit nicht du ch unmäßine Schmäufe 
and Gelage, oder durch fehlüpfrige Taͤnze, Ges - 
ſaͤnge und Schauſpiele. Vielmehr waren derglei⸗ 
chen auf das ſtrengſte verboten 6), Dieſe ſtille 
Feier der Sonntage und Feſttage dauerte nicht 
lange. Im Gegentheil bemaͤchtigte ſich ſehr bald 
aller Chriſtlichen Voͤlker des Mittelalters eben 
die Meinung, die noch jetzt unter den roheren 
Chriſtlichen Nationen herrſcht: daß man Sonn⸗ 
tage und Feſttage nicht wuͤrdiglich begehe, wenn 
man ſich nicht mit allen Arten von ſinnlicher Luſt 
uͤberfuͤlle 1). Die Spanier und Portugieſen find. 


zwar nicht die enthaltfamftrn, aber.gewiß bie ms 


ßigſten und nuͤchternſten Völker unfers Erdtheils. 


Und diefe Portugiefen und Spanier tanzen. nie 


ſchaamloſere Taͤnze, fpielen nie ausgelaffenere : 

| 7 Schau⸗ 

[ ’ , 

f) I. 60, ü \ — 
4) Polliecia Il. p. 47. — 


A) Man ſ. meine Vergleich. des Mittelalters in ven 
Abfchnitten von der, Religion und den Sitten der 
Voͤlker des Mittelalters: aud) das Leben Ulrichs 

‚von Hutten an vielen Stellen. 


—* 


um—— —— -- 
‘ 


— — 34 ,, 


Schauſpiele, halten ale ummäßigere Schmäuf e 
und Trinkgelage, als gerade an Sonntagen und 


Sefttagen, befonders an ben Feten ihrer Heiligen; 
und zwar find bie Kirchen meiftens bie Schaupläge 
dieſer Tänze, Schaufpiele und Schmaͤuſe i). Die 
befehrten Indianer ahmen den Alts Chriften in 
feinem anderen Stüde fo treulih nah, ale in 


der Feier ber Feſttage. Ulloa erzählt k), daß. 


die Indianer in Quito oft ſechs Wochen hinter 


einander vom Morgen bis an den Abend burd 


- die Straßen tanzen, und daß fie nicht cher zu 


faufen aufhören, als bis alle Worräthe, alles 
Geld, ja felbft aller Credit gänzlich erfhöpft. find. 
Die Griechiſchen Chriften halten fih zu ähnlichen 
Ausſchweifungen an den großen Feflen berechtigt, 


‚ober vielmehr verpflichtet. Die eigentlichen Ortes _ 
chen betrinfen fih nicht bloß-an ihren Feſten, felbft 


an dem Worabende bes. Öfterfeftes, unb am heis 
ligen Grabe zu Serufalem, fondern treiben auch 
unfäglihen Muthwillen, prügeln, ja morben eins 


‚ ander fo gar in Unfällen Yon fanatifher Wuth N). 


Die Diingrelier erflären das Schweinefleiſch⸗ Effeu 
und‘ Meintrinken für bie einzigen ſicheren Kenn⸗ 


“zeichen des Chriftenthums m). Selbſt ein Kas 


tbolifo oder Patriarch in Georgien fagte zu. einem 
Vorgefeßten der Capuziner, daß Einer, der fih 


an den großen Feſten beſonkers an Oſtern und 


u Piing⸗ 


u) uuoas Nachr. I. g6. 026. 25% 508, sg. Dam- | 
pior I. 165. Barbinais Ill. 193. 207. 


| k) , c c ’ 
3) Haffelqui ©. 63. 15% Mariti I: 243. 
m) Zampi in Voy, au Nord VII, 275, 274. 


dere Unfälle ihr. Leben ein, wenn fie im Rauſche 


342 — — 


Pfliugſten, nicht ganz vollſaufe, kein achter Chriſt 


fey, und excommunicirt zu werden verdiene n). 


Die gemeinen Ruffen, vorzüglich die Sibiriſchen 


Ruſſen, thun ed im Saufen, Yuren und anderen 
Rügellofigkeiten, denen fie fih an den großen und 
fleinen Feſten überlaffen, allen ihren Glaubendges 
noſſen zuvor. Alte Deutſche Reiſende, welche 


Sibirien in den beyden letzten Menſchenaltern ber 


ſuchten, ſchilderten die Voͤllerey der Sibiriſchen 
Ruſſen an ihren Feſten als ein anſteckendes hitziges 
Fieber, von welchem alle Staͤnde, Geſchlechter und 
Alter ergriffen würden, und in welchem fie Tage 


.: und Moden lang zu rafen fortführen. - Diefe 


Krankheit, fagt ber ältere Bmelin ; bricht ſchon 


aam zweyten und dritten Chriſttage aus, und bauert 
in gleicher Stärke bis zum Feſte der heiligen drey 


Koͤnige fort 0).. Es iſt aͤußerſt felten, in diefer 


ganzen Seit einen nüchternen Menſchen zu fehen: 


und. nor) feltener , irgend einen Handwerksmann 
zu ir gend einer Arbeit zu bringen. Man trinkt 
nicht etwa ben Abend, oder die Nacht, ſondern 
man ift den ganzen Tag über befoffen. . Diefels 


bige Saufwuth äußert fi wieder in der Woche 


vor ben Hierzigtägigen Saften, in der Ofterzeit, in 
den Pfingften und an den Heiligen: Tagen. Man 


.  begnügt ſich nicht damit, an den Feſten felbft zu 


faufen. Man geht, wie man in Sibirien zu fas 
gen pflegt, _den Heiligen entgegen, und begleitet . 
fie auch wieder. Männer und Weiber faufen fich 
häufig zu Tode, ober bügen durch Kälte und ans 


bins 


rn) Chardin. 1. 174. 
0) 1. 148. II. 172 J Georgi 1, su 


— 0.0.0038 


| hingefallen und legen geblieben. find. Wem die 


Jakuten und andere Sibiriſche Heiden ſich an ih⸗ 


ren Feften auch eben fo. von Sinnen faufen, als 


die Ruſſen p)y fo halten fie wenigſtens nicht fo. 


viele Sauffefte, als dieſe. Die einzigen Voͤlker, 
welche vieleicht felbft noch die Sibiriſchen Muffen 


im Trinken an ihren Feſten übertreffen, find bie 


Milden, fo wohl im nörbliden, als im fünlichen 


America. Die Chilienfer unternehmen nichts, ohne 
vorher eine Feſtlichkeit, oder ein Feſt anzuftellen. 


Diefe Feſte beſtehen vorzuͤglich in Singen, Tan⸗ 


zen. und Saufen. Ein jeder bringt mit, was er 


an Chica, oder Wein vorraͤthig hat. Man geht 


nicht eher aus einander, als bis alles verzehrt 


iſt; und dieß dauert bisweilen zehn bis 14 Tage. 
Wer beraufcht niederfällt, Liegt fo lange in feinem 
Unrath, bis er den Rauſch ausgefchlafen hat, fängt 


dann gleich wieder an zu trinken, und läßt ſich mes 


der durch die heftiaften Megen, noch andere Veräns 
derungen ber Witterung irre machen. Nicht We⸗ 
nige bleiben als Opfer ihrer Unmaͤßigkeit auf dem 


Platze 4). Dieſelbigen Graͤuel erzählen andere 


Reiſende von den Caraiben 7), und von faſt allen 
Nord-Americaniſchen Wilden, unter welchen ber 


Brantewein , oder wie fie-fagen, das Feuer Wafs- 


fer nicht weniger Verrheerungen angerichtet hat, 
und Immerfort anrichtet, als die Blattern, die 


7) Gmelin 11, 365. | 
4) Fresier p. 115 116. D’autres ſ ’enyvrent d’une 


‚ telle force, et pendant tant de jours de fuite, _ 


u’ils en crevent, ainfi qu’il arriva à laleie. dont 
je parle, ete. 


#) Du Tetre ei 587. Labat VI. 216, 


En 


EEE — 


"+ Ahnen don ben Europäern mitgetheife worden fi NY Ä 


un noch mitgetheilt werden. 


Alle Voͤlker beugten ſich vor den Göttern, und 


5 derföhnten bie Götter eben fo früh, als fie dieſel⸗ 


ben zu gewinnen fuchten‘, und eben daher waren bie 


älteften unter ben beſtimmten Buß: ober Verſoͤh⸗ 


sungsfeften, und Todtenfeften nicht weniger alt, 
als die beſtimmten frohen Feſte. Ungeachtet man 
hoͤhere Naturen auch durch Faſten, Enthaltungen, 


nud Buͤßungen zu verſoͤhnen hofte; fo kann man 
doch Buß⸗ und Verſoͤhnungsfeſte unterſcheiden. 


Bußfeſte waren traurige Feſte, an welchen man 


die Gottheit allein, oder vorzuͤglich durch Faſten, 


Enthaltungen, und andere Selbft : Peinigungen 


verſoͤhnen, und ſich dadurch von der Schuld feiner 


Mergehungen befreyen wollte. Ich habe nicht nös 
thig, hier von folden Bußfeſten befonders zu re⸗ 


ben, da das Wichtigſte, was id, davon zu fagen 


hatte,. in den Unterfuchungen über Faſten, Ent⸗ 


. haltungen, und andere Creußigungen vorgekommen 


it. Man verföhnte aber die zärnenden Götter, 
und abgefchtebenen Seelen nicht bloß durch Buͤßun⸗ 


gen, fondern aud durch Gaben und Opfer, burd 


Sıhmäufe, Schaufpiele, Tanz, und Geſang, 


welche man alle als Eräftige Mittel anfah, die, 


Goͤrter, wie die Menſchen, zu erheiteru, ober ihr 
sen Unmuth zu zerfireuen. Aus biefem Grunde 
gefhah es, daß viele Werföhnungss und Tobtens 
feſte entweber ganz fröhliche, - ober doch eben fo 


wohl fröhlihe, als traurige Feſt⸗ waren. Die 
Americaniſchen Wilden ſchreiben Krankheiten, mie 


andere Unfälle, dem Zorne ber Manitus zu. Um- 


biefen Bon, und bie Wirkung dieſes Zoruas abzu⸗ 
| 7 weis 


| 


en se 55— 575 57 
2 


l 
1 
— 


wenden, ſtellen Kranke häufig Spielfeſte an, is 
ber Meinung, daß die Manitus dadurch werden 
erfreut, und ben Kranken zu fchaben aufhören wer⸗ 


ben 5). Go oft unter den Griedden, und Römern 


gefährlihe Seuchen ausbrachen, wogegen alle 
menfhliche Qülfe zu ſchwach war, oder ſich hinters 


einander viele traurige Vorbedeutungen eräugneten; 


fo brachten beyde Voͤlker entweder reiche Gaben 
und Opfer, ober fie verordneten Lectifternta und 
Schauſpielet). Gelbft die Griechen und Römer 
boften, daß Spiele und Tänze bie Goͤtter um befto 
eher; befänftigen wuͤrden, je poſſenhafter die Einen, 
und je üppiger die Underen ſeyen. Arnobius 
fragte daher mit Recht: warum habt ihr die Spies 


Ie der Stora, die Megalenfifchen und andere Spies 


le, die von den Ödttern ihre Nahmen haben, eins 


geführt? Weil, antwortetihr, die Ghtter eben . . 
fo fehr dadurch ergößt, als geehrt werben, und 


alle 


-$) Charlevoix Journal p. 362. 


e) Sch führe nur folgende Stellen bes Livius an: 
‘ VIE «©: Es quum vis.morbi, nec humanis 
ennhliid nec ope divina leyaretur, victis ſuper- 

- Ritione enimis, ludi quoque [cenici, nova res 
bellicofo populo - - inter alia coeleflis irae pla- 

“ camin« inftituti dicuntur... Lib, 21. c. 65, Ro- 


mae "aut eirca urbem multä ea hyeme prodi- 


gi facta - - - jam primum omnium urbs Iu- 


rata eſt, hofliaegue majores, quibus editum . 


eft, diis caelse, et donum ex auri pondo qua- 
draginta Lanuyiom ad Junonis, portatum ef... - 


et lectifternium Caere - - imperatum; et fuppli- , 

catio fortunae in Algido: Romae quoque et 
leetiſternium Juventuti, et fapplicatio ad aedem 
Herculis; nominatim deinde univerfo populo, 


«irca omnia phlvinaria indicta, etc, 
5 . 


0 


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ern men 


"SI nie Du 
‘ 


— 
* 


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u —— 
alle Reſte des Zorns, welche fie gegen bie Men⸗ 
fchen noch haben mögen, ablegen u). Wird, ers 
wibert Arnobius, Jupiter defwegen aufhören, 
zu zuͤrnen, wenn ber Amphytruo bed Plautus 
aufgeführt, und.er felbft dem Wolke als ein Ges 
genftand bed Gelaͤchters, und Abſcheus dargeſtellt 
wird? oder wenn man feine Abentheuer mit ber 
Leda, ber Europa, ber Diana und dem Bas 
nymedes in fhaamlofen pantomifchen Tänzen und 
Schaufpielen wieberhohlt x)? Gerade fo, wie 
Ä man bie übrigen Götter verföhnte, verföhnte man 
j andy bie abgefchiebeuen Seelen an den Gedaͤchtniß⸗ 
| Tagen des Todes verſtorbener Anverwandten, und 
daraus ſchloß Varro ſehr richtig, dag man alle 
. Marxres für Götter halte y). - Die öffentlichen 
Soelenfeſte ber Römer waren entweder traurig, 
| ober gehörten wenigftend zu den unglücklichen Ta⸗ 
gen,. von welchen ich bald nachher reden werde, 
An den fogenannten Lemuribus, bie in den May 


fies. 


a) VII. 33. Honorantur, inguit, hisdii, et& 
quas ab hominibus eontinent offenfonum me- 
morias illataıım,  abjleiunt, ekeludunt, red. 
duntgue fe nobis redintegrata familisritate fau- 
tores. tr DE BE 

x) Ponit animus Jupiter, ſi Amphytruo fuerit 
"actus, pronuntiatusque Plautinus? aut ſi Eu- 
ropa, fi Leda, Ganymedes fuerit [altgtus, aut 

Danae, motum compelcit irarum ? 


y) Auguſt de Civit, DeiV!Il.o6e, ' Omitto, quod 
: - Varro dicit, omnes ab eis mortuos exiflimari 
Manes deos, et probat per ea facra, quae om- 
. aibus fere mortuis exhibentur, ubi et ludos 
ceommemorat funebies, tanquam hoe fit maxi- 
mum divinitatis judieium, quod non foleant 

- Wudi, nif numinibus celebrari, 


tn — 35 347 
fielen, fanden die Hausvaͤter um Mitternacht auf, 
ohne bie, Füße zu bedecken, wuſchen die Hände mit 
frifhem Brunnenwoſſer ab, und offenburten ihre 
Gegenwart durch Schneller, melde fie mit dem 
Daumen, und den beyden Vorderfingern machten, 
Sie gaben hörbare Zeihen, um nicht unverſehens 
auf Einen der umhergehenden Schatten zu floßen, 
und dieſen dadurch gu beleidigen. Mad) den ers 
waͤhnten Vorbereitungen warfen fie ſchwarze Boh⸗ 
nen hinter fi, und fugten dabey neunmahl, dag 
fie mit. diefen Bohnen ſich felbfi,. und die Ihrigen 
gleichfam auslösten, .oder freykauften. Go balı 
"der Bohnen: Wurf gefchehen. war, wufch man fi) 
abermahls, ſchlug auf eherne Becken, und bat bie 
Lemures, daß fie nun das Haus räumen mödhten.. 
Un den drey Tagen, an welchen man die Lemuria 
feierte; wurden feine Tempel geöffuet, fo wie in 
dem ganzen Monat Diay Feine Ehen vollzogen z), 
weil man fürdytete, daß die unherwandelnden Dias 
ned alles beflecken moͤchten. Das Eröffnen. der 
Tempel, und die Feier von Hochzeiten waren auch 
"an den feralibus verboten, die in ben eilf legten 


Tagen bes Februard begangen wurden. Während 


diefer Serlenfefte brachte man die fogenannten Si- 
licernia, ober Trankopfer auf. bie Gräber, _ die. 
meiftend. aus Honig, Wein und Milch beſtanden a). 


Noch unglüclider, als die-Lemuria und Fera- 


" Jia, waren die drey Tage int Fahre, afı welchen 
die Römer glaubten, oder fagten, daß die Unter - 
welt offen ſtehe 5). Während dieſer drey Tage 
| . E mas 
2) Hofpinian, p. 166. 167. | 
a) ib. p. 106. 107. 

b) Mundum patere. Macrobii Satorn. j. c 19, 
.Hofpin, p, 220, - . N 


4 


ET — — | 

waren nicht bloß bie Tempel verſchloſſen, "und bie 
Heirathen verboten, fondern man wagte auch nicht, 
bie Jugend zum Kriege aufjubieten,. ober Heere 


gegen ben Feind und in die Schlacht zu führen, 


nicht einmahl eine Schifffahrt anzutreten c). 


WVon den traurigen Gedäaͤchtnißfeſten gilt fo 
. wohl das, was ih von ben frohen Feften Diefer. 
Art, ald von manchen Zobtenfeften bemerkt habe. 


..: Sie waren alle, ober doch nieiftend jünger, ale 


die Bußs ober Verföhnungsfefte, und Tobtenfefte; 
und. waren häufig ans Freude und Leid, aus Murhs 
willen und Wehllagen gemifcht. . Die Myſterien, 
deren Einrichtung ich befdnders unterſuchen wirde, 
- waren. indgefammt traurige, ober gemifchte Ges 
. daͤchtnißfeſte. Unter. den großen Feften der Aegyp⸗ 
Her war Eind, das Feft der Iſis zu Bufiris, ein 
trauriges Gebaͤchtniß⸗Feſt, und ein anderes, bag | 
des Wars zu Papremis, ein Feſt gemifchter Na⸗ 
tur 4), Un dem Fefte der Iſis würden viele 
Myriaden don Männern, und Weibern gegeiflelt. . 
Hetodot hielt ed für unrecht, zu fagen, um wef: 
fentwillen biefed gefchehe. An dem Feſte des Mars 
führte ein Theil der Prieſter die Statuͤe des Got⸗ 
tes, die ben Tag vorher aus bem Tempel an eis 
nen anderen heiligen Ort gebracht worben war, 
0 wie: 


e) Macrob, 1. c. Unde Varro ita ſeribit: Mundug 
cum patet, deoram trifium atque inferum 
quali janua patet, propteres non modo prae- 
lium Commjtii, verum etiam delectum rei mi- 
Jitaris caula habere, ae militem profieilei, na- 
vem folvere, uxorem liberum quserendorum 

cauſa ducere, religiolum ef, ete. 


d) 11. 61-64. Herodot, 


DE En. DE —5 Du 
‘ 


— — | 329 


wiederum dem Zempã zu. Andere Prieſter, mit 
Knitteln bewaffnet, ſtanden am Eingange des 


Tempels, um dem Gott den Zutritt zu verwehren. 


Es erhob ſich eine Schlaͤgerey zwiſchen den beyden 


Parteyen von Prieſtern. Diejenigen Prieſter, 


die den Gott wieder in ſeinen Tempel einſetzen woll⸗ 
ten, erhielten beſtaͤndig eine Verſtaͤrkung von meh⸗ 
reren Hunderten von Maͤnnern, die zu dieſem 
Dienſte beſtellt wurden, und erfochten alſo auch be⸗ 


ſtaͤndig den Sieg. Bey bieſer Schlaͤgerey wurden 
Manche ſehr ſchwer verwundet, wie es hieß, fo. 


ſchwer verwundet, daß ſie an den Folgen ihrer 
Wunden ſtarben, wiewehl die Aegyptier dieſes 
nicht zugeben wollten. Die Prieſterſchlacht ward 
jaͤhrlich zum Andenken eines gewaltthaͤtigen Uns 
griffs wiederhohlt, den Maro auf die Keuſchheit 


feiner Mutter gemacht, und den die Diener der 


Mutter zwar eine Zeitlang abgewehrt, aber doch 
zuletzt nicht hatten hindern koͤnnen. Die Adonia, 


wie man ſie in Phoͤnicien, Aegypten, Italien, 
und Griechenland feierte, waren bald durchaus 


traurige, bald gemiſchte Feſte ey: Im erſten Falle ber 
meinten die Weiber den Tod des fchönen Lieblings 


der Venus, und gaben ihr Beyleid badurd zu ex⸗ | 


Tennen, daß fie ſich ſelbſt verwundeten, und fo ger 
ihre Haupthaar abſchnitten. Diefe legte Verun— 
ftaltung konnten die Schönen in Byblos dadurch 


. abwenden, daß fie Einen Zag lang ihre Reiße im 


Tempel der Goͤttinn feil boten, und den Preis ihn 


rer Gunft: Bezeuaungen in den Seckel des Tem⸗ 


pels legten, In Byblos wehklagte man zwar 
auch Einen Tag über den Tod des Adonis; allein 


am zweyten Tage feierte man mit lautem Zubel die 
Miles - 


e) De dea Syria in Lucian, Operiban IL, 45% 
Holpinlan. P» 188. 189. - 


4 


4— 


ET Ze 


Wiedererweckung dei ſchöuen Junglinge. Den 
Feſten des Adonis waren diejenigen ſehr aͤhnlich, 
welche bie Verehrer der Rhea, ober ber Dea Na: 
ter zum Andenken des ſchoͤnen Attis begingen F). 
Eins der beruͤhmteſten Gedaͤchtnißfeſte des Alter⸗ 
thums war das Feſt der Hydrophorie, an welchem 
diele Myriaden von Pilgrimmen Waſſer in Kruͤ⸗ 
gen aus bem mittellänbifhen: Meere hoblten, und 
dieß Waffer in. den Zempel ber Denus, ober. 
Juno zu Dierapolis, ‚ober vielmehr in einen 
- Schlund goffen, der ſich unter dem Tempel befand. 
Dig Waffertragen gefchah entweder zum Andenken 
der Suͤndfluth, oder zum Andenken eined großen 
Erdfalls, der alle Gewaͤſſer der ganzen Gegend 
zu verſchlingen drohte g). Sn Athen gab es kein 
traurigeres Gedaͤchtnißfeſt, als die der Minerva, 
geweihten "Auvdzpie. Außer ben geheimen Feier⸗ 
Tichleiten, bie an dieſem Feſte vorgenommen wur⸗ 
den, bedeckte man die Statuͤe der Goͤttinn, und 
zog ihr ihren ganzen Schmuck ab k). Alcibia⸗ 
des kehrte nach feiner Verbannung gerade an Dies 
ſem Fefte zuruͤck, und hieraus nahm bad Athe⸗ 
nienſiſche Volk die’ traurige Vorbedeutung, daß 
‚bie Schutzgoͤttinn ber Stadt die Ruͤckkehr des Ber: 
bannten nicht gern gefehen habe: Zu den traus- 
rigen Gebähtvißfeften ber Ehriften und Mahome⸗ 
daner gehören außer ber Feier der Leiden des Hei: 
landes alle die Tage und Zeiten, bie dem Anden⸗ 
Een der Leiden der Märtyrer beyder Religionen ges 

. wids 


f) De dea Syria l. e. 461 p. 
e&) 1. e. p. 459. 
%) II, Ju. Plutarch, 


| 2 — — 351 
wibmet waren, ober noch gewidmet find. Unter 
den Gedaͤchtnißfeſten von Märtyrern wurden und 
werben Feine mit einem foldyen Pompe, und mit 
einer ſolchen Innigkeit begangen, als bie Feſte 
des Hoſſein und Haſſein von den Schiiten in Per⸗ 
ſien, Hindoſtan u. ſ. w. begangen werden i). Bey⸗ 
de. Märtyrer waren Söhne bes Ali und ber Fat⸗ 
me; einer Tochter von. Mahomet, und blieben 
in einer Schlaht, weldyeihnen Nezid, Chalif von 
Damascus, bey Keibela, nicht weit vom alten 
Babylon, lieferte. Das Feſt des Hoſſein und ' 
Haſſein dauert zehn Tage, und macht immer den’ 
Anfang bed Mahomedanifhen Tahgs. Während 
diefer ganzen Zeit fcheeren bie Schliten weber ihren 
Baart, noch ihren Kopf, nehmen feine Baͤder, 
und geben entweder, die Schaamtheile ausgenom: 


‚men, ‘gang macht, ober tragen wenigſtens bunkels 


farbige Kleider. Die Vornehmen feiern das. Felt 
durch das Hören von ‚heiligen Reden, und das 
Lefen von heiligen Schriften, in welchen die letz⸗ 
ten Thaten und Leiben ber Märtyrer vorgetragen 


‚werben. . Der große Haufe hingegen ftellt bie 


Thaten und Leiden der Märtyrer in öffentlihen 


Umgaͤngen, ober an Öffentlichen Plägen dramatiſch 


vor. Die Schaufpieler fowohl, als bie Zufchauer, 
weinen bey den Meden und Gcenen, welche bie 
geiden der Märtyrer verfinnlichen, fo bitterlich, 
beulen und fchreien fo jämmerlich, zerraufen und . 
verwunden ſich fo graͤßlich, ahmen endlich die Zer: 


fleifhungen und Todesangft des Koffein und Hafe 
‚fein mit einer fo ſcheußlichen Natürlichkeit. nach, 


daß 


P) Man fs befonderd Chardin II, 244 - 250. Nie⸗ 
buhrs Reifen IL. 199 ©. 5 


. - 
” 
— — 


352 72 — ur 


daß die rubtgſten Beobachter baburd erſchuͤttert 
wurden H). 


Den frohen und traurigen Gerachtrißleſten 


waren bie gluͤcklichen und ungluͤcklichen Tage ähns 


lich, dergleihen man unter allen Völkern annahm, 
oder noch annimmt. Man that diefes zuerſt deß⸗ 


wegen, weil man aud mehreren glücklichen oder 


unglücklichen Begebenheiten, die an geiwiffen Tagen 
vorgefallen waren, den Schluß zog, baf die Goͤt⸗ 


ter an ſolchen Tagen Vorzüglich gnaͤdig, uber uns 


gnaͤdig feyen, und daß fie eben deßwegen die Un: 


ternehmungen ber Mienfchen mehr, als fonft, bes 
guͤnſtigten, ober vereitelten. An den unglüdlis 


chen, oder wie die Römer auch fagten, an ben 


ſchwarzen Tagen enthielten fich dieſe fo wohl, als 
die Griechen, von allen Öffentlichen und haͤusli⸗ 
‘den, gottes dienſtlichen und ‚profanen Handlungen, 


4 


denen fie einen auten Ausgang wuͤnſchten ). Man . 


opferte alſo nicht allein nicht, ſondern man ſprach 
nicht 


k) Chardin L. c. p. 244. 45 Je n'aurois jamals cru 
la douleur, que le peuple fait parötre, Elle et 
inconcevable, Ilse fe battent la poitrine: ils 
font des cris, et des hurlemens, les femmes 
fur tout, ſe dechirent, 'et pleurant ä chaudes 
Jarmes. - - On en trouve d’autres; - tirant 
la langne comme des gens pames, failant des 
poftures, et des contorkons de delſeſperés. 


)) Was amo@padss Jusos feyen, erklaͤrt Lucien 
ſehr gut in Pfendologifta oper. T. III. p. 172. 
eray ‚nqre 1 apa xoyuærdus unre u0aywyı= 
um dı dınsı Bo, unyræ Ta ispa ispspyyrai, und 

 ÖAwg TI TOV misiwy Telyraı, «Urn nuodpac Tuspk. 
Man vergleiche hiermit Macrobii Saturn, I. c. 16. 


niht einmahl ben Mahmen: von Göttern aus. 
Man heirathete nicht allein nicht, ſondern mar 
wagte auch nicht einmahl, den DBerftorbenen zu 
parentiren, weil man in den Lobreden auf Verftors 
bene bed "Jupiter und "Janus erwähnen muſte m). 
In allen Kriegen, wo die Roͤmer der angreifende 
Theil waren, und die Wahl bed Kampfes hats 


ten, durften ‚fie an fchwarzen Tagen Eein Treffen - 


eingehen. Allein in Vertheidigungss Kriegen liefen 
fie ſich felbft nicht dur ſchwarze Zage abhalten, 
ihre eigene und ihred Reiches Wohlfahrt mannhaft 
zu [hüßenn). Die Römer hielten alle fo genannte 
Dies poftridianos, das heißt, alle Zage, bie 
‚unmittelbar auf die Kalendas, Nonas und idus 
folgten, für ſchwarze Tage, weil fie an foldyen 
Tagen häufig unglücdlic im Kriege gewefen was 
ren o). Faſt eben fo ungluͤcklich ſchien ihnen 


jeder vierte Tag vor den Calendis, Nonis und 


idibus, denn an einem folchen Tage hatten fie bie 


große. Niederlage bey. Cannaͤ erlitten p), Ders. 


gebens fuchte Doulanger g) barzuthun, daß man 
ale unglücliche Tage bloß deßwegen ald unglüds 
En 


m) Maerob. 1,c. quia tunc quoque Janum Jovem- 
que praefari necelle eſt, quos nominari atro die 
non oportet, 


n) At cum exciperent bellumg nullum obfitiffe 


diem, quo minus vel [alutem ſuam, vel publ- 


cam deienderent djgnitatem, 1, c. 
0) ib, j 
») ib. 

g) 1. 301 5° 


s 
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regen Mn — — — 


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lich angefehen habe, weil fie Gedaͤchtnigtage der 
Suͤndfluth geweſen ſeyen. Allein darin hatte 


dieſer Schriftſteller Recht, wenn er behauptete, 
daß man im Ganzen den Tag für gluͤcklicher, als 
"die Nacht, den Miorgen für gluͤcklicher, als dem 


Abend, ‚die erſten Zage eines Monden, oder Jahre, 
oder Cykels für glücklicher, als die legten gehul: 
ten habe: wiewohl die Spartaner nie mit zuneh⸗ 
menbem Monde, fondern erft nad) dem Vollmoude 
in den Krieg zogen r). 


Die zweyte Haupturſache der Eintheilung der 
Tage und Stunden in gluͤckliche und nugluͤckliche, 
oder wie auch die Perſer ſagen, in weiſſe und 
ſchwarze, Liegt iu dem Wahn, daß die Schickſale 
und Handlungen der Menfchen von den Stelluns 
gen und Bewegungen ber himmlifchen Coͤrper ab: 
‚ bangen, und daß biefe bald günftig, bald ungüns 
ſtig ſeyen. Dieſer Wahn herrſcht noch jetzt unter 
allen großen Völkern des Orients eben fo maͤch⸗ 
tig, als er vor Jahrtauſenden herrſchte; und eben 
deßwegen thun bie Araber und Perſer s); die Hin⸗ 
dus und Seylanefen 3), die Siamefen und Tunis 
nefen #), bie Thibetaner und Calmyken x) nichts, 

was 


r) Boulanger III: 198. 197. »7s. Herodo: v1. 106, 
Die Schottlander naltch, den 14. May für  unglüds 
lich, Pennant’s Hebr. II. 47. und die Wallachen 

den Dienſtag. Ollervaz. intorno la Valachia P 
37 

s) Nie buhro Beſchr. von Arabien, ©. 129. Char- 
din I . 24%, 43. 

£) Bernier I. 212, Rogers 1. 14. 15 €, Mariny 


-  P 168. 
“ w Mariny 1. c, Loubere I, coı. 


3) Pallas Beyty5. 1. 2i6. Deflen Reifen I. 353. 354- 


- 


— — 355 


was bon einiger Vedentung ift, ohne vorher Sterns 
deuten, ober die Wahrfagungen von Sternbeutern 


zu Rath gezogen zu haben. Es entfteht nothmwens . 


dig ſchon ein unfäglidder Schade daher, daß man über 
den Fragen und Antworten ber Sternbeuter fehr 


oft die glüclichften Zeiten zum Handeln verliert, 


und baf man ben Ausgang feiner Unternehmuns 
gen nicht Yon feiner Klugheit, feiner Thätigkeit, 
feinem Muthe, fondern von den Geſtirnen erwars 


‚tet. © Diefer Schade wird um deſto größer, wenn 


die Hälfte, oder gar der größere Theil des Jahre 
aus ungluͤcklichen Tagen befteht, wie in Thibet y) 
und Madagascar 2). Der erwähnte Schade ifl 
aber nicht die. einzige traurige Folge bed Glau⸗ 


bens an Sterndeuterey, Wenn Menſchen, die 


bem aftrologifhen Aberglauben ergeben find, zu 
fürdjten anfangen, daß unternommene Handkun⸗ 


gen in unglüdlidhen Stunden ausgeübt worden, 
oder daß fonft frohe Eräugniffe in unglüdlichen 


Stunden begegnet feyen, fo fuchen fie die einen 
und die anderen, fo viel an ihnen ift, ungefchehen 


zu madhen. In Tunkin trennt man Chen, wenn 


es ſich ergibt, daß Eheleute unter feinbfeligen Ges 
flienen gebohren worden a). In Ceylon und Mas 
bagascar töbtet man, ober feßt man neugebohrne 


- Kinder aud, von welchen Sterndeuter verfichern, 


daß fie in unglaͤcklichen Stunden das Licht der 
Welt erblickt haben b). d 
Die 


y) Pallas L, c. 
2) Flacourt p. 92. Pages II. 06. 
4) Mariny l,c. 

5) ib, et F lacourt 1. €, 


33 


| 


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— Dun wi... 
0} 


36 7 2.0 u 


Die Römer und viele andere Völker fahen 
Ruhetage, an melden man ſich bon’ feinen ges 


woͤhnlichen Arbeiten enthält, als Feſte an c), 


und bie Mömer verordneten daher unter 'anderen 
Verföhnungsmitteln ber Götter auch Ruhetage. 
Der Dpferfönig und die Flamines in Rom durften 
an Ruhetagen nidt allein felbft nicht arbeiten, 
fondern audy nicht einmahl arbeiten fehen. Die 
Ruhetage oder Ferien wurden daher in Rom oͤf⸗ 
fentlich angekuͤndigt. Wer ohne Abficht einen Rus 
hetag brach, oder wie die Römer fagten, befleckte, 


- ward geftraft, und muſte feine Schuld  übertem 


durch das Opfer eines Schweine abkaufen. Der 
abſichtliche Bruch eines Ruhetages Eonnte nad) der 


Meinung eines Pontifex Scävola gar-nicht aus⸗ 
geſoͤhnt werden d). Andere Rechtsgelehrte hin⸗ 


gegen, und unter dieſen ſelbſt ein Scaͤwola, bes 
haupteten, daß man an Muhetagen alled thun 
koͤnne, deffen Unterlaffung Schaden hervorbringen 


\ 


würde e). Es ſey alfo fein Bruch der Ferien, 


wenn man einen Ochſen, ber in eine Grube ges 
fallen, herausziehe, oder ein Haus, das umzu— 


ſtuͤrzen drohe, Füße Die Kalendae und idus 


ge⸗ 


.c),Macrob. Saturn, I, c. ı6, feſtis inlunt ſacrificia, 
epulae, ludi, feriae, — Sacra celebritas eſt, vel 
cum l[acrificia diie offeruntur, vel cum dies di- 
vinis epulationibus celebratur,- vel cum ludi 
in honorem aguntur deorum, vel cum feriae 

' oblervantur, | 


d) Macrobius I, c. 16. Qui talibus diebus-impru- - 


dens aliquid egillet, porco piaculum dare de- 
bere: prudentem expiare non pofle Scaevola 
“pontifex afirmabat, 
e) l.c. quod praetermillum nocet, 


— . ’ 


- — — = 357 
gehörten zu den fiehenden Muhetagen f), unb deß⸗ 
wegen burfte man an biefen „Lagen Feine jungs 
frau, wohl aber Witwen heirathen, weil ber erfte 
Benfhlaf mit einer Jungfrau entweder als eine 
Arbeit, ober als eine Gemaltthätigfeit angefehen 
wurde, dergleichen man an Ruhetagen nicht außs 
üben bürfe g). Im älteren Zeiten gehörten bie 
nundinae auh zu ben Ferien h), Die Lex 
Hortenfia. hingegen verordnete, daß die Sanbleute, 
die an diefen Tagen nay Rom kaͤmen, nicht bloß. 
Faufen und verkaufen, fondern auch bey dem Praͤ⸗ 
tor Mecht fuchen könnten. Schon Numa i) theilte 
‚ bie Tage in fees, profeftos und intercifos ab, 
Die erfteren waren den Göttern, die anderen den 
Angelegenheiten des menſchlichen Lebens, und bie 
dritten zum Theil den Göttern, ‚zum Theil ben 
Menſchen gewidmet. An den diebus intercifis 
war ed in gewiſſen Stunden erlaubt, Recht zu 
fprechen und zu ſuchen: in anderen nich. Man 
Fonnte ed nicht in der Zeit, wo ein DOpferthier. _ 
geſchlachtet und verbrannt wurde. Man Eonnte es 
| in 


f) Feriae ftativae. 


8) I. ı5. Macrob, Hi autem dies praeter no- 
nas feriati ſunt. Feriis augem vim cuiquam 
“ fieri, piaculare el, Ideo tunc vitanter nuptiae, 
in quibus vis virginibus fieri videtur. Sed 
Verrium Flaccum juris pontificii peritifimum _ 


dicere folitum refert Varrq, quia feriis veteres - 


foſſas tergere liceret, novas facere jus non ellet; 
idee magis viduis, quam virginibus idoneas 
effe ferias ad nubendum, 


| h) I, 16, Macrob, 
j )1c. 


358 | — — 


in der Zeit, die zwiſchen dem Schlachten und Ver⸗ 
brennen verfloß, kK). Den diebus ipterciſis glis 
den bie drey hohen, oder fiebentägigen Fefle der 
Suden, und bie berühmteften Wallfahrts s Tefte 
der meiſten Völker. Un dem Pafcha :, dem 
Erndtes und tauberhütten „Feſte der Tuben waren 


bloß ber erfte und Ießte Tag Gabbarhe, und zwar 


Feſt⸗ Sabbathe, an welchen : man zwar keine 
gewöhnliche Arbeiten, wohl aber die zur Berei⸗ 
tung der Speiſen nöthigen Verrichtungen vornehs 
men Fonnte )). An den fünf übrigen Tagen was 
sen Arbeiten, wenigſtens Handel und Wandel 
nit verboten. ° Auf diefelbige Art verhält es 
‚fi mit ben Wollfahrts s Feften in Mecca, und 
an anderen Önaben: Dertern der Mahomedaner, 
und. felbft der Chriften: weßwegen folde Walls 
fahrtöfefte von. jeher ald bie reihfien Meffen be: 
trachtet wurden m). Unter den Negern in Güis 
—nea iſt gemöhnlich der dritte Tag der Woche Ruhe⸗ 
tag n), anftatt daß die Parfen gleih ben Mas 
homedanern ben Freytag ſowohl zur Ruhe, ale 
zu gottesdienſtlichen Handlungen beſtimmen 0). 


So 


A) L. c. Cum hofia . eseditur, fari nefas et: inter 
caela et porrecta fari licet: rurlus, cum ado- 
letur, non licet, 


5 Mid. Mof. Recht. IV. 142 uf. ©, 
. m) Chardin IV, 176 et (q, pP. 

n) de Bry VI, so cc, 

0) Chardia II. 183 p. 


— — 359 


So wie man bie Ruhetage zu den Feſten 
zählen kann, fo bie bürgerlichen Kefte zu ben Rus 
hetagen. Bürgerliche Fefte find ſolche Tage, a 
welden man fi aus Froude über gegenwärtige, 

odaer vergangene glückliche "Begebenheiten von feis 
nen gewöhnlichen Arbeiten enthält, ohne zu gete - 
tesdienftlichen Kanblungen verpflichtet zu ſeyn, ober 
dergleichen auszuuͤben p). Die Römer unter» 
fchieben Volks, Tefte, Familien s Zefte und per» 
fönliche Feſte oder Ruhetage g). Auf gleiche Art- 
Tonnen auch bie bürgerlichen Feſte abgetheilt: wers 

den. Solche bürgerliche Feſte waren tin Alter 
thum das Gedaͤchtniß⸗Feſt des Sturzes ber Dias 
gier unter. den Perfern vr), an welchem ſich bie 
Magier forgfälttg zu Haufe halten mußten, und. 
‚in Hindoſtan das jährlihe Feſt, an weldem ber 
Kaifer gewogen wurde s). Eben dergleichen ſind 
‚jest das Nil⸗Feſt in Aegypten 8)2 bas Mofens 
re iu Peaſte u): ba6 Neujahrs/ Feſt der Ma⸗ 


ho⸗ 


7 Die Roͤmer unterſchieden ferias und dies ſollem- 
nes, Macrob, I. c. 16, Quod autem:nundinas 
‚ferias dixi,. poteſt argui: quia Titius de feriie 
feribens nunSinarum dies non inter ferias retu- 
lit, fed tantum folemnes vocavit. Die bürgerlichen 
Feſte find Ruhetage, aber nicht alle Ruhetage 
koͤnnen buͤrgerliche Feſte genannt werden weil eini⸗ 
ge Ruhetage traurig ſind. 

) Maerob, l. o. zer SE 

#) Herod. IH,.79. | | 

s) Bernier II, p. 56. 


„© Mallet 9.78. Haſſelquiſt ©. ga. 
u) della Valle III, A, BE Ze 
\ 


360 — — ., 
bomedaner x), bie Gedaͤchtniß⸗ Feſte von Gebur⸗ 


‚ten, Hochzeiten und Befoͤrderungen: von gluͤckli⸗ 
“den Ankuͤnften, oder Niederlaſſungen und Croͤnun⸗ 


gen: die Feyer der Mannbarkeit von Kindern bey⸗ 
derley Geſchlechts y), der Aufnahme in Orden und 


andere gefchloffene oder privilegirte Geſellſchaften | 


u |. w. 


Nicht alle Rahetage waren eigentliche Feſte. 
Allein Feſte waren unter ben größeren Voͤlkern 


faſt ohne Ausnahme Ruhetage, weil, wie ſchon 
Strabo richtig bemerkte, die Natur ſelbſt den 
Menſchen lehrte, ſich von ſeinen gewoͤhnlichen Be⸗ 
ſchaͤftigungen zu enthalten, um ſich heiligen Be⸗ 
trachtungen und Handlungen deſto inniger uͤber⸗ 
Iaffen zu koͤnnen: weßwegen auch dieſer Erdbeſchrei⸗ 


ber das Ruhen an Feſten als die Wirkung eines 


Naturgeſetzes anſah, die Griechen und Barbaren 
gemein fey.2). Die neueren Perſer find vielleicht 
das einzige große Volk, das feine wöchentlichen 
und jährlihen Feſte nit zu Ruhetagen gemacht 
hat. Die Perfer ruhen am Freptage gewöhnlich, 
und beſuchen vr die Moskeen; een fie 

als 


\ x) Chardin IV. 106. 
)) 3.8. unter den Parfen, Anguetil III. 576 p. 


2) X. 716. ı7. Kowov ds Faro x ru, Eiinvov as 
ruv Bupßapwv ssı, TO rac lsporang PETE aYSdswGg 
doprasınye moIsioya = = Ku Tar’ Quaic Sruc Uma- 
yopsvsi, TE Yap' Mvagig Tov vav aræve aro TOV av. 


Ipwrıuwv aosxgoAyuärwev, rev ds drug vay porn 
wpos ro Iov. a, 


— — — m rg — —— — —— — — — 


vr 


halten beybes nicht für nethwenbig 0), Wenn 
dringende Gefchäfte vorfallen; fo fegen bie Rich⸗ 
ter ihre Sißungen an Freytagen, wie an anberen Ta⸗ 
gen fort. Dur bie. großen Kaufleute fchließen 


ihre Laͤden. Die Kandwerfer, und Krämer arbeis 
ten, und verkaufen wenigſtens am Morgen; und 


die Buben der Gewürzhändler und Baͤcker bleiben 


das ganze Jahr Durch offen: Auch ift der Frey⸗ 
tag bas ganze Jahr durch ber vornehmfte Markt⸗ 
tag. Allen übrigen großen Nationen ſchien das 
Muhen. an Fefttagen fo nothwendig, daß fie bie 
Verrichtung gemögnlicher Arbeiten als hoͤchſt ſtraf⸗ 
bare Entweihungen von Feſten anſahen )). Im 


Alterthum uͤbertrieb kein Welt dad Ruhen an 
Feſttagen mehr, als die Juden, und in der nene⸗ 


ren Zeit keine Secte mehr, als die Puritaner in 
Connecticut. Jehovah ſetzte den Sabbath als 
einen Zag des Herrn ein, an weldem nicht bloß 
die Hausvaͤter felbfi ruhen, fondern auch ihre 
Kinder, ihre Knechte und Maͤgde, bie Fremblins 


ge, die unter ihnen wohnen würden, ja felbit das 


arbeitende Vieh ruhen laſſen follten: zum Andens 


fen, daß bie Israeliten einft Knechte in Aegppten⸗ 
| u | land _ 


@) Chardin IV. - - 1a Religion Mahomedane a fon 
jour de repos. C’eft le Vendredi, mais le repns wy 


eſt non plus d'obligation, que les jours de Fetes. 


5) Noch mehr aber die Ausübung von Oewaltthätigs 
keiten. Ju Athen waren die Seite des Bakchüs bes 
fonderd heilig. Man verurtheilte einen gewiffen 
Ktefikles fo gar zum Tode, weil er während der 
Batchiichen Zefte einen Feind mit der Peitſche ges 
fchlagen hatte. Hoſpin de fellis in Epift, dedi- 


cat P 4. Demolt, contra Midiam p. 410. Edit, 
11, 


Woltii, 


——— — — 
x 


\ . 
" J 


land geweſen ſeyen, und baß der Herr fie mit maͤch⸗ 
tiger Hand aus der Dienftbarkeit errettet habe c). 
Während der langen Babylonifchen Gefaugenſchaft 
entwöhnten die Juden fich ganzlih vom Kriege, 
und fingen an, richt bloß das Angreifen von Fein⸗ 
ben, fonbern auch vie Bertheidigung gegen Feinde 
ald Urbeiten zu betrachten, imoburd ber Sabbath 
entheiligt werde. Dieſe verkehrte Denkart bes 
außte Pompejus, indem er gerade während des 
Sabbaths an den gefaͤhrlichſten Belagerungswer⸗ 
ken arbeiten ließ, und eroberte daruͤber den Tem⸗ 
pel d). Da die Juden es. nicht einmahl wagten, 
ſich gegen. Gefahren zu fhüßen, bie ihnen und ben 
Ihrigen den Tod, ober bie Knechtichaft und ben 


Verluſt ihred ganzen Vermögens drehten; fo kann 


man es ‚nicht befrembend finden, baß fie ſich wei⸗ 
.gerten, am Sabbath Menfhen und Mich, die im 
Gruben gefallen waren, zu retten, frifche Wunden: 
zu verbinden, ‚und andere mothwendige Arbeiten 
zu verrichten. Die Ruben behielten dieſes wider: 
finnige, ober unmenſchliche Ruhen am Sabbath 
bis auf die neueren, zum Theil felbft bis auf bie 
genenwärtigen Zeiten bey —). Roch ſchaͤdlicher, 
ald das Muhen ber fpäteren Juden am Sabbath, 
waren die Gabbathe : und. Tubels Fahre, wie fie 
vom Moſes felbft maren angrorbnet worden f). 
| In jetem ſiebenten Se durften die Juden ine 
u al⸗ 


e) V. B. Mo; 14. 15. | 
q) Mid. IV. 130: 138 ©. 


e) Hofpinian p 2ı. 28, de felflis fährt merkwuͤrdige 
Beyſpiele an 


5 Hoſpin. de feltis c. g. et 9. p. 9 435: 


_— — 363 


allein ihre Felder und Gärten nicht bearbeiten, | 


fondern auch Feine Schulden einflagen, ober eins 
treiben. In jedem funfzigften, oder Subeljahre 
wurben alle Knechte freygelaſſen, alle Gefangene 
befreyt, ale Schulden aufgehoben, und alle vers 
Taufte, oder verpfaͤndete Guͤter Fehrten zu ihren en: 


ſten Befißern zuruͤck. Den fpäteren Juden eiferten in 
ser Feier des Sabbaths die Puritaner in Conne⸗ 


etieut nah. Die Puritaner unterfägten alles Reis 
fen am Sonntage, alle Bereitung ven Speifen, 
alles Aufräumen von Häufern. Sie firaften einen 


Prediger, weil er am Sonntage eine Locke feiner 


Peruͤcke audgefämmt hatte, “und gu ſchnell in bie 
Kirche gegangen war. Man erlaubte an Sonns 
und Fefttagen den Gebrauch von Trompeten, von 
Zrommeln und Maultrommeln, aber nit von 
anderen muſikaliſchen Inſtrumenten. Man unter: 
fagte nicht ‚bloß das Kartenfpiel und andere Er⸗ 
gößungen, fondern.man hieltes ſchon fuͤr einen Bruch 


des Sabbaths, wenn Muͤtter ihren Saͤuglingen 


Liebboſungen erwieſen 8) 


Nach ben Dpfern und Opfermahl geiten mach⸗ 
ten Schauſpiele und Proceſſionen, die beyde ge⸗ 
woͤhnlich mit Tanz, Geſang und Muſik begleitet 
waren, die vornehmſten Feierlichkeiten von Feſten 
aus. Schauſpiele hatten einen doppelten natürs 


Lihen Grund, Man veranftaltete fie zuerfi, weil 
- man glaubte, daß fie höheren Maturen eben fo 


viel Vergnügen gewährten, als den Menſchen. 


Dieß iſt im Worhergehenden ſchon duch fo viele 


Beyſpiele bewiefen worden, daß ich mich der fola 


genden gang überheben Könnte, - Nicht bloß die- 
3 ya \ T-Spas | 


5) Sprengelo Beytr. II. 184. 198.293, 


⸗ J 


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u ns RENT UT > 
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‚Spanier in’ ber neuen Welt führen‘ alle Schats 


fpiele in Kirchen auf, und ziehen die Mutter Gots 
tes zu allen Baͤllen oder Stiergefechten zu h), fons 
"dern felbft bie Spanier in. Europa ließen nod in 
den zwanziger Jahren des vergangenen Sahrhuns 
dertö vor dem Auͤerheiligſten, Zigeuner mit Ca⸗ 
ſtagneten die unzuͤchtigſten Taͤnze tanzen, und Bil⸗ 
der von Rieſen ſowohl, als von Zwergen hertra⸗ 
gen, welche die Stelle von Marionetten vertra⸗ 
ten 5). Ein anderer natuͤrlicher Grund gottes⸗ 
dienſtlicher Schauſpiele war der urſpruͤngliche Hang 
der Menſchen, ſich alle Thaten und Begebenhei⸗ 
“ten, deren fie ſich lebhaft erinnern, durch drama⸗ 
tifche MWiederhohlung zu verſinnlichen. Die Schaus 
fpiele, beren Hauptabſicht in der Verfinnlichung 
des Vergangenen befand, waren bald geheime, 
bald öffentliche Schaufpiele, und wurben. bald Von 
einer kleiuen, oder beftimmten Zahl. ven Schau: 
fpielern, bald von ganzen Völkern, oder Gemein⸗ 


den aufgeführt. Beyſpiele der einen und der an⸗ 


deren haben meine Leſer in dieſem Abſchnitt ge⸗ 
funden k), und werden dergleichen noch in dem 
naͤchſten finden. Wenn ganze Voͤlker, oder Ges 


- meinden an Schaufpielen Theil nahmen, fo bes 


fianden fie meiftens in Proceffionen, oder waren 


wenigſtens mit Proceffionen verhunden, und Eine 


Abſicht alfo gottesbienftliher Umgänge war uns 
läugbar bie dramatiſche Darftellung ber Thaten, 


oder 


! s \ 
I 


h) Gage 1.63. Pages I, 108, 
. 3) Montgon II. 276. 


x) 2% die Chinefen führen baͤufig Sauſpie vor 
ihren Goͤttern auſ. Eckeberg ©, 97. 


— — 365 


oder Begebenheiten von Goͤttern, Helben, oder 


Heiligen. Man denke nur an bie gotteöbienftlis 
hen Umgänge an den Welten bes Oſtris, der 
ie, des Wars und anderer Gottheiten in 
Aegypten ID): an bie Tefte des Bakchus, der Car 
ves und faft aller übrigen Götter der Griechen 
und Römer: an die Gebähtnißfefte der Stifter 
and Märtyrer der Chriſtlichen und Mahomedart—⸗ 
ſchen Religion m). 


Eine andere Urſache gottesdienſtlicher Proceſ⸗ 


ſionen war die Abſicht, den Goͤttern und Heiligen 


bad Vergnuͤgen einer Spaßierfihrt, oder eines 
Spaßierganges zu verfihaffen, und fie von Zeit zu 
Zeit dem anbetenden Volke barzuftellen. Man 
wanbte auch hier auf bie Götter an, was bey den 
Königen gewöhnlid war. Die Könige bed Mors 
genlandes waren den gröften Theil des Jahrs durch 
in. ihren unzugänglihen Pallaͤſten eingefchloffen. 
Allein zu gewiffen Zeiten erfchtenen fie, um fi 


dem Wolfe zu zeigen, und um bad Vergnügen ber 


Jagd, oder ber Meife. in fhönen Jahrszeiten und 
Gegenden zu genießen n). Gleich den Königen 
hohlte man die Bilbniffe dee Götter, oder Heilis 
gen zu gerolffen Zeiten aus dem Dunkel der Tem: 


pel berver, and trus, oder fuͤhrte ſie auf Waͤgen 


durch 


| l) Herodot. I. c. 


m) N, fupr. eit, Auch Safeiquin S. se Mariti 
‚1. 248 p. 


j n) Man f. z. B. Ehardin II. 375. uf. S. von, 


den Königen in Perſien. Eben fo war es in Hindos 


ſtan, und ift ed noch jetzt in China und allen 


dinterindiſchen Reichen. 


4 


rn nn 


. — 


66° — — 


buch die Straßen, oder umliegenden Gegenden 
von Staͤdten. Sole Umgänge, oder Umfahrten 
. mit Götter: und Heiligen: Bildern gefchahen häus 
fig in Aegypten, Griechenland und Stalien o), 
und gefchehen noch jeßt häufig nicht: blog in Hin⸗ 
doftan und anderen heibnifchen Ländern p), fonbern 
auch unter den meiiten Ehriftlichen Völkern. Selbft 
in ben neueften Zeiten band man ben Bildern ber 
Helligen, welche man zu Neapel tn Proceffionen 
umhertrug, Goldfinfen und andere Singvoͤgel an 
die Finger, damit diefe. durch ihren Geſang 
‚die Beluftigung ber Heiligen erhöhen moͤchten 9). 
Su Peru und dem übrigen Spaniſchen America 
ſtatten bie Hetlinen an ihren Nahmends Zagen 
anderen Heiligen feierliche Beſuche ab. Die Hei⸗ 
ligen, denen eine ſolche Ehre zugedacht iſt kom⸗ 
„men ihren Bruͤdern anf halbem Wege entgegen. 
Wenn die Gefolge der einen und der anderen ſich 
‚einander nähern, fo machen die Heiligen gegenfeis 
tige Verbeugungen, und begrüßen ſich durch Mes 
ben, ‚die von ihren Begleitern gehalten werben. 
Die Bildniffe der Meiligen find an folhen Freu⸗ 
bentagen auf dad prächtigfie geſchmuͤckt, oder laſ⸗ 
fen wenigftend alle Reihthämer ihrer „Kirchen vor _ 
fih hertragen. Rieſen und andere Ungeheuer, 
Marionetten; und Engel verherrlichen den Zug, fo 
wohl auf dem Hunwege, als auf dem nteg r). 
an 


e) Schmidt p, so2- 904; Apulej. X. p. 201. Ho- 


fpinian, p. 207, 
p) Sonnerat 1. 188. Kämpfer 1, 45. 
9) Twill p. 174. 
r) Frezier p. 385. 





u 367 


Man rechnete, daß folhe Prunkfefte in Lima 
bisweilen funfzigtaufend Piafter Eofteten 5). Im 
Mittelalter ‚hielt man feine feierlichere Umgänge, 

ald bey der Verfrgung der Gebeine von Maͤrty⸗ 
rern und anderen Reliquien aus einem Orte an 
einen andern 2). Man ging den Heiligen, oder 
ihren Weberbleibfeln entgegen, und begleitete fie, 
wie man Könige und Fürften zu empfangen und 
zu begleiten pflegte. | | 


Eine dritte Urſache gotteöbienftlicher Um⸗ 
gänge war bie Hoffnung. durdy das Umhertragen 
der Bilder, oder Reliquien von Heiligen, und 
durch die Gebete und andere Andachts- Uebungen 
ber Umgehenden greße Unfälle abzumenden, oder 
wichtige göttlihe Wohlthaten zu erlangen. Schon 
im vierten Jahrhundert ftellten die Chriften unter 
dem Abfingen von Pfalınen, und dem Umbertras 
gen des h. Creutzes, ober-heiliger Reliquien Pros 
ceffionen an, bald damit Seuchen, Erdbeben, Ues 
berfhwenmungen, oder anhaltende Dürre aufhd: 
ren, bald damit die Gottheit eine. gedeihliche Wit: 
terung, oder ein fruchtbares Jahr ſchenken wolle u). 
Eben dergleichen geſchieht bis auf den heutigen 
Tag nicht nur unter den Chriften x), fondern aud) 

’ uns 


9) L. c. p. 357. - - mais il leur refle encore, (aux 
Moines du Couvent de Saint- Francois) de quoi 
faire des depenfes de pure oftentation, qui ont. 
monte'quelquefois jusqu’a 50008 piaflres du bien 
des Pauvres etc.  \ 
&) Pellicciz I, c.327 p. 
u) Pelliccia lc. 
x) Gage Ill. 161, 165. 


> 


36 =— 


Die geheimen gottesdienſtlichen Feſte unt Feier⸗ 
lichkeiten muͤſſen ſorgfaͤltig, ſo wohl von den gehei⸗ 
men Lehren, welche die Vorſteher oder Mitglieber 


einzelner Secten und Verbruͤderungen vortrugen, | 


ald von ben . geheimen” Gebraͤuchen unterfchieben 
werben, unter, welchen einzelne Secten und Vers 


brüderungen Mitglieder aufnahmen, ober befoͤrder⸗ 


‚sen. Wenn mair gleich alle geheime Gebräuce 


. ‚und Schren einzelner Verbrüderungen und. Secten | 
Mofterien genannt.het, und nennen will; fo darf - 


man doch nit aus.der Acht Laffen, daß fie bie: 
fen Nahmen nad der urfpränglichen Bedeutung 
des Worts nur. alddann verdienen, wenn bie ers. 
2 ‚Seren einen oder mehrere der eben erwähnten gots 
esdienſtlichen Zwecke haben, und menn bie anbes 
“. | ren 


—— 42 ! 


geheimen ‚Seierlichleiten der Orphiker und Pythago⸗ 


reer nicht mvonpım, oder Telery, ſondern opyın; 
IE 810 OpoAoysscı ds rayra racı Oppriaoisı xu- 
Acousvois us IlvIayopsiası. ds Yap raray ruv 
5 OpYumv HETEXOYTA 6010v Es: CV epivugoei —RX TaD- 
"var, und ſcheint alfo zwifchen Myfterien, oder Tes 
" Ieten-und Orgien einen Unterſchied zu machen: viels 
leicht, meil.die Seierlichkeiten der Orphifer und Py⸗ 
thägoreer feine. Volksfeſte, oder nicht als Theile von 
‚ Boll: Religionen öffentlich autberifist waren "Ja 
ſpaͤteren Zeiten wurden die Wörter pusrpıx, Teiler 
‚und opris ald ganz gleichbedeutend genommen. vid. 
Diod. Lib I. p. 19. Edit. Rhodomanni.de a. 1604, 
Bo u Tu: dilmag,. s£ Aiyurts TapsıÄnDorag 
rA WEpI TIGE OPYIRTLEC, HR Ta Kapi Tag ÖIOVOcI“- 
"RE TEÄBTEG, ul To ONYIR TIREY TETO TO MopIov 8y 
To Tas .MUSNPIOIG,, Ku ræic TE Js» TETE TEÄSTAIG 
Texas Juasaıg, oyounlovrss auto Daddy, 


. ia 8: r 


Ed 


— — | 877 


ren mit gotted dienſtlichen: Feierlichkeiten and Feſien 


anzertrenulich verbunden find» un 


2 Unter "allen Schriftſtollern, die biaher von 


ben Myſterien gehandelt haben, iſt auch nicht Eis 


55 ner, der einem unterrichteten und unpartheyiſchen 


higen Hrn Pro’ Wegſcheider Progiainm de.Grae. 


| Forſcher genug thun kaun ). Alle ohne Aus⸗ 


nan: 


H Die öfteren Gchriftfieller über Mufterien habe ich 


An meiner Abhandlung, die im dritten Bande meiner 


. vermifchten philoſophiſchen Schriften S. 164 u. f. S. 
ſſteht, angezeigt und beurtheilt. Zu dieſen kommen 


noch der Baron de Sainte- Croix,, der Verfaſſer der 
Memoires pour [ervir äjl’hiftoire de la Religion 


" feerete des anciens peuples, oü Recherehes hii 
Nomiques et critiques fur les Mylieres da Haga- 
.nilme; Paris 1784 8: dann die Commentatio 


Johannis Baptiſtae Calparis d’Auffe de Villoilon 


deẽ triplici Theelogia Myfteriisgye Veterum, wels 


che de‘ St. Croix in feine Sihrift 221,u. f. S, eins 
geruͤckt bat: ferner die Schrift des Herrn Profeffors 
Yrüller de hierarchia, Hafniae 1803. und des je⸗ 


corum Myſteriis religioninon obtrudendis. Goet- 


'tingae 1304. Hi Muüller hat ©. 131 und Hr. 


Wogſcheider S. 79. 80. uoch mehrere neuere. öchrifte 
- -fleller. genannt, die aber weniger in Berrachtung 
-Tommen. Ich. nehme meine frühere Urbeis gar nicht 


von. dem ÜUrtheile and, welches ic) jeßt ber alle 
biöberige Unterfucher der Myfterien fälle. Schon 
der kurze Abſchnitt über die Myſterien in meinem 
Srundriffe de: Geſchichte aller Religionen konnte 
einen Jeden überzeugen, daß ich damahls, als ich 


diefen Grundriß entwarf," über manche die Myſte⸗ 
: ziert‘ betreffenden Puncte anders dachte, als zu der, 


"Zeit, da ich die frühere Abhandlung in den vermiſch⸗ 
ten philoſophiſchen Schriften ausarbeitet, Und 


| Boch fuhren auch die neueften Schriftſteller, welche 
2 ri» Die 


‘ 
« 


— 


* 


724 


% 


‚318 — — 


nahmie achteten nicht genug auf bad Alterthum, und 
bie Zuverläffigkeit ber Quellen, aus melden fie 
ſchoͤpften. Sie führten vielmehr bie jüngften und 


imglanbwärdigfien Autoren mit eben dem Zutranen, 


unterfchieben nicht einmahll die Urtheite oder Mei⸗ 


nungen ber Schriftfteller von ihren Zeugniflen, oben 
voy ben Factis, welche dieſe vortrugen, ſondern 


bezogen ſich auf die einen, wie auf bie anderen, als 


wenn beybe einen gleichen Werth hätten. Haft alle. 


gingen von Hypotheſen aus, aus melden: zwey 
ganz entgegengefeßte Parteyen und Reſultate ents 
fanden. Die Einen fuchten zu beweifen, daß bie 
Dinfterien bie Abſicht gehabt haͤtten, die Volks⸗ 


Religion zu untergraben: die Anderen, daß gar. 


Teine geheime, Yon der Volks⸗Religion verſchie⸗ 
bene Lehren damit verbunden gemwefen feyen. Die 
Anhaͤnger der erfieren Partey wichen wiederum 


wie die älteften und glaubwärbigfien am Ja fie 


fehr in ihren Meinungen ab. Einige glaubten 


entbedt zu haben, daß man in ben Möſterien 
bie Einheit Gottes, und die übrigen großen Wahrs- 
heiten ber natürlichen Religion vorgetragen: Ans 
dere, daß man ben Pantheiömns gelehrt, ober 
alle Volksgoͤtter auf die einzige Gottheit der Nas 
tur zuruͤckgefuͤhrt habe. Eo fiel kaum Einem ein 2), 


nach ben natürlichen Urfachen zu fragen, welche 


die erſte Entſtehung von geheimen Volkofeſten vers 
9p nn ans 


J die Materie von den Myſterien beruͤhrten, immer | 


fort, meine erflen. jugenduchen Xeußerungen als 
weine noch immer fortdauernden Meinungen zu be⸗ 
fireiten. " . vo. . 
2) Sr. Wiäller beruͤhrt dieſe Frage pr 290. nur mit 
° wenigen Worten, 


L 


Tr 


- — Tr; SE TTV ⏑ 
\ 


. — — | ö 5 319 | 
anlaßt haben koͤnnten, ober warum geheime Volks: 
feſte ſich nur unter einigen wenigen, nicht unter 
alleti großen Nationen bed Alterthumd fanden. 


Keiner endlich nahm genug auf die wichtigen Um⸗ 
fände Ruͤckſicht, daß de Slteften Sriechifchen My⸗ 


— fterien fremden Urfprungs , und daß biefer aͤlteſten 


Mofterien nur fehr wenige waren: daß bie My⸗ 


ſterien ſich erft in fehr fpäten Zeiten in Griechens‘ 


land vetolelfältigten, und bag nun mehrere frem⸗ 
de Götter in Griechenland Myſterien erhielten, 
bie dergleichen in ihrem Baterlande ale gehabt | 
hatte. 


Die alteſten Myſterien in Griechenland waren 


ohne allen Streit bie dem Bakchus, der Ceres 


und den Labiren gemwibmeten geheimen Feſte a). 
Die Machrichten über die Zeiten, in welchen, und 
über bie Perſonen, von welchen diefe älseften My⸗ 
ſterien geſtiftet worden ſind fo ſtreitend, daß es 


beynahe unmoͤglich iſt, bie einen und die anderen 


mit Gewißheit zu beſtimmen. Nicht weniger 
ſchwer iſt es, die urſpruͤngliche Beſchaffenheit die⸗ 


‚fee Möiſterien genau und vollſtaͤndig darzuthun. 
Nur fo viel’ if außer Zweyfel, daß die berahm., 
teten unter den älteren Myſterien ber Griechen, 

die ber Ceres und des Bakchus, Aegyptiſchen 


Urfprungs, oder wenigſtens nach Aegyptiſchen Mu⸗ 


ſtern gebilder waren 5). Mir Kennen den Inhalt 


der Aegyptiſchen Mpfterien noch, weniger, al6 ben 
e) Ach führe bloß die Veweisſtellen de aͤlteſten und u 
zuverläffigften Geſchichtſchreibers an, Herodot. IL 
49.51. 6%, 171. 
2 Nerodot. I, ce, 


> 


⸗ 


- . 
- 
—— — — ü— 


ss ERL 


dver Briediifigen;- ah Bier Zeiten. ſawahl, ak die 


Neranlaſſungen - ihrer -Gtiftung: tparen. allen Yus 
fehen nad felbft den Aeghptiſchen Prieſtern ſchon 
demahl® unbekaunnt, als Herodot die Ufer bes 


Nils beſuchte. Nichts iſt daher einlenchtender, 


als daß wir die Urſache der Entſtehung der Ae⸗ 
gyptiſchen Myſterien nicht aus hiſtoriſchen Denk⸗ 
maͤhlern erlaͤutern koͤmnen. Eben deßwegen bleibt 


und nichts uͤbrig, als dieſe Urfgrhen,theils in 


ber menſchlichen Natur über Aupt , theile in ber 
eigenthuͤmlichen Sinrichtung ber Aegyptiſchen Mes 
ligion aufzufuchen, und dann bie Mefultate, mel« 
de biefe Unterfuchungen geben, mit bem zu vers 
gleihen, was. uns: die den Aeghptiern ſo aͤhnlichen 
Hindus, und die dem Aegypptiſchen Goͤtterdienſte 
fo aͤbrliche Religion. ‚der Hindus barbieten. 


Ale Woͤlker, und ‚unter blefen auch zi⸗ Yu 
gyptier, und Hindus, ‚waren übergenak,. bafl. fie 
burch die Gaben und Opfer, welde fie. öffentlich 
bradyten, burc bie Reinigungen und Buͤgungen, 
welche fie öffentlich wornahmen, durch Gebete und 
Znbetungen, welche ſie Öffentlich verrichteten, durch 


Feſte, Schauſpiele und Umgaͤnge, welche ſie öffent 


lich anſtellten, den Goͤttern danken, die Gnade der 
Goͤtter erlangen, und die Ungnade derſebben ver⸗ 


ſoͤhnen koͤnnten. Wie kamen bie. Yeguptier: und 
Hindus, oder deren. Priefter darauf, geheime Feſte, 
ader gottesdienſtliche Handlungen anzuordnen, big 


auch Feine andere Abſichten haben Eonnten, als die 
den Goͤttern zu danken, oder ſie zu gewinnen und 


au ve rn 


I: 


ur 
s 


Ä ——2281 
Man kaum nicht ſagen, daß geheime Feſte uns 
ter den Aegyptiern und Hindus aus dem Grande 


geſtiftet worden, aus welchem bie erften Chriften 
in den Zeiten der Verfolgung, und nach der Aus⸗ 


breitung. des Ehriftenthums,. manche von ber rechts 
glaͤubigen Kirche abweichende Secten‘, thre Lehren, 
Zufgnmenfünfte und Andachts⸗Uebungen verſteck⸗ 
ten: aus Furcht nämlich, entdeckt und beſtraft zu 
werben, Die Myſterien der Aegyptier und Hindus 


.- waren, und find nicht Heimlichkeiten, ober Geheim⸗ 


niffe wenig zahlreicher Secten und Bruͤderſchaften, 


fondern Fefte und Feierlichkeiten, zu welchen Per - 


fonen von allen Geſchlechtern, oder wenn aud) nur 
von Einem Geſchlecht, wenigſtens aus allen Altern 
and Ständen nach gehöriger Vorbereitung zugelaſ⸗ 


“ fen, und die von ber hoͤchſten Gewalt nicht bloß 


anerfannt, fondern auch als wichtige Beſtandtheile 
der Volks⸗Religionen beſchuͤtzt wurden. 


Wenn man ſolche Feſte und Feierlichkeiten, 


dergleichen tie Aegyptiſchen und Invdiſchen. Myſte⸗ 
rien waren, oder noch jetzt ſind, mit dem Schleier 
des Geheimniſſes bedeckte; ſo konnte dieſes nur 
aus Einer von folgenden Urſachen geſchehen: 


entweder, weil man fuͤrchtete, daß Feierlich⸗ 


würdigen entweiht werden: 


⸗ 


keiten und Feſte ſonſt moͤchten geſtoͤrt, ober von Uns 


oder weil man glaubte, oter glauben- machen 


. wollte,‘ daß man aufferordentliche Gnadenmittel 
beſitze, an melden nur die Verehrer Liefer uber 
jener Gottheit Theil nehmen föllens >. 


= ger 


. 
EICH 

„ —X 
* 


34 — 


on ]J 


das Jahr, und gewiffe Epochen bes Jahro richtig 
beſtimmen zu koͤnnen: ba fie, wenn fie auch dazu 
geſchickt wären, keine Ealender haben, und bekannt 
madjen: ba fie endlich den Anfang und das. Ende 
von Feften nad ber Erſcheinung des Neumondes 
feftießen &); fo geſchieht es häufig, daß: diefelbigen 
Feſte in benachbarten Gegenden an verſchiedenen 
Tagea gefeiert werben. Ä oo 
.6) Niebuhrs Reifen II. 65. 161 S. Als Bruce in’ 

Farſchut war, entflanden wegen des nicht gleichen 

Anfanaed des Ramadan blutige Gtreitigkeiten. 
wo Travels II. 26 Ed. 1805. in & BE 


J Zweyter 


gleich bedentende Aus druͤcke 





| Bwesten Kfguitt, 
Sei: der Moſterien, oder der gebeimen deſte und 


Zeierlichkeiten. 





Ungleih ſchwerer zu beſchrelben and zu ers 


klaͤren, als die bisher unterfuchten, find die ges 


heimen Feſte und Feierlichkeiten: das heißt, bier 


jenigen Gaben und Opfer, Reinigungen und 


Buͤßungen, Gebete und Anbetungen, Shane 
ſpiele und Umgaͤnge, zu welchen man nur nad 
vorhergegangenen Prüfungen und Morbereituns . 
gen, und unter bem Geluͤbde einer unverbruͤch⸗ 


lichen Verſchwiegenheit zugelaſſen wurde, und die 
zugleich einen der folgenden drey gottesdienſtlichen 


Zwecke hatten: entweder ben. Göttern zu danken, 
oder ihre Gnade und Wohlthaten zu erlangen, oder 


. Ihre Ungnade und Strafen abzuwenden. Die Yes 
gyptier nannten foldye geheime. Hefte Myſterien u). 


Die Griechen nahmen diefe Benennung an, brauch⸗ 
ten aber zugleich die Wörter reAsry und opyim als 


u). \ Herodoi; HM, 191. ev de rg Asıyy rxury ra ds 

Ac Tv raSaav aUTE YUnTog TUsUs, Ta —RR 
augypia Anrra.. 

2) Herodot. 1, e. 20 176 Aykıpos relarıy von ry⸗ 

7 —— Ieryapopıs —RBR Herodot nennt die 

| ge⸗ 


2 
Di 
x 


36 = 
Die geheimen gottesdienftlichen Feſte unt Feier⸗ 
lichkeiten müffen forgfältig, fo wohl Yon ben gehets 
men $ehren, welche die Vorfteher ober Mlitgligder 
einzelner Secten und Werbrüberungen vortrugen, . 
ald von ben geheimen Gebräudeti unterfchieden 
werden, unter. welchen einzelne Secten und Vers 
brüderungen Mitglieder aufnahmen, ober beförders 
sen. Wenn man gleich alle geheime Gebraͤuche 
‚und Lehren einzelner Verbrüderungen und. Secten 
Mofterien genannt hat, und nennen will; fo darf 
man boch nicht aus der Acht laſſen, daß fie Dies 
fen Nahmen nad ber urfpränglihen Bedeutung 
de6 Worts nur. alddann verdienen, wenn bie ers 
Seren einen oder mehrere der eben erwähnten gots 
desdienſtlichen Zwecke haben, und wenn die anbes 


% ig 


- geheimen Beierlichleiten der Orpbiler und Pythago⸗ 
reer nicht wuenpin, oder 7sÄezy, fondern opyın; 
IE 81. OpoAoysscı ds rar racı OpPtxoisı na- 

Aecousvoici um IluSayopsiosı. ade yap rarav ruv 

opyImv narsxpyra daiv cs av'spivsosı diuacı TaD- 
 "Sepvas, und fcheint alfo zwifchen Myfterien, ober Te⸗ 
leten ˖und Drgien einen Unterſchied zu machen: viels 
leicht, meil. die Feierlichkeiten der Orphiler und Py⸗ 
thägoreer feine Volksfeſte, oder nicht als Theile von 
Voilks-Religionen Öffentlich authorifirt waren "Fa 
ſpaͤteren Zeiten wurden die Wörter zuszpix, TsAeras 
.. „und opyie al& ganz aleichbedeutend genommen. vid, 

Diod. Lib I,p.ı9. Edit. Bhodomanni.de a. 1604. 
dio Hu Tec SAlnsug, set Aiyuxru wapuAyDorag 

FR WED TAG OpylInausc, Na Ta Map Tac dIOVocsK- 

RE TOÄBTaG, ‚nal Fr ONYIR TIaYy TETO TO Kopiov 6V 
,. 18 Tols .HUSNPIOIG.y Ka Teig TB Isz TETE TEÄAETAK 

vaxaı Juninıg, ovouadovrag auro Dadlkoy, 


ur." 


—— 


J N 
x 


— — | 877 


ainzertrenulich verbunden find. 
. Unter allen Scriftfiellen, bie Biöher von 


den Myſterien gehandelt haben, tft auch nicht Eis 
ner, ber. einem unterrichteten und unpartbenifchen 
Forſcher genug thun kann 9). Alle ohne Aus⸗ 


nah: 


y) Die ätteren Schriftſteller über Myſterien babe ich 
in meiner Abhandlung, die im dritten Bande meiner 
vermiſchten philofophifchen Schriften S. 164 u. f. S. 
ſteht, angezeigt und beurtheilt. Zu dieſen kommen 
noch der Baron de Sainte- Croix,. der Verfaſſer der 
Memoires pour [ervir ail’hiftoire de la Religion 

" feerete des anciens penples, oü Recherehes hi: 

. .Rowigmes et eritiques fur les Myflteres da Yaga- 
-  .nilme;,, Paris 1784 8: dann die Commentatia 
“Johannis Baptiftae Calparis d’Auffe de Villoilon 


- „de triplici Theelogia Myſteriisque Veterum, wels 


the de‘ St. Croix in jeine Schrift 221 u. f. ©, eins 
geruͤckt bat: ferner die Schrift des Herrn Profeſſors 
Yrüller de hierarchia, Hafniae 1805. und des ra 


tzigen Hrn Pro’, Wegſcheider Programm de Grae- 


corum Myſteriis religioninon obtrudendis. Goet- 
tintzae 1304. He. Muller hat ©. 131 und Hr 
Waogſcheider S. 79. 80. uoch mehrere neuere Schrift⸗ 


ſteller genannt, die aber weniger in Betrachtung 


..kommen. Ich nehme meine frühere Arbeit gar nicht 
von. dem Urtheile and, welches ich jet uber ale 
biöherige Unterjucher der Myfterien fälle. Schou 
der kurze Abſchnitt über die Mofterien in meinem 
Grundriffe de: Gefchichte aller Religionen konnte 
einen Jeden überzeugen, daß ich damahls, als ich 


dieſen Grundriß entwarf, über manche die Myſte⸗ 
rien betreffenden Puncte anders dachte, als zu der, 


"Zeit, da ich die frühere Abhandlung in den vermiſch⸗ 
ten pbilofophifchen Schriften audarbeitet, Und 


5 Boch fuhren auch die neueflen Schriftfieller, welche. 
| or. rem DIE 


’ ‘ 


gen: mit gottesdienſtlichen: Feierlichkeiten und Feſten 


N 


ii Tueumın . 


nahe achteten nicht genug auf das Alterthum, und 
bie Zuverlaͤſſigkeit der Quellen, aus welchen fie 
ſchoͤpften. Sie führten vielmehr bie jängften unb 


inglanbwuͤrdigſten Autoren mit eben ben Bulranen, 


wie die älteften und glaubwärbigften am Ja fie 


unterfchleben nicht einmahl die Urtheile oder Mei⸗ 


‚ mungen ber Schriftſteller von ihren Zeugniffen, oder 


% 


.. bie Materie von den Myſterien berüheten, immer 
fort, meine erſten jugendlichen Aeußerungen als 


voy ben Factis, welche dieſe vortrugen, ſondern 
bezogen ſich auf bie einen, wie auf bie anderen, als 

. wenn beyde einen gleichen Werth hätten. Faſt alle. 
gingen von Hypotheſen aus, aud melden zwey 


ganz entgegengefeßte Partegen und Reſultate ents 
fanden. . Die Einen fuchten zu beweiien, daß bie 
Myfterien die Abficht gehabt harten, bie Volks⸗ 


Meligien zu untergraben:. die Unberen, baß gar. 
Leine geheime, von der Volks: Religion verſchie⸗ 


bene Lehren damit verbunden gemwefen ſeyen. Die 
Anhänger ber erfieren Partey wichen wiederum 


fehr in ihren Meinungen ab. Einige glaubten 


entdeckt zu haben, daß man in ben Myöſterien 


bie Einheit Gottes, und bie übrigen großen Wahr⸗ 


heiten ber natürlihen Religion vorgetragen: Uns 
dere, bag man den Pantheismus gelehrt, ober 
alle VPolksgoͤtter auf bie einzige Gottheit der Nas 
tur zuruͤckgefuͤhrt habe. Es fiel kaum Einem ein 2), 


nah ben natürlichen Urfachen zu fragen, welche 


die erfte Enifehung von geheimen Volksfeſten vers 
on ' ana 


meine noch immer forsbaueruben Meinungen au be⸗ 
ſtreiten. 


2) Se. Möller Beräßrt dieſe Frage p. 190. nur wit 
wenigen Worten. 


- 


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— — 379 
N 


anlaßt haben koͤnnten, ober warum geheime Volks: 
fefte fi nur unter einigen wenigen, nicht unter 


allen großen Nationen des Alterthums fanden. 
Keiner endlich nahm genug auf die wichtigen Um⸗ 
fände Ruͤckſicht, daß bie älteften Griechiſchen My⸗ 


ſterien fremden Urſprungs, und daß dieſer aͤlteſten 


Myſterien nur ſehr wenige waren: daß die My⸗ 


ſterien ſich erſt in ſehr ſpaͤten Zeiten in Griechen 
land vetvielfaͤltigten, und daß nun mehrere frem⸗ 


de Götter in: Griechenland Myſterien erhielten, 


‘ 


hatten, 


‚Die Alteften Myſterien in Griechenland waren 
ohne allen Streit bie dem Bakchus, der Ceres 
und den Cabiten gewibmeten geheimen Feſte a). 
Die Nachrichten über die Zeiten, in welchen, und 
über bie Perſonen, von welchen biefe aͤlzeſten My⸗ 
ſterien gefliftet worden, find fo ſtreitend, daß es 


beynahe unmöglich ift, bie einen und die. anderen. 


mit Gewißheit zu beſtimmen. Nicht weniger 
ſchwer iſt ed, bie urfprüngliche Beſchaffenheit dies 


‚fer Myſterien genau und vollftändig." darzurhun. 
Mur fo vlel iſt außer. Zweyfel, daß bie beruͤhme 
teſten unter ben älteren Myſterien ber Griechen, 


die der Ceres und des Bakchus, Aeanptifchen 
Urfprungs, oder wenigſtens nach Aegyptiſchen Mu⸗ 


ſtern gebildet. waren 5). Wir kennen ben Inhalt 
der Aegyptiſchen Mpfterien noch weniger, als ben 
ST 2 | ber. 


⸗ 


49: 61. 58, 171. 
5) Herodot. Il, ce. 


> 


die bergleihen in ihrem Vaterlande ute gehabt 


⸗ 


H Ich führe Bloß die Beweisſtellen bed ältehen und 
guverlaͤſſigſten Gefchichtfchreibers an. Herodot. II. 


- 


— ——— 


ss ——— 


‚ver Seicchiſchen nah Die, Zeiten. ſewohl als die 


Werenlaffungen - ihrer -Gtiftung waren, allem An⸗ 


. .fehen nad felbft den Aeghptiſchen Prieftern fihon 


damahls unbefannt, ald «erodor die Ufer des 


Nils beſuchte. Richts iſt daher einleuchtender, 
als daß wir die Urſache ber Entſtehung des Ae⸗ 


gyptiſchen Myſterien nicht aus hiſtoriſchen Denk⸗ 
mählern erlaͤutern Eönnen, : Eben deßwegen bleibt 


end nichts uͤbrig, als dieſe Urſachen theile in 


ber menfchlichen Natur überhaupt, .theild im der 
eigenthuͤmlichen Einrichtung ber Negyptifhen Res 
ligion auſzuſuchen, und dann die Reſultate, wels 
de diefe Unterfuhungen geben, mit dem zu vers 
gleichen, was uns die-deu Aegyptiern ſo aͤhnlichen 
Hindus, und die dem Aegpptiſchen Goͤtterdienſte 
ſo Ahnlige Religipn- der Hindus barbieten. - 


| Ale Woͤlker, und ‚unter dieſen auch öl Ye 
ayptier, und Hindus, waren übergengkr- bafl. fie 
burch bie Gaben und. Opfer,. melde fje Öffentlich 


brachten, durch bie Reinigungen und Buͤßgungen, 


welche fie öffentlich voruahmen, durch Gebete und 
Anbetungen, welche ſie öffentlich verrichteten, durch 


Feſte, Schauſpiele und Umgaͤnge, welche fieöffents 


lich anſtellten, den Goͤttern danken, die Gnade der 
Goͤtter erlangen, and. die Ungnade derſelben ver⸗ 


ſoͤhnen koͤnnten. Wie kamen bie: Aeghptier und 


Hindus, oder deren Prieſter barauf, geheime Feſte, 


ader gottesdienſtliche Handlungen anzugrbnen, big 


auch Feine andere Abſichten haben Eonuten, ald bi 
den Göttern zu vanfen, ober fie zu gewinnen und 


ne 


wu verföhnen? — | AN 


.... Man 


u em . 381 


Man kaum nicht ſagen, daß geheime Feſte un⸗ 
ter den Aegyptiern und Hindus aus dem Grunde 


geſtiftet worden, aus welchem bie erſten Chriften 


in den Zeiten der Verfolgung, und nach der Aus⸗ 
breitung des Chriſtenthums, manche von der recht⸗ 
glaͤubigen Kirche abweichende Secten, ihre Lehren, 
Zuſommenkuͤnfte und Andachts⸗Uebungen verſieck⸗ 
ten: aus Furcht naͤmlich, entdeckt und beſtraft zu 
werben, Die Myſterien der Aegyptier und Hindus 
waren, und find nicht Heimlichkeiten, ober Geheim⸗ 
niffe wenig zahlreicher Secten und Brüberfchaften, 


ſondern Fefte und Feierlichkeiten, zu welden Pers 


fonen von allen Gefchlehtern, oder wenn aud nur 
von Einem Geſchlecht, wenigftens aus allen Alter 
and Ständen nad gehöriger Vorbereitung zugelaſ⸗ 
“ fen, und die Yon ber hoͤchſten Gewalt nicht bloß 
anerkannt, ſondern auch als wichtige Beſtandtheile 
ber Volks⸗Religionen beſchuͤtzt wurden. 


Wenn man ſolche Feſte und Feierlichkeiten, 
dergleichen bie Aegyptiſchen und Indiſchen Myftes 
rien waren, oder noch jetzt ſind, mit dem Schleier 
des Geheimniſſes bedeckte; ſo konnte dieſes nur 
aus Einer von folgenden Urfagen geſchehen: 


entweder, weil man fuͤrchtete, daß Feierlich- 
keiten und Feſte ſonſt moͤchten geſtoͤrt, oder von Un⸗ 
wuͤrdigen entweiht werden: 


oder weil man gläußte , oder glauben machen 


. wollte, daß man anfferordentliche Gnadenmittel 


befige, an melden nur die Verehrer dieſer oben 
jener Gottheit Theil nehmen ſolltu?: 


eher 


BER‘ 


Aaml Lo L_L.T 7 


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3823 — — 


ober, weil ſich gewiſſe Wirkungen nicht anders, 
als an beſchraͤukten Plaͤtzen, und unter dem Schleier 
ber Nacht, ober dem Schimmer einer magiſchen 

Beleuchtung hervorbringen liegen? " 


| ober" endlich, weil man angeblich uͤbernatuͤr⸗ 
liche Triebwerke anwenden, durch angeblich uͤberna⸗ 
tuͤrliche Erſcheinungen taͤuſchen wollte, die das Licht 
des Tages nicht ertragen konnten? 


Wir wollen ſehen, aus welcher von dieſen 
Urſachen ſich die Myſterien der Aeghptiſchen, und 
Indiſchen Religion mit der gröften Webrſqhein⸗ 
lichkeit ableiten laſen. 


J Nah ben wiederhoblten Zeugniſſen des Hero⸗ 
dot, welchem ich vorzüglich folgen werde, laͤugne⸗ 
ten die Aegyptier, und die Aegyptiſchen Prieſter 
durchaus, dag Götter ſich jemahls mit. Menſchen 
vermiſcht hätten, oder daß Menfchen jemayle zu 
Helden, oder Goͤtter wären erhoben worden cy. 
Nichts deſto weniger nahmen bie Aegyptier drey 


Dynaftien von Goͤttern an. Die erſte dieſer Dy⸗ 


naſtien beſtand nur aus acht: die zweyte, aus 
zwoͤlf: die dritte, die von der zweyten erzeugt w⸗ 
den, aus einer unbeſtimmten Zahl von Goͤttern. 
Diefe auf einander folgenden Dpnaftien von Goͤt⸗ 
tern herrfchten über Aeghpten, bevor biefes Reich 
Yon Menſchen bewohnt wurde; und in jeber Dynas 
flie war immer Einer ber Vornehmſie. Wenn 
glei die Götter der zwehten Dpnaftie denen ber 
euſten, unb bie ber Dritten benen ber Zweyten Dy⸗ 
naaſtie bie Herrſchaft entriſſen; fo beraubten ſie | 
els 


‘e) IL 145 145 €. 


u DE Et DE En * 


ſelben deßwegen ihrer zöttlichen Verzig⸗ und 
Ehren nicht. Man betete zu Herodors Zeiten fo 
wohl den Dan, als den Herkules an, vom wel⸗ 
hen Jener zur erfien, und Diefer zur zwepten Dys 
naftie der Bötter gehörte d). Unter den Göttern 
aller drey Dynaftien wurden keine in ganz Aeghp⸗ 
ten ale allgenseine Volkogottheiten verehrt, benn 
allein Iſis und Oſiris, die jüngften, oder viel⸗ 
snehr bie vorlegten ver Götter, welche über Ae⸗ 
gupten s Land herefchten e)._ Die Aegpptifchen 
Prieſter felbft fagten, daß Ofirie der Bakchus, 
and Iſis, die Ceres der Griechen fey f). Oſi⸗ 
ris zeugte mit feiner Gemahlinn Iſis den Horus 
oder Apollo, und bie Bubaftis, ober Diana g). 
Während der Zeit, wo Dfiris über Yegypten: Land 
herrſchte, empörte ſich Typhon gegen feinen Brus 
der Dfiris, überfiel und ermordete ihn, gerftüdlelte 
feinen Coͤrper, und zerſtreute bie zerſtuͤckelten Glied⸗ 
maaßen, damit ſie nicht wieder gefunden, und ver⸗ 
einigt werben moͤchten. Typhon ſuchte auch den 
Horus auf, um dieſen Sohn des Oſiris gleich: 
fall6 zu vernichten. Allein Iſis vertraute den 
Horus, und. die Bubaſtis ver Larona bey Buto 
an, welde die Rinder auf einer fhwimmenden Ius 
ſel gegen bie Nachftellungen des Typhon verbarg, . 
und in der Stille auferzog h). Nachdem Hokus 
| das 
.d) \. e, 
0) L. e. et e. 40 — FR Yap du u Tuc nurac Amar. 


Suowg Ayurrioı osßovrm, .wıyy Isios Ts u. Or - | 


Bidoc. row ds Asvudoy syn Asyuei, 
> Hib ec. 60 “6 


g) a 166. 
A)le. 


384 . DE 

das maͤnnliche Alter erreicht hatte, machte er ſich 
gegen den Mörder feines Waters, und ben Raͤu⸗ 
ber des väterlichen Reichs auf, überwand, und 
fürzte den. Typbon, ‚ohne ihn ganz zu vernich⸗ 
ten i)._ Horus war ber leßte unter ben Goͤttern, 
bie über Aegypten herrfchten 4). Da nicht bloß 
„bie Uegyptifchen Priefter, fondern auch Herodot 
überzeugt waren, daß Dfiris und Iſis dem Bak⸗ 


chus und der Ceres ber Griechen entfpräden, und 
daß fo wohl die öffentlichen, als bie geheimen Fe⸗ 


fie der erſteren Gottheiten mit ben Feften ber- leg: 
teren übereinflimmten 5 fo Eönnte- man ſchon hiers 
aus allein mit Sicherheit fließen, mas auch alle 


fpätere Sefhichtfchreiber bezeugen, daß bie Aegyp⸗ 


tier, wenigſtens zu Herodots Zeiten, bem Oſi⸗ 
ris und der Iſis aͤhnliche Wohlthaten zuſchrieben, 
dergleichen bie Griechen dem Backchus, und ber 
Ceres zueigneten. Die Aegpptier glaubten naͤm⸗ 
lich, daß Oſiris und Iſis die erſten Menſchen, 
bie unter ihrer Regierung entſtanden ſeyen, in ben 
Künften des Aderbaus unterrichtet, und fie zus 


gleich durch weiſe Geſetze zu einem geſelligen Leben 


gewoͤhnt, oder in feſte Gefellſchaften vereinigt haͤt⸗ 
ten I): in welchen großen Wohlthaten unftreitig 


der _ 


« . 


i) c. 144. vsarov ds .auryc Banılsvom Aw r roy 


N 
x 


Osıpivg wyda, Tov Arollwva EAAyusaovouadzcı, _ 


$- Faro NATETaUCayTra TUußuve J Pasıkevom 
un VERTDS Aryurzs, 


Fr ib, 


h Zu Diodors Zeiten riefen die Aegyptiſchen Land⸗ 
leute bey dem Schneiden der erfien Barben die Iſis, 


als die Geberiun der Früchte an. Auch wehriags 
ten 


| oo 0... 
der Grund lag, warum Oſtris und Iſis unter 


allen Göttern, bie einft über Aegpptens Land ges 
herrſcht hatten, allein als allgemeine Volksgoͤtter 
verehrt wurben. Die Aegyptier feierten dem Dfis 
vie, und ber Iſis zu Ehren, theils öffentliche, 


sheild geheime Feſte; und faft fcheint ed, als 


wenn bie leßteren, gleich ben vornehmſten Gries 
chiſchen Myſterien, zum Theil aus öffentlichen, 
"und nur zum Theil aus geheimen gottesbienftlichen 
Handlungen beftanden hätten. Zur Zeit des Bolls 
mondes opferten bie Aeguptier dem Bakchus, 
und dem Monde Schweine, welde Thiere fie fonft 
auf dad aͤußerſte verabfheuten m), Von ben 


Schweinen, welche fie dem Monde zu Ehren ſchlach⸗ 


teten, verbrannten fie bie Dintertheile, die Milz, 


bie Fetthaut, und alles Fett, was bie geopferten ' 


Thiere an ben Nieren hatten. Das übrige Fleiſch 
verzehrten fie felbfi. An den Selten bed Bak⸗ 
chus hingegen ſchlachteten fie während der rel 

‚ mahl⸗ 


ten ſie und geiſſelten ſich, um der Goͤttinn ihre 
Theilnahme an ihren, und des Öfiris Leiden zu ers 


Bennen zu geben. In manchen Städten trug man 


an den Feſten der is Wannen, die mit Weizen 


und Gerſte angefüllt waren, in Öffentlichen Umgans 


gen umher. Diod, I. p. 13. srı yap any wur um 
Ta TOV Japıauoy TEC TPWTSG auyIsvrag saxyuc Jay- 
Tag TuG ayIpwwug nowrseIm mAycıov 7a dpayus- 

rocʒ, nu. ryv laıv avanuisıc9a, u Taro Tparrev 
ATOVEUOVTRG TIunv 74 Jew Twv Ävponavav zAure 
vov ebapxyc Ts dupsasus zuıper. „ „ Osıvay de 
Pæos nu yauss 1yv low eic. 


») II. 47. 48. 
Bb 


— 


J 
— 


386 — — 
mahlzeit, welche ſie vor ihren Thuͤren hielten, 
ein Jeder ein Schwein, und gaben dann das ger 
ſchlachtete Schwein dem Schweinehirten zuruͤck, der 
es geltefert hatte. Herodot erfuhr die Gründe, . 
warum man in Aegypten nur dem Bakchus, umd 
dem Monde Schweine opfere: warum ınan der eis 
nen, und ber anderen Gottheit diefe Opfer auf bie 
befchriebene Art bringe; allein’ er hielt’ fih nicht 
für befugt, das, was er gehört hatte, bekannt zu‘ 
machen. Die Datchus : Fefte in Aegypten m) 
waren den Sriechifhen in allen übrigen Stuͤcken 
gleih, nur nicht in Anfehung der Chöre, und beb 
Phallus. Statt des Phallus trugen die Aegyptis 
ſchen Weiber an den Feften des Gottes Meine cus 
bifalifhe Statüen, mit faft eben fo großen beweg⸗ 
lichen Zeugungs⸗Gliedern. Ein Flötenfpielerführte 
den Zug au, und die Weiber fangen Licher auf 
den Bakchus ab, Warum bie kleinen Statüen 
fo große Zeugungsglieder hatten, und biefe Zeus 
gungsglieder allein beiweglich waren, lernte Kyeros 
dor aus einem heiligen Mythos, den er eben bes 
wegen nicht mittheilte. Mac der Meinung bes 
Herodot Iehrte Melampus außer vielen anderen 
Dingen, welche er in Aegypten gelernt hatte, bie 
Griechen zuerft ben Nahmen des Bakchus, bie 
Art, wie diefem Gotte geopfert,‘ und ihm zu Eh» 
ren ber Phallus umgetragen werden müfle 0). 
Derſelbige Sefchichtfchreiser glaubte, daß Wies - 
lamp den Dienft des Backchus von dem Tyrier 
Kadmus, und den Begleitern befjelben vernoms 
men habe, bie aus Phönicten nad) Boeotien ges 
Tommen feyen: eine Vermutbung, von welder 
' \ 2 — N man 
n) c 48. 
0) Ce» 49% 


— 387 

man Faum abfieht, wie fie ſich mit den zuerft ans 
geführten Machrichten uͤber den Melampus vereis 
nigen laffep). Herodot nennt ben Melampus 
einen weifen Mann, der ſich die Kunſt der Wahrs 
fagung eigen gemacht, und ben Griechen den Dienft 

bed Bakchus zuerfi verfündigt habe, welcher 
Gottes dienſt aber in der Folge von anderen meifen 
Männern nod ausführlicher, und genauer geoffens. 

bart wordeng). Man kann faft mit Gewißheit 
annehmen, daß Herodot unter den weifen Mäns 

nern, welde nad) dem Melampus bie Griechen 

in dem Dienfte des Bakchus unterrichtet hätten, 

den Orpheus, und Muſaͤus, oder wenigſtens bie 
Nachfolger bed Erſtern verftanden habe. Zu ben 
größten Geheimniſſen der: Myfterien des Bakchus 
gehörte ber Org, mo Iſis bie geſammelten Glied⸗ 

| maaßen ihres zerſtuͤckelten Gemahls bengefeßt hat: 
te, um fie ber unverföhnlihen Wuth des Typbon 
zu entziehen. Zu den Zeiten bed Diodor 7), des 
j Stra: 


| 

» Diefe Vermutung ift nicht die einzige Gonders 
J harkeit in dem 49 Capitel des zweyten Buchs. Die 

uͤbrigen raͤthſelhaften Aeußerungen wird jeder auf— 

merkſame Leſer leicht ſelbſt finden. 


9) syw nav vuv Oym, usAauroda Yevonevov avdpm. 
00PoVv , Mayrınyv TE dauru Wusmadyı, xy wuJons- 
vov ar’ Ayumrs alla ra woAlz sonyyaaeduy AA: 
‚Aysı,. 20 ramspı Aovuoov... . OTpSNSWg HEV # Fay- ! 

: sa ovAlaßuv rov Aoyov sdyve. all ds sriysvons 

os raeru Tod medovwnc seeßyvar, 


., m Ip 19. 24. 
Bhz 


Sy 


388 . 0 

Sırabo s), und Plurarch £) machten viele Städte 
Anfprüdhe auf die Ehre, die Weberbleibfel bes 
Oſiris zu befißen, Allein die beyden erſteren 


Schriftſteller, die felbft in Aegypten geweſen waren, 
bezeugen, daß dad wahre Grab des Gottes unbes 


kannt fey. Um dieß große Geheimniß nicht zu Her: 


zathen, fagt Herodot in der Beſchreibung des 
Zempeld der Minerva zu Sais: "An biefem - 
Tempel, ober vielmehr. hinter biefem Tempel 


"längs ber ganzen Mauer her find die Gräber deß⸗ 
jenigen, deſſen Nahmen bier auszufprechen eine 


große Sottlofigkeit wäre Auch findet ſich hier ein 


kreisfoͤrmiger, mit Steinen eingefaßter Teich, auf, 


oder in welchem man Nachts die Leiden des göttlis 
chen Ungerannten vorſtellt: welche Vorſtellungen 
man in Aegypten Mofterien nennt. Ungeachtet 
id, weiß, wie fich alles dieſes verhält, fo noge 
id) eben fo wenig, es zu erzählen,. als bie 
fehaffenheit der geheimen Feſte, welche die Öriehen 
Tchesmephorien nennen u). Eudoxus war wenis 
ger gemwiffenhaft, ald Herodot. Kr erzählte ohne 
Scheu, was er in Aegypten gehört hatte, daß das 
Grab des Ofiris fich zu Buſi ri6 finde *) Das 
Feſt, 
s) XVII. 1155. 
£) VII. p' 440. de Ifide et Ofiride. 


u) Il. 170. 171. usı de na dı ra Te am daiov 
KOISUMM ET TOMTS KENYuaTı BLRYeDSUNY TEYOLL&, 


.. u Zu, 0 ro Ipw ns Adyvayg . + ev da rn Auvy 


vaury Ta Üsınylın Tv TaJeny AUTE YUNTOE. Kolsvch, 

ra nalsscı RUSApIM. Napı usv vuv vurwy, dor: 

no awı aA00y os dxasa aurav 8x8, BU“ 
26öν 


x) Apud Pintarch, 1, e. VII. 41% 


Papremis ⸗). 


— 38) 


Ver, welches man der Iſis zu Buſiris feierte, 
gehörte nicht weniger zu den jährlichen großen Fer 
fien ber Aeguptier, als das Feſt der Minerva zu 
Sais, mir welchem bie Vorftelungen der Leiden 
des Oſtris verbunden waren y). An bem Feſte 


‚ber fie wurben nach dem Opfer viele Myriaden 
von Meyſchen gegeifielt. Es fchien dem Herodot 


eine Ruchloſigkeit, zu ſagen, um welches willen 
dieſes geſchehe z): ein faſt untruͤglicher Beweis, 
daß auch dieſes Feſt feine Gehetinniffe hatte! Oſi⸗ 
ris und Iſis waren allerdings bie einzigen Gott⸗ 

heiten, denen zu Ehren man in Aegypten die vors 
nehmften geheimen Feſte, oder gleichfam Nationals 
Miyfterien feierte Wahrſcheinlich aber waren 
ähnliche, weniger allgemeine, Feſte und Feierliche 


" Zeiten allen den Gottheiten gewidmet , deren Dienft 


man dem Herodot nur in isposAoyais mittheilte a), 
und von welchem baher biefer Geſchichtſchreiber 
nicht fo offen redete, wie von dem Dienfte des Ju⸗ 
piter In Theben b), oder von bem des Mars zu 


| a 


y) u. SQ, 


2) C. 61. Turrovre navy yap dy para vv Jvamie 


raurec x way, Aupimdsc nupra wolly av) pn - 
zuy. rev de (beffer ro da) rumrovray, u nor Ociov 
ssı Äsysıy. | 


u a) 3. DB. bed Pan, u. 46. der Cabiren, Herod, in, 


6, 37. mehrerer heiliger Thiere, c. 65 
5) 11,4% ö | 
c) IE. GA. c. 


399 7 7 

7: Mach den Aegyptiern waren die Hindus bdas 
einzige Volk des Alterthums, das in Caſten abge⸗ 
theilt war. Dieſe Abtheilung in Caſten brachte 

nothwendig unter beyden Nationen manche gemeiins | 
ſchaftliche fo wohl politifhe, als gottesdienfkliche 

Einrichtungen hervor. So wie die Aegyptier uns 

ter allen menſchenaͤhnlichen Goͤttern nur den Dfis 

ris und die Iſis als allgemeine. Volfsgoͤtter aube⸗ 

teten, fo erwiefen die Hindus nur dem Drums, 

dem Viſtnu, und dem Schiwen, oder Eswara 

gleiche Ehre d). Unter biefen drey Nationals - 

Gottheiten fuchte ſich nach den heiligen Sagen ber 

Hindus Bruma über den. Vifchnu zu erheben. 
Hieruͤber entſtand zwifchen dem Bruma, und bem 
Viſchnu ein furchtbarer Kampf, nad melden 

Bruma felbft den Schiwen zu: berüden ſuchte. 

Wegen biefer legten Uuthat ward Bruma verſtei⸗ 

nert, und vom Schiwen verfludt. Da Bruma 

ſich demuͤthigte, fo erlaubte Schiwen zwar, ba 

an ben Druma Undachten von ben Brahminen ges 
richtet würden ; allein er nahm den Fluch nicht zus 

ruͤck, nad weldhem Bruma der Ehre beraubt warb, 

in befonderen Tempeln göttliche Ehren zu empfans 

. gen. Unterbeffen ftellt man ben Bruma noch jeßt 

in manchen Tempeln zugleih mit dem Viſtnu und 

Schimwen unter einem menſchenaͤhnlichen Bilde 

mit brey Köpfen vor, und betet ihn nicht weniger, 


— — ⸗- 


als 


4) Die Gottheit, welche Sonnerat I, 128. 129. 135. 

166. 171. und Untere Schiwen nennen, nannte 
der Brabmin, weichem Aogers ſeine Nachricht zu 
Ben hatte, Eswara. l.c. 1. Ilc.ı, 


- 
ı 
ı . 





— 


F — PORN gr - 


als den Viſchnu und Schiwen an e). Aller⸗ 
dings aber weiben fi bie meiften Hinbus, und 
deren Brahminen Einen der beyben leßteren Goͤt⸗ 
ter auf eine ſolche Art, daß biejenigen, welche ben 


Einen anerkennen, ben anderen perachten, und vers . . 


abfeuen, und biefe Verachtung,/ unb Abſcheu 
aud) auf die Verehrer bes Einen, oder des ande 
ren übertragen f). Die Brahminen, melde Prie⸗ 
fler des Viſchnu find, zeichnen ihr Geſicht ganz 
anderd, und tragen andere Symbole an ihrem 
Coͤrper, als biejenigen, die ben Schiwen, ober 
Eswara als den vornehmftien Gott verehren. 


‚Die Anbeter bed Schiwen hören nicht den Nah⸗ 


men des Diftnu, ohne auszufpucden, und umge⸗ 
kehrt. Auch leiden bie Anhänger des Einen Gots 
tes micht, daß die Anbeter des Anderen durch ihre 
Quartiere ziehen. Beyde Gottheiten haben ihre 
Gemablinnen, Kinder und Diener, benen man. 
gleihfalld mehr, als menſchliche Ehre erweist. 
Bon beyden erzählt mar mancherley Vercoͤrperun⸗ 


‚gen, wo fie unter menfchlicgen und thierifdyen Ges 


ftalten erfchienen feyen, und merkwürdige Thaten 
gethan, oder merkwürdige Schickſale erfahren häts 
tn. Beyde Götter haben ihre Myſterien, bu 

- weis 


e) U. ce. Zu Rogers Zeiten fprach man zwar auch 
von einer Strage weiche Bruma wegen feiner Ue⸗ 
berhebung vom Eswarg gelten babe; allein der _ 
- Dienft ded Vrahma ald einer großen Nationale 
. Sottheit war damabis noch nicht abgeſchafft. II. E. - 
Auch geſteht Sonnerat ſelbſt, I. 129 S. daß 
Bruma in vorigen Zeiten eben fo wohl ſeine Tem-⸗ 
pel hatte, alt Viſchnu und Schiwen. 


f) Sontzerat, und Rogers ll. ec. 


89% — — 

welche man in ihren Dienſt eingeweiht wird. Die 
Arhaͤnger des Viſtnu fuͤrchten, daß der Dienft ih⸗ 
res Gottes eben fo koͤnne vernichtet werden, als 
der des Bruma, ſo wie Schiwen vormahls auch 
den Viſtnu, wenn gleich nicht fo tief, als den 
DSruma gedemuͤthigt habe 2). 


Beypde Voͤlker alſo, ſowohl die Aegyptier, 
als die Hindus, beteten nicht bloß mehrere Volko⸗ 
goͤtter an, fondern glaubten au, baf ein. Gott 


den andern überwinden , und feiner göttlichen Eh⸗ 


ren.ganz ober gröftentheild berauben koͤnne. Ty⸗ 
phon erwürgte ven Dfiris, und ward wieder vom 
Horus überwältigt. Die Verehrer ber Iſis und 
ded Oſiris verachteten, und haßten den Typbon, 
als den Feind von beyden. Nichts. beftomeniger 


hielten fie den Typhon nicht für ganz vernichtet. 


Es gab Zeiten, wo man den Typhon dadurch zu 


verföhnen fuchte, daß man angebetete Thiere miß⸗ 


handelte, oder gar tödtete 4) Wenn man dem 


. Typbon and Feine befonbere Tempel errichtete; 
fo erfannte man body heilige dem Typhon geweihte 
Pläge, und zwar in der Nähe von “iss Teıns 
yeln s). In Hindoſtan verlohr Bruma feine götts 
lichen Ehren, ‚wie manche ältere Götter in Aegyp⸗ 


ten fie eingebäßt hatten ; und ward dennoch von den 


Hindus nicht ganz vergeſſen. Schiwen begna⸗ 
| | digte 
4) M. ee. | “ 

Ak) Plut, de Ißde, T. VII, p. 431. 495. 


DB in Tentyra. Die Tentyriten, ſagt Strabo, 
verehren die Venus. Hinter dem Tempil ver 


! 


Venus ift ein Tempel der Iſis: Ioidoc ssyy ip’ 


ura Tupwvsia uulsusye, XVII. 1169 - 


nn 


N 


bigte den Viſtnu. Die Verehrer beyder Götter 
ale die zwifchen benfelben vorgegangene Aus⸗ 
föhnung nicht für aufrichtig. Die Anhänger des 


Schiwen wuͤnſchen, daß ihr Gott feinen Neben 


- kubler gänzlich außrotten möge. Die Anhänger 
bed Difchnu fürchten, daß dieſes geſchehen könne, 
Kein Wunder, daß die Einen die Anderen haſſen, 
ober verachten, und daß ſi ſie ſich gegenjeitig zu ſcha⸗ 
ben fuchen! 


Wir wollen jeßt fehen, durch welche der oben 
angefuͤhrten Urſachen unter Voͤlkern, die ſolche 
Götter glaubten, wie die Aegyptier und Hindus, 
geheime. Fefte und Feierlichkeiten entfichen konnten. 


Erſtlich alfo: Laͤßgt ed fih mit Grunde dem 
fen, daß die Aegyptier, und Hindus gewiſſe Feſte 


und Feierlichkeiten in Myſterien verwandelt haben, 


damit diefe Kefte und Feierlichkeiten nicht möchten 
gerftört, oder entweiht werden? — Mir mäflen 
antworten: allerdings. 


Die Iſis machte ben Ort, mo fie die Gebeine 
ihres Gemahls beygeſetzt hatte, zum gröften Ges 


heimniß, damit Typhon ſich berfelben nicht abers . 


miahls bemädhtigen möge. Auch blieb es. bis auf 
die fpätefien Zeiten ungewiß, wo das wahre Grab 


"des Dfiris ſey. Wenn alfo bie Werehrer diefes . 


Gottes an dem wahren Grabe beffelben klagen: 
wenn bie Priefter beffelben bie Leiden des Gottes 
vorfiellen wollten; fo mußte beydes in geheimen 
nächtlichen Feſten geſchehen, damit nit Typhon, 
wenn er fi) etwa wieber erhöbe, bie Ruheſtaͤtte 
feis 


_—— 398 | 


| —— — —— 
_ - 


x \ 
, . 
. / 
—— 


394 — — 


ſeines Beuders erfahre, und an ben Sebien 6 ef 


felben Bon neuem Rache uͤbe. 


Wenn die Hindus, welche den Schiwen, 
oder Viſchuu als den vornehmſten Gott verehren, 
auch nicht fuͤrchten duͤrfen, daß man ſich gegen die 
von ihnen angebeteten Heiliathuͤmer Gewaltthaͤtigkei⸗ 
sen erlauben werde; fo haben fie doch Urfache ge: 
nug zu der Beforanif ‚ daß die. Widerfacher ihres 
Gottes den Dienft befjelben entweihen, entweder 
nachaͤffen, oder. verfpotten Fönnten. _ Um: biefen 
Gefahren zu, entgehen, haben fo wohl bie Prieſter 
und Anhänger ded Schiwen, als die des Viſtnu 


den Dienft diefer Gstter in Myſterien verwandelt, 


Keine von diefen beyden Secten läßt: Semanden zu 


‚ ben vollftändigen -Dienfte ihres Gottes zu, ohne 
ihn vorher geprüft, und förmlidy eingeweiht zu ha⸗ 
ben: Die Prfungen-beftehen in Meinigungen, Fa⸗ 


fien,. Allmoſen, vorzüglich aber in ber Unterfus 
hung: ob ed dem Einzuweihenden ein Ernſt ſey, 


alles das zu leiſten, was ber Dienſt des Gottes 


verlange. Wenn man ſich der Geſinnungen des 


Aufzunehmenden verſichert hat; ſo wird ein Tag 
zur feierlichen Einweihung beſtimmt. Die Ein: 
weihung iſt mit Gebeten und Opfern begleitet. 
Der Prieſter, welcher den Hierophanten macht, _ 
unterrichtet ben neuen Bruder in bem Dienfte bed 


Gottes, -weldhem biefer ſich bingibt, und theilt ihm 
hefonderd. ein geheimes Gebet mit k), Die Kurdt 
sor Entweihung, die hoͤchſt wahrſcheinlich Kine 
der Urſachen der Indiſchen Myſterien war, veran⸗ 
Faß: nicht bloß bie Therapeunten und d Sfiener , fons 

dern 


k) Sonnerat I. 54- 56 ©, 


— 


dern and bie Chriften des vierten, und ber folgens 
den Jahrhunderte, ihre Lehren, und Gebräuche in 


undurchdringliche Geheimniffe zu huͤllen. In Au⸗ 
fehung der Therapeuten und Eſſener Tann ich mid 


"auf das begiehen, was ich Yon beyden unter dem 
‚Abfchnitt Yon gottesdienſtlichen Büßungen vorge 
bracht habe, Won den Myſterien ber älteren Chris 
ſten will id nur dasjenige anführen, was zur Er⸗ 


I&uterang, und Beſtaͤtigung meiner Gedanken über 
die geheimen Feſte, ober Feierlichkeiten der Ae⸗ 
gyptier, und Hindus dient. Da die Chriften gar 
nicht mehr nöthig hatten, die Rache, und Verfol⸗ 
gung heidnifcher Kürften, und Obrigkeiten zu fuͤrch⸗ 
ten, fonbern vielmehr die herrfchende, und beguͤn⸗ 


fligte Religions » Partey ausmachten; fo fuhren . 


fie dennoch Zahrhunderte Lang fort, mande ihret 
Sehren, und Gebräuche ald Geheimniſſe zu betrach⸗ 
ten, und denen, welche fih zum Chriſtenthume bes 


fennen wollten, nur fiuffenmweife, oder nach mans. 


cherley Prüfungen mitzutheilen )). Die Pruͤfungs⸗ 


‚zeit dauerte nad) der Verſchiedenheit der Subjecte 


halt nur wenige Tage, ober Wochen, bald mehres 


‚ve Jahre. Man nannte diejenigen, bie in ber 


Prüfungszeit begriffen waren, Katehumenen, und 
theilte diefe wiederum in brey Grade ab: in bie 


der  audientium ,„ der fubltratorum, unb ber. 


electorum oder Competentium. Wenn ein Hei⸗ 
be fein Verlangen zu erkennen gab, in bie Chrifts 
liche Kirche aufgenommen zu werden; fo zeichnete 
ihn ein Biſchof ober Prieſter mir dem Zeichen des 
Creutzes, trug ihm die Hauptſtuͤcke des Glaubens 


und Gefeget der, und fragte ihn: ob er bie einen - 
F am 


3) Pelliecia I, p. 2. et fa. 


I 


ET Wade 


a 


x 
* 
7 
x ’ 
J 


* 


annehmen, und bie anderen erfüllen wolle? War | 


die Antwort bejahend, ſo ſetzte man ihn in bie um 


terſte Elaffe der Katechumenen: nämlich in bie.der 


Hörer. Die Hörer wurden von Einem der. unte 
een Geiſtlichen unterrichtet, -und auch zu dem gets 
teöbienftlichen Werfammlungen zugelaffen, aber 
nur fo lange, ald man Pfalmen fang, die heiligen 

. Schriften vorlas, oder der Biſchof predigte. Nach 
der Predigt fiieg ein Diakonus auf die @anzel, 
and rief Laut: entfernt ench, ihr Hörer, entfernt 
euch ihr Ungläubigen! Wenn die Hörer ſich ents 
fernt hatten, fo forderte ber Diafonus bie ſubſtra- 
tös und Competentes auf, mit den Gläubigen zu 
Beten, morauf ber: Biſchof ben Segen ertheilte, 
und dann auch bie fubltratos und competentes mit 
den Worten entließ: gehet hin in Frieden! Kein 
Katechumene durfte der Taufe, ber Eonfirmation, 

- Ser Ordination und anderen -Sacramenten beywohs 
nen. Man theilte fe gar bie Lehre von ber Drey⸗ 
einigleit, den Chrifllichen Glauben, und das Ges 


bet des Deren den Katechumenen nur wenige Zage 


vor der Taufe mit, wenn fie die Zeit ber Pruͤ⸗ 
fung beynahe ganz überflanden hatten, und ale 
Aus erwaͤhlte angefehen wurden. or ber Taufe, 
melde man entweder am Dfter s ober Pfingſtfeſte 
vornahm, gingen noch fo genannte Scrutinia her, 
Die, wenn die Taufe in den Oftern gehalten ‚werben: 


“follte, auf fieben beftimmte Tage der Faſten fielen. 


Die Erwaͤhlten muſten an biefen Tagen in einem 


einzigen Gewande, barfuß, und mit. verhülltem 


Antlitz erſcheinen, damit ihre Augen und ihre Ans 
dacht nicht zerſtreut würden. Man lehrte, fie das 


Geheimniß der Dreyeinigkeit, das Bekenntniß des 
Chriſtlichen Glaubens, und das Gebet des Herrn. 


Man 


a. 


en AL. 


‚-.— 00397 
Man trieb endlich aus ihnen ben böfen Geiſt aus, 


indem Geiſtliche ihnen dreymahl in's Geſicht blie⸗ 
ſen, ihre Ohren und Naſen mit Speichel beſtri⸗ 


chen, und bie Exorciſations⸗ Formeln herbeteten. 
Von der Zeit an, mo die Chriſtliche Kirche keine 


aͤußere Feinde mehr zu fürchten hatte, baute man 


neben ben Kirchen Zaufs Sapellen, welche Bäder, 


oder Becken mit Waſſer enthielten, zu denen man 
auf mehreren Stuffen hinabſtieg. Männer und 
Weiber mußten fi, die Einen dem Biſchofe, ober 


feinen Diafonen, die Anderen, Diafoniffinnen, 


darftellen. Bevor man fie dreymahl untertaudhte, 


Legte man ihnen die Frage vor: ob fie dem Teufel, 


der Welt, und den weltlichen Lüften entfagten-? 


und falbte fie am gangen Leibe, ober wenigſtens 


am Kopf, an den Ohren, und anber rechten Hand, 
Nach der Eintauhung falbte ein Priefter den Ka; 


techumenen, fo lange biefer noch in dem Taufbecken 


fand, die Füße, und den Mirbel des Hauptes. 
Der Biſchof bededite das Haupt deſſelben mit eis 
nem Tuche, und legte ihm ein weiſſes Kleid. an. 


Wenn die Getauften bekleidet waren, ſo fuͤhrte ein 


Driefter fie mit einer brennenden Tadel, ober 


Kerze in die Kirche, wo fie dann bie Eonfirma: 
tion und das heilige Abendmahl empfingen. Nah 
diefen heiligen Handlungen nannte mon bie Einge⸗ 


weihten nicht mehr Katechumenen , fonbern Meos 
phnten, ober Meugebohrne. ALS foldye gingen fie 
in der Ofterwode in ihren weiffen Kleidern einher, 
befuchten täglich bie Kirche, genoflen täglich das 


"heilige Abendmahl, und murden ohne Zurüdhals 
tung in allen Geheimniflen des Chriſtenthums un: - 


terrichtet. Mach ber Oſterwoche legten bie Meos 


pliyten bie weiflen Kleider ab, und wurben von. 


nun 


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— 2432 


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nom an ben Glaͤubigen zugezaͤhlt. — Man hat 
es ſchon lange bemerkt, daß die aͤlteſten Kirchen⸗ 


lehrer ſehr viele Gebraͤuche der Heidniſchen Ein⸗ 
weihungen entlehnten, und daß fie bie Lehren, und 


Sacramente der Chriſtlichen Religion den Kate⸗ 
chumenen nur ſtuffenweiſe anvertrauten, weil Je⸗ 
ſus ſi ſ ch denſelben noch nicht auvertraut habe m). 


Die zweyte Urſache, von welcher wir gewiß 
wiſſen, daß ſie geheime Feſte und Feierlichkeiten 
veranlaßt hat, und von welcher man alſo auch 
moͤglicher Weiſe aunehmen kann, daß ſie die aͤl⸗ 
teſten Aegyptiſchen und. Indiſchen Myſterien vers 


anlaßt haben koͤnne, iſt der Glaube, oder das 
Vorgeben, hoͤhere Gnadenmittel, oder außerordent⸗ 
liche Wohlthaten einer Gottheit zu beſi itzen, wel⸗ 
de man zwar den aufrichtigen Verehrern einer ſol⸗ 


chen Gottheit, aber nicht den Profanen, das heißt, 
Menſchen mittheilt, welche die Urheberinn der 


Gnadenmittel entweder nicht anerkennen, oder gar 


verachten und verfpotten. So bald man glaubte, 
ober nur vorgab, in dem Befiße außerorbentlicher 
Wohlthaten Einer; ober mehrerer Gottheiten zu 
feun, fo war nichts netärlicher und felbft noth⸗ 


wendiger, als ſolche Wohlthaten zu verheimlichen, 


theild um fie nur ben Wuͤrdigen zukommen zu 
laſen,— und die Unwuͤrdigen davon auszuſchließen, 
theils 


2) Pelliccia ], c. p. 5. ex Augnſtino. Cum ita- 
que Jelus non adhae fe credidillet eis, Cate- 


Ehumeni expertes erant myferiorum Baptilmi, _ 


Gonfirmationis, [serae ordinatiönis, allerum- 
Er: (acramentorum, auie iie praelentihug ne- 
as erat miniſtrare. 


. 
— — —— — 


.—— 399 
theils um durch den Reitz des Geheimniſſes den 


Werth der göttlihen Wohlthaten zu erhöhen, und . 


ein Tebhafteres Verlangen darnach einzuflößen. 


Kann eb bewiefen, oder wahrſcheinlich gemacht 
werben, baß die Urheber, oder Vorſteher der Als 
teften Aeghptiſchen und Indiſchen Geheimniffe ſich 
ruͤhmten, außerordentliche Gnadenmittel zu befißen, 


und daß fie dieſe Gnadenmittel in geheimen Feſten 


mittheilten, um ſie nur den Wuͤrdigen zuzuwenden, 
und die Unwärdigen davon auszuſchließen? — 
Man leſe, was folgt, und man wird kaum einen 
Zweyfel uͤbrig behalten, daß das Vorgeben hoͤ⸗ 


herer Gnadenmittel bie Entſtehung derjenigen Ae⸗ 


gyptiſchen Myſterien, welche das Vorbild der Eleu⸗ 
finiſchen Geheimniſſe waren, hervorgebracht, und 
zur Entſtehung ſowohl der Bakchiſchen, als der In⸗ 
diſchen Geheimniſſe mitgewirkt habe. Wenn die 
Eleuſiniſchen Myſterien nach den Geheimniſſen det 
Iſis in Aegypten gebildet waren, wie das ganze 
Griechiſche Alterthum behauptete; fo muß mar 


annehmen, daß bie Vorftcher der Ießteren den Eins 


geweihten ähnliche Verheiffungen machten, als wos 
mit bie Vorſteher der erfteren die Myſten und Ep⸗ 


opten anlockten, tröfteten und äufrichteten.. Dan 


erregte in benen, melde ſich in die Eleufinifchen 
Mofterien einweihen liefen, tie frohen Hoffnungen, 
daß fie von ber Schuld aller ihrer Sünden wür: 


den befreyt, und bes befondern Schußes der Los 


res und Proferpine würden gewuͤrdigt werben: 
daß fie dem Tode mit Zuverficht entgegen gehen, 
and. nad) dem ode eine felige Unfterblichkeit ers 


"nes warten koͤnnten, anſtatt daß die Ungemeihten tn 


Dexter ber Quaal, ober der Finfternig würden bins 
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40 — — —— 


abgeſtoßen werben n). Die Vorſteher der Bak 
biſch⸗ Orphiſchen Myſterien ſpannten die Erwar⸗ 
tungen ihrer Juͤnger noch höher. ie verſpra⸗ 
den denſelben nicht bioß ben beſonderen Schuß, . 
fondern fogar die Herrſchaft über bie Götter: nicht 
bloß Defreyung ven allen Sünden, und nach dem 
Tode eine felige Unfterblichkeit, ſondern auch eine 
folde Unfterblichkeit, die in einem unaufhörlichen 
Genuſſe der lebhafteſten finnlichen Wergnägungen 
beſtehe 0). — Die Aegyptiſchen Priefter konuten 
gar kein Bedenken tragen, denen, welche ſie durch 


die Einweihung in die Myſterien bes Oſiris und 


der Iſis dem Dienſte dieſer Gottheiten widmen 

wuͤrden, ähnliche göttliche Wohlthaten fowohl in 
‚biefer, als in einer anderen Welt vorzuſpiegeln. 
Oſiris und Iſis waren die vornehmſten Nationals 


Gottheiten, die in dem Reiche der Schatten nicht 


weniger mächtig, als auf biefer Erbe herrfchten p). 
"Die Indiſchen Myſterien find noch jegt, was bie 
älteftien Aegyptiſchen und Griechiſchen Mipfterien 
waren: förmliche Aufnahmen und Uebergebungen _ 
in den Dienft einzelner. Gottheiten unter der Vers 
heiffung und Hoffnung außerordentlicher göttlicher 
Wohlthaten. Und wenn alfo auch nicht die Furcht 
vor Eotweihung die geheimen Feſte und Feierlich⸗ 
keiten der Hindus hervorgebracht hätte, fo würde 
das Verfprechen ynb bie Hoffnung von höheren Gna⸗ 
"Benmitteln fe gewiß geſchaffer haben. Die groͤßte 
Wohl⸗ 


m) Man ſ. meine Abh. über die Myſterien 234 u. f. ©. 
0) Plato de Rop. Tom, F p. 100 106. Edit. Maſſoy. 
g) Herodot. II. c. 123. apxqysrevav de Tav ware 

Ayurrwv Asyssı Ayuyrpa x Asovuoay, . 


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Wohlthat, bie den Hindus waͤhrind ber Einwei⸗ J 
hung widerfaͤhrt, iſt ein geheimes, oft nur aus 


einer oder zwey Sylben beſtehendes Wort, ivels 


ches ber Hierophont dem Einzumelhenden ftill in's 


Ohr jagt, und mas diefer eben fo ſtill wiederhoh: 
Yen muß, damit der Priefter erfahre, ob fein Schüs 
ler das Wort richtig gefaßt habe. Dieſes ges 
heime Wert macht das einzige Gebet aus, was 


die Hindus täglich hundert, ober tauſendmahl hers 
ſagen muͤſſen. Sie dürfen dieg Wort feinem ans 
deren Menfchen, felbft nicht anderen Eingeweibten 
entdecken. Um fi nicht zu verrathen, beten fie 


es ſtets fo ſtill, daß man nicht einmahl bie Bes 


wegungen der Lippen bemerkt N- Höchftens iſt 
- e8 erlaubt, einem Bruder, ber in ben lebten Züs 


gen liegt, dad Zauberwort. in's Ohr zu flüffern, 


damit der Sterbende durch die Anhörung diefed 


Gebets felia werde, Es verſteht ſich, daß eine 
jede Secte ihr eigenes: geheimes Wort hat, wos 


durch fie ſich einbildet, ben Gott, welchen fie dient, 
umviberftehlich zur Huͤlfe auffordern, ober gar nds _ 


thigen zu Eönnen, 


Die bisher ängeführten: Uefachen Ans voll⸗ | 


kommen hinreichend, bie Entſtehung der Älteften 


Aegyptiſchen und Griechiſchen Geheimniſſe zu ers. . 


klaͤren. Die Vorausfeßung, daß man fehon in 


den älteften Aegyptiſchen Myſterien die Freuden 


ind Leiden einer andern Melt vorgeftellt habe, 


führt auf eine dritte Urſache, wie wir gleih ſehen 
werben, auf die Unmoͤglichkeit, ober Schwierigkeit, 
folge Schauſpiele oͤffentlich und bey Lase zu ge 


| ot ©. 55. Soniiat u U 
"Tau 


| | Unter den alteſten Aegyptiſchen Moſterien waren 
dhoͤchſt wahrſcheinlich keine, in welchen man von 
Anbeginn an Triebwerke gebraucht, und Schauſpiele 


— —— — — — 
⸗ 


— 


— 


ten; fo wuͤrde man ſolche Schauſpiele eben ſo wohl, 


des Fegefeuers beruͤchtigt wer 7). Nach der Le⸗ 


hatten. | 
Zwey Stunden oͤſtlich von Dungall i in Irland 
findet ſich ein kleiner See, in deſſen Mitte eine In⸗ 


— 


40 — — 


aufgeführt ‚hätte, bie für uͤbernatuͤrlich gehalten 


werden ſollten, und deßwegen das Licht ded Zageh 
nicht ertragen Fonnten. Eben fo wahrſcheinlich aber 


iſt es wiederum, daß man allmaͤhlich in den aͤlteſten 
Myſterien uͤbernatuͤrlich ſcheinende Kuͤnſte anzuwen⸗ 
den anfing, um diejenigen, melde ſich einweihen 


:  ‚Tießen, in gutgemeinten, oder böfen Abfichten zu 
. taͤuſchen. Ich fuͤhre die Abſicht, Menſchen durch 


uͤbernatuͤrlich ſcheinende Schauſpiele zu täufchen, 
als eine beſondere Urſache von Myſterien an, weil 


es ſich ſehr wohl denken laͤßt, daß dieſe Abſicht 


Myſterien hervorgebracht habe, oder hervorbringen 
koͤnne, ohne daß eine der uͤbrigen von mir erwaͤhn⸗ 


ten Urſachen Yon geheimen Feſten und Feierlichkei 


ten mitwirfte. Hätte man zum Benfpiel in der bes 


ruͤchtigten Höhle ded H. Patricius nur Einige ber 


Schaufpiele gegeben, melde einzelne in diefe. Höhle 
eingefchloffene Perfonen erfahren zu haben betheuers 


als. die Erxrfcheinungen in ber -Höhle des Tropbos 
nius zu den. geheimen Feierlichkeiten rechnen müfs 


fen, die der Abficht, durch uͤbernatuͤrlich ſcheinen⸗ 


de Kuͤnſte zu taͤuſchen, ihren Urfprung zu banfen 


/ 


fel liegt, die Jahrhunderte lang als des Eingang 


gens 


n Man vergleiche das, was ber ehemahlige Bibllothe⸗ 
tar Sinner in Bern in feinem Ellai far les dogıhes 
de 


⸗ 


nl — n 403 . 


‚gebe des H. Patricius beſtaͤtigte dieſer Heilige 
das Wort Gottes, was er den heidniſchen Irlaͤn⸗ 
dern predigte, vergebens durch eine Merge von 
Wundern. Selbſt die Freuden des Himmels und 
die Quaalen ber Hoͤlle, melde er den Unglaͤubi⸗ 


gen auf das Iebhaftefte fchilderte, machten auf biefe 
tohen, oder verhärteten Dienfhen wenig Eindruc, 


Sie würden, antwortrten fie, feine Lehren nicht 


eher glauben, als bis fie daß, was er ihnen ver: 


heiffe und androhe, mit eigenen Augen gefehen hät: 
ten. Der heilige Mann wandte fich durch Faſten, 
Nachtwachen und Gebete an Gott, um burd hoͤ⸗ 


here Hülfe in Stand gefeßt. zu werben, bie Her⸗ 


zenshärtigkeit der Irlaͤnder zu überwinden, Hier⸗ 
auf erfchlen ihm der Heiland, führte ihn an einen 
‚ einfamen Ort, und zeigte ihm eine Höhle, mit den 
‚Worten: Ein Jeder, ber feine Sünden aufrichtig 
bereut, und flandhaft im Glauben iſt, wird, wenn 
er ſich vier und zwanzig Stunden in diefer Möhle 
aufhält, von allen feinen Sünden gereinigt werben, 


und wird nicht nyr bie Quaalen bed Fegefeuers, 


fondern aud die Freuden . der Seligen erfahren. 
Nah dieſer Dffenbarung baute ver h. Patrik in 
der Nähe der Höhle ein Dratorium, in welches 
er regulirte Chorherren feßte, derſchloß tie Höhle, 


welche er in den Kirchhof des Stifts hineinzog, - 


mit einer Thür, und verordnete, daß ein Jeder, 
ber die Höhle beſuchen wolle, fi bie Erlaubniß 


Das. 


- de %& Metempsychofe ie. Berne 1771. 8. anf der 
137 und den folgenden Seiten zum Theil aus Hands 


fohriften hat abdruden laffen, mir der Erzählung ° 


des Matthäus von Patis ade, 1253. 
Ca. 


’ 
» [1 
— — —— — — —— 


408 — — 


dazu © von dem Biſchoſe des Orts nebſt einer Em⸗ 


pfehzlung an den Prior des Stifts ausbitten ſolle, 
damit dieſer ihn nad aehoͤriger Vorbereitung in 
die Höhle einführen koͤnne. Die Legende des Hei⸗ 


a ligen erzählt, daß zu ben Zeiten deſſelbe ı fehr viele 


in die Höhle eingegangen feyen, und daß fie inds 
gefammp fowohl unar sfpredliche Matter, als Freu⸗ 
den barin empfunden hätten. 


Unter der Regierung bed Könige Stepban 
‚von England, fo berichtet Matthaͤus von Par 


ris, bat ein Ritter Denus den König, dem er 


lange gedient hatte, um die Erlaubniß, in fein. 


Vaterland Irland reifen zu därfen. Nicht Lange 
nad) feiner Ankunft fing der Ritter an, feine vies 
fen und füweren Sünden, befonders bie an geifle 


lichen Perfonen und Gütern begangenen Gewalts 
thätigfeiten ernftlih zu bereuen. Er beichtete feine 
. Sünden einem frommen Bifchofe, der im nicht 


verhehlte, daß er die Gottheit höchlich beleidigt 


‚habe, . Da der Bifchof umberfann, meldje anges : 


meffene Buße er dem Sünder auflegen wolle, ers 


klaͤrte dieſer auf einmahl, daß er freywillig bie 


fawerfte unter allen mähle, indem er die Abficht 
habe, die’ Höhle des h. Parricius zu befuchen. 


der Entſchluß des Mitters fe fen; fo gab er 


ihm ein Schreiben an den Prior, ber. ihn in bie 
Höhle einführen ſollte. Der Prior ließ den Rits 


ter funfjehn Tage und Nächte in der Kirche ſei⸗ 
nes Stift beten, wahen und faflen, reichte 


ihm am Morgen des fechözehnten Tages das Abend⸗ 


mahl, und begleitete ihn bis an ben Eingang ber 


Höhle, mir bee Warnung, muthig fortzugeben,” 
. . bis 


— 


Naͤdchdeum der Biſchof fi ch überzeugt hatte, daß 


— — —— 405 


Bia er auf freyem - Felde ein großes Gebäude faͤn⸗ 
dwo er weitere Meifungen erhalten werde, Der : 


Ritter that, wie man ihm gebeiflen hatte, Er 


Fam auf ein offenes Feld, und entre Fte in einem 


dämmernden Lichte ein Clofterartiged Gebaͤude, 
wo fünfzehn, wie Moͤnche gekleidete, und gefchors 


ne Männer ihm wegen des Entſchluſſes, dur⸗ 


De Beſuchung bed Fegefeu⸗ro feine Suͤnde 


gefeuer zu beſuchen. Dieß Anerbieten dürfe er - 
‚bey Berluft feiner Seligkeit nicht annehmen. Er - 
müffe vielmehr alle6 über ſich ergehen laſſen. 


% 


2 Mile» 


buͤßen, Gluͤck wuͤuſchten, aber denfelben zug ih 
warnten, daß er an Jeib und Seele verlohren ges . 


hen koͤnne, weun er ſich nicht unter den Prüfunuen, 
bie ihm bevorftänden, ftandhaft halte. In wenis 
gen Augenblicken würden fidh ganze Schauren von 
Teufeln feiner bemächtigen, ihm alle Arten von 
Martern anthun, oter androhen, und jedes Mahl 
bie- Anerbietung machen, baß fie ihn unverleßt 
wieder an bie Thür ber Höhle zurück bringen wolls 
ten, wenn er bon dem Vorfaß abſtehe, das Fe: 


Wenn er mitten in deu groͤſten Quaalen ben Nah⸗ 


men bed Herrn anrufe, fo werbe biefer ihm Tor 


glei. Rettung, oder Linderung verſchaffen. ‚Die 
funfzehn Unbelannten hatten di ſes faum gefagt, 


und fih entfernt, als viele Zaufente von böfen 


GSeiftern in allerley ſchrecklichen Geſtalten unter 


dem furchtbarften B:fchrey hereinbraden, und den - 


Mitter deßwegen verfpotteten, taß er fich lebend 


in thre Gewalt übergeben welle, da ihre uͤbrigen 


Diener diefes erft nach dem Tode zu thun pflegten, 


Der Ritter beobuchtete bey allen Spoͤttereyen und 


Anerbietungen der Teufel ein werachtendes Still⸗ 
ſchweigen. Bi brachte die Hubolbe fo fehr A 


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406 ⸗ — — 


— 


daß fie ein heftiges Feuer. anzuͤndeten, und ben an 


Haͤnden and Fuͤßen gebundenen Ritter mit eiſernen 
Haken durch den brennenden Scheiterhaufen zogen. 
So bald der Ritter die Pein der Flammen fühls 
te, rief er den Mahmen bed Heilandes an. Der 
Wunder-⸗Nahme loͤſchte augenblicllih das Feuer 


. and, und ftillte eben fo ſchnell die Schmerzen des 
- Nitters,. der um befte muthiger den Übrigen Pruͤ⸗ 


fungen entgegen ging. Die Teufel führten ben 
Ritter durch eine sde Gegend , die mit Finſter⸗ 
hi bedeckt war, und brachten ihn bahin, wo bie 

Sonne im Sommer aufzugehen pflegt. Hier war 
ed dem Ritter, ald wenn er das Jammergeſchrey 


einer ganzen Welt hörte. Er ſah Menfhen von 


allen Ständen und Geſchlechtern mit glühenben 
Spießen an den Boden gebeftet, Anden Einen 
nagten Kröten, ober Draden: an ben Anderen 


‚Schlangen. Auf allen fprangen Zeufel umher, 


um fie mit fchmeren Geiſſeln zu geiffeln. Hier . 
hingen Unglüclide an eifernen Ketten und Haken, 
die um und durch allerley Gliedmaßen gefchlagen 


waren, in brennende Schwefelfchlünde hinab, Dort 


waren "Andere an glühende Mäder gefeffelt, bie 


von Teufeln mit unglaubliher Geſchwindigkeit ums 


4 


hergetrieben wurden. Nicht weniger Pein flanben 
biejenigen aus, die an Spießen gebraten, und mit 
arfhmolzenem Bley beträufelt, oder in Keffeln von 
Schwefel und Bley gekocht wurden. Die Teufel 
madıten Unftalt, dem Ritter alle diefe Duaalen 
anzuthun. Der fromme Krieger rettete fih, wie 
er beh bem erften Verſuch gethan hatte. Aus 
den bisher befchriebenen. Marterfelde verfeßten die- 
Zeufel den Ritter auf einen hohen Bera. Hier 
faß eine große Menge von Menfhen nadt auf ben 

. o⸗ 


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ben, mit: einem Ausdrucke von Augſt, als wenn 
fie augenblicklich den Tod erwarteten. Auf ein 


mahl erhob fi) ein heftiger Wind aus Mitternacht, . 


und warf die Sißenden, fammt den Teufeln und 
dem Ritter in einen Ealten und ſtinkenden Fluß. _ 
Der Ritter ſaͤumte niht, den Nahmen Chriſti 


auszuſprechen, und erreichte bald wieder das Ufer. 


Hierauf zeigten die Teufel ihm einen Feuerſchlund, 


aus welchem nackte Menſchen wie Funken ausge⸗ 


worfen wurden, und dann wieder in den Schlund 
zuruͤckfielen. Dieß iſt, ſagten die Teufel, der Ein⸗ 
gang in die Hoͤlle. Wenn du in dieſen Pful hin⸗ 


ab ſteigſt, fo wirſt du ewig verlohren ſeyn. Wir 
rathen dir daher, zuruͤckzukehren, woher du gekom⸗ 


men biftl. Da der Ritter dieſem Math nicht folgte, 


fo ſtuͤrzten fih die Teufel mit ihm in den Schlund, 


Je tiefer er ſank, defto größer wurden feine Schmers | 
zen. Die Deftigkeit der Schmerzen mar Urſache, 
daß- er eine Zeitlang feines Schoͤpfers vergaß. 
So bald er diefen angerufen hatte, fland er wie: 


der an bem Mante des Schlundes, mo anbere - 


Teufel ihm befannten, daß ihre rüber ihn bes 
trogen hättens daß der Eingang der. Nölle hier. 
nicht fey: daß fie ihn aber jeßt hinführen wollten. 
Die neuen Feinde fihleppten ihn an einen breiten 


und ftinfenden Strom, tin weldem Feuerflammen 


fi, wie Wafferwogen, mälzten, und gahllofe 


Teufel umherſchwammen. Weber ben Strom ging 


eine Brüde, die fo fihlüpfrig war, daß es uns 


möglich ſchien, einen feften Tritt darauf zu thun, - 


fo ſchmal, daß es unmoͤglich fhien, nur einmahl 
darauf zu ‘haften, und fo bo, daß es unmöglih 
fihien, nit vom Schwindel ergriffen zu werden. 
Die Teufel kuͤndigten dem Ritter an, daß er uͤber 


— 


dieſe 


— — 407 


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J viefe Bruͤck⸗ gehen mäffe, unb wenn er von der⸗ 

‚ felben binabfalle, daß er alsbann der Hölle und 

Ihren Bewohnerg werde uͤberantwortet werden. 
Der Chriſtliche 


eld trat muthig den Weg uͤber 
die Bruͤcke an. Er ging anfangs bedaͤchtlich. Je 
weiter er kam, deſto breiter und ſicherer ward die 


Bruͤcke. As die Teufel ſahen, daß der Ritter 
| k zuverfichtlich auf Ber Brüde einher fhritt, bruͤll⸗ 
ken die Einen vor Wurh, und Anbere, bie unten 

ſchwammen, warfen glaͤhende Haken nah ihm, 
am ihn fallen zu machen. Go 'fehr dad Ges 
bræulle ihn aud erſchreckte, fo machte ed ihn doch 

 mide irre. Nachdem er fih von den WVerfolguns 
gen ber. unveinen Geifter frey fühlte, fo ging er 


getroffen Muthes bormärts, bis zu einer hohen, 
Mauer, die nur eine einzige Thür hatte. Die 
Thuͤr war von unvergleichlicher Schoͤnheit, und 


glaͤnzte von den koſtbarſten Edelſteinen. Von der 


Thuͤr her wehten ihm fo ſuͤße und ſtaͤrkende Duͤfte 
entgegen, daß dadurch auf einmahl alle Nachem⸗ 
pfindungen der ausgeftandenen Marter weggenoms 
men wurden. Die Thür öffnete ſich, und aus 


der geoͤffneten Thuͤr zog eine feierliche Proceſſion 
hervor, die nicht bloß aus Geiſtlichen von aller⸗ 


len Claſſen, ſondern auch aus Perſonen von ans 
deren Ständen und Geſchlechtern beſtand. Die 
Proceſſion begruͤßte den Ritter freundlich, ‚und 


führte ihn durch die Thuͤr in ihre Heimath cn. 


Hier fand der Ritter die fchoͤnſten Wiefen mit 


den herrlichſten Bänımen und Blumen geſchinuͤckt. 
Hier war fein Wechſel von Tag und Nacht, von 


Kige und Kälte. "Hier herrſchte vielmehr ein 


ewiger Srähling, und eine milde Heiterkeit. Alles - 
‚ ertönte den den Heften Melodien, die den Schör 


ae 


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vler der Welt verherrlichten. Ale freuten ſich wie 


nur ihres eignen Gluͤcks, ſondern auch des Gluͤcks 
der übrigen, bie in dieſen ſeligen Gegenden wohnten, 
beſonders der Neu⸗ Ankommenden. Einige fromme 
Biſchoͤfe ſagten dem Ritter: bier iſt das irdiſche 
Paradies, aus welchem die erſten Menſchen um 
ihrer Sünde willen vertrieben wurden, und wohin 
wir burd die Gnade unferd Herrn Jeſu Chriſti 
wieder zurücgefehrt find, Da wir in Günden 
waren gebohren worden, und nicht ohne Suͤnde 
gelebt hatten;_fo konnten wir hieher nicht anderg, 
als durch bie Derter ber Reinigung und Pruͤfung 


kommen, durch welche auch du hieher aelangt bjſt. 
Es vergeht Bein Zag, wo nit Einige von benen, 


deren Marter du gefehen haft, befrept, und zu 
und verfammelt werden. Keiner don und weifl, 
wie lange er hier bleiben wird. Wir leben bier 
in Ruhe und Freude, find aber noch nicht werth, 
‚zur hoͤchſten Geligfeit ded Himmels erhoben zu 
werden. Kin Seder von und wird nicht eher in 
bad himmlifhe Paradies eing ben, als bie bie 
"Zeit da iſt, welche bie göttliche Güte ibm’ beſtimmt 
bei. — Mad biefer Erläuterung führte man den 
Ritter anf einen Hügel, und gebot ihm, aufwärts 


gu blicken, und zu fagen, wie er hier die Farbe 


bed Himmels finde? Gleich dem Golve, Bas im 


Ofen glüht, war die Antwort. Was du hier 


ſiehſt, fagte man bem Ritter, ift der Eingang in 
dad bimmlifche Paradies. Diejerinen, die und 
verlaffen, fieigen von hier zum Himmel hinauf, 
So lange wir aber hier bleiben, fpeift uns täglich 
bie göttliche Guͤte mie himmlifcher Speiſe; und 
du wirft: gleich ſelbſt erfahren, wie biefe Speiſe 
beſchaffen iſt. Diefe Worte waren kaum gr 

er | pras 


— 


1 





* 
J 


ſprochen, ae ein Fenerſtrahl 6 von oben herab ſtieg, 


das ganze Paradies bedeckte, und gleichſam über 
dem Haupte eines Jeden ſtehen blieb, oder ſich 


vielmehr in Jeden hinein ſenkte. Der Ritter em⸗ 
pfand dabey ein ſolches Entzuͤcken, daß er nicht 


wußte, ob er tobt oder lebend fen. Die. Speiſung 


dauerte eine Stunde; Lie fo fehnell, wie ein Aus 
genblick vorüber flog. Der Ritter wäre gern 
beftändig hier geblichen, wenn er geburft hätte, 
Allein man Tündigte ihm an, baß er ſich jeßt wies 
der entfernen. müffe, nachdem er ſowohl bie Mars 
‚ter des Fegefeners, als bie Freuden des Paradies 


ſes empfunden habe. Der Ritter nahm unter 


Thrömen und: Wehklagen Abſchied. Bey dem 


Ruͤckwege burd das Fegefeuer flohen, ober fürdhs 


teten ihn die Teufel; und die Quaalen befjelben 
hafteten nicht an ihm. Als er ben Eingang ber 


. Höhle erreichte, brach bie Diorgenröthe an, ‚und 


der Prior öffnete die Thür. Das, was er waͤh⸗ 
rend feines Aufenthalts in ber Höhle erfahren 
hatte, machte einen fo tiefen Eindruck auf ihn, 


daß er ſich bein geiftlihen Stande widmete, und 


den Reſt feines Lebens in mufterhafter Frömmigs 


keit hinbrachte. Er erzählte die Geſchichte der 


Höhle nur einigen Vertranten unter dem Siegel 
des Stillſchweigens; und wenn er dieſes that, 
fo that er ed immer unter heiſſen Thraͤnen der 
Sehnſucht nah den Freuden, welche er gekoſtet 


und wieder verlohren hatte. 


Es iſt einleuchtend, daß das, was dem Rit⸗ 
ter Oenus in der Hoͤhle des h. Patricius begeg⸗ 
nete, in bloßen Viſionen beſtand. Daraus folgt 
aber nicht, daß die Moͤnche, welche die Aufſi cht 


uͤber 


x 





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— — 411 


über die Heohle hatten, ſich Beh Yen anf bi Staͤr⸗ 


ke, oder die Illuſionen der Phantaſie der Einge⸗ 
henden verlaſſen haben. Es iſt vielmehr wahr⸗ 
ſcheinlich, daß die Moͤnche Einige von denen, wel⸗ 


che ſich meldeten, die Quaalen des Fegefeuers, 
wenn auch nicht die Freuden des Paradieſes haben 


empfinden laſſen. Die Moͤnche bereiteten die Neu⸗ 


glierigen, oder Schwaͤrmer, die ben Verſuch ber 
“Höhle mahen wollten, nicht auf biefelbige Art 
vor, und behandelten fie alfo wahrſcheinlich in der 


Höhle felbft nicht auf einerley Art. Geſetzt aber 
auch, was man nach der Vertreibung ber Moͤnche 
bemerkt haben will, daß die Hoͤhle nicht geraͤumig 
genug war, um theatraliſche und magiſche Kunſt⸗ 
ſtuͤcke anzubringen, ſo iſt doch nicht zu laͤugnen, 
daß es den Geiſtlichen des Mittelalters eben ſo we⸗ 
nig ſchwer werden konnte, die Quaalen des Fege⸗ 


feuers und bie Freuden bes Paradieſes, als ed 


den Vorſtehern der Eleuſiniſchen, und Backchiſchen 


Myſterien in Griechenland war, bie Quaalen des 


Tartarus, und bie Freuden Elyfinms vorzuſtel⸗ 
Ins). Die Quaalen bed Tartarus, und die 


Freuden Elyſiums machten einen Zheil der Go 
ſchichte der Gottheiten aus, bie in den Myſterien 


berfelben verfinnlicht wurde. EB ift freplich nicht 
bekannt, daß das Hinabſteigen in bie unterirdiſchen 


Derter zu den Schickſalen ber Iſis, und des Oſt⸗ 


ris, wie zu benen der Ceres, ber Droferpine und 


- bed Badchus ‚gehörte. Dennoch iſt es nicht uns 


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er Zu — u 
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wahrſchelnlich ‚ daß bie er Peiefter bie 


Vor⸗ 


9 Ueber vie Worſiclungen in om Eteuf wifhen My⸗ 


Air . man meine Abh. ©. 276. 77. in den | 


achiſchen, St, Croix p. 349. 


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een u. 


413 — — 


Vorſtellungen ber Schickſale yon Frommen, und 


Gottloſen nach dem Tode mit den Diyfkerien: der 


Iſis und des Oſiris bloß deßwegen verbunden bu 


ben, um den Aegyptiern eine heilſame Furcht vor 
den Strafen, und ein heilſames Verlangen nach 
ben Freuden eines andern Lebens einzuflößen. Wer 
dieſes annimmt, der darf auch behaupten, daß die 
Abſicht, Dinge zu verſinnlichen, welche man an 
‚Öffentlichen Feſten nicht taͤuſchend vorſtellen konnte, 


eine Miturſache der Einfuͤhrung von geheimen Fe⸗ 


ſten in Aeghpten geworden ſey. Die Darſtellun⸗ 
gen der Freuden Elyſiums, und der Quaalen des 


Tartarus erforderten nothwendig eine gewiſſe Ent⸗ 


fernung ber Hoͤrer, und Zuſchauer von den Schau⸗ 
platze, und eine ſorafaͤltige Einrichtung des Schau⸗ 
platzes ſelbſt: biſonders eine abwechſelnde kunſtvolle 
Erleuchtung fo wohl ber Bühne, als d.r Schau⸗ 
ſpieler. Sie konnten alfo auch nit an oͤffentlichen 
Feſten, nicht auf öffentlichen Plaͤtzen und Thea⸗ 
tern, fondern bloß in eingefchloffenen Tempeln, 
und in ber Dunkelheit der Nacht Statt haben. 
Die Darflellungen ber Duaalen bes Tartarnd, und 
ber Freuden Elyſiums ließen unter allen geheimen 


Feierlichkeiten der Eleufinifhen, und Backchiſchen 
Minfterien die tieffien Einprücke in den Gemüthern 


ber Menfchen zuruͤcf. Um ihrentmwillen nannte 
man diefe Minfterien zugleich die ſchauderhafteſten 
‚und frendenprllften. Sehe 4) Um threntwillen 
fagten felbft Männer, wie Iſokrates, und Cices 
so, son den Eleuſiniſchen Myſterien, daß man 


darin nit bloß lerne, glüdlih und vergnuͤgt zu 


leben, ſondern auch mit den froheſten Hoffnungen 


zu 


t) Meine Ubh. S. ar. | | 





4 
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8 


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zu ſterben u). Unter. den Kroͤſtungen, wodurch 
Plutarch -feine Gattinn x) wegen des fruͤhzeitigen 


Todes einer Tochter zu berubigen fuchte, erinnerte 
er die Trauernde an bie geheimen Feierlichkeiten der 
Bakchiſchen Myſterien, aus welchen ſie beyde ge⸗ 
lernt hätten, bag die Seelen ber Menſchea wi 
mit ben Cörpern untergingen, -. 


Wenn meine Vermuthung richtig iſt, — ſtell⸗ 


ten bie Aegyptiſchen Prieſter urſpruͤnglith bie. 


Schickſale, und Thaten des Oſiris, und der 
Iſis aus bloßer Furcht vor dem Typhon in 


nächtlichen geheimen Feſten vor. ‚Ein Gleiches ges 


ſchah in den:älteften Myfterien ber Ceres, und des 
Baldyus in Griechenland, weil dieſe Myſterien 
Nachbildungen der Aeayptiſchen waren. Von dem, 
Zeitpunete an, wo man naͤchtliche, und geheime 


Feſte feierte muſten ſich die Vorſteher, und An⸗ 
ordner derſelben nothwendig uͤber kurz, oder lang 


gereitzt fühlen, wundervolle, und uͤbernatuͤrlich 


ſcheinende Auftritte zu veranſtalten, um dadurch 


den geheimen Yoften eine groͤßere Feierlichkeit, und 
Wirkſamkeit zu perfhaffen. Es iſt ausgemacht, 
daß ſolche Auftritte ſo wohl in den Eleuſi niſchen⸗ 
als 

5 iloer. in Panegyr I I. i30. Aypyrgos yao-adınvo- 
Asyy sı6 y⸗ xvwoas quuv u 0 + GENE. 00 TV 


raÄsryVy, 460 HETSKLOVTEG RED! TE TYC TE Bis ve - 


Murnyc, 0 TE GUHKAYTOG MiImvac 70185 Tag sirıdag. 


.. sxsew. Gicer, de Leg. Il. 14. Initiaque, ut ap- 
. pollantnr,. ita revera principia Vitae Cognovi- 


mus: -neque ſolum cnm laetitia vivendi,. ad 


etiam «um [pe-meliore moriendi. 
. £) Confol, ad | Uxörem Og, VII, Zu 
\ 





— te Zt 


414 | ' — 


als in den Bakchiſchen Myſterien vorkamen, un⸗ 


| geachtet man nicht beftimmen fann, wann fie zuerſt 


in die einen, und bie anberen eingeführt worden y), 


Dad Ohr der Einzumeihenden wurde, wie vom 
Donner, ihr Auge wie von Blitzſtrahlen getroffen. - 


Manche wurden ergriffen, ,. gefchlagen und niedergen 


worfen, ohne zu. wiffen, ober zu entdecken, von 
. welchen Händen. Dan fah ungeheure fhrecflicdhe 


—ã ‚und helles Licht wechſelte mit dicker Fin⸗ 
ſterniß ab. 


Saft gewiß ſtimmten bey dem erſten Urſprun— | 


ge der Myſterien die dramatifhen Borftellungen 
derfelben genau mir den allgemein bekannten. Ges 


ſchichten der Götter, ober den Volks > Segenden - 
zufammen. Diefe Uebereinſtimmung der geheimen, . 
. und ber Öffentlichen Gefchichte hörte in der Folge 
auf. Aus ähnlichen Gründen, aus welden man. 
uͤbernatuͤrliche Auftritte mit ben Myſterien ver⸗ 


band, um naͤmlich den geheimen Feſten eine hoͤhere 
Heiligkeit, oder einen eigenthuͤmlichen Reitz von 
Neuheit zu geben, fing man allmaͤhlich an, in den 
meiſten Myſterien Thaten und Schickſale der Goͤt⸗ 
ter zu dramatiſiren, von welchen die Volks⸗ Les 


genden nichts wuſten, oder die dieſen wohl gar 


entgegengeſetzt waren. Man zeigte heilige Dinge, 
die ſich auf die geheime Geſchichte der Goͤtter be⸗ 
zogen. Man oͤffnete den Eingeweihten das Aller: 


heiligfie, das den Profanen verfchlofften war, und 


ließ fie Bildniffe von Gottheiten anbeten, die den 
Ungeweihten Reis unzugänglich blieben, und. deren 
Of⸗ 


) Man ſ. meine Abh. ©, 215, 216, de St, Croix . 


P. 435. 


* 
AM — — — m — 


— — 415 
Dfenbarungen gleihfani als wirkliche Gott» Ers 
ſcheinungen betrachtet wurden 2), 


| Der Raub der Proferpine burd ben Pluto, 
das Verſchwinden des Aungfrauens Räuberd mit 
feiner fhönen Beute, bie Irſaͤle der trauernden 
Mutter, die Tröftungen, welche bie "hoffnungslofe 
Leres zuerft in Attika gefunden, und die Wohlthas 
ten, welche die getröftete Söttinn den Einwohnern 
pon Attila erwiefen habe, wurden zwar: nit in 
ganz Griechenland auf diefelbige Art erzählt, aber 
doch im MWefentlichen fo angenommen, wie wir fie 
von Dichtern, Rednern, Gefhichtfhreibern, und 
Kirchenlehrern vorgetragen finden a). Man ftellte 
auch dieſe allgemein bekannten, unb geglaubten 
Abentheuer in den Myſterien ber Ceres vor; allein 
außer dieſen boten die heiligen Schaufpiele zu Eleu⸗ 
fiß den Eingeweihten die geheime Geſchichte der 
Göstinnen dar. Man geigte 5), wie "Jupicer de: 

0 | 0 es 


2) Die Schlachten der Giganten und Zitanen, ſagt 
Plutarch de If. et OL. VII. 423 424, die Miffe: 
tbaten des Saturn, die. Kämpfe des Apoll und 
Python, die Irſale des Backchus und der Ceres 
bleiben hinter den Ofiriſchen, und Typhoniſchen 
Abentheuern nicht-zurüd... cex Ts, fegt er hinzu, 
uusixcic ispoig MSDINLÄURTOHEVE KU TEÄSTAIC, Mp- 
pyra diaewlare; ny ajenru wpos Tas wollsc, Ö- 
noiov 8xes Aoyov. — Man hörte, und fah alfd 

in den Mpfterien'vieled von den Göttern, wad dem 
ungeweihten großen Haufen ganz unbelannt war. 


4) Cicer. in Verrem IV, 48. 49 V. 78. Diodor. V. 
288. 89. 336. 337. Clemens Alex, Protr. p. 13. 
Arnob, V. 23-25. Jul, Firm, &7 


6) Clem, Alex. p, zu; 
. - V 


\ \ oo u 
Ceres bie leBten- Gunſt⸗ Bezeugungen abgezwun⸗ 


gen: wie derſelbige Gott aus verſtellter Reue ſich 
ſelbſt entmannt, und die Hoden eines Bocks in 
den Schooß der Ceres geworfen: wie Ceres die 
Proſerpine gebohren: wie Jupiter auch dieſe ſei⸗ 
ne Tochter in Geſtalt eineg Schlange entehrt, und 
wie die Proferpine den Jackchus zur Welt ges 


bracht habe. Co fehr die allgemein befunnte, und 
bie ‚geheime Geſchichte der Ceres und Proferpine - 


von einander abwichen; eben fo fehr unterſchied ſich 
der Bakchus, welden man in allen Griechifchen. 
Staaten als Volksgott verehrte, von dem "Jack: 
chus, oder dem Bakchus, der in den Kleufinis 
{hen Myſterien eine fo wichtige Rolle ſpielte. 
Man erkannte fchen im Altertkum, daß der Volks⸗ 
gott Bakchus, und der Jackchus der Eleuſini⸗ 


{chen Myſterien faft gar nichts mit einander gemein 


hätten c)5 und dieſer Meinung traten bie gelchrtes 
ſten Geſchichtforſcher der neuern Zeit bey 4). Auf 
die geheimen Thaten und Begebenheiten der Goͤtter 
bezogen ſich die meiſten Inſtrumente und aM 
ins 


6) Ariftophanes läßt den Jackchus vor dem Zack: 
chus tein;en, als wenn der Geſang diefen nichts 
angebe: In Banis 326, 401 v. und Cicero de Nat. 

Deor. ſagt Il: 24. Hunc dico Liherum, Semele 
g. natum, non eum, quem noftri majores "apgufle, 
fancteque Liberum cum Cerere et Libera eon- 
feeraverunt: quod quale fit, ex myfteriis in- 


"telligi potel, ud IH, 23. -Dionylos multos 


‚habemus, ‚primum e Jove et Prolarpina na- 
tum, Ä ' 


d) St, Croix p. 121. 183, u. Sreret, welchen de 
n St. Croix anfuͤhrt. 


6 
’ . 


od 


— 


— — 4 


Dinge, welche man als Heiligthoaͤmer in bin Migs 
. ferien fehen ließ, und in geheinen Kiffen 'unfbes 
- wahrte‘s).. Es war natuͤrlich, bag diefe "ellige 
thümer eben fo mannihfaltig. waren, als bie geheis 
men Gefihihten der Götter‘, bie man in Myſterlen 
vorſtellte F). Zu den letzten, und prächtigften 
Auftritten in den Myſterien gehoͤrte die Eröffnung 
des Allerheitigften, und die Darftellung ber allexs 
heiligſten Statäen ber Gottheiten, bie entweder 
koſtbar geſchmuͤckt, oder mit einem Zauberfchims 
mer umfloſſen, oder von! den gewöhnlichen Wilds 
niſſen der Goͤtter, und Goͤttinnen gänzlich verſchle⸗ 
den waren g). Eu — 


Die 


+) Ich muß, ſagt Klemens, die angeblichen. Heilige 
thümer entlarven, und die angeblichen Geheinmife 
bekauut machen. p. 14.1, 6; "8 Oydapıy raurz wuy 
.Mupaundss, zu rolumgy ku worave woAvsugai, 
xovdpo re dimv, 204 Idaxav, dpyiov Asvusa Bag- 
eos; ui da poiy mpogroicdk, xy xucdıh, yap- 
Innsc Te, x wırras; wpog de zıy Pos, x dr 


x 


KuveG; Taur, asıy Kurav Pa dyım, 


f ) e. x wpoossı 176. Osudoc ra —ED— 
“ Poha, optyavav, Augvos, giPos, arg Yurgvaaög.. 


) Man |. die in meiner Abhandlung angeführten 
Zeugniffe ©. 274 278. 80. Seneca kuite in ben 
oft angefüßrten Stelle Nat, Quaeſt. VII. 31, außer 
anderen Heiligthünern hoͤchſt wahrſcheinlich die: ges 
heimften Statuen der Gortheiten im Sinne: Elen- 
fis fervat, quod oftendat rerifenitibus:,, . -, ‘s]lle 
arcana non promilcue, nec omnibus patent: . 

. reduela, et in interiore faerario claufs Ann 


Dur TTS 
a. “ \ 


+ ” \ ’ 
‘ ” f ‘ 


ae Die beruͤhmteſten Myſterien würden mehrere, 


wiahmentlich bie. großen. Eleufinifihen Geheimniſſe, 


zuenn Tage geftiert. bh), Mar ein kleiner Theil dies 


fer. fefklichen Zeit warb in geheimen. gottesbienftlis 


rchen Handlungen hingebracht. Die übrigen Tage, 


and Stunden füllte man mit oͤffentlichen Opfern, 
and Proceffionen, mit gymniſchen, ober anderen 

Spielen, und Ergößungen aus. Vieh merkwür—⸗ 
biger iſt dieſes, daß viefelbigen Thaten und Schick⸗ 
: "fale von Göttern, : welde man an item, ober 


mehreren Orten in geheimen Feſten vorfielite, ans 


chberöwn an Öffentlichen Feſten vorgeftellt wurden. 
Der Dienft ver Ceres, und Proferpine war. in 


Ensa, und Syrakus, wo man biefe Goͤttinnen 


"bon den älteften Zeiten her, und mit ber gröften 
Pracht verehrte, Fein geheimer, ſondern ein oͤf⸗ 


fentlicher Dienft; und man ftelte jährlich an öfs - 


‚fentlichen Feſten vor, was biefen Goͤttinnen in der 


Gegend von Enna, und Syrakus begegnet war i). 


Nur in Catina war der Dienſt der Teres ein ge⸗ 
heimer Dienft, welchen bloß Frauen und Jungs 
- frauen verrichteten ). Anftatt daß die. Statüen 
ber Ceres und Proferpine in Enna einem Jeden 
‚zugänglich waren kk), hielt man das Bildniß der 
Cetes zu Catina fo forgfältig in dem Allerheilig⸗ 
Ren verſchloſſen, daß die Männer. kaum wu 
| WMWB J da 


2 MSk Croix i01- 204 p. 
7) Cicer, et Died, 1. ce. 
A) | 


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Ban. "Ei Su abe — 





4 x 


daß ein ſolches vorhauden ieh 13. "Die Kreter be | 
haupteten, daß der Jakchus, ein Sohn bes Ju⸗ 


biter, and. der Proſerpine, .auf-ibrer Juſel ge 


bohren worden; und daß alle Begebenheiten Diefed 
Gottes in Kreta geſchehen ſeyen m); Sie firliten 
daher bis auf die fpäteften Zeiten die Schickſale bed , 
Jatchus an oͤffentlichen Feſten vor und ruͤhmten 
ch ſo gar, daß man alles dad, was mau in Sa— 
nothrachen,; and Eieuſis, als die gröften Gehelm⸗ 
niffe zeige; In Kreta ohne Hinderniß ſehen koͤnne. 
Die Kieter zogen hieraus den Schluß; baß bie 
Feſte der Ceres; der Proſerpine, und bed Jak⸗ 
chus ; fo inte diefe Goͤtter ſelbſt, und bie meiften 
übrigen Gottheiten der Griechen, aus ihrer Infekt - 

dudgegangen ſihenn. u 
5 .1217 


Die geheimen Feſte, welche man benfelbigen 


Gotthetton in verſchiebenen Getenden don. Grie— 


- 
” 
’ 


chenland feierte; wichen nicht wenidzer von eingndes 
üb; als die oͤffentlichen. Der erſte rund. hirvon 


lag in der Verſchiedentzeit ber heiligen Geſchichten, 


bie. don den aͤlteſten Jeiten hei. nuter verſchiebenen 
Voͤlkern umhergiugen. Man wereiitee faſt kein 
Geitheit, von weicher nicht mehrere Städte vor⸗ 
gaben; daß dieſelben innerhalb ihrer Mauern ges 
bohren, oder begraben worden ; ober baß fie. zur 
5. re u eit 


. 46. In eo facrario intime fuit Agnam Cero- 


"gie —— quod virf,. "bon. imods 'Wajus- 
modi ellet, fed na elle quidem Iciebant. aditue 
enimi inid facrarium non eſt Yiris!’ fatra “per 
mulieros et virgines eönfiet folehn‘ -..ı: {\ 

4) Diodor. V. S4d- 44; Jul. Firm..6;6;- 

u. . De —A Pr .: 2 x 


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R . - Ss . 
.. . q Pr * 
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aumeh. in 4 19 f 
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3 . D . 


Zeit dr Worlahren diefes ober jenes methan, und 
erlebt dgabe a). Dieſe urſpruͤngliche Verfhieben — . 
beit heiliger Geſchichtan warb heite dutch die Fictios 
sen der. aͤlteſten Dichter, theils durch bie. Lehren, 
anh. Bagungen. der aͤlteſten Propheten und Myſte⸗ 
rien « Stifter jws umendlide vermehrt. Die My⸗ 

ſterien des Bakchus, welche Orpheus «inführte, 

ober .bie, wenigfiene: vom Orphaus den Nahmen 
hatten, wichen in manchen Stuͤcken von den My: 
ſterien bed Melampus ab o). Beyhe unterſchie⸗ 
den ſich wieder ſo wohl von den, Myſterien des 
Bakchus Sabaſius a), als von denn, welche 
ein gewiſſer Pegafes in Athen einfegte.g). Die 
ſelbigen Goͤtter vervielfaͤltigten ſich nach Maaßgabe 
der Geſchichte, welche man von, ihnen erzählte, 
und der Dienfie, welche man ihnen einrichtete n. 


„ir Alter allen ‚gakeiinen Feſten. ber Griechen war | 
gewiß: keins, das uicht in dem Laufe von Jahrhun⸗ | 
ZZ derten. große Veränderungen gelitten hätte. Doch | 
r waren nicht. alle. Myſterien in gleichen. Graben warn: - 
nelbar. Am .wenigften waren es biejanigen, die, 
inde ı bie Myſterien . Bruf i6,,. au Serämten Or⸗ 
> WE - in, 


aus " " ‘ a . ’ j oo 


| 
04 
ey Mehn veraleiche nur allein die Anlpriche, und u 
GSagen der Bicilier, der Athenienſer, der Kreter, 
und Urgiver über die Ceres, und deren Hefte, an 
... den augefüirten. Stellen des Diodor, des Rle⸗ 
eu BEN ,. des Sicero; und Paufanias 1, 7 | 


5 u, 49. Herd, 0... 

u 8 nt s 

p) Cicer, de:Nat, Deot. III. 03. de Leg. u. 15 
9) Pauf,Dl, al re en 

r) Cicer, de Nat Deor, ui. a1 23.c. 


I 
v 


— — — — — — — 
- 


. nt8"Ausgelöfiht wurben 3), um auch ben ſteteren, 
"oder feſter gegründeten Myſterien eine andere Ger 
ftalt zu geben. Gelbft die Samothraciſchen Mp⸗ 


— 


— gan 


ten, und zu beſtinimten @üiren gefeitrt wurden, 
auch ünter ber. Aufficht ſolcher dornehmen Ge⸗ 
ſchlechter ſtanden, dergleichen Me Eumolpiden in 
Athen waren 1). Unterdeſſen brauchte es nicht 
einmahl ſolche Revolutionen, als wodurch vie! 
Ihesmophoxien in dem gröften Theile bed Pelopon⸗ 


fterien wurben zu wieberhohlten Mahlen faft ganz 


umgewandelt u). Aehnliche Veraͤnderungen er⸗ 
fahren die Myſterlen der Ceres, welche Kauko 
von Eleuſis nach Meſſene verpflanzt hatte, zuerſt 


durch einen gewiſſen Lykus, und bann durch einen 


Athentenfer Merhapus, Yon welchem Paufanias 


fagt, daß er der⸗Grfinder von manchen geheimen 


Feſten, und Feierlichkeiten geweſen ſey x). 


Den hanfigſten, und ſchnelkſten Umwaͤlzungen 


waren diejenigen Myſterien unterworfen, die nicht 


an beſtimmten Orten, nicht zu beſtimmten Zeiten, 
nicht unter der Aufſicht vornrhmer Famillen, und 
Magiſtrats⸗ Perſonen, ſondern von umherziehen⸗ 
den Myſtagogen gefäterf wurden, wie bie Orphi⸗ 
Bu und Sabaſiſchen Myſſerlen ſchon zu ben 
eiten dea Diary, und Ariſtophanes. Dieſe 
Myſterſen urteten daher guch am fruͤheſten aus, 
tn | 

4) St, Croix p. 1350, un 
6) Herodor. Ih a 0.000000. 
#) Man ſ. Dioder, V. 340. 25, de St, Croix 

P MM. RE * 
x) IV. 1. 666 ustanoc yarag usv 29 AYyuag, vos 

Mrijc xoq Opyımy Mayramıy GUVIETYG. 


rt. - 


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4— 
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. 2 ⸗ 
un Mn. un 1a... 


mer 
ned erregten bie arſten lauten Angen En Don 
that-den Vorfichers der wahbpinden 
Fein Unrecht, wenn man annimmt, daß page ohne: 
Antinahme. verſchmitzts Weträger waren, melde: 
ihre Geheimniſfe zur. Befriedigung won Hablucht, 
und anderen böfen MWegierben mißbrauchten. Eins 
bdor erſten, und zuglgich daß fehracklicfte Bepfpiel 
unerhörter Greuel , bie in Myſterien — wor⸗ 
jden, Tiefeen die Vakchiſchen Geheimutffe, welde 
ih I 566. nad ‚Erbauung der Stade Row, 
IE [N un guärostete 3. Der Urheber die⸗ 


ferien war ein unbekaunter und hungriger 
£y der fie in „Deirneien eimführte: don wo 
and fie fi in wenigen Jahren über ganz Stalin 


" Yerhreiteten a). "Die geheimen Mafpanalien war 
ren anfangd nur für -Perfonen:. bed: andern Ger 
ſchlechts beftimmt, und wurden jährlid nur an 
vi Tagen, und zwar bey hellem Batuan ge 

. iert. 


Si Kiegen det ab 
E ale mm Pie gm ei 
—88 — nn pri befen m 
Böen % ei d 
Ihe. 1% Nora vero deos, et in 
en ocrarnas pervigilationes fe: Ariko- 
Phanee . . voxet, nt apud cum Sebsaine, et 








<iantur, ° 
2) Livius wese 


#) 1. . Graecns ignahilie in Etrariam primus 
8 . faerifä es — —S ee 
religiöne pro et quaefium, er dileli — 
proliteado In horrore imbusret, .06- 
« paltoram antiltes crorum, ö ee. 





verhaßt, Liecer. 


ü di peregrini jadicati © civitate | ir “ 


= on 2 — | u. 
folert. - Eine: Campaniſche Prieſterinn, Paculla 
Nimia, aͤnderte, wie ſie vorgab, auf göttliche. 


Eingebung bie ganze urſpruͤngliche Einrichtung dee 
Bakchiſchen Gehelninife B);. andgennnmen,- daß 


fie die Suftrationen, und: zehntägigen Enthaltun⸗ 


gen bor:der Einweihung beftehen eg. Paculla 


Minia verordnete, daß die Bakchiſchen Moſte⸗ 
rien nicht mehr bey Tage, ſondern Nachts, daß 


ſie. fünfmaht in jedem Monathe, und zwar nicht 


bloß von Weibern, ſondern auch Don Männern ges 


feiert werden ſollten. Zwey Jahre vor der Ent⸗ 


deckung machte man noch das Geſetz, daß keine 
Mannsperfon, die Über zwanzig Jahre alt ſey, 
aufgenommen, ober. eingeweiht werde. Don tem 
Augenblick an, we bie erwähnten Veraͤnderungen 


 gemarht wurden, wrteten bie Bakchiſchen Myſterien 


Getoͤſe von Pauken, und Trompeten 5) Wenn 


in eine Werkſtaͤtte nicht bloß von Ehebrächen, und 


gewaltfanen Schänbungen ſchoͤner Knaben, und 


Jungfrauen, fondern von falfchen Zeugniffen, uns 
tergefchobenen Teſtamenten, Giftmifchereyen, Mens 
ſchenopfern, und anderen Meuchelmorden aus. 
Man gab ſich nicht die Mühe, die Unfchuild zu 


‚ verführen. Man brauchte offenbare Gewalt, und 


bamit man bie "Klagen ber Ungluͤcklichen, an wel⸗ 
chen man Gewalt übte, nicht höre, erhab man 
ein ungeheures fanatifched Geſchrey, oder heftiges 

ne eins 


u rn j ’ ı, a ur 
5b) e. c. 23, - - tauquam deum monitu, 


Jap Additae voluptates religioni vini.et epg- - 


larum, quo plurium animi illicerentur. Qoum 

' yinum animos et. nox, et milli foeminis mares, 
aetatĩs tenerae majoribus, .dilerimen omne pu. 
doris exltinxiflent, corruptelae primum omais ' 
*8 * Zu ur 


! 


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g N N —— U z 
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elngelat Perſenen ſich au ‚heftig wißesfügten ‚’ oder 
Bahr: waß ihnen geſchehen war, zu tief empfunken 
gzu haben schienen ;.fo fhlachtete man fir als Men⸗ 
fhenopfer, oder warf fir in tiefe Schluͤnbe; und 
Damı hieß eb) daß ſolche Verſchwundeue ven ben 
Goͤttera geraubt worden d). sd bringt ber. Polls 
zey der Roͤmer wenig Ehre, daß biefe Grenuel ſich 
fo weit verſreiteten, daß fie ſo lange: umentdeckt 
blieben, und daß ein bloßer Zufall, Die Liebe einer. 
öffentlichen Weibs perſon für ihren jungen Liebha⸗ 
ber, den feine. boshafte Mutter einweihen Lafer 
wollte, fie der höchften Obrigkeit. belannt machte. 
Dieſer Vorwurf ift.um deſto gerehter, da wähs 
gend ber nächtlichen Feſte Männer ſowohl, ale 
Weiber, wie Rafende, die Weiber mit brennenden 
Fackeln umberliefen, und die ganze: Stadt mit ihr . 
vrem Geſchrey, oder mit ihrer wildes. Duft 7, 
.. ‘ » ... — BUJ. 


’ x 
8 21 


genôéris fieri coeptae: quo ad id quisque, quo 
natura pronioris libidinis eſſet, paratam vo- 
luptote in haberet. Nec unum genus noxae, 
ſtupra promilcua ingenuoryum- fogemingrumque 
erant: [ed fallı teles, falla Siena, tellimonia-, 
que ef indicia ex eadem ofhicina exibant. Ve- 
nena indidem, intellinseque caedes? ita ut ne 
corpora 'quidem interdam ad fepultüuram exſta- 
rent. Aulıp. dolo,. pleraque ‚per ‚vim endcban- 
tur Oecculebat vim, quod prae ulglatibus, 
tympanorumque et eymbalorum firepitu, nulla 
vox quiritantium inter Aupra et caedes exan- 
diri poterwe. . ER EEE Een EEE 
. "We. 13. Si qui minus patientes dedecoris Gpt. « 

 provictimisimmolari‘..„. Raptos a diis homi- 
’ 'nes dici, quos machinde illigatos ex éonſpettu 

in abditos fpecus abripiant. , 2 


b 


. 


' , “ 0, R . 


dlten ). Der Senat trug den beyben Konfule- 
| bie ſchaͤrfſte Unterſuchung gegen tie Ungeheuer auf, 
welche ſich gegen die öffentliche Unſchuld, Ehre, 
und Sicherheit. verſchworen hatten. Man behaup⸗ 
tete,daß über ſiebentauſend Maͤnner, und Wei⸗ 
ber in Die ſcheußlichen Myſterten eingeweiht wor⸗ 
den. Alle, welche unnatuͤrliche, oder gewaltthaͤti⸗ 
| ge Lüfte gebt, oder ſich falſcher Zeugniſſe und Te⸗ 
i  Ramente, ‚ober gar des Meuchelmords ſchuldig ges 
macht hatten, wurben am Sehen gefiraft. Die 
Mebrigen , beren einzige, aber vornehmſte Schuld 
| barin beftand, an den Myſterien Theil genommen. 
| zu haben’, mußten ihre Neugierde, oder Schwach⸗ 
heit durch ein kuͤrzeres, oder laͤngeres Gefoͤngniß 
buͤßßen. Der Roͤmiſche Senat erneuerte das oft 
guuͤbte Recht, fremde Götter, Goͤtterdienſte, und. 
Goͤtterdiener zu verbieten f ), und unterfagte- bie 
| Feier geheimer Bakchanalien vicht bloß in Rom, 
ſondern in ganz Italien 8): doch mit dem. milden. 
Zuſatze, daß, wenn Jemand fid In feinen Gewiſ⸗ 
ſen verbunden achte, bie an den Babkchanalien ges 
braͤuchlichen Opfer, und andere gottesdlenſtlichen 
Hanblungen nicht zu unterlaffen, biefer fich bey 
, bein Prötor urbanus melden möge. Der pru 
7 olle 


3 ur 
” % 


- 


e) ib, e. 13, 15. 


5) Die Conſul Poſtumius faate in feiner: NRede an 

das Volk J. c. c.:16; Onoties hoe: patsum avo- 

».. rumgue aetato, negotium ef magifinatibus'da- 

: tum, ut ſacra externa: fieri vetarent, faorifien- 

:: das‘, watesque foro. eirco,. urbe probibereut, 
vaticinos libros conguirerent, combnrerenimue, - 

_ omnem  dilciplinam ,facrificandi prasterquam 


‘ ’ 


more Komano, aboleren:? 
5) c. 18 5 | 


J 


2.7 Selle die Bitte vor den Senat bringen‘, wenn wüht 
weniger, als hundert Senatoren gegenwärtig feyen, 
und wenn der Gtnat:idie Witte gewaͤhre, fo folle 

das Opfer erlaubt ſeyn. Nur buͤrften ſich dabey 
nie mehr, als fünf Perſonen einfinden: auch duͤrfe 
nie eine gemeinſchaftiiche Caſſe, oder ein Priefter 
und Myſtagog vorhanden feyn. — Aehnliche 
Unordnungen, bergleichen die Bakchanalien in Ita⸗ 
lien hervorbrachten, veranlaßten ben Diagondas 
von Theben, alle naͤchtliche Feſte zu unterfagen k). 
Das allgemeine Sittenverderben, was bie Gries 
hen und Roͤmer ir Ben letzten Zeiten ihrer Frey⸗⸗ 
heit, und beſonders nach dem Verluſt derſelben 

“etgriff, drang auch In viele Myſterien, und unter 

bdiefen fölbft in folche: ein, welche man viele Sahrıs 
hunderte Tang als die heiligfien , und underletzlich⸗ 
fien verehrt hatte. Zu den Zeiten bed Juvenal, 

und Apulefus: waren nicht bloͤß die Geheimniſſe 

der Dea Water i), oder der Cotytto, und "Milo, 

-  fondern auch felbft der Dea Bona in Rom, ab 

bie Thasnophorten in Athen als Schulen ber groͤbe 
ſten Unmaͤßigkeit, und Unzucht beruͤchtigt h). 


Die 


| #)-Cicer. de Leg. II: 16. Atqne ommia noetur- 
"ma, ne nos duriones Sorte videamur, in media 
Graeccia ‚Diagondas Thobanus lege perpetua 
. fangirit, Dieb: Verbot war⸗ vorzuͤglich gegen: die 
Myſterien der Eabiren gerichtet, welche Meshapug 

jr Theben eingeführt hatte, Panfan. IV. . 


i) Apulej. Metamorph, VI, gr. VI, 14% 
. k) St, Croix 391. 405. 490 Pe 


\ 


: Die Moſterien der Ceres in Eleuſis waren 


vielleicht die einzigen, die nie weder durch Voͤlle⸗ 


rey, Unzucht, und heimliche Verbrechen entweiht, 
noch auch mit ſolchen peinlichen, oder beſchwerlichen 


Caͤrimonien uͤberladen wurden, wie alleübrige Miys: - 


ferien in Griechenland, und SStalien. Die Deis 


iigkeit, und Ehrwirdigkeit der Eleufinifhen Ge⸗ 


Erfindung des Ackerbaus m). | 


beimmiffe erhielt fich bis auf bie. leßten Zeiten, und. 
ihre Bewunberer wieberhohlten ſtets den alten 


"Ruhm, baß die Dienfchen durch fie gemildert, oder 
3u einem geſetzlich gefelligen Leben hingeführt wors' 


ten)... Diefer Rahm war meinem Urtheile nad) : 
nie verdient. Die Urheber deſſelben verwechſelten 
die Wirkungen dee Wohlthaten der Ceres, deren 


Andenken man in den Eleuſiniſchen Myſterien ers 


neuerte,- der Erfindung bed Aderbaus, und ber: 


| Gebung weifer Gefege, mit den Wirkungen der 


Elen ſimiſchen Geheimniſſe. Die Myſterien zu: 


Eleußs waren ben übrigen oͤffentlichen, und. ges 


heimen Feſten der Griechen zu ähnlich, als daß fie. 


ſolche eigenthümliche Börtheile, dergleihen Mynen ' 


Cicero in der angeführten Stelle zufchreibt, haͤt⸗ 


‚gen herdorbringen Finnen. Auch erwähnt Iſo⸗ 
. Brates ber Entwilderung der Menfchen nicht, als 


einer Frucht der Feier der Myſterien, fondern ber 
Je 


D) Cicero de Leg. II, c. 14. Nam mihi cumi mul- 

ta eximis divinaque videntur. Athense tuae pe. 
perille, atque in vitam houiirium attulile, tum . 
nihil melius. illis 'myfteriis,, quibus ex agrelti, 
immanique vita exculti ad‘ humanitstem, et 
mitigati ſumus. \ 


m) 1. 132. may duanc dupanc' dirraug, direp her 


ruyxævueciu Son, TEC TE Naprac, O Ta u Anpiq. 
dœc Syv qjuac urioqi vevovædi. 


u 


I 
x 
. 


% 
> . _ 
rn — — — 
⸗ 


4428 — — 


Fe mehr, die meiſten uͤlteren Moflerlen ders 
dorben, und übel beruͤchtigt wurden 5 deſto mehr 


nahm die Zahl der Myſterien, und der Hang zu 


ben Myſterien zu, deſto zufammengefeßter, und 


beſchwerlicher, oder peinlicher wurden entweder die 
Worbereitungen zu den Myſterien, oder die Stufe 


fen, welde man zu erfleigen hatte, Faſt ſcheint 
ed, als wenn im erften, zwehten, umb dritten 
Jahrhundert alle nur irgend bedeutende Gotthei⸗ 


ten, bie bergleichen vorher nicht hatten, einen ge: 


heimen Dienft erhiekten, weil man ben geheimen 


Dienſt für heiliger und wirkſamer, als den oͤffent⸗ 


lichen achtete. Man glaubte ſich um deſts gluͤckli⸗ 
cher, und froͤmmer, in je mehrere Myſterlen man 


I eingeweiht worden war, und je hoͤhere Stuffen, 


ober Wuͤrden man in ben geheimen Getierdieuſten 
erſtiegen hatte. Man hielt die Einweihusngen, and bie 


, Stuffen ber Ein weihung fuͤr etwas ſo wichtiges, daß 


man fleauf Grabmählern,. und andern Denbmählern, 
als die gröften Ehren der Verſtorbenen bemerkte m)... 
. M Der 


u) Unter den Beyſpielen, welche Here muuor 1. c. 
P u07. 109. gegeben hat, jchreibe ich nur ſelgeus 


FF 062 ab: . si 4 Fe , & u Zn * 
Fabiae. kconise. - Pauline ©,.,F.- . _ 
Sacratae, Apund. Eleufinam. 
Deo, Baccho: Ceresj. Es Core 
Sacrstae. Apnd, Lernam. Deo 
Libero. et Careri. Ex Corae, . _ 
‚ Saeratae, . Apnd. Aeginam : —— 
. , Deabus. Taurobojitae, Lfiacae, 
Hieropbantriae. Deae. Hecatae, _- 
Graeco. Sacratae., Deze,;, , . 
- " Cereris, | 


‚ -Ble 


| PP: 206. Quod enim fedulo percontaveram, dif-: 
cil 


Der Geiſt der Zeit, der den geheimen Goͤtterdien⸗ 
firn fo günffig war, druͤckt fig nirgend deutlichen, 


als in der vom Apulejus erzählten Fabel bes Lu⸗ 
cius and. Nachdem der lehtere endlich durch bie 
Gnade der Iſis feine menſchliche Geſtalt wieder 


xrlangt hatte, forderte ihn ein Prieſter der Goͤt⸗ 


in auf, ſich Yon. nun an dem heiligen. Dienſte 


ber "Wis zu weibhen, und ihr Joch freymillig auf 
fih zu nehmen, weil er alsdann feine Freyheit 
um befto mehr fühlen werde 0). Lucius miethe⸗ 


te ſich eine Wohnung innerhalb bes “Bezirks, der 


zum Zempel ber Iſis in Korinth gehörte, um 
ver Goͤttinn deſto anhaltender dienen, und bes 
Umgangs ihrer Priefter genießen zu koͤnnen. Es 
verging feine Nacht, . wo. er nicht göttlihe Ge⸗ 


ſchte und amfmunternde Dffenbahrungen erhielt. 
So groß auch feine Begierde nach den Minfterien 


der Iſis war, fo zögerte er doch immer mit bes 
Einweihung, weil er fi vor ben Enthaltungen 
unb anderen ſchweren Pflichten fürchtete, welche 
der Dienft ber Goͤttinn ihm auflegen werde m 

| Er 


Alle Schriftſteller, denen wir die meiſten NRachrich⸗ 


ten über die Myſterien zu danken haben, Diodor, 


Pauſanias, Plutarch, Apulejus, und Clemens 
von Alexandrien waren in mehrere, oder gar in 
viele Miyſterien eingeweiht. = 
0) Apnl, Lib XI. Metamorph. p. 214. Edit. Cal 
vii. Quo tibi tamen tutior fis, atque munitior, 

da nomen huic [anctae militise - - teque jam 


nunc oblfequio religionis noſtrae dedica, et mi: 


nifterii juogum fubı voluntarium, nam, cum 


‚ coeperis Deas fervire, tunc magis [enties fru- 


ctum libertatis tuae, 


e roligionis oblcquium, et eaimonloruım 
. ı . , ’ g \ 


Items — a Na 
- - 


— ⸗ç- 


Er überwand. endlich -biefe Vebenklidikeiten; nnd ' 


"bat ben oberften Prieſter um die Gnade dei Eins 
weihung. Der Priefter autwortete freundlich, daß 


2 
1 J 
I nen . 
J 


ren, wenn bu es etfahren bürfteft: Um dic aber 


he; denn die Goͤttinn ſekbſt beſtimme durch goͤtt⸗ 


liche Winke nicht nur bei Tag, an welchem, ſon⸗ 
bern auch ben Prieſter, von welchem, und ben 


Aufwand, mit welchem Jemand eingeweiht wer⸗ 
ben ſolle ). Nach bieſem Beſcheite erwartete 
Lucius ruhig, was die Goͤttinn über ihn verfüs 
gen werde, Die erhabene Wohlthaͤterinn ließ 


Ihren Verehrer nicht lange ſchmachten. Sie ofs 


fenbarte ſowohl deni Lucius, als ihrem oberften 


‚ Pieter, Mithras, den Tag; wo die Einmeis 
hung: Horgenorkiheh werben folle. Der leßtere las 


dem Lücius aus einem in Hieroglyphen geſchrie⸗ 
benen Ritual vor; was er anzuſchaffen, und wie 
er ſich vorzubereiten habe, Zu ben MWorbereituns 
gen gehörten Waſchungen und zehntaͤgige Faſten, 
in welchen der Einzuweihende weber Fleiſch, übch 
Wein genießen durſte. An dein Abend des Eins 


J weihungstages ergriff der Hoheprieſter den Lucius 
bey dee Hand; und führte ihn, mit einfachen Ges 


ändern angethan, In das Allertheiligſte. Du 
fraͤgſt vielleicht, ruft Apülejus aus, was bier ges 
ſagt und gethan worden ſey. Ich würde eb bir 
ſagen, wenn ich es fagen:. du wuͤrdeſt ed erfah⸗ 


nicht 
abſtinentiam fatis- arduam, cautoque eircum- 


fpectu vitam, quae multis caſibus ſubjacet, elle - 
muniendam, etc; 


9) 5 208. Sumptug etiam, caerimonüis necellas 


rios, Amili praecepto dellinari, 


4 R FR 
U} 


’ 


nicht gang mnbefriebigr zu laſſen, vernimm folgen⸗ 
des, was mir zu offenbaren vergönnt iſt. Ih 
kam an bie Graͤnze, ober Pforten des Todes; mb 


nachdem ih die Schwelle der Proferpine betreten 


- hatte, kehrte ich durch alle Elemente zuruͤck. Ich 
ſfah; mitten in der Naht die Sonne von wrißli⸗ 
"dem Lichte ſchimmern, und -betete die Götter ber 


Dbers und der Unterwelt iu ber Nähe an. Gegen 
Morgen waren bie Feierlichkeiten geendigt,: unb 


num Fam ich aus bem Allerheiligfien mit zwölf 


heiligen Gewaͤnderü zurück: in welchen ich nad 
Wegziehung bes Vorhangs dem Volke dargeftellt 
farb. Ich felerte hierauf den erſten Geburtstag 
meiner Einweihung in angenehmen Gaftmahlen 


nund anderen Luſtbarkeiten; unb auch der dritte 


Tag- ward theils in gotteöbienftlichen Handlungen, 
theils in Ergößungen zugebracht. Mad wenigen 
Tagen genoß ich die unausfprehlihe Wonte des 
göttlihen Blidniſſes vr). — Lucius ging Yart Kos 
tinth, wo er eingeweiht tvorden war, nad Nom; 
und wunterlieg nicht, bier feine Andacht in dem 
Tempel der Göttin mit dem Beynahmen Cam- 
penfis gü verrichten. In Mom erfuhr er zu ſei⸗ 


. nem Erftainen, daß er zivar in die Geheimniffe 
der Iſis eingeweiht fey: daß er ſich aber noch in 
die Gehzeimniſſe des Oſiris einweihen Taffen müſſe. 

Denn ungeachtet beyde Gottheiten auf Bad innigſte 


verbunden ſeyen; ſo finde doch unter ihren Geheim⸗ 
niffen ein großer Unterſchied Stats ). Ju der 


*2 naͤch⸗ 
.) Inexplicabili volupiato Ammulicri divinj perfrue- j 


bar. p. Sır. | 
s) p.2ı2, Novum mirumque tomperior: Deas 
quidem me tantum lacris imbutum, ae . 


an XX 431 . 


®* 


‘ ’ 
' . ‘ . 

’.. .. \ 
433 u — — 
FI 


vwaͤchſten Nacht ſab Lucius im Traum das: Ge 
ſicht eines Priefters, der Thyrſen und Epheu⸗Zweige, 
nebſt anderen Heiligthuͤmern vor ſeine Mahnung 
hinlegte, und ihm die Einweihung in. den gehei⸗ 
men Dienſt bes Oſiris gleichſam anſagte. Lu⸗ 
cius erkundigte ſich am folgenden Morgen unach 
einem folchen Priefter, dergleichen ihm im Traume 
erfchienen war. Er entdeckte ihn bald unter ven 
Paſtophoren bed Gottes, und hörte von. dieſem, 
daß Dfiris ihm die Ankunft eines Fremdlings aus 
Madaura angezeigt, und ihm befohlen habe, der 
Fremdling unverzüglih aufzunehmen. Der Aufs 
nahme ſtand nichts entgegen, als die große Ars 

muth ded Lucius, ber nicht einmahl im Stande 
war, ben mäßigen Aufwand, welchen die Einwei⸗ 
hung :verlangte, zu befireiten. Unterdeſſen drang 
die Gottheit immer nachdruͤcklicher auf bie Eins 


weihung 2). Lucius verkaufte zulegt, da er ſich 


nicht ander® zu helfen wußte, feine nür irgend 
entbehrlichen Kleitungaftüdke ; und zwar auf aus⸗ 
druͤcklichen Befehl des Dfiris. Du würbeft, warf 
ihm ber Gott im Traume vor, beine entbehrlidgen 
Sachen nicht fchonen, ‚wenn ed um; irgend .eine 
große £uftbarkeit 3a thun wäre; und du trägft 
ı Bedenken, bid) davon los zu machen, um folder 
erpabenen Feierlichleſten metaſts zu — 


u⸗ 


dei, deumuue famıpi. ‚parantis, nvieti Ofrie 
necdum facris illnßratum. Quamgnam enim 
connexa, imo vero unica ratio numinis, reli- 


‚ gionisque ell — tamen teletae dilcrimen‘ inter- 
e maximum. . 


. 0 p. 213. Nec fecius tarhen idemtidem ‚wominis 


„pemebaivinlandn, wei 
1 


⏑— — wen — 
2 7 


— go 
1 


— 4309 


Lxuciu⸗ ward hierauf nicht. bloß in bie Scheim⸗ 
niſſe des Oſiris, ſoudern auch des Serapis ein⸗ 


geweiht. Nicht lange nach dieſen Einweihungen 
forderten ihn goͤttliche Befehle noch gu einer * 
ten Einweihung auf. Lucius wüßte nicht, was 
biefe neue, oder letzte Einweihung bedeuten folte 


Er fing gar an, zu glauben, daß die Priefter . 
‘der Iſis und des Dfiris ihm etwas möchten vor⸗ 


enthalten haben. Hieruͤber berubigte unb unters 


- richtete ihn eine nächtliche. Erſcheinung, bie Ihn 


überzeugte, daß es eine beſondere goͤttliche Suabe 
fey, einer dreyfachen Einweihung gewuͤrdigt zu wer⸗ 
ben, da viele nicht einmahl zu einer einfachen ges 


- Tangten.. Wenn er fi abermahls nicht in die 
Myſterien ber "is Campenſis einweihen fe! | 


fo Eönne er ihren geheimen Feſten nicht beywoh⸗ 
nen, und nicht das heilige Gewand ber Goͤttinn 


thige mehr nach Maaßgabe feiner Frömmigkeit, 
ald feines Bermögend an.u). Ihn reuten bie 


Gottheiten, deren Diener er. war, fegneten feine 


Arbeiten, melde er als Auwald verrichtete, reihe 
lich. Oſixris ſelbſt erſchien ihn im Traume, und 


nahm ihn nicht nur in das Eolleglum feiner Pas 
ſtophoren, ſondere. auch unter die fünſjährigen De⸗ 
curionen auf. 


> | . u | — Die 


= p. sı5. Largitus ex Radio pietatis gie, quam 


nienlura rebus collatie, 


Ee 


tragen. Lucius bereitete ſich zu ber legten Eins 
weihung durch noch ſtrengere Enthaltungen, als 
bie erſten Mahle vor, und ſchaffte das dazu Ni 


leszten Opfer nicht, bie er gebradt hatte Die 


- 


— 


a. 
® 
. 
, 
. 


‚ waren unläugbar darauf angelegt, bie Woruehmen 
und Reichen, oder Wohlhabenden anzulocken, weil 


33434.. —— 


Die Myſterlen der fie, bes Cſtris und des 


Serapis, in welche Apnlejus fi einweihen ließ, 


bie: Einweihung mit betraͤchtlichen Koſten verbun: 


ben war, ‚und immer nur eingelne Perfonen eins 


geweiht wurden. . Won einer ganz anderen Art 


- waren bie Myſterien des Alexander, befien Ger 


ſchichte zeigt, was verfhmißte Betrüger ſchon In 
der Mitte des zweyten Sahrhunderts wagen, und 
der Aberglaube ber Griedyen und Roͤmer ertragen 


Fonnte, Die Myſterien des Alerander waren, 


wie: bie aͤlteſten Gcheimniffe ver Aeghptier und 


Griechen, für den großen Haufen berechnet, und 


befianden baher in geheimen Schauſpielen, die drey 


Tage, ober vielmehr Nächte hinter einander ges 
geben. wurben 8). - Am erfien Tage flellte ‚man 


‚bie Nieberkunft der Latona, bie Hochzeit ber Ro⸗ 


romis, und die Geburt des Apollo und’ Askle⸗ 


Vertrauten Aerander fih ansgabs am dritten 


dier Liebe der Luna und bed Alerander. Alexan⸗ 


der. fhlummerte, wie Künftler und Dichter den 


ir 


pius vor: am zweiten bie Erſcheinung und Ge - 
bunt bes Glyko, beßjenigen Gottes, für deſſen 


Endymion ſchilderten, und eine ſchoͤne Frau, Rus 


tilia, ſtieg als Diana vom Himmel herab, um 
‚den Geliebten zu umarmen. Alexander zeigte bis⸗ 


weilen in feinen Myſterien die goldene Düfte, der⸗ 


gleichen man in ſpaͤteren Zeiten auch dem Pytha⸗ 


goras zugeſchrieben hatte. 
| | | - Un 


4) Lucian, Opera II. 244-246, | 


EEE EEE — — 


———44443245 
"Unter allen fremden Moſterien erhielten keine 


einen ſo hohen, gewiß nicht einen hoͤhern Grad 


von Anſehen, als die angeblichen Myſterien des 


Michras. ‚Die ſogenannten Myſterien des Mi⸗ 
thras wurden faſt gewiß nie im eigentlichen Pers 
ſien gefeiert, ſondern wahrſcheinlich von den See⸗ 


säubern erfunden, welche in ben letzten Zeiten der 


 Mömifihen Republik alle Deere und Küften uns 


ſicher machten und ausplünderten y)._ Man feierte 
diefe Myſterien nur in natuͤrlichen, oder kuͤnſtli⸗ 


Gen Höhlen. . Wer eingeweiht werben wollte, mufte - 


achtzig Tage lang immer fieigende Prüfungen aus⸗ 


halten, unter welchen Manche ven Geift aufgaben. 


Man präfte die Afpiranten durch Faſten und Geifs 


felungen, durch Feuer und Waſſer. Diejenigen, 
weldye: alle vorgefchriebene Prüfungen muthig über: 


fanden. hatten, wurden als würdige Krieger bed 


Mithras ‚aufgenommen und:anerfamt 2. 66 


wie bie Vorſteher der Myſterien bed Mithras 
bie firengften Pruͤfungen verlangten, fo führten 


fie auch die meiſten Grabe unter den Eingeweihten 
ein. Jeder neue Grab war gleihfam eine neue 
Einweihung, und folder Grade waren allem Aus 
fehen nad; fieben, in deren Jedem man einen ‚ans 
bern Rahmen, und andere heilige. Kleidungsoſtuͤcke 
erhielt, - Dom Krieger flieg man zum Grabe bed 
Loͤwen: vom Loͤwen zu dem bed Raben: vom Raben 


zu 
⸗ 


y) Man ſ. meine Abh. 340 u. f. S. 


2) Philippus a Turre in Monum. veteris Antu 
7221 ot fg, de St, Croix p. 458 et ſq. J 


Ges 


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ju dem eines: Perfers ? vom Perfer zu ‚beit bed 
Bakchus, oder der Some: vom Bakchus zu 
dem eines Vaters: und dom Vater zu bem eines 
Waters ver Väter hinauf. Man opferte in den 
Mithriſchen Geheimniſſen Menſchen, um aus ihren: 
Eingeweiden die Zukunft, oder ben Willen der. Goͤt⸗ 
ter zu erkennen. Die Strenge der Prüfungen, und 


v4 


\ 
BR 


die große Zahl von Graden waren wahrſcheinlich 
bie Haupturfachen, daß fi bie Geheimniffe des 


‚Michras über dad ganze Roͤmiſche Reich berbrei: 


teten. Auch traf man Denkmaͤhler diefer Moyſte 


rien nicht bloß in Italien, ſondern in der Schweiß, 
in Frankreich, und ſelbſt in Deutſchland an c33. 


Zchh kann die Unterſachung über bie Myſterien 


nicht ſchließßen, „ohne kuͤrzlich die Frage zu berühe 
"zen, ob man in ben Älteren Myſterien eine geheime 


— 


Lehre, vorgetragen, "und worin dieſe geheime. Ichre  . 
elwa beſtanden habe? 


Gelbſt diejenigen Schrififteller J bie von einer 


geheimen Lehre der Myſterien, beſonders von eis 
ner mit ber Volks⸗Religion ſtreitenden Lehre 


nichts wiſſen wollen, geben zu, dag man in ben 


‚Eteafinifchen ; und Anderen älteren Mufterien bie 


| Be Einzuweihenden nicht bloß in fo genannten Syms 


* 


0) U. cc. beſ. St, Croix 455. 56, 


bolen, das heißt, in Erkennungo⸗ Worten, ober 
Formeln, fondern auch in gewiſſen Pflichten uns 
terrichtet habe: beſonders, welche Speifen, Klet: 


dungsftücke, und Hanblüngen die Einzumeihenden ' 


zu meiden, und welde fie hingegen zu wählen hät; 


ten. 
x 


— m m as 


ten. \ Acq Khunen biefe Söeiftfteller nicht in Abe, 
zebe ſeyn, dag man in den Myſterien heilige den 
Profanen unbekannte Hymnen abgefungen, und 
daß die Myſtagogen Yon ben myſtiſchen Schauſpie⸗ 
len Erklaͤrungen gegeben haben d). Villoiſon ©), 
und de Ste Eroip d) Iäuguen, bag men in ben 
Eleuſiniſchen, und Samothraciſchen Beheimntffen. 
ben wahren Gott veifünbigt; zugleich ‚aber halten 
fie dafür, daß bie Moftagogen die geheimen Ges 
ſchichten der Götter, bie tin den Myſterien dra⸗ 
‚matifch vorgeſtellt worden, nad ber Weiſe der 
Stoeiker gebeutet 2 daß fie baher die Goͤttergeſchich⸗ 
"ten in eine Art Bon Kosmegonie verwandelt ‚ und 


bdie Götter ſelbſt ſammt ihren Thaten, und Shids 
ſalen auf bie Matur, auf Kräfte und Veränderuns 


gen der Natur zuruͤckgebracht hätten. So viel ih 


| urtheilen kand, läßt ſich Teine biefer Behauptun⸗ 


...gen vertheidigen. Wenn mat auch den. übrigen 
Steilen der Alten, die auf eine geheime Lehre ber 


Eleuſintſcher, und Samothraciſchen Myſterien 


binzumelfen fGeinen , eine andere Deutung geben 
kann; ſo tft hiefes bach bey mehreren nicht moͤg⸗ 
lich, "ie ich au einem andern Drte beweifen wer⸗ 
de e). Auf ber andern Seite iſt es nicht — 

nicht 


&) Mäller un ef. m u 
ur p. 244. 974; 377. 330. 
4) p. a218. 346. 360. 366. 
*) In zwey Vorleſungen, welche fuͤr die koͤnigliche 


SBGeſeliſchaft der Wiſſenſchaften in Bringen, bes 
. ſtimmt find. 


Dur? Ve SE Ze 

nicht erweislich, fondern nicht einmahl gebenkbar, 
daß allen Myſten und Epapten, die den heiligen 
Schauſpielen in Elenſis beywohnten, ſolche Deus 
tungen derſelben, dergleichen Villoiſon, und de 
St. Croix aunahmen, witgetheilt, und daher 
alle Eingeweihte in. einer Art von Spindzismus, 
ober Pantheismus unterrichtet, worden... Man 


kann die angeführten Miderfprüäce nicht anders . - 


vereinigen ‚ und die über ber Geſchichte der Myſte⸗ 
rien noch immer ſchwebenden Dunfelheiten mit ans 
ders zerfizeuen, ald durch folgende Bemerkungen, 
Schon die älteren Myſterien waren im wefentlichen 
von einander verſchieden: indem die Einen für das 
Volk, andere, für Kleine Geſellſchaften befkimmt 
waren: und alfo in bie erfteren bloß zahlreiche 
Haufen von Menſchen in Maſſe, in die andern, - 
wenn audy biöweilen größere Haufen, der Regel 
nach nur einzelne Perfonen, oder Heine Gefelfhaf: 
‚. sen eingeweiht wurben 5). Selbſt diejenigen My⸗ 

ferien aber, die für bad Volk beſtimmt waren, . 
und beftimmt blieben, geftatteten. zu einer gewiffen 
Zeit auh Einweihungen von Individnen, und, wur⸗ 
ben in ſolchen Faͤllen den Mipfterien ähnlich, die’ 
urſpruͤnglich wur für eingelne. Menſchen, ober für. 
- Heine Geſellſchaften eingerichtet waren. In allen 
Myſterien, wo man bloß, ober ber Megel nad 
einzelne Perſonen einweihte,. fand viel eher eine 

| ges 


fd &0 waren die Orphika. Pla, de Rep. N. T. l. 
104. Ed, Maſſey . ne dc Jumwolscı, Ku. 

“ Joyreg 8 wa. ıdiwrag, aAAR xy wohn .. * de 
wohsug xuteow, ’ 


, 


— —a443 


gehefme tehte Statt, als in denen, am melden 


jedesmahl Hunderte und Zaufende Theil nahınen. 
Auch läßt es ſich beweiſen, daß bie erſteren viel 
früher, als die leßteren, geheime Lehren enthal⸗ 
ten haben. Ich bin feſt uͤberzeugt, daß in den 
Elenſiniſchen, und Samothraciſchen Myſterien, fd 
lange, und ſo oft ſie vor dem Volke geſpielt wur⸗ 


‚den, nie vom geheimen Lehren bie Rede war. Dars 
aus aber folgt wicht, daß die Myſtagogen bergleis 
‚hen nicht vorgetragen haben, wenn fich einzelne 


merfwärbige, ober vornehme Perſonen einweihen 
ließen. Manche Gecten von fogenannten Ketzern 
hatten Gcheimniffe, die in heibnifchen,, ober abs 
görtifchen Gebraͤuchen, und Meinungen beftanden. 


Warum hätten bie Vorftcher der zahlreichen My⸗ 


fterien unter den Griechen, und Roͤmern ſich nice 

entweber den Weltweiſen, oder gar den. Chriften 
nähern Tonnen? Die Chriſtlichen Kirchenlehrer 
waren fehr aufgebracht baräber, daß die Priefter 
bes Mitchras fo vieles von den Chriſten entlehns 
tn, und baß fie fo gar vom Wiichras fagten, 


U er ſey ein Chriſt 8). Man denke nur an bie Schil⸗ 


berungen, welche Apulejus im eilften Buche feiner 
Verwandlungen Yon ber Iſis, und dem Oſiris 
macht; und dann an die ſogenannten Orphiſchen 
Fragmente, die ſchon von Schriftſtellern des zwey⸗ 
ten Jahrhunderts angefuͤhrt, und in welchen balb 
die Einheit Gottes, bald die Goͤttlichkeit der Na⸗ 
tur verkuͤndigt, Salb einzelne Götter bis zu hoͤch⸗ 
fin Gottheiten berberrliht. werben A). Den 
ann 


Phil, a Tarre op. 10, 
A): Orphica, Edit. Hermanni p, 449. et ſq. 


‚ferien der damahligen Zeit gebraucht worben. 
., hingewworfenen Gehbanken gehört nicht hieher, unb 


en | 
Yan kanm zweyfeln, daß biefe Lieder in den My⸗ 
Allein ‚Die weitere Ausführung der Burg von mie 





bleibt einer andern Zeit, und dnen andern -Orte 


u Vorbehalten. ‘ 


Eiiftes 


7 sea a Ze 


* 





Eilftes Buch. 
Hiſtoriſche Betrachtungen uͤber gute Werke, 


beſonders über die guten Werke bey den Ges 
busten von Kindern, und bey ‚Hochzeiten, 


auch über Wallfahrten. 





Au⸗ nicht⸗ aufgeklaͤrte Völker nannten bie 


Gaben und Opfer, die Reinigungen und Buͤßun⸗ 
‚gen, bie Gebete, und Anbetungen, die Feierlich⸗ 
Zeiten und Feſte, von welchen ich bisher gehandelt 
habe, bald ihren Gotteſs⸗ oder Goͤtterdienſt, bald 


gute, verdienſtliche, gotteabienftliche Werke, oder 


Handlungen. Man feßte dem Goͤtterdienſt, ben 


guten, oder verdienſtlichen Werken, böfe Werke, 
ober Suͤnden, d. h. Beleidigungen hoͤherer Natu⸗ 


ren entgegen, wodurch man ihrer. Gnade, und 


Wohlthaten verluſtig, ihrer Ungnade, und ihren 
Strafen audgefeßt werde. Mad der Denkart 
aller nicht s aufgeflärten Voͤlker waren die foges 
ne Aultaz=und ——— von guten, und 

ieden: das heißt 
von folgen Yanblungen, —* die Wohlfahrt 





anderer Raften abſichtlich befördert ‚ ober. went 5 
wird, 


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wird, Nah der herrſchenden Meinung aller Zei⸗ 


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ten,. und Völker konnte man durch viele gleidhgäls 


tige Handlungen, welche auf das Gluͤck der Men⸗ 


ſchen weder einen guͤnſtigen, noch einen unguͤnſtigen 
Einfluß hatten, die Gottheit bald gewinnen, oder 


verſoͤhnen, und bald beleidigen. Ja man konnte 
ſo gar durch die tugendhafteſten Handlungen die 
Ungnade, durch bie groͤſten Verbrechen, bie Gna⸗ 


de, und Wohlthaten der Goͤtter verdienen. So 


lange die Menſchen ſolche Begriffe von der Gott⸗ | 


heit, und ihrem Dienfte, von Opfern und Gaben, 
von Reinigungen und Buͤßungen, von Gebeten 


und Anbetungen , von Feierlichkeiten und Feften 
hatten, als fie Jahrtauſende hegten, und faft als 
‚gemein noch jetzt hegenz fo lange mar es unmöga 
ie daß fie zu richtigen Vorſtellungen von guten 


und böfen Handlungen nun Derbienf, unb Gh, . 
don Zuxechnung · und. Vergeltung gefarigten. 


groben Irrthuͤmer über die Natur der Gottheit, 
and ihrer Verehrung führten unvermeiblid ähnliche 
Serthümer in der Schäßung bed Werths, und 
Unwerths menſchlicher Sefinnungen und Handlun⸗ 


gen mit ſich. Dieß beweist die Geſchichte keiner 


Religion unwiderfprechlicher, als die Geſchichte 
ned Chriſtenthums. Die heiligen Buͤcher der 


‚Chriften Iehrten genan, und vollſtaͤndig, aber 


vergeblich, wie man den wahren Gott ehren, was 
man thun und laſſen müffe, um ſich ber Gnade 
beffelben. wärdig zu machen. :, Schon die Chriften 
ped_pierten Jahrhunderts fingen an, zu glauben,’ 
baß man bie Gottheit durch viele an fich gleichguͤl⸗ 


tige Handlungen entweder verfühnen und gewinnen, 


ober befriedigen koͤnnen. Die Chriften bes fiinften,' 


trau⸗ 


und der folgenden Jahrhunderte fielen balb in dem’ 


die erhabenften Zugenden fehr oft durch die Uns 


gnade, und trafen, die gröften Miffethaten, 


durch die. Gnade und Wohlthaten der Gottheit 
dergolten würden. Wenn die Ehriften ber vorigen 


Zeiten auch in einzelnen Fällen angaben, daß gute 


Handlungen zugleich gute Werke, böfe. Handlung 
gen, böfe Werke feyen; fo hieften fie ſich deßwe⸗ 


gen nicht verbunden, bie einen aus zuuͤben, und die. 
‚ anderen zu meiden. Sie waren vielmehr übers 
zeugt, dag man tugenbhafte Handlungen durch ans 


dere, die es nicht feyen, erſetzen ‚oder dad Ver⸗ 
dienſt derſelben kaufen; ſo wie auf der anderen 
Seite, daß man die Schuld und Strafen böfer 
Handlungen auf Andere übertragen, ober durch 
Gaben, Reiniqungen, Buͤßungen, und andere Ges 


bräuche, welche weber Reue und Beſſerung bed 


Sänders, noch Genugthuung der Weleidigten vers 


fhaffen, tiigen, nnd abwenden könne. Da ich an 
‚ einem andern Orte ausführlich dargethan habe a), 
daß die Chriſten des fünften, und der folgenden 
. Sabrhunderte eben, fo falfche Begriffe von Froͤm⸗ 
migkeit, und Gottlofigkeit, von Tugenden und far 
ſtern, von Belohnungen und Strafen, ald don 


der Natur der Gottheit hatten; fo bleibt mir jet 


weiter nichts übrig, als zu ‚eigen, daß alle nicht 
aufgelärte Chrifiliche Voͤlker bis auf den heutigen 
Tag auf eben die Art irren, wie ihre Vorfahren 

vor Jahrhunderten, und ſeit Jahrhunderten irrten. 


Zu⸗ 


— ihn bes munltat, u wo 
1. 195: 298 ©. 


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traurigen Wahn, hit bloß, bag man Fromm 
ſeyn könne, ohne tugendhaft zu. feyn, fondern dag 


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I Zaerſt ſind die Sriechiſchen, und Morgenlaͤn⸗ | 


biſchen Chriſten ohne Ausnahme uͤberzeugt, daß 


man aller. Tugenden entbehren, allen Laſtern ſich 


ungeſtraft hingeben, und dennoch der Gnade, oder 


Belohnungen der Gottheit fo mohl in dieſem, ale 


in einem andern Leben verfihert ſeyn Tinne, wenn . 


man nur gerolffe Gaben, und Opfer, oder gewilfe 
Meinigungen, und Buͤßungen vornehme. Die 
Johannis⸗ Chriften In Aſien feßen das Weſen des 
Ehriſtenthums in bie jährliche Feier eines Reini⸗ 


gungs⸗ Feftes, das fünf Tage dauert, und kr wel⸗ 


diem Mänger, Weiber und Kinder in einen Fluß 
getaucht, ober mit fließendem Waſſer befprengt 
werben; und dann in bad Opfer einer „Menue, und, 


seines Wirrer⸗ b). Alle Morgenlaͤndiſche, und 
auch die Griechiſchen Chriſten haben ein unbegraͤnz⸗ 
tes Zutrauen zu zwey gleich kraͤftigen Gnaden⸗ und 


Entſuͤndigungs⸗Mitteln: "zu ben heiligen Feuer, 
was am Morabende bed Dpferfeftes Dur ein YBuns 


der in dem heiligen Grabe zu Jerufalem entzündet: 


wird, und bann zu dem heiligen Oehl Myrone, 
welches die Patriarchen.an bie ihnen untergeorbnen 
ten Geiſtlichen, und die Geiftlihen an bie Layen 
‚verkaufen ce). Die Mingrelter, und Georgier ges 
hören nidt bloß zu ben verdorbenſten Chriften, 
fondern zu ben verborbenften Voͤlkern, beren bie 
ältere und neuere Geſchichte erwähnt. Hurereh 
und Ehebruch, Meineid und. Verraͤtherey, Mens 
fhenraub, und Meuchelmorb, Lügen und Truͤ⸗ 
sen, Wucher, umd gemaltthätige. Unterbrüdungen 
ſin errſcherde Laſter aller Gerade, aan 


» Chardin im. 431 p. 
#) Mariti III. 267. Chardia III. 1, 336, 237. 


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fo wohl dei Drvensgeiftlichen, als der Weltgeifts 


lichen dY. Ein Mingrelter oder Georgier mag 


befhwert ſeyn, mit fo vielen, und fo groben La⸗ 


ſtern, und Verbredien, als er will; fo hofft. er 


von der Gnade Gottes, und der Heiligen Berge: 


bung aller feiner Sünden, ja die hoͤchſten Beloh⸗ 
nungen Achter Tugend, und Srömmigkeit, wenn - 


er nur bad Zeichen bes Creutes häufig macht, wenn 
er Schweinefleiſch igt, und Wein trinkt, wenn es 


bie Faſten treulich beobachtet, wenn er eine Kirche, - 
oder Gnadenbild beſchenkt, oder gar nur ein Körm 
hen Weihrauch ind Keuer wirft, und das Feuers. 


becken brey, ober vier Mahle um ben Kopf ſchwingt ⸗). 
Der geöfte Theil der Geiftlichen fo wohl, eis der 
| ayen 


d) Chardin ı. 170. Ne Font fourbes, fripons, 


perfides, traitres, ingrats, [uperbes. ls ont 


une. efironterie ineoncevable a nier ce, qu’ils | 
ont-dit, et ce, quwils gi fait, A avancer, ot _ 
demander plus, qu'il 


ſoutenir des faulletes 
ne leur eft dü, &ä.[nppofer des faits, et à fein- 
dre. . .„ Outre ces vices ils ont ceux de |la 
Ienfnalire les Pie (altes, laveir, livrogsuerie, 
et la luxure, Jls ſe plongent d’autant plus avant 
‚dans ces [aletes, qwelles Iont communes, «€ 


nullement deshönnktes en Georgie. Les Gens 
d’Eglile, comme les autres, lenivrent, 'ettien-" _ 
nent chez eux de beiles Elelaves, dont ils fong - 


des concnbines, 


— 6) Man ſ. Chardin l. e. auch P. 74. 94. Voyages 


au Nord VII 165. 273. 74 Ils ont, heißt es 


VII 165. V. au N., une auise manijere encore 
plus ailee de purger leur confcience, c’et de 
jetter un grain d’encens dans le feu apres !’avoir 
| portd trois oùà quatse tois à l’entour de leur 
Nöte, — a 


| —— un ' . \ 44 5 
und Staͤnde, ſelbſt ber Geiſtlichen, ünd zwar eben 


— . — — — 
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Layen hätt ed für äberäff ĩg, zu beichtene die Ei | 
nen, um ihre Schwacheiten ben Amtöbrüdern - 
nicht befannt werben: gu laflen: ge Anderen, weil _ 


die Beichtvaͤter beträchtliche Summen für bie 
Abfolution fordern, ober wenigfiend erwarten f). 
Nur einige wenige Reiche, und. Vornehme laſſen 
es ſich große Summen koſten, um einen allgemei⸗ 
nen ſchriftlichen Ablaßbrief entweder von einem 
Patriarchen, ober Katholikos, oder Biſchofe ſo 


wohl für die ˖bisher begangenen, als für die kuͤnf⸗ 


tig zu begehenden Suͤnden auszuwirken. Wenn 
ber Beſitzer eines ſolchen Ablaßbriefes bein: Tode 


nahe iſt; ſo gibt man ihm die Urkunde in die Hand, 


in der feften Ueberzeugung, daß die Vorzeigung 
berfelben dem Werftorbenen einen ungehinberten 
Eingang in das Paradies verfchaffen werde g). 
Vielleicht geſchieht noch jeßt in Rußland eben das, 
was ımter der Regierung Peters des Broßen ge⸗ 
ſchah. Zu Druce’s Zeiten ‚nämlich Ah) ‚ertheilten 
‚bie Ruſſiſchen Priefter gegen die- Gebühr einem jes 


den VBerflorbenen ein Eertificat, im melden ed 
hieß, daß Worzeiger dieſes ein frommes Leben ges 


führt, und die Abfolution erhalten habe. Der 


* heilige Petrus möge daher denfelben ohne Hinder⸗ 


niß in den Himmel eingehen laſſen. 


| Diefelbigen Irrthuͤmer finden ſich, oder fan⸗ 
ben ſich in den letzten Menſchenaltern unter allen 


nicht⸗ erleuchteten Katholiſchen Serien. Een 


A Chardin I, 74. 94. 98. 
5) p. 108, 


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din i) traf in Mingrelien vier Theatiner, ald 


wahren Glanben gewonnen hätten, indem man fie 
in Mingrelien nicht einmahl für Chriften halte, 


weil die Zheatiner nicht fo firenge faſteten, nichs 
- fo viel Wein tränten, und ſich wicht fo vor ben 


Heiligenbildern fürchteten, als die Wlingrelier, 


. Die einzige geiftliche Erndte, welche fie biöher ges 


macht hätten, befiche in dem Laufen don Kindern, 


Chardin ſelbſt mar. mehrere. Mahle Zeuge von: 


der Urt, wie der Präfeet der Theatiner das Gas 


. erament ber Taufe verwaltete. Wenn man dieſen 

SGeiſtlichen zu irgend einem kranken Kinde rief; 
ſo ließ er ſich Waſſer bringen, um bie Haͤnde zu 
waſchen. Er wuſch die Haͤnde, ohne ſie zu trock⸗ 


nen, beruͤhrte die Stirn des Kindes mit einem 
ſeiner naſſen Finger, wie er vorgab, um die Krank⸗ 


beit kennen zu lernen, in ber That aber, um das 
Kind zu saufen: In gleicher Abſicht ſchuͤttelte er 


bie naffen Hände über gefunden Kindern, welches 


Schuͤtteln die Eltern für einen bloßen Scherz hiel« 


ten. As Chardin diefed zum erſten Mahle fah, 
amd den Theatiner fragte, warum ex bey.-dem 
Haͤndeſchuͤtteln gelächelt, und was er während Dies 


.- fer Bewegumg hergemurmelt habe; fo antwortete. 


der Miſſionaͤr: es iſt ein Gluͤck, daß wir in diefes' Ä 


Haus gekommen find, in dem ich die Kinder ges 
tanft babe. Auf die fernere Frage: welche Nah⸗ 


men er ben’ Kindern gegeben? ermiederte eu: gar | 
keine, denn ſehr oft wiſſe ex nicht,. ob er Knaben, 
oder Maͤdchen taufe. Die Gebung des Mahınend 


fey 


| 9» 1, 1m, 


N) 


— 447 


Miſſionarien an. Dieſe Bekehrer geſtanden auf⸗ 
richtig, daß ſie auch nicht Einen Menſchen fuͤr den 


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Jann Tau uoepfein, def biefe Lieder in ben My⸗ 


ſterlen ber damahligen Zeit gebraucht worden. 


Allein die weitere Ausführung ber kurz von mir 


., kingeworfeuen Gehbanken gehört nicht hieher, unb 


bleibt einer andern Zeit, und einem andern Orte 
vorbehalten. | 


Eines 


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> j 





Eilftes Buch. 
| Hiftorifche Betrachtungen üser gut Werke, 
befonders über die guten Werke bey den Ge⸗ 


burten von Kindern, und bey Hochzeiten, 
M auch über MWallfahrten. 





Au⸗ nicht⸗ aufgeklaͤrte Wölker vannten bie 
. Gaben und Opfer, bie Reinigungen und Buͤßun⸗ 

‚gen, bie Gebete, und Anbetungen, die Feierlich⸗ 
keiten und Feſte, von welchen ich bisher gehandelt 


habe, bald ihren Gotteſs⸗ oder Götterdienft, bald . _ 


gute, verdienſtliche, gotteöbienftliche Werke, oder 
Handlungen. Man feßte dem Götterdienft, ben 
guten, ober verdienſtlichen Werken, böfe Werke, 
ober Suͤnden, d. h. Beleidigungen höherer Natus 
ren entgegen, wodurch man ihrer: Gnade, und 
Wohlthaten verluftig, ihrer Ungnabe, und ihrem 
Strafen audgefeßt werde. Nach der Denkart 
aller nicht s aufgeblärten Voͤlker waren bie foges 


mern — — — — — —— 


nannten-äutep,-und köfen Werke von guten, und 
Shfen Kaublungen gänzlich werfhleben:. das beißt 
- von folchen Handlungen, woburd die Wohlfahrt 
anderer Meqqen abſichtlich befördert, ober AR 
wird, 


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442 . \ u ' 1 
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wird. Na der herrſchenden Meinung aller Zel⸗ 
ten, und Völker konnte man durch viele gleichguͤl⸗ 
tige Handhungen, welche auf das Gluͤck der Men⸗ 
ſchen weder einen guͤnſtigen, noch einen unguͤnſtigen 
Einfluß hatten, die Gottheit bald gewinnen, ober 


‚ verföhnen, und bald beleidigen. Fa man Fonnte 


fo gar durch bie tugenbhafteften Handlungen bie 


Ungnabe, durch die gröften Verbrechen, bie Guas . 


be, und Mohlthaten der Götter verdienen. Go 


lange die Menſchen ſolche Begriffe von der Gott⸗ | 


heit, und ihrem Dienfte, von Opfern und Gaben, 
von Reinigungen und Buͤßungen, von Gebeten 
und Anbetungen, von Feierlichkeiten und Feſten 


hatten, als fie Jahrtauſende hegten, und fat alle 
. gemein noch jcht hegen; fo lange war ed unmoͤg⸗ 
I daß fie zu richtigen Vorftellungen von guten 


und 'böfen Handlungen —— und Schuld, . 
von Aurehuung-und-Wergeltung gefarigten. DIE 


groben Irrthuͤmer über die Natur der Gottheit, 
und ihrer Verehrung führten unvermeidlich ähnliche: 
Jerthuͤmer in der Schäßung bed Werths, und 
Unwerths menſchlicher Sefinnungen und Handlun⸗ 
gen mit ſich. Dieß beweist die Geſchichte keiner 
Religion unwiderfprechlicher, als die Geſchichte 
bes Chriftenthumd. Die heiligen Buͤcher der 


‚Chriften lehrten genau, und vollfiändig, aber 


vergeblich, wie man ben wahren Bott ehren, was 
man thun und laſſen müffe, um fi) ber Gnade 
deſſelben wärdig zu machen. Schon die Chriften 
des vierten Jahrhunderts fingen am, zu glauben, 

baß man bie Gottheit durch viele an ſich gleichguͤl⸗ 
tige Handlungen entweder verföhnen und gewinnen, 


ober befriedigen koͤnnen. Die Chriften des fünften, 
. und der folgenden Sahrhauberte fielen bald in dem 


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— — 443 


traurigen Wahn, ice Stoß r bag man Fromm 
ſeyn könne, ohne tugendhaft zu feyn, fondern daß 
die erhabenſten Tugenden fehr oft durch die Uns 
gnade, und Strafen, die gröften Miffethaten, 
durch die Gnade und Wohlthaten ber Gottheit 
vergolten würden. Wenn die Chriften ber vorigen 
Zeiten.auch in einzelnen Fällen angaben, daß gute 
Handlungen zugleich gute Werke, boͤſe Handlung 
gen, böfe Werke feyen ; fo hieften fie fich deßwe⸗ 


gen nicht verbunden, bie einen außzuüben, und die. 
‚ anderen zu meiden. Sie waren vielmehr übers 
zeugt, daß man tugenbhafte Handlungen durch ans 


dere, die es nicht feyen, erfegen, ober bad Per: 
dienſt derfelben. Kaufen; fo wie auf ber anderen 
Seite, daß man bie Schuld und Strafen böfer 
Handlungen auf Andere übertragen, ober durch 
Gaben, Reinigungen, Buͤßungen, und andere Ges 
brauche, welche weder Reue und Beſſerung des 
Suͤnders, noch Genugthuung ber Beleidigten vers 


ſchaffen, tilgen, und abwenden fönne. Da ich an 


. einem andern Orte ausführlich dargethan habe a), 


daß die Chriſten des fünften, und der folgenden: 
Jabrhunderte eben, fo falſche Begriffe von Froͤm⸗ 
migkeit, und Gottlofigkeit, Yon Tugenden und Las 


fern, von Belohnungen und Strafen, als von 
der Natur der Gottheit hattenz fo bleibt mir jetzt 
weiter nichts übrig, als zu selgen ‚, daß alle nichts 


aufgeflärte Chrifiliche Voͤlker bis auf den heutigen 
Tag auf eben die Art irren, wie ihre: Vorfahren 


vor Jahrhunderten, und feit Jahrhunderten irrten. 


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») Hiſtoriſche ne img des inelaters eh k w. 
N, 195: 298 ©. 


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Zuerſt ſind die Sriechiſchen, und Morgenlaͤn⸗ | 


bischen Chriften ohne Ausnahme -überzeugt, daß 


man aller Tugenden entbehren, allen Laſtern ſich 
ungeftvaft hingeben, und dennoch her Gnade, . ober. 
Belohnungen der Gottheit fo mohl in biefem, ale 
in einem andern Lehen verfihert ſeyn Lönne, wenn 
man nur gewiſſe Gaben, und Opfer, oder gewiffe 
Reinigungen, und Büßungen vorncehme. Die 
Sohannts s Chriften in Afien feßen das Weſen dee, 
Chriftenthums in bie jährliche Feier eines Reini⸗ 


gungs⸗ Feſtes, das fünf Lage bauert, und in wels 


dem Männer, Weiber und Kinder in einen Fluß 
getaucht, ober mit fließendem Waſſer befprengt, 
werben; und dann in das Opfer einer „Menue, und: 


seines Wirrer⸗ b). Ale Morgenlänbifge, und 


auch die Griechiſchen Ehriften haben ein unbegränzs 


-  ted Zutrauen zu zwey gleich Eräftigen Gnaden⸗ und. 


Entſuͤndigungs⸗ Mitteln: "zu dem heiligen Feuer, 


was am Vorabende be& Opferfeftes durch ein YBuns - 
der in dem heiligen Grabe zu Jerufalem entzuͤndet 


wird, und bann zu bem heiligen Dehl Myrone, 
weldes bie Patriarchen.an bie ihnen untergeordne⸗ 
ten Geiſtlichen, und die Geiſtlichen an bie Layen 


verkaufen. ce). Die Mingrelter, und Georgier ger 


hören nicht bloß zu ben verdorbenſten Chriſten, 
fondern zu ben verborbenften Völkern, beren bie 
ältere und neuere Geſchichte erwähnt. Hurereh 
und Ehebruch, Meineid und. Verraͤtherey, Men⸗ 
ſchenraub, und Meunchelmord, Luͤgen und Truͤ⸗ 
gen, Wucher, und gewaltthaͤtige Unterdruͤckungen 
ſin errſchende Lafter aller er , Alter, 
und 


3) Ehardin im. up . 
#) Mariti Ill. 367. Chardia UI, 1,336, sm. 


Sn 


er 45 


und Stände, felöft der Setftlichen, und zivar eben | 


fo wahl des Ordensgeiſtlichen, als ber Weltgeiſt⸗ 
lichen d). Kin Mlingrelter oder Georgier mag 
beſchwert ſeyn, mit fo vielen, und fo groben Las 
ſtern, und Verbrechen, ald er will; fo hefft ee 
von ber Gnade Gottes, und der Heiligen Werge: 
bung aller feiner Sünden, ja die hoͤchſten Beloh⸗ 


a 


nungen Achter Zugend, und Frömmigkeit, wenn - 


er nur das Zeichen bed Creutzes häufig macht, wenn 
er Schweinefleifh it, und Wein trinkt, wenn er 
"bie Faſten treulich beobachtet, wenn er eine Kirche, 


‚oder Gnadenbild beſchenkt, oder gar nur ein Koͤrn⸗ 


hen Weihrauch ind Feuer wirft, und das Feuers, 


becken brey, ober vier Mahle um den Kopf fhmingte). 
Der gröfte Theil der Geiftlichen fo wohl, «ls der 
Zu Layen 


4) Chardin ı, 170. ‚Is ont fourbes, fripons, 
perfides, traitres, ingrats, ſuperbes lls ont 


une. efironterie inconcevable a nier ce, qu'ils | 


ont-dit, et ce, quwils gt fait, à avancer, eta | 
demander plus; will 


ſoutenir des faulletes 
ne leur et dü, à [uppofer des faits, et & fein- 
dre, © . Outre ces vices ils ont ceux de la 
lenfnalit& les plus ſales, [aveir, livrognerie, 
et la luxure, 113 ſe plongent d’autant plus avant, 
‚dans ces [aletes, quwelles [ont communes, «t 


nullement deshonnttes en Georgie. Les Gens 


WEglife, comme les autres, Denivrent, et tien-" 


nent chez eux de bellos Elslaves, dont ils font 5 


des concubines, 


©) Man f. Chardin I. e. auch p. 74. 94. Voyages 
. au Nord VII, ı65. 273. 74 Ils ont, heißt es 
VII. 165. V. au N,, une auise maniere encore 
plus ailee de purger leur confcience, e’eft de 


jetter un grain d’encens dans le feu apres l’avoir 


paris trois oü quatse tois à l’entour de leur 
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Sayen hält es für überfläffig, zu befchtenz: die Ei⸗ 


nen, um ihre Schwachheiten ben Amtöbrüdern 


nicht bekannt werden zu laffen: bie Anderen, weil _ 
die Beichtvaͤter beträcdhtlide Summen für bie 


Abſolution fordern, ober wenigfiend erwarten f). 


Nur einige wenige Reihe, und Vornehme Lafien 
es fih große Summen koſten, um einen allgemei⸗ 
nen ſchriftiichen Ablaßbrief entweder von einem 
Patriarchen, ober Katholifod, oder Biſchofe fo 
wohl für die-bisher begangenen, als für die kuͤnf⸗ 
tig zu begehenden Sünden auszuwirken. Wenn 
ber Beſitzer eines foldhen Ablaßbriefes. dem Tode 
‚nahe ift; fo gibt man ihm bie Urkunde in die Hand, 
in ber feften Meberzeugung, daß die Worgeigung 
berfelben dem Verſtorbenen einen ungehinberten 
Eingang in das Paradies verfhaffen werde g). 
Vielleicht geſchieht noch jeßt in Rußland eben das, 
was unter ber Regierung Peters Des Broßen ge> 
ſchah. Zu Sruce's Zeiten naͤmlich A) ‚ertheilten 
‚bie Muffifhen Priefter gegen die-Gebühr einem jes 


den VBerftorbenen ein ECertificat, in mweldem es 


hieß, daß Worzeiger dieſes ein frommes $eben ges 
führt, und die Abfolution erhalten habe. Der 
* heilige Petrus möge daher denfelben ohne Hinder⸗ 
niß in den Himmel eingehen laſſen. 


| Diefelbigen Irrthuͤmer finden fi, oder fane 
ben ſich in den letzten Menſchenaltern - unter allen 
nicht⸗ erleuchteten Katholiſchen Epriften. Chan 


| A Chardin I, 74, 94. 96. 
€) l. e. 
A) pP: 108, 





| din i) traf in Mingrelien vier Theatiner, als 


Miffionarten an. Diefe Bekehrer geftanden aufs 
richtig, daß fie auch nicht Einen Menfchen für ben 


wahren Glanben gewonnen hätten, indem man fie 
in Mingrelien nicht einmahl für Chriften halte, 
„. weil bie Theatiner nicht fo firenge fafteten, nichs 
- fo viel Wein tränten, und fi uicht fo vor ben 


Heiligenbildern fürdhteten, als die Mlingrelier, 
. Die einzige geiftliche Erndte, welche fie biäher ges 


macht hätten, befkche in dem Taufen von Kindern. 
Ehardin felbft war mehrere Mahle Zeuge von 
ser Urt, wie ber Präfect ber Theatiner das 6a 
crament der Taufe verwaltete. Wenn man diefen 
Seiſtlichen zu irgend einem kranken Kinde rief; 


ſo ließ er. ſich Waſſer bringen, um die Haͤnde zu 


waſchen. Er wuſch die Hände, ohne fie zu trock⸗ 


nen, berührte die Stien bed Kindes mit einem - 


naffen Finger, wie er vorgab, um bie Krank 
heit Eennen zu lernen, in ber That aber, um das 
Kind zu taufen In gleicher Abſicht ſchuͤttelte er 


die naffen Haͤnde über gefunden Rindern, welches 


Schätteln. die Eltern für einen bloßen Scherz hiel« 


im. Als Chardin diefes zum erſten Mahle ſah, 


und ben Theatiner fragte, warum er bey. dem 


Haͤndeſchuͤtteln gelächelt, und was er während dies 


- fer Bewegumg hergemurmelt habe; fo antwortete 
ber Miſſionaͤr: es ift ein Gluͤck, daß mir in dieſes 
Haus gekommen find, in dem ich die Kinder ge; 
tanft babe. Auf die fernere Frage: melde Nah⸗ 


men er ben’ Kindern gegeben? erwiederte ex: gar 


kelne, denn ſehr oft wifle er nicht, ob er Knaben, 


oder Maͤbchen taufe. Die Gebung des Nahmens 


ſey 
| RL) * 104. 


⸗ 


— TI 


448 en — 
. fep nicht nethwendig. Es (ep geung, wenn man 
einen Tropfen Waſſers anf ein Kind fallen laffe, 
and in ‚Gebanfen die: Zaufformeln herfage. — 
Es iſt bekannt, daß in den großen Städten von 
China an gewifien Tagen Karren umherfahren, 
welche bie ausgefeßtin Kinder aufnehmen, unb vor 
den Thoren abladen. Die Karholifchen Miffionas 
rien unterhielten zwey Chinefen, bie ben Kateche⸗ 
- ten melden muften, : wenn Haufen von Kindern, 
oder and) einzelne Kinder waren abgeläben, ober 
andgefeßt worden. Auf biefe Nachricht eilten bie 
‚ "Ratecheten,, fo viel fie Eonnten, am den flerbenden 
Kindern die Tanfe zu. geben,. in der tröftenben: 
Hoffnung, daß alle diefe Kinder, die fonft wären 
verdammt worden, bed Himmelreichs theilhaftig 
werden würben k), Selbſt die Chriften de6 Mit⸗ 
‚telalter6 waren faum fo verborben, als es bie Por⸗ 
tugieſen, und Spanier in deu Colonien bar neuern 
Welt find /). Im Spanifchen, und Portugiefis 
fen America findet noch eben das GStätt, mad 
man bon ben Chriften bed Mittelalters fagen kann: 
daß nämlih die Geiſtlichen Lafterhafter , als 
die Layen, unter Geiftlichen die Moͤnche Lafterhafs 


ter. als die Bifchöfe und Priefter, und unter ben. . J 


Tönen endlich bie Bettelmoͤnche bey weitem bie 
‚Lafterhafteften find. Die Franciscaner, und Dos 
‚ minfcaner tragen gar Fein Bedenken, bie Gelübbe 
ihrer Orden mit dem aͤrgerlichſten hrevel vor Bi 


N) Lettr, Edif. XIX. 249. 50... . la eonlolation, 
de placer chaque aunee un ‚grand nembre d’en- - 
fans dans le ciel. 


2 Barbinais 1. r5ı - 254, III. 193. 2 69 ot 
p. Frezier4 9.533 et ſq. _ 


\ 


Angen ber gangen Welt gu brechen, und ſich öffent 
lich in allen groben Saftern, und Verbrechen ums 
herzuwaͤlzen. Meuchelmord, Chebruch, Hure en, 
je felbft Gotteslaͤugnung, oder Schändung des 
göttlichen Nahmens find ‚in den Augen biefer vers 


ruchten Menſchen elende Kleinigkeiten. Allein tes 


beswürdige Verbrechen find ed, wenn man an ber 
Unfünblicyfeit des heiligen Stanciscus, "ober an 
irgend einem feiner zahllofen Wunder nur einen 
Augenblick zweyfelt m). Die Poringiefen, und 
Spanier in der neuen Welt mögen gelebt haben, 
wie fie wollen, fo halten fie fi nad dem Zode - 


. nit nur der Crlaffung ihrer Sünden, und ber 


Strafen ihrer Sünden, fondern auch der ewigen 
Seligkeit unfehlbar verfiert, wenn fie nur an 
ihrem Roſencranze gebetet, bie Fefte ber. Heiligen 
präditig gefeiert, Seelenmeſſen geitiftet, Kirchen 
oder Cloͤſter begabt, und befonbers ſich an heiliger 
Stätte, und in dem Drdensfleide bed heiligen 
Stanciscus haben bearaben laſſen 2). So ſeht 
ed au die Kirchen : VBerfammlung zu Baſel vers 
boten hat; fo fahren bach die Franciscaner in den 
Spaniſchen, und Vortugiefifhen Befißungen der 
neuen Welt keck fort, zu behaupten, daß ter h. 


Franciscus alle Sahre Ein Mahl in das Fege⸗ 


feuer 


m) Barbinais l. e. Que l'on renie dien: que l’en 
blaspheine, que les adulteres, et 'des lacrileges 
publics reftent inpunie , ce ne font, que des 
vetilles dans ce pays; ‚mais attaquer St. Fran- 
coie, le Taumaturge du Perou, dire... qu’il 
a pü pecher . loreqm'il etoit fur la terrey c’ell 
un crime digne du feu, - 


| n) U. ce. 
Ff. 


2. — 


450. —— — 
feuer hinabſteige, um alle diejenigen zu befreyen, 
die fi in feinem Ordenskleide hätten beerbigen 
laſſer. Das Hinabfleigen diefed Heiligen in dad . 
Fegefeuer zur Befreyung ber Seelen ift Einer der 
bornehmften Gegenfiände, bie auf den Gemaͤhlden 
- in den Kirchen, und Elöftern der Franciscaner. vor: . 
geftellt werden. Die übrigen Drden ermangeln . 
nicht, ihren Stifter ähnliche Verdienſte zugufchreis 
ben 0). Noch jet verkauft man fo wohl in Spas 
nien felbft, als in ben Spanifchen Befißungen zum 
Beſten des Königlihen Schatzes nicht bloß Todten- 
Bullen, oder Einlaß⸗ Zettel in dad Parabies, 
fonbern aud fo genannte Abfindungs s Bullen p). 
Zür die leßteren erlegt man ſechs von jedem Hun⸗ 
bert aller Capitalien, welche man ungerechter. 
Weife, es ſey, dürch heimlichen Betrug, ober. 
burch offenbare Gewalt, an ſich gebracht bat. 


Die Mahomedaniſche Religion verkehrte die 
Begriffe von Recht, und Unrecht, von Verdienſt, 
und. Schuld nicht weniger, als das ausgeartete 

Chriſtenthum. Es erhellt ſchon allein aus dem. 
Mahomedaniſchen Glaubens⸗-Bekenntniſſe, daß 
— I— man 


0) Frezier l. c. p. 425 26.... et quelgues au- - 
Ä tres r&veries, qui furent condamnees au Con- . 
eile de Basle dans le quinzieme fiecle, à quoi 
ces Moines ont eu peu d’egard au Perou, et 
dans ce, que j’ai vü de Colonies Portugailes; 
car leurs Egliſes font encore pleines de Tableaux, 
goi repre[entent cette annuelle delcente de St. 
rancois au Purgatoire; les autres ordres ne.di- 
fent par meins de leur Patriarche, 


p) Bulles de morts, Bulles de compoßtion, de 
Eops. III. 38-41, p, | \ 


= 


— — 451 

man alles bas, was biefes enthält, annehmen, 
und thun Fann, ohne Eine aͤchte Tugend zu ber 
fißen, ‚oder Einem Lafter zu entfagen. Nach dem 
Symbolo der Sunniten muß man zuerſt glauben; 
daß Fein anderer Gott, ald Gott, und daß Mahomet 
fein Prophet, oder Geſandter fer. Dann muß 
man fünferlen Dinge thun: nämlich die vorgeſchrie⸗ 
benen cörperlihen Reinigungen vornehmen, zur 
rechten Zeit beten, Allmofen geben, in Monath 
Ramadan faften, und wenn man ed irgend ver: 
mag, nad) Mekka wallfehrten. Die Schiiten füs 
gen noch einen achten Artikel hinzu: daß nämlich 
Aly der Statthalter Gottes ſey g). Unter allen 
Mahomedanifchen Völkern ift nichts gemeiner, als 
unnatürliche Siebe, Worenthaltung und Entwer⸗ 
dung andertranter, ober Öffentlicher Gelder, fals 
fe Zeugniffe und Eide, Beftechlichkeit von Rich⸗ 
teen, Menchelmord und Manb, Unterdrückung 
und Verfolgung von Anvdersdenkenden. Die Dias 
homebanifchen Scriftgelehrten unterfagen dieſe Las 
fer und Verbrechen nicht allein nicht, fondern mas 
hen fogar bie gehäffigften derfelben, falfehe Zeugs 
nifie und Eide, Bundbrüdigkeit, Meuchelmorb; 
und Verfolgungen zu verdienftlichen Werken, wenn 
fie gegen Chriften , und andere Ungläubige, befons 
bers gegen die Perfer, geübt. werden vr). Diejeni⸗ 
gen , die nach dem Ruhme einer befondern Froͤm⸗ 
migfei ſtreben, beten haͤufiger, und faſten ſtren⸗ 
g8gier/ 


9) Chardin IV. 4 Tournefort II, 40. SR ©, 
204 - 208, 


r) ghardin III. 48. Ricant p. 40. 174. 219 et 
in P. 
Sf2 


452 , — 


ger, als das Geſetz verlangt, in ber Meinung, 
daß ſie ſich dadurch außerordentliche Verdienſte er⸗ 
werben. In derſelbigen Abſicht übe man auch 
Werke der Mildthaͤtigkeit, und unternimmt Waͤll⸗ 


fahrten. Zu den erſteren rechnet man die Er⸗ 
 bauung von Moskeen, und Caravanſerai's, von 


Baͤdern, VBrüden und öffentlihen Wegen: die 
Srrihtüng von öffentliden Brunnen, Schulen, 
und Hospitaͤlern: von Buben, Speifeanftalten 
und Wohnungen für Arme. Die Schulen, Nofpis 
taͤler und Speifeanfialten für Arme’ find meiflend 
mit reihen Moskeen, die leßteren bisweilen auch 


mit den Earavanferai’S, oder Hand verbunden s). 


So gemeinnüglih mande Yon biefen Stiftungen 
auch find, foift es nichts defto weniger eine gerechte 
Klage aller guten Beobachter, daß durch die unges 
meſſene gotteädienftliche Mildthaͤtigkeit der Maho⸗ 
medaner der Muͤſſiggang von vielen Tauſenden 
nichtswuͤrdiger Bettler unterhalten, und befoͤrdert 


wirdet). Faſt für noch verdienſtlicher, als die 


Werke der Mildthaͤtigkeit, haͤlt man Wallfahrten 
nach Mekka und anderen heiligen Oertern. Pils 
grimme, welche die Wallfahrt nad) Mekka, und 
. Serufalem gemacht haben, werben als Heilige 
verehrt u). Da bie menigften Mabbomedaner TA) 
N . J € 


\ 
/ 


s) Ricaut p, 209, Rleemann ©. 7, 
£) Chardin IV, 149 In’ a pas de pays au 


monde, ou l’on voye plus de Pauvres, que dans 


les Etats Mahometans; et pärmi tous les autres, 
la Perle en a beaucoup, queigu’un peu moins, 
qu’aux Indes, qu’on peut dire, qui eftle Pais 
des Pauvres, | | 


‚ a) Lettr, Edif, IL, 1702. N. x. 


Mekka wallfahrten koͤnnen; ſo beſuchen ſie entwe⸗ 
der andere Gnadenoͤrter, ober fie kaufen auch von 
Pilgrimmen das Verdienſt, was mit der. Wall⸗ 


| fahrt nach Mekka verbunden iſt. In allen Maho⸗ 


| 


‚ mebäntfchen Ländern, befonberd aber in Arabien, 


finden ſich viele Gräber von Heiligen, welche io 
aus nahen, und fernen Gegenden beſucht. 


“mehrere ſolcher Gräber haben fich —S — 


Städte, unter anderen Loheja, und Beital Fakih 
gebildet x), Man mag aber die Wallfahrten nah 


-Mekla,. und anderen fehr entfernten Gnabendrtern 


in Perſon machen, oder das Verdienſt berfelben 
von Anderen kaufen; fo fehaden ſolche Wallfahrten _ 
nicht bloß dadurch, daß fie indenen, melde fie vers - 


‚sichten, ohne bie.geringfie Sinnes- Aenderung, 


und Lebend⸗ Beſſerung einer Wahn von Meinigs 
Zeit, und Öottgefälligkeit erzeugen. Sie zerflös . 
ven Aberbem das häusliche Suͤck, die Geſundheit, 
and das Leben von vielen Tauſenden, ober begüns 
ſtigen wenigſtens den Hang zum frommen Muͤſſi⸗ 
gange, ber ohnedas ſchon unter. den Morgenlaͤndi⸗ 
ſchen Voͤlkern ſtark iſt y. Die Schriftgelehrten 
der übrigen Mahomedaner behaupten, daß das 
Gebot, nah Mekka zu wallfahrtea, alle diejenis 


gen verbinde, bie ſich an einem Stabe erhalten Eins 


nen, wenn fie auch gar nichts, oder nur fo viel 
im Vermoͤgen hätten, als ein einfaches. Trink⸗ 


Geſchirr werth ſey 2 Die Peſiſchen Ausleger 


des 


æ) Niebuhrs Reiſen J. 3z18. 
y) Chardin IN. 174, 175 Niebuhrs Reiſen II. 
178. © 
2) IV. 174. 


’ 
“ ‘ 4‘ 


des Korand hingegen‘ baſcheinken die Pflicht —9— 
Mekka zu wallfahrten, auf mancherley Art, weil 


die Perfer fo wohl von ben Türken, als von ben 
Arabern/ bey jeder Gelegenheit gemißhandelt, und 


anögepländert werben. Nach den Ausfprüden 
ber‘ Imans, odey der erfien Nachfolger Maho⸗ 
mets verbindet das Gebot des Propheten, Mek⸗ 
ka zu beſuchen, nur diejenigen, die in vollkomm⸗ 
ner Geſundheit ſind und Vermoͤgen genug be⸗ 


ſitzen, um alle ihre Schulden zu bezahlen, um den 


Zrautes oder die Ausſtattung der Frau, und 
den Unterhalt ihrer Familie fuͤr ein ganzes Jahr 
zu ſichern; um fuͤnf hundert Thaler auf die Reiſe 
mitzunehmen, und außer dieſen fo viel Geld übrig 
zu behalten, als noͤthig iſt, das unterbrochene Ge⸗ 


werbe wieder anzufangen. Mer nicht fo viel Ver⸗ 
moͤgen beſitzt, daß er alles dieſes leiſten kann, bat 


gar nicht noͤthia, Mekka zu befuchen. Wenn es 
. mand zwar hinlaͤngliches Vermoͤgen, aber nicht 
Geſundheit genug hat, um die langwierige und bes 


ſchwerliche Reife zu machen; fo muß er einen Ans 


dern in feinem Nahmen nach Mekka ſchicken, oder 
son foldhen, melde die Wallfahrt ſchon gemacht 


haben, bad dahurch erworbene Verdienſt kaufen. 
Es finden ſich in Perſien, wie in anderen Maho⸗ 


medaniſchen Laͤndern, zahlreiche Haufen von Muͤſ⸗ 
ſi agaͤngern, die Hr ganzes Leben damit hinbringen, 
daß ſie im Nahnen von Anderen nach Mekka wall⸗ 
fahrten. Alle Pilgrimme, beſonders diejenigen, 


die im Nahmen von Anderen, oder auf Specula⸗ 


tion nah Mekka wallfahrten, laſſen ſich in der 
heiligen Stapt‘ foͤrnliche Documente daruͤber aus⸗ 
ſtellen, daß ſie ihre Pilgrimmſchaft gehoͤrig volles 
det haben. Der Ankauf ſolcher Documente, und 


des 


— — | 455 


des damit verbundenen Verdienſtes koſtete zu Char 


din's Zeiten fiebenhunbert bis taufend Franken a). 
Faſt fcheint es, als wenn der Preis biefes heilis 
gen Werks in neueren Zeiten fehr gefallen fey, weil 


Herr Niebuhr erzählt, daß man damahls, als 


er in. ben Morgenlaͤndern war, flellvertretende 
Wallfahrter für eine Kleinigkeit erhalten konnte b). 


Wenn Jemand ftirbt, ber die Wallfahrt nach Mek⸗ 


Ta nicht gemacht hat, und Bermögen genug nach⸗ 
laͤßt, um einen Andern die Wallfahrt machen zu 


- Yaffen; fo beforgt die weitliche, oder geiftlihe Dbrige 


Feit dieß heilige Werk im Nahmen des Verftorber 
nen, gefeßt auch, daß die Anverwandten nicht gea 
neigt ſeyn follten, es zu thun. Perſer, melde zu 
Chardin's Zeiten die Wallfahrt nach Mekka in eis 
gener Perfon machten, brauchten zu biefer heiligen 
Reife wenigſtens zweyhundert Louisdor: Vorneh⸗ 
me und Reiche, hunderttauſend Livres, und noch 
mehr, wegen der vielen Allmoſen und Abgaben, 


bie unter Weges gegeben, und entrichtet werben 


müflen. 


Kein anderes Volk ber Altern, unb neuer 


Zeit mar fo religiös, und bey aller feiner Religion 


ſitaͤt fo tugendleer, als die Hindus c). Auch diefe 


religiöfen, und tugendleeren Hindus glauben, daß 
fie. nur duch Werke der Mildihätigkeit, und froms 

Ä me 
5) 3, 198, Reifen 5 | 


ey Weber den Charakter und die Eitten der Hindus 


fehe man meine Betrachtungen über die Fruchtbar⸗ 


keit, u. ſ. w. von Aſien J. 250 u. f. &, Ton- 
pauit I. 368. II, 374. 375, 


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me Stiftangen, durch Reinigungen und Bükunden, 


durch ‚Gebete, und Anbetungen, durch Feſte und 
Wallfahrten die Gnade der Götter erfangen, und 
die Ungnade derfelben verföhnen Tonnen. Wenn 


auch die Hindus in Allmofen, und gostesdienftlis 


Hei Stiftungen hinter anderen Nationen zuruͤck⸗ 
bleiben, fo kann man dodyguperfichtlich behaupten, 
daß ſie durch die Menge, und Beſchwerlichkeit, 


oder Peinlichkeit ihrer Reinigungen, und Buͤßun⸗ 


n, ihrer Gebete und Anbetungen, ihrer Feſte, 
und Willfahrten alle uͤbrige Voͤlker der Erde ohne 


Vergleichung uͤbertreffn. Die Hindus begnügen 


ſich nicht damit, Walliahrten zu unternehmen, bie 
Tauſende von Stunden betragen, und während bies 


fer Wallfahrten ihre Weiber und Kinder zu vers 


off n, ihre Gefchäfte, oder. Memter zu vernach⸗ 
Yöffigen. Si: machen Wallfahrten von drey huns 


dert Stunden in unaufhoͤrlichen Profternationen d), 


fo, daß fie immer den Fuß da hinfeßen, wo fie 
mit dem Geſichte die: Erde berührt haben. Die 
großen Caravanen, bie jährlid) aus Afrika, und 
Aſien nah Mekka aufbrechen, beftehen freylich 
auch aus Hunderttauſenden von Pilgrimmen. Al 


lein in Hindoſtan ſchwaͤrmen unaufhoͤrlich Hundert⸗ 


tauſende, ja Millionen von Fakirs, und anderen 
Buͤßern umher, deren ganzes Leben eine ewige 


Pilgrimſchaft iſt, und ganz allein entweder bard) 
Allmoſen, ober durch offnbaren Raub gefriftet 


wird. Das Betteln.der Indiſchen Büßer ift fehr 
oft von offenbarem Raube bloß durch deu Nahmen 


bverſchieden. Sie ſetzen ſich nicht felten vor bie 


Haͤuſer von Reichen und Wohlhabenden hin, und 
freien fo- lange, bis die Eigenthuͤmer ſi ſich m 
thnen 

4) Lettr, Edif, xu. 4. N, X. 





| | 7; 
timen- abgefunden haben pr). Zu ben berühmteften | 
Wullfahrts :Dertern firbmen das ganze Sahr durch 


täglich viele Laufende von Pilgrimmen zufammen, 
and man rechnet zum Beyſpiel, daf in dem Tem: 


pel des Gottes Jagrenat allein täylih zwanzig 


Tauſend Pilgrimme gefpeist werben. Die Schaa⸗— 
ren von Fakirs, und anderen Pilgrimmen, die 
von Jagrenat zuruͤckkehren, verheeren, oder brand⸗ 
ſchahen ganze Provinzen. Da bie Pilgrimme, wie 
alle übrig: Hindus, von verſchiedenen Secten find, 
fo liefern fie einander bisweilen biutige Schlach⸗ 
ten f). Mir Redt alfo fahen die neneften, und 
ſcharfſinnigfſten Beobachter bie sahllofe Menge von 
umbherftreifenden Büßern, als eine Haupturfache 
bes Elendes ber meiften Provinzen von Hindoſtan, 
und als Eins der vornehmſten Hinderniffe des mies 


‚beraufblühenden Wohlftandes biefer von der. Ma} 


tür fo fehr beguͤnſtigten Länder ang). Man muß - 
daruͤber erftaunen, daß bie Hindus ihre beſchwer⸗ 
n, oder peinlichen Reinigungen, Buͤßungen, 
Willfahrten und Anbetungen fo hartnaͤckig beybe⸗ 
halten, da ihre Religion ihnen ſo viele andere 
leichtere Mittel der Entſuͤndigung, und der See⸗ 
ligkeit darbietet. Jeder Hindu kann ſicher hoffen, 
von ſeinen Suͤnden befreyt, und nach dem Tode 
ſelig zu werden, wenn er entweder an Einem der 
vielen heiligen Oerter, oder mit einem Kuhſchwan⸗ 
ze in der Hand ſtirbt, oder wenn er ſterbend mit 
halbem Leibe in den Ganges gelegt, oder mit ei— 
— nem 


e) Niebuhrs Reifen II. 73 ©. 


N Vtiebube lc, Daw V. IL DIE; pı,7. et fg 
Tavernier II. 69. 78.1758, 


g) Tennant II. a462. | 


433 — — 


nem Zweige bed Baumes Tuloschi beſpreugt, oder 
‚ nad. bem Tode in den Ganges geworfen wird h). - 
Die heiligen, Oerter, die den Sterbenben unfehlbar 
die Seligkeit verfchaffen, find nicht alle von gleis 
chem Umfang, und gleicher Wirkfamfeit. Einige 
haben nur eine Wiertel s Mteile, Andere zwölf 
‚Meilen im Durchmeſſer. Die einen verfeßen in 
‚bie niederen, die anderen, in höhere, ober hie 
hoͤchſten Stuffen ves Himmelsi). Auch die Bei - 
te, als Entfündigungs s Mittel if den Hindus 
nicht unbefannt k). In dem Chriftentkume, wel: 
ches Europaͤiſche Miffienarien dem Auswurfe aller 
Indiſchen Eaften verkünbigten, hatte nichts einen 
fo mächtigen Reig für dieſe Verftoßenen, als bie 
Beichte uub Abſolution. in Indiſches Weib 
wunberte fi nicht wenig, als ein Miffionar ihr 
nach der Beichte nicht gleich die Abſolution ertheil⸗ 
te. Warum, fragte fie, fol ich denn beichten,. 


wenn ich nicht nad; Belieben fündigen darf? Aehn⸗d 


liche Allmofen und Stiftungen, Reinigungen, un® 
Büßungen, Gebete und Anbetungen, Feſte und 
MWallfahrten, auch ähnliche Begriffe yon allen dies 
fen gottesdienftlidyen Handlungen, wie unter ben 
Hindus, fanden, und finden fich unter den Thibe⸗ 
tauern, und anderen Voͤlkern des sftlichen Aſiens l), 
‚unter den Parfen in Hindoſtan und Perfien m), 

| Z. uns 


A) Ezour- Vedam II, 19t, Rogers II. i8 C. 
Hm 0. 
k) Lettres Edif, IX, p, 54. 235. . 
. 2) Georgi p. 458, Carpin p. 340. — 
m) Churchill VI, p, 336. Hanvay I, 263. Tavers 
nier I. 397. — 


, 


BE Ve Tee 


= u... 


unter den Siameſen, Peauanern, Chineſen, und 
Sapanefen.n). Nach den Hindus ift kein Volk des - 
Sftlichen, und fühlihen Aſiens gottesdienſtlichen | 
- Wallfahrten mehr ergaben,. als die Japaneſen. 


Die meiften Wallfahrten geſchehen nach Isje, dem 
Geburts s.und Sterbeorte bed vornehmften Natio⸗ 


nal⸗ Gottes Tenfio s Dai. Die frommen Vers 
.ehrer diefed Gottes machen biefe MWalltıhrt jährs 
ud), oder doch in, ihrem Leben Ein Mahl, - Die 


Pilgrimme, melde nady Asje kommen, erhalten 
als Ablaß, oder ald Urkunde einer vollkomme⸗ 
neu Entfündigung laͤnglichte Kaͤſtchen, vol von 
Heinen hölzernen Stäben, Ste mit Papier umwun⸗ 


den find. Aus begreiflichen Gründen behalten dieſe 
Köftchen ihre fündenreinigende Kraft nur auf Ein 


Sahe. Wer dur Krankheit, ober andere Urfas 


— 


chen gehindert wird, den Ablaß in Isje ſelbſt ab⸗ 


zuhohlen, kann ſich denſelben gegen gebuͤhrende 
Zahlung ſchicken laſſen; und die Ablaß⸗ Kaͤſtchen 


von Jsje werben daher durch das ganze Reich vers 


Jandt 0) Die Mongolen, welche Carpin im 
dreyzehnten SSahrhunbert befuchte, machten ſich gar 

: fein Gewiffen daraus, zu. morden, zu rauben, und 
andere Ungerechtigkeiten auszuüben 2). Allein ſie 

| vie au 


n) Loubere L: 58:1. 387. 393. IL, 28. Hamilton II. 
56. Le Comte I. 167. Rämpfer, 262. sTB- 208. 
⸗ 299. 


0) Bämpfer 1. ce. 


\ J 


| p) VII 340, Voy. au Nord. Mais de tuer les hom- 


mes, d’envahir les ‚pays d’autrni * de faire in. 
jure, et tort aux autres,. - ils n’en font aucu- 


che. 


‘ 


ne conlcience, et ne tiennent point cela a pe- 


460 — — 


hielten es fuͤr ſchwere, ja ſelbſt tobeswuͤrdige 


Suͤnden, wenn Jemand ein Meſſer in's euer 


ſtecke, oder das Feuer im Geringfien damit bes 
ruͤhre: wenn man Fleiſch mit einem Meſſer aus 


dem kochenden Keſſel hohle, ober in ber Naͤhe des 


Feuers Holz hacke: wenn man ſich auf eine Peit⸗ 
ſche ſtuͤtze, oder Pfeile an eine Peitſche bringe: 

wenn man junge Voͤgel fange, oder ein Pferd mit 
dem Zügel ſchlage: wenn man einen Knochen mit 
einem andern breche,. oder Mil und auberes Ges 


J traͤnk verſchuͤtte, oder Fleiſch auf die Erde werfe: 
wenn man endlich innerhalb ſeiner Wohnung ſein 
Wuaſſer laſſe. | 


Die Neger 4), bie Kamtſchadalen rn); und 
man fann fagen , alle übrige wilde Voͤlkerſchaften 
wiſſen Bis auf den heutigen Tag, wußten mwenigs 


 ftens bis auf die Bekanutſchaft mit den Europäern 


— 
‘ . 
— —— — — 
— — 
- s 


nichts davon, bag Mord, und Zodtfhlag, Ehe⸗ 


bruch, Hurerey, und felbft unnatärlihe Luͤſte, 
Raub und Diebftahl, Meineid und MWortbrüdigs 


"Leit unerlaubt feyen. Dagegen glaubten bie Ne⸗ 


ger, ſich fehr ſchwerer Sünden theilhaftig zu mar 


‘hen, wenn fie von verbotenen Fleifh Aßen, und 


bie Kamtſchadalen, menn fie in heiffen Quellen bas 
beten, ober nur nahe hinzugingen : wenn fie außers 
halb der Wohnung ben Schnee mit Meffern von 


deu Schuhen abſchabten: wenn fie im Winter mit 


bloßen Füßen aus ihren Jurten herausträten: 
wenn fie eine Kohle mit einem Meſſer .anfpießten, 


um Taback anzuzuͤnden: wenn ſie Fiſche, und 


Fleiſch 


) Bosemann S. 189. ' 


r) Steller ©. 274 275: 099: 205, 


> ’ 


\ . { u f . . 
ale CX 461 ⸗ 


| leiſch in Einem Keſſel kochten: wenn ſie den er⸗ 


en Fuchs in die Huͤtte truͤgen, und dem erſten 


Seebiber nicht gleich den Kopf abſchnitten: wenn 


fie bey dem Hereintragen eines friſchen Zobelfells 


‚tn die Hütte ſaͤngen: wenn fie eine Otter in bie 


Jurte trügen, und nicht hereinfchleiften: \ wenn fie 


anter Weges ein Meffer, ober ein Beil ſchaͤrften: 
wenn fie im Winter naßgewordene Schuhe an einen 


Pfahl ſteckten, um fie zu trorkknen: wenn fie in die 
Fußſtapfen eines Bären trätens wenn fie. dem 


Beyſchlaf in einer horizontalen, und nidt in einer 


fehiefen Lage, mie die Fiſche verrichteten, u. f. w. 
Die Kamtſchadalen hielten alles dieſes für Sünde, 
weil ihrer Meinung nach bie Götter dadurch beleis 


digt, und dann Yon den erzürnten Göttern entwes 
der Sturmwinde, ober Krankheiten erregt, ober 


Jagden und Fifchfänge vereitelt wuͤrden. 


Unter den glücklichen Begebenheiten des menfihs 


\ lichen Lebens, welche man höheren. Naturen zus 


fehrieb, veranlaßte Feine andere eine fo große Man⸗ 
nichfaltigkeit von guten Werken, oder von gottes⸗ 
Bienftlichen Handlungen, als bie Geburt von Kin⸗ 
bern. Kine der natuͤrlichſten und allgemeinſten 
Wirkungen waren Dantopfer, . welche man bald 
guten, bald böfen Goͤttern brachte, den erfteren, 
weil fie die glüädliche Geburt von Kindern befoͤr⸗ 
dert, den anderen, weil fie diefelbe nicht gehindert 

hätten; und dann Opfere Mahlzeiten, an welchen 


‚man fi) mit feinen Angehörigen, Freunden, oder. 


Rachbaren bes Glücks erfreute, welches die Goͤt⸗ 
ter den Eltern hatten wiederfahren Laffen. Selbſt 
bie röheften Völker vpferten, oder wpfern nach den 

. ‚ 1 z “ Sa 


Pr 


- x 


463. b | — — u 


Geburten von Kindern 5); und halten feſtliche Freu⸗ 


denmaͤhler. Die Freudenmaͤhler dauerten fo wohl‘ 
‚unter ben Mahomedaniſchen, als Chriſtlichen Voͤl⸗ 


Teen fort, nachdem die Dankopfer ſelbſt lange auf⸗ 
gehoͤrt hatten. Die Mauern ſchlachten am ſieben⸗ 


ten Tage nach der Geburt von Kindern ein Lamm, 
und verzehren ed mit ihren Anverwandten. Die 


Mingrelier halten feftlihe Schmäufe für einen fo 


‚wefentlichen Theil ber Taufe, daß fie ihre Kinder 


nicht eher taufen laſſen, als bis fie dem Geiftlis 


ben, und ihren Anverwandten und Freunden mes 


nigſtens ein Schwein zum Beten geben Tonnen. 
Die. Kinder von Armen bleiben daher häufig unge⸗ 


tauft, weil felbft die Geiftlichen die Taufhandlaung 


nicht vornehmen, wenn fie nicht wach Wären bes 
wirthet werben H· 


N Nicht weniger allgemein, and naturrlich als 
Dankopfer, und Freudenmaͤhler, warm nad ben 


Geburten von Kindern gottesdienftlihe Reinigun⸗ 


gen, weburd) man ſich von ben zugezogenen Flecken 


zu fäubern glaubte. Wenn die älteren, und neues- 
zen Völker in Anfehung der Reinigungen nad): ber 


‚Geburt von Kindern von einander abwichen; fo 
war es vorzüglich darin, daß die Einen nur bie: 
Mütter, und Kinder, Andere auch die Haͤuſer, 
unb das Haudgeräth reinigten: daß ſie die —* 

| nerin⸗ 


s) Die Neger, Bosmann ©, 524. Die ameriea⸗ 
ner, Charlevoix Journal p, 289, Die Heidniſchen 
fo wohl mongolifchen, ale Xatarfchen Völker in 
Sibirien, Muͤller II, 375. Georgi's Reiſen 
©. 13. 310. 597. 600. 


D\ Voy. au Nord VI]. 247. 


nerinnen nicht all gleich lange für unrein hielten: 
daß Einige die Reinigungen der Kinder glei u), 
Andere erfi.eine gewiſſe Zahl von Tagen nach ber 
Geburt dornahmen x): Daß man enblid in ei: 


nigen Gegenden Mütter und Kinder bloß durch | | 


Mafchungen, ober ‚Untertaudhungen, anderswo 
auch durch Weihrauch, und andere Reinigungsmits 
- tel luſtrirte j)). Manche Meger erkennen Reini: 


gungen ihrer Frauen ſchon alsdann für nöthig, 


wenn fie die erften ficheren Kennzeichen von Schwan⸗ 
gerfhaft in ihnen entdecken. Mad) diefer Gewiß⸗ 


heit führen fie ihre Frauen an dad Meer, um fie. 
unterzutauchen. : Die armen Weiber müfjen fi ges 
fallen laſſen, daß fie während des Hinganges au 
das Meerufer von ben jungen Leuten benderley 
Geſchlechts mit alleriey Unfauberkeiten beworfen 


werben. 2). Die Brahminen halten Ihre neugebohr: 
nen Kinder gehn Lage lang für fo unrein, daß fie 
dieſelben von Riemanden, als von denen, welche 


die Kinder warten muͤſſen, beruͤhren, auch Nie⸗ 


manden in ihre Haͤuſer kommen laſſen. Am zehn: 


ten Tage laſſen fie alle weiſſe Kleidungsſtuͤcke war 
ſchen, alle irdene Gefaͤſſe zerbrechen, und die me⸗ 


tallenen ſorgfaͤltig ſaͤubern. Am zwölften Tage 
machen ſie ein Feuer an, in welchem Weihrauch, 


2) 3. B. die Neger, Moore p, 92. 94. 


x) Man ſ. den Abjchnitt von den Reinigungen, auch 

Naogers I, c. 7. von den Keinigungen der Kinder 
ber Brahminen: über die Reinigungen der Kinder 
im alten Scandinavien, Maller p. sog. fo wie der 
Parien, Tavernier 1. 391, 


y) Dow ‚"Preface p. 33, 
2) Bosmann 250 ©. | u 


| 
und 


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| 


| | 
[4 


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% 


464 . \ — um 
And andere Dinge verbrannt werben... Men ficht 


die Erlöfchung dieſes Feuers gleihfam als die Voll⸗ 
endung der Luſtration bes Kindes an a). 


t 


Sehr allgemein waren ferner ſolche gottes—⸗ 


dienſtliche Handlungen, wodurch man von neuge⸗ 
bohrnen Kindern boͤſes Zauberwerk, und andere 
Unfaͤlle abzuwenden, oder Gluͤck und Heil auf die⸗ 
ſelben zu bringen hoffte. In beyden Abfichten be⸗ 


haͤngten faſt alle Voͤlker ihre neugebohrnen Kinder 


mit Fetiſchen, ober Amuleten 6), und bewteſen 


die groͤſte Sorgfalt in der Auflegung von Nah⸗ 
men, indem man uͤberzeugt war, daß gewiſſe Nah⸗ 
men Gluͤck, andere hingegen Ungluͤck braͤchten. 


Einige Nationen gaben ihren Kindern bie Nahmen 


von Göttern, in der Meinung, daß bie Götter 
ſolche Kinder in ihren befondern Schuß nehmen, 
würden c): Andere, von Thieren, deren gute Eis - 
genfchaften fie den Kindern wünfchten d): ober von 


- Nahrungsmitteln, um ihnen einen Ueberfluß des | 


von zu verfchaffen 2): oder endlich bon Voreltern, 


‘ damit die Geiſter derfelben die Kinder bealücken, 


oder ihre Tugenden auf bie Kinder übergeben möchs 
| | Ä ten. 


F Kogers 1. c 

5). Hiervon wird unten gehandelt werden. Man f. 
vorläufig von den Hindus, Dow I, e. von den 
Negern, Bosmann, 154 © 

ce) Somneratl,12.6. . 

d) Die Nege:, Botmann ©. ar. Cavazzi 1. 376. 


Die Americaner , Charlevoix p. | die Oſtiaͤken 
Voy. au Nord VIII, 394, P Pr ‚ 


4) Cavazzilıc, : 


_ 


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[4 


ten fi Br Hinter. uunruhtg find; oder krank 


werben, fo fuͤrchtet man häufig, daß biefes vou ih⸗ 
ren Nahmen herruͤhre, ober daß: fle ‘von ben Wels 


ſtern dei Vorfahren; und Xhleve, derin Nahmen 
fie tragen, "geplägt werben g). Wlan ändert als⸗ 
doun bie Nahmen, und ſchafft wohl gar einzelne 


. Mahmen, denen man große Unfälle zuſchrelbt, zaͤng⸗ 


lich ab. In eben der Abſicht, in welcher man 
Kinder von Goͤttern, oder von Vorfahren benennt, 
nehmen‘ die Maͤmer unter den- Negern 4), und 


den Caralben i), die Nahmen vornehmer, oder 


beruͤhmter, und mächtiger Europäer an. Der 


Wahn, das Gluͤck, was mit gewiffen Nahmen vers 


bunden iſt, gu geben, und zu erhalten, iſt faſt ges 


wiß Ser Grund der befannten Sitte der Suͤd⸗See⸗ 


Inſulaner: ihre-Nahmen mit den Nahmen yon 
Europäern, die zu ihnen kommen, zu bertaufchen. 
Unter den meiften rohen Völkern herrſcht die Ger 
mwohnheit, daB Männer ven merfwärbigen Tha: 
ten, welde fie verrichten, ober von merkwuͤrdigen 
Begebenheiten, bie ihneh auffioßen, Nahmen ers 


halten, ober ſich fetbfk beylegen k). Die Amiale 
nie von neuen Rahmen geht befonberd unter den 
Negern ſo weit, dag] Einige zwanzis, und md 


x » 


f ) Charleroix I, e. - 
g) Stelles, Bomann, u. Charlevoiz u. ec; 
A) Bosmann, und Cavaszi ll. cc, Sn 


3) Labat VL 135 


k) Unter ben Ne den —— den Eins 
wohnern von Sumatra, ſ. Bobmann umb Char 
-levoix li. cc. Märsden p. 249. - 


W 88 


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rexa Nahmen führen. Die Traͤger folder Ehrem 
anhmen. nennen ſich ſelbſt falten, erwarten aber von 
Anderen, daß bdieſe ſie bep.benfelben aeunen. Hin⸗ 
gegen redet man faſt: unter allen rohen Nationens 
 Befauyte ſelten, ober. memahls bey ihren erſten, 
aber wahren Rahman, ſondern bey irgend einem 
Verwandtſchofts⸗Rahmen, als: Better, Schwa⸗ 
ger, Geyatter, n. ſ. w. an. Man flirchtet, bag 
bie, Geiſter der Vorfahren, ober bee Thiere, der 
sen Nahmen Perſonen führen, gerade in dem Aue - 
genblicke, wo man ihre Rahmen ausſproͤche, das 
durch koͤnnten gereigt werden. Viel ſchwerer zu 
axklaͤren, als alle bisher erwähnte. Gewohnheiten/ 
ſſſi die Sitte, vermoͤge deren bie Vaͤter, ud Min - 
ter anf Qumatwar ſo hald fie Shhmeruib: Töchter 
exhalten, ‚Ihre bisharigen Nomen ablegen, nu 
ſich von ihren Kindera, Vater. deß nad deß, Mut⸗ 
ter den und der, gun nennen anfangen. ). Wenun 
may unter ungebildeten Völkern überhaupt unbes 
deutende Nahmen, das heißt, Tele Mahınen 
wählt, wodurch man.den Kindern weten Glück zus 
wenben, aoch Unglück von ihnen abwenden will; fo 
find es biefenigen,. welche mas entweder von den 
Raugarbnung, in welcher Kinder gebohren were 
den, oder von irgend einer Eigenheit derfelben her; 
genommen hat, und hernimmt m). 
u Ä Ans 
ee — 
h Mndnlu cc. 
m) So z. B. die Oſtiaken. Voy. sa Nord, €. Quel- 
qQuefois ils les nomment fuivanı le rang de leur 
°” "nailfahce, V’aine, celni du milieu, le plus jeu-_ 
De, le‘quatre, le ting, et ainG du refle lelon 
leur äge, Drautres enfin les diffinguent par 
u. ur gu 





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zn — 467: 
Mater den Unfällen, weiche man. 20. .nengek 
bohruen Kindern abzumenben fuchte, füribtete man. 


beint mehr, als ben. Neid, ober bie Race, und: 


das Unwillen zuͤrnender, oder böfer Götter. Nur 
ein. uud das andere Volk wagten es, boͤſen Göttern: 
muthig entgegen zu treten, und ihre Beſchaͤdigun⸗ 
gen darch offenbare Gewalt zuruͤckzuhalten. Sv 
Iaufen: bie: Calmycken waͤhrend ber Niederkunft ih⸗ 
ver Weilber mit großem Geſchrey, und dem dro⸗ 
henden Schwingen von Knitteln um die Zelte her, 
um bie baͤſen Geiſter wegzuſchrecken, die den Muͤt⸗ 
tern, : aber ‚den Säuglingen Ichaden koͤnnten n). 


Die meiften Nationen. hielten es für das fiherfte, 


ſich zu demuͤthigen, und die zürnenden, oder ‚mens. 


J ſcherfeindlichen Götter dadurch zu verſoͤhnen, dag 


man entweder an ben neugebohrnen Kindern ſelbſt, 
oben on den, Vätern allerley Verwundungen, oder 
‚andere Selbſte⸗ Peinigungen ausübe, wodurch bie 
suenenbese, ‚ober. menſchenfeindlichen Götter befrie⸗ 


bdigt werden koͤnnten. Man vermundete nenges. . - 


bohrne Kinber zur Verfähnung der Götter an allen 
Theilen des Coͤrpers, vorzuͤglich an bei Zeugungs⸗ 


glebern, weil man dieſe als die Werkzeuge des 


Daſcurs „und ber Geburt von Kindern anfah, am 
allermeiſten an der Vorhaut, meil. biefe bach mit 
Den geringſten Gefahren eingefchnitten, oder vers 
nn | fm 
» quelgue defant asturel, ot quelgue ghalite re- 
: marquable, connme beiteux, - courte us, tete 
"blonde, t&te ronlle ee, x ee 
‚E30, pauas weile." 
FED Bu Te EN .o.. . | “ ini . ’ nn. “‘ 
wen. F *8. BB— na 


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7: Ge zu 2 
ftuͤmmelt werden konnte: "Later allen’ Caſten ber 
Hindus iſt ed Sitte, daß neugebohrnen Kindern’ 


entweder gleich nach der Geburt, oder eine Zeit⸗ 
lang nachher die Ohren durchbohzrt werben. Dieg 
geſchieht, wie Rogerius ausdruͤcklich erinnert o), 
nicht defimegen, bamit man ben Kindern Ohrges 
ſchmeide einhangen koͤnne, fondern um die Kinder 


entweder dem Wiſtnu, oder den Kowara zu 
übergeben. Die Mexicaner machten außer dem 
Einſchnltten in bie Ohren auch Einſchnitte In bie 
Zeugungsglieder, wie ed fiheint, nicht bloß in bie 
>. Vorhaut p). Die Galivad am Dronofo verwun⸗ 

deten Knaben und Mädchen acht Tage nad) ber Ges 
burt fr ſchwer an den Geſchlechtotheilen, daß mans 


de Kinder an den Folgen der Verwundungen ſtare 
ben 4). Die Wilden an den Fluͤſſen, die in den 
Apure fallen, verwundeten bie Kinder nicht nur. 
an den Geſchlechtötheilen, ſondern auch an ben 


. Armen, und an anderen Gliedmaaßen des Ebr⸗ 


pers fo tief, daß die Narben ber Wunden fih da6 


ganze Leben durch nicht wieder verloßren.. "Man 
unternahm biefe Meßeley an Kindern gewoͤhnlich 


nicht vor dem zehnten, ober zwoͤlften Jahre, das 


mit fie im Stande ſeyn möchten, ben Blutverkaſt 
zu ertragen, welchen oft hundert, unb mehr Wun⸗ 
N 7 


)L.Eer v 


9) I. V. 0..97. 246.. ge inciloient les oreil- 


. „Je, et ia memhre v 
. veaux-nez, . 


isil aus polits enfans nou- 
g) I, 183. Gumilla, Les Salivas, . ‚circoncifeient 
leurs enfans le huitieme jour, [ans ein excepter 


les filles, et celä d’uge maniere fi cruelle, qu'il 
on monroit plußeusg 96 l’un er de l’autre ſexo. 


__ — 


den versuchten. Mau Beraufihte ,. ober betaͤubte 


bie Kiader, bevor man zu den graͤßlichen Operatior A 
nen ſchritt. Bumilla felbft traf in den Wäldern 


ein ‚zerfeßted Kind au, deſſen WBunben ſich gefährs 
lich entzündet beiten 7). Die Tapujas in Braſi⸗ 


lien durchbohrten neugebohrnen Kindern die Ohren 


und Unterlipgen, und ſteckten in die verwundeten 
Theile Eleine Hölzer, damit die gemachten Eins 


ſchnitte offen erhalten wurben s). Die Bewohner 


der Inſel Capul, Einer der Philippinen, trieben 
durch die Eichel eines jehen neugebohrnen Knaben 
einen kleinen Nagel von Zinn 5), Die Wunde 
heifte in Eurzer Zeit wieber zu, wie wohl man bie 
gemachte Deffnung fo erhielt, daß man ben Magel, 


ſo oft man wellte, hineinftecden konnte. Die Hot⸗ 


tentotten fihnitten vormahls allen nengebshrnen 


Knaben Einen Hoben aus: eine Verſtuͤmmelung, 


die noch immer in vielen. Familien vorgenommen 


wird u). Die Neu s Holländer unterbinden bie 
Finger neugebohtner Kinder fo ſtark, daß nad - 
wenigen Merathes bie unterbundenen, und abge⸗ 


ſtor⸗ 


) I. 284. 285. ib, 
s) Baro p. 234. Die Worte diefes Reifenden, fa 


wie derer, welche ich gleich nachher nennen werde, 
habe ich in meiner Vorlefung de circwmeißonis 


“ origine et caufis anaefübrt, im 14 Bande der 


Comment. Societ. reg. Scient. p. 215. - 


- 


.£) Olivier de Noort dans le Rec, des Voy.. get ont _ 


ſervià Yetablill, de la Comp, des Ind, Orient... 


. Befchryring van de Kaap de goede. Hoo VoLi. ĩJ. 


Pr 286. Lavalllant facond Voy. en Afrigus U. 
| p- 299. * DR 


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ſtorbenes Glieder ohne Schmerz; Hauer abzelset 
werben 'x). Be: ee Ze 
Man kann um deflo weniger beswenfeln, daß 
bie Verwundungen, und unter biefen, audy bie Be⸗ 
ſchneidungen der Kinder urſpruͤnglich die WVerfähs 
nungen höherer Naturen zur Abficht atten, da uns 


! ter inandyen Americaniſchen Wilden auch bie Bir 
>. ter neugebohruer Kinder ſich aͤhnliche Büßungen 
n freywillig auflegen, oder nah der Sitte ihres - 


Volks auflegen müffen ). So bald eine. Carai⸗ 
vbinn niedergekommen iſt, begibt ſich der Vater des 
Kindes in ein Hangbett, und nimt fünf Zage lang 
weber Spetfen , noch Getränke zu ſich. In den : 
1. fünf folgenden Zagen genießt er bloß flüffige Nah⸗ 
rungamittel, und vom To: 14 Tage etwa Caſſave. 
Mac vierzig Tagen werben die Väter mir fpißigen  . . 
Zähnen am ganzen Leibe verwundet, und -daun mit 
J einer Piment⸗Bruͤhe eingerieben, die noch heftigere 
Schmerzen, als die zugefuͤgten Wunden, verur⸗ 
ſacht æ). Aehnliche Faſten, und Verwundungen 
muͤſſen ſich die Maͤnner unter den Wilden in Para- 
J guap, und Guiana gefallen laſſen 0). Die Väter 
„in Guiana werben noch oben darein hart gegeiſſelt, 
ES ur 2 und 
—* ) Hunter’s Hiſtorieal Journal of the Transactions 
..a8 Port Jackfon, etc. p. 610. 
7) Man ſ. meine Vorleß, über die Beſchneidung 8S. 
216. und dann meine Abhandlung über die Mänz . 
4. 3 im erſten Baude de: Goͤtting. hiſtor. 


\ 1 


kagazins 30: u. fe, ®. 
z) N. 371. 373. Dutertre, - " 


a) Charleveix I. 184. Defcript, de n Guiane 
P- 233. Barrere ©. 167. Ener 


\ 


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Era -- 
2 





und dann gezwungen, einige Monethe bey eine | 
alten-Indianer in Dienfk zu treten, wo fie, wir 


Sxlavın. arbeiten mäflen. Ganz andere Abfichten, 


Weiber Wochen, oder Monathe Lang ſich von har⸗ 


Ruhe, und Pflege des Waters dem Kinde au Gute 
komme. Man that das erflere, weil man fürdr 
tete, daß heftige Anftrengungen, und harte Spei⸗ 


der Thiere mittheilen werbe b). . 


Die Abſicht ber Verwundungen theils neugen' 
bohrner Kinder, thells der Vaͤter derſelben wird". 
um deſto auffallender, wenn man erfährt, daf die 
verſchiedenſten Völker ähnliche Werwundungen, und, 
Buͤßungen vor, und nach allengluͤcklichen Unter⸗ 


nehmungen 2) , beſonders aber bey den erſten Zel⸗ 
hen der Maunbarkeit von Toͤchtern, und bey den 
Verheirathungen ſowohl von Soͤhnen, als von 
Toͤchtern vorgenommen haben. Unter den Wilden 


in Guiana hängt man Mädchen. au melden man 


die erſten Zeichen der Mannbarkeit bermerft..hatı 


EEE Zn 3 Was! a N 
8) Die Veyſiele amp Zenaniffe. keimnman in der Abh · 
über die Maͤnnerwochen vor MEER ur 


OR tie "139 über die Mänserwe 


u rt . 


als diefe Buͤßungen, hatten bie fogenannten Mäns . 
 ners Wochen unter vielen Völkern, während wel⸗ 
Ger bie Väter gleich nach ber Niederkunft ihrer 


sen Arbeiten, und ſchweren Speifen, befonder& | 
. von dem Fleiſche mancher Thiere enthielten, Sr 
fich anch-auf das forgfältigfte pflegen ließen. . 
. thaten daß letztere, weil man ‚glaubte, dag ee . 


fen. die Geſundheit, und das Leben ber Kinder im . 
- Gefahr feßen, oder daß ber muß bed Fleiſche 
von gewiſſen Thieren den Kindern bie Uniugenden 


— — — — 


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Pr u. 0. u 


| ‚in Hamacs, ober Hangwatten oben in der Hauten 


N 


. bohren Neu⸗ Verlobten die Wangen, und blafen 


auf, und läßt fie ſtrenge Faſten beobachten. Nach 
der Endigung dieſer Faſten reißt man ihnen den 
Leib an allen Seiten mit frigigen. Graͤten, und 


Knochen auf 4). Die Wilden in Paraguay übers 

aben reife Moͤdchen alten Frauen, welche ſie acht 
None lang hart faften, und faft bis zum Tode ar⸗ 
beiten liefen e). Die Tapujas in Brafilien durch⸗ 


Rau hinein f). Die Inſulaner nicht weit von 
Garcias de Dios durchſtechen, .ober verwunden 


Zur; vorher, ehe fie ſich verheirathen wollen, ihre . 
Zeugungsglieder g). Wenn die Nord⸗ Americas 


nifhen Völker ſich auch nicht vermunbeten; fo übs 


‚ten fie doch aus berfelbigen Urfache mehrere Mo⸗ 


nathe, oder gar ein Bahr laug nach ber Heirath 
die firenafte Enthaltung von bes Verguägungen ber 


. erlaubten ehelichen Liebe aus h). Im KAbnigreie 


Carnatic in. Hinboftan ziehen "Bräute, und Braͤu⸗ 


tigame aus ber Caſte ber Lanbleute feierlich In ben 
enpel befjenigen Gottes, dem fie vorzüglich Dies 


Bey: Inffen ſich durch den Schnitt einer großen 


Scheere zwey Finger abhacken, und opfern dieſe 


bem Gotte, ber verſoͤhnt werben ſoll. Man kann 


bie Verſtuͤmmelung ber Finger bloß dadurch abs 
menden , daß man der Gottheit goldene Abblldun⸗ 


ges 
4 Barrere ©; 163. 
— Charlevoix I, 190. 85. 


f) Baro p. a4ı.. Zu 
9) HR. of tho Boucan, 1. e 41. 


AV) Charlevoix p. 286, 
ee Be . 


! 


u 03.9478 ° 


| . gen Yon zwey Fingern ſchenkt 5). In der: Cafe 
der Schutres hingegen iſt es Gitte, daß die Muͤt⸗ 
ter ſich bey ber Verheirathung ihres. erſten Kindes 


die beyden vorberſten Glieder der letzten Finger abs 


ſchneiden laſſen k). Nur die Frauen von Fuͤrſtin .. 
: ven haben das Recht der. Gottheit zwey ‚goldene 
- Ginger anzubieten, und fi dadurch gleichfam bon 


” 


der Verſtuͤmmelung loszukaufen. J 


9 
. Die Befchueidung war ſo weit über alle Theile 


der Erde verbreitet, daß man möglicher TBelfe kaum 


annehmen kann; fie ſey vor undenklichen Zeiten uns 
ter Einen Wolle entſprungen, und habe ſich alls. 


maͤhlich zu den übrigen Voͤlkern fortgepflanzt I). 
Wenn man auch zugeben. wollte, daß fie aus Afri⸗ 
ka nach Afien, oder aus Afien nah Afrika geloms 
men, and im letztern Falle durch Croberungen, - 


ober Wanderungen, und Bepfpiele bis an. bie ents 


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fernteften Rüften ded legtern Grbtheild darchge ⸗ 


drungen ſey; fo iſt es doch kaum begreiflih, wis 
derſelbige Brauch durch dieſelbigen Mittel das ſuͤd⸗ 
liche America, und die Juſeln der Südfee habe. 

erreichen Einen. Freylich war, und iſt die Be⸗ 


ſchneidung unter verfchiedenen Nationen ſehr vers 


ſchieden. In den meiften. Ländern beſchnitt —* | 
3— 


_ä) Letir. Edif, XI. 208, , | 
ib XL. 


"man in der Borlefung de. Circumcifionis origino 


“ 


€ wer — 


3), Ein Verzeichniß der Voͤlker, unter welchen die Bes | 
ſchneidung gebräuchlich war. oder noch ift, findet ° 


72 908« 815; ſo wie auch Die Zemgniffe für Die. Res 
tin, weiche ich in diefem Abſatze tyrz anfühten 


— 


! 


\ 


37% - \ — — 


bloß Knaben: in einigen wenigen, entweber allein 
Maͤbchen m), oder neben den Knaben auch die Maͤd⸗ 
chen n). Faſt alle Voͤlker, welche Mädchen ber 
ſchnitten, thaten dieſes, um gewiſſe Auswuͤchſe, 
oder Verlaͤngerungen ber Haͤute an den weiblichen 
Geſchlechtstheilen zu verhuͤten, oder wegzuſchaf⸗ 
. Men: o). Dieſe Auswuͤchſe find nirgend haͤuftger, 
und länger, als unter den Hottentottinnen p), und 
boch behalten. diefe fie beftänbig bey, weil die HA 
sentotten folche Monſtroſitaͤten nit fo wiberlih - 
finden, als die Kopten und Habeſſinier. Unter 
ben meiften Völkern befchnitt man die Kinder balb 
nad) der Geburt, untes anderen hingegen um bie . 
, Zeit, ober kurz vor ber Zeit ihrer Pubertät g). 
Man hielt, wieich gezeigt habe, vie Reife, und 
Verheirathung von Kindern für gluͤcktiche Bege⸗ | 
benheiten, bey welchen man eben fo wohl, als bey 
. der Geburt von Kindern, die Götter zu verſoͤhnen 
füchen muͤſſe. Kein Wolf konnte den Zeitpunct, in 
wethem, ober bie Urfachen, aus welchen bie Be⸗ 
ſchneidung eingeführt mworben, mit Zuserläffigkeit 
. - . u ‚ , aAaAue 





bu 2 
: X 
” 


: m), Ende Pands in ber Provinz Maynas, Veigl 
I 7. 
») So die Aegyptier, und Habeſſinier Niebuhrs Bes 
ſchr. von Arabien, S. 76: 80. Sonnini Il, 37, 
. 38. Bruce III, p. 348. V.28 N 9 Die Neger 
in Bambud, Voy. au Pays da Bamibounc p, 48. 
2 u. ſ. w. 
J 0) Bruce l. e. V. 33. 


y) Cowley p. s51. de Pauw II. 134. et ſq. p. 
d) Man f. meine Vorleſung, p. sıo, Note a. u 


. 


® 


— — 479 


angeben DW Nur unter” Einigen brachte man. 
Gruͤnde, ober Vermuthungen vor, welche die Be⸗ 


ſchneidung veranlaßt haben koͤnnten. Dieſe Ver⸗ 


anlaſſungen fand‘ man in einer beſondern Sorgfalt 


entweber für bie Reinlichkeit, oder für die Geſund⸗ 
heit des Coͤrpers. Im heiffen Gegenden gefchehe 


eb nämlid, bisweilen, daß fi) unter der Vorhaut 


entweder ein ſcharfes Smegma ſammle, oder Ges 
ſchwuͤre bildeten, welche man beyde durch Die Bes 


ſchneidung verhuͤten koͤnne. Auch treffe man von 
Zeit zu Zeit Männer an, deren Vorhant entweder 
zu enge, ober zu lang ſey, und die befiiyegen den 
Beyſchlaf entweder gar nicht, oder nicht. ohne große - 
Schmerzen verrihten Eönnten, -Unter allen diefen : 
Thatſachen, and Vermuthungen ſcheint mir Feine _ 


hinreichend zur Erklärung einer fo weit verbreites 


ten Sitte, als die Befchneibung ift s). Die 
laͤßt fich zuerſt fehr Leicht von der angeblichen Sorg: 
falt für cörperliche Neinlichkeit darchun. Faftalle 


Völker, unter weldien bie Beſchneidung uͤblich 


war, ober noch ift, badeten oder wuſchen fih tag: 
lich mehrere Mahle, entweder um fich in ihrem : _ 


brennenden Klima zu erfrifchen, oder um den Vor⸗ 


fchriften ihre? Religion zu gehorchen. Webrigens 


aber waren, und find eben dieſe Voͤlker fo unfaus 
ber, daß man ihnen’ eine Verftümmelung aus blos⸗ 
fer Sorgfalt für Reinlichkeit nicht zutrauen kann. 


Die Reiſenden, welche des Smegma, oder ber - 
Geſchwuͤre erwähnen, geftchen,, daß das eine, nnd. -. 
die anderen burd häufige Waſchungen verhütet 


werben Finnen. Man babete, oder wuſch ſich nir⸗ 
gend 


r) Meine Vorleſung aii et ſq. p.. 
s) So urtheilte auch Bruce I. c. V. a8-· 351. 


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— — — — 


| Dans Granken in einer gewtſſen Periode der Revo⸗ 


gend häufiger, als unter ben beſchnittenen Vollbern3 
man hatte alſo nicht noͤthig, die Beſchneibung zu 
Huͤlfe zu nehmen, wo bie Baͤder, oder Waſchun⸗ 
gen. allein wirkſam genug waren. Die Monſtroſi⸗ 
töten von zu engen, ober zu langen Vorhaͤnten find 
nicht nur fo felten, daß man ſchwerlich behaupten 
Darf: die Furcht vor denſelben habe eine allgemeine 
Verſtuͤmmelung ſelbſt der natuͤrlich⸗ gebohrnen 
nach ſich gezogen, ſondern ſie zeigen ſich geiviß un 
ter allen Völkern; und wenn alfo dieſe unnatürlis 
chen Bildungen der Borhaut die Urſache ber Bes 
ſchneidung gemefen wären, fo müfte bie Ießtere 
girl allgemeiner. geworben fegh ‚ als fie jemabls 


war, ober noch jeht iſt. 


- Man.follte denken, bag Hochzeiten ‚ ober bie 


| effentlichen Anfänge von Chen wenigftend eben fo 


allgemein mit gottesbienftlichen Handlungen, ver⸗ 


- bunden geweſen feyen, als bie Geburten von Kin⸗ 
"dern; und doch lehrt die Geſchichte das Gegentheil. 


Es gab zuerſt Völker, unter welchen Feine eigent 
liche dauernde Ehen Statt hatten, ſondern Juͤng⸗ 


Nlinge und Maͤdchen, Männer und Frauen ſich nad 


Welieben vereinigten, und auch wieder trennten 9. 
In dieſen Zuſtand von Ungebundenheit ſanken 
hoͤchſt verdorbene Völker herab, menu unter ihnen, 
wie dieſes unter⸗den Roͤmern in ben erſten Jahr⸗ 
honderten nach Chriſti Geburt u), und unter den 


lutlor 


5 3. B. die Sorten, und öftlichen Inſulaner, Ge 
orgi's Beſchr. S 78 Die ertinnt, Curtis in 

" Sprengele Beptr.L 110, _ 

| =» do Raehr p 20. :...°. - 


w_ 


| —a4n47 
lntion der Fall war, Ehefcheldungen fo leicht und 
Häufig wurden, daß bie Weiber beynahe in enrm 
beſtaͤndigen Umlanfe waren, und wenn faſt alle 


Unterfchefbungs s Zeichen zwiſchen Ehe and Eonens . 
‚binat aufhörten. Es gab ferner, und gibt viele. 


Boölker, wo Hochzeiten zwar bürgerliche Feſte, aber - 


von keinen gottesdienſtlichen Feierlichkeiten begleitet 
waren. Unter den Tuͤrken, und anderen Maho⸗ 
mebanern werden Ehen gültig, wenn der Braͤuti⸗ 
gam, und der Vater ber Braut zum: Kabt gehen) 
und biefem die Wedingutigen erflären, unter weis 
chen der Erſtere feine Braut. heirathen, der Auber— 
feine Tochter ausgeben will x): wiewohl andy ie 
- einigen Oegenden ber Türfey bie Heirathzs⸗ Con⸗ 
tracte por einem Iman gefchloffen, und dabey Stel⸗ 
len aus dem Koran dorgelefen werden y) Selbſt 
anter den Chriſten ließen die Puritaner ihre Kin⸗ 
der nicht durch Prieſter, ſondern durch Maglſtrats⸗ 
Perſonen verheirathen, damit die Kirche Chriſti 
um deſto weniger geärgert werde 2). Unterdeſſen 


machten die Nationen, unter welchen: entweber gau. - 


- Beine Öffentliche Hochzeiten, : ober: die Hochzeiten 
ohne alle reltgiöfe Gebroaͤuche waren, verhättniße 
mäßig immer nur eine Meine Zahl aus. Die mein 
ſten Bölker-nahmen bey den Anfängen von Ehen 
J gottesdienſtliche Handlungen vor, entweder um ben 
Göttern: für das Gluͤck, was fie verliehen Härten, 
zu danken, ober um bie Bränte zu ſtandhafter 
Treue zu verpflichten,“ ober um Zell und Gegen 
asf bie. Verlobten herabzubriagen un an 


2) Ricant pu 24. u. 
y)Rulelp.um 
z) Sprengels Bept. II, 193 6. 


x 
— — =) 


⸗ — ' 


Ülnfäßle dou Alven-abgammiden,, beſonders um zuͤr⸗ 


nenbe, ober.böfe Götter zu verſoͤhnen, daß ſie die 


Sreuden ber Hochzeit, und das acid der. Eb⸗ 
wicht ſtoͤren mochten. 


.. 2 Die ollermaifize ſelbſt chen Volter —* 


| flalteteg a an Hachzeiten auffer anderen ‚Juftbarkeiten 


Schmaͤuſe, zu weldhen Anverwandte, Freusde, 
und Nachbaren eingeladen, und wo zugleich ben 
Goͤttern Opfer, oder Gaben dargebracht wurden 4). 


Die · Schmaͤuſe erhielten ſich auch unter. ſolchen Ras 
tionen, die in der Folge von dem Gepraͤnge, ode : 


ber Feier von. Gehzeit alle goutesdienſtliche a 
braͤnche trennten b). 


un Biel weniger geniein, als. Opfer⸗ Mehlzeie 


ven, und Opfer, waren foldhe gottesdienſtliche 


Dandlungen, wphurd man bie gegenfeitige Treue 


der angehenden Ehsleute, oder wenigſtens die 
Treue der Braut gegen ihren Fünftigen. ‚Chenann. 


. zu feſſeln hofte. Wenn unter. ben Negern in. Kinn: 


ber Bröntigem, und bie "Braut, ſammt beren 


Eltern über den Che» Eonufract . einig. geworben. 
Lau w eſſen ſa nommen einen Betten, wodurch 
*. Be > die 


#4) Unter dem Griechen, "Römern, und, retten, 


Dionyf. Halicar, II, 25. de.Roehr p. 2 
... Son. de ritib,,nupt, P. 1018. den: Deutſchen, und 
Scandinaviern, Tacit. de Mor, Germ. ce. 2 


U Mallet p. 20%: den Istraeliten, Mich. Moſ. 


. II, 132. den Slawen, Anton S. 128. den Chine⸗ 
fen, Le Comte Il. 80. den Negern, Moore p. 93. 
den Americauern, Wafer p.-065. bier‘; ter 


> 


en 
Voͤlkern, Muͤller III. 366. Brihtape —* 


5) 3. B. unter den Zirken, - Kelpe.. 





mehrere Beyſchlaͤferinnen halten Fam io). . -: 
* Bu: den natuͤrlichſten religioͤſen Gebraͤuchen 


— 2479 


die Braut ſch gegen ihren künftigen· Ram , ch 
aber diefer. gegen feine Frau, zur Treue virpflich⸗ 


tet, indem ein Ehemann neben feiner Ehefran no 


bey Hochzeiten gehören: diejenigen, wodurch man 
glanubte, den Segen der Götter anf bie neuen Chen. 


Leute herab zu leiten, und alles abzuwenden, was - 


Bas Gluͤck der Ehe, beſonders die nahen Freuden‘ 


des Hochzeitbettes vereiteln koͤnnte. Die Meiſten 
auter ben zahlreichen Eurimonien der Hindus 49, 
haben eine von dleſen beyden Abſichten. ‚Die Hin⸗ 


rem· Zauberwerk, wodurch die Mannheit des Braͤu⸗ 


tigams geluͤhmt, und bie Vollziehnng der: Che ge⸗ 
hindert werben koͤnnte. Dieſelbige Furcht herrſchte⸗ 
unter allen größeren Voͤlkern der aͤltern und aenernn 
Zeit unter ‚den letzteren, zum Theil bis auf bie: 


gegentoßrtigen Zeiten herab. Man nannte dieſe 


Art von Bezauberung, bis einen Bräutigam hin: _ 


derte, Feiner Braut zu. genießen, in mehreren. Laͤn⸗ 
bern: bes: Knoten knuͤnfen. Auf dieſe Rebensart 


| bezieht ſich wahrfcheinlid die noch jetzt in Haas 


ſchottland fortdauernde Sitte, vermöge deren nn 
alle 


ben Brautleuten während ber Eopulation’ 


Schleifen, oder Ktioten am ganzen Leibe auflöse, 


aid nad) der Eopulation wieder zufammenzicht ⸗). 


* 


Eheleute in manchen "Gegenden uͤbernehmen, und 
’ drins . 


Die Buͤßungen, und. Sühnopfer, welche junge 


) Loyerp. is. .. 
d) Sonnerat I, 65- 70. AogerssL.& ıı. 


. Wejtdazusıt II, ge. 


en Dub. 
1 


nern nn a 


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. ” x 0 
- . " 
4808 4J m 
J 


bringen mußten, find kan; vorher erwähnt worden. 


Es iſt ſchwer zu beſtimmen, ob bie Keuſchheits⸗ 
Opfer, wo Braͤute mit der Bewilligung, oder auf 


Verlangen ber Bräutigame ihre jungfräulicen 


Craͤnze den Göttern, ober. ben Prieftern, und 
Bertreuten.der Götterdarböten, zu ben Dankopfern, 
oder Suͤhmopfern zu rechnen waren. Die Könige 


son Calicnt machten vormahls den vornehmſtes 


Brahminen betraͤchtliche Geſchenke, bamit fie Ihre 
Gemahlinnen in die Geheimniſſe ber Che einweihen 
möochten f). Die Wilden in Mubalufien uͤberließen 


die Freuden ber Brautnacht ihren Piayen, ober 


Bauderern, weil fie es für eine große Sünde gehals 


ten hätten, ber erfien Umarmungen ihrer jungen. 


Gattinnen zu genießen 2). Eines ganz anders‘ 


Urſprungs war die Sitte, mach melden: Braͤnti⸗ 
geme. fo wohl an ber Mlalabarifchen Kuͤſte, als 
auf ven Antillen Vornehmere, ober Verfonen von 


aleichem ‚Stande einlabeten,. ihre Stellen in ber 


Hechzeitsnacht bey den Wräuten zu vertreten A).- 


Man fah , wie es fcheint, eine foldhe Stellvertre⸗ 
tung eber für einen Licheöblenft an, ber Dank ven. 


biene, als für eine Ehre, welche man Anderne ers: 


wieſen habe: 
"FI Sonnerat 1. 57. 68. 


1, Coresl 1, 140. Car on afare chex les Indiens, 


ue c’eft un grand erime, de ne pas ceder aux 
retres Cette, kenr hi chöre et ſi rare en nos quar- 
tiers. 


- &) Sonnerat l. c. und Coreal I, ı0, a, 


— nu 


Audiftao 





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3woͤlftes Bud. 
Geſchichte der Zauberer, Beſchwoͤrer, und 


Prieſter. | 


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| Alle nicht gebildete Voͤlker hielten. die gluͤck⸗ 
lichen, und unglüdlichen Begebenheiten. ohne Aus⸗ 
nahme für unmittelbare Wirkungen entwebes ven 
guten und böfen Göttern ſelbſt, oder von. Bers 
trauten und Gehuͤlfen, ober Werkzeugen guter, und 
böfer Goͤtter. Der Glaube an bie übernatürlichen 
Kräfte von Vertrauten, und Gehülfen, ober Werk⸗ 
zeugen ber Goͤtter war nicht weniger alt, und alls 
.. „gemein als die Vorftellungen son höheren Natu⸗ 
‚ren, und deren unmittelbaren Wirkungen a). So 
| | wie 


a) Sorſter Voy. I. 520. fagt, baß er und feine Rei⸗ 
fegefährten Feine Zauberer unter den Neus Gee» 
laͤndern bemerkt hätten. Dieß tft fein Beweis, daß 
dergleichen nicht vorhanden waren. Die Wogulen 
verficherten Georgi, daß unter ihnen niemahls weder 
Hrieſter, noch Zauberer, geweſen ſeyen. Reiſen 
S. 597. Georgi verſtand entweder die Woguͤlen 
nicht recht, oder dieſe ſagten ihm nicht die Wahr⸗ 


heit.⸗ 


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I} Ve rn 


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blog Knaben! in einigen wenigen, ‚entweber allein: . 


Maͤbchen m), ober neben den Knaben auch die Maͤd⸗ 


denn). Faſt alle Voͤlker, welche Mädchen bes. 


ſchnitten, thaten biefed, um gewiſſe Auswuͤchſe, 
ober Verlaͤngerungen ber Haͤute an den weiblichen 


. 


Gefſchkechtstheilen zu verhüten, oder wegzuſchaf⸗ 
fen’ 0). Dieſe Auswuͤchſe find nirgend haͤuſtger, 


und länger, als unter den Hottentottinnen p), und 


doch behalten. diefe fie beftänbig bey, meil die Hs 


sentotten folche Monftrofitäten nicht fo widerlich 
finden; als die Kopten und Habeffinier. Unter 
ben meiften Voͤlkern befchnitt men die Kinder balbd 
nad) ber Geburt, unter anderen ‘hingegen um bie 


Zeit, ober kurz vor ber Zeit ihrer Pubertät g). 
Man hielt, wie ich gezeigt habe, die Meife, und 
Verheirathung von Kindern für gluͤcktiche Bege 

benheiten, bey welchen man eben fo wohl, als bey 
des Geburt von Kindern‘, die Götter zu verſoͤhnen 
fuchen muͤſſe. Kein Volk konnte den Zeitpunct, in. 


weichem, oder bie Urfachen, aus welchen bie Be: 


ſchneidung eingeführt worden, mit Zuverlaͤſſigkeit 


2 u. ſ. We u . 


27 


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au⸗ 
women nn j 
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2.0). &0 die Pands in ber Provinz Maynas, veigt 


no: .67. 


| n) So die Aegyptier, und Hnbeffinier Niebuh Be⸗ 
ſchr. von Arabien, & 76« 80. Sonnini u, 37. 


38. Bruce III. p. 348. V.28. Rn 4. Die Neger . 


in Bambuck. Voy. au Pays do Bambouc p, 48 


,,0) Bruce l..c. V. 33 


g) Man ſ. meine Vorleſung, p. 210, Note... , 


⸗ 


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— — 2 
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u 479 


qugeben . Nur unter Eiaigen brachte man 
Gruͤnde, ober Vermutgungen bor, welche die Bes 


fchneibung veranlaßt haben koͤnnten. Dieſe Vers 
anlaſſungen fand: man in einer befondern Sorgfalt. 
eutweder für bie Reinlichkeit, oder für die Gefund⸗ 
heit des Coͤrpers. In heiffen Gegenden gefchehe 


es naͤmlich bisweilen, daß ſich unter ber Vorhaut 


entweder ein- ſcharfes Smegma fammle, oder Ges 
ſchwuͤre bildeten, welche man beyde durch die Be⸗ 


ſchneidung verhuͤten koͤnne. Auch treffe man von 


Zeit zu Zeit Männer an, deren Vorhant entweder 


zu enge, ober zu lang fen, und die beftwegen den‘ 


Beyſchlaf entweder gar nicht, oder nicht ohne große - 


, Schmerzen verrichten Fönnten. Unter allen diefen: 


Thatſachen, und Vermuthungen ſcheint mir Feine 
bihreichend zur Erklärung einer fo weit verbreite⸗ 
ten Sitte, als die Befchneibung ift s). Die 
laͤßt ſich zuerſt fehr Leicht von der angeblichen Sorg: 


falt für coͤrperliche Reinlichleit darchun. Faſt alle 


Voͤlker, unter welchen die Beſchneidung uͤblich 
war, ober noch iſt, badeten ober wuſchen ſich taͤg⸗ 


lich mehrere Mahle, entweder um ſich in ihrem 


brennenden Klima zu erfriſchen, oder um den Vor⸗ 
ſchriften ihrer Religion zu gehorchen. Uebrigens 
aber waren, und ſind eben dieſe Voͤlker ſo unſau⸗ 


ber, daß man ihnen’ eine Verſtuͤmmelung aus blos 


fer Sorgfalt für Reinlichkeit nicht zutrauen kann. 
Die Reiſenden, melde des Smegma, ober der 


Geſchwuͤre erwähnen, geftchen, daß das eine, nnd. 
die anderen durch häufige Waſchungen verhütet 


werben Eönnen. Man babete, oder wuſch fih nirs 
0 gend | 

r) Meine Vorleſung au et ſq. p. 
5) So urtheilte auch Bruce h c. V. a8-· 33. 


a 


— — — — —⸗ 


Dans Granten in einer eigen Perigbe der Medos 


=) de Raehr p. aoo. 0, on 


gen häufiger, ald unter ben beſchaittenen —* 


“man hatte alſo nicht noͤthig, bie Beſchneibung zu 


Huͤlfe zu nehmen, wo bie Baͤder, oder Waſchun⸗ 
gen allein wirkſam genug waren. Die Monſtroſi⸗ 
töten von zu engen, ober zu langen Vorhaͤnten find 
nicht nur fo felteu, daß man ſchwerlich behaupten. 
Darf: bie Furcht. vor benfelben habe eine allgemeine 
Verſtuͤmmelung felbfi ber natärlih « gebohrnen 
nach fid) gezogen, fondern fie zeigen fich geivig um: 
ter allen Völkern; und wenn alfo diefe unnathrlis 
chen Bildungen der Borhaut die Urſache der Bes 
ſchneidung geweſen wären, fo müfte bie letztere 


wiel allgemeiner. getvorden ſeyn, als ſie jemahls 
war, ober noch jegt iſt. 


- Man. follte denken, daß Hochzeiten ‚ oder bie 


bffentlihen Anfänge von Chen wenigitend eben fo 


allgemein mit gottesdienftlihen Handlungen ver: 


- bunden gewefen ſeyen, als bie Geburten von Kins 
dern; und doch lehrt die Geſchichte das Gegentheil. 


Es gab zuerſt Völker, unter welchen keine eigent; 
liche dauernde Ehen Statt hatten, ſondern Juͤng⸗ 


Nlinge und Maͤdchen, Maͤnner und Frauen ſich nach 


VWelieben vereinigten, und auch wieder trennten 9. 
In dieſen Zuſtand von Ungebundenheit ſanken 


hoͤchſt verdorbene Voͤlker herab, menu unter ihnen, u 
wie dieſes unter⸗ den Römern in ben erſten Jahr⸗ 


hunderten nach Chriſti Geburt u), und unter den 
_ Tution Ä 


5 3. B. die Ant ‚ und oͤſtiichen Inſulaner, Ge 
orgi's Beſchr. S. 371. Die Eelinee, curti⸗ in 
SGyÿrengels Veyir. 1100, _ \ 


— — — 
ö— — —— 7 
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ae  : 
lution der Gall war, Edefcheldungen fo leicht und 
Häufig wurden, daß bie Weiber beynahe in einem 
beſtaͤndigen Umlaufe waren, und wenn faſt alle 
Unterfcheldungs s Zeichen zwifden Ehe und Conen⸗ 


binat aufhörten. Es gab ferner, und gibt viele. 

Bolker, wo Hochzeiten zwar bürgerliche Feſte, aber 
-. von Peinen gottesdienſtlichen Feierlichkeiten begleitet - 

waren. Unter den Türken, und andern Wehe 


mebanern werden Ehen gültig, wenn der Braͤnti⸗ 
gam, und der Vater ber Braut sum: Kabt gehen) 


- and biefem die Wedingungen erflären, unter weis 


chen der Erſtere feine Braut. heiraten, der Audere 


feine Tochter ausgeben mil :x): wiewohl auch iv 
- einigen Gegenden ber Türfey bie Heiraths⸗Con⸗ 


tracte vor einem Iman gefchloffen, und dabey Stel⸗ 


len aus dem Koran vorgeleſen werden yy. Selbſt 


anter den Chriſten ließen bie Puritaner ihre Kin⸗ 
der nicht durch Priefter, ſondern durch Magiſtrats⸗ 
Perſonen verheirathen, damit die Kirche Chriſti 
um deſto weniger geärgert werde 2). Unterbeſſen 


machten die Nationen, unter welchen entweber gau. 
keine Öffentliche Hochzeiten, - ober: die Hochzeiten‘ 


ohne alle religibſe Gebräuche waren, verhaltniß⸗ 
mäßig immer nur eine Mefne Zahl aus. Die mein 
fen Völker -nahmen bep den Anfängen von Chen 


gottesdienſtliche Haudlungen vor, entweber um ben 


Göttern: für bad Gluͤck, was fie Verlichen hätten, 


zu danfen, oder um die Braͤnte su ſtandhafter 


Treue zu verpflichten,“ oder um Zell und Segen 
auf bie. Verlobten berabzubringen,. und et 
1 m . 3 488 
'x) Ricaut p. 214. 215, 
y) Rufe! pP. —R | 
z) Sprengels Beyt. II, 193 6. 


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Unfäte dor ikuen-ahgamanden., beſonders um zuͤr⸗ 


nende, ober.böfe Goͤtter zu; verfühnen, daß fie bie . 
Freuden der —— und das Aid ber. - Ehe 
Ä eicht ſtoͤren möchten. © . nt ii \ 


Die allerwaiſte Per rohen Voner vera 


u kaiteten an Hachzeiten auffer anderen Luſtbarkeiten 


Schmaͤuſe, zu welchen Anverwandte, Freußsde, 
und' Nachbaren eingeladen, und wo zugleich ben 
Goͤrtern Opfer, oder Gaben dargebracht wurden a). 


Die Schmaͤuſe erhielten ſich auch unter ſolchen Nas 


tionen, die in der Folge von dem Gepraͤnge, ode 


ber Feier: Yon Sodeiten ale gottesdienſtliche Ser 


braͤuche treunten b). 2 
| Viel. weniger Leimin, als Opfer. 3 Mahlyeir 


ten, und Opfer, _waren foldye gottesdienſtliche 


Handlungen, »moburd man ‚bie gegenfeitige Treue 


bes ongehenden Eheleute, ober. wenigſtens die 


Treue der Braut gegen ihren kuͤnftigen· Ehemann 
zu feſſeln hofte. Wenn unter. den Negern in Iſſiny 


ber. Bräutigam, und die Braut, ſammt deren 


GEltern über den Che» Contract - einig. geworden 
m # ofen ſe sefanımen einen Sen — 
die 


un 


4) Unter den Griechen, Romern, und. —*—* 
Dionyſ. Halicar, Il, 25. de.Roehr p. Briße 
.. Ion. de ritib,,nupt, p. 1018. ben. Dentfafen, und 

Scandinaviern, Tacit. de Mor, Germ. c. 


Mallet p. 207: den Söraeliten, Mich. Moſ. F 


U. 133. .den Slawen, Anton ©, 128. deu Chine⸗ 
fen, Le Comte ll. 80. den Negern, Moore 


den Amerisauern, Weafer p.-065, der ben Sibihfhen - 
Völkern, Müller III. 368. — Eusio, _ 


5) 3. B. unter den Wirken, - Milpi. . oo. 


! 


J Eheleute in manden Gegenden übernehmen, und 
’ drins . 


— — 479 


die Braut’ fi gegen ihren Ehuftiden Ram , wich 
aber biefer. gegen feine Frau, zur Treue virpflich⸗ 


tet, indein ein Ehemann neben feiner Ehefrau noch 


mehrere Beyſchlaͤferinnen halten kann DEE 
ve Bu bin natuͤrlichften reltgibſen ¶ Grbraͤuchen 


bey: Hochzeiten. gehören diejenigen, wodurch man 


gtaubte, den Segen der Götter auf bie neuen Ehe⸗ 
leute herab zu leiten, und alles abzuwenden, was: - 
das Gluͤck der Ehe, beſonders die nahen Freuden: 
des Hochzeitbettes vereiteln koͤnnte. Die Meiſten 


auter ben ‚zahlreichen Ehzeimonien der Hindus 49, 


7 abe eine von diefen beyden Abfichten. ‚Die Hin⸗ 
deostfuͤrchten fig vor been: boͤſen Blick, und ande⸗ 


rem Zauberwerk, wodurch die Mannheit des Braͤu⸗ 


tigeıd'gelkhint, und bie Vollziehnng ber Che ges 
hindert werben Könnte, : Diefelbige Furcht herrſchte⸗ 
unter ofen größeren Voͤlkern der Altern und nenn: 
Zeit? unter den letzteren, zum Theil bis auf die 


gegenwaͤrtigen Zeiten herab; Man nannte Tiefe: 


Art von Bezauberung, die einen Braͤutigam bin: _ 


derte, ſeiner Braut zu genießen, in mehreren. Laͤn⸗ 
dern: ben Knoten knuͤnfen. Auf dieſe Mebensart: 


bezieht fi wahrſcheinlich die noch jetzt in: Das 
ſchottland fortdauernde Sitte, vermoͤge deren man 
ben Brautleuten während der Copulation alle 
SGchhleifen, oder Knoten am ganzen Leibe. auflosſt, 
wid nad) der Eopulation wieder zufammenzieht ). 


Die Buͤßungen, und. Suͤhno fer, welche junge 


€) Loyerp. 158.  """ - . 
d) Sonnerat I, 65- 70, Rogers & ı. - 


J Wejtdarusı ra t II, go. 


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40 — — 

bringen uußten, find Eur; vorher erwähnt worden. 
Es iſt ſchwer zu befiimmen, ob bie Keufchheites 
Opfer, wo Bräute mit ber Bewilligung, ober auf 
Verlangen ber Bräutigam ihre. jungfräulichen 
Craͤnze den Göttern, oder. ben Prieftern, und 
Bertrauten.der Götter barböten, zu ben Dänlopfern, 
ober Sühnopfern zu rechnen waren. Die Könige 
von Calicut machten vormahls den Yprneinnften 

Brahnruünen beträchtliche Geſchenke, damit fie Ihre 
Gemahlinnen in die Geheimniſſe der Ehe einweihen 
möchten f). Die Wilden in Andalufien uͤberließen 
’ bie Freuden der Brautuacht ihren Piayen, oder 
Baubderern, weil fie es für eine große Suͤnde gehal⸗ 
sen hätten, ber erſten Umarmungen ihrer jungen. 
Gattiunen zu genießen 2). Eines ganz andern 
Urſprungs war bie Sitte, wach welcher Wekure 
game fo wohl au der Malabariſchen Küfte, als 
auf ven Antillen Vornehmere, ober Perfonen von 
aleichem ‚Stande einlabeten,. ihre Stellen in der 
Hochzeitäünacht bey den Bruͤuten zu verireien A).- 
Dan ſah, wie es fcheint, eine ſolche Stellvertre⸗ 
tung eher für einen Licheöbienfl au, der Dank. vers: 
Diene, ald für eine Ehre, welche man Anderen. exe: 
wieſen habe: a 

F) Sonnerat 1.57. 68. | | 
&) Coreal I, 40. Car an aflure chez les Indiens, 
ue c'eſt un grand erime, de ne pas ceder aux 
retres cette, leur fi clöre et ſi rare en nos quar- 
tiers. | 


. b) Sonnerat 1. c. und Coreal I, 10, 1. 


U — 


. Bubiftes 








| Zwoͤlftes Bud. 
Geſchichte der Zauberer, Beſchwoͤrer, und 
. .  Priefler. | 





Alle nicht gebildete Wölker hielten. die gluͤck⸗ 
lichen, und ungluͤcklichen Begebenheiten ohne Aus⸗ 


nahme für unmittelbare Wirkungen entweder ven 
guten und böfen Göttern ſelbſt, ober von Ver⸗ 
trauten unb Gchülfen, ober Werkzeugen guter, uud 
böfer Goͤtter. Der Glaube an bie übernatürlichen 

„Kräfte von Vertrauten, und Gehülfen, oder Werk⸗ 
zeugen ber Götter war nicht weniger alt, und alls 
. gemein, als die Vorftellungen von höheren Natu⸗ 
ven, und deren unmittelbaren Wirkungen a), So 

Ä ‚wie 


2) Horſter Voy. 1. 520. fagt, baß er und feine Re 
fegefäbrten Feine Zauberer unter den Neus Seen 
ändern bemerkt hätten. Dieß tft Fein Beweis, daß 


“ dergleichen nicht vorhanden waren. Die Wogulen 
verficherten Georgi, daß unter ihnen niemahle weder 


« Yriefter, noch Zauberer, gewefen feyen.. . Reifen 


&. 597. Georgi verfiand entweder die Woguͤlen 
nicht recht, oder diefe fagten ihm nicht die Wahr⸗ 


heit. 
98 


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482 v Side ie 
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wie Begriffe von höheren Naturen 


da ſeyn muß: 
ten, bevor es ſterblichen Menſchen einfallen konnte, 


ſich ſelbſt für uͤbermenſchliche Weſen auszugeben; 


ſo ging auch gewiß der Wahn, daß Menſchen Ver⸗ 


traute von Göttern ſeyn, und durch die Huͤlfe von u 


Göttern außerordentliche Dinge verrichten koͤnnten, 
vor den Anmaaßungen ber erften Betrüger her, bie 
ſich faͤlſchlich ruͤhmten, daß fie durdy die Verbin: 
dung mit höheren Weſen vieled vermoͤchten, was 


- die Kräfte gewöhnlicher Menfchen überftetge, Frey⸗ 


\ 


4 


SGute hindern koͤnnſen. Des Argwohn, daß Men⸗ 
En 


lich folgte allenthhalben ber: ſchlaue Betrug dem ur: 
ſpruͤnglichen Aberglauben der erften Menſchen fehr 
ſchnell, und gleihfam auf dem Fuße nach. Der 
ſicherſte Beweis hievon ift diefed, daß bie Zauberer 


. anter allen Völkern, felbft den elendeften Wilden | 


ein eintraͤgliches Gewerbe treiben, und daß fie key 
diefem Gewerbe. offenbar betruͤgeriſche Künfte üben. 
Wollte, ober koͤnnte man .alfo die urfprüngliche, 


-Vefchaffenheit von Zauberern, und Beſchwoͤrern 
nach ihrem gegenwärtigen Zuftande in allen Enten . 


der Erde beurtheilen; fo würde man allerdings 


ſagen müffen, daß diefe angeblichen Vertrauten ber 
Götter ihr Daſeyn nicht dem Aberalauben, nicht 


dem Mangel einer richtigen Kenntniß der Natut, 
fondern dem vorfeglichen Betruge zu banken hätten. 
Man fürdhtete, oder verabfchente Menſchen, welche 
man als Gehuͤlfen böfer Götter in Verdacht hatte, - 
eben jo-früg, old man Andere verehrte, denen 
man Verbindungen mit guten Goͤttern zutraute. 
Nicht weniger alt, und natuͤrlich war der Gedanle, 


“daß es Menſchen gebe, welde durch die Hülfe hoͤ— 


herer Naturen bald Gutes hervorbringen, und 
Hebel abwenden, bald Boͤſes bewirken, und das 


chen 





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35 R 
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| ‚fürn durch hoͤbert Kraͤfte, ober Untergang des 


ſchadet hätten, oder ſchaden koͤnnten, entfland vors 


güglich aus Traͤumen, dann aker audy aus unzähli: 


gen anderen, gar nicht aufzuzählenden, oder zu. 


beſtimmenden Beranlaffungen. Die entgegengefegte 


u guͤnſtige Vermuthung ward von jeher allenthats 


ben, und wird aud) jetzt noch durch ein natuͤrliches 
großes Gebrechen erregt: durch epileptiſche Zuckun⸗ 


gen, und Verzuckungen. Man betrachtete zu als’ _. 


len Zeiten Zuckungen, und Verzuckungen ald Zus 


ftände Yon Goͤttlichkeit, oder Heiligkeit, und dies . 
jenigen, die oft und leicht in folche Zuftände fielen, - 


als Giünftlinge guter Götter. Da Weiber ſowohl, 
als Männer epileptifken Zuckungen, und Vers 
zuckungen unterworfen waren: fo muften nothwen⸗ 
dig beybe als adttliche Perſenen, als Vertraute 
Auter Götter angefehen werben. Unterbeffen ers 


rente, oder fafite Bas ftärfere Geſchlecht unter den‘ 


meiſten Völkern die Meinung, daß Männer haͤnfi⸗ 


“ der, als Weiber der Einwirkung, und Mitwirs 


kung guter Götter gewürdigt, und Weiber Hinges 
gen öfter, ald Männer, von böjen Göttern zu 
Werkzeugen ihrer feindfeligen Abſichten gebraucht 
wuͤrden. Die erfte, und allgemeinfte übernatärs 
liche Wirkung, welche man von den Wertiauten 
‚ guter ‚Götter erwartete, war bie Heilung von. 
Krankheiten, und anderen cörperlichen, Schäben, 
fo wie die erflen und allgemetnften Nachtheile, wel⸗ 
. he man von den Vertrauten böfer Götter fürditete, 


in Krankheiten und Tod beftanden. Zu dieſen ers . 


ſten, und allaemeinften übernatürlichen Wirkungen 


geſellten fehr bald ſowehl ter herrſchende Aberglau⸗ 
be ver Völker, als die Argliſt derer, bie für Ver: 


traute ber Götter gehalten fern wollten, andere _ 


2 2 . Wun⸗ 


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Wunbergaben und Wunderthaten: vorzůglich die 


Entdeckung verborgener Dinge, bie Hervorrufung 
und Bändigung von Goͤttern und Geiſtern, bie 


Verſetzung in entfernte Gegenden, die Hervorbrin⸗ 


gung, oder Abwendung von mancherley natürs 


lichen Guͤtern, und Uebeln, von guͤnſtiger, oder 


anguͤnſtiger Witterung, von Gluͤck, oder Ungluͤck 
im Kriege, auf der Jasd, oder dem Fiſchfange, 


u. ſ. w· 
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Es ift fehr leicht darzuthun, daß eben die 


| Urſachen, welche die Vorſtellungen, und Vereh⸗ 


rung hoͤherer Naturen hervorbrachten, auch den 
Wahn von gewiſſen Vertrauten der Götter, und 
ihren Wundergaben erzeugten: daß alſo nicht Be⸗ 
trug, ſondern der Aberglaube der Menſchen die er⸗ 


ſten Zauberer, und Beſchwoͤrer ſchuf. Es gab 


zwar, wie wir in den Unterſuchungen des naͤchſten 
Abſchnitts über Zauberey, und Beſchwoͤrungen ſe⸗ 
hen werden, viele Beyſpiele, daß Maͤnner und 
Weiber ſelbſt glaubten, mit boͤſen Göttern ober 
Geiſtern in genauer Gemeinſchaft zu feyn, und 


. bar diefe Gemeinſchaft großen Schaden geſtiftet 


zu haben, oder ſtiften zu koͤnnen. Allein die mei⸗ 


ſten Ungluͤcklichen, welche man. einer Verbindung 


mit boͤſen Göttern, ober Geiſtern argwohnte, woll⸗ 
ten nichts davon wiſſen, und hätten ben Verdacht, 
welchen der Aberglaube ihres Volks auf fie warf, 


. . gern don fiih.abgemälzt, weil dieſer Verdacht ent⸗ 


weder unvermeidlichen Tod, oder body eine beſtaͤn⸗ 
dige Unſicherheit des Lebens nach ſich zog. Die 


Jongleurs im. noͤrdlichen America behaupten auf 
das beſtimmteſte, daß fie nur des Almgangs mit 
guten Göttern, oder Geiſtern genießen, und vers 
Bi vwab⸗ 





wahren ſich forgfältig gegen ben Verdacht, mit boͤ⸗ 
fen Geiftern zu thun gu haben. - Vielmehr ruͤh⸗ 
men fie ſich, daß fie mit Dülfe ihree Manitus die 
Urheber von böfer Zauberey entdecken, und bie 
Wirkungen : von Zauberwerken aufheben Tönnen, 
‚Ihren Angaben nach find es faft ohne Ausnahme . 
alte Frauen, melde Krankheiten, ober andere 
"Un’älle veranlaffen: eine Schuld, welche bie Ans . 
— geflagten mit bem Leben büßen mäflen 6). Die 
Angebots der Groͤnlaͤnder beſchraͤnken ſich, gleich 
ben Jongleurs in Tanada, bloß auf bie Bekaunt⸗ 
ſchaft mit guten Goͤttern, und klagen die Illiſeet⸗ 
ſak als ſolche an, welche durch die Mitwirkung 
von boͤſen Geiſtern Krankheiten und andere Unfaͤſe 
hervorbraͤchten. Die Illiſeetſaks in Groͤnland be⸗ 
ſtehen groͤſtentheild aus alten Weibern, welche bes 
wegen ohne Umflände tobt gefdylagen werben ©). 
Wenn die Neger in Afrika auch die Gangas, oder 
Fetiſchirer non beyderley Geſchlecht, die mit. guten 
und böfen Gbttern in Gemeinfchaft find, nicht 
buch Nahmen unterfheiden; fo unterfcheiden fie 
tdieſelben doch durch die That. Sie ehren, und 
belöhnen die Einen, vertilgen hingegen bie Anbes 
ren 


S5 Charlevoix Journ. p.360. Les feuls ſoreiers... 
palſent. . „ pour etre en cemmerce avec les 
"manvais (genies), et ce font furtout les fem- 
mes, gni exercent ce deteliable metier. Les 
. jongleurs de profefhon. non feulement ne s’un 
melent pas, au moins ouvertement,. mais ils 
font une etude particuliere pour [gavoir décou- 
yair les forte, os en’ empächer les pernicieux 
effets. | 


'e, Cranz 274 ©. 


x 
7 
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‚ken, fo bald fie dieſelben kennen lernen d). Es | 
iſt merkwuͤrdig, daß unter allen urfprüngliden . 


Voͤlkern unfers Erdtheils fo wohl in ben aͤlteſten 
Beiten, ald im Mittelalter, vorzüglid Weiber in 


bdenm Verdacht waren, daß fie mit böfen. Göttern, 
ober Geiſtern vertraut feyen, und ſich h fo gar fleiſch⸗ 


lich mit denſelben vermifchten e). In vielen Ges 


enden Eonnten diejenigen, die ſich eines genauen . 


mganges mit guten Göttern rühmten, fo fehr fie 
es auch gewollt hätten, nicht den Verdacht abhal⸗ 
ten, daß ſie gleichfalls mit boͤſen Göttern Gemein⸗ 
ſchaft haͤtten, und auf Antrieb, oder mit Huͤlſo 


derſelben Schaden anrichteten. Dieſer Verdacht 
batte für fie die traurigften Folgen, Die Fuͤrſten 


der Caffern, und Mottehtotten laſſen haͤufig in haxt⸗ 


naͤckigen, ober gefährlichen Krankheiten alle Zaube⸗ 


rer, beren fie fidy bemäctigen koͤnnen, ober doch 


5 diejenigen, welche fie als die Urheber ihrer Uebel 
argwoͤhnen, todt ſtechen. )). Auf eben die Art 


verfahren tie Voͤlker in Guiana und Paraguah 


x Nah dem Tode von Fürften, und beſonders ben 


herrſchenden Krankheiten. Als einſt die Blattern 
große Verheerungen aurichtetens: fo befahl‘ cin 
MPatagoniſcher Fuͤrſt, dag man alle Zauberer töb: 
ten folle, meil die mörderifche Seuche alsdann 
vielleicht aufhören werde g). Die Chiquites in 
Paraguay rotteten vor nicht gar kauger Zeit alle 
Zauberer aus, weil ſie gefunden zu haben re 
8 


a) Oldendorp I, 303 ©, 

e) Keisleri Antig. 456 et fg. m 

f) Sparrmann ©. 198. 199. 
g) Falkner p. 317, Barrege ©. 139. 





Dt ne oe .- 
. 
x 


durchous keine Banberer anerkennen, Diefer der 


daß dieſe Meeſchen weſeh, ober weit mehr Abſes⸗ 
als Gutes flifteten.h). Selbſt nach ver Auſsret⸗ 


tung ter Zauberer aber dauerte der "Wahn fort, 
daß alle Krankheiten durch Zanbereh,- oder Zanber⸗ 


- werke erzegt worden. Der Verdacht ber Zauberey 


mag anf Maͤnner, oder Weiber fallen; fo werden 
die. Geargwohnten auf der Stelle umgebracht. Da⸗ 


mit das Volk der Huͤlfe, welche bie vernichteten 
u Zauberer geleiſtet haben moͤchten, nicht beranbt 


werbe; fo übernahmen bie Caciquen bad Gefchäft 


ber Heilung von Krankheiten, und zwar auf. chem 
bie Art J wie-die Zauberer es geübt hatten. DE 
e 


Calmycker und Lappen ſind überzeugt, da ihre 
Schamauren. eben fo oft ſchaden, als helfen 5). 
Wenn banbe. Völker es gleich nit. wagen, ſich an 


diefen Vertrouten der Götter zu vergreifenz fd 


meiden fie biefelben, ober vrrabſcheuen fie bei. 


Die Sappen a einen, ſo hohen. Begriff von der 


Macht der Schamanen, daß ſie glauben: die Reit 
würde vor ihrer. Zauberey vergehen, menn nicht 
die Schamatgen von bem Douner rate, und Ki 
fig getroffen wuͤrden. 


Ein anderer untruͤglicher Beweis, daß der 
allgemeine Aberglaube den erſten Bauberein bie 


wohlthaͤtigen, wie bie ſchaͤdlichen Wundergahen 
aufgedrungen habe, liegt in dem goͤttlichen Beruf, 


auf welchen noch jetzt alle ruhe Volker bey ihren 
Zauberern Ruͤckſicht nehmen, und ohne welchew⸗ſie 


vo 


i) Datıae Reifen I, 20 George Beſchr. S. 13. 
Hogſtroͤm S. 15. | f 


488 1 — — 

are * —* oder erworbene Lechtigkeit, 
ie Zeckungen, und Verzuckungen, ober Ekſtaſen 
gu mlen. Alte Sthammifche Heiden in Sibirien 
Rinemen barinkberein, daß Peiner ſich ſelbſt zu eis 
um Schamans nischen koͤnne, fondern ba er von 


sen: Gott Dazu: erwaͤhlt werben müffe k). Die 


Wahlr ber Goͤtter erkeunt man an Kraͤmpfen, mb 
Packungen M3 : Da 'epileptifhe Zufaͤlle meiſtens 
rrdlich ſind, ſo geföhteht es micht felten, daß bie 
BSaqamanen⸗ Würde vier, bis ſechs Zeugungen 
vurch; von: den: Vaͤtern auf die Kinder uͤbergeht. 
Echamanen find um deſto angeſehener; je laͤnger 
Hr Voreltern ſchamaniſirt haben my Wenn 
ESchamanen ſelbſt keine Kinder haben, welche bie 
usthigen Gaben yaflßen’; fo nebmen fie andere ept: 


- Ürptifche Kiuber : zu re und erjiehen‘ fte ju ihren 


Mahhfolgern a). Auch die Patagonier fehen epi⸗ 
Sehrifche Kinder als ſolche an, die von Geiſtern bes 
foffen fegen, und dadurch zu ihren Wertrauten er⸗ 
Fahuen würden e).. Bell epileptifche Knaben meis 
end vom eiuen ſchwachen Coͤrperbau find, fo hält 
man fie früß an, Weiberkleider anzulegen. gu 
Ä | as 


4) mn IV; sog ı fi 

1 Seorgte Bahr. &. 376. © 0000: 
m) Gmelin I. 332... u 
: =) Georgi .c. 


o) Falkner p. ı17.: They who are: "feinet with 
. fite of the falling Geknels, or the chorea faneti 
viti, are immediately felected for tbis employ- 
ment as chofen by tbe demons themlelves: 
whom they fuppofe to poflels ihem, and to 
eaufe all thoſe convulfions and diftertions com- 

' mon in epileptic paroxy ln, 


— I: Pergfrhn u Foiugen A —— 3 A Po 
ei En FIT Ge —— ZA 


on =. 13 
Vatagoniſchen Zauberer muͤſſen dieſe Kleider be⸗ 


ſtaͤndig behalten, und duͤrfen ſich auch nicht verhei⸗ 


rathen. Die Augekoks in Grönland haben einen, 
‚ oder mehrere Schäler, mozu fie ſolche Kinder währ 


fen, bie epileptifchen Anwandlungen unterworfen 
find p). Die Grönlänver erkennen keinen für eis 


nen Angekok, ber nicht eine Seitlang in Einöven ' 


‚gelebt, durch Gebete, und Feften die Gnade des 


Gotted Torngoneſuk zu erlangen geſucht, amd 


dann durch gräßlihe VBerbrehungen, und Verf 


ckungen auf eine feierliche Art bargethan hat, daß 
ihm von biefem Gott: ein Zorngaf, ober Schutz⸗ 


- geift zugeftanden worden. Solche Probeverzuchun⸗ 


aen find nirgend hinreichend. Einer allgemeinen 


Denkart zufolge koͤnnen Zauberer in ben wirhtigfien 
Angelegenheiten, daß, was ınan von ihnen erwar⸗ 


tet, nicht anders, als in Verzuckungen, oder nach 


‚vorhergehenden Zuckungen leiten. Schon hieraus 


[ 


allein wäre man bereihtigt, zu nn daß alle - 


Voͤlker epileptifche Peg eytrante don wife 8 
— 


Goͤtter etrachteten! 
Een Sinn kam, fich außerordentliche Kräfte 
anzumaafen: daß alfo auch eitı dem Menſchen na⸗ 
türlicher Aberglaube , und nicht Betrug bie "erfle 
Urfade ber Entftehung von Zauberern war. 


Allem Vermnthen nad waren diejenigen, 


welche man zuerſt zu Vertrauten ber Goͤtter erhob, 
eben ſo feſt, als ihre Landsleute oder Zeitgenoſſen, 


berzeugt, daß fie wirklich von höheren Naturen 


beſeſſen, und. getrieben wuͤrden: daß fie beſonders 


+ 


- alled das wirklich empfänden, erführen, und thä« 


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ten, 


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) Cranz S. 268. 270. 


1 


{nem diefer Kran⸗ And “ a 


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4 
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ur 





80 — — 


ten, was ihre zerrůttete Phautaſte hnen waͤhrend 
ihrer Verzuͤckungen vorſpiegelte. Allein dieſe Ue⸗ 


„berzeugung feßte fie nicht gleich in Stand, dad zu. 


% 
x 
TR 
me aa —— von 
N. * 


leiſten, was man. von ihnen erwartete, ober ver⸗ 
langte: naͤmlich zu jeder Zeit in Verzuckungen zu 


‚fallen, Rranfheiten zu heilen, verborgene Diuge 


gu entdecken, Eünftige vorher zu Jagen, gute Götz 
ten und Geiſter herbeyzurufen, böfe zu vertreiben, 
ober zu vernichten, a. f. w. So bald die erfien 


- Bertrauten der Götter ben Verſuch machten, auf 
bdbie Bitten von, Anderen die Wundergaben, welde 


man ihren, und auch, fie ſelbſt fih zufzauten , auds 


zuuͤben; fo mußten fie. —— a ober Pr: 
JlbE mußten, daß. 








geben , wovon ſie 
fen, als ſie ea pon ——— ————— 
und ber Betrug geſellte ſich alſo u zrirs 


Nlichen Aberglauben in eben de 


lchem das Zaubern, und —— Su 
be wurde, Der allgemeine Betrug ber. angebs 


ichen Zauberer ift unverkennbar in der Art, wie 


fe ſich zu ihren Verzuͤckungen vorbereiten: in ih⸗ 


vom Beschmen während ber Verzuͤckungen: in 


ben Gauckeleyhen, welche fie damit verbinden: in | 


deu Ornat, ober der Zauberrüftung, melde fie 
‚anlegen: in ihrer Methode, "Krankheiten und 


ESchaͤden zu heilen: in ihren MWahrfagungen fo 


jr 


wohl, als in ben Erzaͤhlungen deſſen, was ihnen 
‚ während ihrer Ekſtaſen begegnet ſey: in dem Bun⸗ 


de, welchen fie unter vielen Völkern mit einander. 
geſchloſſen haben, fo wie in den Prüfungen ‚und 
Einweihungen, welche fie mit ihren Juͤngera, und 
künftigen Amtsgehülfen vornehmen. . Die Zaube⸗ 
ser aller Völker, und Zeiten waren, und find eins _ 
- ander in ihren Küuften fo auffallend ähnlich, daß 
man 


N 


— — 491 
man ‚zu glauben verſucht wird, fie ſeyen aus einer 
gemeinfhaftlihen Schule ausgegangen, ober von 
gemeinfchaftlichen Lehrern unterridytet werben. Diefe 
allerdings vermundernsiwäurbige Aehrlichkeit beweist 

weiter nichts, als daß ähnliche Sagen und Abfich⸗ 
ten ähnliche Handlungsarten veranlaſſen. 


-: Man hielt die erſten Zauberer für. Vertraute 
ber Götter, weil fie zu gewiſſen Zeiten in Zücuns 
gen und Verzuͤckungen fielen, oder gefallen waren. 
Sp lange ſolche epileptifche Perfonen die Natur . 
allein malten ließen; fo konnten fie die Unwands . 
lungen ihrer Krankheit eben fo wenig herbeyrufee, 
als zuräc halten. Weil man aber allenthalben 
vorausſetzte, dag epileptifhe Männer and ‘Weiber 
nur in ben Zeiten wirklicher Kuckungen und Ver⸗ 
zuckungen mit ber Gottheit erfüllt feyen, ober übers 


natürliche Kraͤfte befüßen; und ſolche Zufälle ſich 


“nicht gerade alabann. einftellten, wenn man fie um 
Kath und Hülfe aufprah; fo wurden die Einen 
und bie. Anderen bald genoͤthigt, ber Natur zu 
Huͤlfe zu kommen, und das: gu erfänfteln, was 
die Natur ſelbſt nicht geb. Man kann auf eine 
gereiffe Art fagen, daß bie Natur felbft die Mit⸗ 
gel, oder Künfte anwies, womit man fie nachäffen 
oder ihre Gebrechen und Aeußerungen hervorrufen 


Ed 
. 
— —— 
. 
RVW 


koͤnne. Dieſe Mittel waren heftige Verdrehungen / 


bed Eörpers, heftiges Springen und Tamen, hef⸗ 
tiges Schreyen und Srüllen jo lange fortgefeßt, - 
bis die Sinne vergingen, ber Nund ſchoͤumte, und, 

der erfhöpfte Coͤrper in finnlofe Betäubung, ober _ 






in wirkliche Convulſionen dahln fand, Wie ma 


tuͤrlich dieſe Mittel feyen, Verzuckungen zu er: 
kuͤnſteln, erhellet allein daher, daß fie . 
u F | anus 


— 


> 


bis des Getroffene die ſchrecklichſten Convulſionen 


49? | — — 


Zauberern aller Voͤlker gebraucht wurden, und 
noch gebraucht werden. Die Jongleurs fo wohhl 


. im nördlichen, als im fühliden America verdre⸗ 


. 
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hen den Coͤrper fo fürchterlich, und erheben fo gräßs 
liche Geſchreys, daß fie nicht bloß die Zuſchauer 
mit Entſetzen erfuͤllen 9), ſondern ſelbſt denen in 
einiger Eutfernung zuhoͤrenden Weibern und Kin⸗ 
dern Convulſionen zuziehen nr). Bey Einigen tritt 
‘bie epileptiſche Verzuckung früher, ‚oder leichter, 
bey Anderen ſpaͤter ein. Carver war Zeuge, daß 


ein aͤlteres Mitglied der ſo genannten Seſellſchaft 


des Geiſtes si einen jungen Mann, der aufgenom⸗ 
‚men werben follte, blog mit-einer Bohne, - ober 
‚mit etwas warf, mas durch Farbe und Form einer 
Bohne glih. In dem Angenblicde, we der Wurf 


geſchah, fiel der junge Mann ploͤtzlich zu Boden, 


ald wenn er todtgefchoffen waͤre y. Es dauerte 


lang, bis ber Erftarrete nach den ftärkften Rei: 
bangen, und felbft Schlägen wieder zu fi kam. 


Auch kehrte das Bewußtſeyn nicht eher zuruͤck, als 


aus 


9) Charlevoix Journal p. 361. 362. ... on les y 
“ voit entrer dans des «onvullions, et des euthon- 
': fiasmes, prendre des tons de voix, et faire des 


= actions, qui paroiflent au- dellus. des forcasjhu- 


maines, et qui infpirent aux fpeetateurs les 
plus prevenus contre leurs impoltures une bor- 
reur, et un laiſſiſſement, dont ile ne [ent pas 
les muitres. . Rue 


r) Leri p, 2402-47. 298. 
0) Pe-978, Ihe friendly ſociety of the ſpirit. RL 


t) p 274... be inftanty fell ss motipnlils, as - 
if he bad been [bot, | 


>» 


v 


' 


ausgeftanden hatte. Diejenigen, Zauberer, welde 
die Verzuckungen befchleunigen wollen, trinken ent⸗ 


. weder Tabacksſaft, ober entEräften fi vorher '. 


durch Dampfbäber, welche nus urfprüngliche Ame⸗ 


| sicaner aushalten können n).: Die Verzuͤckungen, 


denen bie Zauberer fi überlaffen mäßen, find fo 
ermattend, dag manche fi) ungern dazu verfichen, 


wenn man fie auch noch fo gut bezahlen will x). . 


Die Schamanen in Sibirien y) und bie Fetifchirer 
in Afrika 2) bereiten fih durch ähnlihe Sprünge 
und Geſchreys zu Verzuckungen vor, wie bie “Sons 
gleurd in America. Gelbfi-der ältere Gmelin 


konnte kaum begreifen, wie .einige Zauberer, de⸗ 


sen Schamanereyen er beywohnte, die ungeheuren 
Anftrengungen, welche fie fidy gaben, auszuhalten 
vermoͤchten a). Die häufigen Verzuͤckungen greis 


fen den ganzen Eörper, befonderd.bie Augen bey 


Sibirifhen Schamanen fo fehr an, daß Mande 


daruͤber dad Geſicht verlieren. Selbſt diefe Blind 


heit ift ein nener Grund, wodurch bad Anſehen 


von Schamanen vermehrt wird 6). Ginige Schar 
. nianen trinken ein Deesct von Fliegenſchwaͤmmen, 
oder den Urin von Perfonen, bie fi durch Flie⸗ 


geuſchwaͤmme betäubt hatten, um deſto geſchwin⸗ 


der - 


u) Charlevoix ], e. 
x) ib. p. 360, 


7) Georgis Dr S. 330. 377. 78.. Emelin’s 
Reifen 1 225. 397. 398. Jobrand in den Voyages. 
au Nord VII, 56. 57 p. N 


=) Römse 6. 57. Bosmann ©. 260, 
| e) II. 363. Ä | 
6) Georgi l.e. 





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— 8 N ⸗ 
494 — — — 


der in Verzuckurgen zu fatlen 9. Die Ferifäte 


ver bereiten einen Trank, melden fie entweder 
Schwörenden bey der Ablegung von Eiden, oder 
denen, welche wegen ſchaͤdlicher Zauberey verdaͤch⸗ 
tig find, als eine Gottchprobe zu trinken geben d). 


Wahrſchelnlich nehmen fie eben biefen betaͤnbenden 


Trank zu Hülfe, wenn fie fürdten, daß die Wers 


zuckungen, in welche fie übergehen, zu lange and: 


bleiben koͤnnten. 


Wenn auch der Aberglaube des Volks hin 
und wieder, wie in Patagonien ‚ bie Vertrauten 


der Götter nöthigte, ſich durch eine befondere Tracht 


auszuzeichnen; fo ift Doch zugleich unläugbar, daß 
ber Zauber : Demat, oder die Rauker : Ruͤſtung, 


welchen bie Vertrauten ber Götter in allen Thetz 
len ber Erbe bloß zur Zeit ihrer Operationen ans 
legen, abfichtlich. gewählt worden, um die Sinne 


‚ ber Umftehenden zu rühren, und fie defto mehr 
mit Graufen zu erfüllen. Die Zauber: Rüftung 
| befteht faft durchgehende in Zauber » Mänteln und 
_ Bauber » Trommeln. Im: öftlicdien Aſten find bie 
Kamtſchadaliſchen Schamanen und Schamaninnen 
“bie einzigen, die ihr Gewerbe, ohne Mäntel‘ und 
Trommel treiben e). Unter allen übrigen Sibis 
riſchen Völkern tragen die Schamanen und Scha⸗ 
maninnen während ihrer Amts-Verrichtungen Zau⸗ 


bermaͤntel und Zaubertrommel, ober doch flatt der 


legten, br v5 lange mit Soͤten behangene Si 


7; 


e) Georgi ©. 329. Benioweky I, 286 p- 
d) Proiart I. 3276, 
*) Weller ©, 277. 


u 


— — Du ⏑ GE 
. 
D 


5 Georgi Veſchr. ©. 378. Gmelin I. ag, - 
.. N). Geongil.c. und ©, 13. und Gmelin H 49. 


\ 
— 


— 40 


be, auch Heine Fahnen und Pferdeſchweife f). Die 
Trommeln find eyförmige Siehe oder, Schachteln 


von derfchiehener, Größe, nur an einer Seite mit 
einem Felle beſpannt. Meiftens ift dad Fell, oft 


auch der Rand der Trommel mit allerley Figu⸗ 
ren bemahlt, fo wie das Innere berfelken, burdj 


welches eine Stange geht, mit Gößen und anderem 
Klimperwerk behangen. Die hölzernen Schlegel, 


womit die Trommeln gerührt werden, find mit 


einem Haaſen- oder‘ anderem Fell überzogen, und _ 


bisweilen noch mit einigen Zinken, oder Hoͤrnern 
geziert. Der wahre Zweck ded Gebrauchs der 


-. Trommeln, beym Zaubern war die phnfifihe betaͤu⸗ 
bende Wirkung, melde das dumpfe Geröfe dieſer 


Änfteumente hervorbrachte. Won biefem wahren 
Zwecke find die angeblichen Abfichten der Trom⸗ 


meln und des Xrommelnd ganz verfdieden, Die 


Schamanen und Schamaninnen geben vor, daß 
die Götter, oder Geifter das Gersufd der Trom⸗ 


‚mel lieben, und daß man fie nur durch dad Ruͤh⸗ 


ren ber Trommel, oder wenigſtens leichter, als 
font, herbenrufen könne g). Sie trommeln alfo 
auch defto flärfer, ‚je länger die Götter, oder Geiz 


Be ſter aushleiben: das heißt, je länger ſich ihre Wers 


zudlungen verzögern. Eine andere angebliche Abs 
fihe des Gebrauchs der Trommel iſt das Mad: 
fagen von vergangenen, und das Morherfagen von 
künftigen Dingen. Wenn man die Schamanen 
der Lappen und anderer Heiden in Sibirien uͤber 
vergangene, ober künftige Dinge frägt; fu legen 


fie einen Ring auf die Zaubertrommel, thun eine 


ge⸗ 


— 


._ — — — — 


496 mu | | 


' gewiffe Anzahl von Schlägen auf dieſes Inſtru⸗ 
ment, and geben Acht, auf welchem Bilde der 
bemahlten Trommel der hüpfende Ding liegen 
bleibt. Jedes Bild hat ihrem Vorgeben nad 
feine eigene Bedeutung. Da die Bedeutungen 
. bee Bilder nur ihnen befannt find, fo koͤnncen fie 
‚ihre Antworten jimmer nad) Belieben einrichten. 
Die Teleutifhen, Sajaniſchen und Abinziſchen Weis 
- fen werfen etwa vierzig Stäbe auf die Zaubers 
srommel, und beurtheilen dann aus ber Sage, ober 
bem Fall der Stäbe, was zu thun fey 4). Nur 
unter ben Karfchinzifchen ‚Tataren find bie Zaus 
bermäntel aus Kitaika, ober einen baummollenen 
Chinefifhen Zeuge s). Der zarte Stoff biefer 
Maͤntel verträgt ‚Beine ſchwere Verzierungen, und 
beßwegen behängt man fie bloß mit leichten Fetzen 
und Muſcheln. Unter den übrigen Sibirifchen Vol⸗ 
Fern find die Zaubermäntel, welche meiftens bie 
auf die Füße herabgehen, von Leber. 


Diefe Iebernen Zaubermäntel find mit mans 
cherley Inſtrumenten, und anderem Geräth aus 
Eifen, feltener aus Meffing, mit den Köpfen, 
‚Klauen und Häuten von alleriey Thieren, vor⸗ 
züglidy mit Adlersklauen und Schlangenhäuten mehr - 
bedeckt, als befeßt A). Die Schamanen ; — 

| — pe 


A) Beorgi's Belchreib. S. 395. 
. 3) Smelin III. Vorrede ©. 6, 


‚k) Beorgi’s Belchr. 377 S. Isbrand 1, e. p. 66. 
Gmelins Rei. 1..397. 99. IL 83. Sch ſchreibe 
wur folgende Worte von Isbrand ab: C’eteit une 
forte de eafaque garnie de figures de fer pen- 
dantes, qui reprelentgient toutes. fortos d’oi- · 

eau2, 


ı 5, 


EEE EEE 
X 


+ I 


— — 407 


—hhaben ein ſolches Gewicht, daß ein ſtarker Mann 
fie nur kaum, ober auch gar nicht mit ber Hand 
aufheben ann ). Sie erregen bey den gewal⸗ 
tigen Sprüngen, melde die Schamanen und Ciba: 
maninnen maden, ein fo furchtbares Gepraffel, 
bag man, wie Ömelin fagt, alauben follte, einen 
mit Ketten und Banden gefeffelten Teufel vor ſich 
zu fehen m). Zu den Mänteln gehören leberne- 
‚Bauberftiefeln und Zaubermüßen, ſehr oft auh _ 
Zauberhandſchuhe. Die Stiefeln haben ähnliche, 
Anhängjel, wie die Mäntel. Die hohen Mügen 
find wenigſtens mit Eulen, und Adlersfedern, ſehr 
oft mit Schlangenhäuten und gräßlichen Hirſch⸗ 
artigen Hoͤrnern geſchmuͤckt y). Jsbrand fah 

- einen Schaman, deſſen Handſchuhe zwey Baͤren 

vorſtellten. Selbſt die abentheuerlichſten Schama⸗ 
nen in Sibirien muͤſſen den Thibetaniſchen Zaube⸗ 
rern, ober Cickhings weichen 0). Die Cickhiongs 
werfen zuerft über ihre gewöhnliche Kleidung eineri 

Zn | - les, 


feaux, de poillons, de b£tes feroces; des fle- 
ches, des [cies, des marteaux, des fabres, des 
maflues, et g&neralement tous les objets ef- 
frayans, qu’on peut imaginer. Nur nuter einie 
gen Mationen ſind die ledernen Amtskleider ber 
Schamanen kürzer; oder fie beftehen bIoß in den 
gewöhnlichen Kleidungsſtuͤcken, die beym Zaubern 
mit Sehen von Pelzwerk und anderen Lumpen, auch mit 
Goͤtzen und Schellen behangen werden. Georgi l, c. 


3) Jebrand und Gmelin Il, cc. 
m) 1. 398. 

n) U, cc, 

0o) Alphab, Thibes, p. 243. 244. 


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ledernen Rock von’ grüner, ober blauer Farbe, 
dem allerley goldene Zierrathen eingedruͤckt ſind; 


und ziehen dann einen weiten, aus Seide koſtbar 


— 


gewirkten Mantel an. An dieſem Mantel haͤn⸗ 


gen oberhalb und unterhalb der Schulter vier Slüs - 


gel, oter Streifen herab, bie über und über ftark 


mit Federn befeßt, und an den Rändern mit Ads 


lersfedern verbrämt find. Die Muͤtze befteht aus 


fünf Menſchenſchedeln. Der oberfie diefer Schäs 


bel ift mir einer Löwenhaut ummunben, welde 
mit goldenen Schnüren befeftigt, und mit Hahnen⸗ 


federn beſteckt wird. . Ueber ber Muͤtze ragt ein 


Schirm hervor, deſſen Spiße einen goldenen Kreis. 


bildet, und theild Buͤſchel Von Adlerfedern, theils 


vier Bleinere, vorn und hinten herabflatternde Fluͤ⸗ 


. gel, oder Streifen in fidy ſchließt. Auf der Bruft 


der Eickhiongs glänzt vor allen Dingen ein goldes 


ned, mit Zauber: Charactern befchriebened Blech. 


Unter dem Bleche erblickt man ‚fünf Streifen ton 


.. verfihledenen Farben, nebft einem weiffen Schleier, 


der bis auf die Knie herabgeht. Mit alle dieſem 
magifehen Prunfe, zu welchem noch ein Zauber 


Inſtrument, Torceh, in ber Rechten hinzukommt, 


den, Was fie von diefen Waffen ergreifen, wers 


bewegen fidy die Thibetaniſchen Zauberer fo leicht, 
ald wenn fie vom Winde getragen, ober. getrie 
ben wuͤrden. Sie tanzen, heulen, fehreien und 
fhäumen, mie ihre Brüder in Sibirien y)). In 


ſolchen Anfaͤllen von Wuth greifen fie, von Zeit 


zu Zeit in Kaͤſtchen, die mit Eleinen Dolden und 
Lanzen angefüllt find, und ihnen nachgetragen wers 


fen 


pP) l.c. Saltitat, torguetur in ommes partes, fre 
mit, furit, Aridet, ululat, etc, | l 


x 
‘ L ! u. 


- -_ 


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Las) 


— — 0.49 


fen ſie e unter die Menge. Diejenigen, welche ver⸗ 

wundet werden, muͤſſen ſich vor den Raſenden bis 
zur Erde neigen, damit die Zauberer ihr Haupt 
niedertreten koͤnnen. In eben ben Abſichten, in 
welchen ſich die Sibiriſchen und Thibetaniſchen 
Schamanen auf die befchriebene Art ausftaffiren, 
werfen die Zauberer unter den Gagern und andes. 
ren Megers Völkern in Afrika 4) ben ihren Oper 


rationen Haͤute von Löwen und Tigern um, ober 


fdymieren ſich das Geſicht mit weiffer, und den 
übrigen Cörper mit anderen Farben, oder beftreuen 
ben ganzen, vorher mit 'einem Leim überzogenen 
Leib mit Federn, nachdem fie die Stirn vorber 
Mit großen Hörnern geſchmuͤckt haben. Biswei⸗ 
len behängen ſich die Zetifchirer mit kleinen Schel⸗ 
len, oder mit den Köpfen, Klauen und Fluͤgeln 
von allerley Wögeln, oder mit Trommeln, Wafs 
fen und Hörnern, oder mit Kräutern, Zweigen 
und Wurzeln; In der neuen Welt ‚gehören vie 
Bewohner von Californien, von Braſilien, und 


bder Erdenge Darien zu ben roheſten Wilden. 


Selbſt die Zanberer diefer Wilten machten bie. 
Entdeckung, dag man burdy dad Ruͤhren von Trom⸗ 
meln, oder durch das Schuͤtteln von Calebaffen, 
welche kleine Steine und ‘Bohnen enthalten, ober 
durch Das Aneinanderfchlagen von Knochen, bes 
fonders durch das Anlegen von Zaubermöänteln bie 
Sinne des großen Haufens erfhüttern, und. fie 
dadurch gleidhfam im Glauben an bie Zauberer und 


5 ihre Dperationen, oder Rathſchlage ſtaͤrken koͤnne — 


/ 


g) Cavazzi II. 183. 196, 25. 


r)- Beger S. 142. 159. 165. Leri pP: 248. . 4. * 
Waier Pa 170, 
ts. >. 


Die Zaubermäntel in Californien waren and laus 
ter Menfhenhaaren mit gräßtiger Kunft zufams 


| mengenaͤhzet. 


Auch das ganze übtige Benehmen ber Zauberer. ' 
fo wohl kurz vor, als in den Verzuckungen bietet neue 
Beweiſe dar, daß bie angeblihen Vertrauten ber 
Götter in den erkänftelten Ekſtaſen ihr volles 
Bewußtſeyn behalten, oder nur auf kurze Zeit 
verlieren: baß fie. eben deßwegen fehr wohl wiſſen, 


was fie tun, und daß fie nicht ſowohl getäufchte, 


als vorfeßlihe "Betrüger find. Die Schamanen 
und Schamaninnen in Sibirien machen ohne Aude 
nahme ihre Dperativnen bloß bey Naht, meis 


ſtens in Jurten, die bloß von einem Iobernden 


Feuer erleuchtet werden, oder auf Vorhöfen, auf 
welchen man Feuer angezündet hat. Die ſchwache 
Erleuchtung eined brennenden Feuers in ſonſt fin⸗ 
fteren Wohnungen reicht hin, um die Bewegun⸗ 
gen der Schauſpieler bemerklich, nicht aber, um 
fie, und die fie umgebenden Gegenſtaͤnde genau 


beobachten zu machen s). Viele Schamanen in 


Sibirien neben ſich nicht einmahl die Mühe, in 
eine fcheinbare Verzuͤckung zu fallen; fondern 
ihre Zauberey befteht bloß in Spruͤngen und ans 
deren Kontorfionen, in Gefhreys, Pfeifen u. 


em tb) Wenn fie ed aber bis zu Verzuͤckungen 


kommen laflen, fo find biefe wahrſcheinlich mei⸗ 
ſtens verſtellt. Auch in den Fällen, wo fie nicht 
verftellt find, hört ber Betrug nur mit dem leßs 
ten Yugebiie bes verſchwindenden Bewußtſeyns 
. auf, 


H GSeorgi und Gmelin Il. cc. 
w >) Gmelin I, 285. 397. 98, II, 149 ©, 


v 


.. . ‚ ! v 
. BR Du 301 
1) 


auf,.und fängt gleich wieder mit den erften Aus 
genblicken des wiederkehrenden Bewußtſeyns an. 
Die Schamanen und Schamaniunen ahmen die 
—Geſchreys von allerley Thieren, von Bären’ und“ 
Achſen, von Katzen, Hunden u. f.w. nad. Ja 
“ fie geben vor, ſich mit Göttern ober Geiftern zw: 
unterreden, und zeigen oder fpringen gegen bie 
Seiten hin, wo bie einen, oder bie anderen fi 
. finden follen u). Unter alle diefe Gaukeleyen 
mifchen fie. wahre Zafchenfpielerfünfte, Sie was 
{hen fih mit Feuer, gehen über glühende Kobs 
len, und ftoßen ſich Pfeile, oder auch Meſſer in 
ben Leib x). Bey dem Feuerwafchen wiſſen fie 
- Kohlen und Aſche fo fehnell von einander zu fons 
bern, baß fie fih nur mit der letztern, und nicht 
mit ben-erfteren reiben. Das Saufen über Koha 
len ift ganz gefahrlos für die Schamanen, weil 
fie durch das heftige Springen, und durch das 
häufige WBarfußgeben eine fo harte Schwarte an 
den Fußfohlen erhalten, baß kurze Berührungen: 
von brennenden Kohlen ihnen nichts anhaben koͤn⸗ 
nen y). Dad Stechen eines Pfeils, oder Mefferd 
in den $etb machen fie fo wenig geſchickt, daß nur 
ſtupide Wilde dadurch getämfcht werben koͤnnen. 
Da eine Jakutiſche Schamaninn merkte, daß fie 
ben berühmten Bmelin, und deſſen Retfegefährs 
ten Muͤller nicht hintergehen koͤnne; fo flach fie 
ſich wirklich fo ernſtlich in den Leib, daß das Net 


her⸗ 


u) Gmelin II. 194. 494. 98. | 
=) Smelin 11, 87. Vorrede des 3 Th. S. 7. und 
III. 78. j 


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502, \ — — — - J 


hervordrang. Sie ſchnitt das hervorgetretene 
Stuͤck des Netzes ab, briet es auf Kohlen und 
fraß ed auf. Die Wunde. bedeckte fie mit. einem 
Pflaſter aus dem Marze bes Lerchenbaums, und 
verband fie dann mit Virkenrinde, und anderen 
Lumpen 2). 


In America ſind, ſo viel ich weiß, die (den 
che erwähnten Meitalieber einer Geſellſchaft 
des Geiſtes die ninzigen Beſitzer höheren Gaben, 
welche ihre wundervollen Verrichtungen. bey hellem 
Taae vornehmen. Sn diefer Gefellfihaft iſt es fo 
gar Negel, daß fie nie anders, als ben hellem 
Zuge, und hriterem Himmel zufommen kommt a). . 
Freylich beft: ben die Dperationen diefed Bundes 
bloß darin, daß derjenige, welcher einen Candida⸗ 
ten onfnimmt, ſich ſelbſt in Convulſionen verfeßt, 
und bag der Candidat, wenn er don einer Bohne 
getroffen werden, fo gleich ohne Bewegung zu Ber 
ben fällt. Im ganzen übrigen America jongliven 


: bie Zauberer nur bey Nacht, entweder in ganz 


S 


dunklen, oder. in ſchwach erleuchteten Hätten, un) 
Zelten.b). . Die Angekoks in Grönland behaupten, 
daß fie nur in 2 erbſt s und Winternaͤchten, nie 
aber bey Tage in: den Himmel fahren Fönnen. 
Wenn fie eine foldye Fahrt antreten wollen, fo laſ⸗ 
fen fie fih am Eingange eines Hauſes von ihren 
Schülern’ den Kopf. zwiſchen die Beine, unb bie 
Haͤnde auf den Mücken binden, alle Lampen aus⸗ 

loͤſchen, 


2) II. 494. 95. 1. c. | u x 
#) Carver p, 97% 


5, Von den Grönländern, Eranz 1, c, Von ben 
Wilden in Guiana, Biet 387 p. 


Lan u SE Ve ⏑————— 
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—6 Fin Tanne. ER EL GE 0—— 
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trommelt, und erzaͤhlt dann, was er r geſchen, und 
ge⸗ 


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loſchen, und ſelbſt Die Fenſter behängen, inbem 


Niemand den vertranten Umgang eines Angekoks 
mit ſeinem Geiſte ſehen, Niemand ſich ruͤhren, ja 


nicht einmaht ben Kopf kratzen Darf, damit bet 
Geiſt nicht gehindert, oder verſcheucht werde. Der 
gebundene Angekok ſingt zuerſt einen Geſang, wel⸗ 


hen alle Anweſende mitſingen, fängt dann allmaͤh⸗ 


lich an, zu fenfgen, zu ſchnauben, und zu ſchaͤu⸗ 
men, und fordert feinen Geiſt Iinmer- dringender 


auf, daß er kommen möge: Wenn der Geiſt zoͤ⸗ 
gert, ſo faͤhrt die Seele des Angekoks ans, um 
ibn zu hohlen. Waͤhrend der Abweſenheit ber 


Seele liegt der. Eötper des Angekoks, wie tobt, - 


da. Nach einer Meinen Weile kommt ‚die Seele 


wieder. Der Angekok erhebt ein lautes Freudens _ | 
 Gefchren ; "and nian hoͤrt: ein Geräufch, ale wenn 
‘ einige Wögel:erft uͤber dem Dache, und dann inner; 


halb. deffelben umherflatterten. Dierauf befpricht 
fi der Angekok mit feinem Gotte, uber Torugak 


‘über das, was die Groͤnlaͤnder zu wiſſen verlan⸗ 
gen. Man vernimmt deutlich zwey“ verſchiedene 


Stimmen, die Eine im Imern, Lie andere am 
Eingange ded Houſes, wo ſich der Augekok findet. 
Die Antworten des Torngak fird meiſtens dunkel, 


‚ ober zweydeutig: vorzuͤglich, wenn ſich ein anderer 
Torngak, ale der, welder vom Angekok gerufen 


worben, eingeſtellt hat. Bisweilen macht der Ans 


gekok mit feinem Torngak eine zweyte Meife in das 
Land ber Seelen, ober nach ben Oertern ber Quaal. 
Auch dieſe Metfen dauern: nur eine kurze Zeit. Der 
Angekok, der ſich unterdeſſen losgemacht hat, ober 


durch ſcinen Juͤnger losgebunden worden iſt, erhebt 
abermahls ein graͤßliches Geſchrey, ſchaͤumt und 


+ 


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aehoͤrt als 86 gibt unter den Angekoks Grabe, 


Wenn Einer die hoͤchſte Würde erlangen will, fo 
gibt er fein Geſuch in einem dunkeln Hauſe dem 
Gotte Torugazfuk fingend, und trommelnd zu exs 
kennen. Wird die. Bitte erhört, fo. kommt ein 
weiſſer Bär, fchleppt den Angekok in die See, und 
verzehrt ihn mit Huͤlfe eines Wallroſſes. Beyde 
Thiere ſpeien aber bald nachher ihren Fraß an eben 


der Stelle, von welcher der Baͤr den Angekok weg⸗ 
gehoͤhlt hatte, wieder and. Der Geiſt des Ange⸗ 
kols ſteigt gleichfalls wieder aus der Erbe hervor, 


und belebt die Krochen von neuem: durch welche 
Auferſtehung die bobe Wuͤrde des 6 Argekots vollen⸗ 
det wird * 


Auch die Zauberer in Merieo j “und Gniana 
lichten und lieben bry.ihren Operationen. bie tieffle 
Nacht, . oder eine ganz unerleuchtete - Finfterniß. 
Wenn man die Jongleurs in Dierico am die Ents 
wender von perlohrnen Dingen fragte; fo antwor⸗ 
teten fie nicht eher, als bis fie fid mit ihrem 
Schutzgeiſte unterredet hatten, Dieß gefchah an eis 


vem dunkeln Orte. Man hörte mehrere Stim⸗ 


men,. allein man virſtand nicht, was gefprocden 


wurde d). In Guiana loͤſchen die Piayen vor ihr. - 


ren Unterredungen mit Goͤttern, und Geiſtern nicht 
pur alles Feuer und Licht in ben Haͤuſern aus, in 
. "welchen fie fich ſelbſt aufhalten, ſondern fig errich⸗ 
ten auch ein Pleines Zelt für den Gott, ober Geiſt, 
der ba kommen fol. Um den Gott herbey zu zies 
bin, leuſen ſie mit Calebaſſen, welche kleine Siei⸗ 

n4 


e) Cranz 268 71 ©. 
4) V.26, 245. Acofla, 


— 


— —— — 605 


ne enthalten, nuud mit Heinen Schellen um die 
Hütte her, rufen den Gott mit heftigem Geſchrey, 
und ſtampfen mit ben Füßen auf die Erbe. Nur 
fie allein fehen ed, wenn ber Gott fi eingeftellt 


hat. Auch Untere aber tönnen bie helle Stimme 
hören, womit der Gott antwortet. Sie geben 


vor, daß fie bisweilen Yon dem gerufenen Gotte 


ſtark gefehlagen werben. Ein neued Verdienſt in 


den Augen derer, zu deren Beſten ſie ſich ſolche 


Mißhandlungen gefallen laſſen 5)! 


Unter den Zauberern der Neger behaupten 


Einige, daß die Götter oder Geiſter, welche ſie 


anrufen, in ihren Leib fahren, ſie in Verzuckun⸗ 
gen ſetzen, und waͤhrend bieſer Verzuͤckungen aus 
ihnen’ reden. f). Andere faffen bie Götter, oder 


Geiſter zwar nicht ſichtbar, aber hoͤrbar erſcheinen, 
und nech viel ſtaͤrkere Dinge verrichten, als die 
Sibiriſchen Schamanen, und die Americaniſchen 


Jongleurs ihren Göttern, und Geiftern zuzumu⸗ 
then wagen g). Die Exfleren, welche Götter unb 


Geiſter in ſich felbft aufnehmen, und dann tim 


rahmen derfelben reden, haben nicht nöthig, ſich 
fo fehe zu beobachten, als biejenigen, die ihre Goͤt⸗ 


er und: Geifter in eigener Perſon erfcheinen, reden 
and handeln laſſen. Die Singhilis der Gager, 


N 


usid. anderer größeren Dieger » Bölker brauchen weis 
ter nichts, als füh in Berzuͤckungen zu verſetn 


0) Biet p. 387. 


— 


| fr & die Einghilis unter den Gagern, in Mataw⸗ 


"da, und anderen größeren Reichen, Cavazai ll. 


\ 538» 936 P. 
e) Remer ©. 49⸗ 5% 


‘ 
‘ 


- 
en DE OR. 


aud darin im Nahmen des Gottes oder Geiſtes, ber. 


fie erfüllt, zu fagen, ‚was ihnen gut dünft. Da 
ditſe Singhilis mitten unter den fürcterlicften 


\ “ 


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6 J .. v 
30 - 6— nd \ 
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Berdrehungen, oder. Convulſionen lange Reden 


alten; ſo iſt es einleuchtend, daß ſolche Convuls . 
ſionen nur erkuͤnſtelt, oder fimulirt find A). Die 


Fetiſchirer an ver Küfte von Guinea machen es alle 


- Zuhre feierfid) Fund, an welchem Tage, ober viel⸗ 
mehr in welcher Nacht der Gott. Giemawong In ber 


ihm gewidmeten Hätte exfcheinen werde, - Viele 


Zaufende von Megern kommen zu- der beflimmten 
Deit zuſammen, uud. lagern ſich andaͤchtig um die 
Huͤtte her. Der Gott ſtellt ſich gemeiniglich Mor⸗ 
gend um drey Uhr ein. Bey feiner Annäherung 


Hört men in der. Luft ein Geraͤuſch, dad dem Ger 


ſchrey ver. wilden Gänfe aͤhnlich iſt; und bey dem 


Herabſteigen in vie Huͤtte erbebt fo. wohl: diefe, als 
die Erde weit umher. Auf die eben: berährten 
Zeichen fallen alle Unmefende anbetend anf ihr Ge⸗ 
fit, und begründen ben Bott, indem fie leiſe in 
Pie Hände ſchlagen. ‚Steh nad feiner Ankunft 


- fängt Biemawong. an, laut zu, reden, die Guten, 


und Frommen zu loben, den Gottloſen anb:Wöfen 


Worwuͤrfe zu machen, oder ſie zu Sebrahen: ‚Der 

goͤttliche Redner macht von Zeit zu Zeit Beine 
Pauſen. Doch basern die abgebrochenen Reben 

wenigſtens anderthalb Stuaben. Wenn der Gott 
zu reden aufgehört hat.;. fo bieten die Neger, Ei⸗ 


ner nach dem andern, dem Fetiſchirer, der zunächft 


an ber Thür fißt, ihre Dpfer an, die meiftens in. 
Brantewein befiehen. Der. Gott Läßt ſich dieſe 


Gaben fo wehl gefallen, daß man das gierige Trin: 


h) Cavazzi ll, cc, | £ ind 


fen 


e 


nn 


\ u — , 607 


Brantemein. auf einmuhl vertragen könne, als zwey 


| bunbert Neger. Nachdem der Gott die bargebotes 


win Gaben angenommen, und verzehrt hat; fo ent⸗ 
fernt er fih mit eben dem Geräufch, und demſelbi⸗ 


gen Erbeben der Erde, mit welchem er ſich herab⸗ 
Zeſenkt hatte; und hinterläßt einen von ihm. be⸗ 
geifterten Fetiſchirer, welchen bie Neger faſt chen 


fo, wie den gegenwärtigen Bott verehren. Die 
Fetifchirer. geben den Negern an dem Tage der Er⸗ 


ſcheinung des Gottes alle zwey Stunden ein Ges 


faͤß voll Urin, der von dem Gott herruͤhren fol, 


Die Neger tunfen mit der gröften Begierde die: Fin⸗ 


ger in den Urin, und fangen fir ab. Es wäre eiw 
Wunder, wenn unter. Voͤlkern, die ſolche Dinge 
glauben. und thun, mie hie Neger-in Guinea, nicht 


| grobe Betrüger entflanden wären. 


Dies auffallenbften Proben von Trug offenba⸗ 


ren ſich in deu Künften, wodurch die Zauberer als 


ler Exhtheile Krankheiten, und Schäden heilen zu 
koͤnnen vorgeben. ie leiten Krankheiten, und 


Schaͤden. entweder unmittelbar Yon erzuͤrnten, ober 


böfen Goͤttern ab; oder fie erklaͤren fie auch für 
Wirkungen von Zauberwerken, welche boͤſe Men⸗ 
ſchen, als Vertraute böfes Götter, auf die Krans 
Ten.gemesfen haben. Im erſten Fall fuchen fie bie. 


göttlichen Urheber von Rrankheiten bald zu verſoͤh⸗ 
nen, bala mis Huͤlfe ihres Schußaottes zu vertrei⸗ 
: beny wohl gar zu vernichten. Wenn ein Jakute 


ſehr krank ift 5), fo wenden fi die Angehörigen 
| — bdes 


9) Smelin II. 359. 360, 


‚ Een. beſſelben vor der Thuͤr hoͤren Fan. Sin 
Verehrer behaupten; daß Giemawong mehr 


‘ 
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08 ! . — 
’ 0 


bed Rranten an einen Schaman, um zu erfahren, 
was geſchehen muͤſſe. Der Schanian antwortet ger 
wöhnlih, daß bie. Krankheit. daher rühre, daß 
ein böfer Gott die Seele des Kranken fchon geftohs 
len habe. Der Kranke werde alfo unfehlbar ſter⸗ 
ben, wenn ber Dieb nicht bewegt werden Eönne, feis 
nen Raub zurücdzugeben. Um nun den böfen Gott 
beranszubringen, ber bie Geele des Kranken weg⸗ 


genommen hat, frägt der Schamian feinen Schuß« 


geift in einer Verzuͤckung. Go bald er den Nah⸗ 


men des böfen Gottes Tennt, fo macht er Anftalt, 


demſelben nachzureiſen, fordert aber und packt vor⸗ 
laͤufig die Gaben zuſammen, woburch er ſich mit 
ben böfen Gotte abzufinden.hoft, Diefe Gaben 

ehen der Regel nah in Pelzwerk. Wenn ber 


| m Gott. gegen bie angebotenen Gaben die Seele 


nicht ausliefern will, fo nimmt ber Schaman es 
auf ſich, demſelben ein Pferd zu verfprechen. Die 
Pferd: muß unfehlbar gefchlachtet werben, wenn 
der Kranke feine Gefundheit - wieber erhält, — 
Die Zauberer, und Zauberinnen ber Neger A), der. 
Grönländer F), und anderer Americaner rathen 
sen. Kranken, oder ihren Angehörigen ähnfiche 
Berföhnungen bee Götter durch Opfer, und Ges 


luͤbde an. Den Zauberern, welche erzürnte, ober 
boͤſe Götter felbft verföhnen, ober gu oerföhnen 
anrathen, wird ed am leichteften, ihr Anſehen zu 


retten, wenn, Krankheiten einen übeln Ausgang 


nehmen. Sie fügen aldbann, entweder daß bie 


Gi bie Gaben verſchmaͤht oder vr file biefels 
‚ben . 


5 Romer S. 58. 
h Cranzʒ l.e. 


! 


., 


-— — 517 


Man hörte hierauf ein heftiges Raten, wie eines. 


| gierig ? Senden, wirwohl die bargebrachten Opier 


⸗ 


nicht beruͤhrt wurden. Wenige Augenblicke nach⸗ 


her Tieg der Gchußgeift mit eben dem Geraͤuſch, 


mit welchem er ſelbſt gekommen war, einen zwey⸗ 
ten Geiſt, ben Schutzgott des kuͤnftigen Piaye 
herabſteigen. So bald dieſer angelangt war, warf 
fi der Einzumeihende demuͤthig zur Erbe, und 
flebte unter den Verſprechungen des trenften Diens 


ſtes, daß der Geift ihm gnaͤdig ſeyn, und feine 


Huoͤlfe, ſo oft fie don noͤthen ſey, nicht verſagen 


molle. Der angerufene Geift gab die tröftende 


Antwort, daß er feinem neuen Elienten ſtets zur 


Seite ſeyn, und ihm zu allen Zeiten, zu Wafler, 
wie zu Lande ‚_ beuftehen werde, wenn der junge 
Piaye ihm anders tren diene. Im entaegengefeßs 
ten Fall werde er über fein unverföhnlichfter Feind 


‚werden. — Mit diefen Worten verſchwanden 
die Senden Schußgeifter, und nun liefen bie Umftes 


henden eilig nad) dem Schauplatze der ‚soll endeten . 


den Sünger ohne Bewegung auf der Pak liegend 


fond.’ "Wenn die Fetiſchirer in Afrika, und die 
Schamanen in Sibirien auch nicht in geſchloſſenen 


Geſellſchaften vereinigt ſind, fo. nehmen fie. werigs 


ftens Schüler an, und unterrichten diefe fin ihren. 
Künften: Der Unterricht in den Zauberfünften 


- wird aerabe unter den Mener : Bölfrn nicht um: 
‚ fonft gegeben, unter welchen die Fetiſchirer, aleich 


den Rongleurs und Piaven in der neuen Melt, 


eine gefchloffene: Geſellſchaft ausmmachen 9. 
Viele 
;, IL’a20. Cavazai. Man ſehe ferner I. 294 p. ib 


v 


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en herauszubringen. Gewoͤhnlich fragen die Zau⸗ 


berer uͤber dieſe beyden wichtigen Puncte ihren 


Schußtzgott in einer Verzuͤckung, und wenn fie den 
Rath deſſelben/ eingehohlt haben, ſo blaſen fie ent⸗ 


weder den Kranken da an, wo das Zauberwerk ver⸗ 
borgen liegt, oder ſie ſaugen, reiben, oder druͤcken 
dieſe Stelle ſo lange, bis es ihnen gelingt, das 
Zauberwerk heraus zu ziehen, Das Zauberwerk, 
welches fie ausſpucken, ober von ſich werfen, be 


echt bald in Haaren, oder Städen von Fellen, 


bald iñ Meinen Steinen, ober Hölzern, und Dors 
nen, bald in Knochen, oder Schlangenzaͤhnen p), 
Die meiften Jongleurs in America verbinden mit 


"den Entzauberungen ber Krauken gemwiffe Arzney⸗ 
‚ mittel, ober fhreiben ihnen eine gewiſſe Lebensart 
> Vor. Gtirbt der Kranke der Operationen bed Zaus 


berers ungeachtet, fo heißt ed, daß der Verflors 


bene bie Arzneymittel nicht recht gebraudt, oder 
die angeordnete Lebensart nicht gehörig beobachtet 


habe. Wenn fie befonders merken‘, daß es mit 


einem Kranken zu Ende geht, fo machen fie ſolche 
Vorſchriften, denen der Kranke unmoͤglich nachle⸗ 


ben kann. Sie fordern zum Beyſpiel, daß Einer 
ſich, wie ein Verruͤckter geberden, oder daß er hef⸗ 
| tige 


») Bon den ongleurd der Grönländer, Cranz 2705 ' 
74 der Californier, Beger S. 143. der Ylordames 
ricanifben Wilden, Charlevoix 264- 268 Hen⸗ 
nepin in den Voy, au Nord V, 295. ver Natchez 
Petit p. 86, in Neu: Andatufien, Coreal I. ı4r. 
In Guiana, brfonderd unter ben Caraiben, Bier 
p. 387. Gamilla II. 185. Du Tertre II, 366; 67. 
In Brafilien, Leri p. 242 - 47, 








Du 


‚tige Tänze tanjen folle N) Es ift zu verwundern/ 


‚ daß die Heilung von Schäden und Krankheiten 


durch das Herausziehen von Zauberwerken, die 
über ganz America verbreitet iſt, van den Fetiſchi⸗ 


— rern in Afrika, und den Schamanen in Sibirien 


felten, oder niemahls geübt- wird. Unterbeffen 
brauchen die Aerzte der Neger annähernde Mittel, 


die noch ungleich peinlicher, und gefährlicger, als 
bie Saugereyen, Preffungen, und Reibungen der 


Americaniſchen Jongleurs ſind. Die Neger s Aerzte 
behaupten bey allen Krankheiten, bag die Urfache, 
ober die Wurzel terfelben an einer beftimmten 
Stelle des Coͤrpers, und zwar zwifchen dem Flei⸗ 
ſche, und der Haut verſteckt ſey: dag man alfo 


auch die Krankheit heilen werde, wenn man bie . 


Wurzel derfelben herausziehe, ober über den ganz 


zen Cörper vertheilen Fönne. Um bas Eine, ober 


das Ahdere zu erreichen, begießen fie die Kranken 


zuerſt mit kaltem, ober lauem Waffer, reiben fie 


dann vom Kopf biß zu Fuß mit Dehl ein, laſſen 
fie ein Kraͤuterbad nehmen, und feßen fie endlich 
ben brennenten Strahlen der. Sonne aus. Ans 
derswo ummickeln fie die Kranken mit Fnotigen 
Stricken, und Schnüren fo feft,. daß die Striche, 
‚oder Schnüre in das Fleiſch einfchneiden. Sie 
fangen dieſe Cinfhnürungen an der Bruſt und ben 
Armen an, ruͤcken am Unterleibe und den Lenden 
hexab, und feßen fie bis zu den Füßen fort, wenn 


die 


J 9) Charlevoix p. 368. Dis qu'ils voyent un Ma- 


ladoe tourner a la mort, ils ne manquent jamais 

de faire une ordonnauce, dont l'execntion efk 

- .  fidifficile, qu’ils ont A coup für leur recours 
* fur ce, quelle n’a pas eté exactement fuivie, 


‘ a 
- . 
. 
— 


512 — — 


die Kranken fie anders fo fange anhalten Binnen, 
Sehr oft aber find die Schmerzen, und Beſchwer⸗ 
ben bed Verbandes fo unerträglih, daß tie Krans 
Ben Beſſerung vorgeben, um nur von ihren Striden, 
und Schnuͤren frey zu werden 


Die Zauberer der meiften Völker Übernehe 
“men nicht bloß die Heilung von Krankheiten, ſon⸗ 
dern zühmen fih au, unguͤnſtige Witterung, Uns 
glück auf der Jagd, auf dem Fifchfange, und im 
Kriege abwenden, günftige Witterung, oder Glück 
auf der Jagd, auf dem Fifehfange, und im Siriege 
verfchaffen zu koͤnnen 5). Ich uͤbergehe bicfe Un: 
maaßungen, um ihrer Mahrfagerenen, ihrer ges 
ſchloſſenen Verbindungen ‚ ihrer Einweihungen, 
und Prüfungen in ber Kürze zu erwaͤhnen. 


Die Sibiriſchen Zauberer. wahrfagen nicht 
bloß vermittelft ihrer Trommeln, ſondern auch 
auf viele andere Arten. Einige werfen Bohnen. 
Untere befhauen Waſſer, was fie in ein Gefäß 
. gegoffen haben ty. Die Zungufifben Schamanen 
beuten das Schwirren abgefheffener Pfeile, oder 
bie Schwingungen gefpaunter Bogenfehnenu). Die 
- Sakutifchen geben ben Fragenden eine Münze, oder 
einen Ring in die Hand, und leſen dann bie vera 
borgene Vergangenheit, oder Zukunft in den Zuͤ⸗ 
gen 
r) Cavazzi L 471. 478. 
9) Man ſ. alfe angeführte Schriftfteller. 
e) Unter ben Ticheremiffen. Rytſchkows Tageb. 
u . 9% ' - 
u) Beorgi’s Beſchr. ©. 395. 


. — — | 513 


| gen der Sans; weiheöte Mönze,'. ober den. Ming 


hält x): Die Kirgifen, und. Krasnobarskiſchen 


Zataren wahrfagen aus den Kiffen und Flecken 
von. Knochen, welche fie in das Feuer werfen, oder, 
halten y), ‚eben fa zuverläffig, als die Hunnen des, 


Attila daraus walrfagten 2). Wenn Europaͤer 
bden Sibiriſchen Schamanen Fragen vorlegen, bie 


dieſen verfaͤnglich ſcheinen; fo ſagen bie ſchlauen 
Betruͤger entweder, daß ihr Schutzgeiſt jetzt nicht, 
kommen wolle, oder daß das, was man wiſſen 
möchte, zu entfernt ſey, als daß ihr Gott dahin 
reifen, und Nachricht davon erhalten fönne 4). 
Die Nordamericanifchen Jongleurs zerrieben Kob⸗ 


len von Cedern⸗Holz zu feinem Pulver, zuͤndeten J 


den Kohlenſtaub an, und gaben Acht, welche 
Richtungen das Fener nahm 6). Die Angekoks 
iu Grönland bedienen ſich eines ganz einzigen Mit⸗ 


tels, um zu erfahren, ob ein Kranker genefen, oder. 


ſterben werde. Sie ſchnallen dem Kranken einen 
Riemen um den Kopf, und ſtecken durch den Ries. 
men einen Sto ‚mit weldem fie ben Kopf bes, 


Kranken balb. aufheben, bald fallen laſſen. Eh | 


ber Kopf leicht, fp wird ber Kranke gefund. 


entgegengeſetzten Fall ftirbt er. Auf eine Shulide 
Art erforſchen fie, ob. Jemand, der nicht zu rechter. 
Zeit zurickkeert auf der See umgekommen, ober 


aRoch 


| =) ib. 
y) Georgi 3.994. Artfitowe —* S.“ 353. 
2) Goguet I. P. II p. 322. 

4) GSmelin 398 99: Negnard 16. ©, 


b) Charleyoix P 30. . Ko 
SR E ; 


. 2 
— TITTHM 


—— — — 





\ 1 


‚ . ) 
2 ‘ fi ’ s 
514 u: un N 


uoch am Leben iſt. EU haben den Kopf Des uk 
ſten Anverwandten auf, und ſehen zugleich m dw 
. Gefäß mit Waller‘, wo ſich ihnen ber Abweſente 
entweder aufrechtſitz end, ober ulrgefchüngen, unb 
auf der Seite liegend darbietet ce). Es iſt kaum' 
gu verzeihen, daß fo wohl in Sibirlen und Ame⸗ 
vica, als Mm Afrika 4) Europäer erfanden wer⸗ 
Ben, welche an die Wahtfagereyen und magiſchen 
Kuaͤnſte dir Zauberer glauben, | | 


Die Zanberer machten allenthalben einem be: 
‚fondern Stand aus, der das Zaubern, Beſchwoͤ⸗ 
sen und MWahrfagen als ein Gewerbe trieb, und 
6 für feine Bemühungen von einem Jebden, ber 
fie anſprach, bejahlen ließ. Am reichlichſten wer: 
Ben die Zauberer unter den größeren Völkern in 
Afrika, dm maßigſten in Sibirien belohnt ). 

Die Sibirifchen Shämanen würden nicht beſtehen 
koͤnnen, wenn fie nicht neben Ihrem Zander, Ser 
werbe auch noch die Jagd, ober ben Fifchfaug uͤb⸗ 
ken. Die Zauberer einiger Boͤlker haben Kine ei: 
denthämlidye Sprache, die den Layen ganz, oder 
groͤſtentheils unverſtaͤnblich iſt ). Allein Vermu⸗ 
then uach findet eine ſolche eigenthuͤmlicht Sprache 
unter diel inehreren Voͤlkern Statt, als von wel⸗ 
- den eb ausdruͤcklich beinetkt worden., Man ſollie 
bdenken, daß eine gewiſſe Zuſammenſtimmung in 
den 


«) Cranz 273 ©. u 
d) Admer S. 80 uf, 6. Fer Er ! 
e) Cavazzi, und Georgi's VYeſchr. u. ec. 


) Bon ven Fetiſchiren der Neger, RJoͤmer 1. q. von 
den Angekoks der Grönläuder , ranz |, Bi und 
Bifchof Egede S. 122 x a 


un — 514 
den‘ Zauber s unb Wahrſugungs⸗ Kuͤnſten zur. Gr⸗ 
haltung des gemeinſchaftlichen Auſehens der Zaus 
berer noch nothwendiger wäre, «l& eine gemeine 


fchaftliche geheime Sprade.. Um deſto fonderbas 


rer ift ed, daß in mehreren Gegenden des ſuͤdli⸗ 
chen America die Zauberer, und Zauberinnen ein⸗ 
ander nicht nur häufig widerſprechen Nſondern auch 


heftig mis einander zanken, ja fo gar ſich gegen⸗ 


ſeitig bis auf's Blut mißhandeln g). Unter meh: 


reren Mationen bilden die Zauberer nicht bloß einen 
abgefonderten Stand, ſondern einen geheimen Bund, 
oder Orden, bes Fein neues Mitglied anerkennt, 
bas nicht vorher eine Zeitlang geprüft, dann gehoͤ—⸗ 


sig umterrichtet, und nad) den erforderlichen Prüs 


fungen, und Welehrungen feierlich aufgenommen 


worden h). Die Prüfungen beftehen in langwie⸗ 


zigen Faften, in heftigen Taͤnzen oder Contorfiunen, 
und indem häufigen Trinken von Tabacksſaft: 
welche Prüfungen insgeſammt die Abficht haben, 


‚De Anlagen zu eriiepefien Convulſionen, und 


Ver⸗ 


), Die Bauberinnen unter den Abiponen, Dobrizbö. 
. 84 und die Piayen unter den Caraiben. 
Dr —* II. 368. S’il arrive, qu’ une perfonne 
invite plufeurs Boyez, et gu’ils fallent venir 
ehscun leur Dieu, c’eft pire, gqne la diablerie 
de Chaumont; car ces diabies o entredilputent, 
et ſe difent mille injures , et melme au dira’leg 
Sauvages, s’entrebatent fi rndement, etc, . 


A) Meber diefe Buͤndniſſe fo wohl im nördlichen, als 
füdlichen Unserica , ſehe man Carver 1. c. Charle- 
. — 363. du Tetre II. 367. 369. Biet ILL, IV., 
, 386. 387.. Lafiteau I. Fer 344. eng * 
| BL Schriſten IE, 177. u. 


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x Sit l N an u . » , 
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Verzoͤckungen zu. verſtaͤrten. Die Prüfungen, und 
der damit Verbundene Unterricht dauern bisweilen 
aur Ein Nahr , biöweilen mehrere, wohl gar zehn. 
Fahre Die Earaibifgen Piayen nahmen vors 
mahls nicht leicht einen Jünger als vollendeten 
Zauberer auf, der nicht das fünf und dreyßigſte, 


, ꝛder doch das dveyßigſte Jahr erreicht hatte. Wenn. 


der Zeitpunet herannahte, wo ein altır Zaudrrer 
einen biöherigen Jünger für würdig erk annte, fein 
Geneſſe, vber Bruder zu werden; fo fhritt man- 


zur Einweihung , die nirgends feierliher, ald un. 


ter den Caraiben war. Die Einweihung geſchah 
immer nur bey Nacht in einer bunfeln Hütte, in. 


welche fich der Lehrer, und Juͤnger allein- begaben. 


Die Uneingeweihten bliehen in kleineren, ober groͤ⸗ 
geren Entfernungen, wo fie. zwar hören, aber nit: 
ſehen Eonnten, was in ber bunfeln Mütte vorging. 
Gewöhnlich fing ber alte Zauberer, ale, Myſtagog, 
die heilige Handluag damit an, baß er einen lau⸗ 
‚ ten Zaubergefaug. anflimmte, und feinen Schutz⸗ 
gott aufforderte, zu erſcheinen. Der Säußeeift 
gehorchte der Stimme des Zauberers, und flürzte 
fib mit einem bomnerartigen Gepraſſel durd das 
Dad ber Hütte herab. Der Geift fragte mit ver: 
nehmlicher Stimme feinen Vertrauten, mas fein 
Begehren ſey. Der alte Zauberer antwortete: 
feine Bitte, beſt che darin, daß der Gott dem ges 
genwaͤrtigen Jünger gleichfalls einen. Schupeift 
‚ verleihen wolle, welchem der juhge Mann eben fo 
diepen koͤnne, wie er. dem feinigen gebient hehe» 
Mit diefer Bitte verband er eine andere, daß naͤm⸗ 
lich der Schutzgeiſt dad ‚Speife » und Trankopfer 
nicht verſchmaͤhen moͤge, was man auf einem Eleis 
nen Altar, ober Tife für ihn bereitet —8* 
Man 





Mar körte hierauf ein heftiges Raten, wie eines 
gieria 3 Sffenven, wirwohl die bargebrachten Opier 
‚nicht berührt wurden. Wenige Augenblicke nach⸗ 
her To der Gchußaeift mit eben dem Geraͤuſch, 
mit welchem er ſelbſt gekommen war, einen zwey⸗ 
ten Geiſt, ben Schutzgott des kuͤnftigen Piaye 
herabſteizen. So bald dieſer angelangt war, warf 
fich der Einzuweihende demuͤthig zur Erbe, und 
flehte unter den Verſprechungen des treuſten Dien⸗ 
ſtes, daß der Geiſt ihm gnaͤdig ſeyn, und feine 
-Bilfe, To oft’ fie von noͤthen fey, nicht verfagen 
wolle. Der’ angernfene Geiſt gab die tröftende 
"Antwort, daß er feinem neuen @lienten ſtets zur 
Seite ſeyn, und ihm zu allen Zeiten, zu Wafler, 
wie zu Lande ‚_ beuftehen werde, wenn ber junge 
N iıye ihm anders tren diene. Im entgegengefeß> 
ten Fall werde er über fein unverföhnlichfier Feind 
werben. — Mit biefen Worten verſchwanden 


" die Seyden Schutzgeiſter, und num Hefen die Umftes 


enden eilig nach dem Schauplatze der vollendeten 
Weihe, wo man dann fo wohl ben Lehrer, als 


den Sünger ohne Bewequna auf der Erte liegend 


fon. Wenn die Fetiſchirer in Afrika, und die 
Ehamanen in Sibirien auch nicht in geſchloſſenen 


Geſellſchaften vereinigt find, ſo nehmen fie werigs 


ftens Schüler an, und unterrichten diefe in, ihren 
Künften: . Der Unterrict in dem Zanberkünften 


- wird gerade unter den Meger-Voͤlkern nicht um: 
‚ fonft gegeben, unter melden die Fetiſchirer, aleich 
: den Jongleurs und Piayen in der neuen Welt, | 


eine geſchloſſene Geſellſchaft auswnacher i). 
| ur = Viele 
| a IIr 00. Cavazai. Mon fehe ferner 2. 294 p. ib 


— 


sis , — — er 


Biele rohe Bölker hatten. Feine Rrieſter, ſon⸗ 
| dern bloß Zauberer, ‚und ‚zwar ſolche Zauberer, | 
velche wahrſagten, Rranfheiten hielten, und. ans | 
ders angebliche Wunder verrichteten, ohne jemahla \ 
zu opfern. Go mar es vor eintien Menfchenals | 
ermn im noͤrdlichen America. Die, Jongleurs fag: | 
| en, wie man bie Goͤtter verſoͤhnen, oder gewin⸗ 
uer folles allein ſie opferten nicht. Vielmehr 
opferten · im Nahmen des Volks die Haͤupter der⸗ 
elben, und im Nahmen der Familien, die Haus⸗ 
vaͤter, oder die, Vornehmſten der Cgzbanen E). 
Ein Gleiches aelhah nnter den Tſcheremiſſen, und 
‚anderen. Tatariſchen Voͤlkern im oͤſtlichen Europaͤi⸗ 
ſchen Rußlande. Die Wahrſager thaten Fund, 
welche Opfer gebracht werden muͤßten; und die 
Aelteſten der Gemeinde ſchlachteten, und theilten I 
das Opfervieh 1). Anderswo waren auch nur 
Zauberer, und keine Prieſter; ‚allein bie Zaubere 
befahlen nicht bloß, zu.opfern , fondern aerrichtes: - 
‚sen auch) felbft die Dpfer. So iſt ed noch jetzt um: 
‚ser manchen Sibiriſchen Heiden m),. unter den Kirs 
| giſen. n), und unter vielen Negern 0); unter wels 
BE Gen alfo die Beubenen | ig einer gewifien Ruͤckſi cht 
aauch 


m Charlevoix Jonrn, p. 364. Les Prätres parmi 
’ En ‚eux ne [ont jamais les Jongleurs: dans lesl ce- 
iréemonies publigties , ce [orit les chefs, et dans 
le domeflique , ce font ordinairement les Pares 
‚de :Famille, ou à leur defaut le eins. confidera- 
bie de la Cabana, _ 


D Ryıfblowts Tage. 8.92. '93. 
m) Gmelin II, 359. 360. 

n) Palas Reifen I. 393. 394. 

0) Oldendorp 1.339, - 


. 





u and Beſchwoͤrer 
abgefondert. Di 


Pr and vormohls 


p) Pallas Reifen I. 369 


— — . 5:3 


| ud Prieſter find. "Unter vielen großen Boͤlkern 
entſtanden neben ben Zauberern auch rieſter; al⸗ 


Jein-die Verhaͤltniſſe dieſer bopben Staͤnde waren, 
nd ei in. berfehlebener Laͤnde ſabr amglei- 
It 







und findet jeht noch — Feng) 


and unter manchen Regern Stett.g,). . DB Bey! 


beser-und Piriefier, getxennt ‚blicken, ‚ha beizaäntete 
man die letzteren ald Öffentlich agggerbnete , ‚ober 
‚anerkannte Perſonen, bie,hen. Göttern auf eben. p 
Urt dienten, wie freue. und erfahme Höflinge ih⸗ 
ven Fuͤrſten, oder tyeue und orgfäftige Knechte ih⸗ 
ven Herren dienen. Als Dienern der Götter lag 


x 
- A 
> 


daher ben. Prieftern sr bie. Stetäen ‚der Götter . 


zu Heiden, zu ſchmuͤcken, upd,zu geinigen, auf. fie 


‚zu tragen, ober gu begleiten, fo oft die Goͤtter ihwe 
Sige verliegen: die Kleider, ımb den Schmuck, 
das heilige Geraͤth, und das übrige Eigeuthugs 
der Götter, unter dieſem befonders die Tempel, 
und Altäre, gewiſſenhaft zu bewahren: die Gaben 
und Opfer, ‚die den Goͤtiern erbracht wurben, im 
Nehmen berfelben, gugnuchmen: hie Gpeifes und 
Trankopler. guf zine den. Göttern, tzohlgetallige Art 
‚suaubagiteng bie, Feiplgunger und, Büßungen, die 


Beibete nuhnluhetungen „ ‚hlenäpfte, uud. Feicrlichtei.· 
ten ſo he. ap „habrzh ‚Me, Gyabe der 
Goͤtter gewetznen, oder, fhre.. Ungnade verſoͤhnt | 


wer; 


g) Oldendorp l.c. 


werde: endlich ben 1 Göttern die Anliegen ber Men) 
ſchen, und den Menfrben ven Willen der Gstter | 
‚ bekannt‘ zu machen. Unter ben meiften größeren Ä 






Nationen eigdeten fi entweder die Zauberer le 
errichtungen von ‚ ober die Pri-fter 


nf, 4 erhoben ſi⸗ h langſam uͤber ihre aͤltern Bruͤder, und 

” ‚ riffen die Beſchaͤfte der Zauberer und Beſchwoͤrer . 
an ſich. Einer, oder ber andere dieſer Fälle trug 
ſich ünter allen Völkern bes Drients, unter den 

-, arfprünglicen Nationen unfers Erdtheils, den | 

Galltern, Germuntern, u. f. w ‚unter den Chri⸗ 

fen des Mittelalters, quch unter ven größeren | 
Voͤlkern in Afrika und Amerika zur). Es ift 
meiſtens ſchwer zu beſtimmen, wo die Zauberer ſich 
‘allmählich zu Prieſtern erhoben, und mo bie Prie⸗ 
"fer ihre Vorgänger, die Zauberer nnd Beſchwoͤrer 
verdrängt, oder unterbräcdt haben. Gelbſt da, 
wo bie Priefter zugleich Zauberer waren, fonnten 
fie nicht bindern;; daß nicht meben-ihnen Andere, 

fie Feine Priefter waren, bald oͤffentlich, Bald ing | 

geheim einzelne Zweige ber Zauberen, ber Beihwds ° | 

— "unge: und Wabrſager⸗ Kunſt getrieben hätten s). | 


an. De manche Völker ſchon in ihrem roheften 
Zuſtande bie angeblichen Zauberer nicht bloß frage 

“Teh, wie man höhere Naturen gewinnen, und vers 

-föhnen folle , fondern auch dieſen "Wertranten der 

0, VWötter erlaubten, ober aufteugen, Vie ben leBte« 
9 ren beſtimmten Gaben und Opfer darzubringen; ſo 
bdhdaͤrf man wohl annehmen, daß bie” ‚Erhöhung von 


ji Keuheꝛcen au Pritern die aͤlteſte, went‘ ehe 


. 
> . - 
— — —— 
= 
x 


r) Cavazei 1,955 et ſq. p. Acoßa V,e,26 4, 
„) Man f. Acoſta, u, Cavazi ll. &o, ' 














— — 31 


die allgem emeinfte Entftehnngdart de Peieſterihums | 


ſey. Es ſcheint nämlih, als wenn unter ben mefs 
fen Nationen Jahrhunderte Lang bie Haus vaͤter 


im Nahmen der Ihrigen, und bie Fuͤrſten im Nabe 


men der Volker ven Goͤttern geopfert, und andere 
gettesbienftliche Handlungen verrichtet hätten: das 


“heißt, als wenn bie Hausvaͤter die Priefier ihrer 


Familten, und die Fürften, bie Priefter ihrer Voͤl⸗ 
Ber gewefen feyen, ‘Die erſte und Sornehmfte Pflicht, 
‘ober Beſtimmung ber Fürften war allenthalben die 


AUnfshrung ihrer Unterthanen im Kriege. Die 
Ausübung diefer erften und vornehmften: Pflicht 


machte nicht felten eine kürzere, oder längere Eut⸗ 


fernung von der Heimath, oder ben Tempeln ber 


väterlichen Götter nothwendig; und hinderte alſo 


die Fuͤrſten eben fo oft in ihren prieſterlichen Ber⸗ 


rihtungen, Damit nun ber Dienft ver Götter über 
‚ven Dienften, welche das Vaterland forderte, nicht 


- verfäumt werde; -fo ermwählten die Könige Stell⸗ 
Vertreter ,- melde während ihrer Abweſenheit im 


Nahmen des Volks beten, opfern, und andere 
‚heifige Handlungen vornehnien koͤnnten. Beveder 
Vergroͤßßerung don Völkern traten bald, feldft im 


tiefſten Frieden, Umſtaͤnde ein, welche bie Bürften, 


als Diener ber Götter, wuͤnſchen machten, oder 


nörhigten, ſich felbft Gehuͤlfen an die Seite zu ſetzen. 
Mit dem Fortgange der Macht, der Eultur, und 
des Wohlfiandes von Mationen nahmen die, Zahl 


bee Görter, bie Menge und Pracht von Guben, 
ib Opfern, don Feſten und Feierlichkeiten mit je⸗ 


dem Jahre, ober doch mit jedem Menſchenalter zu. 
Bey dem immer zunehmenden Götterbienft warb - 


es den Königen, ober Fürften bald unmöglid, als 


lein ale das zu thön, was den Goͤttern im Rah⸗ 


41 
“uud EA. _. 


men 


— ——— — 


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— 


* 
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_ “ 4 4 
—.5 


men des Volks geleiflet werben: mafte: ... Sie erb⸗ 


meten daher Stellvertreter oder Gehaͤlfen an, wel⸗ 
che ihnen einen Theil der gottesbienſtlichen Ver⸗ 


wichtungen abnehmen, und an ihrer Statt im Nah⸗ 
mm ber Voͤlker den Göttern-dienen.muften. Aus 


eu leßtern ber beyben angeführten Gruͤnde beftellte 
figen Romulus ) : aus dem erſten, Numa, Pries 
fer in Kom m). Man ſchließt gewiß nicht zu 
kauͤhn, wenn man: vorausſetzt, daß ähnliche Um⸗ 


Muaͤnde unter allen, oder ‚ben meiſten Völkern bes 


alten Orients, anter.ben aͤlteſten Griechen, ende 
lich unter allen größeren Nationen der neuen Welt, 


wo die Könige, ober Fuͤrſten zugleich die erſten 


Die⸗ 


0) Pin, Hiſt. Nat. xVIII. 3. Arnorum facerdo- 


tes Romulus in primis inſtitnit, feque duode- 
cimum fratrem appellavit inter illos, ab Acca 
‚ * Laurentia nuttiee’ina genitos, [pieea.corens, 
guae vifta alba enlligeeetur, in -fagerdolio eis 


ypro religioh/Emo infgai- data, ‚quae prima,apnd 
| \ 


.Romanos fuit eorona ; etc. 


0), Dionyſ. I. 64. Livius I, e..s0. .Tum [acer- 
otibus creandis. animum aljecit; quamquam ; 
” äpfe facra plurima obibat; ea maxime, quae 
nuine ad Dialem flaminem pertinent, : Sed 
??" , quia in eivitate bellicofa pluses Romuli, quam 
ae fimiles reges putabat fore, iturosque 
ipfos ad bella, ne.lgcra regiae vicis delereren- 
. „tar, flaminem Jovi aſſiduum [acerdotem crea- 
2erit: änfignemque eum veſte, et curwli regfa 
Bells. sdornavit, Huic ıduns flamines ‚adjecit, 
J I gaum, ‚alteram. Qgiriao. ‚Virginegqgue 
'. „Neflae.keit.. . Saliog item duodecim Marti Gra- 
 divo legit ...  Pontificem deinde Numam 
* tMarchum . . 'exPatribus legit, eique facra - 
»'* ‚@rbiiiaieitfcröpta „ eßgnatague.attribuit: ‚quibus 
- shaliis, quibue diehns, ‚ad quas templa fscra . 


‚. ferent. ..- 





vo J 


| "Unter allen Wölfen waren won jeher die 
regierenden Familien, unter vielen, felbft die koͤ⸗ 
vigliche Würde, ‚großen Mevulutiopen unterwor: - 


fen. Die Bewohner von Griechenland gehorchten 
in’ den älteften Zeiten ohne Ausnahme Königen. 
"Die meiften Griechiſchen Völker wurden, die einen 
früher, bie anderen fpäter, der Herrſchaft der Koͤ⸗ 


nige uͤberdruͤſſig, und fthaften daher die Föniglihe 
"Gewalt ab, ohne deßwegen die bisherigen xegie⸗ 
senden Geſchlechter zu verjagen, und ihres Vers 


'mögend zu berauben. Vielmehr ließ man diefen 
Fawitien "das Hoheprieſterthum mit allen Ehren: 
zeichen der verlohrnen Roͤnigswuͤrde: d. h. mit 
denn Rechte, Purpur und Scepter zu tragen, 
au m vöffrutlichen Kampffpfelen ben Vorſitz zu 
äfähren X). Die Römer vernichteten nicht bloß das 


Roͤnigthham, ſondern verjagten auch die Familie’ 


des Ießten regierenden Koͤnigs. Damit aber ber 


Diteruſt wer Götter nicht leiden möge, fo ernann: 


ren ſie kin Opfetkoͤnig, der’ bie gottesdienftlichen 


in Wereldytatigen "übernehmen msfte, welche ſich die 


Indem die Griechen and’ Römer ſich aͤngſtlich huͤ⸗ 


te: 


- 


„eo 
ae . r 


&)’Sträbg XIV. 938.’ Plut. VII. p. 128. 


N \ 


5) Plutarch nennt den Opferlönig Ic, oyk oaxpu- 


peu Livius regem lacrificulum. Lib, 11. c, 
2 .. et quia quaedam ‚publica ſacra, per ipläs 
reges factitäta erant, ne-Ubiubi regam defide- 
Yumisfit, rVegem'Tacrificntum"creint. ‘Id fa. 
cerdotium pontsfici fubjeeexs ‚(meradeitus no- 


mini honos aliquid.libertati .. ofhceret, . 


— ——428 


Diengr-ber Sötte waren, die Beftellang von Prie⸗ 
ſtern veranlaßt haben... .. . — J 


324 u) 


x 
> - 
— — — 


un . 
” L , 


— 


"teten, den Göttern und dem Dienſte der Götter 


den geringften Abbruch zu thun; brauchten fle zu⸗ 


gleich ‚die kraͤftigſten Maaßregeln gegen ben Ehr⸗ 
geiz der Dpferkönige, Beyde Völker machten es 
zum "ewinen Gefeße, daß die Opferkönige Peine 
andere oͤffentliche Äemter beBleiden, und hie zum 


‚ verfammelten Volke seven durften. Wenn daher 
"der Mömifise DOpferfönig an den Eomitien gewiſſe 


"Opfer verrichtet hatte; fo entfernte er ſich nicht 


nn 


bloß, fondern entfloh fo ſchnell, als möplih, vom’ 


VForo, ober bem Berfammlungsplaße des Volks 2). 


Unter manchen Völkern blick die, Königpe 
.. würde unerſchuͤttert, allein die Thronen der herr⸗ 
ſchenden Geſchlechter wurden von einheimiſchen, 
. oder. fremdın Uſurpatoren umgeworfen, und die⸗ 


jenigen, welche bisher die hoͤchſte weltliche und 


geiſtliche Macht vereinigt hatten, in bloße Hoher 
priefter verwandelt. Es iſt allgemein bekannt, daß 
. die erfien Nachfolger Wahomers unumſchraͤnkte 
Beherrſcher und zugleich Hohepriefter v aren. Die 
Schwaoͤche und Weichlichkeit der Ehalifen in Be⸗⸗ 
dad gaben den Befehlshabern der Tuͤrkiſchen Leib⸗ 
wachen ven Muth, ‚dp fie die Chalifen von den 
Herrfcherfigen berbrängten, und ihnen weiter nichts, 


als vie boheprieſterliche Wuͤrde uͤbrig liegen Auf. 


eine ähnliche Art wurden bie großen Lamas in 
Thibet, und bie Dairi's in Japan ber hoͤchſten 
weltlihen Mocht beraubt, und anf ben Befig ber 
bohenprieſtetlichen Wuͤrde ee a). '® u 


ent 


’ 


z) Pigt, Le si yay rie ww ayops wa: rin Aeyopsyw 


Kouꝝriu rarpioe, iv Jusag s Praha xxra Te 
x are Duyav sd ayopas · 
a) Die Vewerspeuen reerden gleich vetiommen, 





} 


hatte b). » Bey der Werfegung der Eumolpiden 


— 


Hein bas Prieſterthum auf keine der bis⸗ 
her angezeigten Arten entſtanden wäre; fo wuͤr⸗ 


den Prieſter, als eine befondere Volks s Kiafle 
unter manden Völkern, durch eine von folgenden - 


beyden Urfadyen gebildet worden feyn: entweder 
dadurch, Daß Gottheiten, welche man vorher bloß 
in einzelmen Familien verehrte, zu National⸗Goͤt⸗ 
tern erhoben wurden, ober daß Fürften nnd Ges 
feßgeber ‚bald gauzen Stämmen, bald einzelnen 
Gefchlechtern ‚dad Prieftertuum als eine erbliche 









Woͤrde ertheilten. Nach alten Ueberlieferungen, 


welche die glaubwuͤrdigſten Schriftſteller aufbe⸗ 


wahrt haben, waren die Eumolpiden ein here 


ſchendes, oder doch maͤchtiges Geſchlecht aus Thra⸗ 
cien, das: ſich zuerſt in Eleuſis niedergelaſſen 


nach Athen nahmen die Athenienſer die beyden 


Familien⸗Gottheiten ber neuen Bürger als Nas 
tionals Gottheiten auf, und übergaben ben bishe⸗ 


tigen Verehrern ber Ceres uub Proferpine das 


Prieſterthum diefer Goͤttinnen, weil fie glaubten, u 


daß bie Eumolpiden allein den Dienft der Got⸗ 
tinnen verftä :den, oder dag ihr Dienfl allein ben 
Goͤttinnen angenehm fey. — Kin jeder weiß aus 


der häligen Gefchichte, bag ber Gefeßgeber der⸗ | 
Juden dem Stamme Levi den Dienft ded Jeho⸗ 


va als eine erblie Wuͤrde verlich, aus Dank⸗ 
barkeit fuͤr deu Eifer und Muth, womit dieſer 


Stamm eine: gefaͤhrliche Empörung im Volke ger 
' dämpft hatte. Moſes ahmte nur dad nah, was 


ee range | vor tom Irgenb ein Seſchau 
ber, 
je | 


5) Thucyd, u, e. 16. Mocrates I, p. 158, Paulan. 


I 6 3% 


— 
— — — — — 
x . 
- 
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” [4 
- 


ber, ober Beherrſcher in Aegypten "geihan, und 


deſyfen "fortbauernde. Einrichtungen er in biefem 


' \ 
‚ 
u — — 
7 
N 


Lande Bennen gelernt hatte. Die Örganifation 
des Priefter s Drbens in Hinboftan war ſchon feit 
Juhrtauſenden dem Priefter s Orben in Aegypten, 
und meter ben Juden fo aͤhnlich, daß man noths. 
wendig eine gleiche Entfichungsert vermuthen muß. 


Auch unter. anderen Bölkern trifft man Bey⸗ 
ſpiele an, daß entweder bie Nationen ſelbſt, oder 
Berem Beherrſcher einzelne Familien ausfchließlid 


J 


zum Dienſt gewiſſer Gottheiten beſtellten. Da 


bie uͤbrigen bald nachher vorkommen werden; fo 
führe ich hier bloß folgende® an: In Mexico 
hatten gewifle Familien bad Recht, die Priefter . 
des Getes Vimilipusli ber Meike nach herzu⸗ 
geben. Weunn dieſer Gott außer den augeſtamm⸗ 
ten Peteftern noch andere brauchte; fü fuchte man 


, dergleichen durch freye Wahl unter ben Dienern 


ber. uͤbrigen Götter ans, ober man beförberte 


ſolche, die won ihrer erfien Kinkheit: an dem Diens 
fe des Vigiipusli waren getveiht twerben.c). 


And ben verfchiebenen Entfirhungserten bee 


Prieſterſtandes kann man es am beſten erklaͤren, 


warum bie prieſterliche Wuͤrde unter einigen Voͤl⸗ 


kern erbli, unter den meiften hingegen: nicht -erhs 
lich iſt. Die Erblichkeit der Priefterwürbe iſt 


ba am feftefien gegründet, mo nad) einer alten. 
usb allgemeinen Meinung ded Volks die Priefter 
entweder Leibliche Nachkemmen von Goͤttern, oder 
wenigſtens von ber Gottheit felbft zu ihrem‘ Dien⸗ 

| fie 
«) Acofla V, 6, IPRFTER nr 


I: 





- — 5:3 


fe beſtellt werben find. In den känbeom;. in wil⸗ 
des das Prieſterthum nicht erblid, war, wurden 


die! Priefter bald von den Koͤnigen, bald von dem 


Voruehmſten des Volks, bald Yon dem Volke 


ſelbſt, und. bald endlich won den Prieſtern erkoh⸗ 


ren. Die Könige waͤhlten bie Prieſter unter eis 
len ben Nationen, mo bie Könige uuſproͤnglich 
bie einzigen. Hohenprieſter geweſen waren, oder 
das Moheprieftertkum, wenigſtens deſſen Vorrechte 
an ſich geriſſen hatten. Der erſte dieſer Faͤlle 


fand im alten Rem zur Zeit ber Rönige, der auu⸗ 


dere im ſpaͤtern Rom zur Zeit ber Imperatoren 


Statt, Es war natürlich, dag die Könige, wel 


he die Prieſter als ihre Stellvertreter nad Ger 
huͤlfen zuerſt .eingefeßt hatten, aud in ver Fo 


. fortführen, ober bad Met behielten, bie: Diener 
der Goͤtter zu ernennes. Eben fo natuͤrlich war 


es, daß nicht die Koͤnige, ſondern die Vornehm⸗ 


Ä | ſten des Wolks die Diener ber Goͤtter ermählten, 


— u en " 


y . 


— — 


wo entweber die Optimaten die hochſte Gewalt 


beſaßen, ober wenigſtens die Fuͤrſten nicht ohne die 


Zaſtimmung berfelben vornehmen durften, wie in 
mehreren Kömigreichen ia Afrika, nahmentlich im 
Iſſiny. St dem Könlgreiche Iſſiny ift außer bew 
Zauberern und Wahrfagern nur Ein Priefter vors 
handen, deſſen Hauptderrichtung darin beficht, daß 


er bie oͤffentlichen, oder Volks⸗Fetiſchen macht, 
oder beſtimmt d). So bald ein ſolcher großer 


Fetiſchen⸗ Macher ſtirbt, ſo ruft ber Koͤnig die 


Wornehmſten ſeines Reichs zur Wahl des Nach⸗ 
folgers zuſammen. Der Erwaͤhlte wird mit dem 


Zeichen ſeiner Wuͤrde, naͤmlich mit einer großen 


Men⸗ 


3) Loyet p Ze En 


., 538 ' Tuer — 
Menge von Fetiſchen dehangen, und im ganzer, | 
Lande umhergefuͤhrt. Das Bolk ſelbſt wählte. 

die Prieſter in allen‘ tänbern, wo es von Anker 
giin an die. hoͤchſte Gewalt gehabt, ober die hoͤch⸗ 
fig Gewalt den Rönigen und Optimaten entriſſen 
hatte: wo es alfo nicht bloß Geſetze gab, Krieg 

und Frieden beſchloß, fondern auch feine vornehm⸗ 
ſten Beamten erkohr: zu welchen letzteren bie 
Diener der Goͤtter gerechnet wurden. Im freyen 
Rom hing, wie in den Griechiſchen Democratien, 

- die. Wahl ber vornehmften Priefter, von dem 
Willen ded verfammelten Volkes ab ec) Selbſt 
in Democratien aber entfogte das allgemwaltige 

Bolk feinem Recht, die Diener und. Vertrauten. 

b, der Goͤtter zu wählen, wenn man bafjelbe uͤber⸗ 
redyn Eonnte, dag zus Wuͤrde ſolcher heiligen Pers 

ſonen Kenntniffe und Fertigkeiten erfordert wuͤr⸗ 
"den, welche nicht die Layen, fondern nur die Dies. 
wer und Vertrauten der Götter ‚beurtheilen koͤnn⸗ 
sen, Eben das Römifche Volk, welches den Pons 
tifer Marimus und die übrigen vornehmſten Prie 
ſter frey wählte, gab zu, daß bie Auguren nur 
von Auguren erfohren würben f). So fer ad 
bie Alts Europaͤiſchen Völker fhon zu den Zeiten 
des Caͤſar und Tacitus in Rürkfipt.ibrer Vers - 
faffungen. von einander akwichen; fo flimmten doch 
alle, ſelbſt diejenigen, welche ihre‘ Fuͤrſten, oder 
- ihre Heerfuͤhrer und oberfien Richter frey waͤhl⸗ 
|,  ten,.barin überein, daß Priefter nur von. Prie: 


u ſtern koͤnnten unterrſchtet, gepruͤft, gewaͤhlt pr 
es 


’ x Pr; 


— 


| e) Saabertus de lzeriieli⸗ c. 6. 
f) Cic, de Leg. II. 10, 18, _Saubert 1 e. 





» 


— — 529 


befördert werben ). In Gallien und Britan 
nien war bie. Meinung von der Weisheit der Druis 
den fo groß, daß freye, edle, und felbit erlauchte 
Juͤnglinge fih gefallen ließen, manche, biöweilen . 
zwanzig Jahre in einem Zuſtande Yon Vorberei⸗ 


tung, oder Süngerfchaft zuzubringen, um nur in - 


den Stand. der Priefter aufgenommen zu werben, 
Gewoͤhnlich flieg man, wie es ſcheint, dem Alter 
nad) von ben unterften Stufen zu den höheren bins 


auf. Wenn fih um die Würde des oberften Druis 


ben Mehrere von gleichen Anfehen bewarben; | 


ſo entſchied bie Stimmen s Mehrheit ber Druiden, 


bisweilen aber die Gottesprobe bes Zweykampfs A). 


Das Vorrecht ber Druiden, fich felbft zu ergäns 


zen, hatte einerley Grund mit ben Anmaßungen . 
der. Jongleurs unter vielen Americanifhen Voͤl⸗ 
tern, ihre Nachfolger, oder künftigen Amtsbruͤder 
prüfen, unterrichten, und feierlich einweihen zu koͤnnen. 
Die Ehriften waren nicht bloß zu verſchiedenen 
Zelten, ſondern find auch jeßt noch in verſchiede⸗ 


nen Ländern in fo verſchiedenen Lagen, baf ihre 


Priefter bald von dem Wolfe, oder den Gemein - 
ben, benen fie vorſtehen follen, bald Don Königen _ 
und Fuͤrſten, bald von den Optimaten, unb bald 

0 a von 


g) Tacit. de Mor. Germ. c. 7. 11. Caeſar de bello 
Ganic. VI, 13. 14 | | 


A) Caelar. 1. c. . His autem omnibus Druidibua, 
praeeſt unus, qui fammam inter eos habet 
auciöritatem, Hoc mortno, Gi quis ex reliquie 

. ‚excellit dignitate, [uecedir: aur fi ſunt plures 
pares, (ufragio Druidum allegitur. Nonnun-. 


3 


. ' “0 , : 
quam etiam armis de principatu contendünp, J 


.. ‘” 
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" ’ " ' gL{ 
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1 


se _ 


von ihren eigenen Amtsbruͤdern und Worgefeßten 
ermählt wurden, und eswählt werden. 


Ich zeigte kur; vorher, daß bie Zauberer 
ſelbſt unter deu roheſten Boͤlkern fich entweder 


beſtaͤndig, oder werigſtens während ihrer. Amts⸗ 


Verrichtungen durch befonbere Kleidung und Schmuck 
unterfchieden. Meine Lefer werden fich ferner er» 


innern, daß unter allen nur einigermaafien gebil⸗ 


beten Natioren ein Jeder, der ſich den Goͤttern, 
ihren Tempeln, Statüm und Altären nähern wolls 
te, fish forgfältiger reinigen, und anders kleiden 
mußte, al& er im gewöhnlichen Seben, und unter 


feinen täglichen Verrichtungen nöthig hatte. Aus. 


biefen Almftänden allein kann man ſchon vermus 
then, was. auch bie ganze ältere und neuere Ges 


ſchichte Ichtt, daß bie Diener der Goͤtter ſich nicht 


weniger, als bie Diener der Fuͤrſten, durch Wohs 


sung, Kleidung und Pu, befonders burd ihre 


‚ganze Art zu leben, von den Lapen, ober Nichts 
Prieſtern andzeihneten. Freylich fanden unter 
ben Dienern der Goͤtter aͤhnliche Unterſchiede, wie 
unfer den Dienern ber Färften Statt. Die Einen 
dienten ben Göttern ohne Unterlaß; und biefe 
Aurften ſich alfo nie Von den Tempeln entfernen, 
auch Teine andere Aemter und Gefchäfte übernebs 
men, Manche Priefter hingegen hatten nur zu 
gewiffen Zeiten Verrichtungen; und folden Prie: 


ſtern wax e8 daher erlaubt, dem Waterlande fo 


wohl im Frieden, aͤls im Sriege zu dienen. . Dan 
nahm allenthalben an, daß bie Diener ber’ Götter 
wicht weniger, als die Diener der Fuͤrſten belohnt 
werden müßten; und man wies ihnen baher biefe 
Belohnungen entweder aus den Cinkünften ber 


Tem⸗ 





— 7} 


Tempel an, ober mah verpflichtete bie Verehrer 


der Götter, .daß fie den Dienern derſelben ihre 


Verrichtungen vergelten muſten. Unter eiyigen 


Völkern glaubte. man, daß diejenigen, welche ſich 


dem Dienfe der Götter rinmahl gewidmet häbs 
ten , in biefem Dienſte bis an ben Tod beharren 
müßten. Anderswo fand man es natürlicher, daß 
man dem Dienfte der Gdtter, wie dem der Fuͤr⸗ 
ſten gu jeter Zeit entfagen, .fo wie: die Goͤtter 
und Fürften ihre Diener nach Belieben entlaffen 
koͤnnten. Kinige größere Mativiien machen vom 


der fonft allgemeinen Denkart der Menſchen über ’ 


ben Dienft und die Diener der Goͤtter merkwuͤr⸗ 


dige Ausnahmen, Die Priefter der Sintes⸗Re⸗ 
ligion in Japan unterfheiden fi von 'den Layen 


gar nicht, weder in ihrem Aeukern, noch in Ihrer 


Art zu leben, oder in ihren Befchäftigungen ). 


Auch in dem nenen oder Mahomedaniſchen Perfien 
iſt das Prieſterthum mehr ein Gewerbe, als ein 
Amt, ober .eine heilige Würde. Die Mollas 


No ' 
a L_ ou 
- . _ 


Un. Alaay | 
z 


dee Perfer werden weder geweiht, voch feierlich 


eingeführt 4). Wer fih dem priefterlichen Leben 
wibmet, fängt damit an, daß er fi ein bes 
chei⸗ 


5h Raͤmpfer lc 
k) Chardin II. 295. Aint le NMiniſtere ecciößie. 


ftique eſt une rofeffon, non unofliee, ches‘ _ 


les Mahometans, On ne lacte, ni.n’infalle- les 
gens d’Eglile; et ils n’ant point de caractere, 
comme nous difons, ni ne font point obliges 
de plus 4 en fuivre la profellion toute léur 
vie, mais chäcun Is. quitte, comme bon luk 
fembie. 


$le 


. zuruͤckkehren, wann es ihm beliebt. 


s33 — — 


ſche idener, ale Andere. Fleibet inbem er einen 
weiſſen Turban und ein Gewand: von Camelot an⸗ 


legt: daß: er fleißig ſtudiert, Unterricht in ben 


Häufern g bt, ſich vor allen Aergerniſſen huͤtet, 
und eine - Wallfahrt na Mekka, odrr einem ans 


deren berühmten Gnadenorte macht. Nach dieſen 
Vorbereitungen braucht einer nur mit eiuigem Bey⸗ 
fol in Caffeehaͤuſern und auf oͤffentlichen Plägen 


. zu predigen, oder fein Gebet pünctlich in den Mos⸗ 


Feen zu verrichten, um entweder aus dem geiſtli⸗ 


> den Öute eine Penfion zu erhalten, ober bey einer 


reichen Moskee angeftellt gu werben. Wenn ein 


angeſtellter Molla feiner Verrichtungen uͤberdruͤſſig 


wird, oder ſein Gluͤck auf eine andere Art beſſer 
Ni machen glaubt; fo kann er in die Layen-Welt 


Die Vorrechte, die Macht, und das Anſehen 
von Prieftern waren unter verfchiebenen Völkern, 
und fo gar unter benfelbigen Nationen zu vers 


ſchiedenen Zeiten ſehr verſchieden. Am groͤſten 
wæaren ſie in den Laͤndern, wo bie Prieſter nicht 


bloß Vorſteher der Religion, und nicht ſowohl 
Diener der Götter, als felbft lebende Götter war 
zen, weil man fie entweber für- Beſitzer und Er⸗ 
ben göttlicher Geifter, ober für Iciblihe Nach⸗ 
kommen und Mepräfentanten von Rational » Gott: 
heiten hielt. _ Aus beyben Gründen erweifen bie 
Kapanefen ihrem Dairi; ober Hohenprieſter götts 


liche Ehre. Sie glauben von dem Dairi nit 


bloß, daß er ein leiblicher Nachkomme bed Get» 
td: Tenfiodai, fonbern auch der Erbe feines goͤtt⸗ 
lichen Geiſtes, ober feine gotlichen Eigenſchaften 

ſey 


—8 








. — — 0.933 
fey I). Als Erben göttlicher Geiſter betet man 
fo wohl den Bogdo » Lama. und die Kutuchten der 
Salınylen, als den Dalai⸗Lama in Thibet in der _ 
Mongoley, und felbft in China an m). Gleiche 
UAnbetungen bezrigte man -vormahls den Intas in, 
Peru, den Haͤuptern ber Natchez, und derer von 
Bogota ald Kindern ber Sonne, . und al leben⸗ 
den Stellvertretern diefer -Rasionals Gottheit 2). 
In Peru, fagt eif berühmter Geſchichtſchreiber, war 
bie ganze Verwaltung auf Religion gegründet 0). 
Der Inca erfhien feinen Untertsanen nicht bloß 
ale Geſetzgeber, fondern auch als Gefandter bed - 
Himmels, Seine Befehle wurden nicht bloß ald . 
Gebote eined Obern, fondern ald Gebote ber Gotta 
beit betrachtet... Das Seſchlecht der Incas war 
hochheilig, und damit es vor aller Vermiſchung 
mit weniger eblem Blute bewahrt werbe, ie 


: DD Rämpfer 1. 194 © Die Urt, wie rer Dairi ver⸗ 
ehrt ».rd, habe ich ſchon im erfien Wande 336. ' 
337 ©, erzähit. Ze Be 

m) Weber die Anbetungen diefer Hohenpriefter im oͤſt⸗ 
lichen Aßen f. den erſten Baut J. c. und ron du 
Walde IV. 51, ı02. 1923. 573. 576. 76. Muͤllers 
Sammi. Huf. Sich. I. 124. 25. 438 IV.azı und 
for les Ofiiskes m 2% Bunde cr Voy au Nord 
425. . Relation de la Grande Tartarie p. 78. 10% 
108; 106. Lepechins Rein 4. 279 Pallas 
Beytraͤge L 207. 20% 218. 917. Pallas .Kıen 
L 339, 958. Seibſt Stewart uno Turner füs 
‚gen zu den Nachrichten dieſer aiteren Schriftſteller 
‚nichts neue& von Dede ıtung hinzu. ’ 


\ 
- 7) Robertfon’s Hif, of Americk Il, 1235, 194. mi. 
| 195-195: Basler Ausgabe, * | 
- o) Robertl, hc. 


-\ 


— 


Te — — 


cheten· d die Eohie bes erften Inca ihre eigenen. 


Schweſtern. Auch ward in ber Folge Feiner zum 


Zhrone zugelaffen, der nicht in gerader Linie von 


ben erfien Sonnenfohne abſtammte. Aus diefen 


Morkiellungen floß die unbegraͤnzteſte Wacht aus, 
welche jemahls ein Volks⸗Beherrſcher befeffen hat, 


Weil man die Befehle des Fuͤtſten ale göttliche 


Veſchluͤſſe anſah; fo betrachtete man Die geringfte 
Widerfetzlichkeit nicht bloß als Ungeborfam, fons 


dern als Verbrechen ber beleldigten göttlichen Mas 
eflät, Blinder Gehorſam warb heilige Meligionds 

flicht, und die tiefſte Knechtſchaft, Unterwerfung 
unter ben Willen der Gottheit. Um ihre‘ Ehr⸗ 
furcht gegen bie Ineas, ale höhere Wefen, zu ers 
kennen zu geben, erſchienen bie Groͤſten bed Wolle 


tor ihren Behervſchern nicht anders, als mit. ſchwe⸗ 


ren: Laſten auf den Schultern, welche Laſten aus 
beuteten, baf fie Yon ben Ineas, und um der ns 


eas willen gern alled dulden, unb übernehmen 


wollten. Die Intas hatten mie GSewelt voͤthig, 


 um.ihre Befehle vollziehen zu laſſen. Ein jeder 
koͤniglicher Bedienter, der nur eine Schnur aus 


bem heiligen Hauptſchmuck der Jucas in der Hand 
hatte, konnte von einem Theile bed Reichs bis 


. zum andern dad Leben, die Kinder und die Guͤ⸗ 


ter bey Unterthanen nehmen, . akte- den: geri often 


Widerſtand zu finden. Alle Verbrechen und Ver⸗ 
- Behjungen wurden, die leichteren, tie: bie ſchwere⸗ 


ren ohne Vinterfihieb mit vem Toede gefträft, weil 
n bie Sehlenden ald Mebertreter und Veraͤchter 


Stiller Gebote anfah, - Die Religion hatte in - 
Den, unter ten — und denen Yon Vo—⸗ 
i 


nfluß. auf das Ynfes 


gora einen nicht geringen 


‚hen der Beherrſcher und bie Untenalrfgte —* 





_ Pr EEE 


| = — — 538 
Unterthanen; allein fie allein wirkte ſchwerlich fo 


allgewaltig, als Robertſon fi einblldet. Man 


hieit Die Hohenprieſter in Japan, in Thibet, und 
in der Mongoley nicht bloß fuͤr Machkommen von 


Göttern, ſondern fuͤr lebende Gottheiten, fie dſe 


Beſitzer von himmliſchen Geiſtern. Selbſt diefe 
GSöttlichkeit aber ſchuͤtzte fie nit gegen ale bie 
Gefahren, ' denen: and; andere nmimfchrändte Ber 
herrſcher ununterworfen find.‘ Die angebeteten 
Hohenprieſter wurben. häufig richt blog Ihren werk 
lichen Macht beraubt, fondern auch verjagt, ents 


ſetzt, und fo gar umgebtacht. | 


Die Brahminen der Hinduͤs geben vor, daß 
fie aus: bem Haupte, bie übrigen Caſten hinge⸗ 
gen nur aus dem Rumpfe, so den Fuͤßen bed 


Brimda entſtanben ſeyen. Faft alle Befäyreiber - 


von Hindeſtan find geneigt, die Vorrechte und 


Vorzüge. der Brahminen vor ben Abrigen Caſten 


ber Meinung von dem höhern Urfprunge derſelben 
zuzueignen 9). Ich trage Bebenken, diefem Ur: 


theile beyzuftimmen, Das Vorgeben eines höhern 


Urfprungs Bonnte nicht eher eutfichen, als nach⸗ 
bem bie Brahminen ihre anerfannten geſchlichen 
Vorrechte erlangt hatten. Wenn der Wahn vor 


einem hoͤhern Urſprunge jemahls von einigem Eins 


fluſſe war; fo war. ed nur fo lange, als Brimha 
für einen der großen Natioml⸗Goͤtter ber Hindus 


gehalten wurde. Das: Rad der Brimha hat 


Yange aufgehört pp), und die Meinung alfo, aus 


feinem Haupte entfprungen zu feyn, kann me | 


p) Dow Preface und Tennant 1. 175 et fg. p. 


pr) Man fi die Unterfuchungen über die Mofterien, 


536 — —— 


lich jetzt nech etwas Bebentendes zu dem Anfcheh 
ber Srahminen betragen. Die wahre. Quelle 
ihrer Vorzüge und Vorrechte ift eben diejenige, aus 
welcher die Driefter in- Yegupten , und bie Leviten 
. .ngter den Juden bie ihrigen erhielten: . ber . Wille 
irgend eines Religions, Stifterd, oder Gefeßges - 


ders, der fid) einen mächtigen Stamm dur bie. 


Ertheilung außerorbentlicher. erblicher Praͤrogati⸗ 
Ben verpflichten, und. ihm zualeih feine Danfbars 
keit fuͤr große erwiefene Dienſte begeugen wollte. 


Die Prieſter in Wegupten q) machten bie er» 
‚fte, oder vornehmſte der Gaften. aus, in welche 
bad Aegyptiſche Volk eingetheilt war. Die Prie⸗ 
fter : Safte beſaß den dritten, ober body einen wich⸗ 
‚ tigen Theil ber tragbaren Länberenen, ohne davon 
die geringften Abgaben zu entrichten. Andy erbielt fie 
außer ben Einkünften der Itegenden Gründe sägiich 
eine unfäglide Menge von Speiſe⸗ und Trank⸗ 
opfern : weßtwegen. Herodot es als einen ber gros 
Ben Vortheile der Priefter'anführt, daß fie für ih⸗ 
gen, Unterhalt gar nichts aufzuwenden ‚brauchten, 
fondern alle. Arten von genteßbarem Fleiſche im Ue⸗ 
berfluß hätten. - Wahrſcheinlich zerfiel die Pries 
fter: &afte, gleich den übrigen, in mehrere Unter: 
Caſten, und eine jede dieſer Unter : Eaften war. 
auf gewiffe Werrichtungen befchräntt, die vom Wa: 
ter auf Sohn forterbten. Eine ſolche Erblichkeit 
von Verrichtungen in den en prieſterlichen Unter⸗ 33 
en 


) Man ſ. Herod. u 37. 164 - 168€. Strabo xvii. 
1138 et ſq. p. Diodor. I. 86. 87 Plutarch. VII. 
391 et c* p. Schmidt de ſacerd — p. 10- 
‚80 et ſq. J 


0087 


fien Tann man ſchon allein begmegen annehmen, | 


weil Herodot berichtet, daß den Prieftern eines 
jeden Gottes, oder Tempels ein Hoheprieſter vors 
fiehe, und wenn biefer fterbe, daß aldbenn ber 

Sohn dem Vater folge vr). Der gröfte Theil ber 
Männer und Juͤnglinge, die zur Priefter- Caſte 
nebörten, war wirflih im Dienfie ver Götter. 
Die Zahl der Priefter in Argypten mufte die Zahl 
der Priefter in Griechenland ohne Vergleichung 


übertreffen, ba Herodoi es ald etwas auferors 


dentliches ermähnt, daß einem jenen Aegyptiſchen 
Gott nicht Ein, -fondern tele Prieſter dienten. 


Diejenigen Mitglieder der WPriefter s Eafte, die 


nicht im Dienfte der Götter angebracht werden konn⸗ 
ten, befthäftigten fich entmeber mit der Berwals 
tung der prieſterlichen Güter uud Einkünfte, ober 
tie dem Leſen und Abfchreiben ber priefterlichen 
Schriften, ober mit dem Unterrichte der Tugend, 
oder mit der Heilung von Krankheiten ‚ oder end⸗ 


lich mit öffentlichen Angelegenheiten. Go mie. die 
-Priefter bie einzigen Lehrer und Erzieher der Koͤ⸗ 
niglichen Prinzen waren; fo waren fie auch bie 


einzigen, oder vornehmſten Rathgeber, und Beam⸗ 
ten der Könige. Wenn Könige nicht in dem Sinne 
ber Prtieſter regierten; fo färzten diefe bie Erſte⸗ 
ren nicht felten vom Throne „und erhoben bagegen 


Andere, ſelbſt ans ter Prieſter⸗ Caſte. Die 


Prieſter⸗Caſte allein gab Richter und Aerzte, 
Sterndeuter und andere Wahrfager, Zauberer und 
Beſchwoͤrer her. In ben beyben erſten Eigenfchaf: 
ten waren die Mitglieder der Prieſter⸗ Cafte Her⸗ 


ven über das Sehen und Vermögen, über bie Ehre 


und 


_ 1.37. | 0. 


I x 


FE a on 
und Fregheit der YWegnptier. Fu den übrigen hat⸗ 
ten fie bie maͤchtigſten Leidenſchaften ven Vorneh⸗ 
men und Geringen in ihrer Band; und es warb 
ſchwerlich irgend eine wichtige Entfchließung gefaßt, 


oder Unternehmung angefangen, zu welder Pries 


ſter nicht mitgewirkt hätten. Die Uegsptifchen 
Prieſter fühlen die Macht, uud das Anſehen, 


welches ihnen ihre Befigungen, und Einfünfte, ihre ' 


Aemter und Verrichtungen verfehafften, noch durch 
eine gewiſſe Heiligkeit des ‚febens, und durch bie 
Ehrwuͤrdigkeit ihres Aeußern zu erhöhen. Gie 
trugen . Feine anbere Kleider, ald Yon Aegypti⸗ 


ſcher Leinwand, und Feige andere Schuhe, ald von - 


Boblos, oder Schilf. Sie foren alle brey Tage | 


den ganzen Leib, damit ja nichts Unfauberes daran 
bafte; und wuſchen ſich nicht nur an jedem Tage 
zwey Mahle, ſondern auch eben fo. oft in jeber 
Macht: Sie enthielten fih von mehreren animalis 
ſchen und vegetabtlifhen Speifen, bie für unrein 
geachtet wurden; doch entſchaͤdigten fie fi. für 


dieſe Entbehrungen dadurch, daß fie Wein 


tranken, ungeachtet der Wein kein einheimiſches 


Gewähs war. Indem Herodot ber. viermahligen 


täglichen. Waſchungen ber. Aegyptiſchen Prieſter ers 
waͤhnte, feßte er hinzu, daß die Prieſter noch uns 


+ 


zaͤhlige andere beſchwerliche Gebraͤuche hätten s). 


Allen Anfehen nach war der Dienft ber Aeghpti⸗ 


ſchen Prieſter eben fo zafammengefeßt, und laͤſtig, 


als der ver Indiſchen Brahminen, 
Wo—⸗ 


| DD“ 37.1. eAdug Ta Ipyanuıng puping swireissn, 
wc BIa5V A0Ym.  - £ u 


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N 





— I 


_ ‚ 
—W — — 339 


Moſes vichtete "den Prieſterſtand unter der 


Jubden unlaͤugbax nad) dem Muſter bed Negypti 
ſchen eine), Er ertheilte einem ganzen Stamme, 


der zu feiner Zeit über 22000 Perſonen männlis 
then Geſchlechts enthielt, das Priefterthum als 


. fine erbliche und ausſchließliche Würde. Da er in 
der Wuͤſte den Leviten wicht ſolche Laͤndereyen ans 


weiſen konnte, dergleichen die Prieſter in Aegypten 
hatten; ſo ſchenkte er ihnen dafuͤr den Zehnten al⸗ 
les deſſen, was die Heerden, und kuͤnftig die Aecker 


und Weinberge ber Ifraeliten bringen wuͤrden. 


Durch dieſen Zehnten erhtelt ein einziger Levit, ohne 
die Arbeit und Koſten des Ackerbaus, fuͤnfmahl 
fo viel, als bie mit der Hand arbeitenden Sfraelts 
ten einerndteten. Meberbein gad Moſes ben Levis 


ten alles Berbannte,. nub Gelobte, das Loͤſegelb 


ber Erſtgeburt, einen beſtimmten Antheil nicht nur 
au jedem Opferthier, fordern auch an allem uͤbrigen 

Viehz, mas geſchlachtet wurde: endlich die Erſt⸗· 
linge der Fruͤchte, welche im Durchſchnitt ben. ſechs⸗ 
zigſten Theil der Erndte betrugen. Selbſt vie Ar⸗ 
beiten, welche Moſes den Leviten fuͤr biefe unvers 
haͤltnißmaͤßigen Einkuͤnfte auflegte, waren eben: 


fo viele ehrenvolle Praͤrogativen, bie in Verbin⸗ 
‚bung mit den einträglihen Rechten bie Leviten zu 
einem arblichen, uͤber das ganze Bulk hervorragen⸗ 


ben Adel machten. Das vornehmſte GSeſchaͤfft der 
Leviten war der Dieuſt bed Jehova, ober ber 


Dienſt der Stiftshuͤtte, ſpaͤterhin des Tempels 
und bed Altars. Diejenigen, welche zum Dienſte 
des Jehoya erkohren wurden, machten theils ben 


2 


m Qutram I, 0. 4; p. 4. migeelis Mol. N L 
. 197:157 © 


on, ’ 


Hoef, theils die Leibwache des Gottes der Wäter, . 


. und feiner Wohnung aus. Als’ die Hoͤflinge und 


teibwädter bed Jehova Iagerten ſich die Leviten 
beftändig um die Hütte des Stifte, und als folde 


‚ wuften fie, mie die Höflinge und Trabanten der 


Morgenlaͤndiſchen Könige, ohne Zehl, oder. ohne 
alles leibliche Gebrechen feyn u). So zahlreich 
auch die Dienerſchaft des Jehova war; ſo konn⸗ 


ten doch nicht alle Leviten, als Prieſter angeſtellt 


werden. Moſes ſorgte daher für bie uͤbrigen Le⸗ 
viten auf eben die Art, wie die Urheber der Ver⸗ 


faffungen in Aegypten, und Hinboftan für die nichts . | 


prieftenlihen Mitglieder ber. erften Caſte geforgt 
hatten. Cr beftellte nämlich die Leviten nicht bloß 
zu Dienery des Jehova, ſondern;auch zu. Huͤtern, 


Leſern, und Auslegern der Geſetze: zu Schreibern 
Mad Richtern: zu Aerzten, und Aufſehern uͤber 


Maaß und Gewicht. Als Schreiber wurden die 


Leviten in allen Privat s und öffentlichen Unter 


handlungen eben fo unentbehrlich, und wichtig; ale 


die Chrifilichen Geiftlihen in ben Jahrhunderten 


des Mittelalters, wo die Kunſt zu fehreiben beys 


\ 


nahe ein ausſchließliches Geheimniß der. Diener - 


- ber Kirche war. Moſes ſetzte den Mohenpriefter 


nicht bloß dem Michter an die Seite x), ſondern 
ordnete ihm fo gar den oberfien Feldhern Joſuas 


‚auf eine gewiſſe Urt unter y). Wenn weder ein 


. Richter , noch ein König in Iſrael war, ſo ward 


ber Moheprichter dad Haupt bed ganzen Wolke, 


und übte bie hoͤchſte meltliche, wie die hoͤchſte geifl- 


. liche 
WED Moſis 41. v. 17 u. f. 
x) 5. B. M. XVII. ia. | 
9 HB M. xxvii. ar. 


| 


—n ——7 2— 


— — 341 


Le Macht aus. In ſpaͤteren Zeiten machte man 


den Tempel des Herrn zu einer feſten Burg, und 
zu einem Waffenplatze, to unter andern die Vers 
ſchwoͤrung gegen die Koͤniginn Athalja von dem 


Prieſter Jojada entworfen, auch mit Huͤlfe ber 


Seiten gluͤcklich angefangen, und ausgeführt 


wurde z). 


Mit den Brahminen der Hindus verhielt es 


| ſich ſchon ſeit Jahrtauſenden eben ſo, wie mit den 
Prieſtern in Aegypten, und unter. ben Juden. 


Die Brahminen bilden die vornehmſte Caſte ihres 
Volks, die felbft vor der Eafte ver Fuͤrſten, und 


edlen Krieger viele und große Vorrecdhte hat. Die 
wichtigſten Vorrechte der Brahminen vor den Fürs 
fen und Edlen beftehen barin, baß fie allein den 
- Göttern dienen, auch allein die heiligften Schriften 


leſen dürfen, und in Unfehung ihrer Perſonen uns 
deriehlich find a). Man kann Brahminen, bie 
große Verbrechen begangen haben, ber Freyheit, 


‚und bed Geſichts berauben. Man barf fie fo gar. 
verſtuͤmmeln, aber ihnen unter keinem Vorwande 


bad Leben nehmen, weil daß Umbringen eineſß 
Brahminen für eine der fuͤnf großen unerlaßlichen 


Suͤnden gehalten wird. Die Brahminen brauhen _ 
dieß Vorurtheil von ihrer Unverletzlichkeit nich 


nur dazu, ſich die Bezahlung gerechter Forderun⸗ 


gen zu verſchaffen, ſondern auch manchmahl, um 


die unverantwortlichſten Erpreſſungen auszuuͤben. 
Sie ſetzen ſich nämlich den Haͤuſern von Vorneh⸗ 
men und Reichen gegenuͤber: mit der Drohung, zu 
ſterben, wenn man nicht ihren Willen thue. —* 
a in⸗ 

2) 2. B. der Könige XI. 


a) Rogers I, 2. | 


342 Zn —— | u 


Hindus opfern alles anf, um. N. efi ſolches unerſetz⸗ | 

liches Ungläd abzuwenden. So greofi die Gdhuld . 
ift, welche man durch die Beleidigung von Brahs 
minen auf ſich ladet; ſo groß ift das Verdieuſt von 
Wohlthaten, die Brahminen erwiefen werden, 
Mer für einen Brahmin fein Leben aufopfert, . 
Fommt augenblickiich in das Paradies; und alles 
übrige Gnte, was man ben Brahminen erzeigt, 
wird yon Ben Goͤttern angefehen, al& wenn man eg 
Ihnen ſelbſt erwiefen hätte db). Die vornehmfte 
Beſtimmung der Brahminen ifi der Dienft, den fie 

ben Göttern, ober in den Tempeln, und bey dei 
Altaͤren dee Gotter zu leiften haben. Der Göts 
terdienft in großen Pagoden erfordert eben fo viele 
Menfchens Hände, als der Dienft in ben Pallds 

ſten großer Beherrſcher. Es gibt, ober gub wes 
nigſtens vor nicht gar langer Zeit Pagoden, in 
- welchen 40000 Brahminen zufammen wohnten. 
Eine fo zahlreiche Dienerſchaft der Götter macht 
außerorbentlihe Einkuͤnſte nothwendig. Es war | 
eine Zeit, wo man den Brahminen nachfagte, daß 
fie den dritten Theil aller Einkünfte. des Landes | 
zögen dd). Wenn auch die Reichthuͤmer ber Indie | 
ſchen Prieſter feit einigen Menfchenaltern um .vies | 
„led geſchmaͤlert worden find; fo bleibt es doch im⸗ 
mer wahr, daß die meiſten, beſonders die be⸗ 
ruͤhmten Pagoden weitlaͤuftige Beſitzungen haben, 
und daß die Vedams es den Fuͤrſten zur Pflicht 
machen, die Pagoden, und ihre — * reichlich | 

8 
0144 


U 





‘ 


) L. c. u. c. 5. 6; auch Tennant J. 175. et X r 
| .) 1,6, wagen 





EEE Zu Ze 343 
zu begaben d). Außer den Pachtgeldern oder 
©rundzinfen von Länderenen heben die "Brahminen 


meiftens Zölle won mehreren eingehenden, ober 
ausgehenden Waaren, auch. andere Steuern, nahs 


.mentlich fünf von jedem Hundert ber Mitgaben, 


ober Ansftattungen von Bräuten ©). Wenn alle 
biefe Hölfsquellen zum Unterhalt ber Brahminen 
sicht hinreichen, ‘fo brauchen fie das ihnen zuſte⸗ 
hende Recht, Allmoſen zu fordern, bie ihnen nicht. 
verweigert werben dürfen. Das Recht ber Brahs 
minen zu fordern, und die Pflicht der Layen zu 
geben, iſt fo volfommen ‚ „ daß Manche der Erf 
ren, befonders die fo genannten Gurus, felde 
Hindus, die ſich zu ben verlangten Gaben nicht 


verſtehen wollen, durch Schläge miffhandeln, ober 


ihnen das Geſicht mit Koth befhmieren, und fiein 


eine niedrigere Caſte hinabſtoßen F). Die Brah⸗ 
minen, die nicht zu der Dienerſchaft irgend einer 


Pagode gehoͤren, beſchaͤftigen ſich entweder mit dem 
Unterricht der Jugend, oder ſie treiben Handel, 


‚oder üben die Arzneykunde, ober laſſen ſich als 


Schreiber, oder als Geſandte, und Raͤthe von 
Fuͤrſten brauchen. Man behauptete ſonſt, daß die 


| Brahminen weder Koͤnige, noch Feldherrn ſeyn 
dürfteh Fa) Allein die Peiſchwas ober Haͤupter 


l 


der 


d) Sevagi, Haupt der Maratten, ſchentte den 
„. Brabmiren fo viel. Gold, als er ſchwer war. Hi- 
“ Barical ‚Iragments p. 60, 


a4)—- Tennant II. 201. 
f) Leitr. Edif, XIII, 144. 
&) Sonnerat Lı1 ©, 


. 
er 


\ 
544 " m u J 


ber Maratten waren ohne Ausnahme Brahminen 4), 
und in ben leßteren Zeiten fehlte es auch nicht au 
Beyſpielen, daß Brahminen ald Feldherren, oder 

- Anführer in ben Krieg gingen, und Schlachten lies 
ferten. Kein Brahmin barf fidh zu irgend einem 
Handwerk, und noch weniger zu knechtiſchen Diens 

ſten, felbft bey den mädhtigften Fuͤrſten, berabs 

laſſen. Auch der aͤrmſte Brahmin, der ſich gluͤck⸗ 

lich ſchaͤtzt, als Schreiber bey einem reichen, oder 

‚vornehmen Hindu anzukommen, vergißt ſich nie ſo 
ſehr, daß er mit ſeinem Herrn und Wohlthaͤter, 

‚und wenn er ein Raja der Rajaͤs wäre, am einer. 
Tafel fpeisten. Xhäte er ed, und es würbe be: > 
kannt, fo wäre die umausbleibliche Folge danın 

biefe, daß er aus feiner Caſte geſtoßen, und ber 

großen Vorrechte feines Geburtsatel® beraubt 

würde 5)... 


Hindus von allen Caſten ergoffen fich vor uns 
denklichen Zeiten weit, und «breit nad Weſten, 
Süden, und Dften hin. Es iſt alfo wicht zu vers 
wundern, daß man Mefte Indiſcher Eolonien, und 
Spuren von Indiſcher Religion auf deu fernften 
Ehlanden der Suͤbſee, und an ben beyben Küften 
von Afrika antrifft. Die fhönen Bewohner ber 
Südfee s Snfeln ftammen ohne Zweyfel von ben 
höheren Saften in Hindoſtan ab. Einer der Be; 
weife diefer Abſtammung liegt darin, daß das 
Priefterthum auf den Soͤdſee⸗Inſeln auf eine 
ähnlide Art, mie in Hindoftan, eingerichtet ift. 

Die Hohenpriefter auf den Eylanden ber Sübfe | 
Te, En | 


sinn \ ° 


h) Niebuhr 1. 7 S. ” . | 


i) 11: ee. F 











x 


— 4446 


werben nicht weniger verehrt, als die oberſten Brah⸗ 


minen in Hindoſtan. Man glaubt von ihnen, wie 


von dieſen, daß ſie vertraulich mit den Goͤttern 


umgehen, daß ſie ſo gar Beſuche von den Goͤttern 


erhalten, ungeachtet die höheren Weſen den Augen 
gemeiner Menfhen nicht fihtbar werden k). Viel 


merkwuͤrdiger iſt es, daß religioͤſe Einrichtungen 
der Hindus ſich bis zu mehreren Völkern an ber 
Weſtkuͤſte von Afrika fortgepflanzt haben. : Su 
Eongo, ?Fida, und anderen Neger s Neichen iſt 
das Prieſterthum erblih, und bie Perfunen ber 
Driefter , wenigften der Hohenpriefter, find eben 


‚fo heilig, oder unverleglih, als in Dinboftan d). . 
Ich habe von den hohen Vorrechten der Prieſterin⸗ 
nen, und der Frauen der unſchaͤdlichen Schlange 
in Fida ſchon an einem andern Orte gerebet; und: 
berühre defwegen hier ‚blog das Wichtigſte von 
dem Anfehen, und den Vorrechten des Hohenpries: 
ſters oder des Chitome in Congo m)... Man ehrt: 
in dem Chitome nicht fo wohl den erfien Diener der 
Götter, als Vielmehr einen Lebenden Gott. Seine ' 
Perfon iſt ohne Vergleichung heiliger, feine Macht 
größer, und feine Wohnung: unzugaͤnglicher, als 
bie irgend eined Könige, oder Khrften in Afrika. 
Er mag begehen, welche Berbrechen er nill; ſo 
Tann ihn Niemand zur Verantwortung ziehen, viel 


ky Forßer II, 155. 154. Freville I, 458. 


2.) Bosmant 463. 64 ©. Des Marchais II. 195. 
‘144. Smith p. 198. Oldendotn d, 508. Cavan- 


4 
il, 0254-61. 11.099. et Iq. ' " 
in) Cavansi I, 054. et lg. er j . 


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549 — — 
wenigrer varbalten, ‚ober ſtrafen m). , Olpie- feinen. 
Willen hingegen , und Veyfall Hürfen-Kie. Könige, 
nichts wichtiges unteruehuep, Ant; Bein Befehls⸗ 
haber, ober Statthalter fein Ams,amtreten, Die, 
nau „ernannten Stagthalter begehen: firh.,doher mit, 
einem großen, Gefolge zus Wohnung de Chitome, 
we, bitten. min demuͤthigen, oder wehmuͤthigen Eig«- 
ſcoreys, daß ber. Hoheprieſter ihren dhe Gnade er⸗ 
welſen mögen ſie vorzulaſſen. Dieſe Bitten wer⸗ 
ben wie zum erſten Mahle erhoͤrt. Der Chitome 
Tag die Statthalter fo lange warten, bis ſie ihre 
Rissen mit.ſo vielen Goſchenken untenſtaͤt hahen, 
alé er zu erhakten wuͤnſcht. Winn:die Habſucht 
ben; Chitoms heiriediat iſt, ſo Fouant. erenblich 
außigeiner Hoͤne hepyor, beſpritzt die Bittendan. 
mic Waſſerbeſtyeut ſie mit Spauin, oder Erde, | 
unbubefichlt- ihnen, datß ſie ſich anf. dan. Raͤcken 
hinfrgan · Sa dioſer Lage tritt: an ihnen meltene.: | 
Meahla auf den Leip:n: Juan Zeichen, Aaß- bie wir“ | 
Fosed getretencu feine Auecte kopen, mud-Tiße fie. 
ala aun. [hmwöreg.,..dnß fieidem- Chätsiwe: in-alken. 
Geben gehorchen, ader feige: Befehle augenblick⸗ 
lich wollſtredes. wollen. Die Gedenuͤthigten ian⸗ 
nen fſich glaͤcklich ſchaͤßes, ‚wein. dev Hohepriefens 
ihnen zum Gegengeſchanb elven Brand von Dem. | 
halligen Feuer :giht, das er. heftaͤndig. Im feine“ 
Mahnung unterhält, und dad eine Hauptquele 
W ſei⸗ 
r, en 


Aue 3 en d An Der 
=) ee Sechs tten Die Hohenhrigſter in Fi⸗ 
F ar. S —— iu Fi —— * | 
Zeiten eine Wr Weryug gegen.den König angeze-· 
telt hatten; ſo machte diefer, mit Zuftimmung feis | 
‚ner Großen, eine Aunahme von derh dfken Gefdge, 
und firafte die Schulßi en, der Hochheiligkeit ihrer 
VPerſonen ungeachten. Bosmann I, c.. 





s 





. “. m — 54 
feiner Einkuͤnfte iſt, indem man häufig Brände bed 
heiligen Feuers als Heilmittel, oder Berwahrungss 
mittel gegen allerley Unfälle Fauft. Dem Chitome 
gehören ferner die Erſtlinge aller Krüdyte, und Fein . 
Meger. wagt es, von irgend einem Product feiner 
Aecker, oder Goaͤrten das Geringſte zu genießen, 
bevor er nicht den Hohenprieſter gezollt hat: Weil 
man dem Shitome mehr, als menfäliche Ehre ers 
weißt; fo.glalibte, ober fügte man wahrſcheinlich 
Som the, . wie Hot dem großen Lama in Thibet, 
daß er unſterblich ſehd, oder daß ſein Geiſt unmit⸗ 
telbar in felnen Nachfolger uͤbergehe. Dieſe, oder 
eine aͤhnktche Vorſtellung hat in Congo allmaͤhlich 
eine feltfanie Wendung genommen, wenn anterd 
Cavaz zi die Sache richtig gefaßt, und vorgetragen: 
hat. Die Einwohher von Congo halten e8 nad 
dem Vericht des Miſſienars für eind der gtoͤſten 
Vorrechte bes Chitome, Haß er Feines natuͤrli⸗ 
chen. Todes ſterben duͤrfe; denn wenn dieſes qeſche⸗ 
be, fo wuͤrde die Welt untergahen, bie Blog dunch 
ſeine Macht erhalte werde So bald alfe eiik . 
Chitome ſo geikhrlich Frank wird, daß man Ur⸗ 
ſache hat, an feinem Aufkommen zu zweyfeln; ſo. 
beingt fern: Rachfolger mis eifler Keule, ‚und eis, 
em- Striche bewaſnet in fein Haus, und ſchlaͤgh. 
ben Kranken teds, oder erwuͤrgt ihn, wie er ch. 
am bequeniſten findet. —Unter den Rramantis,; 


u wo bie Yrieorliche Würde: auch erblich fe folge 


inter beit verſchiedenen Söhnen eines verſtorbenen. 
Prieſters derjenige nach, der den Muth hat, demi 
Verſtorbenen gewiſſe Körner aud. dem Munde zit 
teiffen, ind gleich in feinen Mund zw ſtecken. 
Maui al daß bie todten Prieſter den Mund 


ſihr fe fliehen, aud deß Ai üngersöhutiche 
| Mn Kraft 


548 — — — 
| Kraft dazu gehoͤre, ihnen die Koͤrner abzuzwingen, 
welche: fie nicht fahren Laffen wollen 0). Fre 


U 


. Unter den übrigen größeren- Völkern, wo 
man bie. Priefter weder für Abkömmlinge, und 
“ Mepröfentaaten der Götter hielt, noch auch die 
prieſterliche Würde erblich war, hatten bie Diener 

der Götter bey übrigens gleichen Umftänden um 


dbeſto mehr Gewalt, Unfehen, und Einfünfte,: je 


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" — — —— 
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weniger die Völker , und deren Veherrfcher gebils 

det waren. Ich fage mit Fleiß: bey übrigens gleie 
hen Umfländen, weil ber unumfchränkte Despos .\ 
tismus, felbfk unter wenig gebildeten Völkern, feis | 
ner Natur nach ben Ufurpationen der Prieſter ent 


ı 


gegenwirkt. 0 


Ungeachtet die Magier ber Älteften Meber, | 
und Perfer nicht fo viele angebohrne Vorrechte hat 
ten, als bie Priefter der Aegyptier, und Hindus; 
fo waren fie doch fo wohl bey ben. Königen, als 
bey dem Volke nicht weniger angefehen, als bie: 
fe p). Sie waren die unzertrennlichen Gefährten 
und Rathgeber der Könige im Kriege, wie im 
Frieden, ‚weil fie Träume, und andere Zeichen: 
x beuteten, die glückfihen und ungluͤcklichen Tage, | 
oder Stunden für alles, was man unternahm, bes’ 
fimmten, und bey allen Opfern gegenwärtig fon  _ 
mußten. Gewiß ruͤhmten fie ſich auch ſchon in den 


| 


7270) Oßendorp Le, 
) Man f. über die die Magier vor allen anderen, ' 
Herodot I, 120, 132. 140, III, 6r et lg. Plin, 
ARK ce. 1. et ſq. Diogen: I, 6. et iq. S, Cortius 
4, 3 . — —— 





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aͤlteſten Zeiten, mit ben Göttern umzugehen, und 


fo wohl diefe, als bie Geiſter ber. Verfiorbenen 
an rufen zu koͤnnen. Als ber Mediſche König 


Aftyages bie Diagier auf ihr Gewiſſen fragte, 0b 


der Traum, weßwegen er feinen Enkel, den jun⸗ 


gen Cyrus, umzubringen befohlen hatte, erfüllt 


fey ; fo antworteten die Magier: mir fagen bir ges 


* 


wiß auch um unferntwillen die Wahrheit. Unfere . 


eigene Wohlfahrt verlangt, daß wir dein Meich zu u 


erhalten, unb zu befeftigen fahen, indem wir, als 


beine Landsleute, Theil an ber Megierung haben, 
und von bir- große Belohnungen, empfangen g). 
Wenn hingegen die Herrſchaft zu ben Perfern übers. 


ginge, fo wärben wir al6 Fremdlinge nicht bloß ge⸗ 


ring geſchaͤtzt, ſondern auch dienſtbar werden. Das, 


was die Mediſchen Magier nicht ohne Grund ge⸗ 


fuͤrchtet hatten, traf dennoch nicht ein. Cyrus un⸗ 


terjochte die Meder, und die Mediſchen Magier eye 


‚ hielten am Perfifchen Hofe eben ben Einfluß, den 
fie in Mebien gehabt hatten. Als Rambpyfes ben 
Zug gegen Aegypten unternahm, übergab er bie 
Beſorgung feiner haͤuslichen, und wichtigften Ans 
. gelegenheiten einem Magier Patizithes. So bald 
biefer erfuhr, daß Kambpfes feinen Bruder 


Smerdes habe umbringen laſſen; fo faßte er ben J 


Euntſchluß, ſich gegen ben Bambpfes zu empören, 
und feinen Bruder Smerdes, der dem ermerbeten 
Bruder des Königs von Geſtalt, nicht weniger, 
als durch Nahmen glich, anf den Perfifchen Thron 
zu feßen. Er führte bie Vorhaben. wirklich aus; 


. und der r Medifäe Moglet Swerdes regierte ſieben 


‚Mes 


2 L aso, Herod, xt apyopas ro wapog, Ba Ting 


J "206 co asyalac axouν. 


— 
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450 — — | 


Mongathe ang ruhig fiber das Perſtſche Neich, 
Als aber bald nachher die Hornehmften Perier ers 
fuhren, bag Smerdes, ber Sohn des Cyrus; 
auf Befehl des Kambyſes getöbtet werden, und 


u daß der. regierende Smerdes der Magier gleiches 


Naͤhmens fen, melden auf Befehl bed Cyrus 
die Dhren abgefchnitten worden; fo verfchmoren fie 
fe gegen ‚den Betrüger, bradıten ihn und feinen 
Bruder um, und forderten die Perfer auf, bafl 
fie ſich der ſchmaͤhlichen Herrſchaft der Magier 
entziehen möchten. Das Wolf r) ſchloß ſich au 
ſeine Befreyer an. Man brachte alle Magier um, 
welche man antraf, oder auffinden konnte. Wenn 
nicht die Nacht dazwiſchen gekommen wäre, ſagt 
&erador, fo würde fein Magier am Leben geblie⸗ 
ben ſeyn. Der Gedaͤchtnißtag ber Befreyung von 
ber Herrſchaft der Magier warb in der Folge bee 

ſtaͤndig gefelert; und an kiefem Feſte durfte ſich 
Fein Magier fehen Kaffen. Nichts beftomeniger exe 
langten die Magier bald nachher eben das Anſehen 
wieder, was ſie fonft gehabt hatten; und behielten 
es and) unter allen Revolutionen Werfiend bie an 
den Jeitpunct, wo bie fiegreihen Mahomebaner 
ihre Religion mit Feuer und Schwerdt verkuͤndig⸗ 
gen, und bie Anhänger ber alten Meligion mig 
Feuer und Schwerbt wertifaten, Was die Magier 
Int alten Medien und Perften waren, das maren 
bie fogenannten Ehafdser im alten Babylonien rs), 
Hub fahen die Griechen nnd Mömer tie Känfte 
der halben und Magier als vollkommen gleiche 
eder aͤhnlicht Känfe an > FR 
i6 


Herod. I. e. 6. 99, 
. #5 Awian. VI, 6..Strgbo xvi or 
u rin, j 


u u Dir Morgenlaͤndiſchen Vöolker waren Yon br 


„ fhwörer, fondern fie waren auch die höchften Ri» 


— — 81 


Her'der Traumdeunterey usb Sterndeuterey mehr 
‘ergeben, als die Abendlaͤndiſchen; und es Kann 


daher tobt fpn, daß die Magier der Perſer, und 


die Chaldaͤer in Babylon ald Traum⸗ und Stern⸗ 
deuter, welche bey allen Gelegenheiten zu Mathe 
gezogen wurben;, ein eben fo großes Anfehen, bid⸗ 
weilen einen noch größern Eiufluß hatten, als die 
Druiden Set Alts- Earopäifiken etionen. Wenn 
man aber bieſes auch zugibt, fo kann man zu glels 
Ger Zeit nit verkennen, daß .die Europaͤiſchen 
Druiden ungleich größere geſetzliche Vorrechte hats 
ten, aldö-bie Magier und Chaidaͤer in Afien. Die 


Prieſter in Britannien, Gallien und Gerinaniten 


wären nicht bloß Diener der Goͤtter, und als fol: 


che bey allen Opfern, und anderen aottesbienftli- 


hen Handlungen unentbehrlich: nicht bloß Weiſſa⸗ 
ger and Wahrſager, Aerzte, Zauberer und ‘Bes 


ter in bürgerlichen fowohl, als in peinlichen Sa⸗ 
den: fehr oft Schiedsrichter zwiſchen Fürflen und 
Voͤlkern 8). Wer fih ihren Ausſpruͤchen nicht 

a un⸗ 


u) Caeſar de bella Gall, VI, 13. 14. Tack, Annal. 
XIV. 30. Hiſtor. IV, 54 de Morib. Germ. 7 et 
sı c. Strab, IV..p. 302. Plin, Hif, Nat, XKX, 4, 
Die Druiden waren nicht die einzigen, fordern die 
hoͤchſten Richter, die letzte Inſtanz. Dieb zeigen 
felßft die Werte des CAfars: Nam fere de omni- 
bus eöntreverliie publicis privatisque cönfi« 

tuunt: et i quod ef admillum facinas, fi cae- 
des facta, fi de hereditate, de finibus eonıra- 
verſia eft, iidem decernunt, praemia poenas- 
que conllituung. . . Hi certo.anni tempare 
in finibus Carnutum, quae rogio totius Gallisa 


mes - 


‘ . \ 
\ 


. 533 | — — 


unterwarf, ward in den Bann gethan, d. h. er 
„warb von allen gottesdienſtlichen Zufammenkänfs 
„ten, und Handlungen ausgefchloffen, ‚und für einen 
Feind der Götter erklaͤrt. Man floh folde Ges 
- bannte, ummicht durch fie befleckt, oder durch ihre 
Schuld angeftecdt zu werben. Man ſprach ihnen 
kein Recht, und bielt fie aller Öffentlichen Ehren 
unwürbig x). Die ‚oberfirihterlihe Gewalt vers 
ſchafte ven Druiden, in Verbindung mit der Gase 
zu mwahrfagen, ben mächtigfien Einfluß auch auf 
‚bie Verfammlungen des Volks, und auf alle oͤf⸗ 
feutliche Angelegenheiten, die bort entfchieben wur⸗ 
den. Sie allein geboten in ben Volks⸗Verſamm⸗ 
Yungen Stillfchweigen; un» fie allein hatten das 
Recht, Unruhige zu feſſeln und felbft zu geiffeln y). 
Je nachdem fie entweder aus ben Eingeweiden von 
Dpfern, oder aus anderen Zeichen die Gnade, ober 
Uugnabe, günftige ober ungünftige Antworten vom 
| Da "Yu 
meai⸗ habetnr, eonfidunt in loco eonleerato: 
hue omnes undique, qui controverhas habent, 
‚eonveniunt, eerumque deerctis, judiciisgue 

ie parent, . 
2) Caelar l. c. Si quis aut privatus, aut publi- 
. eus eorum decretu non fieterit, [acrificiis in- 
terdicunt, Haec poena apud eos eſt graviffima, 
Quibus its efl interdietum, ii numero impie- 
rum, ac leeleratorum habentur: iis omnes de- 
eedunt, aditum [ermonemque defugiunt, ne 
quid ex contagione incommodi accipiat: ne- 
. que iis petentibus jus redditur, neque honos 

‚ wllus communicatur, oo. | 
y) Tac. I. c, Silentium per facerdates, quibus 
nm et coercendi jus et, imperstur. Ceterum 
neque animadvertere, negne vincire, ne ver-. 
berare quidem, nifi facerdotibus. permilum, - 





—— — 553 


@öttern verkuͤndigten, wurden Könige, und Heer⸗ 


- führer entweder erwaͤhlt, ober verworfen, Krieg, 
aber Friebe beſchloſſen, Befeße angenommen, oder 
abgeſchafft. Liber 2), Elaudiusa), und andere - 
Mömifche Kaiſer würheten mit Feuer und Schwerbt 
gegen bie Gallifhen und Britannifchen Druiden, 
und deren heilige Haine. Allein die Druiden, und 
das Anſehen ver Druiden erhielten ſich noch Jahr⸗ 
hunderte lang aufrecht. Die Ebrpfoftomus fagt 
Yon ben Druiden feiner Zeit, daß die Könige ohne ' - 
die Druiden nicht allein nichts unternähmen, fons 
‚dern auch nicht einmahl über etwas rathfchlagten, 
ohne diefelben zu Mathe zu ziehen: daß im Grunde 
bie Druiben vegierten, und daß die Könige meiter 
nichts, als bie Diener und Zrabanten ber Priefter 
feyen 6). Die Druiden genoffen von ben älteften 
Zeiten ber eine Befreyung von allen öffentlichen 
Laſten ed. Ungeachtet es fich nicht von allen Zeiten. - 
fo firenge bemweifen läßt, als. die Immunitaͤt ber 
Druiden; fo fheint e8 mir doch nicht weniger ges 
wiß, daß bie Priefter der alts Europäifchen Voͤl⸗ 
Ber ähnliche Einkünfte, wie die Könige und Fürften 

Ä Ä ng 

z) Plin. 1. c. J 
ay Sueton. in Claudio c. 25. 


5) Die Stelle aus der 49. Rede des Tiion führen Koi 
ler Antiq, Sept. p. 84, und Dreyer iu feinen vers 
‚mifchten Abhandlungen, letzterer auch noch mehrere 
Zengniffe über das große Anfehen der Priefter unter _ 
den Burgundern, den Franken und den noch freyen 

Slaven an. II. 650, 631. . 
4) Caeſar 1, c. Druides a bello abelle conlwere- 
rant, negue tributs una cum reliquis pendunt: 
“ militise vocationem, ommpiumquererum habent . 
immunitatem. | 


\ 


2 u 


gehabt haben. So lange man ben Koͤnigen, ober 


Dergögen bloß freywillige Geſchenke bradyte, fo 

Janze erhielten bie Druiden auch dergleichen. Bad 
- dem aber ordentliche Abgaben, wie ſchon zu Cäfars 
Zelten unter den Galliern, eingeführt wurden; fo 
wied man ohne Zwenfel den Prieflern, mie ben 


Fürfien und Richtern, beftimmte Finfünfte an. 


Die Hobenpriefter in Galatien, oder Gallogräcten 


gehörten nicht bloß zu ben angefehehften, fonbern - 


auch zu den reichften in MWorber s Afıen d) Wie 
- sollten die Gallier in Aſien darauf gekommen feyn, 
ihre Hohenpriefter fo fehr zu erheben, und zu bes 
reichern, wenn nicht ihre Druiden urſpruͤnglich aͤhn⸗ 
liche Vortheile im Waterlande genoſſen hätten? 


Wenn man weiß, was bie Prieſter ber Eu⸗ 
rophifchen Voͤlker ſchon in ben aͤlteſten Zeiten vers 


mochten; fo wundert man ſich um befto weniger, 


daß ed ter Chriſtlichen Geiſtlichkeit, und befons 
ders den Bifhöfen in Rom gelang, eine fo-unges 
heure Macht, und folde ungeheure Reichthirmer 
zu erlangen, und beyde fo viele Rahrhunderte durch 


auf eine fo ungeheure Art zu mißbrauchen, als bes - 


ſonders Gregor der fiebente fie im eilften, Adrian 
der vierte im zwölften, Bonifaz der achte, und 
Johann der zwey und zwanzigſte im pierzehns 
"ten, ja felbft noch die Päbfte im erfien Viertel bes 


ſechszehnten Jahrhunderts mißbrauchten e). Die 


Fomaafungen: Gewaltthätigfeiten, ab Gr 
ung 


A) Sera An. zg. r 


© Ben ſolchen notorifchen Faetis hot man nicht nös 
thig, Zeugniſſe anzuführen, Jedes Compendium 
der Reichsgeſchichte bietet die Deweiöftellen dar, 


2 


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u En 


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Ann... 


— — 68 
ſungen der Paͤbſte, und Grigen Geiſtlich keit erreg⸗ 


ten ſchon im eifften und zwölften Jahrhundert nie. - 


bloß Laute und- drohende Klagen der Fürften und 
Völker, ſondern auch muthige Vertheidiger der 
Rechte yon beyden. Die Klagen der Färften und 
Völfer wurben Jahrhunderte Tang troßig, oder 
leichtſinnig verſchmaͤht: die. Widerſacher der Paͤbſte, 
and der Geiſtlichkeit mit Liſt oder Gewalt aus dem 
Wege geräumt, bis daß Licht der’ immer zuneh? 
menden Aufklärung bie Reformation herbepführte, 
nnd die ſchwerſten Feſſeln zerbrach, in welchen die 
Seiftlichfeit, und deren Häupter bie 'ebelften Nas. 
tionen der Erbe fo lange gefangen gehalten hätten. 
Was die Päbfte für die Katholifh » Ehrifklichen 
Voͤlker waren, dad waren bie Patriarden in 
Moscau, für die Ruſſen f), und dad würden bie 
Griedifhen und Armenifcheh Patriarchen für bie 
Griechiſche und Armenifhe Kirche fegn, wenn 
nicht bie Ießteren fo oft von dem Tuͤrkiſchen Ges 

twalthaber beraubt, und entfeßt würden 8). Es 


At allgemein bekannt, daß die Griechiſchen, und 


Armenifhen Patriarchen ihre Würden faufen, und 
daß Feiner auf den Thron des Hauptes feiner Kir: 
he kommt, der nicht feinen Vorgänger durch Raͤn⸗ 
Fe, und VBeltehungen verhrängt hat, Was ein, | 


jeder Patriarch feinem Vorgänger gethan hat, das 


zeſchieht Ihm in kurzer Zeit ſelbſt wieder, und es 
iſt gar nichts ſeltenes, daß in fuͤnf Jahren eben ſo 
viele Patriarchen geſtuͤrzt, und wieder erhoben 
werden. Dieſe offenbaren Beſtechungen, ‚und dieſe 


große Unſicherheit der Patriarchen ſchaden ibser 


Ge⸗ 
NM Wenige, | 
gs, Taurnefort J. 39. Span. I. 217, 219. i 


D 
. ' \ ‘ 1 
5 5 
% \ 
’ x ' 


Gewalt, und ihrem Anſehen, allein ſie ſcheinen 


zugleich ihre Raubſucht zu veigen. Die Patriar⸗ 


hen prefien die Bifhöfe, die Biſchoͤfe fo wohl die. _ 


Archimandriten, als bie Papas, und beyde prefs 
ſen wiederum bad Volt aus h). Die Biſchoͤfe laſ⸗ 


ſen die Papas, fo wie die Archimandriten ihre 


Moͤnche bis aufs Blut prügeln, wenn bie Einen, 
und die Anderen das nicht leiften, mas Yon ihnen 
berlangt wird. Die Priefter, und Mönche miß⸗ 
—* wieder die Layen auf gleiche Art, oder 
ſtellen fie gar an ben Pranger, wenn dieſe nicht 
geben, was man von ihnen fordert. Selbſt bie 


reichfien Griechen find den unverantwortlichften Era 
preffungen ber vornehmen Geiftlihen andgefeßt. 


Der Verfaffer der Beobachtungen über die Walla⸗ 
hey, und Moldau erzählt davon ein merfwürbiges 


Beyſpiel i). Ein angefehener Griehe von Jani⸗ 


na, der an gewiſſen Haͤndeln in der MWalladey und 
Moldau Theil. gehabt katte, wurde auf Befehl. des 

Kaiſers WMuftapba in den ſchrecklichen Kerker zu 
| Conftantinopel, il forno genannt , eingefperrt k). 

- So fürchterlich auch bie Befchwerben, und Quaa⸗ 
- Yen waren, melde der Gefangene hier ausſtand; 
fo waren doch alle feine Gedanken aufein Liebliugs⸗ 
pferd gerichtet, für welches er auf das zaͤrtlichſte, 


feldft von feinem Kerker aus, forgte. Nach ſei⸗ 


ner Befreyung war bie erfte rende, welde er 
ſich machte, biefe,. daß ex fein Pferd auffuchte, 
und auf de das Inbrünftigfie berzte. Bald nachher 


ſchickte 
9 Boſcorich p. 247. Taube, 88. 06. Oflervas 


sioni.intorno alla Valachia 239 et ſq. p. 
i Oflervasioni p. 340- 245, 
k) Ollervaz. I. c. 


— — 537 
ſchickte ein Biſchof aus Afien, ber in ſeinen Spren⸗ 
gel zuruͤckkehren wollte, zu dieſem Griechen, und 
ließ ſich das Lieblingspferb zum Geſcheuk ausbit⸗ 
ten. Der Grieche machte allerley Schwierigkeiten, 
bdas geliebte Thier auszuliefern. Als aber ber 


u Biſchof ſelbſt kam, und ihn mit feinem Fluche, 


ober dem Bann byohte, wenn er das Pferb nicht - 
bergäbe; fo ließ er es augenblicklich verabfolgen. 

Aller dieſer Erpreſſungen ungeachtet kuͤſſen die 
vornehmſten Griechen und Griechinnen ihren Bi⸗ 
ſchoͤfen die Hand, ja werfen ſich vor ihnen fo gar 
auf das Angeficht nieder ). Auf eben die Art, 
wie die Griechiſchen Geiſtlichen ben Layen begeg⸗ 
wen, behandeln. die Portugiefifchen und Spanifchen 
Geiſilichen die bekehrten Indianer in beyden In⸗ 
bin m). Die Prieſter wagen immer um deſto 
mehr, je ungebildeter, oder Traftlofer bie Voͤl⸗ 


Wem Priefter in uncultivirten defpotifchen 


- Reihen eben fo viele, ober noch mehr Macht. . 


mb: Unfehen erhalten follen, «ls fie unter den 
tapferen und freyheitliebenden Völkern bes aͤltern 
und wittlern Europa hatten; fo muß entweder das 
Prieſterthum erblid feyn, mie in Aegypten und 
Hindoſtan, oder bie Beherrſcher müflen die höchfte 
‚weltliche und geiftliche Macht vereinigen, wie bie 


erſten Nadyfolger von Mahomed, oder bie Pries 


- fer und Hohenpriefter müflen für Nachkommen von 
Gaoͤt⸗ 

ib) ib, j - nf N 

m) Außer den in ben Unteriuchungen über das Moͤnch⸗ 


thum angeführten Zeugniflen |, man noch Le Gentil 
AU. 67. ꝛ13. TTV | 


— 


Göttern, ober faͤr die Erben himmltſiher Geiſter ge⸗ 


halten werden, Zrtst Feiner von dieſen Faͤllenein, fo 
unterjocht bie unnmſchraͤakte Macht des Defpoten und 


| feiner Diener das Prieſterihnm und. bie Priefter ; und 


bie: Ießteren gelten,. und haben nur. fü virl, als 
bie. erfiexen gut fenten. Ungeachtet alfo die mar 
homebanifben Völker, und’ noch mehr bie heidni⸗ 
ſchen Nationen des ſuͤdlichen Afiens nicht einmahl 
fo gebilbes find, als die Ehriften des Mittelal⸗ 


ters; fo haben doch die Geiſtlichen unter den er⸗ 
ſteren bey weitem. nicht fo viel Anfehey und Reich⸗ 
‚ thümer, als fie unter ben leßteren batteir 5). 
. Der Mufti iſt unter ben Tuͤrken, und ter Eedre, 


ober Sebre unter den Perſern das Haupt der 
Retigion. Allein wie unentlih weit ſtehen beyde 
in Anſſhung der. Macht und der Einkuͤnfte hinter 
ten. Päbften des. Mittelalters zurück! : Die un⸗— 
umſchraͤnkten Beherrſcher der Mahomebautfhen 
Völker geben zu, bag der Koran bie einzige Quelle 
und Richtſchnur wicht nur des wahren &tanbeng, 


fonden auch des Rechts ſey. Die Mahomedani⸗ 


u) Warum, wird man fragen, ſchraͤnkte der Morgen⸗ 


laͤndiſche Deſpotismus die Prieſter in älteren Zeiten 
nicht ehen fo , wie in fpäteren, ein? = Weil, aut⸗ 
worte ich, die unumfchränften Könige-ded Morgens 
landes in alten Zeiten milder regierten, als in den 


neueren, Wie biihend war Aſien unter. den Lydi⸗ 
ſchen, Mdiſchon und. Perfiichen Königen !- Wie vers 


vdet ift es jest ſchon ſeit Jahrhunderten! = Das 
actum iſt unlaugbar, Nach den Gruͤnden dieſer 
Thatſache ſuche ich ſchon lange. — Noch Eim Um⸗ 
ſtand iſt nicht aus der Acht zu laſſen. Die alten 
Magier, und Ehaidier waren vorzuͤglich als Stern⸗ 
: beuige Misbtige. See iß die Gterndehteren bon 


| Prieſterthum abgeſondert. * 


— — — . 


— — ——0 


fen Geiſtlichen, welchen die frommen Mahtmeba⸗ 


ner beyſtimmen, zielen. hieraus die Foige, def 
albe Gerichtabarkeit, ja die gauze weltlicheMact 
ejgentlich ber Geiſtlichkeit und Dem Haupte derfel⸗ 
ben zukommen. Allein die Beherrſcher und ihre 
Dienrdr laͤugnen diefe Folgerung, und auch die 
Maqhomedaniſchen Voͤlker glauben mit ihren Bes 
herrſchern, daß bie Könige Stellvertreter Gottes 
und der Propheten ſehen: daß Die Geiſtlichkeit ſich 


mit woldlichen Angelegenheiten nicht Befaffen bhrfer | 


daß vie geiſtliche Gerichtsbarkeit dem koͤniglichen 
Anfehen,; felbft in Relizionsſachen untergeordnet 
ſeyn mouͤſſe 0), Es find. alfe auch bloß todte 


Worte, wenn ed unter den Türken heißt, - bei. 
bie: Perſon des Mufti unverletzlich ſey, und daß 


ſelbſt der Sultan es nicht wage, ſich den Aus⸗ 
ſpruͤchen deſſelben zu widerſetzen: daß der Sultan 


den Mufti in allen wichtigen Angelegenhelten, bey: 
| RT DE 


Du GP Zr 
. 
B . 


| 0) Chardin It, 997. 208. Les Gens #Eglife, et 
les Devots de la Perle, tiennent que la Domina- 
tion: des Laiques elt un Etabliffemetit violent et 


uſurgé. et que le.gotvertiement civil appargient: - 


.,  de.droit au Sedre, et al’Eglile, La principalo 
. raifon, dont ils appuyent cette creance, ef, que. 
Mahomed etoit Prophete., et Roi enfemble, et 


queæ Dieu lavoit eonßitue fur le Spirituel, er‘ 
‚fee ie Temporel,: Mais l’opinion la plas göne- 


- 


‚. zalömmsnt regue ell,.gye:}a Royaut® tolle, qu’elle. 


eiti dans la main des aiques, tire fon inſtitution. 


et ſon autorjt@ de Dieu: que le Kot tient la 

' place de Dieu, et des Prophetes, en la condvi- 

- te des Peuples; et quant an Sedre, et à tous 

les gens de Lol, qu'ils ne fe dumme Bofat 

rn meter du ——— er u . que leur 

‚ , Jurisdiction eſt a ep lautoritäroyales männe 
. ‚dans les chofes de la —* Harayalaı wi 


= 


der Wefihliegung von Krieg und Frieden, ber Er⸗ 
nennung ober Befirafung der vornehmſten Staats: 
beamten um Rath frage, ober gar fragen müffe p). 

Einige fromme Sultane thaten dieſes allerdings ;. 
allein fchon .Ricaur bemerkte, daß bie Sultans 
nund DVezite fih feit langer Zeit, wenig mehr um 
die Muftis bekuͤmmert hätten: daß, wenn man 
fie frage, biefes meiftens nur zum Schein gefchehe, 
und wenn bie Muftis fich nicht nach dem Willen 
tes Hofes bequemien, man Mittel in Händen has 
‚be, fie nachgiebig zu machen. Man feßt nämlich 
‚den tiderfpenftigen Diufti ab, und wenn etwa ber 
Drachfolger in die Fußſtapfen feines Vorgängers 
träte, fo wechfelt man mit ben Mufti's fo Lange, 
bis man Einen findet, ber das: billigt, was ges 
than werben fol. Mufti's, die fih bem Hofe 
verdaͤchtig machen, werben nicht bloß abgefeßt, 
ſoudern umgebraht; und bad einzige, wodurch 
mon fie Yon anderen wirklichen, ober angeblichen 
Staats : Berbredhern unterfcheidet, beftebet darin, 
daß fie nicht gekoͤpft, ober erdroſſelt, fondern in 
einem großen fleinernen Mörfer zerfioßen werben. 
Die Mufti's werben, wie andere Bebiente, :ganz 
allen vom Sultan ernannt und beſoldet. Auch 
haben: fie faft gar Feine Gewalt über bie geiftlis 
Ken Gütex, die an Moskeen vergabt worden find; 
und nicht einmahl Gerichtsbarkeit über die niedrige 
Geiſtlichkeit, indem dieſe fo mohl in bürgerlichen, 
als peinlichen Segen unter ber bürgerlichen Obrig⸗ 


keit rent M. . ng 
| Zu u Der 


»): Rieant H. 4 et 5. 196 et fg. p . 
99 l. ce. p. ↄ201. Le Moufti n’a Aucdne jurisdicion 
fur les Emaume (Preßree de Paroiffe Jen n ce, qui 





I. 


’ ' ‘ 
— — 661t 
2 
N 


Der GSeder in Perfien 7) If nicht bloß ber 
oberſte Richter in allen geiftligen Sachen, faus 
dern bat auch bie Dberanffiht Aber die geiſtlichen 


Güter und Stiftungen. Die lebteren trugen zu 
Chardins "Zeiten gegen‘ 36 Millionen, die koͤnig⸗ 


‚lichen Stiftungen allein, wenigftens achtzehn Mil⸗ 


.  Tionen Franken ein; und es gab einzelne Mods 
Teen, die 400000 Franken und darüber Einkünfte 


hatten. ‚Die Sedres fchalteten vormahls mit tem 
Ertrage heiliger. Stiftungen nad) Gutbünfen. Die 
baher entfichenden Mißbraͤuche veranlaßten Abas 


deſn zweyten, auffer dem Gedre, ber das gemeine 


geifilide Gut verwaltete, noch einen Andern für 
die Vergabungen der Könige zu ernennen, und beys 
den Verwaltungs s Cammern an bie Seite zu feßen, 
die für die Verwendung des geiftlichen Guts for: 


gen, und Rechenſchaft davon geben muflen. Cin 


. jeder ber beyden Sedres hatte ohngefähr 70000 


Thl Einkünfte. Sonft waren bie Beyfpiele felten, . 


daß Geiſtliche uͤber zehntaufend Franken. einzunchs 


men hatten. Die Penfionen der Geiftlihen wars - 


den theild auf unbeſtimmte Zeiten , theils auf Zeit⸗ 


lebend angewieſen. Auch die Yeßteren muften alle 


fünf Fahre erneuert werben. Wenn ein gerechter 
Grund von Unzufriedenheit da war; ' fo hielt man 
| Zn | die 


regarde le Gonvernement, car il.n’ya pas de ſa- 


periorité ‘al de hièêrarchie parmi eux. Cha- 
cun eft indépendant dans la Paroiſſe, et ne 
peut eftre controlle de perlonne, ils [ont leu- 


lement fonmis au Magiltrat, pour les choles 


civiles, et Criminelles, 
r) II. 399-401 ps .. 
Nr J J 


[375 —————— —— SEEN 


L 


56 1 et U) — ‘ 


die neue Beſtaͤtigung zuruͤck, und denn war Die 
Denfion verlohren. Selbſt die Gerichtsbarkeit der 


beyden Gebred warb, wie bie des Easy, der fie 


eigentlich allein üben follte, durch den vom Hofe 


geſetzten Alten des Geſetzes, ober Eheic: el⸗Jslam 


fehr befchränft, indem. biefer bey einer gleichen. 
Jurisdiction der Unterftäßung der Könige und ih⸗ 
rer Veziere genof. Auch tn Perfien elfo war 
die Geiſtlichkeit ſowohl in Anfehung ihrer Penfios 
nen, als in Anfehung ihrer Güter von der hoͤch⸗ 
ſten weltlichen Macht fehr abhängig. Ebardin 


hielt es für einen nnausfprechlichen Bortheil, den 


die Perfer vor den Chriften voraus hätten, bag 
fie nit wegen ihrer Religion beunruhigt würden. - 


Die Geiſtlichen, feßte er hinzu, find weder fehr 
zahlreich, noch fehr beguͤtert. Auch haben fie nicht. 


Verſchlagenheit und Auſehen genug, um die Uns 
terthanen wegen ihrer Religion zu quälen s). 


In Vega und Siam, ia Tunfin, Laos, uud 


China gab es von jeher einzelne Koͤnige und Vor⸗ 


nehme, welche nicht bloß bie Tempel, ſondern auch 
die Diener und Geweihten der Götter reichlich ber 


ſchenkten, und ihnen wichtige, bisweilen fo gar 


knechtiſche Dienfte leiſteten t). Auch fanden fi 
finmer einzelne Pagoden, bie mit Laͤndereyen bes 
‚gütert waren, ohne von ihren Befißungen bie ges 
ringften Abgaben gu entrichten. Allein im Durch⸗ 
fhnitt befag und beſitzt die Geiſtlichkeit in den vor⸗ 
ber genannten heidnifchen Reichen des färlichen 

en Afıens 


s) III. 369. \ 


t) Barbinais II. 250. Tavernier H.ıgı. Laubere 
1.346 et fg p. Mariny 167, 406, 416, 427, 430. 





Altens ur viel er Anſehen und Einbänfte, 


als bie Priefler der Mahomedaniſchen Völker, 


Die Geiſtlichen ziehen allenthalben ihren vornehm⸗ 


ſten Unterhalt aus Almofen, welche fie taͤglich 


ſammeln, und bie im. Ganzen ſehr ſpaͤrlich ges 
reicht werben. Wenn Talapoinen, ober zes 
fi) arober Vergehungen ſchuldig machen; fo wer⸗ 
ben fie, glei den übrigen Untertbanen beftraft: 
Meine Leſer erinnern fi noch aus dem Abfchnitt 
- Aber bie Tempel der Goͤtter, ba die Chinefifchen 
"Mandarinen häufig in Pagoden einkehren, und 
wenn fie nit Plaß genug haben, bie Bonzen 
ohne alle Umftände audtreiben, fo Lange fie es 
gut finden, bie Gaſtfreunde ber Bötter zu ſeyn. 
Die Römer hatten nicht allein Leine richtis 


gere, ſondern in vielen Stacken falſchere und une 


wuͤrdigere Vorſtellungen von den Goͤttern und dem 


Dienſte der Götter, als. die Germanier, Gallier 
und andere urſpruͤngliche Bewehner bed alten u⸗ 
zopa. Nichts deſto weniger waren die Römer. 


unter allen Alt» Europäifhen Voͤlkern das rinzige, 


unter welchen bie Religion ſtets ein maͤchtiges Werk: 


zeug In den Händen ber Wäter, oder der Weller - 
ſten des Volks blieb, und bie Diener fo mohl, ./ 
als die Vertrauten ber Götter, weit entfernt fih 


von ben Vätern bed Volks anabhängig zu machen, 
ober ſich über diefelben zu erheben, ihren Abſich⸗ 


ten, Winken und Befehlen ohne Unterlaß, und - 


ohne bie geringfte Wiberfeglicjkeit folgten: eine 
Erſcheinung, welche ich viel weniger zu erklären 
tm Stande-bin, al das neringe Ynfchen der Pries 
fer in den deſpotiſchen Reichen Aſiens u)! Die 


» Dionyl. Haie, 1, 81. u, Cieer. de Log. N, 


# 8-14€ 
Rn 2 


64 — — 
Römer unterfchieren die Diener ber Goͤtter von 
den Dertrauten terfeiten, son ben Wahrſagern 
und Weiffagern; und mean fie auch einige der letz⸗ 
teren bisweilen mit, dem Zitel von Prieftern. bes 
legten, fo verftanden ‘fie Doch unter Prieftern ge⸗ 
woͤhnlich diejenigen: öffentlich angeftellten Perfonen, 
welche außer den Tempeln, und Statüen, ben Als 
"tären und dem heiligen Geräth der Götter bie 
Dpfer, Reinigungen und andere gottesdienftlidhe 
Handlungen beforgten x). Die vornemften Fami⸗ 
ten in Rom hutten von ben .ältefien Zeiten her 
eine jede ihren befondern Goͤtterdienſt: das heißt, - 
fie nahmen nicht bloß.an allen religisfen Hands 
lungen Iheil, die im Nahmen des ganzen Wolke 
verrichtet wurben, ſondern fie brachten gewiſſen 
Goͤttern ihre eigenthümlichen Dpfer,. feierten ‘ges - 
wiffen Göttern zu Ehren eigenthümlicdhe Feſte u. 
ſ. w. Man erlaubte biefen Familien Götter: - | 
dienft, aber nur unter ber Bedingung, baß bes 
ſtaͤndig oͤffentliche Priefter zugezogen mwärten, da⸗ 
mit man wiſſe, ob. bie befonderen Götterbienfte 
mit dem Öffentlichen Götterbienfte uͤbereinſtimmend 
feyen, ober mit demfelben zu firciten anfingen y). 

= nn Der 





a4) Cie. I. B. de Leg: Quoque haec privatim et 
publice modo rituque fiant, diſcunto ignaria · 
publicis facerdotibus, . Eorum autem duo ge- 
nera funto: .unam quod praelit caerimoniis et 
facris: alterum, quod interpretetur fatidicörum, 
: et vatum eflata incognita, cum, fenatus popu- 
‚.. Jusque adfeiverit. Man vergl. c. 19. 
.y) Cie. 1.c..c, 12. Quod feguitur yera, non ſo- 
lum ad religionem pertinet, fed etiam ad ci- 
vitatis latum, ut fine iie, qui [acris ‚publice 
 praklamt; ‚seDgiomi privätae fatisfkcere non pol- 


nu. 


Ang. 


J 
X & 





Im 


BF 


u. — Er [nr 565 


er Wanze. Sffentliche und Privat : Götters 


| sienft him? alle Priefter und Prieſterinnen, alle 


Tempel, Altäre und andere: heilige Pläße ſtan⸗ 


den zunächft unter ‚bee: Aufficht des collegii pon- :- 


tificum, in welchem der Pontifex Maximus- ben 


Vorſitz führte,‘ und. dad groͤſte Gewicht hatte. 
‚Das Coll» gium Pontificum beſtimmte, welche 


Goͤtter und Göttinnen‘, auf welche Art, und zu 
welchen Zeiten: bie Einen und: die Anderen vers 
ebri werden follten. Eben diefed Collegium 
mußte dahin fehen, daß der vaͤterliche Goͤtterdienſt 
aufrecht erhalten, und keine bedenkliche, oder ge⸗ 


faͤhrliche Neuerungen eingeführt würden: muſte die 
Nachlaͤfſigen warnen, und bie Werleßer der vis 
terlichen Religion firafen. Das Collegiam Pon- 
tifirum wandte” ſich in fehr "wichtigen Faͤllen 


an den: Senats und der Senat fragte in zweyfel⸗ 


haften Fällen das Collegium Pontificum. Nicht 


felten aber zog der Senat ſolche Religions Sachen, 


‚welche bie oͤffentliche Ruhe und Sicherheit bes 


drohten, unnitttelbar an fi: z. B die Unterſuchung 
gegen die geheimen Backchanalien, welche man durch 


| ZB 


— 


ganz Italien mit: Feuer und Schwerdt ausrottete. 


Die Befragung und Auslegung des Willens der 
Götter waren in Mom ben Augquren, den Zehn⸗ 
männer ber Sibnllinifh:n Bücher, und den Ha⸗ 


ruspicibus aufgetragen Auch di-fe Ausleger und 


Auslegungen des Willens der Götter waren ‚wie 


tote in einem der folgenten Abſchnitte fehen werd 
den, mit einer fo bewundernswuͤrdigen Weisheit 


organiſirt, baß man glauben ſollte, die Vorſten 


..8 


J Gut. Continet enim, reipnblicse conſtſio, es 


3 auctoritate optimatium, lemper popalum in⸗ 


digere. 


- 


slicbern des Standes mit, Nach ter Erfindung 


- 


PT —— 


des Volks feyen von Anbeginn an von allem Volks⸗ 


Aberglauben frey geweſen, und hätten biefen fo ges 
leitet und benußt, baf er fietö, aber unvermerkt, 


‚igre Abſichten befördern muſte. 


Uster allen Voͤlkern, unter welchen bie Prie⸗ 


ſter nicht fuͤr das Nothwendige zu ſorgen brauch⸗ 


ten, ober gar im Ueberfluſſe lebten, hatten fie am 


wieiften Muffe, und aud die ſtaͤrkſte Veranlaſſung, 
einzelne Theile der Natur genauer zu erforfchen, 


als die übrigen Volksclaſſen. Das Beftreben, 


die Zeiten ber jährlich wiederkehrenden Feſte zu 
beſtimmen, nötbigte bie Priefier auf eine gewifle 
Art, die Erfheinung:n und Bewegungen der himm⸗ 


liſchen Eörper zu. beobachten. Die Menfhen wand⸗ 
“ten ſich ‚von jeher ‚in Feiner aubern Angelegenheit 
hbaͤufiger an bie Götter, und an bie Dieney ober 


Vertrauten ter Götter, ald um von Rranfheiten 


geheilt zu werden, ober ihre verlohrne Geſund⸗ 


beit wieber zu erhalten, Die Vertrauten und 
Diener der Goͤtter gaben zwar anfangs vor, Krank⸗ 


beiten durch Zauberey und Beſchwoͤrungen heilen 


zu Eöunen; allein beyde fingen doch gar bald an, 
außer, ben übernatürlichen: Miitteln auch natürliche 


aufzufuchen: : und Zauberer ſowohl, als Priefter 


waren bahes allenthalben bie erſten Aerzte. - Die 


Sagen über die Yeburt, Thaten und Schickſale 


ber Götter Ieketen die Gluͤcklichergebohrnen all 


maͤhlich auf Unterfuchungen über den Urfprung und 
die Ratar ber Dinge, Alle diefe Kenntniffe vers 
miehrten das Anfehen und hie Unentbehrlichkeit 


dey Prieſter; und eben deßwegen theilte man dies 
ſelben nur den geprüften und eingeweihten Mit⸗ 


‚der 


- Tg rn “ 
. 


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oder ben Pontificibus und auguribus in Rom a), . 


4 


. der Säreibkunft faßte man bie Kenntniffe, wel⸗ 
che man vorher durch mändlichen Unterricht fort 


gepflanzt hatte, in geheimen Schriften zuſammen 
und folche geheime Schriften fanden ſich baher 
nit bloß unter den Prieſtern des alten Drientt, 


fondern finden fich aud) jeßt noch unter den Gas 
bern und Drufen im weltlichen, und unter ben 


Prieſtern aller heibniſchen Völker im ſuͤdlichen und 
oͤſtlichen Aſien a), Go bald bie Priefter fehreis 


ben Fonnten; ſo zeichneten fie außer den wichtig⸗ 
fien ‘Begebenheiten ihres Standeſs alle vngewoͤhn⸗ 
liche Erfheinungen ber Natur auf, und an .bonbe 


ſchloffen ſich ganz natürlich bie vornehmiten Tha⸗ 
ten und Eräugniffe ber Nationen und ihrer Ber 


'herrfcher au. Die beffer unterrichteten Prieſter 


bemerkten balb, daß fie ihr Anfehen, ihre im | 


Fünfte und ihren Einfluß um vieles erweitern wür: 
ben, wenn fie folde Kenntniſſe und Fertigkeiten, 


bie nicht zu ben Geheimniſſen des Ordens gehoͤr⸗ 


ten, der Jugend überhaupt, ober doch ben Kins 
dern der Fürften und Großen mittheilten, Auch 
machte der Unterricht ber Jugend unter ben vor⸗ 
nehmften Völkern des Alterthums, und macht 


noch jeßt ſowohl unter ben großen beitnifchen Voͤl⸗ 


Bern in Afıen, als‘ unter ben Mahomedanern eine 
Haupt: Befchäftigung ber Priefter aus. _ Allein 


von dem Unterrichte ber Jugend bis zum öffene: 


lichen Unterricht des Bolt s iſt eine Kluſt welche 
die 


j 2 Cicer, de Div. 11.18. Briff, de formulis I.c. 210 _ 


: a) Norberg. in Comsens, 5 $oient, Gotting. 


ociet. 
de a. 1732. Adler Muſ. lat, 136 - 149. Deine | 


vermiſchten Schriſten UL 212 u f. e. 


- 
U MERRLNLTSEERE DT 


Den 
- s 
13 


6 rue | 
die Prieſter ſelbſt unter: den wmelften großen Ras 
| onen der älteren und neueren Zeit nicht über: 

- ſſcheitten. Im Alterthum waren ‚die Zuben das 
I, ‚einzige Volk, unter welchen vie Priofter das Ges 
fl in rr\feß Moſis alle fieben Jahre öffentlich vorlefen, 

u —2* und da die Sprache der Moſaiſchen Schriften ver⸗ 
RE altet war, auslegen muften 5). : Die Chriſtliche 
ATI! Bann ift nicht nur die erfte, ſondern auch bie 
Wh, elizine- Religion, die ihren Dienern den Unterricht 
59, des Volkes ‚zur vornehinſten Pflicgt macht, und 
Pdie auf eine gewiffe Art viel cher Volkslehrer, 
ald Priefter hatte. Die Mahomedanifchen Pries 
I .  fler lefen den Layen ben Koran vor, und legen 
ihn raus. Allein einen folden regelmäßigen und - 
nuͤtzlichen Volks: Unterricht, dergleidhen unter ben | 
Chriſten ertheilt wird, kennen fie nicht c).. Die | 
Prieſter in Ren heidniſchen Meichen bes fuͤdlichen Ä 
Afiend reten häufig zum . Wolfe, ober wie die 
Reiſenden fih ausdruͤcken, predigen oft q). Die 
fo genannten Predigten der Bonzen und Zalapoinen 
in Siam, Tunkin, Laos u. f. w. beſtehen aber faft 
ganz allein in Ermahnungen zur Mildthaͤtigkeit 
gegen bie Diener der Götter, ober in Erzähluns 
gen der Thaten und Begebenheiten der Götter, bes 
ven Feſte gefeiert, und deren Tempel beſucht 







Dols. 


2) mich. Mif, Recht 1. 29% 
0) Chardin II, 995. | 


‘ 8) Loubere I, 347; Hamilton I], 55. Mariay 431. _ 
453 D j 


I — — 569 
Volney laͤßt in einem Buche, das zwar viele 
Kyvothefen. aber zugleich eine Menge von ſcharf⸗ 
-finnigen Bemerkungen, und. manche Stellen. von - 
der erhabenften, und hinreißendſten Beredfamkeit 
enthält, die Priefter aller Religionen gegen einans 
der fireiten, und ſich gegenfeitig anlagen e). Zu⸗ 
legt, heißt es, fingen bie Lehrer der verſchiedenen 
Religionen an, alle Vergehungen, und Gebrechen 
thred Standes zu offenbaren; und ed fand fich, daß . 
‚der Geift der Priefter, ihr Betragen, ihre Hands 
Tungen, und Sitten unter allen’ Poͤlkern dieſelbigen 
waren: 


daß ſie allenthalben heimliche, mit ber Wobl⸗ 


fahrt der übrigen Geſellſchaft fireitende Verbrübes 
zungen geftiftet; 


auch allenthalben Befreyungen, und Vorrechte 
an ſich geriffen hatten, moburd fie den Laften "ber 
übrigen Volks⸗Claſſen entnommen wurden; | 


daß ſie nirgend weder bie Arbeiten bes Lands 
manns, noch bie Gefahren bes Kriegerö, oder bie 
Unfälle des Kaufmanns theilten ; 


daß fie allenthalben unter dem Deckmantel 
der Armuth das Geheimniß fanden, ſich zu berei⸗ 
chern, und jede Art von Genuͤſſen zu verſchaffen; 


u daß fie unter dem Nahmen von Allmofen 
ſtaͤrkere Abgaben hoben, als bie Fuͤrſten; 


da fie unter dem Vorwande von Gaben und 

Vergabungen ſichere Einkünfte erwarben, ‚von wel⸗ 
chen ſie vr entrichtete; | 
| " 77 


e) Les Ruines p. 308 ct fg. 


4 


ae — — 


bdaß ſie unter dem Sqheine von heftiger Samm⸗ 
lung, und von Froͤmmigkeit im Muͤſſeggange, und 
in den Saflern des Müffigganges lebten; 


baß fie aus der Mildthaͤtigkeit ei Tugenb 


machten, um sußlg © don der Arbeit Anderer leben | 


au koͤnnen; 


daß fie bie gattedbienftlichen Gebraͤuche ers 
fanden, um bie Ehrfurcht der Voͤlker auf fid zu 
ziehen: daß fie die Ausleger, und Mittler der . 
Götter fpielten, um fich die Gewalt berfelben zu: 
zueignen: baß fie nad) Maafgabe der Unwiffenheit, 
ber Eultir von Nationen bald Sterns und Zei⸗ 
chendeuter, Zauberer und Beſchwoͤrer, bald Aerzte, , 
Beichtvaͤter und Höflinge wurden, immer in der 
Abſicht, um bie ef zu ibrem eigenen Vor⸗ 

‚ theile zu regieren; 


daß fie bald bie Gewalt ber Könige, und die 
Heiligkeit ihrer Perfonen erhoben, um an ihrer 
Made und Guaden ⸗ Bezengungen Theil in neh⸗ 
men; 

bald hingegen den Tyraunen⸗Mord predig⸗ 
ten, um ſich wegen der Verachtung und des Unge⸗ 
horſams ſolcher Fuͤrſten zu raͤchen, welche ſie mit 
dem Nahmen von Tyrannen brandmarkten; — 


daß fie von jeher alles bas Gottloſigkeit nanu⸗ 


. - 


p) -_.___ u. 


. ten , was ihrem Intereſſe ſchadete; daß fie fich.der 


Berbeſſerung des öffentlichen Unterrichts widerſeh⸗ 


ten, um bad Monopol der menſchlichen Keyntuiffe 


2, behalten ; daß fie zu allen Zeiten und an u u 
. r⸗ 


— — BE Er m 
Drten da Seheimuig: entbeckten, mitten uuter ber 


 Anarihie, welche fie berben geführt, in Fticden 


— — — — — — —— - 
a 


unrr. dem Dedpotismus, welchen fie: begünfligk, 
in Sicherheit, unter der Arbeit, weiche fie Aude⸗ 
ren prebigten, in ſtiller Muffe, unb is der allge 
meinen Roth, im Ueberfluffe zu leben; und alles 
dieſes vermittelt. des fonderbaren Handels mit 
Worten und Geberben, melde fie Teichtgläubigen ' 
Menſchen als Waaren von dem groſten Werthe 


berfauften”, 


AIndem die Voͤlker heſes hoͤrten, wollten ſie 
die Betruͤger, welche ſie hintergangen hatten, in 
Stuͤcken reißen. Allein die Gefrßgeber hieltes 
ben Ausbruch von Heftigkeit zurück, und fragten 
die Priefter: habt ihr denn wirklich auf bie anges 
zeigten Arten die Voͤlker betrogen ? 


“und die gebemüthigten Prieſter antworteten: 


Geſetzgeber! wir ſind Menſchen; und die Voͤlker 


find fo aberglaäubig. Dieſe haben uns ſelbſt zu un⸗ 
ſeren Verirrungen gereißt”; 


Hierauf wandten fih bie Geſetzaeber zu ben 


Voͤlkern, und fagten: erinnert euch, Voͤlker, hefs 


fen, was ihr fo eben gehört habt! Ihr felbft ver: 
anlaffet die Uebel, worüber ihr euch beklagt; und 
ihr wollet die Fehler enrer eigenen Unniffenheit an 


Anderen ftrafen” ?- 


Mnd bie beſchtinten Volker beobachteten ein 
sep Stillſchweigen“. 


Die 


572 — 


‚ Ste Biöherigen uuterſuchungen kein i lei⸗ 

! tm Ganzen die Vorwuͤrfe, die den Prieſtern 
* ber abgefchriebenen Stelle gemacht werben, body 
weifen fie zugleich auf die Ausnahmen: hin, welche 
man von Volney's gar zu allgemeinen Arriagen 
machen muß. 


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Anhang 
zum awölften Bud, 


in welchem Eröeterungen der Zauberey ganz tober Voͤl⸗ 
ker, und eine Vergleichung derſelben mir der Magie 


halb » eultigierer Nationen enthalten find. 





+ . 


’ 


3 


Ich füge dieſen Anhang aus einem boppelten 


Grunde hinzu: erſtlich, um einige Puncte der 


Zauberey roher Völker mehr zu erörtern, als ih 
in den vorhergehenden Betrachtungen über Zaube» 


rer und. Beſchwoͤrer konnte: zweytens, um die 
Bauberey roher Völker mit der Diagie, und Theur⸗ 


gie halbe⸗ gebildeter Nationen zu vergleichen, 
das heißt, folder Nationen, bie nicht nur einen 


Anfang, fondern auch ſchon gewiſſe Fortfchritte in 


Kuͤnſten und Wiſſenſchaften gemacht haben, ohne je⸗ 
doch bis zu einer richtigen Kenntniß der Natur, und 
des Menſchen gelangt zufeyn; oder die auch von einer 


höhern Cultur zu einer geringern herabſinken, ober 
herabgefunten find. In die erfte Claſſe halbgebil⸗ 
deter Völker gehörten bie Nationen bes alten 


Orients: in. die andere, bie Griechen und Römer’. 


in dem zweyten, dritten, und vierten Sahrhundert _ 


nad Chriſti Geburt, auch die. heutigen Morgens 
laͤndiſchen Voͤlker. Die Chrifilihen Nationen des 
Mittelalters Finnen in gewiſſen Zeiten als finfen: 


de, 


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37 —— 


be, in andern Zeiten, -ald wieder emporſteigende 


halb⸗ calsivirte. Völker betrachtet werben. 


Alle rohe Voͤlkerſchaften fahen glädtiche, und 
ungluͤckliche WBorfälle fo fehr, als unmittelbare 
Wirkungen entweder von guten, und böfen Göttern, 
ober von Vertrauten der Einen, und der Anderen 
an, daß fie fo gar Wunden und Tod, bie in Ges 


fechten von feindlichen Waffen zugefügt worden, 
fir bloße Effecte von Zauberey hielten F). Alle 


. 


rohe Voͤlker erkannten gute und böfe Zauberey - 


und Zauberer, wie gute und böfe Götter. Alle 
glaubten, daß Zauberer Götter hervorrufen, mit 


guten Göttern erfüllt, von böfen befeflen werben 
koͤnnten: daß bie Vertrauten guter Goͤtter durch 


De Hätfe derfelben Krankheiten und Lob abwenden, 
böfe Goͤtter vertreiben, oder bänzigen, flichende, 


ober entflohene Seelen zuruͤckbringen, fi in ferne ' 
‚ Gegenden verfeßen, und verborgene Dinge entdecken: 


daß hingegen die Bertranten boͤſer Geeter Krank: 
heiten durch Zauberwerbe erregen, oder gar Kranke 
j ' Be 17) 


M) So denten die Neger, Gldendorp I. 299 Z01, 


Dobriebofer de Abiponibus 11. 240. 21 Val- 
nus, fagt der Letztere, haſta inflitum auamris. 
tanto [aepe pateat hiatn, ut et fugjenti animae 
exitum, et mortiingreflurae aditum ampliflimum 
praebeat undique, quod fi tamen faneiarus e- 
meristur, non ferro, fed praefiiglis, ierhalibus 
extinctus ab infaniente plebecula patstur. — 
Brachinm halla transverberatum, ſolequo ar- 
dente horrendum in modum intumelcens‘, cum 
- al medicae opis, in campe feilicet ad nanum 
- eflet, cor ipfum petit, ac. bidei [patio opprimit 
jeafelieem. Haßam- vulneris, vulnus necis cau- 


‚ fam exfitille quis noftrum negabit ? Negarume. 


id Abipones, ac contuwbernalem funm magicis 
artibus extinctum palam voeciferabantur, 


/ 


an U ee Se — 
’ 
/ 


— 


man das Wort Aberglaube fo exklaͤrt, 


x ; 
y 


. töbten, auch fich in allerley Seftalten verwandeln “ 


Könnten, Vorſtellungen alſo Yon guten und böfen - 
Zauberern, und Zaubereyen, Hervorrufung von 
guten und böfen Göttern, Heilung und Erregung 


von Krankheiten, Abwendung und Zuziehung bed 


Todes, Entdeckung verborgener Dinge, Verfegung 


An ferne Gegenden, Verwandlung in allerley Ge 


falten, Zurüdfährung von Seelen, Erfüllung 


ober. Befigungen ber Menſchen mit, oder von gu⸗ 
ten und böfen Göttern, ja ſelbſt förmlihe Bünde 


niffe mit denfelben machten den urfprünglicdyen und 
Allgemeinen Aberglauben roher Völker aus, wenn 









gefunde Vernunft, oder ber richtige Verftand, nicht 


diefe * jene Vation in Beziehung auf 
V ans, Die gelunder 
Erna t nennt Aber Lauben alle_irrige Begriffe, 
| perinöge deren 
überailelide Urfaben, und. Wirkungen finden 
w 


o. Feine vorhanden find, Die Wörter, Zaubern 
WIE Zauberey, begreifen alle, fo wohl heilfame 


als ſchaͤdliche Wirkungen unter ſich, die durch ver- 


wmeintlich übernatürlihe Urſachen hervorgebracht 


werden. Bezaubern hingegen, ober Bezauberuns 
gen drüden bie Wirkungen, fo wie Zauberwerke, 
bie Mittel, beſonders die cörperlichen Mittel ſchaͤd⸗ 


licher Zauberey and. Dem Bezaubern ſteht das 


Entzaubern, oder. das Megraͤumen ſchaͤdlicher Zau⸗ 
berey, und Zauberwerke entgegen. Unter Bes 


ſchwoͤrungen verſtand man alleuthalben Zauberey 


durch Gebete, Lieder, oder einzelne Worte. Bis⸗ 


weilen nahm man dieß Wort in einer engen Bar 


deutung, und deutete dadurch ſchaͤdliche Zauberehan/ 
die durch Gebete, Lieder, oder Worte geuͤbt werde. 


= 


Ich machte ſchon Tange die Bemerkung, daß 


die Germanifhen Voͤlker, welche das Roͤmiſche 
Reich über ben Haufen warfen, mande Arten ded 


Aberglaubend nicht Fannten, denen die zwar tief ges 


ſunkenen, aber immer nod gebildeteren Ortechen 
"and Römer anbingen: daß ſich alfe auch unter ver 


Herifchaft bee Germanifihen Völker manche Arten 
des Aberglaubens Jahrhunderte lang faſt ganz ver: 
Iohren, und fich nicht eher wieder offenbarten, al6 


‚Bis die Chriſten des Mittelalters mit den 


Schriften, und Lehrern der Araber, und Juden 
befannt geworden waren g). Allein erft bey dem 
zuleßt mwieberhohlten Nachdenken über die Zaubes 
rey und Magie aller Zeiten entdeckte ih, daß der 
Aberglaube halb gebildeter Nationen Yon dem 
Aberglauben ganz roher Wölkerfchaften fi in vie: 


len Stuͤcken charakteriſtiſch unterfeheide, und daß, 


wenn man auch nicht fagen koͤnne, daß dieſe weni⸗ 


ger aberglaͤubig ſeyen, als jene, man wenigſtens 


behaupten muͤſſe, daß der Aberglaube halbgebilde⸗ 
ter Nationen ohne Vergleichung zuſammengeſetzter 
ſey, als der von rohen. Halb⸗ cultivirte Nationen 
nahmen außer dem allgemeinen, und urſpruͤngli⸗ 
hen Aberglauben noch viele. Wunder⸗-Kraͤfte, und 
MWunders Wirkungen an, von melden rohe Voͤl⸗ 
fer nichts mußten. Auch erweiterten ſie faſt eine 


jede Art von Wahn, welche fie mit rohen Völkern 


gemein hatten. 


Ein bis jeßt nicht berůhrter Zweig b des. Abers 


| glaubens der ſich eben ſo wohl unter ganz rohen, 


als 


) Maͤn IR meine hiſtoriſche Vergleichung des Mittels 
‚alterg III. 183 u, ©. 


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Im nn —— m — — 
- 


RK) w. 208 eo 


= 0.00% 377 


als unter halbgebildeten Woͤlkern fand, iſt bie Mei⸗ 
nung, daß Zauberer, und Zanberinnen ſich in als 


Ierley Thiere verwandeln koͤnnen. .Diefer Aber: 


glaube entſtaud faft gewiß allenthalben aus derfels 
bigen Quelle, nämlich aus berjenigen Urt. von- 

Epilepfie, ‚oder Merven » Krankheit, welde bie - 
Aerzte den Veits s Tanz nennen, und während _ 
welcher Kranke glauben, bald in biefes, bald in 
jenes Thier verwandelt zu fepn, beren Stimmen 
und Bewegungen fie auf das aenauefte nachahmen. 


. Auch hier benußte ber ‘Betrug fehr ſchnell, was bie 


Matur hervorgebracht, und der Aberglaube ber 
Menfhen unrichtig gebeutet hatte. Weil eingelne 
Zauberer, und Zauberinnen wirklich glaubten, eine 
Zeitlang in allerley Thiere verwandelt werden zu 
ſeyn; fo ſtellten fih Andere, als wenn and fie 
ſich in diefed oder jenes Thier verwandeln koͤnnten; 


und eben deßwegen ahmen wahrſcheinlich die gau⸗ > | 
berer faft aller Erdtheile vor, oder während ihrer 
Verzuckungen fo häufig die Geſchreys von allerley 


Thieren nad. Schon Herodot erzählt, daß fo. 


wohl die Scythen, als dieunter den Schthen wohs 


nenden Griechen von ben benachbarten Ütenrern bie. 
Meinung heaten, daß dieſe fih alle Jahre ohne 
Ausnahme einige Tage lang in Wölfe verwanbels 
ten, und dann wieder ihre menfdliche Geftalt.am - 
naͤhmen k). Der Glaube an Wehrwoͤlfe war nit 


‚bloß unter den Griechen und Römern, fondern 
and) unter ben alten und mittlern deutſchen Voͤl⸗ 


kern 


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fern allgemein i)y. Die Zäuberer unter: ben Abis 
ponen geben vor, daß fie fih in Tiger verwandeln, 


‚und in diefer Geflalt ihre. Feinde zerreiffen koͤnnen. 
So bald daher ein Zauberer anfängt, gleich einem 
Tiger zu brüllen; ſo entfliehen alle, ' bie div hoͤ⸗ 
ren, voll Schreckens. Die Weiber behaupten, 


daß ſie den Anfang der Verwandlungen von Zau⸗ 
berern in Tiger manchmahl ſchon geſehen haͤtten, 
daß aber die durch Verwandlung entſtehenden Ti⸗ 
ger unſichtbar ſeyen k). Auch unter den Negern 


derſelbige Aberglaube, Der Capitain 


eaver ſuchte die Neger-Colonie, welche er auf 
der Juſel Bulama verfammelt hatte, von dem 
Wahn’ zu heilen, daß Einige aus ihrer Mitte 
Zauberer ſehen, und ſich in allerley Thiere verwan: 
delten. Seine Vorftellungen fanden feinen Ein: 


‚gang, meil die Beſchuldigten felbft geſtanden, daß 


fie fih in Xhiere verwandeln Einnten /). Andere _ 
Schriftfteller berichten ein Gleiches von den Ne: 
gern auf den Weftindifchen Snfeln m). Die Unges 
lagten Auf Bulama Famen mit einer ernfllichen 
Zühtigung davon. Auf den Weftindifchen Inſeln 
find die Pflanzer bisweilen gezwungen, bie ber 


Zanberey Verdaͤchtigen umbringen zu laſſtn, weil 


ſonſt 


| | i) Die Griechen nannten die Wehr: oder Waͤhrwoͤlfe 


. Aunayspwrag, Bodin Demonom. p 96-99 
Man f. ferner Plinii Hift. Natur. XXII. c. 3 
Auguſt. de Civit. Dei XVIII. c. 18, Keisler An. 
tiq. P. 494 - 496. 


k) Dobrishofer II. 97. . 
3) African Memoranda p, 178. 


.. m) Mathews p, 153. 











- ————— — 


— — 679 
fonft die Furcht vor den Wirkungen der Zauberey 


bie übrigen Sclaves aufreiben würde n)... Wenn 


man im den verfloffenen: Sahrhunberten bie fo ges 
nannten Hexen noͤthigte, ſich mit ihren: Zauberfals 
ben zu beſtreichen; ſo fielen ſie wie todt zu Boden, 
und gefbattben beym Wieder » Ertyachen, daß fie 


fi in Kaßen verwandelt, und Meifen auf ven 


Brocen, oder an andere Verfammlungss Derter 
von böfen Geiſtern, oder deren n Vertrauten gemacht 


hätten 0). 


Die Zauberer aller cohen Velrer beb-rpten, 
daß ſie durch das Ausſprechen von gewiſſen Nah⸗ 
men, oder durch Geſang und Gebet Goͤtter herbey⸗ 
rufen, ober beſchwoͤren koͤnnen; allein fie legen ih⸗ 
ren Befchwörungen bey weitem nicht eine ſolche Kraft 
bey, und dehnen fie nicht über fo viele Gegenſtaͤnde 
aus, als die Magier, und Theurgen halb⸗ gebils 
beter Stationen. Die Jongleurs der Americaner, 


die Fetifchirer der Neger, und die Schamanen in 


Sibirien fehen tim Durchſchnitt die Erſcheinungen 
höherer Naturen nach ergangener Aufforderung als 
bloße Wirkungen der Gnade an, und fie rühmen 
ſich hoͤchſtens, Götter, ober Schußgätter zu Er⸗ 
fiheinungen reißen, nicht aber fie dazu zwingen zu 
Tonnen. Die angerufenen Schutzgeiſter kommen 


daher bald fruͤher, bald fpäter, wie ed ihnen gut - 
duͤnkt. Bisweilen erfcheinen ſie gar nicht, oder 
ſchicken Andere an ihrer Stelle. Die alten Dias 

gier und Chaldaͤer hingegen, die Theurgen unter 


den 
n) "Edwards IL. 97. 
0) Bodin |, c, Malleus Malif. IL ar pP 


Ds. 


: 580- 7 

den neueren Platonikern, die Zauberer des Mit⸗ 
telalters, noch mehr die Frommen, und Heiligen 
unter den erſten Ehriſten gaben vor, daß ſie Daͤ⸗ 
monen, ober Geiſter, ja ſelbſt die hoͤchſte Gottheit 
durch gewiſſe Worte und Gebete zu Erſcheinungen, 


uber boch zur Erfüllung ihrer Winſch wörkigen 


koͤnnten y)· 


Die Zauberer wher Voͤlker maaßen ſich zwar 
im Ganzen an, boͤſe Götter oder Geiſter, und bes 
ren Zauberwerke aus Kranken austreiben, bie ans? 
„ getriebenen Gbtter, oder Geiſter bänbigen, ober 
dar vernichten zu koͤnnen. Unterdeſſen geftehen fie 
bisweilen, daß fie micht immer im Stande find, 
boͤſe Götter, oder Geiſter zu berwältigen: daß fie 
fi vielmehr bemühen müffen, biefelben zu verſoͤh⸗ 
nen, ober ſich in Güte mit ihnen abzufinden. Die 
Theurgen, ober Heiligen, und Wunderthaͤter halb⸗ 
euftivirter Nationen find ſtolz auf ihre unumſchraͤukte 
Herrſchaſt uͤber boͤſe, wie uͤber gute Geiſter, unb 
auf die unwiderſtehliche Gewalt ihrer Beſchwoͤrun⸗ 
gen, wodurch fie boͤſe Götter ober Geiſter nah. Be⸗ 
lieben herbey rufen, und verjagen koͤnnen ). Die 
Kunſt, zu exorciſiren, iſt unter den Chriſten fo 
alt, als ihre Religion, und warb je länger, deſto 
sufammengefeßter ). In mehreren ae | 
ahr⸗ 


p) Man ſ. den Abſchnitt von Gebeten, und die dort 
angefuͤhrten Zeugniſſe, beſonders den eilften Ab⸗ 

ſchnitt im dritten Bande der hiſtoriſchen Verglei⸗ 
chung des Mittelalters. 


gie 


N Pelliecia I. p. 10. beh den dritten Thei des Mal- 
eus Malefica rum, 





Ds En. —— - 
* 


r . 
2 
— 531 
... y 
. J No, . . 


Jahrhunderten wetteiferten.mit ben geiftlichen Exov⸗ 
ciſten nicht bloß-die Schwarz⸗ Künftler , ſondern 
auch die Weißfünftler 5), oter die Eingeweihten 
der mweiffen, und himmliſchen Magie 1), welde 
bald mächtigere gute Geiſter, bald geheime Kräfte 


der Natur dazu brauchten, um fich die pöfen Gei 


fer unterthan zu machen. 


Die Zauberer unter mehreren vohen Völkern 
bildeten fich felbft,, oder Anderen ein, daß fie ent« 
flohene, oder geraubte Menſchen⸗ Serlen wieben 
einhohlen, und zuruͤckbringen, beſchaͤdigte ausbeſ⸗ 


fern, auch wohl ganz abgeſchiedene Seelen zerreifs 


fen, ober verzehren Eönuten. Allein aͤußerſt fels 
ten vermaaßen fie fi, abgefchiedene Seelen durch 
Beſchwoͤrungen hervorrufen, und nicht bloß zu Er⸗ 
feheinungen, fondern au zur Beantwortung pors 


„gelegter Fragen zwingen zu koͤnnen. Außer den 
Singhili's in Afrika u), deren ich fchon Im Iehtn 
Buche erwähnte, und die ihre Beſchwoͤrungse Kuͤne 


ſte mittelbar, ober unmittelbar von Mahomebes 


niſchen Marabu's erhalten haben koͤnnen, finde id 


in meinen Papieren kein andered Beyſpiel von 


förmlihen Beſchwoͤrungen abgefchtedener Seel 
. unter rohen Voͤlkern, ald das ber Abiponifchen 
| Bauberinnen‘, welches Dobrisbofer anführe x): 


Dem 


s) Del Rio I, 104. 208.  ' 


. ©) Man-fı vo meine Vergleich. ded Mittelalters II. 


278° 293 
u) Cavazzi 1. 224. 034. 


a) 11.84." - 


— —— ⸗ 


‘ 


582 | — — 


Wenn einem Abiponen ſehr viel daran gelegen iſt, 

die Zukunft zu erfahren; fo bittet er irgend eine 
* erinn, den abgeſchiedenen Geiſt dieſer, oder 
ener verſtoͤrbenen Perſon hervorzuruſen, unb- ven: 


felben über das gu befragen, was er zu wiſſen 


Yänfcht. te Zanberiun legt ſich alsdaun auf die 
Erde, bedeckt fi mit einer Ochſenhaut, und fängt 
ihre Beſchwoͤrungen in Gegenwart einer großen 
Menge von Neugierigen am. "Auf dieſe Beſchwoͤ⸗ 
tungen erſcheint dann der Geiſt, und antwortet 
gan vernehmlich auf die Fragen, die von der Zaus 
erinn an ihr gethan werben. Die Abtponen glaus 
ben an die Gegenwart befdmoorner Geifter, wenn 
fie diefelben auch nicht fehen. Allein manche Abis 
Honen, ja fo gar mande Spanier, die ſich viele 
Rahre unter diefem Vokke aufgehalten haben, bes 
theuern heilig, daß auch fie bie beſchwornen Geis 
ſter mit inren eigenen Mugen gefehen, und baß bie 
Geifter eine folde Geſtalt, welde fie genau bes 
fhreiben, ‚gehabt hätten y), | 


Die 


y) 1. e, Abiponum aliquis, clari zpud fuos gene- 
ris bonaeque mentis multa verborum conten- 
tione mihi alleveraverat, [e [uis [pectafle oculis 
animam 'ndae, cujus maritus ſuperſtes noftro 
tum verfabatur in oppido. Aſſenſum a me.ut 
extorqueret, animalae illius imaginem vivis, 
fed ridiculis coloribus exprefit. Hifpani quo- 
que complures „.. perſuaſiſſinum Abi’habent, 

. manes praefligiatorum vacatu; necsomantice 

“fpectabiles fieri, ad interrogatiunculas reſpon- 
dere, nihilque fallacise in hoc negetio inter- 
venire, 








—83 
Die Beſchwoͤrung abgeſchiedener Seelen war 


Eine von denjenigen Arten des Aberglaubens, die 


ſelten, oder niemahls unter ganz rohen Voͤlkern, 
ſondern erſt dann entſtand, wann Voͤlker ſich um 


einige Stuffen aͤber den Zuſtand der tiefſten Roh⸗ 
heit erhoben hatten. Faſt alle Wilden fuͤrchten 
ſich vor den abgeſchiedenen Seelen ſo ſehr, daß ſie 
nicht einmahl wagen, die Nahmen von Verſtorbe⸗ 
nen zu nennen, aus Beſorgniß, daß dadurch die 


Manes beunruhigt, und gegen die Stoͤrer ihrer 


Ruhe gereitzt werden moͤchten. So lange man 


nicht das Herz hatte, die Rahmen von Verſtorbe⸗ 


nen zu nennen, ſo lange konnte man es ſich auch 
ſchwerlich einfallen laſſen, die Geiſter derſelben 
nahmentlich hervorzurufen. Dagegen fand ſich, 
und findet ſich die von den Griechen ſogenannte Ne⸗ 
kyomantie, oder Nekromantie unter allen Voͤlkern, 
die nicht mehr zu den ganz rohen gerechnet werden 


koͤnnen. Die aͤlteſten Nachrichten, und Denkmaͤh⸗ 
ler des Orients erwähnen folder Beſchwoͤrer und 


Beſchwoͤrerinnen, welde die Schatten von Ver: 


ftorbeuet in der Abficht herauffteigen ließen, um _ 
ihnen Fragen vorzulegen, und biefe Fragen beant: 
worten zu laffen 2). Der König Saul hatte alle 


Wohrfager und. Zeichendeuter aus dem Lande ge⸗ 


"trieben, und wandte ſich doch in ber Zeit ber Noth, 


wo ber Herr ihn weder durch Träume, noch durch 
Propheten unterrichtete, an eine Zauberinn zu 
I | Ens 


z) Varro ap. Ang. VII. c. 35. varro glaubte, daß 


"die Nelyomantie aus Perſien abſtamme. Auch 
Lucien 1. 465- 465. nanıte diejenigen, welche 


die Nekyomantie in Babn!on trieben, Magier, und 
bielt fie für Schüler des Soroafters. 


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— —— — 
oo. 
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24 


Cd 


584 U) m 


Enber a), um biefe zu bitten, daß fie den Geiſt 
Samuels erſcheinen Taffen möge. Die Zauberinn 
foh zuerft Götter aus ter Erbe hrrauffteigen, und 
Daun die Geſtalt eines alten Mannes in einem feis- 
denes Kleide: aus welcher Beſchreibung Sau fo 
gleich erkannte, dag diefe Geftalt der Geift Sa⸗ 
muels fey. Der den Könige unſichtbare Geiſt 
fkellte ihn defwegen zur Rede, dag er den Ent: 
ſchlafenen beunruhigt habe, und da Saul erklärte, 
was er zu wiffen wünfche , fo verkuͤndigte ker Geift 
des Propheten alles Unglücd vorher, was dem 
Könige bevorfiche. And in Griechenland ging bie 
Kunft, abgeſchiedene Seelen hervorzurufen, in ein 


hohes Alterthum hinauf 6). Unter ben Griechen 


waren mehrere Tempel, wo man Schatten her⸗ 
vorfommen ließ, damit man biefelben befragen 
Tonne. Selbſt der Held Rimon reiste nah He⸗ 
rafles am Pontus, um fi mit dem Schatten fet: 


ner geliebten Schwefter zu unterhalten c), Nah 


alten Scandinapifchen Sagen übte und Ichrte Odin 
die Runft, abgefchiedene Geifter zu befchmören, und 
fie zu Weißagungen , oder Dffenbarungen ber Zus 
Funft zu nöthign d). Im Mittelalter war die 


Nekromantie eine ber erften magifchen Künfte, wel; 


he man von den Arabern annahın e). Man hielt 
biefe Kunft nicht nur für fo wahr, ſondern aud 
nn | für 


a) 1.8, Samuelis 28 Cap. 


5) Homer, Odyfl. XI. 30 et ſq. v. 


e) Plutarch. IH. 184. 
&) Barthol, 634. 38p 


e) Meine Vergleichung bed Mittelalters, n. ſ. w. 
II, 187 u, f. ®&. _ 








| — — 388 
für fo unverfaͤnglich, daß man ſo gar dor der Ges. 


Tigfprechung von Heiligen die Geiſter berfelben her⸗ 
vorrief ). Es iſt bekannt, daß bie legten bes 
rüchtigten Theurgen unferer Zeit fih gleichfalls 
rähmten, fo wohl die Geifter don Verſtorbenen, 
als die Bilder von abwefenden Perfonen erfcheinen 


machen zu koͤnnen. 


Halbgebildete Voͤlker unterſchieden ſich von 


aanz rohen nicht bloß durch den Wahn, daß man 
gute und boͤſe Götter und Geifter zu Erſcheinun⸗ 
gen, und Dffenbarungen zwingen Eönne, ſondern 
auch durch die Vorſtellungen einer beynahe unbes 
ſchraͤnkten Gewalt, weldhe Beſchwoͤrer, und Bes 
fhwörerinnen über bie ganze Natur ausübten. 
Im alten Drient waren biefe Vorftellungen fo herr⸗ 
ſchend, daß zaubern vwigentlich fo viel bebeutete, 
al® Sonne und Mond verfinftern, oder Schlangen 
befhwören g). Während bed Heerzugs bed Xer⸗ 
res gegen Griechenland warb bie Flotte biefed Koͤ⸗ 
niges von einem heftigen Sturm überfallen. Der 
Sturm dauerte brey Tage, und that ben Perfern 
unfäglichen Schaben. Am vierten Zage fingen bie 
Magier nit bloß an, ben Gottheiten des Landes 
zu opfern, ſondern fie-krauchten au Beſchwoͤrun⸗ 
gen, gerodot läßt es dahin geftellt, ob ber 
Sturm, gezwungen durch bie Beſchwoͤrungen ber 
Magier, ober don freyen Stuͤcken, am vierten 


Tage aufgehört habe 4). Schlangen » Befhwir 


rer finden ſich bis auf dem heutigen Tag im ganzen 
0 wefts 


5) Demonomanie de Bodin p. 73. 
e) Mich. Moſaiſches Recht V. 200 ©. 
k) VII. 191. 


—R — —ñ —⸗ 


weſtlichen Afıen, und Afrika, vorzuͤglich in Hin⸗ 
doſtan, und Aegypten 5). Die Aunft der Schlan⸗ 


gen: Beſchwoͤrer ifk im gewiffen Familien erblih, 


die ſich ihr Geheimniß durch keinen Preis abloden 
laſſen. Unter ben Griechen und Römern entſtand 
früh die Meinung, dag man durch Beſchwoͤrungen 
nicht bloß auf Götter, zu weldyen man die Lichter 
des Himmels rechnete, ſondern aud auf Men, 
Shen, Thiere, und Gewaͤchſe der Erde, ja ſelbſt 
anf leblofe Dinge , befouberd auf "Brände, mäds 
tig wirken koͤnne k). In fpäteren Zeiten glaubte 
man, daß Beſchwoͤrungen um deſto Eräftiger feyen, 
wenn bazu nicht Griechifche und Römifche, fondern 
barbarifhe Wörter und Kormeln gebraudt, und 
wenn fie zugleich durch Dpfer, oder Raͤucherun⸗ 
gen, und anbere theurgifhe Handlungen, befons 
ders durch das Umdrehen von magifchen Kreifeln, 
ober Kugeln unterflüßt, ober Serflärkt würden /). 
Unter den Germaniſchen, und wahrfcheinlich un: 
ter allen alt s Europäifhen Völkern war ed urs 
ſpruͤnglicher und allgemeiner Aberglaube, daß man 
durch Beſchwoͤrungen Menfchen und Vieh ſchaden, 

be⸗ 


) Raempheri Amoen. Faſcic. JIT, Obf. 9, Bruce 
VII. 348 et ſq. p. N. E. Haſſelquiſt ©. 77. 


k) Homeri Odyſſ. IX, 156. Xenoph. Memor. II. 5. 
Lucian, III. 38. 288 p. Plin.XXVIII, 4. Quid? 
non et legum ipfarum in duodecim tabulis ver- 
ba funt! gni fruges excantafler. Et alibi: qui 

‚ malum carmen incantallet, — Figlinarum ope- 


‚“.. rs multi rumpi credunt tali modo — ZEtiam 


psrietes incendiorum‘ deprecationibus confcri- 
buntur, 


3) Lucian, ll. cc, und Seldenus ex Pfella p. 113. 





— — | 587 
befonbers aber Sturmwinde, Ungewitter, und Das 
gelwetter erregen koͤnne: weßwegen auch die Ba 
fhwörungen überhaupt, Vorzüglich bie der Wetter⸗ 
mncher nicht nur von Carl dem Großen, fondern 
auch nachher von vielen andern weltlichen und geifts 
lichen Fürften, oder von Kirchen s Verfanunlun 
gen.auf das firengfle verboten munben m). Alle 
dieſe Verbote hinderten nicht, daß nicht bie Furcht 
vor Beſchwoͤrungen, und deren Wirkungen das 
ganze Mlittelalter durch, nad felbft mod -fpäter 
fortgedauert hätte n). - 


Der Aberglaube halb gebilbeter Voͤlker ver⸗ 
größerte nicht bloß die Macht der Beſchwoͤrer 
viel mehr, fondern trieb aud bie Gewalt ber 
Zauberer überhaupt und ihrer Gehülfen, ber boͤ⸗ 
fen Geifter, befonders in ber Befitznehmung her 
Leiber der Menſchen ungleich weiter, als: unter 
ganz rohen Wölkerfchaften jemahls geſchehen ift. 
Noch auffallender, als dieſes, iſt das Factum, 
daß die Proteſtanten beynahe zwey Jahrhunderte 
lang den Teufel und feinen Werken und Genoſſen 
viel mehr verherrlichten, als die Altgläubiaen, 
und daß unter ben Proteftanten. gerade die erſten 
Reformatoren, Luther und Melanchthon, die 

= uns 


'm) Dan ſ. Keisleri. Antig. ı7. 71. 75 p. Pellout. 
“ U. sıe, Dlaffon I. 148. 149. Ich vermuihe, daß 
‚die. Schamanen der Lappen und anderer finnifchen 
Dölker den Aberglauben, daß man durch Beſchwoͤ⸗ 
‚zungen den Winden nebieten künne,von :h zen Goes 
Ye en Weberwindern, oder Nachbaren erhalıen _ 
aben, | j 


n) Man 1. ben fchon oft angeführten abſchnitt im 
dritten Bande der hiſtor. Vergl. des Mirtelalterd. 


. 
[2 .. 
⸗ 
9 Zum zu 
$ 83 ‘ \ 


nnmaͤßigſten Verherrlicher des Teuſel⸗ und der 
Zauberey waren 0). Luther nannte ben Teufel 
geradezu ben Herrn, den Fuͤrſten und Gott dieſer 
Welt, den wir Menſchen mit unferem Coͤrper und 
unſerer Habe gänzlich unterworfen ſeyen. Wenn 
man bem Teufel fo viel einräunfte, fo war. nichts 
natuͤrlicher, als Son feinen Gehuͤlfen, ben. Zaubes 
sern und Banberinnen zu glauben, daß fie im 
* Stande feyen, die Luft zu werfinftern, Ungewits 
ter und Sturmwinde zu. erregen, KHeerben und 
Saaten zu verderben, Fluͤſſe aufzuhalten, zub 
Quellen auszutrocknen, Haͤuſer und Städte ans 
zuzünden, Gefangene aus Kerkern herauszufuͤhren, 
Reichthum und Armuth, Hoheit und Niebrigkeit, 
Siege und Niederlagen nad Belieben auszuthei⸗ 
len 9). Wie ohmmaͤchtig find gegen dieſe Vertrau⸗ 


sen des Satans bie Zauberer unter den Wilden - 


in Sibirien, Afrika und America! In eben dem 
Verhaͤltniſſe, in welchem die Völker des fünfzehn: 
ten, ſechdzehnten und ficbenzehnten Jahrhunderts 
die Macht. der Zauberer erhöhten, vervielfältigs 
‚ten fie auch ihre Zahl. Unter ben Wilden aller 
Erbtheile- fällt der Verdacht einer ſchaͤdlichen Zaus 
beren doch immer nus auf einzelne Perfunen. In 
"den genannten Jahrhunderten hingegen verhaftete, 
folterte und verbrannte man viele Taufende, ja 
ſelbſt Hunderttaufende von angeblichen Genoffen, 
oder Genoffinnen des Satans g). Faſt noch groͤ⸗ 


e) Man f ereine Wergleich des Bitte II, 
323 % 

p) ib. um au Rio u 158 et fg. 2 
9) 1. ee. 


ben ie 


fer war bie Anzahl von Beſeſſenen 5), in bes 
ren Leiber man wähnte, bag unreine Geifter eine 
gefahren feyen.. Wilde vermuthen böfe Geiſter, 
ober beren Wirkungen der Megel nah nur in 
Kranken. Die Chriftlihen Völker feßten bergleis 


chen nicht nur in neugebohrnen Kindern, fonberh 


auch in unzähligen gefunden Perſonen voraus. 
Mean verdammte bie Zauberey, und verbrauute 
die Zauberer; und doch Auldete man hohe Schu⸗ 
len, wo man bie Schwarzkunſt lehrte. Au 
nannte man Fuͤrſten und berühmte Gelehrte, die 
in dieſer Kunft ‚hoch erfahren feyen s). 


Der merkwuͤrdigſte Unterfhieb, ber zwifchen 
ben Uberglauben ganz roher, und dem von halbe 
cultivirten Völkern Statt findet, beſteht darin, 
daß dieſe vielmehr, als jene, geheime Kraͤfte an⸗ 
nehmen, vermoͤge deren ie Dinge nicht blog ein⸗ 


ander anziehen, oder zuruͤckſtoßen, ſondern auch 


allerley uͤbernatuͤrliche und unerklaͤrliche Wirkun⸗ 


u gen hervorbringen. Alle Wilde. find freylich ges 


neigt, lebloſe und Lebende künftlihe Gegenflände 


9— nicht weniger, als natuͤrliche fuͤr Fetiſchen zu hal⸗ 


ten, und ihnen, ala ſolchen, goͤttliche Eigenſchaf⸗ 


ten zuzutrauen, Allein fie gelangen nicht zu dem 


Gehanken, ber bie Grundlage allee Magie, und 


alſo auch des Charakteriftifchen Aberglaubens halb⸗ 


gebilbeter Völker ausmacht: daß alles geheime und 


uͤbernatuͤrliche Kräfte befige, alles geheime und 
Abernatärlicye Wirkungen bervorbringe: bag durch 


F die 
FE | | =. 
BE Sr 

r) ib, und Moehſen, 504 u, f. ©. 


Weine Wergleich. des Mittelalters III. 386. Moͤh⸗ 


fen 350.. 451 e. 


“ 


Sn 


590 - — — 


bie geheimen! Kräfte der Dinge ber gewoͤhnliche 
Sarg der Natur unaufhörlich geftört werde, und 
bag. diejenigen, - melde die geheimen Kräfte der 
„. Dinge kennen, nicht bloß über die leblofe Natur, 
ſondern audy über Götter und Geifter herrſchen ). 


Eine der erften unb allgemeinfien, zugleih 
auch ſelrſamſten Wirkungen des Glaubens an ges 
heime Kräfte der Dinge ift die Meinung vun bis 
ſfen Augen, oder böfen Blicken, die ſich unter als 
ken halb⸗ cultivirten, nicht aber unter ganz rohen. 
Bölkern äußerte u). Die Furcht vor böfen Aus 
gen, ober Blicken quält noch jetzt alle Morgens 
laͤndiſche Nationen, und man Darf fiher Vorauss 
feßen, daß ihre älteften Vorfahren nicht weniger 
Davon gequält wurden x). Die Morgenländer 
fürchten ben. böfen Blick am meiften für Kinder 
und für Brautleute, ober vielmehr für Braͤuti⸗ 
game am Zage der Hochzeit. Die Hindus hefien 
“ ZZ Braut; 


wu 


m — — 
— — 


) Dan leſe, was ich im dritten Theile der hiſtor. 
Vergl. 279: 293 über die Cabbala :ınd Magie des 
Reuchlin, des Sranciscns Beorgius Venetus 
und des Ygrippa gelagt habe. 


u) Man Eönnte mir das einwerfen, was Bruce von 
bem Uberglauben des boͤſen Blickes in Sennaar 
erzählt, VII. 349. N. A. Allein die Neger in Sen⸗ 
naar find alleuthalben mit Arabifchen Stimmen ums 
geben und vermifcht, und es ift Daher wahrſcheinlich, 
daͤß Die erfieren von den letteren den Aberglauben 
des böjen Blickes angenommen haben, 


x) Bon den Hindus, Eonnerat I. 66. von den Eins 
wohnern in Syrien 1,193, von den Türken, Yrabern 
und Mauven, Arvieux I, 448, III. 247, Maillet II. 
215. Hoͤſt ©. 213, Be 


J 
T. 





— — 59 15 


Braͤutleuten geheimnißvolle Ringe an den Kapf, 
um fie vor dem boͤſen Blick zu bewahren; und 
wenn man dieſe Vorfichtöregel nit beobachtet bat, 
fo dreht man vor den Augen der Eheleute in dem 
Augenblick, wo fie in das Hochzeitshaus eintres 
ten , ein mit rothem Waſſer gefuͤlltes Gefaͤß drey⸗ 
mahl umher, oder man zerreißt ein Stuͤck neuer 
Leinwand, oder man ſchwingt ein Stuͤck Leinwand 
dreymahl vor ihren Augen herum, um ſie von den 
Vrturge des boͤſen Blickes zu befreyen y). Die. 
Tuͤrken haͤngen Fetzen von Zeugen an den Kopf von 
Kindern, damit daparch boͤſe Blicke abgeleitet 
werden; und in gleichen Abſi chten halten ſie uͤber 
ben Haͤuptern von Braͤntigamen zwey ereuzweis 
gelegte Saͤbel 2). Die Griechen und Römer ſcheu⸗ 
ten den böfen. Blick nicht weniger, als bie Bewoh⸗ 
ner ded Orients a); und bdiefer Aberglaube hat 
fi unter den Nachkommen beyder Voͤlker unge . 
ſchwaͤcht erhalten 5). Für das befte Gegenmits 
tel gegen den böfen Blick erflären die Griechen 
bad Tragen, ober. Anheften Yon Knoblauch, ober 
das Meben von tiefen Pflanze Allem Vermuthen 
nad) war berfelbige Aberglaube unter den Deut: 
fhen und Slavifhen Völkern eben fo urfprängs 
lich, als unter den Griechen und Nömern. De 
Veuts 


y) l,c. Sonnerat. 
2) Arvieuxl,c. 


a) Plin, Hit Nat, paffim, unter. anderen L. a8. 
c 6. der Hirt beym Virgil faat: 
| Nefeio, quis teneros oculos mihi, faleinat 
agrios: 


5) Pougueville I. 256 et ſq. Ollervazioni intorno 
alla Valachia etc, p, 235. 25, " * . 


- 


Deutihen ſowohl, ald bie Slaven waren überzeugt, 
- dag böfe Blicke Dienfchen und Vieh tödtliche Krauk⸗ 
beiten zuziehen c), und baf man biefen Augen; 
zanber nur durch Senend s Formeln aufheben Fönne. 
Wenn nicht die Meinung don böfen. Blicken fo 
alt und allgemein in Europa gewefen wäre, fo 
wärbe ich vermuthen, daß die Portugiefen und 
Spanier diefen Wahn von den Manern empfangen 
bötten. Es iſt ungewiß, ob die Spanier ber als 
ten, ober die der neuen Welt fi vor böfen Plicken 
am. meiften fürdten d), Wenn die Alts Spanier 
glauben, daß Jemand ihnen durch einen feften Blick 
geſchadet habe; fo Verlangen fie von einem Golf: 
den, ba er ihre Hand berühre: uuftreitig in eben 
ber Abficht, In welcher man vormahls Zanberina 
nen vor Gericht nöthigte, die angeblich Yon ihnen 


nn bezauberten Perfonen anzufaflen, damit ber ge: 


worfene Zauber auf feine Urheber zuruͤckkehren 
moͤge e). Die Sreolinnen Am Spaniſchen Ame: 
rica tragen kleine geweihte Haͤnde von Feigenholz, 
| Bu an 


e) Keisler. Antiq. Septentr. 4902. 495 p. Im deut⸗ 
ſchen ſagte man, daß Kinder verſehen, ober daß 
ein boͤſes Auge beym Vieh geweſen ſey. Noch zu 
Keislers Zeiten brauchten die Wuſtrowſchen Wenden 
folgenden Segensſpruch gegen den boͤſen Bick: 

Twee Hogen efft dy beſeen; 
Dre Hogen ſcholt dy weer gut ſeen. Ib. 
Auf eine aͤhnliche Urt entzaubert man noch jetzt Heer⸗ 
den in. Hochfchorttand, Fennants Voy. to the 
Hebrides 1..03:. 0 
- dd) D’Aunoy Travels p. 108, 109. Atvieux III. 247. 
Haft ©. 223, Coreal II ao p. 


N) Goͤſt . c. 





— — J 593 


an welchen die Daumen aufrecht ſtehen, am Halſe, 
um boͤſe Blicke abzuhalten. Zu Coreals Zeiten 
war es lebensgefaͤhrlich, eine Spaniſche Creolinn 


aufmerkſam anzuſehen. Ward naͤmlich ein fixir⸗ 
tes Frauenzimmer krank, fo klagte ed den vermeint⸗ 
lichen Urheber ihrer Krankheit bey der Inquiſition 
an, und die Inquiſition verurtheilte den Angeklag⸗ 


ten nicht ſelten zum Scheiterhaufen. Petrus 


ompong Einer der kuͤhnſten Unglaͤubigen 


des ſechszehnten Jahrhunderts, laͤugnete nicht bloß 


alle Beſchwoͤrungen und Bezauberungen, alles 


Weiffagen und Wahrſagen, das durch gute oder 


böfe Geifter getrieben werde, fonbern aud) das 
Dafeyn und bie Vörfehung Gottes, fammt der 
Unfterblühfeit der Seele; und eben diefer kuͤhne 
Unglaͤubige traute der Seele des Menſchen eine 


ſolche Gewalt uͤber den Coͤrper, und wiederum 


den von der Seele bewegten Lebensgeiſtern eine 
ſolche Gewalt uͤber die uns umgebenden Dinge zu, 
daß er alles, was die aberglaͤubigſten Voͤlker und 
die wildeſten Echwaͤrmer fuͤr Wirkungen der Zau⸗ 


berey gehalten ‚hatten, als bloße Naturkraͤfte und 
Naturwirkungen annahm 5). Selbſt noch im Ans 
fange des achtzehnten Jahrhunderts fanden Aerzte 


es denkbar, daß gewiſſe Perſonen bloß durch einen 


feſten Vorſatz Thiere abhalten, krankmachen und 


wieder heilen, dem Pulver ſeine Kraft, und Maͤn⸗ 
nern ihre Mannheit nehmen, ja daß ſie die Luft 
genug verdicken koͤnnten, um ihre Bilder Anderen 


erſcheinen zu machen 2 
| Der 


»- 


Br Meine Vergleich, des Mittelalters IIL, 328 u. f. S. 


) Ephemer, Nat. Cur, IX, 662, nn 


Pp 


· — 


2 r ° ‚ . 

594. — — | g 
‘ ‘ a 
. q 


Der Aberglaube halbgebilbeter Völker eignete 
nicht bloß den Blicken der Menfchen, fonberu 
auch ihren Worten und Reben, oder gewiflen von 
ihnen gefhriebenen Charakteren und Formeln ges 


| heiine übernatürlihe Kräfte zu... Es ift ein all: 


gemeiner Aberglaube, fowohl der Morgenländer, 
als der Griechen A), daß audgefprochene Lobes⸗ 
erhebungen ben Gegenftänden des Lobed Schaden 
bringen. Wenn zum Beyſpiel in ber Barbarey 
Jemand einen Meuter, ver gut zu Pierde fißt, 


deßwegen lobt, und der Reitende bald nachher flürzt, 


oder fonft Schaden nimmt; fo hat der Gelobte 
das Recht, den Sobenden zum Schaden⸗ Erfaß 


anzuhalken. Unter ben Griechen bittet man Pers 


fonen, die irgend etwas mit Wärme gelobt has 
ben, daß fie gegen den .gelobten Gegenftand fpucken 


. wollen i), weil man glaubt, daß dadurch bie fhadb: 
liiche Wirkung bed Lobes aufgehoben werde, Scho— 


die alten Öriechen und Römer fpuckten aus, wenn 
fie traurige, d. h. Unglücbringende Worte, ober 


Reben hörten 6). Ich habe nicht nöthig, mid 


hier über die heilfgmen, oder ſchaͤdlichen Kräfte 
von Worten und Reden umſtaͤndlicher auszubreiten, 
ba ih mid auf das beziehen Tann, was ih im 
Vorhergehenden über Gebete, über bad Geben 
von Nahmen, und über Beſchwoͤrungen gefagt 


babe 1). Voͤlker, welche an 1 ‚bie geheimen Kräfte 


" von. 


x) Hoͤſt, Bonguenille, und Öffervazioni ete,1l.cc, 


i) Olfervazioni et, p, 284. Tubito & Pregato di 
fputare contro l’oggetto lodato, 


- k) Plin, Hif. Nat, XXVIIE, c. 4 


‘ 4) Wer no) mebrere Beyſpiele zu leſen wänfer ‚ der 
ziehe Plik, Hiß, Na, XXVIII. 3- 6. zu Rathe. 








— 65895 


von Worten und Reden glaubten, wurden durch 
eine hoͤchſt natuͤrliche Analogie auf den Gedanken 
geleitet, daß nicht bloß geſprochene, ſondern auch 
geſchriebene Worte und Charactere gleiche, oder 
aͤhnliche Wirkungen haͤtten. Eben daher war der 
Glaube an Zauber⸗Charactere und andere,/geſchrie⸗ 
bene Zauberformeln von jeher unter halbgebilde⸗ 


ten Voͤlkern eben ſo allgemein, als er es noch jetzt 


iſt; und viel allgemeiner, als unter ganz rohen 
Jaͤgern und Fiſchern m). Die goldenen Zaubers 
kugeln, welche bie Griehen und Römer zu Be⸗ 
fhwörungen brauchten, waren über und über mit 
allerley Characteren befchrieben n). Go wie man 
barbariſche Worte für Eräftiger hielt, als vers 
ftändliche Griehifhe und Roͤmiſche, fo auch dar 
barifche Charaktere. Der Uberglaube erfand kaum 


irgend eine heilfame, oder fdadlihe Wirkung von 
Zauberey und Beſchwoͤrungen, melde die Scandi⸗ 
naviſchen Völker nicht von ihrem Runen gehofft, 


‚oder gefürchtet hätten 0), Man grub bie Zaus 
bers Runen entweber in Stein und Holz, oder in 


Waffen und Rüftungen, oder man fehnitt, bramie, - 


oder zeichnete fie an verfchtedene Theile bed Leibes. 
Zu den kraͤftigſten Runen gehörte das Zeichen 
des Creutzes, das man daher auf vielen Grab⸗ 


maͤh⸗ 


m) Es kann fenn, daß die dappen und deren Wrüber 


den Gebrauch Son Zaubercharafteren von ihren ches 
mahligen Gothiſchen Bezwingern angenommen daben. 


n) Selden, et Lucian. ll. cc, . 


- 


et ſq. P. Maller 146, 147. 235,4: et lg.p. 
Pa 


0) Bartholin. p. 657 - 661. Keisleri Antiq. 464 


596 — — 


maͤhlern und Waffen findet, bie unläugbar aus 
heidniſchen Zeiten herfiammen p). Der Gebraud 
von Talidmanen, oder Yon gefchriebenen Wunder⸗ 
mitteln ift unter den Morgenländifchen Voͤlken 
eben fo allgemein und tiefgewurzelt, gewiß alfo 
auch eben fo alt, als ber Glaube an Zauberey und 
Beſchwoͤrungen überhaupt 7). Die Zaliönıane _ 
enthalten bald Verſe aus bem Koran, bald Ges 
bete Yon frommen Perfonen, bald geheimnigvolle 
‚Charaktere, oder Combinationen von Zahlen. So 
wie die Türken Meſſen für fi leſen r), und die 
Derfer von Chriftlichen Miffionarien das Evans 
geltum Johannis über Kranken herfagen laflen s)5; 
fo laſſen die leßteren nicht bloß fromme und ges 
Ichrte Diahomedaner, fondern auch fromme und. 
gelehrte Chriften und Juden an thren Zaliömann 
fhreiben. Here Niebuhr felbft mard häufig um 
Taliömane gegen Krankheiten und andere Uebel 
| ge⸗ 
Reisl. ı 57 p. Beionderd Dreyer’s vermifchte 
PD ll, Bar 4 N Zune „ 
g) Unter den Mauren, Shaw p, 201. unter ben Tuͤr⸗ 
fen, ib, auch Fortis I. 66. unter den Arabern, 
Lliebuhr’s Beſchreib. ©. 127. in Syrien, Ruflel 
II, 103. unter den Perfern, Niebuhrs Reif. II. 
#2. 162. Chardin I. 243. II, 57. Ill. 206, unter 
den Parfen, Anquetil Ill, 113. den Einwohnein 
ber Maldiven, Pyrard I. 131. Nach Ruffel unter: 
ſcheiden die Türken Talismane und Amulete vadurd), 
daß jene beftändig am Leibe getragen werden, dieſe | 
nicht. Chardin -führt die Ableitung des Wortes 
Talismaun au, braucht aber übrigens die Worte Ta⸗ | 
lisman und Amulet als gleichbedeutend. 


r) Fortis l,c. _ | 
) Chardin III, 206, 





— — - .. 
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— — 0607 


gebeten. Der Stoff der Talismane beſteht meiſtens 


aus Papier, oder Pergament. Sehr oft aber iſt 
der Inhalt der Talismane in. Jaspis, ober Onyx, 
oder einen anderen halbedeln Stein gegraben. Die 
einen und die anderen werben enfweber auf ber 
Bruft, oder am Arme und .einem andern Theile 


des Cörperd getragen, weßwegen man fie gewöhne 


lich in Leder einzumwickeln pflegt. Kein andered 
Mahomedanifhed Volk übertreibt ben Gebrand) 
von Talismanen, oder gefchriebenen Amuleten fo 
ſehr, als die Mandingos in Afrika, indem ihre 


Talismanen nicht felten breuffig und mehrere Pfun: 
de fhwer find t). Die Mandingos und andere 


Mahomedaner haben den Glauben an die Kraft 
von Talismanen auch unter manche Neger verbreis 


‚tet, welche. nicht bloß felbft unter der Laft berfels 
ben feufzen, ſondern auch ihre Schaafe und Hunde 


damit behängen tt). Geſchriebene Talismane ges 
hörten zu den erften Wunbermitteln, welche bie 


Chriften des Mittelalters von den -Arabern und- - . 
Juden empfingen, und zu ben leßten, welchen die 
Geiftlihen und Gelehrten der netieren Zeit entfags 


ten. Die Exorciſten nahmen Talismane zu Hüls 
fe, um böfe Geifter aus Vefeffenen auszutreiben«). 
Selbft noch gegen das Ende des fiebenzehntenJahrhuns 
derts empfahlen berühmte Aerzte ſaturniniſche Ta⸗ 


lismane gegen den Biß von wuͤthenden Wölfen un), 


volb⸗ 


5 Moore p. 108, 


| tt) Ifert ©. 135. 
a4) Malleus Malef, III. ı3. 


2 un) Mifc. Nat, Curiof, Ann. Xp . 399.440, Im 


ſechszehnten und fieben zehnten Sdhrhundert verfchaffe 
te Theophraftus Paracelfus den Talismanen und 
allen übrigen Arten von Amuleten das größte Anſe- 
hen. ‚ Thurneifere Zeben 134. 137 ©. | 


. 
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—— Ren . 
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598 u u 


Halbgebildete Voͤlker nahmen nit Bloß in 
ausgeſprochenen ober gefchriebenen Worten, fon 
bern beynahe in allen Metallen und Steinen, ber 
- fonders in Edelſteinen, in unzähligen Kräutern, 


Wurzeln, Früchten,  Hölgern, und Harzen, in 


unzähligen Thieren, in allen heilen bes menſch⸗ N 


lichen Coͤrpers, ja felbfb in unzähligen Producten 
der Kunft, befonders in Ringen, Sigillen, und 
Bildern übernatürliche ,: bald heilfame, bald 
ſchaͤdliche Kräfte an. " Man nannte natürliche, und 
kuͤnſtliche Coͤrper, bie Unglück abwendeten, ober 
Gluͤck braͤchten, Amulete: ſolche hingegen, bie 
Gluͤck ſtoͤrten, ober. Ungluͤck ſtifteten, Zauber⸗ 


. werke x). Die Aegyptier, und alle übrige Voͤlker 


des Drients behängten nicht bloß ſich feleft, ſon⸗ 
dern auch die Bildniffe ber Götter, und bie anges 


beteten oder heiligen Thiere mit Gluͤckbringenden, 


oder Ungluͤckabtreibenden Amuleten y). Der Ge⸗ 
brauch von Amuleten war unter ben Griechen ſehr 
gemein, Lange bevor fie mit ben Aberglauben der 
Morgenländifchen Voͤlker angefteckt wurden. Selbft 
Perikles Eonnte, ober mochte ed nicht hindern, 


daß feine weiblichen Angehörigen ihm in feiner letz⸗ 
ten Krankheit ein Amulet umhaͤngten 2), Nicht 


lange nad) den Zeiten Aleranders. bed Großen 
nahm ber Glaube an die geheimen Kräfte ber Nas 


tur fo fehr Ueberhand, daß beynahe die ganze Arz⸗ 


neykunde in eine Sammlung bon fymparhetifchen 

Mitteln verwandelt, und felbft unter den vorneh⸗ 

men Griechen und Mömern wenige erfunden murs 
. . den, 
æ) Maleficia „ malefices, . | 

y) Schmidt p. 37. 38: 


-z) Plotareh. L, 669. 





— — TI 


ben, welde nicht das Bild irgend einer, meiſtens 
Aegyptiſchen Gottheit als Amulet auf der Bruſt, 
oder an Ringen getragen haͤtten a). Der Gebrauch 
von Amuleten entſtand unter den Chriſten faſt mit 
dem Chriſtenthum ſelbſt, und ward ſelbſt von den 
Haͤuptern und Lehrern der Religien am meiſten 
beguͤnſtigt 6). Man kann es nicht fo wohl eine 
Vermehrung ber Zmeige, als ber Werkzeuge bes 
Aberglaubend nennen, als die Chriftlichen Voͤlker 
des Mittelalterd außer ben geweihten Waſſern und - 
Dehlen, ben geweihten Blumen und Kerzen, ben 
gemweihten Gottes s Sämchen, Bildern und unzaͤhe 
Ligen anderen gemweihten Dingen von ben Garacenen 
und Tuben auch das Tragen Yon Edelfteinen, und 
aftrologifchen Bildern annahmen: welche Ießteren 
man unter gewiffen Eonftellationen verfertigte, das 
mit fie mit den himmliſchen Kräften, ober Gr 
\ | uͤſ 


4) Man ſ. Plin. Hiſt. Natur, vom 25. bis 32. Buch. 
Lucian. Op. II. 243. in vita Alexandri, und 


Sueton. in Nerone c, 56, et ibi Cafaubonum. 


Diele Jahrhunderte nach Aleganders des Broßen 
Tode fah man feiu Bild als eins der Fraftigfien 
Amulete an. Trebellius Pollio in 30 Tyyannis 
c. ı4. Quod idcirco: pofui, qula dieuntur ju- 
vari in omni actu fuo, qui Alexandrum ex- 

reflum vel auro geftitant, vel argento, In der 
Faimitie der Macrianer trug man dad Bild Ales 
ganders nicht bloß auf Ringen, und allen Arten 
von Geſchmeide, ſondern auch in Kleider und Maͤn⸗ 
tel geftict. ib, Ä | 


3) Dan ſ. meine biſt. Veral. des Mittelalter IT, 
399. 200 &. Pelliccia Il, 314. 315. 11. P. II. 
P- 209, 210. 223, Hofpin, de fellis p. 102. 


609 - u. 


. " flüffen ber Geftirne erfüllt würden ec). | Die groͤſten 


Gottesgelehrten billigten alle, ſelbſt magiſche Mit— 
tel, wodurch ſchaͤdliche Zauberey und deren Wir: 
Fungen abgehalten, ober aufgehoben werden könn: 
ten d), Der große Haufe des Mittelalters, und 
felbft no ber letzten Jahrhunderte hatte fehr oft 


zu den Amuleten, die Yon heiligen oder gelehrten 


Händen verfertigt worden waren, nicht fo viel Zu: 
trauen, ‘als zr folden, welche Scharfrichter, und 
andere gemeine Menfhen feilboten. Won’ biefer 
Art waren die Alruͤneken, ober Erdmänndyen, wel: 


che man um betraͤchtliche Summen Faufte e), jähr: 


J 


lich zu gewiffen Zeiten baden, dann wieder in Geis 
de kleiden, und zu feinen beften Sachen legen mus 
ſte. Wenn man mit dem Waller, womit man 
ſolche Alruͤneken gewaſchen hatte, das Vieh, oder 
bie Schwelle des Haufes befprengte; fo glaubte 
man gewiß, daß beybe vor allen Unfällen gefichert 
ſeyen. Gebährerinnen, die von dieſem Maffer 
tranfen, erhielten eine leichte Geburt, Trug man 
dad Alruͤneken gar an feinem Leibe; fo hofte man 
gewiß, daß man alsdann in allen Streitigkeiten, 
und Rechtshaͤndelnuͤber feine Gegner fiegen werde f). 
Faſt alle Zweige, und Inſtrumente bed Aberglaus 
bens, welche die Chriftlihen Völker unfers Erd⸗ 


theils von den Mahomedanifchen empfangen hatten, 


. ders 
| e) Life Vergleich. ded Mittelalters IL. 206 u. 


d) Bodin p. 144. 147. | P 
e) Ein Bürger in Leipzig kaufte das Erdmaͤnnchen, 
welches er feinem Bruder in Riga ſchickte, un 64 
Thaler vom Scharfrichter. Keisler. Antiq. p, 506- 
50% . 
f ic 








—R 


I verſchwanden unter den erſteren allmählich, anſtatt = 


daß fie unter den letzteren , fo wie unter ben Heid⸗ 


nifhen Nationen im’ fülichen ‚ und öfßfichen fer 


beftändig fortdauern 8). 


Aus dem Glauben an die geheimen Kraͤfte der 


Natur entfprang ſo wohl unter den Aegyptiern, 
‚als unter den Chineſen das. Suchen nad einem 


Tranke ter Unſterblichkeit h); und unter ben Grie⸗ 


den, das Suchen "allgemeiner Heilmittel, beſon⸗ 
ders des SGeheimnlſſes „ unedle Metalle in edle zu 
‚verwandeln 5). Im Mittelalter nannte man bie 
Kunft, unedle Metalle in edle zu verwandeln, den 


Stein der Weiſen, und die Befchäftigung mie dies ° 


fer Kunſt, Alchhmie, oder Alchemie. Vom 


zwoͤlften Jahrhundert an verging kaum ein Men⸗ 


ſchenalter, in welchem nicht beruͤhmte Maͤnner vor⸗ 


gegeben, oder die Zeitgenoſſen beruͤhmten Maͤnnern 
zugetrant hätten, daß fie ben Stein der Weifen 
. befäßen k). Im fehszehnten Jahrhunderte reiste 


man häufig in bie Morgenländer, um dort bem. - 


wahren Weifen, und den Stein der Weiſen aufs 
aufinben I) Im ſi ſi ebenzehnten Jahrhundert glaub⸗ 


ten 


) Ueber bie Amulete ber Mahomebaner , Chardin 
und Viebuhr, 11: ce. - Ueber die der Hindus, 
Sonnerat J. .69.©. Der Siamefen , Loubere J. 
203. Der Calmycken, Pallas Reiſen, I. 352 ©, 
Der Amboinefen, Valentyn IL, 197, III. ır p. 


h) Thurneifers Leben von Moͤhſen ‚©. qı. Lettr, 5 


Edif, XXII, p. 119. 20. 


— 


a. Plinii Hift, Nat, XXV, c, ai et fq. Wieglebs | 


bift. Brit, Unterf, der Alchemie, 182. 202 us f. ©. 


I Beioe hiſt. Vergl. des Mittelaiters II. 216m 


⸗ 


Hy Thurneiſers Leben, 37 S. 


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nee — 
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er. 


' 


6id — —2* 


—8 


wopgenlaͤndiſchen Voͤlker, mit welchen fie bekannt 


wurden. In Griechenland und Rom ward ſo gar 
die Philoſophie eine Stuͤtze, oder Gehuͤlfinn des 
herrſchenden Aberglaubens, ſo wie im dreyzehnten, 


und den folgenden Jahrhunderten unter den Chriſt⸗ 


I ny Man ſ. meine hiſtor. Vergl. III. 188 uf. ©. 


lichen Völkern des Abenblanded h). Unter den 
Griechen waren Zenopbanes,. Kpikur, und. 
‚ Barneades die einzigen Weltweifen, welche tie 


Divtnation überhaupt verwarfen, ober beftritten. 


Die übrigen Philofephen, unter diefen felbft ſolche, 
- welche dad Daſeyn Gotted, und der Unfterklichkeit 


des Seele laͤugneten, nahmen entweber alle, oter 
doch gewiffe Arten von Divination in Schuß, und 
machten die Unterfuchungen über diefe Arten. von 


Dibvination zu Abfchnitten ihrer Natürlehre i). Das 


her gefhah ed, dag die Griechen und Roͤmer der 


Dibvination auch in den Zeiten innig ergeben mas 


zen, wo Kunſt und Wiffenfchaft am meiſten unter 
ihnen bluͤhten; und daß zuleßt faft Fein Gegen⸗ 


Hand, Feine Erfcheiuung übrig blieb, die nicht ihr 
Gemuͤth mit falfchen Hoffnungen, oder VBefürdh: 


tungen ber Zufuuft erfüllt hätte k). Es ift Fein. 
. | Eins 


i) Cicero de Divin. I. c 3. E quibus, ut de au- 
tiquiffimis loquar, Colophonius Xenophanes 
unus, qui deos efle diceret, divinationeni fun- 
ditus fuRulit, Reliqui vero omnes, praeter Epi- 

-eurum, - - - divinatiönem. probavernnt, - - . 

Nam cum .. plurimis locis gravis auctor De. 

:' moeritus praelenfionem rerum futurarum com- 

. proberet, Dicaearchus Peripateticus cetera di- 
vinationis genera ſuſtulit, fomniorum et fu- 
roris religquit, - - Man fehe auch I. 39. 

k) Man ſ. Theophrafli Charact. I. ı6, Cic. de Di- 
vinat, II, 78, Inßat onim ([uperflitio) et urget, - 

j 2 et 


> 











‘ 


Dreyzehntes Bud. 


Sefchichte der Worbedeutungen, oder der 


- Wahrfagungen, und Weiffagungen. 


“ * 





Die bisherigen Unterfachungen haben gelehrt, 
daß bie nicht ganz aufgeklärten Völker ohne Aus⸗ 


nahme nit nur alle ungewoͤhnliche, ſondern auch 
‚die meiften gewöhnlichen Begebenheiten für unmits . 


telbare Wirkungen der Götter hielten. Nenn 


folche Begebenheiten nicht wirklihe Gfhcfss oder - 


Unglücöfälle. waren, dad heißt, wenn fie nicht 
auf der Stelle Gluͤck, oder Unglüd brachten; fo 
ſah .man fie wenigſtens als Worbebeutungen des 
einen, ober bed andern, ald Zeichen bes Willens, 
des Zornd, ober ber Gnade höherer Naturen an. 


Der Glaube alfo an Vorbedeutungen der Zukunft, 


an Zeichen des Willens, ber Gnade, oder Uns 


gnade von Göttern iſt eben fo alt, als das menſch⸗ 


lihe Geſchlecht, oder als Religionen überhaupt a). 


a) Cicer. de Nat, Deor, II. 3. Praedictiones ver 
zo. et praelenliones rerum futurarum quid aliud 
declarant, nik hominibus ea, quas fint, oſten- 
‚di, monftrari. portendi, praedici? ex quo illa 
ofenta, menftra, portente, prodigia dicuntur? 

I eber 


So 


me 
» 


—— un 


604 Ze j — N 


So wie bie Borftellungen von Beſchwoͤrungen und 
Zuuberey vor bem Gewerbe, oder der Kunft von 
Beſchwoͤrern, und Zauberern hergingen; fo der 
Slanbe an Vorbeventungen, an Worherfehen und 
Vorherſagen der Zukunft, vor den Künften von 
Waͤhrſagern, und Weiffagern. Die Römer faß⸗ 
ten unter dem Worte Divination, die Griechen 
unter dem Worte zayrınn zweyerley. zuſammen: 
die Faͤhigkeit, vermoͤge der Einwirkungen hoͤherer 
Naturen, oder uͤbernatuͤrlicher Veränderungen uns 
fers Sunern den Willen der Götter vorherzufehen 
und vorherzufagen, und Bann bie natuͤrliche, oder 
erworbene Fertigkeit, die Vorbedeutungen bes 
Willens der Goͤtter in ber äußern Natur, in ben 
und umgebenden Dingen wahrzunehmen, und richs 
tig auszulegen 6). Wir haben im Deutfchen Feis 
sen Ausdruck, der dem Sateinifhen Divinatio 
vollfommen entſpraͤche; dagegen bezeichnen .wir bie 
beyten Hauptarten der Divination viel beſtimmter, 
als die Alten, durch die Wörter weiſſagen, und 
wahrſagen. Selbſt die Weltweiſen der Griechen, 
und Mömer nämlich theilten tie Divination in bie 
nstürliche, und Zünftlige ab. Unter der erftern 
verſtanden fie das Vorherfehen, und Vorherfagen 
der Zukunft in Traͤumen, und Entzuͤckungen, oder 
Werzuͤckungen: unter ber Ießten, das Vorherſe⸗ 
hen, und Vorherfagen bes Willend ber Götter 
\ Eu 2 „aus 


—8 


Ueber omina, Cie, de Divin. 1,45, Die Woͤr⸗ _ 
. ter prodigia, und ollenta dedeuteten wicht immer 

ungluͤckliche, fondern fo wohl gluͤckliche, als uns 

afndliche Zeichen, Cie. lc. nec non de.Div, I, 
E. 33. 34. bef, Valer. Max. I, ı-6c. 


b} Cicer de Div, I. “5 Il. c, 5. 


7 1— 


. — on . J 605 


aus allerley Erſcheinungen am Himmel). und in 
der Luft, auf ber Erbe, und in Gewaͤſſern, in 
Menſchen und Thieren, ober anderen Theilen der 


Natur: felbft aus ben. verfchiedenen Arten von. 
fortibus. Man nannte die Divination in Träus: 


men, und Entzücungen, ober Verzückungen na⸗ 
türlidh, weil fie ohne Erfahrung und Kunft durch 
die bloßen Einwirkungen höherer Naturen bewirft 
werde; und. bie andern Arten von Divination Binft: 
ih, meil fie entweber langtwierige Beobachtungen, 
oder eine glücklihe Gabe, zu vathen voraugfiß: 
ten c). | 
Im 


\ 
} \ 


©) Cicer, de Div. I. e, 6, Duo funt enim divi- 


nandi genera, quorum alterum artis eft, alte- 


‘ 


rum naturae. Quae ef autem gens, aut quae: 


civitas, quae non aut extis pecudum; aut ınon- 
ira, aut fulgura interpretantium, aut augurnm, 

. aut aftrologorum, aut fortium, (ea enim fere 
artie [unt) aut ſomniorum, aut vaticinationum, 
(haec enim duo naturalia putantur) praedictione 
moveatur? Man ſehe ferner I. 49. 50. II, 11. 
Duo enim genera divinandi elle dicebas, unum 
artificiofum, alterum naturale, Artificiolum 
conftare partim ex Conjectura, partim ex ob- 
ſervatione diuturna: naturale, quod animus 
arriperet, aut exciperet extrinlecus ex divinita- 

- „te, unde omnes.animos hauflos, aut acceptos, 
aut libatos haberemus. Artificiofae divinatio- 
nis illa fere genera ponebas, extilpicum, eo- 


= ramque, qui ex fulguribus, oftentisque praedi- 


cerent; tum augurum, eorumgue, qui fignis, 
‚ant ominibus uterentur, onmeque genns con- 
‚ jecturale in hoc fere genere ponebas. Illud au- 


tem naturale, aut concitatione- mentis edi, et 
gual fundi videbatur, aut animo, per fonınum. 
\. 

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enſibus, et curis vacuo provideri, 


T 
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‘ “ 1 s 
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614 ww » | 
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Reine Art von Divination bar. älter un 


allgemeiner; und keine erhielt fi während aller 


dee Perioden, welche Völker von der aͤußerſten 
Mohheit bis nahe an den Zeitpunct ber Achten Auf⸗ 
klaͤrung zu durchlaufen haben, in einem fo großen 
und allgemeinen Anfehen, als bie Divination aus 


Traͤumen. Mit Recht Eann man Zräume bie 


vornehmſten Östterfpräche wilder Völker nennen m). 
- Die Wilden in America, Sibirien und anderen 
Xhellen der Erde wählen nicht nur ihre Götter 
meiftens nad) ben Eingebungen von Träumen, fons 
bern fie unternehmen aud feinen Kriegszug, ober 
: Sagt, fliegen Fein Buͤndniß, oder wichtigen Vers 
trag, ohne vorher durch Traͤume bazu erimuntert, 
ober darüber belchrs worden zu feyun). Nichts 
ift ihnen fo theuer, was fie nicht aufopfern, nichts 
fo ſchwer, was fie nicht dulden, oder wagen, wenn 
fie durch das Scheiß eined Traumes dazu aufgefers 
bert werden, indem fie überzeugt find, daß Un: 
gehorfam gegen die Warnungen ber Ödtter in Traͤn⸗ 
men undermeidlichen Tod nad fich ziehe 0). Die 

. Americanifhen und Sibiriſchen Jaͤger oder Fifcher 
: geben ihre Foftbarften Kleider, ihr Eoftbarftes Ges 
räth willig her, wenn Jemand ed ihnen unter bem 
Vorwande abfordert, daß ihm davon geträumt 
babe. Mit gleicher Bereitwilligkcit überlaffen ſich 


.“ m) Hennepin in den Voyag..an Nord v. 275. Les 

- fonges leur tiennent lien de Propbetie, d’in- 

. “Spiration, de Loix, de commandemänt, et 'de 

: regles dans leurs entreprifes de guerre, de paix, 
de commerce, st de challe, 


'n) Gharlevoix 355 et ſq. p. Steller 79 ©. Hen- 
nernl.c  . : 


0) ib. ML " r_ 


bie 


Ku | —— "615 


| die Ramtfchabalinnen ben Umarmungen eines Je⸗ 


den, welcher vorgibt, daß er ihrer tm Traume ges 
noffen habe. Micht felten trägt es fi su, daß 
die Phantafie einem Traͤumenden etwas vorſpie⸗ 
gelt, was Ein Menſch ihm nicht gerfchaffen fan. 
Danıvereinigen ‚ganze Wölkerfchaften, ‚oder Ge⸗ 


meinen ihre Kräfte, um das herbepzubringen, wa® 


bie Götter einem Traͤumenden verheiffen haben; 
and follte man ed auch in einer Entfernung von 
fuͤnfhundert Stunden. auffuhen 9), Die Wil; 
den vollziehen. nicht bloß die Befehle, die den 
Traͤumenden günftig, . fondern auch ſolche, bie ihr 
nen hoͤchſt ungünftig find. Einem Americaner 
träumte, daß man ihm einen Finger abfchneibe.. 
Er verftäümmelte fih wirkiih, den Warnungen 


‚ ber Götter gemäß, nachdem er fih durch ein Feſt 


Dame 2 RER 
. - 


A⸗ 


zu dieſer wichtigen Handlung vorbereitet hatte ). 


Meiſtens gehorcht man auch den Traͤumen, wel⸗ 


che befehlen, daß man dieſen, oder jenen aus ſei⸗ 


nem Volke ermorden ſolle. Hiervon macht man 
nur alsdann eine Ausnahme, wenn ber Träumen 
de hört, daß ein Traum einem andern die Blut⸗ 


sache aufgetragen habe, ch fehe, fagt in biefem 


Fall der erfie Träumer, daß dein Geift flärker, 
als der meinige ifl. Laßt und nicht weiter Yon 
‚der Sache fprehen s)! — Auch ber. Drient bielt 

| von 


») Cherlevoix p. 356. 

“ 9) ib. p. 364. 

r) Le. Da es Wilden chen fo gut, als anderen Mens 
{chen begegnet, daß ihnen Dinge im Xraume vor⸗ 
Tommen, die fih garnicht ausführen, oder erreichen 
laſſen; fo müflen, und muften fie von jeher auf 


Mittel denken, wie man unausführbare Träume 
| | . on gleich⸗ 


916 wm ver — 


I jeher ‚und hält auf jeßt:nod Träume fürder 
| ten, oder MWarnungen.dee Gottheit s). Selbſt die 
Juden verehrten ſolche Traͤumer ald göttliche Pros 


„t. [ubeten, denen Jehovah nidt bloß Träume zus 
ſandie, ſondern aud. den Sinn von Träumen ofs 
fenbarte. Die Juden baten den Gott ihrer Vaͤ⸗ | 
ter ,febr ‚häufig, daß er ihnen doch feinen Willen, 
oder die Zukunft. in Traͤumen befannt machen wolle, Ä 
Wenn dieſe Bitte nicht erhört wurde, fo befuchs 
u ten vie Juden nicht felten die Tempel: weiffagens 
der heidniſcher Goͤtter, um in benfelben zu ruhen, 
und während des Schlafs weifjagende Traͤume zu 
erhalten. t). Das alte Griet:enlaud dachte über 
Träume und Weiſſagungen von Traͤumenden eben 
fe, wie der aͤlteſte Orient. Als bie Griechen vor 
Troja nicht wußten, warum Apol fo fehr gegen 
fie zuͤrne; fo.that Achill den Vorſchlag, dag man | 
‚irgend einen Priefier, oder Propheten, oder Traum⸗ 
Deuter, denn aud Träume flammten vom Jupi- 
tev ab, fragen möge, moburd man den Gott. ver: 
fülnen koͤnꝛe. Hier uf erhob fi Kalchas, der 
Befts unter den Weiffagern und Traumdeutern, ber 
nicht. bloß bie Gegenwart, fondern auch die Vers 
. . . . tn | gan⸗ 


— nleichſam taͤuſchen, ober zum Scheine erfoͤllen koͤnne. 
cCCharlevoix erzaͤhlt ein luſtiges Beyipiet, wie man 
eine. Wilden geheilt habe, dem im Traume ein 

Beier in den Magen gekrochen war, l.c. p. 355. 


s) Die vernehmfien Beyſpiele der Traumdenteren des 

Orients, die in den heiligen Büchern der Juden 
| vorfommen, hat del Rio gelammelt in den Difquif. 
‘1 Mag. Ill. p 1573. 154. Man vergleiche Herodot. 
VII12. 186%. j .. 





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4 


‚gengenbeit und Zukunft · kannte su). Wenn die aͤl⸗ 
‚teren Griechen weiſſagende Traͤume auch vorzugs⸗ 
weiſe dem Jupiter zuſchrieben; fo ſchrieben ſie ihm 


dech dieſelben nicht allein zu. Man glaubte von 


allen übrigen Göttern, daß fie ihren Willen durch 
Träume zu erkennen geben koͤnnten, und in allen 


Theilen von Griechenland waren daher nicht bloß 
Göttern, fondern auch KHalbgdttern und Melden 
Zempel errichtet, weldye man in der Abſicht beſuch⸗ 


te, um burd weiffagende Träume Math, oder 
Huͤlfe zu.erhalten x). Die gröften Stautsmärner, 


Heerführer und Könige der Griechen fol«ten den 
Warnungen der Götter in Träumen. Dieß ers 
zahle die Gefchichte vom Themiſtokles y,, dom 
Xenophon 2}, vom Alerander ai, vom Antigos 
nus b), vom Pyrrhus c) und Mithridat dem 
Bu Ä Bros 

) Miad. I. v. 63 et fg. ' 


7 Aaı ovapomolov, (x Yaor' ovxp ax dog esın, - 


o 0 0 ‚+ 4 + + 


naiyas Jesopidys owvomoAmv dx” apısec 
66 36m Ta T’sovrx, Ta T’ saeousve, wbo T’s0Vre)e 


) DelRio l.c. Van Dale deOrac, p. 236. Caſaub. 


Prol, ad Perſium p. 9. 
) Plutarch. I. 496 497. 
z) Anab, in Oper. Vol. II. p. 133. Edit. Thieme, 


4) Man ſ. Aleranders Leben vom Plutarch, und 


Arrian, de Exped. Alex, an vielen Stellen. Va⸗ 

lerius Maximus erzählt, daR Alerander den 

Traum verachtet habe, durch den ihm fein Mörder 

angegeben worden, I. c.). Wenn dieſes geichab, fo 

iſt dieß eins von den vielen Beyſpielen, daß die 

aberglaͤubigſten Menſchen ſich nicht immer gleich ſind. 
5) Plutarch, V. p.8. 


c) 11, 736. 787. 


. 
‘ 
2 [ j} . v 
1 — 


Großen d). RXRenophon ſchrieb einen Traum, 
der ihn waͤhrend des Heerzuges des juͤngeren Cy⸗ 
eus aufſchreckte, Jupiter dem Koͤnige zu, wahr⸗ 
ſcheinlich weil ihm traͤumte, daß ein Blitzſtrahl in 
fein vaͤterliches Haus gefallen fen, und dieſes in 
volle Flammen gefeßt habe. — Antigonus wollte, 
um eines Traumes willen ben jungen Mithrida⸗ 
tes, den Stammpater ber Pontiſchen Könige, aus 
dem Wege räumen. Der Letzte und Beruͤhmteſte 
unter ben Nachfolgern dieſes Fürften, Mithridat 
der Broße, adtete fo fehr auf Träume, daß es. 
nicht bloß feine eigenen, fondern auch feiner eis 
ber Träume forgfältig aufzeichnete: welche Schrift 
Dompejus unter ben Papieren und Schaͤtzen des 

2 Äberwundened Königs fand.e). Noch merkwuͤrdi⸗ 
ger iſt es, daß faft alle Griechiſche Weltweife, uns 

. ter biefen foldye, welche die übrigen Arten von Dis 

| vination verwarfen, bad Vorherfehen ber Zukunft 
| in Träumen und Verzuͤckungen vertheidigten f). 

| Die beruͤhmteſten Staatsmaͤnner, Heerfuͤhrer und 

Weltweiſen der Roͤmer waren nicht weniger aber⸗ 

glaͤubig, als die Griechifchen g). Die Traumdeu⸗ 


te⸗ 
a in. 33. 
J e) ll. cc, 
2.0000) Cie. de Divin, I. 3. 25. 30-37. Das Letztere 


gilt beſonders vom Ariftöteles 1. c. 25. 37. und 
vom Dicaͤarch L c. 3. | 
8) Außer den älteren Beyſpielen, welche Balertus 
25, Magnus I. ©.7. gefammelt hat, führe ich nur nody - 
07 folgende an: des Sulla, Plutarch III, 88. ber 
beyden Cicerone, Cicer. de Divin. 1. c. 28. des 
Yuguft, Val, Maxim, l,c. des Gäfar, Suet, in 
Gaek ec. 81. des älteren ſowohl, als des hingrsen 
| - , 


N x 
‘ 


terey ber Griechen und Roͤmer, . befonbers ihrer 
MWeltweifen nahm mit ben Verfall der Künfte und 
Wiſſenſchaften in gleichem Grade gu; und es kam 
zuletzt fo weit, daß Männer, die nicht bloß fi 
ſelbſt, fondern auch ihren Zeitgenoffen Weife zu 
ſeyn dünkten, mehr auf die Träume ber Nacht, 
als auf die Gedanken Handlungen des Tages 
achteten 6). Die Anvchme und Verbreitung bed 


Chriſtenthums minderie dieſe Art von Aberglauben . 


im Geringſten nicht a 


Nach bem, was im vorhergehenden Bade 
über die angebiichen Zauberer dub Weiſſager ſelbſt 
unter ben toheften Völkern gefagt worben, babe 
ich nicht mehr nöthig, zu beweifen, daß der Glaube 
an die witffanende Kraft von verzückten Perfonen - 
eben fo alt und allgemein war, ald die Traum⸗ 

. Deuts 


Plinius, Plin. Epıl. 18. m 5. Caſar ward durch 
die Traͤume, welche er in der Nacht vor ſeiner Er⸗ 
mordung gehabt harte, befonder® aber durch einen 
Traum feiner Gemahlinn Calpurnia ſo fehr erſchüt⸗ 
tert, daß er wahrfcheinlic zu Haufe geblieben wäre, 
wenn ihn nicht Decimus Brutus auf eine newiffe 
t befhäme, und durch die kraftigſten Vorftelluns 
gen bewegt hätte, den zufammienberufenen Genat 
nicht vergeblich aus einander gehen zu laſſen. 


Ah) Man f. meinen Bentrag zur @elchichte der Denkart 
. der Eſten Jahrhunderte nach Chriſti Geburt m 
9 S. 


i) So unternahm Juſtinian ben Kriegszug gegen die 
Vandalen in Afrıta auf das Gebeiß eines Traumes, 
‚ svelchen ein Morgenlaͤndiſcher Diſchof gehabt hatte, 
und welchen diefer den Kaiſer als einen aöttlihen 
. Befehl befannr machte, Frese. in Grotii Hißor. 
Goxhorum » St 


- 
x 
- *8 
En — 


6126 — — 


beuterey. Auch behauptete ſich dieſer Glaube an 
die Divination im Zuſtande des Verzuͤckens eben 
fo lange, als der an die Divination aus Traͤumen. 
Die größeren und gebildeteren Voͤlker unterhielten 


nicht bloß lebende Weiſſager, fondern befagen auch 


Sammlungen von Weiſſagungen beruͤhmter Pro⸗ 


yheten, in welchen man waͤhnte, daß die Schick⸗ 
ſale ganzer Staaten Jahrhunderte vorher verkuͤn⸗ 


bigt worden. Die Aegyptier unterſchieden ſich darin 


\ 


vortheilhaft Yon allen übrigen Nationen des Orients, 


felbft von den Juden, daß fie Niemanden als Pros 
pheten anerkannten, der nicht von gewiſſen Goͤttern, 


und in ben Tempeln gewiffer Götter begeiftert wor⸗ 


den. Die Kunſt der Weilfagung, erzählt Hero⸗ 


dor k), verhält ſich unter den Negyptiern folgens 


der Gehalt. Die Aegyptier find überzengt, daß 


die Gabe zu weiffagen feinem Sterblicyen beywoh: 
‘ne, fondern allein den Göttern zulomme. Solche 


weiffagende Götter find Hercules, Apollo, Mis 
nerda,. Diana, Mars, Jupiter, und vorzuͤg⸗ 


lich die Latona zu Buto, deren Tempel’ daher am 


meiften befucht wird.” — In fpäteren Zeiten ge: 


‚hörte auch der Apis zu den weiffagenden Göttern. - 


Sa man traute fogar-den Knaben, welche die Lobs 


- lieder ded Stiergottes abfangen, Gabe der, Weifs 


fagung zu /). Unter den Juden warb es, befons 
ders nad) ben Z.iten Davids, herrſchende Met 


“ ung m, daß Jehovah ſeinen Willen häufig durch 


den Mund von Propheten offenbare. Die Suden 
U | | theils 


MIL 8. 
h J) Plutarch, VII. 406. | Ä 
m) Delrio III. 149 et [q. P. Mich. Moſ. Recht V. 


181: 199. 


% 
\ 


— — 621 


theilten die Propheten nicht Bloß in wahre und . 


falfche, ſondern fie theilten auch die wahren in 
“mehrere Glaffen ab, nach ber Verfhiedenheit‘ der 
Arten, mie man alaubte, daß die Gottheit fi 
ihnen offenbare.. Die Einen erhielten bloß Ge 
fihter : Andere vernahmen bloß Worte: noch Ans 
dere fahen und hörten zugleich außerorbentliche Din⸗ 


ge.. Einige wurden verzuͤckt, Andere nicht, Die 


Suden mußten felbft falſche Propheten bulden, wenn 


ſie auch das Volk durch die furchtbarften und ges 


fährlichften Vorherfagungen in große Angſt, ober 
Verwirrung feßten. So bald aber Prophezeihuns 
gen falfch befunden wurden; fo fleinigte man ihre 
Urheber, wie alle Wahrfager, zu Tode. Wenn 


man biefe Strafen beftändig nad) der Strenge volle 


zogen hätte; fo würben fig ſchwerlich Vetrüger 


jemahl8 zu Propheten aufgeworfen haben. In 
Griechenland hatten alle Stastenn), alle Könige o), 
und aroße Staatsmänner p) ihre Propheten, wel⸗ 
che ſie bey den wichtigften Unternehmungen und Vor: 
fällen zu Rathe zogen. In allen Staaten fanden 
ſich Sammlungen von alten Wetffagungen berühins 
ter Propheten, welche man meiftens ald Staat: 
Geheimniſſe bewahrte, und welche man glaubte, 
‚ nicht vernachläffigen zu koͤnnen, ohne ſich den fchnell: 


en 


n) Plut, III. 366. Cic. de Div. I. 43. Nam et Athe- 


nienles omnibus ſemper publicis conſiliis divi- 
nos quosdam [acerdotes, quos kavraig vocant, 
adhibuerunt, etc. \ 


0) 3. B. Alexander IV. 60, 95. Plut, 
) 3.B. Nikias III. 342, Plub. et 


1 


PR EP; 
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623 . 5 x  — {| 


ſten und haͤrteſten göttlichen Strafen aus zuſetzen g). 


Dieſe alten Weiſſagungen wurden am meiſten von 


Verfuͤhrern des Volks und andern Betruͤgern ge⸗ 
mißbraucht. Hipparch verjaate den Onomakri-⸗ 


tus, weil er die heiligen Gedichte des Muſaͤus 
verfaͤlſcht hatte; und eben diekes Onomakritus bes 


dienten fidy nachher bie vertriebenen Pififtrariden, 


um ben Zerxes zum Kriege gegen Griechenland zu 
ermuntern vr). Alkibiades erbichtete nicht nur 


falfhe Götterfprüde des "Jupirer Ammon, ſon⸗ 


bern er brachte auch alte heilige Weiffagungen an’3 
Licht, durch melde den Uthenienfern ein glorreicher 
Sieg Aber die Syrakuſaner verheiffen wurde; und 
biefe falfchen Weiffagungen waren ed vorzüglich, 
modurd er feine Mitbürger zu der ungluͤcklichen 
Unternehmung bewegte s). Ariftoreles und mehrere 
feiner ungläubigfien Schäfer ſtimmten den übrigen 
Philvfophen Griechenlands nicht bloß darin bey, daß 
biemenfchlichen Seelen durch die Einwirkung der 


Gottheit gleihfam von ben Coͤrpern allgelöft, in eine 


Urt von ‚heiliger Maferey ober Begeifterung vers 
feßt, und dadurch fähig. gemacht werden Föunten, 


die Zukunft vorherzuſehen, ſondern der Stagirit 


behauptete fo gar, daß auch Verruͤckte etwas götts 
| | (is 


9) Man f. über die xpysuss, welche die Pififtratis 
den bey ihrer Flucht in dem Tempel der Minerva 
zurüdließen, und deren ſich Rleomenes nachher bes 
meiflerte,. Herodot V. 90. gi. Ferner iiber die 
Drafel dee Muſaͤus, Bacis und Apſiſtratus VII. 
6. VIII. 20. 77 et 96 cc, 

r) VII 6,7, 

s) Plutarch, III. 365 p: 


’ 
® 


— — — 6233 


liches und weiſſagendes anſich haͤtten 2). Naq 


dieſen Beyſpielen der Griechen muß man es ben 


Roͤmiſchen Feldherren und Weltweiſen verzeihen, 
daß auch ſie auf die Stimme von Weiſſagern und 
Weiſſagerinnen horchten. Einen der merkmuͤrdig⸗ 
ſten Fälle des Glaubens der Roͤmer an Weifſſa⸗ 


gern fuͤhrt Cicero ſelbſt an. Kurz vor der Schlacht 


bey Pharſalia ward ein Rhodiſcher Ruderer durch 
die Erwartung der Dinge ſo außer ſich geſetzt, daß 


er in einer Anwandlung dom aͤngſtlichen Wahnfinn 
prophezeihte: in weniger als dreyßig Tagen würden 


in Griechenland Ströme von Blur fliegen? Dyrra⸗ 


chium werde geplündert und in Brand geſteckt wer: 
den! ein großer Theil der Heberwundenen werte 
ſich mit genauer Noth aus den Flammen der brens 


nenden Stadt retten, doch werde bie Flotte der 


Rhodier bald in dad Vaterland zuruͤckkehren. Die 


Nachricht von dieſer Meiffagung erfchätterte alle 


vornehme "und gelehrte Roͤmer, die dem Pompe⸗ 


jus folgten , unter diefen auch den M. Caro, ben 


M. Varro und den IN. Cicero u). Bey biefem | 
| J all⸗ 


©) Cic de Div. I. c. 30. Ineſt igitur in animis 


praefagitio extrinlecus injecta, atque incluſa di 


vinitus Ea fi exarüt acrius, furor appellatur, 


cum a corpore animusabftractus divinoinflincetu 


‚ eoncitatur. c. 37. griflotelee quidem eos etiam, 
qui valetudinis vifio furerent, et melancolici 


dicerentur, cenſebat habere aliquid in animis 


_praelagiens atque divinum., 


u) Cic. deDivinat I,32c.. tum nequeteiplum non 
elle commotum: Marcumgue Varronem, et M. 


Catonem, qui tum ibi erant, doctos homines ve- 


hementer elle peterritos. Da ſoiche Danner durch 


* 


⸗ 


eine angebliche Weiſſagung heftig bewegt wurden, j 


x 


(XT j — — 
Allgemeinen Aberglauben der Römer in den Zeiten - 
wo. fie unläugbar am meiften gebiltet waren, iſt 
es beynahe unbegreiflih, wie die Alteften Häupter - 
und Väter biefed Volks einen fo. weifen Gebraud 
von ben Weiffagungen der Sibylle machten, die 
nach einer alten Volksſage aus Griechenland nach 
Stalien gekommen war, und die Schickſale des 
Roͤmiſchen Reis auf alle folgende Jahrhunderte 
yorher verfündigt hatte x), Die Einficht der Bis - 
cher, weldye die Sibylliniſchen Weißaguna:n: in 
fi) foßten, war Miemanden erlaubt, ald den 
Männern, welche zuerft von ben Königen, und 
naher vom Senat dazu befiellt wurden, .- Diefer 
Ausleger ver Sibylliniſchen Bücher waren anfangs 
mur zwey, in. der Tolge zehn, und fünfzehn, wos 
bet fie den Nahmen der Zehn: und Zunfzehn: Diän: 
ner erhielten. Die leßteren Nahmen blieben andy 
nachdem die Zahl derfelben noch weiter Sirmehrt 
“wurde. Dan wählte die Ausleger der Gibyllinis 


ſchen Bücher unter den angefehenften- Männern, ' 


von weldyen man gewifi war, daß fie die ihnen ans 
vertrauten heiligen Bücher nicht anders, ald nad) 
den Abfichten bed Senats, oder zur Befoͤrderung 
der allgemeinen Wohlfahrt brauchen, und deuten 
wuͤrden. Selbſt diefe beftellten Ausleger burften 
bie Sibylliniſchen Bücher nicht eher einfehen, als 
‚bis, e8 ihnen vom Senat befohlen, und zu 'gleis 
‚ der Zeit die Abfiht bekannt gemacht wurde, um 
weicher willen man zu ben göttlichen Warnungen 
: der 


ſo iſt es, kaum der Muͤhe werth, zu erwaͤhnen daß 
"Marius eine Eyriſche Prophetinn mit fir) um: 
herfuͤhrte. Plutarch, II. 853 p. 


. x) Lirius I. 7. Cic, de Divinat, IL, 54, 


N 


- — 6445 


ber Sibylle feine Zuflucht vehme. Der Senat be⸗ 
fahl die Einſicht der Sibylliniſchen Buͤcher nur 
alsdann, wann die Gemuͤther des Volks entweder 
buch ganz, ungewöhnliche, oder durch ſehr viele, 
und ſchnell auf einander folgende Prodigien mit 
Schrecken erfüllt. worben waren. . Die Ansmprf 
der Zehnmäuner war befiäudig:; daß man, ellen, 
ober gewiſſen Gotiheiten biefe, oder jene Opfer, 
and Gaben bringen, oder gewiffe Feſte feiern, und 
andere Gottesdienſtliche Handlungen vornehmen 
müfle y), Der Senat forgte bafür, daß alles, 
was bie Sibyllinifchen Bücher in jevem Falle vors 
fehrieben, pünctlih ausgerichtet wuͤrde. Go bald 
dieſes gefchehen war, fo fühlte ſich das Volk von 
feinen Beſorgniſſen geheilt, . und Cicero fagte bar 
her fehr xichtig, daß bie. Sibylliniſchen Buͤcher niel 
mehr zur Befänftiaung, ald zur Erregung, ober Vers ' 
breitung abergläubiger Schreckniſſe dienten ww ).. 
| on Es 


\ » 


.y) Man f. Liv. XXI. e. 62. XXII. 1. erg. Un der 
legten Stelle beißt ed: pervicit, ut, quod non 
ferme decernitur, niſi quum tetra prodigia nun- 
tiata funt, decemviri libros Sibyliimes- adire ju- 
berentur, gniinfpectis fatalibus libris retulerunt 
Patribus, ete. Lib, I. c.ı2. Ante omnia 
abominati femimares, juſſique in mare extem-, 

. plo deportari. - - - Nihilo minus decemviros 
'adire libros deporiengo eo jullerunt. XXXIV. 55, 
wo man wegen der häufigen Erobeben die Sibyllinis . 
ſchen Bücher einzuſehen befahl. J 


yy) II. 44. de Divin.. Quamobrem $ibyllam qui- 
' dem lepoßtam et conditam habeamus, ut id, 
quod proditum ef a majoribns, injuflu fenatus 
- ne legantur quidem libri, valeantque ad depg- 
nendus potins, quam ad [ulcipiendas religioties. 


Re 


\ 
! 
’ x 
7 Zu — — 
x - 


Es war bey Todesſtrafe verboten, die Sibyllinl⸗ 
ſchen Buͤcher Ungeweihten zu zeigen, und den In⸗ 
halt derſelben Anderen, als dem Senat bekamt zu 
machen. Der König Tarquinius ließ wirklich eis 
nen Duumpir, der die heiligen Buͤcher Jemanden 
zum: Abſchreiben hingegeben hatte, tm einen Sack 
‚sähen, und in's Meer werfen 2). Erſt in ben 
legten Zeiten der Republik fingen Ehrgeißige an, 
die angeblichen Ausſpruͤche der Sibylliniſchen Büs 
er fo zu mißbrauchen, wie man die alten Weiſſa⸗ 


| aungen in Griechenland gemißbraucht hatte a). 


In demfelbigen Zeitraum benußte der Senat die 
Sibylliniſchen Bücher zur Vereitelung gefährlicher 
Abſichten von einzelnen Ehrgeißigen auf -eine Art, 


Die felbft dem großen Haufen auffiel 5). Uebri⸗ 


gend muß man in gleihem. Grabe erftannen über 
dad Zutrauen, mad das Roͤmiſche Volk in Reli⸗ 
gions-Sachen zu feinen Vorfichern und Prieftern - 
hatte, und über ben weifen Ernft, womit die Bors 
. fteher, und Priefter den Volks s Glauben nad; ib; 
ven Abfichten lenkten, ober ſchaͤdlichen Aberglauben 
zu verhüten ſuchten. Im J. 669. nach Erbauung 
der Stadt brannte während bed Marſiſchen Krie⸗ 

| ges 


3) Dionyf, Halie. IV, p. abo. Kalt, Sylb, Val. Max. 
a) So Kentus, Salluſt. de hello Catil. e. 47. u. 
Caſar, Suetonius in Caeſ. c. 79. 


5) In der Angelegenheit der Zuruͤckfuͤßrung des Mes 

gyptiſchen Königs. Cicer. Epiſt. I. 1. Senatus 

religionis calumniam non religione, [ed mali- 

- volentia, et illius regiae largitionis invidia- com. 

. probat, et Ep. 7. - - et ine multitndine redu. 

eatur, quemadmodum homines religioli Sibyl- 
lae placere dixerunt. 





— — 627 ze 


ges dad Capitol ab, und mit bem Tempel wur⸗ 
den auch die. Sibyllinifchen Buͤcher verzehrt, wel⸗ 
de Tarquin daſelbſt niedergelegt hatte c). Nach 
dieſem Unfall ſandte der Senat Abgeordnete nach 


Aſien, und Griechenland ab, welche die Prophe⸗ 


zeyungen der Sibyllen, beſonders der zu Erpythraͤ, 
ſammeln mußten; und ließ auch ſonſt von allen 
Enden her, wo man dergleichen zu beſitzen vorgab, 


diie Ueberbleibſel der Sibyllen nah Rom bringen, 
‚ Aus allen diefen Sammlungen feßte man die Si⸗ 
bylliniſchen Bücher gufammen, deren man fi bis 


an das Ende der Mepublil bediente. Varro 


“glaubte, daß ſich bey diefer Arbeit einige unaͤchte 


Verſe eingefchlichen hätten. Fuͤr ſolche hielt er 


diejenigen, welche don deu Griechen auposixıder ges - 


nannt wurden. Cicero beurtheilte die Sihyllini⸗ 


ſchen Bücher feiner Zeit viel richtiger, als fein - 


Freund Varro. , Er erllärte fie insgeſammt für 
eine Arbeit ſtaatskluger Männer, welche man abs 


ſichtlich mit Dunkelheit bedeckt, und deren Deutung 


man eben fo abfichtlich ſchwer, und kuͤnſtlich ge: 
macht babe, damit man die Sibylle jedes Mahl 


antworten laſſen Eönne, was der Genas wolle 4). | 


€) Freinsh, Epit. Liv. L. 86. e. 4. Varro ap, Di» 
nyſ. Halicar. Lib. IV. p. S6o. Ed. Sylb, welche 


s 


Stelle von Dale de Orac, c. 18, p. 405-7, ganz 
anführt. 


ed) II, 54. de Divin, Callide enim »-quiilla com. . 


pofuit, perfecit, ut, quodcungue aceidiſſet, 


praedictum videretur, hominum et temporum ' 


: definitione ſublata. Adhibnit etiam latebram 

obfcuritatis, ut iidem verfus alias in aliam ram 
poſſe accommedari viderentur, Non elle du- 
Ars 10m 


/ 0 . “ 004 
620 — — — 


beuterey. Auch behauptete ſich dieſer Glaube an 
die Dioination im Zuftande des Verzüdens eben 
fo Lange, als der an die Divination aus Traͤumen. 
Die größeren und: gebildeteren Völker unterhielten 


5 nicht bloß‘ lebende Weiſſager, fondern beſaßen auch 


Sammlungen von Weiffagungen beruͤhmter Pros 


pheten, in weldyen man mwähnte, baß bie Schick⸗ 


ſale ganzer Staaten Jahrhunderte vorher verfüns 
bigt worden. Die Aegyptier unterſchieden fig darin 
‚vortheithaft von allen übrigen Nationen des Orients, 
“ felbft von den Juden, daß fie Niemanden als Pros 
pheten anerkannten, der nicht von gewiſſen Goͤttern, 
und in den Tempeln gewiffer Götter begeiftert wor⸗ 
den. Die Kunſt der Weiffagung, erzählt Heros 
dor k), verhält ſich unter den Aegyptiern folgens 
der Gehalt. Die Aegyptier find überzengt, daß 


die Gabe zu meiffagen keinem Sterblicyen beywoh⸗ 
ne, fondern allein den Göttern zulomme. Solche 


weiſſagende Goͤtter ſind Hercules, Apollo, Mi⸗ 
nerva, Diana, Wars, Jupiter, und vorzuͤg⸗ 
lich die Latona zu Buto, deren Tempel daher am 
meiſten beſucht wird.” — In ſpaͤteren Zeiten ge: 


‚hörte auch der Apis zu den weiffagenden Göttern. 


Sa man traute fogar-den Anaben, melde die Lobs 
lieder des Stiergotted abfangen, Gabe der, Weifs 
fagung zu -F). Unter den Juden ward eg, befons 
ders nach) den Z.iten Davids, herrſchende Met 
“ nung m\, daß Jehovah feinen Willen häufig 1 durch 
den Mund von Propheten offenbare. Die Suden 
, | theils 
MM. 8. 
° ) Platarch, VII. 406. 


m m) Delrio II}, 149 et fq. p. mis. Moſ. fee v V. 
181: 195 | 


y 


— — 621 


theilten die Propheten nicht bloß in wahre und 
falfche, fondern fie theilten auch die wahren in 
“mehrere Claſſen ab, nach ber Verfhiedenheit‘ ber 
Arten, wie man glaubte, daß die Gottheit fi 
ihnen offenbare. Die Einen erhielten bloß Ge: 

ſichter: Andere vernahmen bloß Worte: noch Ans 
fahen und hörten zugleich außerorbentlicye Dins 

. ‚Einige wurden verzuͤckt, Andere nicht, Die’ . 
Saben mußten felbft falfhe Propheten dulden, wenn . 
ſie auch das Volk durdy die furchtbarften und ges 
fährlichften Vorherfagungen in große Angſt, ober 
Verwirrung feßten. Go bald aber Prophezeihuns . 
gen falſch befunden wurden; fo fleinigte man ihre 
Urheber, wie alle Wahrfager, zu Tode. Wendt 
man biefe Strafen beftändig nad der Strenge volls 
zogen hätte; fo würden fi ſchwerlich Betruͤger 
jemahl8 zu Propheten aufgeworfen haben. Im 
Griechenland hatten alle Staatenn), alle Könige o), 
und aroße Staatsmaͤnner p) ihre Propheten, wel⸗ 
che ſie bey den wichtigften Unternehmungen und Vor⸗ 
fällen zu Mathe zogen. In allen Staaten fanden 
. fih Sammlungen von alten Weiffagungen berühtns 
ter Propheten, welche man meiftens ald Staats: 
Geheimniſſe bewahrte, und melde man glaubte, 
\ nicht bernachläſſizen3 zu koͤnnen, ohne ſich den ſchnell⸗ 
ſten | 


n) Plut. II. 368. Cie, de Div. I. .. Nam: ‘et Athe- 
nienſes omnibus ſemper publicis conſiliis divi- 


nos quosdam ſacerdotes, quos xureis vocant, 
adhibuerunt, etc. | 


0) 3 B. Alexander IV, 60. 55. Blut, 
PD) 3. B. Nikxias II 342. Pan 0: 


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622 5 ri DU) — 


ſten und härteften göttlichen Strafen aus zuſetzen g). 


Dieſe alten Weiſſagungen wurden am meiſten von 


Verfuͤhrern des Volks und andern Betruͤgern ge⸗ 


mißbraucht. Hipparch verjagte den Onomakri⸗ 
tus, weil, er die heiligen Gedichte des Muſaͤus 
verfaͤlſcht hatte; und eben biefed Onomakritus bes 
dienten fidy nachher die vertriebenen Pififtrariden, 
um den Zerres zum Kriege gegen Griechenland zu 
ermuntern 7). Alkibiades erbichtete nicht nur 


falfye Götterfprüdhe bes "Fupicer Ammon, ſon⸗ 


bern er brachte auch alte heilige Weiffagungen an's 
Licht, durch welche ben Athenienfern ein glorreicher 
Sieg Aber die Syrakufaner verheiffen wurde; und 
diefe falfchen Weiffagungen waren es vorzüglich, 
wodurch er feine Mitbürger zu der ungluͤcklicher 
Unternehmung bewegte s). Ariftoreles und mehrere 
feiner unglaͤubigſten Schüler ſtimmten ben übrigen 
Philoſophen Griechenlands nicht blog darin bey, daß 
diemenfchlihen Seelen durch die Einwirkung der 
Gottheit gleihfam Yon ben Coͤrpern allgelöft, in eine 
Art von heiliger Maferey oder Begeifterung vers 
feßt, und dadurch fähig gemacht werden koͤnnten, 
die Zukunft vorherzuſehen, fonbern der Stagtrit 
behauptete fo gar, daß auch Verruͤckte etwas götts 

li⸗ 


4) Man f. über die Xpysusc, welche die Piſiſtrati⸗ 
den bey ihrer Flucht in dem Tempel der Minerva 
zurüdließen, und deren ſich Rleomenes nachher bes 
meifterte,. Herodot V. 90. gr. Berner tiber die 
Orakel des mMuſaus, Bacis und Ayſiſtratus VII. 
6. VIII. so. 77 et 96 c, | u 

r) VII, 6,7, 

s) Plutarch, III, 365 p. 


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x - — | — u , 623 u. 


liches und weiffugendes an fi Hätten £).. Mad 
. „biefen Benfpielen der Griechen muß man ed ben 
Roͤmiſchen Feloherren und Weltweifen verzeihen, 
dag auch fie auf die Stimme von Weiffagern unb 
Weiſſagerinnen horchten. - Einen der merkmuͤrdig⸗ 
ſten Bälle de6 Glaubens der Römer an Weiſſa⸗ 
gern führt Cicero felbft an. Kurz vor der Schlacht 
‚bey Pharfalta ward ein Rhodiſcher Ruderer durch 
‚bie Erwartung ber Dinge fo aufler ſich gefeßt, daß 
er in einer Anwandlung dom ängftliden Wabnfinn 
prophegeihte: in weniger als dreyßig Tagen würden 
in Öriedyenland Ströme von Blur fliegen: Dyrra⸗ 
chium werde geplündert und in Brand geſteckt wer: 
ben? ein großer Theil der Heberwundenen werte 
ſich mit genauer Noth aus den Flammen ber brens. 
nenden Stadt retten, doch werde bie Flotte der 
Mhodier bald in dad Vaterland zurüdkehren. Die _ 
Machricht von: diefer Weiffagung erfchütterte alle 
vornehme ‘und gelehrte Roͤmer, die dem Pompe⸗ 
jus folgten, unter dieſen auch den M. Caro, ben _ 
M. Darro und den M. Cicero u). Bey biefene 


) Cic de Div. I. c. 30. Inelt igitur in animis 
praefagitio extrinlecus injecta, atque inclufa di 
vinitus Ea fi exarüt acrius, furor appellatur, 
cum a corpore animusabfiractus divino inflinetu 

‚ concitatur. c. 37. grifloteles quidem eos etiam, 
qui valetudinis vilio furerent, et melancolici 
dicerentur, cenlebat habere alıquid in animis - 
_praelagiens atque divinum. 


u, Cic.deDivinat I,32c.. tum nequeteiplumnon 
elle commotum: Marcumque Varronem, et M. 
Catonem, gui tum ibi erant, doctos homines ve- 
hementer elle peterritos. Da jviche Manner durch) 
eine angebliche Weiſſagung heftig bewegt wurde 3 

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IT — — 


1) 


allgemeinen Aberglauben der Roͤmer in den Zeiten u 


wo. fie unläugbar am meiften gebiltet waren, iſt 


es beynahe unbegreiflich, wie bie aͤlteſten Haͤupter 
und Vaͤter dieſes Volks einen ſo weiſen Gebrauch 
von ben Weiſſagungen der Sibylle machten, die 
nad) einer alten Volksſage aus Griechenland nach 
Stalien gekommen war, . und die Schieffale des - 
Roͤmiſchen Reichs ‚auf alle folgende Sahrhunderte 
vorher verkfünbigt hatte x), Die Einficht der Büs - 


cher, weldye die Sibylliniſchen Weißagungen in 
fi foßten, war Niemanden erlaubt, als ben 
Männern, welche zuerft von den Königen, und 
nachher vom Senat dazu beftellt wurden. .- Diefer 
Anleger der Sibylliniſchen Bücher waren anfangs 


nur zwey, in der Folge zehn, und funfzchn, wos 


ber fie den Nlahmen ber Zehn» und Zunfzehn:. Diän: 
ner erhielten. Die Ießteren Nahmen blieben auch 


nachdem die Zahl berfelben noch weiter sirmehrt 
wurde, Man wählte die Ausleger der Sibyllini⸗ 
ſchen Bücher unter den angefehenften: Männern, ' 


von weldyen man gewiß war, daß fie die ihnen an⸗ 
vertrauten heiligen Bucher nicht anders, ald nach 


den Abſichten bes Senats, oder zur Beförderung‘ 


der allgemeinen Wohlfahrt brauchen, und deuten 


wuͤrden. Selbſt diefe beftellten Ausleger burften 


die Sibylliniſchen Bücher nicht eher einfehen, ale 
bis, es ihnen vom Senat befohlen, und zu gleis 


u cher Zeit die Abſicht bekannt gemacht wurde, um 


welcher willen man zu den göttlichen Warnungen 


der 


fo iſt Raum der Mit werth, zu erwähnen — daß 
Marius eine ESyriſche Prophetinn mit ſich um: 
herfuͤhrte. Plutarch. II. g32 p. 


) Livius I.7. Cic. de Divinat, II, 44. 


N 


Br * 


ber Sibplle feine Bufluht nehme. Der. Senat ber 


fahl die Einſicht des Sibehlliniſchen Bücher nur 
als dann, wann die Gemuͤther des Volks entweder 
durch ganz ungewoͤhnliche, oder durch ſehr viele, 
und ſchnell auf einander folgende Prodigien mit 


Schrecken erfuͤllt worden waren. Die Apsuppzf 


ber Zehnmäuner war befiäudig: dag. man, allen, 
ober gewiffen Gotiheiten biefe, oder jene Mpfer, 


und Gaben bringen, oder getwiffe Fefte feiern, und 


andere ‚ Sottesbienftliche Handlungen vornehmen 
muͤſſe y). Der Senat forgte bafür, bafi alles, 


was bie Sibylliniſchen Buͤcher in, jedem Falle vor⸗ 


fhrieben, puͤnctlich audgerichtet wuͤrde. Go bald 
dieſes gefchehen war, fo fühlte ſich das Volk von 
feinen Befprgniffen geheilt, - und Cicero fagte bar 
ber fehr richtig ‚daß bie Sibylliniſchen Bücher niel 
mehr zur Befänftiaung, ald zur Erregung, oder Vers 


breitung abergläubiger Schreckniſſe dienten ww y 


\ 


.y) Wan ſ. Liv. XXl. e. 60. XXI, 1. erg. An der 


legten Stelle heißt ed: pervicit, ut, quod non 
ferme decernitur, niſi quum tetra prodigia nun- 
tiata font, decemviri libros Sibyliinos adire ju- 
berentur, gniinfpectis fatalibus librie retulerunt 
Patribus, ete Lib, l. c.ı2. Ante omnia 
abominati femimares, jufique in mare extem- 
. plo deportari. - - - Nihilo minus decemviros 
'adire libros deporiegto eo jullerunt. XXXIV. 55, 
wo man wegen der häufigen Erdbeben die Sibyllinis . 
[hen Bücher einzuichen befahl. J 
) It. 54. de Divin. Quamobrem Sibynham qui- 
dem lepoßtam. et conditam habeamus, ut id, 
quod proditum eft a majoribus, injullu fenatus 
ne legantur quidem libri, valeantque ad depo- 
mendas potius, quam ad lulcipiendas religiories. 


Ne. 


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Es war bey Todesſtrafe verboten, die Sibyllin⸗⸗ 
ſchen Buͤcher Ungeweihten zu zeigen, und ben In⸗— 
halt derſelben Anderen, als dem Senat bekannt zu 
machen. Der König Tarquinius ließ wirklich eis 
nen Duumvir, der die heiligen Buͤcher Jemanden 
zum Abfchreiben hingegeben hatte, ta einen Sad 
‚nähen, und in's Meer werfen 2). Erſt in den 
legten Zeiten der Republik fingen Ehrgeitzige an, 
die angeblichen Ausfpräde der Sibylliniſchen Büs 
er fo zu mißbraüchen, wie man bie alten Weiſſa⸗ 
gungen in Griechenland gemißbraucht hatte a). 
Sn demfelbigen Zeitraum benußte der Senat die 
Sibylliniſchen Bücher zur Vereitelung gefährlicher 
Abſichten von einzelnen Ehrgeißigen auf eine Art, 
die felbft dem großen Daufen auffiel 6). Uebri⸗ 
gend muß man in gleichem. Grade erſtannen über 
dad Zutrauen, was das Römifche Volk in Relis, 
giond: Sachen zu feinen Worftehern und Prieflern 
hatte, und über ben weifen Ernſt, womit die Bors 
ſteher, und Priefter den Volks⸗SGlauben nad; ih⸗ 
ven Abfichten lenkten, ober ſchaͤdlichen Aberglauben 
zu derhüten füchten. Im J. 669. nach Erbauung 
der Stadt brannte während bed Marſiſchen Kries 
Bu | | ges 
» Dionyi. Halie. IV, p, 080. Edir, Sylb, Val.Max.: 
1. 13, Se 
«) So Kentus, Salluft, de bello Catil. e. 47. u. 
Caͤſar, Suetonius in Gael. c. 79. 
8) In der Angelegenheit der Zuruͤckfuͤhrung des Ae⸗ 
gyptiſchen Königs. Cicer. Epiſt. I. 1. Senatus 
religionis calumniam non religione, [ed mali- 

. volentia, et illius regiae largitionis invidia com- 
. probat, et Ep. 7. - - et. ine multitndine redu- 
- eatur, guemadmodum homines religiofi Sibyl- 
lae placere dixerumt, OA, 


— — 67 


ges das Sapitol ab, und mit ben Tempel tours 
den auch bie Sibylliniſchen Bücher verzehrt, wel⸗ 
che Tarquin daſelbſt niedergelegt hatte c). Nach 
dieſem Unfall ſandte der Senat Abgeordnete nach 


Aſien, und Griechenland ab, welche die Prephe⸗ 


zeyungen der Sibyllen, beſonders der zu Erythraͤ, 
ſammeln mußten; und ließ auch ſonſt von allen 
Enden her, wo man dergleichen zu beſitzen vorgab, 


diie Ueberbleibfel der Siöyllen nah Rom bringen, 


‚ Aus allen diefen Sammlungen feßte man Bie Si⸗ 


bylliniſchen Bücher gufammen, deren man fih bis 


an das Ende der Mepublil bediente. Varro 


"glaubte, daß ſich bey biefer Arbeit einige unaͤchte 


Verſe eingefchlichen hätten. Fuͤr ſolche hielt er 
Diejenigen, welche don den Griechen amposixides ges 
-nannt wurben. (Cicero beurtheilte die Sibyllini⸗ 


fen Bücher feiner Zeit viel richtiger, als fein - 


Freund Varro. , Er erklärte fie insgeſammt für 


eine Arbeit ſtaatskluger Männer, welche man abe 
ſichtlich mit Dunkelheit bedeckt, unbderen Deutung 


man eben fo abfichtlich ſchwer, und kuͤnſtlich ge: 
macht babe, damit man die Sibylle jedes Mahl 


antworten laffen Pönne, was der Genas wolle. | 


) Freinsh, Epit. Liv. L, 85. e. 4. Varro ap, Di» 
. ıayl. Halicar. Lib. IV. p. 560, Ed. Sylb, welde . 


anführt. 


4) U, 54. de Divin, Callide enim , -qui illa com- 
pofuit, perfecit, ut, quodcungne aceidiſſet, 


Stelle von Dale de Orac, c. 18, p. 405-7, ganz 


praedictüm videretur, hominum et temporum ' 


: definitione fublata. Adhibuit etiam latebram 
. obfcuritatis, ut iidem verfus alias in aliam ram 
" polle accommedari viderentur, Non elle uu- 
Ara 10m 


— 


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— — 
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*8 


mneben ben geheimen 
>, ,alö die einzigen Achten betrachtet wurden, andere _ 
. gebuldet hätte. Der, Senat ließ daher mehrere 


den bringen wärben f). Tr erklärte dem Eigens 


9— | _- 
Alle Zwecke, welche man durch die Sibylliniſchen 
Bücher erreichen wollte, würden vernichtet, oder 
wenigftend ungewiß geworden ſeyn, wenn man 
Bi agungen ber Sibylle, die 


Mahle alle Prophezeihungen von Sibyllen, die 
fi) in den Händen von Privdats Perfonen fanden, - 
auffuhen, und verbrennen ec). Man ſchonte felbft 
ber angeblichen Buͤcher des König Numa nicht, 


die im J. 5z71 auf dem Acker eines Scriba?. Des 


tillius in einem ſteinernen, ſorgfaͤltig verwahrten 
Kaſten gefunden wurden. So bald der Praͤtor L. 
Peiillius dieſe Buͤcher durchblaͤttert hatte, fand 
er, daß ſie der oͤffentlichen Volks⸗Religion Scha⸗ 


thuͤ⸗ 


‘tem illud carmen furentis, cum ipſum poema 
‚.declarat, (eſt enim magis artis et diligentixe, 
quam ineitationis, et motus), tum, vero ea, 
quae axposıyıs dicitur, cum deinceps ex pri« 
‘mis verfaum literis aliquid eonnectitur, ut in 
quibusdam Ennianis, Id certe magis ef atten- 

t# animi, quam furentis. Atque in Sibyllinis 

ex primo verlu cujusque [ententiae primis- lite- 

ris illius lententiae carmen omne praetexitur. 
-“ loc Icriptoris ef, non furentis; adhibentis d> 
: igentiam, non inlani. - ot 


4 


H Man ſ. beſ. Liv. XXV. 1. Man ſieht aus dieſer 


hoͤchſt merkwürdigen Stelle, wie ſehr ſchon das 

mahls fremde Gebräuche uͤberhand genonnnen 
hatten. 

) Liv. L. 40, c. 29, Lectis rerum fummis, 

„quum animadvertillet, pleraque diflolveudarum 

‚. zeigionum le, ic O5 


u Sun Ze e 


% . 
- 








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— — nu Dr 


thůmer, baß er die gefaͤhelichen Shzritten anfebl⸗ 


bar verbrennen werde, daß er aber ſeinem Freunde 
freyſtelle, ihn wegen der Hexansgabe ſeines Eigen⸗ 


thums zu verklagen, oder ſonſt Huͤlfe zu ſuchen. 


Der Scriba wandte ſich an die. Tribuuen. Die 


Tribunen uͤbergaben bie Sache dem. Senat. Als 
ber Praͤtor ſich vor dem Senat erbot, zu beſchwoͤ 
ren, daß die gefundenen Vuͤcher nicht geleſen, unb: 


aufbewahrt werden duͤrften; ſo beſchloß der Senat, 


daß die Schriften je eher, je lieber öffentlich, ver 


brannt, baß aber dem Cigenthümer eine, Entſchaͤ⸗ 
bigung gegeben werben folle, wie es ber Praͤtor, 
und des größere Theil der Tribunen. gut: finden 


würden. Diefer Vefchluß des Senats ward jn 
der naͤchſten Volks s DVerfammlung vollzogen. 
Dpferdiener zündeten ein Teuer an, und verbrann⸗ 
ten die Bücher vor den Augen bes ganzen Volks ). 
Angebliche Sibylliniſche, und andere Weiffogungd: 


Buͤcher hatten ſich in den Zeiten der buͤrgerlichen 
Kriege unglaublich vermehrt. Als Auguſt nach 


dem Tode des Lepidus Pontifex Maximes ges’ 


worden war, fa beſtand Eine feiner erften hoben⸗ 
prieſterlichen Verrichtungen darin, daß er alle Ars 
ten von prophetiſchen Buͤchern in Lateiniſcher, und 


‚Sriehifher Sprache zufanmenfuden, unb Zweh⸗ 


‚täufend an der. Zahl verbrennen, ef. Er ſtellte 


ſelbſt eine Reviſion mit den Sibylliniſchen Buͤchern v 


. 90, und legte die gereinigten heiligen Schriften un⸗ 
ter. die Schwelle des Capitoliniſchen Apoll eier 


. % . 
‘ 


2 2 % c. libri in comitio,, igne a eier ac, 


in J voruli diecai m. u 


69. — — —— 
der h). Das Anſehen der Sibyſlliniſchen Buͤcher 
erhielt ſich unter den Roͤmern viel laͤnger, als das 
der Orakel in Griechenland. Bey dem Ausbruch 
bdes Marcomanniſchen Krieges unter dem Aurelian 
ſtimmten einige Mitglieder. des Senats dafuͤr, daß 
man die Sibylliniſchen Buͤcher einſehen, und ſich 
ber Huͤlfe der Götter, welche dieſe darbieten wuͤr⸗ 
den, bedienen möge 5). Andere Senatoren hiel⸗ 
ten diefed für unnoͤthig, meil die Tapferkeit des 
Kaifers allein das R. Reich hinlänglid ſchuͤtzen 
werde. Erſt nachdem bie Schredden bes Marcomans 
uiſchen Krieges zunahmen, und ſich näherten, 
ſchritt man zur Cinficht der Sibyllinifchen Bücher. 
Die heiligen Bücher verordneten geheime Opfer 
an gewiffen Orten, welche die Barbaren nit wärs - 
"ben überfchreiten Pönnen. Die Marcomannen wurs 
ben durch dieſe Dpfer wie gefeſſelt, und in verfdjies 
benen Gegenden mie Verirrte niebergemadt &). 
Der Kaiſer machte nachher dem Senat harte Vors 
| Ä würs 


. 4) Saeton, in Augufto c, 51. quidquid fetidicorum 

librorum Graeci Latinique generis, nullis vel 

parum idoneis auctoribus vulgo ferebatur, ſu- 

prn duo millia contracta undique cremavit, ac 

olos retinnit Sibyllinos: hos quoque delectu 

nabito; eondiditque duobus forulis auratis [ub 
Apollinis Palatini ba, _ 


i) Vopile, m Aurel. c. 19-21, - 


k) 1.c. Quare .eriam libri Sibyllini noti beneficiie 
publicis infpecti ſunt, inventamgue, ut in cer- 
tis loeis facrificia fierent, quae -Barbari tranfıre 
mon pollent. Facta denique funt ea, quae prae- 
cepta fuerant, in diverlo caerimoniarum gene-" 
U. ze: atque Ita Barbari reftiterumt, ‚quos omneö 
Aurelienus'varfkfin vapanies occidit, * ,- 


‘ 





—W 
' 


wuͤrfe baräber, daß berfelbe fe Lange gezögert babe, 
durch bie Einſicht der Sibylliniſchen Bücher die Hälfe 
‚ber Götter zu verlangen /). Die zum Chriftens 
thum befehrten Römer machten zwar aus ben Si⸗ 
bylliniſchen Büchern Fein Geheimniß mehr; allein 


fie gaben doch auch den Glauben an bie Weifjaguns . 


gen der Sibylle nicht auf. Während ber Zeit, wo 
Beliſarius in Rom von den Gothen belagert wurs 
de, bradıten einige Senatoren zwey Verſe aud ben 


Sibylliniſchen Büchern zum Vorfhein, aus wels 


chen fie fhloffen, daß die. Belagerung nur bis in 


den fünften Monath dauern, und daß Nom nie. 


wieder von Gothiſchen Völkern etwag zu fürchten 
haben werde m). Der Erfolg, fagt Procop, 


beftätigte biefe Auslegung ‚nicht. Weberhaupt bin 


id durch die Einſicht ber Sibylliniſchen Buͤcher 


ſelbſt 


—D) l. e. Miror vos, Patres ſancti, tamdiu .de’ape- 
riendis Sibyllinie dubitaſſe libris, perinde quaſi 
in Chriſtianorum eccleſia, non in templo deo- 
ram omnium tractaretis. Salmaſius glaubte, 


daß die Römer vor Aurelian’s Zeiten nieniahls die 
Sibylliniſchen Bücher dDarüder zu Rathe gezogen 


hätten, ob fie Kriege anfangen, und wie fie diefel: 
ben führen follten, ad Vopile. Aurel, c. so, n. 3. 
Salmafius erinnerte fich des Fury vorher erwähns 
ven Fall nicht, wo der Senat die Sibylliniſchen 


nicht mit Heeresmacht in fein Reich eingeſetzt wer⸗ 
den ſolle. 


m) Procop. in-Gratii Hi, Gothorum p. 207. 208, 
Verba vaticinii ſic hahebant:. 
. » Quiitto menſe norus Cacſar tibi „Roma ;' nec 
sat rin ultra on 
Experiero Getae, : " Be 


— — 81 


. Bücher über die Zurüdführung eines Ptolemaͤers 
befragte, und die Antwort erhielt, daß der König 


. . 
in tm —— — u 
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⸗ 
— 


Ne, 


+ 633 — — 


felbft uͤberzeugt worden, daß Fein Menſch den Sinn 
ihrer Weiſſagungen vor dem Ausgange errathen 


koͤnne. Die Sibylle redet nicht in einer gewiſſen 


Orbnung, und in einer beſtimmten Zeitfolge, ſon⸗ 
bern ſpringt and einem Erdtheile in den andern, 
von einem Volk zn dem andern über n). Ä 


. Die meiften Goͤtterfpruͤche in Griechenland, 


und auch unter anderen Voͤlkern wurden durch den 


Mund verzuͤckter Prieſter, oder Prieſterinnen ges 


der Orakel vortragen. Allein ich verſchiebe dieſe 
Unterſuchung bis an's Ende des gegenwärtigen 
Buchs, da doch viele Götter ihren Willen entwes 


“der durch Träume, oder durch Sortes, und an⸗ 


dere Zeichen befannt machten, 


Unter den Zeichen, deren Deutung die Alten 


‚zur kuͤnſtlichen; Divination rechneten, waren feine 


früher, und allgemeiner auffallend, als bie Vers 


- geben; und ich koͤnnte daher ſchon hier die Geſchichte 


finfterungen der. Sonne, und des Mondes. Man 


muß ſich nicht fo wohl darüber wundern, daß die 


meiſten, ſondern in nicht alle Volber die Verfin⸗ 
ſterun⸗ 


n) 1. c. Cauſas dicam ipſa lectione edactus, Si» 

„  bylla neque certo erdine, .neque perpetue ſer- 
manis nexu res eloquitur, [ed verbo dicto, de 
Africae puto malis, tranfit ad aotus Perlarum. 
Hince Romanorum mentione facta, ad Allyrios 
eontinuo [e tragsfert: rediensque ad Romanos, 

- 'repente ad Briannorum calamitates canendas 
delabitur. Ob id anteguam res ipfae evenerint, 


„.: hamini quid Sibylia ſignificet, intelligere non 


et datum, Dies, ubi verba probaverit @ven- 
tus, lola eft dictorum interpran, ' ' 


- 





— — | r 633 , 
ſterungen der himmliſchen Cörper für Zeichen des 


goͤttlichen Zorns gehalten haben. Die Furcht vrr 


Eklipſen herrſchte im alten Orient eben ſo allge⸗ 
mein, als fie o) in ben heutigen Morgenlaͤndern 


herrſcht. Waͤhrend einer Schlacht, welche die 


Heere ber Meder, und Lydier hielten, eraͤugnete 


ſich eine Sonnenfinſterniß. Dieſe Erſcheinung hatte 
auf beyde kaͤmpfende Parteyen die Wirkung, daß 
fie die Waffen ſinken ließen, und den bisherigen 


Krieg durch einen ſchnellen Frieden endigten p). 


Im fürlichen Afien erſchrecken bey Verfinfterungen 
der Sonne, und des Mondes die Fürften noh 


mehr, als die Völker, weil man glaubt, daß 
dur ſolche furchtbare Phaͤnomene der Zorn der 
Goͤtter vorzüglich gegen bie Beherrfcher verkuͤndigt 


werde g). In Griechenland entdeckte man’ faſt 
mit der erſten Entſtehung wiſſenſchaftlicher Kennt⸗ 


niſſe bie wahren Urſachen von Eklipſen r). Dieſe 
Entdeckung verminderte den Aberglauben des Volks 
im geringſten nicht, weniger deßwegen, weil man 


dieſe Entdeckung aus Furcht vor dem Volke geheim 


halten mufte s),. als weil das Volk, und ſelbſt 


der groͤſte Theil ber Gebildeteren für ſolche Ent⸗ 


deckungen noch nicht reif genug war. Nur wenige 


großze Geiſter, dergleichen Perikles * und Dion 


wa⸗ 


0) Chardin IV, 1200. 
7) Herodot. I, c. 74. 


9 Le Comte 1. 135, et fg. p. Argenfola II. 39 | 


r) Herodot, I. c. _ 


| s) Died glaubte Plutarch I, 30 | 
t) Plutarch, 1,661. j 


ss — — 


Verfinſterung dauerte Länger , als bie Legionen er⸗ 


warteten. Dadurch wurden die Gemuͤther auf 
einmahl umgeſtimmt. Nun hoͤrte man die Klagen, 


dasß ihre Muͤhſeligkeiten kein Ende haben wuͤrden, 


dag die Goͤtter ihr Unternehmen verabſcheuten. 
Druſus benußte dieſe Stimmung, und ſtellte 
durch wohl angebrachten Ernſt in kurzer Zeit Ru⸗ 


he, und Ordnung wieder her b). Bey ben ver⸗ 
ſchiedenen Auslegungen, welche die Griechen fo 


wohl, als die Roͤmer von den Eklipſen machten, 


kann es ſehr wohl ſeyn, daß die Gruͤnde, womit 


Agathokles ſeine Krieger beruhigte, nit blog 
zum Schein, ſondern aus eigner voller. Ueberzeü⸗ 


‚gung vorgebracht wurden. Es eraͤugnete ſich naͤm⸗ 


Hd während der Fahrt nah Afrika, wo Agatho⸗ 
kles die Carthaginienfer in. ihrem: eigenen Janbe 
angreifen wollte, ‚eine Sonnen » Finfternig. Diefe 
Finſterniß ſchwaͤchte den. Muth der .Rrieger, bie 
‚ihrem tapfern Führer mit Zuverſicht gefolgt waren, 


Als Agathokles den ungänftigen Efäbzud der 


Eklipſe bemerkte, fo redete er zu. feinen Kriegern 


folgender Seftalt: Wäre das. Probigtiiim "por uns 


ferer Abfahrt eingefallen, fo würde ich feoit glaus 


ben, daß ed ung Ungluͤck verkuͤndige. Da aber 


bie Verfinfterung- nachher eingetreten if, fo kann 
fie nur auf Diejenigen gehen, melde wir bebriegen 


wollen. Ueberhaupt verfünbigen alle. Werfinftes 


. rungen ber himmlifchen Coͤrper eine Veränderung 
der Sage ber Dinge. Wir Finnen daher mit Zus 


verſicht hoffen, daß fo wohl das. Gluͤck der Gars - 


thagintenfer, ale unfere Sieherige verransie Lage 
werde umgekehrt werden * ya 

J Pa En SE Zn — Die 

» Tacit. Annal. 1, 28. nn 

e) Juß,XX,6 | 


/ 





rn 


-— 670 


Die Erſcheinungen von Kometen erregten nicht 
‚weniger Aufmerkfamkeit, und wurden aud) eben fo 


verſchieden gedeutet, als die Verfinfterungen ber 


"Sonne, und des Mondes. Die meiften Völker 
hielten, gleich den Chriſtlichen Mationen ded Mits 


telalterd, Kometen für die Vorbothen ſchwerer 
göttliher Strafgerichte d). So deuteten auch bie 


Römer bie Kometen, die fi während ber bürgers 


lichen Unruhen, und fo wohl unter der Megierung 
des Claudius, ald bed Nero zeigten e). Zu 
Neros Zeiten. war es allgemeine Meinung, daß 
Kometen ben hoͤchſten Gewalthabern Untergang. 
verkuͤndigten. Nero fragte deßwegen voll Angft 


ben Sterndenter Babilus. Dieſer antwortete, 


daß bie Könige des Morgenlanbes die Gewohnheit 
hätten, den Zorn ber Götter, welchen Kometen 
verfündigten, durch die Hinrichtung irgend einer 


erlauchten, ober vornehmen Perfon zu verföhnen: 
‚ein Beyſpiel, welchem auch Nero zu folgen dadıs 


te f)» Ganz anders bentete man bie Kometen, bie 
— | au 


. d) Moͤhſen &, 270. 


e) Suet. in Claudio c. 46. in Nerone c, 36, Plin, . 
Hi, Nat, 11.24. - - terrificum magna ex parie 

- fidus, ac non leviter piatum, ut civili mom 
Octavio Confule, iterumque Pompeji et Casfa- 
ris bello Im noflro vero aevo circa veneficium, 

- gno Clandius Caelar imperiam reliquit Domitio 


‚  : Neroni, ac deinde principatu ejus, alliduum 


prope ac faevum, . 


) Sueton, I. c. A Stella crinita, quae [ummis 

. poteftatibus exitium portendere vulgo putatar, 
per continuas noctes oriri coeperat. Anxius ea 

. re, ut ex Bibulö Aftrologo didicit, folere reges 
talia oflentz caede aliqua illußri expiare, atque 

, . —2 a 


J 


zu den Zeiten Mithridats des Großen, und. 
bald nach der Ermorbung Caͤſars erſchienen. Bon 
dem einen glaubte man, daß er bie Fünftige Größe 
Mithridats verfündigt habe, von dem andern, 
bag er die Aufnahme Läfars unter die Götter bes 
Tonnt made g). Auguſt erkaute dem Kometen 
einen Tempel in Rom, wobey Plinius fehr richs 


tig bemerkt, baß diefer Tempel des einzige feiner 


Art auf der ganzen Erde ſey h). 


Viel gleihförmigere Eindruͤcke, als Eklip⸗ 
fen und Kometen, machten manche ungewoͤhnliche 
Erſcheinungen am Himmel, und in der Luft. Zu 
den erfteren gehörten vorzüglich boppelte, ober 
dreyfache Sonnen, und Monde, nebft fallenden, 
oder ſchießenden Sternen 5), feurige Meteore, bie 


nach 


a ſemet in capita procerum depellere: nobiliſ- 
mo cuique, exitium deſtinavit. 
g) Sueton. in Caelarec. 88. Plin. Hiftor, Natur. 

II. 23 c. XXXVII. 2. An der erftern Sielle führt 
Plinius folgende Worte des Auguft an: lis ipfis 
Jiudoram meorum diebus fidus crinitum per. 
feptem dies in regioue coeli, quae ſub [epten- 
wionibus ef, eonfpectum. Id oriebatur circa 
undecimam horam diei, clarumgue et omni- 
. bus e terris conlpicunm fuit, Eo ſidere fignifi- 
cari vulgus credidit, Caelaris animam inter 
Deorum immortılium numina receptam: quo 
nomine id infigne fimulacro capitis ejus, quod 
mox in foro confecravimus, adjectum ef, - 
A) l.c. Cometes in uno totius orbis loco colitar 
in templo Romae, admodum faultus divo Au- 
gufto judicatus ab iplo, etc, | \ 


i) Plin, II. 28- 37 c. ‚Auf fchießende ‚Sterne gaben 
beſonders die Alten in Eparta zu beftimmten Zeis 
Ä .n | ten 


J 


J " | — — | 639 
nad) ihren verfchiebenen Geftalten bald Fackeln ober 


- Lampen, bald glühende Balken, u. f. w. genannt 
wurden k), und Morbfiheine 1). Die letzteren 
verbreiteten alsdann die gröften Gchredden, wenn - 


bie Lichtſtrahlen von verſchiedenen Farben waren, 
wenn eben biefe Lichtftrahlen heftig gegen einander 


hoffen, und mit Gerdufhen verbunden zu ſeyn 


fhienen. Man glaubte alddann nicht bloß kaͤm⸗ 
pfende feurige Heere, Roſſe, Wägen, und Spieße 
zu fehen, fondern auch das Geräufh der Waffen, 
und den Klang kriegerifcher Inſtrumente zu hoͤ⸗ 
ren m). In ben höheren noͤrdlichen Gegenden, 


wo Morbfcheine eben fo gewoͤhnlich find, als bad 


Nigliche Aufgehen und Untergehen der Sonne, wurs 
den dieſe Phaͤnomene nicht für Vorbedeutungen 
ber Zukunft gehalten m). | 


| Un⸗ 


ren Acht, um zu erfahren, ob ibre Koͤnige noch 


laͤnger zu regieren würdig ſeyen. IV. 515. Pla- 


tarch. 
x) ib, c. 45. 26. 
I). ib. etc. 58. Freret im 4 Bande der Memoires 


de l’Academie des Inlcript, 431 et ſq. p, Moͤh⸗ 


fen, . c. 


m) Plin, II 58 c. Atmörnm crepitus, et tubae 
ſonitus auditos e cuelo Cimbricis bellis accepi- 
imus, crebroque et prias, et poſtea. Tertio 
vero conflulatu Marii ab Amerinis et Tudertibus 
[pectata arma coeleflia, ab ortu, occaluque in- 

ter fe concurrentis, pulfis quae ab occalu erant, 


n) Eben deßwegen ſaat Plinius 1, c. Ipſum ardere 
. caelum, minime mirum ef, et faspius vilum, 
zusjore igne nubibus correptie, on 


— — en 


* Unter ben wunderbaren Megen waren bie fo 
genannten Steinregen, und Blutregen bie furcht⸗ 
barften 0). Die Ölutregen, von welchen Peiresc 
zuerſt bemerkte, daß fie weiter nichts, als Aus⸗ 
wuͤrfe, oder Abfonderungen von Gchmetterlingen 
tigen, ſchreckten bie Völker des Mittelalters noch 


mehr, ald die Griechen und Römer. Diefe Wirs 


kung hatten vorzüglich diejentgen, von welchen man 

glanbte, daß fie auf den Kleidern der Menſchen 
Creutze gebildet hätten. Solche Blutregen brach⸗ 
fen in vielen Menfchen einen fo hohen Grad von 


Verzweyflung hervor, daß fie alle liegen ließen, 


und in jedem Augenblick ihren Untergang erwarte: 
ten 9). Die Steinregen waren entweder Wirkun⸗ 


. gen’ von Vulcanen g), oder von Wafferhofen, und 


Mirkelminden, weld;e diefe begleiteteg 7), ober 
von hemiſchen noch nicht genug befannten Opera: 
tivum, welde die Nasur in der Atmoſphaͤre vers 
auſt utet. Waſſerhoſen, und Mirbelwinde fonn» 


ten auch die feheinbaren Milch: Megen, oder Fleiſch⸗ 


und Mol: Megen, ober Kreides Ziegels und Eis 
fenregen hervorbringen, indem fie entweder bie Se: 
gen taͤnde felbft, Bon welchen man bie Megen be: 
nanste, ober Materien, bie denſelben aͤhnlich was 
ven, 
o) Plin, II, —* 59. Valer. Max. L.c. 6, Kivius 
“am allen dın Sterlen, welche ich bey Der Unterſu⸗ 
chung über die Silyilinifchen Vuͤcher angeführt ha⸗ 
be, Freret I, c. 415- 4°3 p. Heynel.c. p, 212. 
et fq, auf) p. 214, Möhfen, 268, 269 ©. 
») Moͤhſen l C - 
9) beſ Freret l. c. 


DW... 


— — 6441 


ren, hier anfraften, und bort wieder fallen ließen 9. 


Einige der bisher genannten Gelehrten ſuchten bie - 


Fleiſchregen entweder aus Stuͤcken von Opferthie⸗ 


ren, ober aus ber Beute von Maubvögeln zu ers . 


klaͤren, welche dieſe hätten fallen laſſfen. Mir 


kommt Frerets Vermuthung wahrfcheinlicher vor, 


dag man ſchwammartige Materien, bie dem Flei⸗ 
ſche ähnlih waren, mit wirklidem Fleiſche vers 
wechfelt hat? am meiften deßwegen, weil bie Ges 
ſchichtſchreiber erzählen, daß das, was von Raub⸗ 
voͤgeln nicht weggenommen worben, nicht in Faͤul⸗ 
niß übergegangen fen. Wie hätte auf einmahl Uns 
verderblichkeit wirklichen Fleiſche mitgetheilt wer⸗ 
den koͤnnen? | 


Furchtbare, mit heftigen Hagelfchlägen, cher 


Megenaüffen verbundene Ungemwitter wurden. viel 


allgemeiner für traurige Vorbebentungen gehalten, 


als die gräßlichfien Donner, und Bliße. . Die 
0 0 Kamt⸗ 


s) Plin. Il, .c, 57. Praeter haec inferiore caelo re- 


latum in monumenta eft, lacte et fanguine pluil. 
Io M, Acilio, G Porcio Cofl, et [aepe alias: Aic- 
ut carne,. P. Volumnio, Servio Sulpicio Cof, 
exque ea non putruille, quod non diripuif- 
-fent aves. Item ferro in Lutemis, anno antes 
:quam M. 'Crallus a Parıhis interemtus eſt, omnes- 
que cum eo Lucani milites, .... Efigies, quae 
pluit, I[pongiarum fere imilis fuit: arulpices prae- 
mnonuerunt [uperna;vulnera. Q autem Paulo, C. 


Märcello Coll. lana pluit circa caltellum Carillas _ 


zum, juxta guod poft annum T, Annius Milo . 


occifus ek. Kodem caulam ditente lateribus 
costis pluille, in ejus anni acta relatum eR, 


Ss 


N 


642 _._ 


Kamtſchadalen weifjagen Gluͤck, oder Ungluck, je 


nachdem Kinder bey gutem, oder ſchlechtem Wet⸗ 
Ter gebohren werden £). Die aufrührerifchen Les 


gionen in Pannonien wurden am meiften baburd) 
niedergeſchlagen, daß die ſchlechte Jahrszeit mit 


ungewoͤhnlichen Stuͤrmen, und Regenguͤſſen her⸗ 


eiabrach, und alle Zuſammenkuͤnfte, beynahe das 
Hexraustreten der Soldaten aus Ihren Zelten, un: 
moͤglich machte u). Donnerwetter ſchienen den 
Scythen nur alsdann ungluͤckliche Zeichen, wenn 
fie fi Im Winter erängneten x). ‚Die Wilden in 
Guiana fürchten den Donner gar nicht, weil fie 
glauben, daß das Geraͤuſch deffelben bloß durch 
das Hinauffahren Eines ihrer Zauberer zum Him⸗ 
mel veranlaßt werde y). Die Eircaffier tanzen fo 
gar, wenn es bonnert, und preifen benjenigen'fes 
Kg, der vom Blitze getödtet wird 2). Selbſt bie 
Mömer hielten nicht bloß Perſonen, fondern au 
Stellen, die vom Blitze getroffen wurden, für 
heilig. Ueber ben leßteren baute man Altäre, und 
fagte alsdann, daß dad fulmen conditum ſey a). 

- . ‘ . 4 F 8 


E) @teller ©. s80. 


u) Annal. Tac, I, 30, Auxerst militum curas 
pracmatufa hiems,, imbribus continuis adeoque 
aevjs, ut non egredi tenteria, Congregari in- 
ter ie, vix tutari figna poſſent, quae turbine 
atque nuda raptabantur, Durabat et formido 
coeleflis irae, nec fruftra adver[us impios he- 
‚befcere ädera, ruere tempellates, . . 


æ) Herod, IV, 28. nn 
y) Barrere S. 10 DE, 
2) Tavernier I, 146, u 
#) Guther, p. ıı, —8* 28. 29. 


-—— — 643 


Es waren ben Mömern ſehr gluͤckliche Zeichen, 
“ wenn der Blitz ein Opfer anzünbete 5), ober wenn 
er in Gräber fiel c), oder wenn eine Flamme, 
ober ein feuriger Glanz um die Scheitel von Pe 
fonen ſchwebte a)y. Kaum aber war irgend eine 
andere Vorbebeutung trauriger, ald wenn entwe& 


ber Tempel, oder Statuͤen, und andere Heilige: 


thümer vom Blitze gerührt wurden e). Die Ms 
mer erkannten die Haruspices der Etrudker als 


die gelchrteften und geübteften Ausleger fo wohl 
von Blißen, als von Eingeweiden, und ben foges ' 


‚nannten Oftentis an. Die Kunft der Etrusker, 
Blige und Donner zu deuten, war in mancerley 
Büchern enthalten, weldje faft gewiß bie Urheber 


5 ber geheimen Schriften der Römifhen Auguren - 


benußt hatten f). Eben biefe Kunft war der vors 
nehmſte Abfchnitt der Etrusciſchen Harufpicina, 


weil Blitze alle übrige Zeichen nichtig madten 8). Ä 


5) Piutarch, II. 295. 


©) Wie zum Beyſpiel in die Gräber des Kyfurg, und 
:Euripides. Plutarch. I, 23. 


4) Valer. Max, 1. 6.1.2. 


‚e) Cicer. I, 43. Gellfus IV, 5. Valer, Max. 1. 6, 


- . 


f) Cicer. de Divin. 1.35. - - quod Etrüfcorum 


deelarant et harulpicini, et fulgurales, er toui- 
truales libri, noftri etiam augurales, J 


8) Senec, Nat. Quaeſt. 11.34. Summam elle vim 
fulminum jndicant: quia, quidquid alias por« 
tendunt, interventus fulmjnis tollit, OQuid- 
quid ab hoc portenditur, fixum eft, nec’ alte, 
rins oftenti fignificatione mutatur; -Quidquid, 
exta, quidquid aves minabuntur, focando: ful« 
mine abolebitur. Quidquid fulmiue denuntia- 
tum eß, uec extis, nee es oonwaria refellitur, 

| 84 


644 ‚ah win 


Die Zeichendeuterey der Etrusker war ben älteren 
Römern fo wichtig, daß der Senat ſechs Juͤng⸗ 
linge aus deu vornehmften Gefdlechtern an eben 
fo viele Völker Etruriens zum Unterricht ſchickte, 
damit die Wahrfager: Künfte nicht durch die Nie⸗ 
drigfeit, oder die Habſucht derer, melde fie übs 
ten, gefhmälert würden 4). Der Glaube an bie 
Haruspicina dauerte in allen nachfolgenden Zeiten 
ungefhwäct fort, ungeachtet fchon der ältere Karo 
fagte, daß er nicht begreife, wie ein Haruspex 
den antern anfehen Eönne, ohne zu lachen i). Die 
Etruscifchen Zeichendeuter theilten den Himmel in 
ſechszehn Abſchnitte ab, und zerlegten die Blitze 
in mancherley Arten k), entweder nach den Gluͤck, 
oder Ungluͤck, welches fie andeuteten, oder nad 
der Zeit , auf welche fie gingen, und mährend wel⸗ 
der fie ihre bedeutende Kraft behielten. Die Roͤ⸗ 
mer ließen die Haruspicina der Etrusker iu allın 
Ehren. Allein die Roͤmiſchen Augures ſchaͤtzten, 
und deuteten dennoch biefelbigen Zeichen auf ihre 
eigene Art. Gie nahmen bie wichtigſten Auspi⸗ 
cien 


h) Cicer. de Div. I, 41. Quoecirca bene apud 
Mmajores noltxös lenatus tum, cum florebat im- 

perium, decrevit, nt de principum filiia [ex 
ſingulis Etrarise populis in Jdifciplinam trade- 
rentur, ne ers tanta propter tenuitatem homi- 
aum a Teligionis auctoutate abduceretur ad 
mercedem atque quaeſtum. 


#) Cicer. de Divinat,. 11. 24. Vetus autem illod 
Catonis admodum Icitum ef, gui-mirari ſe di- 
cebat, quod non rideret haruspex, harufpi- 

cem cum vidiffer. | 


k) Cicer. de Divin. II. @. ıg. Plin. II. 52 - 66 e. 
becſ. 55, Senec, Nat, Quaell, 11, €, 39- 47. 


— —— Br 


a Ba » te one ugs . aan 
‚eben nicht aus Bligen, und anderen Zeichen am 


— 


Himmel, ſondern aus dem Fluge, oder Fraße 
von Voͤgeln 1). Unter allen übrigen Völkern) 
wurben Bliße, bie Yon der rechten ‚Seite kamen, 


für gluͤckliche Zeichen gehalten: unter den Römern, 


die von der linken: ausgenommen an Comitien, too! 


man es ben Anslegungen der Huguren überließ, _ 


ob Blitze von ber rechten, ober ber, Tinfen Hand’ 


gluͤcklich ſeyen m). Es blieb ven Roͤmern ſtets 
in friſchem Andenken, daß urſpruͤnglich nur die 
Haͤupter der Völker die Deuterey Von, Blitzen, 


and anberen-Zeichen als eine koͤnigliche Kunſt ge: 


trieben hätten: daß Romulus, und Remus er: 


> 


- 


fahrne Arguren gewefen: daß dein Erſteren burd} 
ein glückliches Auspicium die Herrſchaft über die 
neuerbaute Stadt zugewandt, und daß auch in ber: 


Folge nichts wichtiges, es fey im Frieden, oder; 
Im Kriege, ohne Auspicien unternommen worden n). 


a, % 


9 Man ſ. uͤber diefe, und die folgenden Facta Cioen, 
de Divipat, 1.40. 43. 48. II. 33- 39 c. 
m) 1.35 Ic. Fulmen finifrum optimum an- 
"  Ppieium habgmys ad omnes res, praeter quam 
ad eomitia: quod quidem infittutum reipubli- 
.. .cae canla ef, ut comitiorum‘vel in judiclis po« 


puli, velin.jare legum, vel in creandis magin 


6 39: Ita nobis finifira; Grajis et barbaris,, 


ftratibus principes civitatig eflent interpretes,. 


dextra meliora. Quamguam haud ignom, 


qunae bana [int ; Änifira nos dicere, wtigmü dex- 
„.. tra fint. 


potiebantur,, iidem auguria tencbant, Ut enim 


x 'fApere, fic’divinare regale -ducebant, ut teflis. 


et nöfra civitas, in qua et reges augures, et 
‘ 
poſtea 


m) L. 40. h.c. Omnino apud veteres, qui rerum 


* 


LESER OOLLDEDI RG - 
’ 


. 
5 ” 
— 
ug 
. 


f . 


[2 - 


638 J mm {m 


zu den Seiten Michridats dee Brößen , und, 
bald nach ber Ermorbung Caͤſars erfhienen. Von. - 


dem eimen glaubte man, daß er die Fünftige Größe 
Mithridats verfündigt habe, von bem andern, 
daß er die Aufnahme Caͤſars unter die Götter bes 


kannt made g). Auguſt erkaute dem Kometen 
einen Tempel in Rom, wobey Plinius fehr rich⸗ 
tig bemerkt, daß dieſer Tempel der einzige feiner 
. Art auf der ganzen Erde fey k). | 


Biel gleichförinägere Eindruͤcke, als Eklip⸗ 


ſen und Kometen, machten manche ungewöhnliche 
Erſcheinungen am Himmel, und in der Luft. Zu 
den erfteren gehörten vorzüglich doppelte, oder 


dreyfache Sonnen, und Monde, nebſt fallenden, 
oder fhießenden Sternen 3), feurige Mieteore, bie 
' | nad 


a [emet in capita procerum depellere: nobilif- 
fimo cuique, exitium dellinavit, j 
8) Sueton. in Caefare c, 88. Plin, Hiftor, Natur, 
II. 23 c. XXXVIL 2. Mn der erftern Sıelle führe 
Dlinius folgende Worte des Auguft anı lis ipfis 


Iudorum meorum diebus fidus crinitum per. 
.. feptem dies in regioue coeli, quae ſub lepten- 


trionibus ef, eonfpectum. Id oriebatur circa 
undecimasm horam diei, clarumque et omni- 
. bus e terris confpicuum fuit. Eo. ſidere fignifi- 
cari vulgus credidit, Caelaris animam inter 
Deorum immortilium numina receptam; quo 
nomine id infigne fimulacro capitis ejus, quo 


mox in foro confecravimus, adjectum et, - 


r 


..  Ah)1.c. Cometes in uno totius orbis loco colitar. 


« 


guſto judicatus ab iplo, etc, | 
i) Plin, II. 28- 37 c. Auf fchießende ‚Sterne. geben 
beſonders die Alten in Sparta zu beftinmten Zeis 

‘ N ’ ten 


in templo Romae, admodum fauſtus divo Au- 


1) 


4 


„a 


ee -— |" —— 


J 
t 


- | | — — 39 
nach ihren verſchiedenen Geſtalten bald Fackeln oder 


Lampen, bald gluͤhende Balken, u. ſ. w. genaunt 
wurden k), und Nordſcheine 1). Die letzteren 
verbreiteten alsdaun die gröften Schrecken, wenn 
die Sichtfirahlen von verſchiedenen Farben waren, 


wenn eben biefe Lichtſtrahlen heftig gegen einander 


(hoffen, und mit Geraͤuſchen verbunden zu ſeyn 


ſchienen. Man glaubte alsdann nicht bloß Fam: 
pfende feurige Heere, Roſſe, Wägen, und Spieße 
zu fehen, fondern auch das Geräufh der Waffen, 
und den Klang kriegeriſcher Inſtrumente zu hoͤ⸗ 
ren m). In ben höheren nörblichen Gegenden, 


‚wo Morbfcheine eben fo gemöhnlid find, als das 


Nigliche Aufgehen und Untergehen der Sonne, wurs 
den biefe Phänomene nicht für Vorbebeutungen 
ber Zukunft gehalten n). | 


| Un 


ven Abt, um zu erfahren, ob ibre Könige noch 


tarch. 


laͤnoer zu regieren wuͤrdig ſeyen. IV. 5:15. Fla- 


k) ib. c. 25. 26. | 
I) ib. etc. 58. Freret im 4 Bande der Memoires 


de l’Academie des Infcript, 431 et fq, pı Moh⸗ 


fen, l, C 


m) Plin, u 58 ©. Armörum crepitus, et tabae 


fonitus auditos e cuelo Cimbricis bellis accepi- 
imus, crebroque et prius, et poltea. T'ertio 
vero conlulatu Marii ab Amerinis et Tudertibus 
ſpectata arma coeleflia, ab ortu, occaluyue in- 
ter le concurrentis, pulfis quae-ab occalu erant, 
n) Eben deßwenen ſaat Plinius L c. Ipfam artlere 
. caelum, .minime mirum et, et ſaspius vilum, 
zusjore igne nubibus correptie, un 


- 


” 
u. m 





J | | 
849. a ——. 

* Unter ben wunderbaren Megen waren bie fo 
genannten Steinregen, und Blutregen bie furcht⸗ 
barften 0). Die Blutregen, von melden Peiresc 
zuerſt bemerkte, daß fie weiter nichts, als Aus⸗ 


würfe, oder Abfonderungen von Gchmetterlingen 
ſehen, ſchreckten die Völker des Mittelalters noch 


mehr, ald die Griechen und Römer. Diefe Wirs 


kung hatten vorzüglich Diejenigen, bon welchen man 
glanbte, daß fie auf den Kleidern der Menſchen 
Creutze gebildet harten. Solche Blutregen brach⸗ 


ten in vielen Menfchen einen fo hohen Grad von 


Derzwenflung hervor, daß fie alled liegen ließen, 


und in jedein Augenblick ihren Untergang erwarte: 


ten 9). Die Steinregen waren entweder Wirkun⸗ 


‚ gen don Wulcanen g), oder von Wafferhofen, und 


Mirkelminden, welde diefe begleiteten 7), ober 
von Hemifchen noch nicht genug befannten Opera: 
tivmm, welche bie Nasur in der Atmofphäre vers 
auftiltet. Waſſerhoſen, und MWirbelwinde fonns 


ten auch bie feheinbaren Milch: Megen, oder Fleiſch⸗ 


and Noll: Megen, oder Kreides Ziegels und Eis 
fenregen hervorbringen, indem fie entweber die Se: 
gentände felbft, von welchen man die Megen be: 
nanste, ober Materien, bie denfelben aͤhnlich was 
u | ren, 


Oy Plin, II, c; 57, 69. Valer. Max. I, c. 6, Kivius 


an allen din Steren, welche ich bey der Untirfus 
chung über die Sibylliniſchen Vuͤcher angeführt has 
be, Freret I, c. 415- 4°3 p. Heynel.c. p, 212. 
‚ct fq, auf) p. 214. Möhfen, 268. a269 ©. 


| ») Moͤhſen .c 


9) Kt. Freretl, co 
Tr) Wolf. 26 & Br a. 








| min. 
von, hier anfeaften, und bort wieder fallen ließen s). 
Einige der bisher genannten Gelehrten. fuchten bie 
Sleiſchregen entweber aus Stuͤcken von Dpferthiee 
ven, ober aus der Beute von Maubvögeln zu ers . 
klaͤren, welde.biefe hätten fallen laffen. Mir 
kommt Frerets Vermuthung wahrſcheinlicher vor, 
daß man ſchwammartige Materien, die dem Flei⸗ 
ſche aͤhnlich waren, mit wirklichem Fleiſche vers 
wechſelt hat: am meiſten deßzwegen, weil bie Bes 
ſchichtſchreiber erzaͤhlen, daß das, was von Raub⸗ 
voͤgeln nicht weggenommen worden, nicht in Faͤul⸗ 
niß uͤbergegangen ſey. Wie haͤtte auf einmahl Un⸗ 
verderblichkeit wirklichen Fleiſche mitgetheilt wer⸗ 
den koͤnnen? | " | 
| Furchtbare, mit heftigen Hagelſchlaͤgen, eder 
Regenguͤſſen verbundene Ungewitter wurden viel 
allgemeiner fuͤr traurige Vorbedeutungen gehalten, 
als die graͤßlichſten Donner, und Bliße. Die 
u | . Kamts 
8) Plin. II, e. 57. Praeter haec inferiore caelo re» 
latum in monumenta elt, lacte et fanguine pluil. 
{fo M. Acilio, G Poreio Cofl, et faepe alias: ſic- 
ut carne, P. Volumwio, Servio Sulpicio Coll, 
exque ea non putruille, quod non diripuif- 
.fent aves, _Item ferro in Lutemis, anno ante» 
-quam M. Crallus a Parihis interemtus eft, omnes- 
que cum eo Lucani milites, . .. Efigies, quae 
— pluit, lpongiarum fere ſimilis fuit: aruſpices prae- 
monuerunt ſuperna vulnera. Q. autem Paulo, C. 
Märcello Coll. lana pluit circa caltellum Cariſſæ- 
»um, juxta quod polt annum T, Annius Mil . 
occifus ek. Eodem caulam dicente lateribus 
Coctis pluiffe, in ejus anni acta relatum eit, 


- . « 
\ Ss 


J 


8 


— 


650 — — 


| in Perſien, und Binboftan haben mehrere beſeldete | 


Aftrologen an ihren Höfen, und unternehmen fo 
wenig, als ihre Großen, irgend etwas von Yes 
beutung, ohne vorher Sterndeuter gefragt zu, has 
ben 2). Br oo 

Auf eine ähnliche Art, wie bie ungewoͤhnli⸗ 
hen Erſcheinungen am Himmel und in der Luft, 
bentete man aͤhnliche Phaͤnomene auf der. Erbe, 


und in ben uns zunädhft umgebenden Dingen, bes: 


fonderd in Menfchen und Thieren. Alle Völker. 
hielten Erdbeben für ungluͤckliche Zehen: die heus 
tigen Aegyptier audgenemmen, als welche fich eins- 
bilden, daß fi mähtend der Erdbeben der Him⸗ 
mel öffne, und daß alle Arten von Gegnungen 
auf Aegypten⸗Land herabfirömen a). Diefe Meis 
nung ift um befto fonberbarer, da Erbbeben in Ae⸗ 
gypten fehr felten find, und eben bewegen, nad 
der gewöhnlichen Denkbart 5), gleich dem Regen 
In ber » Yegppten c), für Oſtenta harten gehalten 
oo. oo.  mers- 


x) POhslon I, 136. Biornſtaͤhls Briefe Il. 28. 
Niebuhro Beſchr. von Arabien , 112. 118.©.- Reis 
. fen 1, 276. 11. 48. bei. Chardin III, 165. 164. 176. 
: 80% Die Aftroiogen kofteren zu Chardins Zeiten 
4 Millionen kivres. Die beyden angejehenften Hofe . 
Gterndeuter "gehörten zu deu voruehmften Hof⸗ Bes 
dienten, Der Erfte genoß 100000, der Andere 
50000 Livres Beſoldung. Selbſt die Aerzte, wel⸗ 


pe fie beneideten, konnten ihnen nichts anhaben. 


e) Pococke I, 196. 
d) Wie unter den alten Scythen, Herod. IV. 28. 


«) Bruce 11: 24. Ed. ing. It rained the whole 

‚night, Il ie. a perfect prodigy, to [een rain 

- here; and the propheta faid it portendel a dil- 
folution of government, ..+ , Ä 


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Es waren ben Mömern fehr gluͤckliche Beiden, 


wenn der Blitz ein Opfer anzünbete 4), ober wenn 
er in Gräber fiel c),. oder wenn eine Flamme, 


ober ein feuriger Glanz um die Scheitel von Per 
fonen ſchwebte d). Kaum aber war irgend eine 


andere Vorbebeutung trauriger, ald wenn entwe— 


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ber Tempel, oder Statüen, und andere Heilige: 
thuͤmer vom Blitze gerührt wurden ©). Die Ms 
mer erkannten die Haruspices der Etrasker als 
die gelehrteften und geübteften Ausleger fo wohl. 
von Blißen, als von Eingeweiden, und ben foge 


nannten Oftentis au. Die Kunft der Etrusfer, 


Blige und Donner zu deuten, war in manderley 
Büchern enthalten, welche faft gewiß bie Urheber 


5 ber geheimen Schriften der Römifchen Auguren - J 


benutzt hatten f). Eben dieſe Kunſt war der vor⸗ 
nehmſte Abſchnitt der Etrusciſchen Harufpicina, 


weil Bliße alle uͤbrige Zeichen nichtig madıten 2). 


D) Plutarch, I, 205 


®) Wie zum-Benfpiel in die Gräber des Aykurg, uud 
:Euripides. Plutarch. I, 334, ” 


4) Valer. Max, 1. 6. .. 
‚e) Cicer. I. 43. Gellius IV, 5. Valer, Max. I. 6, 


f) Cicer. de Divin. I. 5%: - « quod Etrüfeorum 
"deelarant et harulpieini, et fulgurales, er toni- 
truales libri, noftri etiem augurales, h 


8) Senec, Nat. Onaelt, 11.34. Summam elle vim 
fulminum jndicant: quia, quidquid alis por- 
tendunt, interventus fulmjnis tolli, Quid- 
quid ab hoc portenditur ,. fixum eſt, nec-altes 
rins oftenti Agnificatione mutatun Quidquid 
exta, quidyuid aves minabuntur, foeundo- fule 
mine abolebitur. Quidquid fulmine denuntia- 
tum ef, uec extie, nee & conwaria refellitur, 

\ | Ä ss. 


— 


Die Zeichendeuterey der Etrusker war den aͤlteren 
Römern fo wichtig, daß der Senat ſechs Juͤng⸗ 
Yinge-aus den vornehmften Gefdlechtern an eben 
fo viele Völker Etruriens zum Unterriht ſchickte, 
damit die Wahrfager: Künfte nicht durch die Nies 
drigkeit, oder die Habſucht derer, welche fie uͤb⸗ 
ten, gefhmälert würden A). Der Glaube an bie. 
Haruspicina dauerte in allen nachfolgenden Zeiten 
ungeſchwaͤcht fort, ungeachtet ſchon der ältere Cato 
fagte, dag er nicht begreife, wie ein Haruspex 
den antern anfehen Eönne,. ohne zu laden i). Die 
Etruscifchen Zeichendeuter theilten den Himmel in 
ſechszehn Abfchnitte ab, umd zerlegten die Blitze 
in mancherley Arten k), entweder nach den Gluͤck, 
oder Ungluͤck, welches fie andeuteten, ober nad) 
ber Zeit, auf welche fie gingen, und waͤhrend wels 
her fie ihre bedeutende Kraft behielten. Die Roͤ⸗ 
mer ließen die Haruspicina der Etrusker in allen 
Ehren. Allein die Römifhen Augures ſchaͤtzten, 
und deuteten dennoch Diefelbigen Zeichen auf ihre 
eigene Urt, Gie nahmen bie wichtigſten Auspi⸗ 
cien 


A) Cicer. de Div. I, qi. Quocirca bene apud 
Majores noſtros [enatus tum, cum florebat im- 
perium,, decrevit, nt de principum filiis [ex 
Gngulis Etruriae populis in Jdilciplinsm .trade- 
rentur, ne ara tanta propter tenuitatem homi- 
aum a Teligiönis auctoutate abduceretur ad 
mercedem atque güaeltuni, 


#) Cicer. de Divinaq, 11, 24. Verus autem illud 
Catonis admodum Icitum el, qui -mirari le di- 


cebat, quod non rideret haruspex, harufpi- 
cem cum vidifler. 


k) Cicer. de Divin. II. 8. ıg. Plin. II. 52 - 56 6, 
bei. 55, Sensc, Nat, Quaell, 11, €, 39- 47. 





Pr 25 


‚len nicht ans Blitzen, und andexren Zeichen am 
Himmel, ſondern aus dem Fluge, oder Fraße 
don Voͤgeln 1). Unter allen übrigen Voͤlkern 
. wurden Bliße, bie Yon ber rechten Seite kamen, 
fuͤr glückliche Zeichen gehalten: unter den Römern, 
die von der linken: ausgenommen an Comitien, mo! 
man ed den Auslegungen dee Auguren Überlieh, _ 
ob Blitze von ber rechten, ober ber Tinken Hand’ 
gluͤcklich ſeyen m). Es blieb den Roͤmern ſtets 
in friſchem Andenken, daß urſpruͤnglich nur die 
Haͤupter der Voͤlker die Deuterey von, Blitzen, 
und anderen-Zeichen als eine koͤnigliche Kunſt ger 
trieben hätten: daß Romulus, und Remus er: 
fahrne Arguren geweſen: daß dein Erſteren durch 
ein gluͤckliches Auspicium die Herrſchaft uͤber die 
neuerbaute Stadt zugewandt, und daß auch in der 
Fraolge nichts wichtiges, es ſey im Frieden, ober 
im Krlege, ohne Auspicien unternommen worden . 


er, 


E Man ſ. über diefe, und die folgenden Facta Cioer, 
. de Divipat, L. 40. 43. 48. II. 33- 39 c.. 
‚m) 1.35 Lc. Fulmen finifirum optimum au- 
*" Spicium.habemuys ad omnes res, praeter quam 
”: ad eomitia: quod quidem infiitwtum reipubli- 
. .ese canla ef, ut comitiorum'vel in judichte po« 
puli,. vel in. jure legum, vel in creandis magi- 
ftratibus principes civitatig ellent interpretes, 
"€ 39, Ita nobis finiftra,; Grajis et. barbaris,, 
deoxtra meliora. Quamquam haud ignow, 
+ guae bana fint;' finiſtra nos dicere, ætiamũ dex- 


' 


tra ſint. 


—RV 


.»3 L. 40. b. c.. Omnino apud veteres, qui rerum 
potiebantur, iidem auguria tenohant. Ut enim 
Tiapere, ſie divinare regale ducebant, ut teflis 
eh nöfra civifas, in qua et reges augures, et | 

| oo poſtea 


+ 


640 En — | 

Es fehlen daher ben Roͤmern hoͤchſt natärlih, baß 
sur die Erſten des Volks zu der Würde von Ars 
guren gelangten ; und biefe Würbe behielt auch in 
den leßten Zeiten der Republik fo fehr ihren Glanz, 
daß bie vornehmfien Staatsmänner, und die grös 
fien Feldherren es ſich zu einer großen Ehre ans 


rechneten, wenn fie in das Collegium der Augu: 


‚zen aufgenommen wurden. Es iſt nicht zu laͤug⸗ 
nen, daß die Roͤmiſchen Auguren gegen den Uns 
teugang der Republik ihre Verrichtungen nicht 
mit dem ruft, und der Feierlidfeit ausübten, 
wie die Vorfahren gethan hatten. Die gefchah 
weniger bewegen, teil bie meiften Auguren von 
‚her Nichtigkeit ber Auspicien Aberzeugt waren, als 
weil fie durch Ehrgeiß, oder Habfucht, oder Par: 
teygeiſt, und andere wilde Seidenfchaften über alle 
Schranken ber Religion hinausgetrieben murben, 
Wenn Voͤlker fo verborben find, wie ed bie Roͤ⸗ 


Ev 


mer in ben Ziten ber finfenden Mepublil waren; 


fo ift Bein Merkmahl von Unglauben trüglider, 
als bie Vernachlaͤſſigung, ober Webertretung Der 
Vorfhriften, und Gebräuche der väterlichen Re⸗ 
ligion. Hätten die meiften Auguren vermöge einer 
richtigen Kenntniß ber Natur bie Nichtigkeit ihrer 
Kunſt eingefchen, ‚wie Cicero's Wenßerungen an 
folgen Stellen, wo er als Mlabeniiber'redet, vers 
muthen laffenz fo wärben fie, was er ſelbſt auch 
fuͤr Pflicht hielt, ſich um befto mehr beftrebt haben, 
ben Schein bavon zu vermeiden, und bie für fie 
ſelbſt nicht weniger, als für ben Staat fo wichtis 
| "gen 
poßer privati eodem lacerdotjo praedii rempm- 
hlieam religionnn. anotoritate zexerunt.. 








- 


' 


*— 642 


gen Ausdicien aufrecht zu erhalten 0) .. Eine 


. Haupturfache nicht fo wohl bed Verfallg der Au⸗ 


fpicien, als ihres weniger allgemeinen Gebrauchs 
(ag darin, daß man nicht blog Männer, mwelde 
die höchften Wuͤrden bes Staats bekleidet hatten,. 
zu Heerfuͤhren ernannte, fondern dag man häufig. 
‚Zünglinge von ausgezeichneten Feldherriſchen Gar. 
ben mit der Gewalt Yon. Prätoren, und Confuln 


an die Spiße der Legionen fiellte p). Den Feld⸗ 
herren, welche Feine Auspicien, nchmen konnten, 
blieb weiter nichts übrig, als den Willen der Goͤt⸗ 


⸗ 


ter in den, Eingeweiden der Opferthiere zu erfors, 
-fhen.g); und eben-baher breitete fich die Extisphe 


cine, 


| 0) Cicer. de Divinat. II. 35 - 35, Errabat enim‘ - 


\. 


-multis in rebus antiquitas: quam vel ufu jam, 


. wel doctrina, vel vetuftate immutataın videmus.: 
: Retinetur autem et ad opinionem vulgi, et ad. 


magnas utilitates reipublicae mos, religio, dis- 
eiplina, jus augurium, collegii auctoritas, Nec' - 
vero non omni [upplicio digni P, Claudius, L. 
Junise confules, qui contra aufpicis navigarunt.. 
Parendum enim fuit religioni, nec patrius mos 


' tam.contumaciter senudiandas. 


p) Cic, de Divin. 1 43 II 36. An der letztern 


Stelle heißt ed: Bellicam rem adminiftrari ma- 
joxes noſtri, nifi aulpicato, voluerunt. Quam 


multi anni [unt, cum bella a proconlulibus, et 


ropraetoribus adminiftrantur, 'qui aulpicianon _- 
habent? « , Ubi ergo avium divinitatio? quae, 
quoniam ab iis, qui aulpicia nulla Irabent, bel. 
la adminiftrantur, ab urbanis retenta videtur, 
a bellicis elle ſublata. a 


9) Cic L 43. Omitto uoflros . tagt Quintns Cice 


ro, qui nihil in bello fine. extis agunt, nihil 
fine aulpiciis domi habent, . j 


648 — — 


cina in eben bem Verhäftnife ans, in welchem 
ber Gebrauch ber Auspicien eingefhränft wurde. 


Der Glanbe an die Worbebentungen von Gene 
nen: und Monds « Finfterniffen, Yon Kometen unb 
. feurigen Meteoren, von Ungemittern, Donner und 
Blitz war fehr vielen Wölfern gemein, die nichts 
son Öternteutereg wußten, d. h. Yon ber angebli⸗ 
hen Kunft, bie Schickſale der Menfchen aus den 
. Bewegungen und Stelfungen ber himmliſchen Eoͤr⸗ 
‚per beſonders derer, unter weichen man gebohren 
worden, vorher zu beftimmen. Die Aftrologie 
entſtand nicht bloß, ſondern herrſchte auch am un⸗ 
erſchuͤtterlichſten im nordweſtlichen Afrika, und im 
weſtlichen Aſien 57), don wo aus fie ſich faſt gewiß 

ta die ſuͤdlichen und oͤſtlichen Laͤnder des ve 
genannten Erdtheils fortgepflanzt hat 5). 

Griechen war die Sterndeuterey des Orients a 
auf die Zeiten Aleranders des Broßen unbekannt, 
unter welchem Beroſus zuerft diefe falſche Wiſſen⸗ 
{haft wit großem Beyfall auf der Iufel Kos zu 


lehren anfing Die gröften Wiatkematiler ver 


Griechen, felbft ne Stoiker, die alle Abrige 
Arten von Dieination in Schuß nahmen, verwars 
- fen und befiritten die Aftrologie 3). Dicfer WR 
berfprüche ungeachtet verbreiteten ſich die fo genann⸗ 
‘ten ehewäifhen, ober mathematifgen ed, 

nel, 


nn Herodon, n. 82. Cie. de Div, 1. 1.1. 40-47. 


j s) Nach Hindoſtan und den Maldiven, Pyrard I. 175. 
nad) &iam, Lonbere I. 195. sor. nad) China, 
Memoires far les Chinois IV, 3 unser die Eals 
myken, Pallas J. 353 & . 


DM. 4a Cicer, de Dir, 


\ ! R \ 
, L} 
y s — m a 649 


ſchnell, nicht nur in Griechenland, fonbern auch 
im Rom; wo felbfl in den Zeiten des Cicero die 
gröften Männer fremden und unmiffenden Gterna 
deutern ige Ohr Lichen u). Tiber twar.ber erſte 
Kaiſer, welder gleich den Königen des Morgen: 
landes befoldete Sterndeuter an feinem Hofe unter 
hielt x). Diefem ‘Benfpiel ahmten bie meiſten 
feiner. Machfolger nady, und wem gfeich einige Rats 
fer die fo genannten Chaldaͤer und Mathematiker 
mit Fener und Schwerdt verfolgten, fo konnten 
fie deßwegen den immer zunehmenden Hang ber 
Römer zum Aberglauben nicht. außrotten Die 
Sterndeuter und andere Lehrer geheimer Künfte 


kehrten bald nad; Italien und Rom zurück, Auch 


Im Mistefalter erhob die Aſtrologie nicht eher ihr 
Haupt, als bis die Schulgelehrten mit ben Schrif⸗ 
ten ‚ber Araber bekannt gemorben waren y). Die 
wachfende Aufklärung hat dieſen, wie andere Zwei⸗ 
ge ded Aberglaubens in dem gebildeten Europa: 
Sernichtet. Sm Orient hingegen haben Sterndeu⸗ 
ter bis auf den heutigen Tag noch daſſelbe Anfe> 
ben und denfflben Einfluß, welche fie vor Jahr⸗ 
taufenden hatten. Die Behertſcher in der Xürken, 

| | a 


#) 11,47. de Div. Quam multa ego Pompejo, uam 
mülta Crallo, quam multa huie ipfi Caelari a 
Chaldaeis dieta memini, neminem eorum nifi 

‚in fenectute, nif, domi, nif cum clazitate edle 

moriturym? Die ſchimpfliche Unwiſſenheit her daz 

mahligen Sterndeuter erhellt and ven Proben ihren 
Lehrſaͤtze, weiche Cicero auführt, 


3) Sueton, in, ej; vita.c, 19. 


y) Man |. den oben angeführten Abſchnitt über den 
Aberglauben der Voͤlker ded Mittelalters im dritten - 
Bande meiner hiftor. Mergleichung, _ 


— 


— 


. 


650 cf — — 


in Perfien, und Hindoſtan haben mehrere beſeldete 


Aſtrologen an ihren Hoͤfen, und unternehmen fo 
wenig, als ihre Großen, irgend etwas von er. 


ben 2. | | | 
Auf eine aͤhnliche Art, wie bie ungewohnli⸗ 
chen Erſcheinungen am Himmel und in der Luft, 
deutete man aͤhnliche Phaͤnomene auf der Erde, 


deutung, ohne vorher Sterndeuter gefragt zu, has 


‚und in ben uns zunaͤchſt umgebenden Dingen, ber 


fonder® in Menfchen und Thieren. Alle Völker. 
hielten Erbbeben für unglückliche Zeichen: bie heus 
tigen Aegyptier ausgenommen, ald welche fich eins- 
bilden, daß fi waͤhrend der Erdbeben der Him⸗ 
mel öffne, und daß alle Arten von Gegnungen 
auf Aegypten» Lamb herabfirömen a). Diefe Meis 
nung ift um beſto fonberbarer, ba Erbbeben in Ae:- 
ghpten fehr ſelten find, und eben bewegen, nad 
der gewöhnlichen Denkbart 5), gleich dem Regen 
Im Ober s Aegypten c), für Oſtenta hätten gehalten 
nn W oo wer⸗⸗ 
9) POhslon J. 135. Biornſtaͤhls Briefe II. 248. 
Niebuhrs Beſchr. von Arabien, 112. 118 S. Rei⸗ 
ſen I. 276. II. 48. beſ. Chardin III, 163. 164. 176. 
: 20% Die Aſtrologen koſteten zu Chardins Zeiten 
4 Millionen Livres. Die beyden angeſehenſten Hof⸗ 
Sterndeuter gehörten zu deu vornehmſten Hofe Bes 
dienten, Der Erfte genoß 100000, der Andere 
50000 Livres Beſoldung. Geibft die Aerzte, wels 


fie beneibeten, konnten ihnen nichtd anhaben. 


@) Pococke L, 195. 
d) Wie unter ben alten Scythen, Herod. IV. 28. 


€) Bruce II. s4. Ed. in 8. Jt rained the whole 

‚night, 1} ie. a perfect prodigy, to feen rain 

- here; and the propheta faid it portendel a diſ- 
folution of government, ..+ , - Ä 





‘ 


u N 


' 


werben ſollen ce). ZIa-Oriechenfand fuͤrchteten ſich 
ſelbſt die Spartaner vor Erdbeben ſo ſehr, daß ſie 


ihre Heere gleich auseinander gehen ließen, wenn 


biefe auf dem Auszuge gegen den Feind von einem 


Erdbeben uͤberraſcht wurden q). Agefipolis wolle 


te gegen bie Meinung feiner Krieger ein Erbbeben 
als ein glückliches Zeichen anfehen, weil es fich er⸗ 

&ugnet habe, da die Spartaner (don auf feindlichem 
Boden waren. . Allein er führte doch bald nachher‘ 
ſein Heer zurück, da auch die Eingeweide der Opferthiere 
kein Glück verfündigtene). In Europa und ben ans . 
fern Erdtheil zunächft begrängenden Laͤndern find Erb: 


beben nirgend häufiger, als in Vorder⸗ Afıen und 
im⸗untern Italien. Dieß hinderte nit, daß man 


nicht Erdbeben auch in dieſen Gegenden zu den trau⸗ 
rigſten Vorbedeutungen gerechnet hätte, Ein Erbs - 


beben, das bie . Stadt Lyſimachia zerſtoͤrte, 


verkuͤndigte nach dem allgemeinen Glauben der 


Griechen dem Könige Lyſimachus, ſeinem Ge⸗ 
ſchlechte and feinem Reiche den nahen Untergang f)- 


% 


Der ältere Plinius erzähle es als eine ausge⸗ 
run | machte 


* 


ec) Ih. brauche das Wort Oſtenta abſichtlich, weil 

die Römer dadurch im eigentlichſten Sinne ſolche 

. Vorbedeutungen bezeichneten, von welchen ich jetzt 
handle. Cic, de Div, I, 35-36. 11. 05-3. His 
vius braucht häufiger dad Wort Prodigia. 


. , ©p. Xen, Edit, Thieme, nn 


5 ib, 24: 253 pP». J | - 
) Jufin. L. XVII. 5. Quod potentum dira Lyſi- 
macho, ſtirpique ejus, ac regni ruinam cum 

clade vexatarum regionum portendebat, Nec 
: oßentis fides defuis, Ä 


B 
652 En — 


machte Thatſache, daß die Stabt Rom nie eim 


Errdbeben erfahren: habe, ohne daß nicht dadurch 
irgend eine wichtige Begebenheit vorher verkuͤndigt 
worben 8). Man nahm fehr früh wahr, daß 
Erdbeben und andere Öftenta’häufiger im Kriege, 


old im Frieden, und im Kriege um defto häufis - 


ger angezeigt: würden, "je gefährlicher bie Zeitläufte 
feyen h). Beſonders meldete man im zweyten 


Punifchen Kriege fo viele Erdbeben an, baß felbft 


die abergläubigen Römer dieſer Prodigien, und 


ver Ruhetage, bie deßwegen vorgefchrieben wurs. 
. - den, überbrüffig zu werden anfingen. Die Con⸗ 


ſules Eonnten weder Senat halten, noch die oͤffent⸗ 
lichen Angelegenheiten beforgen, ba fie beſtaͤndig 
mit Opfern und anderen. gottesötenftlichen Hands 
lungen befchäftigt: waren: - Dieß bewegte den Ges 
nat, durch bie Conſules Öffentlich bekannt machen- 
zu laſſen, daß Niemand an ben Tagen, wo man: 
. wegen Grdbeben-Ferien angekündigt habe, nene Erd⸗ 
beben- anzeigen folle 5). Es kann ſeyn, daß zu den 
* Zeiten des Livius Erdbeben und andere Oſtenta 
nicht mehr ſo ſorgfaͤltig aufgezeichnet, und eben 
deßwegen auch nicht mehr ſo haͤufig gemeldet wur⸗ 
den, als in aͤlteren Jeiten. Allein er; hatte Un⸗ 
vecht, wenn er dieſes mehr für eine Wirkung won 
J Ba Uns 


g) H. a8: 86, Nunguam urbs. Roma tremuit, ut: 
non füturi eventus alicujas id praenuntium efet. 


&) Cie, de Divin.H co 87. Atque haec in, bello 
plura etmajora videhturtimentibus : eadem non. 
tan animadvertuntur in paee, - Accedit illud. 
ctiam, quod in metu et pericula cum credun- 

‚ tur facilius,. tum finguntur impunius«..,, 


* 


H Livius L. 34. e. 66. 


wg m 1 
* * 


— — 653 


Mnglauben, ald von herrſchender Zerſtreuung und 


fe don mir angeführten 


Nachlaͤſſigkeit hielt k), Di Ä 
Stellen des Cicero und Dlinius, noch mehr die 


Leben der Kaiſer, und anderer vornehmen Römer 
Som Sueton und Plutarch, beweifen auf allen 
Seiten, daß man. zu und nach den Zeiten des Lin _ 


»ius nicht weniger an die. Vorbedeutüngen von Erds | 


beben, und anderen Prodigiis geglaubt habe, als 
während des zweyten Puntfchen Krieges. 


Zu den Oſtentis oder Prodigiis rechneten die 
meiften Voͤlker, vorzüglich die Griechen und Rs 
mer, alle Mißgeburten von Menſchen und Xhies 
ren 1), alle ungewoͤhnliche Stimmen von Thieren, 
und andere Geräufdye, deren Urſachen man nicht 


zu erklären wußtem): alle Erſcheinungen von Thie⸗ 


ren 


t 


-%) L. XLIII. c. 13. Non fam nelcins, ab eadem 


negligentia, qua nihil deos portendere vulgo 
nune credunt, neque nuntiari admodum ulla 
prodigia in publicum, neque in annales referri, 


2) Tic. de Div. I. 33-36. Valer, Max. 1-6, Die _ 


meiften Wiiden fehen Zwillinge ald Mißgeburteh an, 
Die Kamtſchadalen erichr:cen über Zwillingen fo fehr, 
Daß fie fo gar die Gebährerinuen huͤlflos Liegen laſſen. 
Steller 328 S. Aush) die Neger in Arebo tüdten 
nicht bloß die neugebohrnen Zwillinge, fondern auch 
die Mutter. Smith p. 285. In anderen Gegens 


den. von Guinea hält man Zwillinge für fehr glücts u 


liche Zeichen. ib. . 


m) 3.8, daß Ochſen gleich Menichen geredet hatten. . 
Val. ce. 5. 5. Selbſt Caſar führt de bello Civ, 
III. 105. folgende Prodigia an, die fih am Tage 


: der Phurſaliſchen Schlacht eräugnet hätten: Jtem 
conftabat, Elide iu teriplo Minervae, - - finmu- 
lacrum vietoriae, quod ante ipfam Minervam 


— 


col- | 


See un 
tn. 
q 


—— - 
4 


AAI 
ren zu ungewoͤhnlichen Zeiten oder an ungewoͤhn. 
lichen Orten n): das ploͤtzliche Verdorren von Ge⸗ 
waͤchſen, oder das Hervorſchieſſen derſelben an ſol⸗ 
chen Orten, wo die Natur dergleichen nicht her⸗ 


vorzubringen pflegt 0): ſcheinbares Leben und Der 


wegungen von lebloſen p), ober Unbeweglichkeit von 
leicht beweglichen Dingen; das plaͤtzliche Fallen von 
ſolchen Objecten, welche man in raſcher Bewegung, 

| | J 2... oder 


{ 


eollocatum erat, - - - ad valvas fe templi, li- 
menque convertille, Eodemgue die Antiochiae 
in Syria bis tantus exercitus clamor, et figno- 
rum [onns exauditus eft, ut in muris armata 
civitas difcnrreret. Hoc idem Ptolemaide acci- 
dit, Pergamique in occultis ac remotis templis, 
quae Graeci adurz appellant, tympana fonue- 
‚runt, Item Trallibus in templo Vicıoriae, ubi 
:  Gaefart ſtatuam eonfecraverant, palma per 808 
 . dies intecta inter coagmenta lapidum ex pavi- _ 
mento extififfe oſtendebantur. 


‚ n) 3 8. ‚von Schlangen in Häufern und Tempeln, 
Cie. und Val, Max, Il, ec. von NRaubvögeln und ' 
Bienen in Laͤgern und Heeren. Die letteren Pros 
digia erfchätterten felbft. den. Caffius, Plutarch. 
IV, 413. 413, » - 777 dsioudaıuonav,. arpspx Mas 

roy Kansıoy ausov Umopepsoav un ray Exinups Ao- 
as , ruc ds sparwrag vuvraran dssrÄnuevsv. 


0) Caeſar 1, c, Cic, I. 54. de Div. Namque et 
Lylandri - - - - Aatuae, quae Delphis ſtabat. 
im capite corona [ubito exRitit ex alperis herbis 
et agrefibus, 


») 3,8. das Schwigen, ober Umprehen von Sta⸗ 
tüen, das Schütteln von Waffen, das Eröffnen von 
Thiwen u. ſ. w. Cael.et Cicer. I, co. 


⸗ 
4 y y 





-.- 655 


ober hoch hervorragend zu fehen gewohnt war g): 


endlich alle ungewöhnliche Veränderungen in Op⸗ 
ferihieren, befonders alle ungewöhnliche Beſchaf⸗ 


fenheiten ihrer Eingeweide 7). Uäfar war ber 
einzige vornehme Römer, der fich biömweilen an bie 


traurigen Vorbedeutungen ber Eingeweide von Op⸗ 


fers 


4) Zu den traurigfien Zeichen gehörte ed, wenn die 
Adler und andere Kriegkzeichen fo feſt in der Erde 


C. autem Flaminius cum --- apıd lacum Thra- 
[ymenum -- cum Annibale cunflicturus, convelli 
Ggua'juberet, lapfo equo [uper caput ejus pro- 


firatus et: nihilgue ex prodigio inhibitus, Ggni- . 


feris negantibus figna moveri [us lede polle; 
malum, ni ea continuo effodillent, minatus eſt. 
und $. 11. vom Craſſus: Ducturus erat a Carris 
adverfus Parthos exercitum -'- - agailarum al- 
tera vix convelli a primipilo potuis:. oder wenn 
‚die Träger von Kriegdzeichen fielen, mie im Heere 
des Caſſtus, Plutarch, 1.c, oder wenn Feldherren 


Ä mit ihren Pferden flärzten , wie Slaminius, Val, - 


Max.l.c. Der Saifer Tiber war ſehr zoͤgernd im 
Schlagen, ausgenommen, wenn fein Licht,. oder 
der Tocht feiner Lampe plöglich eingefunfen, und 
dadurch ausgelöfcht war. Er behauptete, daß dies 


ſes für ihn und feine Vorfahren: ſtets ein fehr guͤnſti⸗ 


ges Zeichen geweien fen. Sueton. in ejus vite c. 19. 
roelis, (quamvis minimum fortunae caßbusque 
permitteret, aliquanto eonftantius inibat, quo- 
ties lucuhrante -fe ſubito ac nullo propellente 
deeideret lumen , et extinguerstur: confidens, 


ut ajebat, oftento, hibi ae mafjoribee fuis in omnj 


ducatu expertiffimo. 


77) Wenn fie fich fträubten, oder .eutflohen, oder nicht 
fielen, wie fie fallen ſollten. Brillon. de form I, 
c. 22, Suetam in Cael. 6.59. Ovid. Metamorph, 
VII. 597. Cicero de Div, 1 62. U. 16.17. 04. 


* 
L 


ſteckten, daß man fie nicht herausziehen konnto 
. wie vor den Niederlagen des Slaminius und Craſ⸗ 
ſus, Cic. de Div. 1.35. Val, Max. l. e. ſ. 6. 





j 


| Terthieren nit Eehrte s), allein au er warb zu 
anderen Zeiten nicht. wenig dadurch bewegt 2). Caͤ⸗ 


ſars Zeitgenefjen glaubten an bie Worbebeutungen 


> von Dpferthieren eben fo fe, als an bie don ans 


\ 
⸗ 


2) dCio. I. 41. 40. II. 10, do Divina 5 


deren Oſtentis; und eben daher ſchickten die Da: 


rusſpices inRom dem Pompejus, oder ben Freun⸗ 
den und Unhängern bed Dompejus unzähliche Wahrs 


jagnngen nad), die alle durch den Erfolg wiebers 
legt wurben u), Neben der Deutung von Blitzen 


und Meteoren Fam uud bie Auslegung ber Eins 


‚geroeide der Dpferthiere und aller Prodigien ben 
barufpicibus zn x). . 


— Die, meiſten Nationen nahmen Ausſpicien nicht 
bloß aus den ungewoͤhnlichen Veraͤnderungen, ſon⸗ 
dern auch aus den gewoͤhnlichſten Handlungen der 


Thie⸗ 


9 3. B. Cie, de Div. II. 24, Sdeton, In ej,vitac, gr. 


2 €) Cic, I. 52. de Div, .. quod paulo ante interi- 


tum Caefaris contigit, Sei cum immolaret illo 
die, quo primum in Iella aurea fedit, et cum 
purpures velle proceſſit/ in extis. bovis opimi 
tor non fuit.--. Onaille rei novitate percul- 
fus, cum Spurinna diceret, timendum elle, ne 
‚er confilium et vita deficeset, -- - | 


a). 24. de Divinat. Quid ego harulpicum re. 


fponfa commemorem, pollum, eyuidem innume- 
‚rabilia, quae aut nullos habuerunt exitus, aut 
. contrariocs®? Hoc eivili bello, dii immortales ! 
uam multa luferunt? quae nobis in Graeciam 
oma refponfa harufpicum-milla funt? quae 
dicta Pompejo? Etenim ille admedum extis et 
oftentis movebätur, Non lubet. commemorare, 
nec vero necelle elt, tibi praelertim,. qui in- 


terfuilti._ Vides tamen omnia fere contra, ae 


- dieta Tunt, evenifle. 


* 

















hier M / befonbers aus dem Geſchred ober Ä 


Gefange, dem Fluge und Frage von Vögeln 2). 
Man kann zwey Gründe anführen, warum man 
die Vogel mehr, als andere Thiere, für wahrfas 
gend, oder weifjagend hielt. Zuerſt haben, meh⸗ 
vere Wögelarten in ihren Geſchreys etwas fo kla⸗ 
gendes, ober tranriges, baß fie diejenigen, wel: 
che fie hören, zu traurigen Empfindungen und ban⸗ 
gen Ahndungen flimmen a). Zweytens bemerkte 

. man, 


y) Die Aegyptier aus den Bewegungen deß Apis, viele 
leicht auch noch anderer Thiergötter, Yan Dale 
© 18.15. Die Epiroten aus dem Fraße, oder Nichts 
Sruße von Schlangen, Pän. XI. a. Die Syrer und 
Lycier nicht bloß aus dem Freſſen, fondern aus allen 
‚Übrigen Bewegungen von Fiſchen. Athenae, VIll.s. 


p. 555. Aclian. VIII, 5. Die Deutfchen aus bem 


Wiehern der Pferde, Tac, Germ. c. 10, 


| x) Der Wahrfogerey aus dem Beichrey, ober dem 
Fiuge und Fraße von Vögeln waren vorzüglich ers 
geben die Scandinavifchen und übrigen Sermaniſchen 


ölfer, Taeit. Germ, c. ı0, Barthol. g, 669. _ 


Die Eicilier, Pifider ,, Pamphylier und übrigen Bes 
wohner der Aſiatiſchen Halbinfel: Cie. deDiv. L 1, 
‚07 1, 33- 40. . Bor allen anderen die Römer, unter 


welchen die Aufpicien aus dem &lnge und Fraße der 


Boͤgel die vornehmften waren. Il. ec, 


a) Daher wurden unter. fo vielen Völkern Naben, Kraͤ⸗ 
Gen und Eulen für unglüdliche Woͤgel gehalten, 
Sonnerat 1.69. Plin. X, c. 15- 17. Dlinius 


glaubte, daß die Haben nicht bloß die 3 vers. 


udigten, ſondern daß fie auch unter allen Vögeln 
die einzigen wären, welche ſich ihrer Weiflansingss 
Gabe bewußt feven. .c. Torvi in aufpielis [of 
| videntur intelleetum habere 


xt 


ifieatienum : 
Bgni —— 


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man, daß viele Vögelarten theils duech ihren Flug, 
theils durch ihr Geſchrey die Veraͤnderungen der 
Tags s und Jahrszeiten, auch die der Witte⸗ 


zung - gleihfam vorher derfündigten. » Man 
ſchloß Hieraus, daß die MWögel mehr, ale 


andere Thiere, Wertraute der Götter feyen. 
Wenn bie Römer vielen anderen ‚Völkern darin 
ähnlich waren, daß fie aus ben Voͤgeln wahrſag⸗ 
ten; ſo unterſchieden ſie ſich ſchon in den aͤlteſten 
‚Zeiten von allen übrigen Nationen durd die Weiss 
beit, womit fie bie Augures und bie Auspicien 


‚unter die geheime Dberaufficht des ‚Senats feßten. 


Die Römer wahrfagten nicht aus allen,  fondern 
aus wenigen Arten von Vögeln. Unter ben Roͤ⸗ 
mern Eonnte ſich nicht Jeder aus dem Volke ,: nicht 
jeder Priefter, nicht. jebe Magiftrats s Perfon 
zum Wahrſager aufwerfen. Diefe Kunft übten 


ganz allein diejenigen, denen es im Nahmen des 
Senats aufgetragen worben war. Auch nahmen 


die Romiſchen Augures nicht zu allen, ſondern nur 
zu gewiſſen, entweder durch ben Senat, ober durch 
die Geſetze beftimmten Zeiten Auspicien. End⸗ 
Yich waren bie Bewegungen ber Vögel, aus wel: 


den die Römifchen Augures den Willen der Goͤt⸗ 


ter erkannten, ſo beſchaffen, daß man dieſelben 

immer nach den Umſtaͤnden ber Zeit: deuten konnte, 
oder vollkommen in ſeiner Gewalt hatte 6). Dieß 
letz⸗ 


u fnaram, Aus eben der Urſache, aus welcher man 
dab Geſchrey der genannten Vögel als Ungluͤck brins 
gend anfah, deuteten auch ſo viele Nationen das 
Tehenub der Hunde auf eine ähnliche Urt, ſelbſt die 

Meger in Congo, Cavazzi 1..343. 
i) Cie, II. 36. de Div. Externa autem. anguria, 
quae non tam [nat artificiola ‚ quam Superfli- 
tiola 


N 


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": , . 


Ichtere kann man Befonberd von den wichtigſten uns. 


ter:ollen Auspicien, nämlich von denen fagen, wels 
he. man don den: heiligen Hühnern nahm c). Es 


war ein hoͤchſt gluͤckliches Zeichen, wenn bie heili⸗ 


gen Huͤhner aus dem Kefig gingen, von dem Fut⸗ 
ter, welches man ihnen vorwarf, fraßen, und 
von dieſem Futter etwas auf die Erbe fallen liegend), 
Schr ungluͤckliche Zeichen. hingegen. waren es, 
‚wenn die Hühner entweder nicht fraßen, oder zu 


ent⸗ 


— 


tioſa videamus. Omnibus fere avibus utuntur, 


nos admodum paucis, Alia illis ſiniſtra ſunt, 
alia noftris. - - - Atque ille ( Dejotarus) ſem- 
per iis utebatur! nos, niſi dum a populo au« 
ſpicia aceepta habemus, quam multum iis uti- 
mur, ‚ Die Römer nannten die. Vögel, aus deren 
. Stimmen fie wahrfagten, - ofeines; aus deren Flu⸗ 
ge, alites, Brillön. I. 207 c. er 


- ©):Plin, X. 24 c. Horum [unt tripudia folinima. 
. Hi magiſtratus noſtros quotidie regunt, domos- 


que iplis [uas clandunt, ant refecant, Hi faf- 
ces Romanos iınpellunt, ‚aut retinent, jubent 
acies aut pröhibent, victoriarum omnium toto 
orbe partarum aulpices, hi maximo terrarum 
imperio imperant, etc, EB 
d) Cicer. de Divinat.-1I. 34. - Attulit in cavea pul- 
los is, quj ex.eo.nominatur pullarius - -:- quia,' 
eum palcuntur, necelle eft,. aliquid ex ore ca« 


dere, et terram pavire, terripavium primo, ° 


poſt terripudium dictum ef: hoc quidem jam 
tripudium dicitur. Cum igitur offa cecidit cx 
-ore pulli, tum aufpisanti tripudium ſoliſti- 
‚mum nuntiatur. Ergo hoc aufpicium divini 
quidquam habere poteit, quod tam fit coactum 
et exprellum? - -. nunc vero inclula .in cavea 
-(avis illa) eg, fame enecta, fi in. offam pultis 
invadit, - - hoc tu aulpicium putas 7 


Its 


ig 


— 


7 — — 

atwiſche⸗ ſuchten ). Die Römer rüßrten m meh⸗ 
rere Beyſpiele an, wo Heerfuͤhrer ſich an die letz⸗ 
teren Zeichen nicht gekehrt hätten, und für diefen 
Ungehorfam durd) große Niederlagen geftraft wor⸗ 
den f), Es ift außer Zweyfel, daß in den legten 
Zeiten der Republik die Auspicien häufig vernach⸗ 
laͤſſigt, ober gar auf bie ſchaamloſeſte Art zur Be⸗ 
förderung ber gefaͤhrlichſten Entwürfe gemißbrandt 
wurden g).:. Die Urfache davon lag nicht, ich 
muß dieß Immer wiederhohlen, in wahrer Auffläs 
rung, wicht einmahl in entfhiedenem Unglauben, 


ſondern allein in der Zerſtreuung, ober den wilden 


Leidenſchaften, welche das allgemeine Sittenver⸗ 
J derben erzeugte. 


Viel natuͤrlicher, als die meiſten Zeichen, 
welche man aus dem Geſchrey, oder aus dem Flu⸗ 
ge und Froße von Vögeln nahm, waren bie Vor⸗ 
bebeutungen von vielen fo genannten Dminibus, d. 
h. Yon zufälligen Neben, KHanblangen, und Be⸗ 
gegniſſen, welche auf die Sage bon Perfonen eine 
auffallende Beziehung hatten, und eben Degmegen, 
‚ göttlide Warnungen, unmittelbare Wirkungen ber 

. Götter zu ſeyn ſchienen. Won diefer Art waren 
se Omina, die dem Aemilius Daulus, ber 

Caecilla des Metellus, dem M. Traffus uns 
em 


e) Brill, de form, L, aia. 
%» 1. 35. de Divin, Val, Max, 1. c, 


æ Dies letztere that Antonius Phi 1.5. 5 3% 
Pe Vo. ferner de Div, 1, * et ſꝗ Dienyf. 
— u. & 6, 








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dem Timoleon auffließen h): allenfalls. auch dies. 
jenigen, bie vom Midas, und Hiero, vom Dias 
20, und Koseius erzählt werben i). Allein bie 
‚meiften Omina waren fo befchaffen, daß man zwi⸗ 
ſchen dem Zeichen, und dem Bezeichneten faft gar. 
Feine bemertbare Beziehung entdecken Eonnte, oder 
wenn man bergleihen mit Gewalt finden wollte, 
daß ınan fie gerade auf bie entgegengefeßte Art hätte 
. sadlegen Tonnen. Omina biefer Art wurben bloß 
dadurch Worbebentungen, daß anf gewiſſe Meden, 
Handlungen, ober Begegniffe zufällig ein, ober 
einige Mahle dieſes, oder jenes erfolgt. war :. wors 
and man beuu ſchloß, daß das zufällig Vorherge⸗ 
hende eine Urfache, ober eine Vorkerverkündigung 
bed nachher Erfelgten ſey. — . Als der flieheunde, 
und ertappte Marius zu Minturna in bad Daub  _ 
der Saunia gebracht wurbe, Fam ihm ein Eſel 
entgegen, fah ihn freundlich au, that einen fröhlis 
den Schrey. und Sprung, und eilte dann zum nas 
ben Brunnen k). Marxius fand in dem Eilen des 
Eſels zum Brunnen ein gluͤckliches Omen, woburih 
vorbebeutet werbe, daß er fein Heil auf dem Deere 
fuchen muͤſſe. Fuͤr unglüdlice Zeigen — 
| Ä hiel⸗ 


R) Cicer, de Div, I. 45. 46. Val. Max. 1.6, n. 11. 

Piut. II. 453 - 45. Il, 188.83. 

i) Val, Max. I. G. externa fi. 2. 3. Juß. XXIII. 4. 
Dieien Maͤnnern trugen der Sage nach in der Kinds 
beit Umeifen, Körner, oder Bienen, Honig in den 
Mund, Ich füge noch dad Dmen Yinzu, was die 
Gothen aus der allmaͤhlichen Aufloͤſunag Der Statuͤe 
des Koͤniad Theoderich nahmen. Procop. in Gro- 
ti Hift. Gothorum p, 407, 


x) Put, 1.977 


T — — ‘ 


ur. BR: ” 


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— —— — 


6 — — 


bielten die Griechen und Roͤmer, wenn Maͤuſe abe 
was anfraßen, ober wenn ihnen Katzen und Vers 
ſchnittene begegneten, oder wenn fie von der Linken 
Seite niefen hörten, oder mit dem Linden Fuß zus 


erſt in einen Shah, oder einen Tempel traten F). 


Ueberhaupt nahmen die meiften Völker das, was 
von der rechten Seite her Fam, für ‚glücklicher 
von ber Linken, für unglüclicde Zeihen m). Au 
bey den Ominibus erfand ber Aberglaube gleichſam 
Mittel gegen fig ſelbſt. Zuerft hatte man es nach 


‘ ... 


- 


7) Theophraftii Char. c. ı6, Cie. de Dir. II. 27. 
- Den Hindus it das Begegnen eines Oehlhaͤndlers 
ein trauriges Zeichen. Sonner. J. 63. Noch wi⸗ 
derſinniger aber iſt es, daß die Neger in Congo im 
dem Aufſtoßen eines Haſen, oder eines andern 
/furchtſamen Thiers ein glüdriched Zeichen finden, 
und Muth daraus fchöpfen. Cavazzi I. 343. Plus 
tarch IL, 216. 817. führt ein mertwirdiged Beyr 
{Piel an, wo ein Omen ganz anderd vom Timo⸗ 
leon, anders von feinen Kriegern verſtanden 
mir. * BE j 


| . aa\ Cio. de Div. II. 39, Ita nobis finifira (Gra- 


jis et barbaris, dextra meliora. Quamguam 
haud ignoro, quae bona ſunt, finiftra nos di- 
cere, etiam ii dextra fint, Sed certe noftri ſi- 
niftrum Sominaverunt, externique dextrum, 
quia plerumque. melius id vädebatur, Daher die 
Yedeusarıen numina dextra et laeva, für gnädige 
und, ungnädige Gottheiten. Wenn die Neger in 
Whida morgens beym Ausgehen nielen, und im 
Niefen zufällig den’ Kopf rechts drehen; fo Halten 
- fie dieß für ein fehr gluͤckliches; links, für ein uns 
gluͤckliches Zeichen. Des Marchais I, 310. Unter 
ähnlichen Umftanden gehen Die-Tumbineken Acht, ob 
fie Ein, oder zwey Mableç nieſen. Das. erfte ift ein 
unglüdlichrs, das legtere ein gluͤckliches Zeichen, 
Later, Edif, XVI. 207 p.. , 


W ⸗ 
m 22066 


e 


der gemeinen Meinung der Roͤmer in feiner Ge 
malt, ungünftige Dmina anzunehmen, ober nicht, 
indem man fich entweder gegen ihre Wahrnehmung 
verwahrte n), ober nur erklärte, daß man fie 
nicht wahrgenommen ‚babe. Selbſt der Naturfor⸗ 
fer Plinius hielt diefe leßtere Auskunft für ein 
nnausſprechliches Gnabenmittel, welches die Goͤt⸗ 


ter den Menfchen gewährt hätten 0). Man Eonnte. 


—zweytens ein ungünfliged Omen durch bie Art, wie 
man ed aufnahm, gleihfam umkehren, und ik 
eine günfkige Worbebeutung verwandeln. Als Caͤ⸗ 
far bey der IeBten Unternehmung gegen bie Ans 
haͤnger des Pompejus in Afrika an's Land trat, 
fiel er beym Ausfteigen nieder. Er wandte biefe. 
unglüclihe WBorbebeutung um, indem er fagte: 
jeßt habe ih dich, Afrika p). Endlich hofte man, 


dag man ungluͤckliche Dmina entweder durch Aus⸗ 


ſpucken, sder durch das Werfen von Steinen, oder 
durch andere Handgriffe, abwenden koͤnne 4) 


Eben 


m) Cic, de Div. II. 3€. Er quid⸗m ihe (M. Mar: 
cellus) dicebat, fi quando rem agere vellet, ne 


° 


impediretar aulpiciie, lectica operta facere iter 


fe ſolere. 


0) XXVIIL 4. In augurum certe dilciplina con- 
Rat, neque diras, neque ulla aulpicia pertinere 
ad eos, qui quamque rem ingredientes, abler- 
vare [e ea negaverint: quo munere divinae in- 
dulgentiae majus nullum eft, ut 


p) Suet. in Caelare c. 59. Prolapfus etiain in: 


egrellu navis, verfo ad' melius omine, tenoa 
“te, inquit, Africa. 


9 Abominari. Plin, l.c, &,4- 7. 


= 


Le —* — — 


= Eben Me Denkart, welche den Glauben an 
Omina veranlaßte, führte bie Menſchen auch auf 
Din Vorſatz, ben Willen der Götter durch allers 


leh Arten von food, oder von fortibus, zu erfora 


ſchen. Die Götter waren bie Urheber aller gluͤck⸗ 
lichen fo wohl, als unglüdlihen Begebenheiten, 
und Vorbedeutungen: nahmentlic der Warnnugen 
durch zufällige Meben, Handlungen, und Begeg⸗ 
niſſe. Was war natuͤrlicher, als die Vorauss 
feßung, eder der Schluß, daß au) das Leos von 
den Göttern geleitet, und bag durch daſſelbe Gluͤck, 
ober Ungluͤck ausgetheilt, oder angedeutet werbe? 
Man trifft daher bie Wahrſagerey ans fortibus 
unter den roheſten Wilden in allen Erdtheilen, wie 


" umter allen großen Völkern ber älteren, und uenern 


Zeit an. Die Einen fragten die Götter durch ben 


Wurf von Kugeln, oder: Würfeln vr): Andere 
durch das Werfen, ader-Zichen von Staͤben, ober 


Blaͤttern 5). Schon bie alten Deutſchen machten 


r) Ueber das Urim, und Thumim der Juden, Mich. 
Moſ. Recht 1. 186. tiber dad Werfen von Kugeln 
unter dın NRegern, Des Marchais Il, 130. von. 

Wurfein in Dodona, Pıänefle, Antium und au ans 

- Seren Orten, Cicer, de Div. Il, 41, Van Dale 
p. 895. unter den beutigen Perſern, und übrigem 
Morgenländern, Chardin III. 205, - . 


5) Diefe Wahrfagerep naunten bie Griechen pußdenui- 
. mau. Sie fand, und findet fih im alten Orient, 
dotae e, 4. unter den Scythen, Herodot. IV. 
7,68. unter allen Deutichen Voͤlkern, Tacit. de 
Mor, Germ. €& 10. Ammian. Marcell. XXXI. 
». 790. Edit, Bash, Barihol. p. 676, unter dem . 
„inefen , und den übrigen Voͤltern ded oͤſtlichen, 
and füdlichen Uſiens, Notices de l’Yking p, 410. 


t 
% 


Indie Stäbe, welche fie warfen und zogen, gewiſſe 


Merkzeichen, die nachher gedeutet wurben 8). - So 
bald alfo Schrift erfunden, und Bücher verfertigt 


wurden; fo beſchrieb man Blätter, ober Pfeile 


uf. w. mit Worten, oder Sprühen, zog aus 
ben einen, oder ben anderen, und beutete diejeni⸗ 
gen, welche man gezogen hatte u); oder man ſchlug 
heilige, oder fonft gefhäßte Schriften auf, um zu 
fehen, was durch die zufällig getroffenen Stellen 
angebeutet werde. Zu eben ber Abfiht, gu wel⸗ 
her die Griechen bie Gedichte des Homer, Kuri⸗ 
pides, u. ſ. w.; bie Römer, die des Virgil, 
des Starlus, u. f. w. brauchten, wandten und 
wenden bie Chinefen tbre Kings x), die Mahemes 
daner den Koran y), und die Chriften bie Bibel 


RL) 


Ich habe bisher bie vornehmſten Arten ber 


kuͤnſtlichen Divination mit einiger Umſtaͤndlichkeit 


behandelt. Man kann in einer allgemeinen Ge⸗ 
= ſchichte 


Leitres Edif, XVIII. 336, Gelbſt die Bewohner 
der Carolinen, oder neuen Philippinen machen - 
Knoten in Palmblätter, zählen diefe Knoten, und 
wahrfagen daraus. Lettr, Edif, XV. 311. 


N) Tacit, I. c. ter fingulos (fucenlos) tollit, fub- 
latos, fecundum imprellam ante motam inter- 
pretatur. . 


5 u) Van Dale p. 297. 


=) Notices del’Ykingl, «, 
y Chardin III. 205. 


2) Weber. die [ortes Homericas, Euripideas, Virgi. 
‚kanas, u. | w. Van Dale p. 299- 301. 


x 


WG 


⸗ \ 


x 


666. 222— 


ſchichte der Religionen nicht erwarten daß ich alle 


übrigen Arten von Wahrſagerey, bie nur unter 


einzelnen Völkern, und in geriffen Zeitaltern ger 


braͤuchlich waren, auf gleiche Art und Weiſe unter: 


ſuche. Die genauere Aus einanderſetzung aller kuͤnſt⸗ 


lichen Arten von Divination wuͤrde mich nicht nur 
viel weiter fuͤhren, als ich zu gehen wuͤnſche, ſon⸗ 
dern würde auch den Leſer ermüben. Es iſt mir 


genug, Pürzlich zu erwähnen, daß man nod) aus 
unzähligen anderen Dingen wahrfagte: naͤmlich aus 


manherley Gliedmaaßen der Menſchen, und Thies 
te, befonderd aus der Hand, und ben Nägeln ber 


‚ . Menfhen a): aus Eyern, und allerley Fruͤchten b): 


aus dem Lodern, und Kniſtern des Feuers c): aus 
sen Wallungen, und Zügen bes Rauce, oder des 
Dampfs von Opferthieren d): aus Wein, Wafs 


fer, und anderen Feuchtigkeiten e): aus den Ger . 


falten von Metallen, oder anderen Dingen, wel⸗ 
‘he man in Waffer, ober ähnliche Seuchtigbeiten 


hins 


a) Spierüber und uber die folgenden Arten von Tünfts 
licher Divination ſ. man bef. Peucer. 144. |193. 
Delrio IV. c. 3. 4 Selbſt die Jakuten wahrfagen 
aus ver Hand, Gmelin II. 364. und die Ho 


ſchottlaͤnder, gleich den Kirgiſiſchen Gofaden aus . 


den Schulter?nochen von Schaafen, Oder Haͤmmeln. 
Pennants Scot. p, 179, 


5) Delrio hc. 


e) Lucan, Pharf. I. 849. Saubert, de facrif. p. 322. 
Die Kamtſchadalen halten das Pfeifen des Feuers 
fuͤr ein gluͤckliches, die Jakuten, rin e ein ungluͤck⸗ 
liches Zeichen. Steller. ©. 276. 


„Ei -Saubert, et Feucer I, cc, 
N) ih. 





⸗ 


h 


Traͤumen, ‚ober in ben Eingeweiden ber Opferthie⸗ 


- 


— 6 


hineinſchuͤttete f): aus Spiegeln, oder Gtüden . 
von Chruftall, aus Sieben, Schlüffeln, - Degen, _ 
Ringen, Bechern, und. anderen Gefaͤßen g). 
Wenn auch eine, oder die andere diefer Unterars 
ten om Fänftlicher Divination durch liſtige Wahrs 
fager zuerft gebraucht ſeyn ſollte; fo bleibt es doch 
immer wahr, daß der Aberglaube der Völker ih⸗ 
nen ſchon in aͤlteren Muſtern vorgeleuchtet hatte, 
und ſie durch eine natuͤrliche Analogie zu ihren Er⸗ 
findungen hinfuͤhrte. 


Den bisherigen Unterſuchungen zu Folge fa: - 
hen alle Goͤtter die Zukunft vorher, und kuͤndig⸗ 
ten anch den Menſchen die Zukunft durch allerleh 
Zeichen, und zu allerley Zeiten an. Wenn die 
Goͤtter ihre Verehrer uͤber gewiſſe Angelegenheiten 
in Ungewißheit ließen, und gleichſam nicht von 
freyen Stuͤcken unterrichteten; fo wandte man ſich 
an Weiſſager, und Wahrſager, oder man erforſchte 
ben Willen der Götter durch das Loos, ober in 


re, 


H) ib. "as Gießen von Zinn in Waffer, und das 
Wah ſagen aus den Formen des erfalteten Zinns 
tft in Sibirien noch eben fo üblich, ald in Deutfchs 
land. Gmelin 111. 361 S. . >. 


4) Delrio 1. c. Die Spiegel» Wahrfügerey ift viel 
‚älter, als man glauben folte Schon der Kaiſer 
Didius Julianus war derſelben ergeben. Spars, 
in ejus vita c. 7. - et ea, quae-ad fpeeulum 
dicunt fieri, in quo puerı praeligatis oculis in, 
cantato vertice relpicere dicuntur, Julianug fe- 
eit Die Ja ntiſcheu Wahrſager prophezeien nicht 
bloß aus Ninsen, ſondern auch aus Ruheln und 
Copelen. Gmelin TI, 364. EEE 


s - . 
P . J 
J N I 
8 . un m . , 


re, n. ſ. w. Wie entſtanden, fo kann man mit 
Recht fragen, bey dieſer Leichtigkeit, den Willen 
der Götter zu erfahren, bey diefer Wereitwilligkeit 
der Götter, ihren Willen zu erkennen zu geben, die 
‘fo genannten Drafel, d. h. Gnadenoͤrter, wo ber 
- Mimmte Götter einem Jeden, der fie über die Zus. 
Zunft fragte, zu allen Zeiten antworteten, uub 
- zwar durch beſtimmte Zeichen antwerteten ? Ä 


Die Frage von der Entfiehung der Orakel 

kann nicht aus der Geſchichte, wenigſtens nit 
aus ber alten Geſchichte beantwortet werben. Die 
erften, und berühmteften Orakel ber Griechen wa⸗ 
\ren von Aublänbern , ober doch gewiß nach frems 
den Muftern errichtet worden A). Die Aegypti⸗ 
ſchen Dralel entſtanden in foldyen Zeiten, bie. zu 
welchen nicht einmahl. Ueberlieferungen, viel ments 
ger bifkorifche Denkmaͤhler hinaufreichen. Nicht 
alle Völker, die an Meiffagungen und Wahrſage⸗ 
sey glaubten, hatten zugleich Orakel. Vielwmehr 
ſcheint es, dafi bie Sutfichung von Orakeln ſchou 
einen gewiſſen Grab von Cultur vorausſetzte. 
Menu man dieſes annimmt, fo koͤnnte man zuge⸗ 
ben „ daß zwar alle Hauptarten. von Weiſſagungen 
und Wahrſagerey urfprängliche Erzeugniſſe bee 
Aberglaubens der Menſchen waren: ba aber Ora⸗ 
kel erft in foldyen Zeiten entſtanden feyen, wo 
—— und Wahrſager ſchon angefangen hat⸗ 
„ſich des Aberglaubens ber Voͤlker zu bemaͤch⸗ 
arm, nnd bag alſo felbft Die erften- Orakel ven 

ſchlauen Vartan see morden. re 
a⸗ | 


» Das zu Dibona Herodot. I. 54 et.la. © Da | 
zu Delphi Paufan. X. 6 e. 


a 





7 
. 


u. 669 


Tankitus erzähle, daß die Harmunduren und 
Catten um eine Salzquelle bis auf's Blur gefämpft 
hätten, nicht blog um ihrer Nuͤtzlichkeit willen, 
fondern weil beyde Völker überzeugt geweſen feyen, 
daß die Götter in ſolchen wohlthätigen Quellen _ 
wohnten, und bie Gebete ber Sterblichen mehr, 
als an anderen Orten erhörten i). Wenn alle 


Natiounen fo gedacht hätten, vole bie Hermunduren 


und Catten beym Tacitus; fo würde man als 
Regel fekfeßen können, daß Orakel an folgen Orten 
entſtauden feyen, wo man die beftändige Gegenwart, 
und Wirkſamkeit höherer Naturen wahrzunehmen 
geglaubt habe. Allein diefe Wermuthung wird 


durch die Geſchſchte nicht allein nicht beſtaͤtigt, ſon⸗ 


dern vielmehr widerlegt. Die Goͤtter, deren Ges 
genwart und Wirkſamkeit man wahrzunehmen glaub⸗ 
te, waren nicht alle menfchenfreundliche Götter. 


Alle Nationen 3. B. waren der Meinung, def 


fenerfpeiende Berge, heiffe Quellen, gräßliche 

Waſſerfaͤlle, und gefährlihe Stellen !n Flüffen 
von böfen, oder zürnenden Gottheiten bewohnt 
würden, denen man ſich nicht einmahl zu nähern, 
viel weniger Fragen vorzulegen wagte. Selbſt 
- Me menfchenfreundlihen Götter hielt man nicht alle 
für geneigt, zu jeber Zeit auf Werlangen ihren 
Willen zu erdennen zu geben. Unzählige Wälder 
and Bäume, unzählige Berge nad Felſen wurden 
als beftändige Wohnungen ber Goͤtter angefehen, 
ohne daß deßwegen in, und neben den einen, oder 
auf den anderen Orakel entflanben, | PER 
cur 


. 


3) Annal, zilf, 57. Eos maximme losoe propin- 
Quare coelo; precesqus wmortallum a nu6- 
guam propins au ” Ä . 


670 — — 


Wenn' Orakel urſpruͤnglich nicht rc bie 
Schlauheit von Prieſtern, oder Wahrſagern, ſon⸗ 
dern durch den Aberglauben der Menſchen gegruͤn⸗ 
det wurden; fo iſt Feine Entflehungsart wahrſchein⸗ 
licher, als diejenige, welche von ben Möhlen der 
Sibyllen, ober von dem Orakel zu Delphi erzählt 


‚wird, Hirten, heißt es, welche ihre Heerden an 


den Bergen, und in den Zhälern Von Phocis weis 


teten, wurben auf einmahl von ben aus ber Erde 


auffteigenden Dünften ergriffen, . und fingen an, ' 
wie von ber Gottheit des Apolf erfüllt, zu weiſ⸗ 


J ſagen Hy. Man ſah die Betäubung, welche die 


‚mephitifhen Dünfte deranlaßten, gleich, einer jeden 


andern Verzuͤckung ald.eine unmittelbare Wirkung’ 


| der Gottheit, bie Betäubten, gleich anderen Ber: 


7 


zuͤckten, als Vegeifterte, und ihre Reden und 


Worte ald Weiffagungen an. Vorber > Afien, Grie⸗ 


chenland , und Italien waren voll von Höhlen. 


| In Griechenland hatte Feine Gegend fo viel Höhs 


Ien, ald Boeotien; und eben deßwegen war Boeo⸗ 


tien reicher an Drakeln ‚ als irgend ein anderer 
Theil von Griechenland /). | 


Sn. den angeführten , und anderen ahnlichen 


Wenfpielen war mwenigftend eine auffallenbe Erſchei⸗ 
—nung wirklich vorhanden. Bisweilen fuͤhrten 


durchaus eingebildete wunderbare Phaͤnomene zu 
denſelbigen Reſultaten. Im alten Norwegen wall⸗ 


fahrtete man zu einem heiligen Steine, von wels 


chem 


— — 
an. 
4 


k) Paulan. X, 6. Plut. vr. 705 
. 55 Blut, VII. 6#% Van Dale p. 54. Des Brolfes in 


35 ®. der Memoires de l’Academie des Infer, 
p. 112. 


7 8 


. J | 
s — * - 
x \ F 
m |, x 671 
\ . 
. I 


chem man allgeniein glaubte, daß er in feinem In⸗ 
nern einen hoͤrbaren Geſang anſtimme, und durch 
diefen Geſang denen, welche ihn befragten, die Zu: 
kunft vorher verkuͤndige m). Etwas ähnliches er: 
‚zählte man von dem heiligen Stein, welchen man 
in den älteften Zeiten bey der Wahl von Königen 
in Irland braudyte, der nachher nad Schottland, 
‚und aus Schottland nach England Sam, wo er 
noch jetzt dem Croͤnungs⸗Seſſel der Koͤnige einver⸗ 


leibt iſt. Man hielt die Wahl von Koͤnigen nicht 


eher für gottgefaͤllig, als bis der Stein eine vers 
nehmliche Stimme, ‚oder body einen vernehmlichen 
Seufier von ſich gegeben hatte m), | 


Eine anbere wahrſcheinliche Urſache der Ent: 


ſtehung von Orakeln war die natürliche Denkart 
ungebildeter Menſchen, vermöge deren man ats 
‚nahm, baß bie mweiffugende Kraft, melde großen 


Propheten ben ihren Sebzeiten beygewohnt habe, . 


in n Ihren Ueberbleibſeln, oder Graͤbern fortdaure, 


B 


m) Barthol, 1m. 2.65 7. Keisler p. 91 et fg. Thar- 
ftenus adveniens, fanumque intrans, coram 
lapide, quem in fano flantem colere fuevit, in 
faeiem procubuit oravitque. Indridus. ;foris 
ftans, hoc carmen in lapide cantari audivit: 


Tubhauc | 

Ultima viee 

morti vicinis pedibus 
‚terram calcalli, 

certs enim antequam 
fol fplendeat, | 
animolus Indrides 
odium' tibi rependet, 


M n) "Reisler'], ou. 


und 


- 


nn 


’ 
| 
679 — — 


und bag alfo ſolche weiſſagende Herden auch nad 

dem Tode fortführen, bie Zukunft zu offenbaren. 

Auf diefe Art bildeten ſich alleın Anfehen nady bie 

Drafel des Tropbonius, und Amphiataus, des 

"Ampbilod is, Wopfus, u. ſ. w. fo wohl im 

eigentlicren Griechenlande, als in anderen Läns 
20) 


Die Zeichen, durch welche weiffagende Götter 
„bie Bufunft, ober ihren Willen zu erkennen gaben, 
° waren fehr verſchieden. Dur unter ganz rohen ober 
abergläubigen Völkern konnten Priefter, und Jon⸗ 
gleurs es wagen, die Goͤtter felbſt reden, oder 
antworten zu laſſen p). Es war ſchon ſehr bedenk⸗ 
lich, die Statuͤen der Goͤtter durch Winke und 
Geberden antworten zu laſſen 4): ausgenommen, 
wenn die Prieſter ſelbſt, wie dieſes in Hierapolis 
geſchah, die Bildniſſe trugen, und bie er" 
bio 


0) Cic. de Nat, .Deor. III. 19. Paufan, IX. 30. 
40, Lucian. I. 158 139. II. s05. 226. 


..9) So unter den Negern, Römer ©. 495 54. unter 
den Wilden in Paraguay. Lettr, Edif. IX. 95. N. 
E. Der Betrüger Alepander war im Zeitalter 
Lueians tühn genug, von feinem Bott, der bie 

Geſfiait einer Schlange hatte, mündliche Goͤtter⸗ 
fprüche (xpyaa auropwve) geben zu laffen, ba er 
gewöhnlich (chriftlich antwortete, Solche mündliche 
Drafel wurden nicht einem Jeden, fondern nur den 

Reichen , Vornehmen, und Freygebigen zu Theil 

Lucian, Il. 234. 935. # wacıv sdıdjvro, ade uns 
dv, min Ton avwapufoc, X ‚usa, mM 
ueyuledupdiee 


H Wie im alten Scandinabien. Barthol. I, 0, 650 Ps 


a 
/ 


bloß durch eine ruͤckwaͤrro, ober vorwaͤrts ſchrei⸗ 


tende Bewegung ertheilt wurbenr). In Aegypten, 
Griechenland, und Italien erklaͤrten die Götter 
ihren Willen entweder durch Traͤume und Geſich⸗ 
ter s), oder durch Sortes t), uber durch die Ge 
raͤuſche von Becken, Blättern, und Waſſern u); 
oder durch das Geſchrey von Thieren x): oder 
endlich, und dieß geſchah am häufigſten, durch 
den Mund von Prieſtern, oder Prieſterinnen, von 
welden man vorausfeßte, daß fie mit dev Gott⸗ 
heit exfüllt würden , und in biefem Zuflande von 
Gott ; Erfüllung dasjenige fagten, was bie Goͤt⸗ 
ter (onen eingäben y). 

Zu 


/ 


r) m. 48. Lue. 
s) So Trophonius, und viele Andere. 


&) Der Jupiter zu Dadona, und die Fortuna ſo wohl 
in Antium, ald zu Pränefte. Cic. de : Div. LS 


I, 45. 
5 Zu Dodond ‚Des Brolles I, &, 


a) gab eine Zeit, wo man den Tauben in Dobos 
na am meijlen zutraute. VII. et. Paul, 


y) Zu Phoird in uchaja war ein Orakel, wo man 
dein Apoll die Frage, welche man beantwortet 


wuͤuſchte, in's Ohr ſagte. Indem man dieſes that, 


hielt man feine Ohren mit beyden Händen feſt zu, 
und z0g.die Hände erft Dann zurüd, wenn man auf 
die Straße gekommen war. Die eiſten Worte, wels 


che man hörte, ſah man ald die Antwort bes Cote, 
te8 an, VII. a2. "Paulan. - au Patraͤ war eine 


weiſſagende Quelle, wo” man- ſich aber bloß über 


den Ausgaſg don Krankheiten Raths erhalten koun⸗ 


te. Man ließ naͤmlich einen Spiegel an Faͤden in 


den Dinunen hinab, ſo deßt das e Mafi er tr beräbene, 
ne 


— 


— —4413 


— — ——- 


7 
« 
674 i — —⏑ 


"Au ben unmittelbaren Organen der Gottheit 
erwaͤhlte man aus begreiflihen Mrfachen in den -, 
meiften Tempeln weiffagender Götter Perfonen des 
ſchwaͤchern Geſchlechts, welchen man eine beftänbie 
ge Enthaltſamkeit auflegte, Damit fie unt befto fäs 
biger, und wuͤrdiger feyn möchten, den göttlichen, 
ober weiffagenden Geiſt zu empfangen 2), Man 


nahm’ die Pythia in Delphi, und deren Schwe⸗ 


x 


ftern aus dem nichrigften Pöbel, weil befier ges 
bohrne Jungfrauen fidy zu ben eben fo peinlichen, - 
als gefahrvollen Wegeifterungen nicht hergeben 
mochten. Wirklich waren bie Verzuckungen ber 
Pythia, und anderer weifjagenden Weiber mit eben 
- fo fürchterlihen Verdrehungen bed Coͤrpers, eis 
‚nem eben fo gräßlien Sträuben, oder Schütteln 
- bed Haars, demfelbigen Schäumen des Mundes, 
"denfelbigen Geſchreys, und Erfchöpfungen, oder 


Ohnmachten verbunden, wie die Ekſtaſen ber Zau⸗ 


— — — — — 
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berer, und Zauberinnen bon Wilden a). Bis⸗ 
. weilen warb bie Phthia von dem Geifte, der fie 
" bewegte, gleihfam übermannt, und brach mit 
furchtbarem Geſchrey aus dem Allerheiligſten here 
vor. Dieß geſchah zu. Plutarchs Zeiten. Vor 
ber raſenden Weiſſagerinn eutflohen nicht bloß dies 
jenigen, welche den Gott zu Delphi befragt hats 

| | . ton, 


ohtte ganz untergetaucht gu werden. Dan zog ben 
Spiegel hervor, und erblidte dann den oder die 
Kranken lebend, oder todt. ib, VIL zı c, - 
: 2) Des Brofles,l. c. p. 119, _ 
4) Dan lefe die Schitverung der Pythia im fünften 
Buch der Pharfalia des. Lucan, und die der ©is 
bylle, im 6. Buche der Anunnide. Des Brofies hat 
bedyde in der Meberfegung mitgetheilr. 


Be 


| | Di 675 
tn, ſondern auch die fo genannten Propheten und 
Dichter. Die verwilderte Priefterinn ſauk nicht 
weit don bein Allerheiligſten ohnmaͤchtig nieder, und 
ſtarb nach einigen Tagen *6). Man brauchte, wie. 
es ſcheint, Maaßregeln, um ſolche Auftritte zu; 
verhuͤten. Wenigſtens ſagt Plutarch, daß man 
ſich bey dem Apoll vorläufig erkundigt habe, vB; 
die Pythia jur gehörigen Ompfängnig des göttlichen‘ 
Geiſtes tüchtig fey ). Die Geſchreys von Pries 
ſterinnen, die auf eine ganz ungemähnliche Art ver⸗ 
zuͤckt wurden, hielt man für hicht » bedeutend 4). 
ESelbſt die gewöhnlichen Ekſtaſen der Pythia was 
sen fo angreifend, daß man Biefe bisweilen mit 
Gewalt dazu zwingen mußte co). So wie es fig 
von Zeit zu Zeit zutrug, daß Prieſterinnen theils 
durch die Duͤnſte, die ans ber Höhle in den Addtis 
Aufftiegen, theils durch die aufgeregte Phantafie 
gleichſam desorganiſirt, ober in eine, wilde Wuch 
derfeßt wurden; fo eräugnete es fich wahrſcheinlich 
zu andern Zeiten, daß fie zu wenig empfaͤnglich wa⸗ 


J ren, und nicht in den Zuſtand uͤbergingen, welchen 


die Griechen durch das Wort vIasincwe bejeichtier 
ten. Un in’ den leßteren Fällen die Wirkungen 
der auffteigenden Dünfte zu befoͤrbern, gab man 
W Zu den 
6) plutareh. VII. 784. 
) I. ©. nos wos ru zorenpiu ru oyuaia Änufavuaın, 
Glousvom rw Saw HaradyAov uva, wors Tv IrpboFön 
piv ayaca apacıy au dıafesıy, ahAudws vrokaysı 
Toy svlacındaad; 
| j d) 1. c. U — 
e) ll,.ce, . on 
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, 676 m 
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den Prieſteriunen tn Delphi aus ber Eoftalifchen 
Duelle zu trinken, beren Wafler man. gleichfalls 
für begeiſternd hielt, ober leicht dazu machen konn⸗ 
te f). Andere Priefterinnen tranken in gleicher 
Abfiht Lämmer « g) oder gar Ochſen-Blut A), 
welches Leßtere man fonft als toͤdtliches Gift vers 
abfcheute. Der Priefter eines weiſſagenden Bak⸗ 
Aus in Thracien nahm vor den Etſtaſen fehr viel 
Mein zu fih, um ſich in die gehörige Verfaffung 
‚su feßen 5). Die verzüdte Pythia flieg während 
ihrer Efftafen nur einzelne, funzufammenhängende 
Worte und Neben aus. Diefe wurden Don fo ges 
nannten Propheten aufgefangen, und von Dichtern, 
die im Dienft des Apoll waren, in Verſe gebracht k). 
In älteren Zelten wurden die Götterfprüde bes 
Apoll zwar nicht immer, aber doch gewoͤhnlich in 
Berfen ertheilt. Im Zeitalter des Plutarch 
wunderten ſich die ern eben ſo ſehr daruͤber, 
daß 


) Van Dale p. 150 et ſq. 
g) Sn Argos. Yaulan, II, 24. 


A) Plin, XXIIX. 9. Taurinus quidem recens in- 
ter venena ell, excepta Aegirae: ibi enim facer- 
dos Terrae vatieinatura, tauri fanguinem bi- 

‚ bit, priusgnam in [pecam defcendat. 


i) Maerobius I. c. 18. ex Arifotele - - Sed in hoe 
adyto_ vaticinaturi, plurimo mero [umpto, .. 
effantur Oraeula, 


k) Van Dale gr. 155 et ſq p. Plut, vn. 605. 734. 

Es ſcheint, als wenn die Dichter Heilige genauut 
vworden. l. e. p, 704. —* Duysıy un Mavov rag Io ' 
moonug, alu — apopnTaV Ninaydoov,, ns 
TES. TOROYTag TWy Odimy. _ 


- 


b 


— — J | 627 u 
baß der Sou zu Delphi vormahls in ſchlechten 


Verſen geſungen habe, als daß er jegt nicht eins 
mahl mehr in ſchlechten Werfen antworten Bönne I). 
Fromme Männer, vergleichen Diutarch war, wußs 
‚ten bad eine, unb das andere auf eine ſolche Art zu 


erklaͤren, daß der Ruhm des Gottes, und feiner 


" Sprüde dadurch vollkommen gerettet wurde J). 


Wenn man auch einraͤumt, was man nicht 
noͤthig hat, daß nämlich nicht bloß bie älteften. 


Orakel überhaupt, fondern felbft die älteften Ora⸗ 
kel in Örtechenland durch den Aberglauben ber Men⸗ 
ſchen geftiftet werben; fo kann man bach zugleich 


u Zühn behaupten, baß alle bekannte Orakel gleich 
nad ihrer Entftehung durch die Klugheit, oder 


Schlauheit der Priefter eine ſolche Einrichtung ers 


hielten, wobey bie Diener. dev Götter fih am mer  . 


nigſten ausfeßten, und fo wohl bie Fragenden, als 
die ihnen zu ertheilenden Antworten am meiften 


in ihrer Gewalt hatten. Ich will dieſes Durch eine | 
kurze Darftellung der innern Organifation ber bey⸗ 


den Orakel beweifen, welche ihr Anſehen am laͤug⸗ 


J ſten in Griechenland aufrecht erhielten. 


Der Gott zu Delphi m) war zwar nie auf lange 
—* unzugaͤnglich; allein es gab doch ungluͤck⸗ 
iche Tage, an welchen man ihn nicht fragen durfte, 
oder nicht zu fragen wagte. Selbſt an glücklichen 
Tagen kounte man ſich dem Apoll nicht beraden 


ij VII 558. 563. bix. 
Mle, a 
m) Van Dale gg et ſq. p. 


u . J 
0 . * 
x . 
0 L 
678 re arv⸗ 
ı 


nähern, Dion mußte ſich dieſer Ginabe durch 
maucherley gottes dienſtliche Handlungen, durch Ges 
bete, Meinigungen,. und befonderd durch Opfer 
wuͤrdig machen. Die Dpfer waren oft nicht guͤn⸗ 
fig, und mußten fu biefem Falle wiederhohlt wers 
ben: Alle vorgehenbe günftige Opfer waren vers 
geblich, wenn nicht das letzte Opfervieh von dem 
Waſſer, womit man es kurz vor dem Schlachten 
begoß, am ganzen Leibe erzitterte Es iſt ein⸗ 
leuchtend, baß bie jetzt exwaͤhnten Vorbereitungen 
dazu dienten, die Abſichten und Charaktere der 
Fragenden kennen zu lernen. Wenn alles geſchehen 
mar, ivaß peföeben mußte, ſo führte man bie 
Fragenden, deren gewöhnlich mehrere waren, In 
einer feierlichen Proceffjon bem Tempel bes Gore. 
ed. zu. Während diefer Proceffion maren die Gras 
genden ſtark mit Lorbeer becränzt, Sie trugen 
in ber einen Hand Zweige von Lorbeeren, oben 
ECraͤnze; in ber anbern bie verſiegelten Bittſchrif⸗ 
sen, fa welchen bie ragen enthalten waren; “Dan. 
‚machte während ber Proceſſion eine laͤrmende Mu⸗ 
fit, wie man Yorgab, deßwegen, bamit bie rar 
genden Feing unglückliche Worte, ober eben hören 
möchten. Ben der Ankunft im Tempel brachte 
man die Pilgrimme iq eine Capelle, oder Eelle, 
bie Yon ben Adytis, oder dem Alferkefligften durch 
eine Mauer getvennt mar. Hier blieben bie Trag 
genden fißen, waͤhrend bie Pothia mit einem, oder 
mebrsren Propheten fa bie dicht befchatteten, und 


in Wolken Son Weihrauch eingebüllten Adyta bins 


ahftieg, Kein nengieriges Auge fah jemahle, was 
In gem Allerheiligſten worging: Man. hörte jr 
Ä — 


a) Plutareb, VI 971 725 p 


; 
/ 
/ 


/ 


En 5 
bie Pythia, nachdem ſie ſich eine Zeitlang auf ben 
Dregyfuß geſetzt hatte, unverſtaͤndliche Töne, oder 


unzuſammenhaͤngende Worte ausſtoßen. Die Pro⸗ 
pheten fingen dieſe Worte auf, und die Dichter des 


Tempels faßten fie nach der Deutung der Prophe⸗; | 


ten in Verfen. Die meiften Antworten bed Gets 
tes waren entweder fo dunkel, daß man fie nit 
verſtehen, ober fo allgemein und zweydeutig, daß 
man fie auf mehrere Arten audlegen Fonnte 0), 


Die Einrihtung des Orakels bes Trophonius 
zu Sebabia in Boeotien beweist das, was bewies 
fen: werben foll, faft noch augenſcheinlicher, als bie 
Einrichtung des Delphifhen Orakels. Wer ben 
Trophonius zu Rathe ziehen wollte p), mußte 
‚ eine Zeitlang in einer dem guten (Benius und 
bem guren Blüche geweihten Capelle zubringen, 
und. fi von allen unreinen Dingen, befonber6 von 
warmen Bädern enthalten. Das einzige Bad, was 
man den Fragenden erlaubte, oder pielmehr vor⸗ 
ſchrieb, war das im Fluffe Herkyna. Da bie Fra⸗ 
genben vielen Göttern opfern mußten, fo hatten 
: bie Vorficher immer einen Ueberfluß Yon Fleiſch, 
wovon fie den Pilgrimmen reichlich mittheilten. 
Die Priefter unterfuchten die Eingeweide eines je⸗ 
ben DOpferthierd fehr genau, um-zu erfahren, ob 
Trophonius guädig fep. Alle vorhergehende gluͤck⸗ 
liche Opfer waren fruchtlos, wenn die Eingeweide 
eines Widders, welchen man kurz vor dem Eins 
gang in die Höhle opfern mufte‘, Beine Gnade ver⸗ 
Fünbigten. Stimmte aber dieſes Opfer u | 
| uͤe⸗ 


o) Cie. de Div, II. 66, 57. 
7) Pauf, IX, 3. Van Dale, 87 et fq. p. 


\ 


‘ * 
‘ 
680 — — 
v 
— 
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fruͤheren überein, fo fonnte man fi voll Auter - 
. Hoffnungen in die Höhle ted Trophonius hinabs 
laſſen. . Bevor Biefe Höhlenfahrt geſchah, führs 
‚ten bie Priefter ben Fragenden in ber Nacht zum. 
Stufe Herkyna, und ließen ihn hier von brepgehn: 
ährigen Rnaben erft mit Dehl falben, bann mit 
ofler aus dem Fluſſe waſchen. Nach dieſen Rei⸗ 
nigungen brachte man ben Fragenden andie beyden 
Quellen des Fluſſts, von welchen die erſte der 
Quell der Vergeſſenheit, und bie andere der Er 
innerung hieß. Der Fragende mußte aus der ers 
ſten trinken, bamit er alle weltliche Dinge vers 
geſſe: aus ber andern, bamit.er genau behalte, mas 
ex bald fehen und hoͤren werde. Zuletzt zeigte man 
dein Fragenden dad von Dädalus verfertigte Wild» 
niß des Trophonius: ein Gluͤck, das ganz allein 
berien zu Theil ward, bie das Srafel zu Lebadia 
zu Math zogen. Wenn ber Fragende dieß aller; 
helligſte Bild angebetet hatte, fo Legte man ihm ein 
Gewand von Leinwand an, bebecte feine Füße mit 
- Stiefeln, wie fie in ber Gegend ‚von Lebadia ges 
tragen wurden, und ließ ihn bann bis an den 
Eingang. der Möhle hinauf ſteigen. Die Höhle 
des Trophonius war ein Werk der Kunft, nicht 
der Natur. Man gelangte in diefe Höhle nicht 
dur Stuffen, die hinabführten, fondern durch eine 
{male Leiter, welche hineingefeßt wurde. Wenn 
man ben Boden des erften Abſatzes erreicht hatte; 
fo legte man ſich nieder, indem man Kontgfuczen 
in des Hand hielt, um bamit Schlangen, bie ſich 
etwa tarbieten koͤnnten, zu füttern und abzumens 
den. Die Liegenden bemühten fi, ihre Weine in 
eine enge Oeffnung zu bringen. So bald biefes 
gefhehen war, wurben fie mit. einer reiſenden 
| —— | ts 





m. u 68: 


| Befäwtäbigteit in das eigentliche Adırov, oder. in 
das Allerheiligſte der Höhle. hinabgezogen: Die 
Hinabgezogenen erhielten bald alleriey Geſichte, 
bald hörten fie Töne und Worte. : Wenn Iros . 
pbonius fi auf bie eine,. ober die andere Art 
geoffenbart hatte; fo zog man bie Fragenden [bey 
den Beinen wieder aus dem Innerſten der Döhle 
„hervor, feßte fie auf einen Thron der Erinnerung, 
and Tief fie das erzählen, was fie gefehen, »der 
gehört hatten. In den Augenblieden, wo man 
diefed Yon bem Fragenden verlangte, waren bie 
leßteren, wie Paufanias aus eigner Erfahrung 
verfichert, noch meiſt außer ſich; und ed war alſo 
nicht ſchwer wenn ſie ſich ihrer allmaͤhlich wieder 


bewußt wurden, die gemachten Ausſagen abzuaͤn⸗ | 


bern, ober zu ergänzen. Die Vorſteher des Dras 
Fels erzählten, dag Ein Mahl ein Trabant bes 
Könige Demerrius in der Höhle umgekommen 


ſey, und daß der Leichnam deſſelben durch eine an 


dere, als die heilige Oeffnung, herausgeworfen 
worden. Trophonius habe den Frechen nach Ver⸗ 
dienſt beſtraft, da er ohne bie gehörige Vorberei⸗ 
tung in die Höhle hinabgeftiegen fey, nit um 
den Willen des: Tropbonius zu erfahren, fons 
‚ bern um bie Schäße ju plünbern, melde er in dem 
Allerbeiligften zu finden geglaubt habe. Es braucht. 


Feines ſolchen Commentars, dergleichen Dan Dale nu 


geliefert hat g), um nachdenkende Leſer fühlen zu 
machen, daß das Orakel zu Lebadia ganz darauf 
angelegt. war, erft bie. Fragenden zu erforſchen und 
gehörig zu flimmen; dann fie dad hören und fehen 
zu ' loflen, was fie bösen und fehen follten, Ä 


| lc 


% 


688—7— . 

In keinem anderen Lande erhielten bie Orakel 
einen fo mächtigen Einfluß auf bie Öffentlichen 
: Angelegenheiten, als in Griechenland. Diefer Eins 
fluß dauerte bis auf ben Untergang ber Freyheit 
unb Unabhängigkeit der Griehifhen Republiten 
ungefchiwäct fort. Das gröfte Anſehen genoß das 
Orakel zu Delphi: ein Vorzug, den biefes Orakel 


ünftreitig feiner Sage am meiften zu banken. hatter).. . 


Das Drafel zu Delphi war das einzige, was ale 
ein gemeinfchaftlicher Gnadenort von ganz Gries 
henland betrachtet wurde. Mad biefem gemeins 
ſchaftlichen Gnabenorte fandte man in. älteren Zei⸗ 
ten mannbare Söhne, bamit fie bem Apoll die Erſt⸗ 
linge ihrer Haare weibeten. s). Hier verfammels 
ten ſich die Amphpktionen, ober bes hohe Math 
alles Griechiſchen Freyſtaaten; and alle Griechiſche 
Völker hatten in dem Tempel zu Delphi heilige 
Stätten, oder Schäße£), wo bie dem Gott geweih⸗ 
ten Geſchenke und Denkmaͤhler aufbewahrt wurden. 
Als daher die Phocenfer den Tempel zu. Delphi 
pluͤnderten, verabſcheuten alle Griechiſche Völker 
ben Tempelraub als eine That, die Bon ganz Grie⸗ 
chenland, ja von allen Nationen ber Erbe gerochen 
werden müffe Man erhob ben König Philipp 
von Macebonien, der die Phocenfer befriegte, als 
ben Freund and Vertheidiger des Goͤtter zum sin 


r) Man behauptete nicht bloß, daß der Tempel gu 
Delphi in dem Mittelpuncte von @riechenland, fons 
bern der ganzen Erde liege. Plato de Rep. IV. 268. 

's) Plut. I, p. 10, in Thefen, 


) oyuas, Inanupue), . 





se nen 


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683 


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melu); und tadelte bie Athenienſer, welche die | 


Thermopylen gegen. ben Philipp befeßt hatten, 
als undankbare Abtrünnige des Gottes, ber ihnen 
‚fa unfäglide Wohlthaten erwiefen habe x). Da 
Fein, anderer weiffagender Gott in Griechenland fo 
oft und von fo vielen Völkern zu Rathe gezogen 
wurbe; fo warb auch ber Tempel Feines anderen 
Gottes fo reich, nicht bloß dur die Vergabun⸗ 


gen ber Griechen, fondern auch vieler fremden Kös 
nige und Voͤlker y)._ Man wandte fi an das 
Orakel zu Delphi, und an andere Orakel nicht nur _ 
. — in 


u) Iuſtin. VIII, 2. Incredibile, quantum en res 


apıd omnes nationes Philippo glerine dedit, 


Illum vindicem facrilegii, illum ultorem religio- 
num: quod orbis viribus expiari debuit, folum, 
qui piacula exigeret, exRitille. Dignum itaque, 
qui diis proximus haberetpr, per quem deorum 
majeltaa vindiegta fit. i 


nV 


-jug turpe erat alios vindices fuille; immemo- 

‚ res prorfus, quod in dubiis rebus fuis illo deo 
etiam conliliorum auctore uß fuerang: quod illo 

. duce tot bella vietores inierant, tot urbes aulgi- 


»)lLea-->- nt eng propngnatores feoleris, cu- 


cato eandiderant, tantum imperium terra, ma- 
rigue quaefierant; quod nihil fine majellste nu- 
minjs ejus aut privatae unquam, ant publicae 


rei geflerang. Tantum facinus admififle inge- 


nig, omni dactrina excnlta, pulcherrimis legi- 


‘bus infitutisque formata, ut, quid poſt hac [uc- 
cenſere jnre barbarig poffent, non haberent, 


‘ 


y) Cic, de Dir. I, 19.48. Join. XXIV. 6. Matte 


igitnr jbj et apulenta regum — Vi 
fäntuy munera: quasgne magnilicen 

dentinm vota gratam volunfatem, 'et deorum 
refponfe manifetant, e | 


\ J 


iconsia fui red- _ 


‘ 
— 


684 " ‚ — — 


in allen großen Noͤthen z), ſondern man fragte 
fie auch über bie Gründung von Städten und Pflanze 
flädten a), über bie Einführung neuer Verfafluns 
gen b), und über kriegeriſche ſowohl, ald andere 
wichtige Unternehmungen c): ja man wählte den 
Apoll häufig zum Schiedsrichter in Streitigkei⸗ 
. ten d). Sn manden Fällen warteten bie weiſſa⸗ 
genden Götter nicht einmahl ab, dag man fie bes 
fragte, fondern fie ſchickten unaufgefordert ihre Aus⸗ 
ſpruͤche an die Völker und Fürften, die denſelben 
gehorchen follten e). Nah dem Zenopbon gab 
ed «ein altes Gefeg, welches durchaus unterfagte, 
die Drafel über Kriege zu befragen, welche Gries 
hen gegen Griechen führten F). Zur Exrhältung 
bed Anſehens der Orakel wäre es allerbings get 
geweſen, wenn man ein foldhes Geſetz nicht bloß 
gegeben., ſondern auch genau beobachtet hätte. Als 
Fein man Fan’ aus älteren, mie aus fpäteren Zei: 
ten Beyſpiele genug anführen g), bag bie Götter 
Fein Bedenken trugen, ſowohl über einfehmifche 
/ als 


- 
. 


u 2) Xenoph, de Republ. Äthenienf. c; 6, Jufin, XX. 
2.3. Die meiften gleichfoigenden Zeugnifje bewei⸗ 
_ fen daflelbiac. — 


a) Juſtin. 1. c. und XIII. 9. 
‚ 5) Cie. 1.43. Jußin, III. 3. 


| e) Herodot, VII. 140. 290, Plutarch. I. 457. 21, 57. 
Thucyd, I. 25. 118, 126,  - Ä 


) Thucyd. T,2g c, 


«) Herod, V. 89. Plutarch, II, 505, 527. Demofih, 
p. 398. Edit. Wolfii. 


5 Hiſtor. Graee, III. 7 % $ ı6, j 
'g) Xenoph, I.c. 3. P. 395. Ju, III, 5 


- 


— 7 


B 
[2 . \ 
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3 J 
— — 685 — 

P 

* 
\ 


ald über auswärtige Kriege zu antworten. ——b - . 
Lykurg und Solon verſchafften den von ihnen eins 
geführten Verfaffungen durch Orakel eine göttliche 
Santtion k). Lyſander wollte fich des Anfehens 
des Apoll in Delphi bedienen, um die vom Ly⸗ 
kurg gegründete Verfaffung über den Haufen zu 
werfen 9). Goͤtterſpruͤche allein bewegten die Athe⸗ 
nienfer, gegen ihren Willen die gelichte Vaterſtadt 
zu verlafſen k); und den Leonidas, mit feinem 
Haͤuflein ben Tod fürs Vaterland zu flerben I): 
ohne welche heldenmuͤthige Entfchliegungen Gries 
| chenland von ben Perfern wäre unterjocht worden. 
Freyplich wird dieß Werdienft der weiffagenden Goͤt⸗ 
ter dadurch wieder geſchwaͤcht, daß fie Tyrannen 
aufmuntesten, ihre Vaterſtaͤdte zu unterjochen m): 
wie⸗ 


1 


A) Juſtin. III. 3. Cic. de Div, I. 43. - - iidemque 

‚ (Athenienles et Lacedaemonii), de rebus majo- 
ribus ſemper ant Delphis oraculum, aut ab Ham- 
mone, aut a Dodona petebant, Lycurgus qui- 
dem, qui Lacedaemoniorum rempublicam tem- - 
peravit, legea ſuas auctoritate Apollinis Delphici 
confirmavit, ' " 


\ 


i) Plut. 111.57. Nepos in ejus vitac.3.. Nach dem 
Cicero widerfeßte ſich der Gott in Delphi den Ab⸗ 
ſichten Kyfandere. l.c. Quas (Leges Lycurgi), 
. cum vellet Lylander commntare, eadem prohi- 
bitus eft religione, | 


X) Heredot, VII, 140, Plut, 1, 457. 
j ) Herod, VIJ, 250, Jufin. II. e. 12. 


m) Den Rypſelus in Korinth, Herodor. V.29. Den 
Rylon in Athen, Thucyd. I. 186. Als die Pho⸗ 
cenfer den Tempel in Deſphi befeßten, zwang ihr =» , 

. Wnführer Hhilomelus die Pythia, den Dreyfuß zu 
befteigen.» Die widenßrebende. Ppthia antwortete 

Bu = end⸗ 


⸗ 
* 


wiewohl auch dieſe Beoſpiele den außerordentlichen 
Einfluß. beſtaͤtigen, welchen die Orakel auf bie oͤ⸗ 


fentlichen Angelegenheiten in Griechenland hatten. 
Eben dieſer Einfluß erregte ſchon fehr früh, ſo⸗ 
wohl in vaterlandliebenden, als in ehrgeizigen Men⸗ 

ſchen den Gedanken, die Pythia, oder die Vorſte⸗ 
her des Tempels in Delphi zu beſtechen. Die 
Alkmaͤoniden feuerten durch erfaufte Götterfprüs 

che die Lacebämonier an, die Pififtrariden zu ders 
jagen und Athen zu befreyen m). Nicht Lange nach⸗ 
her gewann Rieomenes die Pythia, damit fie ants 
worten möge, ba Demararus fein Gohn bes 
Ariſto fey 0). Demoſthenes ſcheute ſich nicht, 
oͤffentlich zu ſagen, daß die Pythia in Delphi phi⸗ 
lippiſire, d. h. von dem Macedoniſchen Könige 


Philipp beſtochen worden p). Weber die Beſte⸗ 
chungen aber, noch bie Widerſpruͤche q), oder Dun⸗ 


⸗ 
kel⸗ 


eudlich: er koͤnne thun, was er wolle. Philome⸗ 

lus erklaͤrte, dag er kein anderes Orakel veriange, 

Er machte die Antwort der Pythia als einen Goͤtter⸗ 

ſpruch befanut, wodurch Apoll ihm erlaubt babe, ſich 

der Schäte des Delphiſchen Tempels zu bedienen, 
Plut, VII, p. Jaı, | WB 


| n) Herodot, V. 6a. 6 
0) ib, VI. 66. | 
p).Plutarch. IV. 734 Cic. de Div. 11. 57. 


9) Bor der Schlacht bey Leuktra erhielten die Theba⸗ 
ner viele Gbtterfpräche, wovon die einen. günftig, 
die anderen ungünftig waren. Epominondas ließ 
bie erfteren zur echten, die auoeren zur Linken 
feines Seſſels tegen, und fagte zu den Thebanern? 
wenn ihr Muth habt, und’ euren Fuͤhrern gehorchen 
wollet; fo folges den Goͤtterſptuͤchen zus Begım t 
Bu on us 


- 


“_n._ m __ 


’ ——— | . | 687 
kelheiten und Zweydeutigkelten der Sralelr) , auch 
- nicht das. Antworten in Profa s) koͤnnen ald bie 
wahren Urfachen des Verfalls der Orakel angefes 
hen werben: am wenigften bie wachſende Aufflas 


u rung, welche burch bie freyer denkenden Weltweiſen, 


ober durch die Chriftlihe Religion verbreitet wor: 
ben 2), ' Die Orakel waren nie in.größerem Ans 
u fee 


‚ fürchtet ihe aber die Gefahren der Schlacht, ſo ha's 
tet eud) am die zur Liuken. Plut. VI, 728. 729, Xea 
nopbon erzählt, daß die: Thebaner durch Draiel 
zum Kampfe angefeuert worden, „, 393. Mit, Graec. 


7) Selbft die Phitofophen rechtfertigten diefe Dunkel⸗ 
heiten und Zwepdeutigkeiten. Sie besiefen fid) auf . 
einen Ausſpruch des Heraklit: ar’ waf, d To mar. 
rev esı To av AsAloiıc, 8rs Asysl, STE xpUTTE, 
alle onkavvsı, Cic.]. 19, 1, 66. 57. 


4) Nach dem Eicero antwortete Apoll ſchon zu dem 

Zeiten des Pyrrhus nicht mehr in Verſen. De Div. 

11. 56. Die frommen Weltweiſen rechtfertigten die 

Ipäteie Einfalt der Goͤtterſpruͤche, wie die frühere 

Dunkelheit, und bellagten fi darüber, daß man. 
dem Apol bald die dichteriichen Blumen , und bald 
die Einfachheit feiner Goͤtterſpruͤche vorgeworfen habe. 
Pius, VII, 563. 611. | | 


- 8) Diefe Iehtere Meinung hegten der Präfldent des 
Broſſes 1. e. p. 112. und viele andere, Dieſe 
Männer wurden durch die Gründe und Gpöttereyen 
verführt, welche Cicero im zweyten Buche de Di- 
vinatione gegen alle Arten von Disination, und 
nahmentlich auch gegen die Orakel vorgebracht hatte. 
Schon zu Cicero's Zeiten erflärten die Freunde dır 
»Volksreligion dad Stifehweigen der weiflagenden 
Goͤtter daher: evanulfie - - - vetuflste vim loci 

- ejus, unde anhselitus ille terrae fieret, quo Py- 
this mente incitata oracula ederet. — Hierauf 
aute⸗ 


- 
. . 
x D 


6ss — — 
ſehen, als in ben Zeiten, mo Kunſt und Wiſſen⸗ 
ſchaſt den hoͤchſten Grad der Vollkommenheit erreicht 
hatten, und am allgemeinften verbreitet waren. 
‚Ste fanten nicht cher, als nah dem Verluſt der 
Freyheit und Unabhängigkeit von Griechenland u); 
amd diefer Verluſt der Freyheit und Unabhängig: 
keit, fammt dem Verſchwinden des alten Wohl⸗ 
ſtandes und ber ehemahligen Volksmenge, war der 
vornehmfte Grund bes Verfalld der Drafel. Nach⸗ 
"dem Griechenland zuerft von den Maceboniern, dann 
Don den Römern unterjocdht worden war ; fo hörten 
alle Berathſchlagungen über wichtige oͤffentliche Uns 
gelegenheiten, über Krieg oder Frieden, über Bünds 
niffe, Gründungen von Pflanzffädten, Werändes 
rungen von Regierungsformen u. ſ. w. auf; unb 
die Haͤupter, oder Vorſteher der Griechiſchen Voͤl⸗ 
ker hatten keine Veranlaſſung mehr, die Goͤtter 
uͤber die Dinge zu fragen, woruͤber man ſie in 
8 


antwortete Rarneades, und nach ihm Cicero: de 
- vino, aut [allamento pater loqui, quae evane- 
fcunt vetuftate - - - quando autem-ıfta vis eva- 
nuit? an pofiquam homines minus créduli eſſo 
"coeperunt? Die Chriſtlichen Schriftfteler erdich⸗ 
teten allerley Fabeln, nicht weniger unglaublich, als 
die Weiſſagungen der Orakel; um die Meinung zu 
bewaͤhren, daß die Goͤtter der Heiden mit der Ge⸗ 
burt des Heilaudes verſtummt ſeyen. Wer Luft bat, 
dieſe Fabeln und deren Widerlegungen zu leſen, der 
nehme das oft angefuͤhrte Werk von Van Dale zur 
Hand. 


u) Selbſt vor der Schlacht bey Cheronaͤa trug man 
noch) eben fo viele Drafel umher, ald in Altern Zei⸗ 
ten. Plutarch, 1V. 724, 


— 





— — 2a24249 


älteren Zelten. am meiſten gefragt hatte ). Fuͤr⸗ 
ſten, und Staͤdte wandten Fi von dieſer Zeit 
an felten an Die Orakel. Wenn es geſchah, fo 
fragte man hoͤchſtens über die Hoffirmgen Yon Ernd⸗ 
ten, oder die Gegenmittel gegen herrſchende Krank⸗ 
heiten... Die meiſten Wallfahrter, melde bie Tems 
pel ber weiſſagenden Götter beſuchten, waren Pris 
vat⸗Perſonen, melde zu erfahren wuͤnſchten, ob 
fie eine Schifffahrt madyen, einen Handel fchließen 
follten, u. ſ. w. oder nit y). Selbſt die Walls 
‘ Fahrten Yon Privat s Perfonen zu den Drakeln . 
wurden aud einem boppelten Grunde nach dem 
Verluſte der Griechiſchen Freyheit viel feltener, 
"als fie ſonſt geweſen waren. Griechenland warh 
theil® durch bie Kriege ber einhetmifchen Fuͤrſten, 
und Ötaaten gegen einander, theils durch bie 
ſchrecklichen Verheerungen, welche die Kriege dee 
Mömer mit den Macedoniſchen, Syriſchen, und 
Pontifhen Rönigen, am meiften bie bürgerlichen 
Kriege der Römer nach fich zegen, „ in einem ſol⸗ 

chen 


A) Plutareh. VII, 607. woAAn yap apyvy naı jouxım, 
wennuraı ds woleuog, zu wÄRYE, N SAGE BR S- 
ow, ads rupævrvidec, zde “Ale — Ra AERO 
76 — eic. = 


V) . c. p. 608. va deusyisa wolsuy Ravrsuuara, 
. Gopas — rep, ma BoTruv ErIıyoyyE, XU 00 
perav Uyssing, EIC. P. 604. .. ads yapd days 
xarsfavvs un A map wuyg avdparods Kpyaopevag, 
ds d deıva mapı spyaciag, «Aha. woAsıs usya duva- 
BEYU, NY. Basılaıs , 3% Tupavva narpıöv way 
Opovrpvrac BETUygavoy Ta SE FEph TPRYURTAV, -., 


Ex 


[2 


\ 4 
690 — — 


den Grade entvoͤlkert, dag man zu Pliitarchs 
Zeiten Muͤhe gehabt.:hätte, aus ganz. Griechen⸗ 
land dreytauſend ſchwer bewaffnete Krieger zufams 
men zu bringen: eine Zahl, welche Megara als 


lein nad) Plataͤa fandte 2). Viele Städte, in 
welchen fich fonft Tempel von weiſſagenden Got⸗ 


tern fanden, waren gänzlid vernichtet a). Aus 
dere waren verarmt, und zuſammengeſchwunden: 
welches traurige Schieffal die Tempel der Götter 


mit den Wohnfigen ihrer Verehrer theilten, Selbſt 


He geringe Zahl von meiftend verarınten Men: 
fen, bie in Griechenland übrig blieben, warb 
dur) neu: entflandene Hinderniſſe abgehalten, bie 
Tempel der einheimtfchen weiſſagenden Götter zu 
beſuchen. Gleich nad den Eroberungen Alerans 
ders ergofien fih über Griechenland, und Italien 


I kleinere und größere Haufen von Betruͤgern, bie 


fi) entweder für Diener ber "Ifis, bed Dfiris und 
Serapis, oder für Vertraute nes Mithras, ber 
Des Mater, oder der himmliſchen Heerfchaaren 
ausgaben, . und neben anderen falfchen Künften 
au bie der Weiffagung, und Wahrſagerey tries 

ben 


z) Plut. VII. 629... orı 76 ons oAsyardping, 
jv di wporspay swosig x Ömolsus wepı masan 
ONE TI TYV OINSUEVTV OMSIDYKERYTO, MÄSISOV REp0G » 

FÄNMaG Meresyns, xy Kolis av vovöiy ‘Rapacıyes 
rpioxskusc onaruc, OBsS 7 HEYapemy Min MwÄIG 
searsudev sic wArreing. 


. a) Plutarch nennt dergleichen p. 630, die fammt 


ben umliegenden Gegenden ſo verwäftet waren, daß 
—F in ganzen Tagen kaum auf einen Schaͤfer 
ie Ü ‘ * 





— — 69t 


ben b). Die Griechen entwoͤhnten ſich ‚je laͤnger je — 


mehr von der Sitte der Vorfahren, mit einem be⸗ 


traͤchtlichen Aufwande von Zeit und Koſten die 


Tempel weiſſagender Goͤtter zu beſuchen, da ſie 
die Zukunft fuͤr eine Kleinigkeit von umherziehen⸗ 


den Weiſſagern, und Wahrſagern erfahren konn:  - 


ten. In Verbindung mit den jeßt angeführten 


Urſachen wirkte allerdings auh das zum Werfall 


der Drafel mit, was Strabo unridtig für ben 


einzigen Grund ihres Sinkens hielt, daß bie alles 
beherrfchenden Römer nur felten Orakel fragten c). 


Faſt fcheint ed, ald wenn bad Drafel zu Delphi 
eind ber erften geweſen fey, bie in einen fchnellen 
und tiefen Verfall geriethen. Wenigſtens reden 


beyde Ctcerone von dem Drakel zu Delpht ald von 


einem folden,. bad ſchon lange gänzlich verſtummt 
De nn | ’ war 


z 5) Ich führe über eine bekaunte Sache, wovon ich 
an mehreren Orten ausfuͤhrlicher gehandelt habe, 


«bioß folgende Zeugniſſe an. Ennius ap. Cic, de - 


Div. 1, 68. Piut. VII. 604 
. y » 


c) XVII. 468. ers vos wpxmg marlov 99 sv Tıay, 

a Bayrıny xuJoAs KyTraxprsmpie, vurı d6 0Ai- 

Yapız narexsı mMOAAy, TV bouaiwv EONBUSUWV TOIG 

Zißvlins xpysmois, etc. Asowsp uy To au An- 

pwvi aogedoy rı anAsÄuırrey xorsnpiovu, mporegov 68 

STETLUNTO, Val. Max. 1. 3. Eutatius, qui pri- 

mum Punicom bellum confecit a [enatn pro- 

. hibitus eft [ortes fortunae Praeneilinae adire, 

‘ Aufpieiis enim patriıs, non alienıgenis rempu- 
blicam adminiftrari oportere judicabant, 


Xx 2 


— 


693 | — — 


war 4), bas wenigſtens keine Vergieichung mit 


bem freylich auch verbluͤhten Orakel der Sorsung 


zu Praͤneſte aushalten koͤnne e). Bald nachher 
ſanken bie Orakel des Jupiter Ammon f), des 
Jupiter zu Dodona, und die meiſten übrigen Ora⸗ 
kel in Griechenland, ohne ſich jemahls wieder aufs 
zurichten g). Das Orakel in Delphi hob ſich kurz 
vor den Zeiten Plutarchs von neuem empor, und 
war neben dem Orakel des Trophanius das eins 
zige im eigentlichen Griechenland, was fleiſſig bes 
ſucht wurde 4). Sollte man durch das bisher Ges 

| | nn | ſag⸗ 


f 


&) de Div. I. ı9,.. . Jam din idem non facit. 
il. 57. Sed quod caput el, cur ifto modo jam 
' eracula Delphis non eduntur, non modo no- 
‚Ara aetate, fed jam diu, ut nihil pofht elle 
contemptius, 
«) II. 4ı..de Div. Sed hoe quidem genus divina- 
tignis vita jam communis exploſit. Fani pul. 
eritudo, et vetuſtas, Praenellinsrum etiam 
annc retinet fortium nomen, atque id in vul- 
s. Quisenim magiltratus, aut quis vir illu- 
rior utitur [ortibus. Caeteris vero in locis 
fortes plane refrixesunt. Quod Carneadem 


Clitomachus ſeribit dicere lolitam, nusquam 


fe fortunatiorem , quam Praenefte, vidifle For- 
tunam. 


f) Strabo l, c. 

8) Strabo VII. 504. ExAchoms de mug x re Pr 
ru To av Audwuy, xudarap T’aAld, 

h) VII. 621. paAlov ds wAyy dvos 7 dusv ‚URave 
rær onkaryıv öpavrag, In Eilicien waren noch die 
Dratel des Mopſus und Amphilochus in Unſe⸗ 
ben, ib. p. 709. Lucian zahit dieſen die Orakel 


bed Clariſchen, nud Dibpmeifchen Apoll au. Me 
. oo. 23 eo 


. 


J 


+ 





I) 


i ' _ — 
1: 
— — 6 


fagte noch nicht vollkommen überzeugt werben ſeyn, 


daß der Verfall der Orakel in Griechenland durch 


die von mir angefuͤhrten Urſachen, und nicht durch 


die allmaͤhlich verbreitete Aufklaͤrung verurſacht 
worden; fo leſe man new das Maͤhrchen des Apu⸗ 
lejus vom goldenen Eſel, und beſonders die Ge⸗ 
ſchichte des Betruͤgers Alexander vom Lucian. 
In keinem der aͤlteren Orakel übte man fo grobe 
Betruͤgereyen, befonderd burd die fo genannten 


. mündlichen Götterfprüde, als Alerander fiher 
laubte; und body eilten gu bem von biefem MBeträs 


ger errichteten Orakel jährlich fieben "bis adıt My⸗ 


riaden von Menſchen nicht bloß aus ganz Aſien, 
fondern auch aus Italien, ſelbſt aus Roms): und 


zwar 


236. Weber das Wieder⸗ Aufbluͤben des Tempels, 
und der ganzen Gegend von Delphi fur; vor Plu⸗ 
tarchs Zeiten ſehe man feine Abh. über die Delphi⸗ 
ſchea Orakel VE, Gra. sı. Ich führe bloß folgende. 
Stellen an: Spars dywulev auto) woAAa uRV 8XTIg- 


N 


HEVa Tas wporepoy uX .ovran, wolle Wavazupe 


00 TWV guysaxuussav x diaptapusvav. oo + 
. guy ds Aupxporspa nd BpuTTova 0. Ga ssapE 
Gyusm Turar avadıduav, erep eLauxus TC 
RpOOIeN epmitius 4 Faying, SyrdpImy May Ässparpo- 
Tray Tv warum. Lucian EI, 404. 
‚208, fchildert Delphi, und das Dratel in Delphi 
gleichfalls als fehr blübend: wie wohl man fagen 


oͤnnte, daß diefer Schriftſteller fih bey feiner 
- Gchilderung in die Zeiten des Phalario verfeit has. 
be. Auch war der Deiphifche Tempel zu den Zei- 


sen des Pauſanias zwar nicht mehr reich an Schaͤ⸗ 
tzen in baarem Gelde, aber ſehr reich an dei Bofts 
barften Dentmählern der Kunfl. X. 9. et lq e. 


3) Lusian. 11. 251. 237. 259. 


a} 


. . z 
—— — — — — — 
® 
t 
Es 


x 
D 

— nm mm» ⸗ 

x 


4 :, —— 


zwar waren es vorzüglich bie Reichſten und Maͤch⸗ 
-tigften, welche dieß Orakel beſuchten, oder durch 
treue Ruechte und Freygelaſſene beſchickten 4). Nach 


der Regierung Antonins des Weiſen nahmen alle 
Arten des Aberglaubens in gleihem Werhältnig 
mit dem Verfall des Reichs zu.‘ Die eifrigften 


Vertheidiger, und Werbreiter des Aberglaubens 


waren die neueren Platoniker. Selbſt die Schwaͤr⸗ 
merey dieſer After⸗Philoſophen mar nicht im 
Stande, das Sinken der Orakel aufzuhalten. Al⸗ 
lem Anſehen nach dauerten die Orakel der Aeghp⸗ 


tiſchen, und anderer Morgenlaͤndiſchen Gottheiten 
laͤnger fort, als die Griechiſchen. Die Tempel 


weiſſagender Goͤtter wurden, gleich allen uͤbrigen 
Zempela unter der Regierung des Theodoſius 
im J. 389. unſerer Zeitrechnung entweder zerſtoͤrt, 


obder geſchloſſen 1): wiewohl man auch nach dieſem 


Zeitpuncte in der Stille fortfuhr, die Goͤtter zu 
befragen, bis allmaͤhlich ſelbſt die letzten Ueber⸗ 
bleibſel des alten Heidenthums verſchwander. 


k) 1.c. wc da ıc 7 Iralıay Yıaparyes Ts payrsis 
To uÄsog, Keysıc TV — RX wolıy SVTBESGCSsv, udeic 
dsıg un aAloc #p0 »AAs yasıysro’ 6 68V AUTO 109- 
rag, d1 de weurovrsc, am halısa 01 duvarararaı, - 
xy usyısov afıwun U 77 moÄsı BXOUTSG, - 


U, Van Dale p. 538. 


| WVierzehntes 


- 





o 
x * v. 
—X —— \ 695 
1X . - 





Vierzehntes Bud, 


Geſchichte der Trauer bey dem Tode von Ans 

verwandten und Vorgeſetzten: der Beſtattung 

von Leichnamen, und der DBorftellungen von 
‚den Schickſalen bet abgefchiedenen 


0 





Unter Trauer verſtehe ich nicht die natuͤrlichen, 
und ungeheuchelten Aeußerungen des Schmerzes, 
and der Sehnſucht bey dem Tode von geliebten, 
oder geehrten Perſonen, fondern bie ganz, ober 
gröftentheils erfünftelten, in die Sinne fallenden 
Merkmahle von Beyleid bey dem Tode von Blutes 
verwandten, wodurd man bie ab eſchiedenen Gees 
len der Verſtorbenen zu beruhigen, oder zu ver⸗ | 
fühnen ſucht, und bie baher einen Theil des Tod: | 
tendienftes audmachen. | | 


Trauer in biefer Bedeutung ficht nicht im 
Verhaͤltniß mit ber wahren, oder innern Betruͤb⸗ 
niß , und Sehnſucht ber Traurenden, fondern als 
lein mit ber Furcht vor dem Uumuth ber abgefihies 
denen Seelen. Sie war, und ift daher am mil⸗ 
.beften unter den Völkern, melde bie Natur mit 
einem lebhaften theilnehmenben Gefühl befchentte, 

— | und 


— —— nun 
— 
4 


27 DEE Ze 
. und die den Verluſt geliebter, ober geehrter Per⸗ 
ſonen am tieffien empfanden a). Gie war, unb 
{ft hingegen am lanteften, peinlichften, und man | 
kann fagen, am chrgeißigften unter folden Natio⸗ 
nen, wo ed wegen bed. Mangeld, ober der Schwaͤ⸗ 
che des theilnehmenven Gefühle fehr gewöhnlich 
ift, Kinder auszuſetzen, abgelebten Vätern bie . 
Hölfe zu brechen, und Sterbende zu verlaffen, ober _ 
aus der Welt zu ſchaffen. Die Xrauer mag uns 
‚ tee Menfchen diefer Art fo fehreterifh und bfutig 
ſeyn, als fie will; fo iſt fie fehr häufig thränens 
fo. Auch ift fie nicht. anhaltend, fundern bright 
| nur zu gereiffen Zeiten aus. Endlich offenbart fie 
ſich oft nicht in den Perfonen, die traurig fepn 
ſollten, fondern in Stellvertreterinnen, die hoͤch⸗ 
ſtens das Geſchreh, und bie Geberden von Tram: 
rigen nachaͤffen Tonnen. Gerade deßwegen, weil 
die Trauer unter den meiften Völkern nur Scans 
ſpiel tft, . überlaffen fi) die Trauernden, gleich 
nachdem fie ihre Trauer s Rollen ausgefpielt ha: 
ben, der wildeften Fröhlichkeit. Die gotteddienſt⸗ 
liche Trauer ahmt die Achte Traurigkeit nicht nur 
nach, fondern übertreibt fie meiftende. Trauernde 
vernichten, ober vernachlaͤſſigen, und verändern 
wenigftend ihre Kleidung und: Putz. Sie weh⸗ 
Hagen, faften, zerraufen, und ‚zerfleifchen fi. 
In Ruͤckſicht auf Kleider und Putz befolgten bie 
Drauernden unter allen Völkern’ daſſelbige Geſetz. 
— | Ä Dan 


“ 8) So fagt Tacitus von den alten Deutfchen: ©. 27. 
“ Funerum nulla ambitio. . . Laments et laery- 
mas eito, dolorem et trifitiam tarde ponunt. 
Ä Feminie lugere honeflum ef: viris mem 
nille, r 





4 . J J — | - ' . | 097- 
Max mieb nicht nur alle Pracht, and geſuchten u 


Schmuck, fondern man wählte aud überhaupt ein 


ſolches ieufiere, was Yan dam gewoͤhnlichen fehr | 
abwich, oder bemfelben gar entgagengefeßt mar. 


Wo die Männer gewöhnlih ihr Baarts und 
Haupthaar abfhoren, ba ließen fir es in den Zei⸗ 


ten der Trauer wachhfen, und umgekehrt. Wo die 


5 Weider Ihr Haupthaar nährten, oder bebechten, 


ſchnitten fie es ab, oder liegen es flattern, Wo 
may gewöhnlich bunte, ober dunkelfarbige Kleiver 


trug, legte man in den ‚Zeiten ber Trauer weiße u 


an, und uurgelebet. 


Zu den anerklaͤrlichſten Gewohnheiten gehoͤrt 
diejenige welche Herodoe von den Trauſen, ei⸗ 
nem Thraciſchen Wolfe erzählt. Wenn, ſagt die: 


fer Geſchichtſchreiber, ben Trauſen ein Rind ges 5% 


bohren wird; fo feßen fih die Eltern, und übrigen |. 


Vfutöverwondten um das neugebohrne Knaͤblein, 5; :4,; 
oder Maͤgdlein her, und beklagen ed unter Aufs Eh Hit 


zaͤhllung aller Uebel des menſchlichen Lebens wegen/ 


— 


4* 
2‘ 


Tel —— 





Ag 


des Slendes, zu welchem «6 gebohren mworten.! 2 m 


Hingegen bey dem Tode von Angehörigen frohlocken 
fie, indem fie fo wohl bie Unfälle, denen der Ber: | 


ſtorbene entuommen, ald die Seligkeit, deren ex} 


theilhaftig werben, auseinanderfegen 6). Bey 
welcher Veranlaffung burchbrang das Gefuͤhl ber 
wmenſchlichen Mübfeligkeiten eine zahlreiche und 
tapfere Nation, in einem fruchtbaren Lande, und 


unter einen nicht zuͤrnenden Himmel fo allgemein, 


daß es dauernde Volksſitte ward, bey ben gluͤck⸗ 


ES 


lichen \ 


3) v. . Aus dem Herodot (chöpften Val, Max. IL | 


6. n- ı2, Pompon, Mela II. e, Solin. e. 15. 


n 


KL.) — —— 

Eigen Geburten von⸗ Kindern zu wehklagen, und 
‚bey dem Verluſt geliedter Perfonen gu frohlocken? 
Beyde Gewohnheiten find fo unnatuͤrlich, daß ich 
daruͤber erſtaune, Daß man die eine fo wohl, als 
die andere auch nur unter Einem rohen Wolke wie _: 


— 


be findet. Die fo genannten Weiner in Louifiane 


heulen bey ber Geburt von Kindern, und der Ans 
kunft von Fremden: wie man, nicht wahrſchein⸗ 
Lich, vorgibt, weil fie den Tod für eine Reiſe hal⸗ 
ten, don welcher man nach einiger Zeit zuruͤckkom⸗ 
me, und bey der Geburt von Kindern fo wohl, als 
- ber Ankunft von Fremden fi darüber besrüben, 
daß fie in den befländigen Erwartungen ber Rüd: 
Fehr ihrer verftorbenen Anverwandten getäufcht wer⸗ 
dene). Die befehrten Einwohner der Philipps 
nen, wenigſtens Diejenigen, welche in Manila 
wohnen, ftellen bey dem Tode ihrer Kinber die 
Vebhafteften Freuden⸗ Bezeugungen an, nnd feßen 
diefe fo lange fort, bis man die Leichname zur Rus 


⸗ 


he gebracht hat a4)y. — 
— Viele 


\ 


«) Tonti im 5. B. der Voy. au Nord p. 158. ces 
pauvres gens s’imaginent, dit - on, etc, 


d) Gentil II. 140. 41, Lorsqu’il meurt un enfant 
& Manille, fur- tout parmi les Indiens Méti- 
ces, on fait de tresgrandes.rejoniflances ; ils le 
parent le mieux, qu’il ef pofhble, l’etendent 
fur un lit de parade, la face decouverte, lai 
mettent une couronne de fleurs [ur la tete, l’en- 
tourent de ceintures egalement de fleurs en 
forme de guirlandes,, et il y a bal dens l’appar- 
tement tant, que le cadavre y refte; ils don- 
fent des menuets, des contredanles, et des 

.  . fandangos, et quoique la fatiguc les oblige d'y 

“ " prendre du repos, parqu’on ne peut pas tou- 
. 8 EN jours 


v [| 


— — 689 


Viele Volker uͤberließen die Trauer vorzůg⸗ | 
Ti den Weibern, oder bewiefen fie nur bey dem. 


Tode von ermachfenen männlichen Anverwandten. 
Beyde Beſchraͤnkungen der Zrauer entfprangen 
aus einem Mangel von wahrem menfhlichen Ges 
‚fühl, der ſich bald als Stolz auf eine vermeintliche 


männliche Standhaftigkeit, bald als fromme Err. 


gebung in den göttlichen Willen äußerte. Die 
Amertcanifchen Wilden trauern felten, oder vers 
gießen menigftens niemahld Xhränen bey dem To: 
de ihrer Weiber und Kinder, weil fie das Weinen 
-für. etwas unmännliches anfehen e). Bey bem 


Tode von ermachfenen männliden Anverwandten 


halten fie Klage⸗ und Sobreden, ober yerwunden 


fi) gar bis auft8 Blur; allein fie ſtimmen nie in 


bad Heulen und Wehklagen ber Weiber ein f). 
Die Araber, Mauren, und Zürken betrachten es, 
als eine Sünde, als einen firafbaren Mangel von 

‚ Ergebung in den göttlichen Willen, wenn Männer 
- bey dem Tode von Blutsverwandten und Freuns 
. den teauern. Auch bezeugen fie ben Anverwandten 


von 


jours danfer, la mußque ne celle pas pour cela: 
on porte le corps a l’eglile au Ion des violons, 


qni entourent la biere Der juͤngere Egede er⸗ 


zabit, ©. 224. daß Eltern in Gröniand nicht bey 
bey der Geburt von Knaben, fondirn nur von 
Mädchen, und zwar deßwegen geweint hatten, weil 
Madchen etwas jo unbedeutendes ſeyen. 


e) Charlevoix 372- 36. L’Epoux ne pleure point 
fa femme, parque felon les ſauvages les larmes 
- ne convienntat point aux hommes. Selbſt bie 
&.önlanser ſchſuchzen nur, aber fie weinen und 
heulen nicht. Cranz 304 ©, . 


‚ f) Carver p. 398- 403, 


* — 





20. 


von 
nen 
ten, 


Anhaͤngern Mahomets reine volllommne Reſigna⸗ 


65) 


Y —— — 


juͤngkt Berſtorbenen kein Beyleid, ſondern ſeg⸗ 
fie vielmehr &). Man faun viel eher behaup⸗ 
daß das Gebot des Korand, welches. ben 


tion 


Ruffel p. 116 Hoͤſt 124 ©. Shbawp 219. That 
ablolute fubmillion,: which they pay to the 
will of God, allows them nöx to ufe any con- 
folatory words upon thefe [olennitics: no: lofe 
or misfortune is t0 he regretted: inflead like- 
wife of fuch exprelhons' of forrow and eondo- 


.  lence, as may regard the deeeaſed, the com: 


pliments turnimpon the perſon. wbo is tke moß 
nearly related, Berka fe ralfıck, ſay his friends, 
i. e. A Blefling be upon your head. Unter den 
alten Aegyptiern zerrauften ſich nicht nur die Weis 
ber , fondern auch die Maͤnner. Heroder, I}. 88 
Bruce erzäblt von allen Morgenländern, daß fie 

ben Nagel Eines Fingerd lang wachſen lafjen, um 

fi) damit in Zeiten der Trauer dad Geficht zerreiſ⸗ 

fen zu fönnen. Bruce II. 49. In der neuen Aus⸗ 

gabe IV, 246. In der Feige V. 35. N. A. es 
mwäbnt er bed Zerreiſſens der Schläfen mit dem Na⸗ 
gel ded kleinen Fingers als einer bloßen Gitte der 
Weiber. Eben diefer Meifende bemerkt, daß auf 
der Inſel Maſuah bey dem Tode von Anverwand⸗ 
ten nicht Bloß die Angehörigen, fondern auch bie 
Kreunde und Bekannten einen Gefang, und Tanz 
unter dem Gchlage der Trommel anftellen. Cben 
dieß geichtebt in Habeſſinien, mo bey dem Tode ei⸗ 
ned Vornehmen, die zroölf Richter , meiftend Mans 
ner zwilchen 60 70 Jahren, auf eine Hächft laͤcher⸗ 
liche Art fingen und tanzen müflen. Upon the 


: Death of ap oaoro, ar any nobleman, the twel- 


fe judges, (who are generally betweon 60 and 
no Years of age) ing. the fong, and dance ıho 


.. figure- dance, in a manner ſo traly ridichlous, 


that grief muft haue taken fait hold of every 
(pectator, who does not laugh upon the osca- 
on, - Zr ’ 


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den bey allen Fuͤgungen der Vorſehung zur Pfligt 
machte, auß der natuͤrlichen Gemuͤthsart ber Dior: 


— — or 


genläntifchen Völker entfprang, ald daß die Res | 


fignation, welche bie Morgenländer im Durchſchnitt 


bey Unfällen beweiſen, eine Folge des Gehorſams 


gegen die Vorſchriften ihrer Religion iſt. Wenig⸗ 
ſtens wuͤrden die Morgenlaͤnder dem Gebote Mies 


homets nicht fo allgemein gehorchen, wenn ed 


wicht fo fehr mit ihrem Charakter Abereinftimmte. 


Einen Veweis ber jeßt vorgetragenen Vermuthuug | 
Finde ih darin, daß die Brahminen, und die hoͤ⸗ 
beren Caſten der Heidniſchen Hindus gerade ſo den⸗ 


Ten und handeln, wie bie Anhaͤnger Mahomets. 
Die Brahminen, und Banianen trauern bey dem 


Xobe von Weibern und Kindern gar nicht, wie fie, 


fagen, weil es thöricht fey, ſich gu betrüben, da 
man volffe, daß man fierben müfle Bey dem 
Tode von älteren männlichen Blutsverwandten, 


ſelbſt von Vätern und Brüdern, ſcheeren bie Dis 


‚dus hödftens den Vaart ab, enthalten ſich einige 
Tage vom Genuffe des Betels, und nehmen ben 


VTag über nur einmahl Nahrung zu fi A). Faſt 
ſcheint 8, al6 wenn die Perfer fich von jeher von: - 
ben übrigen Bewohnern des Drients in Ruͤckſicht 
auf Trauer unterfchieben hätten. In älteren Zei⸗ 
ten gerriffen bie, Zraurigen, und Zrauernden ihre 
Kleider, und fhoren nicht bloß ſich feldft, fonberu 
aud) ihre Pferde, und andere Lieblingsthiere D. 
Im Mahomethaniſchen Perſien zeichnen ſich zwar 
die Weiber durch bie Ausbruͤche Ihrer Trauer vor 
den Maͤmern aus. Allei⸗ auch die Maͤnner “ 
re xreiſ⸗ 


A) Aogers 1.19 Cap. Dallas Beytraͤge III. 95 ©. 


3) Brillon. de imp, Perf, IM. 205. 6, 


A bj 


- 


) j , . , 
702 —— : 


reiſſen bey dem Tode von AUnverwandten ihre Klei⸗ 
‚der, zerraufen ihr Haar, zerkratzen ihr Geficht, 
| zerfchlagen ihre Bruſt &), büllen fi in dunkel, 
| farbige Gewaͤnder, Laffen acht Tage lang Haare 
0. Baart wachen, und üben eben fo lange frenge 
| Gaften. Am neunten Tage kommen bie Freunde 
I des trauernden Maͤnner, führen biefe ind Bad, und 
- Tegen ihnen neue Kleider en. Damit tft. die Trauer 
der Männer geendigt. Die Trauer der Familie, 
bie in Wehklagen an beftimmten Tagen, und zu 
keftiiimten Stunden befteht, bauert vierjig Tage. 
Mur vie Weiber, nit bie Mänuer, befuchen die 
Gräber, um an denfelben zu wehklagen /). 





, 


Nirgend iſt die Trauer langwieriger, pein⸗ 


| licher, und gemeinfchädlicher, als unter ben Chir 
nefen, und den übrigen Bewohnern bes ſuͤdlichen 
| und oͤſtlichen Afiens, melde die Denkart, und 


. 
# 


N 


Sitten der Chinefen angenommen haben m), weil 
| | Ä feine 


um 


‚: k) Chardin IV. 106. Jous ceux, qui {font inter. 

eſſés dans la perte, qui vient d’arriver, com- 

ıne les Parens entie autres, [e dechirent les ha- 

birs du cou jusqu’ä la ceinture, s’arrachent les 

cbeveux, s’egratignent le vilage, ſe frappent 

. la_poitrine, et font tous leg autres actes de des- ' 

- elpoir, . Les femmes [urtout s’emportent aux 

, exces de fureur et de delolation les plus autres, 
eic, 


4) L. c. IV. 108, 109. 
m) Uever die ‘Trauer der Chineſen, de Halde Il. 
», 146. etfq p. Le Comte II. 37. 39. Valentyn Il, 
268. Ueber bie Tiauer ver Tun'ineſen, Mariny 
P 294, 95, Der Eoreenjer, du Halde IV. 334- 36. 
37. —— 





x 


\ 


Beine andere Völker ſich vor den abgeſchiedenen 


Seelen mehr fuͤrchten, als dieſe n). Die Trauer 


— 


der Kinder um ihre Eltern, beſonders der Soͤhne 
um ihre Väter, dauert drey Jahre, wenigſtens 
ſieben und zwanzig Monathe. Waͤhrend dieſer 


Trauerzeit muüͤſſen alle, die in oͤffentlichen Dienſte 


ſind, ihre Aemter niederlegen: in aͤlteren Zeiten 


wahrſcheinlich ſelbſt diejenigen, welche in Kriegs⸗ 


dienſten waren o). Waͤhrend derſelbigen Zeit iſt 


es ledigen Soͤhnen und Toͤchtern nicht erlaubt, ſich 
zu verheirathen: Verheitatheten nicht, der eheli⸗ 


chen Liebe zu genießen. Heimliche Ehen, welche 


man waͤhrend der Trauerzeit einginge, wuͤrden von 


der Obrigkeit aufgehoben werben, ſo wie die Obrig⸗ 
keit Kinder, die aus rechtmäßigen. Ehen gebohren 


werben, für unaͤcht erklärt, und die Eltern, wer 


nigſtens bis Mütter ſtraft. Die Trauernden bir: 


fen ferner an keinen öffentlichen, und häuslichen . 
-Feften Theil nehmen, kein Fleiſch, oder ſtarke 
Getränke, nicht einmahl die gewöhnlichen Bequem: 


lichkeiten ded Lebens genießen. Die Zrauernden 


ſchlafen auf der harten, hoͤchſtens mit einer gemets 


nen Decke belegten Erde, oft in ber Naͤhe der 
Saͤrge, welche die Reſte der Merftorbenen. in fi 
fhliegen, und melche ınan fo lange, ale möglid,. 

o. j . b . 


ve 


nn) Dieß bemerkte fchon Coubere I. 367. ‚ .. ile pen- 
fent aufli, que les morts ontie pouvoir de tour« 
menter et de lecöurir lesvivants; et de la vient 
‚leur foin, et leur magnificeäce dans les fune- 
railles; car ce n'eſt que dans cela, qu’ils ſont 
magnifiques. 

o) Loubere I, 399. — encore me ſemble-t il, 
ue cette exception pour les emplois militaires 

ẽſt un etablillement recent, 


J 


— * 


3 N 


Bemtilen Jahre lang im Kaufe zu behalten pflegt. 
Das gereinigſte Merkmahl von Trauer iſt dieſes, 


baß die Trauernden alle koſtbare Kleider und 


Schmuck ablegen, daß fie ſich anfang® in. grobe 
Sack⸗ Leinwand, nachher in gemeine weiſſe baums 
teolene Zeuge Heiden. Diejenigen Hinterindiſchen 
Voͤlker, weldhe nicht bie Sitten, und Denkart 
der. Ehinefen angenommen, fonbern vielmehr bie 
der Mongolifchen Hirtenvoͤlker beybehalten haben, 
bitrauern zwar auch ihre Xobten, indem fie eine 
Zeitlang wehklagen, und weiffe Kleider anlegen. 
Allein ihre Trauer iſt nicht fo gezwungen, alfo 
auch nicht fo langwierig, und hart, ale bie ber 
Chinefen p). In. Siam geſchieht es daher haͤnfi⸗ 
ger, daß Eftern ihre Rinder, als daß Kinder ihre 
Eltern betrauern. In Laos bekuͤmmert man ſich 
um Verftorbene nicht, man neunt ſo gar nicht eins 
mahl ihre Rahmen, wenn man ihre Leidname 


"verbrannt, bie Aſche gefammelt, und in Maufo: . 


leen gebracht hat 9). Auf ben Tafeln der Süpfee, 


⸗ 


welche man am genaueſten kennt, beklagen beyde 


Sefchlechter den Tod von verſtorbenen Anver⸗ 


wandten. Man waͤhlt and beyden Geſchlechtern 


Leidtragende, welche zu gewiſſen Zeiten in einer 


phantaſtiſchen Kleidung zu den Morais wallfahr⸗ 


-ten, mo die Leichname der Verſtorbenen zur Vers 


wefung ausgefeßt fi find. Die Leidtragenden führen 


außer. einer Klapper ‚ die aus al großen Perl⸗ 
mals 


») & von den Eiameken,, Koubere 1 I. 375. 378. 

Les Sismois du contraire n’ont point de Deüil 
force: ile ne donnent de marques de douleur, 
qu’autant; qu’ils [ont allligez eic, 


® Mariny p. 355. \ 





- . ’ 
. ’ ’ 
⸗ 


mattetſchaalen nwaht, einen langen, Eis, ı ber | 


allenthalben mie Haufifh > Zähnen befeßt if. Mit 
dieſem Stabe verwunden fie. eluen Soden, welden 
ſie auf Ihren -Proceffionen antreffen: weßwegen 
. and) alles entflieht, fo bald man das Geraͤuſch der 
Zrauerflapper hörtr). Die Wallfahrten zu den 
Morais, und. ben Ueberreften verfiorbener Anders 
wandten werben nur fünf: Monathe fortgefeßt. 


Man flellt fie. gegen das Ende dieſer Trauerzeit feb - 


tener, ald im Aufange an... Die Leidtragenden 
werben von mehreren Perfouen begleitet, die faft 
ganz nackt, und mit einer ſchwarzen Farbe übers 
firtchen find... Wlan nennt fie Tolle, oder Wahns 
wißige, weil fie Perfunen vorftellen follen, welche 
die Traurigkeit über den Verluſt der Verfiorbenen 


| ganz außer ſi ſich geſetzt hat. 


| Anch unter den Negern trauern die Weiber 
mehr, als die Männer; allein bie Maͤuner ſtim⸗ 
‚men doch mehr ein, und nehmen mehr Theil, ale 
im Drient 5). Go bald ein Mitglied der Fami⸗ 


lie , befonders ein Ehemann peftorben ift, fo tre⸗ 


ten bie Weiber vor die Thür der. Hätte, erheben 
ein entſetzliches Geſchrey, zerraufen ſich bad Nanr, 


ab zerfeßen ſich das Schicht. Dft laufen die trauern⸗ 


den Weiber, wie wuͤthend durch bie Dörfer, wos 
bey fi ſie e meiſtens mit weiſer Farbe beſtrichen find. 


Bey 


r) Forſt. Voy. II 74. horſters Veebacht. 476. 77. Ss 


4) Dentanet 11.31.61. 69 ‚Proyatt I. 174. Adan-. 
fon p, 60. de Bry VI. c. 43. 44 Boomann 268, 


69 ©, Cavazzi I. 403- 415. ' 
Dy: 


— — —2—— 


700 — — — | 

Ben dem.erfien Ertoͤnen bed Klagegeſchreys erhe⸗ 
ber alle übrige Weiber, ' bie doſſelhe hören, ein 
:&haliches Wehklagen, ohne daß fie. noch wiflen, 
wer der. Verftorhene, und welcde die Xranernden 
find. Wenn man dieſes erfährt, fo eilen die Freu⸗ 
de und Belanuten des Verfterbenen in bas Ster⸗ 
behaus, and wehflagen vier und. zwanzig Stunden 
Fang, ohne etwas zu fi zu nehmen. . ‘Bey dem 
Tode von Kdnigen wird das Wehklagen drey Tage 
lang fortgeſetzt. Man wiederhohlt diefelbigen Ges 
ſchreys, biefelbigen Zerraufungen, und Zerfekuns 
gen bey ber Veerbigung ber Verſtorbenen. Gleich 
nach ter Veerdigung aber kehren die Trauernden in 
das Sterbehaud zuruͤck, wo fie Zage lung freffen, 


u fanfen und tanzen, als wenn fie bey einer Hochzeit⸗ 


and nicht bey einer Todtenfeier gegenwärtig wären. 
Alle Reifende bezeugen, daß man in ben Trauern⸗ 
den, melche ben Leichınzug begleiteten ,„ nad ber 
Beftattung nicht die geringfie Spur Yon Traurig⸗ 
keit wahrnehme. Uns befte glaubwuͤrdiger ift bad, 
a8 Cavazzi erzählt ), daß die Webklagenden 
Beine Thränen vergießen: daß fie did zum Angens 
blicke ded Wehklagens, und auch gleich nachher 
ſcherzen und ladyen: baß ſie die Manmerey der 
Zrauer auch bey benen nicht unterlaſſen, welche fie. 
felbft auf eine graufame Art umgebracht haben.. 


Unter ben meiften Völkern in America neh: 
men die Männer weder an bem Wehklagen ter 
Weiber Theil, noch geben fie ihre Trauer durch 
irgend etwas Auffallended in Kleidung und Puß 
zu erßennen. Wo aber das letztere geſchieht, da 
laſſen fie zum Zeichen der Trauer ben Baart wach⸗ 


ſen 
) I. c. P. 410. 410. 


l 


=... 707 


ſen u), oder beſtreichen ſich mit ſchwarzen Karben x). 
Wenn die Männer in America meniger trauern, als 


in Africa, fo find dagenen die Weiber zu einer 


härtern Trauer verpflichtet, ald im Ießtern Crds . 


theile. In America iſt es nicht genug, daß Weir 
ber bey dem Tode ihrer Maͤnner wehklagen, und 


ſich verwunden. Sie muͤſſen dieſes Wehklagen 


. ein ganzes Fahr zu gewiſſen Stunden fortfeßen, 
oder wenn fie Beſuche erhalten, oder die Gräber 

‚ der verftorbenen Gatten beſuchen. Sie muͤſſen 
- eben fo lange faften, d. h. ſich aller animaliſchen 
Nahrung enthalten; ſich in Lumpen ober ſchlechte 
Kleider einhüflen, das Geſicht ſchwaͤrzen, ſich nie 
wafchen, und in ihre Huͤtten einſchließen y). Waͤh⸗ 
>”. 0. \ rend 


1) Im untern Louiſianac, Pages E36 


#0 Ju Patagouien, Falkner p. 118. Unter gewiſſen 
Witden am Oronoko, wo man feidft durch die Gra⸗ 
de des Schwaͤrzens die Grade der Verwandeſchaft, 

:yud.der Trauer aubdruückt. Gumills I 319. Uns 
ur, ter diefen Wilden ftimmten aud) die Männer in dab 
Klagegeichrey ein. Z2ı.p.l.c. 
y) Begert S. 14. Cranz I, 204 Falkoer/o, 119. 
Charlevoix 372- 376 p. Carver 405 et ſꝗ. p. 
Charlevoir 1. 468: jagt, daß Ein Volk im Parn⸗ 
gnay bey nein Tode bes Gasiquen einen Monarch 
Iang faſtet, d. h. ſich von dem Genuſſe non Fiſchen 
enthält. Die Verwandten uud Bekanuten, weiche 


bloß bewirshet warden, fondern nehmen auch. we⸗ 
nigſtens in Grönland, heimlich oder öffentlich aues 


.: gefaͤlt, ſo daß nicht ſelten die audgepluͤnderten 
. Mittuen mis ihren Kindern ‚bald nachher verhungern 
. ‚möflen. BE BEE 


.4,7° 
\ . , . , . ” 7 . 
“io. R * . + 
° 
P . 
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kommen, um ihr Beyleid zu bezeugen, muͤſſen nicht 


mit, was ihnen in dem NMuchlafle des Verſtorbenen 


L "7 — — — 


\ 
708 — — 
—— A 


rend der Trauerzeit; darf keine Witwe ſich verhei⸗ 
vathen. Wenn in Patagonien eine Witwe ſich 
während der Trauerzeit einem andern Manne über: 


Yieße; fo würde fie fammt ihrem Meyfchläfer von 


den Verwandten des verſtorbenen Mannes umges 
bracht werben: audgenommen, wenn fie bemeifen 
kann, daß man fie mit Gewalt zum Beyſchlaf ges 
zwungen habe 2). j 


Unter den Griechen blieben die Maͤnner in 


Auſehung der Merkmahle der Trauer nicht weit, 


hinter den Weibern zuruͤck. Väter, die ihre 
Söhne, Söhne, die ihre Wäter, Krieger, die ihre 
MWaffenbrüder verlohren hatten, zerriffen zu Zus 
cians Zeiten, wie im Heroiſchen Zeitalter, ihre 


. Kleider, -wöälzten fih im Staube, ſchlugen ihr 


Haupt an den Voben,: ober beftzeuten es mit 
Staube, und hielten an bie Verſtorbenen ähnliche 
Reden, wie man fie unter allen Wilden, und dus 


- ter allen Morgentändifden Voͤlkern zu halten 
pflegt a), Die Weiber wehklagten, eushtößten, 


! 
. 


2) Falkner I, c. 
4) Lucien, H, 927. z% ws a0 s6I46 narTappyyvu- ⸗ 
TU y MO MOVIE SUITE 0 DaÄy. magaaTay » + 0 EV 
yao xasıy aulıvdavroy wollaxıc, x Tacaspaiuc 
‚aparracı mpog To edndes. Kucian führt dic Re⸗ 
den an, weldye Väter fo wohl, als Mütter an ihre 
entſeelten Kinder zu halten pflegten. Man erwähns 
te in diefen, wie in allen ähnlichen Reden, vie 
Sreuden, welche die Werftorbenen deu Zuruͤckblei⸗ 
bernden geraubt,; oder beren fie durch dem fruͤhzeiti⸗ 
‚gen Tod jelbft beraubt worden: das Gute, waͤs fie 
befeffen und geuͤbt hätten, oder in der Zukunft haͤt⸗ 
ten erwerben, und verzichten koͤnnen, u. |. We 


14 


2 —— 789 
anb’zertänften ihr Haupthaar, warfen die ausge⸗ 
riſſenen Haare auf die Leichname der verſtorbenen 


Geliebten, zerkratzten oben zerſchlugen ſich War 


gen und Bruſt, ſtuͤrzten ſich uͤber die Leichname, 


oder Gärge der Geliebten her, als wenn fie fi 


don benfelben nicht trennen wollten, und nahmen 
Tage larig weder Speife und Trank zu füh, als 


Merfonen, bie ded Lebens gaͤnzlich uͤberdruͤſſig wär - 
ren 6). Sehr oft fgnitten die Weiber dad Haar 


ganz ab; ſo rote die Männer ed wachſen Liefen r). 
Beyde Geſchlechter legten alle Prachtkleider, und 
Schmuck ab, und trugen, gleich ben Römern in 
ältern Zeiten dunkelfarbige, in fpäteren Zeiten, 
weiffe Kleider d). Die Gefeßgeber ber — 
= EB 70 fach 


I 


bb Lucian, l.c. Omwyar d’sri Teroic, xy Male 
TO YUYKIEWV, NY MED MEUTOV ÜHNpPUxR, KU 58p= 
ı Y6 TURTOUEYE, " Ro GEMPRTTOHEUN Kay, 104 


Gomwioronavoy mapsıy. Petron von der Matrone 
zu Epheſus, p. m. 197, non eontenta, vülgari 
more, fanus profequi paflis crinibus , aut nu- 
datum pectus in conlpectu freguentiae plange- 
re,.. At illa. . laceravit vehementius pe- 
ctus, ruptosque erines fuper corpus jacentis 
impofuit. | 


0) Piut. VII, 8% Un eben-diefer Stelle fragt Plut⸗ 
arch: warum Söhne bey der Beſtattung der Väter 


das Haupt verhüllten, uͤnd bie -Zöchter das Haar 


entbloͤßten, und flattern ließen? 


4) Dunkle Farben waren in ältern Zeiten Trauer: Far⸗ 
| ben, Selbſt in Sparta wurden Peichname in bun- 
Teifarbige Gewaͤnder eingewieelt. Plut, I. o2s, In 
ſpaͤteren Zeiten hingegen trug man weiffe Kleider. 
. Eben daher fragte Plutarch: VII. 95. Be ri 


Asun 


% 


aan J — — 


ſuchten fruͤh, die Zeaeer entweder zu beſchraͤnken, 
aber zu mildern. Lykurg erlaubte, bie Todten in 
ber Stadt zu begrahen, damit: mas Leichname, und 
Gräber nicht mehr, als befleckend unfehe. Bus 
abe wirorbnete er, Daß bie Trauer mit dem «il: 
ten Tage aufhören, und daß man, am zwölften 
der Ceres opfern ſolle, am alsdann zu deu ges 
woͤhnlichen Geſchaͤften, uud zu ber, aemöhulichen 
Art zu leben ,. zurüczufchren_e). Epimenidee 


u und Solon hatten tie Abficht, durch Math und 


Sefeße das Harte, und Barbariſche ber Trauer 
zu ‚unterdrücken, ‚befonders das Jammergeſchrey, 
und.bie Serrauſungen der Wangen, und der Bruſt 
aufzuheben 5). JIch zweyfle ſehr daran, daß dieſe 
Satzungen des Eopimenibes, und Solon lange 
beobachtet worden. In Rod trauerten die Muͤtter 
ein ganzes Jahr um ihre Kinder: bie Väter bins . 
ac änderten, weder eiwas fi ihrer Kleidang u. 


y 
1a 2 
. 


— Guss 2:7 Tow weder TE yore æriæ, 

Kr. aeh Äeursc asknußaker; Auch die Roͤmer trugen bi 
am den Untergang ver Republik Bunte, unter den 
Reaiſern, weiffe Trauerkteider, wie Lipſius richtig 
sermmthete „ weil in Tpäteren Zeiten beyde Geſchlech⸗ 

ter in foftbaren vielfarbigen, gewirkten oder geftids 

„ten Kleidern prangten, und eben deßwegen weiße 
Kleider, als die :emfachien amaefeher murden. 
viel Excnzl. ad, Tacit. An, 11.95 Guther. 

12 7° 


"e) l.sge. Plutarch, 


N Pine 1. 336. 359. 20 nu roouÄnpon Bern, 17 
ro Bægſæpixov, a ayyaxavra mparsppv cs wis | 
URN. 2 rg: Ps KOTTAUSUOU : : eo U TE 
—RW wAkau [77 raPæic orsaocv aDahay, 


—— Be 77 
- an ihrem Dähpthaar g). In Maſſillen fanden 
ſich Hoch zu ven Zeiten des "Walerins Maximus 

yooy-öffehtlihe Särge. In dem einen wurden die 


Kreyen , "in dem andern, die Knechte, ohne Weh⸗ 


Elagen, and andern Trauer⸗ Pomp zu Grabe ger 
tragen h). Die Drachgebliebenien brachten bloß ein 


ein Todten: Mahl. Die heutigen Griechen, unb 
Griechinnen trauern nad} der altgemelnern Sitte ih⸗ 


Familien⸗Opfer, amd hielten von dieſem Opfer 


ver Vorfahren: nur ſcheeren, ber: ſchneiben ſie 


wicht niehr die Haare ab, und legen auch Feine 
ſchwarze Kleider an i). N 


Unnter den Römern waren gewiß viele, die, 
gleich den Griechen, auf die vom Lucian beſchrie⸗ 
bene Art trauerten. Allein dieſe Art zu trauern. 


war doch unter ben Roͤmern nicht fo allgemeine 
Bolksſitte, und gleichfam Etiquette, als unter 
den Griechen. " Die Roͤmerinnen hingegen trauer⸗ 
ten vollkommen auf dieſelbige Weiſe, wie die Gries 
chinnen. Varro fagte fehr richtig, daß bie Mös 
merinnen ihre Wangen zerfraßten, um ben abges 


fchiedenen Seelen, die durch Blut verfähnt würd | 
er . . 3 u den, 


'g) Heracl, Pont. ap. Gronov. VI. 2828. In Lyxien 
muften Männer, - die trauern wollten, Weiberklei⸗ 
der anlegen, ut deformitate cultus commoti 
maturius ſtultum projicere moerorem velipt, 
Val, Max, 111.6, 13. | 


A) Val. Max, l. e, f, 9. fine Inmentatione, fine 
planetu funeris etc, | Wr 


3) Tournefont I, 89 et [9.9 Guyal. 280-214. P. 


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Moargenlaͤndiſchen, noch mit Slawiſchen Voͤlkern, 


— — — 


den, ‚genug gu thun x). Das laute Wehklagen, 
596 Zerraufen ber Haare, unb bad Zerkratzen ber 
Wangen unb Bruft bey dem Zobe, und ben Bes 
flattungen‘ von Blutsverwandten bauen bis auf 
den heutigen Tag unter ben Weibern im mittlern 


‚und umtern Italien, wie in Corfila fort ). Sm 


Corſika fallen fo gar bie übrigen Weiber, welche 
kraueınde Witwen zum Grabe ber Maͤnner beglets 
ten, über bie. Witwen ber, und wighandeln fie 
durh Schläge, als wenn die nachgelafjenen Frauen 
die Urfachen bes Todes wären. Plutarch nannte 
mit Recht die Trauer ber Griechinnen barbarifc, 
indem fie hoͤchſt wahrfcheinlich entweder von ben 
Morgenlänsifchen, oder von anderen alten Colo⸗ 
siften abſtammte, bie aud einem mit Sarmaten 
vermiſchten Volke entfprangen warın. Die Weis 
ber ver Slawiſchen Völker trauerten von jeher, und 
trauern auch jeßt noch eben fo, wie bie Morgenläns 
derinnen und Griechinnen trauerten m). Ganz uns 
begreiflich iſt es mir, wie biefelbige Art von Trauer 
zu den MWeibern-in Hochſchottland und Irland, in 
Bearn und Gascagne gekommen iſt n), da bie Be; 
wohner diefer Länder keine Gemeinſchaft weder mit 


zum 


k) Ap. Serv. ad Aeneid. III. 67. - - - ora lacera- 
„ „ bant, ut fanguine inforis fatisfacerent, qui ſan- 
Guine placabantur. Auch Guther. p. 75. 

2) Labat IV, 98, Swinbarn I. 115. Bofwell p. 2n2. 


#3) Detmold VI, 207. Offervaz, intorno la Valachia 
ete. p. hp; :; Le moglie non mancano di firap- 
parli i cappelli, grafharfi ie guancie, ed urlare 
apprello il Cadavere del marito. 


#)' Pennant’s'Scotl. p. 99. 101. Lafitau II, 393. 


it 











4 


Gum Theil nicht einmahl mit den Orichte und Roͤ⸗ 


l N \ " 
4 · — 713 


mern hatten. 


Alle. größere Nationen 0), und ſelbſt viele 
wilde Voͤlkerfchaften p), unter welden beyde Ge⸗ 
ſchlechter, ober wenigſtens Die Weiber ihre Trauer 
durch Wehllagen und. durch Zerraufungen der Aaore, 


der Bruſt und Wangen ausdruͤckten, brauchten 


bey Leichen :Begängnifien, und bey dem Trauern an 


. ben Graͤbern von Verſtorbenen fo genannte Klage⸗ 


weiber, die nicht nur im Wehklagen, ſondern 
auch in allen uͤbrigen Merkmahlen ber Trauer 


‚ für. die begleitenden Weiber, Töchter und uͤbri⸗ 
gen Anverwandtinnen ber Werfiorbeuen den Ton 


angeben mußten g), Durch den Gebrauch. Kiefer 


‚ Weiber warb offenbar die ganze Trauer: in eine 


bloße Mummerey verwandelt, wo Perfönen, 


bie. nit traurig ſeyn konnten, benen, die traurig 
fen ſollten, aleichſam vorfpielten, und ihnen zeigs 


ten, wie ſie fih zu geberben ‚hätten, um traurig 
. f , no 3u 


2) Die Morgenlaͤnder der alten Zeit, Shaw p. 2402. 
= Die Araber, Türken und Kopten, Shaw l. c. . Mail. 
« let II. 88.89. Niebubr 1.186. Haffelquift ©. 
40. Sicard p. ı01. Die Griechen und Römer, 
Guther. 118 et ſq p. Die heutigen Griechen, Tour- 
— I.c. Die Slawiſchen Boͤlker, Anton 133. 
134 0. ur Ä | 
?) 3.8. die Umericanifhen Wilden, Charlevoixg73p. 
Chez d’autres on loue des Pleureules,- - . .Elles 
chantent, elle danlent, elle pleurent (ans celle, 
et toujours en cadence etc, Die Wahnwitzigen 
auf den Suͤdſee-Inſeln gehören gleichfalls hieker. 
y) Praefjcae dicunter miylieres ad lamentandam 
mortnum Cconductae, quae dant ceteris modum 
„‚plangendf, quafi in hoc ipfum praefectae, Fa. ' 
ſtus in häc voce. 0 


L, 





za feinen, Es wäre unerläri, wie fo Diele 
Völker glauben Fonnten, daß ein ſolthes Eicham 
fpiel den abgeſchiedenen Seelen wohlgefallen könne, 
wern man richt aus unzähligen anderen: Beyſpie⸗ 
‚len ne, daß ber ungeblivete Menſch in allen 
Theilen des Goͤtterbienſtes nur darauf ſah, daß 
etwas geſchehe, nicht, von wem, oder wie, umd 
tn welchen Abſichten es geſchehhe. Die heutigen 
Bewohner Aegyptens waͤhlen die Klageweiber, und 
wahrſcheinlich thun, und thaten alle uͤbrige Dior 
genlaͤndiſche Voͤlker ein Gleiches, unter den bͤffent⸗ 
ihren Weibs perſonen, ober fo genannten Dimzerin⸗ 
nen, teil biefe die geſchickteſten Saͤngerimmen, Taͤn⸗ 
zerinnen und Scaufpielerinnen find- 7). - Det 
gemeiber nämlich fingen nicht Bloß,  fondern fie 
tanzen und fpielen zu gleicher Zeit 5), fo wie fit 
iu Rom von Flötenfpielern begieftet wurden 2). 
Der Klaggeſang beſteht iin Morgenlande noch jet, 
wie vor Jahrtauſenden, in der beſtaͤndigen Wie⸗ 
derhohlung, und im 'den verſchiedenen Modalatio⸗ 
nen einiger inarticulirter Toͤne, und was das wi⸗ 
derſinnigſte iſt, eben ber Töne, wodurch bie Mor⸗ 
genlaͤnderinnen ſonſt ihre Freude zu erkennen 
oo „” . ul; 


. 2 


4 Mailiet II, 99. Mahrſcheinlich veutete Sicard 
das Gepraͤnge, was er ſah, nicht richtig, wenn er 
annahm, daß die Tänzerinnen, welche einen Lei⸗ 
chenzug begleiteten, dazu beftimmt geweſen feyen, 
die Traueruden zu erheitern. p. 101. 
s ll. cc, ’ . j ” 
: €) Schon in aͤlteren Zeiten brauchte man fo wiele Ti- 
bicines, daß die-gmölf Tafeln zur Verminderung 


des Aufwandes bie Zahl derfelben auf zehn befchränts 
ten, Guther, p. 320. Enge 





— —— — — - 
Y 


' . 
[4 " . “ ! 


‘ 


terinnen nicht: bloß wehllagen, fordern: fi’ auch 
zerraufen, auf die Erde werfen, ihr Haupt mit 
Staub: beſtreuen, oder Seſecht und Schleier mit 
Schlamm beſchmieren; for gefingt es ihnen nicht 
ſelten, in den AUmſtehenben, beſonders tu Eures 
piarn:, bebkaftere- Surpfindingen von Mitleid zu 
erregen, als won. welchen ſir ſelbſt gerührt find x. 
Ba ae Pape Ban SEE SE EEE En Selbſt 
. 4) Shaw. l.e, At altsheirprineipel entestainments, 
. m to [hew girth —— won other. 00: 

cabona, the women welconie tbe arrival of each 

gueft, by Squalling out, for [everal times toze- 
tler. 300, 100, loo, At tkeir funerals alfo, and 
'upon zmelaneholy occahiogs, the repeat-tbe fanp 


noile, only the make it more deep. and hollow, 


‚ and’ end each period with ſome ventri logaons 
bghe, Shaw vermutier ſehr richtig, daß die 
.Kaute Loo, Loo eine-Verberbung von Hallelujah 


" Wuenbat daß je wohl · das ejulari der Mömer, als 


dag alsincyy' army und beiouberd dad ahHAm 
. der Griechen denſelbeneytſpraͤchen. Die Griechen 
- aber druͤckten Traurigkeit allein Durch. Asdeu , Freu⸗ 
de hingegen Durd) un, w, auf. Ploutarch, in The- 
"leo l. p. ke - - - - smıpovew de Ta erovdug 
elsley, IE, 12, TUC Tapvrac, wV TO HSV OREU- 
doursc av Pwvaiy, . un, TRWUROUTEG EWR, TO 

rede wrrkniug, wu Tepaxac Ei. 


©) Mailer], c. Sbaw l,c. For there are feverat 


| mm. [ns 
ben ud Da. die Klagewriber und deren Beglei⸗ 


— 


women, hired t0 act,..upon thele lugubrious 


oecafiöns; who, like tbe Praeficae, or mour- 
ning women of old, are [Ailful’in lamentation 
„(Amses V, 16,) and great 'miflrefies of thefe.me- 
. Janchely exprefions; and indeed they perform 
. tbeir parts wirh ech proper foands, geflures, 
‘and Memmintions ‚. that ihey rarely fail to work 


L 


‚up ihe-aflembiy intn ſome exträordinary pitch u 


- 
P2 
= men 


— — — —— — — — — * 


es rue 


0 


8 


> 


* Ss 
x 


-Auben man fi vor Leichnamen ſcheute hielt 


man fie zu. gleicher Zeit auf eine gewiſſe Urt für 


eilig, uud ſuchte auf alle mögkiche Art zu ver: 


hüten, baß fie felbſt und ihre Ruhefkätten verketzt 


würben, meil man fürdtete, baß die. abgefchiedes 


nen Seelen ſolche Verletzungen an ben Lrhebern, 


eder denen, welche fie nicht. Dagegen geſchuͤtzt haͤt⸗ 


ten, hart almben würben.® Daher unter manden 


Nationen bie Gefeße, welche ausdruͤcklich geboten, 


einen jeden unbegrabenen Leichnam, den man finde, 


zu-verfharren, ober die Gräber, vor weldyen man 
vorübergehe, durch dad Minzulegen von Steinen 
gegen bie Unfälle von milden Thieren fidyerer zu 


machen a), Daher bie harten Strafen, welde. 


man am benen vollzog, welche die Gräber und Rus 
beftätten von Verſtorbenen muthwillig beunruhigt 
hatten, Die Röner. begnügten ſich nicht damit, 

| die 


bey hohen Strafen, Guiher. II. c. 33. p. 359. 60. 


Dieſes Beyſpiel ahmte der Gothiſche Koͤnig Theo⸗ 


derich nach. Edict. Theoder. Regis p. 2:39. 


Man kann die Regel, die unter den Griechen und 


NRoͤmern galt, mit geringen Ausnahmen als Deut 


art aller übrigen großen Völker anfehen. Auch die 


Mahomedaner begraben daher ihre Todten außer 
den Städten und Poͤrfern; allein die Ueberbleibſel 
der Heiligen und der Könige nehmen fie in ihre Mitte 


auf. Nur bin und wieder finden ſich in den Tuͤrki⸗ 
ſchen und Perſiſchen Staͤdten Kirchhöfe: Maſſel p. 
116. Chardin III. 274. welche wegen ter geringen 
Bedeckung der Gräber einem. fürcdhterliden Geruch 
verbreiten. Ich babe anderäwo der Gründe er⸗ 
wahnt, welche die Ehrifien allmaͤhlich vermochten, 
ihre Todten erft nahe bey den Kirchen, und zuießt 
in den Kirchen ſeibſt zu. begraben. 


0) Serv, ad I,c. ctad V..365, VI. Aeneid. 


-—— mg 


bie Uxnen, welche ihre Afıhe nehtelten, an ten 


yerborgenfien ‚Stellen ihrer Grabmaͤhler einmauern 
zu laffen, und diejenigen zu verfluchen, welche diefe 


ihre Reſte eutweihen wuͤrden. Sie. brohten die: 


Grafen. dar. Bermeifung, oder ber Arbeit in ben 
Bergrerken ben Frevlern an, welche bie Reſte her 
Verſtorbenen entbloͤßen, und der Sonne zeigen wuͤr⸗ 
ben 6). Mehrere Voͤlker hegten fo gar die Mei⸗ 
nung, daß die abgeſchiedenen Seelen fo lange trau⸗ 


zig umherfaren, und in bie Derter ber Ruhe oder 


ber. Seligkeit night. eingehen wäÄrben, fo. lange bie 


GLoͤrper, welche fie :chemahld belebt hätten, ‚uns | 
begraben waͤren c). Der Wanſch, die Ueberbleib⸗ 
De Be ſel 


— 


3) Jung de Reliqulis p. 18. 22, Ich kann nicht ums 
Bin, folgende ſchoͤne Strelle aus der Rede der Athe⸗ 
“  nienfifchen Gefanpten gegen ten König Philtpp von 
Masehonien, den Zerftörer ihrer G:abmähler, abzu⸗ 
ſchreiben:? Livius XXX], c. 30. Verum enim vero 

id fe queri, quod is, yui Romanos alienigenas 
et barbaros vocet, adeo omnia fimul divina, hu- 
manaque jura polluerit, ut priore populatione 


‚ „cum infernis diis, lecunda eum [operis bellum 


nefarium gellerit: omnia fepulcra, monumenta 
que diruta efle in finibus fuis, omnium nudatos 
manes, nullius ofla terra tegi, 


| c) Virg. Aeneid. 1. c, Aeneas - - - 


die, ait, o virgo, quid vult concurfus ad 


amnem?.. 
quidve petunt animae ? 


Ili hie breriter fata ef longaeva facerdos: 


a 1.0 .,» 20 8 VE ..2* e 
haec omnis, quam cernis, inope iuhumata- 
. que turba ef: 
8— ſopulti. J 
Nec ripas datur horrendas et sauss Äugnta. 
. - trauo- 


— 


Paortitor ille Charon ski, quos vehit unda, 


nr met 
\ . 


120 _ — — Ä 


fel von Verftorbenen vor aller Verlegung und Bes 
unruhigung zu ſchuͤtzen, verantaßte nichtjbloß, wie 
wir in der Folge ſehen werden, die Errichtung von 
koſtbaren Deufmählern, ſondern auch bie Erbauung 
von fo genannten. Krypten, ober Felſengraͤbern, de⸗ 
ren Eingänge fo wohl, als bie einzelnen Cammern, 
oder Gewölbe, welche fie enthielten, entweder ver; 
mauert, ober durch fefte Thuͤren verſchloſſen wor: 
Ben. Solche Krypten, oder Catakomben ſieht man 
bey Rom, in Sicilien und Maltka d), in Vor⸗ 
deu » Afien e), Syrien und Perfien. f), vorzuͤglich 
tn Unters und Obers Uegypten g) Die Gräber 
der Könige bey Theben haben fo große. Srffnuns 
“gen, ba Druce deßwegen glaubte: die Stadt habe 
daher ben Nahmen Hekatompylos erhalten. Er 
gründet ‚biefe Bermuthung nicht bloß darauf, daß 
die Stadt Theben felbft nit bes fünften heile 
von Bundert Thoren fähig gemefen fey, fonbern 
daß auch bie Gräber bis auf den heutigen Tag 
Shore genanut werden bh. W u 

i - ‘, Uns 


transportare prius, quam [edibus olla quierunt. 
Centum errantannos, volitantque haec litora 

circum; \ 
tum demum admiſſi fiagna exoptata revifunt. 


d) de Borch II, 18. 00, 

| od Chandler p. 156, | . 

5 Shaw p. 263, Niebuhr II. 155. 
5) Shaw p.375. Sicart p, 490. 91. Brucel, p. 274, 
‘ Edit, in 8. 


A) Lc. The ſepulchres are fill called buban, the. 
ates, by the Egyptians. Certainly Thebes it- 
ell, ismagine ita figure, what we wälf, cannot 
’ u vo 





un — u Far | 


r den Boͤtkerny welche ihre Torten ber 
gruben, ſuchten fehr viele Die Leichname ter Ver⸗ 


v 


ſtorbenen unverſehrt za erhalten, entweder darch 


Einbalſamirusg, wie die Argyptier, Aethio⸗ 
pier und andere Raättoden-i), oder buriyQiäbbrren: 
uͤber einem gelinden euer, wie bie Begeridi);: uber 
durch bad Austrocknen an ber Luft und Sonne, ne vie. 
le aͤltete und neurre Voͤlber Ihaten.k). Einige ker 
* ge⸗ 


. Havc’bad'the fifth of that number. Der aelehrte 
Heranggeber der zweyten Editivn erinnert! IL. 43. 


daß Bruce ſich geirrt hube, uud daß Biben nicht 


Thon, ſondern Höhle, oeder Keller bedeute. 
#3 Ueber die verſchiedenen Urten der Einbalſamitung, 
ober Mumiſirung nnter bau Aegyptiern, Harod. II. 
56-88. Die heutigen Thibetaner brauchen allerley 
Balſanie, Georgi Pr 444. fo wie die Einwohner 
‘son Borneo, vorzüglich Kampfer, um Cörper 
unverwestich zu machen. Sprengeks Bestrl II 
855 ©. Die Hintus brauchten Velos, von welchem 
Die Alterthums fotſcher ungewiß find, ob fie Darum; 
ter Glas oder giadartige Lakke verſtehen füllen, 
Lucian, il, 930, 33. ‚et ibi interpr. Die Perfet 
übergoffen Görper mit Wachd, Herod. I. 140. Cic. 
Tuſc. Quaef. I. 45. welches die Griechen nachahm⸗ 


. . tem Xenoph. Hi. Gr, V. p. 321. 
. U) Projart I, 179. Bobmanh ©, 268. 
13) Hof diefe Art mänifirten die Leichname der Ver- 
ſtorbenen wahrfcheinlich tie alten Peruaner, Ulloa's 
Nachr. IE 155. Acoſta VJ. c. 21, Die Einwohner 
der Canariſchen Inſein, Glale p. 152. Nilgem. 
Sammlkb. der Neiſen, II. 40; 41. gewiß die der Mas 
siantfchen Eolande, Cowley p. 275: Die Neger, 
‚Probert I. 174, bie Sormiejaner „-Valentyn V; 101. 
-, Die Jugofairen, Isbrand p.209. Die oͤſtlichen 
Juſulaner, Palles Beer 286, und vie alten 


. 
wen * 


⸗ 


Kol⸗ 


| genaunten Volter halten Ip heen Bemühen gen, die 


— 


Leichname ber Verſtorbenen unverſehrt zn. erhalten, 


keine andere Abſicht, als ſich durch dieſen Dienſt 


die abgeſchiedenen Seelen geneigt zu machen h). Ans 
Bere hofften vielleicht durch die ben Coͤrpern mitge 
theilte Usverweslichkeit zu bewirken, daß dieſe 
Coͤrper von ben Seelen, wern fie ten Kreis ihrer 
Wanderungen vollendet Hätten, ſo glei wieder 
koͤnnten eingenommen und belebt werden. Noch 
andere ſchmeichelten ſich, die abgeſchiedenen Seelen 
an die unverweslichen Coͤrper zu feſſeln, damit ſie 
denſelben bie gehörige. Ehre erweiſen, und fie zu 
Dengen, oder Theilnehmern ber Freuden des des 
bens machen koͤnnten. Viele Aegyptier behielten 
die einbalſamirten Leichname ihrer Vaͤter und Bruͤ⸗ 
bei in thren Haͤufern, wit bloß um ſie im Falle 

der Noth zu verfeßen m), ſondern auch um fie zu 

ehren, und zu Gaftmahlen, oder Anderen Luſthar⸗ 


keiten zuzuziehen n). . Die Zuügefäiren, die ser 
a | chen 


Kelchier, Aelian. IV, 1. Var. Hin. Unter den letz⸗ 
«teren wurden die Leichname in Ochſenhaͤnte genähet, 
| ei. auch die Mumlen auf Teueriffa miwwitkelt 
. ” n . v j 


4 So die Perfer; auch die Scythiſchen und Celtiſchen 


Voͤlker, welche die Schedel ihrer Vaͤter zu Trinkge⸗ 


ſchirren machten, Pellont. L æge 


>) Horodot. II. 136. Diod, 1,95 €, Lucian. Ih 


: 933 9. Ber den Leichnam feines Vaters, zum Uns 
terpfande gegeben hatte, und Daun die gemachte 
Schuld nicht bezahlte, ward für füh, und alle feine 

: Nachlümmen ehrlos, und mis dieſen der Ehre des 

SDegraͤbniſſes beraubt. i nn 
n) Lucian. I; c. Fapıyavsı da ö Avurriot vroc as 

‚90, Asyo da ıdav, Thpkvas Tov vanpov, “aurde 

vo) ni wuürbrg sroiı0aTe, le 








ST 
! 


Da een, — 


ZN 


hen Hafalgper,, und die Bewohner der Mariani⸗ 
ſchen Iufeln hängen, oder bewahren die ausgedoͤrr⸗ 
ten Leichname verftorbener Anderwandten in ihren 


Hütten auf, um ihnen als Hausgättern bienen zu 


koͤnnen 0). Wielleicht haben bie Neger id Afrika 


bey dem Ausdoͤrren ber Leichname verftorbener Ans 


verwandten biefelbige Abſicht. Vielleicht aber mar 
chen ſie Leichname auch deßwegen unverweslich, 


weil ſie fuͤrchten, daß ihre verſtorbenen Anverwand⸗ 
sen ſonſt von ben Göttern wuͤrden verſtoßen, oder 
2. sicht aufgenommen werden. Wenigſtens fuͤrchten 


die Meger jede Verſtuͤmmelung am meiften deßwe⸗ 
gen, weil fie in dem Wahne find, daß die Götter 


Menſchen ohne Köpfe und andere Gliedmaaßen 
nicht annehmen wärben, ba fie Menfchen mit Köp: 


fen, u. f. w. genug erhalten Eönnten p). Der 


leßte Grund endlich, warum man. ganze Cörper, 


oder einzelne Gliedmaaßen unverweslih wacht, 
oder fo lauge, als möglich bewahrt, iſt diefer, daß 
man erſchlagene Feinde peinige, ober dem Gpotte 
und Sohn Preis gebe, ober ſich des Sieges über 


:biefelben freue. Aus biefem Grunde ſteckten bie 
alten Eeltifhen und Scythiſchen Voͤlker die Köpfe 
 erfhhlagener Feinde auf Pfähle, ober nagelten fie 


an die Thore von Städten, und Wohnungen g). 
Aus eben diefem Grunde !heben bie Bewohner der 


Dftindifhen, und Güpfee s Infeln die Schebel, - 


ober Zähne getöbteter Feinde auf. Die Einwoh⸗ 


ner von Borneo geben fi) fo gar bie Mühe, bie . 
| | Leich⸗ 


o) lebrand, Pallas, und Cowley II, os, 


7) Aömer.&, 40. Suellgeave pa.  _ 
9) Pallout, I, 219 et (q. p. 


3; 2 


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relchname 'erfhlagener "Feinde zu batſumiren, um 
ſie den Siegern zum Ruͤhme, und den Ueberwum— 


benen zum Hohn und Schrecken aufſtellen zu Fön 


nenr): 


Manche Völker, melde nicht die Kunſt vers 
fanden, ganze Coͤrper unverweslih zu machen; 
beißten, oder fochten, ober fchabten entweder das 
Fleiſch Bon den Gebeinen ab s), oder lebten bie 
Leihname auf Serüfte hin 2), oder hängten fie in. 
Bäumen auf u), ober ließen fie in Fluͤſſe hinabx), 
ober begruben fie vorläufig y), damit die weichern 
| — Thei⸗ 


r) Sprengels-Biytr. H, 255 ©. 


6) Eo die Mitten in Buiana bey Wlchen, die auf hei 
Jagd umkeminen, Baprere ©. 170. 171. Die 
Abiſponen Dobrizhof. 1). 296. vormahls die Het 
tentotten, Cowley p, 293... Die Franzoſen unb 

Deutſchen kochten das Fleiſch von den Leichnamen . 
der Könige und Fürften ab, weil fie daB Einballas 
miren vergeffen Yatten. St. FöiX II, 239. Die 

ſchiechteſte Art der Mumiſirung im alten Wegypten 
war, wie ed fiheint, eine. Beitze, welche alle weis 
here. Theile verzebrte, und nur das Gerippe übrig 
lieg, II. 8. Herod, Ba | 


. 6). Dieß thun die Nordamericaniſchen Wildern mit 
foichen, die auf der Fagd flerben. Chärlevoix 372 ps 
Die. Einwohner von Sumatrd. Sprengels Bentr. 

T. 15. Die der Suͤdſee⸗ Inſeln, Horfters Beobach⸗ 
tungen 480 u. f- S. Die von: Eorea, Voy. au 
Nord IV, 356, Die Parſi's. Ovingt. II. gi. 

2) Isbrand p: 76. von ben Tuhgufen. : 

æ) Gumill« J. gih, von ven Caraiben. 
y) So die meiften Americaniſchen Wilden. -Charle 
‚voix 1. c,. Dobriahofer II, 295, Hiſt. of ıhe 
nn | = -Bou- 


4 


x ' 5 


Theile enter burch die e Berwefung, ober vu | 
Gifte und Voͤgel verzehrt würden. Menu diefeß 
‚gefchehen ik ‚, fo fammelt und reinigt man noch jeßt 
die Gebeine, meiſtens nach einem Jahre unm ſie, 
auf das beſte bekleidet, urd geſchmuͤckt in gemein⸗ 
ſchaftliche Gräber zu bringen 2), ‚oder als Feiſſhep 
in den Küsten aufzubewahren a). 


Wenn man weiß, daß der 509 weiten gröfte 
Theil von Voͤlkern ſich alle erſinuliche Muͤhe gab, 
‚die Coͤrper, oder wenighend die Gebeine von Vers 
‚Korbenen, unverfehrt zu erhalten, und fo.länge, 
als möglich, aufzubewakren; fo erftaunt mag um 
deſto mehr) darüber, daß fo viele Nationen Zobte, 
‚nad. felbft Sterbende ausſetzten, um fie von Maubs 
voͤgeln, und anderen Raubthieren verzehren zu lafs 
fen, ober daß fie fo gar bie Leichname verſtorbener 
Anverwandten Hunden hinwarfen , damit fie die: 
-felben verzehren möchten. Dieß letztere thaten in 

älteren Zeiten die Horranher db), und Dal: 
I wie 


9*B —* 1, 20. Falkner P. rg - 180, Gpmilla 
I. ‚318. a 


2) Dieß thun die Nord: amerieaniſchen Wilden, Char- 
levoix 1. ce. Die Wilden nicht weit von Qarcat 
bi Died, Hiſt. of the Boucan, I, e, Die Pata⸗ 

gonier, Falknerl,c. Die Hottentotten, Btaheis 
ter, 'ıind Zungufen, Cowley; Vorſter Hbrand, 


ll. cc, “ 


a) Dieß thun die Guaraunos und Garaiben r Gppille. 
0 cc, 


5) ‚Cieero Tufec, Quaell. 145. ex Chryäippo, In 
Hyreania plebs publicos alit canes; optimates, 
domefticos. Nobile autem genns canum ‚And 

on Cie 


trier c) welche Befonbere Hunde bazır hielten : in fp& 
teren Zeiten, auch die Perfer, und Parther d). Dafs 
felbige thaten vor nicht langer Reit die Kamtſcha⸗ 
balen e), und thun noch jegt die Thibetaner f), 
anch gewiſſe Hindus 5). Die Kamtſchadalen war: 
fen noch bey der Ankunft der Ruſſen Häufig Ster⸗ 
- ‚benbt Hunden hin, damit fie nicht noͤthig hätten, 
eine neue Qurte zu bauen Ah). a fie hielten ca 
für das gröfte Gluͤck, van fhönen Hunden gerrifs 
fen zu werden 5). In Thibet forgt man zuerfl dar 
für, daß die Seele aus dem nad nicht — 


foimms alle, $ed pro Ina quisgue facultate p6- 
sat, a quibus lanietur: eamque Optimam u 
sonfent elle fepulturam, 


e) Strabo XI, 786. 


 d) Bon den letzteren Juftin, L. 41. e. 3. Sepak 
_ tere wulgo aut avium aut eanum Janiatus ei 
Noda demum ofla terra obruunt. In älteren 
Zelten ließen bloß die Magier ihre Leichname vor 
den wilden Thieren zerreiffen. Cic. ik «. Mago- 
nt, yam mes el, non humara corpora fuoram, 
' niſi e feris (int ante laniata, in ſpaͤteren Zeiten 
warfen die Perfer überhaupt die Leichname non Vers 
ſtorbenen Hunden vor, und bielten ed für ein gras 
dee Verbrechen, die übrig bleibenden Knochen zu 
egraben. Mau f. die Zeugniffe in meiner fchon oft 
angeführten Abhandlung de religione Perfarum. 


s) Steller &, 219. a7}. 
f} Georg. p. 444 
B) Oringt, 1. 88- 
n) S. 219. 271. Stellet. 
2 3) ib. © 273. 


—2X F 127 “.. 


Leichname von Verſtorbenen herausgezogen werbeh), 
Dieß geſchieht dadurch, daß ein Lhama, ober Prie 
ſter die Kopfhaut ſtark anzieht, und dann ſo wies 
der fahren laͤßt, daß ein kleines Geraͤuſch entſtehht ): 
von welchem man vorgibt, daß ea durch die aus⸗ 
fahrende Seele erregt werde. Go bald man mit 
diefer Operation fertig iſt, fo trägt man. den Coͤr⸗ 
per in einem Sack zur Stadt an einen Ort hinaus, . 
: wo kungrige und reiffende Hunbe unterhalten wer⸗ 
ben. Hier fchneiden und kratzen befonders Dazu. 
angeftellte Perfonen alles Fleiſch von ben Knochen 
ab, und werfen es ben Hunben vor. Dann zer 
bredyen ober zerfloßen fie. die Kuodyen, unb geben 
fie gleichfalls den Hunden, ober werfen fie in's 
Waſſer. Hoͤchſtens nehmen fre den Schebel, ober 
‚ einen andern forgfältig geweinigten Knochen mit nad. 
Haufe, um ihn aufzubewahren. — Die Milben, 
welche um bie Ausflüffe bed Ganges wohnen, glanb⸗ 


ten nad) dem Tode glücklich zu werben, wenn fie. 


ſich im hüfflofen Alter, oder fterbend son Hunden 

zerreiften Ließen. Unter ben Voͤlkern, bie ihre - 
Todten ausfeßten, beſtimmten eiutge biefelben bloß 
zur Beute von Raubvoͤgeln m): andere, fanchl 
yon Raubvoͤgeln, als beſonders Yon wierfüßigen 
. Ä Raube 


A) Georgi p. 40. on 
D L c. Cutem verticis arcte prehenfam et corm- 
tam tam eeleri, ac vehementi [ucuflionis im- 

petu attrahit, ut eam uno momento ſubſlire. 
a6 cropisare faeiat. Tum vero, inquiupt, ani- 


ma d uneti erspille dicitar. 


m) So manche Hinyus, Dow’s Diſſert. u: 34. : Die 
Parfis, Ovingt, II. 85. 86. lvo ©. 33, Die 
Illinois, Lettr, EURE VR N. 5. 


b) 
’ 


Rukehieren a). Siena! kuamditen Si@weilen Mk 
regefn, um die uͤbrigen Moaubthiere abzuhqiten 
iwdenm ſie die Leichnanre entmeder in. Baͤumen auf: 
hingen, wid bie Illineid, oder wie die Parſen in 
offene Thuͤrme feßten, zu welchen⸗nur Ranb voͤgel 
einen. Zugang. hatten. Es ſcheint, als wenn ſolche 
Boͤlker bloß wuͤnſchten, hoff die weicheren Theile 
ber Leichname ven Thieren verzehrt würden, au⸗ 
ſtatt daß. denjenigen, welche ihre Todten auf 
frehem Felde ausſetzen, daran liegt, daß hie Kuno⸗ 
‚hen ſowohl, als das steile eine Beste von m Bible 


ren werde. 


Rad den Wieken, welche Pr ‚in Geſchicht⸗ 

ſchreilern und Reiſebeſchreibern finden, gab es 
mehrere Urſachen der unnatärliden Gewohnheit, 
Zobte und Sterbende auszuſehhen, oder Hunden 
‚und anderen. Raubthieren hinzuwerfen. Zuerſt 
ließen ſich Die Kamtſchadalen gern kom ſchoͤnen Hans 
den zerreiſſen, weil fie. ſich einhildeten, daß fie alds 
dann in einer andern Welt die Herren diefer nuͤtz⸗ 
Uchen Thiero werden würden Wielleicht hatten 
: bie alten Horklanier, und die fpäteren Perſer, uns 
ter welhen Munde vor allen übrigen Thieren ges 
ſchont wurden, ähnliche Vorſtellungen. Zwey⸗ 
tens: viele Schamaniſche Heiden in Sibirien hals 
- ten den Zuftand nad dem Tode für eine gar nicht 
| wuͤnſchenswerthe Fortſetzung bes irbiſchen Lebens, 
imn⸗ 


—2 


* So die ZTotdelanei, Oeorgi i. e. und die Mona 

‚ lichen Hirtenvoͤlker, Sörftene Beob. 487 ®. Le⸗ 

pechin 1. 299g 8. Die Gaffern begraben piej 

Füuͤcſten und Kinder, Ale hörige werßen ſie den 
Woͤlfen bin. Rarıoyr p.. R9. 


| 


& 


— 
v J \ 
. J J * x N . J 729. 
+“ - . v 
‘. — J 


Andem beſonders die Erdgeiſter; eder bie Urholden 
unter der Erde ben — Seelen niet Ya: 
gemach perurfachen. Um nun die Seeler den Pe 
ckereyen der Erdgeifter. ſo viel, als moͤglich Zu 
ibi⸗ 


entziehen, hängen manche Voͤlkerſchaften in 


‚vien die Todten in Bäumen auf, und Laffen fie bier, 
‚oder bie herabfallenden Gebeine über der Erde ver⸗ 
weſen 0), ohne fie jemahls zu verſcharren, weil. 
ſich alddann die Erdgeiſter derſelben bemaͤchtigen 
koͤnnten. Die meiſten ſaͤdlichen Aſiaten endlich 
ſchaͤtzen ſich gluͤcklich, lebendig oder tobt Dan Ta⸗ 
gern, oder Krokodilen verzehrt zu werben, weil 
ſie dieſe Thiere entweder als die Stammpäter ih⸗ 


res Volka, ober als die Wohnungen ber abge⸗ 
ſchiedenen Seelen ihrer Vorfahren verehren. 


Wie ſol man aber aus bes angeführten j oder 


ahnlichen Gründen die empoͤrende Gewohnheit er⸗ 
klaͤren, vermöge deren manche Voͤlker bes oͤſtlichen 


Aſiens, und bes ſuͤdweſtlichen America Ihre Eltern 
und Kinder werzehrten, und biefed für die ehren⸗ 


vollfte Beftattung hielten? Die Maffageten, Ihe - 
donen und Derbicen ber alten Zeit p) erwürgten 


ihre Eltern, wenn-fie das fiebenzigfte Jahr erreiht 


‚ hatten, aber verzehrten wenigſtens ihre Leichname, 
welche fie mit dem Fleifhe von Schaafen oder Haͤm⸗ 


mein kochten. Die Iſſedonen 9) faßten die Sche⸗ 
del 


99) Beoiste Ruſſ. Vaterſch. ©. rn 383: 


‚p) Herodot, i. a16. IV. a6. Strabo XI. 781, 790. 


9) Herodot. IV. 26. Die Reiſenden, welche im 13. 
Jahrhundert den Hof der Didingiehanden bes 
. Tuchten, erzählen, daß dieſe Sirre noch dainahis 
in Thibet fortgedauert habe. 


⸗ 


Le 
*8 
* 


90 —— a 


del ber verzehrten Eltern in Gold ein , web brach⸗ 


ten deuſelben jährlich, wie ihren Hausgoͤttern Op⸗ 
fer. Alle dieſe Qunnifchen Volker begenben ent 
‚weber bie Abvigen.Tobten, bie früher an Krankhei⸗ 
‚ven florben, ober warfen fie ben wilden Thierea 
zum Futter hin, Da man unter ben Maffageten, 
und beren Brübern bloß bie Cörper don abgelebten 
Derfonen verzehrte; fo kann man ihre ſcheußlichen 
Todtenmahle nicht aus Menſchenfrefferey, oder 
aus der Gierigkeit nah Menſchenfleiſch erklären, 


wie allenfalls die Gewohnheit der Wilden in Bras - 


filten und Paraguay, welche nicht bloß das Fleiſch, 
fondern auch die zermalmten Knochen ihrer Kinder, 
und übrigen Anverwandten verſchlingen, und nach⸗ 
dem fie dieſes gethan haben, bie verzehrten Auges 
hörigen beweinen 6), Allem Anfehen nach tranten 
die alten Maſſageten den Meften ihrer ehrwuͤrdigen 
Vaͤter ähnliche munberthätige Kräfte zu, wie noch 
jeßt ihre Nachkommen, bie Thibetaner, und Cals 
mycken ben Meberbleibfeln von. Hohenprieſtern und 


‚anderen Heiligen. Die Calmycken verkohlen van 
Zeit zu Zeit bie Edrper ihrer oberfien Lhamas, ins 


dem fie biefelden in brennende Defen ſetzen, unb 


Quotquot 
J tra vilcera famelici condidere anthropophagi. 


« 


9) Pallas Beyt. IIE 381 ©, u 


Stunbenlang mit Oehl begießen. Wenn die Ver⸗ 
kohlung vollendet iſt, fo theilt man die Stuͤcke 
der verkohlten Coͤrper als Amulete, ober als wuns 
derbaro Arzneyen aus ). Es ſcheiut faſt, als 


r) Pifo p. 14, Baro p. 935. Pobrichoſer BI. 299, 
fatie cellerant, eorum carnes [ua in- 


‚, Humanam equidem carnem tanta, eluriebant 
aviditate, ut prae illa perdices, damas, apros, 
. et quidquid cupediarum elt, afpernarentug, 


wenn 


— 


— — : 


mern gewiſſe Boͤlker in Guiana ahuliche Vorſtel⸗ 
lungen haben, Dieſe Wilden laſſen zuerſt ihre 


Todten bis auf bie Knochen verweſen, weil fie uͤber⸗ 
“ zeugt find, daß Niemand, fo longe er mit Fleiſch 


bekleidet fen, in das Land. der Seelen eingehen 


konne. Wenn alle weichere Theile verzehrt find,, 


ſo verbrennt man bie Gebeine. Was von Ken Ber 
beinen übrig bleibt, pulveriſirt man, fhätter das 
Knochenpulver in Wafler, und reibt ſich damit ent⸗ 


weder die Deine, oder trinkt ed aucht). Schon 
unter ben Fraͤnkiſchen Königen trieb man ähnlichen 


Aberglauben mit den Leichnamen von angeblichen 


Banberemn unb Zauberinnen. Die Fraͤnkiſchen Ges 


feße drohten denjenigen die Strafe des Todes an, 


welche Zauberer, ober Zauberinnen verbrennen, 


ober das Fleiſch derfelden Jemanden zu effen geben 


würden u). 


Roc ben Wegraben mar Feine. Behandlung - 
der Zobten allgemeiner, als das Werbreunen. 
Auch. diefe Behandlung von Leichnamen ward aus 


mancherkey Urſachen eingeführt; Cine ber erſten 


‚und natürlichfien war die Abſicht, die Corper von 
Werſtorbenen gegen die Mißhandlungen von Seins .. 
detn zu ſchuͤten. Die Mord, Americanifhen Wil-⸗ 


den verbrennen ihre Mitſtreiter, bie im Kriege, 


oder auf Kriegezügen fierben, um bie Aſche derſel⸗ 
ben deſto leichter mit nehmen zu können x). Der 


‚Dictas 


H Biet III. ©, 14: P. 398. Barvere &. 172. 


. = Capit, Reg. Franc. p. 385, quicamen eju ad ı 


eomedendum dederit, 
Yu ” 4 

=) Ghalevoix p. 374. 
\ j ’ | " 


\ 


-732 — — 
Dictator- Bulle lief die Gebeige des C. Marius 
erſtreuen. Cicero vermuthete fehr richtig, daß 
= Sulla aus Furt, ihm Bönne etwas ähnliches bes 
. gegum,‘befohlen habe, daß fein Coͤrper verbrennt 
werden folle 9). - . 


Eine zwegte Urſache bes Verbrennens war 
urſpruͤnglich, ober iſt wenigſtens jegt unter vielen 
Voͤlkern ber Wahn, daß das Verbrennen edler, 

oder würbiger fen, als eine jebe andere Behand⸗ 
lungsart von Zobten, befonberd ale bad Begra⸗ 
‚ben. Dieſe Denkart herrfiht jet Im ganzen fübs 
lichen und oͤſtlichen Afıen, wo baher bie Leichna⸗ 
mien ber Fuͤrſten und Großen, auch ber vornehm⸗ 
ſten Prieſter verbrannt, die zuruͤckbleibende Aſche 
in koſtbare Gefäße geſammelt, und entweder unter 
Pyramiden, ober in Tempeln bepgefeßt wird, ans 
ftatt daß man Kinder unb Arme fdhlechtweg bes 
 ‚geäbt 2%. Je voruehmer die Perfonen find, deſto 
höher find die Scheiterhaufen, auf melden ihre 
Leichname verbrannt werden. Die Scheiterhaufen 
von. Koͤniglichen Perfonen erreichen bie Höhe kon 
Thuͤrmen 0). Wahrſcheinlich dachte man auf gleis 
de 


‚..MDeLeg II. se: C. Marii Gtas reliquias apud 
Anienem difipari juffit Sulla victor. Quad 
.“ hand Icio, antimens ſuo corpori pofle accidere, 
priguus @ patriciis Corneliis igni voluig ere- 
mari. | n 

2) Arme oder Kinder werben begraben. in Hindoftan, 
Niebuhr II. 25 S. in Siam, Loubere I. 377. in 
Thibet, Georg, Alphab. Thiber, - - et ihcihade 

re foveis, humoque tegere vililimum, . 
a) In Pegu, Voy. des Holland, äux Indes Orien- 
tales J. 421. in Zunlin, Laos, und Siam, Abe 
’ . e# 


E 4 


Zus 


\ 


- . % ” 
* .. . . x {) b 
. 


de Art in Peru, und nüter manchen anbern Voͤl⸗ 
| u. vo das Werbrennen der Todten uͤblich 


war da). An Mom figelnen entweder die Bor: 
nehmen übethaupt, ober buch manche alte Bes 


ſchlechter das. Verbrennen für weniger ebel, ober 
anſtaͤndig gehalten zu haben, als dad Begraben. 
Wenigftens war ber Dictator Sulla der erſte un⸗ 


ter den Patriciſchen Corneliern, deſſen Coͤrper 
Derkrannt wurde, ungeachtet das Verbrennen ſchon 


zu der Zeit, did man die zwoͤlf Tafeln verfertigte 
und dnnahm, eben fo gemein mar, als bad Be 
un b). 


‘x würde nit widerſprechen, wenn gemand 
vermuthete, daß die Meinung von der höhern 


Mürde des Verbrennen erft da entftanden fen, | 


nachdem man eine Zeitlang Leichname aus einer von 


folgenden beyden Urfachen verbrannt hatte, entwe⸗ 
der um bie Verſtorbenen badurch von allen ihren 


GSuͤnden zu reinigen, oder um fie mit ber ganzen 
Ausſtattung, welche man denſelben mitgab, befto 


ſchneller, und gleichſam unmittelbar id eine andere 


Welt hinüber zu bringen. In ber erften Abſſcht 
verbrannten von jeher bie meiften Hindus ihre Tod» 
ten 


‚ Rhodes p. 98. Mariny p. 355. Kämpfer I S.ai. 
Loubere I, 372 - 5 


aa) Acoßa V. g e. ari. 


| ‚b Cie. de Leg. II. c. so. 2%, . . primus e patri- 
eiis Corngliis igni voluit cremari, «. Homi- 


nem mortuum, inquit Lex in XII sabulis, in 


urbe ng [epelito, nero urito, 


- 


734 Be — —5. — 

tech 2): in ber andern bie alten Scanbinapier d), 
die Mexicauer, und bie meiften Völker bes. ſuͤd⸗ 
lichen Afiens, welche ben Werftorbenen die gelich, 
. teften Weiber,. Freunde, und Sclaven, bie beften 
Kleider, Waffen, und andere Koftbarkeiten. mits 
gaben e). Die Kargheit der füblihen Afiaten bat 
ein Mittel erfunden, den abgeſchiedenen Seelen, 
wie ben Göttern, auf eine mohlfeilere. Art zu bier 
nen, ald bie Verfahren. Go wie fie nah dem 
Beyſpiele der Ehinefen ten Göttern meiſtens nicht 
Thiere und andere Dinge von Werth, fonbern 
nur bie papiernen Bilder berfelben barbringen; fo 
Derbrennen fie mit ben Leichnamen ber Verſtorbe⸗ 
nen auch nur bie papiernen Wilder der Gachen, 
von weldyen man weiß, oder voraudfeßt, daß fie 
den abgefchtebenen Seelen am theuerfien, ober uns 
entbehrlichſten ſeyen. Man tröfter fih damit, daß 
dieſe Papier » Figuren ſich in der. anderen Welt in 
die Dinge felbft verwandeln werben f). PR 

Ä Die 


e) Aogers 1. 19. Bernier II. ıso, Yiiebubr II. a5. 
4) Barthol. p. 112. 173, 


e) Acofla, Mariny, Loubere Il, cc, Strauß es 
zählt, daß man einer Prinzefjinn in Siam außer 
anderen Koftbarkeiten allein 6 Millionen in Silber 

mitgegeben habe. ©, 24. 26. 


f} Leubere I. 367. W’ailleurs ils ont &tabli par une 
[age economie, qu’il fuffiloit de brüler avec les 
corps morts, au lieu de veritables meubles, et 
de veritable monnoye, ces melmes choles figu- 
rees en papier detonpe, et [öuvent peint ou 
dore: fous couleur, a mon avis, gu’en matiere 
d’ombres, velles des eholes en papier «teient 
aufli bonnes, qne celles des chules melmes, 
que le papier reprelente, 


‘ 





tn e 44 UU— 


A 


De tagte wahwläehnlige Unfade, im wab 


er Willen man unter Völkern, die Ihre Tobten 


begruben, einzelne Verbrecher, befonders Zauberer 
und Zanberinnen Yerbrannte, war die Einbildung, 
daf- man durch die Verwanblung ber Coͤrper in 
Aſche, und dann durd die Zerfireuung oder tiefe 
Vergrabung ber Aſche die abgeſchiedenen Seelen 
vernichten, ober wenigſtens außer Stand fegen 


. würde, den Lebenden zu ſchaden. Go dachten ſchon 
bie aͤlteſten Bewohner des nörblichen Deutſchlan⸗ 
des 2). Diefelbige Denkart war, wenn mid nidt 


alles trägt, ber erfie und wahre Grund, warum 


ſelbſt die Chriſtlichen Volker des Mittelalters die 
angeblichen Zauberer und Zauberinnen auf. ben. 
Scheiterhaufen brachten. 


| Biel weniger verbrritet, ald das Verbrennen, 
iſt das Hinwerfen von Leichnamen, oder der Aſche 


von Verſtorbenen ind Meer, oder in Fluͤſſe. Dieſe 
Behandlungsart iſt unter den Thibetanern, und 


den Mongoliſchen Hirtenvoͤlkern eben ſo gewoͤhn⸗ 
lich, als in ben Suüͤdlaͤndern, und auf den Juſeln 
ber Südfee 4); allein fie wird für gering gehalten, 
und deßwegen nur bey gemeinen Lenten gebrauchts) 
Ganz anders {ft es in Hindoſtan, und anderen 
Meichen des füblichen Afiend. Selbſt die reichſten 


und vornehmſten Hindus werden gewöhnlih nahe: 
Ä Ä am 


. 8) Bärthol, p. D66. ——— 


%) Marion p. 133. uch in den neuen Philippinen. 


* m. 
- — — — —— — 
4 


\ en 


werden Geringe in’5 Meer geworfen. Letit. Kdi, 
XV. 850g. ’ voor u 


5) Georgi I. €, Aquls immergere eorpora uktatum, 
fed vile quiddam et abjehtum aß, 


Le — — 


am Geſtabe bes See verbramnt, damit bie nädz - 
Re Flath die Afche wegſpuͤlen möge k). Wo man 
dieſes wide erreichen kann, ba ſammelt ran tie 
Aſche, und ſtreut fie in's Meer, ober in heifige 
Fluͤſſe, in der Hoffunng, baß dadurch bie abgeſchie⸗ 
dene Seele von ihren Flecken gereinigt werde. 
In mänden Gegenden bringt man FIR Kranke 
wider ihren Willen an bie Ufer des Gangrs, oder 
anderer heiliger Fluͤſſe, mund’ ſtuͤrzt fie zuleßt bins _ 
- ein, um ihre Gerlen von allen Unrtinigkeiten zu 
fünbern I). Untere Voͤlker fürdteten keine To⸗ 
desart mehr , ald das Ertrinken, und Peine Bes 
handlungsart von Zodten mehr, als dad Hinwer⸗ 
für’ der Leichname In’s Waſſer, well fie glaubten, 
tag die Seele gleihfam im Waſſer ausgelöſcht 
werde. Go dadıten auffer den Griechen und Roͤ⸗ 
- mern bie alten Gcantinabier m). Eben fo denken 
noch jetzt die Megerinnen in Matamba. Bern 
dieſe ihre Ehemaͤnner verlieren; ſo glauben fie,’ 
‚daß die abgeſchiedenen Seelen ſich auf fie werfen, 
ober auf ihnen ausruhen werden. Sie glauben 
bdieſes um deſto fefker, je mehr fie von ihren Maͤn⸗ 
nern geltebt worden. Um nun Biefer: Saft los zu 
‚werben ,.. Loffen fie fi mehrere Mahle in's Miaf: 
fee werfen, banrit die anf ihnen fißchden' Serlen 
ber Männer erfänft werben m). | 
Mehie 


| N Niebuhr 1. v. 

) IL 181. Bernler.. afin quo lame on fertant 

ſoit lavé 0 de tontes les impuretez, qu'elle au 

roit pù contràcter dedans le cörps: et te n’eff 
point fenlement une ssifon du bes peupit, 


m Barıhol. IL. 2. p. e. 70. 004... 
n) Cavassi dein ie re npens 


- . . 
.' / 
nn 787 


Meine Sefer werben and dem biöher Gefagten 


ſelbſt wahrgenommen haben, daß die groͤſte Man⸗ 
nichfaltigkeit von Behandlungsarten der Todten 
von jeher unter ben Thibetanern, und Hindus 


Statt gehabt habe, und noch Statt habe. Sn 


Zhibet und Hinboftan nämlich begraben Einige ihre 


Todten, oder feBen fie Raubvögeln, und anderen 
Raubthieren zus Beute hin. Audere verbrennen 
die Seichname ber Verſtorbenen, obes werfen fie 


ins Waſſer. Faſt noch merfwürbiger, als dieſe 
Thatſache, ift der Wechſel, vermöge deffen unter 


den urfprünglicken Völkern unſers Erdtheils erſt 


bad Verbrennen dad -Begraben, und dann wieder 


das Begraben das Verbrennen verträngte Daß _ 


bie Germaniſchen Völker eben fo wohl, als bie 
Griechen und Römer urfpränglich ihre Todten ber 
gruben, wird nicht nur durch bie aͤlteſten Grab, 


mähler , oder durch die Sagen über die Zeit, und 
‚Me Perfonen , in welcher, und dur; melde bad 


Werbrennen eingeführt worben 0), fondern auch 


felbft durch den Redegebrauch der alt» Europäis 


fhen Sprachen bargetban, indem alle Wörter, 


von Leichnamen bezeichnen, fich allein auf das Bes 


graben bezichen p ). Das Verbrennen ward in 


Gries 


0) In Scandinavien nannte man Odin ald den Er⸗ 
ften, Der das Begraben eingeführt babe: Maller 
p. 212. -Barthol, p. 112. 


p) So im Dentſchen, Gräber, bearaben , beerdiaen: 


‘im Lateiniſchen lepulcra, humare, humati, ſitus 


elt, gleba u. ſ. w. Man 1, bei. Cic. de Leg. II, 


c, 22, Declarst enim Ennius de Africano, hie 


6 


‚welche. die Ruheftätten, und Wehandlungsarten 


/ 


— 


788 — — 


Griechenland, Italien, und Deutſchland, als eine 
fremde, wahrſcheinlich Slaviſche Sitte eingeführt, 
indem die Slaviſchen Voͤlker von jeher ihre Tod⸗ 
ten verbrannten q). Lange Zeit erhielt ſich neben 
der umen Sitte des Verbrennens die alte Sitte 
des Begrabens; allein bie leßtere verſchwand fo 
toohl unter ben Griechen und Mömern, als unter 
ben Germanifhen Völkern, je länger, je mehr, 
fo , daß zuleßt nur bie Aermſten, welche die Ko 
ſten des Scheiterhaufens nit aufbringen Fonnten, 
ihre Zobten begruben. Schon gu Taciti Zeiten 
wurden unter den Germaniern Vornehine und Ges 
ringe verbrannt, Die Scheiterhaufen der Erfteren 
unterfchieben fi) von. denen der leßteren allein das 
durch, baf fie aus gewiſſen Holzarten beflandenr). 
Durch die Einführung bed Chriftentbumd ward 
die alte Sitte wieder hergeftell. Die Chriften. 
dverabſcheuten das Verbrennen als eine Heidniſche 
Eitte, und zogen das Begraben auch deßwegen 
vor, damit der Ausſpruch ber Schrift erfült wers 
u j de: 

‚ ef ille firus, Vere. Nam fiti dieuntur ii, qui 
conditi [ant, Nee tamen eorum ante fepulerum 
ef, quam jufta facta, et corpns incenlum el. 
Et quod nune communiter in omnibus ſepultis 
penitus, bumati dicantur: id eratproprium tum 
in iis, quos humns injecta contegeret: eumque 
morem jus pontifäcale confirmat. Nam prius- 
quamı in eos (os) injecta gleba eſt, locus ille, 


'ubi crematum eft corpus, nihil habet religionis, 
etc.. | 


9 Anton’G. 135. 136. 


r) Taeit. Germ. e 27, Funerum nylla ambhitio, 
ld folum obfervatur, ut eorpora olarorum vi- 
rorum certis lignis crementur, - 


- 
m. —— 


’ 
75. % ’ Sn 
* Fan ‘ ‘ 
‘ . 


EZ x 


ber daß der Leib des Menſchen, der zuerſt aus 
Erde gendmmen worden wieder zu Erde wer⸗ 
de —3 | Ft 


Die meiften , ſelbſt rohen Voͤlker, welche ihre. 
Todten bearuben, oder verbrannten, erbauten benfela 
ben: in marcherley Abſichten Grabmähler. : Die 
erfie usb mkuͤrlichſte Abficht von Grabmählern war 
biefe, die Ruheftätten ficher, ungeſtoͤrt, und zus - 
gleich Leicht zu machen. Damit den Verftorbenen, ' 
um mit den Alten zu reden, die Erbe fo leicht; 
als möglich merde, fo richtete man felbft. unter 
den. Wilden in Africa und America die Gräber, wis 
"Gewölbe, aber Keller, oder gar wie geraͤumige 
Zimmer ein, in welche man die Leichname hinfeßen, 
ober Anlegen, bisweilen aufhängen Tonute 6), Um 
- aber | 


2) Pelticoke JM. P. u. P. ET) 


u’ Manf. alle von mir angeführte Zeugniffe uber dad Bar 
graben von Todten: aud) meine Abhandl. uber die uns 
befanuten Denkmaͤhler in allen Theilen der Erbe, wo 
beionder& von den Srabmählern i im füdlichen Sipirien | 
gehandelt wird, Unter den Sriechern und Römern 
war ed ein gewoͤhnliches Hebet derer, die Beerdigune 
gen beywohuten, oder bey Graͤbern vorübergingen : 
Bt tibi terra levis, fo. wie Das entgegengefse ht 
tibi terra gravis fir eine Verwuͤuſchung gehalten 
wurbe; Guther. c. 13. 9.252.-36 - Die erflere Fore 
mel fette man gewöhnlich auf die Grabmähler von 
Berfiorbenen, und wenn Lebende ihre Grabmaͤhler, 
Bder die Inſchriften derſelben einrichten ließen; ſo 
baten ſie haͤufig die vorüßergehenden Wanderer, daß 

dieſe ihnen eine leichte Erde wünfchen möchten. In 
gleicher Abſicht ſammelte man da, wo man die Tod⸗ 
a ae, die Aſche it Armen, oder audere 

® 
' Mao -- 


40 _. dm ae 


aber ben Verſtorbenen zugleich bie größte Sicher⸗ 
heit gegen jede Verletzung und Beunruhigung zu 
verfchaffen, bedeckte man fie entweber mit Stei⸗ 
nen, oder mit Raſen, ober mit beyden auf eine fol» 
he Art, daß die Eörper nicht dadurch gedruͤckt wur⸗ 
den u); oder man umgab die Ruheſtaͤtten mir Mau» 
ern und Pfahlwerk x. Sm Morgenlande war 
es feit ‚undenklichen Zeiten, unb tft esd wis auf ken 
heutigen Tag Sitte, daß jeder Wanberer zu ben 
| Gräbern von Ermorbeten einen Stein hinzulegt: 
woraus zuleßt fehr große Haufın Son Steinen ents 
| fichen y). Diefed Hinzulegen. von Steinen muß 
man nicht mit dem Öteinigen verwechſeln, wel⸗ 
u ches im Orient, auch unter den Griechen und Mös 
mern, bey Bräbern, wie bey Perfonen, Haͤuſern 
|. md Tempeln für eine große Beſchimpfung geach⸗ 
tet wurbez). Hohe Pfalwerke, oder Mauern hiel⸗ 
ten nicht bloß Raubthiere ab, fondern Verbinder: 
ten auch, daß Dienfchen unverſehens auf Gräber 
Ä tras 


u) So die Araber, Arvieux III. 20. Die Groͤnlaͤn⸗ 
der und Estimos, Eranz 300. 3016. Ellis pı 148: 
Die Abigonen machen die Öräber nicht tief, und bes 
decken die Eörper nicht mit Erbe, fondern mit flache 
lichen Zweigen‘, damit fie nicht gebrädt werden. 


, Dobrishofer II, 295 p. 


=) Sp: im noͤrdlichen America, Voy. au Notd V, 
326: in Neu⸗Caledonien, Forft. Voy. II. 420. 22. 
in den Matidiven, Pyrard l.c, in den neuen Philips 
pinen, Lettr. Edif, XV, 309. Ä 


y) Dan ſ. die Zeugniffe beym Shaw Preface p, X, 
2) Guther, p. 248. 45. So fleinigten die Römer 


nach dem Tode des Germanicus die Tempel -des 
Goͤtter. Sue, in Calig. c 6, \ 


L \ a 
‚ — — 741 


traten. Die meiſten Völker hegten nämlich eben 
bie Meinung, welche bie Einwohner der Maldiven 
baben, daß durch das Treten auf Gräber die Ders 
florbenen beunruhigt, und biejenigen, welche der: 
gleichen thun, befledt werden. Rytſchkow er: 
zähle b), daß die Tſcheremiſſen die Gräber nicht 
Bloß deßwegen umzsunen, um bie Todten gu ſchuͤ⸗ 
Ben, fondern auch um bie abgefchiebenen Geelen 


abzuhalten, daß fie nit aus den. Ruheftätten ihrer 


ehemahligen Coͤrper heraus kommen, und die Fel⸗ 
. ber ber Nachgebliebenen verwuͤſten. 


So. wie Völker in der Eultur foxtfchritsen, 


beftrebten. fie ſich, die Gräber, oder Grabmähler 
der Verflorbenen bauerbafter zu machen, und er⸗ 
weiterten bie Beflimmungen von beyben. Man bes 

trachtete. Gräber und Grabmähler nit bloß ale 

ſicherse Ruheſtaͤtten von Verſtorbenen, fondern ‚zu 
‚gleicher Zeit ald ewige Behauſungen, in melden 
die abgefchiedenen Geelen beftändig wohnen, wo⸗ 
hin ſie wenigſtens oft zuruͤckkehren: manche auch 
als Tempel, wi den abgeſchiedetzen Seelen die ge: 
borigen Ehren erwieſen werden koͤnnten 5). Wo 
‚man 


: 5) Tagebuch G.96. J 

*) Es war unter den Roͤmern fehr gewoͤhnlich , Mau: 
ſoleen Wohnungen, oder ewige Wohnungen zu nen« 
‚nen. "Man je Guther, p. 345. bei, 981, wo er fol: 


gende Infchrift anfüßrt, die zu Pala im alten Illv⸗ | 


rien gefunden worden: 
| Manilis; Paulla 
BE de, Patrimonio. ſuo 
" % u ſibi. et 
— Aurelio Paullino 
Tompari ſuo 
Domum aeternam P, 


1 ' — — 


——— 


N , - 





man allem, oder vorzuͤgkſch die Abſicht hatte, für 
die Sicherheit der Ueberbleibſel der Berftorben 
ſergen ba_ereiäitete man entmerer Über ben 
Gräbern Dyrsamiden, ober man legte Fre Tfttbname, 
fehr oft audy alled. das, was mau ben Berftorbes 
nen für eine ‚andere Welt mitgab, in die Ppras. 
r. Es iſt allerdings auffallend, Daß 
bie Denkmaͤhler der Werfforbenen unter fo viren 
Mölfern in den verfchiedenften Erktheiten bie Ge⸗ 
ſtalt von Spißfäulen erhielten d). Unter fokchen 
Voͤlkern hingegen, wo mın mehr baran dachte, ben 
abaefchiedenen Seelen ewige Wohnungen, befons 
ders folche Wohnungen zu erbauen, welche ihren 
Werehrern zu Andachts plaͤtzen dienen koͤnnten, mach⸗ 
te man die Denkmaͤhler der Verſtorbenen zuerſt ben 
gewoͤhnlichen Menſchen⸗Wohnungen, in der Folge 
den Pallaͤſten der Koͤnige, oder den Tempeln der 
uͤbrigen Götter gleih. Die Neger ih Mabagas⸗ 
tar errichten über ben Gräbern, welche bie Leich⸗ 
name einſchließen, Eleine Hütten, als Wohnun⸗ 
gen ber abarfaiedenen Seelen. Menn geliebte 


Perſonen toͤdtlich krank werden, fo bohre man 


'Iöcher fu dieſe Hätten, um die darin wohnenden 
Seelen aufzufangen, und ben Kranfen oder Ster⸗ 
| J | ben» 


A) Don Negypten iſt es befannt. Much die Griechen 
und Mömer fingen au, auf ben Gräbern der Ders 
fiorbenen Pyramiden zu errichten. Lucien, Il. 955. 
Pyramiden der den Graͤbern, oder als Grabmaͤbler 
und Ruheſtaͤtten erbaute man, oder erbaut man nad) 
jet In Peru nad ſelbſt in Louiſiana. Uloa's Nadır, 

1. 87.89. 15%. auf den Inſeln der Süpdfee:_ Sorft. 
Beod, ©. 480, in Thibet, Gegrgi Alpk, Thiber, 
p & tm ganzen fndlichen Aſien, Voyng. des Hol- 
and. 118, 65 Valenıyn II 367. An Haldell. 148. 
Mariny p. 355. Damp. 111, 64, Lonbere I. 37% 

\ ‚ A , 


' \ 
— — ⸗ 743 


‚ benden einzuhauchen ©). In Peru erbante man - 
den abgeſchiedenen Seelen von nicht ganz gemeium 
"Leuten. Hätten von getreckneten Ziegeln, die etwa‘ 
73:14 Fuß hoch waren, und fünf bis ſechs Fuß 
im Durchmeffer hatten f). Den Rönigen hingegen. 
"errichtete man Tempel, wo ihre Statuͤen, wie bie 
Bildniſſe von anderen Göttern, angebetet und. von - 
- Prieftern bedient wurden g). Auf einie ähnliche 
"Yet: verhält es ſich bis auf ben heutigen Tag in 
 Ehine. Arme Chinefen begnügen fi damit, über 
:den Gräbern verftorbener Anverwandten Hütten von 
Stroh, oder von Thon, und ungebrannten Ziegeln 
zu erbauen, die nicht größer, ‘oder noch Eleiner, als 
ihre eigenen Wohnungen find, anftatt daß bie Reis 
den —— — prächtige Mauſoleen auffuͤh⸗ 
ren, und dieſe mit lieblichen Gärten umgeben A). 
Ueber der Afche der Fürften und anderer Großen 
in Hinboſtan erbaut man Pagoben, in melde man 
häufig alle Schaͤtze der Werftorbenen nieberlegt, 
‘und wo man ben abgefchiedenen Seelen, wie den übris 
gen Gottheiten dient. -. Zu dieſem Zobtendienft ges 
hört unter anderen, daß ‚mehrere brennende Lam; 
pen in den Monumenten unterhalten, Weihrauch 
angezündet, und: Gpeife und Trank dargebracht 
werden 5). Im Alterthum übertrafen die Grie⸗ 
u hen, 
«) Flacourt p. 100. 
f) Frezier p. 312. 4. 
8) Acoſta V. 6, |. 208. 209, 
Ah) 11, 148. du Halde, j 


i) Rogero I 51 Cap. Leitr. Edif, x11,73. N, E, 


PR 
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u Te — re 


PS „> SZ 


‘ 
, 144 — — 
u 


‚hen, beſonders bie Atbenienfer &), und noch mehr 
die Römer, alle übrige Voͤlker durch die Pracht 
und den Umfang ber ewigen Wohnungen, welde 
fie den abgeſchiedenen Seelen von Berftorbenen wid: 
.meten. Die Maufoleen ber vornehmen Mömer 
glihen vollkommen den prädtigfien Villen, ober 
Laubfißen, und waren wie diefe, mit Porticos und 
Gärten umgeben ). Die Erbauer folder Me: 
numente bemerkten häufig auf den Inſchriften, wie 
viel Sand nah allen Seiten hin zu den Grabmäbs- 
lern gehöre, aud aus welchen Fonds und zu wels 
chen Zeiten, oder auf welche Art der Dienft ber 
. Manium verrichtet werben follem). Wahre Grab⸗ 
maͤhler, wo bie Weberbleibfel von Verfiorbenen zus 
‚beten, waren di® heilige Stätten felbft nach den 
Geſetzen unv-räußerlih n). Zur gröften Sicher⸗ 
heit verordnete man auf den meiften Grabmaͤhlern, 
.baß birfelben nie weder verufändet, noch verfauft, 
eder Anderen geliehen werden follten. Wer wifs 
oo | fents 


k) Petit Leg. Attie, p. 495. Cic, de Leg. Il. e. 26. 
. Man fch.ar-':> vie Pracht der Monumente mehrere 

Mabte ei: Cic l.c. Sed poft aliquanto propter 

haa amplitudines [epulcrerum, quas in Cerami- 

co videmus, lege fanctum ef, ne quis fepal- 
chrum faceret operofius, quam quod decem ho- 
mines effecerint triduo, - - - Sepuloris autem 
novis finivis modum (Demetrius Phalereus), 
Nam fuper terrae tumulum noluit quid ſtatui. 
niü columillam tribus cubitis ne altiorem, aut 
menlam, aut lsbellum: et huic procuratiöni cer- 
tum magiliratum praefecerat, 


I) Guther. p, 268, 289. 346. ° 
ın) ib, — 
») Guther, Ill, v. 4. 407 et fq. p. 


X 


% 


m, im u 79445: 


ſentlich ein Grabmahl kaufte, oder verkaufte, ward 


als ‚ein Verbrecher der beleidigten Religion, oder 


als ein Schaͤnder don heiligen Dingen beſtraft 0), 
‚Sehe oft beſtimmten die Erbayer auf den Wiens - . 
menten, wie viel derjenige, ber ihre Denkmaͤhler 


verfeßen, ober ‚gegen ihren Willen brauchen wer⸗ 
de, an die Wontificed, „des an bie Veſtaliſchen 


Unter ellen Mahomedanifchen Voͤlkorn be⸗ 


- trachtet man bie Gräber und Grabmaͤhler als Rus _ 
‚ .heftätten ber .Verftorbenen, ald Behauſungen dee 
abgeſchledenen Seelen bis an ben Tag bed Gerichts, - 


nnd ald Andachtsoͤrter, wo theild den feligen Geis 
ftern gotteßdienftliche Ehre erwiefen, theils für 


das Heil folher Seelen, die ihr letztes Gericht 
noch erwarten, gebetet wird 4). Die Kirchhoͤfe 


gas 


0) €;6. p.&ın. u | — 


p) lc. P. 418. 3. B. | ze 
Si, quis, hoc, fepulchrum, vel. monumentum. 
Cum, Aedifieio, Univerfe, Poß. Obitum, 
meum, venderc, vel. Denare. voluerit, 
vel. corpus, alienum, invehere, vellit, 
Dabit poenae, Nomine, Ark, 
"Pontif: 1-S.C.N. . 


- 


Et, ei. cui. donatum, vel. 
eadem, Poena, Tenebitur, 


. g) Ueber die Gräber und Grabmähler ber Mauren und 


Türten, Shaw p: 219. Hoͤſt ©. 125. Haſſelqu 
&. 40. Tournef. I 8.11.88. 39: — ni 


“0: Der Perfer, Chard. 1, 282#296,. Der Mohren oder 


Mahomedaner in Hindoftan, Hodges 120 et ſq. p. 
Der Caſaniſchen und Tomskiſchen Tataren, Rytſch⸗ 
kow's Tageb. 100-⸗ 138 S. Der Kirgiſen, Nytfch: 
kow l. e. ©. 347. Georgi's Beſchr. ©. 222, 


- \ 
/ \ ‚ - , 


‚Venditum, fuerit. 


Juagfrauer, oder an ben Fiſcus ald Buße erlegen 
ſolle p). = ZZ 


2 


Barren un 


daben Bas Anfehen von großen. Gärten, weil fie 
an allen Stellen, wo ſich Beine Gräber und -Grab: 

maͤhler finden, mit allerley Bäumen, Gefträndien 
and Blumen befeßt find r). Auf den Kirchhoͤfen 
Hat gemeiniglich jrbe Familte ihren angerbiefenen 
Daß, der eingefafit, oder umzaͤunt iſt. Die ges 
meinflen Gräber werben bloß mit Brettern bedeckt, 
über welche man hoͤchſtens etwas Erde ſchuͤttet. 
Man fuͤllt die Graͤber nicht mit Erde aus, theils 
um die Todten nicht zu druͤcken, theils um Platz 
für die Beſuche zu laſſen, welche die Verſtorbe⸗ 
nen erhalten, ſo bald man ſſe in's Grab gelegt 
bat s). Zuerſt nämlich kommen zwey prüfende 
.. En⸗ 


r) Shaw |, e, 


9) Die Denlart der Mabomedaner über Gräber, bes 
ſonders der Glaube an beiuchende Engel, ift die Urs 
fadye, daß fie nie zwey Eörper in Ein Grab legen. 
Weil jeder Todter ein beſonderes Grab erhält, ſo 
fiad die Kirchhöfe von Stadten und Dörfern von ſehr 
großem Umfange: wedurdy je langer, je mehr fruchts 
-  bareb Land verlohren gebt. Montaguell, 136. Haſ⸗ 
ſelquiſt S. go. Ungleich weifer war man, im alten 
Athen. Cicer. de Leg.1l. e,25. Nam et Arhenis 
jam ille mos a Cecrope, ut ajunt, permanät, 
hoc jus terra hnmandi: quam cum proximi in- 
jecerant, obductaque terra erst, frugibus oble- 
rebatur, ut finus et gremium matris mortuie tri- 
bueretur, folum autem frugibus expiatum ut vi- 
vis redderetur.. Plato machte daffeibige Beleg 
für feine Repudlik. ib. c: 2% Nach dem geiſtli⸗ 
> den Mechte der Römer durfte man Todte nicht in 
locis publicls begraben. Wenn dieſes geicheben 
war, ſo reinigte man die befledten Stellen dadurch, 
daß man den Boden umpflüate. 1. c. c. 93. Sed 
eum multa in eo loco fepulcra fuillent, exırata 
ſunt Statuit euim collegium, locum publicum 
non patuille privata religıone obligari. 


! 
j 





—⸗ 


LE SE BE 97 
Engel, die: den ; landen und Wendel bed Mer 
forbenen genau unterfuhen 2): Je nachdem biefe 


die Berftorbenen fromm und tugendhaft, ober gotts 
los finden, ftellen ſich nah vollendeter Prüfung 


zwey weiſſe, oder zwey ſchwarze Engel ein. Die, 


Einen geben den Verſtorbenen einen Vorſchmack des 
Paradieſes, die anderen, ber Derter der Quaal; 


und biefe Befeligung, oder Peinigung dauert bie 


atı den Tag des Gerichts fort. - MWohlhabenbe, 
vber vornehme Mahomebaner erbauen über den 
Graͤbern Eleine, oder größere, mit Kuppeln vers 
ſehene Gebäude, die fowohl Son außen, ald von 


> innen ſehr fauber gehalten werden, ‘und fehr oft 


MWanderern, auch Einfiedlern zum Aufenthalte dies 
nen. An diefen Gräbern und in dieſen Grabmähs 
lern trauern die Weiber eine Zeitlang nach, dem 
Tode von Anperwanteen. Hier bringen fie zu 

gewiſſen Zeiten Speiſe und Tran dar, und hie 
beten ſie fuͤr, das Heil ber abgefchlebenen See⸗ | 
Ien 9). Ueber den Gräbern von Heiligen errich⸗ 
teten die Mahomebanifchen Volker in den Zeiten 
‚ihrer gröften Macht Moskeen, über denen von Koͤ⸗ 


nigen, und deren Gemahlinnen und Kindern Maus 


foteen, die ſowohl in Ruͤckſicht auf den Umfang und 
Ehönkeit, als auf den Reihthum von geldenen 
und filbernen Gefäßen, von koſtbaren Gewaͤndern 
und Zeppichen, melche fie enthielten, alle ähnliche 
Denkmahler der Griechen und Roͤmer ohne Fr | 
’ Ä git 


£) Tournef. ), e. 


u) Das gewöhnliche Gebet Befteht datin, daß Gott die 
Seelen bald von den Quaalen befrewen möge, mels 
che die ſchwarzen Enge ihnen anthun. Tonrnet. II, 
59. — J 





ji - 
[4 


, 


748 — — 


gleichung Übertrafen un). Die Perfifchen und In⸗ 
diſchen Grabmähler lagen, in der Mitte von weits 
laͤuftigen Gärten, ober ‚hatten bergleichen neben 
‚fig. : Im Innerr berfelben brannten beſtaͤndig 
Biele Kerzen, ober Lampen, und beteten zahlreiche 
Schaaren von Prieftern, ober Pilgrimmen. Eis 
nige derfelben enthielten Schulen, deren Sehrer und 
Schuͤler frey unterhalten wurden, oder' Caravans 
ferais, deren Gewoͤlbe mit ben feltenfien Wang 

| 208 


uu) Man leje nr allein die Beichreibung der Moskee 
Jatme, und der Manfoleen det Perfifchen Könige 
in der Stadt Com, Chardin } c. und dann die 
Nachrichten von Hodges über die Mauſoleen des 
Kaiſers Achar uns der Taje Mahel, einer Gr 
mahlinn ven Schach Jehan. J. c. Sch kann nicht 
umhin, wenigjiend folgende Etellen von Hodges 
abzufchreiben: p. 12e. A blazing eaftern fun [hi- 
- aing full on this building, compofed of fach 
'varied materials, produce a glare of Spiendour 
älmolt beyond the imagination of an inhabitant 
of ihefe northern climates to conceive: und von 
dem Mauſolee der Taje Mabels When this buil- 
ding is viewed from the oppofite fide of the 
river, it pollelles a degree af beauty, from the 
perfection of the materials, and from the ex- 
sellerice of the workmanfhip, whieh is only 
furpafled by ite graudeur, extent, and general 
-magnificence. The bafell material, that en- 
ters into this centre part of it, is white marble, 
'and the ornaments are of variona coloured mar- 
bles, in which there is no glitter: the whole 
together appears like a mufl perfeot pearl on 
a azure ground, The eflect is (uch, as i cen- 
faſs, i never expected from any werk of art. 
The fine materials, the beautiful forms, and 
the [ymmetry of ıhe whole, with the judieipus 
choice of Situation, far [urpafles any thing i ever 
heheld. Man sechnete, daß Dieb Monument wes 
nigftens eine Million Pfr St. koſtete. p. 126. 138. 


= 


. benz). Unterdeſſen muß man fih in Acht neh⸗ 
. - j men, x 


Y en ) 


—r740 


ren bes Morgenlandes prangten. Es iſt nicht 
moͤglich, ungeruͤhrt zu bleiben, wenn man. liest, 
daß die Wand ber Verwuͤſtung dieſe herrlichen Grab⸗ 


maͤhler in wenigen Menſchenaltern gleich dem Mo⸗ 
numente des Mauſolus, niedergeworfen, oder we⸗ 


nigſtens ſo angetaſtet hat, daß ſie mancher ihrer 
groͤſten Zierden beraubt worden find. 


Von den wirklichen Graͤbern, und Grabmaͤh⸗ 


lern muß man ſolche Denkmaͤhler unterſcheiden, bes 
‚ren Abſicht bloß war, das Andenken der Verſtor⸗ 
benen zu erhalten. Die Denkmaͤhler wurden zwar 


meiſtens uͤber, oder bey den Graͤbern aufgefuͤhrt. 


Doch geſchah es unter manchen Voͤlkern, beſonders 
den Griechen und Mömern häufig, daß man ſie n 
" ganz anderen Orten errichtete, ald wo bie Perfor 


nen, welde man ehren wollte, geftorben, ober bes 


graben waren., Wenn Dentmähler die Form um = 
‚Gräbern, oder Grabmählern hatten, fo nannte 


man fie unter den Öriechen und Römern xsvorapa x). 


Die Tenotaphien hatten nicht die Heiligkeit, oder .- 


die Rechte von wirklichen Gräbern, und kuͤndigten 
ben Unterſchied von diefen meiftend durch die In: 


fhriften ob honorem,, in Memoriam ‚. avguye xe«.. ' 
‚ gw any) Denkmaͤhler der Verfturbenen fanden, 


und finden fich ſchon unter fehr rohen Voͤlkern. 


So kuͤndigten zum Beyſpiel bie alten Spanter bie 


Tapferkeit ihrer Krieger durch Spieße an, deren 


fie eben fo viele anf die Gräber feßten, als von. 


den. Verſtoebenen Feinde waren erfchlagen wor⸗ 


=) Guther, p. 268 et fg. 
y) ib. | 


2) Arikk, Polit, VII. e. 8. 


= ey. I 
‘ s 


⸗ 


ze 


, . 


750 2 7 


men, unter gang sahen Woltern 2 nid etwas far 
Dentmähler zu halten, was in ganz anderen Ab> 
fihten den Zodten mitgegeben wird. Saft alle 
Wilde und Barbaren, welche die Ausflattungen 
oder Dpfer der Todten nicht mit⸗ begrubeh, oder 
mits verbrannten, legten die Kleider, Waffen und 
‚Geräthe der Werftorbenen neben bie Gräber hin, 
oder ſtellten, und hängten fie,neben ben Gräbern 
auft theils, weil fie bad, mas ben Verftorbenen 
gehörte, nicht behalten mochten, theils, weil fie 
glaubten, daß diefe ihre Kleider, Waffen, und 
Geraͤthe in einer andern Welt nöthig hätten a). 
‚Allem Unfehen nad legten alfo die ehemahligen 
Einwohner ber Marianifchen . Juſeln Muder und 
Lanzen nicht deßwegen auf die Graͤber, um dadurch 
die Seſchicklichkeit und Tapferkeit der Verſtotrbenen 
auszudruͤcken 5), ſondern damit ihnen in eluer an⸗ 
bern Welt nicht fehlen möge, was fie auf dieſer 
Erde gebraucht hätten. Gewiß ift es auch ein Ue⸗ 
berbleibfel der Denkart ber ältefien Vorfahren, 
wenn bie heutigen Griechen auf die Gräber der 
Angehörigen die Zeichen ber Kunft, oder bes Ges 
werbes der Verftorbenen, zum Beyſpiel auf bie 
Gräber von Schiffern, Ruder legen c), Die ältes 
ſten Denkmaͤhler nahmen bie Formen ber älteften 
Groͤber an., und waren gleihfam nur Vergroͤße⸗ 


raungen, oder Erweiterungen berfelben. Unter ben 


weiten Völkern bedeckte man ‚bie Lelchname der 


4) Man leſe nuy, was Dobrizhofer II. 2958. 94 
von den Wbipönen, und Cranz ©. 37. von den 
Grönländern erzaͤhlt. 
b) So glaubte Gobien p, 69. 
e) y Gare I. 308. . I 





\ Fu 


84 


Verſtorbener mit Steinen, oder Haufen von Stei⸗ 


nen: unter anderen umzaͤumte, oder ummauerte 
man die Graͤker, um ſie gegen die Angriffe von 
wilden Thieren zu ſchuͤßen. Eben daher errichte⸗ 
ten die, meiſten Völker uͤber ben Gräbern von Ver⸗ 
ſtorbenen Hügel von Steinen und Erde d): „andere 


BVoͤlker hingegen umſetzten die Graͤber mit unge⸗ 


henren Felsſtuͤcken, über welche man bisweilen 
Felsmaſſen von nicht geringerer Größe herlegte #). 
Die Scanbinavier errichteten ihre Zodtenhügel mei⸗ 
fiend an Wegen, ober Auellen, um bad Unvenken 
derer, denen gu Ehren man diefe Denkmaͤhler auf⸗ 
führte; deſto länger gu erhalten. Bisweilen 

Ä - Maus 


4) Stein = und Erdhuͤgel, felbft als bloße Cenota⸗ 
pphien, errichtete mau ſchon in den dlteften, Zeiten 
in Aſien, und Griechenland: Guther, p. 264. uns 

- ter den Scythen IV. 71. Herod. ın Peru und ande⸗ 


ren Gegenden von America, Bouger p, 106. Ul⸗ 


loa's Nachr. II. 87- 89. in allen Gegenden, die 


einft von Tataren bewoynt wurden, vom Dnieper . 


und Don an, biß an den Amur, Bmelin Il. 134. 
III. Sr. 18. Pollas Reifen, 1. gr na4. kei. 
‚meine Unterſuchungen über die Denkmaͤhler unbes 
Tannter Zeit.n und Völker, und die Commentstio 
de monumentis in Sibiria obviis: unter den Kir⸗ 

ifen, AytfhbPomw, und Georgi ll, ce. in Gircaf: 
In, de Luca p. 113. im gauzen nördlichen Eu: 


'ropa, Barthol. 112 et ſq. p. Keisler Antiq. 
Sept, 103 et ſq. p. Pennant’s Scotl. p. 138. 


» 239 \ 


e) Solche Denkmaͤhler aus ungehenren Felsbloͤcken fin⸗ 
det man im füdlichen Sibirien, 11. cc, in ben noaͤid⸗ 
lichen Reichen unſers Erdtheils, in England, uud 
in.den Provinzen ded nördlichen Deutichlandes, 


Man ſ. Bertbol, L c. und Keisleri Antiquitates 


Septentrionales p, ı- 103. 


> 


752 Bu u u 


manerte man Quellen mit Gteinen aus, damit 
man fie um deſto öfter, und länger beſuchen möge. 
And gab man den Dügeln, oder ben Gegenden, 
wo die Hügel’lagen, bie Nahmen der Fürften und 
Helden, die dort begraben worden f). Die Denk 
maͤhler aus Felsſtuͤcken wurben feit undenElichen 
Zeiten entweber Huynen⸗ und Miefengräber, oder 
Huynen⸗ und Miefenbetten genannt: nicht dom ben 
Hunnen, fondern von dem Frififchen Worte Hunne, 
welches einen Todten bedeutet g): Das berühm: 
tefte aller noch Übrigen Miefengräber tft dasjenige, 
‚ was nit weit von SGalisbury in England Liege, 
| und von ben Umwohnern Stonehenge genannt 
' wird h). Die hänfigften Dentmähler biefer Art 
! ober fieht man in der Landſchaft Drenthe, und in 
: ben benachbarten Gegenden i). Alle Zelsftüd, 
aus welchen biefe Monumente beftehen, find un: 
behauen. Einige diefer Felsſtuͤcke, und zwar felbfl 
ſolche, welche man als Deckel über andere aufs 
seht ſtehende hergelegt hat, find fo groß, u eine 
j ’ ' - ‚ eer⸗ 


f) Bartbol, I. e. 8. p. n16- 118, . 
8) Keisler p. 103. 103. | 


5) Eine Beſchreibung und Abbildung dieſes Monu? 
ments finder man in Keislers Antiquit, p. ı et ſq. 
Herr Prof, Sprengel hielt das Stonehenge, und 
andere ähnliche Monumente in Broßbritannien'nicht 
für Graͤber, ſondern für Tempel und Altaͤre der 
alten Britten. 47 Band der allgem. Weithiſtorie 

- ®. 10% ° = “ 
2.3) Suntque, fagt Beisler l, c. p. 7. in hac regio-. 

ne tanta freguentia, ut anfim afflirmare, uni- 

cam eam vel hodie plura ejus generis exhibere 
meonumenta, quam omnia alia regna conjun- 

cm [umta, 3 2 


| “ 
13 
x . 
. 


Weerde von hundert Schaaßen 5%9 fchlechtem Wats⸗ 
er Schutz darunter findet :k) Die Grabſteiae, 
“ud andere. Grabmähler: im alten Gconbinenien, 
‚ax varlihen wlan Juſchriftes, ober ausgehänene FSi⸗ 
uren entdeckt· I), find abne..ellen Streit ihoger, 
als die aus rohen Granitbloͤcken zuſammengeſe hten 
MRieſengraͤber. ot 


Ungebilbete Voͤlker ſtimmten in ihr Wor⸗ 
ſtellungen von der Seele piel mehr zuſammen, als 
in ben Behandlungen dev: Todten. Wenn man ei⸗ 
nige Nationen ausnimmt, welche glaubten: daß 
die Seelen der und Thiere im BT jr R Pa 
fünden, ober gleich nach dem Tode des Ebryers 
untergingen m); ‚fo hielten alle übrige nicht gang | 
‚gebildete Menſchen bie Seelen für zarte. cörperliche 
Weſen, die fip fo wohl ‚von (chenden, als abge 
Norbenen Leibern abloͤſen, und unabhaäͤugig für fid "; 
befichen koͤnnten. Dan Dachte ſich die Seelen bi | 
old. Wilver, bald af6 Schatten, bald NT RT 
Widerhall a), Die letztere Vorſtelluag entfland 
EEE 7 zu 






“ h) p. 6, J u — un 7 . 2 
I) Barthol, 123 etiq p. 
m) Die erftere Meinung (cheinen die alten Perſer und 

tuden gehabt zu haben. Man f. meine kurze Ges u 
= pichre: Der MReinmmgen enher Wälfer über Die 3, 
gie der menſchlichen Seelen, im 2 B. des Goͤt⸗ 
tingiſchen bi. Mas. 744 0 

n) Dabriszhof. 11. 295. Res illg Amt 

008 animam dieimus , illi‘. „. imaginem , um- 

‘Ara, Echo appellant. So. auch bie Wpragoniet, 

.. Chaileroin U. 36 Bi ..:.. 23 


— % ” 
" u ER En Zu $ ta ....° . 5% s F +} 
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. . . . oo. 
£ ” x o 2 
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, 


Ua immortalis, uam | 


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752 Ra u — 


manerte man Quellen mit Steinen aus, damit 
man fie um deſto öfter, und länger beſuchen möge. 
Auch gab man ben Hügeln, oder ben ‚Segenben, 
wo die Hügel’ lagen, bie Nahmen ber Fürften und 
Helden, die bort begraben worden 5). Die Denk 
‚mäbler aus Felsſtuͤcken wurden feit undenklichen 
Zeiten entweder Huynen⸗ und Miefengräber, ober 
Huynen⸗ und Miefenbetten genannt: nicht Yon ben 
Hunnen, fondern don dem Friſiſchen Worte Hunne, 
welches einen Todten bedeutet g). Das berühmt 
tefte aller noch Äbrigen Miefengräber iſt dasjenige, 
was nicht weit von Salisbury in England Liegt, 
und von- den Umwohnern Stonehenge genannt 
! wirb h). Die hänfigften Dentmähler diefer Art 
; aber fieht man in der Landſchaft Drenthe, und in 
: den benachbarten Gegenden 1). Alle Felsftüde, 
ı aus welchen. biefe Monumente beftehen, find nn: 
behauen. Einige biefer Felsſtuͤcke, und zwar felbfl 
ſolche, welche man als Deckel über anbere aufs 
reiht ftehenbe hergelegt hat, find fo groß, u eine 


— — * 


eer⸗ 


f ) Barthol, l. e. 8. ps ı6- 118, - 
8) Keisler p- 103. 103. \ 


h) Eine Beichreibung und Abbildung dieſes Monu: 
ments finder man in Keislers Antiquit. p. ı et ſq. 
Herr Prof, Sprengel hielt das Stonehenge, und 
andere aͤhuliche Monumente in Großbritannien'nicht 
für Graͤber, fontern für Tempel und Altaͤre der 
alten Britten. 47 Band ber allgem, Weithiſtorie 
G. 10. J 
435 Suntque, ſagt Keisler 1. c. p. 7. in hac regio- 

ne tamta freguentia, ut anfim affirmare, uni- 

cam eam vel hodie plura ejus generis exhibere 
monumenta, quam omnia alia regna conjun- 
cfim [umta, 5 ’ or. 





f u - 
i 


WMeerde von hunbdert Schaafen bey ſchlechtem 
re Schutz darunter finder *). Die Grabfteing, 
“und andere. Grabmähler: im alten Scandinas nn 
ar welchen wlan Jufıhriften, ober auögebäuene Fi⸗ 
‚garen enideckt⸗ I), find ahne-ellen. Streit: jhoger, 
als die aus rohen Granitklöden gufanunengefsgten 


Miefengeäben: Ba \ 
Uungebildete Völker ſtimmten in ihren Vor⸗ 
ſtellungen von der ˖Seele piel mehr zuſammen, «ld 
in den Behandlungen der Todten. Wenn man sis 
nige Nationen ausnimmt, welche glaubten, daß 
ute be * ‚O7 


die Seelen ber Thiere im Blute ber 7. A|: 37% 
flünden , ober gleich nach dem Tode des‘ Chrpers 0 
‚untergingen m); fo hielten alle übrige nicht ganz | 
‚gebildete Menſchen die Seelen für zarte. coͤrperliche 
Weſen, die ſich fo wohl von Ichenden, als abge 
Norbenen keibern ablöfen, und-unabhäugig für ſich 
-  Seftchen könnten. .. Dian dachte ſich die Geelen balp | 
als. Bilder, bald als Schatten, bald ald ku | 
Widerhall u), Die letztere Vorftellung entſtaud ' | 
en nt .. . unter 
55 p. 6. Bu * 
i) Barthol. 183 etfq p. | 
m) Die erfiere Meinung fcheinen die alten Perfer und 
Juden gehabt zu haben. Dan f. meine kurze Ge⸗ 
fſchichte der’ Meinungen tuher Voͤlker über bie Ma⸗ 
pe der miehfähfichen. Serien, im 2, B. bed. Goͤt⸗ . 
tingifchen Hi. Mag 7448 2 ' | 
2.2) Dabrixhof. II, 295. Res illa inmortalis, Juam 
- nos animgam dieimus , illi. .. imaginem,, um- 
"0. bram,. Echo appellant. -So, auch bie Pptagonier, 
on Charleroix il. 36. 295..- nn 724 
Er *8 * Bi . In B366 | . J u | 


— 


- 


—W 


* 


Ir: — — | 
‚water mehreren Wölbein:im ſuͤrliche Ameriea has 
ber , daß Yie den Wiberhall für Stimmen umdherir⸗ 
sender Geifter hielten. Man traute dem. abgeſchie⸗ 
denen Seelen nicht: nur ähnliche Meigungen uud 
Wedarfatſſe, wie während ihrer Vereinigung wit 
den (chenden Corpern zu, ſondern war auch übers 
zeugt, baß fie gleich den größeren, aud Fleiſch und 
Bein befichenden Coͤrpern könnten verwundet, vers 
flümmels, ja fo gur vernichtet werden. Nah der 
"Meinung der Biönländer verläßt. bie Seele tet 
den Libenben Leib fehr oft in Verzuͤckungen, und 
4a Träumen, um auf ben Zanz, oder auf bie 
Jagd, dder auf nahe und ferne Meifen zu gehzeno). 
Die Grönländer behaupten fo.gar, daß biefes au 
im Zuflande des gefunden und vollen Wachens ger 
fögche, indem: Perfouen. nicht felten weite Helfen 
machten, deren Seelen zu Haufe ‚geblieben fon 
Sie erklaͤren alle dieſe Erſchelnungen daher, da 
der Menſch außer der Seele noch einem Oden habe, 
und daß dieſer das Leben erhalte, imwenn jene eine 
‚ "Beitlang von dem Coͤrper weiche p). Nichts ſcheiut 
den Groͤnlaͤndern natürlicher, als bag bie Seelen 
gleich hen Eorpera ve ‚ und mit bisjen auch 
wie⸗ 


o) Cranʒ ©. 2375 59: KEG 


) Die. Egraiden behaupten: anbenter Eee, die im 

Hrezen wohne, und mach dem: Tode Dad Leibes ges 

sabe in ven Himmel gehe, - gr Ber andere Gets 

n, um zwar ie erſte im Kopfe, bie audere in 

. ‚den Yrmen, oo Heid dir ch den Bil lan ber Pad 

,. dern | ‘Du —— '370, "378 

“Nah Vank duver I. 12a: mehhlh ‘die Infulaner 

der Suͤdſee den Sit der Gede im ven’ Wniäkiokiden 

an, weil die Dass angebrachten Wunden die toͤdt⸗ 
lichſten ſeyen. 


NE . 
a I en. 
' IB, © Ai CH . zeun- . 
“u. on . / 
x 
” x 


wieder abnehmen. Die, Argekoke der Groͤnlaͤnder 
‚leiten viele Krankheiten daher ab, daß die Seelen 
. der Kranken verffümmelt, ober ſonſt befcäbigt 
worden. Sie nerfprechen, die Kranken dadurch 
‚gu.betlen, daß fie. ihnen bie, abgeriffenen Stücke 
dee Seele wieder verfchaffen, oder flatt der ber 
ſchaͤdigten Seele eine ganz friſche und gefunde, ents. 
‚weder bie eined Kindes, ober eined Hafen, und 
andern Thiers bringen wollen. Sie nennen bie 
FH ein blaffes und weiches Weſen, das weber 
Fleiſch, noch Bein babe. Ihrem Vorgeben nah 
mäffen biefe blaffen, und weichen Weſen nach dem 
Tode ber Coͤrper fünf Tage lang an einem rauhen 
Felfen herabrutfhen, um in die Derter ber Selis 
gen zu gelangen, Das Herabrutſchen wird für die 
Seelen fehr peinlih, weswegen auch ber. Fels 
ganz blutig iſt. Wenn die Fahrt den Felſen hin⸗ 
ab bey kalten, ober ſchlechtem Wetter. gefhicht; 
“fo kann eine Seele barüber zu Grunde gehen. Sie 
‚nennen dieſes ben andern Tod, nach welchem nichts | 
‚son dem Menfchen übrig: bleibt. Aehnliche Bes 
‚griffe von menfhlichen Seelen herrfhen nicht bloß 
unter den übrigen. Americaniſchen Voͤlkerſchaften, 
ſondern auch unter den Negern in Afrika g). : Von 
ben letzteren habe ich ſchon erwähnt, daß fie ſich 
einbilden, abgefhiebene Seelen erfänfen, oder fie 
aus ihren Wohnungen auffangen, und Kranken 
eishauden zu koͤnnen. Die großen Voͤlker des 
füdlichen und oͤſtlichen Aſiens haben von den Sec; 
‚Ien faft noch gröbere Vorſtelaugen ‚als ‚rent die 
Wil⸗ 


5. ©. die vorh. enger. Sefchichte der Vorſten. don 
ber Seele ©. 746 uf. 


Bbb 2 


— 


7 56 PER 


‚Milben in Afrika, und Amerita. Die Ihamais 
Then Nationen fchen es als ausgemacht an, daß tm 


allen ihren Mohenprieftern 5) ein göttlicher Geiſt 
wohne, ber bald: von Water auf Sohn forterbe, 
bald nah bem Willen. des legten Beſitzers in ven 
Leib einex andern Perfon fahre, oder auch ben letz⸗ 
ten Beſißzer ploͤtzlich verlaffe, wenn er diefer Ehre 
nicht Länger würdig fe. Die Ihamas in Thiber 
ziehen aus der Kopfhaut von Verſtorbenen die See⸗ 
le heraus; eine Operation, die Immer mit einem 
gewiſſen Geraͤuſche gefchleht s). Die Bewohner 


bes füblihen Aſiens halten indgefammt die Seelen 


nicht bloß für coͤrperaͤhnliche Wefen, ſondern auch 


für folde Wefen, die Fleiſch und Blur hätten, 


‚wenn fie gleich fein genug feyen, um fih dem Ge 
fit, und dem Gefühl zu entziehen 2). Wem 


| daher eine Seele Wunden erhalte, fo zweyfeln fit 


nicht, daß eben fo wohl Blut erfolgen werbe, als 
wenn man einen menſchlichen Leib verwunde Nach 
der. letztern Eroberung von China durch die Mand⸗ 
ſchuren wählten viele Chinefen Lieber den Tod, alt 


dag fie n ch nach ber Weife der Gieger gefchoren 
‚hätten. Die Chinefen fürchteten, daß durch bie 
Schur Ihrer Schedel auch die Seelen kahlkoͤpfig 
werden, und daß dieſe alsdann von den verſtorbe⸗ 


nen Anverwandten nicht wuͤrden anerkannt werben, 


Wer kann es bey folden Begriffen voß Völkern, 


die auf Eultur Anſpruch madhen,. ven rohen Eins 
‚wohnern ber Marianifchen- Inſeln verargen, daß 
fie zu den Köpfen von Sterbenden Körbe hinſtell⸗ 

ten, 


YyL e. 6, as u, ru 


s) Georg. 1, c. 
) Loubere I, 361. 65, 





’ ’ \ 
t ” ! 
’ 
x 
- * . ® 


ten, bamit-bie Seelen ſich hineinbegeben möchtens); 


oder den Otaheiten, ımd anberen Inſulanern der 


Sübfee , wenn fie annehmen, daß Männer in einer 
andern Welt ihre Meiber wieber- erkennen, und 
Kinder mit ihnen zeugen werben, ungeachtet bil 


Seelen etwas Son. bem groben Coͤrper verſchiedenes 
fegen x). Man muß felbfi ben Nationen bes fübr 


lichen und öftlichen Aſiens ibre-Surthümer zu Gute 


halten, wenn man liest, baß unfere Vorfahren, 


ja fo gar die Griehen und Römer fammt beren 
Weltweiſen anf ähnliche ſchimpfliche Arten geirrt 
haben. Meine Leſer erinnern ſich, daß die Grie⸗ 
chen und Römer nicht weniger, als bie alten Scan⸗ 
binavier, ſich por dem Ertrinken fürdhteten, weil fit 


* glaubten, daß die Seele mit dem Cörper erfäuft u 
werbe, nud daß die Leßteren Zauberer, und Baus 
berinnen, ober folche, beren Seelen umher gingen, 


äerftückelten und verbrannten, in dem NBahne, daß 
die Seelen gleich ben Leichnamen würben zerflückelt, 


und vernichtet werden y). Die Griechen und Nds 


mer dachten. fich die Seele bald als ein Schatten⸗ 


bild 2), ober als einen Schatten des Cörpers a), . 
bald als. einen Haucht welde letztere Vorftellung 


bie Urſache ber Bezeichnung der Seele in der Gries 


hiſchen und Lateiniſchen Sprache war 6). Eben 


dieſe 


J 2): Gobien p. 1 

3) Cooks letzte Reif. 1. 164. 16, 
y) Barthol, p. 266, 47. 

z) —R image, 


4) umbra. u 


b) yux7, anima, 


7185 — — 


dieſe Vorfſtellung veranlaßte, bie alte bis anf bie 


fyäteften Zeiten fortdauernde Sitte, bie Seelen ber 


Sterbenben von ihrem Munde aufzufangen €): viel: 
leicht auch bie Meinung der Stoifer, daß die Seele 
bed Menſchen, wie fein Cörper, durch eine große 


zermalmende Laſt zerdrückt werden Fönnte d). _ 


Es ift fon fonderbar genug, daß einige rohe 
Voͤlker nicht anzugeben wiſſen, was aus dem Mens 
ſchen nach dem Tode des Coͤrpers werden werde. 
Roch viel wunderbarer aber iſt es, daß viele Ma: 


tionen, und unter biefen mehrere nicht ganz rohe, . 


fih um den Zuftand der Seelen nach dem Tobe gar 
nicht bekuͤmmern, ober gar läugnen, ober bezwey⸗ 
feln, daß von dem Menſchen nah dem Tobe bed 
Coͤrpers etwas übrig bleiben werde. Die Chiquis 
ten in Paraguay ſuchen bie Seelen verftorbener 
Anveriwandten eine Zeitlang in ben Gebüfchen, mes 
mit ihre Wohnungen umgeben find. Wenn fie 
biefelben nicht finden, fo geben fie am Ente das 
Suden auf, und geftehen, daß ſie nicht wiſſen, 
was aus ben Seelen geworben fey ce). Die Mo: 
za in Paraguay ), marche Neger 8) , und Kot 

tms 


e) Guther, I. c. 13. p. 70. TI. Ich fuͤhre nur fol⸗ | 
‚geuted Zeugniß an: 
.. et excipies banc animam.ore pid, 


| a; Meine Geſch. S. 757. 


6) Lettr. Edif. VIIL. 335. N, 2. 


Hibkpgn 
8) Oldendorp L, ss de Bry VI. c, PT 


! _ . - 


B N 1 


Ze 7 


⏑ — — ee 
⸗ 


tentotten ), manche Chilienſer i), und Helden in 
Sumatra k) ſind ſo gedanukenlos, daß fie bey dem 
Tode eines Menſchen eben ſo wenig, als bey dem 
Tode eines Thiers daran denken, ob ber Verſtor⸗ 
kerie anderswo ein neues Leben anfangen, und wie - 
fein Zuftand befchaffen ſeyn werde. Die Wogulen 
anf dem Ural, auch viele Buräten, und Zungus 
fen haften den Tod für eine göttliche Strafe, und 
fürchten nad dem Tode eben fo wenig, als fie ets 
was erwarten, weil fie ſich einbilden, daß die Goͤt⸗ 
ter buch den Tod vollkommen verföhnt werben D. 
Die Lappen glaubten an bie. MWieberaufftehung der 
Bären s ihre eigene hingegen bezwenfelten fie m). - 
Die Tſcheremiſſen tranten ſich nach weniger zu, als. 
'. bie Lappen, indem fie bekannten, daß fie nicht 


. . würdig fepen, zu einem andern Leben ‚erhoben zu | 


werben n). . Die gemeine Meinung ber Wilden in 
Chili iſt, daß die abgefchiedenen Seelen in Oerter 
. der Seligkeit jenfeits des Meers eingehen werben. 
Allein mehrere dieſer Wilden erklären die Hoffnun⸗ 
genihrer Sandsleute für ein leeres Hirngeſpinſt 0). 
Auch unter den Grönländern find nicht wenige dee 
Meinung, daß es fih mir ben Menſchen, wie F 


) Belchryving I, a2, 
ij Maycgrafp. 30. 
k) Marsden p. 253. Ä 
H Georgi Reif. 28. 312.600 u 
| m) Hogſtroͤm 229. 233 S. \ 
n) Müllers Ruſſ. Geſch. TIL 341. 


. 10 Frezier p, 10x. Pinfieurs le-regardent comme 
une imagination, qu’ils ſe font forgen, °— 


x » \ 


1 — — 
ven Thieren verhalte, und baß mit bem Tobe des 
Ebrperd Alles aufhören werde 9). Die Eiuwoh⸗ 
ner von Laos Fünbigen bloß den Seelen böfer: Men⸗ 
ſchen eine gaͤnzliche Vernichtung an ). Mehrere 
Stämme und Gaften hingegen in Hindoſtan Laflen 
He Guten, wie die Böfen, nah dem Tode des 
Ebrpers untergehen, weil es ihnen, fe erzählt 
wenigſtens Sonnerat r), unbegreiflic vorkommt, 
daß der in Staub und Afche verwandelte Eörper, 
der in die Lüfte verfliegt, oder ſich mit ber Erde 
vermengt, feine vorige Geflalt wieber annehmen, 
und ein neues Leben anfangen koͤnne. Wenn man 


dem Pomponius Mela trauen bürfte; fe waren 


aud unter ben alten Geten nit wenige, welde 
den Tod als eine gänzliche Vernichtung bed Mens 
ſchen betrachteten, und felbft dieſen Zuſtaud ber 
Berntchtung fir beffer hielten, als bad irdiſche Le⸗ 
von N) 


Der bey weitem groͤſte Theil ſelbſt von re⸗ 
ben Voͤlkern nahm nicht bloß eine Fortdauer ver 
- Seelen. nah. dem Tode an, ſondern beſtimmte auch 
den Zuftand der abgefhiedenen Seelen, Viele bes 
haupteten, baß abgefchiebene ‚Seelen entweder be: 
ſtaͤndig, ober doch eine Zeitlang Key dem Ueberbleibe 
feln der Eörper bleiben, und daß fie im letztern 
“ Bi häufig auf die Erde, und zu ben nachgelaſſe⸗ 
nen 


2) Cranz 257 ©, 
4) Mariny 391 p. 
— r) I 87. 


‚9-11. 4. 4. Alil emori quidem, m. u mei 
elle, quam vivere, 





ee °7 


nen Anverwandter zuruͤckkehren waͤrden. Diele 


Denkart herrſchte unter allen den Nationen, welche 


die Refte der verfiorbenen. · Anverwandten .in ihren 


Hütten behielten, ober ihnen ewige Wohnungen 
und Tempel bauten, we fie-biefelben beſtaͤndig vers 
ehren konnten t). Die meiſten Völker, melde au 
die Fortdauer der Seelen glaubten, ſprachen von 


einem Lande der Seelen, wohin alle ohne Untere - 


fbieb gelangen mürben. Die Einen fegten das 


Land der Seelen in ben Himmel, oder in einzelne 


bimmlifche Eörper: andere jenfeitd des Meers, 
oder weit gegen Abend’: noch ambere unter bie Er: 
de, oder dad Meer. Faſt alle wähnten, daß bie: 
Reiſe in dad Sand der Seelen mit großen Ber 


ſchwerden und Gefahren verbunden ſey u): baßı 


man: während berfelben Kälte, Hunger, und an⸗ 
deres Ungemach ausſtehen, über furchtbare Strbs - 
me, oder Sümpfe feßen, mit feindfeligen Geiſtern 
und Ööttern, ober anderen Ungehenern Fämpfen - 
muͤſſe. a , 


Das Land ber Geelen befchrieben nit ale 
Voͤlker auf diefelbige Arı, Einige glaubten, daß 
der Aufenthalt im Lande ber Seelen nicht beſſer, 
oder gar ſchlechter, als das Leben auf biefer Erde 
fey. :Diefe legte ungünflige Vorſtellung von bum; 

| Lane. 


e) Sch Babe Diele Voͤller theild in dem gegenwärtigen 
Abſchnitt, theils in der Unterfuchung uber den Tode 
'temdienft genaunt. . oo 


«) 3u Strauffene Zeiten öffneten die Rufen, wenn | 


Einer der Ihrigen werfchieven war, die Benfter, 
and fegten Speiſe und. Trank ald eine wegen der 
iangen Meile nothwendige Erquidtung hin, Ge 56. 


\ı 


Saure der Seelen haben nicht bloß manche Sibiri⸗ 
ſche Heiden x), fonbern auch mehrere Wilde in 
America. Wenigſtens erzählen einige Horden in 
Paraguay, daß die abgefchtebenen Seelen in bem 
Lande der Schatten Feine anbere Nahrung finden 
märben, als ein gewiffed Marz, das aus großen 
Baͤnmen ausfließe, bannı Honig, und etwas 
Weniges von Fiſchen y). . Natuͤrlicher war der 
Gebanke, daß dad Land ber Seelen unferer 
Erbe gleih, und daß ber Aufenthalt in demfelben 


gleichſam eine Erneuerung, oder Fortfeßung bed 


gegentoärtigen Lebens fen. Wo man biefe Meis 


nuug hegte, da aab man zu, daß man in dem Lan⸗ 


dei ber Seelen die Veſchwerden ber Jahrszeiten 
und Witterung , Hunger, Durft und anderes Uns 


gemach, Nacftellungen von Feinden und wilden 


J und Sclaven. Die Vorſtellung: saß eb in dem 


Thieren erfahren: daß die Einen reich und mädtig, 


Andere arın und gering feyn: daß die Einen herr 
ſchen, bie anderen dienen: endlich daß überhaupt 
ein jeder fo fortfahren werde, wie er im Lande bet 
Seelen ankomme 2). Eben baher. ſtattete man 


De Verftorbenen mit ben Kleidern, Waffen und 


Geraͤthſchaften aus, von melden man ſich einbils 
dere, baf fie biefelben im Sande ber Geelen braus 
den würden. Aus beinfelbigen Grunde verbrann 
te, ober begrub man. mit ben Leichnamen der Fuͤr⸗ 
ſten und Großen nicht bloß ihre Schäße, ſondern 
opferte auch an ihren Gräbern Weiber, Freunde 


0 | iaus 
: 2) Georgi’ Beſchr. ©. 383: 383. | 
. Lettr. Edif. IX, 101. n 
2) 3. B. Charlevoix II, 277.978, Ulloa's Nachr. 
Mi) Da i. — —. 
| \ 


x 


— — — — ——— — — — 





v0. ' ‚ 
— — —— fe 763 


ande der Geelen eben fo ,. wie auf. bieſer Erde 
feyn werde, floͤßte allen ben Voͤlkern, die son 


den Europäern unterjocht, oder fonft gedruͤckt wor⸗ 


den waren, eine unüberwinblicde Abneigung gegen 


den Himmel der Chriften ein, Indem fie fuͤrchteten, 
daß fie dort eben fo wuͤrden gemißhandelt werben, 


als auf diefer Erde a): wiewohl Einige fi vor - 


dem Ehriftlihen -Parabiefe auch deßwegen ſchen⸗ 
"ten, weil fie hörten, daß man dort weder eſſen 
und trinfen, noch diejenigen Bequemlichkeiten fin 
ben werbe, an welche fie auf biefer Erde gewöhnt 
waren 6). Den Wilden in Louiſiana fchien es 
durchaus unglaublih, daß die Seelen in ber ans 


bern Welt keine Nahrung brauchten c). Die Ne 


ger s Selaven in Weſtindien bringen fi häufig 


um, in der Hoffnung, bag fie in ihrem ehemahli⸗ 


gen: Waterlande gleich wieder aufleben werden. 
- Einige Weftindifhe Pflanzer brauchten zwar ders 


ſchiedene, aber gleih wirkfame Maaßregeln gegen 


den Selbſtmord ihrer Sclaven. Einer. ließ den 


Negern, welche. fi erhenkt hatten, Kopf mb. 


Hände abhauen, und dann die verſtuͤminelten Coͤr⸗ 
per in einem eifernen Kefig aufhängen. Er drohte, 
\ ae daß 


ay) So die Kamtfchadalen, Steller S. 269. einige 
- Milde in America, Voy. au Nord V, 330. 


b) Voy, au Nord V, p. 331. ‚ —— 


) l.c. Quand on leur repond, qu'on 7 boit, 
‚ny ne mange, jene veux donc pas ya 
[ent - ils, parceque je veux manger Si on 
ajonte, qu'ils n’auront par beloin de fe nourrir, 
jls mettent la main ‚fur lä bouche par admira. 
tion, et difent, tu esum grand menteur. Efſt- 
ce, qu’on peut vivre, fans manger? 


r, du 


nen 


U 
— — 


Zu Su 
daß er alle: übrige Selbſtmoͤrder auf gleiche Ir 


Behandeln, und fie auf ewig ungluͤcklich machen 
—wierde,“ weil die. Selbſtmoͤrder ohne Kopf , und 


Arme in ihrem Vaterlaude anlangen würden, . Die 
Neger lachten anfangs über diefe Drohung, weil 
fie fi gewiß einbilbeten, bag ihre verſtuͤmmelten 
Landsleute Köpfe und Arme in der nähften Nacht 
abhohlen wuͤrden. Da dieſes nicht geſchah, fo ers 
ſchraken fie fehr, und dachten nicht mehr baran, 
fih durch den Selbſtmord in ihr alted Vaterland 
zu verſezen. Auf einer andern Pflanzung faßten 
alle Sclaven ben Entſchluß, fih an einem bes 
ſtimmten Tage im nächften Walde zu erhenken. 
Als ver Herr der Sclaven biefes erfuhr, fchirkte 
er bie weißen Aufſeher mit einer Menge von Kefs 


ſeln, und anderen zur Zuckerſiederey nötkigen Se 
raͤthſchaften nach. Vey der Ankunft berfelben 


fragteit bie Neger: was ihre biöherigen Auffeber 


im Sinne hätten? Die Antwort wart. mau wolle 


bie Sclaven in ihrem Vorhaben nicht ſtoͤren. Der 
Kerr babe eine guoße Pflanzung in Afrika gekauft, 
und wolle ſich, gleich den weiſſen Bedienten erhen⸗ 
fen, um feine. Sclavesn, welche er dort wieder 


finden werde, noch ſtaͤrker, als bisher arbeiten zu 
laſſen. Die Neger glaubten das, was man ihnen 
ſagte, und gaben den Vorſatz ded Erhenkens auf d), 


‚Die Sehnſucht nach einem beſſern Leben muſſ 
tief in der menſchlichen Natur liegen, weil die mei⸗ 
ſten Völker, welche ein Sand der Seelen annch⸗ 
men, ohne baffelbe als einen Zuſtand ber Vergels 
tung zu betrachten, die Meinung haben, daß bie 

Bu \ ſes⸗ 


die 


= 


\ 


— —2205 


ſfesLand ber Seelen zwar unſerer Erde aͤhnlich 


| 


N 


feg: daß man alſo in jenem, wie auf dieſer, Um 
terfgtebe von Macht, Anſehen, und Reichthum. 
Son Stärke und Geſchicklichkeit nebft ben natuͤrli⸗ 

hen Folgen ber einen, und der anderen finde: daß 


aber zugleich der Aufenthalt im Lande der Seelen 


vlel reicher an Allen Ghtern und Freuden, viel 


feeyer von Schmerzen und andern Uebeln ſeyn wer 
de, als der Aufenthalt auf der Erde. Der gröfte 


Theil der Neger hält das irdiſche Leben für eine 
‚traurige, Berkettäng bon Mühfeltgkeiten, und Un; 
fallen in Vergleihung mit dem Zuftande, in wel⸗ 
hen die abgefchtedenen Seelen ohne Ausnahme nach 
dem Tode bed Coͤrpers kommen werben e), Sin 
ber feften Leberzeugumg , ein elendes Leben mit eis 
nem Zuflande ton Gluͤckſeligkeit zu verwechſeln, 


bringen fih viele gefunde Menſchen felbft um. 
Wenn in Matamba, und manden anderen Gegen⸗ 


den'von Afrifa Perfonen fo Frank werden, daß 


man an ihrem Aufkommen zwenfelts fo glauben 
die naͤchſten Anverwandten ihnen baburd) einen Lie 


besdienſt zu ermweifen, -baß ſie diefelben bald von 


der Buͤrde bes Lebens befregen. Man zieht die 
Kranken heftig an Hafen und Ohren, an Armen 
und Beinen. Man hebt fie in die Höhe, um fie 


defto härter auf die Erde fallen zu machen. Man. 
- hält ihnen den Mund zu, ober druͤckt ihnen endlich . 


LT 4 
. 


die 


u e) Cavazei I. gi8. 15. - - c’eR Popinion eommu» 
. nementiegie chez tous tes Negres, que, quand 


- un-boräme vient.2 mourit, [omyame guitte une 


vie milerable, pleine de traverfes et de peines, 
. „pour entrer dans une autre remplie de joye, et 

de plaifr’erc. Wuch Bruce HL 242, Neue 
Ausg. | “ . 


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die Bruſt, ober den Ruͤckgrab ein. . Unter chen 
diefen Regern erfläste man bie feltene. Ruͤckkehrr, 
ober Wieder⸗ Erfhelinung abgeſchiedener Seelen 
daher, daß biefe ſich wohl düteten, einen Zuſtand 
Yon Seligkeit gegen einen Aufenthalt You Jam⸗ 
mer.und Elend zu vertaufhen f), Faſt mit. dens 
felbigen günftigen Farben ſchildent man das Laub 


der Gerlen fo wohl unter. ben Wilden bes nörblis 


ıben, als denen bes füdliden America. Nach 
den Vergeben ber Noerd⸗ AUmericanifchen Wilben 


. Brauchen die abgefchiebenen Seelen mehrere Mona⸗ 
. the, um Das weit gegen Abend liegende Land ber 


Seelen zu erreichen. Auf dieſer langen Reife bas 


ben bie Seelen viele Schwierigkeiten zu uͤberwin⸗ 


Ben ; und: große Gefahren. zu befieben: beſonders 
von einem Fluſſe, in welchem mande umkommen, 
und von einem Hunde, ber. fie zu verfchlingen, ober 
zu verwunden ſucht. Wenn. fie nber einmahl an 
bem Drte ihrer Beftimmung angelangt. find; fo 


Finden fie eine beftändig ergiebige agb und Fiſch⸗ 
fang, einen Ueberfluß aller Freuden und Güter 
bes; Lebens, deren ſie in einem ewigen Frühling 
ohne Arbeit genießen g). Die Wilden bes noͤrd⸗ 
lichen America ſtimmen ben meiften übrigen rohen 
Völkern darin bey, bag die Seelen der Zhiere 
eben fo wohl, als bie ber Menfhen, in bad Land 


0.09 E der 


H) ib. p. 414. Auf dieſelbige Art ſchildern die Denk⸗ 
art der Neger, De Manet II. 34. Cauche p. 45 

g) Charlevoix p. 352. 55. - - dont toute In feli- 
eite conbllg a y trouver une challe, erune Pe- 
.che,, qui ne nanquent jamais, un Printems 
... eternel, une grande abondante de töutes cho- 
‘, fes, ſans étre obligé de travailler, ei tous les 
- plaiire dslm, ° " 


® — 
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- — —— — —— 


— — — 


u j - “ \ \ " | u . 


"per Seelen keinmen werden: Die Caraben A), 
bie Patagonier 1), und bie Ehilienſer ‚k) befhrei 
ben des Sand der Seelen faſt auf eben die rt, wie 
bie Staͤmime im nördlichen America. ' Die Pata⸗ 
| ‚gonter Waffen‘, daß fie, ein Leber zu dem Gett: 
feiner Vorfähren und feines: Geſchlechts unter der 
‚Erbe Tonmnen , und hier tm Zuftande. einer ewigen 
Trunkenheit gluͤcklich ſeyn werben 7). Die Chr 
lienſer ſetzen das Land ber Seelen jenſeits des 
Meers ; und verſichern, daß fie dort einen beftäns 
digen‘ Ueberfluͤß von Fleiſch und ſtarken Getränken 
findens auch daß fie mehrere Weiber erhalten wer⸗ 
den, die keine Kinder gebaͤhren, ſondern ſtets be⸗ 


reit ſi nd, ihnen ben Genuß ihrer Reitze zu erlau⸗ 
ben, ihnen Chicha zu inachen, und auf andere Mer 


ten zu dienen m). Viel natärlicher, als alle diefe 
_ ibealifhen Darftellungen , ift dag Gemählde, was 


die Kamtſchadalen von dem Zuſtanbe der Seelen 


nach dem Tode entwerfen. Der Leib, ſagen die 
Kaimtſchadalen,, wird wieber Aferſtehen und mit 
der vorigen Seele vereinigt, ewig unter der Erbe 
leben, ober wie hier auf Erden, unter beſtaͤndt⸗ 

Ä e 


er birendorr I, 52. Ä 
MD. Falkner P- 114. 
N Fresier p, 101. 


‚eternally. drunk, . 
| m): 'Frezier & c. Pame-- - --quidoit aller ı au- deli 


.. des Mers dans des lieux de plaifrs, ou ilsre- 


gorgeront de viandes, et de ‚boillons; qu’is 
y auront plufieurs femmes, ui nd feront pas 
des enfans, qui ſeront occupeus x leur faire de 
banne chicha, a les feryir. ds, 


#1. c. there to enjoy the kappinels ob being .. 


— — -. 


268 [nn 
ger Arbeit. Darin aber. werde. es in jenem Leben 


—* beſſer ſeyn, daß fr alles im Ueberfluſſe ha⸗ 
ben,.nie hungern, nichtq von den Ruſſen leiden, 


ſenbern in ihrer vorigen. Freyheit lehen wärben. 
Aud glauben. bie Kamtſchadalen, daß diejenigen, 


welche bier. arm waren, in ber andern: Melt reich, 
die Reihen hingegen arm ſeyn werden, kamit jwb 
ſchen den beyden Zuſtaͤnden in dieſer, und im jener 
Wels eine gewiſſe Gleichheit entſtehe. :&ine jebe 


. andere Dergeltung bes Guten und. Boͤſen -balten 


fie für unnöthig. Wer auf biefer Erbe gefiohlen, 


Ehebruch getrieben habe, u. f. w. der fen dafür 


fon hinlänglich geſtraft, entweder geprügelt, ober 
gar erſchlagen worden: habe menigftens feine Freun⸗ 
de gefunden, und fey. baher Büros, - ‚und ohne 
Bermbgen geblichen "| — 


Der Gedanke an einen Zuſtand von Wieder⸗ 


Vergeltung war allen, oder faſt allen- ‚ungebilbeten 


Dillern fo fremd, daß felbft diejenfgen, melde 
nicht bloß einen Drt der Seelen, fondern Dexter 


der Seligleit und Onaal aunahmen, bie erſteren 


ganz allein den Reihen, Vornehmen und Mädtis 
gen, höäftend ben Zapferen und Starken auwies 


fen, und hingegen die Armen, Geringen-unb Un⸗ 


gluͤcklichen in die Dexter der Quaal hinabftießen, 
Unter ben Orönländern feßen Einige die Wohs 
nungen ber Öeligen in ben oberflen Himmel Aber 
bem Megenbogen 0). Sie befchreiben bie Fahrt 
dahin ſo leicht, daß Jemand noch an beim Abend 
bes Zages, ‚ws ® getorben, dest: anfangen. und 

au 


eier 
oy Cranʒ 25860, > .: „aman. d 





— — 969 


ausruhen, ober mit ven übrigen Seelen fi im 
Zanzen und Ballfpielen ergögen koͤnne. Die Ger 
Ien wohnen hier in Zelten um einen großen Ste 
ber, der voll von Fifchen und Vögeln iſt. Die 
meiften Groͤnlaͤnder aber fischen die Derter. ber Ges 
Figkeit unter dem Meere. Hier, fagen fie, ſey 
ein beftändiger Sommer, beller Sonnenfhein und 
Zeine Naht. Man finde dort hutes Waſſer und 
einen Ueberfluß an Bögeln, Fiſchen, Seehunden 


Tonne. In diefe Derter bes Seligkeit kämen bloß 
ftarfe, zur Arbeit tauglidye Leute, auch foldye, bie 
fur Meere ertrunken, ober über ber Geburt geftors 
ben feyen. Die ſchwachen und zur Arbeit nicht 
tüchtigen Menfchen würden in den Himmel verf: bt, 


wo fie einen großen Mangel litten, wegen der 


beftändigen Bewegung keine Ruhe genöffen, und 
eben deßwegen mager uud kraftlos würden. Es 
ift eine den Groͤnlaͤndern ganz rigenthümliche Meis 
zung, daß fie bie im Meere Ertrunfenen, ober die 
über der Geburt Verſtorbenen in die Derter ber 
Seligkeit aufnehmen. Ale übrige ungebildete Voͤl⸗ 
Fer fchloffen Kinder, und ſolche, die burd) gewalt⸗ 
fame Todesarten umgelommen, Manche fo gar die, 
Zapferen, bie in ber Schlacht gefallen waren, ‚von 
den Dertern ber Seligen, ober von der Gemeins 
fhaft der übrigen Seelen aus 5). Die Häupter 

| der 


p) Die Nord: Americaniſchen Wilden glauben, daß 
allle diejenigen, die eine® gewaltſamen Todes, ſelbſt 


in der Schlacht, geſtorben ſeyen, Feine Wemeinſchaft 
mit den übrigen Seelen haben werden: weßmenen 
fie dieſelben auch nicht in very aemeinſchaftlichen Des 
gräbniß = Oxte beyfegen, Cbarlevoix p. 576. 77. 
PEST Fon Bu PUR 


. 


and Mennthieren, welche man ohne Mühe fongen - 


\ 


.» 


a, 


x 


| 


⸗ 


779 J mm ÿJ 


der Natchez behielten ſich ganz allein das Gluͤck 
vor, in die Sonne, woher fie entfprungen, zus 
ruͤckzukehren. Die Untertbanen, welde fie die 
.  Gtinfenden nannten, überließen fie ihrem Schick⸗ 
ſale. Die gemeinen Dlatchez bildeten fid ein, bag 
ihre Seelen nady dem Tode ded Cörpers in die 
Leiber von Thieren einmandern, oder daß die Las 
pferen und Fleißlgen unter einem gluͤcklichen, die 
Feigen und Zrägen unter einem ungluͤcklichen Volke 
wieder aufleben würben 2). Aehnliche Begriffe 
hegen die Einwohner von Dtaheite und den übri: 
gen Inſeln der Süpfee. Nur die Seelen der Haͤup⸗ 
ter, fagen fir, verfammeln ſich in der Sonue, wo 
fie Brotfrucht, Fiſche, Hundes und Schweinefleifd, 
gehörig zubereitet, im Weberfluffe vorfinden. Die 
Seelen ber Leibeigenen hingegen twaadern in Thiere, 
oder werben von Vögeln verzehrt, ober Fommen 
fonft um r). Die Apalachiten und Brafılianer vers 
feßen die Seelen der Tapferen in die Sonne, oder 
in Derter der Seligkeit hinter großen Bergen, wo 
fie in fchönen Gärten alles im Ueberfluß haben, 
und fid) ergößen. Die Muthlofen und Schwachen 
laſſen fie zu böfen Göttern wandern, oder verftoßen 
fie in Abgründe gegen Morden, bie Yon ewigen 
Ä " Schnee 


Much die Neu: Seelaͤnder und uͤbrigen Suͤdſee-In⸗ 
fulaner find der Meinung, taf tie Scelen derer, 
weiche eined unnatülichen Todes geficrben, ungläds 
lich feyn, wohl gar ewig im euer würden acmıarz 
tert werden. Cooks letzte Reifen I. 138. 405, II. 100. 


9) Voy, au Nord v. 23.04, Der Bater Le Petit 
Lettr, Edif. VII. 11. 12. ſchildert die Meinung der 
Natchez anders, wie ed miraber ſcheint, nicht richtig. 


r) Coors legte Reiſen U, cc, Sorfter’s Beob. ©. 480. 


\ N 
. - I 


S 


— — 0 771 


Einer’ und &ife ſtarren 5). Selbſi die alteſten 


Griechen beſtimmten ihr Eiyſi ium nur für bie Abs 
koͤmmlinge und Anverwandten ber Götter‘, befons 
ders für die Melden des goldenen Zeitalters, fo 
wie fie. die Zitanen, die Feinde der Götter, in, 
den Tartarus warfen. Ale übrige Seelen ließen 
fit im Hades, oder in den Dertern der Schatten 


zuſammenkommen; und biefen Hades dachten fie. 


fih jo wenig beneidenswertb, daß der Schatfen des 
Achill beym Homer verfihert: er wolle die Wer⸗ 
herrſchaft über die ganze Unterwelt mit dem Dien⸗ 
ſte bey einem armen Manne auf biefer Erbe vers 


tauſchen. Aefchylus und Dindar waren bie Em | | 


ſten, welche die Griechen init den Begriffen einer 
Vergeltung ded Guten und Boͤſen befannk- mach⸗ 
ten 8). Unſere älteften Vorfahren badıten nicht 
richtiger, als die rohen Griechen. Ju Odin's 
Palhalla kamen keine andere, als Helden und 
Krieger, die ihr Leben im Kampfe verlohren hat⸗ 
ten. Alle diejenigen, welche eines natuͤrlichen To⸗ 


des ſtarben, alle Weiber und Knechte, blieben von 


der Wohnung und Geſellſchaft Odin's ausgeſchloſ⸗ 
ſen: ausgenommen, wenn Weiber und Knechte mit 
ihren Gatten und Herren, oder für dieſelben geſtor⸗ 
ben waren, und mit dieſen zugleich anlangten. Die 
ſeligen Helden ergößten ſich im Balhalla, wie auf 
diefer Erde. Sie tranfen ſtarkes Bier, oder Meth 
aus den Schedeln erſclagener Feinde „und ſaͤttig⸗ 
ten 
5) Maregraf p-19. Leg. Allg. Sammi. der Rei⸗ 
fen, XVI. 508.5 


4) Man f. Heerens Abb. in der Bert, Dorathoſchuift 
vom 8 1788. Don, May 421 uf, 


Ce 2 


/ 
⸗ . 
* 
vw. 


- jaren in den Himmel kommen würden x). 


178 . — — 


sven ſich mit dem Fleiſche eines Ebers, der ſich 
ſtets wieder ergänzte. Sie jagten, uͤbten ſich in 
den Waffen, und kaͤmpften gegen einauder. In 
dieſen Kaͤmpfen geſchah es oft, daß ſie ſich ein⸗ 
ander verwundeten, und mitten durchhauten. Dieſe 
Wunden mochten aber ſo gefaͤhrlich ſeyn, als fie 
wollten, fo heilten fie gleidy wieder u). Selbft 
zu Peters des Broßen Zeiten hasten die Ruffen 
Die Lehren bes Chriſtenthums Baum fo gut gefaßt, 


als die Scandinaviſchen Dichter Lange vor ber feier 
lichen Aufnahme ber Chriftlichen Religion. AB 


Weber fi in Rußland aufhielt, glaubten bie ges 
meinen Ruſſen neh, daß nur. die Czaren und Bo⸗ 


- 


end 


u) Barthol. 386 et Tg. p. Keisler ps 129. 146. Mal. 


let p. 74. 75. Die Sagen, oder Nachrichıen über 
dad Crepusculum deofum, oder den Lusergang 
der Welt und der Götter, über Dertet der Freude 
‚und Quaal, wo die Gerechten belohnt, and die Uns 
gerechten befttaft werden, find unftreitig, wie mans 
.. de andere, die fich in den nordiichen Denkmaͤhlern 
finden, fpäteren, oder Ehriftlichen Urfprungs. Hier⸗ 
über fehe man Mallet 9,78, Keisler p. 118-126. 


x) Weber 1. ↄa9. Ich könnte noch eine Menge von 
Zeugniſſen dafür anführen, daß rohe Völker nichts 
von einer Vergeltung des Guten und Böfen wiflen, 
‚oder die Derter der Freude bloß den Reichen uud 
Mächtigen geöffnet glauben. Das Eine oder daB Aue 

. dere erzählen von den Wilden am Dronofo und den 
ehemabligen Mericanern, Gily II- 204. 111.13, 23; 
15. 38, von den Wilden zidifchen Arracau und 
Pegu, Symes p. 447. von den Heiden in Sumas 
tra, Marsden p. 25% Wenn einige Schriftfteller 
ſagten, daß on der Meinung von ganz rohen Böls 
- Bern die guten Menfchen zu guten Göttern, oder in 
Oexter der Seligkeit, die böfen zu böfen Göttern, 

a oder 


/ 


— — — 773 
Wenn Voͤlker endlich ſo weit it gelangten, daß 


ſie eine Vergeltung des Guten und Boͤſen, Bee 


loehnungen und Strafen nach dieſem Leben fir noth⸗ 
wendig zu halten anfingen; ſo entkraͤfteten ſie dieſe 


wichtige Lehre gaͤnzlich dadurch, daß ſie Froͤmmig⸗ 


keit und Tugend in etwas ſetzten, was auch Gott⸗ 
loſe und Laſterhafte haben, und thun konnten: 
naͤmlich in das Bekenntniß gewiſſer Meinungen, 
und in die Ausübung gewiſſer gottesdienſtlicher 
Handlungen; ober daß fie ſich einbildeten: Froͤm⸗ 


migkeit und Tugend fönnten durch etiwad Anderes 


erfeßt, Laſter und Verbrechen koͤnnten ohne Beſſe⸗ 
zung und Genugthuung abgekauft werden. Alle 
nicht ganz aufgeflärte Voͤlker kannten Feine ang 
dere Belohnungen, als finnlihe Freuden und irs 
difche Güter: Feine andere Strafen, als cörperliche 
feiden und irdifdye Uebel; oder fie ließen gar bie 


hoͤchſte Seligkeit nach biefem Leben bald in einem’ 


Verſchwinden in die Gottheit, bald in einem Der 
ſchwinden in Nichts beſtehen. 


Die Vorſtellungen der alten Moraenl ͤndiſchen 
Voͤlker, ſelbſt der Juden 4), von den Zuſtaͤnden ber 
Vergeltung find zu Dunkel, ober ungewiß, und bie 
ber Griechen zu bekannt, al& daß ich mid, bey ben 

| eb 


Lu 


oder in Derter ber Quaal kaͤmen, wie 3. B. Georgi 


Beſchr. S. 59. von den Wotjaͤlen, Öldendorp I, 


339. von gewiffen Negern, und ein Jeſuitiſcher 

Miſſionar von den Natchez, Lettr. Edif. VII, 15. 

N, E. fo verſtanden fie entweder ſolche Voͤlker nicht 

recht, oder legten ihnen ihre Art zu deuten und 
. zu reden unter, 


y) Man f, Farmer’s Preface 3; fa. -p p. Winderus 


de vita functorum Batu p. 14. 75. 240. 188. 205. 


f 7 


[4 


v 


4 — — 


einen, und den anberen Lange aufhalten follte. Mur 
finde ich nöthig, in Anfehung der Griechen drey 
Bemerkungen herzufegen. Erſtlich muß ih meine 
Leſer daran erinnern, bag ſelbſt In den Zeiten 
des Disco Maͤnner, die für befondere Vertraute 
und Gänftlinge der Götter gehalten wurden, naͤm⸗ 
lich die fo genannten Orphiker, bie Derter ber Freu⸗ 
be viel finnlicher fchilderten, als bie älteften Dich: 


., ter fie gefhilbert hatten: daß fie bie Seligkeit ber 


Freunde ber Götter in ewige Schmänfe, und in eine 
beftändige Trunkenheit feßten: daß fie diefe Selig⸗ 


keit allen denen verfprachen, bie fi; von ihnen hats 


ten reinigen und einmweihen laflen; und daß fie bins 
gegen bie übrigen Menſchen in den Tartarus, oder 
in die Derter der Quaal verwiefen 2). Zweytens: 
Gibbon und mande andere Geſchichtforſcher ließen 
fih durch einige Aeußerangen des Cicero und Se; 
neca, in welchen biefe Weltweiſen das Elyfium 
und ben Tartarus ber Dichter für Mährden ers 


. Hörten, die nicht einmahl vom gemeinften Pöbel 


geglaubt würden, zu der Behauptung verführen: 
daß bie alte Volks, Meligion, und nahmentlich 
Die Lehren von den Belohnungen und Strafen nad 
ben Tode in ben leßten Zeiten ber Republik, und 
noch mehr in dan erſten Sahrhunterten nad Chrifti 
Geburt erfchüttert worden. Diefe Brkauptung 


wird durch alle zuberläffige Denknaͤhler aus jenen“ 


x t 


= Beiten, am meiſten durch die Schriften des Lu: 


eian widerlegt a), Nach den Zeugniffen dieſes 


.. großen Sittenmahlers war unter den damahligen 


Grie⸗ 


| 2) Plato de Republ, Vol. I. p. ios et fq. ; 
ein. L 399. 408. 470. Il. sp: 640. beſ. 903 


we wap 
% 


* ** 


on — — 272185 


Griechen and Römern! ber Staube an ben Habes, 


an ben Tartarus und Elyſium, an die Guͤmpfe, 


Fluͤſſe und Gefilde der Unterwelt, an die Wach⸗ 


ter, Fuͤhrer und Richter der Schatten, an die Die⸗ 


nes und Dienerinnen- der letßteren fo feſt und allges 


“ mein, als jemahls 5): fo feſt und allgemein, dag 


man ben Verſtorbenen durchgehends einen Obol in 


den Mund fleckte, damit fie dem Charon das Faͤhr⸗ 
‚gelb entrigten koͤnnten c). Drittens war es ein 
-alter. und allgemeiner Glaube, daß bie Schatten 
‚ber eined zu frühen, oder eined gewaltfamen Tas 


bes‘ Geſtorbenen, befonderd die Schatten der Un⸗ 


begrabenen umherirrten, ober: in geiviffen Trauer⸗ 


gefilden d) verweilten, bis auch fie in die unteries 
difchen Wohnungen aufgenommien werden koͤnnten. 


band⸗ 


By L. c. iI. 923. 6 usy dr woiuc OusÄoc , * ra u 


ooPoı xaAssıv, ."Ounpw re za jaıdo, a Top al- 


Aoic nuforsiig mapı Farwu warlonsvor =. - = Ton. 


Allein Aucian ſcheint a an einer Stelle ſeiner Ab⸗ | 


ruxæ uro ry yn Basuv,. Adyu vraurylacı etc. 


e) p. 926, Taura Erwg 10gupwg wapısiyAuds Tag 


moAAac, us’ smsidav Ts amwIauy TWv OINBIOY, Tom 
vu ev Depovreg oßoAov, ac To zoum nure)guuw ' 


erw, AIOJov TW MORIAM TC vaurıllag Yayıao“ 
kavov, In einigen Gegenden: von Griechenland, 


3. B. in der Stadt Hermione glaubte man, daß man, 


von da aus einen kürzeren Weg zu den unterirdis 


ſchen Derteen habe, als anderswo; und man gab 
deßwegen den Todten kein Fahrgeld mit. ap äp- 
Aiovsue ds rsYpuAlersı ryv sig ads naruBaav GUV- 
ronov sival., ÖIOEBp Eu wvriganaıy uraude rs v8 


xpoic vauAav. " Strabo VI. 575. | j —— 
a) Campis iugentibus, Windetus 138 et B p. 


\ 


— 


1 — — 
_ Yanblung über die Trauer nach der Denkart feis 


ner Zeitgensfien noch bon einem gewiſſen Mittel⸗ 
Drte zu reden, wo bie Seelen berer, die.weber fehr 
gut, noch fehr böfe geweſen feyen, ſich aufbielten, 
und großen Hunger litten, wenn fie nit von ben 


nachgebliebenen Anderwandten beftäubig mit Speife 


u: Trank vwerforat würden e)y. Mena Lucian 
unter dieſem Mittelorte nicht Die Trauergefil de vers 
Rand; fo war der Mittelort ein neuer Zuſatz zu 


den unterirbifchen Dertern, von melden ich mich 
nicht erinnere, fonft eine Spur .gefunden zu baben, 


Viele andere Voͤlker befchrieben bie Derter 
der Strafe eben fo gräßlich, ober noch gräßlicher; 
Feine Aber mahlten bie Dester bes Belohnung fo 
feenhaft, ale bie Mahomebauer f), Mahomet 
folgte alleın Anfehen nach einem alten Volksglanu⸗ 


ben, indem er fieben Stuffen fo wohl in den Ders 


tern der Seligkeit, als ber Dual aunahm; allein 


‚er lehrte die Araber etwas gang nened und uner⸗ 


Poͤrtes, wenn er die Belohnungen und Strafen dis 
nes Anderen ‚Lebens, und bie Grade von van 
". , “ j \ @ ⸗ 


be. 2.920. Ol de u nianhiu wollaı aurac ure 
or Tu Amıumri TÄRFUNTR MUSUTEV CWHRTWN, OKI 

“ nstogehar; ax URO 77 DR NRTETER KarUNc adayı 
Conaydi. rpepgvrai dengm Tuig mag My Xamic, zu 
Tols xWrayılausug amı Toy TaDan, dic 6 To ag 
7 Karaksleınevog Ursp ync PrAoc, y evyysuc 
aquroc vdroc varpoc, ae Äsmortoy 0% aureic wol« 
raverai. 


9— Fœ Chardin w. a22 e (9, p. Ho S. 202. Pyrard 


Ing, Min vergleiche damit Tavernier 1.986, 


Aber die Johannis, Ehrifien. 


| - 00m‘ 
allein, ober doch vorzuͤglich von deu Glauben, 


und Unglauben der Mienfihen. abhängig machte g). 
Wiederum entlehute er wahricheinlich die Farben, 
womit er das Paradies, und bie Freuden dei 
Paradieſes darftellte, aus den Mähren, melde 
von jeher eine ber vornehmften Unterhaltungen 
der Morgenlänber ausmachten. Wenigſtens gleidit 
fein Paradies volllommen einem Teens Pallafe, 
und die Derrlichkeiten des Paradiefed den Wun⸗ 
bern, bie von ben Feen, und ben Lieblingen ber 
‚Feen erzählt wurben. Wenn die Gläubigen aus 
bem Teiche des Lebens getrunken haben, fo nchmen 
fie den Weg des Parabiefes. Ein Engel, der die 
Schluͤſſel des Paradiefed hat, oͤffnet ihnen die 
Thore. Die Öläubigen gehen. hinein, und fegen 
fi) an dad Ufer des großen Rauffer, ober des 
Fluſſes der Freuden. Diefer Fluß wird von ei⸗ 
nem unermeslichen Baume uͤberſchattet. Jedes 
Blatt dieſes Baumes iſt ſo groß, daß Jemand, 


ber fünfzig taufend Jahre mit der. groͤſten Schnel⸗ 


ligkeit vitte, doch nicht aus dem Schatten’ vefiels 


ben heransfommen würde. Mahomer and Aly 


bieten ben Nektar des Fluſſes der Freude in golörs 
nen Gefäßen dar. Ihnen folgen zahllofe Kaufen 
von bimmlifchen Jungfrauen, deren unvergaͤngliche 


Reitze zum Vergnügen der Gläubigen beſtimmt 


find. Tugend und Schönheit, Geſundheit und 
Stärke find gleich unvergänglih, Im Parabiefe 
| | gibt 


g) Chardin IV. 23. Leurs livres enfeignent, . no - 


le principal fujet, fur lequel on comptera ay ' 
dornier jour, ferä la matiere de foi et de reve£- 

Jation, ... . Ils ajoutent, qu’on n'interrögera 

fur les.oeuvres, que leg gehe, gui aurent die - 
“ dans la bonne Religion, nn 


‘ 


718 | —— 


gibt es eben ſo wenig verbotene, als qatlis⸗ 
Freuden h). Die gemeinen Steine des Paradie⸗ 
ſes find Perlen, und bie Mauern find aus Dies 
‚manten zufammengefeßt. Selbſt bie Stämme ber 
Bäume beftchen ans bem reinften Golde. Die 
am wenigften Seligen wohnen in Zelten, bie mit 
Perlen, Gmaragben, und anderen Edelſteinen 
reich geſchmuͤckt find. ie laben fih mit den aus: 
gefuchteften Leckerbiſſen, und ben koͤſtlichſten Wei—⸗ 
nen. SKeiner ‚hat weniger, als achtzig tanfenb 
Sclaven, und zwey und fiebenzig himmlifche Jung⸗ 
frauen. Wenn Jemand Kinder wünfht, fo mers 
. ben fie nicht bkoß augenblicklich empfangen, und 
.gebohren, ſondern gelangen nuch gleich bis zum Al; 
ter bes Mannbarkeit i). — Alle diefe Seligkei⸗ 
‚ten ertserben bie Mahomebaner burch Gebete, Fa⸗ 
ſten, Reinigungen, Wallfahrten, milde Gaben, 

beſonders durch einen feſten Glauber. Wenn fie 

ſich auch der groͤſten Verbrechen ſchuldig gemacht 
haben, ſo koͤnnen ſie doch durch dieſelbigen Gnaden⸗ 

mittel entſuͤndigt, oder gereinigt, und des von 

bieſes theilhaftig werden. 


Die Hindus nehmen ſi eben Welten der Strafe, 
nub Marter, eben fo viele Welten der Reinigung, 
die Meiften fagen, des Belohnung und Seligkeit, 
. and zwiſchen den einen, und den auberen, bie Erbe 
. ale ben Mittelpanct, oder bie Scheldewand an a 
Au 


, 


) Chardin ke. p. 3% | 
5) Hoͤſt l.c. u 


k) ‚Rogers I. 20- 21 C. Ezour. Vedam I, 300. 
Dow Preface 38 et ſq. - 


- 


| — 2279 


Auch die unterſte Welt der Belohnung iſt fo voll 
von Seligkeiten, daß diejenigen, welche fie bewoh⸗ 


nen, Feine höhere Freuden begehren, ja nicht eins 
mahl denken Finnen. Wer bis an das Ende der 
Veßten, oder hoͤchſten Welt von Belohnungen ge⸗ 
langt iſt, geht in den achten Himmel über, mo 
Dramab feltft wohnt, oder verſchwindet in Gotn 
Die Verſchwinden in Gott befteht in einem fol 

Grade des Entzuͤckens, wodurch alles Bewuß * 
ſeyn ausgeloͤſcht wird. Ein Hindu mag gelebt 
ben, wie er will, ſo iſt er ſeiner Seligkeit nach 
dem Tode ſicher, wenn er an gewiſſen heiligen Or⸗ 
ten, oder mit einem Kuhſchwanz in der Hand 
ſtirbt, oder wenn er ſeine Gebeine in den Ganges 
werfen laͤßt ). Hat Jemand auch das Ungluͤck, 
um ſeiner Thaten willen in Eine der ſieben Welten 
der. Strafe geſtuͤrzt zu werden; ſo brauchen ſeine 
Anverwandten nur nach Gaha zu wallfahrten, an 
tiefem Orte von einem gewiſſen Mehl einen Teig 
zu machen, einige Stüde des Teiges auf einen 


. Stein zu legen , und dabey den Nahmen des Wers 
ſtorbenen auszuſprechen. So bald dieſes aefher 


hen ift, wird ber biäher Verdammte In einen der - 
Derter ber Seligkeit derſetzt m). 


Alle Völker des oͤſtlichen, und ſuͤdlichen 
a end ”) denken über die Derter der Duaal und 
der 


2 Rogers. l. c, und Tavernier IL, 160, 167, 
m) Rogers II, 5. 20. 


n) Die Thibetaner, Georg. 253-265 p. Die Eals 
mycken, Kepedin 1. 291. Pallas Reifen, 1.345. 
Die Siamefen, Louhere I. 363 et 4 p. Di vor 

| a0, 


- 780 — —— 

ber: Seligkeit, fo wie uͤber die Mittel, in bie er 
nen zu gelangen, und den anderen zu entgehen, faſt 
ſo, wie bie Hindus; und wenn fie von dieſen abs 
weichen, fo ift «8 entweder nur in den Zahl ber 
aluͤcklichen, und unglüclichen Derter, oder in ben 
Ausdruͤcken, womit fie die hoͤchſte, und letzte Be⸗ 
gluͤckung der Seligen bezeichnen. Sie nennen dieſe 
bald ein Verſchwinden in Gott, bald aber auch ein 
WVerſchwinden in Nichts; und fagen babey ausdruͤck⸗ 
lich, daß dieß Verſchwinden in Nichts mit einem 
gänzlichen Aufhoͤren alles Empfindens, und Den⸗ 
kens, alles Wollens und Wirkens verbunden ſey o) 


Mehrere Voͤlker redeten von ſtillen Wohnun⸗ 
gen, ober von Oertern ber Ruhe, in welchen ber 
Aufenthalte dem Verſchwinden in Michtd darin 
‚ähnlich war, daß man weder Vergnuͤgungen, noch 
Schmerzen empfand. Selbſt die Chriftlichen Lap⸗ 
pen laſſen bie abgeſchiebenen Seelen bis zum Zage 
bed Gerichts bey ber Mutter bed Todes bleiben, 
von welcher fie vorgeben, daß fie nicht weit unter 
der Oberfläche ber Erbe wohne p), . Die Perfer 
behanpten außer bem Paradieſe, oder ter Hoͤlle 
— U einen 


Bass, Mariny 391-985 p. Die Erinefen, Le 
Comte II. 126, et lq. 2. Die Japaneſen, Bin 
pfee . 1, 299. H. 262. 


e) Loub, I, c. p. 392. «.- qu'elle jouie d'une eter- 

nelje inaction, et d’ana vraye impafhbilite, 

Niereupan, dilent-ils, c'eſt a dire, Cette ame 

a difparü: elle ne reviendra plus en aueun 

monde: et c’eft ce mot, que les Partugais om 

_ traduit par ceux - ci, elle s'efl aneantie, er pt 
Cetix- ei encare, elle eft derenus nn die, 


) Georgi's Beſchreib. ©, 12. 


» 


nn 





| 
u 
| 
| 
| 
| 


° n 


— — 221 


einen imbus, oder Mittelort, wo weder Freu⸗ 
den, noch Schmerzen, ſondern nur Ruhe ſey. 
Sie beſtimmen dieſen Limbus fuͤr Kinder, Schwach⸗ 
finnige, und Wahnſinnige, denen ihre Handlun⸗ 
gen nicht zugerechnet werben konnten 9). Einige 
Grönländer waren zwepfelhaft, ob es Derter der 
Zreube gebe. Wenn bergleihen vorhanden feyen, 
fo Fönnten fie doch nur eine Zeitlang dauern. Die 


abgefihiedenen Seelen wärden nämlih aus dem 
‚Parapiefe in file Wohnungen übergeben, von 
welchen die Groͤnlaͤnder Eeine nähere Nagrichten | 


zu geben wußten r). 


| Man zeigte in den verſchiedenſten Gegenden 
der Erde bald ſtinkende Suͤmpfe s), unb a 


Gewaͤſſer $), bald tiefe Erd; oder Felshoͤhlen 

bald brennende Felder, und fenrige Schlünde, als 
die Eingänge zu den unterirdifchen Dertern übers 
haupt, ober doch zu den Dertern der Prüfung und 
Strafe. So wie die Griechen des Alterthuns 
erzählten, daß die Titanen unter bem Aetna bes 


graben ſeyen; fo erzählten vormahls, unb erzähs 


len vielleicht noch jeßt die Chriften im untern Ita: 
lien, und Sicilien, daß die Seelen der Verdamm⸗ 


ten von Zeufeln am Staliänifchen Ufer abgehoplt, 


nad Gicilien binübergerudert, und dort in bie 


9) Chardin IV. ı9, 
r) Crang ©, 260. 


s) 3.8. Ru Lucians Zeiten die Gümpfe am Eu: 


. Phrat,. 1. 468. 
6) 3, B. den Styr in Arkadien. Panfan. vant, 6.17.18 


22 * *. die Höhle ved Heiligen Peine in Re 


Schluͤn⸗ 


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. 4 
— 


Schluͤnde des Aetna geworfen würden x). Aeltere 


Nordiſche Schriftſteller, die von Sicilien ſelbſt 


wenige, ober gar keine Kenntniſſe hatten, hörten 
fhon, bag Gregor der Große in einem feiner 


Werke den Nena für den Eingang in die Hoͤlle, 


und die Schlünbe, oder Abgründe beffelben für bie 
Hölle feibft gehalten habe y). Sie wagten daher 
auch nicht, dieſer Behauptung zu widerfprechen. 
Zugleich aber hielten ſik e8 für wahrfcheinlicher, 
daß die Hölle fidy in Island, beſonders im Innern 
nnd in ber Nähe des Hekla finde, weil hier beyde 
Arten von Marten, die durch die aͤußerſte Kälte, 
und durch die hoͤchſte Hiße mit einander verbunden 
ſeyen. Es war von den erften Zeiten des Chris 


ſtenthums an herrſchender Volksglaube im alten 
- " Scandinavien, daß die Hölle fih in den Glet⸗ 
ſchern, und brennenden Schlünden bed Hella fir _ 


de 2). Ein heil ver Parfen, bie nad dem “ 


- Feuer: Felde auf der Halbinfel Okedra wallſahr⸗ 


ten, iſt der Meinung zugethan, daß ber Teufel 
unter biefem Feuerfelde gemartert, und daß die 


hervorbrechenden Flammen durch das- Fett deſſel⸗ 
ben unterhalten werben a). Man trift eine dem 


Seuerfelde auf Okesra ähnliche Stelle nahe bey 
dem Dorfe Zrinidad in Peru an. Es ſteigt näms 
lich eine halbe Stunde von biefem Drte in einer nies‘ 
drigen Gegend beftäntig ein dicker und ſchwarzer 


| > Rauch auf, der einen Schwefelgeruch verbreitet. 


— Bis⸗ 
&) de Borch I, 83. 


.Y Barthol. II. c. 6. p. 358. . 


2) 1. c. p. 359. 360, 


a) Man | bed jüngern Gmeling Reiſ. II, 45, 3 
ſchings Magaz. III, 4, elins Reif. TI, 45. Bu- 


Wisweilen brechen auch Flammen hervor. Die 
Ummoßner halten dieſen Ort für Eine der Muͤn⸗ 
dungen der Hoͤlle; und manche derſelben geben vor, 
daß man heftige Geſchreys von Gepeinigten, auch 
Das Raſſeln von Ketten, und andere furchtbara 
Geraͤuſche höre. Die auffteigenben Dünfte find fo 

gefährlich, daß fie diejenigen, melde fi zu nahe 
hinzuwagen, betäuben, und ihnen nicht felten hitzi⸗ 


ge Fieber zuzichen b). Viel merfwürbiget, als 


alle dieſe Sagen, iſt die Meinung, welche viele 
Jahrhunderte lang im noͤrdlichen Europa herrſchte, 
daß Britannien, oder die dieſem Lande zunaͤchſt 
liegenden Inſeln die Wohnungen von Daͤmonen, 
und Helden, oder der abgeſchiedenen Seelen uͤber⸗ 


haupt ſeyen. Schon im Zeitalter des Plutarch 


hörte der Grammatiker Demerrius während ſei⸗ 
ned Aufenihalts in Vritannien c), daß es viele 
zerftreute unbewohnte Infeln gebe, auf einigen von 
weldhen Dämonen und Merven hanfen follten. Ex 
befuchte Eins der Eylande, die den wuͤſten Infeln 
am nächften lagen. Er fand auf diefem Eylande: 
nur wenige Einwohner por, die von allen Abgas 
ben, und anderen öffentkichen Laften frey waren d). 
Bald nach feiner Ankunft entftand ein heftiges Uns 
gewitter mit furdhtbaren Winden, Vonnerfehlägen, 
und Blitzen begleitet. Die Inſulaner fagten ihm, 
daß irgend ein Geift, oder eine Seele von höhes 


rem Range ihren Coͤrper verlaffen haben müfle.. 


So wie nämlich eine brennende Lampe vielen leuch⸗ 
te, 

 bxGage IV. c a. p. 236, 237. 
c) Plut, de orac, let, Op. VII. 652. 653. 


H9 . c. laſec ds 504 aavAss ERYTaG vo Aperruav 


ovrac. 


734 | m m ‚ 


te, und baburd) nüßlih fen, bey ihrem Erloͤſcher 
aber beſchwerlich twerbe; eben fo ſeyen audy große 
Seelen während ihrer Vereinigung mit den Cor 
per, und gleichfam während ihres Glanzes viel 
wohlthaͤtig. Bey ihrem, Erloͤſchen hingegen er 
regten fie oft Ungemitter, und nicht felten gefähr 
liche Krankheiten. Auf Einer der wuͤſten Inſeln, 
feßte han hinzu, werde ber ſchlafende Saturn 
vom Briareus bewacht. Der-Schlaf fey die Fe 
‚ fel, woburd der Gott fefigehalten werbe, ungen 
achtet er viele Dämonen zu feiner Bebienung um 
fid) habe. In dem Zeitraume zwiſchen dem Dius 
earch und Procop verbreitete ſich die Meinung, 
daß das fand ber Seelen in ber Nähe von Bri⸗ 
tannien fey, viel weiter, und biltete fi) audy mehr 
aus. Die Inſel Brittia, ſagt der zuleBt genannte 
Geſchichtſchreiber e), Liegt in eines Entfernung don 
swenhundert Stadien den Münbdungen des Rheins 
gegenüber zwifchen Britannien und Thule. Diefe 
Anfel wird von drey Völkern, ben Angel, deu 
Srifen, und Brittonen bewohnt. Die Bevoͤlke⸗ 
rung nimmt unter ben drey Nationen fo ſehr zu, 
daß Manche fih mit Weibern und Kindern auf 
das Fraͤnkiſche Gebiet begeben, wo man ihnen 
wüftliegenbe Länberenen anmweist. Viele Perfonen 
haben mir von der Infel Brittia Dinge erzählt, 
tie Träumen, oder Mährchen ähnlich feinen, 
don welchen fie aber mit. dern groͤſten Ernfte bes 
theuerten, baß fie diefelben mit ihren eigenen Aus 
gen gefehen, mit ihren eigenen Ohren gehoͤrt haͤt⸗ 
ten. Die Hauptſache befteht darin, daß bie abge 
* fihtedenen Seelen auf folgende Urt nach der Inſel 
Brittia übergefegt werben. Auf der gegenüber 
on (tes 
e) In Grotii Hiß. Gothorum p..467. 471. 72. 


V 


* 


— 785 


| Legenden Küße find viele Dörfer, bie theils von 


| 
| 
| 
| 


l 
! 


—X 


Fiſchern, theils von Ackerlenten uud Kaufleuten 
bewohnt werden, und den Fraͤnkiſchen Scepter 
unterworfen find. Alle dieſe Köftenbewohner zah⸗ 


len keinen Tribut wegen des beſtaͤndigen Dienſtes, 
welchen fie zu leiſten haben. Ste maͤſſen nämlich 
der Reihe nach die abgeſchtedenen Seelen nach der 
Inſel Brittia hinuͤberbringen. Diejenigen alſo, 


welche die Reihe trift, hatten ſich zu Haufe, bid 


‚fie in der Nacht aufgefordert werden. Die Auf⸗ 


forderung geſchieht durch das Schlagen an bie 


Hausthuͤr, und durch eine vernehmliche Stimme, 


gefchehe wirklich da, was fe don fi erzählten, 
. Dob 


So bald fie das eine, und das andere hören, bes 
geben fie fi) an das Uſer des Meers. Hier fius 
den fie ledige Schiffe ver, und zwar nicht ihre ei» 
genen, fondern fremde. In dem Augendlick, 100 
fie dieſelben beſteigen, fühlen fie, daß die Schiffe 
tief in's Waſſer gehen, als wenn fie mit vielen 
Menfhen, oder mit einer ſchweren Saft befrachtet 
wären. Die Fuͤhrer fehen Niemanden, und exreis 
hen das Brittiſche Ufer in Zeit yon Einer Stunde, 
anftatt daß fie mit ihren eigenen Schiffen Faum in 
vier und zwanzig Stunden hinüber kommen Eönnen. 
Gleich nach dem Anlanden merken fie, daß die 
Schiffer erleiihtert werden. So wenig fie waͤh⸗ 
vend der Fahrt Jemanden wahrnehmen, eben fo 
wenig entdecken fie das Ausſteigen, oder Ausſtei⸗. 
gende. Allen fie hören eine Stimme, melde bie 
Nahmen, und Würden derer, die mitgefahren 
find, bey Weibera die Nahmen und Würden ihrer 
Männer ausruft”. Man kann vernünftiger Weiſe 
nit Daran zwenfeln, daß bie ehemahligen Bewoh⸗ 
ner der Hollaͤndiſchen Hüfte felbft glaubten: Ihnen 


und 


786° — — 


und ihre Beherrſcher glauben machten. Dieß 
zweyte Geſicht iſt wenigſtens ſo intereſſant, als 
das, was vorn:ahl unter ben Seh fgetiländifgen 
| ‚Nieten fo häufig war, 


Ale Völker, welche bie Fortdauer ber See— 
len anerkannten, fuͤrchteten auch das, was wir im 
Deutſchen Geſpenſter nennen f). Unter Geſpen⸗ 
ſtern verſtand man nicht alle abgeſchiedene Seelen, 
die noch nicht im die unterirdiſchen Derter eingegan⸗ 
. gen ſeyen, oder zu gewiſſen Zeiten aus denſelben 
zuruͤckkehrten, ſondern entweder die Seelen von 


Ungluͤcklichen, die nicht in bie unterirdiſchen Der: 


ter aufgenommen worden, oder die von boͤſen Men: 
ſchen, welche ein Vergnügen daran finden, bie des 


Benden zu plagen, ober von böfen Geiftern dazu 


genoͤthigt würden. Zu ben erſtern rechneten bie 


— Griechen und Römer die Seelen aller derjenigen, 


bie eined gewaltfamen, und eben bewegen früßs 
geitigen Todes geftorben waren: beſonders, wenn 
Ä en nicht die legten Ehren erwieſen worden g). 
Du 


P Die Römer brauchten die Ausdruͤcke, umbrae, 
lemures, larvae, bie Griechen oxıy , sıdwin, 

. , Qevracuare, ' bisweilen Jasuovec, Guther. Il, 
‚ €. ı6. Lucian. III, p. 56. wiewehl alle dieſe Woͤr⸗ 
ter nicht fo beſttmmt waren, als das Deutſche Ge⸗ 


ſpenſt. 
- g) Lueian. IM, 56 p. TI & uAo; 7 raroyı Tov_ada- 
Aavrivov MOJDUEN . . HYEICTY Ömiuovag Tivag wiyay, 
. 20. Payraguare, m -vanpay buxgas zapımoisıy 
Unsp yn6, 0. Dawsosoy, öc av syelmeıw; . „6 
1 06 PR 6, > » My TETo Das Toxiedys, Tas 
. \ Toy 





don Sterbenden, daß fie ihre Moͤrder unaufhoͤrlich 


— — 57 ‚787 


—8 


©. Hefe ber gemeinen Meinung ni vicht in bie . 


unterirdiſchen Derter zugelaffen wurden; fo irrten 
fie umher, ‚erfchienen ben Lebenden, ober gaben 
fi) auf andere Arten zu erfennen, bald, damit ih⸗ 


nen je eher, je lieber bie letzten Ehren erwieſen 
würden: bald damit fie ſich an denjenigen rächen 
‚möchten, welche vie Urſache ihred Todes, oder ih» 


res fonftigen Ungluͤcks geweſen waren. Griechi⸗ 
ſche und Roͤmiſche Geſchichtſchreiber fo wohl, als 
Weltweiſe erzaͤhlten manche Beyſpiele von Ge⸗ 
ſpenſtern, welche Jahre lang Haͤuſer, oder Ge⸗ 
genden beunruhigt haͤtten, bis man ſie veranlaßte, 


‚oder noͤthigte, den Grund ihrer Erſcheinungen und 


VBeunruhigungen anzugeben h). Häufer, und Ges 


” genden, behauptete man, - wurden augenblicklich 
befreyt, wenn man die heimlich eingefcharrten Ges 


beine wieder ausgrub, und mit den gehörigen Eh⸗ 


ren beſtattete. Nicht weniger zahlreih waren bie 
Beyſpiele von ſolchen abgeſchiedenen Seelen, welche 
die Urheber ihres Todes bey Tage und bey Nacht 


verfolgten 53). Es mar eine gewoͤhnliche Drohung 
bes 


zw Bang amotRvoVvroYV | povac yuxas mepıvosey, 
60V sirig auıykare, 7 anerumdy ryv nepaaıv, 9 
avscnoAomiody, . . TuS dETWY Kar HipKv ao 
Jayoyrav sxeri; etc. Gutherv II, €. 16, 

h) Zu ben von Butherius angeführten DBeyipielen 
füge ih noch das hinzu, was Lucian lı c. p. 57. 
58. aus den Munde eines Bustegrifgen Welwei 
ſen erzaͤhlt. | 

i) Guther, 1, c, 249, 250, 


Ddb 2 nn 


zu. — — 


beunruhigen wollten 4). Wenn man ſich Yon bem. 
Werfolgungen der Geiſter erſchlagener Feinde, und 
noch mehr böfer Menſchen nicht los machen fonnte ; 
ſo grub man ihre Ueberbleibſel aus, und verſtuͤm⸗ 
melte dieſe, oder verbrannte ſie. Dieß thaten 
nicht bloß die alten Scandinavier )), ſondern auch 
bie meneren Griechen. Als Touruefort ſich auf 
Ser Fuſel DMycone aufhielt m), entſtand auf eins 
mahl da6 Gerücht, bag ein Bauer, ber,. man 
wuſte nit, wie und Don wen erfhlagen worben 
war, Nachts umher gehe, bie Leute auf ben Stra; 
6:u von hinten umfaſſe, . ja fo gar. in die Däufer 
bringe, Lampen ausloͤfche, Hausgeraͤth umwerfe, 
und andere Streiche ſpiele. Das Geruͤcht nahen 
je länger, deſto mehr zu. Die Griſtlichen glanbs . 
ten es eben fo fe und allgemein, als die Layın, 
baß ter Geiſt ded Erſchlagenen umberwauble, 
Man fieng an, zur Ubwendung der großen Plage 
Meſſen zu leſen. Die Meſſen halfen nichts. Im 
Gegmtheil ward das Uebel immer ärger. Hier⸗ 
auf beſchloß man nadı neun Zagen das Grab, was 
in einer Capelle war, zu öffnen, dem moternten 
Todten bad Der; aus dem Leibe zu reiffen, und 
FR or dieß 
AM) Eo ſagte Dis: 

oniuibus umbra locie adero, dabis iaprobe 

poemns. amd Horaʒ; Ep: 5! 
Qui ubi yerire joflus expirsvero, 
nocturnus occurranı furor: 
petamque vulms umbre catvis unguibue 
e vis deorum el Manium: 
* Er:inquietis afidens prascordis, 
pavore ſomnos auferam, 


3) Barıhol, IL, a, p. 066, 
m) I, 90: 64, 


vieß Herz zu veebreunen. Alle dieſe gräßlichen 
Unftalten entflammten bie Phantafie ‘der Griechen 


=. auf Mykone nur noch mehr. Auch nad) ber Ver⸗ 


Brennung bed Herzens ſetzte der Unhold feine Be⸗ 
anrnhigungen ohne Unterlaß fort. Wiele Fami⸗ 

kien waren ſchon im Begriff, voll verzweyfelndet 
Angſt Mykone zu verlaſſen, als auf einmahl Je⸗ 


mand, mie begeiftert rief, daß man alle Ueber⸗ 


bleibſel des Unholdes n), verbrennen muͤſſe. Die 
ganze Gemeine frohlockte bey dieſem —— 
Man errichtete einen großen Scheiterhaufen, ver⸗ 
wandelte den ſchon zerfleiſchten feinem tn Aſche, 
und fah von dieſem Augenblick an kein Geſpenſt 
mehr. Dan foll im ganzen Archipelagus glans 
ben, baß ber Teufel bie Leiber derer, welde als 
Geſpenſter umher gehen, wieder belebe, daß aber 
fo etwas nur ben Griechen begegne, bie ber Gries 
chiſchen Religion zugethan ſeyen 0). Man ver 
brennt daher tie Leichaame von Umgehenden, das 
mit nichts Adria bleibe, was ber Teufel beleben, 
oder wereiu er ſich huͤllen koͤnne. 


Ich beſchließe bie piöherigen Unterfadungen 
mit einer kurzen Geſchichte ber Lehre von ber See⸗ 
len: Wanderumg. 


Diefe Meinung mar, und * unter fo ders 
ſchledenartigen Wölkern verbreitet, und zeigt ſich 
tn fo wancherley Seſtalten, daß man auch ohne 

ge⸗ 


ꝛe) Quil falloit brüler le Vroueolacas tout entier. 


0, ri c. p. 54 Dams tout l’Archipel on Aft perfuä- 
u'il n'ya, que les Grecs du rite Gree, 
don. e diable raninie Jos cadavres. 


‚ , 


u 


j 
De — — 


gehane Prüfung mit. Zuverſicht amehmen koͤnute: 
ſie ſey nicht allenthalben durch dieſelbigen Bergen 
laſſungen, und gleichſam aus denſelbigen Praͤmiſ⸗ 
fen entſtanden. Einige Voͤlker ließen bloß bie 
Seelen von Kindern in bie Leiber don anderen ums 
gebohrnen Kindern wandern. Andere hielten «6 
für wahrſcheinlicher, daß die abgefchiebenen See⸗ 
Yen anderer Menſchen in, neuen menſchlichen Leiberu 
gleichſain wiedergebohren, ald daß fie in ein Land 
der Seelen, ober. in. Dexter ber Geeligleit, und 
‘der Duadl übergehen würden. Won beyden uns 
terfchie den ſich diejenigen, melde behaupteten, daß 
bie Seelen vicht bloß in die Leiber von Mexnſchen, 
fondern aud in die von Thieren, je fo gar in als 
lerley Gewaͤchſe ber Erbe einfehrten. Man Eans 
von allen roheren Mationen ohne Ausnahme, oder 
mit fehr geringen Uusnahmen fagen, daß fie das 

Wandern des Seelen meder als einen Zuſtand ber 

Vergeltung, noch als einen Zuſtand ber Meinigung 

betrachtet haben. . Diejenigen Völker hingegen, 

welche beftändige Wanderungen. der Seelen in dem 

einen, ober anderen Lichte betrachteten, ließen dieſe 

Wanderungen auch in den Welten.der Strafe und 

Reinigung bis zum Verſchwinden in Gott, ober 

in das Nichts fortdauern. Viele Voͤlker wußten 
bloß von Wanderungen menſchlicher Seelen in 
menſchliche Leiber; und ſelbſt die Meiſten berjenis 
gen Nationen, welche Seelen in die Leiber von 
Thieren, wie apn Menſchen einkehren ließen, kann⸗ 
ten oder glaubten an keine Verwandlungen von 
Goͤttern In Thiere. Aus bepden Gründen iſt bie 
Vermuthung meines verſtorbenen Freundes Liedes 
mann p) unzulaͤſſig, dag ber Glaube an bie 
\ | MWans 
r) S. deſſ. Abh. im Deutfchen Mufeum, Sept. 1770. 


. 





| 


. 
— 


u Ir 
/ Te * J 
— — | #. 791. 
Wonderungen menſchlicher Seelen aus den Sigm 
der Verwandlungen von Göttern in Thiere ent: 
fprungen ſey. Der Gedanke des Wanderns von 
"menfchlichen Seelen in inenſchliche, und ſelbſt thie⸗ 
rifche Seiber lag den roheften Völkern fehr nahe. 
Ale Wilde hegem die Meinung, daß bie menſch⸗ 
liche Seele den Coͤrper häufig fo wohl im Zuftande 


des Wachens und der Gefunbheit, als des Schlafs, 


a 


der Verzuͤckung und Krankheit verlaffes daß ents 
flohene Seelen können eingehohlt, beſchaͤdigte Sees 


len audgebeffert, verlohrne, durch andere Seelen 


fo wohl von Thieren, als von Mienfchen erfeßt 


werden. Alle Wilde beten Tihiere an, oder wenn 


fie diefelben audy nicht anbeten, trauen fie benfels 
ben menfcherähnlihe Bernunft und Sprache zu. 
Eben daher find audy alle rohere Völker, welche 

die Fortdauer der menſchlichen Seelen, oder die’ ein 
Sand der Seelen behaupten, überzeugt, daß bie‘ 
Seeken ver Thiere gleichfalls ‚fortbauern, und in 


das Sand-der Seelen fommen werben g). Einige 


vebeten fo gar von jüngften Gerichten, von Belohs 
nungen, und Strafen, welche bie Seelen der Thiere 
nicht weniger, als die der Menſchen zu erwarten | 
hätten rn) 


‚Die re der Seelenwanderung bietet ſich in J 
ihrer einfachſten Form unter ben Amertcantfchen 
Wilden dar. Dieſe glauben naͤmlich, daß die See⸗ 

| len⸗ 


4). Man ſ. z. B. Georgi's Zechreib S. — u 
— ©. ‚Charleveiz p. 353. 229 
Ve . j 


r) Die Cambojer, ‚Argenola I, 33, Die Calmy⸗ 
den, Lepechin I. 295. 


m. -—— 


len der Rinber in ankere menſchliche Leiber einlche 
‚ven werben: theils, weil fie das Leben fo wenig 

aeuoſſen haben , theils damit fie binlänglich erfiazs 
ken, um bereinft im Lande der. Gerlen ihre Mah⸗ 
sung ſachen gu koͤnnen. Sie begraben deßwegen 
Kinder nahe au befuchten Wegen oder Fußfieigen, 
um deu Seelen das Einkehren in die Frucht von 
vorübergehenden ſchwaugeren Weibern zu erleich⸗ 
gern 5). 


Andere Voͤlker fo wohl in America, als in 
Afrika t) verfihern, daß die abgeſchiedenen Seelen 
nur in die Leiber von Meunſchen einkehren. Unter 
ben Negern, bie dieſen Glauben haben, ſcheint es 
eine Jemeine Meinung zu ſeyn, daß ein Jeder ber 
Megel nach ia dem Stande wieder gebohren wer⸗ 
de, in welchem er Ein Mahl gelebt habe. Cie 
reger an ber Goldkuͤſte, der einem Earopaͤer dier⸗ 
te, fagte zu Roͤmer w): daß er Sort bitten wolle, 

daß diefer ihn nicht wieder als Sclaven eines Blau: 

ken gebohren werben laſſe. Wenn Gott diefe Bine 
wicht erhoͤre, fo wolle er ſich Lieben mir ihm ſchla⸗ 
gen, als noch einmakl in den Dienft eined Blanken 
zurüclfehren, Auf die Frage: was er benu wer: 


den wolle, antwortete ber Neger: Selav eines Abe - 


niags von Achim. Auf eine zwehte Trage: warum 
nicht lieber der König ſelbſt? erwiederte er: dieß 
ſey vamoͤglich. Go oft er noch in die Welt gekom⸗ 
men, 

s) Charlavoix p. 34 
6) Bon den Apaladiren, Samml. der Reifen KVI. 
8. on ten Karaburı's, ad rn Neger, 
endorp. 1. 318. 341. von den. Loangern s 
ger im Deusfchen Proiart 130 ©. 
n) ©. 86. 87. 


‚& - 


— — _ 


— — — — m 
. 
. 


— — = 18 - 


| men, ſey er immer Sclave gewefen. Gr werde es | 
. auch bleiben, er möge wiebergebohren werden, fo 


vft er wolle, Die Ebnigliche Kamille in Loango 


macht auf. dad Privilegium Anfprud, daß bie . 


Seelen ihrer Angehörigen nus in bie Leiber der 
uhgebohrnen Kinder ihres eigenen Geſchlechts ein« 


wandern, Auch die Vornehmen unter den Kaya 
baris, und einigen anderen Neger » Völkern begras _ 


ben die verſtorbenen Auverwandten in ber Nähe 


- ihrer Wohnungen, damit die abgefchiedenen Sees 
len berfelben fo aleich in bie Leiber der erfien Kin⸗ 


ber einwandern koͤnnen, bie in der Familie gebohs 


ren werben x). Die Neger in Sifiny glauben, daß 


die abgefchiedenen Seelen ber Menfchen, bie auf 
diefer Erde ſterben, in eine andere Welt übergehen, 
welche fie in den. Mittelpanct ter Erde fegen: daß 
fie dort in Die. Leiber von neugebohrnen Kindern eins 


wanders, und in neuen Leibern tiebergebehren 
‚werben: baß die Seelen besjenigen, bie in der an: 

dern Melt fterben, in gleicher Abfiht auf unſere 

Erbe fommen: daß alfo biefelbigen Seelen abwedy. 


felnd bald in jener Welt, und bald auf diefer Erbe 
wohnen y). Es ſcheint, daß manche Gallier und 
Thraeier der alten Zeit auf diefelbige, oder eiae 

— aͤhn⸗ 


= Oldendorpl, c, Götting. Magazin von 1783. 


6 St. E. 849. 


y) Loyerp. 257. Ile eroyent, qu’apres Jegr-mort, 
leur ame vs en l’auıre monde, qu’ils erahtiflent. 


au centre de la terre: guz la elle anime unnou- 
venu Corps au ventre d'nne femme, et que 
ceux de ce monde- a vienuem en eelbi-.ci eu 

faire autant. ' Ainfi elternetivament ſelon lenr 
eroyance , tantöt ils demeurent en ce monde- 
ci, ettantöt dans l’autre, j 


r 


—1___.. 


- 
rn — — 


— — 


"man mit den Leichnamen ber Verſtorbenen begrub, 


794 — — 
ähnliche Art gebacht haben. Wenigſtens Laffen ſich 
unter dieſer Vorausſetzung bie Zeugniſſe alter 


Schriftſteller am beſten erklaͤren, in welchen es 


heißt, daß nach der Meinung ber genanuten Voͤl⸗ 
er bie abgeſchiedenen Seelen aus einem Coͤrper in 
den andern übergehen, daß fie auf diefe Erde zw 


ruͤck kommen, baf fie zwar zum XZamolris wam 


dern, aber doch hieher zurück ehren wärben z). 
Alle dieſe Zeugniffe find mit einer folhen Wieder⸗ 


‚geburt zu einem unvergänglichen gluͤcklichen Leben, 


bergleichen Delloutier den’ Geltifhen Völkern zu 
zuſchreiben fuchte, durchaus unpereinbar a). Ue 
brigend hatte diefer Geſchichtforſcher Net, wenn 
er behanptete, daß die vornehmften WBegräbnißr 
Gebraͤuche der alt : Europätfchen Völker mit ber 


gemeinen Metempfuchofe nicht beftehen Tönnten, 


vermöge deren abgeſchiedene Seelen fo gleich im bie 
Leber von Menſchen, oder Tihieren anf biefer Er⸗ 
de einwandern. Die vielen Koftbarkeiten , welche 


oder 


3) -Caofar VI. 14. Imprimis. hoc volunt perfuade- 
re, non interire animas, [ed ab aliis poſt mor« 

tem tranfire ad alios; atque hac maxime ad 
virtutem excitari putant, metu morlis negleeto, 
Mela II. c. 3. Getae ad mertem paratiflimi. id 
vgria perfieit opinio. Ali redituras putant ani- 
ma$ obeuntium._ Solin. c. 153. Thracibus et 
barbaris inet contıemtus vitae. „.„ Concordant 
omnes ad interitum volımtarium, dum nonnulli 
putant abeuntium animas reverii, Aehnliche 
Zenanijie ded Kucan, des Appian, und des Sui- 
das überlaffe ich zum: Nachleſen beym Pelloutier 
II. p. 340. 541. Edda ap, Heisler. p, 117. Cre- 
‚debatar antiquitus homines iterum nalci, illad 
vero nunc pro anili errore habetur., 


a, L. c, 331 et fq. p. 





— 


, u — — TI 
ober verbrannt: "die Wriefe‘ ind Naceicten, 
welche man Verſtorbenen mitgab: bie Anmeifuns 
gen, ober Schulds Werfäweibungen, melde man 
auf die andere Welt ertheitte und annahm b): ende ° 
Lich; die Menſchenopfer, welde.uan an den Bräs 
bern oder Scheiterhaufen ver Berftorbenen brachte, 

nöthigen einen jeben unbefangenen Forſcher, vielen 
Bewohnern des. alten Europa entweder die Denk⸗ 
art der Neger in Iſſiny,“ vder auch bie Meinung 
zuzueignen: daß zwar die abgeſchiedenen Seelen . 
nach dem Tode der Coͤrper in die Wohnungen des 
Odin, oben. bed Zamolxis, ober. andere Götter 
übergehen: daß fie aber nach gewiffen Zeiträumen 
auf diefe Erde zuruͤckkehren, und bier in neuen 
Leibern wuͤrden wieder gebohren werden. 

Die Meinung : daß abgeſchiedene Seelen eben 
fo-wohl in die Leiber von Thieren, als von Men⸗ 
ſchen einwandern, findet ſich ſchon unter vielen 
Wilden in Amerkca, und Afrika ce). Es befrem⸗ 
det mich, daß ſie ſich nicht unter allen fand, wel⸗ 
che uͤberhaupt an Seelenwanderung glaubten. Selbſt 
bie Wilden ſchonen bie Thiere, melde fie für Bid 
Wohnungen ber abgeſchiedenen Seelen ber Bor 
fahren halten ce). Un—⸗ 


) Die Zeuguiſſe hieruͤber fiehen beym Delloutier II. 
320. 321. 332. 333. Ich führe bloß die bekanxte 
Sch: des Valerius Maximus an: N. 6. n. 10. 
.. vetue ille mos Gallornm oecurrit, quos me 
moriae proditum eft, pecunias mutuas, quaa 
his apad inferos redderentur, dare [olitos, quod 
"perfuafum habuerint, animas hominum im« 
mortales efle, 

e) Dobrizhofer II. 85. Voy, au Nord v. 23. Ol; 

dendorp DS. 341. 

es) Voy. au Nord l. c. Les uns e’Imaginent, qua ' 
leur ame dait paller dans le corps de quelque 
animal, 


— —— — a 2 
x 


Unter ben Wölfenn bes Alterthums waren bie 
Acgyptier nicht die Erſten, welche bie Unfterblichkeit 
ber Seele lehrten d), wohl aber Die erften, welcht 
an bie Wanderungen abgefchiebener Seelen nmicht 
bloß in bie Leiber ven Menſchen, fonderir auch don 
Thieren glaubten. Mad dem Bericht des Hero⸗ 
dot ſahen die Aegyptier bie Seelenwanderung we⸗ 
der als einen Zuſtaud ber Strafe, noch ber Rei⸗ 
nigung oder Belohnung an. Sie ließen bie menſch⸗ 
lichen Seelen ohne Unterfchted bregtaufend Sabre 
lang durch alle Arten von Landehieren, Fiſchen und 
Vögeln wandern, und nad ber Bollendang dieſes 
Kreislaufs wieder menſchliche Goͤrper beleben 2). 
Es ift unbekannt, wie fie diefe Meinung von ber 
Geelenwanberung an die Vorſtellungen von unterir⸗ 
bischen Dertern anpaßten, oder mit den Genuſſe 
bes Fleiſches ber nicht angebeteten und unverletzli⸗ 
gGen Thiere vereinigten. Es iſt einlsuchtend, daß 
eine genaue Prüfung aller hieher gehoͤrigen Stel⸗ 
len ber Alten, und aller in der nenern Zeit dar⸗ 
über vorgetragenen Hypotheſen an diefem Orte uns 
zeitig wäre. Die Lehre von der Geelenwunderung 
ward Don mehreren ſowohl älteren, als fpäteren 
Griechiſchen Weltweifen angennmmen, und pflanzte 
fi durch dieſe auf Chriftlidye Gecten fort. Un⸗ 
tie ben forttauernden Gecten , welche wenigſtens 
auf den Nahmen vom Ehrifilihen Anſpruch mas 
den, behaupten bie Drufen und Maſſairier allein noch 
die Seelenwanderung. Die Erfteren Ichren, Daß 
die Seelen von Gläubigen in tie Leiber neugebohr 
nes Kinder wandern, bie don Ungläubigen hinges 

gen 


4) ©» fagt Herodot II. 183. 
4) ib. 





ü 
. 


| 


) 


Of adxr p. i47. 


— — — 999 
gen in Hunde fahren f). Die Diaffatrier Befäreh 


a i 


ben die Manderung der Seelen ſowohl als einen 
Zuſtand der Reinigung, als der Strafe. Glaͤu⸗ 
bige branchen nur wenige Hüllen, oder Hemden ans 
zunehmen und abzulegen, um fo weit gereinigt 34 


werben ‚ daß fie in dad Paradies gelangen können, 


Das Durchgehen durch achtzig Wanderungen nennen _ 
fie vie Hölle, Seelen, welchedieſe Wanderung zu⸗ 
ruͤckgelegt haben, wandern zuleßt in Schaafe, und 


bleiben ald Schaafe fo Lange auf biefer Erde, bis 


Sochra ober Sarima wieterfommtg). Es ſchrint 


mir mehr, ald zwenfelhaft, daß bie Meinung von 


der Seelenwanderung zu bem ältefien Volksglau⸗ 
ben der Hindus gehört habe, Menigfiend laͤßt 


fih diefe Meinung mit mehreren der aͤlteſten, noch 
fortbauernden Gebraͤuchen bey ber Beſtattung von, 


Todten, nahmentlich mic dem Begraben von Schaͤ- 
“Ben, und dem Verbrennen der Weiber ſchwerlich 


vereinigen. . Die Lehre Hen ber Metempfpchofe mag 
aber in Hindoſtan entfianden, ober eingeführt wor: 
ten’fegn, wann fe will; fo ift ed außer allem Zwey⸗ 
fel, daß fie. fi vom hier aus über das ganze oͤſt⸗ 
liche und ſuͤdliche Aſten fortgepflanzt hat, und daß 
die Metempfpchofe, welche bie Hindus fammt als 
len Völkern tes oͤſtlichen und fünlichen Aſiens Ich» 


ven, fi von ber Seelenwanderang aller übrigen. 


befannten Nationen in mehreren Städen unterſchei⸗ 
det 4). Die Hindus und dern Schüler betrachten 
— | | bie 


) Niebuhrs Reifen IL 448. _ 
k) Urber die Mehre der Seelenwanderung unter ben 
Handus ſ. Rogere 1.6.18, ©, ı70. 171. H. €. ar. 
443.0. %e ©. Den Tinbstanem, Georgi pP. 253.487. 
Den Kalmyken, Lepechin I. 290. Den Giplaue⸗ 


fen, - 


\ 


bie Wanderungen ber Seelen nicht bloß ald Strafe, 
ſondern auch als Reinigung und Belohnung, ober 
fie Iaffen bie Seelen fo wohl in den Welten der 
Reinigung und Belohnung, als der Strafe won: 
dern. Die höchfte Seligkeit findet nicht cher Statt, 
al6 bi6 alle Wanderungen aufhören, und die See⸗ 
len fich in die Gottheit, oder bad Nichte verlie⸗ 
ren: wedwegen man audy bisweilen bie Mölle is 
eine endloſe Reihe von Wanderungen febt 5). Eben 
biefe Voͤlker glauben ferner, bag bie Seelen fo wohl 
aus den Welten der Strafe, als aus benen der Reis 
nigung und Belohnung auf diefe Erbe häufig zuruͤck⸗ 
kehren; und nad) ben Graben ihrer Berbienfte oder 
Schuld gluͤcklich, oder unglädlid wieder gebohs 
ren werden. Aus ten Verbienften, oder ver Schuld 
Dorhergegangener Zuſtaͤnde erklären fie e8, daß auf 
dieſer Erde fo oft Unfchuldige leiden, und böfe Mens 
ſchen glücklich feyen &). Die Einen, fagen fie, has 
ben in einem Horhergehenden Leben etwas verſchul⸗ 
det: bie Anderen, burdy gute Handlungen fid ihres 
gegenwärtigen Glücks wärbig gemacht. Die Hin 
bus endlich, und alle übrige Bewohner bes äftlichen 
und füblichen Aſiens halten dafür, bag die Seelen 
' Ä eben 


fen, Kaox p. 85. Den Siamefen und anderen Hins 
terindifchen Voͤlkern, Loubere I. 363. 382. 384. 
392-94. Mariny p. 391. 92. Den Chinelen, Le 

Comte 1. 133-1379. Den Japaneſen, Bämpfer 

..ıLe Ä 

%) Loubere |, c. p. 352. Mais le vray enfer des 
Indiens. n’et, comme je l’ay deja dit, que les 
transmigrations eternelles de ees ames, qui ne 
‚parviendrpnt jamais au Nireupan, c’elt a dire 
a dilparoitre dans toute la duree du monde, 
qu'ils penlent devoir eftre &iernelle, 


) ab. P. 363. 


| treiben, nicht ungünftiger | Finnen eingefhloffen mr; | 


| — in | 708 
eben fü wohl in Me Sewaͤchſe der Erde, als in menſch⸗ 
liche und thieriſche Leiber fahren: daß die Gewaͤchſe 
der Erde einerley Seelen mit den Menſchen und 

Thieren haben, und daß zmwifchen ben einen ımb ben 
anderen weiter Bein Unterfchied, ald der ber Außer 
ren Geftalt fey. Alle dieſe Völker hüten ſich daher ' 
eben fo fehr, Bäume und andere nuͤtzliche Gewaͤchſe 
zu vernichten, als Menfchen und Thiere zu toͤdten. 
Wenn es irgend moͤglich ift, fo nehmen fie nur bie 
Früchte, oder Blätter, oder foldhe Theile von Bus 
men .und, anderen Gewaͤchſen, melde man nehmen 
Bann, ohne diefelben zu zerſtoͤren. Iſt dieſes nicht ' 
möglich, fo tröften fie fi damit, daß bie Seelen, 
welche fie durch den Verbrauch von Pflanzen aus⸗ 


£4 
— —— 
- 
. 


ben I). Die Lehre von der Seelenwanderung warb, 
wie. eine jede andere Lehre uͤber den Zuſtand der Sees 
len nach bem Tode, von verſchmitzten Geiftlichen, . 
zum Schaden der Leichtgläubigen und Aberglaͤubl— 
gen gemißbraudht m). 


— — — m nl 


d Rogers l. e. 
m) Man ſ. beſ. le Comte I, c, 





, 


» \ 


| Nachtrag 
zu dem Verzeichniſſe der angefuͤhrten Schriften. 


* 





Beavers, Capt. African Memoranda: relative to an 

“ Attempt to etablilh a Britilh Settlement on the 
jsland of Bulama on the weltern Coalt uf Afriea in 
the Year 1792. London 1805, 4. 

Urawford's Skeiches chiefly relating to the Hillary, 
Religion, Learning, and Manners of the Hin- 
doss. London 1790, 8. 

F. Depon's-Noyage à la Partie orientale de la Terre 

- ferme dans l’Amerique meridionale, fait pendant 

les anndes ıgor - 1804 Paris 906. 3 Bande in 8. 

J. Grifith’s Travels in Europa, Afie Miner, and 
Arabia. London 1805. 4. - 

Perrin du Lac Voyage dans les deux Lauifianes, et 

"ches les Nations [auvages du Miflouri, par les 
Etats -unie, l’ohio, et les Previnces, qui les bor- 
dent, en 1601 180%. 1803. Lyon 1806. 8. _ 

BR. Orme's Hiforical fragmente of the Mogul Em- 
pire, of the Marattoes, and of the Englilb Con- 
corns in Hindoftau from the Year 1659, London 
4806. 4. Dieſer mıuen Ausgabe der hiftorical frag- 
ments find mebrere interefiante, noch nicht gebrudie 

‚ Schriften von Orme angehängt. 

A, Parkin/on’s Tour in America in 1798.'99. amd 
1800. London 2 dein. | 
Rohrers Bemertun,en auf einer Neife von der Tür: 
fifchen Graͤuze über die Bukowina durch Oſt⸗ und Wells 
Galizien, Schleſien und Mähren nach Wien, Wien 


1804. 8. 
- P, Skinner’s Prefent State of Peru, London 180%, 4. 


Tenn ant’s,W. Indian Recreätions; eonlifing chiefiy 
of Strictures on the Domeſtie and rural Economy 
of ıhe Mahomedans, and Hindoes, Edinburgh 

. 1803, 2 Bde Be Ä 

J. Turnbul®s Voyage round the World in ıhe Years 

1800 - 1804,‘ London 1805. 3 Bbe. 8. 

Nouveau Foyage en Elpagne, Paris 1805. & 

j untere . 


Den 


Tu. Le nn —— — 


—— ——— — — — — 





I 
Li 


Es Berbefferungen 
| und 


3 ufäge sum erfien Band e. 





\ 


&, 10 Note k flatt Intror, p.2. IV. lies Introd, p. 2. 
Ellays Vol, IV. Ze v 

— 14 3. 15 flatt Gremt lied Grant. Auch Turn⸗ 

bull 1. 86. redet von den Zauberern der Neu— 

| Holländer. | | J 

— 20 Note z ſtatt adverſ. Mathem. p. 24. ließ 
| adv. Mathem. 1X, 24. " 

65 Noteg ſtatt VI. lies M. 

— 05 Note a flatt VII lies III. 


— — —— — 


u Ä Unk ang | 
zum achten Abſchnitt des erſten Buchs. Seite 100. 





Das Wiederleſen des Leben des wahnſinnigen He⸗ 
liogabalus vom Campridius hat mir eine vierte, und 
zwar die feltenfte Urfache der Unduldfamfeit von Biel: 

göttern baygebuten? naͤmlich eine folche ausfchließlide 
Borliebe für Einen Gott, vermöge deren man biefen 
, "&ott auf Untoften aller übrigen Götter erheben wollte, 

| Einen folhen unduldfgmen Eifer befaß der Kalfer He⸗ 
liogabalitrs für die gleihnahmige Syriſche Gottheit, 
deren Priefter er gewefen war. Er erbaute feinem 
Gott nicht bloß einen Zempel in Rom, fondern fuchte 
auch den Gott Heliogabalus voy aller übrigen Got⸗ 
tern verehrten zu machen a)» alle übrigen Diner in 
" J eine ; 


a) cı 3, Er id agens, ne quis Romas Deus, nifi Heliogaba- . 
lus coleserur, ar c. 6. Nec Romanas tantum extingnere voluie 
religiones, fed per arbem tertas unum ſtudens, ur Heliogaba+ 
tus Deus unus ubique coleretur, ‚ 


802 — — 

feine Diener zu verwandeln 5), und alle übrige Göt« 
terdienfte,. felbft die, der Suden und Chriſten, in den . 
den Dienft feines Gottes hineinzuzieben c, Um dieſe 
Zwede zu’erveichen, beraubte, und entweihte er Das 
Allerheitigfte vieler Terahel, und ließ fin in Die be- 
rühmteften Myſterien einweihen, deren Geheimniſſe, 
und Heiligthuͤmet er kennen lernen; dber entwenhen 
‚wollte d) on | | 

Zufaß zu ©. 105. 106. = 
Einer der -vortrefliften Beobachter des Hindus 
redet von der Religion diefes Volks, und von ber An: 
hänglichkeit an dieler Religion folgender Geftalt: 
⸗Mildthaͤtigkeit gegen einzelne Menſchen gehört gar 
nicht zu den Vorzügen der HYindus. Die Hindus ge: 
ben reichlich an Brahminen, und Büßerz allein -Diefe 
Gaben find mehr eine Wirkung ihrer Bigotterie, als 
ihrer Menichlichkeit. Bey einzelnen Gelegenheiten, 3. 
B. der Eröffnung eines neuen Serai fheill man reig,- 
liche Almofen aut. Auch diefe fließen bloß aus Oſten⸗ 
tation aus. Die wirklichen Armen finden cher Hülfe 
vor den Thüren der Europäer, als vor benen ihrer 
eigenen Glaubensgenoſſen. Man baut Nagoden und 
Choultried, und uͤbt alsdann eine, große Mildthaͤtigkeit: 
wiederum mehr auf Beheiß der Brahminen, oder aus 

Eitelkeit, ald aus gutem Herzen”. 

„Gin anderer Umftand, wodurch die Religion der 
Hindus dem Fleiße und der Zugend, alfo auch be 
0. ohl⸗ 


b) e.7 Omrles fane deos ſui dei min. MArog eſſe ajebut, quum 
alios ejus cubiculstius appellarer, alios ſetvor, alios diverſa- 
rum rerum Mminiliros, j 

6) ©. 3. Dicebar praricres, Iudaeotum er Sotharicaniorum religio® 
nes, et Chrillian.m selirionem illuc transferendam , ut vm- 
nium cufeurarum fecretum Helivpabalı facerderium tenerer. 

d) ©. 3. eique tempium fecit, Audens et matris typum, er Ve 
flae ignem, et Palladium,. et ancilia, ec omnia Romanis vo⸗ 
neranda in illud trangfterre templum. c. & In virginem Veſtalem 
incelum admifit, Ignem perpetuum extinguere voluit. Et pe- 
netrale factum et auferre cunatus „. . Signum, quod Pails- 

‚ dinm efle credebar, abflulir, er auro frtum in fui Dei tempte 
eollocavit, Matris etiam Deum facsa aczepit, et taufoboliarus 
et, ur eypum eriperet, or alia facra, quae penitus habenrur 

. cendita. x \ 


‚ LK 


— — — — —— 


a. . oo 
. ES _ «u x 803 
! “ 


Wohlfarth bes Volks nachtheilig wird, iſt die große 


Menge von gottesbienftlihen Gebräucen. ‚Saft in je 


„ber Angelegenheit: bes Lebens ift ber. Hindu unter dem 


unmittelbaren Einfluffe feines Volksglaubens. Seine 


* 


Gebete find Leiftungen, welche. er ben Göttern ſchuldig ift. 
Seine Reinigungen, Die Zubereitung und der Genuß fei- 
ner Nahrungsmittel, Die Gegenftände welche er berührt, die 
Perfonen, mit wechen er umgeht, find inögefammt mit 
feiner Religion, und dem ewigen Deil feiner Seelen: 
innig verbunden... Das ſittliche Betragen ift das ein- 


. zige, wo die Religion den Hindu fich felbft überläßt. 


Um das Rechthandeln, und um menfchlihe Geſinnun⸗ 
gen befümmert fih die Neligion im geringften nicht. 


Verletzt aber ein Hindu die geringfle der gottesdienft: 
lichen Vorſchriften, fo läuft er Gefahr, in diefem Le . 


ben aus ber Geſellſchaft gefioßen zu werden, und nad) 
dem Zode in den Cörper eines veraͤchtlichen, oder 
fehädlichen Thiers Zu wandern’. Tennant I. 124. 125.- 


S. 123.3. 32 flatt den Syria lied dea Syria. 


— 126 — 2 — Areraran 1. Xrracan. - 

— 127 — 9 — beherrfeht I. beherrſchte. 

— 144 Note a — Editiantes l. Edifiantes, - 

— — — b — Loubere I, Loubere. 

— 148 Note p ſtatt Kloemenes lies Kleomenes. 

— 151 — d — Reynard |. Regnard. 

— 155 Zeile 19 — Wenn l. Nachdem. 

— 159 Note y — ahamarum |, Lhamarum, 

— — — — joci l. loci. 

— 166 3. 11 — außer der Syria-I. außer der dea 
Syria. | 


— 1793 3 —nvtuͤlich I. natuͤrlich. 


— 198 — 1 — mit l. eine. 
— — — 3 — nd l. nahe. 
— 912 — 15 — nehren I. mehren. 


— 215 — 11 Bufaß zu den Worten: die Talapoinen 


in: Siam, .u. f. w. Die Zalapoinen In Siam. 
treiben die Schonung von Gewaͤchſen Weiter, als 
die Hindus. Allein auch die lestern hüten ſich, 
wie im folgenden wird gezeigt werden‘, vor ber 
Vernichtung nuͤtzlicher Pflanzen fo viel alt mög: 
ich. i 2: R 9JF & “ 


w- — 





I. 


4 


v ame RAND 


des Schweinefleifches im Orient. “Selbſt Die Eus 
ropaͤer in Hindoftan, fagt Tennant (11.22.23) find 
fehr ekel im Genuffe von zahmem Geflügel, und von 
Schweinen, weil Das eine, und die andern mans 
ches Ungeziefer verzehren, wovon der Boden in 
Hindoftan fo wimmelt,.daß er zu leben fcheint. 
With regard to te feeding of poultry of all 
forts, Europeans feem faltidious; but they 
jaftiy obferve, ıhat as fraye, toads, lizards, 
and ndilome inlects [warm upon the ground 


| S. 230. 31 Zuſatz zu den Bemerkungen über ben Abſcheu 


to [uch a degree, as to give it the appearance 


ob buing in a flate of animatinu, it requires 
re[lolution to eat animals, that are known to 


‚eat fo indifcriminately. This remark - with 


regard to the hog is fo {ufl, ıhat you eer- 
tainly cannot partake of it wiıh any confiden. 
ce without huing acquainted with the man- 
ner of breing fattened, — Die Schweine in 
MWeftindien , und im fhdlichen America find eben 
fo gefräßig, und finden auch eben fo viel Unge⸗ 
ziefer, als in Hindoſtan; und doch ziehen bie 


Europaͤer daB Schweinefleifh Allen übrigen als 


das fchmadhaftefte, und gefundefte vor. — Die 
Aegyptier verabfcheuten die Schweine und aßen 
Gänfe, ungeachtet die letzteren eben fo unſau⸗ 


ber in Anfehung ihres Futters find, als die 


Schweine. — Selbft die EChriftlichen Habeffinier 


verabſcheuen, wie Bruce an vielen Stellen er: 


wähnt, nad ber Meife ihrer Vorfahren nicht 
bloß zahme , fondern auch wilde Schweine. Und 
boch ifl es nicht zu bezweifeln, daß das Fleiſch 
roilder Schweine, gehörig zubereitet, gelunder 
wäre, als das rohe Kleifh von meiftens mages 
ven Kühen, das den Habeffiniern ein fo großer 


Leckerbiſſen ift. 


S. 238 Note z flatt 3 Bande lied 7 B. 


999-8. 11. — einen Büfchel I. ein Büuſchel. 


— 241 — 15 — abflammen I, abflammten, 
— 260 Note = Zufag. Etwas ganz anderes, als die 


Keufchheitöopfer in Eypern, war der Dienft, wel: 
hen die der Venus geweihten öffentlichen Bei: 
‚ , ’ ö j " € - 





\ ' l — une ı . 805 

bespexſonen in Korinth leiſteten. In alten Zei-⸗ 

ten, fagt Steabo VIII. 181. ‚war der Tempel 

‚ber Denus in Mxinth fo reih, se wAusc,y. 

xıÄss lspodaäsc sxaxryTo Äraipac, de RYsiycHN 

ry Taw ua avdpss nıy Yuramıc. Die Geweih: 

ten der Venus mußten den Genuß ihrer Reige 

den Verehrern der Göttinn überlaffen, und: den 

Lohn, welchen fie empfingen, in den Scha des 
Tempels legen. a 

&. 265. cher die nadten Joguis führt Tennant I. 

. 194. 195» folgende Stelle aus den Sketches of 

the manners and cuftoms of the Hindoos II. 

913. an. 1) Diejenigen, welche fih' dem Dienſte 

dieſer Gottheit, (bed Lingam) widmen, fchwören 

eine unverlegfe Keufchheit zu bewahren. Gie be- 

rauben fi.) zwar nicht, wie bie Priefter des Atys, 

der Mittel, ihr Gelübde zu brechen, Allein wenn 

Jemand dieß Geluͤbde bräche, fo würde er am 

Leben geflraft werden. Die Priefter des Lingam " 


geben ganz nadend, . Nichts deflomeniger nähern , 


fihb ihnen Weiber, obne daß fielfelbft, oder 
Andere, das geringfte Unehrbare darin fanden. 
Männer, deren Werber unfruchtbar find, erfu- 
chen diefe Heiligen in ihre Haͤuſer zu kommen, 
oder fie ſchicken ihre Weiber in die Xempel; und 
man glaubt, daß die gottesbienftlichen Gebräuche, 
bie in den einen, oder bem andern Falle. beobachtet 
werden, bie gewuͤnſchte Wüfung hervorbringen“. 


— 272 in der Notes ftatt p. 94 l. p. 64. und flatt 
| ao lies ZEN ur 

— 273 Zur Note t. Die Römer rechneten auf eine ges 

wife Art die allegorifchen Gottheiten zu den diis 

incertis. Man lefe folgende Stelle des Kivius 

XXVIT e. 25, Marcellum alise, atque aliae 

objectae animo religiones tenebant, In gui- 

bus quod quum bello Gallico ad Claſtidium 

aedem Honori et Virtuti vovillet, dedicatio 

ejus a -pontificibus impediebatur, quod nega- 

bant unam eellam amplius, quam uni Deo 

site dedicari, Quia fi de caela tacta, aut pro, 

| | digi 


808 u m — 
digii aliguid in ea faciam eflet, difficilis pro- 
‚caratig foret: quod ntri Deo res divina fierer, 

. feiri'non pollet NemK enim duobus nifi cer- 
‚ bis deit, rite una hofka fieri. | 
©. 275 in der Note b ftatt Meorl. 1. Meurf: 
— e ſtatt devov Jewr |. Unvov Jeov. 


— 577 Rote d fl. Veagl. L. Veigl. | 


— 286 Zufas zu dem Ende des Abfages: oder von - 


guten Baben zu gewinnen fuchten. Ganz an= 
ders verhält ed fich freylich mit dem ruchlofen. 
Dikaͤarch, welchen Philipp von Macebonien, 
Bater des Perſeus, mit einer Flotte audfandte, 
um die griechiſchen Inſeln zu verheeren. Diefer 
MWahnfinnige, wie Polybius ihn mit Redt 
nennt, errichtete allenthalben , wo er anlandete, 
zwey Altäre, den einen ber Gottlofigkeit, den 
andern, der Ungerechtigkeit, und opferte denn 
biefen, feinen Gottheiten, wie die Griechen ihren 
Volksgoͤttern opferten. Ariſtomenes bradıte 
in der Zulge dem Dikaͤarch unter langfamen, 
und graufamen Martern um. Polybius zwey⸗ 
felte nicht, daß dieſe unnatürliche Zodesart eine 
„gerechte Rache ſey, welche die Götter und Men: 
"fen an dem lingeheuer genommen hateen'e). 


— 291 3. 17. 18. 19. Man löfche folgende Worte aus); 


- . und gehören bloß zur Trauer, oder ben Trauer: 
Gebraͤuchen. 
— 205 3. 7 ſtatt der größte J. Ein großer. 


— 304 Die Periode: Sie werfen die Leichname der: 


ſelben in's Meer, u.f.w. ſollte fo ausgedruͤckt 
worden ſeyn: Sie laſſen ſich ſelbſt mehrere Mahle 
"ind Meer werfen, um die Seelen der verſtorbe⸗ 
nen Männer zu erfäufen, die fich ihrer Meinung 
nach auf die zuruͤckgebliebenen Witwen werfen, 
„der auf denfelben ausruhen, ©. 


N v 
e) XVII. 35. Verf, Cafaub. „ . ur contra vaecordiae immunitare 
. , Deis pariter er hommibus terrorem fe injecturum ex:llimaverie, 
_Nam ut in portu naves conftituie, duas. exeitavie aras, Impiera- 
tis alteregv, alteram iniqnitatisg er fnper iis rem divinam te- 
eit, ac quafı deos efl iſtos veneratus. Ur equidem non uuhi- 
wem, Deos er homines potnas ab eo, quibps erat dignus, ex- 
peti·ſſe. Nam quiYicam inſtituiſſet contra natutam, merito 

. grıam contra natyram faro eft functus. 


— — — — — — — 


—X 


\ 


N 


— 308 Note x hast Boturan I; Boucan. 
— 307 in dea unterften Zeile fl. der often, Eine l. der 


l 


erſten Einer. 


— 354 Notes ſtatt Plinius Il. NHerodot. 
F — 360 3. 4 tagt gegen I. gen. 
— 370 — 17 — Mecelaus I. Derielait. 
— 374 Rote x Zufag. Es iſt wahrfheintiiher, daß 


‚die Scandinasier die Sdeen vom Untergange, 


- u 0000.87 


4 


— 


und der Wiedergeburt der Welt aus der Bekannt⸗ 


mit den ehrilten geſchoͤpft haben, rn; 


— 382 3. 28 fl. früh I. fehr. 
— 383 Note = fl. Zanugas I. Taeuças, 
— 389 Zuſatz zu den Worten: wiewohl fie (die Römer) 


den Mond bisweilen ald eine maͤnnliche Gottheit be⸗ 
trachteter, und als Lunus anbeteten. Diefe 
Stelle muß auf folgende Art berichtigt werden. 
Man verehrte deu. Mond im ganzen weftficen 


guod Lunae nomina et virilis et foeminei ge- 
neris in linguis Orientis habeantur. in Nat, ad 


2. c, Spart, in Vit, Antonii Coräcallae, " Ich . 


würde umgekehrt fagen: bie Benennungen des 


. Mondes waren in den Morgenländifchen Spra⸗ 


chen bald mänttlichen, bald weiblichen Geſchlechts, 
weil man ihn bald als eine maͤnnliche, bald als eine 
weibliche Gottheit, oder zugleich in beyderley Ge⸗ 


ſtalt verehrte. Die Einwohner der Stadt Karraͤ 


verehrten den Mond als eine männliche Gottbeit, 
und hegten die Meinung, daß Diejenigen, welche 
den Mond als einen männlichen Gott betrachteten, 


Herren ihrer Weiber, ſolche hingegen, die ihm | 


“ als einer weiblichen Gottheit dienten, Knechte ih: 


ver Weiber feyen, oder würden. Spartian. in 
Vita Anton. Carac, c 7. Et quoniam Deikuni 


fecimus mentionem, [ciendum, doctifimisquir | 


busque id memofide traditum, atque ita nurle 
quogue.a Carrenis praecipue-haberi, ut qui 


- Junam foemineo nomine ac [exu_putaverit 


nuncupandam, is addictus mulieribus lemper. 
änlerviat; at vero qui marem deum efle cre- 


_ dide- 


Wien ' bald ald eine männliche, bald als eine . 
weibliche Gottheit: wie Lafaubon vermuthete, 


808 . a ups 


diderit, is domiuetur uspri, neque vllas mu- 
liebres patiatär inhdias,; Unde quamvis Graeci 
vel Aegyptii en genere, quo foeıninam homi. 
y nem, etiam Lunam deam dicunt, myllice 
tamen deum dicunt. Richtiger urtheilte Ca⸗ 
fauben, wenn er fagte, dab Strabo den Mond, 
„da, wo er ald männliche Gottheit verehrt worden, 


sicht seAyyı, ober ayAzvos, fondern un genannt 
habe. Weber bie Zempel ded zyvos, von weldem 


Strabo felbft fagt, daß er mit esAyv7 einerley 
ſey, ſehe man dieſen Schriftfteller L, XII, p. 855- 
Edit, Almel, Ä 

S. 393 3. 2 ft. Sicoird I. Sicard. 

— 416 Note l fl: Barrer I. Barrere. 

— 418 3. 17 ft. Einwohner I. Einwohnern. 

— 419 — 22 — Borftadt I. Vaterfladt. 

— 443 Note g fl. Peruaner I. Peguaner. — 

— 447 3. 18 — Schwan I. Schwein. — 

— 456 — 6 — zu ihren I. vor ihren. 

— 457 Notes — N 8. 1. N. E. 

— 461 3. 16 — ſtellten I. ſtellen. 

— 473 — 24 — ſo weit l. ſo viel. 

— 489 — 29 — in dieſem l. in dieſen. 

— 491 — 5 Note zu den Worten: welches fo viele 
Tempel in Griechenland, u.f. w. In Sparta 
war ein Tempel ber Minerva, in weldhem von 
Alter ber todeswürbige und verurtbeilte Ver: 
brecher Schug fanden. IV. 35. Polyb. 

— 492 3. 20 flatt einen I. einem. | 

— 493 — 3 — unvorfeglid I. unvorfegliche. 

— 497 — 4 — .Trewels I, Travels. 

— 508% 4 — Hnnters I, Hunter’s 

— 517 — 19 —,Nourvelles [, Relation Nouvelle, 

— 518 — 30 — falto I. fauto, 

— 519 — 15 — fione l. five, 

— —— 35 — Semders I. Semlers. 

520 — 7 1785- 8: l. 1785. 4 


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